System des heutigen römischen Rechts: Band 7 [Reprint 2020 ed.] 9783111443362, 9783111076966


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System des heutigen römischen Rechts: Band 7 [Reprint 2020 ed.]
 9783111443362, 9783111076966

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System des

heutigen Römischen Rechts von

Friedrich Carl von Savigny.

Siebenter Band.

IHit. Ä. Zairischen und K. Würtembergischen Privilegien.

Berlin. Äci Veit und Lomp.

1848.

Vorrede. l gegenwärtigen Rechts­

sondern verhindern auch dessen Erneuerung für

jede künftige Zeit

Dabei kann die Frage entstehen, ob ein

späterbin versuchter Rechtsstreit in der Tbat eine unzulässige Erneuerung des durch Vertrag sich schließe

beendigten in

oder ob er als ein ganz neuer,

früheren unabhängiger,

zu betrachten sey.

solche

von dem

Dieselbe Frage

ist schon oben, bei den Folgen des rechtskräftigen Urtheils,

ausführlich behandelt worden,

und

die dort aufgestellten

Regeln finden auch hier ihre Anwendung.

Wenn also die

Frage nach der Identität eines versuchten Rechtsstreits mit

6

Buch II. RechtckverhSttniffe

Kap IV. Verletzung,

einem ftüher beendigten zu beantworten ist, so gelten die» eS mag die Beendigung durch ein rechts­

selben Regeln, kräftiges Urtheil,

oder aber durch einen Vertrag herbeige­ ES hat also in dieser Beziehung

führt worden feint

die pacti

exceptio gleiche Natur mit der exceptio rei

jadicatae (f).

8

303

Surrogate deck Urtheil«.—I Gerichtliches Geftanvniß — Confessio in jure.

Quellen: Die. XLU. 2 (de confessis).

XL 1 (de interrogatio-

nibus in jure faciendis et de interrogatoriis actionibus). Cod. VII. 59 (de confessis).

Paulus V. 5 A, II. 1 § 5. Coi>. Greo

X. 2.

Schriftsteller: Donei.lus Lib. 28

1

Weber Verbindlichkeit zur Beweisführung, herauSg. von

Heffter.

Halle 1832

Vierte Abhandlung und Zus.

S 290- 296. Beth

-Hollweg

Berlin 1827. Puchta Eursus

Versuche

über

Civilprozeß.

Vierte Abhandlung.

der Institutionen,

Auflage 2.

B. 2

§. 173 174

(f) L. 27 § ü 8 de pacti» (2. 14) Vgl oben B 6 Z 414 426. 446

6

Buch II. RechtckverhSttniffe

Kap IV. Verletzung,

einem ftüher beendigten zu beantworten ist, so gelten die» eS mag die Beendigung durch ein rechts­

selben Regeln, kräftiges Urtheil,

oder aber durch einen Vertrag herbeige­ ES hat also in dieser Beziehung

führt worden feint

die pacti

exceptio gleiche Natur mit der exceptio rei

jadicatae (f).

8

303

Surrogate deck Urtheil«.—I Gerichtliches Geftanvniß — Confessio in jure.

Quellen: Die. XLU. 2 (de confessis).

XL 1 (de interrogatio-

nibus in jure faciendis et de interrogatoriis actionibus). Cod. VII. 59 (de confessis).

Paulus V. 5 A, II. 1 § 5. Coi>. Greo

X. 2.

Schriftsteller: Donei.lus Lib. 28

1

Weber Verbindlichkeit zur Beweisführung, herauSg. von

Heffter.

Halle 1832

Vierte Abhandlung und Zus.

S 290- 296. Beth

-Hollweg

Berlin 1827. Puchta Eursus

Versuche

über

Civilprozeß.

Vierte Abhandlung.

der Institutionen,

Auflage 2.

B. 2

§. 173 174

(f) L. 27 § ü 8 de pacti» (2. 14) Vgl oben B 6 Z 414 426. 446

z. 303.

Surrogate.

I

Geständniß.

Confessio.

7

Das Römisch« Recht hat zwei hierher gehörende,

sehr

alle Rechtsinstitute, die wegen ihrer inneren Verwandtschaft

nur in Verbindung mit einander deutlich gemacht werden

können: die confessio in jure, und die interrogatio in jure. Der Grundsatz,

worauf die confessio in jure beruht,

laßt sich so ausdrücken: Wenn ein Beklagter vor dem Prätor die Behauptung des Klägers vollständig einräumt,

so soll

dieses Zugeständniß einer Verurthellung gleich gelten. Nm daS vor dem Prätor (in jure) abgelegte Geständ-

niß sollte dies« eigenthümllche Wirkung haben, vor dem Inder (a).

nicht daS

Daher wird iu den Quellen zuweilen

dem Ausdruck Confessio oder Confessus der Zusatz beige­ geben: in jure (b).

Gemeint ist dieser Zusatz immer, und

darum wird er in den meisten Stellen nicht einmal nöthig

geftmden. In dem

aufgestellten

Grundsatz

liegt eine

zweifache

Wirkung: Der Beklagte ist durch sein Geständniß verpflichtet,

und diese Verpflichtung tritt unmittelbar ein, dazu eines Urtheils bedarf.

ohne daß eS

Durch diese zweite Wirkung

erhält eben das Geständniß seinen besonderen Charakter alS

Surrogat de« Urtheil«

(*) Da» Geständniß vor dem Iu»er hatte immer entscheidenden Ein­

stuß auf da» Urtheil, aber keine selbst­ ständige Natur und keine formelle

Nebeln.

oräo

Seit der Aufhebung de«

judiciorum

dieser Unterschied.

verschwindet

(b) L. 29 § 1 dedon. (39.5) L. 56 de re jud. (42.1), L. im» C. de confesu's (7. 59), L. 4 C. de repud. her. (6. 31).

8

Buch II Rechtsverhältnisse.

Kap. IV Verletzung.

Die Römer drücken den aufgestellten Grundsatz so auS:

Confessus pro judicato est oder habetur (c).

Dieser Aus­

druck aber ist ganz ernstlich gemeint; denn eS soll aus dem

bloßen Geständniß, ohne Urtheil, sogleich Erecution gegen den Beklagten erfolgen, seiner Sachen (d)

durch Abpfändung und Verkauf

Daher wird denn auch das Geständniß

neben das Urtheil und den Eid gestellt,

Linie mit denselben (c)

also auf gleiche

Bei dem Urtheil aber gilt die

durchgreifende Regel: condemnatus ut pecuniam solvat (f).

Die Wahrbeit jenes Grundsatzes also ist außer Zweifel

gesetzt; dennoch hat er nur eine beschränkte Wahrheit, indem

er zunächst und unmittelbar nur für den einzigen Fall gilt, wenn eine Schuldklage auf eine bestimmte Geldsumme an­

gestellt und von dem Beklagten zugestanden wird (g). Der

Grund dieser Beschränkung liegt darin, daß im alten Pro­ zeß auch das Urtheil nur auf eine bestimmte Geldsumme gehen konnte (h), und nur dabei eine unmittelbare Erecution

durch abgepfändete und verkaufte Sachen möglich war

(c) L. 1 3. 6 § 2 de confessis (42. 2), L. 56 de re fud. (42. 1), L. un C. de confessis (7 59), L. 4 C de repud her (6.3t), Paulus u Con Greg, in den oben angeführten Stellen. (d) L.9 C deexecut (7 53), Paulus II. 1 § 5. (e) L. 56 L. 31 de re jud. (42. 1). (f) L 4 § 3 de re jud. (42. 1). (g) L 4 C de repud. her

(6 31) „quod confessos in jure pro judicatis habcri placuit. ad certam quantitatem deberi confitentem pertinet.“ L. 6 pr de confessis (42. 2) „Certum confessus pro judicato erit, incertum non erit.“ Gert nm aber heißt hier und in vielen andern Stetten, die von Klagen handeln, so viel als certa pecunia (B. 5 S. 623—625), wie auch die gleich folgenden Worte zeigen. (h) Gajus IV § 48.

§. 303. Surrogate

I. Geständniß.

9

Confessio.

In allen übrigen Fällen, das heißt, bei dem Geständniß

eines bestimmten Gegenstandes außer baarem Geld, eines

Gegenstandes,

unbestimmten

Fällen überhaupt,

bracht werden,

also

in den

oder

meisten

soll der Beklagte wo möglich dazu ge­

sein Geständniß auf eine bestimmte Geld­

summe zu richten,

also in ein certum zu verwandeln (i).

Ist aber Dieses nicht möglich,

wöhnlicher Prozeß;

so erfolgt nunmehr ein ge­

es wird ein Inder bestellt, eine Litis-

contestation vorgenommen,

und ein Urtheil gesprochen (k).

Man könnte durch diese Unterscheidung verleitet werden,

dem oben ausgestellten Grundsatz eine geringere praktische Bedeutung zuzuschreiben,

als ihm in der That zukommt.

Er ist aber wahr auch für alle übrigen Fälle, nur in einer etwas anderen Weise

In dem nunmehr entstebenden Rechtsstreit ist nämlich der Inder an den Inhalt des Geständnisses streng gebunden; er darf davon nicht abweichen,

hat deshalb Nichts zu

untersuchen (I), und seine Tbätigkeit beschränkt sich darauf,

den eingeräumten Gegenstand in eine bestimmte Geldsumme zu verwandeln (m).

(i) L. 6 § 1 de confessts (42.2) „urgeri debet“ Darin liegt aber weder ein direkter, noch ein indirekter Zwang, außer etwa insofern die grundlose Weigerung vielleicht den Inder zu einem nachtheiligeren Urtheil stimmen könnte. Bethmann-Hollweg S. 265

(k) L. 7 5. 3. 8 de confessis (42. 2). (l) „nihil quaeritur“. L. 56 de re jud. (42. 1), welcher Satz hier ausdrücklrch abgeleitet wird aus der Regel: confessi pro judicatis habentur (m) ,, Judex non rei judicandae, sed aestimandae datur“

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Vrrlktzvnz

10

Die Formel mag in solchen Fällen etwa auf folgende Weise gefaßt worden seyn:

Quod N. Negidius in jure confessus est,

fundum

Cornelianum A. Agerio se dare oportere, quanti is fundus est, eum condemna,

so daß dabei die Intentio: si paret, N. Negidium fundum dare oportere, ganz ausfiel (n).

Kam ein solches Geständniß bei einer arbiträren Klage, insbesondere bei einer Eigenthumöklage vor,

so hatte eS

ganz die Natur einer pronuntiatio, und machte dieselbe ent­ behrlich, indem es ihre Stelle vertrat (o).

Bei der confessio wird noch die besondere Regel er­

wähnt,

daß hier dieselbe gesetzliche Zahlungsfrist eintrete,

wie bei dem Urtheil,

und daß diese von dem Tage des

Geständnisses an gerechnet werden müsse (p).

Nach der bis hierher geführten Untersuchung kann die

gemeinsame Wirkung deS gerichtlichen Geständnisses,

L. 25 § 2. L. 26 ad L. Aquil. (9. 2), L. 40 § 1 de pactis (2. 14). (n) Dieses war nun die actio confessoria, von welcher in dem folgenden § die Rede seyn wird (§ 304 Note k). (o) L. 6 $2 de confessis (42. 2). Ueber die pronuntiatio s. o. B. 6 S. 318—320

an-

(p) L. 6 § 6 de confessis (42. 2), L. 21 de jud. (5. 1), L. 31 de re jud. (42.1), Paulus V. 5 A. § 2. — Natürlich konnte dieser Satz nur gelten von dem auf baares Geld gerichteten Gestandniß, wodurch ein nachfolgen­ des Urtheil ganz entbehrlich wurde (Note g).

§. 303. Surrogate.

I. Geständniß

11

Confessio.

schließend an die Wirkung deS rechtskräftigen Urchrils (q), so ausgedrückt werden: Confessio pro veritate accipitur, und dieser Ausdruck ist gleich wahr und gleich wichtig für jedes gerichtliche Geständniß,

eS mag auf eine Geldschuld

oder auf einen anderen, bestimmten oder unbestimmten Ge­ genstand gerichtet seyn.

In diesem Sinn also kann man

sagen, daß jedes gerichtliche Geständniß als Surrogat eineUrtheils gelten kann,

indem eS,

gleich dem Urtheil,

die

Fiction der Wahrheit, daS heißt, formelle Wahr­

heit,

begründet,

wenngleich eS nicht in allen Fällen ein

nachfolgendes Urtheil entbehrlich macht.

Wenn man daS gerichtliche Geständniß in dieser seiner

allgemeinen Natur auffaßt,

so ist es der reine Gegensatz

deS von dem Kläger vor Gericht ausgesprochenen Verzichts (8 302).

Diese Vergleichung muß auch darin als wahr

anerkannt werden,

daß dem Geständniß sehr verschiedene

Gedanken zum Grunde liegen können;

am häufigsten die

wirkliche Anerkennung deö Rechts des Klägers;

ferner die

bestimmte Abficht, zu schenken; endlich eine unbestimmte, in der Mitte liegende Absicht, das Nachgeben bei einer zweifel­

haften Sache,

um nur den Rechtsstreit zu vermeiden. —

Ferner ist die Vergleichung dahin auszudehnen, daß außer dem gerichtlichen Geständniß auch ein auf gleichen Zweck gerichteter Vertrag vorkommen kann

Dieses ist der Recog-

12

Buch II. Rechtsverhältnisse

nitiv-Berttag,

Kap IV

Verletzung.

der in das Obligationenrecht gehört,

und

gewöhnlich nicht in seiner wahren Natur aufgefaßt wird

Uebrigens kann eine solche consessio in jure auch von

Seiten des Klägers vorkommen, dem Prätor unbedingt erklärt,

den Beklagten habe auf,

wenn nämlich dieser vor

daß er keinen Anspruch an

Dadurch giebt er sein Klagrecht völlig

die Handlung gilt gleich einer rechtskräftigen Frei­

sprechung,

und hat also ganz die Natur eines Surrogats

Ein solcher Fall aber wird in dieser Form

des Urtheils

nur sehr selten vorkommen, und wenn er vorkommt, hat er eine so einfache Natur, daß er näherer Bestimmungen kaum

bedürfen wird

Aus beiden Gründen ist es wohl zu erklären,

daß derselbe, so viel ich weiß, nur in einer einzigen Stelle

des Römischen Rechts erwähnt wird (r), und daß er weder durch die Gesetzgebung, noch durch die Arbeiten der alten

Juristen besonders ausgebildet worden ist

§ Surrogate des Urtheils

304. - I Gerichtliches Geständniß.—

Confessio in jure

lFortsetzung.)

Der oben aufgestellte wichtige Grundsatz über die Kraft

des gerichtlichen Geständnisses des Beklagten hat folgende Entstehung und allmälige Entwicklung gehabt (r) L. 29 § 1 de dan (39. 5). S. o. § 302 Note d. — ES heißt in jener Stell«: „eum actionem jure amisisse respondit“. Wenn er nun dennoch die Klage anstelle»

wollte, so stand lhm ohne Zweifel eine exceptio confessi oder con­ fessoria entgegen, mit gleicher Wirkung,' rote die exceptio rei judicatae.

12

Buch II. Rechtsverhältnisse

nitiv-Berttag,

Kap IV

Verletzung.

der in das Obligationenrecht gehört,

und

gewöhnlich nicht in seiner wahren Natur aufgefaßt wird

Uebrigens kann eine solche consessio in jure auch von

Seiten des Klägers vorkommen, dem Prätor unbedingt erklärt,

den Beklagten habe auf,

wenn nämlich dieser vor

daß er keinen Anspruch an

Dadurch giebt er sein Klagrecht völlig

die Handlung gilt gleich einer rechtskräftigen Frei­

sprechung,

und hat also ganz die Natur eines Surrogats

Ein solcher Fall aber wird in dieser Form

des Urtheils

nur sehr selten vorkommen, und wenn er vorkommt, hat er eine so einfache Natur, daß er näherer Bestimmungen kaum

bedürfen wird

Aus beiden Gründen ist es wohl zu erklären,

daß derselbe, so viel ich weiß, nur in einer einzigen Stelle

des Römischen Rechts erwähnt wird (r), und daß er weder durch die Gesetzgebung, noch durch die Arbeiten der alten

Juristen besonders ausgebildet worden ist

§ Surrogate des Urtheils

304. - I Gerichtliches Geständniß.—

Confessio in jure

lFortsetzung.)

Der oben aufgestellte wichtige Grundsatz über die Kraft

des gerichtlichen Geständnisses des Beklagten hat folgende Entstehung und allmälige Entwicklung gehabt (r) L. 29 § 1 de dan (39. 5). S. o. § 302 Note d. — ES heißt in jener Stell«: „eum actionem jure amisisse respondit“. Wenn er nun dennoch die Klage anstelle»

wollte, so stand lhm ohne Zweifel eine exceptio confessi oder con­ fessoria entgegen, mit gleicher Wirkung,' rote die exceptio rei judicatae.

§ 304.

1

I. Geständniß

Confessio

(Fortsetzung.)

13

Für teu Hauptfall, das Geständniß einer bestimmten

Geldschuld, ist die erste Quelle in der Vorschrift der zwölf Aeris confessi rebusque jure judicatis

Tafeln ZU suchen:

XXX. dies justi sunto etc. (a), in welchem das Geständniß

dem rechtskräftigen Urtheil mit gleicher Kraft an die Seite

gesetzt wurde.

Beiden Thatsachen gleichmäßig wurde hier

die Wirkung der ereculion, wicklung

Schuldknechtschaft,

beigelcgt,

die

der

also der Personal-

an welche stch dann in späterer Ent­

Realerecution

angeschlossen

welcher allein jetzt noch die Rede ist (b).

hat,

von

- Damit war also

der Grund zu diesem Rechtsinstimt gelegt

2

Eine Erweiterung desselben für einige besondere Fälle

wurde durch das prätorische Edict

Klagen galt die Vorschrift,

Für vier

eingeführk.

daß der Beklagte,

wissentlich leugnete und überführt wurde,

wenn er

den eingeklagten

Werth zur Strafe doppelt bezahlen sollte (c);

das Einge-

ständniß schützte also vor dieser Strafe,

und cs konnte im

Fall desselben nur die Frage entstehen,

ob denn der Be­

klagte durch sein Geständniß auch wirklich für den einfachen Werth verpflichtet werde.

Dieses mußte unbedingt ange­

nommen werden, weil das Geständniß hier die Natur eines

(a) Gkllh s XX 10. (b) Ob die Schuldkn echtschäft auf dre Geldschulden aus dem Darlehen beschränkt war, tst streitig; vgl. Savignv über das altrömische Schuldrecht, Abhand­ lungen der Berliner Akademie 1833. Daß die Realerecutio n, in

Holge des Geständnisses wie des Urtheils, auf Geldschulden jeder Art ging, ist unzweifelhaft. (c) Lis inficiando crescit in duplum. Gajus IV. § 9.171 Diese vier Klagen sind: judicati, depensi, damni injuria dati, legati per damnationem relicti

14

Buch 1L RechttverhLltmffe.

Kap. IV. Verletzung.

der Beklagte übernahm die Leistung des

Vergleichs hatte;

einfachen Werthes,

um dadurch der Gefahr der doppelten

Leistung zu entgehen.

Diese in der Natur der Sache ge­

gründete Auffassung erhielt eine ausdrückliche Bestätigung

durch das Edict, welches neben der Klage auf das Doppelte

gegen den Leugnenden auch die einfache Klage gegen den Geständigen aussprach, also die Verpflichtung wegen des Geständnisses geradezu anerkannte (d). —

Indessen konnte

diese Bestimmung nur für die wenigsten unter den angege­

benen Fällen als etwas Neues, Erweiterung,

angesehen werden.

folglich

als eine wahre

Die actio judicati und

depensi gingen ohnehin stets auf eine bestimmte Geldsumme,

und standen also schon unter der Vorschrift der Zwölf Tafeln (Num. 1.); eben so auch die Klage aus dem Legat, wenn dasselbe auf eine Geldsumme gerichtet war.

also als neu,

So blieben

als Gegenstände einer Erweiterung für die

Kraft des Geständnisses,

nur folgende zwei Klagen übrig:

die Klage aus einem legatum damnationis,

wenn dasselbe

auf einen anderen bestimmten Gegenstand, als baares Geld,

z. B. auf ein Haus, ein Pferd u. s. w. gerichtet war, und

die actio legis Aquiliae wegen körperlicher Beschädigung fremder Sachen. sten

Nachrichten

Für den letzten Fall sind uns die genaue­ von dieser neuen Bestimmung über die

Kraft des Geständnisses aufbewahrt, wovon sogleich noch mehr die Rede seyn wird.

(d)

Bethmann - Hollweg S. 265 — 268.

§. 304.

1. Geständniß.

Confessio.

15

(Fortsetzung )

In allen übrigen Fällen eines gerichtlichen Geständnisses

fehlte eS also ganz an ausdrücklichen Bestimmungen über

dessen formelle Kraft.

das

Geständniß

stets

Dennoch ist nicht zu bezweifeln, daß

thatsächliche

Anerkennung

in den

Urtheilen der Richter gefunden haben wird, und zwar ohne

Unterschied,

ob eö vor dem Prätor oder vor dem Juder

abgelegt war.

3.

Die volle Ausdehnung

endlich,

in

welcher

der

Grundsatz oben aufgestellt worden ist (8 303), erhielt der­ selbe erst durch einen Senatöschluß unter der Regierung

d«S K. Marcus Aurelius (oratio D. Marei). wurde bestimmt ausgesprochen,

Hierin

daß bei Klagen aller Art

das vor dem Prätor abgelegte Geständniß für den Beklagten dieselbe verpflichtende Kraft haben sollte, wie ein rechtskräf­ tiges Urtheil (e). — Wenngleich aber die Ausdrücke der alten

Juristen über den Umfang dieses SenatsschluffeS höchst allge­ mein gefaßt sind, so muß derselbe doch auf diejenigen Klagen beschränkt werden,

Verfügung hat,

worüber jede Partei eine völlig freie

welches bei den Klagen über Vermögens­

rechte durchaus der Fall ist.

Dagegen ist dem Geständniß

nicht dieselbe Kraft beizulegen,

wenn es darauf abzweckt,

die persönliche Freiheit deS Geständigen zu verneinen, oder eine Ehe als ungültig darzustellen (f).

4.

Seit dem Untergang des ordo judiciorum hatte jede

(e) L. 6 § 2 de confessis (42. 2), L. 56 de re jud. (42. 1). (f) L- 24. 39 C. de Hb. causa (7. 16), C. 5 X. de eo, gut eognwit (4. 13). — Bethmann-Hollweg S. 274.

Buch II

16

Kap. IV Verletzung,

Rechtsverhältnisse

confessio in judicio die Kraft der alten confessio in jure. Als eigentliches Surrogat aber konnte sie nun nicht mehr gelten,

sondern nur noch als Grundlage eines richterlichen

Urtheils, welches an den Inhalt derselben gebunden war.

Das Wesen des Geständnisses wurde oben darin gesetzt,

daß der Beklagte die Behauptung des Klägers einräume

(§ 303),

also in ein Einverständniß beider Parteien über

diese Behauptung

Nun gebt diese Behauptung stets und

nothwendig auf das Daseyn eines Rechtsverhältnisses, solches aber beruht wieder aus Thatsachen;

ein

zur genaueren

Einsicht in das Wesen des Geständnisses ist es also nöthig, zu bestimmen,

ob als der eigentliche Gegenstand des Ein-

verständniffes das Rechtsvcrhältniß,

oder vielmehr vie

Thatsache gedacht werden müsse.

Der Ausdruck

confessio.

so

wie

der

entsprechende

deutsche Ausdruck, kann leicht dahin führen, die Thatsache als "den unmittelbaren Gegenstand anzuseheil,

des

Einverständnisses

wodurch also das Geständniß als bloßes Be­

weismittel erscheinen könnte;

allein die oben angegebene

juristische Natur desselben, welche in der Gleichstellung mit dem

richterlichen Urtheil besteht,

Rechtsverhältniß.

jedes Urtheil,

führt vielmehr auf das

Denn auf ein solches geht nothwendig

und soll also das Geständniß gleiche Kraft

mit dem Urtheil haben,

in manchen Fällen sogar jedes

$. 304.

I Geständoitz. Confessio. (Fortsetzung.^

17

Urtheil völlig entbehrlich machen (§ 303), so muß es gleichfalls

das Daseyn eines Rechtsverhältnisses unmittelbar feststellen. Diese

Natur deS Geständnisses

wird

denn auch

in

unsern RechtSqueüen geradezu anerkannt; der Beklagte ge­ steht nämlich:

sc debere,

oder fundum actoris esse (g),

und es wird Niemand bezweifeln, daß Schuld und Eigen­ thum reine Rechtsverhältnisse find, wozu sich gewisse That­ sachen nur als Entstehungsgründe verhalten können.

Indessen darf dabei nicht verkannt werden,

daß in der

Anerkennung deS Rechtsverhältnisses stets auch die Aner­

kennung der dazu nöthigen Thatsachen liegt, nur daß dabei die Auswahl

unter mehreren gleich möglichen Thatsachen

ungewiß bleiben kann.

Eben so wird nicht selten die An­

erkennung einer reinen Thatsache, eines Darlehens, verhältnisses

z. B. des Empfanges

zugleich die Anerkennung eines Rechts­

(hier der Darlehensschuld) in sich schließen.

Dadurch aber wird das Wesen der Sache nicht verändert. Auch kommt in der That ein Fall vor, in welchem die

Römischen Juristen das Geständniß auf eine reine Thatsache beziehen.

Dieses darf aber nicht etwa als ein ungenauer,

nachlässiger Ausdruck betrachtet werden,

oder als Zeichen

eines Schwankens jener Juristen über die hier zur Frage gestellten Ansichten.

Vielmehr hat diese Beziehung ihren

Grund in der eigenthümlichen Natur einer einzelnen Klage, und es muß gleich hier darauf näher eingegangen werden,

weil damit wichtige andere Streitftagen zusammenhangen. (g)

L. 3. 5. 7 de confessis (42. 2), L. 6 § 2 eod

2

Buch II. Rechtsverhältnisse

18

Kap. IV Verletzung

Es ist nämlich schon bemerkt worden,

daß

L. Aquiliac unter die wenigen Klagen gehörte, Geständniß

worin das

schon vor der oratio D. Marei eine besondere

Wirkung batte-

einesteils den Beklagten von der Gefahr

des doppelten Ersatzes zu befreien, einfachen Ersatz unbedingt,

Urtheil,

die actio

zu verpflichten

wie

(§ 303)

anderntbeils ibn zum

dllrch

ein

gesprochenes

Jit diesem Fall nun

konnte .schon deswegen ein Urteil durch das bloße Geständ­

niß nicht entbehrlich werden, wert des

weil not immer der Geld­

zugefügten Schadens

Das Geständniß also,

das hier

zu bestimmen blieb (h)

eine besondere Wirkung

haben sollte, ging nicht aus die (noch unbestimmte) Forderung

des Klägers,

sondern

auf die reine Thatsache-,

ja nicht

einmal auf die ganze, vollständige Thatsache, sondern ledig­

lich auf die persönliche Thätigkeit des Beklagten, die Thäter­ schaft-

Das,

Thatbestand nennen (i)

darf auch

gar nicht als

trachtet werdest,

Criminalisten den

was unsere

subjectkven

Diese eigentümliche Beschränkung eine zufällige,

willkürliche be­

sondern sie batte ihren guten Grund in

folgendem Umstand

Wenn wegen der Tödtung oder Ver­

wundung eines Sklaven geklagt wtlrde,

(h) L. 25 § 2 L. 26 ad L. Aqu. (9. 2). (1) L 23 § 11 L 24 L 25 pr, ad L. Aquil (9 2), L. 4 de confessis (42. 2). In der ersten dieser Stellen sind besonders entscheidend die Worte • ,, hoc

so war die Tbat-

emni soluin remitiere acton confessoriam actionem, ne ne cesse liabeat docere, eunt oecidisse, cetenim occisum esse hominem a quocunque oportet“

§ 304.

1 Gcstäudulß

19

(Fortsetzung.)

Confessio

fache des Todes oder der Verwundung meist unbestritten, konnte

wenigstens

durch

Zweifel gesetzt werden

den

Augenschein

leicht

außer

Dagegen war die Thatsache,

daß

gerade dieser Beklagte die That begangen habe, leicht abzu­ leugnen;

diesem Leugnen sollte durch

doppelten Ersatzes vorgebeugt werden,

die Drohung des und daher war das

Geständniß gerate dieser Thatsache allein von Wichtigkeit. Dieses Geständitiß wurde daher auch in die Klagsormel,

als für den Richter bindend,

und die so

ausgenommen,

abgefaßtc Klage hieß nun confessoria actio (k). Nachdem nun die geschichtliche und formelle Leite der confessio in jure festgestellt Worten ist, bleibt noch die Er-

örterllng der praktischen Seite übrig.

Dahin gehört zunächst

die wichtige Frage, die miet' schon für das Römische Recht

zu

beantworten ist,

ob das gerichtliche Geständniß eine

unbedingt verpflichtende Kraft mit sich führt, selbe widerrufen und

angefochten werden kann

Grund ter Behauptung, übereinstimMe



oder ob das­

auf den

daß es nicht mit der Wahrheit

Dann

aber

ist

besonders

auch

die

heutige Anwendbarkeit der Grundsätze des Römischen Rechts

über das gerichtliche Geständniß zu untersuchen,

um die

richtige Behandlung desselben im heutigen Recht feststellen

zu können.

(k) L. 23 § 11 L. 25 § 1 ad L. Aqu (9.2) Rur hier kommt dieser Name vor, welches jedoch ganz zufällig senn kann; an sich

vapte er auf jede Klag«, die in Folge emcr confessio in jure angestellt wurde (§ 303 Note n).

o*

Buch II Rechtsverhältnisse

20

Kap. IV Verletzung

Die Beantwortung dieser Fragen aber wird mit Erfolg erst unternommen werden können, wenn zuvor die Interro-

gatio in jure dargestellt seyn wird.

§

305

Surrogate de» Urtheil«. — I. Gerichtliche« Gestanvniß —

Interrogativ in jure

Wenn

ein Rechtsstreit abhängig

ist

von

einer,

die

Person deS Beklagten betreffenden Präjudicialfrage, welches neuere Schriftsteller die Passivlegitimation nennen, so soll

sowohl der Kläger, als der Richter befugt seyn, eine solche Frage dem Beklagten vorzulegen,

welcher dann verbunden

ist, zu antworten; diese Verbindlichkeit ist hier eigenthümlich.

Durch den Inhalt der Antwort wird der Beklagte verpflichtet,

und darin liegt die Aehnlichkeit dieses Instituts mit der confessio in jure.

Die Verschiedenheit beider Prozeßhand­

lungen aber liegt darin, daß die confessio den eigentlichen

Gegenstand des Rechtsstreits, betrifft, (§ 303),

den Anspruch des Klägers,

und daher das Urtheil entbehrlich machen kann

anstatt daß die interrogatio nur eine vorläufige

Frage, nicht den Streitgegenstand selbst betrifft, und daher

niemals für ein Surrogat des Urtheils gelten kann. Außer diesem besonderen Fall

konnte aber auch jede

andere Frage von einer Partei ihrem Gegner vor dem

Prätor vorgelegt werden, und wenn sich der Gegner durch eine bestimmte Antwort darauf freiwillig einließ,

so war

er durch eine solche in jure confessio nach den oben auf-

Buch II Rechtsverhältnisse

20

Kap. IV Verletzung

Die Beantwortung dieser Fragen aber wird mit Erfolg erst unternommen werden können, wenn zuvor die Interro-

gatio in jure dargestellt seyn wird.

§

305

Surrogate de» Urtheil«. — I. Gerichtliche« Gestanvniß —

Interrogativ in jure

Wenn

ein Rechtsstreit abhängig

ist

von

einer,

die

Person deS Beklagten betreffenden Präjudicialfrage, welches neuere Schriftsteller die Passivlegitimation nennen, so soll

sowohl der Kläger, als der Richter befugt seyn, eine solche Frage dem Beklagten vorzulegen,

welcher dann verbunden

ist, zu antworten; diese Verbindlichkeit ist hier eigenthümlich.

Durch den Inhalt der Antwort wird der Beklagte verpflichtet,

und darin liegt die Aehnlichkeit dieses Instituts mit der confessio in jure.

Die Verschiedenheit beider Prozeßhand­

lungen aber liegt darin, daß die confessio den eigentlichen

Gegenstand des Rechtsstreits, betrifft, (§ 303),

den Anspruch des Klägers,

und daher das Urtheil entbehrlich machen kann

anstatt daß die interrogatio nur eine vorläufige

Frage, nicht den Streitgegenstand selbst betrifft, und daher

niemals für ein Surrogat des Urtheils gelten kann. Außer diesem besonderen Fall

konnte aber auch jede

andere Frage von einer Partei ihrem Gegner vor dem

Prätor vorgelegt werden, und wenn sich der Gegner durch eine bestimmte Antwort darauf freiwillig einließ,

so war

er durch eine solche in jure confessio nach den oben auf-

§. 305.

Surrogate.

I

gestellten Grundsätzen gebunden,

21

Interrogatio

Geftändmß."

wobei dann die vorher­

gehende interrogatio nur als die zufällige Veranlassung der

confessio zu betrachten war,

und

gar nicht selbstständig

zur Form der Handlung gehörte (a). —

Hierauf beruhte

unter andern auch die uralte Form der in jure cessio als

des

Uebertragung

Eigenthums

durch

freien Willen

deS

Der neue Eigenthümer vindicirte

bisherigen Eigenthümers

die Sache zum Schein; der Prätor fragte den Veräußernden,

ob er das Eigenthum des Klägers anerkenne,

und wenn

der Befragte es anerkannte oder nur schwieg,

so erfolgte

die Addiction deS Prätors, die das Eigenthum übertrug (b).

An sich ließ sich dieses Verfahren denken sowohl vor als vor dem Juder.

dem Prätor,

nur vor dem Prätor vor,

Ursprünglich kam eS

war also eine interrogatio in

jure (C), nicht in judicio, weil es dort allein auf die Ab­ fassung

der Klagformel Einfluß

ursprünglich

bestimmt

war

haben konnte,

wozu eS

Wir finden die Anwendung

desselben ausdrücklich erwähnt in folgenden Fällen,

worin

dem Kläger eine Antwort des Beklagten auf die hier ange­ gebenen Fragen von Wichtigkeit seyn konnte:

(a) Ein solcher Fall von der Frage eines Beklagten an den Kläger kommt vor in L. 29 § t

de don. (39. 5),

s. o. § 303 r.

Die daselbst abwechselnd gebrauchten

ganzen Titel de interrogationibus

ist abwechselnd von

respondere

und confiteri die Rede.

(b) (c)

Gajus II § 24. Dieser Name findet

sich

Ausdrücke: interrogatus, r) — Er darf nicht auf grober Nach­

lässigkeit beruhens'')

— Er muß als Irrthum bewiesen

werden, so daß der bloße Beweis des Gegentheils der ein­

gestandenen Thatsachen nicht hinreicht (d)

Dieser wichtige,

in unsern Rechtsquellen ausdrücklich anerkannte Satz ist die

nothwendige Folge davon, daß dem Geständniß ja auch ganz

andere Absichten, als die Anerkennung der Wahrheit, zum

(a) L 7 de eonfessis (42 2) L 11 § b de i n teer (II 1) Diese Restitution gehört unter ti zahlreichen Falle, ui welchen überhaupt gegen Prozeßhand lungen Restitution wegen Irr thnms ertheilt wird S o. B.3 S. 386 387 (b) L. 2 deconfessis (42 2), C 3 X. de confess. (2. 18), € 2 de restit in VI (1 21). (c) L. 11 § 11 de in terr

(11 1) ,jnsi culpa dein proxiina sit“ (d) C 3 X de confessis (2 18) ,,si de hujusmodi poluerit errorc docere“ — (Zs wird stets darauf ankonunen, die iitftehung der irrigen Memung aus scheinbaren äußeren Thatsachen nachzuweisen Beispiele eines solchen Beweises finden sich ui L 11 K 8 de in terr (II 1)

32

Buch II.

Rechtsverhältnisse.

Kap. IV. Verletzung

Grunde liegen können, unter andern die Absicht, zu schenken (8 303).

Ferner können nur durch diesen Beweis die oben

aufgestellten Bedingungen festgestellt werden,

daß nämlich

der Irrthum blos sactisch seyn und nicht auf grober Nach­ lässigkeit beruhen muß.

Diese Grundsätze sind gleichmäßig anzuwenden auf die confessio und auf die interrogatio (Note a). letzten also

Bei dieser

wird durch die Restitution der Quasicontract

(8 305. v) entkräftet.

Was

aber

die

Strafverpfiichtung

wegen wissentlicher Unwahrheit betrifft (8 305. x),

so ist

selbst der Begriff einer solchen Unwahrheit durch den Be­

weis des Irrthums ausgeschlossen (e) Dabei ist noch besonders aufmerksam zu machen auf die innere Verwandtschaft deS Widerrufs eines irrigen Geständ­ nisses mit der condictio indebiti Irrthum bewiesen werden,

Hier, wie dort, muß der

welcher ein factischer seyn und

nicht auf grober Nachlässigkeit beruhen muß

Von dieser

Verwandtschaft wird sogleich noch weiterer Gebrauch ge­ macht werden.

3

Die förmliche Restitution wird aber nicht in allen

Fällen erfordert.

.Wenn der Geständige noch vor dem Prätor seine Er­

klärung zurück nehmen oder verbessern wollte, bevor dadurch dem Gegner ein Schade entstanden seyn konnte,

so war

ihm Dieses gestattet, ohne daß es dazu eines Beweises und

einer Restitution bedurfte. (e)

Nach der Litiscontestation, also

L. 11 §. 3. 10. 11. de interr. (11. 1).

K. 306.

Surrogate

vor dem Zuder, möglich,

I

Geständnis.

33

Widerruf.

war eine solche Veränderung nicht mehr

ohne auf den Prätor zurück zu geben und Re­

stitution zu erlangen (f).

Wenn ferner das Eiilgestandene in Folge von Rechts­ regeln als unmöglich erkannt werden muß, keiner Restitution,

und auch

mußte diesem Geständniß

so bedarf es

schon der Römische Iuder

jede Wirkung versagen

Wenn

also eine Roralklage angestellt wurde wegen der Handlung eines Sklaven oder Sohnes gegen den vermeintlichen Herrn

oder Vater,

welcher aus Befragen daS Daseyn der po-

testas einräumte, so war dieses Geständniß allerdings hin­ reichend,

um gerade ihn zum Schuldner zu machen,

und

also die Schuld vom wahren Herrn oder Vater auf ihn

zu übertragen.

Wenn aber hinterher bewiesen wurde,

daß der Thäter gar nicht Sklave oder Sobn, sondern frei und unabhängig war,

oder daß der Geständige gar nicht

deö Eigenthums (über einen Sklaven) fähig,

oder seines

Alters wegen nicht der väterlichen Gewalt über den (viel­

leicht älteren) Thäter fähig war,

so sollte in allen diesen

Fällen dem Geständniß alle Wirkung versagt werden (g).

Dieses ist nun die einzige Beziehung,

in welcher dem

Beweis der Unmöglichkeit, woraus Manche einen unver-

(f) L. 11 § 12 de interr (11.1), „licere responsi poenitere “ L. 26 § 5 de nox act (9. 4). (g) L. 13, 14. 16 de interr (11. 1). In diesem Sinn heißt VII.

es in den angeführten Stellen: „quia falsae Confessiones naturalibus convenire deberent“, und ,,siid, quod in confessionem venit, et jus et natüram recipere potest“

3

34

Buch II

Rechtsverhältmffk

chältnißmäßigen Werth legen,

standen werden kann. sache stets zugleich

Kap IV. Verletzung

ein besonderer Einfluß zuge-

Allerdings ist jede unmögliche That­ eine unwahre,

und der Beweis der

Unwahrheit einer Thatsache ist die Grundlage für den

Beweis deS Irrthums über daS früher abgegebene ständniß der Wahrheit dieser Thatsache.

Aber der voll­

ständige Beweis dieses Irrthums liegt darin nicht,

weil

das Unmögliche, eben so gut, alS das blos Unwahre, mit Bewußtsevn der Unwahrheit, folglich ohne Irrthum, einge­ standen seyn kann.

Daher ist es unrichtig,

wenn Manch«

behaupten, der Beweis der Unmöglichkeit sey stets hinreichend, und mache den Beweis des Irrthums nnnöthig

Wenn

also Jemand eine von ihm persönlich begangene That ein­

gesteht, so ist zum Widerruf nicht hinreichend, daß er daS Alibi beweist

Denn aus dem Alibi folgt allerdings,

er die That nicht begangen haben kann,

daß

also auch nicht

begangen hat ; es folgt aber nicht, daß er im Irrthum war,

alS er daS Geständniß der That ablegtc

Ja sogar wird

gerade in diesem Fall der Irrthum höchst unwahrscheinlich,

vielleicht nur unter den abentheuerlichsten Voraussetzungen

möglich seyn

§

307

Surrogate ves Urtheils — I Gerichtliches Geständniß. — Widerruf.

(Fortsetzung.)

Die in dem vorhergehenden §. aufgestellten Grundsätze leiden eine Ausnahme in den Fällen der Klagen,

worin

34

Buch II

Rechtsverhältmffk

chältnißmäßigen Werth legen,

standen werden kann. sache stets zugleich

Kap IV. Verletzung

ein besonderer Einfluß zuge-

Allerdings ist jede unmögliche That­ eine unwahre,

und der Beweis der

Unwahrheit einer Thatsache ist die Grundlage für den

Beweis deS Irrthums über daS früher abgegebene ständniß der Wahrheit dieser Thatsache.

Aber der voll­

ständige Beweis dieses Irrthums liegt darin nicht,

weil

das Unmögliche, eben so gut, alS das blos Unwahre, mit Bewußtsevn der Unwahrheit, folglich ohne Irrthum, einge­ standen seyn kann.

Daher ist es unrichtig,

wenn Manch«

behaupten, der Beweis der Unmöglichkeit sey stets hinreichend, und mache den Beweis des Irrthums nnnöthig

Wenn

also Jemand eine von ihm persönlich begangene That ein­

gesteht, so ist zum Widerruf nicht hinreichend, daß er daS Alibi beweist

Denn aus dem Alibi folgt allerdings,

er die That nicht begangen haben kann,

daß

also auch nicht

begangen hat ; es folgt aber nicht, daß er im Irrthum war,

alS er daS Geständniß der That ablegtc

Ja sogar wird

gerade in diesem Fall der Irrthum höchst unwahrscheinlich,

vielleicht nur unter den abentheuerlichsten Voraussetzungen

möglich seyn

§

307

Surrogate ves Urtheils — I Gerichtliches Geständniß. — Widerruf.

(Fortsetzung.)

Die in dem vorhergehenden §. aufgestellten Grundsätze leiden eine Ausnahme in den Fällen der Klagen,

worin

§ 307. Surrogate

I Geständmß

Widerruf

(Forts.)

35

das böswillige Leugnen durch die Verurtheilung auf den

doppelten Werth bestraft wird (ubi lis inficiando crescit in dupluni) (§ 304).

In diesen Fällen hat das Geständniß

die Natur eiireS Bergleichs, Berurtheilung zu entgehen.

um der Gefahr der höheren Daher gilt hier keilt Widerruf

aus dem Gründ des Irrthums, und keine Restitution, selbst wenn ver Jrrtbuin bewiesen werden könnte (a) Hier zeigt sich wieder die, schon oben erwähnte, Ver­

wandtschaft zwischen dem Widerruf des Geständnisses und

der condictio indebiti (§ 306)

Denn auch die condictio

indebiti ist in denselben Fällen ausgeschlossen (b),

indem

die Zahlung nicht als vermeintliche Erfüllung einer unzwei­ felhaften Forderung angesehen werden soll, soildern als eine Vergleichösumme zur Abwendung der Gefabr einer höheren

Verurtheilung.

Diese Ausnahme also mußte gelten bei der actio judicati und depensi,

so wie bei der Klage aus dem legatum

damnationis einer bestimmten Geldsumme.

Daß sie dabei

von den alten Juristen nicht erwähnt wird, erklärt sich aus der Natur dieser Schulden als reiner Geldschulden.

Denn

bei diesen wurde die ganze Sache vor dem Prätor zu Ende gebracht ohne Juder (§ 304),

so daß dabei kaum jemals

Zeit und Anlaß zu einem Widerruf des abgegebenen Ge-

(a) Drese Ausnahme hat keine Anwendung Bei den Interrogatronen, sondern nur bei der eigentlichen confessio in jure (b) § 7 J de obl. quasi ex contr (3 27), L 4 C de cond Md (4 5)

Buch 11. Rechtsverhältnisse.

36

ständniffeö gewesen sevn mag.

zu

zwei Klagen dieser Art

Kap. IV Verletzung, Es bleiben also nur noch

betrachten

die actio

übrig,

L. Aquiliae, und die Klage aus einem legatum dainnationis auf eine bestimmte Sache außer baarem Gelde

Wenn die actio L. Aquiliae wegen der Tödtung oder

Verwundung eines Sklaven angestellt wird,

und der Be­

klagte die That als von ihm begangen einqesteht,

er dadurch pflichtet,

unbedingt

so wird

zum einfachen Schadensersatz ver­

und bat keine Restitution zu hoffen,

er sich zum Beweise des Irrthums erbietet

auch wenn

Der entschei­

dende Grund dieser auffallenden Vorschrift liegt in der so eben bemerkten Vergleichsnatlir eines solchen Geständniffes,

indem er dadurch der Gefahr entgeht,

zum

doppelten

Ersatz

verurtheilt

außerdem vielleicht

zu werden (§ 304. i)

Allein diese Gefahr und die damit verbundene unbedingte

Verpflichtung beschränkt sich auf die persönliche Thäterschaft des Beklagten.

Wenn also der Widerruf dahin gerichtet

ist, daß der Sklave noch lebe,

daß er ohne Wunden seh,

so bezieht sich darauf die Ausnahme nicht; vielmehr ist hier,

wie bei anderen Klagen, thums zulässig.

die Restitution wegen eines Irr­

Allerdings kommt hier zu dem bereits



geltend gemachten, schon allein genügenden Grund noch ein

anderer hinzu, der selbst ohne Beweis eines Irrthums hin­ reichen würde, die Klage völlig auszuschließen der Sklave lebt und

Erfolg

bleiben,

dessen Abschätzung

da

gesund ist,

es ganz

an

Denn wenn

so muß die Klage ohne einem Schaden

fehlt,

allein der Verurtheilung einen Inhalt

§ 307 Surrogate geben könnte (c). —

an und

Denn

für sich

allch

I Gestanomß. Widerruf (Korts.)

37

Dagegen ist hier die Unmöglichkeit

keineSwegeö das

entscheidende Moment.

die Unmöglichkeit der Thäterschaft könnte be­

hauptet werden im Fall des erwiesenen Alibi,

lind doch

würde hierin kein Gmnd liegen, die unbedingt verpflichtende

Kraft deö Geständnisses zu beschränken. Der zweite hierher gehörende Fall ist der eines legatum

damnationis aus eine bestimmte Sache außer baarem Geld. Wenn der verklagte Erbe die Berpflichtlmg zu diesem Legat

eingesteht,

so ist er unbedingt verpflichtet,

selbst wenn er

beweisen kann, daß die Sache nie eristirt hat, oder daß sie

untergegangen ist (d)

Zn

(c) L 24 ad L. Aquil (9.2) (d) L. 3 de confessis (42. 2) „Julianus ait, confessum certum se debere legatum, omnimodo damnandum, etiamsi in rerum natura non fuisset, etsi jam a natura recessit, ita tarnen, ut in aestimationem ejus damnetur, quia confessus pro judi cato habetur“ — Dieser Stelle scheinen zwei andere nach ver schiedenen Richtungen bin zu wider­ sprechen L. 8 eod „ Von om­ nimodo confessus eondemnari debet rei nomine, quae an in rerum natura esset incertum sit“ Hier wird jedoch gar Nicht gesagt, daß von einem legatum damnationis vie Rede sey; bei jeder an.rern Klage aber ist die

diesen beiden Fällen

ist das

unbestiNlNite Verneinung ganz an ibrem Platze. — L. 5 eod. „Qui Stichum debere se confessus est, sive mortuus jam Stichus erat, she post litis contestationem decesserit, condemnandus est“ Rack der Ueberschrift ver Stelle sprach darin Ulpian von einer Stipnlationsschuld Aus Diesem herausgeriffenen Fragment aber ist gar Nichts zu entnehmen, da gewiß noch irgend em anderer Grund der Obligation brnzugedacht werden ninp, besonders in dem Hall des Todes nach der L. C., in welchem Hall eine Verpflichtung entflanven senn kann nur durch Dolus, Culpa, oder Mora des Be klagten, s o ' B 6 § 272 273 Note I

Buch II

38

Skchkperhiltniffe

Legat an sich ungültig (e),

Kap. IV. Verletzung.

folglich die eingestandene Ver­

pflichtung ;um Legat unmöglich,

woraus also folgt,

daß

auch hierin die Unmöglichkeit des Eingestandenen (sc liebere

kgatum) keinen Unterschied macht. — In diesem Fall nun wie in dem vorhergehenden, das Geständniß

hat eben so,

die Natur eines Vergleichs, indem der Geständige nur den einfachen Werth des Legats leistet (f), also die Gefahr der höheren Berurtheilung von sich abwendet.

Die hier dargestellten Ausnahmen, in welchen das Ge­

ständniß unbedingt, ohne Restitution wegen Irrthums, ver­ pflichten soll,

sind für bas heutige Recht ganz ohne An­

wendung. Denn es ist unbezweifclt, daß bas ganze RcchtSinstitut, welches mit dem Ausdruck

li> inliciando crescit

in duplum bezeichnet wird, als ein einzelnes, höchst positives, Stück der Römischen Ptrivatstrafcn, schwunden ist

Damit

für unser Recht ver­

aber müssen auch die

erwähnten

Ausnahmen, als bloße Folgen jenes Instituts, notbwendiq Wegfällen

Ich

habe es versucht,

widersprechenden einigen

die in dieser Lehre scheinbar

Stellen des Römischen Rechts

zu ver­

Neuere Schriftsteller haben verschiedene Wege ein­

geschlagen,

um zum Ziel einer solchen Vereinigung zu qe-

(e) L. 108 § 10 L. 36 § 3 de leg 1 (30 un ), § 16 J de leg. (2 20)

(f) L. 61 in f ad L Falc (35 2), L.

angegeben

Beide Begriffe haben den Namen mit ein­

ander gemein, sind aber in ihrem inneren Wesen verschieden.

(a) Heffter S 290. 291 bqabt diese Fraqe Holl'.ve^ S 301 verneint dieselbe

Betbmann

jj. 308.

Surrogate

Heutige« Recht.

1. Gestänvutß

41

Die genauere Darstellung dieser Verschiedenheit wird zu­ gleich den Weg bahnen zu der jetzt vorliegenden Frage, wie sich das heutige Recht zu den oben dargestellten Begriffen

und Regeln deS Römischen Rechts verhält,

und was von

diesem letzten noch für uns brauchbar ist DaS gerichtliche Geständniß

ist die Erklärung,

welche eine streitende Partei vor dem Richter des vorlie­

genden Rechtsstreits über Gegenstände dieses Streites abgiebt

DaS Wesen und die wichtige Wirkung desselben

besteht in der Feststellung der Gränzen zwischen dem streitigen und nicht streitigen Theil der gegenseitigen Bebauptungen. Da nun der Richter nur dazu berufen ist, über den Streit

der Parteien zu entscheiden, so wird durch jedes gerichtliche Geständniß die Ausgabe des Richters ihrem Umfang nach

bestimmt und begränzt

Dieses Geständniß also ist nicht (so

wie jedes wabre Beweismittel) ein Motiv für den Richter, so oder anders zu sprechen, sondern eine Feststellung von Ge­

genständen, worüber er sich de? eigenen Urtheils zu enthalten

hat,

weil

sie nicht zu dem,

unter den Parteien streitigen

Gebiet von Behauptungen gehören

Das gerichtliche Ge­

ständniß begründet also formelle Wabrbeit (§ 303)

Das gerichtliche Geständniß kann obne Zweifel auf reine Thatsachen geben, weil die Feststellung von Thatsachen

einen

großen Theil (oft den größten) eines

auszumachen pflegt

Genau zu reden,

daß dadurch Thatsachen nicht

Rechtsstreits

müßte man sagen,

sowohl bewiesen,

alö dem

42

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. VrrleMq.

Bedürfniß eines Beweises entzogen werden;

einen prak­

tischen Werth Hal diese Unterscheidung nicht.

Das gerichtliche Gestandniß kann aber auch auf RechtS-

verhältniffe «zehen, ja dieses ist das eigenthümlichste Gebiet, worin es wirkt. jedes

Für

möglich, kann

gerichtliche

Geständniß

ist

ein

Widerruf

welcher ;u einer richterlichen Restitution führe»

Diese muß aber begründet werden durch den Be­

weis eines Irrthums,

welcher >edoch ein sactischer Irr­

thum seyn muß, und nicht aus großer Nachlässigkeit hcrvorgegangen seyn dars.

dem Daseyn eines

Die Ueberzeugung des Richters von Irrthums

Geständnisses kann nur

atS

EiilstebungSgrund

des

aus den Umständen hervorgehen,

welche die Entstehung des Irrthums natürlich und wahr­ scheinlich erklären (§3066.).

Der bloße Beweis, daß das

selbst daß eS unmöglich sev,

Eingestandcne

unwahr,

ohne Beweis

eines Irrthums

zur Restitution

nicht

ist

hin­

reichend. Dieses sind die Regeln des Römischen Rechts über das

gerichtliche Geständniß,

worden sind.

welche oben ausführlich dargestellt

In ihnen liegt Nicht», das als rein positiv,

insbesondere aus der eigenthümlichen Gerichtsversassung der

Römer entsprungen,

angesehen iverden könnte

Lie ent­

halten vielmehr eine reine Entwicklung dieses Rechtsinstituts, hervorgegangen desselben

auS den wahren praktischen Bedürfnissen

In den Grundsätzen unsers heutigen gemeinen

§. 308. Surrogate I Gestündinß Heutiges Recht.

43

Prozesses liegt Nichts, das einer vollständigen Anwendung jener Regeln hinderlich seyn könnte Dagegen find allerdings einige Stücke des Römischen Rechts in dieser Lehre, jedoch gerade die unbedeutendsten, so beschaffen, daß davon im heutigen Recht keine An­ wendung gemacht werden kann. Ueber diese Unanwendbar­ keit ist auch unsere Praris niemals iin Zweifel gewesen. Ich will fie bier in einzelnen Sätzen zusammenstellen 1 Bon einem Unterschieb zwischen confessio in jure und interrogatio in jure kann nicht mehr die Rede sevn; schoit im Römischen Recht war kein praktischer Unterschied, und die UtUerscheidttng in Formen und Ausdrücken hatte eine blos geschichtliche Bedeutung Es ist also ganz gleich­ gültig, ob ein gerichtliches Geständniß veranlaßt wird durch eine Anfrage des Gegners (vielleicht auch durch eilt prozeß­ leitendes Decret deS Richters >, oder nicht, ob es eine bloße Präjudicialsraqe betrifft, oder den Gegenstand des Rechts­ streites selbst 2 Die Strafen, welche das Römische Recht bei den )nterroqationen aus die wissentliche Unwahrheit und auf die verweigerte Antwort androht (§ 305), sind unserm heutigen Prozeß gewiß fremd. 3. Eben so ist demselben völlig fremd die unbedingte, leder Restitution entzogene, Verpflichtung, die das gericht­ liche Geständniß ausnahmsweise mit sich führen soll bei der actio legis Aquiliae und bei der Klage aus einem legatum damnationis (§ 307) Diese mußte verschwinden

Buch II. Rechtsverhältnisse.

44

Rav. IV

Verletzung,

als bloße Folge der Berurtheilung in den doppelten Werth, welche überhaupt nur ein Stück deS ganzen Systems der

Privatstrafen ist, und mit diesem System in unser heutiges

Recht keinen Eingang gefunden hat.

Insbesondere bei dem

legatum damnationis ist eine solche Ausnahme unanwendbar,

weil diese eigenthümliche Form der Legate nicht nur für uns

verschwunden,

sondern selbst schon von Justinian gesetz­

lich aufgehoben und mit allen übrigen Legaten verschmolzen worden ist (b)

4.

Das gerichtliche Gestandniß ist im heutigen Recht

niemals eigentliches Surrogat eines UrtheUS, Urtheil selbst dadurch

immer noch

entbehrlich

so daß vaS

Vielmehr

würde.

ein Urtheil gesprochen werden,

muß

dessen Inhalt

jedoch mit dem Inhalt ves Urtheils übereinstimmen muß

So war es von jeher schon im Römischen Recht in ven allermeisten Fällen,

nämlich nur mit Ausnahme deS auf

eine bestimmte Geldschuld gerichteten Geständnisses (§ 303); seit der Aufhebung des ordn judiciorum allgemein (§ 304) In dieser Rücksicht also ist kein Unterschied zwischen dem

heutigen und dem Römischen Prozeß Außergerichtliches

Geständniß

heißt jede

Er­

klärung einer streitenden Partei, die über einen Gegenstand dieses Rechtsstreites

nicht vor dem Richter desselben abge­

geben wird; wohin also nicht nur reine Privaterklärungen, in Briefen und Gesprächen niedergelegt,

gehören,

sondern

auch gerichtliche Erklärungen, die in einem anderen, als (b)

L 1 C commmta de leg (6 43), §2 J de leg (2.20)

$. 308. Surrogat«

dem

jetzt

I Geständniß.

HculigcS Recht.

vorliegende» Rechtsstreite

Geständniß ist

verkommen.

45

Dieses

ein reines Beweismittel, und kann einen

vollständigen Beweis bilden,

weil Jeder gegen sich selbst

ein glaubwürdiges Zeugniß ablegen Imin. Als Beweismittel kann dieses Geständniß eigentlich nur

aus reine Tbatsachen gehen,

nicht aus RechtSverbältniffe.

Da jedoch jedem Nechtsverhältniß Thatsachen zum Grunde liegen,

und da ost die Sacke eine so einfache Natur hat,

daß nur die Tbatsache streitig seyn kann, so kann auch die

über ein Rechtsverhältniß abgegebene Erklärung nach Um­

ständen den vollen Beweis einer Tbatsache bilden (§ 304).

So t

B

wenn Jemand in einem Briefe erklärt,

daß er

einem Anderen Hundert aus einem Darleben oder Hundert

aus einem Kaufvertrag sckuldig scv,

unzweifelhafte Erklärung, empfangen,

babe,

welches

daß

so liegt darin die

er Hundert als Darlehen

oder Hundert als Kaufgeld versprochen

reine Tbatsachen sind,

die durch jenes

außergerichtliche Geständniß vollständig bewiesen werden.

Das außergerichtliche Geständniß kann widerrufen und entkräftet werden dadurch,

standenen

Tbatsachen

daß das Gegentbeil der einge-

vollständig

bewiesen wird

Einer

Restitution bedarf es dazu nickt, also kommt es auch nicht aus den Beweis eines Jrrtbums, und auf die besonderen Eigenschaften dieses Jrrtbums an,

eben weil jenes Ge-

ständniß keine verpflichtende Handlung reines Beweismittel.

ist,

sondern

ein

Buch II

46

Misere

RechtsverhLltniffe.

Schriftsteller

über

Kap. IV.

den

Verletzung

haben

Prozeß

wesentlichen Unterschiede beider Arten

des

diese

Geständnisse»

tzroßentheilS verkannt, und daher die ganze Lehre vom Geständniß nicht auf beftiedigende Weift behandelt (c)

Sehr merkwürdig ist die Art, in welcher die Preußische

Prozeßgesetzgebung diesen Gegenstand behandelt (d).

Aller­

dings (folgt sie im Allgemeinen den herrschenden Ansichten der Schriftsteller des gemeinen Rechts, welche beide Arten

des Geständnisses als

reine Beweismittel und als Arten

desselben Gattungsbegriffs bebandeln.

Aber die Behandlung

im Einzelnen nähert sich auf merkwürdige Weift der rich­ tigen Auffassung des Römischen Rechts.

Wenn der Beklagte den Anspruch des Klägers voll­

ständig einräumt, so erfolgt kein Urtheil, sondem ein bloßes Agnitionsresolut, wird,

welches jedoch wie ein Urtheil publicirt

und zur Erecution geeignet ist. —

Dieses ist im

Wesentlichen die ältere Römische Behandlung der confessio in jure.

heit zu, aber S. 311 gestattet er

(c) Danz Prozeß § 292—299, Martin § 128. Selbst Belh-

doch dagegen den Beweis des bloßen

mann-H ollweg, der die Lehre

Gegentheils

im

Ganzen sehr richtig

auffaßt,

scheint doch in diesem Punkt nicht

ganz im Klaren zu seyn.

S. 310

der

eines bewiesenen Irrthums (d) Attg. Gerichtsordnung I

schreibt er zwar dem gerichtlichen

8 § 14 — 16,

Geständniß

§ 82 und 8 88 b

förmliche

Wahr­

eingestandenen

Thatsache, ohne Anfechtung wegen

II

10 § 27 bi-

§. 308. Surrogate. 1. Geständniß. Heutige» Recht. Jedes Geständniß kann widerrufen werden,

47

aber es ist

nicht genug, das Gegentheil des Eingestandenen zu beweisen, sondern es muß in allen Fällen der Irrthum nachgewiesen

werden,

welches nur dadurch geschehen kann,

daß dessen

Entstehung aus wahrscheinlichen Gründen dargethan wird. Jedem Widerruf steht die Vermuthung der Wahrheit deS jedoch in verschiedenen Graden,

Etngestandenen entgegen,

das heißt, der Richter soll mit der Zulassung deS Widerrufs

mehr oder weniger schwierig und strenge seyn;

am strengsten

bei dem gerichtlichen Geständniß im gegenwärtigen Prozeß,

weniger bei dem,

in

einem anderen Prozeß abgegebenen

gerichtlichen Gestäirdniß; am wenigsten bei dem außergericht­ lichen. — Durch diese Strenge, und die damit verbundene Abstufung,

wird die grundsätzlich

unrichtige Behandlung

der Sache großentheilS wieder gut gemacht.

$.

309.

Surrogate des Urtheils. — II. Eid. — Einleitung.

Quellen: Dig. XII.2 (de jurejurando, sive voluntario, sive neces-

sario, sive judiciali).

Cod. IV. 1 (de rebus creditis et jurejurando). Paulus II. 1. Schriftsteller:

Malblanc doctrina de jurejurando Nor.

1781. 8 (enthält

viel praktisches Material).

Zimmern Rechtsgeschichte B. 3 § 127. 135. 150.

.

§. 308. Surrogate. 1. Geständniß. Heutige» Recht. Jedes Geständniß kann widerrufen werden,

47

aber es ist

nicht genug, das Gegentheil des Eingestandenen zu beweisen, sondern es muß in allen Fällen der Irrthum nachgewiesen

werden,

welches nur dadurch geschehen kann,

daß dessen

Entstehung aus wahrscheinlichen Gründen dargethan wird. Jedem Widerruf steht die Vermuthung der Wahrheit deS jedoch in verschiedenen Graden,

Etngestandenen entgegen,

das heißt, der Richter soll mit der Zulassung deS Widerrufs

mehr oder weniger schwierig und strenge seyn;

am strengsten

bei dem gerichtlichen Geständniß im gegenwärtigen Prozeß,

weniger bei dem,

in

einem anderen Prozeß abgegebenen

gerichtlichen Gestäirdniß; am wenigsten bei dem außergericht­ lichen. — Durch diese Strenge, und die damit verbundene Abstufung,

wird die grundsätzlich

unrichtige Behandlung

der Sache großentheilS wieder gut gemacht.

$.

309.

Surrogate des Urtheils. — II. Eid. — Einleitung.

Quellen: Dig. XII.2 (de jurejurando, sive voluntario, sive neces-

sario, sive judiciali).

Cod. IV. 1 (de rebus creditis et jurejurando). Paulus II. 1. Schriftsteller:

Malblanc doctrina de jurejurando Nor.

1781. 8 (enthält

viel praktisches Material).

Zimmern Rechtsgeschichte B. 3 § 127. 135. 150.

.

48

Buch II. Rechtsverhältnisse Puchta Kursus

Kap. IV Verletzung.

der Institutionen,

Auflage 2.

B 2

§. 173. 174.

(Beide für die geschichtliche Seite der Lehre)

Der Eid besteht in der Betheuerung der Wahrheit irgend

eines Ausspruchs dnrch Beziehung auf einen Gegenstand, der von dem Schwörenden als ein hoher, heiliger angesehen

wird (a)

Diese Beziehung soll gegen Andere eine gewisse

Sicherheit geben für die Wahrheit deS Ausspruchs,

das

heißt, für die Uebereinstimmung desselben mit dem Bewußt­

seyn des Schwörenden, indem vorausgesetzt wird,

daß die

Ehrfurcht vor dem bezogenen Gegenstand eine gleichzeitige

Abweichung von der Wahrheit hindern werde (b)

Das

auf diese

Weise

versicherte

Bewußtseyn

kann

zweierlei Inhalt oder Richtung haben:

1.

Richtung

aus

die Zukunft,

wobei

also der Eid

Sicherheit geben soll für den Willen und die künftige That. Die Netteren nennen diesen Eid, dessen juristische Bedeutung (a) Dav R R läßt in der Auswatü dieser Gegenstände die größte Frechen zu, z. B per salutem tuain, per caput tiiuin vel filiorum, per geniuni principis, auch selbst propriae super stitionis, nur nickt improbatae publice religionis; dieser Eid ist verboten und hat gar nicht die Wirkungen eines Eides L. 5 pr. $ 1 3 de jur (12. 2) — Für

Ehriften giebt es leinen anderen Eid, als bei dem Namen Gottes, obgleich dabei verschiedene Aus­ drücke vorkommen können. (b) Cicero de officiis III. 29. „ Est eniin jusjurandum affirniatio religiosa. Quod autem affinnate, quasi Deo teste, promiseris, id tenendum est“

§. 309

Surrogate

eine obligatorische

nur

II

Erv

seyn kann,

49

Emlemmg

als Bestärkung eines

Versprechens, jusjurandum promissorium.

II.

Nichtullg

auf vie Vergangenheit,

wobei der

Eid

Sicherheit geben soll für die Wahrheit des ausgesprochenen

Denkens

Dieser Eid wird von den Neueren assertorium

genannt.

Seiner allgemeinen Natur nach geht derselbe auf

reine Thatsachen, ist also bloßes Beweismittel, und gehört

So ist es in der That mit

lediglich in die Prozeßlchre

dem Zeugeneid,

desgleichen mit dem Ersüllungseid

und

Reinigungseid der Parteien. Eine eigentbümliche Natur aber hat im Römischen Recht

der zugeschobene Eid nommen,

(jusjurandum delatum)

ange­

welcher unter gewissen Umständen selbstständiges

Mittel der Entscheidung eines Rechtsstreits, also Surrogat

eines

Urtheils werden kann,

und daher ganz eigentlich

hierher gehört.

Ueber die Anwendungen des prvmissvriichen Eides soll hier, damit es

an einer vollständigen Anschauung der ganzen

Lehre nicht fehle, eine kurze Uebersicht gegeben werden. Die Fälle dieser Anwendung sind so verschiedenartig, daß das Obligationenrecht keine Gelegenheit darbieiet, sie unter einem

gemeinsamen Gesichtspunkte zusammen zu fassen Es kommt dieser Eid vor, sowohl im öffentlichen Recht, als im Privatrecht

Im öffentlichen Recht- der Eid der

Soldaten, der Beamten, des Vormundes VII.

I

50

Buch II Rechtsverhältnisse

Kap. IV. Verletzung

Im Privatrecht find di« Anwendungen des BersprechungSeides nicht von Erheblichkeit; folgende kommen im Römischen

Recht vor:

1

Die

wichtigste

und

Anwendung

eigenthümlichste

findet sich bei den Diensten freigelassener Sklaven,

Patron

einklagen

waren.

Das Bedürfniß und der

form wäre klar,

konnte,

wenn

wenn der,

sie

die der

versprochen

eidlich

Nutzeil dieser Rechts­

noch im Sklavcnstand wegen

künftiger Dienste geleistete Eid diese Kraft gehabt hätte,

weil der

Sklave durch

nicht klagbar verpflichten Fall

sollte

sondern nur,

auch

selbst

Bertragsformen sich

gewöbnliche

konnte. der Eid

Aber gerade in diesem

keine

Aage

bewirken,

wenn derselbe nach der Freilassung geleistet

wurde; zu dieser Feit aber war auch die gewöbnliche Sti­

pulation zulässig lind von gleicher Wirkung, zwischen ibr und dem Eid die Wabl hatte

so daß man

Der Gebrauch

dieser besonderen Form ist wobl daraus zu erklären, daß ein solcher Eid auch schon

im Sklavcnstand üblich war,

und dann zwar keine Klage bewirkte, wohl aber die religiöse Verpflichtung mit sich führte, denselben Eid nach der Frei­

lassung zu wiederbolen, wodurch er dann klagbar wurde (c) Daß

das Recht aus diesem

deminutio des Patrons unterging,

Eid

durch

jede

capitis

ist schon oben bemerkt

worden (d).

(c) L. 7 de op. tibert (38.1), L. 44 de lib causa (40. 12). (d) Gajvs III § 83, § 1 J

de adqu. per adrog S o B 2 S 81

(3. 10)

2. Die ^Bestätigung eines Rechtsgeschäfts durch dm Eid soll Dasselbe selbst dann unanfechtbar machen, wenn eS außerdem hätte angefochten werden können. Dieser wichtige abstracte Grundsatz ist dem Römischen Recht selbst fremd Nur die Restitution ist überhaupt und am meisten in Bestehung auf die Minderjährigen, einem sehr freien Ermessen der richterlichen Obrigkeit unter­ worfen (e), und so findet sich denn auch einmal ein kaiser­ liches Rescript, welches die von einem Minderjährigen bei dem Kaiser (wahrscheinlich in der Appellationsinstanz) nach­ gesuchte Restitution gegen eine Veräußerung unter andern aus dem Grunde abschlägt, weil der Vertrag durch Eid bestätigt sev, die Anfechtung also einen Meineid in sich schließen würde (f) Allein dieses Rescript, welches offen­ bar mit Rücksicht auf alle ^Umstände des einzelnen Falles erlassen war, kann unmöglich als abstracte Vorschrift für den Eid der Minderjährigen überhaupt angesehen werden, weder im Sinn seines Verfassers, noch im Sinn der Ju­ stinianischen Sammlung, in welche es ausgenommen wurde; es sollte hier blos zeigen, daß unter den Gründen der Verweigerung einer Restitution auch ein geleisteter Eid Vorkommen könne Dennoch ist jener Stelle im zwölften Jahrhundert von einer Partei der Juristen (im Widerspruch mit einer andern Partei) der erwähnte abstracte Sinn bei­ gelegt worden, und der K. Friedrich I. hat diese falsche (e) L 3 de in int fest (4 1), L. 24 § 1 5 de minor (4 4)

(f) L (2 28).

l ('

st adr t>end.

52

Buch II. Rechtsverhältnisse.

Auslegung gesetzlich bestätigt,

theil

des

Römischen Rechts

Kap IV

Verletzung

welche seitdem als Bestand­

anerkannt

worden ist

(g)

Päbstliche Verordnungen haben diesen Satz anerkannt und

näher ausgebildet (h). 3. Die Anfechtung eines beschworenen Vergleichs oder anderen Vertrags soll die Infamie zur Folge haben (i).

4.

Wenn ein Zahlungsversprechen per gcnium principis

eidlich bestärkt, dann aber nicht erfüllt wird, so soll daraus die Strafe körperlicher Züchtigung erfolgen (k)

5. wirken,

Der Ausspruch eines Schiedsrichters sollte klagbar

wenn das

Kompromiß eidlich

bestärkt wäre (!)

Diese Bestimmung ist jedoch späterhin wieder ausgehoben worden (m).

6

Endlich kann vie Leistung eines Eides einem Rechtsge­

schäft als Bedingung hinzugefügt werden, in welchem Fall durch willkürliche Uebereinkunft der Eid,

gleich jeder an­

deren Thatsache, zum Grund der Entstehung oder auch der Auf­

hebung einer Verbindlichkeit gemacht werden kann (n)



Nur bei Erbeinsetzungen und Legaten ist eine solche Be­

dingung (die conditio jurisjurandi) besonders untersagt, und da, wo sie dennoch hinzugestlgt wird, soll der letzte Wille

(g) \iith. Frid Sacramenta puberuni C si ad\.vend. (2.28). Vgl Savignn RecblSgeschlckte B 4 S 162 (h) C 28 X de jurej. (2. 24), C 2 de pactis in VI (1 18). (i) L 4t C de transact (2. 4)

(k) L 13 § 6 de jurej (12. 2). (l) L. 4 C de recept (2 56) (m) Nov 82 s 11, Auth Decernit. C. de recept (2. 56) (ii) L. 19 §6 dedon.(39 5), L 39 de jurej (12. 2)

§. 309

II. Eid

(Surrogate

53

Einleitung.

als unbedingt behandelt, und die zu beschwörende Handlung in einen Modus verwandelt werden (o).

Der zugeschobcne Eid, von welchem allein nunmehr die

Rede sevn wird,

beruht auf dem Grundsatz,

der in einem zweifelhaften, einem Anderen steht,

bewirken kann

daß Zeder,

streitigen Rechtsverhältnisse zu

die Feststellung desselben durch Eid

Aus dem Eide entsteht dann stets formelle

Wahrheit, so wie aus dem gerichtlichen Geständniß (§303). Unter gewissen Bedingungen kann daraus sogar die selbstständige Entscheidung ciires Streites hervorgehen, in welchem

Fall ein richterliches Urtheil entbehrlich wird, unb der Eid selbst als Surrogat des Urtheils erscheint.

Wäre dieser Grundsatz verlangen könnte,

so

gemeint, daß

jede Partei

durch ihren eigenen Eid den Rechtsstreit

zu entscheiden, so wäre dieses Institut für die Rechtssicher­ heit höchst gefährlich;

in vielen Fällen würde Alles von

dem Zufall abhangen,

welcher von Beiden sich zuerst zum

Eide meldete

selbst des

Es soll daher keine Partei befugt seyn, sich

Eides willkührlich

zu bemächtigen (p).

Grundsatz aber hat vielmehr die Bedeutung,

seinem Gegner den Eid zuschieben kann,

Jener

daß Jeder

und daß der so

(o) (S o B. 3 S 185—190. tuebitur, sibi enim juravit; (p) L. 3 pr dejurej. (12.2) alioquin facillimus quisque ad „ - nani si reus juravit, ne jusjurandum decurrens, nemine mine ei jusjurandum deferente, sibi deferente jusjurandum, Praetor id jusjurandum non oneribus actionum se liberabit“.

54

Buch U

yiccbtävi'rlmltiiuTr.

Kap IV

Verletzung,

veranlaße Eid die Kraft einer Entscheidung des Streites

haben soll

Der Sinn dieses Rechtsinstituts

beruht auf

der Voraussetzung, daß eine Partei in die sittlich-religiöse Gesinnung der Gegenpartei das Vertrauen setzt, diese werde nicht schwören, wenn sie nicht von ihrem Rechte, also von

der Wabrheit ihrer Behauptungen, überzeugt sev wird also meist zugeschoben,

leiste,

Der Eid

nicht damit der Gegner ihn

sondern in der Erwartung und mit dem Wunsche,

daß er ibn nicht leisten, vielmehr durch die Scheu vor dem Meineide

zum freiwilligen Nachgeben sich bewegen lassen

werde. Dieser Hergang

nun

läßt sich denken innerhalb der

folgenden vrei verschiedenen Zustände.

1.

Ehe

noch

ein Rechtsstreit angesangen

hat (außer­

gerichtlicher Eid)

2.

In einem Rechtsstreit,

und

zwar vor dem Prälor

und

zwar vor dem Iuder

(in jure)-

3. In einem Rechtsstreit,

(in judicio). In der Hauptsache, nämlich in der, aus dem Eide her­

vorgehenden, formellen Wahrheit, stehen diese drei Fälle nach Römischem Recht einander gleich.

Beide letzte Fälle aber

haben noch folgende Eigenthümlichkeiten

Im zweiten und dritten Fall wird durch die bloße Zuschiebuitg für den Gegner eine gewisse Nothwendigkeit, ein

Zwang, Rede ist

herbeigeftihrt,

wovon im ersten Fall nicht die

§

Surrogate

309

II

(Sie

(Smlettung

56

können zugleich noch besondere und

Jin Zweiten Fall

stärkere Wirkungen emtreten

Außer der wirklichen Ableistung ves Eides aber kommen noch folgende erhebliche Ereignisse in Betracht:

A. Der Erlaß des Eides (remissio), nachdem der Gegner ihn angenommen

hak,

und zu schwören bereit ge­

wesen ist

B. Die Zurückschiebung des Eides (relatio) diese wirv

dasselbe Verhältniß,

sprüngliche Zuschiebung,

herbeigeführ»,

Durch

wie durch die ur­

mit allen

seinen

Folgen,

nur mit umgekehrter Stellung beider

Parteien

Die hier übersichtlich aufgestellten Sätze sollen nunmehr einzeln entwickelt und aus unseren Rechtsquellen nachge­ wiesen werden,

wobei folgender Gang der Untersuchung

engeschlagen werden wird

A. Römisches Recht I. Zuschiebung II. Ableistung

III. Möglicher Inhalt des Eides. IV. Form des Eides V. Erlaß VI. Gemeinsame Wirkungen

VH. Besondere Wirkungen, je nach der verschiedenen

Lage des Streites

B

Heutiges Recht.

56

Buch II

§

3«1) alt.

310.

-

Surrogate res Urtheils. Ableistung,

Kap. IV Verletzung.

Rechtsverhältnisse.

Form,

II. Erd. Erlaß

Fusch,cbung,

--

des

zug escho beilen

Erdes

I. Zuschiebung des

Eides.

Nur durch diese völlig freie Handlung

einer Partei

kann die Reihe von Wirkungen hervorgerufen werden,

das Wesen dieses Rechtsinstituts ausmacht Eid also,

die

Der einseitige

ohne vorhergehende Zuschiebnng, ist völlig wir­

kungslos (8 309 p) Die Zuschicbung ist möglich in und außer einem Rechts­ Sie kann geschehen sowohl von dem Kläger gentium

anstatt daß der Eid,

Vertragsnatur (Note k),

daß er

vermöge seiner

dem ju* gentium vollständig an

Hieran knüpft sich die Wirkung,

daß durch

den gegen eine Obligation abgeleisteten Eid auch selbst der naturale Bestandtheil dieser Obligation (nicht blos die Klag­

barkeit ) zerstört wird,

so daß Pfänder frei werden,

und

eine spätere Zahlung als Indebitum zurückgesordert werden kann (i').

(m) ,, . hoc jusjurandum Vgl auch Lil § 3 L. 12 de in locum litis contestatae suc- jur. (12 2) cedit “ (p) L. 2 eod „majorenique (n) L 9 §3 de jur (12. 2), habet auctoritatem, quam res nämlich nach dem älteren Recht, judicata.“ in welchem die L. (5. als regel­ (q) §4 J de exceyt (4. 13) mäßige Unterbrechung erfordert ,, . . quia iniquum est, de wurde. S. o B 5 S. 316. perjurio quaeri, defenditur per (o) L. 1 quarum rer actio exceptionemjurisjurandi“. Der (44. 5) . viceni rei judica- selbe Ausdruck steht in den vor tae obtinet.“ Dieses zeigt sich hergehenden drei §§, fehlt aber in in der für beide gemeinsamen dem folgenden (§ 5 eod.), der von förmlichen Wahrheit, und ui der in der exc. rei jud. handelt. factum actio, s o. Roten b. c. (r) L. 40. 42 yr de jur (12. 2), L. 43 de cond ind

§ 311

Surrogate

noch

(Sitte praktisch

knüpft,

II

besteht darin,

Etc

Gemetmamc Wirkungen

wichtigere Folge Die

67

sich daran

daß die Wirkung des Eides selbst

durch die Behauptung des Meineides nicht soll entkräftet

werden

können (s),

und daß insbesondere aus diese Be-

hauptung keine doli actio, werden darf (tj

von dieser Regel

exceptio,

replicatio gegründet

Das neueste Römische Recht gestattet



nur die emsige Ausnahme,

wenn der

Anspruch aus ein Legat oder Fideieommiß durch den Eid

des Legatars begründet, nachher aber der Meineid nachge­ wiesen wird

(u)

Ein deutsches Reichsgesetz dagegen ver­

daß der vor dem Straftichter erwiesene Eid stets

ordnet,

auch die Verpflichtung zum Schadensersatz mit sich führen

soll (v)

- Die etwas auffallende Vorschrift des Römischen

Rechts hat offenbar die Bedeutung, die Entscheidung

der Sache

daß der Zuschiebende

von des Gegners Eid,

selbst aus die Gefahr des Meineides hin

und

(die ihm ja nicht

verborgen seyn konnte), abhängig machen wollte

Zum Schutz der hier aufgestellten Wirkungen des Eides werden alle Arten von Rechtsmitteln gegeben, die nach den Umständen erforderlich seyn können.

95 § 4 de solut

Deutet in allgemeinen Worten L. 1

(46 3) (s) L. 31 in f de jur (12.2), L.iC eod.f vgl. oben Note q.

nianische Interpolation zu seyn scheint, da keine andere Ausnahme

(12

8),

L.

(t) L. 21. 22 de dolo (4. 3), L. 5 de except (44. 1).

(u)

L. 13 C. de jur

(4. 1)

Auf solche gesetzliche Ausnahmen

C. eod.t welches jedoch eine Justi­

dieser Art vorkommt.

(v) Const. art 107

crim.

Carol,

'68

Buch II Rechtsverhältnisse

Kap IV Verletzung

Ist also eine Klage nöthig,

so wird eine solche gege­

ben (w); Dieses gilt namentlich auch von dem außergerichtlichen Eide (x).

Eben so wenn eine Erception erforderlich

ist, nämlich wenn der Kläger die Thatsache eines vom Be­

klagten geleisteten Eides bestreitet, weil außerdem die Klage sogleich, und ohne Erception, abgeschlagen wird m )

Jede Wirkung des Eides aber,

und zedeo ;um Schutz

derselben anzuwendende Rechtsmittel,

muß sieb genau an­

schließen an den besonderen Inhalt des geschworenen Eides, und darf über diesen Inhalt nicht hinausgeben also Jemand,

gehöre,

daß eine Sache

Einrede gründen (z). —

oder eine Erbschaft ihm

sowohl

so kann er daraus

eine Klage, alo eine

Schwört er,

(m) £. 9 § l 6 de jur (12.2), niid zwar eine actio in factum, s. c Note c (x) L. 2k 8 l O eod (>) L 3 pr L 7, L. 9 pr. § 1 eod (z) £.9 § 7 L 11 § 1 3 eod Höchst bestritten ist Vie Auslegung der £ 13 § 1 eod „Juhaims ait, eum, qui jura\ it fundum suum esse, post 1 t praescriptionem etiam, utilein actionem habe re“. Viele wollen damit beweisen, daß zur Zeit der alten Juristen die 1. t. praescr zugleich em Klag recht gegeben habe. Sie nehmen also an, der Schwörende und der Besitzer, der die 1. t. praescnptio erworben habe, seyen in dieser Stelle als eine und dieselbe Person gedacht, und dieser Person werde

Schwört

daß

eine Sache

nun em ^lagrecht zugeschrieben für den Fall, daß sie spater den Besitz wieder veilieu Tiefe ($r klarung aber ist gewiß zu ver werfen Tenn wenn die 1.1 praescr. die Kran baue. em Klagrecht m begründen (welches eben durch diese Stelle bewiesen werden soll), wozu bedurfte es dann noch da neben der Erwähnung des Eides? Umgekehrt aber ist es von dem Eide für sich allein unzweifelhaft, daß er em Klagrecht erzeugte (Note w, wozu bedurfte es da neben noch der Erwähnung der 1. t. praescr *■ — Die richtige Erklärung der Stelle beruht viel­ mehr auf folgender Voraussetzung Die Eigenthumsklage wird gegen einen Besitzer angestellt, der bas Eigenthum des Klagers verneint,

8 311

Surrogate II (*iir

dem Gegner nicht gehöre, Einrede (aa)

Geillklnianie Wirkung«!

69

so gewinnt er dadurch nur eine

Im Einzelnen treten dann diezelben praktische

Folgen ein, wie sie den Klagen aus Eigenthum, Erbrecht,

Schuldsorderungen u. s w

Klagen,

angemessen sind,

unabhängig von einem Eide,

wenn diese

angestellt und be­

gründet werden (bb)

Die durch

den Eid

herbeigesührte Entscheidung eines

Rechtsstreites kann auch noch von Wichtigkeit seyn, nicht mehr von diesem Rechtsstreite selbst,

wenn

sondern von

einem künftigen, mit jenem identischen oder verwandten, die

Rede ist

Es ist derselbe Einfluß, von welchem schon oben

bei dein rechiskrästigen Urtheil ausführlich die Rede gewesen

ist,

und

es gelten für den Eid Hierin dieselben Regeln,

welche dort entwickelt worden sind (ec)

— Auch bei dem

Eide kommt Alles daraus an, daß in beiden Sachen eadem

quaestio zum Grunde liege, wenn herjn der früheren Sache geleistete Eid aus die Entscheidung der spateren Einfluß

fcaiiebeii aber Anspruch auf eine 1. t. praescr bat. Anstatt diese vorzuschützen, und vor Allem den Beweis des Eigenthums zu er­ warten, wählt er den anderen Weg, daß er dem Kläger den Eid zuschiebt. Wenn nun der Kläger den zugeschobenen Eid schwort, so soll er dadurch eine Klage nut sicherem Erfolg (utilem actionem) Haben, ungeachtet der Beklagte eine 1. t. praescr. Hätte vorschützen können (post 1.1. praescr. etiam). Denn in der EideSzuschiebung über

ras Eigenthum (ohne Zusatz und Vorbehalt) liegt dann em Verzicht ans die 1. t pr. weil der Beklagte durch diese Eideszuschiebung die vollständige Entscheidung über hie ganze Streitsache ui die Hand des Klägers gelegt hat. (aa) L. 11 pr eod. L. 7 § 7 de publ (6. 2) (bb) L. 11 § 1 2.3. L.30 8 1.2. 5 L. 36. L. 42 pr § 1 jur. (12. 2). (cc) S. o B 6 S. 414. 415 und § 297 d 8 299 e

Buch II

70

haben soll Urtheil,

Rechtsverhältnisse.

(dd)



Auch

bei

Kap IV. Verletzung,

Eide,

dem

wie bei dem

sind folgende Umstände für den Einfluß auf den

späteren Rechtsstreit gleichgültig: 1.

die Verschiedenheit des äußeren Gegenstandes (ce).

2

Die Verschiedenheit der Klage (ff)

Wer also, bei einer

angestelllcn furti actio, schwört, daß er nicht gestohlen

habe,

ist dadurch auch gegen eilte künftige condictio

fnrtiva gesichert, und umgekehrt.

3

Die Verschiedenheit der Parteirollcn,

so daß der ge­

leistete Eid künftig eben sowohl für den Schwörenden bindend ist, als für seinen Gegner ter>

8

Surrogate v e o Urtheils

312



II

(Ssifc

(entere



Wtrkuugc n ic n a d) d e v v c v (dn c D c n e n V a g e d c ö S r x e 11 c 0 VIII.

Besondere Wirkungen.

Es ist schon oben bemerkt worden, daß die Zuschicbung

des Eides während drei verschiedener Zustände des Streites Vorkommen (§ 309).

kann,

außergerichtlich,

in jure,

Es ist nun noch festuistellen,

in judiciu

welche eigenthüm­

liche Wirkungen der Zuschiebung in ledem dieser drei Fälle anzunehmcn sind

Voraus muß bemerkt werden,

daß die,

im vorhergehenden Paragraphen angegebenen, gemeinsamen Wirklingen

von

dieser

(dd) £ 28 §4 7 eod (ee) £.11 § 3 7 eod

Verschiedenheit

unabhängig

sind.

(ff) £ 28 § 4. 6 —9 L. 13 §2 £. 30 § 4 eod. (gg) £ 13 § 3. 5 eod

Buch II

70

haben soll Urtheil,

Rechtsverhältnisse.

(dd)



Auch

bei

Kap IV. Verletzung,

Eide,

dem

wie bei dem

sind folgende Umstände für den Einfluß auf den

späteren Rechtsstreit gleichgültig: 1.

die Verschiedenheit des äußeren Gegenstandes (ce).

2

Die Verschiedenheit der Klage (ff)

Wer also, bei einer

angestelllcn furti actio, schwört, daß er nicht gestohlen

habe,

ist dadurch auch gegen eilte künftige condictio

fnrtiva gesichert, und umgekehrt.

3

Die Verschiedenheit der Parteirollcn,

so daß der ge­

leistete Eid künftig eben sowohl für den Schwörenden bindend ist, als für seinen Gegner ter>

8

Surrogate v e o Urtheils

312



II

(Ssifc

(entere



Wtrkuugc n ic n a d) d e v v c v (dn c D c n e n V a g e d c ö S r x e 11 c 0 VIII.

Besondere Wirkungen.

Es ist schon oben bemerkt worden, daß die Zuschicbung

des Eides während drei verschiedener Zustände des Streites Vorkommen (§ 309).

kann,

außergerichtlich,

in jure,

Es ist nun noch festuistellen,

in judiciu

welche eigenthüm­

liche Wirkungen der Zuschiebung in ledem dieser drei Fälle anzunehmcn sind

Voraus muß bemerkt werden,

daß die,

im vorhergehenden Paragraphen angegebenen, gemeinsamen Wirklingen

von

dieser

(dd) £ 28 §4 7 eod (ee) £.11 § 3 7 eod

Verschiedenheit

unabhängig

sind.

(ff) £ 28 § 4. 6 —9 L. 13 §2 £. 30 § 4 eod. (gg) £ 13 § 3. 5 eod

312

§

Surrogate

II

Eid

71

Besondere Wirkungen.

Jene Wirkungen beziehen sich insgesammt aus Den Fall der wirklichen Ableistung des zugeschobenen Eides;

darauf be-

ferner die dem Eide zukom­

rubt die förmliche Wahrbeit;

mende doppelte Eigenschaft, als eines Vertrages, und alS einer entscheidenden Prozeßhandlung, endlich der Schutz der

förmlichen Wabrbeit durch

jedes erforderliche Rechtsmittel,

Die nunmebr zu untersuchenden Ver­

Aage oder Einrede.

schiedenbelten bezieben

demnach

sich

besonders

auf

die,

und Ableistung in der Mitte lie­

zwischen der Zuschiebung genden Folgen

Außergerichtliche Zuschiebung

!

Das Eigentbümliche dieses Faltes

bestebt darin,

in der freiesten Willkür des Gegners steht;

Alles

den Eld annebmen,

daß

will er

will er ibn ausdrücklich verweigern,

oder mit Stillschweigen übergeben, so steht Dieses in seiner

Macht, und er bat weder unmittelbaren, Zwang zu besorgen (a).

Auch feblt es

wenigstens für den Kläger,

Zwang,

noch indirecten

zu einem solchen

an jedem Bedürfniß,

da er in jedem Augenblick die Klage vor Gericht bringen

und dann durch den notbwendigell Eid unterstützen kann. Wird

also

der

in

dieser Lage zuqeschobene Eid nicht

angenommen, so ist es so gut, geschoben

(a)

worden

(b)

Von

Bon der einzigen Stelle,

die auf einen indirekten Zwang bezogen werden konnte (L. 38 de jur

12

2)

wird

unten

gezeigt

als wäre er gar nicht zu­ einem

Zurückschieben dieses

werden, daß sie Nicki von der außergericktlicken Zuschiebung zu versteben ist (§313 f) (b) L 5 § 4 eod

72

Buch II Rechtsverhältnisse

Kap IV Verletzung

Eides kann gar nicht die Rede seyn (c); darin würde nur der Versuch einer umgekehrten Zuschiebung liegen,

welche

wiederum dem Gegner volle Freibeit lassen würde,

diesen

zuletzt zugeschobenen Eid anzunehmen oder zu verweigern

2

Zuschiebung vor dem Prätor (in jure).

Wenn in dieser Lage des Streites der Kläger oder der

Beklagte den Eid zuschiebt,

ob er sich daraus einlassen will,

kür des Gegners, mehr wird

\o siebt es nicht in der Will­

er dazu gezwungen (d)

viel­

Dieser Zwang aber

besteht nrcht etwa in einer Strafandrobung, sondern in der Wahl zwischen solgenden Entschließungen

entweder nachgebell, also thun,

Er muss

was der Gegner ver­

langt,

oder schwörell, oder den Eid dem Gegner zurück schieben (referro). Zu den beiden letzten Maßregeln giebt es keinen eigent­

lichen Zwang,

wohl aber zu der ersten;

Zwang

darauf also wird

in

verschiedenen

Arten, die noch näher bestimmt werden sollen

Wenn also

dann der

wahre

gerichtet

(e),

(c) L. 17 pr eod „Jusju worin also der Gegensatz liegt, randuni, quod ex comentione daß teber Andere in der That ge extra Judicium defertur, referri zwungen wirb. non potest“ Die Ziirückschiebung (e) L 34 8- li de jur (12 hat nur eine eigenthümliche Be- 2) ,,\it Praetor eum, a quo deuNiilg als ein Mittel, Dem außer jusjurandum petetur, solvere dem eintvetenben Zwang eine an­ aut jurare cogani Alterum ita dere Wendung zu geben (Note g). que eligat reus, aut solvat aut (d) L Z8 § 2 de jud. (5 1) juret, si non jurat, solvere co ,, nee jurare cogendus est“, gendus erit a Praetore “ als Ausnahme bei einem Legaten,

8 312

Surrogate

II

Chr

Besondere Wirkungen

73

der Gegner jeT>e dieser Maßregeln ausdrücklich verweigert, oder (was dasselbe ist) blos schweigt,

also jede Erklärung

unterläßt, so gilt Dieses eben so, als wenn gegen ibn durch den Eid des Zuschiebenven die sörmlicke Wabrbeil sestgestellt wäre,

und er wird

uim sactischen Nachgeben unmittelbar­

gezwungen (f)

Unter jenen drei Gegenständen freier Wabl ist das Zurückschieben des Eides genannt worden

Diejes bat ganz

dieselbe Natur, wie die ursprüngliche Zuscknebung, und es

tritt nun mit

ganz daö bisber beschriebene Versabren ein, nur

Umkebrung

der

wird als die bescheidenste

trachtet,

(^).

Personen

Tas

Zuruckschieben

und anständigste Maßregel be­

als Aeußerung des Vertrauens in die Gewissen­

haftigkeit des Gegners (h)

angemessen,

Es ist nicht immer nötbig oder

daß dieser zweite Eid mit dem ersten wörtlich

übereinstimme,

darüber

bat nach Umständen die Richter­

bebörde zu entscheiden (i) Es sind jedoch solgende Einschränkungen des so eben

erörterten Zwanges zu bemerken

Aus persönlicher Ehr­

furcht braucht die Zuschiebung in der Regel nicht unterlassen

zu werden, so daß sie selbst zulässig ist gegen den Vater

und den Patron des Zuschiebenden (k); in der Zuschiebung

(f) L. 34 8? 9 eod. Bon dem letzten dreser zwer 88 wirb noch weiter die Rede seyn (§ 313 d). (g) L. 34 8 7 eod. (h) L. 25 8 1 o würde

ich jene Frage unbedenklich verneinen

Er bestand aber in

der That nur in der angenommenen Feststellung des Gegen­ theils der Behauptung, welche zu beschwören in die Macht

deS Weigernden gestellt war (§. 312 f), und dieses Zwangs­ mittel dem Juder, so gut als dem Prätor, zuzuschreiben,

kann nicht das geringste Bedenken haben.

Der eigentliche,

gewiß richtige Gesichtspunkt für jene Feststellung zum Nach­ theil Deffen, der den zugeschobenen Eid verweigert, ist in

folgender Stelle des Paulus ausgedrückt (f): festae turpitndinis et confessionis est,

nec jusjurandum rcferrc“.

Mani-

nolle ncc zurare,

Diese Stelle ist ganz wie ge­

schrieben zur Rechtfertigung des Juder, der die Weigerung völlig wie ein gerichtliches Geständniß behandelt und hier­ nach sein Urtheil einrichtet, und sie wird also am natür­ lichsten bezogen auf die Eideszuschiebung vor dem Juder

Auf die außergerichtliche kann sie nickt bezogen werden, weil

(f) VII.

L 38 de jur (12. 2)

6

82

Buch II

Rechtsverhältnisse

Kap IV

Verletzung.

dabei keine Art des Zwanges vorkam, insbesondere aber

auch kein referre (§ 312 Noten a. c.); eben so wenig aber

auf die Eideszuschiebung vor dem Prätor (g), dessen zwin­

gende Gewalt bierin an sich keiner Rechtfertigung bedurfte, und auch schon wörtlich in dem Edict begründet war. Eine Bestätigung der hier aufgestellten Behauptung liegt

noch in dem Fall des Albulius, in welchem das Centum-

viralqericht

die Berweigerung

eines

.zugeschobenen Eides

gleichfalls wie ein Geständniß bebandelte und dem Urtheil zum Grunde legte (h); die Eentumvirn aber batten die

Stellung des ^uder, nicht des Prätors, sie waren ttrtbeiler,

nicht vrozeßlcitcnde Obrigkeit.

Völlig verschieden von dem bisher dargestellren zuge­

schobenen Eide ist eine andere Art, den Eid auf die Ent­ scheidung eines Rechtsstreites

anzuwenden;

eine Art der

Anwendung, die nach der älteren Römischen Gerichtsver­ fassung nur allein vor dem Inder Vorkommen konnte.

Wenn

nämlich, nach geführten Beweisen, der Richter über die Tbatsachen noch nicht völlig aufgeklärt ist, so kann er nach seinem Ermessen die eine oder andere Partei zum Eide aufsordern,

und je nach dem Ausfall desselben sein Urtheil cinrichken (i) Dieser Fall unterscheidet sich von dem des zugeschobenen Eides (g) Hierauf wird die Sielte bezogen von Pnchl a § 173. e (h) ÄE5EC4 controt lib. 3. praef

(1) L. 1 31 de jur L. 3 L 12 pr C eod

(12 2)

§ 313 Surrogate II. Eid. Besondere Wirkungen. (Forts)

83

wesentlich dadurch, daß keine Einwilligung der Parteien, also kein Vertrag zum Grunde liegt

Dieses ist reines

Beweismittel, und es ist dabei eine Anfechtung wegen später

aufgefundener Urkunden nicht unmöglich (k)

— Diese Art

des Eides ist in dem heutigen Prozeßrecht als Erfüllungseid

und Reinigungseid genauer ausgebildet worden. Es bedarf kaum noch der Bemerkung, daß vor dem

Luder der Eid jeder Art niemals Surrogat eines Urtheils

seyn, folglich das Urtheil selbst entbehrlich machen konnte. Die eigentliche Entscheidung konnte hier lediglich von dem

Urtheil ausgeben (1),

dessen Inhalt aber an den Inhalt

des Eides nothwendig gebunden war

Die Ueberschrift des Digestentitels (Xli. 2) lautet so: De

jurejiirando,

judiciali.

mvc

\ uluntario,

mvc

neccbsario,

sive

Darin sind augenscheinlich Römische Kunstaus-

drücke enthalten, über deren Bedeutung

in

neuerer Zeit

verschiedene Meinungen aufgestellt worden sind (m).

Nach

der bis hierher geführten Untersuchung scheint folgende Be­

deutung dieser Ausdrücke angenommen werden zu müssen.

(k) jn ciefvv Hinsicht unterscheid en sich überhaupt Urtheile und Vergleiche (.zu welchen letzten der Eid gehört). L. 35 de re Jud (42. t), L. 19.29 C detrausaet (2.4) Vgl Burchardi Wieder

elnietziing in den vorigen Stand S 13S (1) L 34 8 0 L 31 de jur

(12 2) (in) Do-selli s Lib 24 C 24. P n ch t a Institutionen § 173 Note e

84

Buch II

Rechtsverhältnisse.

Kap IV Verletzung

Voluntarium ist der außergerichtliche Eid, weil dessen An­

nahme und Leistung ganz in der Willkür der Partei lag, welcher er zugeschoben wurde.

Nccessarium ist der in jure

oder in judiciu zugeschobene Eid, weil in beiden Fällen die

Partei genöthigt war, sich in irgend einer Weise auf den­

selben einzulassen

Judiciale endlich ist der vom Zuder, ohne

Zuschiebung von Seiten einer Partei,

auserlegte Eid —

Anders ist freilich der Sprachgebrauch der neueren Schrift­ Hier beißt voluntarium der zu-

steller über den Prozeß

gescbobene, also von dem Witten einer Partei ausgehende

Eid, necessarium der von dem Willen des RicknerS aus­ gehende,

also von jedem Parteiwillen völlig unabhängige

Der Ausdruck der Freiwilligkeit oder Unfreiwilligkeit

Eid

wird also von den Neueren m einer anderen Beziehung gebraucht, als von den Römern

314

8 Surrogate rcs Urtheils

-

II

('m

— Heul> ges Recht

Es bleibt jetzt nur noch übrig, die späteren Aenderungen

des bisher dargestellten Rechts des Eideö binzu zu fügen Die in Justinian s Gesetzgebung eingetretene Aenderung ist bereits dargestellt tvorden (§ 313); es ist also nur noch

von dem heutigen Rechte zu reden Als

vorherrschender Gesichtspunkt

ist

hier

anerkannt

worden die Heiligkeit des Eides als einer religiösen Hand­ lung

Alle Neuerungen zwecken darauf ab,

theils dem

Meineide vorzubeugen, theils den Mißbrauch zu verhüten,

84

Buch II

Rechtsverhältnisse.

Kap IV Verletzung

Voluntarium ist der außergerichtliche Eid, weil dessen An­

nahme und Leistung ganz in der Willkür der Partei lag, welcher er zugeschoben wurde.

Nccessarium ist der in jure

oder in judiciu zugeschobene Eid, weil in beiden Fällen die

Partei genöthigt war, sich in irgend einer Weise auf den­

selben einzulassen

Judiciale endlich ist der vom Zuder, ohne

Zuschiebung von Seiten einer Partei,

auserlegte Eid —

Anders ist freilich der Sprachgebrauch der neueren Schrift­ Hier beißt voluntarium der zu-

steller über den Prozeß

gescbobene, also von dem Witten einer Partei ausgehende

Eid, necessarium der von dem Willen des RicknerS aus­ gehende,

also von jedem Parteiwillen völlig unabhängige

Der Ausdruck der Freiwilligkeit oder Unfreiwilligkeit

Eid

wird also von den Neueren m einer anderen Beziehung gebraucht, als von den Römern

314

8 Surrogate rcs Urtheils

-

II

('m

— Heul> ges Recht

Es bleibt jetzt nur noch übrig, die späteren Aenderungen

des bisher dargestellten Rechts des Eideö binzu zu fügen Die in Justinian s Gesetzgebung eingetretene Aenderung ist bereits dargestellt tvorden (§ 313); es ist also nur noch

von dem heutigen Rechte zu reden Als

vorherrschender Gesichtspunkt

ist

hier

anerkannt

worden die Heiligkeit des Eides als einer religiösen Hand­ lung

Alle Neuerungen zwecken darauf ab,

theils dem

Meineide vorzubeugen, theils den Mißbrauch zu verhüten,

§. 314

Surrogate

II Gtt

Heutiges Recht.

85

der in der Leistung eines unpassenden oder unnützen Eides liegen würde.

Hierauf gründen sich folgende einzelne, vom

Römischen Recht abweichende Sätze. Vor Allem bat der Richter freiere Macht in der Auf­ sicht auf den zugeschobenen Eid, der also nicht mehr so, wie

im Römischen Recht, durch die freie Uebereinkunft der Par­

teien bestimmt werden kann

— Der Richter versagt ihn,

wenn nach den Umständen ein Meineid zu befürchten ist. —

Die Fassung der Eidesformel wird von dem Zuschicbenven nur vorqeschlagen, der Gegner hat sich darüber zu erklären,

der Richter aber bat sie festzustellen

Für diese Bestimmung

findet sich ein Anhalt schon im Römischen Reckt (§ 310 ec) — Ein Unmündiger, den das Römische Reckt zur Ableistung

eines

zugeschobenen Eides zuläßt, weil er dabei nur ge­

winnen, nicht verlieren kann (§ 310. >,), wird jetzt nicht

mebr zugelassen (§ 312

— Der Eid vor Gefährde fällt letzt weg

n)

Der außergerichtliche Eid, der ganz ohne richterliche Aufsicht feint würde, ist jetzt gar nicht mehr zulässig und

bat, wenn er durch die Willkür der Parteien dennoch angewendet wird, nicht mehr die Wirkungen, die ihm das Römische Recht beilegt (a).

In manchen Partikulargesetzen

ist er geradezu verboten (b)

(a) S o §311 312. Mn Ult« gegen den Zuschiebenden abgeleitet recht wirb Dieses bezweifelt von werden können, obgleich dieser selbst Linde Prozeß §301 N 6 Nach den Anstoß da;u gegeben hat — (b) So z B in Preußen. dem heutigen Recht also würde aus einem solchen Privateide weder Allg L R 11 20 § 1425. 1420 kitte Klage, noch eine Einrede 1429 Allg G O 1. 10 § 248

Buch II.

86

Kap. IV

Rechtsverhältnisse

Verletzung

Der Eid ist jent bloßes Beweismittel, und kann nur

über reine Thatsachen, nicht über Rechtsverhältnisse (welches im Römischen schoben werden

Recht

seine Hauptanwendung

war-

zuge­

Wird Dieses dennoch versucht, so bat der

Richter einen solchen Eid

zu verbessern

Diese wichtige

Neuerung ist im heutigen Recht saft allgemein anerkannt, wenn­ gleich im Einzelnen von unkundigen Richtern dagegen nicht

selten, und vielleicht selbst bewußtlos, verstoßen werden mag, indem sie sich den Gegensatz nicht völlig klar machen (c) — Es dars daher der Eid nicht zugeschoben werden über das

Daseyn eines Eigenthums oder einer Schuld, sondern nur über diejenigen Thatsachen,

die Schuld

angeblich

woraus das Eigenthum oder

entstanden

sevn soll

Der Grund

dieses wichtigen Satzes liegt darin, daß jedes Urtheil über das Dasevn eines Rechtsverhältnisses stets ein Stück Rechts­

theorie mit in sich schließt, die doch unmöglich als passender Gegenstand eitles Eides angesehen werdet: kattn

Die Un­

klarheit , die aus dieser Vermischung von Rechtssätzen und Thatsachen hervorgeht, kann dahin führen, daß in manchen Fällen ein Eid geleistet wird, den bei genauer Zergliederung

Der aufgestellte Satz tvivt

(c)

von folgenden Schriftstellern aner­ kannt Böhmer electa T. 2 Ex 14 §12, GlückB 8 § 585, Martin

§224 (llteAusg.), Linde §302 N 15 — Anderer Meinung ist Bayer Vorlesungen S. 390, je­ doch

nur

Rechts,

nach Stellen des Röm. und indem er die Att-

gemeinheit

der

entgegengesetzten

Memungl anerkennt.

Er meint

aber, wenn sich der Gegner auf den Eid über ein Rechtsverhaltniß

ein lasse, so müsse Das als Vergleich gelten.

Allem gerade darin weicht

das

heutige Recht vom Rönl. R

ab,

daß es die reine Privatwill-

kür im Eide beschränkt.

8 314

Surrogate

Bestandtheile

der

würde.

eine

11. Erv

gewissenhafte

Gerade darin aber besteht

Mißbrauch ocs Eides

Heutiges Recht

Partei

nicht

87 leisten

eben ei» gefährlicher

Um sich Dieses noch anschaulicher

zu machen, möge man versuchen, das Daferm eines Eigen­ thums zum Gegenstand von Zeugenaussagen und Zeugen­

eiden zu macken.

Zwei Zeugen werden vielleicht das strei­

tige Eigenthum bejahen, und dabei doch von ganz verschie­

denen Rechtsregeln und Thatsachen ausgeben

Dann aber

ist ihre Uebereinstimmung nur scheinbar, da docti die wirk­ liche Uebereinstimmung der wahre Grund ist, worauf die Kraft des Zeugenbeweises beruht

Endlich kann auch jefe Partei den ihr zuge,chobenen Eid dadurch

beseitigen,

daß sie über die Wahrheit ihrer

Behauptung einen vollständigen Beweis durch andere Be­

weismittel führt.

Denn durch diesen Beweis wird der Eid

überflüssig, und in der Anwendung eines überflüssigen Eides liegt schon an sich ein Mißbrauch des Eides

Besonders

bezeichnend aber ist der übliche Kunstausdruck für diesen Fall:

Vertretung

des

Gewissens

durch Beweis

Eine

Partei von besonders strenger, ängstlicher Gewissenhaftigkeit kann nämlich, sich selbst mißtrauend, lieber dem Richter die

Beurtheilung des von ihr geführten Beweises überlassen, als selbst schwören, und dadurch Alles auf das eigene Ge­ wissen übernehmen

Eine solche Gesinnung verdient viel­

mehr Unterstützung, als Tadel, und dem Gegner wird da­ durch kein Unrecht zugefügt — Die Zulässigkeit einer solchen

Gewissensvertretung ist allgemein anerkannt, und es muß

Buch II

88

Rechtsverhältnisse.

Kap. IV. Verletzung,

dabei auch Gegenbeweis zugelaffen werden (d).

Der Eid

bleibt einstweilen aufgeschoben, muß aber, wenn der ver­

suchte Beweis mißlingt, wieder ausgenommen werden.

Im Römischen Recht wird diese Gewissensvertrelung nicht erwähnt, ja sie paßt dahin nicht, weil der Eid nicht als reines Beweismittel, sondern als vergleichsmäßige Ent­

scheidung des Rechtsverhältnisses angesehen wird (e). kanonischen Recht wird jenes Recht

Im

bestimmt anerkannt,

und zwar in Anwendung auf einen Fall, worin dem Kläger, der den Grund seiner Klage bereits bewiesen hatte, nun dennoch der Eid zugeschoben wurde (f).

Hierauf beschränken sich die wahren Abweichungen des heutigen Rechts, und einige andere, die gleichfalls behauptet

werden, sind nicht als richtig anzuerkennen. Dahin gehört die Behauptung,

der zugeschobene Eid

könne nur als Ergänzung eines anderen Beweises gebraucht werden, setze also stets einen auf andere Weise, wenngleich

unvollständig, geführten Beweis leine Bescheinigung) voraus.

Diese Meinung ist nach Römischem Recht gewiß zu ver­

werfen (g), ja sie war hier, weiligstens bei dem außer­ gerichtlichen Eid,

völlig

unanwendbar.

heutigen gemeinen Recht ist sie zu (d) Mälblanc §58 'Omaner S. 397 Gö nnerB 2 Abhdl. 48. Marin: §228. Linde § 308.

(e)

Die Stelle bet Quincti-

Lian, nibtit V 6 enthält nur em

allgemeines Räsonnement, geschichtliches Zeugniß.

kein

Auch

nach dem

verwerfen (h), lind

(f) C 2 X de prob. (2.19) (g) L. ^ pr de jur (12.2), L. 22 § 10 C de jure deh'b (6 30). (h) Danz Prozeß § 241 Note d. Linde Lehrbuch § 303 Note 6. 7

§. 314.

Surrogate

II Eid

nur in manchen Partikuiarrechten

Heutiges Recht. Kat

89

sie Eingang ge­

sunden (i). Eben so kars nicht bekauplet werden, daß die Zuschie­

bung des Eides nur als ein Nothbehelf angesehen werden könne, und daß sie versagt werden müsse, wenn dem Zu­

schiebenden andere Beweismittel zu Gebote sieben

solche bat, denen

er vertraut,

Ob er

das muß lediglich seiner

eigenen Beurtheilung überlassen bleiben.

Es wäre unge­

recht, ihn darauf zu verweisen und ihm desbalb die Eides­ zuschiebung

zu

versagen

Hierin läge eine ganz irrige

Umkcbrung der eben erklärten Regel von der Gewissens­ vertretung, wobei eine Partei freiwillig sich entschließt, den ihr zugeschobenen Eid durch einen von ibr zu fübrenden

Beweis anderer Art entbebrlich zu machen Stelle des kanonischen Rechts,

Tie einzige

die man dafür anführen

könnte, spricht auch in der Tbat nur von der Gewissens­ vertretung, und nur die Ausdrücke, womit sie die Gewissens­ vertretung begründet und rechtfertigt, sind so schwankend

und zweideutig, daß sie allerdings auch auf jenen irrigen

Say gedeutet werden könnten (k)

Wenn man die so eben dargestellten Abweichungen des heutigen Rechts in der Lehre vom zugeschobenen Eide er-

(i) So B in der Praris des Tribunals ;u Wismar (jetzt Greifswald), veranlaßt durch die falsche Lebre des MeviuS. Vgl Pufesdorf T 2 Obs. 151

(k) C 2 X. de prob (2. 19), „quum tune deinum ad hujusmodi sit suffragium recurrenduin, quum aliae legitimae probationes deesse noscuntur. “

90

Buch II

Kap. IV. Benetzung

RechtSverhätnnffe

wägt, so möchte man glauben, das Römische Recht sey dadurch von Grund aus verändert, ja es sey davon nicht

viel mebr als Nichts, übrig geblieben

So ist es aber in

der Tbar nicht; die eingetretenen Veränderungen betreffen mehr die Form, als das Wesen der Sache, und zwar so, daß wir sie sogar als wahre Verbesserungen jenes wichtigen

und für die Rechtspflege säst llnentbebrlichen RechtsinstiturS

anscben können

Selbst die wahre Vertragsnatur jenes

Eides mit ihren wichtigen Folgen ist unverändert geblieben, und es ist dabei nur der sehr heilsame Unterschied einge­

treten, daß ein solcher Vertrag nicht mehr durch den un­

abhängigen Willen der Parteien,

sondern nur unter der

Aufsicht und Mitwirkung eines Richters zu Stande kommen kann

Daher ist auch der Eid in keinem Fall mehr Sur­

rogat eines Urtheils, sondern nur der Grund, worauf ein

Urtheil, übereinstimmend mit dem Inhalt des Eides, be­ ruhen muß (I)

§ Restitution

315 —

Einleitung

Quellen-

Paulin Lib. 1. T. 7. 8. 9.

Cod. Greg. Lib. 2. T. 1-4. (1) Daß nach dem Gebrauch mancher Gerichte schon vor geleistetem Eide ein bedingtes Urtheil gesprochen, und nachher durch die Leistung des Eides puristcirt

wird, ist nur eine die äußerliche Form betreffende Abweichung. Zu empfehlen ist diese Form übrigens nicht.

90

Buch II

Kap. IV. Benetzung

RechtSverhätnnffe

wägt, so möchte man glauben, das Römische Recht sey dadurch von Grund aus verändert, ja es sey davon nicht

viel mebr als Nichts, übrig geblieben

So ist es aber in

der Tbar nicht; die eingetretenen Veränderungen betreffen mehr die Form, als das Wesen der Sache, und zwar so, daß wir sie sogar als wahre Verbesserungen jenes wichtigen

und für die Rechtspflege säst llnentbebrlichen RechtsinstiturS

anscben können

Selbst die wahre Vertragsnatur jenes

Eides mit ihren wichtigen Folgen ist unverändert geblieben, und es ist dabei nur der sehr heilsame Unterschied einge­

treten, daß ein solcher Vertrag nicht mehr durch den un­

abhängigen Willen der Parteien,

sondern nur unter der

Aufsicht und Mitwirkung eines Richters zu Stande kommen kann

Daher ist auch der Eid in keinem Fall mehr Sur­

rogat eines Urtheils, sondern nur der Grund, worauf ein

Urtheil, übereinstimmend mit dem Inhalt des Eides, be­ ruhen muß (I)

§ Restitution

315 —

Einleitung

Quellen-

Paulin Lib. 1. T. 7. 8. 9.

Cod. Greg. Lib. 2. T. 1-4. (1) Daß nach dem Gebrauch mancher Gerichte schon vor geleistetem Eide ein bedingtes Urtheil gesprochen, und nachher durch die Leistung des Eides puristcirt

wird, ist nur eine die äußerliche Form betreffende Abweichung. Zu empfehlen ist diese Form übrigens nicht.

§ 315

Coi). Theod Du,

Lib

4.

Restitution

Lib 2

F

91

^mleititnq

15 — 17

T. 1 -7

Cun 11§320 Note c).

Allerdings muß, wenn eine Restitution wegen Zwang oder wegen Minderjährigkeit

gesucht wird,

Zwanges eben sowohl bewiesen werden,

der Minderjährigkeit

die Thatsache des als die Thatsache

Aus dem erwiesenen Zwang aber

folgt dann die Mangelhaftigkeit des erzwungenen Geschäfts

von selbst, anstatt daß aus der erwiesenen Minderjährigkeit noch gar nicht folgt,

daß daS Geschäft ein leichtsinniges,

unüberlegtes, und deshalb mangelhaftes war, wenngleich es sich

hinterher

als

nachtheilig

in

seinen

Folgen darge­

stellt hak. Die einzelnen Anwendungen aber auf Verhältnisse des

Sachenrechts, des Obligationenrechts u

s w. schließen sich

ganz an die, schon oben (§319) zusammen gestellten, allge­

meinen Regeln an,

welche gerade bei der Minderjährigkeit

vollständiger, als bei anderen Restitutionsgründen, vorkommen. Hier sind also nur noch diejenigen Fälle und Verhältnisse

§. 323 Einz. Restitutionögründe I Minderjährigkeit. (Forts) hervorzuheben,

151

in welchen bei der Minderjährigkeit beson­

dere Bestimmungen nöthig gefunden worden sind. 1.

Veranlassung zur Restitution kann unter Anderm der

Empfang einer Zahlung werden, wenn der Empfänger das

empfangene Geld verschwendet oder verliert,

Diebstahl (§ 310 Note i).

z. B. durch

Gegen diese Gefahr wurden bei

minderjährigen Gläubigern neben der Restitution mancher­

namentlich Zahlung an einen

lei Schutzmittel angewendei,

Kurator, worauf der Schuldner bestehen konnte, oder auch Riederlegung deS gezahlten Geldes in einem Tempel.

Da­

durch wurde die Gefahr deö Verlustes vermindert, also die Restitution meist

saclisch ausgeschlossen;

eine unbedingte

Ausschließung der Restitution lag darin nicht (->). Just inian

fügte als neues Schutzmittel

die Vorschrift hinzu,

daß

Kapitalzahlungen nur in Folge eines, dieselben gestattenden, richterlichen Erkenntnisses geleistet werden sollten;

unter

dieser Voraussetzung

sollten sie recht sicher vorgenommen

werden können (b).

Man bat diese Vorschrift gewöhnlich

als Aenderung deö früheren Rechts,

und als unbedingte

Ausschließung der Restitution aufgcfaßl (verden können 1.

Gegen eine nachtheilige Arrogation kann ein minder­

jähriger Sohn allerdings Restitution fordern (d).

Nur ist

es ein Zirkel, Dieses als Ausnahme von der oben ange­

gebenen Begünstigung anzusehen.

tution als begründet erkannt wird,

Denn wenn die Resti­ so ist ja gerade das

elterliche Verhältniß verneint, worauf allein die Begünsti­ gung sich bezieht. 2

Wenn ein Vater seinen minderjährigen Sohn eman-

cipirt, dann aber durch Klage die Emancipation als nicht geschehen angreift, und ein rechtskräftiges Urtheil für sich erlangt,

so

kann der Sohn allerdings Restitution gegen

dieses Urtheil erhalten (e).

Allein wegen dieser angeblichen

Ausnahme gilt dieselbe Bemerkung, wie wegen der vorher­ gehenden.

Denn wenn in Folge der Restitution ein ent­

gegengesetztes Urtbeil

bewirkt wird,

pation für gültig erklärt,

welches die Emanci­

so ist dadurch

wiederum daö

Verhältniß zwischen Vater und Sohn beseitigt.

3.

Wenn der Vater eine Sache zuerst seinem minder-

(c) L. 2 C cit (d) L. 3 § 6 de nun. (4 4)

(e) L. 2 C si adv. rem jud. (2. 27)

Bgl. oben § 319 Note p VII.

15

226

II

Buch

Rechtsverhältnisse.

Kap.

IV

Verletzung.

jährigen Sohn, dann aber einem Dritten, und zwar mit

Einwilligung

des

Sohnes,

schenkt,

so kann der Sohn

gegen diese seine Einwilligung Restitution verlangen (f). Hier

geht

aber die Restitution nicht gegen den Vater,

gegen den Dritten,

sondern

der

die spätere Schenkung

empfing.

4.

Wenn einem in väterlicher Gewalt lebenden minder­

jährigen Sohne die Erbschaft zufällt, über den Werth dieser

Erbschaft Vater und Sohn verschiedene Meinung haben, und deshalb der Sohn, im Widerspruch mit der Ansicht

des Vaters, die Erbschaft ausschlägt oder antritt, so kann er hinterher gegen diese seine Handlrmg Restitution erlan­

gen (§).

Auch hier, wie in dem vorhergehenden Falle,

geht die Restitution nicht gegen den Vater, sondern gegen die mancherlei fremde, dabei betheiligte Personen

5

Wenn eine Mutter als Vormünderin die Rechte

ihres Kindes beeinträchtigt, so kann dieses dagegen Rechts­ mittel jeder Art,

brauchen (h)

unter andern auch die Restitution,

ge­

Dieses ist eine wahre Ausnahme jener

Begünstigung, allein da die Novelle Justin!an's, worin sich diese neueste Bestimmung findet, unglossirt ist, so hat

sie für das beutige Recht keine Anwendbarkeit (i).

(f) L 2 C si adv don (2.30). (g) L. 8 § 1 C de bon quae lib. (6 61) (h) Nov 155 C 1 (i) S o B. 1§ 17. Göschen a. a. O null die Novelle gelten

lassen als blos dectaratorrsch, wofür ich sie mcht halten kann, da sie in der That das frühere Gesetz positiv emschränkt. Puchta a. a. O. faßt die Sache so auf, daß dre Re-

ftttuNon nur wegfalle gegen tue

§. 336

Restitutio»

Parmpersonen.

227

(Forts.)

Zuletzt ist noch der Fall zu erörtern, wenn der Ver­ pflichtete bei der Restitution gleichfalls eine besonders be­

In einem solchen Fall fragt es sich,

günstigte Person ist.

ob auch dieser Person gegenüber die Restitution verlangt werden könne

Diese Frage tritt zuerst ein, wenn ein Minderjähriger gegen einen Minderjährigen restituirt seyn will.

Hier wird

meistens nur ein einseitiger Nachtheil vorhanden seyn; z B. wenn eine Sache zu wohlfeil verkauft wird, hat nur der

Verkäufer Nachtheil,

und dieser wird restituirt,

wobei der

Käufer keinen Nachtheil erleidet in Vergleichung des ur­

sprünglichen Zustandes.

Sind aber beide im Nachtheil ge­

kommen, ;. B. wenn ein Minderjähriger dem andern Geld

leiht, und dieser es verschwendet, so soll der Empfänger deS Darlehens den Vorzug haben, d. h. es soll an dem gegen­ wärtigen Zustand Nichts verändert werden (k).

Wenn ein Abwesender die Sache

eitles anderen Ab­

wesenden usucapirt, so ist nur ein einseitiger Nachtheil vor­

handen, und die Restitution gegen die Usucapion hat kein

Bedenken (1). Giebt ein Minderjähriger ein Darlehen an einen Sohn

in väterlicher Gewalt, so wird er gegen die exceptio Sc. Eltern altt selche (L. 2 C qui et adv quos), nicht gegen die in

anderer Eigenschaft, z. B

als Vor-

Eigenschaft als Eentrahenten, Usucaprenten u. s. w (k)

L. 11 § 6, L

(4. 4). (1) L. 46

Münder, anftrelende Eltern (Nov

min.

155). Allein auch jede andere Restitution gehr nicht gegen Die

(4.6).

ex

Eltern als selche, senvern in ihrer

15 *

34 pr de

quib.

caus

Buch II Rechtsverhältnisse.

228

Kap IV. Verletzung.

Macedoniani restituirt, d h. der Schutz des minderjährigen

Alters soll

in der Collision den Vorzug haben vor dem

Verbot des Senatusconsults (m).

Wenn ein Mindcriähriger

seine Forderung gegen die

Erpromission einer Frau aufgiebt,

so wird ihm (so wie

jedem Anderen) seine frühere Klage wiedergegeben, und

wenn der alte Schuldner zahlungsfähig ist, so entsteht für

den Minderjährigen keine Läsion.

Ist aber der Schuldner

insolvent, so wird der Minderjährige restituirt, d. h. der Schutz deS minderjährigen Alters hat im Collisionsfall den

Vorzug

vor

dem

Verbot

des

Vellejanischen

Senatus-

consultö (n).

§

337.

Restitution. — Verfahren Es gehörte zur Eigenthümlichkeit der Restitution schon von ihrem Ursprung an, daß die Prüfung und Gewährung derselben nicht dem

gewöhnlichen Gang des Verfahrens

(dem ordo judiciorum) überlassen ward, sondern dem höch­ sten Richteramt vorbehalten blieb, also extra ordincm voll­

zogen wurde (8 316. 317).

Daher verfolgte Der, welcher eine Aenderung des be­

stehenden Zustandes durch Restitution bewirken wollte, seinen

Zweck nicht durch eine actio. da diese vor einem Juder

(m) L. 11 §®7, L. 34 § 1 de min. (4. 4), L. 3 §2 de Sc Mac (14. 6), L. 9 pr de j. et facti ignor. (22. 6). (n) L. 12 de min. (4. 4).

Buch II Rechtsverhältnisse.

228

Kap IV. Verletzung.

Macedoniani restituirt, d h. der Schutz des minderjährigen

Alters soll

in der Collision den Vorzug haben vor dem

Verbot des Senatusconsults (m).

Wenn ein Mindcriähriger

seine Forderung gegen die

Erpromission einer Frau aufgiebt,

so wird ihm (so wie

jedem Anderen) seine frühere Klage wiedergegeben, und

wenn der alte Schuldner zahlungsfähig ist, so entsteht für

den Minderjährigen keine Läsion.

Ist aber der Schuldner

insolvent, so wird der Minderjährige restituirt, d. h. der Schutz deS minderjährigen Alters hat im Collisionsfall den

Vorzug

vor

dem

Verbot

des

Vellejanischen

Senatus-

consultö (n).

§

337.

Restitution. — Verfahren Es gehörte zur Eigenthümlichkeit der Restitution schon von ihrem Ursprung an, daß die Prüfung und Gewährung derselben nicht dem

gewöhnlichen Gang des Verfahrens

(dem ordo judiciorum) überlassen ward, sondern dem höch­ sten Richteramt vorbehalten blieb, also extra ordincm voll­

zogen wurde (8 316. 317).

Daher verfolgte Der, welcher eine Aenderung des be­

stehenden Zustandes durch Restitution bewirken wollte, seinen

Zweck nicht durch eine actio. da diese vor einem Juder

(m) L. 11 §®7, L. 34 § 1 de min. (4. 4), L. 3 §2 de Sc Mac (14. 6), L. 9 pr de j. et facti ignor. (22. 6). (n) L. 12 de min. (4. 4).

§

337

Restitution

229

Verfahren

hätte verhandelt werden müssen (a), sondern er bat viel­

mehr um eine cognitiu, d

um eine Verhandlung un­

h

mittelbar vor dem Prätor selbst (b).

zusammen,

wenn

Damit

hängt es

oft gesagt wird, die Restitution werde

bewirkt durch cogmtio, welches nur ein abgekürzter, nicht

völlig genauer Ausdruck ist, da es eigentlich das in Folge

der cognitio erlassene Decret des Prätors war, welches die Restitution ertheilte (c)

— Daß aber an die ertheilte Re-

ftitution eine Klage angeknüpst werden konnte, wird sogleich

weiter ausgeführt werden.

Eben so suchte der Beklagte eine Restitution nlcht auf dem Wege einer exceptio, sondern unmittelbar durch Ver­ weigerung der Klage (d), obgleich auch biet eine exceptio,

angeknüpft

Dasselbe ein,

der

alt

die

Verhältniß die

Restitution, trat

wobt

wiederum

Verweigerung

der

möglich bei

exceptio

dem

war



Kläger

unmittelbar

durch Restitution bewirken konnte, nach den Umställden des

(a) L. 24 § 5 de mm (4 4) ,,Ex hoc edicto nulla propria actio \el cautio proficiscitur, totum eniin hoc* p end et ex Praetaris cognitionc “ Die Worte xel cautio gehen auf die Fälle enter vom Prator ernenn genen Stipulation, auo welcher dann wieder, ui natürlicher Felge eine actio lnämlich etile condic tio) entstand. £ I § 2 de st/p praet (4b 5), L 32 pr de o es a (44 7) Die abgedruccte Stelle

geht übrigens zunächst nur auf Die Restitution der Minderjährigen, ist aber darum nicht weniger wahr auch für alle übrige Restitutionen. b) Cognitioneni postulare, linpetrare L. 39 § 6 de proc (3 3), L 3 § 9 de mm (4 4), L. 39 pr de evict (2l 2) (c) L 29 § 2 L. 47 § 1 de mm ( 4 4) L 1 (' de off praet (1 39), L 2 C xt ist omissam (2 40). (d) L. 27 § 1 de min. (4.4).

23U

Buch II. Rechtsverhältmffc.

Kap IV. Verletzung,

einzelnen Falles aber auch eine rcplicatio an die Restitution

knüpfte (e).

Diese Eigenthümlichkeiten sind schon seit dem Untergang

des alten urdo judicionun verschwunden, und können also auch

in unsrem beutigcn Prozeß um so weniger wahr­

genommen werden.

Hier erscheint daher die Bitte um Re­

stitution in Form einer gewöhnlichen Klage oder Einrede; bald selbstständig, bald bei Gelegenheit eines anderen Rechts­

streits, und in Verbindung mit demselben

Da aber unsre

Juristen einen Römisch aussebenden Klagnamen für unentbebrrlich

hielte»,

so pflegten

sie dem

Restitutionsgesuch

den Namen hnploratio officii judicis beizulegen,

ohne sich

daran zu stoßen, daß dieser Name weder in unsren Rechts­ quellen vorkommt,

noch

zu der ursprünglichen Form des

Römischen Restitutionsverfahrens paßt.

Die meisten Prozeßregeln, die über das Restitutions­

verfahren aufgestellt werden, sind einfacher Natur und geben

zu Zweifeln keinen Anlaß. - - Wer zur Restitution berechtigt

ist, kann nicht nur in eigener Person darum bitten, sondern auch durch einen Procurator (f); jedoch nicht durch einen Generalbevollmächtigten, sondern nur vermittelst eines auf

dieses Geschäft gerichteten besonderen Auftrags (g). — Mit

einer gewöhnlichen Klage ist das Restitutionsverfahren darin

(e) L 9 §4 dejitrej (12. 2). (g) L. 25 §1, L. 26 de nun. (f) L. un C etiam per pro r. (4.4). Ueber das Vertretungs(2. 49) recht des Vaters, nach L. 27 pr. de mitt. (4.4), s. o. § 323 Note p.

§. 337

Restitution

231

Verfahren.

gleichartig, daß es nur Gültigkeit hat, wenn die Gegner

des Berechtigten dazu gehörig vorgeladen sind, und entweder erscheinen, oder durch Ungehorsam ausbleiben (h).

Der

ausbleibende Gegner kann auch durch einen Vertreter ver­

theidigt werden, der aber, eben so wie in einem gewöhn­

lichen Nechtsstreit, Bürgen stellen muß (i).

Nur Restitu­

tionen gegen Versäumnisse im Prozeß werden nicht selten auch ohne Anhörung des Gegners (brevi mann) ertheilt (k).

Die schwierigste und bestrittenste Frage in dem Ver­ fahren bei der Restitution ist die über das sogenannte Ju­ dicium

rcsciudens UNd rescissorium.

womit es folgende

Bewandtniß Hal (!) Der Zweck der Restitution, die Herstellung des Ver­ letzten iil seinen früheren Zustand, kann nach Verschiedenheit

der Umstände aus zweierlei Weise erreicht werden.

Es

kann

geschehen

durch

ein

einfaches

Decret deS

Prätors, welches in Folge einer bloßen cognitio die Sache völlig erledigt, so daß Nichts mehr zu thun übrig bleibt. Dieser Fall tritt stets ein bei der Restitution gegen Ver­

säumnisse oder Versehen im Prozeß, indem das Decret die restituirte Partei in dieselbe Lage versetzt,

(h) L. 13 pr de min. (4 4), L. 1 C si adv. dotem (2. 34). — Bel der Restitution gegen teil Er­ werb einer Erbscl'aft sind sämmlllche Gläubiger des Verstorbenen als Gegner vorzuladen L 29 § 2 de min (4 4), Nov 119 CG

wie wenn die

(i) L 26 § 1 de mm (4. 4). (k) ueftt st Vorlesungen S. 216 (l) Ausführlich handelt davon Vurchardl §24.25.26, wo auch viele andere Schriftsteller angeführt und beurtheilt werden

232

Buch II

Rechtsverhältnisse

Kap. IV Verletzung.

Versäumniß oder das Versehen nicht Statt gefunden hätte —

Derselbe Fall findet sich ost, ja meistens, bei der Restitution eines Minderjährigen

gekauft oder

Hat Dieser eine Sache zu theuer

zu wohlfeil verkauft,

so wird der Gegner

gezwungen, im ersten Fall das Geld, im zweiten die ver­ kaufte Sache zurück zu geben, und mit diesem Decret ist

jeder Verletzung des Minderjährigen fen t|n)



vollständig abgehol­

Allein auch diese cognitio des PrätorS kann

wieder aus verschiedene Fragen gerichtet seyn, also in ver­

schiedene Stufen der Untersuchung zerfallen, deren jede viel­ leicht durch ein besonderes Decret entschieden wird, indem z. B das Aller selbst, ferner das Daseyn einer Verletzung,

endlich der Zusammenhang der Verletzung mit der Minder­

jährigkeit, bestritten werden kann (n) Es kann aber auch

geschehen durch das restituirende

Decret des Prätors, verbunden mit einem darauf folgenden ganz

anderen Rechtsstreit,

durch

welchen erst die völlige

Befriedigung des Verletzten herbcigeführt wird

Zn vielen

Fällen nämlich soll die Restitution nur dazu dienen,

ein

Hinderlich wegzuräumen, welches dem Gebrauch irgend eines

anderen selbstständigen Rechtsmittels < Klage oder Einrede)

im Wege stellt.

Dann erwartet der Verletzte von der Re­

stitution nicht sowohl die Herstellung des erwünschten frü­

heren Zustandes selbst, als die Herstcllting eines verlorenen

(in) L 24 § 4 de mitt (4.4), L. 39 § 6 de proc (3. 3), L. 39 pr de evict (21 2) „ fundtis praetona cogmtione ablatus.“ (n) L 39 pr de mitt (4.4).

Klagerechts, dessen Anwendung ihm dann, wie er hofft, zum Genuß jenes Zustandes verhelfen soll. Hieraus ent­ stehen also zwei an sich getrennte Prozesse, und man kann die Restitulion insosern eine bedingte Hülfe nennen, als sie dem Verletzten nur unter der Bedingung einen wirklichen Vortheil verschafft, als er den zweiten Prozeß gewinnt. Auf zusammengesetzte Verhältnisse der hier beschriebenen Art beziehen sich die oben erwähnten Kunstausdrücke Ju­ dicium rescindens nennen unsre Schriftsteller den Streit über die Restitution, der mit dem Ausspruch derselben endigt (also die practoria cognitio); Judicium rescissorium den darauf folgenden Rechtsstreit, der durch die Restitution erst möglich geworden ist. Der erste dieser Ausdrucke ist von den Netteren willkürlich gebildet; der zweite ist ein ächter Kunstausdruck, von den Römern abwechselnd gebraucht mit i’cstitutorium Judicium oder actio (o). Nur ist der Ausdruck rescistoria actio nicht beschränkt auf die Herstellung einer verlorenen Klage durch die prätorische in integrum resti­ tutio; derselbe wird vielmehr auch gebraucht, wenn eine solche Herstellung unmittelbar nach einer Regel des Civilrechts, unabbangig von dem freien Ermessen des Prätors ein­ tritt (p). (o) Rescissoria actio L. 28 §56^ quib. raus. (4. G), L. 24 C de R V (3. 32), L. 18 C de j post Hm (8 51) — Restituto ria actio et er Judicium. L. 3 § 1 de eo per quem (2. 10), L 46

§ 3 de proc (3 3), L. 7 § 3 quod falso (27 6). (p) Wenn 3 B eine Frau erprvmittirt, so wirr» sie nicht ver­ pflichtet, aber die eigentlich unter­ gegangene Klage des vorigen

234

Buch II.

Das

Rechtsverhältnisse.

Kap. IV.

Verletzung.

hier beschriebene zusammengesetzte Verfahren ist

besonders anwendbar auf die Restitution der Abwesenden, bei welcher schon die Worte des Edicts auf die Wieder­ herstellung einer verlorenen Klage gerichtet waren (§ 325). ES ist aber keineswegeö auf diesen Restitutionsgrund ein­

geschränkt,

sondern nicht selten auch

anwendbar, und

bei Minderjährigen

es ist auf der anderen Seite bei Ab­

wesenden nicht allgemein und nothwendig. Die Anwendbarkeit jenes Verfahrens auf Minderjährige wird anerkannt von Ulpian in einer Stelle, die vor allen anderen dazu geeignet ist, den Gegensatz beider Verfahrungs-

arten zur Anschauung zu bringen (q).

Ulpian sagt, die

Restitution werde einem Minderjährigen zuweilen in rem gegeben, z. B. wenn die von ihm mit Nachtheil verkaufte

Sache durch neue Veräußerung in die Hand eines Dritten gekommen sey,

gegen welchen er nun in manchen Fällen

Restitution begehren könne; dabei fügt er folgeilde Worte

hinzu:

et hoc vel cognitione Praetoria, vel rescissa aliena-

tione, dato in rem judicio. Diese Worte enthalten die Andeutung des oben beschrie­ benen

zweifachen Verfahrens:

Schuldners kann wieder gebraucht werden als rescissoria actio, wo­ zu es keiner Restitution durch den Prätor bedarf. L. 16 C. ad Sc. Veil. (4. 29). Auch diese heißt

des einfachen (cognitione

anderwärts restitutoria. L. 8 § 9. 12.13 ad. Sc. Veli. (16.1). (q) L. 13 § 1 de mm. (4. 4). Ueber diese Stelle ist zu vergleichen Burchardi S. 443. 444.

§. 337

Restitution.

Verfahren

235

Praetoria [r]), und des zusammengesetzten, bestehend aus

der Restitution gegen die Veräußerung, und einer darauf folgenden Eigenthumsklage vor dem Juder.

des Verfahrens

Beide Arten

werden hier so zusammengestellt, daß in

einem und demselben Rechtsfall,

je nach den Umständen,

sowohl die eine als die andere anwendbar seyn soll (s).

Auf der anderen Seite aber war auch bei den Abwe­ senden das zusammengesetzte Verfahren nicht allgemein und

nothwendig, vielmehr konnte auch hier zuweilen die einfache cognitio genügen, ja für manche Fälle wurde späterhin diese kürzere Behandlung sogar vorzugsweise angewender

Dieses

ist anerkannt in folgender, ost mißverstandenen Stelle des Callistratuö (t): Hoc

edictum, quod ad eos pertinet qui co conti-

nentur, minus in usu frequentatur: hujusmodi enim personis extra ordinem jus dicitur ex benatusconsultis

et principalibus constitutionibus. Da bi er das neuere extra ordinem als Gegensatz gegen das ursprüngliche Verfahren nach dem Edict bezeichnet wird, so könnte man leicht zu der irrigen Ansicht verleitet werden,

als ob der alte Jurist das ursprüngliche, reut nach dem

(r) Man muß hinzudenken: solo, cognitione, beim auch die in dem zweiten Fall erwähnte rescissio alienationis geschah stets ui Folge einer pratoriscben cognitio (s) (Sine ähnliche Znsainineiu stelln«q beider Verfabrungsarten

für einen und denselben Rechtsfall findet sich in L. 9 § 4 de jurej. (12.2) (Note e), mir nicht in Beziehung auf eine Klage, sondern ans eine Replieatton (t) L. 2 pr ex quib caus. (4 6). Vgl. Burchardi S. 466 bis 468

236

Buch II

Rechtsverhältnisse.

Kap. IV. Verletzung.

Ediet eingerichtete Restitutionsverfahren für eine Art von

Er will vielmehr

ordinarium judicium ausgeben wolle.

sagen, es werde in solchen Fällen jetzt Alles abgethan durch bloße cugnitio. also extra ordinem, ohne noch eine beson­

dere actio nachfolgen zu lassen (u).

— Ferner darf den

Worten des Callistratus nicht ein so allgemeiner Sinn

beigelegt werden, als ob die Neuerung alle Fälle des Edicts über die Abwesenden umfaßt hätte

Ohne Zweifel ist hier

die Rede von einem der zahlreichen juristischen Privilegien der Soldaten; diesen sollte auf die kürzeste und leichteste

Weise zu ihrem verlorenen Rechte verholfen werden, welches

allerdings

geschah,

Sache abmachte

wenn der Prätor extra ordinem die

Andere Abwesende,

oder auch der Freiheit Beraubte,

z

B.

Berbannte,

auf ähnliche Weise zu

begünstigen, war weder ein juristischer, noch ein politischer Grund vorhanden

Und eben so war für den umgekehrten

Fall (die Restitution gegen die Abwesenden) gewiß das alte Verfahren unverändert beibebalten worden (v)

Aus der hier geführten Untersuchung ergiebt es sich, daß in vielen Fallen das einfache Verfahren allein möglich war,

in

anderen Fällen das zusammengesetzte allerdings

möglich, aber nicht durchaus nothwendig

(u) Das extra ordinem jus dicitur hat also hier Denselben Sinn, wie in der vorhergehenden Stelle das (so/ö) cognitione Praetoria (Note r).

Dann hatte ohne

(v) Darauf teuren selbst Die Worte der Stelle, hiijusmodt enim personis extra ordinem jus dicitur, also nicht, wenn etwa Anwesende gegen solche die Neftitiition begehren

§.

337

237

Verfahren

Restitution

Zweifel der Präior freie Macht,

zu entscheiden,

welches

Verfahren in jedem einzelnen Fall als das zweckmäßigere vorzuziehen sey (w); gewiß aber konnte auch die Partei auf das eine oder das andere antragen (x).

Wir können

aber als wahrscheinlich annehmen, daß, so lange der alte ordn judiciorum bestand, diesem nicht ohne Noth Etwas

entzogen

wurde,

das zusammengesetzte Verfahren also in

Anwendung kam, da

wo es überhaupt möglich und nicht

durch dringende Gründe widerrathen war.

heutigen Prozeß

Im

steht

insofern die Sache ganz

als stets ein und derselbe Richter über die Re­

anders,

stitution und über die dadurch etwa herzustellende Klage zu

erkennen hat

Es hat keinen Zweifel, daß das Verfahren

über beide Rechtsfragen von Anfang an verbunden (cumulirt) werden kann, und daß die Partei schon ihre Anträge

hierauf richten darf

Aber es ist eben so wenig zweifelhaft,

daß es dem Bedürfniß einzelner Sachen angemessener seyn

kann, beide Verhandlungen gänzlich zu trennen, und zuerst

das Judicium rescindens abgesondert zu einer rechtskräftigen Entscheidung zu bringen, ehe das rescissorium eingeleitet

wird (y).

(y>)

Bllrchardl S.464 —470.

hauptet wird, beide Theile des Re-

Ein paffendes Beispiel, wie in einzelneii Fällen der Vorzug be­

stituNonsverfahrens

stimmt werden konnte,

Burchardl S. 461 —464.

findet fick

ebendas S. 443

(x) In diesem Sinn ist es zu verstehe». wenn von Manchen be­

hätten

schon

nach R. R cumulirt werden können.

(y)

Burchardi

§. 26.

Goschen Vorlesungen S 541.



238

Buch II. Rechtsverhältnisse.

Kap. IV. Verletzung.

Puchta giebt dem an sich richtig aufgefaßten Gegensatz

des Judicium rescindens und rescissorium noch folgenden Er sagt, der Prätor habe auch noch daö Judicium

Zusatz.

rescindens gleichsam spalten können, indem er z. B. die Restitution wegen Zwanges in zwei Fragen zerlegte: eine

rechtliche, über die Verletzung und' deren Zusammenhang

mit dem (angeblichen) Zwang, worüber er selbst (hypothe­

tisch) entschied; eine factische, über daö Daseyn des Zwan­ ges, worüber er von einem Juder entscheiden ließ.

Dieses

sey die äußerste Gränze der Restitution gewesen, und so

sey

insbesondere die actio quod metus

causa behandelt

worden (z). — Diese allzu subtile Annahme kann ich nur

alö

einen nicht

glücklichen Vermittlungsversuch

zwischen der strengen Scheidung der

von

den

sogenannten

ansehen

wahren Restitution

Nestitutionsklagen

auf der

einen

Seite, und der (ungehörigen) Vermengung dieser beiden Arten von Schutzmitteln auf der andern Seite

Wenn der

Prätor sich entschloß, eine Sache als Gegenstand der Re­ stitution zu behandeln, so entschied er allein über die Resti­ tution als solche vollständig, und gab höchstens nachher eine

actio.

Wir haben durchaus keinen Grund zu der Annahme,

daß jemals im älteren Recht ein Theil der Restitutionssrage

an einen Juder gewiesen worden wäre.

(z)

Puchta Pandekten 8 105.

Institutionen §. 177.

239

§. 338. Restitution. Verfahren. (Forts.)

§.

338.

Restitution. — Verfahren.

(Fortsetzung.)

Wie das eigentliche Klagerecht auf eigenthümliche Weise aufgehoben werden konnte (a),

Recht zur Restitution,

so

müssen auch für daS

welches mit dem Klagerecht zwar

nicht gleichbedeutend, dennoch verwandt ist, zwei besondere

Aufhebungsgründe

anerkannt

werden.

Diese

sind:

der

Verzicht und die Verjährung. I.

Verzicht.

Zwar hat

über

dieser Aushebungsgrund

daS Gebiet

der Restitution

weit

eine allgemeinere, hinaus reichende

Natur (§ 302); dennoch muß die Anwendung desselben

auf die Restitution hier besonders festgestellt werden. Der Berechtigte kann seinen Anspruch auf Restitution, nachdem er ihn zuerst geltend machte, aufgeben durch eine

ausdrückliche Willenserklärung.

Diese wird desistere ge­

nannt; es wird aber besonders bemerkt, dazu genüge eS

nicht, wenn der Berechtigte blos den Prozess liegen lasse, sondern er müsse seinem Recht selbst gänzlich entsagen (b). Dieselbe Wirkung aber, wie die ausdrückliche Entsagung, hat die spätere Genehmigung oder Bestätigung derjenigen

Handlung, gegen welche die Restitution hätte gesucht werden

können; also die comprobatio oder ratihabitio (c).

(a) S. o. B. 5 §. 230—255. (b) L. 20 § 1 de min. (4. 4), L. 21 eod. „Destitisse autern is videtur, non qui distulit,

Des-

sed qui liti renuntiavit in totum.“ (c) L. 3 § 1 de min. (4.4), L. 1.2 C. si major factus (2.46).

Buch II.

240

Rechtsverhältnisse.

Kap. IV.

Verletzung.

gleichen kann diese Wirkung bervorgebracht werden auch durch solche Handlungen, welche mit dem Zweck und Erfolg

der erlangten Restitution iin Widerspruch

sieben würden.

Hat also z. B. ein Minderjähriger die Frist einer B. P.

contra tabulas versäumt und gegen diese Versäumniß Re­

stitution gesucht, dann aber aus demselben Testament ein Legat eingefordert, so ist dadurch die Restitution unmöglich geworden, weil durch die Forderung des Legats die Gül­

tigkeit des Testaments anerkannt worden ist (d).

Diese Handlungen sind nur dann dazu geeignet, das Recht zur Restitution aufzuheben, wenn sie zu einer Zeit vorgenommen werden, worin der besondere Zustand,

den Restitutionsgrund bildet, bereits aufgebört hat.

der Der

Verzicht auf die Restitution eines Minderjährigen ist also

nur

wirksam,

wenn

er nach

eingetretener

Volljährigkeit

erklärt wird; denn ein früherer Verzicht würde wieder der­

selben Restitution unterliegen, wie das ursprüngliche Rechts­

geschäft,

welches durch Restitution entkräftet werden soll.

Eben so verhält es sich mit der Restitution wegen Zwanges, wenn der Verzicht erklärt wird unter dem fortdauernden

Einfluß desselben Zwanges, der die Restitution begründete; Der Verzicht ist also nur gültig,

wenn er im Zustand

hergestellter völliger Freiheit erfolgt.

Die Anwendung dieser letzten Regel kann in solchen

Fällen schwierig und zweifelhaft werden, worin ein Rechts-

(d)

L. 30 de min. (4. 4).

§. 338. Restitution. Verfahren.

(Forts)

241

geschäft eine längere Zeil hindurch fortgeführt wird, und

in mehreren einzelnen Handlungen sichtbar hervortritt. Hier­

über sind die Aeußerungen Ulpian'ö etwas schwankend. Wenn ein Minderjähriger einen auf längere Dauer berech­

neten Vertrag

schließt, und nach erlangter Volljährigkeit

einzelne Handlungen in Beziehung auf diesen Vertrag vor­

nimmt, so liegt darin eine Genehmigung, wodurch die Re­

stitution gegen den Vertrag ausgeschlossen wird (c).



Fängt ein Minderjähriger einen Rechtsstreit an, der wäh­

rend der Volljährigkeit zu seinem Nachtheil entschieden wird, so soll er gegen dieses Urtheil in der Regel nicht restituirt

werden,

sondern nur ausnahmsweise,

wenn der Gegner

unredlicherweise den Rechtsstreit so hingehalten hat, daß

das Urtheil erst zu dieser Zeit erfolgte (f).

— Hat ein

Minderjähriger eine nachtheilige Erbschaft angetretcn, und nach erlangter Volljährigkeit Erbschaftsschulden eingeklagt, so soll er dennoch Restitittion gegen den Erwerb der Erb­

schaft erhalten, weil man auf den Anfang dieser Reihe von Handlungen sehen soll (g).

(e) L. 3 § 1 de mm (4 4). (f) L. 3 § 1 cit Um diese Entscheidung richtig zu finden, muß man hinzu denken, wie es auch wohl Ulpian meinte, daß das Urtheil unmittelbar nach erreichter Volljährigkeit erfolgte, also ehe der nun volljährig Gewordene Bett hatte, die knorrige naebtheilige Führung seines Neckuvsiretts zu entdecken und zu verbessern

vii.

(g) L. 3 § 2 eod. „ . . putavimus tarnen restituendum in integrum, initio inspecto.“ Diese Entscheidung vermag ich nicht mit allgemeinen Grundsätzen, und ins­ besondere mit der Elwehetdung über die B P (Note d) ui Ein­ klang zu bringen.

16

242

Buch II

II.

Rechtsverhältniffe.

Kap. IV. Verletzung.

Verjährung (h)

Der Gedanke liegt sehr nahe, die Verjährung der Re­

stitution als eine einfache Anwendung der Klagverjährung anzusehen, und daher die für diese letzte geltenden Regeln

auf die Restitution unmittelbar anzuwenden.

Dem Römi­

schen Recht aber ist dieser Gedanke völlig fremd, und in

ihm Hal die verjährte Restitution mehr Verwandtschaft mit einer

versäumten Prozeßfrist,

Klagerecht (i)

als

mit einem verjährten

Allerdings hat nun in unsrem heutigen

Recht die Restitution, was das Verfahren betrifft, weit mehr die Natur einer gewöhnlichen Klage angenommen (§ 337). Dennoch würde es auch hier ungehörig, oft unmöglich seyn, die Regeln der Klagverjährung auf die Restitution einfach zu übertragen; theils aus Gründen, die in der eigenthüm­

lichen Natur des Gegenstandes liegen, theils weil die Aus­

sprüche des Römischen Rechts über die Verjährung der

Restitution aus der Voraussetzung einer völligen Verschie­ denheit beider Nechtsinstitute beruhen. Eine durchgreifende Verschiedenheit zeigt sich unter andern

darin, daß die Verjährung nicht blos anwendbar ist, wenn die Restitution angriffsweise, also einer Klage ähnlich wir­

kend, gebraucht werden soll, sondern auch, wenn sie Ver­ theidigungsweise gesucht wird, das heißt um eine verlorene

ü>) Davon handelt ausführlich Burchardl §27 Vgl. Unterholzner VerjäkrnngSlehre § 151. bis 155.

(i) T. o. B. 4 S. 300. 307, B. 5 ©.415

§. 338.

(Restitution.

Verfahren.

(Forts)

243

Erception wieder zu erlangen, oder anstatt einer Erception (die dadurch entbehrlich wird) der Klage eines Andern ent­

gegen zu wirken.

Zur Begründung dieser Erception ist es

also nöthig, daß der, welcher Anspruch aus die Restitution hat, diese binnen der vierjährigen Frist erbitte, auch wenn

der Gegner nicht innerhalb dieser Frist die Klage anstellt, und dadurch daS unmittelbare Bedürfniß einer Erception

Die Nothwendigkeit, diese Restitutionsfrist zu

herbeiführt.

wahren, ist also nicht zu verwechseln mit einer Verjährung der Erception als solcher, von welcher allerdings nicht die Rede scvn kann (k) Ein wichtiger Fall der Anwendung einer soliden Er­

Wenn die Sache eines

ception ist schon oben vorgekommen.

Abwesenden von einem Anderen usucapirt wird, nach der Rückkehr des vorigen Eigenthümers aber durch Zufall wieder

in dessen Besitz kommt, so bedarf Dieser zu seinem Schutz

sondern nur einer

keiner Klage,

Erception (§ 330. r).

Um aber diese Erception in irgend einer künftigen Zeit mit Erfolg gebrauchen zu können, muß er den Anspruch auf dieselbe durch Restitution binnen vier Jahren begründen.

Gesetzt nun, dieser vorige Eigenthümer verliert abermals den wieder erlangten Besitz, bevor es zu einem Rechtsstreit gekommen ist,

so befindet er sich wieder in der früheren

(k) S o B 5 S. 414. 415. Für den Fall der Mlnderjährigkett

beobachten, ausdrücklich anerkannt von Ulpran ui L. 9 § 4 de jurej.

wird die

(12.2).

hier

ausgestellte

Noth-

wendigkelk, die Nestttnttonsfnst zu

Buch II Rechtsverhältnisse.

244

Lage,

Kap. IV. Verletzung.

und bedarf der Restitution, um seine Klage gegen

Den, der usucapirt hat, zu begründen oder zu sichern, so wie

es

oben ausgeführt worden ist

Widerspruch

Damit scheint im

zu stehen eine Stelle des Paulus,

nach

welcher diese neue Klage nicht mehr an die Rcstitutionsfrist gebunden seyn soll (1).

Diese Behauptung läßt sich mit

allgemeinen Grundsätzen nur durch die Annahme in Ein­

klang bringen, daß hier Paulus von der Klage gegen einen dritten Besitzer rede, nicht gegen Den, welcher usu­ Denn wenn gegen diesen Dritten mit der Pu-

capirt hat.

bliciana geklagt wird, so hat derselbe allerdings nicht die exceptio

dominii

(da nicht er usucapirt hatte), und es

bedarf mithin auch nicht zu deren Ueberwindung einer Re­

stitution,

also

auch

nicht der Beobachtung

einer Resti-

tutionssrist.

§.

339.

Restitution. — Verfahren

(Fortsetzung.)

Es sind nunmehr die Bedingungen dieser Verjährung aufzustellen; die Anordnung dieser Bedingungen soll,

der

leichteren Vergleichung wegen, so viel als möglich den Be(1) L. 31 ex quib caus. (4.6) „Si is, cujus rem usucepit reip causa abseits, po^sessionem suae rei ab illo usucaptae nactus sit, etsi postea amiserit, non temporalem, sed perpetuam habet actionem.“ — Die Glosse setzt zur Lösung der Schwie-

rigkett voraus, der vorige Elgenthümer habe wirklich Restitution gesucht und erhalten, nachher aber den Besitz wieder erlangt. Dann aber verstand sich doch dre Sache zu sehr von selbst, um noch einer Erwähnung werth zu seyn.

Buch II Rechtsverhältnisse.

244

Lage,

Kap. IV. Verletzung.

und bedarf der Restitution, um seine Klage gegen

Den, der usucapirt hat, zu begründen oder zu sichern, so wie

es

oben ausgeführt worden ist

Widerspruch

Damit scheint im

zu stehen eine Stelle des Paulus,

nach

welcher diese neue Klage nicht mehr an die Rcstitutionsfrist gebunden seyn soll (1).

Diese Behauptung läßt sich mit

allgemeinen Grundsätzen nur durch die Annahme in Ein­

klang bringen, daß hier Paulus von der Klage gegen einen dritten Besitzer rede, nicht gegen Den, welcher usu­ Denn wenn gegen diesen Dritten mit der Pu-

capirt hat.

bliciana geklagt wird, so hat derselbe allerdings nicht die exceptio

dominii

(da nicht er usucapirt hatte), und es

bedarf mithin auch nicht zu deren Ueberwindung einer Re­

stitution,

also

auch

nicht der Beobachtung

einer Resti-

tutionssrist.

§.

339.

Restitution. — Verfahren

(Fortsetzung.)

Es sind nunmehr die Bedingungen dieser Verjährung aufzustellen; die Anordnung dieser Bedingungen soll,

der

leichteren Vergleichung wegen, so viel als möglich den Be(1) L. 31 ex quib caus. (4.6) „Si is, cujus rem usucepit reip causa abseits, po^sessionem suae rei ab illo usucaptae nactus sit, etsi postea amiserit, non temporalem, sed perpetuam habet actionem.“ — Die Glosse setzt zur Lösung der Schwie-

rigkett voraus, der vorige Elgenthümer habe wirklich Restitution gesucht und erhalten, nachher aber den Besitz wieder erlangt. Dann aber verstand sich doch dre Sache zu sehr von selbst, um noch einer Erwähnung werth zu seyn.

§. 339.

RestmMon.

Verfahre».

(Forts.)

dingungen der Klagverjährung angenähert werden (a)

245 Sie

beziehen sich auf den Anfang, die Unterbrechung, den Ablauf der Verjährung.

1

Der Anfang dieser Verjährung ist abzuleiten aus

der Natur des Restitutionsgrundes.

Dieser wurde im All­

gemeinen gedacht als ein besonderer (abnormer) Zustand

des Verletzten, dazu geeignet, eine solche außerordentliche Rechtshülfe zu rechtfertigen

fängt daher

(§ 320).

an in dem Zeitpunkt,

Die Verjährung

worin jener abnorme

Zustanv aufhörr; nicht früher, nicht später.

Für die meisten

und wichtigsten Fälle bat diese Regel keinen Zweifel; es

wird

darauf

ankommen, die einzelnen Restitutionsgründe

unter diesem Gesichtspunkt durchzugehcn.

Tie Restitution

wegen Minderjährigkeit verrührt

vom vollendeten fünf und zwanzigsten Lebensjahre an (b); wird der Minderjährige früher für volljährig erklärt, von

diesem Zeitpunkt an (c).

Diese Regel aber hat nicht zu­

gleich die Bedeutung, als ob es dem Minderjährigen ver­ sagt wäre, schott früher die Restitution zu erbitten; er kann

Dieses zu jeder Zeit thun (d), und eben hieraus erklärt es sich, daß auch gegen eine solche, auf übereilte Bitte ertheilte,

Restitution wiederum eine neue Restitution gesucht werden kann (§319 Note u).

(a) 3 c B 5 § 239 - 247 (b) L 7 pr C. de temp (2. 53)

(c) L. 5 pr. C de temp (2. 53). (d) L. 5 § 1 C de in int. rest. min. (2. 22).

246

Buch II. Rechtsverhältnisse.

Kap. IV. Verletzung.

Die Restitution wegen Abwesenheit verjährt von dem Zeitpunkt an, mit welchem das Hinderniß der Rechtsver­

folgung aufhört (e); also in der Regel, sobald der Ab­

wesende nach seinem Wohnort zurückkehrt.

Die Restitution wegen Zwang muß nach demselben Grundsatz verjähren von der Zeit an, in welcher der ab­

norme Zustand des Zwanges, d. h. der absichtlich erregten Furcht, aufhört,

der Verletzte also seine volle Freiheit zu

handeln wieder erlangt.

Die Zweifel gegen diese Annahme

können erst bei dem Ablauf der Verjährung deutlich gemacht werden. — Schon hier aber ist zu bemerken, daß diese Bestimmung von sehr geringer praktischer Erheblichkeit ist.

Denn es kann

zwar leicht geschehen,

daß eine einzelne,

vorübergehende Handlung durch Zwang erpreßt werde, und

darauf eben bezieht sich diese ganze Restitution.

Dagegen

ist es nicht leicht denkbar, daß ein solcher Zustand so lange

fortdauere, wie es zum Ablauf der Verjährungszeit, oder auch nur eines merklichen Theils derselben, nöthig wäre; denn in einem solchen Zeitraum wird es fast immer dem

Bedrohten möglich seyn, richterlichen oder polizeilichen Schutz für seine Freiheit zu finden. Die Restitution wegen Betrugs wird auf gleiche Weise

verjähren müssen mit dem Aufhören des

abnormen Zu­

standes, d. h. der Täuschung, in welche der Verletzte durch

(e) L. 1 § 1 ex quib. caus. (4.6), „intra annum quo primum de ea re experiundi potestas

erit “. L. 7 § 1 C. de temp. (2.53).

§. 339.

Restitution.

Verfahren.

247

(Forts.)

den unredlichen Willen des Gegners versetzt worden ist. Die Zweifel gegen diese Behauptling werden auch hier erst bei dem Ablauf der Verjährung erwähnt werden. — Pie

praktische Unerheblichkeit dieser Bestimmung,

die so

eben

bei dem Zwang bemerkt worden ist, läßt sich bei dem Be­

trug nicht geltend machen.

Denn der Zustand einer ab­

sichtlich erregten Täuschung kann allerdings lange Zeit hin­ durch

fortdauern,

also

nicht blos auf einzelne,

vorüber­

gehende Handlungen einwirken. Eben

so

verhält

es

sich mit der Restitution wegen

Irrthums, die also auch verjähren müßte von der Zeit an, in welcher der Verletzte von dem Irrthum befreit wird. Hier aber ist die Frage weniger erheblich, weil diese ganze

Restitution nicht nur an sich unwichtig ist, sondern auch fast

nur bei Prozeßversäumnissen vorkommt,

einer

Verjährung

der Restitution

nur

selten

wobei

die

von Rede

seyn wird.

Der bisher aufgestellte Grundsatz aber für den Anfang

der Verjährung ist völlig unanwendbar auf diejenigen Re­ stitutionsgründe, welche nicht so, wie die bisher erwähnten, ein zufälliges und

vorübergehendes,

währendes Daseyn haben.

Restitution

sondern ein immer­

So verhält es sich mit der

der Stadtgemeinden,

der Kirchen

und

Klöster, die niemals aufhören, in dem Zustand zu seyn, der ihnen überhaupt Anspruch auf Restitution giebt.

Hier

bleibt Nichts übrig, als die Verjährung anfangen zu lassen

von der Zeit der Verletzung selbst, gegen welche die Resti-

Buch II Rechtsverhältnisse.

248

tution Hülse gewähren soll.

Kap. IV. Verletzung

Bei den Kirchen ist dieser an

sich unzweifelhafte Grundsatz auch gesetzlich anerkannt (f).

Der Anfang der Verjährung ist hier in der Regel fest­

gestellt worden auf die Zeit, in welcher der den Nestitutionsgrund bildende abnorme Zustand aufhört; ausnahms­ weise auf die Zeit der Verletzung.

Nach einer sehr ver­

breiteten Meinung aber soll selbst in diesen Zeitpunkten die

Verjährung nicht anfangen können, wenn nicht noch eine andere Bedingung binzutrete: das Bewußtseyn des Ver­

letzten von der erlittenen Verletzung (gj Einige stellen diese Behauptung

also schon für das Römische Recht.

ganz

allgemein auf,

Zn dieser Gestalt ist

sie am entschiedensten zu verwerfen, da sie mit Irrthümern theils

über eine ähnliche Bedingung der Klagverjährung,

theils

über den Römischen Kunstausdruck der experiundi

potestas zusammenhängt. Andere wollen dieselbe Behauptung nur aus dem canonischen Recht ableiten, welches in Beziehung auf die Kirchen

das Bewußtsevn der Verletzung für den Anfang der Ver­

jährung fordern soll; theils indem sie nun den Latz selbst

(f) C 1 derest in VI (1 21) ,,8i quadriennu spatiumpost sit lapsum“ (nämlich post sententiam > ei contractum). C 2eod „infra quadriennium ab tpsius confessionis tempore computandum“ Clem un derest (1 11)

,,lnfra quadriennium continuum a tempore laesionis,f (g) Vgl eben B. 3 a 415, B. 5 S 282. - Glück B 6 § 405 Rete 3. Burchardr S. 517 — 524 P n ch t a Pandekten 8 105 e

§. 339. Restitution

249

Verfahren. (Forts.)

aus die Kirchen beschränken, theils indem sie demselben eine

allgemeinere Bedeutung beilegen, und die Erwähnung bei den Kirchen nur für einen zufälligen Umstand halten, indem

das

kanonische

Recht

als

ihn

allgemein

wahr voraus­

setze (h).

In der That aber enthält^ das canonische Recht jenen Satz Man

gar nicht, bat

weder

denselben

allgemein,

finden

wollen

noch in

sür die Kirchen.

den

Ausdrücken:

„Ecclesia quae . . beiieficium rcstitutionis in integrum . .

negli"ente>

oniiserit“ (i); eine Nachlässigkeit nämlich sey

nur vorhanden, wenn die Kirche von der Verletzung unter­ richtet sey, und dennoch die Bitte unterlasse — Dabei liegt

ein

zum

gänzliches Verkennen Grunde

Ansicht,

daß

Das

des Wesens dieser Verjährung

Römische Recht geht

jeder Minderjährige,

jeder Abwesende,

der

zurückkehre,

der

aus

von der

volljährig

werde,

seinen

ganzen

sogleich

Rechtszustand durchsorschen solle, um etwa vorgefallcne Ver­ letzungen zu entdecken und ztlr Abhülse zu bringen.

Dazu

hält man Vier Jahre (früher Ein Jabr) für hinreichend, und wci; in dieser Zeit eine Verletzung nicht entdeckt, der

gilt als nachlässig, und verfällt der Verjährung; nicht edst,

wenn er sie entdeckt und nur zu träge ist, um sie vor Ge­

richt geltend zu machen (k).

Daraus beziebt sich nun der

(h) Neber diesen letzten Gegensatz erklärt sich schwankend BurcharrtZ 523 („ znm wenigsten was die Restitution der Kirchen betrifft")

(1) C 1 de rest in VI (1.21) Fast mit denselben Worten ui C 2 eod

(k) (Sfccn so verhält es sich auch mit dem Anfang der Klag-

250

Buch II

Rechtsverhältnisse.

Kap. IV. Verletzung.

Ausdruck des kanonischen Rechts: negligenter omiserit, da wir durchaus keinen Grund haben zu der Annahme, daß daS Römische Recht hierin von den Päbsten entweder miß­

verstanden sey, oder habe abgcändert werden sollen. Nach der hier ausgestellten Ansicht ist also für den An­

fang der Verjährung das Bewußtseyn des Verletzten ganz gleichgültig.

Nur bei zwei Restitutionsgründen verhält es

sich in sofern anders, als bei ihnen der abnorme Zustand,

dessen Aushören oben erfordert wurde, damit die Verjährung anfangen könne, gerade in dem mangelhaften Bewußtseyn

des

Verletzten besteht

Irrthum.

Dieses

ist der Betrug und der

Der Verletzte muß also aufgehört haben, unter

der Herrschaft jenes mangelhaften Bewußtseyns zu stehen, damit die Verjährung anfangen könne; die Täuschung ist in diesen Fällen Dasselbe,

welches in anderen Fällen die

Minderjährigkeit oder die Abwesenheit ist, ein in besonderen Schutz genommenes Hinderniß, Schaden abzuwenden.

Die

hier aufgestellte Behauptung also gebt nicht etwa auf eine

Ausnabme von den oben angegebenen Grundsätzen, 'sondern vielmehr auf eine reine Anwendung derselben (1) . Eine unmittelbare Bestätigung dieser Behauptung liegt in einer Stelle des canonischen Rechts.

Verjährung, nur mit dem Unter­ schied, daß dabei kein abnormer Zustand

aufgehort

haben

muß,

(1)

Wenn eine Kirche

Auf die Restitution wegen

Zwanges kann Dieses natürlich nicht angewendet werden,

da es kaum

folglich die Verjährung stets mit

denkbar ist, daß Zemand zu einer

der Verletzung selbst anfängt.

Handlung gezwungen werden sollte,

§. 339

Restitution.

Berfahten.

(Rotts.)

251

durch ihr gerichtliches Geständnis in Nachtheil kommt, so kann

sie

Jahren,

als

Kirche

Restitution

verlangen

von dem Geständniß an.

binnen Vier

Wenn sie aber einen

Irrthum in dem Geständniß nachweist, und deswegen (so wie jeder Andere) Restitution begehrt (§ 331), so ist sie

an die Bier Jahre nicht gebunden (in).

DaS will sagen,

die Restitutionsfrist werde ihr dann gerechnet, nicht von dem Geständniß (der Läsion) an, sondern von der Zeit des entdeckten Irrthums an.

Darin liegt zugleich die vollstän­

dige Widerlegung der so eben erwähnten Behauptung, nach

welcher die Kirchen wegen des Anfangspunktes der ihnen als Kirchen zustehenden Restitulion besonders privilegirt

seyn sollen.

§

340.

Restitution. — B er sah reu.

2

(Fortsetzung.)

Ununterbrochene Fortdauer der Verjährung.

Die zweite Bedingung der Verjährung besteht (bei der

Restitution, wie bei den Klagen) in der ununterbrochenen

Fortdauer bis zum Schluß:

Es fragt sich also, worin eine

Unterbrechung derselben bestehen könne.

Diese kann erstlich darin liegen, daß der abnorme Zu­ stand, in dessen Aufhören der Anfang der Verjährung gesetzt

wurde,

vor dem Ablauf von Neuem eintritt.

Bei der

Minderjährigkeit ist Dieses von selbst unmöglich, bei der

ohne zugleich zu wtffen, daß Dieses zu semem Schaden geschehe.

(m) C 2 de restit. in VI. (1. 21).

§. 339

Restitution.

Berfahten.

(Rotts.)

251

durch ihr gerichtliches Geständnis in Nachtheil kommt, so kann

sie

Jahren,

als

Kirche

Restitution

verlangen

von dem Geständniß an.

binnen Vier

Wenn sie aber einen

Irrthum in dem Geständniß nachweist, und deswegen (so wie jeder Andere) Restitution begehrt (§ 331), so ist sie

an die Bier Jahre nicht gebunden (in).

DaS will sagen,

die Restitutionsfrist werde ihr dann gerechnet, nicht von dem Geständniß (der Läsion) an, sondern von der Zeit des entdeckten Irrthums an.

Darin liegt zugleich die vollstän­

dige Widerlegung der so eben erwähnten Behauptung, nach

welcher die Kirchen wegen des Anfangspunktes der ihnen als Kirchen zustehenden Restitulion besonders privilegirt

seyn sollen.

§

340.

Restitution. — B er sah reu.

2

(Fortsetzung.)

Ununterbrochene Fortdauer der Verjährung.

Die zweite Bedingung der Verjährung besteht (bei der

Restitution, wie bei den Klagen) in der ununterbrochenen

Fortdauer bis zum Schluß:

Es fragt sich also, worin eine

Unterbrechung derselben bestehen könne.

Diese kann erstlich darin liegen, daß der abnorme Zu­ stand, in dessen Aufhören der Anfang der Verjährung gesetzt

wurde,

vor dem Ablauf von Neuem eintritt.

Bei der

Minderjährigkeit ist Dieses von selbst unmöglich, bei der

ohne zugleich zu wtffen, daß Dieses zu semem Schaden geschehe.

(m) C 2 de restit. in VI. (1. 21).

252

Buch II.

Rechtsverhältnisse.

Kap. IV

Verletzung.

Abwesenheit kann es allerdings vorkommen.

der Abwesende

Wenn

also

vor Ablaus der Verjährung

zurückkehrt,

seinen Wohnort abermals verläßt, und diesen abwechselnden

Zustand vielleicht öfter wiederholt, so sind zwei verschiedene Behandlungen dieses Falles denkbar.

Man könnte erstens

alle einzelne Zeiten der Gegenwart zusammen rechnen, und

die Verjährung als vollendet annehmen, wenn die Summe der gesetzlichen Verjährungszeit gleich käme

Man könnte

aber auch zweitens die Verjährung nur dann für vollendet halten, wenn irgend eine einzelne Zeit der Gegenwart so

lange gedauert hätte, als das Gesetz für die Verjährung

fordert.

Von diesen beiden Berechnungsarten ist die zweite,

dem Verletzten günstigere,

als die richtige anzusehen (a).

Dabei liegt also der Gedanke zum Grunde, dem Verletzten müsse irgend einmal die volle, ununterbrochene Verjährungs­ zeit gestattet worden seyn, um an seinem Wohnort prüfen

(a) L 2R 8 3 ex quib caux. (4 6). Daß die Stelle lvullicb dtesen Lum Hat, zeigt felgender Anfang derselben ,,->i quis sae piu.s reip causa abfuit, ex novissimo redttu tempus resti tutionis esse ei computandum, Labeo putat“, wobei natürlich vorausgesetzt wird, daß er md't schon nach der früheren Abwesen heit, tu welcher er durch Usucapivn einen Verlust erlitten hatte, ein volles Jahr zu Hause geblieben war Die nachfolgenden Worte konnten so verstanden werden, als

wenn von einein Zusainnlenrechnen der Zeiten der Abwesenheit die Rede sevn niochte, die doch ganz gleichgültig sind Zn den Worten, si omnes quidem absentiae annuin colligaiit liegt daher ent ungenauer Ausdruck für die auf jede Abwesenheit felgende Zeit der Gegenwart, während welcher ja altem die Verjährung laufen kann. Cujach s obs. XIX. 15 sagt ganz richtig, absentiae stehe hier für inten alla absentiarum.

§. 340.

Restitution.

Verfahren.

(Forts.)

253

zu können, welchen Einfluß die Vergangenheit, in welcher

er abwesend war, auf seine Rechtsverhältnisse etwa aus­ geübt haben möge.

Zweitens kann die Unterbrechung aber auch darin liegen,

daß der Verletzte sein Recht zur Restitution wirklich geltend macht; dürften wir hier die Regeln von der Klagverjährung anwenden, so würde die Unterbrechung schon in der In­ sinuation des Restitutionsgesuchs zu finden seyn (b).

Allein

Justinian sagt ausdrücklich, innerhalb der Verjährungs­ frist müsse der Restitutionöprozeß nicht nur angefangen, sondern auch vollendet werden, sonst sey die Restitution ver­

loren (C) Es würde unrichtig seyn, diese Vorschrift, so fremdartig

sie uns erscheinen mag,

als eine von Justinian auS-

gegangene willkürliche Neuerung anzusehen.

Kaisergesctze stimmen damit völlig

Schon frühere

überein (d);

ja auch

schon die alten Juristen setzen denselben Grundsatz voraus,

indem sie den Ablauf der Frist vor beendigtem Restitutions­ prozeß nur dann für unschädlich halten,

wenn die Ver­

zögerung des Rechtsstreits dem Gegner zur Last fällt (e).

Auch schließt sich diese Vorschrift ganz einfach an die Pro­ zeßverjährung des alten Rechts an, und sie war bei der

(b) S o B 5 § 242. (c) L 7 pr C de temp (2. 53) continusttio temporis obser\ etur ad interponendam contest itionem finiendatnque

litem“ Wiederholt und bestätigt in Gern iui de rcst (1. 11). (d) Bu r ch arvi S. 503 — 500. (e) L 30 pr de min. (4.4).

254

Buch II

Rechtsverhältnisse.

Kap. IV. Verletzung.

Restitution um so natürlicher, als diese stets durch bloße cognitio vor dem Prätor abgemacht wurde, die wir gewiß als ein sehr schleuniges Verfahren denken dürfen.

Für unsren heutigen Prozeß aber würde die Beobach« tung dieser Vorschrift ganz unpassend seyn, und so ist denn

auch die Praris von jeher darüber einverstanden gewesen,

dieselbe unbeachtet zu lassen (f).

Die Unterbrechung der

Verjährung erfolgt demnach durch die Insinuation des Re­

stitutionsgesuchs, und die Verjährung der Restitution ist in in diesem Punkte mit der Klagverjährung ganz aus gleiche

Linie getreten.

3

Ablauf der Verjährung

Dieser war ursprünglich auf Ein Jahr bestimmt, und

zwar auf einen annus utilis, sowohl für die Minderjährigen, als für die Volljährigen (g).

Bei den Minderjährigen heißt

diese Zeit legitimum tempus (h), ohne Zweifel, weil sie aus der Ler Plätoria auf die Restitution übertragen war (>). Constantin gab für diese Verjährungszeit mannich-

faltige und verwickelte Vorschriften (k)

führte wieder Alles

Justinian aber

auf eine einfache, leicht anwendbare

Regel zurück, indem er anstatt des alten annus utilis Vier

(h) L. 19 de mtn. (4. 4), L. 6 (f) Burchardi S. 507 Göschen Vorlesungen S. 543. pr. C de temp. (2. 53.) (g) L. 19 deniin (4. 4), L. 7 (i) Zeitschrift für geschichtliche pr. C.de temp. (2. 53) (fürMinder­ Rechtswissenschaft B 10 S. 253.— jährige). — L. 1 § 1, L. 28 § 3. Unrichtig bezieht Burch ardi 4 ex quib. caus. (4. 6) (für S. 499 diesen Ausdruck auf das Volljährige). prätorische Edict. (k) Burchardi S. 500. 501.

§. 340.

Restitution.

Verfahren.

(Forts.)

255

gewöhnliche Kalenderjahre (quadriennium continuum), als allgemeine Verjährungsfrist der Restitution vorschrieb (1).

Nur bei den für volljährig erklärten Minderjährigen gilt das besondere Recht, daß ihre Restitution für frühere Ver­

letzungen niemals vor dem vollendeten fünf und zwanzigsten Jahre verjähren soll, so daß also in diesem Fall die Ver­ jährung zuweilen länger als Vier Jahre dauern kann (in).

Irrigerweise wird die von Justinian neu eingeführte Zeit der Vier Jahre von Manchen auch auf die sogenannten

Restitutionsklagen angewendet (n); diese falsche Meinung

ist eine Folge der schon oben ausführlich widerlegten Ver­ mengung dieser Klagen mit der Restitution (§ 316)



Eben so irrig ist es,

wenn Andere die Verjährung der

Vier Jahre nicht nur

auf das

sogenannte Judicium

re-

scindcns, sondern auch auf das rescissorium beziehen, so daß

jedes

dieser Rechtsmittel seine besondere vierjährige

Verjährung haben soll

(o).

Diese Meinung beruht auf

einem gänzlichen Verkennen der Natur dieser beiden Rechts­ mittel.

Das

sogenannte rescindens ist der einzige, aber

auch vollständige Restitutionsprozeß, und daraus beziehen sich die Vier Jahre

Das rescissorium ist eine gewöhnliche

Klage, die von der verschiedensten Art seyn kann, und bald dieser, (l) (m) (n) (o) (p)

bald

jener Klagverjäbrung

L. 7pr. C de temp. (2 53). L apr C detemp (2.53). Bnrchardt S 513.514 Bnrchardt 5 507 508. Diese Klagverzährnng Kinn

unterworfen ist (p);

in jet ein Fall erst anfangen von der jeit der rechtskräftig ertheilten Ncst.ttttton, weil die Klage ver­ loren war nut erst jetzt wieder ent­ standen (actio nata) ist. Es wird

256

Buch II.

Rechtsverhältnisse.

Kap. IV. Verletzung.

dafür war gar kein Bedürfniß vorhanden, jetzt etwas Neues vorzuschreiben.

Dagegen muß allerdings behauptet werden,

daß die

vierjährige Verjährung firr alle Restitutionen gilt (q).

Von

den wichtigsten Restitutionen, wegen Minderjährigkeit und Abwesenheit,

ist

(Noten g. 1).

Dieses

schon

oben dargethan

worden

Es bedarf nur noch einer näheren Prüfung

dieser Frage in Beziehung auf Zwang und Betrug, wobei

auch die schon oben erwähnte, aber ausgesetzte Frage wegen

des Anfangs der Verjährung in diesen beiden Fällen (8 339) ihre Erledigung finden muß.

Die actio quod metus causa verjährt in Einem annus utilis von der Zeit des Zwanges an, und es scheint in­

konsequent, daß daneben eine vierjährige Restitution wegen desselben Zwanges gelten sollte.

Allein jene kurze Verjäh­

rung tilgt die Klage nur, insofern sie zur Strafe des vier­ fachen Ersatzes führen kann; wird sie auf den einfachen

Ersatz gerichtet,

so ist sie ganz ohne Verjährung (r).

Da

nun die Restitution stets nur zum einfachen Ersatz führt, so ist es gewiß nicht inkonsequent, neben der immerwäh­

renden Klage eine auf Vier Jahre beschränkte Restitution

zur Wahl zu stellen. aber von ihr fast nie die Rede seyn, weil die Restitution meist gesucht wird von Dem, welcher die restituirte Klage unmittelbar dar­ auf anstellen will. (q) Burchardi S.509—514. Nur freilich nicht, wie dieser Schrift­

steller behauptet,, für die Restitution wegen capitis deminutio, die im alten Recht gar keine Verjährung hatte, und im neuen Recht nicht mehr vorhanden ist (§ 333).

(r) L. 14 § 1. 2 quod metus (4.2).

8 340. Restitution. Verfahren. (Forts.)

257

Die actio doli verjährt nach Constantin's Gesetz in Zwei Jahren, welche vom Betrug selbst anfangen, ohne Rücksicht auf das Bewußtseyn des Betrogenen (s). Dabei scheint eS wieder inconsequent, eine vierjährige Restitution daneben zu stellen, und diese erst anfangen zu lassen, wenn der Betrogene die Täuschung erfährt (§ 339). Allein die zweijährige Verjährung (früher einjährig) geht nur.auf die eigentliche actio doli, welche entehrt; daneben steht eine immerwährende actio in factum auf bloße Entschädigung mit Schonung der Ehre (t), und neben diese Klage auch noch eine auf gleichen Zweck gerichtete vierjährige Restitution zu stellen, ist gewiß nicht inconsequent; auch kann es nicht störend gefunden werden, daß die actio in factum auf die Bereicherung des Beklagten beschränkt wird, welche Be­ schränkung bei der Restitution nicht vorkommt.

8. 341. Restitution. — Verfahren. (Fortsetzung.)

Bei der Verjährung der Restitution sind zuletzt noch einige Fragen von besonders verwickelter Natur zu erörtern, die sich auf das Zusammentreffen mehrerer Restitutions­ gründe beziehen. In solchen Fällen werden fast immer ver­ schiedene Zeitpunkte des Ablaufs der Verjährung eintreten, und cs ist dann zu bestimmcit, in welcher Verbindung diese verschiedene Nestitutionen aufzufassen sind, um das Schicksal der Restltution überhaupt feftzuftellen. (s)

L. 8 C. de dolo (2. 21).

(t)

L. 28 de dolo (4.3).

17

8 340. Restitution. Verfahren. (Forts.)

257

Die actio doli verjährt nach Constantin's Gesetz in Zwei Jahren, welche vom Betrug selbst anfangen, ohne Rücksicht auf das Bewußtseyn des Betrogenen (s). Dabei scheint eS wieder inconsequent, eine vierjährige Restitution daneben zu stellen, und diese erst anfangen zu lassen, wenn der Betrogene die Täuschung erfährt (§ 339). Allein die zweijährige Verjährung (früher einjährig) geht nur.auf die eigentliche actio doli, welche entehrt; daneben steht eine immerwährende actio in factum auf bloße Entschädigung mit Schonung der Ehre (t), und neben diese Klage auch noch eine auf gleichen Zweck gerichtete vierjährige Restitution zu stellen, ist gewiß nicht inconsequent; auch kann es nicht störend gefunden werden, daß die actio in factum auf die Bereicherung des Beklagten beschränkt wird, welche Be­ schränkung bei der Restitution nicht vorkommt.

8. 341. Restitution. — Verfahren. (Fortsetzung.)

Bei der Verjährung der Restitution sind zuletzt noch einige Fragen von besonders verwickelter Natur zu erörtern, die sich auf das Zusammentreffen mehrerer Restitutions­ gründe beziehen. In solchen Fällen werden fast immer ver­ schiedene Zeitpunkte des Ablaufs der Verjährung eintreten, und cs ist dann zu bestimmcit, in welcher Verbindung diese verschiedene Nestitutionen aufzufassen sind, um das Schicksal der Restltution überhaupt feftzuftellen. (s)

L. 8 C. de dolo (2. 21).

(t)

L. 28 de dolo (4.3).

17

258

Buch II

Rechtsverhältnisse.

Kap. IV. Verletzung.

Ein solches Zusammentreffen mehrerer Restitutionen kann

vorkommen sowohl in einer und derselben Person,

alö in

mehreren Personen, wenn nämlich die eine Restitution durch Succession auf eine andere Person übcrgcgangen ist (§ 335).

Bei dem Zusammentreffen mehrerer Restitutionsgründe

I.

in einer und derselben Person ist vor Allem die Frage zu beantworten, ob es zulässig ist, gerade gegen die Verjährung

einer Restitution wiederum eine neue Restitution zu suchen. Diese Frage wird von unsern Schriftstellern schlechthin ver­ neint, und zwar aus zwei Gründen:

gemeinen Grunde,

erstlich auö dem all­

weil sonst kein Ende des Restituirens

zu finden wäre, zweitens wegen einer ausdrücklichen Stelle

des Ulpian,

L. 20 pr. de minor. (a).

Beide Gründe

sind aber unhaltbar, und ich muß jene Frage entschieden bejahen

Daß eS mit der angeblichen Endlosigkeit der Re­

stitution keine Gefahr hat,

wird sich aus der Betrachtung

der einzelnen möglichen Fälle solcher Art ergeben, die über­ haupt nur äußerst selten Vorkommen können; die Stelle des

Ulpian aber hat einen ganz anderen Sinn,

wie sogleich

gezeigt werden wird

Erstlich machen gar keine Schwierigkeit die Fälle,

in

welchen die Minderjährigkeit alö Rcstitutionsgrund zuletzt vorhanden ist.

Gesetzt,

Abwesenden usucapirl,

cs

wird

eine Sache von einem

welcher in die Heimath zurückkchrt,

als der vorige Eigenthümer Zwanzig Jahre alt ist, so ver(a)

Burchardl S. 134.

lesungen S. 216.

Puchta Pandekten §. 107. h. Vor­

259

§. 34t. ‘Jteftitntton. Verfahre». (Forts.)

jährt die Restitution wegen Abwesenheit binnen Vier Jahren,

und man könnte nun fragen,

ob der Verletzte gegen diese

Verjährung als Minderjähriger Restitution erhalten könne.

Diese Frage ist aber gant müßig,

denn da die Restitution

der Minder,übrigen die umfassendste unter allen ist, so kann

der Verletzte bis zum Alter von Neun und zivanzig Jahren

gegen jene Usucapion schon als Minderjähriger unmittelbar Restitution erlangen,

die

wobei dann die Abwesenheit,

bereits eingetretene Ver,ährung,

so wie

die Restitution

und

gegen diese Verjährung, als ganz gleichgültig erscheint Betrachten wir aber nun den umgekehrten Fall, da die

Minderjährigkeit handen

ist.

nicht

als Restitutionsgrund ein

Gesetzt,

Minderjähriger

während seiner Abwesenheit wird

ruletzt vor­

ist

abwesend,

er volljährig,

nachdem

er (vor oder in der Abwesenheit) einen nachtheiligcn Ver­ trag geschlossen bat.

er zurück

Als er Dreißig Jabre alt ist, kehrt

Eigentlich ist seine Restitlltion schon seit einem

Jahre verjährt, es fragt sich aber, ob er gegen diese Ver­

jährung Restitution suchen könne.

Dieses verneint Ulpian,

übereinstimmend mit Papinian (b),

indem er sagt,

Abwesenheit sey hier nicht zu berücksichtigen,

eben die Stelle,

die

und das ist

woraus bewiesen werden soll, daß gegen

die Verjährung einer Restitution überhaupt keine Restitution

möglich

sey (Note a).

Allein Ulpian

giebt gar nicht

diesen Grund seiner Entscheidung an, sondern vielmehr den

(b) L. 20 pr. de nun (4 4)

260

Rechtsverhältnisse.

Buch II.

Kap. IV. Verletzung.

ganz anderen, daß hier die Abwesenheit gar kein Hinderniß für die Bitte um Ncstitution gewesen sey, Grundbedingung

aller Restitution

daß also die

fehle (§ 320 Note 6);

denn auch während der Abwesenheit habe die Restitution gegen den Vertrag gesucht werden können,

und zwar so­

wohl durch einen Prvcurator bei dem Prätor in Rom, als in eigener Person bei dem Statthalter der Provinz, worin

der volljährig Gewordene lebte (welches Letzte Papinian Hierin zeigt sich nun wieder

liicht einmal erwähnt hatte).

die Verschiedenheit der Klagen von der Restitution.

Wenn

ein abwesender Minderjähriger ein ihm zusiehcndes einjäh­

riges Imerdict verjähren läßt, dann volljährig wird, und

später zurückkchrt,

so kann er nun noch das Jnterdict an­

stellen binnen der Restitutionöfrist, und diese Frist läuft ihm

nicht von der Volljährigkeit,

sondern von der Rückkehr

welchen Ulpian anführt,

war

der Abwesende ein zur Strafe Verbannter gewesen,

und

an (c)

— In dem Fall,

diesen llmstand machte Papinian als einen unterstützenden

Grund

jener

Ulpian,

Entscheidung

geltend.

Deshalb

tadelt ihn

indem hier das Verbrechen keinen Einfluß habe,

(c) L 15 §. G quod vi (43 24) welche Bezeichnung die Nestitulion Die N.st tlitten ive^n M.nd.t- n cht gehörte. Der t.echr l egende jäOriqfeit sonnnt nun gar H'cht in innere Grund aber war wohl der, B tracht, weil d.e wegen Abweseu- daß cs weit le.chtrt war, auch aus heit Alles entscheidet. — Der der Ferne ein R st tut onsgesuch zur Grund d-s Unterschirds Ucqt zu­ Prato tisch en cognitio zu bringen, nächst und formell dat.n, daß das als einen ordentlichen Prozeß vor Cdirt über die Abwesenden von den Inder. einet verlorenen actio sprach, unter

§. 34 t.

Restitution.

Verfahren.

261

(Forts)

sondern lediglich das Alter an sich (und die Abwesenheit an

sich)

zu

berücksichtigen

sey



(d).

Nach

der

Ansicht

Ulpian's also sollte auf die Gründe der Abwesenheit gar

Hierin aber machte das spätere Recht

nicht gesehen werden.

eine Ausnahme zum Besten der Soldaten, die nicht auffallen

kann, da sie zu den zahlreichen, auch sonst schon bekannten,

dieses

Privilegien

Minderjähriger

Standes

während

gehört

des

Wenn nämlich

Soldatenstandcs

ein

volljährig

wird, so soll die Vcr>ährungözcit nicht von der Volssährigkeit, sondern von dem Austritt aus dem Soldatcnstand an­

Wenn ferner gegen einen Minderjährigen eine

fangen (c).

Usucapion vollendet wird, derselbe aber später in den Sol­

datenstand eintritt, so soll er noch immer Hülfe gegen jene Usucapiön

erhalten

unzweifelhaft

können (f).

von der Ansicht aus,

besonderen Borrechts,

tion einer

Beide Aussprüche gehen

daß,

vermöge eines

der Soldat als Abwesender Restitu­

erhalten müsse gegen den Ablauf der Verjährungsfrist Restitution,

die

seines

ihm

minderjährigen Alters

wegen zugestandcn hätte. Ich will aber nun noch dcir wichtigsten und am wenigsten verwickelten Fall anfübren,

in welchem die oben erwähnte

Streitfrage Vorkommen kann.

Wenn Jemand aus irgend

einem Grunde, wegen Minderjährigkeit, Abwesenheit usw,

(d) I. 20pr cit „Quid enun commune habet deL( tum cum venia aetatis?“ v eni.i actatis ist hier nicht in dein sonst ^wohn­ lichen S nn zu nehmen, sondern

fnr beneficium actatis, Nest tutlonsansprnch des M nderjührtzen. Vgl auch obfii 32» N?tc r. (e) L 1 C de tcmp (2. 5 3) (f) L. 3 C cod.

Buch II.

262

Rechtsverhältnisse.

Anspruch auf Restitution hat,

Kap. IV.

Verletzung.

und diese Restitution,

ge­

täuscht durch Betrügereien seines Gegners, verjähren läßt, so fragt es sich,

ob er gegen diese Verjährung die Re­

stitution wegen Betrugs verlangen kann.

Nach der oben

angeführten Meinung (Note a) muß diese Frage verneint werden,

ich

halte die Bejahung

für ganz unzweifelhaft.

Daß durch diesen Fall keine endlose Ausdehnung und Wie­ derholung der Restitution hcrbeigcführt werden könne, wird wohl Jeder zugcben bar,

Es ist aber ferner kein Grund denk­

weshalb dem Verletzten die actio doli gegen den Be­

trüger versagt werden könnte.

Wird nun diese zugegeben,

so muß er vielmehr die nicht entchreitde Restitution erhalten, da diese

im vorliegenden Fall röllig zu demselben Erfolg

führt, wie die Klage, und also der Klage nach allgemeinen Grundsätzen vorgezogen werden muß (§ 332 Note s)

Diese

Restitution führt also dahin, daß die verjährte frühere Re­ stitution als nicht verjährt behandelt,

und dem Verletzten

gewährt werden muß. Die hier ausgestellte Behauptung

über die Restitution

wegen Betrugs gegen die Verjährung irgend einer anderen

Restitution findet eine unmittelbare Bestätigung im cano-

nischcn

Recht.

Hier

wird

gesagt,

die vierjährige Ver­

jährung der den Kirchen zustehenden Restitution könne ent­

kräftet werden, wenn der Gegner durch Betrug diese Ver­ jährung bewirkt habe (g).

(g) C 1 de rcstit. m VI (1.21). „Ecclesia . si qua-

Es ist durchaus kein Grund

dricnnii spatium post sit lapsum, et negligenter omiserit,

§. 341

Restitution

263

(Forts.)

Verfahren.

vorhanden, diesen Ausspruch als ein besonderes Privilegium

indem auch die Fassung des Aus­

der Kirchen anzusehen, drucks nicht hierauf,

sondern auf die Anerkennung einer

allgemein bekannten Rechtsregel

hindeutet

Eben

so

ist

kein Zweifel herzuleiten aus einem Zusatz der angeführten

Decretalc (!>), der so allgemein gefaßt ist, daß man dadurch

verleitet werden könnte, Aeußerung

die

ganze Bestimmung für eine

willkürlicher Billigkeit,

nicht

kennung einer Recbtöregel zu halten

laßt sich streng rechtfertigen.

Aufrubr u. s. w,

clausula,

aus

allgemeinen,

wie

längere Zeit ohne Scbutz und

Darin würde, in Anwendung der gene­

Vertretung seyn

ralis

Auch dieser Zusatz

Die Kirche nänilich kann aus

individuellen Gründen, oder auch

Krieg,

für die Aner­

ein

binreichcndcr Grund der Restitution

gegen alle in diese Zeit fallende Versäumnisse liegen,

also

unter anderen auch gegen die Versäumniß der Frist einer

Restitution,

die sic in ihrer Eigenschaft als Kirche binnen

Vier Jahren hätte begehren können. II.

Es bleibt nun noch übrig,

von

dem Zusammen­

treffen mehrerer Restitutionen in Folge eines Successionsfalleö zu sprechen.

Darüber enthält das Römische Recht

folgende Regeln.

non ost ad beneficium hujusmodi admittcnda, nist praevaricationis vel fraudis manifeste probetur super hoc intervemsse commentum . "

(h) 1 c „aut aha rationabihs causa subsit, quae superiormn mo\ ere debcat ad idem beneficium concedendum.“

264

Buch II. Rechtsverhällmffe.

Kap. IV. Verletzung.

Wenn ein Minderjähriger auf Restitution gegen ein Rechtsgeschäft Anspruch hat, dann stirbt, und von einem Minderjährigen beerbt wird, so ist der Tod erfolgt entweder vor oder nach der Volljährigkeit des Erblassers. Im ersten Fall hat der Erbe Vier Jahre Zeit zur Restitution, welche von seiner eigenen Volljährigkeit an zu berechnen sind (i). Im zweiten Fall hat der Erbe, gleichfalls von seiner eigenen Volliährigkeit an, so viel Zeit zur Restitution, als der Erblasser zur Zeit des Todes von seiner eigenen Nestitutionssrist noch übrig hatte (k) Auch hier findet sich wieder ein Privilegium der Sol­ daten, ähnlich dem schon im ersten Hauptfall erwähnten Privilegium (Rote e. f) Wenn nämlich entweder der Erblasser, oder der Erbe, im Heere diente, so soll da, wo sonst von der Volliährigkeit an zu rechnen wäre, stets erst der Abschied aus dem Heere als bestimmender Zeitpunkt angesehen werden (I). §. 342. Restitution. — Wirk u n g e n

Die aus dem Grundbegriff der Restitution folgende Wirkung derselben ist die Herstellung des früheren Rechts­ zustandes Hat nun die einge'retene Aenderung dieses Zu­ standes, die durch die Herstellung beseitigt werden zoll, eine (i) L 19 de mm (4 1), L 5 1 C. de fern/). (2. 53), Paulus 1. 9 § 4.

(k) L. 19 de mm (4 4), L 5 § 2 C de temp. (2 53) (1) L. 1. 3 C de temp. (2. 53).

264

Buch II. Rechtsverhällmffe.

Kap. IV. Verletzung.

Wenn ein Minderjähriger auf Restitution gegen ein Rechtsgeschäft Anspruch hat, dann stirbt, und von einem Minderjährigen beerbt wird, so ist der Tod erfolgt entweder vor oder nach der Volljährigkeit des Erblassers. Im ersten Fall hat der Erbe Vier Jahre Zeit zur Restitution, welche von seiner eigenen Volljährigkeit an zu berechnen sind (i). Im zweiten Fall hat der Erbe, gleichfalls von seiner eigenen Volliährigkeit an, so viel Zeit zur Restitution, als der Erblasser zur Zeit des Todes von seiner eigenen Nestitutionssrist noch übrig hatte (k) Auch hier findet sich wieder ein Privilegium der Sol­ daten, ähnlich dem schon im ersten Hauptfall erwähnten Privilegium (Rote e. f) Wenn nämlich entweder der Erblasser, oder der Erbe, im Heere diente, so soll da, wo sonst von der Volliährigkeit an zu rechnen wäre, stets erst der Abschied aus dem Heere als bestimmender Zeitpunkt angesehen werden (I). §. 342. Restitution. — Wirk u n g e n

Die aus dem Grundbegriff der Restitution folgende Wirkung derselben ist die Herstellung des früheren Rechts­ zustandes Hat nun die einge'retene Aenderung dieses Zu­ standes, die durch die Herstellung beseitigt werden zoll, eine (i) L 19 de mm (4 1), L 5 1 C. de fern/). (2. 53), Paulus 1. 9 § 4.

(k) L. 19 de mm (4 4), L 5 § 2 C de temp. (2 53) (1) L. 1. 3 C de temp. (2. 53).

§. 342.

Restitution.

Wirkungen.

265

ganz einfache Natur, wie z. B. die Schenkung, wozu ein Minderjähriger beredet worden ist, so kann jene Regel als ausreichend gelten', indem eben nur die einzelne Handlung in ihren Folgen rückgängig zu machen ist. Allein viele, ja die meisten Aenderungen des Rechtszustandes haben eine so einfache Natur nicht, intern sie vielmehr aus gegenseitigen Leistungen, also aus Vortheilen und Nachtheilen auf beiden Seiten, zusammengesetzt sind. Für alle diese Fälle nun gilt die allgemeine und natür­ liche Regel, vast der ursprüngliche Zustand nach allen Seiten hin wiederbergestellt werden muß (a) Eine Anwendung ans die wichtigsten einzelnen Fälle wird diese Regel in das rechte Licht setzen. Durch ein empfangenes Darlehen kann ein Minder­ jähriger in Nachtheil versetzt seyn, indem er das empfangene Geld verloren oder verschwendet hat; dann führt die Nestitution dahin, daß er Nichts zurückbezahlt (§ 319 Note d). Hat er das Geld nicht gerade verschwendet, sondern an einen unvermögenden Schuldner geliehen, so wird er da­ durch geschützt, daß er sich durch Ccssion der Klage gegen dicken Schuldner mit seinem Gläubiger abfindet. Hat er (a) L 24 § 4 de min (4 4), „ut HHuxffutS'/we in integrum jus Simin rccipiat-1 — L 29 ex qn CfJir.v (4G) ldehcet ne cui offii mm publicum vcl darnno, vel campend o sit * — L. 1 pr C. de rrpntat (2 48) „ Qm rcstituiLur, SKut indamno mo-

rari non debet, ita nec in lnc.ro “ — Gleichbedeutend ist die Vorschrift, daß bei einem zweis.itiq n Vertrag der Verletzte nur die V.bchl Hut, ob du6 Geschäft qan; q Ihn oder qauz nicht tjiUen soll L. 13 § 27 28 de act. emti (ID. 1).

Buch II.

266

Rechtsverhältnisse.

Kap. IV

Verletzung,

mit dem geliehenen Gelde einen nachtheiligen Einkauf vor­

so wird er gegen seinen Verkäufer restituirt,

genommen, und

bedarf dann einer Nestituiion gegen

den

Darleiher

nicht (b).

Gegen einen nachtheiligen Verkauf geht die Restitution deS Minderjährigen zunächst dahin, daß demselben die ver­

kaufte Sache mit den Früchten der Zwischenzeit zurückgege­ ben werden muß (c). — Dagegen muß der Verletzte von

seiiler Seite das empfangene Kaufgeld zurückzahlcn, zwar

sind

mit

(d).



Diese

schlossen werden,

Kaufgeld sehen

die

Zinsen,

Früchte

die

Rückzahlung

hat,

welches

dann eine doppelte Restitution:

an

der

empfangene

Hergang

liegt

gegen den Verkauf,

und

gegen den Empfang der Zahlung.

wahre Verbesserungen

ausge­

der Käufer vorher­

In diesem

(8 319 Note i)

aufzurechnen

kann dadurch

daß der Minderjährige das

verschwendet

konnte

gegen

und

Hat der



Sache

Käufer

vorgenommen,

so

müssen ihm die Kosten derselben ersetzt werden so) Dieselbe Natur mit dem Verkauf hat,

wie überhaupt,

so auch in dieser Beziehung, die Uebergabe einer Sache an

Zahlungsstatt.

Auch dabei ist die gegebene Sache mit

ihren Früchten zurück zu geben, und die Zinsen red Geldes

sind dagegen alifzurechnen (f).

(b) £.27 § 1 de min. (4. 4). (c) £. 24 § 4, £.27 § 1 de min. (4. 4).

(d) £.27 min (4. 4). so) £. 39 (f) £ 41) £.98 § 2 de

§ 1, £.47 § 1. de Paulus I. 9 §. 7.

§ l de min. (4. 4). § l de min. (4. 4), solut (46. 3).

§. 342.

Der gleichen

267

Wirkungen.

Restttutwn

nachtheilige Einkauf einer Sache

wird nach

Grundsätzen behandelt; auch hier ist

die Sache

mit ihren Früchten,

das Kaufgeld mit Zinsen,

zurück zu

geben (g) Gegen eine nachtheilige Acceptilation besteht die Re­

stitution darin, daß dem unvorsichtigen Gläubiger seine An­ und zwar nicht blos gegen

sprüche zurück gegeben werden,

den Schuldner selbst, sondern auch gegen dessen Mitschuldner

und Bürgen, so wie gegen die Pfänder (h) Hat ein Minderjähriger durch Novation anstatt seines

Schuldners einen schlechteren Schuldner angenommen, wird

ihm

die

Klage

gegen

den

früheren

so

Schuldner

restituirt (i) Hat er durch Erpromission die Schuld eines Anderen

übernommen,

so wird durch die Restitution er selbst be­

freit, dem Gläubiger aber seine verlorene Klage gegen den diese natürlich mit den darauf

Schuldner wiederhcrgestellt; früher

haftenden

Beschränkungen,

kurzen Verjährung unterworfen,

Erpromission

bereits

bis

auf

z. B.

wenn sie einer

und diese zur Zeit der

wenige

Tage

abgclaufen

war (k).

Die Restitution gegen einen Vergleich hat die Folge,

(/.r) L 27 § 1 demin (4. 4), (h) L. 27. § 2 demin. (4.4). (i) L. 27 8 3 de min. (4.4).

(k) L. 50 de minor (4. 4), L 19 de nov (4G 2), L. 1 § 1 C de reputat (2. 48).

Buch II.

268

daß die

Rechtsverhältnisse.

gegenseitig

Kap. IV. Verletzung.

aufgegebenen Ansprüche

von beiden

Seiten wieder aufleben (I).

Die Restitution gegen eine Usucapion hat die Folge, daß dem Verletzten die verlorene Sache mit allen Früchten

der Zwischenzeit herausgegeben werden muß (in). Ist eine

vortheilhafte

Erbschaft

auögeschlagen,

oder durch unerfüllte Bedingung verloren worden,

so be­

steht die Restitution nicht darin, daß Der, welcher sie erhält,

nun wirklich Erbe wird,

welches unmöglich ist;

er be­

kommt aber alle Klagen, die er als wahrer Erbe von selbst erhalten haben würde, nunmehr als utiles actiones, das heißt also, es wird ihm ein fingirtes Erbrecht verschafft (n).

— Er muß jedoch Alles als gültig anerkennen, was in der Zwischenzeit (Erben,

von

den

bis

dahin

berechtigten

Personen

Curatoren u. s. w.) an den Bestandtheilen der

Erbschaft verändert worden ist (o). —

Ferner leben nun­

mehr auch alle Lasten und Verpflichtungen wieder auf, die

dem Restituirten in der Eigenschaft eines Erben auferlegt waren,

und

von

welchen

er

bis zur Restitution

frei

war (p).

(1) L. 12 C. si ade. trans, (m) L 28 § G, L. 29 ex qicib. act. (2 32). Anders verheilt es caus. (4 6). (n) L. 7 § 10 de nun. (4.4), ssch bei der R.st tut o:t ggeii cm Urtheil, wenn Cuf.lbe nur Ein am Ende der Stelle. L. 21 § 6 Stuck streitiger Verhältnisse betrifft, qnod nut ns (4 2). (o) L. 22 de nun (4 4) Diese und daneben andere, galt; iinal'hangige Stücke vvrlieg it; diese Vvrs.hnst sann srgar unter Um­ bk.beit unberührt durch die Re- standen zur Versagung d.r Rest.tntivn. L. 28, L. 29 § 1 de ftitutipn fithreu 7. 21 § 2 < od. mitt. (4. 4). (p) L Alex quib caus. (4 G).

§. 342.

Restitution.

269

Wirkungen.

Die Restitution gegen den Antritt einer Erbschaft ist nach denselben Grundsätzen zu beurtheilen. tuirte ist und bleibt Erbe,

Der Nesti-

wird nur durch Fiction

und

behandelt, als ob er nicht Erbe wäre (abstinendi potcstas Er muß nun Dem, an welchen nunmehr

ei tribuitur) (q).

die Erbschaft fällt, diejenigen Erbschaftsstücke hcrausgeben,

oder durch bösen Willen

die an ihn bleibend gekommen,

nicht gekommen, oder untergegangen sind (r). — Wenn er vor der Restitution Legate ausgezahlt hat,

oder Schulden der Erbschaft

so giebt er dafür keinen Ersatz;

eben so

erseht er nicht den Werth der durch seinen Antritt frei ge­ wordenen

oder

Sklaven,

Sklaven,

der

die

er

fidei-

commissarisch selbst sreigclassen hat (s).

Die Restitution gegen den Erwerb eines Legates

macht den Restituirten frei von den Lasten, die ihm in der Eigenschaft

eines

Legatars

als

Fideicommiß

aufcrlegt

waren (t).

§. Restitution.



343.

Wirkungen.

(Fortsetzung.)

Die Schriftsteller über die Restitution haben sich von jeher viel mit der Frage beschäftigt,

pcrsonam wirke oder in reist,

(q) L. 21 § 5 qtiod metus (4. 2), L. 7 § 5, £.31 de min. (4. 4). (r) L. 7 § 5 de min. (4. 4)

ob die Restitution in

das heißt, nur gegen eine

an, Ende. L. 1 §2 C.de reputat. (2. 48), (s) L. 22. 31 de min. (4. 4). (t) L. 33 de min. (4. 4).

§. 342.

Restitution.

269

Wirkungen.

Die Restitution gegen den Antritt einer Erbschaft ist nach denselben Grundsätzen zu beurtheilen. tuirte ist und bleibt Erbe,

Der Nesti-

wird nur durch Fiction

und

behandelt, als ob er nicht Erbe wäre (abstinendi potcstas Er muß nun Dem, an welchen nunmehr

ei tribuitur) (q).

die Erbschaft fällt, diejenigen Erbschaftsstücke hcrausgeben,

oder durch bösen Willen

die an ihn bleibend gekommen,

nicht gekommen, oder untergegangen sind (r). — Wenn er vor der Restitution Legate ausgezahlt hat,

oder Schulden der Erbschaft

so giebt er dafür keinen Ersatz;

eben so

erseht er nicht den Werth der durch seinen Antritt frei ge­ wordenen

oder

Sklaven,

Sklaven,

der

die

er

fidei-

commissarisch selbst sreigclassen hat (s).

Die Restitution gegen den Erwerb eines Legates

macht den Restituirten frei von den Lasten, die ihm in der Eigenschaft

eines

Legatars

als

Fideicommiß

aufcrlegt

waren (t).

§. Restitution.



343.

Wirkungen.

(Fortsetzung.)

Die Schriftsteller über die Restitution haben sich von jeher viel mit der Frage beschäftigt,

pcrsonam wirke oder in reist,

(q) L. 21 § 5 qtiod metus (4. 2), L. 7 § 5, £.31 de min. (4. 4). (r) L. 7 § 5 de min. (4. 4)

ob die Restitution in

das heißt, nur gegen eine

an, Ende. L. 1 §2 C.de reputat. (2. 48), (s) L. 22. 31 de min. (4. 4). (t) L. 33 de min. (4. 4).

270

Buch II

Rechtsverhältnisse.

einzelne bestimmte Person,

Kap. IV. Verletzung.

oder in das Unbestimmte hin,

gegen Personen, die sich vielleicht zur Zeit der erlittenen Verletzung noch gar nicht übersehen lassen.

Daß überhaupt

beide Wirkungsarten vorkommen können, sagt in einem all­ gemeinen Ausspruch eine Stelle des Paulus (a), die durch andere Stellen bestätigt wird (b).

Nach einer unter unsren Schriftstellern sehr gangbaren Formel soll die Restitution in personam die Regel bilden,

die in rem die Ausnahme (c); in der That aber bedarf die Sache einer etwas tieferen Begründung (d)

Es hängt

diese Frage unmittelbar zusammen mit der schon oben erör­ terten Bestimmung der verpflichteten Person in der Re­

stitution,

oder des Gegners des Verletzten (§ 336),

und

diese Bestimmung muß nothwendig sehr verschieden aus­ fallen,

je nach der verschiedenen Natur der Rechtsverhält­

nisse, woraus sich die Restitution beziehen kann.

Die Restitution kann gerichtet seyn gegen eine Usucapion,

also gegen eine nicht auf der Handlung des Eigenthümcrs beruhende Veränderung im Eigenthum, kommen

welcher Fall vor­

kann sowohl wegen Minderjährigkeit

Abwesenheit.

Hier versteht es sich von selbst,

als wegen

daß sie in

rem wirkt, also gegen leden Besitzer (e), wie sie denn auch

(a) Paulus I 7 § 4 „Integri restitutio aut in rem competit, aut in personam.“ Diese Stelle ist aber sicher stark verstümmelt. (b) L. 13 § 1 de min. (4. 4) Jnterdum autem restitutio et ,in rem datur minori“

(c) (d) Note f. (e) (4 6).

Burchardt S 416fg. Puchta Pandekten § 106 Vorlesungen (5 217.218. L. 30 § 1 ex qu. caus.

§. 343.

Restitution.

Wirkungen.

271

(Forts.)

zunächst und hauptsächlich durch die Wiederherstellung der verlorenen Eigenthumsklage zur Ausführung gebracht wird (§ 329).

Eben so ist kein Zweifel, daß die Restitution gegen die Ausschlagung oder den Antritt einer Erbschaft stets in rem wirkt,

da sie auf ganz verschiedene und unbestimmte Per­

sonen

sich beziehen soll (§ 342)

gesagt,

Auch wird ausdrücklich

daß die aus der Restitution hervorgehende Klagen

auf Erbschaftssachen gegen jeden Besitzer derselben angestellt werden können,

auch wenn der ursprüngliche Besitzer der

Erbschaft sie veräußert hat (f)

Anders verhält es sich mit der Restitution gegen einen geschlossenen Vertrag.

Person, hat,

Diese geht in der Regel gegen die

mit welcher der Verletzte den Vertrag geschlossen

und nur ausnahmsweise gegen dritte Personen;

für

diese Klasse von Fällen also ist die oben erwähnte Formel als richtig anzuerkennen (Note c)

Wird also ein Minderjähriger gegen einen nachtheiligen Verkauf restituirt, so hat er in der Regel die Rückgabe des verlorenen Eigenthums

nur von dem Käufer zu

fordern

(§ 342 Note c), nicht von dem dritten Besitzer, an welchen

der Käufer weiter veräußert hat.

Ausnahmsweise aber (g)

wirkt die Restitution auch gegen den dritten Besitzer, wenn

dieser um den Verkauf des Minderjährigen wußte,

(f) L. 17 pr. ex qwb caus (4. v)

(g)

oder

Interdum, s. o. Note b.

272

Buch II. Rechtsverhältnisse.

Kap. IV. Verletzung,

wenn der erste Käufer zahlungsunfähig ist (h).

solchen Fall hat dann der dritte Besitzer,

In einem

der die Sache

herausgeben muß, dieselben Regreßansprüche gegen fernen

Vorgänger, wie wenn er den Besitz durch eine Eigenthums­

klage verloren hätte (i). Dieselbe Behandlung findet sich, jährigen,

wenn einem Minder­

der zur Zahlung einer Schuld verurtheilt war,

Sachen abgepfändet und verkauft worden sind; denn diese Handlung ist als ein im Namen des Minderjährigen, also von ihm selbst,

geschlossener Verkauf anzusehen.

Wird

nachher die Verurtheilung durch Restitution aufgehoben, so

kann der Minderjährige in der Regel nur die Summe der Schuld vom Gläubiger wieder fordern (k); ausnahmsweise

aber (1) kann er auch die verkauften Sachen von dem Be­ sitzer zurück fordern,

wenn er durch' das Entbehren

in

besonders großen Schaden versetzt werden würde (m).

Schon oben ist dargethan worden,

daß bei einer er­

zwungenen Veräußerung der Verletzte die Wahl hat, (h) L. 13 § 1, L. 14 de min. (4. 4). (i) L. 15 de min. (4. 4), L. 39 pr. de evict. (21. 2). (k) L. 9 pr. de min. (4. 4) „nam illud cort um est, pecuniam ex causa judicati solutam ei restituendam“. (l) L. 9 pr. eit. „et puto, interdum permittendum“ . . . (m) L. 9 pr. cit. ,, si grau de damnum sit minoris“. L. 1 C. siadv.vend.pign. (2.29) „magno

ent-

detrimento . . . enorme damnum“ ... L. 49 de min. (4.4) „grande damnum“; diese Stelle muß offenbar, so wie die vorigen, von einem Verkauf im Wege der Erecution verstanden werden, ob­ gleich sie das nicht ausorncktich sagt. — Nicht zu verwechseln aber ist dieser Fall der pignora capta et distracta nut dem Falt, da der Psandglaubiger verkauft; dagegen gilt gar keine Restitution, s. oben § 323 Note e. f. g.

8 343.

Restitution.

Wirkungen.

273

(Forts.)

weder gegen den Verletzer auf Entschädigung

zu klagen,

oder durch Restitution die Herstellung seiner verlorenen in rem actio

zu verlangen,

die er dann auch gegen jeden

dritten Besitzer geltend machen kann (§ 330 Note e).

Sehr häufig ist das Verfahren bei einer Restitution so

einsach, daß Alles abgethan ist mit dem einfachen Befehl an den Verpflichten,

Geld zu zahlen oder eine empfangene

Sache heraus zu geben (§. 337 Note m). Restitution eine

Schuldklage.

ähnliche Natur

mit einer

Dann hat die

gewöhnlichen

Ist nun der zunächst Verpflichtete in fremder

Gewalt als Sohn oder Sklave, so trifft die Verpflichtung, wie bei einer Schuld, auch den Vater oder Herrn, in sofern entweder dieser durch das Geschäft Etwas in sein Vermögen bekommen hat,

oder ein Peculium vorhanden ist,

wodurch

er nach den Grundsätzen der actio de peculio verbunden wird (n).

(n) L. 24 8 3 de nun. (4.4).

VII.

18

Beilagen. XVIII.

XIX

Beilage XVIII.

Restitution der Minderjährigen, welche m väterlicher Gewalt stehen. L. 3 § 1 de ininor. (4. 4) L. 2 C de filiofam. minore (2. 23)

(Zu § 323 Note q)

Weber die Restitution der in väterlicher Gewalt stehenden Minderjährigen werden von den Schriftstellern folgende Sätze als sichere Regeln anerkannt: Der Minderjährige erhält gegen seine Handlungen dieselbe Restitution, wie wenn er nicht in väterlicher Gewalt stände, vorausgesetzt (so wie bei jeder Re­ stitution), daß er ein Interesse dabei hat; Der Vater soll von dieser Restitution keinen Vortheil ziehen, kann sie also nicht für sich geltend machen. Auch sind diese Sätze in der Hauptstelle, die von dieser Frage handelt, als Regeln so klar und entschieden aus­ gesprochen, daß darüber kaum ein Zweifel seyn konnte (a) Nur wird fast eben so allgemein für den ersten dieser beiden Sätze eine Ausnahme behauptet, und diese Ausnahme ist

278 es,

Beilage XVIII. welche in der

gegenwärtigen Untersuchung geprüft

werden soll.

Der Minderjährige soll nach dieser Behauptung aus­

nahmsweise keine Restitution erhalten,

lige Geschäft in der Aufnahme

wenn das nachthei­

eines Gelddarlehens be­

steht, und wenn dazu der Vater den Befehl gegeben hat (b).

Betrachten wir zuerst diese Ausnahme in ihrem allge­ meinen und natürlichen Zusammenhang mit der Restitution

überhaupt, also grundsätzlich, und noch ohne Rücksicht auf das Zeugniß einzelner Stellen

Man könnte riesclbc daraus ableitcn wollen,

daß es

dem väterlichen Ansehen widersprechen würde, den gegebenen

Befehl durch ErtHcilung der Restitution für schädlich zu Diese, an sich denkbare, Ansicht wird von Ulpian

erklären.

entschieden verworfen,

da er bei anderen Rechtsgeschäften

dem Sohn die Restitution gestattet,

auch wenn der Vater

Befehl zu dem Geschäft gegeben hatte (c)

Man

könnte der Sache

ferner die Wendung

geben

wollen, daß nur der allein Handelnde Sohn ein leichtsinniges

Gelddarlehen aufnehmen und dadurch in Schaden kommen werde;

im Fall eines väterlichen Befehls werde keine Ge-

(b) BurcharvlS 239—248. Andere Schriftsteller werden so­ gleich angeführt werden. (c) L. 3 § 4 cit. „Proinde si jussu patris obligatus sit .. filius auxilium impetrare

debebit, si ipse conveniatur “ — Eben sy wenn der Vater seinen unmündigen Sohn emancipirt, und als Vormund die aucloritas zu einem Geschäft gegeben hatte. L. 29 pr de min (4. 4).

279

Zur Restitution der Minderjährigen. fahr und kein Nachtheil vorhanden sevn (d).

Man kann

Dieses für die meisten Fälle unbedenklich zugeben, uiit> wenn in der That kein Nachtbeil,

oder doch kein Nachtheil auS

Unbesonnenheit entstanden ist, so versteht es sich von selbst, daß die Restitution wegfältt,

fehlt

weil ibre Grundbedingung

Aber es kann doch

(8 320 Note b).

auch

anders

kommen; der Vater kann eben so Leichtsinnig seyn, wie der Sohn, er kann durch den Lobn getäuscht werden, er kann

selbst ui böser, eigennütziger Absicht den nachtbetligen Befehl zum Darlehen geben.

warum gerade nur

Aus keine Welse erklärt dieser Grund, bei

dem Gelddarlehen der väterliche

Besebl drese Wirkung haben soll,

da ja bei allen anderen

Rechtsgeschäften genau dieselben Rücksichten und Möglich­ keiten eintreten, um die Restitution für zulässig oder unzu­

lässig zu halten. In dieser Verlegenheit nun haben ältere Schriftsteller

die seltsamsten Gründe geltend gemacht,

um die erwähnte

Ausnahme bei dem Darlehen zu rechtfertigen (e).

Das für

das Gelddarlehen erlassene Sc. Macedonianum/ sagen sie, sey für viele einzelne Fälle sehr bart,

und für diese Härte

sollten die Gläubiger durch die erwähnte Ausnahme wenig­

stens eine kleine Entschädigung erhalten.

Ferner seyen die

(d) Das ist die Wendung, Me solchen Fall fein Nachtheil aus Puchta § 103 Note i der Sache Unbesonnenheit entstanden sey. (e) Azo in L 2 C. de fil. giebt Denn ui den Vorlesungen S. 213 sagt er, es sey feine eigent­ fam mm , Glossa in L. 3 § 4 liche Ausnahme, sondern es werde D de nuiiorC ujacius in L. 3 nur angenommen, daß in einem §4 D de nun., Opp. Tip. 989

Beilage XVIII.

280

meisten Gläubiger der Minderjährigen ungemein schlechte

Leute.

sinnung

Wenn sich nun einmal einer von so redlicher Ge­

fände,

daß er nur mit der Genehmigung deS

Vaters daS Darlehen geben wolle, so verdiene dieser seltene Redliche unter den vielen Unredlichen durch eine besondere

Ausnahme von den allgemeinen Rechtsregeln ausgezeichnet

und belohnt zu werden. Ansicht

Zur Unterstützung dieser letzten

wird auch noch eine Stelle der heiligen Schrift

angeführt (f).

Diese Gründe sind so unhaltbar, ,a so wunderlich, daß sie sich nur aus der völligen Verzweiflung erklären lassen,

über den klaren Ausspruch unsrer Rechtsquellen nicht ander-

hinweg kommen zu können. muß daher

die

Nach

für das Gelddarlehen

nahme schlechthin verworfen werden,

mehr Alles

allgemeinen Gründen

auf die Erklärung

behauptete Aus­

und es kommt nun­

einzelner Stellen an, zu

welcher ich mich jetzt wende. Die wichtigste Stelle ist folgende aus Ui.pianvs lib. XI. ad Ed., die ich in ihrem ganzen Zusammenbang hierher

setze.

L. 3 § 1 i quis dixent etiam filiiilamiliaruiu

in re pcculiari snbveniendurn, efficiet, ut per eos etiam (f) Ev. S. üutä Kap 15 Einen Sünder, der Buße thut, vor V. 7 „Ich sage Euch: Also wrrd neun und neunzig Gerechten, die auch Freude tut Himmel sehn über der Buße nicht bedursen.

281

Zur Restitution der Minderjährigen.

majoribus subveniatur, id est patribus eorum. Quod

nequaquam fuit Praetori propositum; Praetor enim minoribus auxilium promisit, non majoribus. Ego autein

verissimam arbitror sententiam existimantium, filium-

familias minorem annis in integrum restitui posse ex bis solis causis, quae ipsius intersint, puta si sit

obligatus.

Proinde bi jussu patris obligatus sit,

pater utique potent in solidum conveniri, filius autem,

cum et ipse possit vei in potestate manens conveniri, vel etiani emancipatus vel exheredatus, in id quod

facere potent, et quidem in potestate manens etiani invito patre ex condemnatione conveniri,

imp^trare debebit, si ipse conveniatur. auxilium patri

quoque prosit,

auxilium

Sed an hoc

ut solet int er dum

fidcjussori ejus prodesse, videamus: et” non puto

profutur um. auxilium,

*Si igitur filius conveniatur, postulet

si patrem conveniat creditor, auxilium

cessat, excepta mut ui datione, in hac (g) enim, si

filius jussu (h) patris mutuam pecuniam accepit,

non adjuvatur.

Proinde et (i) si sine jussu patris

contraxit et captus est. siquidem pater de peculio conveniatur, filius non erit restituendus; si filius

conveniatur. poterit restitui. (g) Alle alte Ausgaben lesen hac, welches eine bessere Constructton giebt, als die Florentinische Leseart: hanc. (h) Diese Leseart der Vulgata ist offenbar besser, als die der Flo-

rentina, welche ras Wort filius weglaßt (i) Aus der folgenden Erklarung wird sich ergeben, daß der Sinn einfacherhervortritt, wenn hier das et weggelassen wird (Note n).

282

Beilage XVIII.

Alles kommt auf die Erklärung der hier cursiv gedruckten Worte an. Diese enthalten die Ausnahme von einer Regel, und es fragt sich, worin besteht diese Ausnahme? welches ist die Regel, worauf sic sich bestellt? Die Ausnahme scheint ausgedrückt in den Worten: non adjuvatur, die Regel also scheint nur in einem adjuvatur, (oder was etwa gleichen Sinn giebt) bestehen zu können. Da nun in dem unmittelbar vorhergehenden Satz gesagt wird: atixilitini ecssat. welches eben so viel sagt als non adjuvatur. ;o scheint die Ausnahme daraus nicht ZU passen Sie würde aber passen auf den entfernteren Satz von dem verklagten Sollue; denn da es bei diesem heißt: po^tulet auxiliuui. so bildet dagegen das non adjuvatur allerdings einen Gegensatz, welcher als Ausnahme der Regel: postulet auxilium wohl gedacht werden könnte. Durch diese Betrachtung sind ohne Zweifel alle bisherige Erklärer unsrer Stelle bewogen worden, sich zu zwei sehr bedenklichen Maaßregeln zu entschließen. Erstlich haben sic sich hinweg gesetzt über die oben entwickelten allgemeinen Rcchtsgrundsätze, womit daS Ergebniß dieser Erklärung geradezu in Widerspruch tritt, und sie haben sich über diesen Widerspruch durch die bereits angeführten, etwas abentheuerlichen Erwägungen beruhigt Zweitens aber haben sie die Alisnahme nicht an die unmittelbar vorher­ gehenden Worte angeschlossen, sondern, mit Ueberspringung dieser Worte, an den früheren, vom Sohne handelnden Satz; dieses letzte Verfahren ist sehr gezwungen, fast ge-

Jur Restitution der Minder,ährlgen

283

waltsam zu nennen. — Wenn es nun gelingen wollte, eine andere Erklärung zu finden, durch welche diese beiden großen Uebelstände vermieden werden könnten, so dürfte diese Erklärung gewiß vorzuzieben seyn Eine solche aber will ich jetzt versuchen. Jcb gehe dabei von dem festen Punkte aus, daß Ulpian ganz bestimmt sagt, daS Gelddarlehen sey hier allein ausgenommen, werde also von allen anderen Rechtsge­ schäften, die etwa der Sohn geschlossen haben könnte, verf(bieten behandelt. Wenn man nun nach einem Grunde fragt, der diese ganz eigenthümliche Behandlung des Geld­ darlehens rechtfertigen möchte, so ist kaum ein anderer denkbar, als die exceptio Sc Maeedoniani, welche bekannt­ lich sowohl von dem Vater, als von dem Sohne selbst, gegen jede aus dem Gelddarlehen anzustellende Klage gebraucht werden kann (k), und welche gerade allein auf das Gelddarlehen, im Gegensatz aller anderen Rechtsge­ schäfte (selbst des Darlehens an aiireren Sachen als Geld) Anwendung findet. Nimmt man aber Dieses an, so muß der Sinn der Ausnahme nothwendig ein bejahender (ein adjuvatur), nicht ein verneinender (ein non adjuvatur) seyn. Sehen wir zu, wie dieses, nunmehr als nothwendig anzuerkennende, Ziel der Erklärung erreicht werden kann. Es geschieht am einfachsten durch eine Emendation, die

(k) L 7 § 10, L. 9 § 3 de Sc Mac (14. C), L ß pr. C. eod. (4. 28)

284

Beilage XVIU.

jedoch nur in der Versetzung deS non an eine andere Stelle zu bestehen braucht, also gewiß bescheiden ist. Der ganze Satz würde nun so lauten: si patrem conveniat creditor. auxilium cessat, excepta mutui datione; in hac enim, si filius non jussu patris mutuam pecuniam accepit, adjuvatur (1). Für Diejenigen aber, welche etwa selbst vor einer so mäßigen Emendation, als zu gewaltthätig, zurück schrecken möchten, läßt sich daffelbe Ziel auch auf dem Wege bloßer Erklärung erreichen. Man muß nämlich vann zu den Worten: si filius jussu patris . . accepit ein nur oder nur dann (ein non nisi) hinzu denken, so daß der Satz folgenden Sinn giebt, denn bei diesem (dem Gelddarlehen) wird dem Vater nur dann die schützende Einrede (aus dem SenatuSconsult) versagt (non adjuvatur), wenn das Darlehen auf seinen Befehl ausgenommen war (»>); außer diesem Fall des Befehls also hat er die Einrede, worin denn eben die Ausnahme von der Regel: auxilium cessat besteht. Beide Wege (die Emendation und die zuletzt versuchte Erklärung) führen zu demselben Ziel, nämlich zu folgenden (1) nämlich pater adjuvatur, da ja pater das noch fottivirfeit de Subject des Hauptsalzes ist, welcher uut den Worten si patrem conveniat anfangt. Natürlich muß man nun die Regel und die Ausnahme nicht von der RestituLion allem verstehen, sondern von jeder den Beklagten schuhenden Rechtshülfe überhaupt In der

Regel also wird dem Later gar Nicht geholfen, un Fall des Geld­ darlehens wird ihm geholfen, freilich nicht durch Restitution, sondern durch die exc Sc Macedoniani (in) Eine ähnliche Erklärung durch em hinzugcdachtes nur ist nöthig bei der L. 57 mand. (17 1) s o § 329 Note n

285

Zur Restitution der Minderjährigen.

einfachen Sätzen:

der aus dem Geschäft des

dem Vater,

Sohnes verklagt wird, ist überhaupt nicht zu helfen, außer

von einem Gelddarlehen des Sohnes die Rede ist;

wenn

denn gegen die Klage aus diesem hat der Vater die Ein­

rede aus dem SenatuSconsult, vorausgesetzt, daß das Dar­ auf seinen Beseht ausgenommen

lehen

nicht

Man

kann diese

Wendung, darlehens

Sätze,

mit einer

ausdrücken:

so

auch

nur

worden

etwas

Im Fall

ist.

anderen

eines

Geld­

hat der Vater gegen die actio dc peculio die

exc. Sc. Maccdoniani.

gegen die actio quod jussu hat er

Eine Restitution

diese Einrede nicht.

kann er in keinem

Fall verlangen. Daß nun Ulpian in der That gerade Das sagen wollte,

welches ihm durch diese Erklärung in den Mund gelegt wird,

ergiebt sich aus den nachher solgenden Worten, worin er den eben aufgestellten Fall

noch

von

weiterer Betrachtung verfolgt. vym

Vater

nicht

befohlenen

einer anderen Seite in

Der Fall

war der

Gelddarlehens;

eines

gegen

die

Klage aus diesem sollte der Vater die exc. Sc. Macedoniani haben; Das sagt der bisher erklärte Theil der Stelle.

Waö geschieht aber in diesem Falle mit dem Sohne? davon sprechen die hier folgende Worte:

Proinde

si

(n)

sine jussu patris

(o)

contraxit et

(n) Ich lasse da« et vor si weg (Note i), weil nicht eine fort;

bare Wiederholung der vorherge­

vorher

tris mutuam pecuniam accepit

ausgesprochenen Satze« folgt, son­

nach der von mir vorgeschlagenen

dern eNva« Neue«. (o) Diese Worte find die ficht-

sehr für diese Emendation.

gehende

Anwendung

des

henden Worte: si non jussu pa­

Emendation,

und sprechen daher

286

Beilage XVIII

captus est, siquidem pater de peculio conveniatur, filius non erit restituendus;

si filius conveniatur,

poterit restitui. Beide hier ausgestellte Satze sind nicht ganz ohne Be­ denken

Der Sohn soll,

wenn der Vater verklagt wird,

nicht restituirt werden können daraus,

Das erklärt sich zunächst

daß der Sohn nicht in Anspruch genommen ist.

Aber wie, wenn der Vater die Erception nicht gebrauchen

will,

oder wenn er sic nach den besonderen Umständen des

Falles nicht gebrauchen kann (p)?

Nun wird der Vater

zahlen, das Geld aus dem Peculium nehmen, und so ver­

liert der Sohn dennoch dieses Geld

antwortet Ulpian,

Auf diesen Einwurf

das Interesse des Sohnes an dem

Peculium als solchem sey ein blos factisches, kein juristisches,

der Vater habe daran das Eigenthum und könne es also auch ganz willkürlich wegnehmen (q)

Auch der zweite

Satz hat

dem Darlehen verklagte

sein Bedenken

Der auö

Sohn soll Restitution erhalten;

aber auch er hat ja die Einrede aus dem SenatuSconsult, und da diese schon mcro jure gilt, so scheint die Restitution

überflüssig und unzulässig (§ 321 Note r) antworten,

daß jene Einrede

Darauf ist zu

vielleicht ausgeschlossen ist

durch den Irrthum des Gläubigers über das Daseyn der

(p) Wenn etwa der Gläubiger nicht wußte, daß der Schuldner in väterlicher Gewalt stand. L. 3 pr L. 19 de Sc. Maced. (14.6)

(q) ,,Npe eo inovemur, quasi intersit filii peculium habere; magis eniin patris, quam filii interest “

28?

Zur Restitution der Minderjährigen.

väterlichen Gewalt (Note p),

oder daß dieser Umstand

wenigstens vom Gegner behauptet werden und den Ausgang

des Rechtsstreits ungewiß machen kann (§. 318 Note d) AuS solchen Gründen kann wohl die Restitution Vortheil gewähren, ja vielleicht ganz unentbehrlich seyn, wenn dem Sohne geholfen werden soll

Denn die Minderjährigkeit giebt

stets einen Schutz, der solchen Einwendungen nicht ausgesetzt

ist, und gerade die sichere Verhütung einer solchen Gefahr

eignet sich entschieden zur Ertheilung einer Restitution (S 121)

Die (weite Stelle,

woraus bewiesen werden soll, vaß

der Minderjährige keine Restitution erhalte gegen ein Geld­

darlehen, wenn sein Vater dazu Befehl gegeben habe,

ist

ein Rescript von Gordian

L. 1 (al. 2) C. de fil. fam. minore (2 23).

„Si frater tuus, cum mutuam pecuniam accipcret, in

patris fuit potestate,

nec jussu ejus.

ncc contra

Senatusconsultum contractum est, propter hibricum

aetatis adversus eam cautionem in integrum restitutionem potuit postulare“. Die Belehrung des Kaisers geht dahin, daß der minder­

jährige

Schuldner

gegen

das

Gelddarlehen unter

zwei

Voraussetzungen Restitution erhalten sönne: 1. Wenn das Darlehen nicht auf Befehl des Vaters aus­

genommen sey, 2.

wenn dasselbe nicht unter das Verbot des Senatuö-

consults falle.

288

Beilage XVIII.

Ich betrachte die zweite Voraussetzmlg zuerst, die mit

der so eben angestellten Untersuchung zusammentrifft.

Ist

nach der übereinstimmenden Erklärung der Parteien schon das Senatusconsult anwendbar, so bedars es der Restitution

nicht, und sie wird daher nicht gegeben.

Ist es entschieden

nicht anwendbar (weil der Gläubiger die väterliche Gewalt sicher nicht kannte),

oder ist dieser Umstand wenigstens

zweifelhaft und bestritten, dann kann die Restitution ein­

treten. Die haben.

erste Voraussetzung

scheint

folgenden Sinn zu

Wenn der Vater keinen Befehl zum Darlehen ge­

geben hat,

so bekommt der Sohn Restitution (daS sagt

die Stelle ausdrücklich);

wenn er Befehl gegeben hat, so

bekommt der Sohn keine Restitution (das scheint indirekt

angedeutet). Diese indirekte Andeutung scheint also eine Bestätigung der Ausnahme zu enthalten,

worauf sich die gegenwärtige

Untersuchung bezieht, also eine Bestätigung der oben erklärten Stelle deS Ulpian nach der gewöhnlichen Auffassung der-

selben.

Unstreitig war eS die scheinbare Uebereinstimmung

dieser beiden von einander unabhängigen Stellen,

welche

der gewöhnlichen Behauptung einer Ausnahme für den Fall eines vom

Vater befohlenen Gelddarlehens

solche

Kraft

verlieh, daß dagegen auch nicht einmal ein Zweifel versucht wurde.

Die eben erklärte, in jener ersten Voraussetzung liegende

indirekte

Andeutung

ist nun das gewöhnlich sogenannte

Zur Restitution ter Mmderiähngen. argumentum a contrario.

289

Dasselbe besteht darin, daß aus

einer bedingungsweise aufgestellten Regel geschloffen werden soll, das Gegentheil dieser Regel müsse gelten,

sobald der

logische Gegensatz (die reine Verneinung) der aufgestellten

Bedingung vorhanden sey.

Diese Auslegungsweise, die am

rechten Orte angewendet ihre relative Wahrbeit hat, nirgend bedenklicher, als bei den Rescripten im Coder.

ist

Denn

hier hak die bedingte Fassung eines Ausspruchs sehr oft gar

kücht den Sinn,

daß der Ausspruch eben nur unter der

beigefügten Bedingung wahr seyn soll, sondern vielmehr nur

den Sinn einer kurzen Wiederholung der in der Anfrage an den Kaiser

enthaltenen Thatsachen (->).

vorliegenden Stelle

also

In der hier

sind die zwei scheinbaren Be­

dingungen der für zulässig erklärten Restitution etwa so zu

verstehen:

Wenn es wabr ist, wie Tu anführst, daß der Vater zu dem

aufgenommenen Gelddarlehen keinen Befehl

gegeben bat, und daß auch nicht eine Verletzung deS

Senamsconsults jede Restitution überflüssig macht, so ist die Restitution wohlbegründet.

Die Erwähnung des nicht vorhandenen väterlichen Be­

fehls in der Anfrage, so wie in der Wiederholung durch das Rescripk, hat nun nicht den Sinn, schlechtbin ausgeschlossen

daß die Restitution

wäre im Fall eines väterlichen

Befehls (wie man die Stelle gewöhnlich auslegt), sondern

(r) Vgl. eben B 1 § 41 am Ende des §. VII.

19

290

Beilage XVIII

Vielmehr, daß, wenn ein solcher Befehl nicht vorhanden ist,

die Restitution um so ficherer zulässig seyn wird, weil das Daseyn eines solchen Befehls gewiß in den meisten Fällen ein Kennzeichen seyn wird,

daß eine

Läsion nicht

»or

Handen, also auch eine Restitution nicht begründet ist.

Was hier über die Auslegung der Rescripte int Coder

gesagt ist, hängt also damit zusammen, daß solche Rescripte nicht dazu bestimmt waren,

allgemeine,

scharf begränzte

Grundsätze auszustellen (wie eS bei den theoretischen Schriften

der alten Juristen, so wie bei den eigentlichen Gesetzen im Coder, der Fall ist), sondern vielmehr Belehrung zu geben

über die concrete Natur einzelner zur Beurtheilung vorge-

legter Rechtsfälle

So ist also auch dieses Rescript des Gordian nicht dazu geeignet,

die angebliche Ausnahme für den Fall des

Gelddarlehens zu rechtfertigen

Ich fasse die vorstehende Ausführung in folgender kurzen Uebersicht zusammen.

Minderjährige erhalten

Restitution

gegen ihre Rechtsgeschäfte auch wenn sie in väterlicher Ge­ walt stehen, und selbst wenn der Vater in das Geschäft

eingewilligt oder dazu Befehl gegeben hat.

Diese Regel

wird auch von keiner Seite bezweifelt

Es wird aber sehr allgemein eine Ausnahme von dieser

Regel für den Fall behauptet,

wenn das Geschäft in der

Aufnahme eines Geld-Darlehens besteht.

Für diesen Fall

291

Zur Restitution der Minderjährigen.

soll

durch

beit

väterlichen

Befehl

die

Restitution

des

SohneS gänzlich ausgeschlossen seyn.

Diese Ausnahme

läßt

sich

jedoch

nach

allgemeinen

Rechtsgrundsätzen durchaus nicht rechtfertigen.

Sie soll begründet werden durch eine Stelle des Ulpian, und durch ein Rescript des K. Gordian.

Die richtige

Auslegung beider Stellen bestätigt aber diese Behauptung

nicht. Demnach ist tue Behauptung jener Ausnahme durchaus

zu verwerfen

Beilage XIX. L. 57 Mandat! (17. 1).

(Zu § 329 Note n).

An der Stelle, die hier erklärt werden soll, ist fast Alles Gegenstand von Zweifeln und Streitigkeiten geworden: der

Tert, die Bildung des RechtSfalles der entschieden werden soll,

die Personen

von welchen die Rede ist,

die Ent­

scheidung selbst. Der Fall stellt fich dem ersten, folgender Weise dar.

unbefangenen Blick in

Ein Sklavenhändler (venaliciarius)

reist in eine Provinz, ohne Zweifel, um neue Sklaven einzu­ kaufen. Die in Rom vorräthigen Sklaven zu verkaufen, giebt

er Auftrag an einen Mann, der ihm als zuverlässig persönlich

bekannt ist (certi hominis fidem elegit). Abreise stirbt dieser Mann,

Bald nach seiner

und dessen Erben,

unbekannt

mit den Regeln des Mandats, bilden sich ein, der Auftrag

sey auf sie übergegangen;

sie verkaufen die Sklaven,

zwar (wie der Erfolg zeigt)

gungen.

und

unter nachtheiligen Bedin­

Die Käufer besitzen die Sklaven über ein Jahr.

Der Sklavenhändler,

von der Reise zurückkehrend,

unzuftieden mit dem Verkauf,

und

will gegen die Käufer mit

Berlage XIX

der Publiciana klagen,

L. 57 mandati (17. 1)

293

fürchtet aber die exceptio dominii

wegen der Usucapion der Käufer, und eS wird bei Papinian angefragt,

wer wohl Aussicht auf Erfolg habe, der

Kläger oder die Beklagten? Das Responsum auf diese Frage

nahm der Jurist in seine Sammlung auf,

und daraus ist

dasselbe in die Digesten übergcgangen

Aber gerade in der Antwort auf die vorgelegte Frage ist der Sitz der Schwierigkeit,

von

zwei Lesearren

ganz

denn eben hier finden sich

entgegengesetztem

Sinn

Die

erste lautet so: 8ed venahciariuin ex provincia reversum Publiciana

actione

non utiliter

acturum.

Dieses ist die Leseart der Florentina und der Vulgata.

inutiliter,

Haloander liest: giebt,

welches ganz denselben Sinn

und wobei es dahin gestellt bleiben mag,

ob er es

in einer Handschrift vorsand, oder nur des besseren Klangeö wegen aufnahm.

Nach dieser ersten Leseart sollen die Be­

klagten Recht behalten. Sed

venaliciarium

inutiliter

Die zweite Leseart ist folgende:

....

Publiciana

actione

non

acturum.

Diese findet sich in der Ausgabe des Vintimillius: Pari». 1548.8, aus einer Handschrift des Ranconnetus. Ferner in der Ausgabe des Charondas, Antverp. 1575

lob, aus einer Handschrift des Herausgebers. Augustinus (a):

(a)

„et sunt qui scribant.

X(iG(iSTiM emend. Lib 1 C 3

Ferner sagt

non inutiliter

Beilage XIX.

294

acturwm." Woher er Dieses hat, sagt er nicht; das angeführte

Buch ist zuerst 1543 gedruckt, also älter, als die angeführten

Ausgaben,

worin handschriftliche Terte angegeben werden.

Auch die Basiliken bestätigen diese Leseart (b).

Cujacius

schlägt als Conjectur vor: utiliter, welches dem Sinn nach

Nicht verschieden ist von non inutiliter, dem Ausdruck nach schlechter,

Nach dieser

wie sich weiter unten zeigen wird.

zweiten Leseart soll der Kläger Recht behalten. Also

an

handschriftlicher Beglaubigung

fehlt es für

und wir haben zunächst nach dem

beide Lesearten nicht,

inneren Zusammenhang der Stelle zu prüfen,

welche den

Vorzug verdiene. Sieht man die Stelle obenhin an,

so spricht ein ober­

flächlicher Schein für die erste Leseart.

den unmittelbar folgenden Worten: dominii .

detur.

Denn es heißt in

cum exceptio justi

Also: dafür exceptio, die Erception

wird vom Prätor gegeben,

sie ist also wirklich begründet,

also muß der Kläger abgewiesen werden.

Allein bei genauerer Betrachtung ergeben sich sogleich

folgende ganz entscheidende Gründe gegen diese Erklärung. Zuerst die adversative Partikel Satzes.

Sed im Anfang des

Dann wenn die Beklagten durch die Erception

gewinnen, so ist Dieses eilte unmittelbare Folge der vorher erwähnten Usueapion,

kann also unmöglich als Gegensatz

anSgedrückt werden, wie eö doch indem Sed augenscheinlich

(b)

Basil, ed. Fahret T 2 p 161



295

L. 57 mandati (17. 1). geschieht.

Allerdings liest nun H a l o a n d e r Et anstatt Sed,

und dadurch

verschwindet

dieser

Einwurf.

Allein seine

Leseart steht so vereinzelt, daß wir wohl unbedenklich annehmen können,

sie sey nicht aus einer Handschrift ge­

nommen, sondern eben nur erfunden, um diesem Einwmf

zu begegnen.

Femer spricht dagegen der in dem letzten Satz (ueque oporteat etc.) enthaltene,

iiommene Grund. durch die Berufung

von der bloßen Billigkeit herge-

Wenn die Beklagten gewinnen sollen auf das strenge Recht,

das justum

dominium, so wäre es ja sehr unlogisch, dessen Schutz durch

die an sich schwächere Stütze. der Billigkeit befestigen zu wollen. Dann spricht dagegen das causa coghita, welches nun

vollkommen müßig dasteht, wie es sich am deutlichsten aus

der richtigen Erklärung dieser sehr bedeutsamen Worte er­

geben wird.

-

Endlich aber, und welches die Hauptsache ist, muß man

bei dieser Erklärung völlig vergessen,

daß von sehr alter

Zeit her der Prätor eine Restitution angekündigt hatte zum Besten der Abwesenden,

helfen,

und zwar gerade,

um ihnen zu

wenn sie in Folge ihrer Abwesenheit Eigenthum

durch Usucapion verlieren zollten.

An diese Restitution

müßte Papinian gar nicht gedacht haben,

sonst hätte er

auf entgegengesetzte Weise entschieden, oder doch mindestens

nöthig gesunden zu erklären,

warum sie im vorliegenden

Fall nicht angewendet werden sollte.

296

Beilage XIX.

Das Gewicht dieser Gründe ist denn auch schon vor vielen Jahrhunderten anerkannt worden.

Um diesen Ein­

wendungen zu

die Leseart non

entgehen,

dennoch

und

utiliter aufrecht zu halten,

da man lange Zeit hindurch

keine andere kannte,

ist der Versuch schon in der Glosse

von

anderen Schriftstellern in ganz ver­

gemacht,

und

schiedenen Zeiten ausgenommen und vertheidigt worden (c),

den Rechtsfall selbst,

auf welchen fich Frage und Antwort

in der Stelle beziehen sollen,

in einer ganz anderen, und

zwar sehr künstlichen und verwickelten Weise auszubilden.

Ein Eigenthümer von Sklaven giebt Auftrag, verkaufen,

diese zu

der Beauftragte stirbt, und die Erben desselben

verkaufen die Sklaven, nicht in unredlicher Absicht, sondern weil sie irrigerweise glauben, der Auftrag sey auf sie über­

gegangen.



Soweit ist es fast derselbe Fall,

wie der

oben dargestellte. Nun aber sollen sich die Schicksale der Käufer getrennt

haben. Die meisten derselben haben (nach dieser Erklärung) die ihnen durch den Kauf zugefallenen Sklaven Ein Jahr lang be­

sessen und dadurch usucapirt.

Dadurch bekommen sie volles,

unanfechtbares Eigenthum, das sie behaupten können, sie mögen nun im Besitze bleiben oder nicht. hat es sich selbst zuzuschreiben,

Der vorige Eigenthümer

daß er nicht aufmerksamer

war, und nicht gegen sic geklagt hat vor Vollendung der

(c) Vgl. J Gothofredus Uli Thesaurus dcs Ott» T 3p 293, und Pltimans probabilia p 1

29.7

L. 57 mandati (17. 1). Usucapion.

Auf eine Restitution hat er keinen Anspruch,

denn er war gar nicht abwesend gewesen.

Von diesen

meisten Käufern ist nun nicht weiter die Rede; ihre Sache

ist abgethan mit den Worten: eos ab emtoribus (d. h. von dem größten Theil der Käufer) usucaptos videri placuit.

Nur Einer dieser Käufer, ein Sklavenhändler, hatte ein besonderes Schicksal, abweichend von dem seiner Mitkäufer. Er war vor dem Ablauf seiner Usucapionszeit nach einer

und in seiner Abwesenheit war der auf

Provinz gereist,

ihn gefallene Theil

der erkauften Sklaven wieder in den

Besitz des alten Eigenthümers zurückgekehrt, der also dadurch die Usucapion

unterbrochen

hatte.

Der Sklavenhändler

wollte nach der Rückkehr gegen den alten Eigenthümer mit der Publiciana klagen, und darüber wurde Papinian be­

fragt.

Er antwortete, der Kläger müsse abgewiesen werden,

weil der Beklagte noch wahrer Eigenthümer seh,

also die

exceptio dominii für sich geltend machen könne.

In dieser Erklärung wird nun eine umständliche Ge­ schichte

erdichtet,

ohne daß die Stelle auch nur die ent­

fernteste Hindeutung daraus enthielte.

Alle Ausdrücke der

Stelle deuten vielmehr gerade auf das Gegentheil der hier vorausgesetzten Thatsachen.

Denn unter den emtores wird

doch gewiß jeder unbefangene Leser alle Käufer verstehen,

nicht blos die meisten;

und unter dem den Käufern (durch

Sed) entgegengesetzten venaliciarius eher alles Andere, als einen College« eben dieser Käufer. — wichtigsten

Bedenken

bestehen,

welche

Ferner bleiben die

oben

gegen

eine

298

Beilage XIX

andere Erklärung erhoben worden sind: daß die Worte causa cognita völlig müßig sind,

Recht

und daß eine auf Vas strenge

sdas justum dominium)

gegründete

Entscheidung

unmöglich durch einen Grund der Billigkeit unterstützt werden

konnte, der keinen Halt hatte, wenn der alte Eigentbümer

nicht auch verreist war,

und der unter dieser Voraussetzung

gerade auf das Verhältniß der übrigen Käufer

bar gewesen wäre,

und dabei

eine ganz entgegengesetzte

Entscheidung hätte herbeiführen müssen

sind die Resultate,

so trivial,

so von selbst, daß man kaum begreift,

Rechtssall

hätte begehrt,

— Endlich aber

die der Stelle nach dieser Erklärung

zugeschrieben werden müssen,

beschaffenen

anwend­

ein

Responsum

sie verstehen sich

wie über einen so von

Papinian

später in dessen Sammlung ausgenommen,

und zuletzt sogar in die Tigesten gesetzt werden sollen.

Die völlige Unhaltbarkeit der beiden bisher dargestellten Erklärungen führt fast nothwendig auf die Annahme der

Zweiten Leseart (non inutiliter),

Beglaubigung nicht fehlt,

der es an handschriftlicher

und es kommt nur darauf an,

unter Voraussetzung dieses Tertcs

eine mit dem inneren

Zusammenhang der Stelle, so wie mit allgemeineren Rechts­

regeln, Das

übereinstimmende Erklärung zu versuchen.

eigentliche Hinderniß einer richtigen Auffasfting

liegt an einem Orte, wo man es auf den ersten Blick kaum

erwarten sollte, in den Worten: cum exceptio justi doini-

nii . . . detur, welche einen Doppelsinn mit sich führen, indem sie sowohl aus eoncrete, als ans absiracte Weise ge-

L. 57 mandati (17. 1). deutet werden können.

299

Sie können nämlich erstens sagen,

in dem vorliegenden Fall werde die Erception gegeben, sey sie begründet,

der Kläger müsse daher abgewiesen werden:

dann sind diese Worte der Grund der Entscheidung, und

setzen die Leseart non utiliter nothwendig voraus

Sie

können aber auch zweitens (und das ist das Richtige) eine allgemeine Betrachtung enthalten über die Behandlung jener

Erceprion überhaupt:

dann sind sie nicht Grund der Ent­

scheidung, sondern Widerlegung eines Einwurss, und setzen

die Leseart non inutilitcr voraus

Der Sinn dieses Haupt-

tbeils der Stelle läßt sich hiernach in folgender Umschreibung

darstellen:

Zwar

haben die Käufer in der That die

usucapirt.

Sklaven

Dennoch (Sed) wird der alte Eigenthümer

(der venaliciarius) die Sklaven nicht ohne Erfolg (non inutiliter) mit der Publiciana einklagen.

Man könnte

zwar glauben, daß ihm die exceptio justi dominii der Käufer, eben wegen ihrer Usucapion, im Wege stände;

allein man muß erwägen, daß diese Erception im Allge­

meinen nicht jedem Eigenthümer unbedingt,

nur causa cognita (d) ertheilt wird.

Im vorliegenden

Fall aber führt die causae cognitio daraus,

(d) (Zs muß also zu den Worten causa cognita em nomiisi hmzugedacht werden, wodurch alleln sie gegen den Vorwurf eines völlig müssigen DasevnS geschützt werden

sondern

den Be-

tonnen. Erne ähnltche Erklärung ul oben bei emer andern Stelle versucht worden, Betlage XVIII. Note m

300

Beilage XIX.

klagten die Erception abzuschlagen aus einer Rücksicht

der Billigkeit (neque oporteat etc.). Die Gründe,

die oben als Einwendungen gegen ibie

vorhergehenden Erklärungen aufgestellt wurden, verwandeln sich jetzt in Bestätigungen der hier versuchten. sed

ausgedrückte

Gegensatz

ist

Der durch

wirklich vorhanden,

die

Worte causa cognita sind nicht müßig, sondern ganz unent­ behrlich , und der am Schluß aufgestellte Grund der Billig­ keit ist in der That entscheidend für die ganze Sache.

Der

innere Zusammenhang der Stelle ist völlig befriedigend,

und Alles steht in Einklang mit sonst bekannten Rechts­

regeln. Endlich bestätigt sich die Wahl der Leseart, worauf diese Erklärung beruht,

auch dadurch als richtig, daß sich

aus ihr die Entstehung der anderen,

nun als irrig anzu­

sehenden Leseart, ungezwungen und befriedigend erklärt (e). In irgend einer sehr frühen Zeit ließ sich nämlich ein Ab­

schreiber durch den in den Worten: cum exceptio .. detur

liegenden falschen Schein täuschen,

und verwandelte das

Vorgefundene richtige inutilitcr in das irrige utiliter, welches dann in die meisten Handschriften übergegangen ist.

Es bleibt nun noch übrig, die einzelnen Sätze besonders zu erklären,

wobei in Erinnerung gebracht werden muß,

daß uns in dieser ganzen Stelle Papinian ein von ihm

früher ertheiltes Responsum, mit dessen Gründen, in kurzem Auszuge mittheilen will.

(e) Ueber diese Probe der Richtigkeit eines aus mehreren auszu­ wählenden Tertes vgl.^B. 1 S. 250. 251.

L. 57 mandati (17. 1).

301

Mandatum distrahendorum servorum, defuncto qui mandatum suscepit, intercidisse constitit. „ Das mußte vor Allem als keinem Zweifel unterworfen anerkannt werden (constitit), daß der Auftrag mit dem Tode des Bevollmächtigten erloschen war, so daß die Erben durch den Verkauf, den sie irrigerweise vornahmen, den Käufern keine Rechte unmittelbar übertragen konnten." Quoniam tarnen heredes ejus errore lapsi, non animo furandi, sed exequendi quod defunctus suae curae fecerat, servos vendiderant, eos ab emtoribus usucaptos videri placuit. „Es kann daher nur noch die Frage seyn, ob etwa die Käufer (die Ein Jahr lang besaßen) durch Usucapion Eigenthum der Sklaven erworben haben. Auch dieses hätte verneint werden müssen, wenn die Erben die Sklaven ver­ kauft hätten, um das Geld für sich zu behalten; das wäre ein Diebstahl gewesen, und die Sklaven hätten als res furtivae nicht usucapirt werden können. Da aber die Erben nicht diese unredliche Absicht hatten, sondern die ehrliche, nur auf RechtSunkunde beruhende Absicht, den Auftrag zu vollziehen, der ihrem Erblasser gegeben war (f), so mußte das Gutachten dahin ertheilt werden (g), daß die Käufer allerdings usucapirt hatten." (f) Dieser ganze Satz enthält also nicht, wie man nach den An­ fangsworten (quoniam tarnen) glauben könnte, den positiven Grund der Usucapion (denn dieser liegt

in der justa causa), sondern die Widerlegung eines nahe liegenden Einwurfs. (g) „placuit,“ absichtlich ge­ wählt, weil zuvor die Beseitigung

302

Setlage XIX

Sed venaliciarium ex provincia reversum (h) Publiciana actione non inutilifer acturum. cum exceptio justi dominii causa cognita detur, (Dieser Hauptthril der Stelle ist schon oben umschreibend erklärt worden.) neque oporteat eum. qui certi hominis fidera elegit, ob errorem aut iinpcritiam heredum affici damno. „Im vorliegenden Fall aber führt die causae cognitio dahin, daß der Kläger wegen seiner Abwesenheit Restitution gegen die Usucapion der Beklagten erhalten muß, wodurch die Erception entkräftet wird, also abgeschlagen werden muß. Der einzige Grund gegen eine solche Restitution hätte etwa darin gesetzt werden können, daß der Kläger durch Nach­ lässigkeit seinen Verlust selbst verschuldet hätte, folglich keine Restitution verdiene (i); dieser Grund aber fällt hier gewiß

henden constitit bei einem Satze,

Mandatar ist todt, und die Käufer werden schon durch ihren PlnraliS von dem singulären venaliciarius

der zu gar keinem Zweifel Anlaß

unterschieden, also bleibt nur noch

gegeben hatte.

der Mandant übrig,

eines Zweifels nöthig gefunden war, rni Gegensatz de- vorherge­

In vielen anderen

wenn

man

um einen Satz zu bezeichnen, der

nicht eme besondere Geschichte hinzu dichten will, so wie es in

erst allmälig Eingang und Aner­

der vorhergehenden Erklärung ver­

kennung gefunden hatte,

sucht worden ist (i) Vgl. L 26 § 1 ex quib

Stellen

Folge

wird placuit gebraucht,

von

z. B

Controversen.

in

Von

und

oben

diesem rechtshistorischen Verhältniß

caus

ist hier nicht die Rede. (h) 5)ufer ^enaliciarius wnt

Noten e m. — Durch diesen Theil

(4.6),

§ 327

der Stelle ist die Restitution wegen

uns hier ganz unerwartet als em

Abwesenheit

alter Bekannter vorgeführt

ES

Weise bezeichnet, wiewohl der Aus­

ist offenbar das Natürlichste,

ihn

druck in integrum restitutio darin

alten Eigenthümer (den

Nicht vorkommt Es wäre aber irrig, anzunebmen daß die causae cognitio

für den

Mandanten) anzuseben

Denn der

auf

unverkennbare

303

L 57 mandati (17 1) weg,

da

derselbe

mächtigten,

weder den nahen

noch die- Rechtsunkunde

Tod seines

Bevoll­

der Erben desselben,

vorhersehen konnte"

Ich bin weit entfernt, legung unsrer Stelle, zuzuschreiben;

mir die Erfindung dieser Aus­

die ich für ganz unzweifelhaft halte,

Wesentliche

das

derselben

ist

schon

von

und dann von mehreren Schrift­

Cujacius aufgestellt,

Dennoch habe ich diese

stellern angenommen worden (k)

neue Darstellung derselben nicht

für überflüssig

gehalten

Zunächst und gerade an diesem Orte, wegen des Zusammenhangs dieser wichtigen und lehrreichen Stelle mit der Lehre von der Restitution;

dann,

weil auch noch von manchen

neueren Schriftstellern die allen Irrthümer nicht völlig auf­

gegeben sind

(Note a);

endlich

aber,

und hauptsächlich,

weil sich auch selbst bei den besten unter den angeführten Schriftstellern,

an die im Ganzen richtige Auffassung der

Stelle doch wieder Irrthümer und Zweifel angesetzt haben, deren Beseitigung

erheblich

überhaupt nur tut stall einer Re­ stitution dahin führen könnedie exceptio dominii einem Beklagten zu versagen; auch schon die doli replicatio konnte in anderen Fallen zu diesem Erfolg führen. Vgl. L. 4 § 32 de doli exc. (44. 4), L. 2 de exc r vend (21 3)

genug

seyn dürfte,

um die

(k) Cujacius obs. X. 6, und: in Papiniani respons Lib 10 (opp. T 4) — ZOANNETTUS Bei Otto thes. IV p 659 — Reinold opusc p. 243. — Cocceji jus controv XVII. 1 am Ende des Titels

304

Beilage XIX.

gegenwärtige Abhandlung zu rechtfertigen.

Diese

falsche

Ansichten stehen insgesammt in Verbindung mit der Lehre von der Publicianischen Klage. zunächst fragen,

Man muß

warum hier der

vorige

Eigenthümer überhaupt die Publicianische Klage anstellt nach der Angabe des Papinian, warum nicht die wahre

Eigenthumöklage, die er ja durch Restitution wieder erlangen

kann? Viele werden daraus antworten,

weil gerade für den

Fall einer solchen Restitution eine besondere Klage aufge­

stellt ist,

genannt publiciana

actio,

verschieden von der

gleichnamigen Klage des b. f. possessor, aber auf ähn­ lichen Gründen der Billigkeit beruhend. — Diese irrige

Meinung ist worden;

es

schon oben

(§. 329) ausführlich

giebt nur Eine publiciana

b. f. possessor,

actio,

widerlegt die des

von welcher der zweite Titel im sechsten

Buch der Digesten handelt, und von dieser muß daher auch

in unsrer Stelle die Rede seyn. Eine befriedigende Antwort würde aus der einfachen

und natürlichen Voraussetzung hervorgehen, Sklavenhändler,

daß wohl der

der hier als Kläger auftreten will,

die

Sklaven in der Provinz, von Peregrinen, gekauft, und zu der Zeit,

in welcher er den Besitz durch den Verkauf der

Erben verlor,

noch nicht ein volles Jahr besessen hatte.

Dann hatte er noch niemals wahres Eigenthum gehabt,

und es konnte ihm auch nicht durch Restitution eine Eigen­ thumsklage wieder verschafft werden.

Dann hatte er über-

305

L. 57 mandati (17. 1). Haupt

als die b. f. possessio,

kein anderes Recht,

andere Klage, als die Publiciana.

keine

Diese Voraussetzung

hat durchaus Nichts gegen sich.

Aber nothwendig ist diese Voraussetzung nicht.

ES ist

möglich, daß der Besitz des .Klägers durch vollendete Usu«

capion bereits in wahres Eigenthum übergegangen war;

ihm

sein

bisheriges Recht aus der b. f.

possessio nicht verloren,

und er hatte nun die Wahl, die

dadurch

war

Publiciana anzustellen oder die Eigenthumöklage, so wie er die eine oder die andere für sicherer hielt.

Gerade diese

Wahl aber wird von manchen Seilen bezweifelt. beruft sich auf die Worte des Edikts,

Man

und sucht aus den­

selben, nach der Erklärung des Ulpian, zu beweisen, daß

von der vollendeten Usucapion mehr zulässig gewesen sey (I).

nicht zu beschränkt auffaffen.

an die Publiciana nicht

Man darf aber diese Worte Der Prätor wollte nur nichts

völlig Ueberflüssigeö thun, nicht über daS wirkliche Bedürf­

niß hinaus gehen.

Wenn also beide Theile über das durch

vollendete Usucapion erworbene wahre Eigenthum einver­ standen waren,

und nur etwa über Erceptionen stritten,

so war allerdings

Kläger,

die Publiciana überflüssig,

der sie dennoch

und der

ohne Grund gebrauchen wollte,

mag dann auf die Eigenthumsklage verwiesen worden seyn;

(1) L 1 pr. $ 1 de publ. „Ait Praetor: Si quis id, quod traditur . . . nondum usucaphrm petet. — Merito Praetor VII.

ait: nondum usucaptum; nam si usucaptum est, habet civilem actionem, nec desiderat honorariam.w 20

Beilagt XIX.

306

das läßt sich aus jenen Worten folgern.

Aber sehr häufig

wird gerade die Frage bestritten seyn, ob die Usucapton in

der That vollendet,

oder irgend einmal durch verlornen

Besitz unterbrochen worden ist.

stritten,

War diese Frage nun be­

oder hielt es auch nur der Kläger für möglich,

daß sie vor dem Juder bestritten werden könnte, so war ja

kein Grund denkbar,

weshalb ihm der Prätor die sichere

Publiciana hätte verweigern, und die weniger sichere Eigen-

thumSklage aufdringen sollen. — Also ist

es in unsrem

Fall auch wohl möglich, daß der Kläger die Sklaven schon längere Zeil besessen hatte,

und es dennoch der Sicherheit

wegen vorzog, vielmehr die Publiciana, als die Eigenthums­ klage anzustellen. Hieran aber knüpft sich noch ein Irrthum des Cujacius,

der weit bedenklicher ist, indem er mehr in das Wesen der

Sache eingreift.

Er glaubt nämlich, der Anspruch auf Re­

stitution wegen Abwesenheit sey nur Fall,

zuzulaffen in dem

wie ihn unsre Stelle wörtlich voraussetze,

wenn

nämlich ein b. f. possessor vor vollendeter Usucapion den Besitz

verliere,

und

anfange und vollende.

der

neue

Besitzer

die

Usucapion

Denn nun sey Alles abzuthun da­

durch, daß der Kläger, dessen publiciana actio an sich nicht

durch des Gegners Usucapion vernichtet wurde,

gegen die

exceptio dominii des Beklagten Restitution suche,

auch wirklich erhalte.

die er

Wenn dagegen der Erste seine Usu­

kapion vor der Abwesenheit schon vollendet habe,

so sey

ihm gegen die spätere Usucapion des Andem durchaus nicht

L. 57 mandati (17. 1). mehr zu helfen.

307

Denn nun sey jenem Ersten sein Recht

selbst durch die spätere Usucapion zerstört worden, also auch

alle Klage überhaupt, legenbeit vorhanden,

folglich sey gar nicht mehr die Ge­ eine Restitution anzubringen.

Dieser

Irrthum würde fast unglaublich seyn, selbst wenn ausdrück­

liche Erklärungen über diese Frage in den Rechtsquellen nicht vorhanden wären.

Denn wenn überhaupt der Prätor

eine Restitution wegen Abwesenheit billig und nöthig sand,

so ist schon voraus zu erwarten, daß er solche Unterschiede

der bloßen Form des Rechts,

wie

sie hier berücksichtigt

nicht unüberwindlich gefunden haben möge.

werden,

In

der That aber ist das Edict über die Abwesenden so deutlich

als möglich (8 325).

ES

stellt an die Spitze den Fall

einer Verminderung des vorhandenen Vermögens (Si cujus

quid de bonis dcmimitum erit),

und dahin gehört doch

gewiß vorzugsweise der Verlust des Eigenthums durch Usu­ capion;

für diesen und andere Fälle sagt es nun:

rerum actionem in integrum restituam.

earum

Es soll also Dem,

der sein Eigenthum verloren hat, dadurch geholfen werden, daß ihm die aus diesem Recht entspringende,

verlorene,

Klage wiederhergestellt wird.

jetzt wirklich Anschließend

an diesen völlig unzweifelhaften Ausspruch des Edicts ist

denn auch schon oben nachgewiesen worden,

daß dem Ab­

wesenden, der durch Usucapion einen Verlust erlitten hat,

in zwei verschiedenen Formen,

geholfen werden kann:

wie er es gut finden mag,

Erstlich,

wenn er die Publiciana

anstellen will, durch Restitution gegen die exceptio dominii

308

Beilage XIX

des Beklagten;

zweitens,

wenn er die Eigenthumsklage

vorzieht, durch Restitution dieser, an sich verlorenen, Klage selbst (§ 329 p).

Beiden Formen liegt zum Grunde ein

und dasselbe Mittel: die Rescijsson des Eigenthums, welches ein Anderer durch Usucapion wirklich erworben hat

Endlich ist noch folgender Zweifel zu erwähnen.

Wenn

der Sklavenhändler gegen die Käufer mit der Publiciana

klagt, so stehen einander gegenüber zweierlei Personen, hie gleichmäßig Anspruch

die aus der

auf

b.

f.

possessio

entspringende Rechte haben, denn diese Rechte haben ja die

Käufer durch die Bvllendung ihrer Usmapion gewiß nicht verloren, und zwar sind dieses Personen, die ihre b. f. pos­

sessio nicht

von

einem und demselben Rechtsvorgänger

Gerade für diesen Fall aber stellt Ulpian die

ableiten.

Regel auf,

daß der Besitzer vorgehen,

abgewiesen

werden solle (m)

Rach

müßten die Beklagten gewinnen,

der Kläger also

dieser Regel

also

nicht der Kläger, wie es

doch in unsrer Stelle Papinian annimmt. —

Allein die

eben erwähnte Regel des Nlpian soll öffenbar nur gelten als eine letzte Aushülfe,

wo übrigens alle Verhältnisse

beider Theile völlig gleich stehen,

so daß der Richter ohne

L. 9 §4 de pxiblic. (6.2).

Fall vorausgesetzt, in welchem der

Scheinbar widerspricht dieser Stelle die L. 31 §. 2 de act emti

Besitz bei keinem von beide» Theilen sich befindet, sondern bei einem

lassen sich

Dritten, gegen welche» jene Beide

(m)

(19. 1).

Allem beide

vereinigen, in dieser

wenn nian annimmt,

letzten Stelle werde ein

gleichzeitig wollen.

als Kläger anftreten

L 57 mandati (17. 1).

309

lene Regel um eine Enscheidung verlegen seyn würde

Davon aber kann gewiß nicht die Rede seyn in unsrem Fall, in welchem der Abwesende einen eigenthümlichen An­ spruch der Billigkeit für sich hat, stark genug, um selbst daS strenge Eigenthum des Gegners zu überwinden; also gewiß um so mehr ausreichend, um die außerdem vorhan­

dene Gleichheit beider Theile durch ein auf die Seite des

Klägers gelegtes (Übergewicht aufzuheben.

Gedruckt in der Deckerschen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerer.

heutigen Römischen Rechts veil

Friedrich Carl von Savlgnv.

Achter Band.

Ülit K. Galrtschen und K. würtcmberglschtn prwllegien.

Berlin. Sei

Veit und Camp.

**/er

hier vorliegende achte Band erhält durch

seinen Inhalt eine eigenthümliche Beschaffenheit, sehr verschieden von allen früheren Bänden.

Zunächst

erscheint darin der sichtbare Einfluß des Römischen Rechts weit geringer,

delten Lehren.

als in den früher abgehan-

Ferner ist die hier dargestellte Lehre,

verglichen mit anderen, als erst im Werden begriffen,

als unfertig,

auszufaffen.

Und zwar ist diese Be­

hauptung nicht etwa zu verstehen als ein subjektives Bekenntniß des Schriftstellers, der seine persönlichen

Kräfte für unzureichend hält zur Bewältigung der Schwierigkeit des Stoffes; sie ist vielmehr geschöpft aus der Betrachtung der eigenthümlichen Natur des

Gegenstandes

selbst,

nunmehr

worüber

genauere

Rechenschaft gegeben werden soll. In dieser Lehre,

Hälfte

derselben

und besonders in der ersten

(Kap. I.),

der Schriftsteller,

Meinungen

bis

gehen

jetzt

die

so wie die Urtheile

der Gerichte, ziemlich wild durch einander; Deutsche,

oft sehr schroff gegenüber. in einem

stehen sich

Engländer und Amerikaner,

Franzosen,

Alle aber vereinigen sich

gemeinsamen lebhaften Interesse an den

hier einschlagenden Fragen, Annäherung,

in dem Bestreben nach so wie

Ausgleichung, Verständigung,

es sich in keiner anderen Rechtslehre findet.

Man

daß diese Lehre bereits ein Gemeingut

kann sagen,

der gebildeten Nationen geworden ist,

nicht durch

einen schon erworbenen Besitz fester, allgemein aner­ kannter Grundsätze,

wohl aber durch die Gemein­

schaft wissenschaftlicher Untersuchung,

solchen

Besitz

hinstrebt.

dieses unfertigen,

Ein

die zu einem

anschauliches

Bild

aber hoffnungsreichen Zustandes

gewährt das treffliche Werk von Story,

das zu­

gleich als reiche Matcrialiensammlung jedem Forscher in hohem Grade förderlich wird. Es

ist

aber nicht blos die Aussicht auf Ent­

wicklung und Ausbau der juristischen Theorie,

die

v

Vorrede.

uns in dieser Lehre so anziehend und anregend er­

scheint, sondern eben so, und noch mehr, die groß­

artige Aussicht auf eine in das Allgemeine gehende praktische Gemeinschaft des Rechtsbewußtsevns

und

des Rechtslebens. Betrachten wir noch insbesondere die Stellung dieser Lehre zu den Bestrebungen und Parteien der

neuesten Zeit. selten

Der nicht

feindliche

Gegensatz

zwischen

Germanisten und Romanisten kommt in dieser Lehre

weniger,

in Betracht.

als anderwärts,

wichtigsten Fragen

die

sind

In

den

deutschen Rechtslehrer

meist zu einer großen Einstimmung gekommen, unge­

stört durch jenen, in anderen Lehren oft zum Nach­ theil der Wissenschaft hervor tretenden, Das

Römische

Recht

erscheint

Gegensatz.

vergleichungsweise

weniger, als anderwärts, einwirkend durch unmittel­ Die genaueste Kenntniß

bare positive Vorschriften.

desselben aber wird hier vorzüglich dadurch wichtig,

daß die Meinungen der Schriftsteller und der Ge­ richte

fassung

großentheils

durch

wahre

Römischer Begriffe

worden sind,

und

oder falsche Auf­ Regeln

bestimmt

oft ohne deutliches Bewußtseyn derer,

die in der That ganz unter diesem Einfluß standen.

B o r r e d e.

VI

ferner

Wenn

ein

abschließendes

Hervorheben

der Nationalität zu den vorherrschenden Richtungen neuester Zeit gehört, so kann fich gerade diese Rich­

tung in einer Lehre nicht geltend machen,

die nationalen

Natur nach darauf ausgehen muß, Gegensätze in

die ihrer

einer anerkannten Gemeinschaft

der

verschiedenen Nationen aufzulösen. So finden wir also hier von der einen Seite

die

großartigsten Aussichten in die Zukunft,

-er

anderen Seite

gende Aufgabe

die Unmöglichkeit,

schon jetzt

schluß zu führen,

zu

die

sich

in

selbst unabhängig von der per­

solcher

dieser Betrachtung

wenn

geistigen Prozeß

befindet,

Stellung

eben so

scheidenheit schöpfen. rechnen,

vorlie­

einem völligen Ab­

sönlichen Fähigkeit des einzelnen Arbeiters. der

von

kann

viel Muth,

Er muß

es

Jeder,

sich

aus

als Be­

zur Ehre

den fortgchenden

es ihm gelingt,

durch Zurncksührung

dieser Lehre

auf eigentliche Grundsätze weiter fördern zu helfen,

selbst wenn sein Versuch, uur noch

als einzelner,

bei fernerer Entwicklung, vorbereitender Schritt im

Andenken bleiben sollte.

Einen

besonderen

Mangel

in

den

bisherigen

Arbeiten glaubte der Verfasser dieses Werks darin

Vorrede.

zu

finden,

die

in

scheinen,

daß

VII

stets

man

die

beiden

dem

vorliegenden

Werke

die

örtlichen und

die zeitlichen

verbunden

er-

Gränzen

einzeln und abge­

der Herrschaft der Rechtsregeln,

Er glaubte diesem Mangel

sondert behandelt hat.

daß er beide Stücke

dadurch abhelfen zu müssen,

in Verbindung

Stücke,

brachte,

nicht blos

indem er sie

äußerlich neben einander stellte, welches allein nicht ausreicht,

schon

auch

häufig in der kurzen Dar­

stellung der Lehrbücher ohne merklichen Erfolg ver­

sucht

worden

sondern

ist,

Zusammenhang

der

für

indem er

beide

den inneren

Stücke

geltenden

Grundsätze zu erforschen und darzustellen suchte.

Mit dem gegenwärtigen Bande ist der allge­ meine Theil des Systems,

dessen Bedeutung gleich

Anfangs dargelegt wurde (I. §58), führt.

zu Ende ge­

Die dem ersten Band vorangesetzte Ueber-

ficht des ganzen Werks ließ erwarten, daß unmittel­

bar

aus die

drei

ersten

Bücher,

allgemeinen Theil in sich schließen, ausenden

Reihe

von Bänden

welche

diesen

in einer fort-

der besondere Theil

folgen

welchem vorläufig

würde,

Ueber-

folgende

schristen gegeben waren:

Viertes Buch.

Sachenrecht.

Fünftes Buch.

Obligationenrecht.

Sechstes Buch.

Familienrecht.

Siebentes Buch.

Eine

durch

zufällige

Erbrecht. Umstände

herbeigesührte,

längere Unterbrechung hat indessen die Vollendung

des Ganzen noch unwahrscheinlicher, gemacht, als sie vielleicht gleich Anfangs angenommen werden konnte,

und durch diese Betrachtung Veränderung

in

bin ich zu folgender

äußerlichen

der

Einrichtung

des

Werks geführt worden, die also durchaus nicht aus der Annahme einer veränderten Ueberzeugung über

die Zweckmäßigkeit des wesentlichen Planes desselben erklärt werden darf. Ich

betrachte

nunmehr

die

jetzt

vorliegenden

acht Bände als ein für sich bestehendes abgeschlossenes Werk, so daß der Titel jedes Bandes in Gedanken

zu

ergänzen

ist

durch

die

hinzugefügten Worte:

Allgemeiner Theil. Der besondere Theil des Systems soll nunmehr

nicht als Fortsetzung des allgemeinen, laufende Bändezahl,

bezeichnet,

durch fort­

sondern

vielmehr

ix

Vorrede. in abgesonderten Werken dargestellt werden,

unter

welchen zunächst das Obligationenrecht (nicht nach der früheren Absicht das Sachenrecht) an die Reihe kommen

soll.

Diese

abgesonderten

Werke werden

also äußerlich als Monographieen erscheinen, in der

That

aber

solchen an

vielmehr

nicht

sich

den tragen

wesentlichen Charakter

(I. S. xxxix),

gerade so beschaffen seyn,

von

sondern

wie wenn die

gegenwärtig angekündigte Veränderung des ursprüng­ lichen Planes nicht eingetreten wäre.

Geschrieben im Julius 1849.

Inhalt des achten Bandes.

Drittes Buch»

Herrschaft

der

die

Rechtsregeln über

Rechtsverhältnisse.

Seite. §. 344*

Einleitung..........................................................................

Erstes Kapitel.

1

Oertliche Gränzen der Herrschaft der Rechts­

regeln über die Rechtsverhältnisse.

$. 345.

Uebersicht

§. 346.

Abstammung und Landgebiet, als Gründe der An­

8

der Person ..........................................

14

§.

347. Widerstreitende Territorialrechtein demselben Staate

19

§.

348. WiderstreitendeTerritorialrechte

gehörigkeit

§.

in

verschiedenen

Staaten.................. .....................................................

23

349. Fortsetzung...........................................................................

32

350.

Die Römische Lehre von

origo und

domicilium.

Einleitung...................................................................

39

Inhalt des achten Bandes.

XII

Seite.

§. 351.

Die Römische Lehre von origo und

domicilium.

1. Origo...................................................................

44

§. 352.

Fortsetzung ............................................................... .........

50

§. 353.

Die Römische Lehre von origo und domicilium.

Domicilium.......................................................

57

§. 354.

Fortsetzung ........................................................................

63

§. 355.

Die Römische Lehre von origo und domicilium.

IL

Wirkung dieser Verhältnisse.....................................

67

§. 356.

Fortsetzung .........................................................................

76

§. 357.

Fortsetzung ........................................................................

86

§. 358.

Origo und domicilium im heutigen Recht..............

89

8 359.

Fortsetzung ........................................................................

95

8- 360.

Uebergang zu den einzelnen Rechtsverhältnissen ........ 107

8 361.

Fortsetzung ........................................................................ 118

8- 362.

I. Zustand der Person an sich.

(Rechtsfähigkeit und

Handlungsfähigkeit)................................................. 134 8» 363.

Fortsetzung ......................................................................... 141

8 364.

Fortsetzung ........................................................................ 147

8- 365.

Fortsetzung ........................................................................ 159

8» 366.

II.

Sachenrecht.

Gemeinsame Regeln....................... 169

8- 367.

II.

Sachenrecht.

Eigenthum........................................

8. 368.

II.

Sachenrecht.

Jura in re...................................... 189

8- 369.

III. Obligationenrecht.

Einleitung.............................. 200

8 370.

III. Obligationenrecht.

Gerichtsstand der Obligation. 205

8- 371.

Fortsetzung.......................................................................... 233

8 372.

III.

Obligationenrecht.

181

Oertliches Recht................. 246

XIII

Inhalt des achten Bandes.

Seite. §. §.

373. Fortsetzung.................................................................. 256

374. III. Obligationenrecht.

OertlicheS Recht.Einzelne

Rechtsfragen...................................................... 263 Erbrecht............................................................. 295

§.

375. IV.

§.

376. Fortsetzung ......................................................................... 298

§.

377. IV. Erbrecht.

Einzelne Rechtsfragen.................. 311

§.

378. IV. Erbrecht.

Preußisches Recht........................ 316

§.

379. V. Familienrecht.

A. Ehe.................................... 324

§.

380. V. Familienrecht.

B. Väterliche Gewalt.

C. Vor­

mundschaft........................................................... 338

§.

381. VI. Formen der Rechtsgeschäfte (Locusregit actum) 348

§.

382. Fortsetzung .....................................

Zweites Kapitel.

359

Zeitliche Gränzen der Herrschaft der Rechts­

regeln über die Rechtsverhältnisse. §. 383.

Einleitung.......................................................................... 368

§. 384.

Zweierlei Rechtsregeln...................................................... 373

§. 385.

A. Erwerb der Rechte. — Grundsatz.......................... 381

§. 386.

Fortsetzung ........................................................................ 392

§. 387.

Fortsetzung ........................................................................ 399

§. 388.

A. Erwerb der Rechte. — Anwendungen des Grundsatzes 406

§. 389.

A. Erwerb der Rechte. — Anwendungen. I. Zustand

der Person an sich................................................... 414 §. 390.

A. Erwerb der Rechte.—Anwendungen. II. Sachenrecht 420

§. 391.

Fortsetzung ........................................................................ 426

§. 392.

A. Erwerb der Rechte. — Anwendungen. III. Obli­ gationenrecht...

435

xiv

Inhalt de- achten Bandes. Seite.

§. 393. A. Erwerb der Rechte. — Anwendungen. IV. Erbrecht 447

$. 394. Fortsetzung...................................................... 468 s. 395. Fortsetzung...................................................... 482 $. 396. A. Erwerb der Rechte.—Anwendungen. V. Familienrecht 493

$. 397. A. Erwerb der Rechte. — Ausnahmen.......... 506 §. 398. B. Daseyn der Rechte. — Grundsatz............... 514 $. 399. B. Daseyn der Rechte. — Anwendungen.Ausnahmen. $. 400. B. Daseyn der Rechte. — Rechtmäßigkeit....... 532

522

Drittes Buch. Herrschaft der Rechtsregeln über tue Rechtsver­ hältnisse.

§ 344. Einleitung. Das erste Buch des gegenwärtigen RcchtssystemS hatte

die Ausgabe, die Rechtsquellen, d b. die EntstehungSgründe der RechrSregeln, darzustellen;

das zweite, die allgemeine

Natur der Rechtsverhältnisse, die durch jene Regeln beherrscht werden sollten.

Es bleibt jetzt, für den allgemeinen Theil

des Systems, noch übrig, die Verbindung der Nechtsregeln mit den Rechtsverhältnissen festzustellen;

diese Verbindung

erscheint, von der einen Seite betrachtet, als Herrschaft der

Regeln über die Verhältnisse,

von der andern Seite als

Unterwerfung der Verhältnisse unter die Regeln.

Damit aber dieser letzte, eben so wichtige als schwie­

rige Theil der Aufgabe gleich Anfangs richtig werde, ist es nöthig,

VIH.

genau zu bestimmen,

1

aufgefaßt

in welchem

Buch III.

2

Herrschaft der Rechtsregeln.

Sinne hier jene Verbindung (Herrschaft, Unterwerfung)

zu denken ist (a).

Die Rechtsregeln sollen herrschen über die Rechtsver­ hältnisse;

welches ist aber das Gebiet ihrer Herrschaft?

Ueber welche Rechtsverhältnisse sollen sie herrschen? Diese

Frage erhält ihren bestimmten Sinn zunächst durch die

Natur des positiven Rechts, welches nicht etwa eines und

dasselbe ist für die Menschheit im Ganzen, sondern ein, je

nach Völkern und Staaten,

besonderes und verschiedenes;

in jedem einzelnen Volke aber theils aus allgemein mensch­

lichen, theils aus eigenthümlichen rechtsbildenden Kräften

entspringend.

Diese Mannichfaltigkeit der positiven Rechte

ist es, woraus das Bedürfniß und die Wichtigkeit hervor­ geht, für jedes positive Recht das Gebiet seiner Herrschaft

zu bestimmen, das heißt, die Gränzen zu ziehen zwischen den

verschiedenen positiven Rechten gegen einander.

Rur durch

diese Gränzbestimmung wird es möglich, über jede denkbare

Collision zu entscheiden, die in der Beurtheilung eines ge­ gebenen Rechtsverhältnisses zwischen verschiedenen positiven

Rechten eintreten kann.

Um zu den hier aufgeworfenen Fragen und ihrer Be­ antwortung zu gelangen,

kann man nun auch den umge­

kehrten Weg einschlagen.

Es liegt uns ein Rechtsverhält­

niß vor, als Gegenstand unsrer Beurtheilung.

Wir suchen

dafür eine Rechtsregel auf, unter deren Herrschaft dasselbe (a)

Die Grundlage der gegenwärtigen Untersuchung,

insbesondere

der hier aufgestellten Begriffe, findet fich oben B. 1 § 4—9 § 15.

§. 344.

3

Einleitung.

steht, nach welcher eS zu beurtheilen ist.

Indem wir hier

unter mehreren Rechtsregeln zu wählen haben, welche ver­ schiedenen positiven Rechten angehören, kommen wir wie­

derum auf die schon erwähnten Gränzen der Herrschaft eines jeden positiven Rechts, und auf die von diesen GränM abhängigen Collisionen.

Beide Arten, die Frage auf-

zufaffm, sind nur im Ausgangspunkte verschieden.

Die

Frage selbst ist hier und dort dieselbe, und die Entscheidung

kann in beiden Fällen nicht verschieden aussallen. Die meisten Schriftsteller über diesen Gegenstand gehen

aus von dem Begriff der Collisionen, und behandeln die Entscheidung derselben als ihre wahre und einzige Aufgabe;

befriedigenden Erfolgs.

Die

natürliche Folge der Gedanken ist vielmehr folgende.

Für

gewiß zum Nachtheil eines

die Rechtsregeln wird gefragt: Ueber welche Rechtsverhält­

nisse sollen sie herrschen? Für die Rechtsverhältnisse: Welchen

Rechtsregeln sind sie unterworfen, oder angehörig?

Die

Frage nach den Gränzen der Herrschaft oder der Ange­

hörigkeit, und nach den an diesen Gränzen eintretenden Gränzstreitigkeiten oder Collisionen,

sind ihrer Natur

nach abgeleitete und untergeordnete Fragen (b). Zu der bisher angedeuteten Frage nach den Gränzen,

in welchen die Regeln jedes positiven Rechts herrschen, (b)

Wachter II. S. 34 macht

nach der Kollision,

dahin geführt

werden, auf beide an sich identische

die gute Bemerkung, daß manche Schriftsteller, indem sie die Frage

Fragen widersprechende Antworten

nach der Anwendung der Gesetze

zu geben.

ganz

absondern

von

der

Frage

4

Buch lil.

Herrschaft der Rechlsregcln.

tritt aber nun noch eine neue, von der bisher betrachteten

verschiedene, obgleich damit verwandte, hinzu.

Wir betrach­

teten bisher die Rechtsregeln als feststehende, ohne Rücksicht

auf mögliche Veränderungen derselben in der Zeit.

gehört eö aber zu dem Wesen des positiven Rechts, dasselbe nicht als ein ruhendes,

Run daß

sondern als ein in steter

Fortbildung und Entwickelung begriffenes, aufgefaßt werde (c),

und damit wird ibm die Eigenschaft der Wandelbarkeit in

der Zeit zugeschrieben.

Ferner hat jedes unserer Beurthei­

lung vorliegende Rechtsverhältniß nothwendig seinen Ent­

stehungsgrund in juristischen Thatsachen (d),

die stets in

einer, bald näher bald entfernter liegenden, Vergangenheit gedacht werden müssen.

Da aber in der Zwischenzeit, von

der Entstehung des Rechtsverhältnisses bis zur Gegenwart,

Veränderungen im positiven Recht eingetreten sein können,

so ist noch zu bestimmen, aus welchem Zeitpunkt wir die das Rechtsverbältniß

beherrschende

Regel

zu

entnehmen

haben. Aus dieser Betrachtung entsteht mithin eine neue Art von Gränzen für die Herrschaft der RechtSregeln, und da­

mit eine neue Art möglicher Collisionen, nicht minder wich­ tig und schwierig, als die vorher betrachteten Gränzen und

Collisionen.

In der früheren Betrachtung

wurden die

RechtSregeln gedacht als gleichzeitige, ruhende, feststehende;

in dieser späteren werden sic gedacht als

ungleichzeitige,

$. 344.

5

©inteitmuj

durch Fortbildung verschiedene, successive.

Zum Zweck einer

kurzen und gleichförmigen Beziehung will ich folgende Aus­

drücke gebrauchen: Örtliche Gränzen der Herrschaft der Rechtsregeln. Zeitliche Gränzen der Herrschaft. Der zweite dieser Kunstausdrücke ist für sich klar.

Die

Rechtfertigung des ersten ist nur im Laufe der folgenden Untersuchung möglich.

Das

gegenwärtige

Römische Recht.

Werk

hat

zum

In welchem Verhältniß

Gegenstand

nun steht das

Römische Recht zu den hier aufgeworsenen Fragen? müssen dafür ein zwiefaches,

das

Wir

an sich verschiedenes, Ver­

hältniß anerkennen

Zunächst müssen wir für die Anwendung des Römischen

Rechts auf bestimmte Staaten und Völker, im Verhältniß zu anderen positiven Rechten,

auf jene Fragen eingehen,

wenn wir ihm irgend eine praktische Geltung sichern wollen. Dieses Bedürfniß würde unabweiölich sein, selbst wenn die

Römischen Juristen an jene Fragen nie gedacht, sich damit niemals beschäftigt hätten.



Zweitens aber haben die

Römer in der That diese Fragen behandelt, und wir müs­

sen daher ihre Aussprüche über dieselben aufsuchen feststellcn.

und

Obgleich nun diese Aussprüche zum Theil ein­

seitig und mangelhaft sind, auch nicht überall auf unmit­

telbare Anwendung Anspruch haben können, selbst da, wo wir die Geltung des Römischen Rechts im Allgemeinen anzunehmen berechtigt sind, so ist dennoch die Feststellung

6

Buch III.

Herrschaft der Rechtsregeln,

derselben von großer Wichtigkeit.

Sie ist es schon deshalb,

weil die Lehre der neueren Schriftsteller, und die damit zu­ sammenhängende Praxis, großentheils auf den Aussprüchen der Römer, ost aber nach einer unrichtigen Auffassung der­

selben beruht, so daß sowohl daS rechte Verständniß der neueren Lehre und PrariS,

als die Reinigung derselben,

nur durch eine gründliche Untersuchung über die im Römi­ schen Recht niedergelegten Ansichten herbeigeführt werden

kann.

Die nunmehr folgende, hier eingeleitete, Untersuchung wird in zwei Kapiteln:

I. die örtlichen Gränzen, II. die

zeitlichen Gränzen der Herrschaft der Rechtsregeln über die Rechtsverhältnisse sestzustellen haben.

Bei diesen zweifachen Gränzen ist aber noch voraus zu bemerken, daß unter denselben eine gewisse Wechselwirkung

eintreten kann.

Wenn

überhaupt

zwei Rechtsregeln mit

einander in zeitliche Kollision kommen, so daß eine Gränz-

bestimmung nöthig ist, um die Herrschaft der einen oder der andern Regel zu entscheiden,

so wird dabei stets eine

ringetretene Veränderung vorausgesetzt.

Eine solche Verän­

derung nun kann auf zwei verschiedenen Seiten liegen.

Sie kann erstens liegen aus der Seite der Rechtsregel.

Der einfachste Fall ist der, wenn der Gesetzgeber durch Er­ laß eines neuen Gesetzes über das vorliegende RechtSverhältniß, die bisher bestehende Regel ändert, also neues ob­

jectives Recht schafft.

344.

§

7

Einleitung.

Die Veränderung kann aber auch zweitens liegen auf der Seite des Rechtsverhältnisses, indem, bei unveränderter Rechtsregel, die thatsächlichen Bedingungen des Rechtsver­

hältnisses wechseln.

Alö Beispiel zur Erläuterung kann

die Handlungsfähigkeit dienen, die nach dem Recht beur­

theilt wird, welches am Wohnsitz der Person gilt.

Wenn

nun diese Person den Wohnsitz ändert, so kann dadurch das Rechtsverhältniß unter eine neue Rechtsregel sortrücken, und es kann die Frage entstehen, ob die Handlungsfähigkeit von jetzt an nach dem Gesetz des früheren, oder des späteren

Wohnsitzes zu beurtheilen ist.

Es ist einleuchtend, daß die Veränderungen dieser zwei­ ten Art zugleich in das Gebiet der örtlichen und der zeit­

lichen Collision einschlagen.

Element vorherrschend,

Jedoch ist dabei daS örtliche

und es ist daher zweckmäßig ünd

räthlich, alle dahin einschlagende Fragen

in Verbindung

mit den örtlichen Gränzen der Herrschaft abzuhandeln, also

in das erste Kapitel mit aufzunehmen (e). Sonach bleiben für die Untersuchung über die zeitlichen

Gränzen der Herrschaft (das zweite Kapitel) nur noch die

(e) Die Erörterung dieser Fragen tcmnit vor in den §§ 365 (Ende des §), § 366—368, § 370. n. 8 372. N. III, § 379. N. 3. — In andern Lehren kommt diese Frage deswegen nicht vor, weil dabei der Einfluß des an sich veränderlichen

thatsächlichen Verhältnisses auf einen bestimmten Zeitpunkt stritt ist, wodurch die Möglichkeit jedes Zweifels ausgeschlossen wird. So bei dem Erbrecht (§ 374.377), und bei der Regel: locus regit actum

(§ 381).

8

Buch 111. Herrschaft der Recht-regeln. Kap 1

Örtliche Gränzen.

Veränderungen der ersten Art übrig, welche auf der Seite der Rechtsregel liegen.

Erstes Lapitel.

Oertlichc Gränzen der Herrschaft der Rechtsregeln

über die Rechtsverhältnisse.

8 345. Uebersicht

Schriftsteller (a). Bartoi.is in Codicem. L. 1

de summa trin. (1. 1)

Num. 13—51.

B. Argextraei Comment cd. oct.

Antverp.

ad patrids Britonum Leges

1661 f



Der art.

218 der

Coutume de Bretagne bestimmt, raß Jeder nur ein

Drittheil des unbeweglichen Vermögens seinen gesetz­ lichen Erben soll entziehen dürfen. Frage,

ob

auch

Dabei entstand die

auswärtige Grundstücke in dieses

Drittheil einzurcchnen seien,

und so kam d’Argcntre

in der sechsten Glosse zu dem angeführten Artikel auf die ganze Lehre von der Collision der Gesetze, die er

hier S 601—620 abhandelt.

Der Verf starb 1590,

(a) Der Abkürzung wegen werd« ich die hierzusamiucngcsttlstcn Schriftsteller künftig blos nut ihren Namen anfnhre»

8

Buch 111. Herrschaft der Recht-regeln. Kap 1

Örtliche Gränzen.

Veränderungen der ersten Art übrig, welche auf der Seite der Rechtsregel liegen.

Erstes Lapitel.

Oertlichc Gränzen der Herrschaft der Rechtsregeln

über die Rechtsverhältnisse.

8 345. Uebersicht

Schriftsteller (a). Bartoi.is in Codicem. L. 1

de summa trin. (1. 1)

Num. 13—51.

B. Argextraei Comment cd. oct.

Antverp.

ad patrids Britonum Leges

1661 f



Der art.

218 der

Coutume de Bretagne bestimmt, raß Jeder nur ein

Drittheil des unbeweglichen Vermögens seinen gesetz­ lichen Erben soll entziehen dürfen. Frage,

ob

auch

Dabei entstand die

auswärtige Grundstücke in dieses

Drittheil einzurcchnen seien,

und so kam d’Argcntre

in der sechsten Glosse zu dem angeführten Artikel auf die ganze Lehre von der Collision der Gesetze, die er

hier S 601—620 abhandelt.

Der Verf starb 1590,

(a) Der Abkürzung wegen werd« ich die hierzusamiucngcsttlstcn Schriftsteller künftig blos nut ihren Namen anfnhre»

$. 345.

9

Uebersicht.

und das angeführte Werk ist erst nach seinem Tode (1608) erschienen.

Chr. Rodenburg

de jure conjugum Traj. 1653 4.

Die praeliminaria S. 13—178 enthalten eine aus­ führliche Abhandlung über die Colliston der Gesetze.

P. VoETius de statutis eorumque concursu. Leodii. 1700 4 (Zuerst Amst. 1661)

Von der Colliston der Sta­

tute handeln nur die Sect. 4. 9. 10. 11.

1688. Comin. et

J. N. Hertius de colhsione legum opuscul. Vrol. 1 p. 118 —154.

Hierher gehört nur

Sect 4 (§ 1—74).

l'i.R. IIuber de conflictu legum. in den praelect. ad Pand. als Anhang zu Lil>. 1 Tix. 3 de legibus

(§ 1 -15) J. Voetivs de statuti».

Sieht in dem Commentar über

die Pandekten hinter Lib 1 Tit. 4 de constitut. princ. als Pars 2 de Statut!» (§ 1—22).

L. Boui i exois traite de la personnalite et de la realite

des loix etc.

Paris 1766. 2 Vol. in 4.

Französische

Uebersetzung des angefiihrten Werks von Rodenburg mit sehr weitschweifigen Zusätzen. D. Meier de conflictu legum divers.

Breiuae 1810. 8.

G. v. Struve üb. das pofitive Rechtsgesetz in seiner Be­

ziehung aus räumliche Verhältnisse. Carlsruhe 1834 8.

Jos. Story Comment, on the conflict ok laws.

Boston

1834, zweite sehr vermehrte Originalausgabe Boston

1841

8.

10

Buch 111. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.

W. Bürge Commentaries on colonial and foreign laws generally and in their conflict with each other and

with the law of England.

London 1838.

4 Voll.

W Schäffner Entwickelung des internationalen Pri-

vatrechtS

Franks. 1841.

8.

v. Wächter über die Eollision der Privatrechtsgesetze,

Archiv f. civil. PrariS

B. 24 S. 230—311, B. 25

S 1—60, S. 161—200, S. 361—419, im Ganzen

32 §8, 1841. 1842.

Ich werde, um kürzer anführen

zu können, den im 24 B. enthaltenen Abschnitt mit I.,

die im 25. B enthaltenen mit II. bezeichnen.

Nie. Rocco dell’ uso e autoritä delle leggi delle due Sic-ilie consideratc nelle relazioni con le persone e col territorio degli Stranieri.

Napoli 1842.

8.

Foeux du droit international prive, deuxieme edition, Paris 1847.

8.

(Erste Ausgabe 1843.)

Jedes Recht erscheint zunächst als eine der Person zu­

stehende Macht (b), mithin als Eigenschaft dieser Person, und von diesem ersten und nächsten Standpunkt auö haben

wir auch die Rechtsverhältnisse als Attribute einer Person

zu betrachten.

Hiernach würde die Frage, womit wir unö

beschäftigen, so zu fassen sein: Auf welche Personen er­ streckt jede gegebene Rechtsregel das Gebiet ihrer Herrschaft?

§. 345.

11

Uebersicht.

Oder in umgekehrter Auffassung (§ 344): Welches find die Rechtsregeln,

denen

eine

gegebene

Person unterworfen

oder angehörig ist? Folgende Betrachtung aber muß unS sogleich überzeu­

gen, daß mit dieser Stellung der Frage nicht auszureichen

In dem Gebiet der erworbenen Rechte (c) erweitert

ist.

sich die Person nach den von ihr selbst verschiedenen Ge­ genständen dieser erworbenen Rechte hin, und schon auö

dieser Erweiterung an sich entsteht wenigstens die Möglich­

keit des Eintritts der Person in daS Gebiet einer ihr ur­ sprünglich fremden Rechtsregel.

Diese bloße

Möglichkeit

aber gewinnt noch eine ganz andere Gestalt, wenn wir die besondere Beschaffenheit jener Gegenstände der erworbenen

Rechte in'S Auge fassen

Unter diesen Gegenständen finden

wir vor allen auch fremde Personen,

deren jede auch

wieder einem eigenthümlichen Gebiet beherrschender Rechts­

regeln angehört, und da es nun ganz zufällig ist, ob zwei, mit einander in einem Rechtsverhältniß stehende Personen

demselben RechtSgebiet angehören oder verschiedenen RechtSgebieten, so ergiebt sich daraus eine neue, und zwar sehr

ausgedehnte, Quelle von Collisionen zwischen den die Rechts­ verhältnisse beherrschenden RcchtSregeln.

Folgende Uebersicht über die Gegenstände der RechtSregeln wird eS anschaulich machen,

faltigen

(c)

Weise

B. 1 § 53.

die

Collisionen

in welcher mannich-

unter

den

Rechtöregeln

12 Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I Örtliche Gränzen

verschiedener

Gebiete

des

eintreten

Rechts

positiven

(d).

können

Die Nechlsregeln können zum Gegenstand haben:

I. Die Personen an sich selbst, die Rechtssähigkeit und die Handiungssähigkeit derselben, oder die Be­

dingungen, unter welchen sie Rechte haben Rechte erwerben

Rechtsregeln

ist

es,

Diese

können.

von

deren

Klasse

und

von

Betrachtung im

Anfang des gegenwärtigen Paragraphen ausgegan­ gen wurde. II. Die Rechtsverhältnisse

1. Rechte an bestimmten Sachen

2

Obligationen.

3. Rechte an einem ganzen Vermögen,

als einem

idealen Gegenstände von unbestimmtem Umfang

(Erbrecht)

4 Familienrecht. Aus dieser Uebersicht ist cs

klar,

daß allerdings der

nächste und unmittelbare Gegenstand, worüber die Rechtö­

regel herrscht, die Person ist.

Und zwar zunächst die Per­

son in ihrem allgemeinen Dasein, als Träger aller Rechte; dann aber auch die Person,

insofern sic durch ihre freie

Handlungen in den meisten

und

wichtigsten Fällen die

Rechtsverhältnisse erzeugt oder erzeugen hilft. Allein die Person breitet sich aus zu künstlichen Erwei(d) dienen.

Diese Uebersicht fcti

hier nur

zu einem

vorläufigen Anhalt

Sie wird unten (§ 361) genauer ausgcführt werden

§. 345. Uebersicht.

13

tcrungen ihres Daseins. — Sie will herrschen über Sachen,

und begiebt sich dadurch in den bestimmten Raum, den

diese Sachen einnehmen, also in ein ihr selbst möglicher­ weise fremdes Rechtsgebiet.

Am unverkennbarsten geschieht

Dieses bei unbeweglichen Sachen, bei welchen der Raum,

den sie erfüllen, nicht zufällig und veränderlich ist;

eS ist

aber, dem Wesen nach, nicht minder wahr auch bei beweg­

lichen Sachen

— Sie will durch Obligationen herrschen

über sremde Handlungen,

oder ihre eigene

Handlungen

einem fremden Willen unterwerfen. — Sie geht in beson­ dere Lebensformen ein durch die Familie,

und tritt auch

dadurch, bald freiwillig, bald unfreiwillig, auf inanchcrlei

Weise aus ihrem ursprünglichen, rein persönlichen, Rechts­ gebiet heraus.

Es ergiebt sich aus dieser Betrachtung, daß für jeden

gegebenen Fall die anzuwendende Rechtöregel bestimmt und

begränzt wird zunächst und hauptsächlich durch die Unter# wersung der berechtigten Person unter ein bestimmtes Rechts­

gebiet; daß aber daneben die mannichfaltigsten und wich­ tigsten Modificationen eintreten können durch das Verhält­

niß, in welchem theils bestimmte Sachen, theils bestimmte Handlungen oder Lebensverhältnisse zu anderen Rechtsge­

bieten stehen (c). Die nächste Aufgabe wird daher auf die Gründe ge-

(e) Hieran knüpft sich die in früherer Zeit sehr verbreitete Unter­ scheidung der Statuta personalia, realia, mixta, von welcher jbald noch weiter die Rede sein wird (§ 361).

I. Örtliche Gränzen,

14 Buch III Herrschaft der Recht-regeln.

richtet sein müssen, aus welchen die allgemeine Angehörig­ keit einer Person an ein bestimmtes Rechtsgebiet

«bzu-

leiten ist.

§ 346. Abstammung und Landgebiet, als Gründe der Angehö-

rrgkelt der Person an ein bestimmtes Rechtsgebiei. Um den Zusammenhang zu erkennen, wodurch eine Per­

son mit einem bestimmten positiven Recht durch die Ange­ hörigkeit an dasselbe verknüpft wird, müssen wir uns daran erinnern, daß das positive Recht selbst seinen Sitz in dem

Volk als einem großen Naturganzen,

oder in einer volkS-

mäßigen Abtheilung dieses Ganzen hat.

Es ist aber nur

ein anderer Ausdruck derselben Wahrheit, wenn wir sagen, daS Recht habe seinen Sitz in dem Staat, oder in einem

einzelnen organischen Theile deS Staates, da eben nur in dem Staat das Volk wahre Realität hat, indem nur hier der Wille der Einzelnen in einem Gesammtwillen wahr­

haft aufgeht (a).

In Folge dieser allgemeinen Angabe ha­

ben wir daher näher zu bestimmen,

wodurch dasjenige

Ganze gebildet, diejenige Einheit begränzt wird, worin die

Rechtsregeln, als Bestandtheile deS positiven Rechts, ihren Sih haben.

Dadurch werden wir erkennen, durch welches

Band die einzelnen Personen zur Gemeinschaft eines und

desselben

(a)

positiven

Rechts

Vgl. c'?en B 1 § 8. 9

zusammen

gehalten

werden

I. Örtliche Gränzen,

14 Buch III Herrschaft der Recht-regeln.

richtet sein müssen, aus welchen die allgemeine Angehörig­ keit einer Person an ein bestimmtes Rechtsgebiet

«bzu-

leiten ist.

§ 346. Abstammung und Landgebiet, als Gründe der Angehö-

rrgkelt der Person an ein bestimmtes Rechtsgebiei. Um den Zusammenhang zu erkennen, wodurch eine Per­

son mit einem bestimmten positiven Recht durch die Ange­ hörigkeit an dasselbe verknüpft wird, müssen wir uns daran erinnern, daß das positive Recht selbst seinen Sitz in dem

Volk als einem großen Naturganzen,

oder in einer volkS-

mäßigen Abtheilung dieses Ganzen hat.

Es ist aber nur

ein anderer Ausdruck derselben Wahrheit, wenn wir sagen, daS Recht habe seinen Sitz in dem Staat, oder in einem

einzelnen organischen Theile deS Staates, da eben nur in dem Staat das Volk wahre Realität hat, indem nur hier der Wille der Einzelnen in einem Gesammtwillen wahr­

haft aufgeht (a).

In Folge dieser allgemeinen Angabe ha­

ben wir daher näher zu bestimmen,

wodurch dasjenige

Ganze gebildet, diejenige Einheit begränzt wird, worin die

Rechtsregeln, als Bestandtheile deS positiven Rechts, ihren Sih haben.

Dadurch werden wir erkennen, durch welches

Band die einzelnen Personen zur Gemeinschaft eines und

desselben

(a)

positiven

Rechts

Vgl. c'?en B 1 § 8. 9

zusammen

gehalten

werden

$ 346.

Abstammung und Landgebiet.

15

Suchen wir nun auf geschichtlichem Wege zur Lösung

dieser Aufgabe zu gelangen, so finden wir zwei Gründe,

wodurch von jeher Im Großen und Ganzen eine solche Ge­ meinschaft deS positiven Rechts unter den Einzelnen vor­

zugsweise bestimmt und begränzt worden ist: und daS Landgebiet.

abstammung,

I.

die VolkS-

Die Volksabstammung (Nationalität) als Grund

und Gränze der RechtSgeineinschaft hat zunächst einen ganz persönlichen

und

ihrem Begriffe

schlicßen scheint,

unsichtbaren

nach,

den

Charakter.

Obgleich

Einstuß der Willkür

sie,

auszu-

ist sie dennoch einer Erweiterung durch

die freie Ausnahme Einzelner empfänglich In großer Ausdehnung erscheint die Nationalität als

Grund und Gränze der Rechtsgemeinschaft bei wandernden

Völkern, für welche ein festes Landgebiet überhaupt nicht vorhanden ist, wie bei den Germanen zur Zeit der Völker­

wanderung.

Bei diesen hat sich aber auch nach ihrer festen

Niederlassung auf dem alten Boden deS Römischen Reichs derselbe

Grundsatz noch lange lebendig erhalten in dem

System der persönlichen Gesetze,

die hier

in demselben

Staate neben einander zur Anwendung kamen, und in deren Reihe jetzt,

neben den Rechten der Franken, Lombarden

u s. w, auch das Römische Recht,

als das fortdauernde

persönliche Recht der ursprünglichen Einwohner dieser durch

Eroberung neu gegründeten Staaten erscheint (b). (b) SaVlgn » Geschichte des R R § 30-33

IM Mittelalter B. t Kap. 3

16 Buch Ul

Herrschaft dec RechtSrcgcln. Kap.!

Örtliche Gränzen.

In den neueren Jahrhunderten finden wir

noch

jetzt

im Türkischen Reich das vollständigste Bild dieser Art der RechtSgemeinschaft.

In den christlichen Staaten von Eu­

ropa aber hat sich ein Ueberrest davon am längsten bei der

Jüdischen Nation erbalten, nationalen Rechts,

in welcher die Fortdauer des

so wie die der abgesonderten Natio­

nalität selbst, mit der Religion in Verbindung stand.

Aber

auch dieser Ueberrest verschwindet immer mehr(c).

Verwandt, aber nicht gleichbedeutend mit dem eben dar­

gestellten Grunde der Nechtsgcmeinschaft ist derjenige, wel­ cher auf dem eigentbümlichen Bürgerverhältniß besonderer Klassen von Personen beruht.

Ein solches

erscheint

bei

den Römern sehr ausgebildet, und lange dauernd, in den

Klassen der

civcs, latini, peregrini, welche wiederum mit

den Systemen des jus civile und jus gentium Zusammen­

hängen (d).

Dennoch hat diese Unterscheidung, obgleich in

anderer Hinsicht sehr wichtig, in der Richtung, die uns hier

ausschließend

beschäftigt,

niemals

einen

Einfluß

erlangt,

welcher dem Einfluß der Volksabstammung oder des Land­ gebietes an die Seite gestellt werden könnte.

II.

Das

Land gebiet

als der zweite besonders

(die

Territorialität)

erscheint

wichtige und verbreitete Grund,

die Gemeinschaft des positiven Rechts unter den Einzelnen

(c) In Preußen z. B ist schon im I. 1812 durch das Judenedict § 20. 21 für die Juden das gcmeine Recht der übrigen Einwohner als Regel «»''gestellt, das bcson-

dcre nationale Recht nur als AuSnähme beibehalten worden. (d) Vgl. oben D. 1 8 22, und: Geschichte des R. R. im Mittilalter P. 1 8 t-

§. 346.

Abstammung und Landgebut.

zu bestimmen und zu begränzen.

17

Dieser Grund unterschei­

det sich von dem vorbergehenden (der Nationalität) durch

seine weniger persönliche Natur.

Er ist an etwas äußer­

lich Erkennbares, die sichtbare Landgränze, gebunden, und

der Einfluß menschlicher Willkür in der Anwendung dieses

Grundes ist ausgedehnter und unmittelbarer, als bei der Volksabstammung, bei welcher dieser Einfluß mehr die Na­

tur einer bloßen Ausnahme an sich trägt. Dieser zweite

Grund der Rechtsgemcinschaft hat den

ersten (die Nationalität) im Laufe der Zeit, bei fortschrei­ tender Ausbildung, mehr und mehr verdrängt.

Darauf hat

vor Allem eingewirkt der vielseitigere, lebendigere Verkehr der Völker unter einander,

Gegensätze der

schrofferen

durch welchen die

Nationalitäten verändert werden

mußten.

Besonders aber darf nicht verkannt werden der Einfluß des Christenthums, welches als gemeinsames Band des geistigen

Lebens die verschiedensten Völker umschlingend, die eigen­

thümlichen Unterschiede derselben mehr in den Hintergrund

treten ließ.

Gehen wir nun aus

Rechtsgemeinschaft,

von diesem zweiten Grunde der

so bezieht sich die Collision,

hier überall vor Augen stehen muß, Verschiedenheit der Rechte,

für

alle

die

örtliche

und unsere Aufgabe läßt sich

einlretende Collisionsfälle nunmebr

Frage fassen: VIII.

auf

die uns

in

folgende

18 Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap I. Örtlich« Gränzen.

Welches

Territorialrecht ist in jedem gege­

benen Falle anzuwenden? Hierin liegt denn auch der Grund, weshalb schon bis­

her die gleichzeitigen Gränzen der Rechtsregeln als

ört­

liche Gränzen bezeichnet worden sind (§ 244).

Suchen

wir zunächst durch Beispiele anschaulich

zu

machen, welche Bedeutung di« hier in Frage gestalte Kolli­

sion verschiedener örtlicher oder territorialer Rechte haben kann.

An einem bestimmten Orte ist ein Rechtsstreit zu

entscheiden über die Erfüllung eines Vertrages oder über das Eigenthum einer Sache.

Der Vertrag aber ist ge­

schlossen an einem anderen Orte, als an dem des Gerichts; die streitige Sache befindet sich an einem anderen Orte, als dem des Gerichts;

riales Recht.

beide Orte haben verschiedenes territo­

Daneben können beide streitende Parteien,

ihrer Person nach, dem Orte deS Gerichts angehören, oder

beide einem fremden Orte, oder auch beide Parteien ver­ schiedenen Orten.

Welches

unter den verschiedenen ört­

lichen Rechten, mit denen das streitige Rechtsverhältniß in

irgend einer Berührung steht, soll bei der Entscheidung des Streites zur Anwendung kommen?

Das ist der Sinn der

Collisionssrage in Anwendung auf Territorialrechte («).

(e)

Die Colüsion verschiedener

Rechte kommt allerdings auch bei

ihrer Losung. Ein genaueres Ein­ gehen auf diese Gestalt unserer

der auf die Volksabstammung ge­ gründeten Rechtsgemeinschaft m

Frage, Die ja überhaupt nur des geschichtlichen Zusammenhangs

Frage, und bedarf hier, eben so gut als neben dem Territorialrecht,

wegen gegenwärtig berührt wurde, und für das beutige Recht keine

§. 347. Widerstreit. Trrritorialrechte in demselben Staate

19

§. 347. Widerstreitende Territorialrechte in demselben Staate.

Die einander widerstreitenden Territorialrechte, förderen

Collision wir nunmehr die Regeln festzustellen haben (§ 346),

können unter einander in einem zweifachen Verhältniß ste­ hen, und wenngleich die Grundsätze der Beurtheilung stets

dieselben bleiben,

so hat doch diese Verschiedenheit den

größten Einfluß aus die Art der Anwendung jener Grund­ sätze Jene Territorialrechte können gelten entweder in ver­ schiedenen

oder

in

Gebietstheilen

eines

verschiedenen,

von

und

desselben

einander

Staates,

unabhängigen

Staaten

I.

Verschiedene Territorialrechte innerhalb

eines und

desselben Staates sind schon an einer früheren Stelle be­ merklich gemacht worden unter dem Namen von particu-

lären Rechten im Gegensatz eineö gemeinen Rechts eine-

solchen Staates, und sie können eben sowohl in der Ge­ stalt von Gesetzen als von Gewohnheiten bestehen (a). Die geschichtliche Veranlassung derselben,

so wie ihre

davon abhängende Begränzung, ist höchst mannichfaltig. Der wichtigste Fall der Anwendung während der Dauer

des deutschen Reiches war begründet durch das Verhältniß

Bedeutung hat, würde hier nicht ant Orte sein. Vgl. Savign»

Geschichte des R. R. im Mittelalter B. 1 § 46. (a) S o. B. 1 § 8. 18. 2t

2 *

20 Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.

der einzelnen deutschen Staaten zu dem, sie alle zusammen haltenden deutschen Reiche (b). — Aehnliche Verhältnisse

aber fanden sich innerhalb der zum deutschen Reiche gehö­ renden einzelnen Staaten, und finden sich noch jetzt nach

der Auflösung des Reiches. Solche Particularrechte erscheinen bald in ganzen Pro­

vinzen, bald in Abtheilungen von Provinzen, bald und vor­

züglich in einzelnen Gemeinden.

Besonders häufig erschei­

nen sie in Stadtgebieten, ja zuweilen selbst in einzelnen

örtlichen Bestandtheilen eines und desselben Stadtgebietes (c). In größeren Landstrichen (Provinzen oder Provinzab­

theilungen) sind solche Particularrechte ost dadurch entstan­

den, daß ein solcher Landstrich früher

als

selbstständiges

Staatsgebiet oder auch als Tbeil eines fremden Staates bestand, und erst später dem Staate, dem er jetzt angehört, einverleibt wurde. (b) B. 1 §2. — Em ähnliches, doch nicht völlig gleiches, Verhält­

niß finden wir unter den souveränen kleinen Staaten, ans welchen die

vereinigten Niederlande bestanden,

ist auch das Verhältniß der Nordanlerikanischen Freistaaten. (c) So z. B. bestanden neben einander in Breslau bis zum 1. Jan. 1840 fünferlei partikuläre Gesetze und Observanzen über Erb­

die nicht so, wie die deutschen Staaten, durch eine gemeinsame

recht,

höhere Staatsgewalt und Gesetz­

w., deren Anwendung durch Juns-

gebung verbunden waren.

Durch

eheliches

Güterrecht u.

dictionsbezirke begränzt war

s.

Nicht

die daselbst^sehr häufig hervortre­

selten

tenden Colltfionsfälle

Haus zu Haus verschieden, ja es kam vor, daß Em Haus auf der

wurden be­

sonders die Holländischen Juristen

(Rodenburg, P. Voet, I. Voet, Huber) veranlaßt, große Aufmerk­ samkeit auf den hier vorliegenden Gegenstand zu wenden. Aehnlich

war

hier das Recht von

Gränze verschiedener Rechte lag,

denen es daher theilweise angehörte. Vgl. das Gesetz vom 11. Mai 1830 (Gesetzsammlung 1839

S. 166).

§.347.

21

Widerstreit. Terntorialrechte m demselben Staate

In Stadtgebieten sind sie oft für diese einzelne Stadt erlassen, sei es von dem Landesherrn, dem diese Stadt un­

terworfen war, oder auch von der städtischen Obrigkeit, mit Zulassung oder Genehmigung deö Landesherrn

Diese Entstehung besonderer Stadrrechte finden wir schon

im Römischen Reiche, dessen einzelne Gemeinden nicht nur vor ihrer Vereinigung mit dem großen Ganzen das Recht eigener Gesetzgebung

gehabt batten, sondern dieses Recht

auch durch jene Vereinigung nicht schlechtbin einbüßten,

wenngleich sie den in Rom neu erlassenen Gesetzen stets unterworfen waren (d).

Sie sind es, durch welche über­

haupt die Römischen Juristen Veranlassung erhielten,

die hier vorliegende Untersuchung einzugehen je).

aus

Sie bil­

den hier, als Particularrechte, den Gegensatz gegen das ge­ meine Römische Recht.

— Noch weit ausgedehnter und

wichtiger aber waren die Stadtrechte, die sich im Italieni­

schen Mittelalter fast in jeder Stadt ausbildeten, und die hier,

als Particularrechte,

nicht blos gegen das Römische

Recht, sondern auch gegen das Lombardische, beide als ge­ meine Rechte gedacht, den Gegensatz bildeten (f).

Für sie

wurde der Name Statuta als Kunstausdruck geltend, der dann auch aus andere Länder übertragen wurde,

welchen sich die Lehre von den Statuta personalia,

und an

realia,

niixta anschloß (§ 345 £).

(d)

Savlgny Geschichte des

R. R.-tm Mittelalter B. 1 Kap 2. (e)

S. o

§ 344

(f)

Geschichte

des R. R

tnt

Mittelalter B. 3 § 42. 189 B. 2

§ 70.

22 Buch 111. Herrschaft der Rechtöregcln. Kap. I. Örtliche Gränzen.

Zu der Collision verschiedener Territorialrechte inner­ halb desselben Staates könnte man versuchen auch folgen­

den Fall zu ziehen, der jedoch in der That eine ganz an­ dere Natur hat, und gar nicht in daö Gebiet der gegen-

wärtigen Untersuchung gehört. — In jedem Staate können Particularrechte in verschiedener Abstufung und Unterord­

nung vorkommen, von dem örtlich begränztesten an in immer weiteren Kreisen der Anwendung geltend, bis zum gemeinen

Recht eines solchen Staates hinauf.

Auch dabei kann man

von einer Collision reden, indem an bestimmten Orten jedes

dieser Particularrechte im Allgemeinen wirkliche

Geltung

hat, und also in gegebenen einzelnen Fällen gefragt werden

kann, welches derselben,

wenn sie einander Widerstreiten,

die Regel der Entscheidung bilden solle.

Hier aber hat

die Collistonöfrage, wenn man diesen Ausdruck dabei ge­

brauchen will, eine andere Bedeutung, als bei den neben

einander stehenden, Particularrechten desselben Staates, die

von einander unabhängig sind, also nicht im Berbältniß der Abhängigkeit und Unterordnung zu einander stehen.

Zwischen mehreren einander uiltergeordneten Rechten gilt die einfache Regel, daß stets dasjenige Recht in der An­ wendung den Vorzug hat, welchem der beschränkteste Um­ fang der Geltung zuzuschreiben ist, nur mit Ausnahme des besonderen Falles,

wenn das über ihm in weiterem Um­

fange stehende Recht einzelne Bestimmungen von einem ab­

solut gebietenden Cbarakter enthält (g). (g) S. o. B. 1 § 21. 45. Außer tiefem besonderen Falle also gilt die Regel: Stattrecht bricht Landrecht, Landrecht bricht gemein Recht.

347

Widerstreit. Territorialrechte in demselben Staate.

23

Mt einer so einfachen Regel ist die Colliston, die zwi­ schen mehreren von einander unabhängigen Partikularrech­ ten eintritt, nicht zu beherrschen.

Für fie ist eine tiefer ein-

gehmde Untersuchung nöthig, die eben in der Folge deS gegenwärtigen Kapitels angestellt werden soll.

Da übri­

gens in don gegenwärtig allein vorausgesetzten Fall Particularrechte eines und desselben Staates vorausgesetzt wer­

den (h),

so

ließe

sich

denken,

daß die Collision dieser

Rechte selbst durch die allgemeine Gesetzgebung eben diese-

Staates geregelt wäre.

Gerade Dieses aber findet sich bis

jetzt wohl in keinem Lande auf irgend erschöpfende Weise durchgeführt, vielmehr sind überall die meisten lind wichtig­

sten hierher gehörenden Fragen der wissenschaftlichen Fest­ stellung überlassen geblieben.

8. Widerstreitende

348.

Territorialrechte in

verschiedenen

Staaten.

II.

Der zweite Fall einer möglichen Collision verschie­

dener Territorialrechte setzt voraus, daß diese Rechte nicht

(h)

Cs ließe sich Dieses denken

ohne Unterschied,

ob

über

den

eigenthümlichen Particularrechten ein und dasselbe gemeine Recht

oder nicht, denn

auch

in diesem

letzten Fall, welcher z. B zwischen der Preußischen Rheinprovinz und den

übrigen

Provinzen

eintritt,

meine Landrecht über den Provin­

ließe sich doch denken, daß em Preußisches Landesgesetz die Colli­

zialrechten von Brandenburg, Pom­

sion

mern, Ost- n. Westpreußen n. s. w ),

vollständig geregelt hätte.

steht (so wie in Preußen das allge­

dieser

verschiedenen

Rechte

347

Widerstreit. Territorialrechte in demselben Staate.

23

Mt einer so einfachen Regel ist die Colliston, die zwi­ schen mehreren von einander unabhängigen Partikularrech­ ten eintritt, nicht zu beherrschen.

Für fie ist eine tiefer ein-

gehmde Untersuchung nöthig, die eben in der Folge deS gegenwärtigen Kapitels angestellt werden soll.

Da übri­

gens in don gegenwärtig allein vorausgesetzten Fall Particularrechte eines und desselben Staates vorausgesetzt wer­

den (h),

so

ließe

sich

denken,

daß die Collision dieser

Rechte selbst durch die allgemeine Gesetzgebung eben diese-

Staates geregelt wäre.

Gerade Dieses aber findet sich bis

jetzt wohl in keinem Lande auf irgend erschöpfende Weise durchgeführt, vielmehr sind überall die meisten lind wichtig­

sten hierher gehörenden Fragen der wissenschaftlichen Fest­ stellung überlassen geblieben.

8. Widerstreitende

348.

Territorialrechte in

verschiedenen

Staaten.

II.

Der zweite Fall einer möglichen Collision verschie­

dener Territorialrechte setzt voraus, daß diese Rechte nicht

(h)

Cs ließe sich Dieses denken

ohne Unterschied,

ob

über

den

eigenthümlichen Particularrechten ein und dasselbe gemeine Recht

oder nicht, denn

auch

in diesem

letzten Fall, welcher z. B zwischen der Preußischen Rheinprovinz und den

übrigen

Provinzen

eintritt,

meine Landrecht über den Provin­

ließe sich doch denken, daß em Preußisches Landesgesetz die Colli­

zialrechten von Brandenburg, Pom­

sion

mern, Ost- n. Westpreußen n. s. w ),

vollständig geregelt hätte.

steht (so wie in Preußen das allge­

dieser

verschiedenen

Rechte

24 Buch III. Herrschaft btt Rechtsregeln Kap. I Örtliche Gränzen

in demselben Staate, sondern in mehreren von einander un­ abhängigen Staaten bestehen (§ 347).

zurück

Sehen wir dabei

aus d'ie schon oben zur Erläuterung der ganzen

Collisionsfrage angegebenen Beispiele (§ 346),

diese nunmehr folgende Gestalt an.

so nehmen

Ein Richter unseres

Staates hat zu entscheiden über ein streitiges Rechtsver-

bältniß,

das durch die Tbatsachen,

liegen (z. B. den Ort,

die ihm zum Grunde

wo ein Vertrag abgeschlossen ist,

oder wo sich eine streitige Sache befindet),

mit dem von

unsrem positiven Rechte abweichenden Rechte eines fremden Daneben ist es möglich, daß

Staates in Berübrung steht.

beide Parteien Inländer, oder beide Ausländer sind, daß die eine dem Jnlandc,

oder

die andere dem Auslande per­

Welches der verschiedenen hier einschla­

sönlich angehört

genden Territorialrcchte bat der Richter zur Anwendung zu bringen? Gan; dieselbe Frage könnte

auch

dem Richter jenes

fremden Staates zur Entscheidung vorlicgen, wenn zufällig

der Rechtsstreit nicht in unsrem,

sondern in dem fremden

Staate entstanden wäre.

Manche

haben versucht,

diese Fragen lediglich durch

den Grundsatz der unabhängigen Staatsgewalt (Souverä­ nität) zu entscheiden, indem sie folgende zwei Regeln an die

Spitze stellen.

1

Jeder Staat kann fordern, daß inner­

halb seiner Gränzen lediglich sein Gesetz gelte.

2

Kein

§. 348.

Staat

Widerstreit. Terntonalrechte in verschied. Staaten.

kann

die Geltung

seines

Gesetzes

25

außer seinen

Gränzen fordern (a). Ich will nicht nur die Wahrheit dieser Sätze einräumen, sondern selbst ihre Ausdehnung bis zu den äußersten denk­

baren Gränzen anerkennen, glaube aber,

daß sie für die

Lösung unsrer Aufgabe wenig Hülfe gewähren

Die weiteste Ausdehnung

der unabhängigen Staats­

gewalt in Beziehung auf Fremde könnte bis zur völligen

Rechtlosigkeit der Fremden fübren.

Eine solche Auffassung

ist dem Römischen Völkerrecht nicht fremd (l>),

da,

und auch

wo sie von den Römern gegen das Ausland nicht

geltend gemacht wird, ist wenigstens ein großer Unterschied

in der Rechtsfähigkeit zwischen Römern und Fremden stets

festgehalten worden (§ 346).

- Das heutige Recht dagegen

hat allmälig zur Anerkennung vollständiger Rechtsgleichheit zwischen Einheimischen und Fremden hingeführt (c).

Mit dieser Rechtsgleichheit der Personen ist jedoch über die Frage wegen der Collision zwischen dem einhei­

mischen und

fremden Rechte noch gar nicht entschieden.

Vor Allem müssen wir anerkennen, daß, wenn einheimische

(a)

Huber

8 18—21 (b) Das

§ 2,

Story

R. R. wendet dlese

Rechtlosigkeit, und zwar mit gegen­

Staaten, mit welchen Rom weder foedus noch amicitia gegründet hat. I,. 5 8 2 de capt. (49. 15)

(c)

Wachter I

S. 253 II.

seitigen Folgen, nicht nur auf hostes an, deren Begriff einen

S. 33 -34. 181 Puchta Pan­ dekten 8 45. 112. Eichhorn

erklärten Krieg voraussetzt, sondern auf alle Bürger solcher

deutsches Recht § 75

selbst

26 Buch IH. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. Örtliche Gränzen. Gesetze über die Behandlung der EollistonSfälle Vorschriften

geben, diese Vorschriften von den Richtern unsres Staate-schlechthin angewendet werden muffen (d).

Nur finden sich

solche Gesetze in erschöpfender Weise nirgend, nicht in den Staate«,

für welche das

insbesondere

gemeine deutsche

Recht gilt (e) Allerdings könnte das strenge Recht der höchsten Gewalt

unter Anderm dahin führen, daß allen Richtern des Landes vorgeschrieben würden,

die ihnen

vorkommenden Rechts­

verhältnisse lediglich nach dem einheimischen Rechte zu ent­ scheiden,

unbekümmert um die vielleicht abweichenden Be­

stimmungen irgend eines fremden Rechtes, mit dessen Land­

gebiet etwa das

streitige Rechtsverhältniß in Berührung

gekommen sein möchte.

Eine solche Vorschrift ist aber in

der Gesetzgebung keines bekannten Staates zu finden, und

mußte

auch

schon durch

folgende Betrachtung verhindert

werden.

Je mannichfaltiger und lebhafter der Verkehr unter den verschiedenen Völkem wird, desto mehr wird man fich über­ zeugen müssen, daß es räthlich ist, jenen strengen Grundsatz

nicht festzuhalten, sondern vielmehr mit einem entgegengesetzten Grundsatz zu vertauschen.

Dahin führt die wünschenswerthe

Gegenseitigkeit in der Behandlung der Rechtsverhältnisse, und Wächter I. S. 237 fg. Seltsamerweise widerspricht Struve § 9. 37, indem er die Gesetze für nichtig erklärt, die nicht von richtigen (d)

Story § 23. —

Grundsätzen über die Collifion ausgehen. (e) Es tritt also hier derselbe Fall ein, wie bei der Cellisten der Particularrechte (§ 347).

$. 348.

Widerstreit. Territorialrechte in verschied. Staaten.

27

die daraus hervorgehende Gleichheit in der Beurtheilung

der Einheimischen und Fremden, die im Ganzen und Großen durch den gemeinsamen Vortheil der Völker und der Ein­

zelnen geboten wird.

Denn diese Gleichheit muß in voll­

ständiger Ausbildung dahin führen, daß nicht bloß in jedem einzelnen Staate der Fremde gegen den Einheimischen nicht zurückgesetzt werde (worin die gleiche Behandlung der Per­ sonen besteht), sondern daß auch die Rechtsverhältnisse, in

Fällen einer Collision der Gesetze, dieselbe Beurthei­

lung zu erwarten haben, ohne Unterschied, ob in diesem

oder jenem Staate das Urtheil gesprochen werde. Der Standpunkt, aus den wir durch diese Erwägung geführt werden, ist der einer völkerrechtlichen Gemeinschaft der mit einander verkehrenden Nationen, und dieser Stand­

punkt hat im Fortschritt der Zeit immer allgemeinere An­

erkennung gefunden, unter dem Einfluß theils der gemein­ samen christlichen Gesittung, theils des wahren Vortheils,

der daraus für alle Theile hervorgeht. Auf diesem Wege kommen wir dahin, die Collision der Territorialrechte unabhängiger Staaten, von welcher gegen­ wärtig die Rede ist, wesentlich nach denselben Grundsätzen zu

behandeln, welche für die Collision verschiedener Particularrechte desselben Staates gelten (§ 347), und diese Gleich­

stellung ist für die gesammte folgende Untersuchung maaß­ gebend. Für beide Arten der Collision läßt sich

gemeinsame Aufgabe dahin bestimmen,

nunmehr die

28 Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I Örtliche Gränzen

daß bei jedem Rechtsverhältniß dasjenige Rechtsgebiet ausgesucht werde,

dieses

Rechtsverhältniß

thümlichen

Natur

nach

welchem

seiner

eigen­ oder

angehört

unterworfen ist

Man kann diese Gleichstellung, im Gegensatz des oben erwähnten strengen NechtS, als freundliche Zulassung unter

souveränen Staaten bezeichnen, nämlich als Zulassung ur­ sprünglich fremder Gesetze unter die Quellen, aus welchen die einheimischen Gerichte die Beurtheilung mancher Rechts­

verhältnisse zu schöpfen haben (f). Nur darf diese Zulassung

nicht gedacht werden als

Ausfluß bloßer Großmuth oder Willkür, zufällig

wechselnd

und

vorübergehend

die zugleich zu

denken

als

wäre.

Vielmehr ist darin eine eigenthümliche und fortschreitende

Rechtsentwickelung

zu erkennen,

gleichen Schritt haltend

mit der Behandlung der Collisionen unter den Particular-

rechten desselben Staates (g).

(f) Huber de conflictu le gum § 2. „Rectores imperiorum id comiter agunt, ut jura cujusque populi teneant ubique suamvim“ I. Voet de statutis § 1 12. 17 „ Dein quid ex comitate gens genti liberaliter et officiose lndulgeat, permittat, patiatur, ultro citroque“ — Story conflict of laws § 24 — 38.

(g) Ich kann daher nicht übereinstimmen mit WachterI S 240. II. S. 12—15, wenn er hierin so sehr warnt gegen Verwechselnng des richterlichen und legislativen Standpunktes. Was er zu dem legislativen Standpunkt rechnet, fällt gewiß großentheils in den richterlichen, bei einem Gegenstand den die Gesetzgebung ohnehin der wissenschaftlichen Entwickelung

§. 348. Widerstreit. Territonalrechte iu verschied. Staaten.

Nur dadurch

muß die

29

eben behauptete Gleichstellung

beider Arten der Collision beschränkt werden, daß bei wi­

derstreitenden Particularrechten (§ 347) die Collisionsfrage entschieden werden kann durch ein über beiden Particular­ rechten stehendes

gemeinsames

Landesgesetz.

Eine solche

mögliche Auskunft kann bei widerstreiter»den Gesetzen ver­ schiedener unabhängiger Staaten allerdings nicht eintreten. Dieser Standpunkt

einer völkerrechtlichen Gemeinschaft

unter unabhängigen Staaten,

aus welchem dann die An­

näherung zu einer gegenseitigen Gleichstellung in der Be­

handlung der Collision verschiedener positiver Rechte hervor­ gegangen .ist,

war den Römern fremd.

Der Verkehr der

Völker mußte erst den ungeheuren Schwung erhalten haben,

den wir in neueren Zeiten wahrnehmen,

damit das Be­

dürfniß solche Grundsätze zur Anerkennung und Ausbildung

bringen konnte. Wenn

dieser

Standpunkt

bei

neueren

Schriftstellern

nicht geradezu wörtliche Anerkennung gefunden hat, so liegt

er doch, dem Wesen nach, zum Grunde bei dem in dieser Untersuchung häufig geltend gemachten allgemeinen Gewohn­

heitsrecht

(h).

Zwar wird dieses.Gewohnheitsrecht vor­

zugsweise behauptet für das Gebiet deS gemeinen deutschen

größteniheils überlassen hat. Auch liegt eine Annäherung an die hier aufgestellte Ansicht in einer anderen Stelle von Wächter (I. 265), worin er den Richter auf Richtung,

Sinn und Geist seiner LandeSge^ setze verweist. (h) Wächter I. S. 255—261 II. S. 175—177. S. 195. S. 371 — Schäffner § 21.

30 Buch Ul- Herrschaft der Recht-regeln. Kap. l. Örtlich« Gränzen.

Rechts.

Allein die Ableitung desselben aus der (stets fort­

schreitenden) Uebereinstimmung der Schriftsteller und der

Richtersprüchr führt gerade hier unwiderstehlich über diese Auch daß sehr gewöhnlich über den In­

Gränze hinaus.

halt und die GränM jmeS Gewohnheitsrechts gestritten

wird, kann hierin Nichts ändern.

Die gemeinsame An­

nahme des Daseyns deffrlben, und das gemeinsame Suchen

nach dessen Inhalt, ist entscheidend für die hier aufgestellte

Behauptung.

Schwankende und durch einander gehende

Meinungen aber können am wenigsten besternten in einer Rechtslehre, die, so,wie die hier vorliegende, noch erst im

Werden begriffen ist (i).

Die hier

aufgestellten Grundsätze über die mögliche,

wünschenswerthe,

zu erwartende völkerrechtliche Gemein­

schaft in der Behandlung der Collisionrn örtlicher Rechte

können eine besondere Förderung erhalten, wenn über diesen

Gegenstand unter verschiedenen,

besonder-

unter benach­

barten Staaten, bei welchen die CollifionSfälle am häufigsten

eintreten,

StaatSvrrträge

geschlossen

Solche

werden.

Staatsverträge find nicht blos von Rechtslehrern lebhaft gewünscht und empfohlen worden,

sondern auch in der

That schon vorlängst zu Stande gekommen (k).

(i)

(k)

Es würde

Vgl. hierüber die Vorrede zum gegenwärtigen Bande

I. Voet. § 1. 12. 17

§. 348. Widerstreit. Territorialrechte in verschied. Staaten.

31

unrichtig sein, solche Verträge, wo sie sich finden, so aufzu­ fassen,

als werde darin etwas ganz Neues positiv sestge-

stellt, so daß, abgesehen von denselben, und vor ihrer Zeit,

etwa gerade daö Gegentheil gegolten haben müßte.

Viel­

mehr sind sie fast immer als der Ausdruck der oben dar­

gelegten allgemeinen Rechtsgemeinschaft anzusehen,

mithin

als Versuche, diese Rechtsgemeinfchast stets vollständiger zur Anerkennung zu bringen.

Kein Staat hat in neuerer Zeit so zahlreiche Verträge dieser Art mit anderen Staaten geschloffen, als der Preußi-sche, und in diesen Verträgen besonders ist der eben aufge­

stellte Gesichtspunkt ganz unverkennbar vorherrschend gewesen.

Ich will hier eine Uebersicht dieser Preußischen Staatsver­ träge mit Nachbarstaaten geben,

um in der Folge dieser

Untersuchung leichter darauf zurückweisen zu können. Vertrag mit Sachsen-Weimar 1824, 1824.

-

-

-

-

-

-

-

-

1834,

-

S. 353.

Schwarzburg-Rudolstadt 1840,

1840.

-

S. 124.

Königreich Sachsen 1839,

1839.

-

S. 9.

Reuß-Gera

1834.

-

S. 105.

Sachsen-Coburg-Gotha 1833,

1834. -

S. 149.

Sachsen-Altenburg 1832,

1832. -

Gesetz-Sammlung

S. 239.

-

32 Buch 111. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I- Örtliche Gränzen.

Vertrag mit Anhalt-Bernburg 1840, 1840.

-

-

Gesetz - Sammlung

S. 250.

Braunschweig 1841,

1842.

S. 1.

8.

349.

Wederstreitende Tercitorialrechte in verschiedenen

Staaten

(Fortsetzung.)

Unsere Untersuchung bat bisher dahin geführt, daß auch

bei der Entscheidung über solche Rechtsverhältnisse, mit verschiedenen

unabhängigen

Staaten

welche

in Berührung

kommen, der Richter dasjenige örtliche Recht anzuwenden hat, dem das streitige Rechtsverhältniß angehört, ohne Un­

terschied,

ob dieses örtliche Recht das einheimische Recht

dieses Richters,

oder daö Recht eines

fremden

Staates

sein mag (8 348.). Dieser Grundsatz aber muß nunmehr beschränkt werden

mit Rücksicht aus manche Arten von Gesetzen, deren beson­ dere Natur einer so freien Behandlung der Nechtsgemeinschast unter verschiedenen Staaten widerstrebt.

Gesetzen

wird

der Richter das

Bei solchen

einheimische Recht

auS-

schließender anzuwenden haben, als eS jener Grundsatz ge­

stattet,

das

ftemde

Recht dagegen unangewendet

lassen

müssen, auch wo jener Grundsatz die Anwendung rechtfer­

tigen würde.

Daraus entsteht eine Reihe von Ausnahme­

fällen wichtiger Art, deren Gränzen festzustellen vielleicht

die schwierigste Ausgabe in dieser ganzen Lehre sein mag.

32 Buch 111. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I- Örtliche Gränzen.

Vertrag mit Anhalt-Bernburg 1840, 1840.

-

-

Gesetz - Sammlung

S. 250.

Braunschweig 1841,

1842.

S. 1.

8.

349.

Wederstreitende Tercitorialrechte in verschiedenen

Staaten

(Fortsetzung.)

Unsere Untersuchung bat bisher dahin geführt, daß auch

bei der Entscheidung über solche Rechtsverhältnisse, mit verschiedenen

unabhängigen

Staaten

welche

in Berührung

kommen, der Richter dasjenige örtliche Recht anzuwenden hat, dem das streitige Rechtsverhältniß angehört, ohne Un­

terschied,

ob dieses örtliche Recht das einheimische Recht

dieses Richters,

oder daö Recht eines

fremden

Staates

sein mag (8 348.). Dieser Grundsatz aber muß nunmehr beschränkt werden

mit Rücksicht aus manche Arten von Gesetzen, deren beson­ dere Natur einer so freien Behandlung der Nechtsgemeinschast unter verschiedenen Staaten widerstrebt.

Gesetzen

wird

der Richter das

Bei solchen

einheimische Recht

auS-

schließender anzuwenden haben, als eS jener Grundsatz ge­

stattet,

das

ftemde

Recht dagegen unangewendet

lassen

müssen, auch wo jener Grundsatz die Anwendung rechtfer­

tigen würde.

Daraus entsteht eine Reihe von Ausnahme­

fällen wichtiger Art, deren Gränzen festzustellen vielleicht

die schwierigste Ausgabe in dieser ganzen Lehre sein mag.

8 349. Widerstreit. Territorialrechte in verschied. Staaten. (Forts.) 33

Die ost unbewußte Rücksicht unserer Schriftsteller auf diese

Auönahmesälle hat nicht wenig dazu beigetragen, die über­ einstimmende Anerkennung der Regeln 31t verhindern,

durch dieselben beschränkt werden.

Ausnahmen als solche, und

die

Sollte es gelingen, jene

zugleich die wahren Gränzen

derselben, aus überzeugende Weise sestzustellen, so dürfte da­ durch vielleicht mancher Widerstreit über die Regeln selbst

beseitigt, und so die gegenseitige Annäherung der streitenden

Parteien gefördert werden. Ich will es

versuchen,

die

angedcuteten

Ausnahmen

auf zwei Klaffen zurückzusühren:

A.

Gesetze von Natur,

streng

positiver,

zwingender

die eben wegen dieser Natur

zu

jener freien Behandlung, unabhängig von den Gränzen verschiedener Staaten, nicht

geeignet sind.

B.

Rechtsinstitute eines fremden Staates, de­ ren

Dasein

in

dem

unsrigeir überhaupt

nicht anerkannt ist, die also deswegen ans Rechtsschutz in unserm'Staate keinen An­

spruch haben. A.

Gesetze von streng positiver, zwingender Natur.

Schon oben sind verschiedene Gegensätze in der Natur und Herkunft der Rechtsregeln hervor gehoben worden (a).

An diese müssen wir hier anknüpfen,

(a) VIII.

wir reichen damit

S 0 B 1 8 15. 16 22.

3

34 Buch 111. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. 1. Örtliche Gränzen,

aber für den gegenwärtigen Zweck nicht aus, müssen viel­ mehr die verschiedene Natur der Rechtsregeln noch genauer betrachten.

Zwar könnte man glauben, hier auszureichen mit der

absoluter

Unterscheidung

und

vermittelnder

Rechtsregeln

(§ 16), allein auch darin würde man sich täuschen.

Zwar

ist diese Unterscheidung insofern von einigem Einfluß auf

unsre Frage, als niemals eine blos vermittelnde Rechts­

regel in die Reihe jener Ausnahmefälle gehören wird (b).

Dagegen würde es umgekehrt ganz irrig sein, allen abso­ luten Gesetzen eine so positive, zwingende Natur zuzuschreiben, daß sie unter die Ausnahmefälle gerechnet werden müßten.

So z. B. gehört jedes Gesetz über den Anfang

der Volljährigkeit unter die absoluten Gesetze, weil eS nicht

blos in Ermangelung einer anders bestimmenden Privat­ willkür wirken soll; dennoch sind Alle darüber einig, daß

gerade dieses Gesetz auch außer den Gränzen des Staates,

worin es gegeben ist, unbedenklich wirken kann (§ 362) Ob nun irgend ein Gesetz unter die Ausnahniefälle zu

rechnen ist, das hängt vor Allem von der Absicht des Ge­

setzgebers ab.

(b)

Hat dieser sich darüber ausdrücklich erklärt,

Jedes Gesetz über die In-

wirken können;

denn die häufigen

testaterbfolge ist ein vermittelndes,

abweichenden Meinungen betreffen

weil eS nur wirkt in Ermangelung nnes letzten Willens. Daher ist

nicht diese Gesetze an sich, sondern

eS auch allgemein anerkannt, daß solche Gesetze außer dem Ge­

Grundeigenthum,

biete,

wofür

sie

gegeben

sind,

nur

ihre

ausführlich (§. 376).

Anwendung die

auf

wovon

Rede

sein

das

unten wird

§.346. Widerstreit. Territorialrtchte »»verschied.Staaten. (Forts.) 35

so muß diese Erklärung gelten, da dieselbe dann die Na­ tur eines

Gesetzes

Kollision hat, welches

über die

stets unbedingt befolgt werden »nuß (§ 348 d.).

Allein an

einer solchen ausdrücklichen Erklärung wird es meist fehlen,

und dann bleibt Nichts übrig, als aus die verschiedene Na­

tur der absoluten Gesetze zurück zu gehen, die uns auf fol­ gende Unterscheidung führen muß. Eine Klaffe der absoluten Gesetze hat keinen anderen

Grund und Zweck, als die Handhabung des Rechts durch

feste Regeln zu sichern, so daß sie erlassen werden lediglich um der Personen Willen,

sind.

welche die

Träger der Rechte

Dahin geboren die Gesetze über die Einschränkung

der Handlungsfähigkeit wegen des Alters, des Geschlechts

ii. s. w.

Ferner die Gesetze über

die Formen der Ueber-

tragung des Eigenthums (durch bloßen Vertrag oder durch

Uebergabe). — Bei allen Gesetzen solcher Art ist kein Grund

vorhanden, sie unter die Ausnahmefälle zu rechnen, die da­ bei eintretende Collisionen können vielmehr nach dem Grund­

satz der freiesten Rechtsgemeinschaft geschlichtet werden, da

jeder Staat unbedenklich

auch

innerhalb

seiner Gränzen

dem fremden Gesetze solcher Art eine Einwirkung gestat­ ten kann.

Eine

andere

Klasse der

absoluten Gesetze dagegen

hat ihren Grund und Zweck außer dem reinen, in seinem abstracten Dasein aufgefaßten, Rechtsgebiet (c), so daß sie

(c)

„contra rationem Juris“, s o B 1 § 16 Note p

3*

36 Blich III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. örtliche Gränzen,

erlassen werden nicht lediglich um der Personen Willen, welche die Träger der Rechte sind.

— Die Gesetze dieser

Klasse können beruhen auf sittlichen gehört jedes Ehegesetz,

Gründen.

Dahin

welches die Polygamie ausschließt

— Sie können auch beruhen auf Gründen deS öffent­ lichen Wohls (publica utilitas), mögen diese nun mehr

einen politischen, einen polizeilichen, oder einen volkswirth-

schastlichen

Charakter

manche Gesetze,

an

sich

tragen.

Dahin

gehören

welche den Erwerb deS GrundeigenthumS

von Seiten der Juden einschränken. Alle Gesetze solcher Art gehören zu den oben erwähn­ ten Ausnahmefällen, so daß in Beziehung auf ihre Anwen­ dung jeder Staat für sich als völlig abgeschlossen erscheint.

— Schließt also das Gesetz unsers Staates die Polygamie aus,

so muß unser Richter auch der polygamischen Ehe

solcher Ausländer, deren Landesgesetz sie zuläßt, den Rechts­

schutz versagen. — Untersagt unser Gesetz den Juden die Erwerbung des GrundeigenthumS,

so muß unser Richter

nicht nur den einheimischen Juden den Erwerb untersagen, sondern auch den answärtigen, in deren Staat ein solches

Verbot nicht besteht,

wenngleich nach den allgemeinen Re­

geln über die Collision die persönliche Rechtsfähigkeit und

Handlungsfähigkeit nach den Gesetzen des Wohnsitzes der

Person beurtheilt werden müßte.

Ebenso aber umgekehrt

wird der fremde Staat, dessen Gesetz eine solche Beschrän­

kung der Juden nicht kennt, auch die unserm Staate ange-

§. 349. Widerstreit. Terruorialrechte in verschied. Staaten. (Feris.) 37

hörenden Juden zum Grundbesitz zulassen, ohne Rücksicht auf daö beschränkende Gesetz ihres persönlichen Wohnsitzes.

B.

Rechtsinstitute eines fremden Staates, deren Dasein in dem mistigen überhaupt nicht anerkannt ist.

Der Richter eines Staates, dem der bürgerliche Tod

der Französischen oder Russischen Gesetzgebung unbekannt ist, wird auf Personen, die in diesen Ländern dem bürger­ lichen Tode unterworfen worden sind, die damit verbundene

Rechtsunfähigkeit nicht anzuwenden haben, wenngleich, nach allgemeinen Regeln über die Kollision, der persönliche Zu­

stand beurtheilt werden müßte nach dem am Wohnsitz gel­ tenden Recht (d). — Eben so wird in einem Staate, der

die Sklaverei nicht kennt, ein Negersklave, der sich daselbst aushält, nicht als Eigenthum seines Herrn, und nicht als

rechtsunfähig, behandelt werden können (c).

In diesem

letzten Fall werden sogar beide hier aufgestellte Gesichts­ punkte zusammen treffen, und zu einem und demselben Ziele führen.

Die Sklaverei ist, als Rechtsinstitut unserm Staate

fremd, in ihm nickt anerkannt; und zugleich

ist es von

unserm Standpunkte aus etwas durchaus Unsittliches, einen Menschen als Sache zu behandeln.

Bei dem vorher ange­

führten Fall des bürgerlichen Todes würde nur der erste

Grund geltend gemacht werden können, nicht der zweite, da (d) Vgl. oben B. 2 § 75. — Anderer Meinung ist in diesem Punkte Schäffner §35, außer wenn man etwa die auswärtige

Wirksamkeit des Straferkennt­ nisses verneinen möchte. (c) Wächter II. S- 172. Schäffner § 34.

38 Buch III. Herrschaft der Rechlsregeln. Kap I. Örtliche Gränzen der bürgerliche Tod nicht unsittlicher ist, als jede andere sehr harte Strafe.

Die hier zusaininen gestellten Klassen absoluter Gesetze,

so verschieden von einander sie ausserdem sein mögen, kom­ men darin überein, daß sie sich der für die Collision des

örtlichen Rechts im Allgemeinen geforderten Rechtsgemein­

schaft aller Staaten entziehen, daß sie also in dieser Hin­

sicht eine anomale Natur haben.

Es ist aber zu erwarten,

daß diese Auönahmefälle, in Folge der natürlichen Rechts­ entwickelung

der

Völker,

sich

vermindern

fortwährend

werden (f).

Die in dem gegenwärtigen Paragraphen abgehandelten

Ausnahmen von den sonst geltenden Regelir der Colliston

beziehen sich

zunächst auf die widerstreitenden Territorial-

rechte verschiedener

Staaten.

Bei den

Particularrechten

eines und desselben Staates (§ 347) werden ähnliche Ver­ hältnisse weit seltener vorkommen,

da die oben charakteri-

firten Gesetze von streng positiver, zwingender Natur meist

für den ganzen Umfang eines Staates erlassen werden, also ohne Rücksicht auf die Gränzen particulärer Rechte.

kommen auch

innerhalb desselben Staates

(f) Die wichtigsten und mannich-

faltigsten Anwendungen der

hter

vielleicht

in

Doch

solche anomale

enter

Gestalt erschemt,

zu abstrakten

wird tert mehr

aufgestellten Regeln werden unten

Anschaultchkeit

in der Lehre von der Rechtsfähig-

durch diese geeigneter sein, Ueber-

keit und Handlungsfähigkeit vor-

Zeugung zu bewirken,

kommen (§ 365).

Was nun hier

gewinnen,

und

§. 349. Widersinn. Terrnorialrechle in verschied. Staaten. (Forts.) 39

Verhältnisse vor, wenn nämlich die Verschiedenheit örtlicher Rechte aus einer Zeit herrührt, in welcher manche gegen­

wärtige Bestandtheile des Staates noch nicht zu ihm ge­

hört' haben.

Dieses gilt namentlich

von dem Recht der

Preußischen Rheinprovinz im Verhältniß

zu dem in den

übrigen Preußischen Provinzen geltenden Recht.

Dann

werden die in dem gegenwärtigen Paragraphen ausgestell­

ten besonderen Regeln auch innerhalb der Gränzen desselben

Staates zur Anwendung kommen können.

§.

350

Die RoMlichc Lehre von origo unv domicihum. Etnleltuttg.

Unsere Untersuchung hat bis jetzt dahin geführt,

daß

die Eollision verschiedener positiver Rechte in der Beur­

theilung eines Rechtsverhältnisses zunächst und hauptsächlich zu entscheiden ist nach dem Rechtszustand der Person, welche in diesem Rechtsverhältniß steht, und daß selbst die

zahlreichen und wichtigen Abweichungen von diesem Grund­

satz nur im Zusammenhang mit denselben und als Modifi-

cationen desselben richtig verstanden werden können (8 345).

Es wurde ferner gezeigt, daß der Rechtszustand der Person, nach der seit langer Zeit allgemein anerkannten Regel, durch

das Landgebiet

(nicht durch die

Abstammung) bestimmt

werde (§ 346—348).

Allein auch diese gewonnene Einsicht hat nur erst eine

formelle Bedeutung.

Denn es bleibt noch die Frage übrig:

§. 349. Widersinn. Terrnorialrechle in verschied. Staaten. (Forts.) 39

Verhältnisse vor, wenn nämlich die Verschiedenheit örtlicher Rechte aus einer Zeit herrührt, in welcher manche gegen­

wärtige Bestandtheile des Staates noch nicht zu ihm ge­

hört' haben.

Dieses gilt namentlich

von dem Recht der

Preußischen Rheinprovinz im Verhältniß

zu dem in den

übrigen Preußischen Provinzen geltenden Recht.

Dann

werden die in dem gegenwärtigen Paragraphen ausgestell­

ten besonderen Regeln auch innerhalb der Gränzen desselben

Staates zur Anwendung kommen können.

§.

350

Die RoMlichc Lehre von origo unv domicihum. Etnleltuttg.

Unsere Untersuchung hat bis jetzt dahin geführt,

daß

die Eollision verschiedener positiver Rechte in der Beur­

theilung eines Rechtsverhältnisses zunächst und hauptsächlich zu entscheiden ist nach dem Rechtszustand der Person, welche in diesem Rechtsverhältniß steht, und daß selbst die

zahlreichen und wichtigen Abweichungen von diesem Grund­

satz nur im Zusammenhang mit denselben und als Modifi-

cationen desselben richtig verstanden werden können (8 345).

Es wurde ferner gezeigt, daß der Rechtszustand der Person, nach der seit langer Zeit allgemein anerkannten Regel, durch

das Landgebiet

(nicht durch die

Abstammung) bestimmt

werde (§ 346—348).

Allein auch diese gewonnene Einsicht hat nur erst eine

formelle Bedeutung.

Denn es bleibt noch die Frage übrig:

40 Buck II! Herrschaft der Rechtsregel» Kap. I. Örtliche Graazen. Wodurch wird die einzelne Person mit ihrem RechtSzustand an das Land gebunden?

Welches ist also der Grund,

der

zwischen der Person und dem Territorialrecht den Zusammen­

hang vermittelt?

Unsere nächste Aufgabe muß auf die'Be­

antwortung dieser Frage gerichtet sein.

Hier treten uns nun zwei thatsächliche Verhältnisseals solche Vermittelungsgründe entgegen: Origo und domiciliuni,

Herkunft und Wohnsitz. derselben,

Wir haben uns die Bedeutung

den jnristischen Einfluß,

das Verhältniß beider

zu einander klar zu machen

Daran nun zweifelt Niemand,

daß uns sowohl diese

Ausdrücke, als die mit denselben bezeichneten Rechtsbegriffe, durch daS Römische Recht zugekommen sind: Alle, die davon

Anwendung machen, gehen auf die Quellen des Römischen Rechts zurück.

Wir müssen also vor Allem genau festzu­

stellen suchen, was sich die Römischen Juristen unter jenen

Ausdrücken denken,

und welchen Einfluß sie den dadurch

bezeichneten Rechtsbegriffen beilegen.

Damit ist aber keineS-

wegeö gesagt, daß die Römische Auffassung derselben auch für ltns maaßgebend sein müsse.

Fortgang der Untersuchung zeigen,

Vielmehr wird sich im daß eben hierin unser

RechtSzustand die größten Abweichungen von dem Römischen

darbietet.

Es soll zunächst nur gegen die auf bloßen Miß­

verständnissen beruhende Airwendung vermeintlicher Römischer

Kunstausdrücke

und Rechtsbegriffe ein sicherer Schutz ge­

währt werden. Hierin nun hat es

mit einem der angeführten Aus-

§. 350.

Origo uud domicilium.

Einleitung

41

drücke, dem domicilium, wenig Gefahr, indem sich hierin

der Rechtszustand wesentlich nicht verändert hat, dabei also schon die tägliche Anwendung hinreicht,

fassung festzuhalten.

(Herkunft);

die richtige Auf­

Anders verhält es sich mit der origo

und zwar auch hier nicht etwa deshalb, weil

die Aussprüche des Römischen Rechts über diesen Gegen­

stand dunkel oder zweideutig wären,

sondern weil hierin

unser Rechtszustand von dem Römischen durchaus verschie­

den ist, die Lebenserfahrung also nicht schon als Schutz gegen eine unrichtige Auffaffung der Begriffe dienen kann.

Da

nun der eben erwähnte Ausdruck an sich leicht dahin führt,

ihn von dem Geburtsort zu verstehen, so hat sich dieser letzte Begriff bei den neueren Rechtslehrern häufig Geltung

verschafft, auch bei denen, die daneben die wahre Bedeutung der origo aus den Quellen deS Römischen Rechts an­ geben (a).

Der bloße Geburtsort an sich aber ist ein höchst

zufälliger Umstand,

ohne allen juristischen Einfluß.

Bevor nun der wahre Sinn jener Kunstausdrücke fest­ gestellt werden kann, muß bemerklich gemacht werden, daß

die praktische Bedeutung derselben keineswegeö auf die Ent-

(a) Voet. ad Fand. V. 1. §.91. „Est autem originis locus, in quo quis nahes est, aut nasci debuit, licet forte re ipsa alibi natus esset, matre in peregrinatione parturiente “ Durch den Zusatz wird allerdings den nachtheiligen Folgen des fal­ schen Grundbegriffs entgegen ge­

arbeitet; die folgenden Atlegate aber erwähnen, daß hierin die Meinungen schwankend seien. Eben so ist Glück B. 6 §511 schwan­ kend und verworren, indem mitten in die richtigen Angaben immer wieder der Geburtsort hinein spielt.

42 Buch 111. Herrschaft der Rechtsregel». Kap. I Örtliche Gränzen

als auf eine vereinzelte

scheivung unsrer Collisionsfrage, Folge,

eingeschränkt

diese Entscheidung

werden darf, selbst

sondern daß vielmehr

nur als einzelnes Stück eines

größereil Zusammenbanges aufgefaßt werden darf.

Jeder Einzelne nämlich ist in den Verhältnissen des öffentlichen Rechts

Verpflichtung

Ganzen,

dem

zu er

in einer denken.

zweifachen Abhängigkeit oder Erstlich

als Bürger

zu

dem Staate im

und Unterthan angehört.

Zweitens zu irgend einem engeren,

örtlichen Kreise (nach

Römischer Verfassung einer Stadtgemeinde), der ein organischeS Glied jenes größeren Ganzen bildet. keit von diesem

demselben,

engeren Kreise,

Die Abhängig­

der Zusammenhang mit

erscheint in mannichfaltigen wichtigen Folgen;

nach Römischem Recht bald in der Verpflichtung zu städti-

schen Lasten (munera); tische Obrigkeiten;

bald in dem Gehorsam gegen städ­

bald in dem städtischen positiven Recht,

welches als daö persönliche Recht dieses Einzelnen anzu­ sehen ist.

Der Gehorsam gegen die örtlichen Obrigkeiten zeigt sich

in dem Gerichtsstand, dem jeder Einzelne regelmäßig unter­

worfen ist, dem formn ori^inis und forum domicilii.

Das örtliche positive Recht endlich, als daö persönliche

Recht jedes Einzelnen, war die Veranlassung, diesen Ge­

genstand

schon an dieser Stelle vorläufig zur Sprache zu

bringen;

eö sollte namentlich schon im Eingang auf den

Zusammenhang zwischen dem Gerichtsstand und dem per-

§. 350.

Ongo und domicilium

Einleitung.

sönlichen Recht (formn und lex originis,

43

formn und lex

domicilii) aufmerksam gemacht werden (b).

soll

Nach dieser Vorbemerkung

nunmehr sowohl die

wabre Bedeutung von origo und domicilium im Römischen

Recht, als daS praktische Verhältniß dieser beiden Begriffe zu einander,

festgestellt werden.

damit also,

daß

Es verhält sich nämlich

für >eden Einzelnen durch

origo und

domicilium bestimmt wird: 1. Die Verpflichtung zur Tbeilnabme an städtischen Lasten

(inunera).

Der Gehorsam gegen die städtischen Obrigkeiten, ins­

2

besondere der davon abhängende persönliche Gerichts­

stand.

3.

Das auf ihn anwendbar« eigenthüniliche Recht einer

Stadt als Eigenschaft seiner Person. Und zwar werden diese Wirkungen hervorgebracht bald

von den beiden oben bezeichneten Verhältnissen (origo und domicilium) neben einander,

so daß sie an zwei verschie­

denen Orten zugleich eintreten können, bald von einem der­ selben allein.

Alles Dieses soll nunmehr näher bestimmt

werden.

(b)

Es

gesunden

darf

werden,

mcht

anstößig

daß

hier von

und Bezeichnung ist erst im Fort­ gang

der

Untersuchung

möglich,

diesen Dingen m so allgemeinen,

und zwar sowohl für das Römi­

abstracten Ausdrücken gesprochen wird. Die genauere Bestimmung

sche Recht, als für das heutige.

44 Buch 111 Herrschaft der RrchtSregel«. Kap. I Örtliche Gränzen.

§.

351.

D>e Römische Lehre von origo und domicihum.

1. Origo.

Gemeinsame Quellen für origo und domicilium.

Ilio. L. 1

(ad municipalem et de incolis), und L. 4. (de

muncribus et honoribus).

Cou. X. 38. (de municipibus et originariis), und X. 39

(de incolis.

et ubi quis domicilium habere videtur,

et de bis, qui studiorum causa in alia civitate degunt).

Zur Zeit der ausgebildeten Römischen Verfassung gegen daS Ende der Republik und in den ersten Jahrhunderten

der Kaiserregierung, war der Zustand der einzelnen Bestand­

theile des Römischen Reichs folgender (a). Ganz Italien, außer der Stadt Rom, bestand aus einer großen Zahl von Stadtgemeinden, Cololiieen,

meinden

meist Municipien und

nebst einigen untergeordneten Klaffen von Ge­ Jede

derselben

hatte eine mehr

oder

weniger

selbstständige Verfassung, mit eigenen Obrigkeiten, mit Ge­ richtsbarkeit, und selbst mit besonderer Gesetzgebung (§347d.).

Der

ganze Boden von Italien also,

mit Ausnahme der

Stadt Rom und ihres besonderen Gebietes,

Gebieten dieser Städte enthalten,

war in den

und alle einzelne Ein-

(a) Vgl. Savlguy Geschichte de« Römischen Recht« im Mittel­ alter. B. 1. Kap. 2.

§. 351.

Origo und domicilium I. Origo.

45

wohner von Italien waren Angehörige entweder der Stadt

Rom, oder irgend einer dieser städtischen Gemeinden. Die Provinzen dagegen hatten ursprünglich sehr ver­ schiedene Verfassungen.

Indessen wurden sie allmälig immer

mehr der Städteverfassung von Italien angenähert,

wenn

gleich diese nicht so vollständig und eingreifend in ihnen

durchgeführt wurde.

Zur Zeit der

großen Juristen,

im

zweiten und dritten Jahrhundert unsrer Zeitrechnung, konnte

man den so eben für Italien aufgestellten Grundsatz fast

auf das

ganze Reich anwenden:

der Boden des Reichs

war fast ganz in bestimmten Stadtgebieten enthalten,

und

die Einwohner des Reichs waren nunmehr Angehörige ent­

weder der Stadt Rom, oder irgend einer anderen städtischen Gemeinde (b).

Die Stadtgemeinden führen den civitates oder respublicae (c). heißt territorium,

gemeinsamen Namen

Das Gebiet

auch wohl regio (d).

jeder Stadt

Jedes städtische

Gebiet, und die demselben angehörende Gemeinde, umfaßte

(b) In wiefern fie auch beides zugleich seyn konnten, späterhin sogar sein mußten, wird weiter unten festgestellt werden. (c) S. o. B. 2 § 87. Auch municipes, als collectiver Aus­ druck, wird häufig gebraucht, um die Gemeinde selbst, als juristische Person, zu bezeichnen; der Aus­ druck steht dann für municipium, welches letzte aber gerade in dieser abstrakten Bedeutung (für Städte

jeder Art) nicht üblich lft (§ 352. f- g). • (d) Territorium. L. 239 § 8 de V. S. (50.16), L. 20 dejurisd (2.1), L. 20 de jud. (5. 1), L 53 C. de decur (10. 31). — Regio. Siculus Flaccus de condicionibus agrorum, gleich im Anfang der Schrift, p. 135 der Gromatici veteres ed Lach­ mann Berol. 1848.

46 Buch 111. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. örtliche Gränzen,

zugleich die in dessen Gränzen befindlichen viel (e), so wie die darin einzeln liegenden Höfe, in welchen zu allen Zeiten ein so großer Theil der Bevölkerung von Italien enthalten

Aus diesem Grunde eben läßt stch behaupten, daß

war.

saft der gesammte Boden des Reichs in einer großen Zahl von Stadtgebieten aufging.

Es ist nunmehr zu bestimmen, wie jeder Einzelne An­

gehöriger einer Stadtgemeinde wird,

also zu ihr in ein

bestimmtes Verhältniß der Abhängigkeit tritt

schieht aus zweierlei Weise:

Dieses ge­

erstlich durch das Bürger­

recht der Gemeinde (origo), zweitens durch den Wohn­

sitz in dem Stadtgebiet (domicilium). I

Bürgerrecht.

Das Bürgerrecht wird erworben durch folgende That­

sachen:

Geburt,

Adoption,

Freilassung,

Auf­

nahme (f).

1

Geburt (origo, nativitas) (Note f.).

Diese Entstehungsart ist völlig unabhängig von dem freien Willen Desjenigen, der dadurch der Stadt angehört.

Sie ist die regelmäßige und häufigste, und daher wird ganz gewöhnlich der Name derselben gebraucht,

(e) L. 30 ad mun. (50.1). In der älteren Zeit gab es auch vici, die eine eigene res publica hatten Festus v. vici. (f) L 1 pr ad man. (50.1). „Municipem aut nativitas facit.

aut munumissio, aut adoptio". L. 7 C. de incolis (10. 39) „Cives quidem origo, manumissio, allectio, vel adoptio, incolas vero . domicilium facit“

8- 351.

Origo und domicilium. I. Origo.

um das Bürgerverhältniß selbst,

47

das dadurch ent­

steht, zu bezeichnen (g).

Es ist damit gemeint die Erzeugung in einer

rechtsgültigen Ehe, wenn der Vater selbst das Bür­ gerrecht hat (li).

Die Vaterstadt der Mutter ist

dabei in der Regel ohne Einfluß, jedoch hatten einige

Städte das besondere Privilegium,

daß auch das

Bürgerrecht der ihnen angehörenden Frauen auf die

ehelichen Kinder derselben übergehen

sollte (i). —

Uneheliche Kinder sollten durch origo das Bürger­ recht in der Vaterstadt der Mutter erwerben (k). 2. Adoption (Note s.). Dadurch wird das angeborne Bürgerrecht nicht auf­ gehoben, sondern der Adoptivsohn hat nunmehr ein

zweifaches Bürgerverhältniß, welches auch auf dessen

Kinder forterbt (I). — Die Emancipation des Adop­

tivkindes aber zerstört jede Wirkung der Adoption, und so auch diese dem öffentlichen Rechte angehö­ rende Wirkung (in).

(g) L. 6 pr. § 1. 3. L. 9 ad mun. (50.1). L. 15 § 3 e.od. (jus originis). — Andere, aller­ dings genauer redende, Stellen nennen das Rechtsverhältntß (dessen Entstehung nur die origo ist, und zwar nicht immer) patria oder civitas. L. 27 pr. L. 30 eod. (h) L. 1 § 2. L. 6 § 1 ad mun. (50.1). L. 3 C. demunic. (10 38).

(i) L.l §2 admun. (50.1) ES ist nicht klar, ob nun das Kind nur ui der Vaterstadt der Mutter Bürger sein sollte, oder in beiden Städte». Das Letzte ist wohl a» sich wahrscheinlicher. (k) L.l § 2. L. 9 ad mun (50. 1). (l) L. 15 § 3. £.17 § 9 ad mun (50. 1). (m) L 16 ad mun. (50. 1).

48 Buch UI. Herrsch ast der Rechtsregeln. Kap. I. Örtlich« Gränzen. 3. Freilassung (Rote f). Der

freigelassene

Recht haben.

Sklave konnte kein

angebornes

Dagegen erwarb er durch die Frei­

lassung das Bürgerrecht in der Vaterstadt des Pa­

trons, welches dann wiederum auf seine Kinder forterbte.

Hatte der Patron ein mehrfaches Bürger­

recht, oder wurde ein gemeinschaftlicher Sklave meh­ rerer Herren von diesen freigelassen, so konnte auch

durch die Freilassung

ein

mehrfaches Bürgenecht

entstehen (n). 4. Aufnahme (allectio) (o).

Darunter ist zu verstehen die freiwillige Gewährung

des Bürgerrecht- von Seiten der städtischen Behörde, an deren Zulässigkeit ohnehin nicht zu zweifeln sein

würde,

auch wenn

sie nicht ausdrücklich bezeugt

wäre.

(n) L. 6 $ 3. L. 7. L. 22 pr. L. 27 pr: L. 37 $ 1 ad mun. (50. 1), L. 3 § 8 de niun. (50. 4.), L. 2 C. de municfp. (10. 38). — Ueber den Tert und den Sinn der L. 22 pr ad mun. vgl. Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft B. 9 S. 91 — 98. — Der Erwerb des Stadt­ bürgerrechts durchFreilaffung konnte aber nur behauptet werden von einer vollgültigen Freilassung. Die dediticii wurden nicht Bürger in der Stadt ihres Patrons (§ 356),

und eben so Wohl auch die Latini Juniani. (o) L. 7 C. de incolis (10.39) „allectio vel adoptio“/ Daß in einigen Hss. vel fehlt, in an­ deren dafür atyue steht, hat keinen Einfluß auf den Sinn. Wichtiger ist die Variante: allectio id est adoptio, welche CujaciuS aus Hss. anführt, ohne sie zu billigen (in 111. libros, opp. II. 737). Dadurch würde die Aufnahme als eine besondere Erwerbungsart ganz beseitigt, welche zu bezweifeln jedoch gar kein Gnmd vorhanden ist.

§. 351.

Origo und domicilium.

I. Origo.

49

Aufgehoben wurde das Bürgerrecht mit seinen Folgen nicht durch den einseitigen Willen der Personen, die durch

irgend eine der hier angegebenen Thatsachen in dasselbe ein­

getreten waren (p). — Durch rechtsgültige Ehe in einer

sremden Stadt trat die Ehefrau zwar nicht eigentlich aus dem angebornen Bürgerverhältniß aus; allein sie war, wäh­

rend der Dauer der Ehe,

von den damit verbundenen per­

sönlichen Lasten (nntnera) befreit (q). — Eine ähnliche Be­ freiung von persönlichen Lasten,

ohne gänzliche Zerstörung

des angebornen Bürgerrechts, galt

für den Stadtbürger,

der zur Würde eines Senators des Römischen Reichs er­

hoben wurde, so wie für dessen Nachkommenschaft (r); des­ gleichen für jeden Soldaten, so lange sein Dienstverhältniß dauerte (s).

der

AuS den hier aufgestellten Regeln folgt

wichtige

Satz, daß nicht selten eine und dieselbe Person zu mehreren

Städten des Römischen Reichs gleichzeitig in einem wahren Bürgerverhältniß stehen konnte, also die Rechte einer jeden

dieser Städte vereinigte, und die Lasten einer jeden zu tra­

gen hatte st).

So konnte zu dem angeborenmBürgerrecht

(p) £. 6 pr. ad mun. (50.1), £. 4. 5 C. de municip. (10. 38). — Eine Entlassung durch die Stadt­ behörde mußte ebenso gut eintreten können, als die Aufnahme durch dieselbe. (q) £. 37 § 2. £.38 §3 ad mun. (50. 1). £. 1 C. de muner.

(10. 62).

VIII.

(r) L.%3pr. £.22 $4.5 ad mun. (50. 1). (s) £.3 §1. muner. (50 4).

L. 4 83 de

(t) Dieser Satz scheint im Wi­ derspruch zu stehen mit Cicero pro Balbo Cap. II. „ Duarum civitatum civis esse nostro jure 4

50 Buch M. Herrschaft der Recht-regeln. Kap.!. örtliche Gränzen,

ein späteres durch Adoption oder Aufnahme taten, welche beide neben einander bestanden (Note 1).

Und eben so konnte

der stetgelassene Sklave gleich Anfangs in ein mehrfaches

Bürgerverhältniß durch

die Freilassung

gebracht

werden

(Note n). Auf der anderen Seite aber war es denkbar, daß Je­

mand in keiner Stadt ein Bürgerverhältniß hatte, obgleich dieser Fall gewiß nicht häufig vorkam.

Er mußte eintre­

ten, wenn ein Ausländer als Einwohner in das Römische

Reich ausgenommen wurde,

ohne durch Aufnahme Bürger

irgend einer einzelnen Stadt zu werden (Note o); eben so,

wenn der Bürger irgend einer Stadt aus dem städtischen

Verband derselben entlassen wurde (Note p),

ohne in eine

andere Bürgergemeinde ausgenommen zu werden;

endlich

auch bei den Freigelassenen der untersten Klasse,

welche

dedititiorum numero waren,

und keiner Gemeinde ange­

hörten (u).

§. 352. Die Römische Lehre von I

Origo.

Die ursprüngliche

große

origo

und

domicilium.

(Fortsetzung.)

Verschiedenheit der Städte­

verfassung in Italien und den Provinzen könnte leicht zu

civili nemo potest.“ dieser Stelle Städten

ist

außer

Allein in

die Rede

dem

von

Römischen

Staate, di« al« souveräne Staaten

neben sprechen

demselben

standen.

halb de« Römischen Reich«. (u)

Wir

von den Städten inner

Ulpian. XX §14.

50 Buch M. Herrschaft der Recht-regeln. Kap.!. örtliche Gränzen,

ein späteres durch Adoption oder Aufnahme taten, welche beide neben einander bestanden (Note 1).

Und eben so konnte

der stetgelassene Sklave gleich Anfangs in ein mehrfaches

Bürgerverhältniß durch

die Freilassung

gebracht

werden

(Note n). Auf der anderen Seite aber war es denkbar, daß Je­

mand in keiner Stadt ein Bürgerverhältniß hatte, obgleich dieser Fall gewiß nicht häufig vorkam.

Er mußte eintre­

ten, wenn ein Ausländer als Einwohner in das Römische

Reich ausgenommen wurde,

ohne durch Aufnahme Bürger

irgend einer einzelnen Stadt zu werden (Note o); eben so,

wenn der Bürger irgend einer Stadt aus dem städtischen

Verband derselben entlassen wurde (Note p),

ohne in eine

andere Bürgergemeinde ausgenommen zu werden;

endlich

auch bei den Freigelassenen der untersten Klasse,

welche

dedititiorum numero waren,

und keiner Gemeinde ange­

hörten (u).

§. 352. Die Römische Lehre von I

Origo.

Die ursprüngliche

große

origo

und

domicilium.

(Fortsetzung.)

Verschiedenheit der Städte­

verfassung in Italien und den Provinzen könnte leicht zu

civili nemo potest.“ dieser Stelle Städten

ist

außer

Allein in

die Rede

dem

von

Römischen

Staate, di« al« souveräne Staaten

neben sprechen

demselben

standen.

halb de« Römischen Reich«. (u)

Wir

von den Städten inner

Ulpian. XX §14.

$. 352.

I. Origo. (Forts)

Origo und domicilium.

51

der Annahme verleiten, daß die hier vorgrtragenen Regeln

über die Stadtgebiete und das Stadtbürgerrecht nur in

Italien, nicht in den Provinzen,

Geltung gehabt hätten.

In der That aber war hierin fast gar kein Unterschied.

Die Stadtgebiete (territoria) waren in fast allen Pro­ vinzen (a) eben so abgegränzt,

wie in Italien.

Diese

Gränzen, so wie der Einfluß derselben auf die Verpflich­ tung zu städtischen Lasten, namentlich in den zu den Städtm

gehörenden Dörfern,

gaben auch

selten Anlaß zu Prozessen.

in den Provinzen nicht

Nur darin wird ein Unterschied

bemerkt, daß in manchen Provinzen, namentlich in Afrika,

die Stadtgebiete nicht den ganzen Boden des Landes er­

schöpfen, indem hier im Besitz mancher Privatpersonen, auch des Kaisers, sehr ausgedehnte, zur Weide benutzte, Land­

strecken (saltus) waren, die ganz für sich bestanden, und zu keinem Stadtgebiete gehörten (b).

Die oben vorgetragene Lehre von dem Stadtbürgerrecht, welches durch Geburt, Freilassung u. s. w. entstand, wird

von den alten Juristen in Anwendung auf Provinzialstädte,

(a) Es muß nämlich Aegypten ausgenommen werden, welches in jeder Hinsicht eine durch große Be­ schränkungen ausgezeichnete Ver­ fassung hatte. So war daselbst kein Proconsul oder Proprätor, sondern nur ein praefectus Au­ gustalis von geringerem Rang. (Dio Cass. 51. 17, 53. 13, Tacitus hist. 1.11, Digest. 1.17).

Eben so aber gab es daselbst nur Districte (Nomen), keine Stadt­ gemeinden, und nur in Alexandrien sand sich ein Bürgerrecht (Plinius epist. X. 5. 22. 23). (b) Agennius ühbicus de controversiis agrorum p. 84.85 der Gromatici veteres ed. Lach­ mann Berol. 1848.

52 Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen, ganz ohne Unterschied von den Italienischen Städten, vor­ Eben so auch die Anwendung dieses Rechts

getragen (c).

auf die städtischen Lasten, so wie auf die einzelnen Befrei­

ungen von diesen Lasten (vacatio und immunitas) (d). So vielfachen und unzweideutigen Zeugnissen gegen­

über würde mit Unrecht

eine Stelle des Ulpian

gel­

tend gemacht werden, zum Beweise, daß in den Provinzen überhaupt kein jus originis, sondern nur allein das domi-

cilium, beachtet worden wäre (e).

Hieran schließt sich folgende, zum Verständniß unserer

Rechtsquellen nicht unwichtige, Bemerkung über den Sprach­ gebrauch,

welche die Bedeutung der Ausdrücke municipium

und municeps

zum Gegenstand

hat. —

Die ursprüng­

liche Bedeutung dieser Ausdrücke ist nicht blos in neueren

L. 37 pr. ad

lich nur von einer ganz einzelnen

mun. (50.1) (Ilium, Delphi, PontuS). L. 2 C. de municip.

Anwendung verstanden werden sollte,

(c)

L. 1 § 2.

(10. 38) (Aquitanische Städte). L. 7 § 10 de interd. et releg. (48. 22). (d) L. 8 pr

vacat.(50. 5),

die nur jetzt nicht mit Sicherheit zu ermitteln ist. Vgl. über diese

Stelle:

Gundlingiana

N. 2 S. 34—43

L. 10 § 1 de L. 5 §

1 de j

immunitatis (50. 6). (e) L. 190 de V. S. (50.16) „Provinciales eos accipere de

St. 31

Conradi par-

erga p. 488—506. Hollweg Versuche- S. 6. — Bei dem Ehe­ verbot

den

zwischen

Römischen

Provinzialbeamten und den Pro

bemus, qui in provincia domi-

vinzialinnen heißt es in L. 38 pr de ritu nupt. (23. 2) gerade um­

cilium haben!, non eos, qui in provincia oriundi sunt“ Diese

ibi domicilium habendem uxo-

gekehrt:

„ inde

oriundam,

vel

Stelle, wie so viele andere desselben

rem ducere non polest", wobei

Titels, hat nur in den Digesten

es

einen falschen Schein von Allge­

Manche

meinheit, anstatt daß sie ursprüng­

erklären wollen.

ganz

willkürlich das vel

wenn

ist,

durch

id

est

§. 352.

Origo und domicilium.

I. Origo. (Forts.)

53

Zeiten bestritten und zweifelhaft, sie war eS auch schon bei Die Zweifel sind dabei theils .sprach­

den Römern selbst.

licher, theils sachlicher, also geschichtlicher Art (f).

Wir

können aber für unsern Zweck diese schwierige Untersuchung

auf sich beruhen lassen, da sich späterhin der Sprachgebrauch

in folgender Weise unzweifelhaft festgestellt hat.



Seit

ver Lex Julia über das allgemeine Bürgerrecht von Italien die regelmäßige Bezeichnung der Einen

war municipium

Hauptklasse Italischer Städte, der Städte nämlich, die nicht

von Rom

aus

als Gemeinden

zuerst begründet worden

im Gegensatz der anderen Hauptklasse,

waren,

niae (g).

der colo-

Der Name municipium, der allerdings auch in

den Provinzen nicht selten ist,

wurde aber auf die Pro­

vinzen keinesweges allgemein übertragen, zu der Zeit, als

die Civität dem ganzen Reiche, also allen Städten, mitge­ theilt wurde.

Sollte nun eine Stadtgemeinde überhaupt

bezeichnet werden,

ohne Unterschied zwischen Munieipien

und Colonieen, zwischen Italien wurden dafür regelmäßig

und den Provinzen, so

die Ausdrücke

respublica und

civitas gebraucht. — Municeps aber erscheint bei den alten

Dgl. besonders Nieb'uhr

palis (tabulajHeracleensis ) ist

Rönnsche Geschichte B. 2 S. 56 —

die regelmäßige, stets wiederkehrende,

Außer­

dem rft zu benutzen ein Programm

Aufzahlung der Stadtgemeinden in Italien folgende: municipium,

von Rudorfs, welche- als Vor­

colonia, praefectura,

(f)

88. der dritten.Ausgabe.

Forum,

LectionS-

conciliabulum ( Haubold mo-

Katalogl der Berliner Universität,

numenta legalia N. XVI); fast

Wintersemester 1848, abgedruckt ist.

eben so in der Ler Rubria (und.

rede

(g)

zum

lateinischen

In der Ler Julia munici-

N. XXI).

54

Buch 111. Herrschaft bet Recht-regetu. Kap. I. Örtliche Gränzen

Juristen als die gemeinsame Bezeichnung eines jeden StadtbürgerS, ohne Rücksicht auf die eben erwähnten Unterschiede,

also eben so allgemein, wie die für das Ganze gebrauchten Ausdrücke respublica und civitas

(h).

Für diese ver­

schiedenartige Ausdehnung beider an sich verwandter Aus­ drücke läßt sich auch

ein befriedigender Grund angeben.

Wollte man etwa nur die Stadtbürger in den eigentlichen Municipien municipes nennen, so wäre für die Stadtbür­

ger überhaupt kaum ein anderer Name übrig geblieben, als civis (i), analog mit civitas, worunter wirklich jede Stadt-

(h) L. 1 $ 1 ad mun. (50. 1) „Et proprie quidem municipes appellantur muneris participes, recepti in civitatem, ut munera nobiscum facerent; sed nunc abusive municipes dicimus suae cujusque civitatis cives, utputa Campanos, Puteolanos. (Im § 2 wird derselbe Sprachgebrauch angewendet auf Jlium und Delphi). Eben so in L. 23 pr. eod. — Das abusive hat hier eine doppelte Bedeutung. Erstlich (wovon Ulpian zunächst spricht) im Gegen­ satz der oben im Tert erwähnten ursprünglichen, alterthnmlichen Be­ deutung, die in den vorhergehenden Worten des Ulpian angedeutet ist. Zweitens aber auch in der anderen Bedeutung, daß Municeps nicht blos auf Municipien angewendet wurde, sondern auch auf Colonieen und Provinzialstädte. Diese letzten kommen im §2 vor; Puteoli aber war seit Nero durchaus Colonie.

Tacitus ann. XIV 27. — Zn der ersten Beziehung findet sich der abusive Sprachgebrauch (muni­ ceps für civis überhaupt) schon bei Cicero ad kam. XIII. 11 „meos municipesArpinates“ pro Cluentio 16 „municipum suorum dissimillimus“ und de legibus II. 2. Sehr genau unterscheidet noch die Ler Julia municipaliS lin. 145 (Haubold pag 129) municipes, coloni und qui ejus praefecturae erant (vgl. lin 159 —163). Und dennoch mag gerade dieses Gesetz die spätere allgemeine Bedeutung deS Aus­ drucks municipes vorzugsweise be fördert haben, da dasselbe die Ztalischen Stadtbürger aller Klaffen gemeinschaftlich umfaßte, und zu­ gleich den Namen Lex Julia municipalis führte (i) So kommt dieser Ausdruck in der That vor in L. 7 C. de incolis (10. 39).

§. 352.

Origo und domicilium.

I Origo. (Forts.)

gemeinde ohne Unterschied verstanden wurde.

55

Allein der

Ausdruck civis war hier weniger brauchbar, weil er in der

Klassifikation der cives, latini, peregrini, eine für die alten

Juristen allzu wichtige und unentbehrliche Stellung hatte, um noch für einen andern Zweck verwendet

zu werden,

welches zu mancher Zweideutigkeit geführt haben würde.

So ist also municeps der allgemeine Ausdruck gewor­ den,

für jeden Inhaber irgend eines

Stadtbürgerrechts

außer Rom, also für alle diejenigen Personen, deren gemein­

same Angehörigkeit an eine Stadtgemeinde außerdem sehr gewöhnlich mit origo oder auch patria bezeichnet wird.

Eine sehr eigenthümliche Ausdehnung erhielt die aus

das Bürgerrecht gegründete Angehörigkeit an eine Stadtge­ meinde, seitdem die Römische Civität durch die Ler Julia an ganz Italien, durch eine Verordnung von Caracalla

auch an alle Provinzen,

gegeben worden war.

die Römische Civität, ihrem Urbegriff nach,

Denn da

das Bürger­

recht der Stadt Rom war, so hatten nunmehr fast alle

Stadtbürger in Italien und in den Provinzen, die ohnehin schon ein mehrfaches Bürgerrecht zufällig haben konnten (§ 351), mindestens ein zweifaches Bürgerrecht: das ihrer

eigenen Stadt, und das der Stadt Rom.

Diese doppelte

patria wird dann auch in ganz verschiedenen Zeiten aus-

56 Buch ni. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. Örtliche Gränzen, drücklich anerkannt (k).



Indessen war dieses Verhält­

niß von minderer Wichtigkeit, als man ihm auf den ersten

Blick zuschreiben

möchte.

Bei dem Stadtbürgerrecht von

Rom kamen die in andern Städten wichtigen städtischen

Lasten und Verpflichtungen (munera) wenig in Betracht, da

für diese Zwecke in Rom meist auf andere Weise gesorgt

war. — Der auf das Stadtbürgerrecht

gegründete Ge­

richtsstand (forum originis) vor den Gerichten der Stadt

Rom war allerdings auch für die Bürger anderer Städte vorhanden, jedoch nur unter großen Einschränkungen.

Er

galt nur, wenn diese Bürger sich zufällig in Rom aufhiel­

ten, und auch dann nur unter dem Vorbehalt zahlreicher

Ausnahmen, die unter dem gemeinsamen Namen des jus revocandi^domum begriffen werden (1).



Was endlich

die Anwendung deS örtlichen Rechts der Stadt Rom auf

die Personen der Bürger anderer Städte betrifft (also das eigentliche Ziel unsrer ganzen gegenwärtigen Untersuchung), so kann davon erst weiter unten (§ 357) in einem größeren

Zusammenhang geredet werden.

ES würde jedoch unrichtig sein,

der hier erwähnten

neuen Combination den Sinn beizulegen,

(k) Cicero de legibus 11.2 „omnibus municipibus duas esse censeo patrias, unam naturae, alteram civitatis . habuit alteram loci patriam, alteram juris.“ — L.33 admun. (50.1) (Modestinus) • „ Roma communis nostra patria est“.

als ob nun in

Cicero spricht nur von Stadt­ bürgern au» Italien (municipes), Modestin spricht ganz allgemein, (nostra); jeder nach dem Recht« seiner Zeit. (1) L. 28 § 4 ex'quib. caus. (4. 6), L. 2 § 3—6 de jud. (5. 1), L. 24—28 end.

§ 352.

57

I. Origo. (Forts.)

Origo und domicilium.

der That alle freie Einwohner jbeö Römischen Reichs min­ destens das Stadtbürgerrecht von Rom (als cives Romani)

Denn es gab auch

hätten haben müssen

nach der Ver­

ordnung des K. Caracalla über die Civität noch immer eine nicht geringe Zabl von Personen, die tn niedere Klas­ sen neu eintraten, und durch welche also diese Klassen stets

erhalten wurden:

theils indem durch unvollständige Frei­

lassung neue Latini und peregrini entstanden (in), theils

von

durch Einwanderung

Ausländern

in

das Römische

Reich, welchen nicht gerade auch die Civität neben ihrer Aufnahme alö Unterthanen ertheilt wurde.

So bleibt also für alle Zeiten der oben (§ 351) aus­

gestellte Satz wahr,

daß

freie

Einwohner des Römischen

Reichs ohne alles Bürgerverhältniß zu irgend einer Stadt

sein

konnten,

wenngleich

freilich

die Anwendung

dieses

Satzes im Lause der Zeit seltener und unbedeutender wurde.

§ 353. Die Römische

Lehre II.

von origo

und domicilium.

Domicilium.

Quellen (s. o. § 350).

Schriftsteller:

Lauterbach de domicilio 1663 (Diss. Vol. 2. N. 72.).

(m) Erst Justinian hob diese unvollständigen Freilassungen auf (Cod. VII. 5. 6), deren Wirkungen also bis auf ihn fortgedauert hatten,

und zwar sowohl in den auf solche Weise freigelassenen Sklaven selbst, als in den Nachkommen derselben,

§ 352.

57

I. Origo. (Forts.)

Origo und domicilium.

der That alle freie Einwohner jbeö Römischen Reichs min­ destens das Stadtbürgerrecht von Rom (als cives Romani)

Denn es gab auch

hätten haben müssen

nach der Ver­

ordnung des K. Caracalla über die Civität noch immer eine nicht geringe Zabl von Personen, die tn niedere Klas­ sen neu eintraten, und durch welche also diese Klassen stets

erhalten wurden:

theils indem durch unvollständige Frei­

lassung neue Latini und peregrini entstanden (in), theils

von

durch Einwanderung

Ausländern

in

das Römische

Reich, welchen nicht gerade auch die Civität neben ihrer Aufnahme alö Unterthanen ertheilt wurde.

So bleibt also für alle Zeiten der oben (§ 351) aus­

gestellte Satz wahr,

daß

freie

Einwohner des Römischen

Reichs ohne alles Bürgerverhältniß zu irgend einer Stadt

sein

konnten,

wenngleich

freilich

die Anwendung

dieses

Satzes im Lause der Zeit seltener und unbedeutender wurde.

§ 353. Die Römische

Lehre II.

von origo

und domicilium.

Domicilium.

Quellen (s. o. § 350).

Schriftsteller:

Lauterbach de domicilio 1663 (Diss. Vol. 2. N. 72.).

(m) Erst Justinian hob diese unvollständigen Freilassungen auf (Cod. VII. 5. 6), deren Wirkungen also bis auf ihn fortgedauert hatten,

und zwar sowohl in den auf solche Weise freigelassenen Sklaven selbst, als in den Nachkommen derselben,

58 Buch UI. Herrschaft der Mcht-ttgeln. Kap. I örtlich« Gränzen Thomasius de vagabundo (Diss. Vol. 1. N. 3.). Glück B. 6. § 512—515.

Kierulff B. 1. S. 122 — 128.

Der zweite Grund, wodurch der Einzelne Angehöriger

einer Stadtgemeinde werden konnte,

war, der

Wohnsitz

(domicilium) (a). Als Wohnsitz eines Menschen ist derjenige Ort zu be­

trachten, welchen derselbe zum bleibenden Aufenthalt, und dadurch zugleich zum Mittelpunkt seiner Rechtsverhältnisse und Geschäfte frei gewählt hat (b). — Der bleibende Aufenthalt schließt aber weder eine vorübergehende Abwe-

(a) Wohnsitz halte ich für bezeichnender und darum besser als Wohnort;

eine verschiedene

Bedeutung beider Ausdrücke aber (Liude § 88 Note 1) kann ich

nicht einräumen.

Die Verschieden­

heit vom bloßen Aufenthalt wird sogleich

erwähnt

und

näher be­

stimmt werden. — Die Lehre vom domicilium wird hier, eben so wie die von der origo, allerdings

zunächst in ihrem Zusammenhang nut dem R. R

Da

feftgestellt.

sich aber unten zeigen wird, daß im heutigen Recht das domicilium in

den

Hauptpunkten

dieselbe

Stellung wie im R. R. einnimmt, so

schien

es

zweckmäßig,

dabei

gleich hier auch den heutigen Rechts­ zustand jmt zu berücksichtigen.

(b) L. 7 C. de incolis (10. 39) (s. o. § 350. f) ,, , lncolas vero domicilium facit Et iu eo loco singulos habere domicilium non ambigitur, ubi quis larem rcrumque ac fortunarum suarum summam constituit, linde rursus non sit discessurus, si nihil avocet, unde quum profectus est, peregrinari videtur, quo si rediit, peregrinari jam destitit.“ — L. 203 de V. S. (50. 16) „ . Sed de ea re constitutum esse, eam domum unicuique nostrum debere existimari, ubi quisque sedes et tabulas haberet, suarumque rerum constitutionem fecisset“.

§. 353.

Origo und domicilium.

II. Domicihum.

59

senheit aus, noch eine künftige Abänderung, deren Vorbe­

halt vielmehr von selbst verstanden wird; es ist damit nur ^gemeint,

daß nicht schon jetzt die Absicht auf vorüberge­

hende Dauer vorhanden sein darf.

DaS domicilium, wie die origo,

begründete die Ange­

hörigkeit an eine bestimmte Stadtgemeinde,

bezog sich also

stets auf ein bestimmtes Stadtgebiet (c), und umfaßte da­ her nicht nur die Bewohner der eigentlichen Stadt selbst, sondern auch die Bewohner der zu diesem Gebiete gehören­

den Dörfer und einzelnen Höfe (coloniae) (d). Für die Personen, einer Stadtgemeine

die auf diesem Wege Angehörige

geworden waren,

ist die regelmäßige

Bezeichnung: Incola (e). — Die zwei verschiedene Gründe aber,

wodurch eine solche Angehörigkeit begründet werden

konnte «Bürgerrecht und Wohnsitz), werden durch folgende gegensätzliche Ausdrücke unterschieden:

(c) L. 3. 5. 6 C de incolis (10. 39). (d) L 239 §2 de FS. (50.16) ,, Nec tantem hi, qui in oppido morantur, incolae sunt, sed etiam qui alicujus oppidi finibus ila agrum hab ent, ut in eum so, quasi in aliquant sedem, recipiant.“ Scheinbar wider­ sprechen L 21 § 1 L.3$admun. (50. 1), welche dem Bewohnereiner colonia nur dann das do­ micilium der Stadt zuschreiben wollen, wenn er durch überwie­ genden Aufenthalt in der Stadt auch die Vortheile und Annehm­

lichkeiten derselben genieße. Diese Einschränkung beruht aber ohne Zweifel nur auf einem ungenauen Ausdruck, und geht eigentlich nicht auf das domicilium an sich, sondern nur auf eine einzelne Wirkung desselben, die Theilnahme an gewissen Arten von städtischen Lasten. Denn daß die Bewohner der coloniae ihren Gerichtsstand vor den städtischen Obrigkeiten hatten (Forum domicilii), wurde gewiß von Niemand bezweifelt. Vgl. unten § 355. m. (e) L. 5. 20 ad mun. (50.1), L. 239 §2 de V. S. (50.16)

60 Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln, Kap. I. Örtliche Gränzen.

Municipes und incolae (f). Origo und domicilium (g). Jus originis und jus incolatus (h).

Patria und domus (i). Aus dem so eben bestimmten Begriff des Wohnsitzes

ergiebt sich die wesentliche

Verschiedenheit desselben vom

bloßen Aufenthalt,

so wie vom Grundbesitz. — Der Auf­

enthalt,

nicht

welcher

wärtigen Absicht, sein soll,

verbunden

ist

daß er ein bleibender,

mit

der

gegen­

immerwährender

begründet nicht den Wohnsitz, selbst dann nicht,

wenn er zufällig längere Zeit dauert, also nicht blos schnell

vorübergehend ist.

Dahin gehört z. B. der Aufenthalt der

Studierenden an einer Bildungöanstalt; mindestens zehen Jahre dauerte,

erst wenn dieser

sollte derselbe nach einer

Verordnung von Hadrian als bleibend, folglich als Wohn­

sitz angesehen werden (k). — Der Grundbesitz aber,

den

Jemand in einem Stadtgebiet hat, ist zum Wohnsitz nicht

(Note d), £. 7 C. de incolis (10. 39) (Note b).

releg. (48.22), £. 6 §3 £. 22 § 2 ad mun. (50.1).

(f) £.6 §5 demun. (50.4). Ueber den Ausdruck municipes s. o § 352 g., über incolae Note e. — Ungenau ist der Ausdruck des Paulus in £. 22 §2 ad mun. (50.1), der auch bloße Einwohner municipes nennt (anstatt incolae), und damit nur sagen will, daß auch sie die städtischen munera zu tragen haben. (g) £. 7 § 10 de interd. et

(h) £.15 §3 admun. (50.1), £ 5 C. de incolis (10. 39)

(i)

£ 203 de V S. (50. 16).

(k) £.5 §.5 de injur. (47.10), £. 2. 3 C. de incolis (10. 39). Allerdings sind tue zehen Jahre nur eine Präsumtion der auf immer­ währenden Aufenthalt gerichteten Absicht. Lauterbach de domicilio $ 27.

§. 353. erforderlich,

Origo und domicilium.

für sich

II. Domicilium.

allein aber dazu auch

61

ruckt hinrei­

chend (1).

Die Begründung des Wohnsitzes mit seinen rechtli­ chen Wirkungen geschieht durch den freien Willen und die

mit demselben übereinstimmende That, also nicht durch bloße Willenserklärung ohne That (m). — Der Wille aber wird

dabei so sehr als frei gedacht, daß diese Freiheit nicht ein­ mal soll beschränkt

Bestimmungen,

werden

dürfen durch

privatrechtliche

z. B. durch die einem Legat hinzugefügte

Bedingung eines bestimmten Aufenthalts, welche Bedingung tu der Regel als nicht geschrieben anzusehen ist (n).

Dagegen kann durch das auf mancherlei Staatsdiener,

öffentliche Recht diese Freiheit

Weise beschränkt werden.

z. B



jeder Soldat,

einen

So hat jeder nothwendigen

Wohnsitz am Orte des Dienstes (o); der Verbannte am Orte der Verbannung (p).

Umgekehrt kann durch Strafe

ein bestimmter Aufenthalt untersagt werden (q).

(1) L. 17 § 13. £.22 § 7 ad mun. (50. 1), L. 4 C. de incolis (10.39). — Manche Städte hatten das Privilegium, daß der bloße Grundbesitz, ohneWohnsitz, zur Uebernahme persönlicher munera verpflichten sollte L. 17 § 5 ad mun. (50. 1). (in) L. 20 ad mun (50. 1) ,.Domicilium re et facto trans fertur, non nuda contestatione; sicut in his exigitur, qui negant se posse ad munera, ut incolas, vocari“.

(n) L. 31 ad mun. (50. 1), L. 71 § 2 de cond. (35.1). S. o. B 3 S. 184. (o) L. 23 § 1 ad mun. (50.1). (p) L. 22 § 3 admun. (50.1). (q) L. 31 ad mun. (50.1), L. 7 § 10 de interd. et releg. (48.22). — Wenn in L. 27 § 3 ad mun. (50. 1) gesagt wird, daß der Relegirte seinen vorigen Wohn­ sitz behalte, so hat das wohl den Sinn, daß er durch die Strafe nicht frei werden soll von der Theil­ nahme an den bisherigen Lasten.

62 Buch III Herrschaft der Necht-regeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.

Außerdem aber konnte in folgenden Fällen der Wohnsitz begründet werden durch

die Beziehung,

in welcher

eine

Person zu einer anderen Person und deren Wohnsitz stand,

welches man einen relativen Wohnsitz nennen könnte: 1. Ehefrauen haben

ihren

Wohnsitz

allgemein und

nothwendig gemeinschaftlich mit dem des Eheman­

nes (r)

Dieser Wohnsitz dauert fort auch für die

Wittwe, so lange sie nicht eine neue Ehe eingeht,

oder auf andere Weise ihren Wohnsitz willkürlich ändert (s).

2

Eheliche Kinder

haben von ihrer Geburt an un­

zweifelhaft denselben Wohnsitz wie der Vater

Sie

können aber späterhin einen anderen Wohnsitz frei

erwählen, wodurch Jener ursprüngliche aufhört (t) Bei unehelichen Kindern muß eben so behauptet werden, daß der Wohnsitz der Mutter als Wohnsitz

dieser Kinder zu betrachten ist.

3. Auf ähnliche Weise verhielt es sich mit den Frei­

gelassenen.

Ihr Wohnsitz war ursprünglich der deS

(r) L. 5 de ritu nupt. (23.2), L. 65 de jud. (5.1), L. 38 § 3 ad man. (50. 1), L. 9 C. de incolis (10. 38), L. 13 C de dignit. (12. 1). Dieser Wohnsitz heißt daS domicilium matrimonii Eine ungültige Ehe begründet ihn nicht, eben so der bloße Brautstand. L. 37 § 2, L. 32 ad mun. (50.1).

(s)

L. 22 § 1 ad mun. (50.1). (t) L. 3. L. 4. L.G§1 L. 17 §.11 ad mun. (50.1). — Eben so folgen sic unzweifelhaft dem Vater, wenn dleser nach ihrer Ge­ burt einen neuen Wohnsitz be­ gründet, so lange als sie selbst noch zu seinem Hausstande gehören.

§ 353.

Origo und domicilium. II. Domicilium.

63

Patrons (u); sie konnten ihn aber später frei ver­

ändern (v).

4. Eben Dasselbe gilt nach unfern heutigen Verhält­ nissen von den Dienstboten (w); imgleichen von den

auf einem bestimmten Landgute bleibend arbeiten­ den Tagelöhnern, und von den bei einem bestimm­ ten Handwerksmeister arbeitenden Gesellen. Die Aufhebung eines bisher vorhandenen Wohnsitzes

erfolgt, eben so wie die Begründung, durch die freie Will­

Gewöhnlich, wenngleich

kür des bisherigen Einwohners

nicht allgemein und nothwendig, wird diese Aushebung zu­ sammen fallen mit der Begründung eines neuen Wohn­

sitzes, und daher wird in unsern Rechtsquellen die Aufhe­ bung als Uebertragung bezeichnet (x).

§. 354. Die Römische Lehre von origo und domicilium.

II

Domicilium.

(Fortsetzung.)

Der Wohnsitz, als selbständiger Grund der Angehörig­ keit an eine bestimmte Stadtgemeinde, kann auch gleichzeitig in Beziehung auf mehrere Städte vorhanden sein,

(u) L. 6 § 3. L 22 pr. ad mun (50. 1). Ueber diese letzte Stelle ist zu vergleichen die schon oben § 351 n. angeführte Ab­ handlung. (v) L. 22 § 2. L. 21 pr L. 37 § 1 ad mun. (50.1).

wenn

(w) Vgl. die Preußische Allg. Gerichtsordnung 1. 2 § 13. (x) L. 20 ad mun. (s. o. Note m.), L. 1 C. de incolis (10.39). Diese Veränderlichkeit wird bezeichnet durch den Ausdruck domicilii ratio temporaria. L. 17 § 11 ad mun. (50.1).

§ 353.

Origo und domicilium. II. Domicilium.

63

Patrons (u); sie konnten ihn aber später frei ver­

ändern (v).

4. Eben Dasselbe gilt nach unfern heutigen Verhält­ nissen von den Dienstboten (w); imgleichen von den

auf einem bestimmten Landgute bleibend arbeiten­ den Tagelöhnern, und von den bei einem bestimm­ ten Handwerksmeister arbeitenden Gesellen. Die Aufhebung eines bisher vorhandenen Wohnsitzes

erfolgt, eben so wie die Begründung, durch die freie Will­

Gewöhnlich, wenngleich

kür des bisherigen Einwohners

nicht allgemein und nothwendig, wird diese Aushebung zu­ sammen fallen mit der Begründung eines neuen Wohn­

sitzes, und daher wird in unsern Rechtsquellen die Aufhe­ bung als Uebertragung bezeichnet (x).

§. 354. Die Römische Lehre von origo und domicilium.

II

Domicilium.

(Fortsetzung.)

Der Wohnsitz, als selbständiger Grund der Angehörig­ keit an eine bestimmte Stadtgemeinde, kann auch gleichzeitig in Beziehung auf mehrere Städte vorhanden sein,

(u) L. 6 § 3. L 22 pr. ad mun (50. 1). Ueber diese letzte Stelle ist zu vergleichen die schon oben § 351 n. angeführte Ab­ handlung. (v) L. 22 § 2. L. 21 pr L. 37 § 1 ad mun. (50.1).

wenn

(w) Vgl. die Preußische Allg. Gerichtsordnung 1. 2 § 13. (x) L. 20 ad mun. (s. o. Note m.), L. 1 C. de incolis (10.39). Diese Veränderlichkeit wird bezeichnet durch den Ausdruck domicilii ratio temporaria. L. 17 § 11 ad mun. (50.1).

64 Buch III. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. örtliche Gränzen.

Jemand mehrere Orte gleichmäßig als Hauptpunkte seiner Verhältnisse und Geschäfte behandelt,

nach

Bedürfniß,

seinen

wirklichen

und unter sie, Aufenthalt

je

vertheilt.

Manche unter den Römischen Juristen bezweifelten diese Möglichkeit, zuletzt aber wurde sie dennoch anerkannt,

ob­

gleich dabei nicht verkannt wurde, daß ein solcher Fall nur

selten als vorhanden anzunehmen sein werde (a). Umgekehrt kann Jemand ganz

ohne Wohnsitz sein in

dem oben bestimmten Sinn des Wortes, wiewohl auch die­

ser Fall zu den seltneren gehören wird (b).

Er ist na­

mentlich anzunehmen unter folgenden, an sich sehr verschie­

denen, Voraussetzungen:

1. Wenn ein bisheriger Wohnsitz ausgegeben ist, und ein neuer erst ausgesucht wird, so lange bis dieser

gewählt und wirklich begründet sein wird (c)

Die­

ser Fall ist wenig wichtig wegen der meist beschränk­ ten Dauer einer solchen Zwischenzeit.

2. Wenn Jemand eine lange Zeit hindurch das Reisen zu seinem Lebensberuf macht, ohne daneben eine Hei-

math als bleibenden Mittelpunkt seiner Geschäfte, in welchen er regelmäßig zurückzukehren Pflegt,

(a)

L. 5,

L. 6 § 2, L. 27

§ 2 ad mun. (50.1),

C. 2 pr.

de tepult. in VI. (3. 12).

Arbeit

wechselnden

Tagelöhner» sellen,

oder

zu

Dienstboten,

Handwerksge­

wenn nämlich ein solcher

(b)

L. 27 § 2 admun. (50.1).

Wechsel zugleich mit

(c)

L. 27 § 2 admun. (50.1).

änderung de» Ausenthalt-ort» ver­

— Dahin gehört sehr häufig der

Fall eine«,

dm Dienst »der die

einer Ver­

bunden ist (§ 353 Num. 4).

65

§. 354. Origo u. domicilium. II. Domicilium. (Forts.)

behandeln.

Auch dieser Fall ist wenig wichtig, weil

er nur selten vorkommt. 3. Bei Landstreichern

oder

Vagabunden,

ohne

die

einen festen Lebenslauf in unbestimmter Weise um­ her ziehen, den Unterhalt des Lebens meist in ab-

wechselitder und für die öffentliche Wohlfahrt und

Diese Klasse

Sicherheit bedenklicher Weise suchend.

zahlreich

ist

und gehört

und wichtig,

unter die

großen Uebel unsrer Zeit (d). Der oben aufgestellte Begriff des Wohnsitzes (§ 353)

bliebt sich auf die Lebensverhältnisse des natürlichen Men­ schen

ist also, seiner Natur nach, nicht anwendbar auf ju­

ristische Personen (e)

Dennoch kann auch bei diesen das

Bedürfniß vorkommen, etwas, dem Wohnsitz der natürlichen

Personen Entsprechendes oder Aehnliches, gleichsam einen

künstlichen Wohusitz, anzunehmen, vorzüglich wohl um den (d)

Es ist auffallend, daß von

dieser Klasse ui den Quellen des

letaner), bei den Romern in dem Sklavenftand enthalten waren. —

Römischen Rechts eigentlich nicht

Thomasius de vagabundo § 79.

Selbst die öfter er­

91. 112 nennt vagabundus Jeden,

Die Rede ist.

wähnten fluchtigen Sklaven (er rones, fugitivi

(50. 16)

L. 225 de V S.

können dahin nicht ge­

rechnet werden, da diese im juri­ stischen Sinn einen feftenfWohnsitz

haben,

Herren.

nämlich

Der

den

ihrer

Erklärungsgrund

jener auffallenden Erscheinung liegt nun

eben in dem Umstand, daß

die Personen,

welche bei uns als

Vagabunden erscheinen

(eben so,

wie der größte Theil unserer Pro-

der

kein

domicilium hat,

und

unterscheidet ihn von dem verächt­ lichen Landstreicher,

ganz

gegen

den herrschenden Sprachgebrauch,

der

diese

beiden

Ausdrücke

gleichbedeutend ansieht.

wird

den Kaufmann,

Wohnsitz

aufgegeben

einen neuen zu suchen, ehrenhaften

Reisenden

al-

Niemand

der seinen

hat,

um

oder den von Pro­

fession , einen Vagabunden nennen,

(e)

S. o. B 2 8 85 fg. 5

66

Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. örtliche Gränzen.

Gerichtsstand darauf zu begrünten (f). In den meisten Fällen nun wird hierüber kein Zweifel seyn wegen des na­ türlichen Zusammenhanges, in welchem die juristische Per­ son zu dem Grund und Boden steht; so bei Städten und Dörfern, bei Kirchen, Schulen, Krankenhäusern u s w. Zweifelhaft kann es sein besonders bei gewerblichen Gesell­ schaften, wenn bereit Thätigkeit entweder au gar keine Ört­ lichkeit gebunden ist, oder auf größere Raume sich erstreckt, wie z. B. die der Gesellschaften für Eisenbahnen, oder Dampfschiffahrt, oder für den Brückenbau über große Ströme, deren beide Ufer oft verschiedenen Gerichten, ver­ schiedener Gesetzgebung, ja selbst verschiedenen Staaten, un­ terworfen sind Hier ist es räthlich, gleich bei der Grün­ dung einer solchen juristischen Person einen künstlichen Wohnfitz festzustellen (g); wird dieses versäumt, so muß der Richter den Mittelpunkt der Geschäfte künstlich zu er­ mitteln suchen

Wenn wir die beiden, von einander unabhängigen, Gründe der Angehörigkeit an eine bestimmte Stadtgemeinde, (f) Vgl. Linde Lehrbuch §88 Note 14. (g) Beispiele: Statut der Ber lin-Sächfischen (Anhaltischen) Ei senbahu - Gesellschaft § 1: „Berlin ist ihr Domizil und der Sitz ihrer Verwaltung und das Königliche

Stadtgericht zu Berlin ihr Ge­ richtsstand". — Statut der BerlmStettiner Eisenbahn - Gesellschaft 8 3. „Stettin ist das Domizil der Gesellschaft" u. s. w (Gesetzsamml. für die Preußischen Staaten 1839 S. 178, 1840 S. 306).

§. 355.

Origo und domicilium.

Wirkung.

67

Bürgerrecht und Wohnsitz, Zusammenhalten, so ergeben sich

aus den für beide hier aufgestellten Grundsätzen (§ 351 — 354) folgende mögliche Combinationen. Eine einzelne Person konnte im Bürgerverhältniß ste­

hen

zu Einer Stadt,

zu

mehreren Städten,

zu

keiner

Stadt (§ 351)

Daneben

konnte

im Verhältniß des

dieselbe Person

Wobnsitzes stehen zu Einer Stadt,

zu mehreren Städten,

zu keiner Stadt (§ 354) Der regelmäßige und

häufigste Zustand aber war es

gewiß, daß das Bürgerverhältniß einer Person

nur für

Eine Stadt begründet war, und daß diese Person in der­

selben Stadt zugleich auch ihren Wohnsitz hatte.

8

355

Dle Römische Lehre von origo und domicilium.

Wlrlung dieser Verhältnisse. Nachdem die beiden Gründe der Angehörigkeit an eine

bestimmte Stadtgemeinde dargestellt worden sind,

ist nun

die praktische Seite dieser Lehre, oder die juristische Wir­ kung der aus ihnen entspringenden Angehörigkeit, zu un­ tersuchen.

Man möchte dabei ein gleiches Maaß von Rechten und

Pflichten als Wirkung erwarten, und es nmß zunächst auf­ fallen, daß in unsern Rechtsqucllen fast nur von Pflichten, nicht von Rechten, die Rede ist. folgende Weise

zu

erklären

Diese Erscheinung ist auf



Das

Bürgerverhältniß

5 *

§. 355.

Origo und domicilium.

Wirkung.

67

Bürgerrecht und Wohnsitz, Zusammenhalten, so ergeben sich

aus den für beide hier aufgestellten Grundsätzen (§ 351 — 354) folgende mögliche Combinationen. Eine einzelne Person konnte im Bürgerverhältniß ste­

hen

zu Einer Stadt,

zu

mehreren Städten,

zu

keiner

Stadt (§ 351)

Daneben

konnte

im Verhältniß des

dieselbe Person

Wobnsitzes stehen zu Einer Stadt,

zu mehreren Städten,

zu keiner Stadt (§ 354) Der regelmäßige und

häufigste Zustand aber war es

gewiß, daß das Bürgerverhältniß einer Person

nur für

Eine Stadt begründet war, und daß diese Person in der­

selben Stadt zugleich auch ihren Wohnsitz hatte.

8

355

Dle Römische Lehre von origo und domicilium.

Wlrlung dieser Verhältnisse. Nachdem die beiden Gründe der Angehörigkeit an eine

bestimmte Stadtgemeinde dargestellt worden sind,

ist nun

die praktische Seite dieser Lehre, oder die juristische Wir­ kung der aus ihnen entspringenden Angehörigkeit, zu un­ tersuchen.

Man möchte dabei ein gleiches Maaß von Rechten und

Pflichten als Wirkung erwarten, und es nmß zunächst auf­ fallen, daß in unsern Rechtsqucllen fast nur von Pflichten, nicht von Rechten, die Rede ist. folgende Weise

zu

erklären

Diese Erscheinung ist auf



Das

Bürgerverhältniß

5 *

68 Buch 111. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. Örtliche Gränzen,

(die origo) führte allerdings Rechte mit sich, die ursprüng­ lich großen Werth hatten;

das

besonders

ausschließende

Recht der Theilnahme an der Stadtverwaltung durch den Eintritt in die Stadtsenate und in die obrigkeitlichen Aem­

ter.

Allein die Theilnahme an den Stadtsenaten war in

der späteren Kaiserzeit aus einem Ehrenrecht in Druck und Last

verwandelt

worden (a),

von

den

Obrigkeiten der

Städte aber geben uns unsre Rechtsquellen überhaupt nur sehr dürftige Nachrichten, welches aus ihrer ausschließenden Bestimmung zum Gebrauch im Reich von Justinian (b.

h. im Orient) zu erklären ist (b).

Dagegen waren die an

daS Bürgerverhältniß ursprünglich geknüpften Verpflichtungen auch im Laufe der Zeit unverändert geblieben,

so daß sie

auch in unsern Rechtsquellen in ihrem vollständigen Zu­ sammenhang dargestellt werden konnten und mußten. —

WaS aber den Wohnsitz, als den zweiten Grund der An­

gehörigkeit betrifft,

so war bei demselben überhaupt nicht

von eigentlichen Rechten die Rede, da er selbst aus reiner

Willkür des Einzelnen begründet werden konnte (8 353),

wozu ja der Erwerb eigentlicher Rechte wenig gepaßt ha­ ben würde.

Auch werden in der That als praktische Fol­

gen des Wohnsitzes, da wo man etwa die Angabe bestimm­

ter Rechte erwarten möchte,

vielmehr

bloße thatsächliche

Vortheile und Genüsse aufgezählt (c).

(a) Savigny Geschichte de« R. R. im Mittelalter B. 1 §. 8.

(b) a. a. O. § 22.

(c) L. 27 § 1 adman. (50. i) ,,8i quis ... in illo (munici-

pio) vendit, emit, contrahit,

§. 355.

Origo und domicilium.

Wirkung.

69

Es bleiben also nur noch die Verpflichtungen aus der Angehörigkeit zur näheren Betrachtung übrig.

Diese sind

schon oben in einer allgemeinen Uebersicht dahin angedeutet worden: Städtische Lasten, Gerichtsstand, das örtliche Recht

(§ 350), und diese drei Stücke sollen nunmehr theils ge­ nauer entwickelt, theils in unsern Rechtsquellen nachgewie­

sen werden.

I.

Städtische Lasten (Munera).

Unter dem Ausdruck munera werden im Allgemeinen

Lasten jeder Art verstanden; hier aber kommen nur diejeni­

gen Lasten in Betracht, die aus dem öffentlichen Recht ent­ springen, also nur publica, nicht privata (d), und zwar insbesondere aus der persönlichen Angehörigkeit an eine Stadtgemeinde,

werden (e).

weshalb sie auch

Damit

civilia munera genannt

ist jedoch nicht gesagt, daß diese La­

sten gerade für städtische Zwecke und Vortheile getragen werden mußten;

vielmehr war ein großer Theil der ört­

lichen Staatsverwaltung den Städten aufgebürdet worden, und manche der drückendsten Bürgerlasten dienten nur zu

in 60 foro, balneo, spectaculis utitur, ibi festos dies celebrat, omnibus denique municipii commodis . fruitur, ibi magis habere domicilium“ . . Vgl. über diese Stelle oben § 353 d. (d) L. 239 §3 de V. S. (50. 16), L. 18 § 28 de mun. (50.4). — Wenn also anderwärts

bk munera eingetheilt werden in publica und privata (L. 14 8 1 de mun.), so ist da- nicht eine Eintheilung der städtischen Lasten (die stets publica find), sondern der Lasten überhaupt, die ja auch aus privatrechtlichen Ver­ hältnissen herrühren können. (e) L. 18 §. 28 demun. (50.4).

70

Buch III Herrschaft der Rechtsregeln Käs' I Örttlche Grannen

Zwecken des Staates,

nicht der Städte selbst,

von deren

Angehörigen sie getragen wurden (f)

Die Römischen Juristen unterscheiden nnnms und honor dadurch, daß jenes nicht, so wie dieses, mit einer persön­

lichen Würde (dignitas) verbunden war (g)

Es würde

jedoch irrig sein, dieser Unterscheidung den Sinn beizulegen, als ob der honor blos als Ehre und Recht, ohne Zwang

und Verpflichtung, betrachtet worden wäre galt dieselbe Verpflichtung der Uebernahme,

Für den honor

wie für das

munus (h), beide wurden gleichmäßig als städtische Lasten betrachtet, und

jene

Unterscheidung betraf also blos den

Namen. Sie unterscheiden ferner Lasten der Person und des

Vermögens (munera personal!» und patrimonii). je nach­ dem dabei allein oder doch überwiegend die Mühe und Ar­ beit in Betracht kam, oder vielmehr die auf dem Vermögen ruhende Ausgabe oder Gefahr (i).

Diese

Unterscheidung

war jedoch schwankend und von unbestimmter Gränze (k),

auch ohne Erheblichkeit, da beiderlei Lasten gleichmäßig die (f) «gl. z. «. L. 18 § 3. 4. 8. 16 de mun. (50. 4). (g) L. 14 pr § 1 L. 6 §3 de mun. (50. 4). — Der Ausdruck honor wurde aber nicht blos auf bte Obrigkeiten, sondern auch auf die Decurionen angewendet. L. 5 de vac. (50. 5). (h) L. 3 § 2. 3. 15. 17 de mun. (50. 4). (i) L. 1 § 1. 2. 3. 4 de mun.

(50. 4), L 6 §3 4.5 end, L. 18 pr § 1—17 eod. — Unter tue persönlichen Lasten gehörte die Ver­ waltung des Richterqeschäfts, so wie die der Vormundschaft. L. 1 8- 4, L 18 8 14 eod, L 8 8 4, L. 13 pr. 8 2. 3 de vac. (50. 5). (k) Daher nahmen Manche noch eute Mittelklasse an, mixta munera. L. 18 pr § 18—27 de mun. (50. 4).

355

Origo und domicilium.

Wirkung.

Angehörigen jeder Stadt, und nur diese, betrafen.

gen ist es wichtig, davon streng Lasten,

71 Dage­

unterscheiden diejenigen

die blos auf dem Grundbesitz

hafteten (wie die

Grundsteuern), ganz ohne Rücksicht darauf, ob der Besitzer

persönlich der Stadt ungestörte (durch origo oder domicilium), oder nicht (1) Die

bier

dargestellte

Verpflichtung

zur

Uebernahme

städtischer Lasten betraf in der Regel alle Angehörige einer

Stadt, obne Unterschied, ob sie in dieses Verhältniß durch

Bürgerrecht

oder durch

Wohnsitz eingetreten waren (m).

Wer also in mebreren Städten zugleich das Bürgerrecht, vielleicht auch in mebreren den Wohnsitz hatte (§351, 354),

war in jeder dieser Städte

zur vollständigen Theilnahme

an diesen Lasten verpflichtet, und konnte dadurch in ein sehr nachtheiliges Verhältniß kommen. Obgleich aber diese allgemeine und gleichmäßige Ver­

pflichtung aller Angehörigen die Regel bildete,

doch daneben

ausnahmsweise vielfache

so gab es

Befreiungen

aus

sebr verschiedenen Gründen, und unter verschiedenen Benen-

(1) £. 6 § 5 de mun. (50.4), £ 14 §2, £ 18 §21 -25, £.29 30 eod, £. 10 pr devac (50.5), £ 11 eod. — Etwas abweichend tst der Sprachgebrauch einer Stelle, worm diese reine Grundlaften patrimonii inunera genannt werden. £ un. C de mutier. (10. 62). (in) £. 22 § 2, £ 29 ad mun. (50.1), £.6 § 5, £. 18

§ 22 de mun. (50. 4), £. 1 C. de municip. (10.38), £.4.6 C. de incolis (10 39). — Die schwan­ kende Erklärung mancher Stellen über das domicilium von Bauer­ böfen im Stadtgebiet (§ 353 d.), mag daher rühren, daß vielleicht für manche Arten der Lasten ein verschiedener VertheilnngSmaaßstab, etwa nach örtlichen Gränzen, an­ genommen wurde.

72 Buch III. Herrschaft der RechiSregeln. Kap. I. örtliche Gränze»,

nungen (vacatio, excusatio, immunitas); theils immerwäh­ rende, theils vorübergehende (n)

II. Gerichtsstand (formn originis, domicilii)

Dabei liegt zum Grunde die allgemeine Regel, baß jeder Rechtsstreit zu führen ist im Gerichtsstand deö Beklagten, nicht des Klägers (o). Fragt man nun, wo der Beklagte seinen regelmäßigen Gerichtsstand bat, so bestimmt diesen daS Römische Recht dabin: In jeder Stadt, gegen deren Obrigkeit er zum Gehorsam verpflichtet ist, weil er dieser Stadt angehört. Angehörig einer Stadt aber wird der Einzelne sowohl durch Bürgerrecht, als durch Wohnsitz; und dadurch verwandelt sich nunmehr jene Bestimmung in die praktische Regel: Jeder muß sich als Beklagter belangen lassen in jeder Stadt, worin ihm das Bürgerrecht zusteht; außerdem aber auch in jeder Stadt, worin er den Wohn­ sitz hat. So wird diese Regel geradezu ausgesprochen, und zugleich auf ihren eben angegebenen höheren Grund zurück geführt in folgender Stelle des Gajus (p): Incola et bis magistratibus parere debet, apud quos incola est, et illis, apud quos civis erit: nec tantum municipali jurisdictioni in utroque municipio (n)

Dig. L. 5 unb L. 6, Cod. X.

44—64. Die genauere Unter­ suchung dieser Befreiungen kann hier auf sich beruhen, da sie für unsren gegenwärtigen Zweck gleich gültig ist.

(o) Vat fragm.325.326, L.2. C de jurisd (3.13), L. 3 C. ubi in rem. (3. 19), L. 3. 4 C. übi causa Status (3. 22) (p) L. 29 ad mun (50. 1).

§. 355.

Origo und domicilium.

Wirkung.

73

subjeclus est, verum etiam Omnibus publicis mu-

neribus fungi debet.

In dieser wichtigen Stelle wird zugleich anerkannt, daß hierin durchaus dasselbe Verhältniß eintrete für den Ge­

richtsstand, wie für die städtischen Lasten

Hieraus folgt

also, daß auch der Gerichtsstand für dieselbe Person so­ gar in mehr als zwei Städten zugleich begründet sein konnte,

wenn etwa diese Person in mehreren Städten das Bürger­

recht, und zugleich in mehreren anderen Städten den Wohn­ sitz, gehabt baden sollte.

Dann mußte es in der freien

Wahl des Klägers stehen, in welcher dieser mehreren Städte

er einen Rechtsstreit anhängig machen wollte, und der Be­

klagte war in jeder dazu gewählten Stadt zur Einlassung verpflichtet. Bei diesem unzweideutigen Ausspruch sowohl der Regel

selbst,

als ihres höberen Grundes, und ihres Zusammen­

hanges mit den städtischen Lasten,

muß es auffallen, daß

anderwärts von dem auf das bloße Bürgerrecht (verschieden

von dem Wohnsitz) gegründeten Gerichtsstand (Forum originis)

so wenig die Rede ist

In vielen

Stellen,

worin

der persönliche Gerichtsstand nur für einzelne Fälle und nur beiläufig erwähnt wird, domicilii,

ist lediglich von dem Forum

nicht von dem Forum originis, die Rede (q).

(q) L. 19 § 4 de jud. (5.1), L. 29 § 4 de inoff. test (5.2), L. 1. 2 de reb. auct jud (42. 5), Vat. fragm. 326, L. 2 C. dejurisd.

(3. 10), L. 1 C. ubi res her (3.20), L. 4 C. ubi causa Status (3. 22). — Dagegen werd in mehreren Stellen das Wahlrecht

74 Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln Kap 1 örtliche Gränzen Dennoch darf uns diese Erscheinung an der Richtigkeit der Regel selbst nicht zweifelhaft machen;

folgenden Gründen zu erklären

sie ist vielmehr aus

Erstlich fand jene Regel

ihre vollständige Anwendung nur in Italien, nicht in den

Provinzen,

in welchen Stadobrigkeiten mit Gerichtsbarkeit

gar nicht vorkamen (r);

daher konnte hier das Stadtbür­

gerrecht keinen Gerichtsstand begründen,

anstatt daß der

abstracte Begriff des Wohnsitzes auf das Gebiet einer Pro­

vinz, also auf die Gerichtsbarkeit des Kaiserlichen Statt­ halters derselben,

eben so anwendbar war,

Gebiet einer einzelnen Stadt

wie aus das

Mehrere der angeführten

Stellen aber sprechen ausdrücklich nur von den Provin­ zen (s), und andere derselben mögen auch davon gesprochen

haben, ohne daß es an ihrer gegenwärtigen Gestalt sichtbar ist- — Zweitens war vielleicht stets

für den,

welcher in

zwei verschiedenen Städten das Bürgerrecht und den Wohn­

sitz hatte, die Anwendung des forum origlnis auf den Fall beschränkt, wenn er sich zufällig in der Stadt aufhielt, wo­ rin ihm das Bürgerrecht zustand (t).

des Klägers zwischen dem forum domicilii und dem forum contractus erwähnt L. 19 § 4 de jud (5. I), L. 1 2. 3 de reb anet jud (42. ')). (r) (Sift spät erhielten hier die Defensoren eine Art von GenchtSbarkeit, die lange Zeit sehr be­ schränkt blieb, und erst von Ju stinian zu etwas mehr Bedeutung erhoben wurde. Savrgny Ge­

Selbst aber wenn

schichte des R. N im Mittelalter B 2 § 23 (s) So z. B, unter den in der Note q angeführten Stellen. L. 19 § 4 de jud (5 1), L. 29 § 4 de inoff (5 2), Vat fragm 32b (t) So war es nut dem forum origims in derStadtRom(§ 352.1c.), und es ist vielleicht nur zufällig, daß von einer gleichartigen Vor-

355.

Origo und domicilium

Wirkung.

75

eine solche beschränkende Rechtsregel nicht vorhanden war, mußte doch meist der Kläger seines eigenen Vortheils we­ gen das formn domicilii vorziehen, weil der Beklagte am Ort seines Wohnsitzes leichter und bequemer zu errei­ chen war.

Zum Schluß aber muß nun noch bemerkt werden, daß rie hier ausgestellten Regeln, so wie sie größtenteils durch rie in den Digesten niedergelegten Zeugnisse der alten Ju­ risten begründet worden sind, auch nur von der Zeit an sichere und allgemeine Geltung in Anspruch nehmen können, in welcher die befestigte und ausgebildete Kaiserregierung einen hohen Grad der Gleichförmigkeit in die einzelnen Theile des Reichs gebracht hatte Damit ist es also sehr roobl vereinbar, daß manche Provinz in srüherer Zeit, bald nach ihrer Unterwerfung unter das Römische Reich, eigen­ thümliche Vorrechte in der Gerichtsverfassung genoß, wo­ von in unseren Rechlsquellen keine Spur mehr zu fin­ den ist (u).

scknfl für andere Städte keine (5:r wähnung gefunden wird

(u) Dieses gilt namentlich von Siutien Cicero in Verrem act. 2 lib 2 C 13. 24. 25. 37.

76 Buch III. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.

§. 356.

Die Römische Lehre von origo und domicilium Wirkung dieser Verhältnisse. III.

(Fortsetzung.)

Das eigenthümliche Recht einer Stadt als Eigenschaft

der ihr angehörenden Personen (lex originis, domicilii).

Es sind oben, in allgemeiner Uebersicht, drei Wirkungen der Angehörigkeit einer Person an eine Stadtgemeinde ange­

geben worden (§ 350):

Städtische Lasten,

Gerichtsstand,

endlich das Recht dieser Stadt als Eigenschaft der Person. Die

zwei

ersten

Wirkungen

dargestellt (§ 355),

und

es

sind

bereits

im

Einzelnen

bleibt nunmehr die dritte

zu untersuchen übrig, die allein unserer gegenwärtigen Auf­ gabe angehört, und um deren Willen die ganze bisher ge­

führte Erörterung unternommen wurde,

indem nur auf

diesem Wege die Unterordnung der Person unter das ört­

liche Recht einer bestimmten Stadt in ihrem wahren Zu­ sammenhang erkannt werden kann.

Diese Untersuchung knüpft sich an die oben aufgestellten

Sätze, nach welchen jede Person einem bestimmten Rechts­ gebiet angehört (§ 345), dieses Nechtsgebiet aber vorzugs­

weise als ein örtliches oder territoriales Gebiet anzusehen ist (§ 350),

und zwar nach Römischer Verfassung insbe­

sondere als ein Stadtgebiet (§ 351).

Da nun jede einzelne

Person überhaupt einem Stadtgebiet auf zweierlei Weise

angehören konnte,

durch Bürgerrecht oder durch Wohnsitz

(§ 351), so konnte auf diesen beiden Wegen auch die Unter-

§. 356.

Origo und domicilium.

Wirkung.

(Forts.)

77

Ordnung der Person unter das territoriale Recht einer Stadt begründet werden.

Es wird also hier ein innerer Zusammenhang behauptet

zwischen den drei verschiedenen Wirkungen der Angehörig­

keit an eine Stadtgemeinde,

und dieser Zusammenhang ist

besonders zu bemerken zwischen den zwei letzten Wirkungen

(dem Gerichtsstand und dem territorialen Recht),

da beide

nur als verschiedene Seiten des gesammten örtlichen Rechts­ zustandes

anzusehen

sind.

Die Anerkennung

aber dieses

inneren Zusammenhanges ist für unsere ganze Aufgabe von

Wichtigkeit,

und reicht selbst über die eigenthümliche Rö­

mische Verfassung hinaus, so daß auch bei der Feststellung des heutigen Rechtszustandeö davon Gebrauch zu machen

seyn

wird.

Die Richtigkeit der hier ausgestellten Behauptung, wie die bestimmtere Ausführung derselben, mehr

will ich nun­

in den Quellen des Römischen Rechts nachzuweisen

versuchen.

Allerdings sind die Aussprüche der Römischen

Juristen über diese Frage sehr spärlich,

bei

wir

so

einem kritischen Verfahren

um so mehr,

genöthigt sind,

als

gar

manche scheinbare Aeußerungen über dieselbe als nicht da­

hin gehörend zurück zu weisen.

Aussprüche kaum hinreichen,

Auch dürften jene wenige die Ansicht der Römer voll­

ständig zu erkennen.

1.

Der älteste hierher gehörende Fall bezieht sich auf

die Kollision eines positiven Römischen Gesetzes

mit dem

78 Buch III. Herrschaft der Recht-regeln. Kap I. Örtliche Gränzen. Recht anderer souveräner (jedoch mit den Römern verbün­

deter) Staaten (§ 348) (a).

Im Jahre der Stadt 561 (L. Cornelio Merula, Q. Minucio Thermo Coss.)

sand sich in Rom eine große Noth

der durch Wucher bedrückten Schuldner.

schützende Wuchergesetze, gangen,

Zwar bestanden

allein diese wurden dadurch um­

daß die Wucherer ihre Forderungen zum Schein

auf den Namen von Einwohnern

benachbarter Staaten

(Socii und Latini) schreiben ließen.

Denn da diese durch

das positive Wuchergesetz nicht gebunden waren, gegen sie die Schuldner keinen Schutz (b).

so hatten

Zur Entkräftung

dieses unredlichen Verfahrens wurde ein besonderes Gesetz

erlassen mit der Vorschrift - daß die Römischen Gesetze über

das Gelddarlehen (die Wuchergesetze) auch für die Socii

und Latini als Gläubiger Römischer Bürger bindend seyn

sollten (c). 2

Eine ähnliche Natur hat die in einem Senatsschluß

aus der Zeit des Hadrian anerkannte Rechtsregel,

daß

das Kind aus einer secundum leges moresque peregrinorum

geschlossenen Ehe selbst dann als Peregrine geboren werden

(also seinem Vater angehören) solle,

wenn zur Zeit der

gegenwärtigen

(a)

Livius XXXV 7.

unsern

(b)

Welches Wuchergesetz, »ach

diese Frage gleichgültig.

dem angegebene» Jahre,

meint ist,

hier ge­

läßt sich bei der sehr

unsicheren Geschichte dieser Gesitze nicht bestimmen.

Es kann seyn

das über unciarium foenus, aber auch das über semunciarium. Für

Zweck

ist

(c) Lnius 1. c. „plebesque scivit, ut cum sociis ac nomine Latino pecuniae creditae jus idem, quod cum civibus Ro­ manis esset“

§. 356.

Origo und domicilium.

(Forts.)

Wirkung.

79

Geburt blos die Mutter (und nicht zugleich der Vater) die Civität erlang: hatte.

Römische Recht

Es wurde also hier der für das

geltende Grundsatz,

daß

der

Status der

legitime concepti nach der Zeit der Erzeugung beurtheilt werden sollte, mit völliger Reciprocität auch aus die Bürger fremder Staaten angewendet (d).

Tie folgenden Fälle beziehen sich auf die Collision der für Italien gegebenen positiven Gesetze mit dem Recht der

Provinzen,

also auf eine Collision von Rechten innerhalb

der Gränzen des Römischen Staates 3.

Die Verpflichtung eines ßdepromissor ging in der

Rege! nicht so, über;

wie die eines lidejussor,

auf die Erben

ausnahmsweise aber trat dennoch dieser Uebergang

ein, wenn der fideproniistor ein Peregrine war, und zwar einer solchen Provinzialstadt angehörte, deren positives Recht

hierin von dem Römischen abwich (e).

4.

Eine Lex Fiiria

pflichtung der Ablauf von

hatte verordnet,

daß die Ver­

sponsores und fidepromissores durch den

zwei Jahren getilgt sein solle,

so wie daß

mehrere neben einander eintretende Bürgen solcher Art nur theilweise haften sollten, nicht für die ganze Schuld

(d) Gajus I. §. 92, verglichen mit § 89 (e) Gajls III § 120 „Praeterea sponsoris et fidepromissoris heres non tenetur, nisi si de peregrino fidepromissore quaeramus, et also jure csvstas ejus utaturff Cs könnte auf;

Dieses

satten, daß in der Aufstellung der Regel außer dem fidepromissor auch der Sponsor genannt wird, der nachher in der Ausnahme nicht wieder erwähnt ist. Dieser Um­ stand erklärt sich daraus, daß Peregrmen überhaupt nicht sponsores sein konnten. Gajus 111. § 93.

80 Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen. Gesetz aber war nur für Italien gültig, nicht für die Pro­ vinzen (f), das heißt, es galt nur für die Bürger der Städte

in Italien, nicht für die Bürger der Provinzialstädte, auch wenn diese die Römische Civität hatten (g). 5.

Es gab eine Klasse der Freigelassenen,

die

durch

die Freilassung weder cives noch latini, sondern nur pere-

grini, und zwar mit ganz besonderen Zurücksetzungen, wur­ den (dedititiorum numero).

Von diesen nun wird gesagt,

sie könnten keine Testamente machen,

und zwar weder als

Römische Bürger, weil sie nicht unter diese gehörten, noch

als Peregrinen, weil sie nicht irgend einer bestimmten Stadt als Bürger angehörten,

um nach deren Stadtrecht testiren

zu können (h). — Dabei liegt augenscheinlich folgende Vor­

aussetzung zum Grunde

Wäre dieser Peregrine der Bürger

(f)

Gajus in. 8 121. 122.

(g)

Die sponsores,

quoniam nec quasi

civis Ro­

§ 121. 122

manus testari potest, cum sit peregrinus, nec quasi peregri-

vorausgesetzt werden, mußten noth­ wendig die Römische Civität haben,

nus, quoniam nullius certae civitatis civis est, ut adversus

s. o. Note e

der Lex Furia eine engere Be­

leges civitatis suae testetur “ Anstatt des offenbar richtigen civis

schränkung anzuweisen (Zeitschrift XIV. S. 441), nach welcher der

welches

Provinzialen

in den

die als

— Rudorfs sucht

Fall derselben nicht mehr in diesen

est,

liest die Handschrift sciens, Manche

gezwungen

und

Die genauere Untersuchung würde

unbefriedigend zu vertheidigen ge­ sucht haben. — Adversus heißt hier nicht: entgegen, im Wider­

hier zu weit abführen.

spruch mit, sondern: in Beziehung

(h) ülpian. XX 8 14 ,,Latinus Junianus, item is qui dedititiorum numero est, testamentum facere non potest ... qui dedititiorum numero est,

auf,

Zusammenhang

gehören

würde

in Gemäßheit dieser Gesetze.

Ganz wie in L. 5 de usurp. (41 3). Andere wollen emendiren: secundum. S. o. Lachmann Zeit­ schrift IX. S. 203.

§. 350.

Origo und domicilium-

einer solchen Provinzialstadt,

Wirkung.

(Forts.)

81

welche daS Recht der Testa­

mente anerkennt, und dafür gewisse Regeln vorschreibt, so

könnte er mit Beobachtung dieser Regeln ein gültiges Testa­ ment machen, uud zwar sowohl in Rom, als in seiner Va­ Nun aber kann er es nicht, weil er überhaupt

terstadt

keiner Stadt als Bürger angehört (§ 351.n).

6

Endlich kann hier noch die bekannte Thatsache er­

wähnt werden, daß daS eigenthümliche Eherecht der Latini­ schen

Städte unterging,

als diese Städte daS Römische

Bürgerrecht erhielten (i) Es würde sehr gewagt sein, auS diesen wenigen, ver­ einzelten Aussprüchen erschöpfende Regeln

über die Be­

handlung der Collision verschiedener Terrilorialrechte ablei-

ten zu wollen

Doch lassen sich darin folgende leitende

Gesichtspunkte nicht verkennen. A.

In einem Vertragsverhältniß zwischen zwei Bür­ gern verschiedener Staaten kann keiner Partei daS

rein positive Gesetz des ihr fremden Staates ent­ gegengesetzt werden;

sie sind

jus gentium ZU beurtheilen (k).

vielmehr nach dem

Doch kann davon

in einzelnen Fällen, aus politischen Gründen, daS

Gegentheil vorgeschrieben werden (Nr. 1). B.

Das Bürgerrecht einer bestimmten Stadt bestimmt

in der Regel für jeden Einzelnen dasjenige posi­

tive Recht, dem er persönlich untergeordnet ist, nach

(i)

Gellius Lib. 4 C. 4.

(k)

Vergl. oben § 348. c,

6

82 Buch III Herrschaft der Rechtskegeln. K«p I Örtliche Gränzen

welchem also er beurtheilt

werden muß (Nr

3.

4. und 5).

Außerdem kommen noch

zweierlei andere Aeußerungen

der Römischen Juristen vor, die leicht als Regeln über die Beobachtung des örtlichen Rechts angesehen werden können,

in der That aber nicht als solche zu betrachten sind, so daß noch besonders gegen die Anwendung derselben auf die hier

vorliegende Untersuchung gewarnt werden muß. Erstlich gehören dahin einige vereinzelte Stellen, welche

bei der Auslegung und Anwendung von Rechtsgeschäften die

aus örtliche Gewohnheiten verweisen, fälschlich von örtlichen Rechtsregeln

man

aber

verstehen würde

— So soll bei der Auslegung eines unbestimmten Vertrags als die wahrscheinliche Absicht der Parteien unter Anderen

Das angenommen werden,

welches in dieser Gegend vor­

zugsweise üblich ist (1).

Dieses ist nun offenbar nicht

eine Rechtsregel dieser Gegend,

woran man dort thatsächlich häufig

zu thun pflegt.

sondern vielmehr daS,

gewöhnt

ist,

welches

man

Eine einzelne wichtige Anwen­

dung dieser allgemeinen Auslegungsregel findet sich bei den

Cautionen, die der Verkäufer werthvoller Sachen zu leisten hat; auch diese sollen sich nach der Sitte der Gegend rich-

(1) L 34 de R J (50 17) ,, . id sequamur, quod in re-

gione in qua actum est Jre quentatur“

§. 35.6.

Origo und domicilium.

Wirkung.

(Forts.)

83

ten, d. h. nach drn Cautionen, die dort am häufigsten frei­ willig geleistet zu werden pflegen (m). — Ferner soll die Höhe der Verzugszinsen nach dein Zinsfuß bestimmt wer­

den, der in dieser Gegend gerade jetzt üblich ist (n).

Ganz

eben so die Höhe der Zinsen, die ein Geschäftsführer von

seinem ausgelegten baaren Gelde berechnen darf (o).

Zn

beiden Stellen ist gar nicht von einer örtlichen RechtSregel die Hede, wodurch der Zinsfuß dort bestimmt gewesen wäre, sondern von dem Zinsfuß,

wie er augenblicklich an dem

dortigen Geldmärkte vorgefunden wurde.

Der Grund die­

ser Bestimmung aber lag darin, daß jene Zinsen dem Gläu­

biger eine

wahre

Entschädigung

nutzung gewähren sollten,

für die entbehrte Grld-

welche Entschädigung nur nach

den Zinsen abgemessen werden konnte,

aus dem wirklichen Geldbesitz

die der

anderwärts

Glqubiger

hätte gewinnm

können.

(m) L.Q de evict (21. 2). — AuS demselben Grunde war eine solche (Kaution, die duplae stipulatio, bei wichtigen Sachen sogar allgemein m die Verpflichtungen des Verkäufers übergegangen. L. 31 § 20 de aed ed. (21 1), L. 2, L. 37 pr § 1 de evict. (21 2). Andere Anwendungen derselben Auslegungöregel (beiTestamenten) finden fich m L. 21 § 1 gut test. (28. 1), L. 50 § 3 de leg. 1 (30 un.), L. 18 §3 de instructo (33.7). — Daß jedoch von den hier abgewresenen Stellen auch in unserer Lehre ein indirekter Ge­

brauch zu machen ist, wird unten gezeigt werden (§ 372). (n) L. 1 pr. de usuris. (22.1), ,, usurarum modus ex more regionis, ubi contractum est, constituitur“ (o) L. 37 de usuris (22.1) ,, debere dici usuras venire, eas autem, quae in regione frequentantur, ut est in b. f. judieiis constitutum “ (das find eben die in der vorhergehenden Stelle erwähnten Verzugszinsen). Vergl. auch L. 10 $ 3 mand. (17.1), L. 7 § 10 de admin. (26. 7).

84

Buch III Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. 1. Örtliche Gränzen.

Zweitens

sind

aber

noch

viel wichtiger die Stellen,

welche von den drei Klassen der freien Einwohner des Rö­ mischen Reichs (cives, Latin!, peregrini) reden, und die

man gleichfalls versucht sein könnte, mit der Unterordnung

der Einzelnen unter ein bestimmtes positives Neckt in Ver­ bindung zu bringen

Man könnte nämlich einen solchen

Gedanken etwa dabin ausbilden wollen,

Klaffe (die cives)

das jus civile,

daß auf die erste

auf die

zwei

niederen

Klaffen das jus gentium angewendet worden wäre.

Allein

dieser ganze Gedanke muß völlig zurück gewiesen werden.

Jene Klassification war höchst wichtig für die Rechtsfä­

higkeit der Einzelnen,

indem der civis das

connubium

und commercium, der Latinus das commercium ohne connu­ bium, der peregrinus keine dieser beiden Fähigkeiten hatte (p). Dagegen hat jene Klassification durchaus keine Verbindung

mit der hier vorliegenden Aufgabe, nämlich mit dem System

der aus jeden Einzelnen anwendbaren positiven RechtSregeln.

Einige Beispiele werden Dieses außer Zweifel setzen.

Auf die cives wurden die Regeln des jus gentium nicht

minder, als die des jus civile angewendet Junianus konnte allerdings, testamentifactio

hatte,

kein

(p) S. o. B. 2 8 64. 66. — Zu dieser Lehre von der Rechtsfähigkett, und nicht zu dem System der auf den Einzelnen anwendbaren Territorialrechte (wovon hier allein die Rede ist), gehört auch

obgleich

er

als

Der Latinus

Latinus

Testament machen,

die

weil ihm

der Satz, daß bie Stipulation in der Formel: spondes ? spondeo nur von Römischen Bürgern, nicht von Peregrinen, gebraucht werden konnte. Gajus III. § 93.

§. 356.

Origo und domicilium

Dieses besonders verboten war (q).

Wirkung.

(Forts.)

85

Sein Sohn aber war

ein sreigeborner Latinus, der durch dieses Verbot nicht ge­ bunden war, und wenn dieser ein Testament machte, wozu ibn sein Stand als Latinus berechtigte (Note q), so wurde

er nach den Regeln der hereditas. also nach dem strengsten

jus civile,

beerbt,

welches

also auf ihn anwendbar sein

mußte. Noch weniger aber,

als die hier angeführten Stellen,

können für unsre Untersuchung solche Aussprüche deS Rö­

mischen Rechts benutzt werden, welche nur ganz im Allge­ meinen die Berücksichtigung

rechts erwähnen,

eines

ohne dabei den

örtlichen Gewohnheits­ Gegensatz

verschiedener

örtlicher Rechte (also den Fall einer Collision) voraus zu

setzen oder anzudeuten (r).

(q) Ulpixn. XX § 14. — Daß ihm daS Recht der testamentifactio mcht fehlte (also nur lenes ganz positive Verbot im Wege stand), sagtausdrückltch Ulptan ebendas. § 8. Auch be­ ruhte ja das Testament auf der Manctpationsform, und daher war die testamentifactio gleichbe­ deutend mit dem commercium oder der Manclpationsfähigkeit, welche den Latmen jeder Art zuftand. Ulpian. XIX. § 4. o

(r) Dahin gehören etwa fol­ gende Stetten. L. 1 §15 de inspie, ventre (25. 4), L. 19 C. de locato (4. 65). — Eben dahin gehört die Erwähnung der chirographa und syngraphae, als eines genus obligationis pro­ prium peregrinorum. Gajus III. § 134. — Von den besonderen Aus­ sprüchen über die Regel: locus regit actum vgl. unten § 382.

86 Duch M Herrschaft der Rechtsregeln. Kap.I. Örtliche Gränzen.

8.

357.

Die Römische Lehre von origo und domicilium.

Wirkung dieser Verhältnisse.

(Fortsetzung.)

ÄuS der bis hierher geführten Untersuchung ergab eS sich, daß die Angehörigkeit einer einzelnen Person an eine

bestimmte Stadtgemeinde drei Wirkungen hatte, indem die

angehörige Person unterworfen tasten,

war:

1.

2. dem Gerichtsstand dieser Stadt,

thümlichen positiven Rechte derselben.

den

städtischen

3. dem eigen­

Diese drei Wirkun­

gen ständen in einem inneren Zusammenhang, und konnten daher als gleichartig betrachtet werden. "Cs ist aber nun noch eine wichtige Verschiedenheit unter diesen Wirkungen

hervor zu heben.

Wenn eine Person mehreren Städten angehörig war,

sei eS durch Bürgerrecht oder durch Wohnsitz, so war sie in jeder dieser Städte den Bürgerlasten und dem Gerichts­

stand unterwarfen, so daß dann eine wahre Concurrenz un­ ter den Ansprüchen jener Städte an dieselbe Person ent­

stand.

Eine solche Concurrenz war bei der Unterordnung

der Person unter das positive Recht verschiedener Städte unmöglich, weil sie einen inneren Widerspruch mit sich ge­ führt

hätte.

Dieselbe

Person

konnte

vor verschiedenen

Obrigkeiten verklagt werden, je nach der Wahlfdes Klägers,

sie konnte aber nicht nach verschiedenen, vielleicht ganz wi­

dersprechenden,

Rechtsregeln beurtheilt werden.

Es war

also nur die Unterordnung unter Ein örtliches Recht mög-

8 357.

Origo und donucilium.

Wirkung

(Forts.)

87

sich, und es mußte für diesen Zweck unter den verschiedgten, in anderer Hinsicht concurrirenden Städten eine entscheidende

Wahl getroffen werden.

Ich halte eS nun für unzweifelhaft,

daß das

örtliche

Recht, dem jede Person unterworfen seyn sollte, wem dies«

Person in zwei verschiedenen Städten das Bürgerrecht Md den Wohnsitz hatte,

durch

wurde,

den

nicht durch

das

Bürgerrecht bestimmt

Wohnsitz.

sprechen folgende Gründe.

Für diese Amahme

Erstlich war daS Bürgerrecht

das engere, an sich höher stehende Band, verglichen mit dem von Willkür und Laune abhängenden Wohnsitz.

Zweitens

war eS das frühere Band, da es durch die Geburt geknüpft

wurde,

der anderwärts vorhandene Wohnsitz

erst später

durch eine freie Handlung entstanden sein kannte;

aber an jedem Grunde,

eS fehlt

weshalb das für die Person ein­

mal begründete territoriale Recht hätte umgewandelt werben

sollen.

Drittens deuten darauf auch mehrere der eben an­

geführten Aeußerungen der Römischen Juristen, indem diese

sagen: si... alio jure civitas ejus utatur (§ 356e), und

quoniam nullius certae civitatis civis est (§ 356h), welche Ausdrücke offenbar auf das Bürgerrecht hindeuten

als Bestimmungsgrund für das auf die Person anwmdbare

örtliche Recht, nicht auf den Wohnsitz.

Nimmt man die hier aufgestellte Regel als richtig an, so bleiben dann noch folgende Fälle, die dadurch nicht be­

stimmt werden, zu entscheiden übrig.

88 Buch III.

Herrschaft der Rechtsregel». Kap I

Örtliche Gränzen

Erstlich konnte Jemand das Bürgerrecht an mehreren Orten zugleich haben: an dem einen durch die Geburt, an einem andern durch Adoption oder durch Aufnabme (§ 351). In einem solchen Falle wurde ohne Zweifel das frühere

Bürgerrecht,

also

das

durch

Geburt

entstandene

(die

origo), als vorherrschend behandelt, weil kein Grund vor­ handen war, eine Umwandlung des persönlichen Rechtszu­ standes anzunehmen. - - Das Bürgerrecht der Stadt Rom, welches jeder municeps neben seinem besonderen Stadtbür­ gerrecht batte (§ 352), kam bei der Bestimmung

des

per­

sönlichen Rechts gewiß nicht in Betracht, vielmebr konnte in dieser Hinsicht nur das Recht der engeren Heimatb be­

rücksichtigt werden

Zweitens konnte Jemand ganz ohne städtisches gerrecht sein (§ 351),

Bür­

während er einen Wohnsitz hatte.

In diesem Fall mußte der Wohnsitz als Bestimmungsgrund

für das auf ihn anwendbare persönliche Recht gelten.

Zuletzt bleiben noch die Fälle zu erwägen übrig, wenn Je­

mand in keiner Stadt das Bürgerrecht (§ 351), und zu­ oder auch in keiner

gleich entweder in mehreren Städten, Stadt einen Wohnsitz hatte (§ 354).

Wie die Römer solche,

bei ihnen gewiß seltene, Fälle beurtheilt haben mögen, läßt

sich

aus unsern

Rechtsquellen

Zeugnisse nachweisen.

nicht

durch

unmittelbare

Wir werden auf dieselben

zurück­

kommen bei der Untersuchung des heutigen Rechts (§ 359). Auch für diese, das örtliche Recht betreffende, Regeln,

muß die Bemerkung wiederholt werden, welche oben für die

§. 357.

Origo unv doinicilium.

Wirkung.

(Forts.)

89

Gerichtsverfassung gemacht worden ist, daß die Allgemein­ heit dieser Regeln zwar für das Zeitalter der alten Juristen behauptet werden darf, in der früheren Zeit aber, durch die

eigenthümliche Verfassung mancher Provinzen, nur mit Aus­ nahmen anzunehmen ist (a).

§. Origo

und

358.

domicihum

im

heurigen

Recht.

Cs ist nicht schwer zu zeigen, daß die hier dargestellte

Römische Lehre von origo

und

doinicilium

in unserem

heutigen Rechtszustand, namentlich in dem für Deutschland

geltenden gemeinen Recht,

nicht mehr Anwendung findet,

und daß davon höchstens vereinzelte Bestandtheile übrig ge­

blieben sind.

Denn die Grundlage und Voraussetzung jener

Lehre bestand in den Stadtgebieten,

die wie ein Netz über

den ganzen Boden des Römischen Reichs verbreitet waren, und, damit zusammenhängend, in den Stadtgemeinden, die

für die einzelnen Einwohner das Verhältniß zum Staate

vermittelten, so daß alle Einzelne, mit wenigen Ausnahmen, als Stadtbürger,

mannichfaltigen

und dauernden persön­

lichen Verpflichtungen unterworfen waren (§351). Gerade diese Grundlage nun der Römischen Verfassung (a)

Stellten

Cicero

Dieses gilt namentlich von nach

den

angeführten

oben

aus

Stellen

(§ 355.il), worin die Gerichte und die Gesetze neben einander genannt

werden als Vorrechte der Sicilraner,

Cap. 13 „domi certet suis legi­ bus ' Cap. 24 „postulant, ut se ad leges suas rejiciat.“ Cap. 37 ,,ut cives Inter se legibus suis agerent. “

§. 357.

Origo unv doinicilium.

Wirkung.

(Forts.)

89

Gerichtsverfassung gemacht worden ist, daß die Allgemein­ heit dieser Regeln zwar für das Zeitalter der alten Juristen behauptet werden darf, in der früheren Zeit aber, durch die

eigenthümliche Verfassung mancher Provinzen, nur mit Aus­ nahmen anzunehmen ist (a).

§. Origo

und

358.

domicihum

im

heurigen

Recht.

Cs ist nicht schwer zu zeigen, daß die hier dargestellte

Römische Lehre von origo

und

doinicilium

in unserem

heutigen Rechtszustand, namentlich in dem für Deutschland

geltenden gemeinen Recht,

nicht mehr Anwendung findet,

und daß davon höchstens vereinzelte Bestandtheile übrig ge­

blieben sind.

Denn die Grundlage und Voraussetzung jener

Lehre bestand in den Stadtgebieten,

die wie ein Netz über

den ganzen Boden des Römischen Reichs verbreitet waren, und, damit zusammenhängend, in den Stadtgemeinden, die

für die einzelnen Einwohner das Verhältniß zum Staate

vermittelten, so daß alle Einzelne, mit wenigen Ausnahmen, als Stadtbürger,

mannichfaltigen

und dauernden persön­

lichen Verpflichtungen unterworfen waren (§351). Gerade diese Grundlage nun der Römischen Verfassung (a)

Stellten

Cicero

Dieses gilt namentlich von nach

den

angeführten

oben

aus

Stellen

(§ 355.il), worin die Gerichte und die Gesetze neben einander genannt

werden als Vorrechte der Sicilraner,

Cap. 13 „domi certet suis legi­ bus ' Cap. 24 „postulant, ut se ad leges suas rejiciat.“ Cap. 37 ,,ut cives Inter se legibus suis agerent. “

90 Buch III

Herrschaft der Recht-regeln Kap I

Örtliche Gränzen

in ihrer Anwendung auf die einzelnen Tbeile des Staats­ gebietes,

findet sich in den neueren Zeiten nicht

Namentlich in Deutschland baben

mehr.

zwar seit vielen Jahr­

hunderten die Städte ein wichtiges Stück der Verfassung,

sowohl int Neicke, als in den einzelnen Ländern, gebildet: jedoch mir ein vereinzeltes, neben anderen meist wichtigeren

Bestandtheilen stehendes Stück, so daß hier an ein Aufgehen

des Ganzen in

bloße Stadtgebiete und

niemals zu denken war.

Siadtgemeinden

Wie mit Deutschland, so verhielt

es sich in dieser Hinsicht auch mit anderen Staaten neuerer Zeit;

und höchstens in Italien finden sich tbeilweise noch

Zustände, die, wenn auch unvollständig, nicht nur an den

Zustand des Römischen Kaiserreichs erinnern, sondern auch

in der That als Ueberreste desselben zu betrachten sind Ist nun die Grundlage jener Römischen Lebre von origo

und doiniciliiini verschwunden,

so können auch die darauf

beruhenden Rechtsverhältnisse (munera. formn. Stadtrecht als Recht der Person) nicht mehr in Römischer Weise be­

hauptet werden.

origo,

Vorzüglich einleuchtend ist Dieses für die

das beißt für das bei ledem Einzelnen vorauszu­

setzende Sladtbürgerrecht,

anstatt daß bei der abstracteren

Natur des doinicilimn sich noch eher eine gewisse Art von Fortdauer annebmen ließe. Auch

baben von jeher die neueren Schriftsteller als

unzweifelhaft anerkannt, daß in dieser Lehre unser Rechts­

zustand von dem der Römer durchaus abweiche.

Zwar den

ganzen Umfang der eingetretenen Veränderung konnten sie

§ 358. Origo und domicilium im heutigen Necht.

91

deswegen nicht anerkennen, weil keiner unter ihnen den wahren und vollständigen Zusammenhang jener Römischen Rechtsinstitute übersah. Allein bei einer einzelnen Anwen­ dung , dem Gerichtsstände, wurden sie aus diesen Gegen­ stand aufmerksam, und hier eben erkannten sie einstimmig an, daß das Römische so rum origmis, in seiner ursprüng­ lich vorherrschenden Bedeutung, für uns ganz verschwunden sev, und daß höchstens noch etwas ihm AeHnlickes, aber untergeordnet, und als bloße Aushülfe für seltenere Fälle, für unser heutiges Recht übrig bleibe (a). — Wollte etwa Jemand bezweifeln, ob wirklich in dieser Lehre eine durch­ greifende Veränderung vorgegangeti wäre, so müßte er schon durch den Umstand überzeugt werden können, daß selbst die Begriffe und Kunstausdrücke der Römer bei den Neueren ganz verwirrt und verdunkelt erscheinen Denn dieser Umstand erklärt sich nicht daraus, daß etwa die Quellen des Römischen Rechts in dieser Lehre besonders undeutlich oder lückenhaft wären, (welches in der That nicht der Fall ist), sondern lediglich daraus, daß der In­ halt jener Rechtsquellen so wenig zu unsern Zuständen passen wollte Man könnte nun etwa versuchen, die eingetretene Veränderung so aufzufassen, als wäre aus dem Römischen Recht blos die eine Hälfte (die origo) verschwunden, die andere Hälfte (das domicilium) unverändert übrig geblieben.

(a) Lauterbach de domicilio § 13. 14. 50. Schiltek ex. 13 $ 24. Stryk V. 1 $ 17 18. Glück B- 6 S. 261.

92 Buch III. Herrschaft der Recht-regeln. Kap I. Örtliche Gränzen.

Allein auch diese Auffassung kann nur mit großer Be­ schränkung als richtig anerkannt werden.

Die praktische Bedeutung nämlich des Römischen domi-

ciliuni bezog sich immer wieder auf die Sladtgemeinde und eben so wie das Bür­

deren Gebiet, indem der Wohnsitz,

gerrecht, jeden Einzelnen zum An gehörigen einer Stadt­

gemeinde

(§ 351. 353).

konnte

machen

Diese

aus«

schließende praktische Bedeutung ist nicht mehr vorhanden, oder sie bat vielmehr eine andere Gestalt angenommen. wie der Wohnsitz

Dagegen ist die Art,

wieder anfgehoben wird (8 353. 354),

entsteht und

bei uns ganz die­

selbe wie im Römischen Recht, und in sofern sind bei unS die Bestimmungen des Römischen Rechts völlig anwendbar.

Die Gränze des anwendbaren und nicht anwendbaren

Theils

jener ganzen Lebre wird nun noch anschaulicher

werden durch die Betrachtung der drei einzelnen Wirkungen,

die das Römische Recht an den Wohnsitz,

knüpft (§. 355 356).

daS Stadtbürgerrecht, 1.

eben so wie an

Städtische Lasten (mtinera) Diese können hier völlig

unbeachtet bleiben,

da

sie

sich

ganz

auf eigenthümlich

Römische Verhältnisse bezogen

2

Gerichtsstand (Forum domicilii).

Diese Wirkung des Wohnsitzes ist nicht nur im heuti­

gen

Rechte

noch

wichtiger,

sen

bestand ganz

geblieben,

übrig

als

bei

den

sondern Römern.

gewöhnlich das

sie

erscheint hier

Denn bei die­

Forum originis

neben

formn domicilii,

dem

ger die

93

Origo und domicilium im heutigen Recht.

§. 358.

Wahl

so daß



hatte

beiden der Klä­

zwischen

bei

355);

im Römischen Sinne verschwunden,

uns ist die origo so

ist nunmehr

das formn domicilii der einzige ordentliche,

regelmäßige

Gerichtsstand Dieser

Menschen.

jedes

Römischen

im

wie dort,

aber,

Gerichtsstand

auf welchem er beruht, als

und

hat jetzt

eine

selbst,

Wohnsitz

andere Bedeutung,

Er bezieht sich nicht

Recht

allgemein

wie der

mehr,

und nothwendig auf die richterliche

Obrigkeit eines Stadtgebietes, zu welchem der Wohn­ sitz

gehört,

sondern

verschiedenartige

sehr

haben,

und

eines

Gerichtssprengels,

Entstehungsgründe

allerdings

mit den Gränzen eines

und

der

Gränzen

anderen und zufällig auch

unter

Stadtgebietes

zusammen

fallen

kann.

3. Das besondere territoriale Recht, welchem jeder Einzelne,

als

seinem persönlichen Recht,

untergeordnet ist

Damit

verhält es sich ähnlich, wie es so eben von dem Gerichts­ stand bemerkt worden ist.

Diese Wirkung deö Wohnsitzes

ist nicht nur übrig geblieben,

sondern auch ausschließender

anwendbar und darum wichtiger geworden, als bei ihnen. Zugleich aber hat sie bei uns,

eben so wie der Gerichts­

stand, eine veränderte Bedeutung angenommen. Dieser Gegenstand aber ist für die Aufgabe der gegen­

wärtigen Untersuchung wichtiger, als alles Uebrige, ja er allein war die Veranlassung,

auch die übrigen hier abge-

94 Buch UL Herrschaft der RechtSregeln. Kap. 1. örtliche Gränzen.

handelten Fragen mit in den Kreis dieser Untersuchung zu

ziehen.

Daher ist

derselbe nunmehr einer abgesonderten,

selbstständigett Betrachtung zu unterwerfen (§ 359).

Neben der hier dargestellten großen und allgemein aner­

kannten Verschiedenbeit,

die bei rem Uebergang aus den

Römischen Zuständen in die heutigen eingetreten ist, muß

daß sich in

es als eine Merkwürdigkeit erwähnt werden,

einem kleinen Europäischen Lande ein ähnlicher Rechtszu­ stand ausgebildet hat,

wie der oben dargestellte »Komische

eine origo, verschieden von dem doimeilium, aber mit ent­

schiedenem Uebergewicht über dieses; ein Rechtszustand, der nicht Ueberreft des Römischen, ahmung desselben ist,

und eben so wenig Nach­

so wie er auch darin eigenthümlich

erscheint,

daß er nicht ausschließend auf einem Stadtbür­

gerrecht,

sondern auf dem Heimathsrecht oder Bürgerrecht

in irgend einer Gemeinde (sey sie städtisch oder ländlich) beruht.

Dieser Zustand findet sich in den meisten Kantonen

der deutschen Schweiz, wo das Heimathsrecht in einer be­

stimmten Gemeinde,

Erwerb

des

welches zugleich Bedingung für den

Kantonsbürgerrechts

ist,

vorzugsweise vor

dem vielleicht anderswo gewählten Wohnsitz,

entscheidend

ist für viele der wichtigsten Rechtsverhältnisse:

namentlich

für die Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit,

Ehe, väterliche Gewalt,

Vormundschaft,

für die

so wie für daS

Recht der Testamente und die Jntestaterbfolge.

Für mehrere

$. 358.

Origo und domicilium im hmtigen Recht.'

95

dieser Rechtsverhältnisse wird nicht bloö das anwendbare

örtliche Recht,

sondern auch der Gerichtsstand durch die

origo (daS Gemeindebürgerrecht) bestimmt,

vorzugsweise

vor dem Wohnsitz;

namentlich gilt Dieses für die Klagen

auf Ehescheidung,

und

diese Bestimmungen

für die aus dem Erbrecht

gründen sich

Alle

theils auf alteö Her­

kommen, theils auf die zwischen vielen Kantonen geschlossenen Konkordate (b)

8. 359. Origo und domicilium nach heurigem Rechr

(Fortsetzu ng.)

Nach dem heutigen Recht ist der Wohnsitz als regel­

mäßiger BestimmungSgrund anzusehen für das besondere territoriale Recht, welchem jeder Einzelne, als seinem per­ sönlichen Rechte, untergeordnet ist (8 358), und dieser Satz hat auch

von jeher sehr allgemeine Anerkennung gefun­

den (a).

Es tritt also nunmehr als Regel derjenige Zu-

(b) Offizielle Sammlung der daö Schweizerische Staatsrecht be­ treffenden Aktenstücke B. 2 Zürich 1822. 4 e 34 36 39. — Ich verdanke diesen, das Schweizerrecht betreffenden, Zusatz der freundlichen Mittheilung von Keller

(a) Vgl. die im § 358 Note a angeführten Schriftsteller, und Eichhorn deutscheS Recht § 34. — Für die Uebereinstimmung aus­

ländischer Rechtslehrer find folgende Zeugniffe zu bemerken: Projet de code civil Paris 1801 8. p. LV LV1 — Roccu Lid 2 0 8, wo gleichfalls der bloße Wohnsitz als Grundlage des örtlichen Rechts für den Einzelnen anerkannt wird, völlig verschieden von der (poli­ tischen) Naturalisation, von welcher Lid 1 C 10 handelt — Stojrx Chap. 3. und 4.

$. 358.

Origo und domicilium im hmtigen Recht.'

95

dieser Rechtsverhältnisse wird nicht bloö das anwendbare

örtliche Recht,

sondern auch der Gerichtsstand durch die

origo (daS Gemeindebürgerrecht) bestimmt,

vorzugsweise

vor dem Wohnsitz;

namentlich gilt Dieses für die Klagen

auf Ehescheidung,

und

diese Bestimmungen

für die aus dem Erbrecht

gründen sich

Alle

theils auf alteö Her­

kommen, theils auf die zwischen vielen Kantonen geschlossenen Konkordate (b)

8. 359. Origo und domicilium nach heurigem Rechr

(Fortsetzu ng.)

Nach dem heutigen Recht ist der Wohnsitz als regel­

mäßiger BestimmungSgrund anzusehen für das besondere territoriale Recht, welchem jeder Einzelne, als seinem per­ sönlichen Rechte, untergeordnet ist (8 358), und dieser Satz hat auch

von jeher sehr allgemeine Anerkennung gefun­

den (a).

Es tritt also nunmehr als Regel derjenige Zu-

(b) Offizielle Sammlung der daö Schweizerische Staatsrecht be­ treffenden Aktenstücke B. 2 Zürich 1822. 4 e 34 36 39. — Ich verdanke diesen, das Schweizerrecht betreffenden, Zusatz der freundlichen Mittheilung von Keller

(a) Vgl. die im § 358 Note a angeführten Schriftsteller, und Eichhorn deutscheS Recht § 34. — Für die Uebereinstimmung aus­

ländischer Rechtslehrer find folgende Zeugniffe zu bemerken: Projet de code civil Paris 1801 8. p. LV LV1 — Roccu Lid 2 0 8, wo gleichfalls der bloße Wohnsitz als Grundlage des örtlichen Rechts für den Einzelnen anerkannt wird, völlig verschieden von der (poli­ tischen) Naturalisation, von welcher Lid 1 C 10 handelt — Stojrx Chap. 3. und 4.

96 Buch III. Herrschaft der Rechisregeln. Kap. I. örtliche Gränzen.

stand ein, welcher im Römischen Rechte ausnahmsweise an­ erkannt werden mußte für solche Personen, die zufällig zu keiner Stadt ein eigentliches Bürgerverhältniß hatten, also ohne origo waren (§ 357) Man könnte diese Regel des heutigen Rechts, um ihr Verhältniß sowohl zum Römischen Recht, als zu der schon erwähnten verwandten Regel für den Gerichtsstand, anschaulich zu machen, etwa so aus­ drücken. 1 Bei den Römern bestand neben dem so rum domicilii das so rum originis, beide mit völlig gleicher Be­ rechtigung, also concurrirend Bei uns ist das formn originis im Römischen Sinne verschwunden, das forum domicilii allein übrig. 2. Bei den Römern galt, als lerritoriales persönliches Recht der Einzelnen, die lex originis. und nur ausnahmsweise die lex domicilii, für diejenigen Personen, die zufällig keine origo hatten. Bei und ist die lex domicilii der einzige regelmäßige Bestimmungsgrund für das territoriale persönliche Recht der Einzelnen (b). Obgleich nun diese ungemein wichtige Regel, die für die ganze folgende Untersuchung die Grundlage abgeben wird,

auf

erinurten Personen auch nicht den örtlichen Statuten unterworfen sind.

den Zusammenhang zwischen forum

Eich h orn deutsches Recht § 34. —

domicilii) und lex

Es darf jedoch keine undedmgte, ausschließende Behauptung dieses

(b)

Es ist sch en eben (§ 356)

aufmerksam (originis,

gemacht

(originis, domicilii)

worden

Dieser Zu­

sammenhang zeigt sich nicht blos

Zusammenhangs

im R R., sondern auch in manchen

geltend gemacht

rein praktischen Folgen des heutigen

werden, welches schon wrgen der nicht seltenen Concurrenz verschie­

Rechts; so unter andern m der Regel, nach welcher die vom ge­

dener Arten des Gerichtsstandes (z. B. domicilii Mit rei sitae)

wöhnlichen örtlichen Gerichtsstand

bedenklich seyn würde.

Origo und domicilium nach heutigem Recht.

(Forts.)

97

als Regel sehr allgemein anerkannt wird, so ist es doch nach

zwei Seiten hin nöthig, sie näher zu bestimmen. Erstlich hat im heutigen Recht der Wohnsitz auch in

Ansehung des territorialen Rechts eine andere Bedeutung und andere Gränzen, als im Römischen Recht, ganz so wie

es bereits in Ansehung des Gerichtsstandes bemerkt worden ist (§ 358).

Bei den Römern war die lex originis, wie

die lex domicilii, stets das örtliche Recht eines bestimmten Stadtgebietes (8 356).

Bei unö dagegen hat die Einheit

eines territorialen Rechtes, eben so wie der Gerichtsstand, sehr verschiedenartige Entstehungsgründe und Gränzen (c),

und das territoriale Recht kann nur unter andern und ;usälligerweise mit den Gränzen eines Stadtgebiets zusammen

Wollen wir also für dieses

fallen, also ein Stadtrecht sein.

Verhältniß den Vortheil einer allgemein passenden Bezeich­

nung gewinnen, so müssen wir dafür einen besonderen Kunst­ ausdruck erst bilden, und es würde sich dazu etwa der Aus­

druck Gesetzsprengel eignen, welcher durch seine Aehnlichkeit mit dem allgemein üblichen Ausdruck: Gerichtßsprengel leicht verständlich sein wird.

Nur muß dabei bedacht

werden, daß der Ausdruck: Gesetz (eben so wie lex domi­ cilii) in einem weiteren Sinn zu nehmen ist, für jede Re­ gel des positiven Rechts,

ohne Unterschied, ob diese Regel

durch ein eigentliches Gesetz, oder etwa durch Gewohnheits­

recht, entstanden sein mag. (c)

Von

dieser

verschieden«»-

tigen Natur mit Begrenzung terri-

viu.

torialer Rechte ist schon oben im $ 347 die Rede gewesen.

7

98 Buch III Herrschaft der Recht-regeln. Kap.I. örtliche Gränzen. Zweitens könnte man versucht sein, der hier ausgestell­ ten Regel

von der lex domicilii einen

uneingeschränkten

Einfluß einzuräumen nur bei der Collision zwischen den

Particularrechten

eines

und

desselben

Staate-

(8 347),

nicht so bei der Collision zwischen den Gesetzen souveräner Staaten (§ 348); Collision

nicht

man könnte annehmen,

sowohl der

als

Wohnsitz,

daß für diese vielmehr der

StaatSverband, das Unterthanenverhältniß, maaßgebend sein

müsse. —

In mehreren großen Staaten nämlich sind ge­

naue Bestimmungen erlassen worden über den Erwerb und

Verlust des

Staatsbürgerrechts,

und

man könnte daher

glauben, in diesen Staaten sei die Anwendung deS territo­

rialen Rechts auf die Einzelnen forthin bedingt durch daS Staatsbürgerrecht, nicht mehr durch den Wohnsitz, worin

also eine modificirte Rückkehr zu dem Römischen Begriff

der origo (verschieden von domicilium)

gefunden werden

könnte.

Diese Annahme ist nicht ohne Schein im Französischen Recht, welches genaue Bestimmungen enthält über die Ent­

stehung und Aufhebung der Eigenschaft eine- Francis (d).

Daran knüpft sich dann die Bestimmung, daß der persön­

liche Zustand des Fran^ais (Fetal et la capacite), auch wenn

(d) Code civil art. 9—13. 17—21. Von dem Fran^ais ist verschieden der citoyen, welcher Ausdruck die politischen Rechte be­ zeichnet, art. 7. — Auch Foelix p. 36 - 39 spricht zwar zuerst von der nationalste al- Grundlage de­

anzuwendenden örtlichen Recht-, nimmt aber dann diesen Ausdruck gleichbedeutend mit domicile, will also nicht etwa in Widerspruch treten mit der unter den Schrift­ stellern de- gemeinen Rechts herr­ schenden Anficht.

S. 359.

Origo und domicilium nach hcutigem Recht. (Forts.) 99

er im Ausland wohne, nach Französischem Recht beurtheilt werden solle (e);

ferner daß jeder Francais alle droits ci-

vils genieße (f).

Diesem letzten Satz könnte man die aus­

schließende

Bedeutung

beilegen,

daß der Ausländer die

droits eivils in Frankreich nicht genieße, worin dann ein« Herstellung des Römischen Unterschieds der cive« und peregrini in der Lehre von der Rechtsfähigkeit gefunden

werden möchte.

Allein, abgesehen davon, daß die Franzö­

sischen Juristen von den droits eivils sehr verworrene und irrige Begriffe haben (g), werden daneben den Ausländern

so ziemlich dieselben Rechte, wie den Francais, eingeräumt (h). Daraus geht hervor, daß die praktische Bedeutung des Be­

griffs Francais weit geringer ist,

Blick scheint,

als

sie

aus den ersten

und daß sie sich hauptsächlich in der Lehre

von der Handlungsfähigkeit äußert, an welcher Stelle wir auf diesen Gegenstand zurückkommen werden. In Preußen ist neuerlich ein Gesetz erlassen worden

über die Entstehung und Aufhebung der Eigenschaft eines Preußen oder Preußischen Unterthans (i), und man könnte

auch bei diesem Gesetz versucht sein, darnach die Anwend­ barkeit des Preußischen Rechts auf die Einzelnen, unabhün-

(e) Code civ. art. 3, s. u. $ 363 am Ende des §. (f) Code civ. art. 8. (g) S. o., B.r S. 154 fg. (h Code civ. art. 11. wo der Grundsatz der Reciprocität aufge-

gestellt ist, welcher jetzt fast über­ all auf völlig gleiche Rechtsfähig­ keit zwischen Inländern und Aus­ ländern führen wird. (i) Gesetz vom 31. Dec 1842 ).

Auch liegt darin

die eigentliche Bedeutung der Personal st a tuten, deren Begriff in worden ist

früherer Zeit so

auf

großer Werth gelegt

(§ 361 Rum. 1).

Indessen würden wir irren,

wenn wir diese Ueberein­

stimmung allzu hoch anschlagen wollten, da sie großentheils

nur scheinbar ist.

Es ist nämlich folgende Unterscheidung

schon in früherer Zeit versucht,

neuerlich aber mit großem

Nachdruck geltend gemacht worden (c).

(a) So z. B. bei I. Vof.t, § 7 Andere Gegner siehe bei Wächter II S. 162. 163 und Foelix p 121 (b) Wächter!! S. 162.163 175. 177

Man will unter-

(c) Bert § 5. 8. 11. 22. Meier, p 14. Mittermaier

deutsches R § 30 S. 118. Ausg. 7, besonders aber W a cd ter II S163 S 175 —184

§. 362. I. Zustand der Person an sich.

135

scheiden das bloße Daseyn der rechtlichen Eigenschaften und die rechtlichen Wir­

einer Person an sich,

kungen dieser Eigenschaften, das heißt, die daraus entsprin­

genden Rechte und Beschränkungen der Person.

Die Eigen­

schaften an sich sollen beurtheilt werden nach dein örtlichen

Recht des Wohnsitzes; die rechtlichen Wirkungen aber nicht nach diesem,

sondern nach irgend einem anderen örtlichen

Recht; nach welchem Recht?

Rede sevn.

Davon wird noch ferner die

Von den Vertbeidigern dieser Unterscheidung

wird daher auch die allgemein übereinstimmende Meinung, und das damit zusammenhängende gemeine Gewohnheitsrecht,

auf die Eigenschaften an sich beschränkt Der Sinn dieser Unterscheidung wird aus folgenden An­

Zu den Eigenschaften an sich ge­

wendungen klar werden. hören

die

Zustände

des

Bevormundeten,

Unmündigen,

Minderjährigen, des Verschwenders, ferner des Geschlechts, der

Verheirathelen, der ehelich oder unebelich Gebornen u s w.

Ob also Jemand minderjährig ist oder nicht, das heißt, die

Gränze der Minderjährigkeit, soll zu beurtheilen seyn nach dem

Recht des Wohnsitzes. Beschränkungen Wirkungen,

des

Dagegen gehören die Rechte und

Minderjährigen

zu

den

rechtlichen

und sind daher (nach jener Lehre) nicht nach

dem Wohnsitz zu beurtheilen. Zu allen Zeiten jedoch haben viele Schriftsteller eine

solche Unterscheidung gar nicht gemacht, die rechtlichen Wirkungen, an sich,

sondern vielmehr

gerade so wie die Eigenschaften

lediglich nach dem durch den Wohnsitz der Person

136 Buch !II- Herrschaft der Rechtsregeln. Kap.!. Hrtliche Gränze», bestimmten örtlichen Rechte beurtheilt (d).

Und mit diesen

übereinstimmend muß auch ich jene Unterscheidung gänzlich

Ich halte sie für willkürlich und inkonsequent,

verwerfen.

da es an einem inneren Grunde, ziehen,

gänzlich fehlt.

eine solche Gränze zu

Sehen wir die Sache genau an,

so finden wir keinen anderen Unterschied, persönliche

Zustände

mit

besonderen

als daß manche

Namen

bezeichnet

werden, andere aber nicht; dieser ganz zufällige, gleichgül­ tige Umstand nun kann umnöglich einen Grund abgeben, verschiedene örtliche Rechte anzuwenden.

Volljährig

nennen wir Den,

digste, durch das Alter erreichbare, sitzt;

Handlungsfähigkeit be­

ist also nur ein Name für gewisse rechtliche

daö

Wirkungen,

für die Verneinung früher vorhandener Be­

schränkungen der Fähigkeit. jährig

welcher die vollstän­

Ten,

Eben so nennen wir minder­

welcher jene vollständige Fähigkeit noch

nicht besitzt; cs ist ein Name für die Verneinung des Zu­ standes vollständiger Fähigkeit.

Wenn nun aber ein Gesetz

auch bei den Minderjährigen gewisse Stufen der Fähigkeit

aufstellt, ohne dafür einen besonderen Namen zu gebrauchen, so ist doch gewiß kein Grund cinzusehen, warum nicht diese

Stufen der Fähigkeit, ständigen Fähigkeit,

eben so wie der Eintritt der voll­

nach dem Recht deö Wohnsitzes bcur-

(

(’U crfjtof >i() iq leit itub (Fortsetzung)

ES soll nun zusammcngestellt werden, was sich in den wichtigsten neueren Gesetzbüchern über die hier vorliegende Frage findet

I

Das Preusiische Allgemeine Landrecht stellt fol­

genden Grundsatz an die Spitze: „Die persönlichen Eigen­ schaften und Befugnisse eines Menschen werden nach den Gesetzen der Gerichtsbarkeit beurtheilt, unter welcher der­ selbe seinen eigentlichen Wohnsitz hat" (a).

Diese Be­

stimmung bezieht sich auf die Preußischen Unterthanen, und unterscheidet nicht, ob sie ihre Befugnisse (wozu vor allen

die Handlungsfähigkeit gehört) ausüben an ihrem Wohnsitz

selbst, oder an einem andern Orr des Inlandes, der viel-

(a) L R (Still. § 23. Die nähere» Bestimmungen folgen tit den 88 24-27.

8- 3G3. I Zustand der Person an sich. (Forts.)

141

die ja ohnehin für die individuellen Verhältnisse des Aus­ länders unentbehrlich sind,

fremden örtlichen Recht.

ganz unabhängig von dem

Wer aber etwa noch mebr Er­

leichterung und Sicherheit auf diesem Gebiete verlangen

möchte, der kann dieselbe nur auf dem Wege positiver Ge­

setzgebung erwarten.

WaS hierin geschehen kann, wird so­

gleich bei der Uebersicht neuerer Gesetze in unserer Lehre

gezeigt werde».

8. 363. 3 uftanD dc r Pcrsou au sich

1

HantlungSfäliigkeit >

(’U crfjtof >i() iq leit itub (Fortsetzung)

ES soll nun zusammcngestellt werden, was sich in den wichtigsten neueren Gesetzbüchern über die hier vorliegende Frage findet

I

Das Preusiische Allgemeine Landrecht stellt fol­

genden Grundsatz an die Spitze: „Die persönlichen Eigen­ schaften und Befugnisse eines Menschen werden nach den Gesetzen der Gerichtsbarkeit beurtheilt, unter welcher der­ selbe seinen eigentlichen Wohnsitz hat" (a).

Diese Be­

stimmung bezieht sich auf die Preußischen Unterthanen, und unterscheidet nicht, ob sie ihre Befugnisse (wozu vor allen

die Handlungsfähigkeit gehört) ausüben an ihrem Wohnsitz

selbst, oder an einem andern Orr des Inlandes, der viel-

(a) L R (Still. § 23. Die nähere» Bestimmungen folgen tit den 88 24-27.

142

Buch 111. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I Örtliche Gränzen,

leicht ein anderes örtliches Recht über solche Befugnisse

hat, oder endlich im Ausland. Für die Ausländer lautet die Bestimmung so: „Auch

Unterthanen fremder Staaten, welche in hiesigen Landen leben,

oder Geschäfte treibe«,

müssen nach obigen Be­

stimmungen beurtheilt werden" (b). So weit stimmt Alles mit den oben ausgestellten Grund­

sätzen überein.

Völlig gleiche Behandlung der Einheimischen

und der Fremden.

Allgemeine Beurtheilung des persönlichen

Zustandes, der Handlungssäbigkeit, nach dem örtlichen Recht,

das an dem Wohnsitz der Persoil besteht,

es mag dieses

ein einheimisches oder ein fremdes Recht seyn.

Daneben bleiben aber zwei Fragen zu erörtern, welche

schon oben für das gemeine Recht aufgeworfen worden sind.

Zuerst: Sind hier nur die Eigenschaften an sich gemeint, oder sollen auch die rechtlichen Wirkungen derselben nach

dem Rechte des Wohnsitzes beurtheilt werden (§ 362)? Wäre in dem § 23 blos gesagt: „die persönlichen Eigen­

schaften", so könnte man vielleicht die erste, also die be­ schränkende, Bedeutung in jene Worte legen; da aber hin­

zugesetzt wird: „und Befugnisse", so muß jene Vor­ schrift auch auf die rechtlichen Wirkungen der Eigen­ schaften bezogen werden,

das heißt:

es ist für Jeden

nach dem Recht seines Wohnsitzes zu bestimmen, nicht

blos, ob er minderjährig ist oder nicht,

(b) r. R. (Sins. § 34.

sondern auch,

§. 363.

I

Zustand der Person an fich.

(Forts.)

143

was er als Minderjähriger vermag und nicht vermag. Wollte man diese Behauptung noch bezweifeln, so würde

doch jeder Zweifel beseitigt werden durch einige nachfolgende Stellen des Gesetzes, worin der nach dem Recht des Wohn­ sitzes zu beurtheilende Gegenstand bezeichnet wird als Fä­

higkeit zu handeln (c), und zwar so, daß damit nicht etwas Neues erwähnt, sondern blos das Vorhergehende mit einem willkürlich abwechselnden, völlig gleichbedeutenden, Ausdruck bezeichnet werden soll.

Eö ist daher unzweifel­

haft, daß das Preußische Recht unter den persönlichen Ei­ genschaften und Befugnissen gerade die Handlungsfähigkeit

mit begreift, und daß es also nicht blos die Eigenschaften

an stch, sondern auch die rechtlichen Wirkungen dersel­

ben, nach dem örtlichen Rechte des Wohnsitzes beurtheilt wissen will.

Zweitens ist schon oben auf die praktische Schwierigkeit aufmerksam gemacht worden, die bei den Verträgen eines

Ausländers in unserm Lande entstehen kann, indem vielleicht das im Auslande, an seinem Wohnsitz geltende, Recht bei

uns unbekannt ist (§ 362).

Diese Schwierigkeit beseitigt

das Preußische Gesetz durch die Vorschrift, daß die Hand­

lungsfähigkeit des Ausländers nach dem für das Bestehen

deS Vertrages günstigsten Gesetz (also nach dem leichtesten) beurtheilt werden soll, vorausgesetzt, daß die Gegenstände

(c)

L. R. Eint. 8 27. 35.

144 Buch 111. Herrschaft der Nechtsregclu. Kap. 1. Örtliche Gränzen, des Verlrags in unserm Lande sich

befinden (d).

Wird

also in Berlin ei» solcher Vertrag

geschlossen von

einem

Franzosen, der über 21 Jahre alt ist, so ist der Vertrag gül­

tig nach

Französischem Recht,

aus 21 Jahre setzt.

welches

die

Volljährigkeit

Wird der Vertrag ebendaselbst geschlos­

sen von dem Einwohner eines unter dem Römischen Recht

stehenden Landes, welcher über 24 Jabre alt ist,

so ist der

Vertrag gültig nach Preußischem Recht, welches 24 Jahre als Gränze der Minderjährigkeit annimmt.

Das erste ist dem

allgemeinen Grundsatz gemäß, daS zweite ist eine rein positive Vorschrift, gegeben in der Absicht, die Inländer gegen die Folgen

eines unverschuldeten Irrthums, vielleicht selbstder Unredlichkeit ihres Gegners, zu schützen. ließe sich

Eine gleichartige Bestimmung

in den Gesetzen jedes Staates denke»,

wünschenswerthc

Rechtögemcinschaft

in

der

und die

Beurtheilung

der Collisionen würde dadurch nicht beeinträchtigt werden. 11. Daö Oesterreichische bürgerliche Gesetzbuch (1811) beschränkt sich auf zwei

hierher gehörende Bestimmungen,

die mit den oben aufgestellten Grundsätzen übereinstimmcn Die Staatsbürger bleiben auch in Handlungen, die sie

außer diesem Staatsgebiete vornehmen,

(d)

L R

(5ml. 8 35 „ Doch

Der § 26

diese

Gesetze

enthält eine

ähnliche,

an

wird ein Fremder, der in hiesigen

aber weit weniger wichtige,

Landen Verträge über daselbst be-

stimmnng.

Beide Stellen

Be

fehlten

ui An-

in dem Entwurf, und wurden erst

sehimg seiner Fähigkeiten, zu Han-

später anfgenommen, mit Rücksicht

deln, nach denjenigen Gesetzen be-

ans die

urtheilt,

Schwierigkeit.

kindliche Sachen schließt,

luiig

nach

am

welchen die Hand-

besten bestehen

kann".

oben erwähnte praktische

Borne mann

Prenß. Recht B. 1 S. 53 Note 1.

§. 363.

I.

145

Zustand der Person an sich. (Forts.)

(also an die Gesetze ihres Wohnsitzes) gebunden, „insoweit

als ihre persönliche Fähigkeit, sie zu unternehmen, dadurch

eingeschränkt wird" (e). Eben so wird für Fremde bestimmt:

„Die persönliche

Fähigkeit der Fremden zu Rechtsgeschäften ist inSgemein nach den Gesetzen deS Ortes, denen der Fremde vermöge

seines Wohnsitzes

AuS diesen Stellen,

unterliegt, zu beurtheilen" (f). so

allgemein

sie

auch

gehalten

sind, geht doch unzweifelhaft hervor, daß für Inländer und Ausländer der persönliche Zustand nach gleichem Grundsatz, und zwar nach dem örtlichen Rechte des Wohnsitzes zu be-

urtheilen ist;

ferner, daß diese Beurtheilung nicht blos zu

beziehen ist auf die Eigenschaften an sich (z. B. ob Jemand minderjährig ist oder nicht), sondern auch auf die rechtlichen

Wirkungen dieser Eigenschaften, da in beiden Stellen aus­ drücklich erwähnt wird, die „persönliche Fähigkeit, sie (die Handlungen) zu unternehmen, die persönliche Fähigkeit

zu Rechtsgeschäften." Dagegen findet sich hier eine besondere Vorkehrung we­

gen des, vielleicht unbekannten, örtlichen Rechtes, dem der

Ausländer unterworfen sein kann, nicht (g). (e)

Oesterr. Gesetzbuch § 4.

gleichung des § 34 mit § 35 — 37

(f)

Ebendas. 8 34.

muß man sich überzeugen, daß nur der § 34 von der persönlichen

(g) Zwar könnte man hierauf veziehen den § 35, indem man ihn

Handlungsfähigkeit spricht, anstatt

wie die oben erwähnte Vorschrift

daß tu drei folgenden SS von der objectiven Natur und Gültigkeit

de« Preußischen Rechts (Note d.).

der Rechtsgeschäfte reden.

in einem ähnlichen Sinne auffaßte,

Allem bei einer unbefangenen Ver-

VIII.

10

146 Buch III. Herrschaft der RechtSregrln. Kap. I. Örtliche Gränzen.

III.

Das Französische Gesetzbuch enthält über unsre

Frage nur folgende ganz kurze Stelle:

„Les lois concer-

nant l’etat et la capacite des personnes regissent les Fran-

itae allein entscheidet,

bezweifelt,

nach

auf bewegliche Sachen anzuwenden diesem

Gesetz das

Sache einmal erworben,

ist.

Ist

Eigenthum einer solchen

so muß dieses Eigenthum auch

in jedem anderen Staate anerkannt

werden,

wenngleich

dieser Staat eine gleichartige Erwerbung innerhalb seiner

Gränzen nicht anerkannt haben möchte. 4.

In den Formen der Veräußerung,

das heißt,

der

freiwilligen Uebertragung des Eigenthums an eine andere

Person,

kommen sehr verschiedene Rechtsregeln vor,

und

nach dem oben aufgestellten Grundsatz müssen wir die am

Ort der gelegenen Sache

geltende Rechtsregel anwenden,

ohne Rücksicht auf den Wohnsitz der einen oder der anderen

184 Buch III. Herrschaft der Recht-regeln. Rap. 1. Örtliche Gränzen. Person,

und ohne Rücksicht auf den Ort des geschlossenen

Vertrages.

So beruht nach dem Römischen Recht die Veräußerung auf der Uebergabe der Sache.

Nach dem Preußischen Recht

gleichfalls auf der Uebergabe (c)

Nach dem Französischen

Recht wird dagegen die Uebertragung des Eigenthums schon durch den bloßen Vertrag bewirkt (d). Die Anwendung dieser Regeln wird durch folgende Bei­ spiele anschaulich werden

Wenn ein Pariser sein in Berlin

befindliches Mobiliar einem Pariser in Paris verkauft, geht das Eigenthum

Tradition über

nur durch

so

Wenn

aber umgekehrt ein Berliner seine in Paris stehende Sachen einem Berliner in Berlin verkauft,

bloße Vertrag das Eigenthum

so überträgt schon der

Ganz Dasselbe wird ein­

treten, wenn wir in diesen Beispielen die Stadt Köln an

die Stelle von Paris setzen Für die Anwendung dieser Regel wird es genügen, wenn der Aufenthalt der Sache auch nur ein vorübergehen­

der,

kurz dauernder,

Uebertragung

des

Handlung beruht,

sevn sollte (e), da in jedem Fall die

Eigenthums

auf einer augenblicklichen

also keinen längeren Zeitraum erfüllt.

(c) A. L R. I. 10. § 1. Vgl Roch Preuß. Recht B. 1 § 252. 255. 174. Selbst die bedeutenden praktischen Erleichterungen bet der unter Abwesenden durch Ueberfen düng vor sich gehenden Tradition

(1. 11 8 128—133) ändern an jenem Grundsatz Nicht-, (d) Code civil art. 1138 Diese« Recht gilt also auch in der Preußischen Rheinprovinz.

(e)

S o § 3ßß S. 181.

S/367.

II.

Sachenrecht.

Eigenthum.

185

Anders wird es sich nur verhalten in den Ausnahmefällen, in

welchen der

augenblickliche Aufenthalt der Sache in

solchem Grade unbestimmt ist, daß auf denselben ein sicheres Bewußtseyn der handelnden Personen gar nicht gerichtet seyn kann,

jn solchen Fällen

werden wir alö Ort der

gelegenen Sache denjenigen Ort zu betrachten haben,

an

welchem die Sache zunächst zu bleiben bestimmt ist, welches

häufig der Wohnsitz des gegenwärtigen EigenthümerS (deS Veräußerers) seyn wird (f).

An allen hier unterschiedenen Fällen kommt es unzwei­

felhaft nur auf den Ort an,

an

zur Zeit der Uebertragung befindet.

welchem sich die

Sache

Ist diese Ucbertragung

einmal geschehen, so ist für das Schicksal des Eigenthums

>ede spätere Veränderung des Aufenthalts der Sache gleich­ gültig, indem das einmal erworbene Eigenthum durch eine solche räumliche Veränderung nicht berührt werden kann.

5.

Der Erwerb des Eigenthums durch Ersitzung un­

terscheidet sich wesentlich von dem Erwerb durch Tradition

darin, daß er nicht, wie die Tradition, durch eine augen­

blickliche, sondern durch eine über einen längeren Zeitraum verbreitete Thatsache bedingt ist.

(f) S c 8 366 S. 179 Bel Der Veräußerung von Kaufmann Sgutern kommen noch bu sehr zwei­ felhaften Fragen von dem kauf­ männischen Zeichen, und (wenn die

Waaren im Transport begriffen sind) von der Wirkung des über­ tragenen Connoffements in Be­ tracht. Vgl. Thöl Handelsrecht § 79 80.'

186 Buch UI. Herrschaft der Rechttregeli». Kap.I. Örtlich« Gränzen. Bei unbeweglichen Sachen nun ist die Anwendung des

Rechts der gelegenen Sache ganz unbestritten.

Dagegen

gehen, in Ansehung der Ersitzung beweglicher Sachen, die

Hier aber ist die Frage

Meinungen sehr auseinander (g). dadurch

besonders

wichtig,

daß die Gesetze verschiedener

Länder sehr von einander abweichen.

Das Römische Recht

erfordert einen Besitz von drei Jahren, das Preußische von zehn Jahren (h),

das Französische

keinen fortgesetzteil Besitz,

endlich

erfordert

gar

sondern schließt schon mit dem

Anfang desselben die Eigenthumsklage des früheren Eigen-

thümerS aus; Dieses jedoch mit Ausnahme verlorener und

gestohlener Sachen, deren Schutz aber mit dem Ablauf von drei Jahren aushört (i).

Durch

diese letzte Bestimmung

schließt sich im praktischen Erfolg daS Französische Recht

dem Römischen nahe an. Gerade hier nun erscheint die Anwendung der lex rei sitae vorzugsweise gewiß durch den Umstand, daß die Grund­

lage aller Ersitzung der fortwährende Besitz ist

Der Besitz

aber, als ein, seinem Wesen nach, ganz thatsächliches Ver­

hältniß, ist noch unzweifelhafter, als jedes dingliche Recht, nach der lex rei sitae zu beurtheilen (§ 368).

(g) Mühlenbruch doctr. Fand. § 73 nimmt ganz richtig die lex rei sitae an. Meier p. 37 die lex domicilii, und zwar nach dem Wohnsitz des Usucapienten, weil dieser während der lau­

fenden Usucapion vaS prätorvche Eigenthum schon habe. Schaff­ ner §. 67 läßt Alles ungewiß (h) A. L. R. l. 9 § 620. (i) Code civil art. 2279

§. 367.

Sachenrecht.

II

187

Eigenthum.

Ein Zweifel kann noch entstehen für die Fälle, in wel­

während der

chen der Aufenthalt der beweglichen Sache, Ersitzungszeit,

ist.

innerhalb verschiedener Landgebiete gewesen

Es kann nicht zweifelhaft sein,

daß alle diese Zeiten

des Besitzes zusammengerechnet werden

Der Ab­

müssen.

lauf der Ersitzung aber,

also

der

muß nach

vem

Recht des OrtS

Eigenthums,

werden, an welchem

vollendete

zuletzt die Sache

sich

Erwerb des

beurtheilt

befindet,

weil

erst mit dem Ablauf des ganzen Zeitraums die Veränderung im erst

Eigenthum eingetreten,

vorher

vorbereitet worden ist (k).

aber eine

solche nur

Ist einmal nach diesem

Recht durch Ersitzung daL Eigenthum erworben, dasselbe auch

wenngleich

in jedem anderen Lande

Has Gesetz

anerkannt

so muß

werden,

dieses Landes einen längeren Zeit­

raum erfordern möchte. 6.

Die Verfolgung des Eigenthums durch Klage,

allen dazu gehörenden näheren Bestimmungen,

mit

ist zu beur­

theilen nach dem Recht des Ortes, an welchem der Prozeß

geführt wird (1). Dieses kann der Ort der gelegenen Sache sein, wegen des an diesem Orte begründeten Gerichtsstandes (§ 366. a);

alsdann ist die lex rei sitae anwendbar.

Es

kann

aber

auch der Wohnsitz deS Beklagten sein, weil nach gemeinem

(k) Es gilt also Biet derselbe Grundsatz, wre bet der zeitlichen Cellisten der Usucaptonsgesetze (§ 391. b).

(1)

S c § 361 Nnm. 3 C.

188 Buch III. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. örtliche Gränzen.

Recht beide Arten des Gerichtsstandes in der Art concur­ riren, daß der Kläger zwischen beiden die Wahl hat;

als­

dann ist die lex domicilii des Beklagten anzuwenden auf aste, die Eigenthumsklage betreffende, Rechtsfragen.

ES ist

nicht zu verkennen, daß durch diese alternative Regel eine bedenkliche Willkür in die Hand des Klägers gelegt wird;

sie ist aber hier unvermeidlich. Eine große Verschiedenheit zwischen den Gesetzgebungen findet sich in Ansehung der Beschränkung der EigenthumS-

klage

Das Römische Recht läßt die Klage unbedingt zu ge­

gen jeden Besitzer, der nicht Eigenthümer ist, und zwar ohne

Anspruch dieses Besitzers aus Ersatz des auSgelegten Kauf­ preises - DaS Preußische Recht läßt gleichfalls die un­

zu,

bedingte Vindicatio»

jedoch

mit Vorbehalt deS eben

erwähnten Ersatzes an den redlichen Besitzer (m). — DaS Französische Recht läßt in der Regel gar keine Vindication

beweglicher Sachen zu, und macht davon nur einige Aus­

nahmen.

bei

gestohlenen

oder verlorenen Sachen binnen

drei Jahren, und bei verkauften, noch unbezablt gebliebenen

Sachen, die gegen den Käufer binnen acht Tagen vindicirt werden können (n).

Der eine oder der andere dieser Grund­

sätze wird zur Anwendung kommen müssen,

je nachdem an

dem Ort des Gerichts, vor welchem der Prozeß geführt wird,

das

Römische,

das

Preußische,

das

Französische

Recht gilt.

(IN) A L. R. 1 art. 2102 N. 4.

15 § 1 26

(n)

Code civil art. 2279

$. 368.

189

II. Sachenrecht. Jura in re.

Der eingeleitete Prozeß über das Eigenthum kann be­

sondere Folgen mit sich

führen,

insbesondere wegen der

Früchte, wegen des durch den Untergang oder die Beschä­

digung der vindicirten Sache begründeten Schadenersatzes u. s. w. (o).

Alle daraus bezügliche Fragen sind gleichfalls

nach dem am Orte des Gerichts geltenden Recht zu ent­

scheiden

§. 368.

II

Sa chenrecht.

Jura in re

Aus die dinglichen Rechte außer dem Eigenthum (Jura in re) sind meist ähnliche Grundsätze anzuwenden,

wie auf

das Eigenthum.

1

Daß die Prädialservituten nur nach

der

lex rei

sitae beurtheilt werden können, wird von keiner Seite be­

stritten. Eben so verhält es sich mit den persönlichen Servituten, deren Gegenstand in einer unbeweglichen Sache besteht.

Ist der Gegenstand eine bewegliche Sache, so wird von

Vielen die lex domicilii eben so, wie bei dem Eigenthum an beweglichen Sachen, mit Unrecht für anwendbar gehal­

Der Parteistreit über diese Frage im Allgemeinen ist

ten.

schon oben ausführlich abgehandelt worden (§ 366).

2.

Die Emphyteuse und die Superficies find keinem

Zweifel unterworfen, da sie nur an unbeweglichen Sachen

$. 368.

189

II. Sachenrecht. Jura in re.

Der eingeleitete Prozeß über das Eigenthum kann be­

sondere Folgen mit sich

führen,

insbesondere wegen der

Früchte, wegen des durch den Untergang oder die Beschä­

digung der vindicirten Sache begründeten Schadenersatzes u. s. w. (o).

Alle daraus bezügliche Fragen sind gleichfalls

nach dem am Orte des Gerichts geltenden Recht zu ent­

scheiden

§. 368.

II

Sa chenrecht.

Jura in re

Aus die dinglichen Rechte außer dem Eigenthum (Jura in re) sind meist ähnliche Grundsätze anzuwenden,

wie auf

das Eigenthum.

1

Daß die Prädialservituten nur nach

der

lex rei

sitae beurtheilt werden können, wird von keiner Seite be­

stritten. Eben so verhält es sich mit den persönlichen Servituten, deren Gegenstand in einer unbeweglichen Sache besteht.

Ist der Gegenstand eine bewegliche Sache, so wird von

Vielen die lex domicilii eben so, wie bei dem Eigenthum an beweglichen Sachen, mit Unrecht für anwendbar gehal­

Der Parteistreit über diese Frage im Allgemeinen ist

ten.

schon oben ausführlich abgehandelt worden (§ 366).

2.

Die Emphyteuse und die Superficies find keinem

Zweifel unterworfen, da sie nur an unbeweglichen Sachen

190 Buch m. Herrschastder Rechtsregeln. Kap.I. Örtliche Gränzen, vorkommen können, also, wie alle Parteien annrhmen, nach

dem Recht der gelegenen Sache zu beurtheilen sind.

3.

Das Preußische Recht giebt dem Miether, Pächter,

und ähnlichen Jnhabem fremder Sachen zum Zweck eige­

ner Benutzung, ein dingliches Recht mit einer Klage in rem gegen den dritten Besitzer,

Sache

übergeben

ist (a).

vorausgesetzt,

daß ihnen

Im Römischen

die

Recht kommt

bekanntlich ein solches dingliches Recht nicht vor.

Ohne Zweifel wird nun ein dingliches Recht dieser Art entstehen, wenn die Sache,

sie mag beweglich oder unbe­

weglich seyn, im Preußischen Staat zur Zeit der Uebergabe sich befindet;

liegt sie zu jener Zeit in einem, dem Römi­

schen Recht folgenden Lande,

so

entsteht

das

dingliche

Recht nicht.

Gesetzt aber, dieses dingliche Recht wird im Preußischen

Staat durch Uebergabe einer gemietheten beweglichen Sache

begründet, und der Besitzer bringt die Sache in ein Land deS Römischen Rechts, so könnte man annehmen, er könne

auch hier das einmal erworbene Recht gegen einen dritten

Besitzer geltend machen. Ich glaube jedoch, Dieses vemeinen zu müssen,

lichen

weil sein Anspruch auf einem ganz eigenthüm­

Rechtsinstitut beruht,

das

in

jenem Lande über­

haupt nicht anerkannt ist (b). — Uebrigens ist diese Frage

(a) I. 7. Preuß. (b)

a. 8. 91.1.2 § 135-137. § 169. 170. Vgl. Koch Recht B. 1 §. 317. 318. S. o. § 149. B. Dieser

Meinung ist auch Wächter II. S. 388. 389, zwar nicht in dem hier angeführten besonderen Fall, wohl aber in dem ganz gleichar-

$. 368. II. Sachenrecht. Jura in re.

191

nicht von praktischer Erheblichkeit, weil das hier erwähnte dingliche Recht überhaupt

nur

bei unbeweglichen Sachen

in wichtigen Folgen hervortritt.

Das Pfandrecht ist nicht

4.

nur von ausgedehnterer

Wirksamkeit, als die bisher genannten Jura in re,

sondern

auch in der hier vorliegenden Frage größeren Zweifeln und Streitigkeiten unterworfen.

Auch hier muß das örtliche Recht der gelegenen Sache als Regel sestgehalten werden, und die meisten dagegen er­ hobenen Bedenken beruhen auf bloßem Schein. Ich will damit anfangen, eine Uebersicht der wichtigsten,

dieses Rechtsinstitut im Ganzen betreffenden, heiten zu geben,

Verschieden­

die in deutschen Staaten wahrzunehmen

sind. Das Römische Recht bemht auf folgenden Grundsätzen,

a.

Das Pfandrecht entsteht,

als dingliches,

dritten Besitzer verfolgbares Recht, auch

durch bloßen Vertrag,

b.

ohne übergebenen Besitz (c).

gegen jeden

Der Vertrag kann

auch stillschweigend geschlossen werden, indem, neben mehre­ ren obligatorischen Rechtsgeschäften,

meinen Rechtsregel fingirt wird,

Ligen Fall des Pfandrechtes,

welchem

sogleich

die

Rede

von

seyn

vermöge

einer allge­

es sey zur Sicherheit der

in re, das heißt, ein vom Eigen­ thum

abgezweigtes

Recht,

mit

wird.

Uebergehung der künstlicheren An­

(c) Ich beschränke mich hier absichtlich auf das Pfandrecht in seinem eigentlichen Sinn, als jus

nen u. s. w.

wendung desselben auf Obligatio­

192 Buch III. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. örtliche Gränzen. Forderung zugleich eine Verpfändung verabredet worden (d).

Bewegliche und unbewegliche Sachen werden,

als Ge­

genstände einer Verpfändung, nicht unterschieden,

d. Der

c.

ausdrückliche sowohl, als der stillschweigende Vertrag kann sich beziehen,

nicht nur aus einzelne Sachen, sondern auch

auf ein ganzes Vermögen.

Die Verpfändung dieser letzten

Art hat den Sinn, daß sie alle zu diesem Vermögen jetzt gehörende,

und alle in dasselbe künftig eintretende Sachen

umfaßt, also auch solche Sachen, die nicht einzeln bezeich­ net, ja nicht einmal einzeln zum Bewußtsevn der Parteien gebracht werden.

Mit Unrecht hat man als den Gegen­

stand eines solchen Pfandrechts das Vermögen in seinem

idealen Begriff, abstrahirt von allem Inhalt, ansehen, und daher die juristischen Begriffe der Universitas und successio per universitatem, ähnlich den Verhältnissen deS Erbrechts,

in der That ist dabei nur

darauf anwenden wollen (e);

von einer indirekten Bezeichnung und Begränzung der Ge­ genstände die Rede,

die

als einzelne Sachen mit dem

Pfandrecht behaftet seyn sollen.

(d) L. 3 in quib caus. (20. 2), „ tacitam conventionem de inveetis illatis . L. 4 pr eod. ,, quasi id tacite convenerit ." L. 6 eod ,, tacite solet conventum ac dpi, ut perinde teneantur invecta et illata, ac si spedaliter convenisset . L. 7 pr. eod.

„ tacite intelliguntur pignori esse etiamsi nominatim id non convenerit.“ Der bei neueren Schriftstellern übliche Aus­ druck des gesetzlichen Pfandrechts (pignus legale) verdunkel! die wahre Namr des Rechtsinstituts. (e) Ueber diese Begriffe vgl. oben B. 3 § 105.

8 368.

II. Sachenrecht.

Jura in re.

193

Unter den verschiedenen Ländern nun, welche im Ganzen

das Römische Recht befolgen,

kommen gerade im Pfand­

recht, neben der eben dargestellten gemeinsamen Grundlage,

manche untergeordnete

Abweichungen vor.

Hauptsächlich

betreffen diese den Umfang des stillschweigenden Pfandrechts,

welches,

je nach den einzelnen Landesgesehgebungen,

mebr bald weniger Fälle von Obligationen umfaßt,

bald die

mit der Fiction eines Pfandvertrages verbunden seyn sollen

Gesetzt nun, es sey von zwei, das Römische Recht im Ganzen befolgenden,

Ländern die Rede

In

dem einen

gelte auch die Regel des Römischen Rechts, nach welchem

das Versprechen,

eine Brautgabe zu bestellen,

stets durch

stillschweigende Verpfändung des ganzen Vermögens sichert ist (f); gehoben.

ge­

in dem anderen Lande sey diese Regel auf­

Wenn nun zwei Einwohner jenes ersten Landes

einen solchen Dotalvertrag schließen,

der Schuldner aber

besitzt in dem zweiten Lande ein Grundstück,

so fragt es

sich, ob dieses Grundstück dem stillschweigenden Pfandrecht unterworfen sey

Man könnte diese Frage verneinen wollen,

indem man die lex rei sitae zur Anwendung brächte; aber mit Unrecht

Denn

auch das

zweite Land erkennt die

Möglichkeit einer Verpfändung durch bloßen Vertrag, und selbst durch stillschweigenden Vertrag,

an.

Ob nun im

vorliegenden Fall ein solcher Pfandvertrag vorhanden ist, das ist eine thatsächliche Frage, die nur nach demjenigen

(f) VIII.

L. un § l C. de rei ux. act (5. 13).

194

Bnch 111. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen,

örtlichen Recht entschieden werden kann,

das

überhaupt

unter

welchem

hier geschlossene Rechtsgeschäft steht (g)

Nach diesem Recht aber wird fingirt, es sey eine ausdrück­ liche Verpfändung des ganzen Vermögens, also auch jenes

auswärtigen Grundstücks, vorgenommen worden, und daher

muß das Grundstück als mitverpfändet gelten (h). der Dotalvertrag in dem zweiten Lande,

desselben, geschlossen worden, stück,

noch

das

Wäre

von Einwohnern

so würde weder das Grund­

übrige Vermögen des Schuldners,

als

verpfändet anzusehen seyn Eine ungleich

größere Verschiedenheit aber findet sich

zwischen den deutschen Ländern, recht im Ganzen anerkennen,

die das Römische Pfand­

und denen,

die das Pfand­

recht auf eine ganz neue Grundlage stellen.

Ich will als

Typus dieser letzten die Preußische Gesetzgebung annehmen,

worin ein solches neues Recht am vollständigsten ausgebildet

erscheint.

Einzelne Bestandtheile davon finden sich auch in

anderen Ländern, und eS wird nicht schwer seyn, die hier folgenden Regeln auch auf diese anzuwenden

Das Preußische Recht versagt dem bloßen Vertrag all­ gemein die Kraft,

ein Pfandrecht als dingliches Recht zu

Welches örtliche Recht als

§ 23. 24, aber auS einem Grunde,

solches anznsehen ist, wird ui bem

den ich nicht als richtig anerkenne.

(g) gleich

folgenden Abschnitt (Obli­

gationenrecht)

feftgeftellt

werden

(§ 374. D ). (h) Dieselbe Entscheidung ge­ ben Meier p. 39— 41. Meißner vom stillschweigenden Pfandrecht

Das Recht des Wohnsitzes,

als

solches, soll entscheiden, gerade wie bei Fragen des Erbrechts

weil

hier das ideale Vermögen, die Universitas, Gegenstand der Ver­ pfandung sey.

§. 368.

erzeugen.

II

Sachenrecht.

195

Jura in re.

Es unterscheidet ferner unbewegliche und beweg­

liche Sachen.

Bei den unbeweglichen entsteht daö dingliche

Recht nur durch die Eintragung in das Hypothekenbuch (i). Ein Vertrag über die Eintragung eines bestimmten Grund­ stücks ist ein Titel, auf desfen Grund die Eintragung selbst

gefordert werden kann,

ein allgemeiner Pfandvertrag über

das ganze Vermögen giebt einen solchen Anspruch für ein­ zelne Grundstücke nicht (k). — An beweglichen Sachen ent­ steht ein dingliches Pfandrecht nur durch die Uebergabe (1);

Vertrag

ein

über

die Verpfändung

bestimmter

einzelner

Sachen ist ein Titel zum Anspruch aus diese Uebergabe (m).

Wenn nun in einem Lande, worin das Römische Recht gilt,

eine Verpfändung

durch Vertrag

ausdrücklich oder

stillschweigend vorgenommen wird, so kann diese an den in

Preußen befindlichen Sachen des Schuldners kein Pfand­ recht erzeugen.

Sie kann höchstens als Titel gelten,

um

an jenen Sachen die Bestellung eines Pfandrechts (durch

Eintragung oder Uebergabe) zu fordern, und auch das nur unter den

so

eben

(Noten k. m.). —

angegebenen besonderen Bedingungen Wird aber umgekehrt in Preußen ein

Pfandvertrag über einzelne Sachen oder über ein ganzes

Vermögen geschloffen, und hat der Schuldner VermögenS-

(i)

A. 8. 9t. 1 20 § 411 412.

(k) Ebendas. § 402. 403. (l) Ebendas. §111 (m)

Ebendas. § 109. HO. —

Ein allgemeiner Verpfändung-ver­

trag giebt diesen Anspruch nur in den besonderen Fällen, worin auch

eine

Caution-leistung

werden kann.

gefordert

Ebendas. $ 112.

196 Buch III. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. Örtliche Gränzen,

stücke, die in einem Lande des Römischen Rechts liegen, so ist kein Hinderniß vorhanden,

diese Vermögensstücke als

gültig verpfändet zu behandeln, da das Römische Recht die Verpfändung durch Vertrag

weder von einem bestimmten

Ort des geschlossenen Vertrags, noch von einem bestimmten Wohnsitz des Verpfänders abhängig macht.

Es kann und

muß also hier die lex rei sitae ungestört zur Anwendung kommen (n). Nur folgender Fall bleibt dabei noch zu erwägen übrig.

Wenn in einem Lande des Römischen Rechts eine beweg­ liche Sache durch Vertrag,

sey es ausdrücklich oder still­

schweigend, gültigerweise verpfändet, die Sache aber nach­ her nach Preußen gebracht wird; wirkt nun das Pfandrecht fort,

so

daß

die

Sache auch hier mit einer Klage gegen

jeden Besitzer (sey es der Schuldner oder ein Dritter) ver­

folgt, und eben so von dem Pfandberechtigten, wenn dieser durch Zufall, ohne Uebergabe, den Besitz erlangt, veräußert werden kann?

Man möchte geneigt sein, diese Frage zu

bejahen, weil scheinbar das einmal erworbene Recht durch

Eine buchstäbliche Anwen­

Fall umgekehrt denkt. Denn so müßte

Allg. Landrechts Eint.

auch der Stralsunder seine beweg­

§ 28 würde dahin führen, daß ein Berliner tu Stralsund (wo Rö­

liche Sache durch bloßen Vertrag

misches Recht gilt) seine bewegliche Sache nicht durch bloßen Vertrag

können,

(n) dung

des

in

Berlin

dergestalt

verpfänden

verpfänden könnte, so daß diese Ver­

daß die Verpfändung in Berlin wirksam wäre. Diese letzte Behauptung wird schwerlich irgend

pfändung in Stralsund wirksam wäre (§366.h). Die Widersinnig­

einen Vertheidiger finden, und doch folgt auch sie aus der völlig

keit dieser Behauptung wird beson­

buchstäblichen Anwendung des § 28.

ders einleuchtend, wenn man den

die

Veränderung

Sachenrecht.

II.

§. 368.

Orts

des

197

Jura in re

Kraft

seine

verlieren

nicht

kann.

Dennoch

Es

sen

glaube

ist

ich,

nämlich

die Frage verneinen zu müs­

in einem

solchen Fall

einem und demselben Pfandrecht die Rede,

nicht von

das nur in

mehreren Ländern auf verschiedene Weise erworben werden

etwa so, wie das Eigenthum hier durch Tradition,

möchte,

dort

durch bloßen Vertrag erworben wird,

überall

gleichmäßig

Vielmehr

ist

anerkannt,

das Pfandrecht

ganz anderes Rechlsinstitut,

als

Eigenthum

dennoch wirkt.

bloßen Vertrag

durch als das,

Uebergabe begründet werden kann,

und

ein

welches nur durch

und beide haben nur

den Rainen und den allgemeinen Zweck mit einander ge> mein.

Wenn daher die oben erwähnte bewegliche Sache in

das Gebiet

der

Preußischen

Gesetzgebung

hereingebracht

wird, und hier das anderwärts durch bloßen Vertrag be­ gründete Pfandrecht geltend gemacht werden soll, so beruft

sich der angebliche Pfandgläubiger auf ein im Preußischen Staat nicht anerkanntes Rechtsinstitut und ein solches Ver­

fahren

den (o)

ist schon oben als

unzulässig

Dagegen kann umgekehrt

(o) S c § 349 B — Die­ selbe Meinung wird vertheidigt in den Ergänzungen zum A L R von G r ä ff u. s w. B I S 116 Ebe» io auch von Wächter II S. 38i>. 388. 389, tn Bezie­ hung auf das Württembergische

nachgewiesen wor­

der Pfandgläubiger,

Recht, welche« hierin nut dem Preußischen übereinstimmt. Er giebt als Grund an, daß das Ge­ setz hier bas Pfandrecht an Mo­ bilien tn Entstehung und im Fortbestehen nur in der Form des Faustpfandes anerkenne Diese

198 Buch III Herrschaft der RechtSregeln. Kap.I. Örtliche Gränzen,

welchem in Preußen eine bewegliche Sache durch Uebergabe

verpfändet worden ist, sein Recht auch in einem Lande des Römischen Rechts geltend machen, da er alle Bedingungen in fich vereinigt, die hier zu einem wirksamen Pfandrechte

erfordert werden.

Die Rangordnung mehrerer an derselben Sache begrün­

deter Pfandrechte ist nach der lex rei sitae zu beurtheilen Diese Rangordnung kann besonders auch im Concurse zur

Sprache kommen,

und von diesem Falle wird noch unten

gehandelt werden (8 374) 5.

renden,

Was hier von den dem Römischen Recht

angehö­

und den ihnen durch neuere Gesetzgebung nachge-

bildeten dinglichen Rechten gesagt worden ist, muß eben so

von den rein germanischen gelten.

Das

Recht

an Lehen

und Fideicommissen ist stets ein Recht an bestimmten Grund­

stücken, und wird also beherrscht von dem Gesetz des Ortes, an welchem die Grundstücke liegen

Im Laufe dieser Untersuchung über das Gesetz, welchem die dinglichen Rechte unterworfen sind, gehörigen Orte

habe ich an jedem

sogleich die oben (§ 344 e)

vorbehaltene

Frage eingeschaltet, inwiefern das anwendbare Gesetz durch

Begründung ist wesentlrch biefelbe, wie die von mir versuchte, und nur

in der AuSdruckSwerse davon verschieden.

§, 3G8.

II Sachenrecht.

Jura in re.

199

eine Veränderung in dem Aufenthalt der beweglichen Sache, die den Gegenstand eines dinglichen Rechts bildet, so oder

anders bestimmt werden müsse.

Der

Rechte,

Besitz

gehört

zwar

nicht unter die dinglichen

jedoch wird an der gegenwärtigen Stelle,

neben

den dinglichen Rechten, die Frage nach dem auf den Besitz

anwendbaren örtlichen Recht zweckmäßiger,

als an irgend

einer anderen Stelle, behandelt werden können

Der Besitz selbst ist, seiner Natur nach,

ein rein that­

sächliches Verbältniß (p), und als solches kann er nur dem

örtlichen Recht der gelegenen Sache unterworfen seyn,

er

mag sich auf bewegliche oder unbewegliche Sachen beziehen. Nach diesem Recht allein also ist die Frage nach dem Er­ werb und Verlust irgend eines

Besitzes,

also

nach

dem

Daseyn desselben, zu entscheiden, ohne Unterschied, um wel­ ches Zweckes und

Erfolges Willen diese Frage irgendwo

aufgeworfen werden möge

An den Besitz aber knüpfen sich

zwei rechtliche Folgen, die Usucapion und die possessorischen

Interdikte

Die erste hat gar keine selbstständige Natur,

fällt vielmebr mit dem Eigenthum zusammen, und gehört mit diesem zur lex rei sitae

(§ 367 Num. 5).



Die

possessorischen Jnterdicte, als die zweite Folge des Besitzes,

geboren unter die obligationes ex delicto (q), stehen also

(p) Savlgn» Recht des Besitze« § 5. o o. D §. 6. 37

(q) Savrgny

200 Buch III Herrschaft der RechtSregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen, unter dem örtlichen Rechte des Gerichts, vor welchem der Rechtsstreit geführt wird (r). Indessen ist dieser Satz von weit geringerer Erheblichkeit, zuschreiben möchte

als man ihm auf den ersten Blick

Er betrifft nämlich nur das eigentlich

delictartige Element in den Besitzklagen,

also

ihre

Straf­

natur, welches der bei weitem geringere Bestandtbeil ibres

juristischen Gehaltes ist

Der weit wichtigere Bestandtheil,

die Frage nach dem Daseyn und der Anerkennung des Be­ sitzes,

ist

aber

von

jedem Richter,

wie so eben bemerkt

wurde, lediglich nach der lex iei sitae zu entscheiden.

369

§.

III

Obligationen recht

Einleitung

Bei den Obligationen, wie bei den dinglichen Reckten, tritt die Person aus ihrer abstracten Persönlichkeit beraus

in das örtliche Rechtsgebiet eines einzelnen Rechtsverhält­ nisses (8 345. 360. 3b6)

Auch hier also haben wir die

stets wiederkehrende Frage zu beantworten,

wo der wahre

Sitz jeder Obligation ist, an welchem Ort im Raunt sie ihre

Heimath hat.

Denn aus diesem Sitz der Obligation, aus

dieser ihrer Heimath, werden wir zugleich den besonderen

(r) S. u. 8 374 C Dieses kann nun allerdings das Forum rei sitae seyn, welches unstreitig für die Besitzklagen stets begründet ist. L- un C. ubi de poss (3 IG),

A ov 69 C 1 ES kaun aber auch das davon vielleicht verschiedene Forum domicilii seyn, indem dieses Mit lenem eleetiv concurrirt (8 371 Note n. lind p )

200 Buch III Herrschaft der RechtSregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen, unter dem örtlichen Rechte des Gerichts, vor welchem der Rechtsstreit geführt wird (r). Indessen ist dieser Satz von weit geringerer Erheblichkeit, zuschreiben möchte

als man ihm auf den ersten Blick

Er betrifft nämlich nur das eigentlich

delictartige Element in den Besitzklagen,

also

ihre

Straf­

natur, welches der bei weitem geringere Bestandtbeil ibres

juristischen Gehaltes ist

Der weit wichtigere Bestandtheil,

die Frage nach dem Daseyn und der Anerkennung des Be­ sitzes,

ist

aber

von

jedem Richter,

wie so eben bemerkt

wurde, lediglich nach der lex iei sitae zu entscheiden.

369

§.

III

Obligationen recht

Einleitung

Bei den Obligationen, wie bei den dinglichen Reckten, tritt die Person aus ihrer abstracten Persönlichkeit beraus

in das örtliche Rechtsgebiet eines einzelnen Rechtsverhält­ nisses (8 345. 360. 3b6)

Auch hier also haben wir die

stets wiederkehrende Frage zu beantworten,

wo der wahre

Sitz jeder Obligation ist, an welchem Ort im Raunt sie ihre

Heimath hat.

Denn aus diesem Sitz der Obligation, aus

dieser ihrer Heimath, werden wir zugleich den besonderen

(r) S. u. 8 374 C Dieses kann nun allerdings das Forum rei sitae seyn, welches unstreitig für die Besitzklagen stets begründet ist. L- un C. ubi de poss (3 IG),

A ov 69 C 1 ES kaun aber auch das davon vielleicht verschiedene Forum domicilii seyn, indem dieses Mit lenem eleetiv concurrirt (8 371 Note n. lind p )

8 369.

111

ObllgaM'iieurecht.

Einleitung.

201

Gerichtsstand derselben, so wie das örtliche Recht erkennen

nach welchem sie zu beurtheilen ist Die Beantwortung dieser Frage ist gerade bei den Obli-

galioneil

aus

folgenden Gründen,

mehr

als anderwärts,

schwierig und zweifelbaft.

Erstlich bat die Obligation einen Gegenstand von un­ sichtbarer Natur, in Vergleichung mit dem dinglichen Recht,

welches an einem sinnlich wabrnebmbaren Gegenstand, einer

Sache, bastel

Wir müssen lins also jenes Unsichtbare in

der Obligation erst zu verkörpern suchen.

Ferner bezieht sich iede Obligation wesentlich auf zwei verschiedene Personen; in ver einen erscheint sie als erweiterte

Freibeit, als Herrschaft über einen fremden Willen: in der anderen

als beschränkte Freibeit,

citiern fremden Willen (a).

zwar eng verbundenen,

Nach

als

Abhängigkeit

welchem

dieser

dennoch verschiedenen,

von

beiden,

Verhältnisse

tollen wir nun den Sitz der Obligation bestimmen? — Ohne Zweifel nach dem Verhältniß des Schuldners,

der

Person des

Schuldners

vorhandene

da die in

Nothwendigkeit

einer Handlung das eigentliche Wesen der Obligation aus­ macht.

Diese Annahme wird bestätigt durch den unbestrit­

tenen großen Einfluß Gerichtsstand,

des Orts

der Erfüllung

auf den

indem die Erfüllung vorzugsweise in einer

Thätigkeit des Schuldners besteht, neben welcher eine Thä­

tigkeit des Gläubigers entweder gar nicht,

(a)

S. i? B. 1 8 56.

oder doch nur

202 Buch III Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. Örtliche Gränzen, in untergeordneter,

mitwirkender Weise vorkommt.

Ferner

durch den inneren Zusammenhang des örtlichen Rechts mit dem Gerichtsstand, welcher letzte stets auf die Person deS Beklagten, hier also des Schuldners, sich bezieht.

Endlich entsteht noch eine Schwierigkeit aus der Gegen­ seitigkeit, welche, wenn auch nicht bei allen, doch bei vielen Obligationen vorkommr.

Wo

diese vorhanden

ist,

da ist

lebe der beiden Personen als Schuldner anzusehen, nur in Beziehung aus verschiedene Handlungen,

eben aufgestellte Regel

weshalb

die so

der überwiegenden Berücksichtigung

des Schuldners nicht mehr auszureichen scheint

Allein in

jeder gegenseitigen Obligation lassen sich die beiden getrenn­

ten Schuldverhältnisse stets als getrennte behandeln, so daß uns auch hier Nichts hindert,

für

>ede der beiden,

durch

diese Trennung entstehenden, Hälften, den Gerichtsstand und das örtliche Recht nach der Person des Schuldners zu be­

stimmen

Ja

sogar

ist

diese

absondernde Auffassung als

die ursprüngliche und natürliche anzusehen,

die zusammen­

fassende Behandlung und Bezeichnung als eine abgeleitete und künstliche, welche jedoch in der innigen Verbindung der

beiden Obligationen ihre Rechtfertigung findet

Die Rich­

tigkeit der hier aufgestellten Ansicht wird bestätigt durch die

bei den Römern sehr gewöhnliche Abschließung eines Kauf­ vertrags u. s. w

durch zwei getrennte Stipulationen (b).

(b) Es sott habet nrcht geleugnet cer Hälften einer zweiseitigen Oblu werden, daß in manchen Fällen gation, namentlich m Beziehung diese abfonbernbe Behandlung bei- auf das örtliche Recht, Zweifel und

§. 369

III

Obltgationenrecht.

203

Einleitung.

Bei den Obligationen finden wir wieder den schon öfter

hervorgehobenen Zusammenhang zwischen dem Gerichtsstand

zeigt sich

aber

und dem Recht (§360 Rum. 1)

Derselbe

hier wichtiger und einflußreicher,

als anderwärts, weil im

Römischen Recht der für die Obligationen geltende beson­ dere Gerichtsstand sorgfältig ausgebildet erscheint,

anstatt

daß das örtliche Recht fast gar nicht erwähnt wird

Den­

noch

passen

die den Gerichtsstand' bestimmenden 'Gründe

durchaus auch auf das örtliche Recht, indem Beides

auf

dem gleichmäßigen Gehorsam gegen verschiedene Zweige der örtlichen öffentlichen Zustände beruht

Wir können

aus den Bestimmungen des Römischen Gerichtsstand der Obligationen

Rechts

mit Sicherheit

daher

über den abnehmen,

in welchem Sinne das örtliche Recht der Obligationen auf­

zufassen ist Der specielle Gerichtsstand, wie daS örtliche Recht der

Obligationen, beruht

auf einer freiwilligen Unterwerfung

(§ 360. Num. 2), die in den meisten Fällen nicht ausdrück­

lich erklärt

wird,

sondern

nur

aus

den

Umständen

zu

schließen ist, eben deshalb aber auch durch eine entgegenge­ setzte ausdrückliche Erklärung ausgeschlossen wird (c).

Die

Umstände also, unter welchen eine Obligation entsteht, kön-

Verwickelungen mit sich führen kann. Grundsätzlich aber ist sie darum nicht weniger richtig, und sie wird auch von Anderen für mehrere Fälle der Anwendung be­

hauptet. Vgl. Wächter II. S. 45. (c) L. 19 § 2 de jud. (5. 1) ,, nisi alio loci, ut defenderet, convenit“ .

204 Buch III. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. Örtliche Gränzen,

nen oft in Anderen eine bestimmte wohlbegründete Erwar­ tung erregen,

und diese Erwartung soll dann auch nicht

Das ist der Gesichtspunkt, von welchem

getäuscht werden.

aus sowohl der Gerichtsstand der Obligationen,

als das

örtliche Recht derselben, aufgefaßt werden muß. Freiwillige Unterwerfung ist nun auch der Grund des

prorogirten Gerichtsstandes, und daher ist eine Verwandt­ schaft zwischen diesem und dem Gerichtsstand der Obliga­

tionen unzweifelhaft, obgleich dieser letzte eine mehr objective,

der prorogirte eine mehr subjektive Natur hat, die Rücksicht

auf ein bestimmtes Gericht, oft auch auf bestimmte Gerichts­ personen.

Den Gerichtsstand d« Obligation als eine reine

Anwendung des prorogirten, als einen einzelnen Fall dessel­

ben, aufzufassen,

ist wohl nicht gerechtfertigt (d).

Das

eigentliche Interesse dieser Frage möchte etwa darin beste­

hen, daß es nach Römischem Recht zweifelhaft ist, ob die Prorogation

(d)

Über

streng

diese

bindet (e).

Frage

wird

gestritten zwischen Beth mann Hollweg Versuche S. 20 — 27 S. 50 und Linde Abhandlungen B. 2 S. 75 sg. Der letzte aber irrt offenbar darin, daß er bei den Obligationen nicht blos den Aus­ druck des prorogirten Gerichts­ standes verwirft, sondern selbst die freiwillige Unterwerfung als Rechts­ grund. — Die Hauptstelleu üb er­ den prorogirten Gerichtsstand find: L. 1 L. 2 pr. § 1 de jud. (5.1),

Der Gerichtsstand

der

L. 15 de jurisdict. (2.1), L. 1 C. de jurisdict. (3. 13). (e) Nach L. 29 C. de pact. (2.3) scheint sie bindend, nach L. 18 de jurisdict. (2.1) wider­ ruflich. Die letzte Stelle setzt Wohl ein nudum pactum voraus, so daß die Stipulation allerdings bindend war, und eben so das pactum adjectum neben einem 1). f. contractus ( Cato de re rüst. 149). Vgl. auch Holl­ weg Versuche S. 12.

§. 370. III. Obligationenrecht

Gerichtsstand der Obligation. 205

Obligation dagegen ist ganz gewiß bindend für den Beklag­ ten, und eben so gewiß nicht bindend für den Kläger,

zwischen diesem

Gerichtsstand

speciellen

und dem

der

forum

domicilii des Beklagten freie Wahl hat (f).

§.

III

370. Gerichtsstand der Obligation.

Obligationenrcckt

Schriftsteller.

ikindc Archiv für civilistische Praris Band 7. S 79

(1824).

Abhandlungen B

2

75—121 (1829),

S

Bethmann Hollweg Versuche Rum

v

59 —

I

S

1—77

(1827).

Mühlenbruch Archiv B

19

S. 337- 384 (1836)

Albrecht Programm über das Motiv des forum con-

tractus.

Würzburg 1845.

Es sind oben drei in sich zusammenhängende Fragen auf­

geworfen worden (§ 369):

Wo ist der Sitz einer Obliga­

tion? Wo ist der besondere Gerichtsstand derselben? Wo ist

(f)

Vgl. unten

§ 371

Der

und die Ereculion erleichtert wer­

Grnnd des speciellen GenchtSstan

den , vielleicht auch die Prozeßfüh-

des der Obligationen ist also gewiß

rung selbst, indem er dadurch oft

nicht

an dem

die Begünstignng

klagten

(wie

Linde

des Be

aiinimnu,

Archiv VII. S. 67), sondern de«

Klägers.

Diesem soll der Beweis

eigenen Wohnfitz

klagen

kann, nicht blos an dem des Be­

klagten.

§. 370. III. Obligationenrecht

Gerichtsstand der Obligation. 205

Obligation dagegen ist ganz gewiß bindend für den Beklag­ ten, und eben so gewiß nicht bindend für den Kläger,

zwischen diesem

Gerichtsstand

speciellen

und dem

der

forum

domicilii des Beklagten freie Wahl hat (f).

§.

III

370. Gerichtsstand der Obligation.

Obligationenrcckt

Schriftsteller.

ikindc Archiv für civilistische Praris Band 7. S 79

(1824).

Abhandlungen B

2

75—121 (1829),

S

Bethmann Hollweg Versuche Rum

v

59 —

I

S

1—77

(1827).

Mühlenbruch Archiv B

19

S. 337- 384 (1836)

Albrecht Programm über das Motiv des forum con-

tractus.

Würzburg 1845.

Es sind oben drei in sich zusammenhängende Fragen auf­

geworfen worden (§ 369):

Wo ist der Sitz einer Obliga­

tion? Wo ist der besondere Gerichtsstand derselben? Wo ist

(f)

Vgl. unten

§ 371

Der

und die Ereculion erleichtert wer­

Grnnd des speciellen GenchtSstan

den , vielleicht auch die Prozeßfüh-

des der Obligationen ist also gewiß

rung selbst, indem er dadurch oft

nicht

an dem

die Begünstignng

klagten

(wie

Linde

des Be

aiinimnu,

Archiv VII. S. 67), sondern de«

Klägers.

Diesem soll der Beweis

eigenen Wohnfitz

klagen

kann, nicht blos an dem des Be­

klagten.

206 Buch 111 Herrschaft der Recht-regeln. Kap 1. örtliche Gränzen,

das örtliche Recht aufzusuchen, welches auf sie angewendet werden muß?

Die erste dieser drei Fragen hat eine theo­

retische Natur, und dient blos als Grundlage für die rich­

tige Beantwortung der beiden anderen, weshalb sie mit der zweiten

Frage

sogleich

zusammen

gefaßt

werden

kann

Diese zweite, den Gerichtsstand der Obligation betreffende, Frage hat im Römischen Recht zu einer Reihe von prak­

tischen, sebr in das Einzelne gehenden Entscheidungen ge­ führt, weshalb die Meinungsverschiedenheiten unsrer Schrift­ steller weniger den Inhalt der Rechtsregeln, als deren An­

ordnung und Begründung betreffen, also eine mehr theore­ tische,

als praktische Natur haben

Der besondere Gerichtsstand der Obligation (zusammen fallend mit dem wahren Sitz der Obligation)

beruht auf

freier Unterwerfung der Parteien, die jedoch meist nicht in einer ausdrücklichen, sondern in einer stillschweigenden Wil­

lenserklärung liegt, und daher stets durch eine entgegenge­

setzte ausdrückliche Erklärung ausgeschlossen wird (§ 369).

Wir haben also zu erforschen, auf welchen Ort die Erwar­ tung der Parteien gerichtet war,

welchen Ort sie sich als

den Sitz der Obligation gedacht haben?

An diesem Ort

haben wir den besonderen Gerichtsstand der Obligation,

vermöge freier Unterwerfung,

anzunehmen

Da aber die

Obligation an sich, als Rechtsverhältniß, ein unkörperliches, nicht räumliches Daseyn hat, so müssen wir in dem natür­ lichen Entwickelungsgang derselben sichtbare Erscheinungen

aufsuchen, an welche wir das unsichtbare Wesen der Obli-

§. 370. 111. Obligationenrecht. Gerichtsstand der Obligation, 207

um ihr gleichsam einen Körper

gation anknüpfen können, zu verschaffen.

Nun finden wir in jeder Obligation vorherrschend und

gleichförmig zwei solche

sichtbare Erscheinungen,

als leitend ansehen könnten.

jede Obligation wird aber

auch erfüllt durch sichtbare Thatsachen; irgend einem Orte vorkommen

den

wir

Jede Obligation entsteht näm­

lich aus sichtbaren Thatsachen:

der

die

beide

müssen

an

Wir können daher entwe­ der Obligation,

Enlstehungsgrund

oder die

Erfüllung derselben, als Anhalt wählen, um darauf den

Sitz der Obligation, derselben,

zu

so wie den besonderen Gerichtsstand

bestimmen;

Ende der Obligation.

entweder

den Anfang oder das

Welchem von beiden Punkten wer­

den wir nach allgemeiner Betrachtung den Vorzug zu geben haben?

Nicht dem Entstehungsgrund.

Dieser ist

an

sich

zu­

fällig, vorübergehend, dem Wesen der Obligation und ihrer ferneren Entwickelung und Wirksamkeit fremd.

Sollte dem

Ort, wo die Obligation entstand, in den Augen der Par­

teien eine bleibende, in die Zukunft hin wirkende, Wichtig­

keit zugeschrieben werden, so könnte Dieses gewiß nicht aus dem Entstehungsgrund an sich

hervorgehen,

sondern

nur

aus der Verbindung desselben mit äußeren, ihm selbst fremd-

artigen Umständen, durch welche eine bestimmte Erwartung

der

Parteien

möchte.

gerade

auf

diesen

Ort

gerichtet

werden

208 Buch III Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.

Ganz anders verhält es sich mit der Erfüllung, die mit dem eigenstell Wesen der Obligation zusammeil fällt

Denn

die Obligation besteht eben darin, daß irgend Etwas, das früher in der Willkür einer Persoit stand, in ein Nothwen­ diges. das bisher Ungewisse

in ein Gewisses,

verwandelt

wird, und dieses nothwendig und gewiß Gewordene ist ge­ Auf diese also ist die ganze Erwar­

rade die Erfüllung

tung der Parteien gerichtet, und es liegt daber im Wesen der Obligation,

daß der Ort der Erfüllung als Sitz der

daß

Obligation gedacht,

an diesen Ort der besondere Ge­

richtsstand der Obligation durch freie Unterwerfung verlegt

werde

- Bevor aber dieser Gedanke im Einzelnen durch

geführt wird, scheint es räthlich,

auf die unter den

einen vorläufigen Blick

neueren Schriftstellern vorherrschenden

Auffassungen der hier vorliegenden Frage zu werfen. Die meisten Schriftsteller haben von jeher den beson­ deren

an

Gerichtsstand

welchem

die

der

an

Obligation

Obligation

entstanden

den

Ort

ist.

gesetzt,

Da

nun

die meisten Obligationen aus Verträgen entstehen, so sollte

der Ort, an welchem der Vertrag

geschlossen wurde, be­

stimmend seyn für den Gerichtsstand, sich

der sehr

allgemein

verbreitete,

und daraus erklärt keinesweges

quellen­

mäßige, Kunstausdruck forum contractus für den besonde­ ren Gerichtsstand der Obligationen. — Die Erklärung und

scheinbare Rechtfertigung dieser Lehre liegt in einigen Haupt­

stellen des Römischen Rechts, in welchen durch ungründ­

liche Auslegung das wahre Verhältniß der Regel zur Aus«

§. 370. III. Obligcttiontnrecht. Gerichtsstand der Obligation. 209 nähme, dcö Mittelpunktes zu den untergeordneten Bestim­

Die praktischen

mungen, verkannt und verschoben wurde.

Irrthümer,

wozu jener Grundsatz führen konnte,

wurden

nun eben abgewendet durch eine Reihe beigefügter Ausnah­

men, die aber den Grundsatz selbst großenthcilö in bloßen Schein auflösten (a). — Nach der oben ausgestellten An­

sicht müssen wir diese Lehre im Ganzen verwerfen,

sie eineö inneren Grundes, Obligation entnommen

weil

der nur aus dem Wesen der

werden

könnte,

völlig

ermangelt.

WaS aber an partieller Wahrheit in ihr enthalten ist, wird

in der unten folgenden Lehre seine wahre Stellung finden,

und nach Gebühr anerkannt werden.

Andere Schriftsteller dagegen haben in neuerer Zeit je­ nen Grundsatz aufgcgeben, und den Gerichtsstand der Obli­

gation vielmehr an den Erfüllungsort anzuknüpsen versucht. Mit dieser Grundlage habe ich mich bereits im Allgemeinen

einverstanden erklärt.

Der richtige Erfolg dieses Verfah­

rens hängt aber ab von der Art, festgcstellt

werden

soll.

Dieses

wie der Erfüllungsort

kann

zunächst

geschehen

(a) Vgl. oben B. 1 Vorrede ©. XLV. — Jene Stellen sind:

anstatt daß sie in der That nur

L. 3 de reb. auct. jud. (42. 5),

meinen Satz an die Spitze stellt,

L. 21 de 0. et A. (44. 7), vor­

dann aber durch hinzugefugte Be­

züglich aber L. 19 § 2 de jud.

schränkungen den Leser dahin führt,

(5. 1),

welche allerdings auf den

ersten Blick so aussieht, als wolle

sie so,

wie eS von den Neueren

zu geschehen pflegt,

Regel

und

Ausnahme neben einander stellen,

V11L

versuchsweise einen scheinbar allge­

Die wahre Regel, die sie nicht un­

mittelbar

auöspricht,

straetion zu finden;

der

Methode

der

angemessen ist.

14

durch

Ab-

ganz wie eS alten

Juristen

210 Buch HI Herrschaft der Rechtsregeln. Kap.I. örtliche Gränzen.

durch den für diese

besondere Obligation ausgesprochenen

Willen der Parteien.

Daß nun an einem solchen Ort der

Gerichtsstand der Obligation anzunehmen sey, bezweifelt worden.

Allein der hier vorausgesetzte Fall ist

gerade der seltnere,

und es bleibt daher für die

Fälle zu untersuchen übrig,

eines

ist niemals

meisten

welcher Ort in Ermangelung

solchen besonderen ausgesprochenen Willens als Er­

füllungsort, und (an diesen anknüpfend) zugleich als beson­

derer Gerichtsstand ter Obligation angenommen werden soll. Hierüber

wird

von

manchen

folgender

Schriftstellern

Grundsatz ausgestellt:

In Ermangelung des Privalwillens

entscheidet das Gesetz.

Für jede Obligation also giebt es

stets einen fest bestimmten Erfüllungsort; dieser beruht ent­ weder aus dem besonderen Willen der

dessen Ermangelung,

oder,

Parteien,

auf der Vorschrift des Gesetzes.

in Der

eine wie der andere bestimmt zugleich den besonderen Ge­ richtsstand der Obligation.

Ich halte diese Lehre für völlig verwerflich,

die Widerlegung derselben erst versllchen, andere durchgeführt habe» werde.

will aber

nachdem ich eine

Diese läßt sich

in

we­

nigen Worten so ausdrücken: Der Erfüllungsort wird stets bestimmt durch den

besonderen Willen der Parteien; dieser kann aber entweder ausdrücklich stillschweigend;

er

zugleich

den

erklärt werden,

oder

in beiden Fällen bestimmt

besonderen

Gerichtsstand

der

8- 370. III. Obligationenrecht. Gerichtsstand der Obligation. 211 Obligation, der also stets auf freier Unterwerfung

beruht (8 369)

(b).

Die hier angedeutete Lehre also

unterscheidet sich von

der vorher angegebenen und verworfenen darin, daß an die

Stelle durch

des

gesetzlich

Ersüllungsorteö

bestimmten

Uebereinkunft

stillschweigende

der

bestimmte ge­

setzt wirb.

Ich gehe nun zur genaueren Darstellung dieser Lehre über.

I.

Der erste mögliche Fall, den wir zu berücksichtigen

haben, setzt voraus den an sich zufälligen Umstand, daß der besondere Wille der Parteien einen Ort der Erfüllung fest­ gestellt hat.

Vertrag,

Dieses kann etwa dadurch geschehen, daß der

worin

die

Auszahlung

einer

Geldsumme

sprochen wird, zugleich die Stadt geradezu benennt,

diese Handlung vorgenommen einem

solchen

Fall

dieser

werden soll.

Ort

der

als

ver­ worin

Daß nun in

besondere

Ge­

richtsstand der Obligation gelten soll, ist in unsern Rechts­ quellen so

(b) überein

deutlich

Wesentlich

Albrecht

besten

Aussührnng

richtig

anerkenne.

und

zugleich so vielfältig gesagt (c),

stimmt damit

(c)

L. 19 § 4 de jud. (5.1),

S. 13—27,

L. 12.3 de reb. auct. jud. (42. 5),

ich

L. 21 de O. et A. (44. 7) „ con-

Er

ganz als

geht aber

traxisse .

. in eo loco intelli-

in dem späteren Theil seiner Ab-

gitur“, C. 17 X de foro comp.

handlnng (S. 28—35) wieder in

(2. 2). — Es gehört dahin auch L. 1 de eo quod certo loco

die oben erwähnte irrige Lehre über, wovon noch unten die Rede

(13. 4).

seyn wird (Note aa).

sagt, daß eigentlich (d. h. abgesehen

Denn indem diese Stelle

14*

212 Buch IU. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. Örtliche Gränzen,

daß darüber zu keiner Zeit ein Zweifel erhoben worden ist (d). Jedoch würde man diesen Fall in zu enge Gränzen ein­ schließen, wenn man ihn auf die Gestalt beschränken wollte,

die so eben an einem Beispiel anschaulich gemacht worden

ist.

Um Dieses klar zu machen, ist eö nöthig, den natür­

lichen Unterschied unter den Handlungen hervor zu heben, die als Gegenstände von Obligationen vorkommen können.

Einige dieser Handlungen,

beschaffen,

daß

an

sie

und zwar die meisten,

sind so

jedem Orte vorgenommen werden

Dahin gehören persönliche Dienstleistungen, ferner

sönnen.

die Bearbeitung beweglicher Sachen,

eben so

die Besitz­

übertragung beweglicher Sachen, insbesondere die Zahlung Für diese Handlungen nun kann ein

von baarem Gelde.

bestimmter Erfüllungsort nur in der oben beispielsweise be­ merkten Gestalt festgestellt werden, nämlich durch wörtliche

Bezeichnung des OrteS, wo sie geschehen sollen. — Andere

von

der

actio

arbitraria)

keinem anderen,

an

als dem be­

memtliche Verschiedenheit bis zu dem praktischen Irrthum getrieben,

geklagt

neben diesem Gerichtsstand gleich­

werden könne, liegt darin gewiß vor Allem die Regel, daß an

zeitig ein zweites Forum contrac-

diesem Ort die Klage zulässig ist. (d) Manche haben den wahren

trages anzunehmen. So Linde Abhandl. 11. S. 112 — 114. (Vgl.

Gesichtspunkt verdunkelt, indem sie diesen Fall als Forum solutionis

steht neben diesem besonderen Ge­

dungenen

Erfüllungsort

bezeichnet, und dadurch als wesent­ lich verschieden von den folgenden

Unrecht

Fallen

mit

haben.

Andere

angegeben

haben diese ver-

tus am Ort des geschloffenen Ver­

Hollweg S 46). Allerdings be­ richtsstand stets das allgemeine Forum domicilii, so daß zwischen beiden der Klager die Wahl hat (§ 371).

§,370.

111. Obligationenrecht. Gerichtsstand der Obligation.

213

Handlungen dagegen sind schon ihrer Natur nach so auS-

schließend an einen einzelnen Ort gebunden, daß sie nur an Dahin gehört jede Bearbei­

diesem gedacht werden können.

tung eines bestimmten Grundstücks, der Aufbau oder die

Ausbesserung eines

Hauses,

Vermiethung,

Verkauf eines HauseS oder Landgutes.

Verkauf besteht

Verpachtung,

Denn bei jedem

die Verpflichtung des Verkäufers in der

Besitzübertragung (e),

diese aber ist an einem Grundstück

nur denkbar da, wo dieses liegt (s).

Daher wäre es eine

ganz müssige, überflüssige Förmlichkeit, in dem Verkauf zu

versprechen, daß die Uebergabe des verkauften HauseS gerade in der Stadt, worin das Haus liegt, vorgenommen werden

solle.

Von

dieser

Förmlichkeit

die

Anwendung

unseres

Grundsatzes abhängig zu machen, ist durchaus kein Grund

vorhanden, und wir müssen also vielmehr behaupten,

daß

die Feststellung des Erfüllungsortes mit ihren Folgen be­

wirkt wird nicht nur durch die wörtliche Bezeichnung eines OrtcS, sondern ganz eben so auch durch die Natur einer solchen Handlung, die nur an diesem Orte denkbar ist (g).

Ja es würde selbst ungenau fein, in diesem Fall eine nur stillschweigende Willenserklärung annehmen zu wollen. Denn unter dieser verstehen

wir die auslegende Folgerung aus

L. 11 §2 de act. emti

daß der bisherige Besitzer auch ab-

(19. 1). (f) Die Apprehension ist nur

wesend seyn kann (Ebendas. S. 239). (g) Anderer Meinung hierüber

die Gegenwart des Besitz-

ist Bethmann Hollweg S.47.

(e)

durch

crwerbers

möglich

(Savigny

Recht des Besitzes § 15),

anstatt

—50.

214 Buch III. Herrschaft der Recht-regeln. Kap.I. örtliche Gränzen

einer zu anderen Zwecken,

als der Willenserklärung,

be­

stimmten Handlung, welche Folgerung stetö durch eine ent­

gegengesetzte ausdrückliche Erklämng ausgeschlossen werden kann (h).

Wenn aber Jemand

ein Haus

verkauft,

das

heißt, zu übergeben verspricht, so ist der besondere Umstand, daß diese Uebergabe gerade da, wo das Haus liegt, gesche­

solle,

hen

schon

in

dem

Versprechen

unmittelbar

selbst

enthalten, indem eine Uebergabe an anderem Orte unmög­

ist,

lich

so

daß

auch

eine

entgegengesetzte

ausdrückliche

Erklärung über diesen Nebenpunkt völlig widersinnig seyn würde.

Wir gehen jetzt über zu den weit häufigeren und sehr

mannichfaltigen Fällen,

in welchen ein fest bestimmter Er­

füllungsort der Obligation nicht vorhanden ist;

diese Fälle

aber werden sich nur beziehen können auf Handlungen, die ihrer Natur nach überall vorkommen können, also nicht mit

einer bestimmten Oertlichkeit zusammen hängen,

weil sonst,

wie so eben gezeigt wurde, eben dieser Zusammenhang den

ErMungsort mit sich führen würde. nun haben wir zu untersuchen,

Für alle diese Fälle

an welchem Orte von den

Parteien die Erfüllung gedacht und erwartet seyn möge;

diesen Ort haben wir als den wahren Sitz der Obligation und als ihren besonderen Gerichtsstand zu betrachten, indem

(h)

S. °. B. 3 8 131.

§. 370. III. Obligattonenrecht

Gcrichtsstanv der Obligation. 215

in jener durch die Umstände begründeten Erwartung eine

stillschweigende Feststellung des Erfüllungsortes,

also

auch eine stillschweigende Unterwerfung des Beklagten unter

den Gerichtsstand dieses Ortes,

enthalten ist.

Aus dieser

Annahme einer stillschweigenden Uebereinkuuft und Unter­ werfung folgt aber von selbst, daß der durch die folgenden Betrachtungen

festzustellende

besondere

Gerichtsstand

der

Obligation stets ausgeschlossen werden kann durch eine ent­

gegengesetzte

ausdrückliche

Willenserklärung

(§ 369. b).

Dieser Grundsatz nun findet sich im Römizchen Recht nirgend

wörtlich ausgesprochen;

allein alle einzelne Entscheidungen

der Römischen Juristen lassen sich ungezwungen auf ihn, und nur auf ihn, zurücksübren, auch steht er in unverkenn­

barem Zusammenbang mit der freien Unterwerfung (§369), die za in dieser ganzen Lebre überall als bestimmend anzu­ sehen ist. Wir werden also nunmehr zurückgesührt auf die That­

sachen, die der Obligation ihre Entstehung gegeben haben,

und wir baden, der Reibe nach, diejenigen äußeren Um­ stände anzugeben, unter deren Voraussetzung der Entstehungs­

ort der Obligation von den Parteien zugleich als Erfüllungs­ ort ,ju erwarten war.

Wenn wir uns bei dieser Unter­

suchung an die Aussprüche der Römischen Juristen halten,

welches,

vom Standpunkt des gemeinen Rechts aus, als

richtig und nothwendig nicht bezweifelt werden kann,

so

dürfen wir dabei nicht übersehen, welcher Natur jene Aus­ sprüche sind.

Sie enthalten nicht etwa Vorschriften des

216 Buch 111. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen, positiven Rechts, sondern leitende Gesichtspunkte, auS welchen der wahrscheinliche, natürliche Gedanke der Parteien zu erkennen ist, neben welchen also stets die besonderen Um­ stände jedes einzelnen Falles zu beachten sind Wo also diese Umstände auf eine andere Entscheidung führen möchten, da handeln wir ganz im Sinn jener Römischen Aussprüche, wenn wir sie nicht zur Anwendung bringen. Von häu­ figem Einfluß wird jedoch diese Bemerkung gewiß nicht seyn. II. Um den ersten Fall dieser Art deutlich zu machen, ist eine vorläufige Betrachtung nöthig über die verschiedene Beschaffenheit und äußere Erscheinung der Thatsachen, auS welchen Obligationen entstehen. Die meisten Obligationen entstehen auS einzelnen, vorübergehenden Handlungen So verhält eö sich mit dem häufigsten aller Entstehungsgründe, dem Vertrag, der zwar nicht selten lange vorbereitet wird, dessen wirklicher Abschluß aber stetS eine augenblickliche Erscheinung darbietet, also einen kaum merklichen Zeitraum erfüllt. Dagegen giebt es andere, allerdings seltnere, Obli­ gationen, die aus einer fortgesetzten, zusammenhängenden Thätigkeit dcS Schuldners entspringen, einer Thätigkeit, die stets einen längeren Zeitraum erfüllt, und zugleich mit einer bestimmten Oertlichkeit in Verbindung steht. Wir können eine Thätigkeit solcher Art, aus welcher, im Lause der Zeit, mehr oder weniger einzelne Obligationen zu entstehen pflegen, mit dem gemeinsamen Namen der Geschäftsführung be­ zeichnen. Eine Uebersicht der wichtigsten Fälle solcher Art,

g. 370. 111. Obligationenrecht. Gerichtsstand der Obligation. 217

wie sie in unseren NechlSqucllen erwähnt werden, mit An­ erkennung des dadurch begründeten Gerichtsstandes,

wird

die Sache anschaulich machen (i). Es gehören dahin folgende Fälle

mündige,

so

wie jede Art von Curatel.

sorgung der Geschäfte eines Anderen,

Geschäfte (Eencralmandat), derselben,

Die Tutel über Un­

Ferner die Be­

sey eS aller seiner

sey cs einer gewissen Klasse

etwa einer Fabrik,

Handlung u. s. w.; sey eS

in Folge eines Vertrags (Mandat oder operae locatac),

oder aber aus einseitigem Willen (negotiorum gestio) (k). Endlich ein fortlaufendes eigenes Bank- und CommissionSAus dieser Uebersicht ergiebt es sich,

geschäft (argentaria). daß

sowohl

eigene,

als

fremde

Gerichtsstand begründen kann,

Geschäftsführung diesen

ferner sowohl ein Vertrag,

als ein Quasicontrakt, welcher der fremden Geschäftsführung^

zum Grunde liegt. nur darin,

bestimmte

Die wesentliche Voraussetzung besteht

daß die fortgehende Geschäftsführung an eine

Oertlichkeit

bleibend

(i) L 19. § 1 de jud. (5. 1), L 36 § 1 L. 45 pr eod.t L 4 § 5 de ed. (2. 13), L 54 § 1 deproc. (3. 3), L I. 2 C. ubi de ratiocin (3.21). — Der Grund der freiwilligen Unterwerfung wird ausdrückltch angegeben bet der nego­ tiorum gestio in L. 30 § 1 de jud. (5. 1) n non dehet Judicium recusare . . . cum sua sponte sibi hanc Obligationen) contraxerit

geknüpft ist (1).

In den

(k) Ntcht jedes Mandat, und ntcht jede negotiorum gestio ge­ hören in diese Kategorie; denn beide können auch em einzelnes, vorübergehendes Geschäft zum Gcgenftand haben, wovon hier nicht die Rede ist. (l) L. 19 § 1 de jud. (5. 1) Si quis tutelam . . vel quid aliud, unde obligatio oritur, certo loci adniini\ travit, etsi ibi domicilium non habuit, ibi se debebit desendere“.

218 Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen,

meisten Fällen tritt dieser besondere Gerichtsstand deswegen

nicht merklich hervor,

weil die Geschäftsführung mit dem

Wohnsitz zusammenfällt; sevn,

beide können aber auch getrennt

und dann zeigt sich dieser Gerichtsstand wirksam

(Note l).

Manche einen

ganz

baben diesen Gerichtsstand

Schriftsteller

eigenthümlichen betrachten

als

wollen unter dem

Namen formn gestae administrationK verschieden von dem sogenannten formn contractus

Ganz mit Unrecht, da beide

aus demselben Grunde beruben,

auf der in den Umständen

begründeten Erwartung der Parteien, vaß die aus der Ge-

schästssübrung entstehenden Obligationen auch an dem Ge­ schäftsort ihre Erledigttng finden werden,

wartung die

dauernde Natur

einer

zu welcher Er­

solchen

Verwaltung

gewiß binreichenden Grund darbietet; denn in dieser Ge­ schäftsführung bat die Gesammtbeit der aus ihr entsprin­

genden Obligationen gleichsam ein räumliches,

sichtbares

Daseyn gewonnen, sie erscheint darin wie verkörpert.

Will

man also überhaupt den Kunstausdruck formn contractus

anwenden, so muß man diesen Fall durchaus darunter be­

ziehen

Nur darf hier der Entstehungsort der Obligation

nicht da gedacht werden,

wo etwa der Vertrag wegen

Uebernahme des Geschäfts geschlossen worden ist; noch auch

da, wo die einzelnen Kaufverträge, Geldeinnahmen u. s. w Statt gefunden haben,

aus welchen der Geschäftsführer

dem Herrrn des Geschäfts

mag.

verantwortlich geworden seyn

Diese beiden Orte verschwinden hier als unterge-

§.370. III Obligationenreckt

Gerichtsstand der Obligation. 219

ordnet, und das Geschäft selbst, als dauerndes Ganze, muß

als die gemeinsame Grundlage der daraus entspringenden

einzelnen Obligationen angesehen

werden

(m).

Auf den

bleibenden Sitz dieses Geschäfts war der Gedanke, die Er­ wartung, die freie Unterwerfung der Parteien gerichtet. Es bleiben jetzt noch übrig diejenigen Obligationen,

III.

denen

weder ein bestimmter Erfüllungsort angewiesen

(Num

I), noch eine

stimmten

Orte

fortgesetzte Thätigkeit an einem be­

Grundlage

als

ist

(Num

dient

II)

Diese

müssen also insgesammt auf Handlungen, die überall vor­ kommen können, gerichtet seyn, und zugleich aus einzelnen, vorübergehenden Handlungen entspringen,

denn sonst wür­

den sie den ftüher aufgestellten Äategorieen anheim fallen

Bei diesen also haben wir zu untersuchen,

Entstehungsort die

Voraussetzungen die Rücksicht auf den

Erwartung begründet, und

ort,

daher

der

unter welchen

daß dieser zugleich der Erfüllungs­ wahre

Sitz

der

Obligation,

seyn

werde. Der nächste Fall, auf welchen wir in dieser Reihe von

Betrachtungen geführt werden, besteht darin, daß ein Schuld­ ner

in

eintritt.

seinem persönlichen Dadurch

unterwirft

Wohnsitz er sich

in

eine Obligation

dem Gerichte dieses

Ortes als dem besonderen Gerichtsstände dieser Obligation.

ES scheint auf den ersten Blick überflüssig, ja widersprechend, den Gerichtsstand,

(m)

der ohnehin

Vgl. Albrecht S. 23.

für diese Person als der

220 Buch 111. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. .örtliche Gränzen,

allgemeine begründet ist,

nun noch als etwas Neues,

einen besonderen Gerichtsstand,

ansehen zu wollen,

als

indem

man annehmen möchte, cS sey ausreichend, in einem solchen Fall blos die gewöhnliche Wirkung des ohnehin geltenden

anzuerkennen..

formn domicilii

die praktische Wichtigkeit der hier aufgestellten

Allein

Unterscheidung bezieht sich auf die Fälle möglicher Verände­

Wenn jener Schuldner willkürlich seinen Wohnsitz

rungen.

oder wenn er stirbt,

ändert,

so hat sein bisheriges formn

domicilii, als solches, gänzlich aufgehört.

ausgestellten Eigenschaft,

Aber in der hier

als besonderer Gerichtsstand der

Obligation, dauert er fort:

er folgt dem Auöwandernden

in seinen neuen Wohnsitz nach,

er bindet im Fall deS To­

wenngleich dieser einen anderen Wohnsitz

des den Erben,

hat (n). Der

Grund

dieser

eigenthümlichen

Bestimmung

liegt

darin, daß der Schuldner durch die hier übernommene Obli­ gation die Erwartung erregt hat, er werde sich an dem­

selben Orte auch den Folgen derselben unterwerfen (§ 369);

(n)

L. 2

Vgl.

S. 24.

in

L. 19 pr. de jud. (5. 1), C.

de jurisdict

Bethma n n

Nach ihrem Tode wird sie beerbt

H o llwe g

von ihrer Tochter, deren Wohnsitz ui eine Provinz kommt. Hier

Dieser wichtige Satz steht

Verbindung

nut

in ihrer Heimath em Darlehen auf.

13).

(3

dem

oben

gemachten Vorbehalt § 344. e. — Aus diesem Satz tst auch zu

werden die Vormünder im Namen der Mündel verurtheilt. Dennoch, sagt Ulpian, gehört die judicati

45.

de jud. (5. 1),

welche folgenden

voraussetzt.

actio wieder nach Rom, weil die Erblasserin daselbst den Gerichts­

Eine Einwohnerin von Rom nimmt

stand der Obligation begründet hatte.

erklären- L

$.370. III. Obligationenrecht. Gerichtsstand der Obligation. 221 diese Erwartung soll nicht getäuscht werden, der Schuldner soll also zwar nicht gehindert werden, seinen Wohnsitz will­

er soll aber die an dem alten Wohnsitz

kürlich zu ändern,

übernommenen Obligationen ebendaselbst abwickeln.

IV.

Aber

auch

außer seinem Wohnsitz kann Jemand

als Schuldner in eine Obligation eintreten unter solchen Umständen, welche die natürliche Erwartung erregen, daß der Entstehungsort der Obligation zugleich

ihr Erfüllungsort

seyn werde. Eine solche Erwartung erregt Der, welcher außer seinem

Wohnsitz ein gewerbliches Geschäft von einiger Dauer be­ gründet, und dabei Einrichtungen trifft, aus welchen abzu­

nehmen ist,

er werde die Waaren,

auch eben daselbst abliescrn.

die er hier verkauft,

Dadurch

unterwirft

er

sich

dem besondern Gerichtsstand der Obligation an dem Ort

des

geschlossenen

Vertrags.

ausführlich angegeben,

Dieses

wird

von

Ulpian

und zwar als Warnung gegen die

unbedingte Annahme eines Gerichtsstandes blos deswegen,

weil an irgend einem Orte ein Vertrag geschlossen worden

sey;

er

begründet diese Warnung durch die Erwähnung

eines Durchreisenden, der einen Vertrag schließe, und von

welchem man doch gewiß nicht werde behaupten wollen,

daß er sich einem Gerichtsstand am Ort des Vertrags un­ terwerfe (o).

(o) L. 19 § 2 de jud. (5. 1) facicns, dclatus ess, tot locis „ . durissimum est, quotquot se defendi. At si quo constilocis quis navigans, vel iter tit, non dico jure domicilii, sed

222 Buch III. Herrschaft der Recht-regeln. Kap.l. örtliche Gränzen.

Aber das hier erwähnte gewerbliche Verhältniß ist über­ haupt nur als Beispiel, keineöweges als ausschließende Be­ dingung,

eines Gerichtsstandes der Obligation anzusehen.

Werden nämlich

während

Aufenthaltes

eines

außer dem

Wohnsitz Verträge geschlossen,

so

derselben abgenommen werden,

welchen Gedanken über die

muß

aus dem Jnbalt

Erfüllung die Parteien damit wahrscheinlich verbunden ha­

ben mögen.

Wenn also ein Beamter in Folge eines AmtS-

geschäfts, oder ein Abgeordneter zu einer legislativen Ver­ sammlung, Monate lang an demselben Orte verweilt, und daselbst Schulden contrahirt,

Lebensunterhalt beziehen,

so

die sich auf seinen täglichen

ist

an der Begründung des

besonderen Gerichtsstandes der Obligation nicht zu zweifeln.

Eben so, wenn bei einem Badeaufenthalt Schulden zu ähn­

lichen Zwecken entstehen.

Wenn dagegen bei einem Bade­

aufenthalt Verträge über Handelsgeschäfte geschlossen wer­ den, deren weitere Entwickelung nur von der Heimath aus

zu erwarten ist, so muß ein solcher Gerichtsstand für den

Ort des geschlossenen Vertrages verneint werden (p).

Da

hier Alles auf die wahrscheinliche Absicht der Parteien an­

kommt, so kann nach Umständen auch schon ein sehr kurzer

tabernulam . . officinam conduxit, ibique distraxit, egit defendere se eo loci debebit.“ — L. 19. § 3 eod. — L. un. C de nund. (4. 60) vernemt das forum contractus nur gegen Die, welche einen öffentlichen Markt zu

einzelnen Kaufgeschäften als Rei­

sende besuchen,

nicht gegen Die,

auf welche die oben von Ulpian angegebenen Kennzeichen passen.

(p)

Bethmann

S. 24. 25.

Hollweg

Vgl. Seuffert Ar­

chiv B, 2 N. 119.

§.370. UI. Obligationenrecht. Gerichtsstand der Obligation. 223 Aufenthalt

zur

Begründung

jenes

hin­

Gerichtsstandes

So wird diese Begründung angenommen werden

reichen.

dürfen gegen einen Reisenden, der im Gasthause seine Rech­ nung nicht bezahlen will, da bei diesem Geschäft die unver­ zügliche Erfüllung allgemein üblich ist, also von Jedem er­

wartet werden kann.

Es kommt also Alles darauf an, in

welchem Verhältniß die Natur und die Dauer des Aufent­ halts zu dem Inhalt der Obligation steht.

Wenn wir die bisher aufgestellten Regeln (Rum. II. Hl, IV.)

mit der oben dargestellten und verworfenen Meinung ver­

gleichen, so ergiebt sich folgendes Verhältniß beider Auf­ fassungen.

Jene Meinung betrachtete den Ort der obliga­

torischen Handlung an sich als den Grund des Gerichts­

standes der Obligation (nur mit Ausnahmen);

die

hier

vorgetragene Lehre knüpft diese Wirkung nicht an die obli­

gatorische Handlung an sich,

sondern nur in Verbindung

mit anderen, ihr zum Grund liegenden und vorhergehenden Umständen (q).

V.

Es bleibt endlich noch übrig, den Sitz der Obliga­

tion für diejenigen Fälle zu bestimmen, in welchen alle bis­ her angegebene Voraussetzungen nicht ausreichen,

(q)

Mühlenbruch beurtheilt

indem

tischen Begründung derselben,

in­

die unter der Num. IV zusammengc stellten Fälle an sich richtig, und

sidomictl oder ein temporäres Do-

mit praktischer Einsicht in die Ver

nucit annlmmt,

hälimsie

dem Fall Num. III. in Verbindung

des

wirklichen

Lebens

(S. 355 — 357. 360—361. 365— 375), allem er irrt m der theore­

dem er ui diesen Fällen cm Qua-

setzt.

Diese

und sie also mit

Verbindung

zwungen und unfruchtbar.

ist

ge­

224 Buch III. Herrschaft der RechrSregcln. Kap. 1. Örtliche Gränzen, weder

ein

(Num. I.),

bestimmter

fest

Erfüllungsort

vorhanden

ist

noch der EntstehungSort der Obligation durch

begleitende Umstände geeignet erscheint,

zugleich als Erfül­

lungsort von den Parteien gedacht zu werden (Num. II. III.

IV.).

Dahin wird also namentlich

gegebene Fall

zu

während seines

zählen

ganz

seyn,

der von Ulpian an­

wenn ein Durchreisender

vorübergehenden Aufenthaltes

Vertrag schließt (Note o).

einen

Fehlt cs hier an jeder Andeu­

tung irgend eines bestimmten Erfüllungsortes, so muß an­

genommen werden, daß der Wohnsitz dcö Schuldners, den er doch immer wieder zurückkehrt,

gedacht worden ist. beurtheilen,

wie

an

als Erfüllungsort

Ein solcher Fall ist also gerade so zu

wenn der Vertrag nicht auf der Reise,

sondern in dem eigenen Wohnsitz, von dem Schuldner ge­ schlossen worden wäre (Num. III.).

Dieser Fall wird am häufigsten in folgender Gestalt Auftreten, die noch einer besonderen Erwähnung wegen der zweideutigen Natur

dcö Inhalts der Obligation

bedarf.

Wenn der Eigenthümer einer Fabrik oder Handlung um­

her reist oder seinen Diener reisen läßt, um Bestellungen zu sammeln, also Verträge über Lieferung von Waaren abzu­ schließen, so kann eö zweifelhaft scheinen,

worin eigentlich

der Inhalt der von ihm übernommenen Obligation besteht, und davon wird zugleich der Erfüllungsort abhängig sein.

Die Lieferung ist nämlich ein zusammengesetztes, Zeit er­ füllendes Geschäft.

Die Waare wird zuerst vom Verkäu­

fer abgcsendet, bleibt dann einige Zeit auf dem Wege, und

§. 370. UI Obllgatwnenrecht. Gerichtsstand der Obligation. 225

kommt endlich in den Besitz des Käufers.

Dabei könnte man

als wahren Inhalt der Obligation denken entweder die Ab­

sendung, so daß die Empfangnahme blos eine spätere Folge der vollendeten Erfüllung wäre,

oder aber die Empfang­

so daß die Absendung blos als Vorbereitung der

nahme,

wirklichen Erfüllung gelten könnte.

Im ersten Fall würde

als Erfüllungsort der Wohnsitz des Verkäufers gedacht, im

zweiten Fall der Wohnsitz des Käufers.

Welche dieser bei­

den Ansichten ist nun nach allgemeinen Rcchtsgrundsätzen vorzuziehen?

Ich halte die erste für richtig,

nach welcher

die eigentliche Erfüllung in der Absendung besteht, der Er­

füllungsort also an dem Wohnsitz des Verkäufers anzuneh­ men ist.

Dafür sprechen, wie ich glaube, zwei Bestimmun­

gen des Römischen Rechts

Erstlich der Uebergang der

Gefahr des zufälligen Untergangs auf den Käufer vom Au­ genblick des geschlossenen Kaufs an, also noch ehe daS Ei­

genthum durch Uebergabe erworben ist (r).

Zweitens die

allgemeinere Regel, nach welcher die versprochene Uebergabe einer beweglichen Sache nur an dem Orte gefordert werden kann, wo gerade jetzt die Sache liegt (s). — Im Preußi­ schen Recht ist diese Ansicht noch unzweifelhafter anerkannt.

Denn hier geht mit der Absendung nicht blos die Gefahr,

(r)

§3 J. de ernt. (3.23).

§ 78 Note 5. 6,

(s)

L. 12 § 1 depos. (16. 3).

emer Waare muffe in der Regel

die Uebergabe

wird sogleich

da erfolgen, wo der Verkäufer seine

noch ausführlicher die Rede seyn.

gewöhnliche Waarenniederlage habe.

Von diesem

Satze

In Verbindung mit demselben be­

hauptet auch Thöl Handelsrecht

vm.

226 Buch 111. Herrschaft der RechtSregeln. Kap.l. örtlich« GrLnz«».

sondern selbst schon das Eigenthum auf den Käufer über, vorausgesetzt, daß die Art der Absendung durch den Käufer entweder angeordnet war,

oder durch unterlassenen Wider­

spruch genehmigt worden ist (t).

Unter

dieselbe

Kategorie

glaube

ich

auch

müssen den Fall der L. 65 de judiciis (5. 1)

stellen

zu

von einer

DoS, über welche der künftige Ehegatte einen schriftlichen

Vertrag schließt außer seinem Wohnsitz (etwa im Wohnsitz der Braut, oder ihres Vaters).

Die Klage auf Rückgabe

der Doö, sagt Ulpi an, ist künftig nicht anzustellen an dem Ort deS geschlossenen Dotalvertrags, sondern an dem Wohn­

sitz des Mannes.

Denn dieser ist

zugleich der Sitz der

Ehe, also der Aufenthalt der DoS,

und von diesem Orte

auS mußte daher die künftige Rückgabe der DoS erwartet

werden.

Der bequemeren Uebersicht wegen will ich die hier aus­

führlich erörterten Regeln über den besonderen Gerichtsstand der Obligation kurz zusammenstellen.

Dieser Gerichtsstand

ist in folgenden verschiedenen Fällen

als begründet anzu-

nehmm.

I. An dem Orte, welcher alö Erfüllungsort durch den

Willen der Parteien besonders festgestellt ist;

ohne

Unterschied, ob diese Feststellung bewirkt wird durch

(t) A. r. R. 1. 11 8 128—188.

z. 370. HI. Obligationenrecht. Gerichtsstand der Obligation. 227

die wörtliche Bezeichnung irgend eines Ortes, oder durch die Natur der durch die Obligation herbei

zu führenden Handlung,

welche nur an einem ein­

zigen Orte möglich ist.

II. In Ermangelung eines festgestellten Erfüllungsortes kann der Gerichtsstand dadurch begründet werden,

daß eine Obligation entspringt aus der an einen bestimmten Ort gebundenen Geschäftsführung deS

Schuldners III. Der Gerichtsstand wird ferner begründet durch den Entstehungsort der Obligation,

wenn dieser mit

dem Wohnsitz deS Schuldners zusammen fällt. IV. Auch

außer dem Wohnsitz deS Schuldners

der EntstehungSort stand

begründen,

Erwartung

kann

der Obligation den Gerichts­ wenn durch die

begründet wird,

daß

Umstände die

an

demselben

Orte auch die Erfüllung eintreten werde. V Wenn keine der angegebenen Voraussetzungen vor­

handen ist, so ist der Gerichtsstand der Obligation an dem Wohnsitz des Schuldners. Alle diese Fälle, so verschiedenartig sie aussehen, und so zufällig ihre Verbindung erscheint,

lassen sich doch auf

einen gemeinsamen Grundsatz zurück führen.

Es ist überall

der Erfüllungsort,

Gerichtsstand

bestimmt;

welcher den besonderen

entweder der ausdrücklich festgestellte (Rum. I.),

oder der auf stillschweigender Erwartung beruhende (Rum.

IL — V.).

In beiden Fällen ist eine freie Unterwerfung

15*

228 Buch III Herrschaft der Recht-regeln. Kap I. Örtliche Gränzen,

des

Beklagten

wenn nicht

unter

eine

Gerichtsstand

diesen

entgegengesetzte

anzunehmen,

ausdrückliche

Erklärung

ihil ausschließt

Die hier vorgetragene Lehre ist oben zusammengestellt worden mit einer anderen, theilweise ähnlichen, deren Prüfung und

Widerlegung

nun

noch

nachgeholt

werden

muß

Diese andere Lehre lautet, aus eine consequente

(S 210).

Spitze getrieben, also.

Für jede Obligation läßt sich stets

ein bestimmter Ort angeben, an welchem sie erfüllt werden

muß.

Dieser kann durch den Willen der Parteien festge­

stellt seyn; wo diese Feststellung fehlt, da sorgt das Gesetz für einen bestimmten Erfüllungsort.

In beiden Fällen ist

der Gerichtsstand der Obligation an diesem Erfüllungsort begründet.

Diese ganze Lehre steht und fällt mit der Behauptung,

daß es für jede Obligation einen gesetzlichen Erfüllungs­ ort gebe;

prüfen wir also vor Allem die Richtigkeit dieser

Behauptung

Es ließe sich etwa denken, daß gesetzlich be­

stimmt wäre, jede Obligation müsse da erfüllt werden, wo

sie entstanden wäre; dann wäre das forum contractus im buchstäblichen Sinne dadurch begründet, daß der Ort des

geschlossenen

Vertrags

als

Erfüllungsort

vorgeschrieben

wäre (u), und an innerem Zusammenhang würde es dann

(u)

So nahm e- früher Linde (Archiv S. 61 —63 @.75), er

§. 370.

III, Obligationenrrcht

Gerichtsstand der Obligation. 229

Allein weder diese,

jener Lehre nicht fehlen

noch irgend

eine ähnliche Regel über den gesetzlichen Erfüllungsort ist

wahr.

Vielmehr lautet die wahre Regel so, daß in Er­

mangelung

eines

vertragsmäßigen

Erfüllungsorts

der

Schuldner erfüllen muß da, wo er gerade verklagt wird

(ubi petitur) (v),

so daß eö ganz in der Willkür des

Klägers stellt, an welchem Ort er die Erfüllung erzwingen

will,

natürlich vorausgesetzt, daß er an diesem Ort einen

Gerichtsstand findet, verpflichtet ist

welchen der Beklagte

anzuerkennen

Anstatt also daß nach jener Lehre der ge­

setzliche Erfüllungsort den Gerichtsstand bestimmen

sollte,

wird gerade umgekehrt der gesetzliche Erfüllungsort bestimmt

durch jeden irgendwo begründeten Gerichtsstand, sobald nur

des einen oder des anderen Ge

der Gläubiger beschließt,

richtsstandeS sich zu bedienen

Nach Römischem Recht nun

war für neben Schuldner sowohl das forum originis be­

gründet, als das forum domicilii,

welche beide ganz ver­

schieden seyn konnten; ja der Schuldner konnte in mehreren auch in mehreren Städten

Städten Bürger seyn,

wahren

Wahl,

Wohnsitz haben. an

klagen wollte,

welchem

einen

Dann hatte der Kläger freie

unter

diesen

vielen

und wo er immer klagte,

Orten

er

da war zugleich

wurde aber selbst später irre an diesem Grundsatz (Abhandlungen II S. 111). Daß er ihn theilweise beibehalten hat, wird sogleich ge-

(v) L 1 de ann leg (33.1), L. 38 de jud. (5.1), L. 47 §1 de leg 1 (30 un ), L. 4 de cond. trit. (13 3), L. 22 dereb. cred.

zeigt werden.

(12. 1).

230 Buch III Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.

der gesetzliche Erfüllungsort.

So

wird also durch

jene

Lehre das wahre Sachverhältniß geradezu umgekehrt; denn nach der wirklichen Lehre des Römischen Rechts ist der Er­ füllungsort nicht das Bestimmende für den Gerichtsstand,

sondern vielmehr das von dem Gerichtsstand Abhängige. Wäre nun die eben angegebene Regel des Römischen so würde ein so handgreiflicher

Rechts allein vorhanden,

Zirkel nicht verkannt worden seyn, und die erwähnte irrige

Allein jener

Lehre hätte schwerlich Vertheidiger gefunden

Regel ist im Römischen Recht eine Beschränkung hinzugesügt worden, und diese Beschränkung hat daS ganze Miß­

In vollständigem Zusammenhang

verständniß verschuldet steht nun die Sache also

Allerdings kann in der Regel jeder Gläubiger die Er­ füllung einer Forderung an jedem Ort erzwingen, wo er einen

Gerichtsstand des Schuldners findet. Wenn aber die Forderung auf

Uebcrgabe

Sache,

einer

individuell

einer certa species,

bestimmten beweglichen

gerichtet ist,

Schuldner die Erleichterung ein,

so tritt für den

daß er sich

frei

machen

kann durch die Uebergabe an dem Orte, wo sich gerade jetzt

die Sache zufällig befindet, daß er sie also nicht auf seine Kosten und Gefahr an den Ort der Klage zu bringen ver­

pflichtet ist.

Nur

verliert

Sache nicht durch Zufall,

Vortheil,

wenn die

sondern durch seine

unredliche

er

Handlung anderwärts ist.

nicht bei allen Schuldklagen,

diesen

Ferner gilt diese Erleichterung

sondern nur bei Klagen aus

§. 970. III. Obligationenrecht. Gerichtsstand der Obligation. 231 bonae fidei Contracten (w), oder aus einem Testament auf

Entrichtung eines Legates (x); namentlich also nicht beider

Condietion auS einer Stipulation (y).

Dagegen gelten

dieselben Sätze auch bei Klagen in rem, namentlich der Eigen­ thumsklage,

und

eben so

bei

der

actio ad exhibendum,

welche beide arbiträre Klagen sind (z)»

Faßt man diese exceptionelle Vorschrift so auf,

wie eS

hier geschehen ist, als eine bloße Begünstigung des Schuld­

ners, auf Billigkeit gegründet, so ist es einleuchtend, sie mit dem Erfüllungsort,

und

daß

einem aus denselben zu

gründenden Gerichtsstand, gar Nichts zu schaffen hat; denn diese sind gerade umgekehrt bindend und

den Schuldner

beschränkend für

Die Richtigkeit meiner Auffassung

aber

gebt daraus hervor, daß durch den Dolus des Schuldners die exceptionelle Maaßregel ausgeschlossen seyn soll, welches

nur Sinn hat, wenn diese Maaßregel als Begünstigung deS Schuldners

anzusehen ist.

Daraus

folgt aber,

daß die

(w) L 12 § 1 depos (16. 3). gleich, also sehr frei, behandelt (x) L 38 de jud. (5 1), L. 47 wurde ( Gajus II. § 280.). Mit pr §. 1 de leg. 1 (30. un.). (Zs der hier vorliegenden Streitfrage kann auffallen, daß hier die per­ hat dieses Bedenken gewiß keinen sönliche Legatenklage mit den b. f Zusammenhang. (y) L. 137 §4 öfe K 0 (45.1) actiones gleich gestellt wird, da sie selbst doch eine Condietion war ,,. . ut sic non multum referre (S. o. B. 5 S. 540). Wahrschein­ videatur, Ephesi daturum se, lich bezogen sich jene Stellen ur­ an (quod Ephesi sit, cum sprünglich blos auf das sinendi ipse Romae sit) dare sponmodo legatum, in dessen Begriff deat diese Begünstigung schon lag, und (?) L. 10. 11. 12 dereivtnd. da- auch in anderen Beziehungen (6. 1), L. 38 in f de jud. (5.1), von Julian den Fideicommiffen L. 11 §. 1 ad exhib. (10. 4).

234 Buch IU. Herrschaft der R«chtSr«geln. Kap. I. örtlich« Gränzen,

gen und näheren Bestimmungen, die nunmehr hinzugefügt werden sollen.

Nach einer früher sehr verbreiteten Meinung, die selbst dem Kunstausdruck foriim contractus

zum Grunde

liegt,

soll jener Gerichtsstand in der Regel an dem Orte ange­ nommen werden,

an welchem die obligatorische Handlung,

also der thatsächliche Entstehungsgrund der Obligation, vor­

genommen worden

ist (8 370).

Diese

Meinung

mußte

zwar verworfen werden, indem nicht jene Handlung an sich

sondern nur in Verbindung mit anderen,

selbst,

ihr zum

Grund liegenden und vorhergehenden Umständen, dazu geeig­ net ist, einen solchen Gerichtsstand zu begründen (S. 208)

Dennoch muß, auch nach dieser umgebildeten Ansicht, der obligatorischen Handlung noch immer ein wichtiger Einfluß

auf die Begründung jenrö Gerichtsstandes zugestanden wer­

Und so erscheint uns auch jetzt noch die Frage von

den.

Bedeutung:

Wo ist der wahre Ort einer obligatorischen

Handlung?

oder mit anderen Worten:

Wo entsteht eine

Obligation? Die Beantwortung dieser Frage, die oft nicht

ohne Schwierigkeit ist, soll hier nach den drei wichtigsten Arten obligatorischer Handlungen versucht werden:

Ver­

träge, einseitige erlaubte Handlungen, Delicte. A.

Verträge.

Diese werden meist geschlossen in per­

sönlicher Zusammenkunft beider Parteien;

dann ist der Ort

dieser Zusammenkunft zugleich der Entstehungsort der Obli­ gation.

Es können aber folgende Abweichungen von diesem

einfachsten und gewöhnlichsten Hergang eintreten.

§. 371.

III. Obligationrnrechk.

Gerichtsstand k. (Forts.) 235

Zuerst kann die Gültigkeit deö Vertrags durch gesetzliche

Vorschrift, oder auch durch den Willen der Parteien, abhän­ gig gemacht werden von der Beobachtung einer besonderen

Form, etwa von schriftlicher, notarieller, gerichtlicher Ab­

fassung.

Dann ist der Ort, an welchem diese Form vollen­

det wird, der wahre Ort des Vertrags, weil bis zu dieser

Vollendung kein Theil gebunden ist (a).

Weit häufiger und schwieriger aber ist der Fall, wenn ein

Vertrag

nicht

in

Theile geschloffen wird,

Zusammenkunft

beider

sondern durch einen Boten,

durch

persönlicher

eine an verschiedenen Orten von Beiden unterzeichnete Ur­

kunde, oder, welches das Häufigste ist, durch bloßen Brief­ wechsel.

bestritten

Hier ist der wahre Ort des Vertrags ungemein Für diesen Fall entstehen eigentlich drei, an sich

verschiedene, Fragen, die jedoch von den Meisten vermischt

behandelt werden: Wo ist der Vertrag geschlossen? Welcher

Ort gilt für den Gerichtsstand? Recht?

Welcher für das örtliche

Die erste Frage beantworte ich unbedenklich dahin,

daß der Vertrag da geschlossen ist, wo der erste Brief em­ pfangen und von dem Empfänger die zustimmende Antwort

abgesendet wird; denn an diesem Ort ist eS zu einer über­ einstimmenden Willenserklärung gekommen.

Der Absender

deS ersten Briefes ist demnach so zu betrachten,

als ob er

sich durch eine Reise zu dem Anderen hinbegeben, und dessen

(a) L 17 C. de Jule msfr. (4. 21). Vgl. Miieb p. 58.

236 Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap.I. Örtliche Gränzen.

Zustimmung eingeholt hätte (b).

angenommen

von Mehreren

Diese Meinung ist auch

worden (c).

aber

Manche

haben dabei folgendes Bedenken geltend gemacht.

Der zu­

stimmende Brief, meinen sie, könne ja vor der Ankunft wie­ der zurückgeholt oder durch einen Widerruf entkräftet wer­

den; daher sey der Vertrag erst vollendet an dem Orte, wo

der Absender deö ersten Briefes die Antwort empfangen, also von der Zustimmung ein Bewußtseyn erhalten habe (6). Es ist aber ganz verwerflich, den richtigen Grundsatz durch

die Rücksicht auf solche, ohnehin sehr seltene, Fälle entkräf­ In den allermeisten Fällen werden beide

ten zu wollen

Erklärungen abgegeben werden ohne ein solches Schwanken der Entschlüsse, wo aber ein solches einmal vorkommt, da kann die Frage nur durch Berücksichtigung der sehr man-

nichfaltigen einzelnen Umstände entschieden werden,

(b)

Dasselbe rst also bei dem

Boten anzunehmen

an dem Orte,

von dem Zeitpunkt des vollen­ deten Vertrags,

seine

wo diesem tue Zustimmung ausge­

daß

sprochen

auf den

wird;

bei

der

doppelt

so daß

spricht jedoch so,

Entscheidung Ort

zu

zugleich

beziehen

ist).

unterschriebenen Urkunde an dem

Lauterbach

Orte, wo die letzte Unterschrift er­

(Diss. T. 3 N. 107), wo zunächst

folgt; bei einem Wechsel an jedem

von dem Boten die Rede ist, dieser

de nuncio

§ 25

Orte, an welchem Einer accepttrt

aber dem Briefe ganz gleich gestellt

oder indossirt.

wird. (d)

(c)

Hommel obs. 409 N. 17.

Hert de commeatu lite-

18. Meier p. 59 (Beide bei Ge­ legenheit der Frage nach dem gel­

rarum § 16 —19

tenden örtlichen Recht). Wening

Museum II. 371—382. Wächter

Archiv

f.

civ.

S. 267 — 271

Praxis

B.

2

(der zunächst nur

Vol. I Archiv

p. 243. B. 19

in Comment.

Hasse Rhem S. 116.

Etwas

zweideutig ist 1. Voet. V. 1 § 73.

§. 371.

III. Obligationenrecht.

Gerichtsstand ic. (Forts.) 237

dann auch jene von den Gegnern aufgestellte sehr willkür­ liche Regel keineSwegeS ausreicht (e).

Wo ist der

Ich gehe nun zu der zweiten Frage über:

Gerichtsstand der Obligation bei einem durch Briefwechsel

geschlossenen Vertrage? Man möchte, nach der eben aufge­ stellten Behauptung, glauben,

an dem Orte,

wo der erste

Brief empfangen und zustimmend beantwortet wurde. ses muß aber entschieden verneint werden (f).

Die­

Denn der

Absender des ersten Briefes kann doch höchstens verglichen werden mit einem Durchreisenden, gewiß nicht mit Einem,

der einen bleibenden Aufenthalt an dem Wohnsitz des Geg­

ners aufgeschlagen hat; also hat er sich auch nicht dem Ge­ richtsstand dieses

OrteS unterwerfen wollen

(§ 370. o).

Vielmehr ist für jede der beiden Parteien der durch Brief­ wechsel geschlossene Vertrag

zu

betrachten

als

an

ihrem

Wohnsitz geschlossen, und hier muß sie den besonderen Ge­ richtsstand der Obligation für sich anerkennen (8 370 Nr. V.) Ist aber in dem Vertrag ein bestimmter Erfüllungsort an­ gegeben,

so

wird durch

diesen zugleich der Gerichtsstand

der Obligation begründet. — Das eigenthümliche Bedürf­ niß deS Wechselgeschäfts (Note b)

kann

starke

Modifika­

tionen dieser Grundsätze über den Gerichtsstand rechtferti­ gen.

So ist denn auch in der Preußischen Einführungö­

se) W ening a. a. O. macht dafür praktische Vorschläge. Die für eine andere, aber verwandte, Frage gegebenen Vorschriften des

A. LR. 1. 5 § 90 fg. könnten dabei benutzt werden, (f) So erklärt sich auch Mühlenbruch S. 348, 351.

238 Buch 111. Herrschast der Recht-regeln. Kap. I. örtliche Gränzen. Ordnung zur neuesten Deutschen Wechselordnung (g) vorge-

schrieben worden, daß nicht blos der Zahlungsort und der Wohnsitz den Gerichtsstand begründe,

sondern daß an den

Ort der einmal angestellten Wechselklage auch andere Wech« selschuldner hcrangezogen werden können.

Die dritte Frage, wegen deS bei einem Vertrag durch Briefwechsel geltenden örtlichen Rechts, kann erst weiter un­ ten (§ 373) beantwortet werden.

B.

Einseitige erlaubte Handlungen.

Daß diese hier ganz auf gleiche Weise wie Verträge zu

beachten

sind,

sprochen (li);

ist

in unseren Rechtöquellen

klar

ausge­

auch ist von diesem Satz schon oben Anwen­

dung gemacht worden auf die wichtigen Obligationen,

die

auö einer Geschäftsführung u.s. w entstehen (§ 370Nr.I1.).

Nur Ein Fall bedarf jedoch noch

einer besonderen Er­

wähnung. Der Erbe, der eine Erbschaft antritt, übernimmt dadurch

Obligationen verschiedener Art, insbesondere gegen die Erb«

schaftSglaubiger und gegen die Legatare.

Diese Obliga­

in

unsern RechtSquellen als eontractähn«

liche bezeichnet (i).

Daher haben mehrere neuere Schrift-

tionen

werden

(g) 8 5, f. Gesetzsamml. 1840. S. 50. (h) L. 20 de jud (5 1) „ Omnem Obligationen! pro contractu habendam, existimandum est . . ohne Zweifel mit Hinsicht aus den Gerichtsstand so ausgesprochen.

(i) §. ß J de obl. quasi ex contr (3. 27), £.3 § 3, L 4 q\ub ex caus (42. 4), £. 5 § 2 de 0. et A. (44. 7), £. 19 pr de R. J. (60. 17).

III. Obligationenrechl.

§. 871.

Gerichtsstand :c. (Forts.) 239

steller für einen solchen Fall ein formn contractus nommen,

ange­

und zwar bald an dem Ort, wo der Antritt der

Erbschaft erklärt worden sey, bald an dem, wo die Erbschaft liege,

oder

am Wohnsitz

des

Verstorbenen (k).

Diese

Meinung aber ist zu verwerfen, und es ist ein solcher Ge­ richtsstand nicht anzunehmen.

ganz positive Vorschrift,

Nur ausnahmsweise, durch

ist ein solcher Gerichtsstand

be­

gründet für Fideicommisse, und zwar an dem Orte, wo der

größte Theil der Erbschaft liegt (1).

Der oben erwähnte

bezieht sich nur auf den per­

Ausdruck der RechtSquellen

sönlichen Eintritt des Erben in das obligatorische Verhält­ niß zu Gläubigern und Legataren,

nicht auf dessen eigent­

liche Entstehung und juristische Beschaffenheit. C.

Delicte.

Der durch ein Delict begründete besondere Gerichtsstand ist dem älterm Römischen Recht ftemd,

Kaiserzeit entstanden (m).

und

erst in der

Dann aber hat er eine so all­

gemeine Anerkennung gefunden, daß er nunmehr auch in

Gesetzen auf gleiche Linie mit dem formn domicilii, con­

tractus, rei sitae gestellt wird (n). — Es würde aber un­ richtig seyn, diesen Gerichtsstand alö eine einzelne Anwen­

dung deS Gerichtsstandes der Obligation, des s. g. formn

(k) Linde Abhandlung B. 2 S. 101 — 109, Mühlenbruch S. 379—382. (l) Beth mann Hollweg Versuche S. 32—3ö. S. 48. Vgl.

oben § 370 am Ende de» §.

(m) Bethmann Ho llweg Versuche S. 29. 52. (n) Nov. 69 C. 1. — C. 20. X. de foro comp. (2.2).

240 Buch 111. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. 1. Örtlich« Gränzen.

contractus,

zu betrachten (o).

entsteht nicht durch eine

fung,

das

Denn

präsumtive freiwillige

und daher gelten für dasselbe

delicti

formn

Unterwer­

nicht die Be­

auch

schränkungen, welche oben für den Gerichtsstand der Obli­

gation aufgestellt worden sind (§ 370).

Zur Begründung

noch irgend ein

dieses Gerichtsstandes ist weder Wohnsttz,

anderer hinzutretender äußerer Umstand, mehr

sich,

entsteht derselbe

erforderlich,

viel­

aus der Verübung des DelictS an

bei einem ganz zufälligen und vorübergehenden

auch

Aufenthalt.



Es hat demnach dieser Gerichtsstand eine

ganz eigenthümliche Natur, indem er begründet wird nicht

durch freiwillige, sondern durch nothwendige Unterwerfung; diese aber ist eine unmittelbare Folge der Rechtsverletzung, deren sich der Thäter schuldig gemacht hat.



Der Ge­

richtsstand aus dem Delikt ist übrigens eben so wenig aus­ schließend,

alS der aus dem Contract,

vielmehr

hat der

Kläger stets die Wahl zwischen diesem besonderen und dem allgemeinen, auf den Wohnsitz des Schuldners gegründeten

Gerichtsstand.

wähnung

jeneö

Dieses liegt

schon in

Gerichtsstandes

der

in den

wörtlichen Er­

angeführten

Ge­

setzen (Note ii); noch mehr aber folgt es daraus, daß der­

selbe ganz gewiß nicht zum Vortheil des Beklagten, sondern vielmehr des Klägers, eingeführt ist (o‘)

(o)

bebeide

In der angeführten Stelle kanonischen auch

Recht-

werden

wörtlich unterschieden

und einander coordinirt.

(o1)

Linde Lehrbuch de- Pro­

zeffe- § 93 Note 10.

(Forts.) 241

$. 371. III. Obligationenrecht. Gerichtsstand,c.

Man hat die Frage aufgeworfen, ob der Gerichtsstand der Obligation blos begründet sey für die Klagen, die zur natürlichen Entwickelung der Obligation gehören, also zur

Erfüllung derselben führen, oder vielmehr auch für die, welche die umgekehrte Richtung haben, indem sie die Auflösung der

Obligation bezwecken, oder DaS rückgängig machen wollen, welches in Erfüllung der Obligation schon geschehen ist. Hier muß nun in der Regel die erste, beschränktere Anwen­

dung

jenes Gerichtsstandes

behauptet

werden (p).

Die

zweite, ausgedehntere Anwendung des Gerichtsstandes kann nur ausnahmsweise in den seltneren Fällen eintreten,

in

welchen die Auflösung der Obligation mit der Entstehung derselben einen gemeinschaftlichen Ursprung hat, also wenn die Auflösung einer durch Vertrag gegründeten Obligation ab­

geleitet

wird

auö

einem

diesem

Vertrag

hinzugefügten

Nebenvertrag (q).

Der besondere Gerichtsstand der Obligation schließt den allgemeinen,

aus dem Wohnsitz entspringenden,

Gerichts­

stand nicht aus, vielmehr hat der Kläger freie Wahl,

dem einen oder dem

andern

(p) L.2 C ubi et apud quem (2. 47). (q) Glück B 6 S. 301 —303. Unbedingt wird diese Anwendung

vm.

eine Klage

an

anzuftellen (r).

des Gerichtsstandes verneint von Linde Archiv B. 7 S. 67—69. (r) L. 19 § 4 de jud. (5.1), (wo gelesen werden muß; habeat

16

242 Buch Ul Herrschaft der Rechtsregeln. KaP.L -örtliche Gränzen.

Manche haben mit Unrecht dieses Wahlrecht auf den Fall

einschränken wollen,

wenn der

Gerichtsstand durch einen

besonders verabredeten Ort der Erfüllung begründet sey. Das Wahlrecht gilt vielmehr in der That auch, wenn der

Gerichtsstand sich gründet auf den Vertrag an Erfüllungsort) (s),

sich

(ohne

oder aber auf eine geführte Verwal­

tung (t). Gerade umgekehrt mußte für den Fall eines durch Sti­

pulation bestimmten Erfüllungsortes ursprünglich behauptet werden,

daß

nur an diesem Ort geklagt werden sönne,

indem der Gläubiger durch den besonderen Inhalt dieser Stipulation darauf verzichtet hatte, den allgemeinen persön­ lichen Gerichtsstand seines Schuldners für die Klage zu be-

anstatt habuit, s. Hohlweg S. 46), L. 1. 2. 3 de reb. auct jud. (42. 5), L un C ubi conv (3. 18) C 17 X de foro comp (2. 2). — Nach Römischem Recht konnte der Klager auch noch in dem forum onginis klagen (§ 355) (s) L. 2 C de jurisdict (3. 13). In den Worten: ubi domicilium reus habet “ liegt der Accent nicht auf domicilium, sondern auf reus Cs soll also gesagt werden, des Beklagten Wohnsitz (nicht des Klagers) bc stimme den Gerichtsstand; das zeigen die Anfangsworte der Stelle Damit soll aber dem Kläger nicht benommen seyn, das forum conttactus vorzuziehen, wo em solches begründet ist.

(t) Das f g forum gestae administrationis hat überhaupt keine eigenibumliche Natur (§ 370 II). Auch wird das Wahlrecht ausdrücklich anerkannt tut Fall des Argenlaruis L. 4 § 5 de ed (2. 13). Und gerade für diesen Fall hat man es verneinen wollen wegen L. 45 pr de jud (5 1) Allein hier heißt ,,conveniri oportet“ : er muß sich gefallen lassen, daß er verklagt werde Die richtige Meinung haben- Strub en Bedenken III. 96 Gönner Hand­ buch B i Abh. X 1; die irrige Meinung Leyser 73.8, Weber Beiträge B 2 S. 35, Linde Archiv B. 7 S 73

$. 371.

nutzen.

111. Obligatioaenncht.

Gerichtsstand ic. (Forts.) 243

Weil aber dieses zu einer völligen Versagung deS

Rechtsschutzes führen konnte, wenn etwa der Schuldner die

Vorsicht gebrauchte, an dem bedungenen Erfüllungsorte nicht

zu erscheinen, so wurde eine besondere Klage eingeführt, die

nun auch an dem persönlichen Gerichtsstand angestellt wer­ den konnte, nur mit Berücksichtigung des vielleicht verschie­

denen örtlichen Interesse der Leistung (u).

diese

Durch

Klage ist also selbst für solche Fälle daS Wahlrecht des Klägers begründet worden.

Dagegen ist eS nicht zu rechtfertigen, wenn Manche

auch ein Wahlrecht deS Klägers annehmen wollen zwischen dem auf ausdrückliche und dem auf stillschweigende Verabre­

dung eines Erfüllungsortes gegründeten Gerichtsstände (v);

denn die Annahme einer solchen stillschweigenden Verabredung

wird durch das Daseyn einer ausdrücklichen stets aus­

geschlossen.

(u) L 1 de eo quod certo loco (13 4). „Alio loco, quam in quem sibi dari quisque stipulatus esset, non videbatur agendi facultas competere Sed quia iniquum erat, si promis­ sor ad eum locum, in quem daturum se promisisset, nunquam accederet, quod vel data opera faceret, vel quia aliis locis necessario distringeretur, non posse stipulatorem ad suum pervenire, ideo Visum est, utilem actionem in eam rem comparare“ Was hier von

der

gesagt ist,

(Stipulation

gilt

eben so von jeder anderen mit einem bestimmten Erfüllungsort

versehenen Obligation, sobald diese eine Condiction erzeugt (wie Dar­

lehen und Legat),

nur nicht von

den b. f obligationes, wobei die

Contractsklage

selbst

schon

reichte. L. 7 eod. (v) So daß also der bald

an

dem

auS-

Klager

bedungenen

Er­

füllungsort, bald an dem Ort des geschloffenen Vertrages, nach Be­ lieben ein forum contractus gel­ tend machen konnte (§ 370).

244 Buch III Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.

Der besondere Gerichtsstand der Obligation kann nur geltend gemacht werden, wenn der Schuldner in diesem Ge­ richtssprengel

entweder

persönlich

anwesend ist,

oder

Vermögensstücke besitzt, in welchem letzten Fall durch missio

in possessionem der Zwang gegen ihn durchgeführt wird Diese alternative Bedingung

ist nach dem älteren Römi­

schen Recht unzweifelhaft (w).

Nach

einem

Gesetz von

Justinian könnte man dieselbe für aufgehoben ansehen (x). Allein dieses Gesetz ist so allgemein und unbestimmt gefaßt, und wirft so sehr die verschiedenen Gerichtsstände ohne Un­ terscheidung durch einander, daß die Absicht,

das frühere

Recht zu verändern, daraus nicht mit Sicherheit entnom­ men werden kann.

Daher hat denn auch

darauf keine Rücksicht genommen,

eine Decretale

sich vielmehr ganz an

daö frühere Römische Recht,

und selbst an die Ausdrücke

desselben, angeschlossen (y).

Die überwiegende Praxis der

neueren Zeit ist dieser Meinung beigetreten (z),

so

daß

(w) L. 1 de eo qui certo trahere coram se non debent loco (Note u) „.. si nunquam ac invitos, licet in possessionem cederet“. L. 19 pr. de jud. bonorum, quae ibi habent, (5, 1) „si ibi inveniatur“ § 1 . possint missionem facere“. eod. „si non defendat. . bona Von Mehreren wird diese Stelle possideri patietur“ Aehnlich sehr gezwungen so ausgelegt, der lautet die Bestimmung für das Richter solle den Abwesenden nicht forum rei sitae in L. 2 C. nbi durch eigene Gewalt (sondern nur in rem (3. 19). durch Requisition seines Richters) (x) Nov. 69 C 1. 2. zwingen. Cocceji jus controv V. (y) C. 1 § 3 de foro comp 1 qu. 15. Glück VI S 304. in VI. (2. 2) „ . . . nisi inve- Linde Archiv VII. S. 69. 70. niantur ibidem (vgl. Note w) (z) Diese überwiegende PrariS

§. 371.

III

Obligationenrecht

Gerichtsstand rc. (Forts.) 245

also der Gerichtsstand der Obligation gegen einen Abwe­ senden durch bloße Requisition eines fremden Gerichts nicht geltend gemacht werden kann. — Es ist nicht zu verkennen, daß durch diese beschränkende Bedingung der besondere Ge­

richtsstand der Obligation einen großen Theil seiner Wich­ tigkeit verliert.

In neueren Gesetzgebungen

hat der Gerichtsstand der

Obligation, wie zu erwarten war, diejenige Gestalt ange­ nommen, die zur Zeit ihrer Abfassung unter den Schrift­

stellern herrschend war,

also theilweise nicht in Ueberein­

stimmung mit dem wirklichen Römischen Recht, dem man sich doch anzuschließen glaubte

So setzt das Preußische

Recht jenen Gerichtsstand zunächst an den Ort der verab­ redeten Erfüllung, und, wo ein solcher nicht vorhanden ist,

an den Ort des geschlossenen Vertrags (aa), ohne Rücksicht auf die beschränkenden Bedingungen, unter welchen allein das Römische Recht den Ort des geschlossenen Ver­

trags als entscheidend ansiebt.

Das Wahlrecht deS Klä­

gers wird auch hier anerkannt, und zugleich wird der Be­ klagte, im Sinn der neueren Praris (Note z), nur dann

wird selbst von den Gegnern eingeränmt. Cocceji 1 c. Glück VI S. 304 — 306. Linde S. 69. (aa) Allg. Ger. Ordn. I. 2 8 148 — 152. Eben so ist dieser

Gerichtsstand anerkannt in Ver­ trägen mit vielen Nachbarstaaten, z. B. Weimar 1824 Art. 29, Ge­ setzsammlung 1824 S. 153.

246 Buch III. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. Örtlich« Gränzen,

an diesen Gerichtsstand gebunden, wenn er sich an einem

solchen Orte antreffen läßt.

§. 111

372.

Obligationenrecht

Örtliche- Recht.

Die Lehre vom Gerichtsstände der Obligation ist bisher deshalb so genau in ihren Einzelheiten dargestellt worden

(§ 370. 371), weil sie allein einen sicheren Halt gewährt für die Frage nach dem bei den Obligationen anwendbaren

örtlichen Recht,

für welche Frage

es

an quellenmäßigen

Bestimmungen des Römischen Rechts eigentlich ganz fehlt

Gerade hier ist der innere Zusammenbang

zwischen rem

Gerichtsstand und dem örtlichen Recht eben so ergiebig und

fruchtbar,

als wohl begründet,

indem dieselbe präsumtive

Unterwerfung, welche den Sitz der Obligation und mit ihm

den Gerichtsstand bestimmt, auch für das anwendbare ört­ liche Recht als bestimmend anerkannt werden muß (a).

Ich nehme die ganze Reihe praktischer Regeln, wie sie

oben für den Gerichtsstand aufgestellt worden sinv, Bedenken

zugleich

als maaßgebend

örtliche Recht an (§ 370).

Verschiedenheit der

Fälle,

für

das

ohne

anwendbare

Dasselbe ist also,

je nach

auf folgende Orte zurück zu

führen (S. 226. 227).

(a) Auch Eichhorn deutsches Recht § 37 b wendet die von dem Gerichtsstand redenden Stellen des

Römischen Rechts unmittelbar auf das örtliche Recht an.

246 Buch III. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. Örtlich« Gränzen,

an diesen Gerichtsstand gebunden, wenn er sich an einem

solchen Orte antreffen läßt.

§. 111

372.

Obligationenrecht

Örtliche- Recht.

Die Lehre vom Gerichtsstände der Obligation ist bisher deshalb so genau in ihren Einzelheiten dargestellt worden

(§ 370. 371), weil sie allein einen sicheren Halt gewährt für die Frage nach dem bei den Obligationen anwendbaren

örtlichen Recht,

für welche Frage

es

an quellenmäßigen

Bestimmungen des Römischen Rechts eigentlich ganz fehlt

Gerade hier ist der innere Zusammenbang

zwischen rem

Gerichtsstand und dem örtlichen Recht eben so ergiebig und

fruchtbar,

als wohl begründet,

indem dieselbe präsumtive

Unterwerfung, welche den Sitz der Obligation und mit ihm

den Gerichtsstand bestimmt, auch für das anwendbare ört­ liche Recht als bestimmend anerkannt werden muß (a).

Ich nehme die ganze Reihe praktischer Regeln, wie sie

oben für den Gerichtsstand aufgestellt worden sinv, Bedenken

zugleich

als maaßgebend

örtliche Recht an (§ 370).

Verschiedenheit der

Fälle,

für

das

ohne

anwendbare

Dasselbe ist also,

je nach

auf folgende Orte zurück zu

führen (S. 226. 227).

(a) Auch Eichhorn deutsches Recht § 37 b wendet die von dem Gerichtsstand redenden Stellen des

Römischen Rechts unmittelbar auf das örtliche Recht an.

§. 372.

III.

Obligationenrecht.

Örtliche» Recht.

247

I. Wenn die Obligation einen fest bestimmten Erfül­ lungsort hat: auf diesen Erfüllungsort.

II. Wenn die Obligation hervorgegangen ist aus einer

fortlaufenden Geschäftsführung des Schuldners: auf den Ort, an welchem diese Geschäftsführung ihren bleibenden Sitz hat.

III. Wenn die Obligation aus einer einzelnen Handlung des Schuldners an dessen Wohnsitz entstanden ist:

auf den Ort dieser Handlung,

so daß die spätere

Aenderung des Wohnsitzes hierin Nichts ändert.

IV. Wenn vie Obligation aus einer einzelnen Handlung des Schuldners außer dessen Wohnsitz,

Umständen

solchen

entstanden

ist,

aber unter

welche

eben­

daselbst die Erfüllung erwarten lassen: auf den Ort dieser Handlung. V. Wenn keine dieser Voraussetzungen vorhanden ist, aus den Wohnsitz des Schuldners (b).

(b)

Es

könnte

scheinen,

als

werden

kann,

sondern

weil

in

wollte tch mich hier anschlteßen an

diesem Fall die Parteien die (Jrr

den

fullung der Obligation an dem Wohnsitz des Schuldners, natür­

oben

verworfenen

Grundsatz

(8 3G1 g), nach welchem das ört-

Uche Recht deö Wohnsitzes

dtäre Gülttgkett haben

subsi.

licher als an jedem anderen Ort,

sollte für

zu erwarten haben. Dieser Grund aber, der blos eine einzelne An­

alle Fälle, tu welchen mcht ein anderes örtliches Recht besonders

ist aber nicht der Fall. das

Recht

des

kein

anderes

Recht

der

allgemeinen

Regel

über den Sitz der Obligation ist,

Denn auf wird

paßt für den Gerichtsstand (§ 370 Rum. V ) nicht mehr und nicht

nicht weil

weniger, als für das örtliche Recht.

Wohnsitzes

hier zurück gegangen,

wendung

Dieses

nachgewiesen werden kann.

begründet

248 Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Rap. I. Örtliche Gränzen.

Insofern also fällt die Bestimmung des örtlichen Rechts ganz zusammen mit der Bestimmung des Gerichtsstandes.

Nur darin ist ein wichtiger Unterschied wahrzunehmen, daß

neben dem besonderen Gerichtsstand der Obligation auch noch der allgemeine Gerichtsstand des Wohnsitzes wirksam

bleibt, mit freiem Wahlrecht des Klägers; anstatt daß das

anwendbare örtliche Recht einem solchen einseitigen Wahl­ recht nicht unterworfen seyn kann,

sondern

ausschließend

durch den fest bestimmten Erfüllungsort, in dessen Erman­

gelung durch den Ort der Entstehung der Obligation, oder durch den Wohnsitz deS Schuldners,

je nach Verschieden­

heit der Fälle, bestimmt werden muß

Die Ableitung

der hier ausgestellten Regeln aus der

vermutheten freiwilligen Unterwerfung des Schuldners un­ ter ein bestimmtes örtliches Recht hat einige wichtige prak­

tische Folgen, die hier zusammengestellt werden sollen. Dieses örtliche Recht tritt zurück,

A.

wenn cs in

Widerspruch steht mit einer am Ort deS urtheilenden Rich­ zwingenden,

streng

positiven

indem in solchen

Fällen

der

geltenden

ters

(§ 349),

Rechtsregel

freie Wille

der

Parteien überhaupt keinen Einfluß haben kann (b‘).

B.

Das

angegebene

örtliche Recht

tritt

gleichfalls

zurück, wenn die Vermuthung der freiwilligen Unterwerfung

(b1)

Vgl. Wä ch ter II. S. 397 — 405.

Foelix p. 145.

§. 372.

III.

wird

ausgeschlossen

durch

249

Örtliche- Recht.

Obligationenrecht.

eine ausdrückliche abweichende

Willenserklärung (c). C.

Von manchen Seiten ist behauptet worden,

daß

unter mehreren an sich denkbaren örtlichen Rechten dasje­

nige jedesmal angewendet werden müsse, nach welchem daS vorliegende Rechtsgeschäft am besten aufrecht erhalten wer­

den könne (d).

Aus dem bestehenden Recht läßt sich dieser

Satz in solcher Allgemeinheit wohl nicht begründen,

ihn als neues positives

gen könnte man darauf kommen,

Gesetz aufzustellen (e).

dage­

Allein in folgendem Sinn läßt sich

der Satz dennoch vertheidigen.

Wenn die Anwendung der

oben aufgestellten Regeln dahin führen würde, den Vertrag einem örtlichen Recht (etwa des Erfüllungsortes) zu unter­

werfen, nach welchem er ungültig seyn würde, anstatt daß

er nach dem Rechte des Wohnsitzes gültig wäre, so ist ge­ wiß nicht zu vermuthen,

daß sich die Parteien einem ört­

lichen Recht haben unterwerfen wollen, das mit ihrer Absicht völlig im Widerspruch stände (e1).

(c) ,,

L. 19 § 2 de jud. (5. 1)

. nisi aMo loci,

ut defen-

deret, convenit ♦. “

Was hier

(e)

Für

gestellt (I. 5 8 113), nämlich für

von dem Genchtsstand gesagt wird,

den

muß .eben so

Formen

Recht

gelten,

stimmungen

von dem örtlichen

soweit dessen Be­ durch

Privatwrllkür

abgeändert werden können.

Vgl.

oben § 369. b. und § 370. (d)

8 37.

Eichhorn deutsches Recht Noten f. g.

einen einzelnen Fall

ist er im Preußischen A. L. R. aus­ Fall

verschiedener gesetzlicher bei

einem

durch

Brief­

wechsel geschloffenen Vertrage. (e1)

Satz

So aufgefaßt, stimmt der

ganz überein mit einer be­

kannten Auslegungsregel bei zwei-

^utig gefaßten Rechtsgeschäften. L. 12 de reb. dub. (34. 5).

250 Buch 111. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I Artliche Gränzen.

Wenngleich nun durch die hier ausgestellten Regeln der

Sitz der Obligation, und mit diesem zugleich das örtliche

Recht derselben, int Ganzen sicher bestimmt seyn meg,

so

soll damit doch nicht behauptet werden, daß alle bei Gele­ genheit einer Obligation möglicherweise eintretende Rechts­

fragen eben nur nach diesem örtlichen Rechte zu entscheiden Dazu ist eine tiefer eingehende Erwägung

seyn möchten.

solcher Rechtsfragen in ihrem vollständigen Zusammenhang die der Fortsetzung dieser Untersuchung

nöthig,

(§ 374)

Vorbehalten bleiben muß (f).

Von der hier ausgestellten Lehre über das bei den Obli­

gationen

örtliche

anwendbare

nungen unserer Schriftsteller

Recht in

Mei­

die

weichen

zwei Haupt­

folgenden

punkten ab Erstlich knüpfen fast Alle das anwendbare örtliche Recht an den Ort der obligatorischen Handlung

ohne

an sich,

zugleich die im Römischen Recht binzugesügten besonderen

Voraussetzungen zu berücksichtigen (§ 370),

obgleich doch

im Allgemeinen die Meisten auf dem Boden des Römischen Rechts zu stehen vermeinen

Dieses ist aber um so mehr

zu mißbilligen, als die erwähnten Voraussetzungen des Rö-

(f)

bie

Auf

Rechtsfragen wiesen:

haben

einzelnen

schon lnnge-

Leyser 73. 3,

p. 142—145. in

Foelix

Diese Schriftsteller

kann ich daher Gegner

verschiedenartige

solcher

Beurtheilung

der

nicht

als

meine

Aufstellung

deö

Grundsatzes

ansehen;

eS

wird

darauf ankommen, bei den einzelnen Rechtsfragen sich mit einander zu verständigen. fahren

ist

Em ähnliches Ner-

schon

oben

in

der

Lehre vom Eigenthum eingeschla­ gen worden (§ 367).

§. 372.

mischen

111

Rechts,

gewinnt,

nicht

beruhen,

sondern

Örtliche- Recht.

Obligationenrecht

wodurch

die Suche

auf willkürlichen vielmehr

auf

eine andere Gestalt

positiven

der

251

in der

Vorschriften Natur

der

Sache beruhenden Erwägung, in welchen Fällen eine frei* willige Unterwerfung unter ein bestimmtes örtliches Recht

mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann oder nicht. Zweitens findet sich ein sebr häufiger Widerspruch gegen die hier angenommene Meinung, nach welcher vorzugsweise ein

verabredeter Erfüllungsort

örtliche Recht bestimmen soll. nungen sehr getheilt.

zugleich

das

anwendbare

Hierin sind jedoch die Mei­

Ein Theil der Schriftsteller,

und

zwar der größere Theil, stimmt mit der hier vorgetragenen

Lehre überein (g).

Ein anderer Theil dagegen behauptet,

daS örtliche Recht dürfe lediglich nach dem Ort der obliga­ torischen Handlung bestimmt werden; der verabredete Er­

füllungsort habe darauf gar keinen Einfluß, indem die von diesem redenden Stellen des Römischen Rechts lediglich aus

den Gerichtsstand, gar nicht auf das örtliche Recht, zu be­ ziehen seyen (h).

Bei dieser Streitfrage kommt eö auf die Erklärung der

hier einschlagenden Stellen des Römischen Rechts an,

die

ich, der leichteren Uebersicht wegen, voranstelle.

(g) Christinaeus Vol. I Dec 283 N 8. 11. P. Voet Sect. 9 C. 2 § 12. 15. Mühlen­ bruch doctr Fand. § 73. not 17.

Foelix p 142 — 145 Story 8 280 299. (h) Hert. § 10 ampl. 2. Meier p. 57 58. Wächter II. S. 41-47.

252 Buch m. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. l. Örtliche Gränzen. 1. L. 6 de evict. (21. 2.) „Si fundus venierit, ex consuetudine ejus regionis, in qua negotium gestum est, pro evictione caveri oportet.” 2 L. 21 de oblig. et act. (44 7.) „ Contraxisse unusquisque in eo loco intelligitur, in quo , ut solveret, se obligavit. ” 3. L. 1. 2. 3. de reb. auct. jud. (42. 5.) „Venire bona ibi oportet, ubi quisque defendi debet, id est — ubi domicilium habet — aut ubi quisque contraxerit. Contractum autem non utique eo loco intelligitur, quo negotium gestum sit, sed quo solvenda est pecunia.” Diese Stellen werden von den Gegnern aus folgende Weise erklärt. Die erste Stelle, sagen sie, spreche allein vom örtlichen Recht, und wolle bei diesem ausschließend den Ort beachtet wissen, an welchem die obligatorische Hand­ lung vorgenommen worden sey (in qua negotium gestum est), wodurch also die Beachtung des Erfüllungsortes ver­ neint werde Die zweite und dritte Stelle dagegen sollen lediglich von dem Gerichtsstand reden, nicht von dem ört­ lichen Recht; für den Gerichtsstand aber fordern sie die Beachtung des Contractsorts, und als Contractsort bezeich­ nen sie nicht den Ort der obligatorischen Handlung, son­ dern den der Erfüllung. So werden, sagen sie, in diesen Stellen der Gerichtsstand und das örtliche Recht scharf un­ terschieden, und nach entgegengesetzten Regeln behandelt.

§. 372.

Diese

111. Obligationenrecht.

Erklärung

Schein,

hat

Örtliches Recht.

aber

253

keine Wahrheit.

Allerdings spricht die dritte Stelle von dem Gerichtsstand, nicht von dem örtlichen Recht;

die zweite aber redet so

allgemein, daß sie eben so gut auf das Eine, wie auf das Andere, altzuwenden ist.

Sind mm die oben aufgestellten

Gründe für den inneren Zusammenhang des örtlichen Rechts

mit dem Gerichtsstand überzeugend, so muß eine praktische Verschiedenheit in der Behandlung beider Fragen so lange verneint werden,

als nicht

bestimmte Zeugnisse für diese

Verschiedenheit aufgewiesen werden können; diese eben sollen

in den oben angegebenen Stellen liegen, und eö wird jetzt

hauptsächlich 'darauf ankommen,

durch die Erklärung der

ersten Stelle zu zeigen, daß diese den praktischen Gegensatz gegen die zwei anderen Stellen, den man darin finden will,

in der That nicht enthält.

Von der ersten Stelle nun, der L. 6 de evict., ist schon oben bemerkt worden, daß sie eigentlich gar nicht von dem anzuwendenden örtlichen Recht spricht, sondern von that­

sächlichen Gewohnheiten, die gar nicht Rechtsregeln begrün­

den (§ 356. i. k.).

Indessen können wir über dieses Be­

denken hinweggehen, und einen indirecten Gebrauch dieser

Stelle für unsere Frage willig einräumen.

Denn dieselbe

Wahrscheinlichkeit, die dafür spricht, daß die Parteien ge­ wisse factische Gewohnheiten des Orts stillschweigend be­

folgen wollten, läßt sich auch geltend machen für ihre stet­ willige Unterwerfung

Orts.

unter das

örtliche

Recht desselben

Wir wollen also die Stelle ganz so behandeln, al-

254 Buch Ul. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. örtliche Gränzen.

ob sie über das örtliche Recht entscheiden wollte, und nur noch fragen,

welchen bestimmten Ort sie entscheidet.

für

Offenbar will sie in den Worteir:

ejus regionis,

qua

in

negotium gestiim est, irgend einen anderen denkbaren Ort

ausschließen; welches ist nun dieser von ihr ausgeschlossene Ort?

Um die verschiedenen Möglichkeiten,

die dabei

in

Betracht kommen können, zur Anschauung zu bringen, will

ich folgendes Beispiel wählen. teoli,

Zwei Einwohner von Pu-

deren Einer in dieser Stadt ein Grundstück besitzt,

treffen zusammen im Bade von Bajä, und schließen daselbst

einen Kaufcontract über lenes Grundstück;

hinterher ent­

steht ein Streit über die EvictionSleistung,

und es fragt

sich, welches örtliche Recht dabei angewendet werden soll Nach der Erklärung der Gegner müßte es das Recht von

Bajä seyn (regionis, in qua negotium gestuni est), daS von Puteoli,

und dieses

nicht

letzte eben sollte durch den

AuSspruch des Juristen verneint werden.

Ich gebe nun

zu, daß eS möglich wäre, der alte Jurist hätte an den auf einem so verwickelten Fall beruhenden Gegensatz gedacht,

und darüber eine Entscheidung geben wollen;

aber in der

Stelle selbst findet sich darauf nicht die entfernteste Hindeutung,

und eine unbefangene Erklärung muß vielmehr

darauf führen, setzen.

folgenden viel einfacheren Fall vorauözu-

Die zwei Einwohner von Puteoli haben in ihrer

Vaterstadt selbst den Kaufvertrag geschlossen (i); in diesem (i)

So erklärt die Stelle auch

C. Morn* aeus ,

Conclusiones

de

statutis in dem Comm. in hinter L. 1 C. de

Codicem

§. 372.

III. Obligattonenrecht.

Stadtgebiet aber gilt bei

Örtliches Recht.

255

Evictionen eine eigenthümliche

Gewohnheit, abweichend von der anderwärts üblichen.

An­

statt nämlich, daß die allgemeine Gewohnheit anderer Orte

dahin führte, für den Fall der Eviction den doppelten Kauf­

preis zurück zu zahlen (k),

war

in

es

Puteoli üblich,

einen anderen Ersatz, etwa den anderthalbfachen, oder den dreifachen Kaufpreis eintreten zu lassen.

Der Ausspruch

des Juristen gebt also dahin, in einem solchen Fall nicht die allgemeine, anderwärts übliche, Höhe des Ersatzes gel­ ten

zu

lassen,

sondern die an diesem Ort hergebrachte,

weil wahrscheinlich diese den Parteien vorgeschwebt habeir werde

gelegt trag

Gesetzt nun, worden,

nicht

wie

es wäre ihm die weitere Frage vor­ eS

in Puteoli

sen worden wäre

zu

selbst,

halten

sey,

sondern

wenn der Ver­

in Bajä geschlos­

(wovon übrigens die Stelle selbst keine

Spur eitthält), so würde er ohne Zweifel auch wieder auf

die Gewohnheit von Puteoli verwiesen haben,

weil

der

Vertrag in dieser Stadt und nicht in Bajä zu erfüllen war;

nur würde er dann nicht mehr den Ausdruck gebraucht

haben: in qua negotium gestuni est, weil dieser, wenn ein solcher Gegensatz in Frage gestanden hätte, fast nothwendig

summa trin. (p 6. 7 ed Hanov adaptari ad casus vel hypo1604. f) „ quod est inteiligen- theses, quae solent frequenter dum non de loco contractus accidere nec extendi ad casus fortuiti, sed domicilii, prout raro accidentes “ crebrius usu venit, immobilia (k) L 31 § 20 de aedil. ed, non vendi peregre, sed in loco (21. 1), L 2. L. 37 de evict. domicilii Lex autem debet (21. 2).

256 Buch 111. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. Örtliche Gränzen, mißverstanden werden mußte. — Wird nun diese Erklärung

der Stelle angenommen, die ganz bei ihren Worten stehen bleibt, und ihr keine fremdartige Voraussetzungen aufdrängt, so enthält sie durchaus keinen Grund, das örtliche Recht

nach einer andern Regel zu bestimmen,

als den Gerichts­

stand.

§.

111.

373.

Örtliche« Recht (Fortsetzung).

Obligationenrecht.

Es sind nun für das

örtliche Recht der Obligation

einige Nebenfragen zu erörtern, meist anschließend an ähn­ liche Nebenfragen, die schon oben für den Gerichtsstand der Obligation untersucht worden sind (§ 371). In mehreren Fällen nämlich wird das örtliche Recht,

eben so,

wie der Gerichtsstand der Obligation,

begründet

durch den Entstehungsort derselben (8 372Num. HI. IV),

und

es kann dann die genauere Bestimmung dieses Ent­

stehungsortes wichtig,

zuweilen aber auch zweifelhaft seyn.

Mit Rücksicht auf solche Zweifel sollen hier mehrere beson­ dere

Fälle

werden,

angegeben

und

einer Prüfung

in ähnlicher Weise wie Dieses

unterworfen

bereits bei dem

Gerichtsstand geschehen ist. A. Verträge: Der zweifelhafteste und beftrittenste Fall ist der eines Vertrages,

welcher

durch Briefwechsel

geschlossen wird.

Mit diesem Fall aber ist auf völlig gleiche Linie zu stellen

der Vertrag,

der durch eine an verschiedenen Orten unter-

256 Buch 111. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. Örtliche Gränzen, mißverstanden werden mußte. — Wird nun diese Erklärung

der Stelle angenommen, die ganz bei ihren Worten stehen bleibt, und ihr keine fremdartige Voraussetzungen aufdrängt, so enthält sie durchaus keinen Grund, das örtliche Recht

nach einer andern Regel zu bestimmen,

als den Gerichts­

stand.

§.

111.

373.

Örtliche« Recht (Fortsetzung).

Obligationenrecht.

Es sind nun für das

örtliche Recht der Obligation

einige Nebenfragen zu erörtern, meist anschließend an ähn­ liche Nebenfragen, die schon oben für den Gerichtsstand der Obligation untersucht worden sind (§ 371). In mehreren Fällen nämlich wird das örtliche Recht,

eben so,

wie der Gerichtsstand der Obligation,

begründet

durch den Entstehungsort derselben (8 372Num. HI. IV),

und

es kann dann die genauere Bestimmung dieses Ent­

stehungsortes wichtig,

zuweilen aber auch zweifelhaft seyn.

Mit Rücksicht auf solche Zweifel sollen hier mehrere beson­ dere

Fälle

werden,

angegeben

und

einer Prüfung

in ähnlicher Weise wie Dieses

unterworfen

bereits bei dem

Gerichtsstand geschehen ist. A. Verträge: Der zweifelhafteste und beftrittenste Fall ist der eines Vertrages,

welcher

durch Briefwechsel

geschlossen wird.

Mit diesem Fall aber ist auf völlig gleiche Linie zu stellen

der Vertrag,

der durch eine an verschiedenen Orten unter-

III

§. 373.

Örtliches Recht. (Forts.) 257

Obligationenrecht.

zeichnete Urkunde, oder durch die mündliche Willenserklärung

vermittelst eines Boten,

Hierüber nun

kann

;u Stande kommt (§ 370 l>). —

nur

wiederholt

was oben

werden,

(S. 235) über den Gerichtsstand in solchen Fallen gesagt

worden

Der Vertrag durch Brieswechsel ist als ge­

ist.

schlossen anzusehen an dem Orte, und

wo der Brief empfangen

zustimmend beantwortet wird

darauf an,

Käme es also

blos

so müßte durch diesen Ort auch das örtliche

Recht bestimmt werden,

und dieses ist

Meinung mehrerer Schriftsteller (a).

aber verworfen werden,

weil

in der That die

Diese Meinung muß

der Verfasser des Briefes

höchstens einem Reisenden zu vergleichen ist,

der sich auf

einen Augenblick zu dem Empfänger hinbegeben

bat,

um

den Vertrag zu schließen; durch einen solchen ganz vorübergehenden Aufenthalt aber wird, auch wenn darin ein Ver­

trag zu Stande kam,

der Sih der Obligation mit seinen

rechtlichen Folgen nicht

begründet

Daher ist hier das

örtliche Recht der Obligation zu beurtheilen

vor Allem

nach dem Erfüllungsort, wenn ein solcher fest bestimmt ist;

fehlt es

an einer solchen Bestimmung,

so

gilt für jede

Partei das Recht ihres Wohnsitzes (b). — Ganz abweichend

von diesen verschiedenen Ansichten haben andere Schriftsteller angenommen,

der durch Briefwechsel geschloffene Vertrag

(a) Hummel rliaps., obs. 40!) N. 17. 18, Meier p 59 (b) Wächter II. S. 45 nimmt VIII.

das Recht des Wohnsitzes allgemein an, ohne Rücksicht auf den Erfüllungsort

258 Buch III Herrschaft der Rechtskegeln. Kap. I. örtliche Gränzen,

beurtheilt werden (c);

müsse nach dem Naturrecht

nur zu bedauern ist,

wissen

daß sie nicht zugleich das naturrecht­

angegeben

System

liche

wollen.

haben,

welches

sie

angewendet

Das Preußische Gesetzbuch



hier vorliegende

die

wobei

entscheidet

Frage nur in der beschränkten An­

wendung auf den Fall, wenn /am Wohnsitz beider Parteien ein verschiedenes Recht über die Form des Vertrags gelte;

dann soll dasjenige Recht angewendet werdeit, bei welchem

der Vertrag

am besten bestehen kann (d).

Zn dem Sinn

dieser Vorschrift aber liegt es, auch in anderen Beziehungen

(wo eS nicht auf das Bestehen des Vertrags,

sondern auf

die Art der Wirkung ankommt) das Recht des Wohnsitzes über die Schuld jedes Theiles entscheiden zu lassen. Die wichtigste Anwendung dieser (Streitfrage ist die auf

Nach dem ausgestellten Grundsätze müssen

das Wechselrecht.

wir annehmen, daß die Verpflichtung jedes einzelnen Unter­

zeichners eines Wechsels nach dem Recht seines Wohnsitzes zu

beurtheilen

ist.

Das

ganz

eigenthümliche

Bedürfniß

dieses Geschäfts aber kann eine abweichende positive Be­ stimmung wohl rechtfertigen.

recht

bestimmt

im

Art. 85

Das neueste deutsche Wechsel­

Folgendes.

Jede

Wechsel­

erklärung ist zu beurtheilen nach dem Gesetz des Orts, welchem sie. erfolgt

ist.

Ist

an

sie jedoch nach diesem Gesetz

mangelhaft, genügt aber den Anforderungen des inländischen

(c) Grotius de j. belli Lib. 2 C 11 § 5 N 3. Bert de commeatu literarum § 16 — 19 (Comm. Vol I pag. 243) (d) A. L. R. I. 5 § 113. 114.

§. 373.

Gesetzes,

III. Obligatwnenrecht.

Örtliches Recht. (Forts.) 259

so sind die später im Inland auf den Wechsel

gesetzten Wechselerklärungen gültig die Wechselerklärungen,

Eben so sind gültig

die ein Inländer einem anderen

Inländer im Auslande giebt, wenn sie nur dem inländischen

Gesetze entsprechen (e). B.

Einseitige erlaubte Handlungen.

Aus

dieser

kommen

Kategorie

hier

hauptsächlich

in

Betracht die mannichfaltigen Verpflichtungen, die aus dem

Klagenrecht hervorgehen,

insbesondere aus der Litisconte-

station (Anstellung der Klage), dem gerichtlichen Geständniß, dem

rechtskräftigen Urtheil

Hierüber waren früher viele

Zweifel und Meinungsverschiedenheiten wahrzunehmen, die

sich

jedoch allmälig immer mehr dem richtigen Grundsatz

angenähert haben, nach welchem das am Ort des Gerichts (und zwar der ersten Instanz) bestehende örtliche Recht als

anwendbar gelten muß,

auch wenn an anderen Gerichten

diese Frage späterhin vorkommt (f). Es muß jedoch bemerkt werden, daß hier eigentlich zwei,

wenngleich verwandte, dennoch an sich verschiedene Fragen zu entscheiden sind, deren Sinn am anschaulichsten werden

wird,

wenn ich sie sogleich aus den wichtigsten Fall der

Anwendung, das rechtskräftige Urtheil, beziehe.

Die erste,

allerdings wichtigste, Frage ist die, ob überhaupt das aus-

(e) Preußische Gesetz - Sammlung 1849 S. 68. Aehnliche Be­ stimmungen enthält das A. L. R. II 8 § 936 — 938. (f) Huber 8 6 Meier p. 29. Story § 584 sg.

260 Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap.I. Örtliche Gränzen,

gesprochene rechtskräftige Urtheil auch anderwärts, selbst in einem anderen Lande,

anzuerkennen ist.

Die zweite Frage

betrifft die Modalitäten in den Bedingungen und Wirkungen die in den Gesetzen verschie­

des rechtskräftigen Urtheils,

dener

Länder

bestimmt

verschieden

seyn

kötmen.

Unsere

nur an die erste Frage.

Schriftsteller denken meist

Wer

aber diese zum Vortheil der Gültigkeit des rechtskräftigen muß consequenterweise auch auf die

Urtheils beantwortet,

Modalitäten das Gesetz des Orts anwenden,

mi welchem

das Urtheil gesprochen wurde, da man doch überhaupt das

Urtheil nur in dem Sinn kann anwenden wollen, in welchem

der urtheilende Richter dasselbe erlassen hat Dieser Gegensatz tritt hervor in der Fassung vieler Ver­ träge, die von der Preußischen Regierung mit Nachbarstaa­

worden

sind (g).

der

wörtlichen

Fassung dieser Verträge könnte man annehmen,

wenn ein

ten

geschlossen

Nach

in Weimar gesprochenes Urtheil in einem Preußischen Ge­

richt vorgebracht werde, so müsse die exceptio rei judicatac

so

angewendet

werden,

über diese Erception,

meinrechtlichen)

wie

es

den Preußischen Regeln

nicht, wie es den Weimarschen (ge­

entspreche.

(g) Vertrag mit Weimar Art. 3 (s. o 8 348) „Em von einem ständigen Gericht gefälltes rechts­ kräftiges Erkenntniß begründet vor den Gerichten des andern Staates die Einrede des rechtskräftigen Ur­ theils (exceptio rei judicatae)

An

diesen

feineren

Gegensatz

mit denselben Wirkungen, als wenn das Urtheil von einem Gericht desjenigen Staates, ui welchem solche Einrede geltend ge macht wird, gesprochen wäre". — Eben so mit mehreren anderen Nachbarstaaten.

§.373

III

Obltgatiencnrecht

Örtliches Recht. (Forts.,

261

aber hat man dabei schwerlich gedacht, um so weniger, als bei jenen Verhandlungen gewiß nicht die möglichen Ver­ schiedenheiten in der Theorie der exceptio rei judicatae er­ wogen worden sind. Die Meinung ging vielmehr unzweifelhast blos dahin, daß die Erception aus einem Urtheil deS Nachbarlandes eben so gewiß, wie ans einem inlän­ dischen ttrtbeil, geltend gemacht, also nicht etwa wegen der ausländischen Stellung des früheren Richters zurückgewie­ sen werden könne. C Delicte Der (Gerichtsstand am Ort des begangenen Delikts hat nach den Gesetzen und nach der Praris keinen Zweifel, ob­ gleich er aus andere Weise begründet werden muß, als der Gerichtsstand anderer Obligationen (§ 37t. ('.). Für daS örtliche Recht aber muß eine andere Regel gelten. Indessen wird es zweckmäßiger seyn, diese Frage in einem anderen Zusammenhang zu behandeln (§ 374. (’.), weshalb sie hier einstweilen ausgesetzt bleibt.

Die neueren Gesetzgebungen enthalten nur sehr unvoll­ ständige Bestimmungen über das örtliche Recht der Obli­ gationen Das Preußische Landrecht giebt eine Vorschrift über die durch Briefwechsel geschlossenen Verträge (Note d). Es erkennt ferner bei der Frage über Maaß und Gewicht, so wie über die Münzsorte, die in einem Vertrag gemeint seyn mögen, den Grundsatz an, daß der örtliche Gebrauch

264 Buch 111 Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. Örtliche Gränzen, nicht geltenden Wechsclrecht.

An einem solchen Orte näm­

lich kann nur keine Wechselklage mit Erfolg angestellt wer­

den, selbst aus einem an sich vollgültigen Wechsel; dagegen hat daS Recht eines solches Ortes auf die Gültigkeit der

au demselben ausgestellten Wechsel keinen Einfluß, so daß bie>e an anderen, mit Wechselrecht versehenen Orten aller­

dings wechselmäßig eingeklagt werden können (§ 364)

B.

Eine andere Rechtsfrage betrifft die Auslegung

der Rechtsgeschäfte, insbesondere der Verträge, aus welchen Obligationeit entstehen (a) Man kann diese Frage mit mehreren Schriftstellern in einem so weiten Sinne auffassen, daß sie alle andere Fra­

gen über daö örtliche Recht in sich ausmmmt, Anwendung

irgend

einer

indem die

örtlichen RechtSrcgel auf einen

Vertrag stets so verstanden werden kann, daß sie nach dem

wahrscheinlichen Willen der Parteien zu dem Vertrag hinzu gedacht werden müsse

legung bezeichnen,

Das läßt sich als ergänzende Aus­

so wie sie überhaupt den vermittelnden

Rechtsrcgeln zum Grunde liegt (b).

Allein so allgemein

aufgefaßt, verliert die Frage nach der Auslegung alle eigen­

thümliche Bedeutung

Soll ibr diese erhalten werden,

müsseil wir sie in einem engeren Sinne aufsasseu,

so

indem

wir sie auf die Zweifel beziehen, die aus der ungewissen

(a) Schriftsteller über diese Frage: Boullemhs T. 2 obs.46 dixiemc regle p. 489 — 538. Story § 272 fg. 280 fg. Wach-

ter Archiv für civil Prari- B 10 S. 1141'16 125. (b) S o Q). i § 16.

374.

111. Obllgiitwneiirechi.

©uijilne Rechtsfragen.

265

Fassung eines Vertrags, also aus den Ausdrücken desselben, entspringen.

Das ist eine thatsächliche Frage,

eben so wie

bei der Gesetzauslegung; sie ist hier und dort gerichtet auf die Erkenntniß des wahren Gedankens, den die gebrauchte

mündliche oder schriftliche Rede in sich

enthält (c).

Bei

dieser Frage nun ist gar nicht die Rede von der Anwen­

dung irgend eines örtlichen Rechts, wohl

aber kann der

örtliche Sprachgebrauch oft dazu dienen, den Gedanken

der Person erkennen zu lassen,

erklärung herrührr

von welcher die Willens­

Fragen wir nun nach dem Ort, dessen

Sprachgebrauch zu berücksichtigen ist,

so können dabei die

Regeln über das anwendbare örtliche Recht nicht maaßge­

bend seyn, und es ist ganz grundlos,

wenn Manche auf

ben EntstehungSort oder den Erfüllungsort der Obligation blos deswegen verweisen, weil sich nach diesen Orten das

anwendbare örtliche Recht in vielen Fällen richtet. So

Vertrag

wird

bei

einem

durch Briefwechsel

geschlossenen

in der Regel der Sprachgebrauch des Ortes

zu

beachten seyn, an welchem der Verfasser des erstell Schrei­ bens wohnt, nicht der Ort des Empfanges und der An-

nabme, obgleich an diesem letzten Ort der Vertrag als ab­ geschlossen anzusehen ist (S

(C) S o B 3 S. 244. So Driicteii sich auch tue Römischen Juristen aus L. 34 de R J (50 17) ,,id sequimur, quod actum est“ L 114 eod „In obscuris lnspici solere, quod

235) (d);

denn es ist anzu-

verisimilius est, aut quod ple rumque fieri solet “ (d) Wächter a a O, S 117 Er erläutert tiefen Satz durch folgenden Rechtsfall Eine Leip­ ziger Versicherungsgesellschaft hatte

266 Buch III Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtlich« Gränzen, nehmen, daß der Berfaffer des Schreibens den ihm geläu­

figen Sprachgebrauch vor Augen gehabt haben wird. Wenn ferner ein mündlicher oder schriftlicher Vertrag

im Wohnsitz beider Parteien geschlossen wird, so ist unstrei­ tig der Sprachgebrauch dieses Ortes anwendbar

Dagegen

läßt sich Dieses nicht unbedingt behaupten, wenn der Ver­

trag an einem Orte geschlossen wird, der für eine der Par­ teien oder für beide nicht der eigene Wohnsitz ist.

Hier

muß in jedem einzelnen Fall erwogen werden, ob anzuneh­ men ist, daß der Fremde, der an dem Vertrage Tbeil nahm,

diesen örtlichen Sprachgebrauch kannte, und sich ihn wahr­ scheinlich aneignen wollte (e).

wir auch

Aus denselben Gründen können

nicht

den

Sprachgebrauch des verabredeten Erfüllungsortes unbedingt zum

Grunde legen bei der Auslegung eines Vertrages,

in ihren gedruckten Bedingungen den Fall

einer

Zerstörung durch

(e)

Man

konnte

diese

Be

Bei einer

hauptung widerlegen wollen durch L 34 de R J (50. 17) „id

auswärts vorgekommenen Feuers­ brunst entstand nun die Frage, ob

seqiiamur, quod in regione, in qua actum est, frequenta

dabei der juristische Begriff des Auf­

tur “

ruhrs anwendbar fen, indem die Ge­

wiß

Aufruhr ausgenommen.

setze

verschiedener

Länder

diesen

Begnffnicht gleichmäßig bestimmen.

Wächter entscheidet ganz richtig, es muffe auf den Sprachgebrauch des

Sächsischen

Gesetzes

gesehen

werden, weil in dem Bereich dessel­ ben

die

Bedingungen

abgefaßt

waren, auf deren Grund die Ver­

sicherungen ausgestellt nommen wurden.

und ange­

Allein diese Stelle will ge­ feine

willkürliche

Vorschrift

geben, muß also unter der natur

lichen Voraussetzung verstanden werden, daß die verbandelnden Personen

an

diesem

Orte

ein

heimisch sind; ganz eben so wie die L. 6 de evict (21.2), s o.

§. 372. i.

§. 374.

III. Obligationenrechi.

Einzelne Recht-fragen.

267

wenngleich das örtliche Recht einer Obligation stets nach

dem Erfüllungsort sich richtet

ankommen, Ortes

ob

kannten

die Parteien

und

sich

Auch hier wird es darauf den

Sprachgebrauch dieses

aneignen wollten.

Für manche

Stücke in dem Inhalt eines Vertrages werden wir freilich

den Sprachgebrauch des Erfüllungsortes allgemein bei der Auslegung zum Grunde legen können.

Wenn nämlich an

einem fremden Orte eine Geldsumme ausgezahlt, eine Waare

nach Maaß und Gewicht abgeliefert, oder eilt Grundstück nach dem bestimmten Umfang eines Landmaaßes übergeben

werden soll, in dem Vertrage aber für die Geldsorte, das

Maaß oder das Gewicht Ausdrücke gebraucht sind, die in

verschiedener

Bedeutung,

in

verschiedenem

Umfang

und

Werth vorzukommen pflegen, so ist der Sprachgebrauch des

Erfüllungsortes zum Grunde zu legen, nicht blos, weil an­ zunehmen ist, daß die Parteien an das dort übliche Geld,

Maaß, Gewicht gedacht haben werden, sondern auch, weil es in lenem Orte oft an der Möglichkeit fehlen wird,

die

Erfüllung nach anderen Gewichten u s. w. abzumessen und

zu vollziehen (f). Man könnte glauben, die hier aufgestellten Regeln über die Auslegung der Verträge ständen

im Widerspruch mit

gewissen Vorschriften des Römischen Rechts. nämlich

Rach diesen

soll die Auslegung eines zweifelhaften Vertrages

(f) Boullenois p. 496 — 498. So ist c- auch ausdrücklich indem Preußischen Gesetze bestimm«. A. L. R. I. 5 § 256. 257.

268 Buch III Herrschaft der Rechtsregelu. Jtap. I Örtliche Gränzen, stets ausfallen zum Nachtheil desStipulatorbei einerStipula-

tion(c); ebenso zum Nachtheil des Verkäufers oder des Vermie­ thers, wenn von diesen anderen Verträgen die Rede ist (h). Als Grund wird dabei der Umstand angegeben, daß diese

Personen es in ihrer Macht batten, den Zweifel durch an­ dere Fassung zu verhüten, welches so viel sagen will, daß

sie entweder durch ibre Nachlässigkeit oder gar durch uu-

redliche Absicht den Zweifel verschuldet haben

Eben dieser

Grund aber deutet darauf bin, daß ein ganz anderer Fall,

als bei der hier vorliegenden Frage, vorausgesetzt wird. Jene Aussprüche beziehen sich überdem ganz ausdrücklich

auf dunkle, zweideutige Ausdrücke (i),

anstatt daß in un­

serer Frage von Ausdrücken die Rede ist, die an sich weder

dunkel noch zweideutig sind,

sondern nur an verschiedenen

Orten eine andere Bedeutung mit sich führen, welche aber an jedem dieser Orte für sich klar und gewiß ist

Die hier

erörterte Frage

wegen der Auslegung der

Verträge ist von jeher von den meisten Schriftstellern auf

andere Weise, als hier geschehen, aufgesaßt, und vielmehr

aus die Grundsätze dcS örtlichen Rechts zurückgeführt wor­ den

Hiernach hat man gewöhnlich angenommen, daß die

Auslegung geschehen müsse nach dem Sprachgebrauch dcS

(g) L.2G de reb. dub. (34. 5), L. 38 § 18, L 99 pr de V O (45. 1) (h) L 39 de pactis (2. 14), L. 21 33 de contr ernt (18. I), L. 172 pr de R J (50. 17).

(i) L. 39 de pactis (2. 14), L. 21 33 de contr eint. (18 1), L 29 de reb dub (34 5), L. 172 pr de R J (50 17)

§. 374.

III. Obligationenrecht.

Einzelne Rechtsfragen.

269

Bertragsortes, oder des Erfüllungsortes, wenn ein solcher verabredet sey (k).

Mehrere aber haben völlig richtig die

Aufgabe erkannt, nicht sowohl eine juristische Regel festzustcllen,

als vielmehr die wahre Absicht der Parteien nach

den für die Auslegung

überhaupt geltenden Grundsätzen

für jeden einzelnen Fall zu erforschen (1).

Die Gültigkeit

C.

theils von formellen,

einer Obligation ist

abhängig

theils von materiellen Bedingungen.

Tie formellen Bedingungen werden weiter unten,

in Ver­

bindung mit den bei anderen Rechtsverhältnissen anwend­ baren Formen,

erwogen werden, da,

wo von der Regel:

lucus regit actum die Rede seyn wird (8 381).

Hier ist

für die materiellen Bedingungen der Gültigkeit das örtliche

Recht

festzustellen,

nach

welchem

sic

beurtheilt

werden

müssen. Als Regel müssen wir annehmen, daß die Gültigkeit

der Obligation abhängt von dem örtlichen Recht, dem die Obligation überhaupt unterworfen ist (§372); also, je nach

Verschiedenheit der Fälle, von dem Recht deS Erfüllungs­

ortes, oder des Entstehungsortes der Obligation,

Wohnsitzes des Schuldners.

oder des

Von dieser Regel aber muß

eine Ausnahme behauptet werden in allen Fällen, in wel­

chen

ein am Ort der angestellten Klage geltendes Gesetz

von streng positiver, zwingender Natur entgegensteht.

(k) Sv Story § 272. 280 und tic daselbst angeführten Schrift­ steller (1) So Boullenois a. a. O., besonders p. 494 — 498, und Wachter a. a. O

270 Buch III

Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.

Die hier aufgestellte Regel

wird denn auch

von den

mit Vorbehalt

meisten Schriftstellern anerkannt,

natürlich

sehr verschiedener Anwendungen,

gegründet aus die Mei­

nungsverschiedenheiten über das örtliche Recht der Obliga­

tion selbst sm). Diese Uebereinstimmung jedoch beschränkt sich auf den durchgreifenden

Gegensatz

einer

durchaus

gültigen

durchaus ungültigen (nichtigen) Obligation

oder

Zwischen die­

sen beiden äußersten Fällen finden sich mannichfaltige Mit­

telglieder, und über das örtliche Recht, nach welchem diese beurtheilt werden sollen,

gehen die Meinungen sehr aus­

einander Zunächst find

hier die Fälle zu beachten, in welchen

einer an sich nicht ungültigen Obligation blos die Rechts­

hülfe der Klage versagt wird (naturalis obligatio); die weit häufigeren Fälle,

ferner

in welchen eine klagbare Obli­

gation durch entgegenstehende peremtorische Einreden ent­

kräftet wird

Manche Schriftsteller haben hier die Klagen

und Einreden als Prozeßinstitute behandelt, und daher auf

alle Fälle solcher Art das Gesetz, welches am Ort der an­ gestellten Klage gilt, anzuwenden versucht (n).

nung aber ist ganz verwerflich;

erwähnten Art

bestimmen

Voet. Fand. IV 1 §29. § 66. Story § 332 fg. Wächter II. S. 397. 403. 404.

(m)

Bert

nur

Diese Mei

alle Rechtsregeln der hier verschiedene Stufen

und

(n) Weber natürliche Ver bmdlichkett § 62. 95. Foelix p 146.

§. 374*

III. Obligationenrecht.

Einzelne Rechtsfragen.

271

Formen unvollständiger Gültigkeit einer Obligation (o), und

gehören daher eben so, wie die Regeln über völlige Gültig­ keit oder Ungültigkeit dem materiellen Rechte an, nicht dem Es ist also ganz inconsequent, beide Ar­

Prozeßrecht (p).

ten von Rechtsregeln nach

behandeln.

verschiedenen Grundsätzen zu

Besonders bedenklich

aber muß es erscheinen,

wenn diese Behandlung auf neuere Gesetzgebungen ange

wendet werden soll, welchen scharf begranzte Begriffe und Kunstausdrücke ost fehlen, woraus allein jene Unterscheidung

gegründet werden könnte Die hier ausgestellte Regel ist also namentlich anzuwen­

den auf die exceptio mm numeratae pecuniae;

denn ob­

gleich in dieser zunächst von einer eigenthümlichen Beweis­

regel die Rede ist, die dem Prozeßrecht anzugehören scheint, so ist dieselbe dennoch ganz in dem materiellen Recht ge­

wisser Arten von Obligationen gegründet. dahin die exceptio

Ferner gehört

excussionis; ungleichen die

auf das

beneficimn compitentiae gegründete Einrede. — Dagegen sind nicht unter diese Regel

(o)

B. 4 § 202. 203

S. o

Es verftebt sich von selbst, daß die hier ausgestellte Regel nur an. wendbar

ist

auf

Einreden,

die

zu beziehen die exceptio Sc.

175

Diese letzten richten sich ge­

wiß nach dem am Ort der Klage

geltenden Recht, und vielleicht hat die Verwechselung beider Arten da­

einen materiellen RechtSgrund haben

zu beigetragen,

(also auf alle peremtorische), nicht

zu befestigen. (p) Eichhorn deutsches Recht

auf die,

welche

Vorschriften

blos

in Prozeß.

gegründet sind,

und

die stets eme nur dilatorische Natur haben. S.o. B. 5 §227 S. 171.

§ 36

Note ii

S 401. 402.

die falsche Lehre

Wächter

II.

272 Buch III. Herrschaft derRechtSregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.

Macedoniani und Sc. Vellejani,

da

diese

Einreden nicht

auf der mangelhaften Natur der Obligation an sich,

son

dern auf der unvollständigen Handlungsfähigkeit der

bc
' ii t c v Rechte

— G r n n r s a i
' ii t c v Rechte

— G r n n r s a i
ic Nichtrück­

wirkung) als berrschenver Grundsatz, so wie bei den Rechts­

regeln über den Erwerb werden könne,

unmöglich

der Rechte,

gedacht

indem die wichtigsten Gesetze solcher Art,

wenn man ihnen

einen solchen

Sinn unterlegen

wollte,

überhaupt gar keinen Sinn babeu würden. Um diese Behauptung anschaulich zu machen, werde ich

drei Gesetze anführen, die in neuerer Zeit an verschiedenen

Orten vorgekommen sind, und auf die ich versuchsweise dm Grundsatz der Nichtrückwirkung anwenden will. setz

bebt

die Leibeigenschaft

auf.

Ein

Ein Ge­

anderes hebt die

Zehenten auf, ohne Entschädigung, wie es z. B. gleich im

Ansang der Französischen Revolution geschehen ist.

Ein

drittes Gesetz verwandelt die Zehenten, die bisher unablöslich waren,

in ablösliche Rechte,

indem es dem Verpflichteten

(vielleicht auch dem Berechtigten) gestattet, sie mit einseitiger Willkür in eine Leistung anderer Art,

von gleichem Geld­

werth, zu verwandeln. — Wollte man nun diese drei Ge­

setze unter den Grundsatz der Nichtrückwirkung stellen, 33*

so

516 Buch III. Herrschaft derRechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen. würden sie folgende Bedeutung bekommen.

Jede künftige

Errichtung einer Leibeigenschaft (oder eines Zehentrechts) ist verboten,

ungültig,

wirkungslos.

Jede künftige Er­

richtung eines ZehentrechtS soll stets die Befugniß einseitiger

Ablösung des Zehenten mit sich führen. —

In dieser Be­

deutung aber würden die erwähnten Gesetze völlig leer und

überflüssig seyn, gedacht hat,

da seit sehr langer Zeit Niemand daran

eine Leibeigenschaft oder ein Zehentrecht neu

zu begründen.

Daraus folgt also, daß der Gesetzgeber diese

Bedeutung ganz gewiß nicht gemeint und gewollt hat, und

daß also seine Absicht im vollständigen Gegensatz steht gegen die Absicht der den Erwerb der Rechte betreffenden Gesetze,

indem

diese nicht rückwärts,

sondern nur

auf künftige

Rechtsgeschäfte einwirken, mithin erworbene Rechte erhalten wollen; allerdings mit Ausnahmen, die jedoch höchst un­

bedeutend sind,

und fast verschwinden in Vergleichung mit

der wirklich beobachteten Regel. Man kann nun allerdings den Zweifel erheben, ob nicht

etwa alle Gesetze der erwähnten Art, eben weil sie erwor­

bene Rechte zerstören oder umbilden, durchaus rechtswidrig und verwerflich seyn möchten.

Ich will mich dieser Frage

keinesweges entziehen, sie vielmehr einer selbstständigen Er­ örterung

unterwerfen.

Nur wird

es dem Gang unsrer

Untersuchung förderlich seyn, diese ganz andere Frage vor­

läufig auf sich beruhen zu lassen,

und zunächst nur festzu­

stellen, welches der Sinn und die Meinung der Gesetze ist, mit welchen wir uns gegenwärtig beschäftigen;

die Recht-

§

398.

B.

517

Daseyn der Rechte. — Grundsatz.

Mäßigkeit derselben soll am Schluß noch besonders geprüft

(§ 400).

werden

Der Sinn und die Meinung der Gesetze dieser Klaffe

wird

nun

durch

folgende

Formeln

ausgedrückt

werden

die im schneidenden Gegensatz stehen zu dem für

können,

die erste Klaffe von Gesetzen oben aufgestellten Grundsatz (8 384. 385).

Neuen Gesetzen dieser Klasse ist rückwirkende Kraft

beizulegen. Neue Gesetze dieser Klasse sollen erworbene Rechte nicht unberührt lassen. Folgende Betrachtung wird dazu dienen, die hier aufge­

stellte Behauptung über den Sinn und die Meinung solcher Gesetze

von

einer

anderen Seite

her zu bestätigen.

meisten und wichtigsten dieser Gesetze haben die oben,

Die bei

einer anderen Gelegenheit, dargestellte streng positive, zwin­

gende Natur, indem sie außer dem reinen Rechtsgebiet ihre Wurzel haben,

und mit sittlichen,

politischen, volkswirth-

schastlichen Gründen und Zwecken im Zusammenhang stehen Es liegt aber in der Natur solcher zwingenden

(§ 349). Gesetze,

daß sie ihre Macht und Wirksamkeit mehr,

andere Gesetze, ausdehnen müssen,

als

wie dieses auch schon

oben bei der örtlichen Collision der Gesetze geltend gemacht worden ist.

Es

ist

nun noch

anzugeben,

Schriftsteller zu der hier

welche Stellung

vorgetragenen Lehre

unsre

einnehmen.

Die Unterscheidung der zwei Klassen von Rechtsregeln, die

520 Buch IU. Herrschaft dkr Recht-regeln. Kap II. Zeitliche Gränzen, allgemein wirken (b).

Dahin aber können sie offenbar nur

kommen, indem sie jene Einschränkung (die selbst schon die Ausnahme einer Ausnahme ist) durch eine neue Ausnahme

beseitigen, also gleichsam eine Ausnahnie dritter Potenz an­ So wird es aber immer augenscheinlicher,

nehmen.

unnatürlich eine Auffassung ist,

wie

die zu solchen Rettungs­

mitteln hindrängt. Sebr charakteristisch ist die ganz verschiedene Art,

in

welcher ein anderer Schriftsteller die angegebene Schwierig­ keit

zu lösen sucht (c).

Rückwirkung, gebers

Dieser

läßt keine exceptionelle

>a überhaupt keine Einwirkung des Gesetz­

auf zeitliche Eollisionen der Gesetze zu (§ 387. i).

Bei der gegenwärtig vorliegenden Schwierigkeit aber Hilst

er sich damit,

daß er blos die ihm besonders mißliebigen

Institute, wie Leibeigenschaft, Steuerfreiheit des Adels, in's

Auge faßt.

Diese nennt er Gräuel, moralische Schändlich­

keiten, Ungerechtigkeiten, die an sich kein rechtliches Daseyn haben.

Wmn ein Gesetz sie aufbebt,

so soll es des Zu­

satzes der rückwirkenden Kraft nicht bedürfen.

Vielmehr

soll jede der drei Staalsgewalten (die gesetzgebende, richter­

liche,

vollziehende) für sich allein die Macht haben,

jene

Institute zu ignoriren, und dadurch praktisch zu vernichten.

— Eine Widerlegung dieser Ansicht wird man wohl nicht verlangen.

(b) (c)

Nur auf die praktische Schwierigkeit in der

Weber S. 213 — 215 Bergmann S 259 Struve S. 150—152. 274—276.

§. 398.

B. Daseyn der Rechte.



Grundsatz.

Ausführung will ich aufmerksam machen,

521

die in der Fest­

stellung des Daseyns und der Gränzen jener Gräuel und Schändlichkeiten liegt, indem darüber die subjektive Anstcht der einzelnen Träger der drei Staatsgewalten vielleicht nicht ganz übereinstimmend seyn könnte.

könnten sich auch

consequenle

Unter diesen Trägern

Communisten finden,

und

diese würden das gesammte Institut des Eigenthums unter

die Gräuel zählen

Nimmt man nun, von Rechtsregeln an,

wie es hier geschieht,

zwei Klaffen

die von ganz verschiedenen Grund­

sätzen beberrscht werden,

so ist Nichts wichtiger,

als die

Feststellung scharfer und sicherer Gränzen zwischen beiden

Klaffen.

Für viele Fälle ist die Gränze keinem Zweifel unter­ worfen ; namentlich für die Fälle solcher Gesetze, in welchen

ein bisber bestehendes Rechtsinstilut völlig aufgehoben wird. Zweifelhaft aber kann sie seyn bei ven Gesetzen, welche ein

Rechtsinstitut nicht aufheben,

Dann

sondern nur umbilden (d).

wird Alles aus die unbefangene Prüfung deS In­

halts und des Zwecks des Gesetzes ankommen. sonders sicheres,

(d) gemacht

Ein be­

und für die meisten Fälle ausreichendes,

Schon oben ist auf diese Zweifel int Allgemeinen aufmerksam

worden (§ 384).

vorgekommen

Einzelne Fälle zweifelhafter Natur find

§ 390 Num. 3. 4.

§ 393

Num. 6.

524 Buch III Herrschaft der RkchtSregeln. Kap. II Aeulichc Gränzen.

Ueber das Verhältniß alter und neuer Gesetze zu ein­

ander wird hier nicht leicht ein Zweifel entstehen. Die zweite Klasse

II.

bilden

einige,

auf

schlechterverbältniß bezügliche, Rechtsinstitute.

über

diese Institute

gehören deswegen

nicht auf reinen Rechtsgründen beruhen,

Ge-

das

Die Gesetze

hierher,

weil

sie

sondern auf sitt­

lichen (theilweise sittlich-religiösen) Gründen.

Die einzel­

nen hierher gehörenden Fälle sind folgende: 1.

Ehescheidung.

Wenn durch

ein

Gesetz

neues

die Scheidung überhaupt eingeführt oder abgeschafft, wenn eine Aenderung

in

den

Scheidungsgründen

oder

vorge­

nommen wird, so entsteht die Frage nach dem Einfluß deS

neuen Gesetzes auf die bestebenden Ehen. Betrachtet

man

ein

solches Gesetz

von

dem

abstract

juristischen Standpunkt aus, so hat es eine äbnliche Natur

mit dem Gesetz

über die

Durch diese Ehescheidung

Veräußerung verliert

jeder

des Eigenthums.

Theil die

bisher

aus der Ehe entstehenden Rechte, so wie jeder die Freiheit

von den Ansprüchen des anderen Theils, und zugleich alle Vortheile der Ehelosigkeit erwirbt.

(Möglichkeit

einer neuen Ehe)

Hiernach möchte man glauben, es verhielte sich

mit den Gesetzen über Ehescheidung gerade so, wie mit den Gesetzen über das Güterrecht (§ 396).

Dann hätte jeder

Ehegatte durch den Abschluß der Ebe das unabänderliche Recht erworben,

bei

einer

künftigen Scheidung nach

dem

zur Zeit des Anfanges der Ehe bestehenden Gesetz beurtheilt zu werden.

B Daseyn der Rechte Anwendungen. Ausnahmen.

525

Diese Auffassung muß jedoch verworfen werden,

weil

§. 399

die

Gesetze

Zwecke,

über

die Ehescheidung

sittliche Gründe und

mithin eine zwingende Natur haben,

und daher

zu den Gesetzen über das Daseyn der Ehe gehören (c). Dieses ist gleich wahr, das neue Gesetz mag die Scheidung

Das erste setzt den überwie­

erschweren oder erleichtern

genden Werth auf Erhaltung der Reinheit und Heiligkeit der Ehen; Vas zweite auf unbeschränkte Erhaltung der in­

dividuellen Freiheit (d);

beides sind sittliche Principien,

deren relativer Werth oder Unwerlh hier ganz dahin ge­

stellt bleiben muß, wo es blos darauf ankommt, die Natur der darauf bezüglichen Gesetze zu bestimmen. Die hier aufgestellte Ansrchr

transitorischen Gesetzgebung,

(c)

Man sonnte

es

für ein­

seitig und unbegründet halten, daß hier nur der Ehescheidung dieser Charakter .zugeschrieben werde,

nicht

auch

dem

ganzen

übrigen

rein persönlichen Recht der Ehe, namentlich den persönlichen Rech­

ten

und

Pflichten

während

der

Ehe. Der Unterschied ist jedoch der, daß auf diese der Gesetzgeber und der Richter sehr wenig mög­ lichen Einfluß haben, anstatt daß

ist

in der Preußischen

mit einer geringen

wiewohl

(d) Die Freiheit braucht hier nickt gedacht zu werden als bloße Willkür, als Verneinung unbe­ quemer Schranken, welche aller­

dings keine besonders stttliche Na­ tur hat;

sie

werden als

kann auch

Schutz der

gedacht

sittlichen

Freiheit in der Ehe gegen jeden äußeren,

diese Freiheit störenden,

und dadurch die Reinheit der Ehe gefährdenden, Zwang.

Dieses war

die ursprüngliche Ansicht der Rö­

der Ausspruch über Daseyn oder Nichtdaseyn der Ehe (also die Ehescheidung) sehr wohl mit Er-

mer, wurzelnd in der Zeit alter Sittenreinheit. L. 134 pr. de V,

folg durchgeführt werden kann.

(5. 4),

0 (45. 1),

(8. 39)

L. 14 C. de nupt.

L. 2 C

de mut

stip.

526 Buch III. HerrschaftderRechlsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen Modifikation, anerkannt worden.

Als in den Jahren 1814

und 1816 das allgemeine Landrecht in mehrere Provinzen theils neu eingeführt, theils wieder eingeführt wurde, be­

stimmte man für die Scheidung der bestehenden Ehen, daß

diese von jetzt an nach dem Landrecht,

also

unabhängig

von dem Gesetz zur Zeit der geschlossenen Ehe, beurtheilt

sollte.

werden

Nur .wurde

die

sehr

mäßige und nicht

unbillige Ausnahme binzugefügt, daß ein Scbeidungsgrund

des Landrechts nicht geltend gemacht werden dürfe, wenn

die zum Grund liegende Thatsache vorgefallen sey während der Herrschaft des fremden Gesetzes, und in diesem Gesetz nicht als Scheidungsgrund gegolten babe (e). Gan; gleiche Natur mit

scheidung

den Gesetzen über die Ehe­

babcn die Gesetze über die Nichtigkeitsklage ge­

gen die Ebe 2

Liberalität gegen Ehegatten

Diese ist nicht

selten durch neue Gesetze, auch in der beutigen Zeit, be­ schränkt worden.

Im Römischen Recht kommt, als uraltes,

sehr ausgebildetes Rechtsinstitut solcher Art,

dih verbotene

Schenkung unter Ehegatten vor (f).

Man möchte nun glauben,

ein solches Gesetz gehöre

durchaus dem Güterrecht an, unter welcher Voraussetzung

lediglich die Zeit der geschlossenen Ehe

(e) § 11. (f)

Provinzen jenseits der Elbe § 9. Sachsen § 11 (f. e § 383).

S o B. 4 § 162—164.

maaßgebend

Weftpreußen § 11.

seyn

Posen

§.399. 8. Dasey» der Rechte. Anwendungen. Ausnahmen.

527

würde. In der That aber hat ein solches Gesetz zwingende Natur, wirkt also augenblicklich aus die bestehenden Ehen ein. Denn der Zweck desselben geht dahin, die Gefährdung der Reinheit der Ehe durch eigen­ nützige Einwirkungen zu verhindern. Daber würde es irrig feint, die Sache so zu betrachten, als hätte durch die abgeschlossene Ebe jeder Tbeil das unabänderliche Recht erworben, wegen der Liberalität zwischen ihm und dem an­ dern Tbeil stets nach dem jetzt geltenden Gesetz beurtheilt zu werden Dieselbe Ansicht ist auch schon oben, bei der örtlichen Eoliisiou der Gesetze, geltend gemacht worden (§ 379. Rum 4). 3. ll »eheliche Kinder. Die auö dem außerebelicheu Beischlaf ab.zuleitenden Rechte, theils des Kindes, theile der Mutter, gegen den Erzeuger gehören unter die schwierigsten und zweifelhaftesten Gegenstände, sowohl des Privatrechts, als der GcsetzgebungSpolittk Man kann dabei ausgeben von der Annahme eines vom Erzeuger begangenen DelictS, welche nach den Reichs­ gesetzen für unser gemeines Recht wobl begründet ist (g); (g) Rcichspolizeiordnung 1530 Ttt. 33, 1548 Tit. 25, 1577 Tit.

11 verbessert werden). —Indessen verwickelt man sich bei der Ablei­

26. — Auch nach dem A. L. R. I- 3 § 36. 37 ist es eine gesetz­

tung der Entschädigungsansprüche

widrige Handlung, (jedoch muß i'ni § 37 der Druckfehler 10 in

sten und gewagtesten Vorstellungen.

auS diesem Delict m die seltsam­

528 Buch III. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. II Zeitliche Gränzen

oder auch von der Annahme der natürlichen Blutsverwandt­ wobei

schaft,

stets die Thatsache

jedoch

Paternität

der

völlig ungewiß bleibt (h). beiden Fällen könnte man annehmen,

In

Thatsache des als Erzeugung

durch

die

angesehenen Beischlafs

sey

ein unabänderliches Recht begründet,

ein späteres

wobei

Gesetz Nichts ändern könne, es möge die Rechte der Kinder

Das

und der Mutter derselben erweitern oder beschränken.

neue Gesetz würde dann nur Anwendung finden auf künf­ tige Erzeugungen

Allein in der That

haben solche Gesetze

stets

einen

zwingenden Charakter, indem sie mit sittlichen Zwecken im Darüber ist eine Meinungsverschie­

Zusammenhang stehen

denheit kaum möglich, raß die ausschließende Geschlechts­

gemeinschaft in der Ehe, sowohl sittlich als für das Staats­ wohl, höchst wünschenswerth, besonders aber, daß der Zu­

stand unehelicher Kinder ein höchst unheilvoller ist kann nun durch Erweiterung

der Ansprüche der Kinder

theils diesen Zustand mildern,

theils dem Leichtsinn der

Männer entgegen wirken wollen.

Die

ui

Präsumtion

Der

Ehe: pater est, quem nuptiae demonstrant,

Würde

Man kann umgekehrt

durch Beschränkung oder Aufhebung dieser An-

versuchen,

(h)

Man

beruht

und Heiligkeit

auf

der

der Ehe

Nicht

entfernte

Aehnlickkeit,

bloße Möglichkeit der

anderer

Männer

da

schon die

neben dieser Thatsache

Concurrenz

Alles

ungewiß

Damit aber hat dre Thatsache des

macht, noch mehr aber die erwie­

emgestandenen

sene Wirklichkeit einer solchen Con­

erwiesenen

oder

außerehelichen

Beischlafs

auch

currenz (exceptio plurium).

K.3S9. 8. Daseyn der Rechte Anwendungen. Ausnahmen.

529

spräche theils dem Leichtsinn der Frauen entgegen zu wirken, theils die Slörung des Friedens mancher Ehen durch die

von

fremden Frauen

erhobenen Ansprüche,

zu

verhüten.

In beiden Richtungen neuer Gesetze ist ein sittlicher Zweck und cs kann dabei ganz gleichgültig seyn,

unverkennbar,

welche dieser Richtuitgcn an sich

oder durch Erfahrungen

im Großcit mehr begründet seyn möge.

so muß das neue

Nimmt man Dieses als richtig an,

Gesetz über uneheliche.Kinder augenblicklich zur Anwendung ohne Rücksicht ans daS Gesetz,

kommen,

welches zur Zeit

der Erzeugung oder der Geburt deS Kindeö bestanden hat



Dieselbe

Regel

die

örtlichen

Collisionett

ist

schon

oben

Beziehung

in

geltend gemacht

auf

worden (8 374

Roten aa. Ick,.) Mit diesen Ansichten

Gesetz,

stimmt überein das Französische

welches selbst die Untersuchung der Paternität

verbietet (i),

also selbst die Möglichkeit abschneidet, einem

unehelichen .Kinde, kennllng,

mit Ausnahme der freiwilligen Aner-

Ansprüche gegen

den Erzeuger

zu

verschaffen.

Man bat dieses Gesetz mit Unrecht getadelt, als ob es eine

ungehörige Rückwirkung enthielte (k).

Man hat es -eben

so mit Unrecht vertheidigt, als ob es den persönlichen Zu­ stand an sich zum Gegenstand hätte (I).

(i) Code chil art. 340 „La recherche de la paternite est interdite “ (k) Struve S. 233 VIII.

Die wahre Recht-

(1) Weber S. 79—82. Dieselbe Ansicht haben bic Französiscben Juristen. 34

530 Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen, fertigung liegt darin,

daß es ein Gesetz von zwingender

Natur ist.

Eben so stimmt damit überein die transitorische Preußi­

sche Gesetzgebung, die, nur mit anderem Ausdruck als das Französische Gesetz, verordnet, daß die unehelichen Kinder, auch wenn sie noch unter der Herrschaft des fremden Ge­

setzes geboren wurden,

dennoch von jetzt an die Ansprüche

des Landrechts sollten geltend machen können (m).

III.

Eine dritte Klasse

endlich bilden manche Gesetze

über rein juristische Institute,

welche

durch jene Gesetze

entweder völlig aufgehoben oder doch von Grund auS um­

gebildet werden, und die deswegen augenblicklich auf schon bestehende Rechtsverhältnisse anzuwenden sind.

Dahin gehört das Gesetz,

wodurch

Justinian

daS

bisher bestehende zweifache Eigenthum (ex jure quiritium und in bonis) aufhob,

und an dessen Stelle ein einfaches

Eigenthum setzte, das alle bisher zuweilen getrennte Rechte in sich vereinigen sollte (n).

— Eben

so verhält eS sich

welches

dem Eigenthümer

mit dem Französischen Gesetz, einer

beweglichen Sache

die

Vindication

versagt,

wenn

dasselbe irgendwo anstatt deS Römischen Rechts eingeführt werden

sollte.

Diese

Veränderung

(m) Provinzen jensetts der Elbe § 11. Westpreußen § 14. Posen § 14 (f. o. § 383). (n) L un. C. de nudo j Quir. toll. (7 25). Damit hörte

würde

augenblicklich

von selbst auf die eigenthümliche Natur des Fundus Italiens und der res mancipi L, un. C. de usuc. transform. (7 31)

§.399. v. Daseyn der Rechte Anwendungen. Ausnahmen.

531

auch auf das gerade vorhandene bewegliche Eigenthum an­

zuwenden seyn; eben so aber auch die umgekehrte Veränderung in dem Rechte des Eigenthums.

Ferner gehört dahin ein neues Gesetz, welches gesetzliche

Servituten, als natürliche Beschränkungen des Eigenthums,

einführt,

oder welches umgekehrt solche Servituten, wenn

aufhebl (§ 390 Num. 2).

sie bisher bestanden, Gleiche

Pfandrechts

Systeme

Natur

in

sönnen

Hal die

Verwandlung

Römischen

des

daö

Preußische

nicht

neben einander bestehen,

Hypothekenrecht;

beide

vielmehr

muß das eine sofort durch daö andere verdrängt werden

(§390 Num 3)

Welche Anstalten

aber

zu

treffen sind,

um diese Veränderung ohne Rechtsverletzung zu bewirken,

wird sogleich angegeben werden (§ 400).

Endlich würden wir dahin auch den Fall zu rechnen haben, wenn die testamentarische Erbfolge in einem Staate, der sie bisher anerkannte,

durch ein neues Gesetz ausge­

hoben würde (§ 393 Num. 6)

Ausnahmen

des für diese Klasse neuer Gesetze auf­

gestellten Grundsatzes lassen sich eben sowohl denken, bei den

Gesetzen

über den

Erwerb der Rechte

als

(§ 397).

Nur werden sie hier niemals in der Richtung vorkommen,

daß die Wirksamkeit des neuen Gesetzes noch mehr erweitert würde,

als nach dem Grundsatz selbst,

da dieser ohnehin

534 Buch UI. Herrschaft der NechtSregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen,

der anderen Seite aber ist es allerdings dem Gesetz einer umbildenden Entwickelung unterworfen,

ruhendes, stillstehendes zu denken (b).

also nicht als ein

Daher können wir

unmöglich irgend einem einzelnen Zeitalter die Macht ein­ räumen, durch sein eigenthümliches Rechtsbewußtseyn alle

künftige Zeiten zu bannen und zu beherrschen.



Einige

Beispiele werden Dieses anschaulich machen.

Zm ganzen Alterthum wurde der Stand der Sklaven als eine Art von Naturnothwendigkeit betrachtet, und man

dachte sich kaum die Möglichkeit, daß ein gesittetes Volk ohne einen solchen leben könne

Im heutigen christlichen

Europa wird eben so dieser Stand als völlig unmöglich,

als allem Nechtsbewußtseyn durchaus widersprechend,

ge

Der Uebergang aus dem einen dieser Zustände

dacht (c)

in den andern, in Folge der sehr allmäligen Einwirkung christlicher Sitten und Zustände,

hat sich so langsam und

unmerklich gemacht, daß wir das Aufbören des alten Zu-

)

B

(c)

Manche Schriftsteller ha

> § 7

Schärfe vor Augen zu halten, muß man zwei Dinge bedenken

ben riesen Gegensatz Mitnnler da

Erstlich die Entstehung der Skla

durch zu verdunkeln oder abzu schwächen gesucht, daß sie den in

verei durch die Geburt; zweitens die dem Rechte nach ganz gleiche

neuerer Zeit nut harten Freiheits­

Stellung des Sklaven mit den Hausthleren ( Ulpian XIX. 1 ),

verbundenen Zustand ver­

strafen

glichen haben nut dem oft milden,

als

ja freundlichen Zustand der Skla­

Der

einer

käuflichen

heutige

Waare.

Sklavenftand



im

Dadurch

Orient, so wie der ganz verschie­

aber wird das wahre Verhältniß

dene in Amerika, kann hier ganz

ven

des

Alterthums

nur entstellt. satz

in

Um sich den Gegen­

seiner

Reinheit

und

auf sich beruhen.

535

§. 400. B. Daseyn der Rechte. — Rechtmäßigkeit.

standes nicht mit Sicherheit geschichtlich verfolgen können. Gesetzt nun, dieser Uebergang wäre nicht so allmälig, son­ dern in kurzer Zeit eingetreten, etwa in Folge einer gewalt­

samen geistigen

Erschütterung des

würden wir unmöglich

Volksbewußtseyns,

so

einein solchen neuen Zeitalter das

der gegenwärtigen,

Recht versagen können,

allgemein ge­

wordenen Ueberzeugung Raum zu geben, und dem Sklaven­

stand als Rechtsinstitut die fernere Anerkennung zu ver­ sagen.

Daneben

den Uebergang

zu

sich

ließen

vermitteln,

mancherlei

und

Wege

denken,

Gefahren

gegen

zu

schützen. Ein anderes Beispiel möge das Zebentrecht darbieten In Zeiten einer wenig entwickelten, stauonären Boden-Cultur

konnte vieses als ein einfaches, natürliches,

Rechtsinstitut

gelten,

und

große

zweckmäßiges

Verbreitung

erhalten.

Bei lebendiger Entwickelung gewerblicher Thätigkeit mußte man sich überzeugen, daß durch eine solche, auf dem Roh­

ertrag ruhende,

Abgabe

gehemmt, oft unmöglich

jeder

Fortschritt

gemacht werde

des Landbaues Darunter litten

die Verpflichteten, so wie durch sie der Staat im Ganzen,

nicht die Berechtigten, die also vielleicht einer Verwandlung der ihnen

bequemen Zehenten widerstrebten.

Wenn nun

die Ueberzeugung von den mit diesem Zustand verbundenen Nachtheilen allgemein wurde,

so war die gesetzliche Ver­

wandlung der bisher unablöslichen Zehenten in ablösliche

gerechtfertigt, indem dadurch dem Staat und den Verpflich­ teten ein augenscheinlicher großer Gewinn erworben,

von

540 Buch lll. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.

sich binnen einer bestimmten Frist zu melden, um in die neuen Hypothekenbücher nach der Rangordnung,

ihr bisheriges Recht anwies,

die ihnen

eingetragen zu werden.

Nicht einmal einer solchen Vorkehrung,

einer Entschädigung, bedurfte es,

noch weniger

als Justinian das bis

dahin bestehende zweifache Eigenthum aufhob (§ 299. n)

Denn durch diese Veränderung verlor Niemand ein Recht oder einen Vortheil,

und es wurde nur der vom Gesetz­

geber selbst ausgesprochene Zweck erreicht,

die Gemüther

der studirenden Jugend von dem Schrecken zu befreien, den ihnen bis dahin die in dieser Lehre erhaltene unnütze Ge­

lehrsamkeit eingeflößt hatte.

Berlin, gedruckt in der Deckerschen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei.