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German Pages 324 [933] Year 1848
System des
heutigen Römischen Rechts von
Friedrich Carl von Savigny.
Siebenter Band.
IHit. Ä. Zairischen und K. Würtembergischen Privilegien.
Berlin. Äci Veit und Lomp.
1848.
Vorrede. l gegenwärtigen Rechts
sondern verhindern auch dessen Erneuerung für
jede künftige Zeit
Dabei kann die Frage entstehen, ob ein
späterbin versuchter Rechtsstreit in der Tbat eine unzulässige Erneuerung des durch Vertrag sich schließe
beendigten in
oder ob er als ein ganz neuer,
früheren unabhängiger,
zu betrachten sey.
solche
von dem
Dieselbe Frage
ist schon oben, bei den Folgen des rechtskräftigen Urtheils,
ausführlich behandelt worden,
und
die dort aufgestellten
Regeln finden auch hier ihre Anwendung.
Wenn also die
Frage nach der Identität eines versuchten Rechtsstreits mit
6
Buch II. RechtckverhSttniffe
Kap IV. Verletzung,
einem ftüher beendigten zu beantworten ist, so gelten die» eS mag die Beendigung durch ein rechts
selben Regeln, kräftiges Urtheil,
oder aber durch einen Vertrag herbeige ES hat also in dieser Beziehung
führt worden feint
die pacti
exceptio gleiche Natur mit der exceptio rei
jadicatae (f).
8
303
Surrogate deck Urtheil«.—I Gerichtliches Geftanvniß — Confessio in jure.
Quellen: Die. XLU. 2 (de confessis).
XL 1 (de interrogatio-
nibus in jure faciendis et de interrogatoriis actionibus). Cod. VII. 59 (de confessis).
Paulus V. 5 A, II. 1 § 5. Coi>. Greo
X. 2.
Schriftsteller: Donei.lus Lib. 28
1
Weber Verbindlichkeit zur Beweisführung, herauSg. von
Heffter.
Halle 1832
Vierte Abhandlung und Zus.
S 290- 296. Beth
-Hollweg
Berlin 1827. Puchta Eursus
Versuche
über
Civilprozeß.
Vierte Abhandlung.
der Institutionen,
Auflage 2.
B. 2
§. 173 174
(f) L. 27 § ü 8 de pacti» (2. 14) Vgl oben B 6 Z 414 426. 446
6
Buch II. RechtckverhSttniffe
Kap IV. Verletzung,
einem ftüher beendigten zu beantworten ist, so gelten die» eS mag die Beendigung durch ein rechts
selben Regeln, kräftiges Urtheil,
oder aber durch einen Vertrag herbeige ES hat also in dieser Beziehung
führt worden feint
die pacti
exceptio gleiche Natur mit der exceptio rei
jadicatae (f).
8
303
Surrogate deck Urtheil«.—I Gerichtliches Geftanvniß — Confessio in jure.
Quellen: Die. XLU. 2 (de confessis).
XL 1 (de interrogatio-
nibus in jure faciendis et de interrogatoriis actionibus). Cod. VII. 59 (de confessis).
Paulus V. 5 A, II. 1 § 5. Coi>. Greo
X. 2.
Schriftsteller: Donei.lus Lib. 28
1
Weber Verbindlichkeit zur Beweisführung, herauSg. von
Heffter.
Halle 1832
Vierte Abhandlung und Zus.
S 290- 296. Beth
-Hollweg
Berlin 1827. Puchta Eursus
Versuche
über
Civilprozeß.
Vierte Abhandlung.
der Institutionen,
Auflage 2.
B. 2
§. 173 174
(f) L. 27 § ü 8 de pacti» (2. 14) Vgl oben B 6 Z 414 426. 446
z. 303.
Surrogate.
I
Geständniß.
Confessio.
7
Das Römisch« Recht hat zwei hierher gehörende,
sehr
alle Rechtsinstitute, die wegen ihrer inneren Verwandtschaft
nur in Verbindung mit einander deutlich gemacht werden
können: die confessio in jure, und die interrogatio in jure. Der Grundsatz,
worauf die confessio in jure beruht,
laßt sich so ausdrücken: Wenn ein Beklagter vor dem Prätor die Behauptung des Klägers vollständig einräumt,
so soll
dieses Zugeständniß einer Verurthellung gleich gelten. Nm daS vor dem Prätor (in jure) abgelegte Geständ-
niß sollte dies« eigenthümllche Wirkung haben, vor dem Inder (a).
nicht daS
Daher wird iu den Quellen zuweilen
dem Ausdruck Confessio oder Confessus der Zusatz beige geben: in jure (b).
Gemeint ist dieser Zusatz immer, und
darum wird er in den meisten Stellen nicht einmal nöthig
geftmden. In dem
aufgestellten
Grundsatz
liegt eine
zweifache
Wirkung: Der Beklagte ist durch sein Geständniß verpflichtet,
und diese Verpflichtung tritt unmittelbar ein, dazu eines Urtheils bedarf.
ohne daß eS
Durch diese zweite Wirkung
erhält eben das Geständniß seinen besonderen Charakter alS
Surrogat de« Urtheil«
(*) Da» Geständniß vor dem Iu»er hatte immer entscheidenden Ein
stuß auf da» Urtheil, aber keine selbst ständige Natur und keine formelle
Nebeln.
oräo
Seit der Aufhebung de«
judiciorum
dieser Unterschied.
verschwindet
(b) L. 29 § 1 dedon. (39.5) L. 56 de re jud. (42.1), L. im» C. de confesu's (7. 59), L. 4 C. de repud. her. (6. 31).
8
Buch II Rechtsverhältnisse.
Kap. IV Verletzung.
Die Römer drücken den aufgestellten Grundsatz so auS:
Confessus pro judicato est oder habetur (c).
Dieser Aus
druck aber ist ganz ernstlich gemeint; denn eS soll aus dem
bloßen Geständniß, ohne Urtheil, sogleich Erecution gegen den Beklagten erfolgen, seiner Sachen (d)
durch Abpfändung und Verkauf
Daher wird denn auch das Geständniß
neben das Urtheil und den Eid gestellt,
Linie mit denselben (c)
also auf gleiche
Bei dem Urtheil aber gilt die
durchgreifende Regel: condemnatus ut pecuniam solvat (f).
Die Wahrbeit jenes Grundsatzes also ist außer Zweifel
gesetzt; dennoch hat er nur eine beschränkte Wahrheit, indem
er zunächst und unmittelbar nur für den einzigen Fall gilt, wenn eine Schuldklage auf eine bestimmte Geldsumme an
gestellt und von dem Beklagten zugestanden wird (g). Der
Grund dieser Beschränkung liegt darin, daß im alten Pro zeß auch das Urtheil nur auf eine bestimmte Geldsumme gehen konnte (h), und nur dabei eine unmittelbare Erecution
durch abgepfändete und verkaufte Sachen möglich war
(c) L. 1 3. 6 § 2 de confessis (42. 2), L. 56 de re fud. (42. 1), L. un C. de confessis (7 59), L. 4 C de repud her (6.3t), Paulus u Con Greg, in den oben angeführten Stellen. (d) L.9 C deexecut (7 53), Paulus II. 1 § 5. (e) L. 56 L. 31 de re jud. (42. 1). (f) L 4 § 3 de re jud. (42. 1). (g) L 4 C de repud. her
(6 31) „quod confessos in jure pro judicatis habcri placuit. ad certam quantitatem deberi confitentem pertinet.“ L. 6 pr de confessis (42. 2) „Certum confessus pro judicato erit, incertum non erit.“ Gert nm aber heißt hier und in vielen andern Stetten, die von Klagen handeln, so viel als certa pecunia (B. 5 S. 623—625), wie auch die gleich folgenden Worte zeigen. (h) Gajus IV § 48.
§. 303. Surrogate
I. Geständniß.
9
Confessio.
In allen übrigen Fällen, das heißt, bei dem Geständniß
eines bestimmten Gegenstandes außer baarem Geld, eines
Gegenstandes,
unbestimmten
Fällen überhaupt,
bracht werden,
also
in den
oder
meisten
soll der Beklagte wo möglich dazu ge
sein Geständniß auf eine bestimmte Geld
summe zu richten,
also in ein certum zu verwandeln (i).
Ist aber Dieses nicht möglich,
wöhnlicher Prozeß;
so erfolgt nunmehr ein ge
es wird ein Inder bestellt, eine Litis-
contestation vorgenommen,
und ein Urtheil gesprochen (k).
Man könnte durch diese Unterscheidung verleitet werden,
dem oben ausgestellten Grundsatz eine geringere praktische Bedeutung zuzuschreiben,
als ihm in der That zukommt.
Er ist aber wahr auch für alle übrigen Fälle, nur in einer etwas anderen Weise
In dem nunmehr entstebenden Rechtsstreit ist nämlich der Inder an den Inhalt des Geständnisses streng gebunden; er darf davon nicht abweichen,
hat deshalb Nichts zu
untersuchen (I), und seine Tbätigkeit beschränkt sich darauf,
den eingeräumten Gegenstand in eine bestimmte Geldsumme zu verwandeln (m).
(i) L. 6 § 1 de confessts (42.2) „urgeri debet“ Darin liegt aber weder ein direkter, noch ein indirekter Zwang, außer etwa insofern die grundlose Weigerung vielleicht den Inder zu einem nachtheiligeren Urtheil stimmen könnte. Bethmann-Hollweg S. 265
(k) L. 7 5. 3. 8 de confessis (42. 2). (l) „nihil quaeritur“. L. 56 de re jud. (42. 1), welcher Satz hier ausdrücklrch abgeleitet wird aus der Regel: confessi pro judicatis habentur (m) ,, Judex non rei judicandae, sed aestimandae datur“
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Vrrlktzvnz
10
Die Formel mag in solchen Fällen etwa auf folgende Weise gefaßt worden seyn:
Quod N. Negidius in jure confessus est,
fundum
Cornelianum A. Agerio se dare oportere, quanti is fundus est, eum condemna,
so daß dabei die Intentio: si paret, N. Negidium fundum dare oportere, ganz ausfiel (n).
Kam ein solches Geständniß bei einer arbiträren Klage, insbesondere bei einer Eigenthumöklage vor,
so hatte eS
ganz die Natur einer pronuntiatio, und machte dieselbe ent behrlich, indem es ihre Stelle vertrat (o).
Bei der confessio wird noch die besondere Regel er
wähnt,
daß hier dieselbe gesetzliche Zahlungsfrist eintrete,
wie bei dem Urtheil,
und daß diese von dem Tage des
Geständnisses an gerechnet werden müsse (p).
Nach der bis hierher geführten Untersuchung kann die
gemeinsame Wirkung deS gerichtlichen Geständnisses,
L. 25 § 2. L. 26 ad L. Aquil. (9. 2), L. 40 § 1 de pactis (2. 14). (n) Dieses war nun die actio confessoria, von welcher in dem folgenden § die Rede seyn wird (§ 304 Note k). (o) L. 6 $2 de confessis (42. 2). Ueber die pronuntiatio s. o. B. 6 S. 318—320
an-
(p) L. 6 § 6 de confessis (42. 2), L. 21 de jud. (5. 1), L. 31 de re jud. (42.1), Paulus V. 5 A. § 2. — Natürlich konnte dieser Satz nur gelten von dem auf baares Geld gerichteten Gestandniß, wodurch ein nachfolgen des Urtheil ganz entbehrlich wurde (Note g).
§. 303. Surrogate.
I. Geständniß
11
Confessio.
schließend an die Wirkung deS rechtskräftigen Urchrils (q), so ausgedrückt werden: Confessio pro veritate accipitur, und dieser Ausdruck ist gleich wahr und gleich wichtig für jedes gerichtliche Geständniß,
eS mag auf eine Geldschuld
oder auf einen anderen, bestimmten oder unbestimmten Ge genstand gerichtet seyn.
In diesem Sinn also kann man
sagen, daß jedes gerichtliche Geständniß als Surrogat eineUrtheils gelten kann,
indem eS,
gleich dem Urtheil,
die
Fiction der Wahrheit, daS heißt, formelle Wahr
heit,
begründet,
wenngleich eS nicht in allen Fällen ein
nachfolgendes Urtheil entbehrlich macht.
Wenn man daS gerichtliche Geständniß in dieser seiner
allgemeinen Natur auffaßt,
so ist es der reine Gegensatz
deS von dem Kläger vor Gericht ausgesprochenen Verzichts (8 302).
Diese Vergleichung muß auch darin als wahr
anerkannt werden,
daß dem Geständniß sehr verschiedene
Gedanken zum Grunde liegen können;
am häufigsten die
wirkliche Anerkennung deö Rechts des Klägers;
ferner die
bestimmte Abficht, zu schenken; endlich eine unbestimmte, in der Mitte liegende Absicht, das Nachgeben bei einer zweifel
haften Sache,
um nur den Rechtsstreit zu vermeiden. —
Ferner ist die Vergleichung dahin auszudehnen, daß außer dem gerichtlichen Geständniß auch ein auf gleichen Zweck gerichteter Vertrag vorkommen kann
Dieses ist der Recog-
12
Buch II. Rechtsverhältnisse
nitiv-Berttag,
Kap IV
Verletzung.
der in das Obligationenrecht gehört,
und
gewöhnlich nicht in seiner wahren Natur aufgefaßt wird
Uebrigens kann eine solche consessio in jure auch von
Seiten des Klägers vorkommen, dem Prätor unbedingt erklärt,
den Beklagten habe auf,
wenn nämlich dieser vor
daß er keinen Anspruch an
Dadurch giebt er sein Klagrecht völlig
die Handlung gilt gleich einer rechtskräftigen Frei
sprechung,
und hat also ganz die Natur eines Surrogats
Ein solcher Fall aber wird in dieser Form
des Urtheils
nur sehr selten vorkommen, und wenn er vorkommt, hat er eine so einfache Natur, daß er näherer Bestimmungen kaum
bedürfen wird
Aus beiden Gründen ist es wohl zu erklären,
daß derselbe, so viel ich weiß, nur in einer einzigen Stelle
des Römischen Rechts erwähnt wird (r), und daß er weder durch die Gesetzgebung, noch durch die Arbeiten der alten
Juristen besonders ausgebildet worden ist
§ Surrogate des Urtheils
304. - I Gerichtliches Geständniß.—
Confessio in jure
lFortsetzung.)
Der oben aufgestellte wichtige Grundsatz über die Kraft
des gerichtlichen Geständnisses des Beklagten hat folgende Entstehung und allmälige Entwicklung gehabt (r) L. 29 § 1 de dan (39. 5). S. o. § 302 Note d. — ES heißt in jener Stell«: „eum actionem jure amisisse respondit“. Wenn er nun dennoch die Klage anstelle»
wollte, so stand lhm ohne Zweifel eine exceptio confessi oder con fessoria entgegen, mit gleicher Wirkung,' rote die exceptio rei judicatae.
12
Buch II. Rechtsverhältnisse
nitiv-Berttag,
Kap IV
Verletzung.
der in das Obligationenrecht gehört,
und
gewöhnlich nicht in seiner wahren Natur aufgefaßt wird
Uebrigens kann eine solche consessio in jure auch von
Seiten des Klägers vorkommen, dem Prätor unbedingt erklärt,
den Beklagten habe auf,
wenn nämlich dieser vor
daß er keinen Anspruch an
Dadurch giebt er sein Klagrecht völlig
die Handlung gilt gleich einer rechtskräftigen Frei
sprechung,
und hat also ganz die Natur eines Surrogats
Ein solcher Fall aber wird in dieser Form
des Urtheils
nur sehr selten vorkommen, und wenn er vorkommt, hat er eine so einfache Natur, daß er näherer Bestimmungen kaum
bedürfen wird
Aus beiden Gründen ist es wohl zu erklären,
daß derselbe, so viel ich weiß, nur in einer einzigen Stelle
des Römischen Rechts erwähnt wird (r), und daß er weder durch die Gesetzgebung, noch durch die Arbeiten der alten
Juristen besonders ausgebildet worden ist
§ Surrogate des Urtheils
304. - I Gerichtliches Geständniß.—
Confessio in jure
lFortsetzung.)
Der oben aufgestellte wichtige Grundsatz über die Kraft
des gerichtlichen Geständnisses des Beklagten hat folgende Entstehung und allmälige Entwicklung gehabt (r) L. 29 § 1 de dan (39. 5). S. o. § 302 Note d. — ES heißt in jener Stell«: „eum actionem jure amisisse respondit“. Wenn er nun dennoch die Klage anstelle»
wollte, so stand lhm ohne Zweifel eine exceptio confessi oder con fessoria entgegen, mit gleicher Wirkung,' rote die exceptio rei judicatae.
§ 304.
1
I. Geständniß
Confessio
(Fortsetzung.)
13
Für teu Hauptfall, das Geständniß einer bestimmten
Geldschuld, ist die erste Quelle in der Vorschrift der zwölf Aeris confessi rebusque jure judicatis
Tafeln ZU suchen:
XXX. dies justi sunto etc. (a), in welchem das Geständniß
dem rechtskräftigen Urtheil mit gleicher Kraft an die Seite
gesetzt wurde.
Beiden Thatsachen gleichmäßig wurde hier
die Wirkung der ereculion, wicklung
Schuldknechtschaft,
beigelcgt,
die
der
also der Personal-
an welche stch dann in späterer Ent
Realerecution
angeschlossen
welcher allein jetzt noch die Rede ist (b).
hat,
von
- Damit war also
der Grund zu diesem Rechtsinstimt gelegt
2
Eine Erweiterung desselben für einige besondere Fälle
wurde durch das prätorische Edict
Klagen galt die Vorschrift,
Für vier
eingeführk.
daß der Beklagte,
wissentlich leugnete und überführt wurde,
wenn er
den eingeklagten
Werth zur Strafe doppelt bezahlen sollte (c);
das Einge-
ständniß schützte also vor dieser Strafe,
und cs konnte im
Fall desselben nur die Frage entstehen,
ob denn der Be
klagte durch sein Geständniß auch wirklich für den einfachen Werth verpflichtet werde.
Dieses mußte unbedingt ange
nommen werden, weil das Geständniß hier die Natur eines
(a) Gkllh s XX 10. (b) Ob die Schuldkn echtschäft auf dre Geldschulden aus dem Darlehen beschränkt war, tst streitig; vgl. Savignv über das altrömische Schuldrecht, Abhand lungen der Berliner Akademie 1833. Daß die Realerecutio n, in
Holge des Geständnisses wie des Urtheils, auf Geldschulden jeder Art ging, ist unzweifelhaft. (c) Lis inficiando crescit in duplum. Gajus IV. § 9.171 Diese vier Klagen sind: judicati, depensi, damni injuria dati, legati per damnationem relicti
14
Buch 1L RechttverhLltmffe.
Kap. IV. Verletzung.
der Beklagte übernahm die Leistung des
Vergleichs hatte;
einfachen Werthes,
um dadurch der Gefahr der doppelten
Leistung zu entgehen.
Diese in der Natur der Sache ge
gründete Auffassung erhielt eine ausdrückliche Bestätigung
durch das Edict, welches neben der Klage auf das Doppelte
gegen den Leugnenden auch die einfache Klage gegen den Geständigen aussprach, also die Verpflichtung wegen des Geständnisses geradezu anerkannte (d). —
Indessen konnte
diese Bestimmung nur für die wenigsten unter den angege
benen Fällen als etwas Neues, Erweiterung,
angesehen werden.
folglich
als eine wahre
Die actio judicati und
depensi gingen ohnehin stets auf eine bestimmte Geldsumme,
und standen also schon unter der Vorschrift der Zwölf Tafeln (Num. 1.); eben so auch die Klage aus dem Legat, wenn dasselbe auf eine Geldsumme gerichtet war.
also als neu,
So blieben
als Gegenstände einer Erweiterung für die
Kraft des Geständnisses,
nur folgende zwei Klagen übrig:
die Klage aus einem legatum damnationis,
wenn dasselbe
auf einen anderen bestimmten Gegenstand, als baares Geld,
z. B. auf ein Haus, ein Pferd u. s. w. gerichtet war, und
die actio legis Aquiliae wegen körperlicher Beschädigung fremder Sachen. sten
Nachrichten
Für den letzten Fall sind uns die genaue von dieser neuen Bestimmung über die
Kraft des Geständnisses aufbewahrt, wovon sogleich noch mehr die Rede seyn wird.
(d)
Bethmann - Hollweg S. 265 — 268.
§. 304.
1. Geständniß.
Confessio.
15
(Fortsetzung )
In allen übrigen Fällen eines gerichtlichen Geständnisses
fehlte eS also ganz an ausdrücklichen Bestimmungen über
dessen formelle Kraft.
das
Geständniß
stets
Dennoch ist nicht zu bezweifeln, daß
thatsächliche
Anerkennung
in den
Urtheilen der Richter gefunden haben wird, und zwar ohne
Unterschied,
ob eö vor dem Prätor oder vor dem Juder
abgelegt war.
3.
Die volle Ausdehnung
endlich,
in
welcher
der
Grundsatz oben aufgestellt worden ist (8 303), erhielt der selbe erst durch einen Senatöschluß unter der Regierung
d«S K. Marcus Aurelius (oratio D. Marei). wurde bestimmt ausgesprochen,
Hierin
daß bei Klagen aller Art
das vor dem Prätor abgelegte Geständniß für den Beklagten dieselbe verpflichtende Kraft haben sollte, wie ein rechtskräf tiges Urtheil (e). — Wenngleich aber die Ausdrücke der alten
Juristen über den Umfang dieses SenatsschluffeS höchst allge mein gefaßt sind, so muß derselbe doch auf diejenigen Klagen beschränkt werden,
Verfügung hat,
worüber jede Partei eine völlig freie
welches bei den Klagen über Vermögens
rechte durchaus der Fall ist.
Dagegen ist dem Geständniß
nicht dieselbe Kraft beizulegen,
wenn es darauf abzweckt,
die persönliche Freiheit deS Geständigen zu verneinen, oder eine Ehe als ungültig darzustellen (f).
4.
Seit dem Untergang des ordo judiciorum hatte jede
(e) L. 6 § 2 de confessis (42. 2), L. 56 de re jud. (42. 1). (f) L- 24. 39 C. de Hb. causa (7. 16), C. 5 X. de eo, gut eognwit (4. 13). — Bethmann-Hollweg S. 274.
Buch II
16
Kap. IV Verletzung,
Rechtsverhältnisse
confessio in judicio die Kraft der alten confessio in jure. Als eigentliches Surrogat aber konnte sie nun nicht mehr gelten,
sondern nur noch als Grundlage eines richterlichen
Urtheils, welches an den Inhalt derselben gebunden war.
Das Wesen des Geständnisses wurde oben darin gesetzt,
daß der Beklagte die Behauptung des Klägers einräume
(§ 303),
also in ein Einverständniß beider Parteien über
diese Behauptung
Nun gebt diese Behauptung stets und
nothwendig auf das Daseyn eines Rechtsverhältnisses, solches aber beruht wieder aus Thatsachen;
ein
zur genaueren
Einsicht in das Wesen des Geständnisses ist es also nöthig, zu bestimmen,
ob als der eigentliche Gegenstand des Ein-
verständniffes das Rechtsvcrhältniß,
oder vielmehr vie
Thatsache gedacht werden müsse.
Der Ausdruck
confessio.
so
wie
der
entsprechende
deutsche Ausdruck, kann leicht dahin führen, die Thatsache als "den unmittelbaren Gegenstand anzuseheil,
des
Einverständnisses
wodurch also das Geständniß als bloßes Be
weismittel erscheinen könnte;
allein die oben angegebene
juristische Natur desselben, welche in der Gleichstellung mit dem
richterlichen Urtheil besteht,
Rechtsverhältniß.
jedes Urtheil,
führt vielmehr auf das
Denn auf ein solches geht nothwendig
und soll also das Geständniß gleiche Kraft
mit dem Urtheil haben,
in manchen Fällen sogar jedes
$. 304.
I Geständoitz. Confessio. (Fortsetzung.^
17
Urtheil völlig entbehrlich machen (§ 303), so muß es gleichfalls
das Daseyn eines Rechtsverhältnisses unmittelbar feststellen. Diese
Natur deS Geständnisses
wird
denn auch
in
unsern RechtSqueüen geradezu anerkannt; der Beklagte ge steht nämlich:
sc debere,
oder fundum actoris esse (g),
und es wird Niemand bezweifeln, daß Schuld und Eigen thum reine Rechtsverhältnisse find, wozu sich gewisse That sachen nur als Entstehungsgründe verhalten können.
Indessen darf dabei nicht verkannt werden,
daß in der
Anerkennung deS Rechtsverhältnisses stets auch die Aner
kennung der dazu nöthigen Thatsachen liegt, nur daß dabei die Auswahl
unter mehreren gleich möglichen Thatsachen
ungewiß bleiben kann.
Eben so wird nicht selten die An
erkennung einer reinen Thatsache, eines Darlehens, verhältnisses
z. B. des Empfanges
zugleich die Anerkennung eines Rechts
(hier der Darlehensschuld) in sich schließen.
Dadurch aber wird das Wesen der Sache nicht verändert. Auch kommt in der That ein Fall vor, in welchem die
Römischen Juristen das Geständniß auf eine reine Thatsache beziehen.
Dieses darf aber nicht etwa als ein ungenauer,
nachlässiger Ausdruck betrachtet werden,
oder als Zeichen
eines Schwankens jener Juristen über die hier zur Frage gestellten Ansichten.
Vielmehr hat diese Beziehung ihren
Grund in der eigenthümlichen Natur einer einzelnen Klage, und es muß gleich hier darauf näher eingegangen werden,
weil damit wichtige andere Streitftagen zusammenhangen. (g)
L. 3. 5. 7 de confessis (42. 2), L. 6 § 2 eod
2
Buch II. Rechtsverhältnisse
18
Kap. IV Verletzung
Es ist nämlich schon bemerkt worden,
daß
L. Aquiliac unter die wenigen Klagen gehörte, Geständniß
worin das
schon vor der oratio D. Marei eine besondere
Wirkung batte-
einesteils den Beklagten von der Gefahr
des doppelten Ersatzes zu befreien, einfachen Ersatz unbedingt,
Urtheil,
die actio
zu verpflichten
wie
(§ 303)
anderntbeils ibn zum
dllrch
ein
gesprochenes
Jit diesem Fall nun
konnte .schon deswegen ein Urteil durch das bloße Geständ
niß nicht entbehrlich werden, wert des
weil not immer der Geld
zugefügten Schadens
Das Geständniß also,
das hier
zu bestimmen blieb (h)
eine besondere Wirkung
haben sollte, ging nicht aus die (noch unbestimmte) Forderung
des Klägers,
sondern
auf die reine Thatsache-,
ja nicht
einmal auf die ganze, vollständige Thatsache, sondern ledig
lich auf die persönliche Thätigkeit des Beklagten, die Thäter schaft-
Das,
Thatbestand nennen (i)
darf auch
gar nicht als
trachtet werdest,
Criminalisten den
was unsere
subjectkven
Diese eigentümliche Beschränkung eine zufällige,
willkürliche be
sondern sie batte ihren guten Grund in
folgendem Umstand
Wenn wegen der Tödtung oder Ver
wundung eines Sklaven geklagt wtlrde,
(h) L. 25 § 2 L. 26 ad L. Aqu. (9. 2). (1) L 23 § 11 L 24 L 25 pr, ad L. Aquil (9 2), L. 4 de confessis (42. 2). In der ersten dieser Stellen sind besonders entscheidend die Worte • ,, hoc
so war die Tbat-
emni soluin remitiere acton confessoriam actionem, ne ne cesse liabeat docere, eunt oecidisse, cetenim occisum esse hominem a quocunque oportet“
§ 304.
1 Gcstäudulß
19
(Fortsetzung.)
Confessio
fache des Todes oder der Verwundung meist unbestritten, konnte
wenigstens
durch
Zweifel gesetzt werden
den
Augenschein
leicht
außer
Dagegen war die Thatsache,
daß
gerade dieser Beklagte die That begangen habe, leicht abzu leugnen;
diesem Leugnen sollte durch
doppelten Ersatzes vorgebeugt werden,
die Drohung des und daher war das
Geständniß gerate dieser Thatsache allein von Wichtigkeit. Dieses Geständitiß wurde daher auch in die Klagsormel,
als für den Richter bindend,
und die so
ausgenommen,
abgefaßtc Klage hieß nun confessoria actio (k). Nachdem nun die geschichtliche und formelle Leite der confessio in jure festgestellt Worten ist, bleibt noch die Er-
örterllng der praktischen Seite übrig.
Dahin gehört zunächst
die wichtige Frage, die miet' schon für das Römische Recht
zu
beantworten ist,
ob das gerichtliche Geständniß eine
unbedingt verpflichtende Kraft mit sich führt, selbe widerrufen und
angefochten werden kann
Grund ter Behauptung, übereinstimMe
—
oder ob das
auf den
daß es nicht mit der Wahrheit
Dann
aber
ist
besonders
auch
die
heutige Anwendbarkeit der Grundsätze des Römischen Rechts
über das gerichtliche Geständniß zu untersuchen,
um die
richtige Behandlung desselben im heutigen Recht feststellen
zu können.
(k) L. 23 § 11 L. 25 § 1 ad L. Aqu (9.2) Rur hier kommt dieser Name vor, welches jedoch ganz zufällig senn kann; an sich
vapte er auf jede Klag«, die in Folge emcr confessio in jure angestellt wurde (§ 303 Note n).
o*
Buch II Rechtsverhältnisse
20
Kap. IV Verletzung
Die Beantwortung dieser Fragen aber wird mit Erfolg erst unternommen werden können, wenn zuvor die Interro-
gatio in jure dargestellt seyn wird.
§
305
Surrogate de» Urtheil«. — I. Gerichtliche« Gestanvniß —
Interrogativ in jure
Wenn
ein Rechtsstreit abhängig
ist
von
einer,
die
Person deS Beklagten betreffenden Präjudicialfrage, welches neuere Schriftsteller die Passivlegitimation nennen, so soll
sowohl der Kläger, als der Richter befugt seyn, eine solche Frage dem Beklagten vorzulegen,
welcher dann verbunden
ist, zu antworten; diese Verbindlichkeit ist hier eigenthümlich.
Durch den Inhalt der Antwort wird der Beklagte verpflichtet,
und darin liegt die Aehnlichkeit dieses Instituts mit der confessio in jure.
Die Verschiedenheit beider Prozeßhand
lungen aber liegt darin, daß die confessio den eigentlichen
Gegenstand des Rechtsstreits, betrifft, (§ 303),
den Anspruch des Klägers,
und daher das Urtheil entbehrlich machen kann
anstatt daß die interrogatio nur eine vorläufige
Frage, nicht den Streitgegenstand selbst betrifft, und daher
niemals für ein Surrogat des Urtheils gelten kann. Außer diesem besonderen Fall
konnte aber auch jede
andere Frage von einer Partei ihrem Gegner vor dem
Prätor vorgelegt werden, und wenn sich der Gegner durch eine bestimmte Antwort darauf freiwillig einließ,
so war
er durch eine solche in jure confessio nach den oben auf-
Buch II Rechtsverhältnisse
20
Kap. IV Verletzung
Die Beantwortung dieser Fragen aber wird mit Erfolg erst unternommen werden können, wenn zuvor die Interro-
gatio in jure dargestellt seyn wird.
§
305
Surrogate de» Urtheil«. — I. Gerichtliche« Gestanvniß —
Interrogativ in jure
Wenn
ein Rechtsstreit abhängig
ist
von
einer,
die
Person deS Beklagten betreffenden Präjudicialfrage, welches neuere Schriftsteller die Passivlegitimation nennen, so soll
sowohl der Kläger, als der Richter befugt seyn, eine solche Frage dem Beklagten vorzulegen,
welcher dann verbunden
ist, zu antworten; diese Verbindlichkeit ist hier eigenthümlich.
Durch den Inhalt der Antwort wird der Beklagte verpflichtet,
und darin liegt die Aehnlichkeit dieses Instituts mit der confessio in jure.
Die Verschiedenheit beider Prozeßhand
lungen aber liegt darin, daß die confessio den eigentlichen
Gegenstand des Rechtsstreits, betrifft, (§ 303),
den Anspruch des Klägers,
und daher das Urtheil entbehrlich machen kann
anstatt daß die interrogatio nur eine vorläufige
Frage, nicht den Streitgegenstand selbst betrifft, und daher
niemals für ein Surrogat des Urtheils gelten kann. Außer diesem besonderen Fall
konnte aber auch jede
andere Frage von einer Partei ihrem Gegner vor dem
Prätor vorgelegt werden, und wenn sich der Gegner durch eine bestimmte Antwort darauf freiwillig einließ,
so war
er durch eine solche in jure confessio nach den oben auf-
§. 305.
Surrogate.
I
gestellten Grundsätzen gebunden,
21
Interrogatio
Geftändmß."
wobei dann die vorher
gehende interrogatio nur als die zufällige Veranlassung der
confessio zu betrachten war,
und
gar nicht selbstständig
zur Form der Handlung gehörte (a). —
Hierauf beruhte
unter andern auch die uralte Form der in jure cessio als
des
Uebertragung
Eigenthums
durch
freien Willen
deS
Der neue Eigenthümer vindicirte
bisherigen Eigenthümers
die Sache zum Schein; der Prätor fragte den Veräußernden,
ob er das Eigenthum des Klägers anerkenne,
und wenn
der Befragte es anerkannte oder nur schwieg,
so erfolgte
die Addiction deS Prätors, die das Eigenthum übertrug (b).
An sich ließ sich dieses Verfahren denken sowohl vor als vor dem Juder.
dem Prätor,
nur vor dem Prätor vor,
Ursprünglich kam eS
war also eine interrogatio in
jure (C), nicht in judicio, weil es dort allein auf die Ab fassung
der Klagformel Einfluß
ursprünglich
bestimmt
war
haben konnte,
wozu eS
Wir finden die Anwendung
desselben ausdrücklich erwähnt in folgenden Fällen,
worin
dem Kläger eine Antwort des Beklagten auf die hier ange gebenen Fragen von Wichtigkeit seyn konnte:
(a) Ein solcher Fall von der Frage eines Beklagten an den Kläger kommt vor in L. 29 § t
de don. (39. 5),
s. o. § 303 r.
Die daselbst abwechselnd gebrauchten
ganzen Titel de interrogationibus
ist abwechselnd von
respondere
und confiteri die Rede.
(b) (c)
Gajus II § 24. Dieser Name findet
sich
Ausdrücke: interrogatus, r) — Er darf nicht auf grober Nach
lässigkeit beruhens'')
— Er muß als Irrthum bewiesen
werden, so daß der bloße Beweis des Gegentheils der ein
gestandenen Thatsachen nicht hinreicht (d)
Dieser wichtige,
in unsern Rechtsquellen ausdrücklich anerkannte Satz ist die
nothwendige Folge davon, daß dem Geständniß ja auch ganz
andere Absichten, als die Anerkennung der Wahrheit, zum
(a) L 7 de eonfessis (42 2) L 11 § b de i n teer (II 1) Diese Restitution gehört unter ti zahlreichen Falle, ui welchen überhaupt gegen Prozeßhand lungen Restitution wegen Irr thnms ertheilt wird S o. B.3 S. 386 387 (b) L. 2 deconfessis (42 2), C 3 X. de confess. (2. 18), € 2 de restit in VI (1 21). (c) L. 11 § 11 de in terr
(11 1) ,jnsi culpa dein proxiina sit“ (d) C 3 X de confessis (2 18) ,,si de hujusmodi poluerit errorc docere“ — (Zs wird stets darauf ankonunen, die iitftehung der irrigen Memung aus scheinbaren äußeren Thatsachen nachzuweisen Beispiele eines solchen Beweises finden sich ui L 11 K 8 de in terr (II 1)
32
Buch II.
Rechtsverhältnisse.
Kap. IV. Verletzung
Grunde liegen können, unter andern die Absicht, zu schenken (8 303).
Ferner können nur durch diesen Beweis die oben
aufgestellten Bedingungen festgestellt werden,
daß nämlich
der Irrthum blos sactisch seyn und nicht auf grober Nach lässigkeit beruhen muß.
Diese Grundsätze sind gleichmäßig anzuwenden auf die confessio und auf die interrogatio (Note a). letzten also
Bei dieser
wird durch die Restitution der Quasicontract
(8 305. v) entkräftet.
Was
aber
die
Strafverpfiichtung
wegen wissentlicher Unwahrheit betrifft (8 305. x),
so ist
selbst der Begriff einer solchen Unwahrheit durch den Be
weis des Irrthums ausgeschlossen (e) Dabei ist noch besonders aufmerksam zu machen auf die innere Verwandtschaft deS Widerrufs eines irrigen Geständ nisses mit der condictio indebiti Irrthum bewiesen werden,
Hier, wie dort, muß der
welcher ein factischer seyn und
nicht auf grober Nachlässigkeit beruhen muß
Von dieser
Verwandtschaft wird sogleich noch weiterer Gebrauch ge macht werden.
3
Die förmliche Restitution wird aber nicht in allen
Fällen erfordert.
.Wenn der Geständige noch vor dem Prätor seine Er
klärung zurück nehmen oder verbessern wollte, bevor dadurch dem Gegner ein Schade entstanden seyn konnte,
so war
ihm Dieses gestattet, ohne daß es dazu eines Beweises und
einer Restitution bedurfte. (e)
Nach der Litiscontestation, also
L. 11 §. 3. 10. 11. de interr. (11. 1).
K. 306.
Surrogate
vor dem Zuder, möglich,
I
Geständnis.
33
Widerruf.
war eine solche Veränderung nicht mehr
ohne auf den Prätor zurück zu geben und Re
stitution zu erlangen (f).
Wenn ferner das Eiilgestandene in Folge von Rechts regeln als unmöglich erkannt werden muß, keiner Restitution,
und auch
mußte diesem Geständniß
so bedarf es
schon der Römische Iuder
jede Wirkung versagen
Wenn
also eine Roralklage angestellt wurde wegen der Handlung eines Sklaven oder Sohnes gegen den vermeintlichen Herrn
oder Vater,
welcher aus Befragen daS Daseyn der po-
testas einräumte, so war dieses Geständniß allerdings hin reichend,
um gerade ihn zum Schuldner zu machen,
und
also die Schuld vom wahren Herrn oder Vater auf ihn
zu übertragen.
Wenn aber hinterher bewiesen wurde,
daß der Thäter gar nicht Sklave oder Sobn, sondern frei und unabhängig war,
oder daß der Geständige gar nicht
deö Eigenthums (über einen Sklaven) fähig,
oder seines
Alters wegen nicht der väterlichen Gewalt über den (viel
leicht älteren) Thäter fähig war,
so sollte in allen diesen
Fällen dem Geständniß alle Wirkung versagt werden (g).
Dieses ist nun die einzige Beziehung,
in welcher dem
Beweis der Unmöglichkeit, woraus Manche einen unver-
(f) L. 11 § 12 de interr (11.1), „licere responsi poenitere “ L. 26 § 5 de nox act (9. 4). (g) L. 13, 14. 16 de interr (11. 1). In diesem Sinn heißt VII.
es in den angeführten Stellen: „quia falsae Confessiones naturalibus convenire deberent“, und ,,siid, quod in confessionem venit, et jus et natüram recipere potest“
3
34
Buch II
Rechtsverhältmffk
chältnißmäßigen Werth legen,
standen werden kann. sache stets zugleich
Kap IV. Verletzung
ein besonderer Einfluß zuge-
Allerdings ist jede unmögliche That eine unwahre,
und der Beweis der
Unwahrheit einer Thatsache ist die Grundlage für den
Beweis deS Irrthums über daS früher abgegebene ständniß der Wahrheit dieser Thatsache.
Aber der voll
ständige Beweis dieses Irrthums liegt darin nicht,
weil
das Unmögliche, eben so gut, alS das blos Unwahre, mit Bewußtsevn der Unwahrheit, folglich ohne Irrthum, einge standen seyn kann.
Daher ist es unrichtig,
wenn Manch«
behaupten, der Beweis der Unmöglichkeit sey stets hinreichend, und mache den Beweis des Irrthums nnnöthig
Wenn
also Jemand eine von ihm persönlich begangene That ein
gesteht, so ist zum Widerruf nicht hinreichend, daß er daS Alibi beweist
Denn aus dem Alibi folgt allerdings,
er die That nicht begangen haben kann,
daß
also auch nicht
begangen hat ; es folgt aber nicht, daß er im Irrthum war,
alS er daS Geständniß der That ablegtc
Ja sogar wird
gerade in diesem Fall der Irrthum höchst unwahrscheinlich,
vielleicht nur unter den abentheuerlichsten Voraussetzungen
möglich seyn
§
307
Surrogate ves Urtheils — I Gerichtliches Geständniß. — Widerruf.
(Fortsetzung.)
Die in dem vorhergehenden §. aufgestellten Grundsätze leiden eine Ausnahme in den Fällen der Klagen,
worin
34
Buch II
Rechtsverhältmffk
chältnißmäßigen Werth legen,
standen werden kann. sache stets zugleich
Kap IV. Verletzung
ein besonderer Einfluß zuge-
Allerdings ist jede unmögliche That eine unwahre,
und der Beweis der
Unwahrheit einer Thatsache ist die Grundlage für den
Beweis deS Irrthums über daS früher abgegebene ständniß der Wahrheit dieser Thatsache.
Aber der voll
ständige Beweis dieses Irrthums liegt darin nicht,
weil
das Unmögliche, eben so gut, alS das blos Unwahre, mit Bewußtsevn der Unwahrheit, folglich ohne Irrthum, einge standen seyn kann.
Daher ist es unrichtig,
wenn Manch«
behaupten, der Beweis der Unmöglichkeit sey stets hinreichend, und mache den Beweis des Irrthums nnnöthig
Wenn
also Jemand eine von ihm persönlich begangene That ein
gesteht, so ist zum Widerruf nicht hinreichend, daß er daS Alibi beweist
Denn aus dem Alibi folgt allerdings,
er die That nicht begangen haben kann,
daß
also auch nicht
begangen hat ; es folgt aber nicht, daß er im Irrthum war,
alS er daS Geständniß der That ablegtc
Ja sogar wird
gerade in diesem Fall der Irrthum höchst unwahrscheinlich,
vielleicht nur unter den abentheuerlichsten Voraussetzungen
möglich seyn
§
307
Surrogate ves Urtheils — I Gerichtliches Geständniß. — Widerruf.
(Fortsetzung.)
Die in dem vorhergehenden §. aufgestellten Grundsätze leiden eine Ausnahme in den Fällen der Klagen,
worin
§ 307. Surrogate
I Geständmß
Widerruf
(Forts.)
35
das böswillige Leugnen durch die Verurtheilung auf den
doppelten Werth bestraft wird (ubi lis inficiando crescit in dupluni) (§ 304).
In diesen Fällen hat das Geständniß
die Natur eiireS Bergleichs, Berurtheilung zu entgehen.
um der Gefahr der höheren Daher gilt hier keilt Widerruf
aus dem Gründ des Irrthums, und keine Restitution, selbst wenn ver Jrrtbuin bewiesen werden könnte (a) Hier zeigt sich wieder die, schon oben erwähnte, Ver
wandtschaft zwischen dem Widerruf des Geständnisses und
der condictio indebiti (§ 306)
Denn auch die condictio
indebiti ist in denselben Fällen ausgeschlossen (b),
indem
die Zahlung nicht als vermeintliche Erfüllung einer unzwei felhaften Forderung angesehen werden soll, soildern als eine Vergleichösumme zur Abwendung der Gefabr einer höheren
Verurtheilung.
Diese Ausnahme also mußte gelten bei der actio judicati und depensi,
so wie bei der Klage aus dem legatum
damnationis einer bestimmten Geldsumme.
Daß sie dabei
von den alten Juristen nicht erwähnt wird, erklärt sich aus der Natur dieser Schulden als reiner Geldschulden.
Denn
bei diesen wurde die ganze Sache vor dem Prätor zu Ende gebracht ohne Juder (§ 304),
so daß dabei kaum jemals
Zeit und Anlaß zu einem Widerruf des abgegebenen Ge-
(a) Drese Ausnahme hat keine Anwendung Bei den Interrogatronen, sondern nur bei der eigentlichen confessio in jure (b) § 7 J de obl. quasi ex contr (3 27), L 4 C de cond Md (4 5)
Buch 11. Rechtsverhältnisse.
36
ständniffeö gewesen sevn mag.
zu
zwei Klagen dieser Art
Kap. IV Verletzung, Es bleiben also nur noch
betrachten
die actio
übrig,
L. Aquiliae, und die Klage aus einem legatum dainnationis auf eine bestimmte Sache außer baarem Gelde
Wenn die actio L. Aquiliae wegen der Tödtung oder
Verwundung eines Sklaven angestellt wird,
und der Be
klagte die That als von ihm begangen einqesteht,
er dadurch pflichtet,
unbedingt
so wird
zum einfachen Schadensersatz ver
und bat keine Restitution zu hoffen,
er sich zum Beweise des Irrthums erbietet
auch wenn
Der entschei
dende Grund dieser auffallenden Vorschrift liegt in der so eben bemerkten Vergleichsnatlir eines solchen Geständniffes,
indem er dadurch der Gefahr entgeht,
zum
doppelten
Ersatz
verurtheilt
außerdem vielleicht
zu werden (§ 304. i)
Allein diese Gefahr und die damit verbundene unbedingte
Verpflichtung beschränkt sich auf die persönliche Thäterschaft des Beklagten.
Wenn also der Widerruf dahin gerichtet
ist, daß der Sklave noch lebe,
daß er ohne Wunden seh,
so bezieht sich darauf die Ausnahme nicht; vielmehr ist hier,
wie bei anderen Klagen, thums zulässig.
die Restitution wegen eines Irr
Allerdings kommt hier zu dem bereits
—
geltend gemachten, schon allein genügenden Grund noch ein
anderer hinzu, der selbst ohne Beweis eines Irrthums hin reichen würde, die Klage völlig auszuschließen der Sklave lebt und
Erfolg
bleiben,
dessen Abschätzung
da
gesund ist,
es ganz
an
Denn wenn
so muß die Klage ohne einem Schaden
fehlt,
allein der Verurtheilung einen Inhalt
§ 307 Surrogate geben könnte (c). —
an und
Denn
für sich
allch
I Gestanomß. Widerruf (Korts.)
37
Dagegen ist hier die Unmöglichkeit
keineSwegeö das
entscheidende Moment.
die Unmöglichkeit der Thäterschaft könnte be
hauptet werden im Fall des erwiesenen Alibi,
lind doch
würde hierin kein Gmnd liegen, die unbedingt verpflichtende
Kraft deö Geständnisses zu beschränken. Der zweite hierher gehörende Fall ist der eines legatum
damnationis aus eine bestimmte Sache außer baarem Geld. Wenn der verklagte Erbe die Berpflichtlmg zu diesem Legat
eingesteht,
so ist er unbedingt verpflichtet,
selbst wenn er
beweisen kann, daß die Sache nie eristirt hat, oder daß sie
untergegangen ist (d)
Zn
(c) L 24 ad L. Aquil (9.2) (d) L. 3 de confessis (42. 2) „Julianus ait, confessum certum se debere legatum, omnimodo damnandum, etiamsi in rerum natura non fuisset, etsi jam a natura recessit, ita tarnen, ut in aestimationem ejus damnetur, quia confessus pro judi cato habetur“ — Dieser Stelle scheinen zwei andere nach ver schiedenen Richtungen bin zu wider sprechen L. 8 eod „ Von om nimodo confessus eondemnari debet rei nomine, quae an in rerum natura esset incertum sit“ Hier wird jedoch gar Nicht gesagt, daß von einem legatum damnationis vie Rede sey; bei jeder an.rern Klage aber ist die
diesen beiden Fällen
ist das
unbestiNlNite Verneinung ganz an ibrem Platze. — L. 5 eod. „Qui Stichum debere se confessus est, sive mortuus jam Stichus erat, she post litis contestationem decesserit, condemnandus est“ Rack der Ueberschrift ver Stelle sprach darin Ulpian von einer Stipnlationsschuld Aus Diesem herausgeriffenen Fragment aber ist gar Nichts zu entnehmen, da gewiß noch irgend em anderer Grund der Obligation brnzugedacht werden ninp, besonders in dem Hall des Todes nach der L. C., in welchem Hall eine Verpflichtung entflanven senn kann nur durch Dolus, Culpa, oder Mora des Be klagten, s o ' B 6 § 272 273 Note I
Buch II
38
Skchkperhiltniffe
Legat an sich ungültig (e),
Kap. IV. Verletzung.
folglich die eingestandene Ver
pflichtung ;um Legat unmöglich,
woraus also folgt,
daß
auch hierin die Unmöglichkeit des Eingestandenen (sc liebere
kgatum) keinen Unterschied macht. — In diesem Fall nun wie in dem vorhergehenden, das Geständniß
hat eben so,
die Natur eines Vergleichs, indem der Geständige nur den einfachen Werth des Legats leistet (f), also die Gefahr der höheren Berurtheilung von sich abwendet.
Die hier dargestellten Ausnahmen, in welchen das Ge
ständniß unbedingt, ohne Restitution wegen Irrthums, ver pflichten soll,
sind für bas heutige Recht ganz ohne An
wendung. Denn es ist unbezweifclt, daß bas ganze RcchtSinstitut, welches mit dem Ausdruck
li> inliciando crescit
in duplum bezeichnet wird, als ein einzelnes, höchst positives, Stück der Römischen Ptrivatstrafcn, schwunden ist
Damit
für unser Recht ver
aber müssen auch die
erwähnten
Ausnahmen, als bloße Folgen jenes Instituts, notbwendiq Wegfällen
Ich
habe es versucht,
widersprechenden einigen
die in dieser Lehre scheinbar
Stellen des Römischen Rechts
zu ver
Neuere Schriftsteller haben verschiedene Wege ein
geschlagen,
um zum Ziel einer solchen Vereinigung zu qe-
(e) L. 108 § 10 L. 36 § 3 de leg 1 (30 un ), § 16 J de leg. (2 20)
(f) L. 61 in f ad L Falc (35 2), L.
angegeben
Beide Begriffe haben den Namen mit ein
ander gemein, sind aber in ihrem inneren Wesen verschieden.
(a) Heffter S 290. 291 bqabt diese Fraqe Holl'.ve^ S 301 verneint dieselbe
Betbmann
jj. 308.
Surrogate
Heutige« Recht.
1. Gestänvutß
41
Die genauere Darstellung dieser Verschiedenheit wird zu gleich den Weg bahnen zu der jetzt vorliegenden Frage, wie sich das heutige Recht zu den oben dargestellten Begriffen
und Regeln deS Römischen Rechts verhält,
und was von
diesem letzten noch für uns brauchbar ist DaS gerichtliche Geständniß
ist die Erklärung,
welche eine streitende Partei vor dem Richter des vorlie
genden Rechtsstreits über Gegenstände dieses Streites abgiebt
DaS Wesen und die wichtige Wirkung desselben
besteht in der Feststellung der Gränzen zwischen dem streitigen und nicht streitigen Theil der gegenseitigen Bebauptungen. Da nun der Richter nur dazu berufen ist, über den Streit
der Parteien zu entscheiden, so wird durch jedes gerichtliche Geständniß die Ausgabe des Richters ihrem Umfang nach
bestimmt und begränzt
Dieses Geständniß also ist nicht (so
wie jedes wabre Beweismittel) ein Motiv für den Richter, so oder anders zu sprechen, sondern eine Feststellung von Ge
genständen, worüber er sich de? eigenen Urtheils zu enthalten
hat,
weil
sie nicht zu dem,
unter den Parteien streitigen
Gebiet von Behauptungen gehören
Das gerichtliche Ge
ständniß begründet also formelle Wabrbeit (§ 303)
Das gerichtliche Geständniß kann obne Zweifel auf reine Thatsachen geben, weil die Feststellung von Thatsachen
einen
großen Theil (oft den größten) eines
auszumachen pflegt
Genau zu reden,
daß dadurch Thatsachen nicht
Rechtsstreits
müßte man sagen,
sowohl bewiesen,
alö dem
42
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. VrrleMq.
Bedürfniß eines Beweises entzogen werden;
einen prak
tischen Werth Hal diese Unterscheidung nicht.
Das gerichtliche Gestandniß kann aber auch auf RechtS-
verhältniffe «zehen, ja dieses ist das eigenthümlichste Gebiet, worin es wirkt. jedes
Für
möglich, kann
gerichtliche
Geständniß
ist
ein
Widerruf
welcher ;u einer richterlichen Restitution führe»
Diese muß aber begründet werden durch den Be
weis eines Irrthums,
welcher >edoch ein sactischer Irr
thum seyn muß, und nicht aus großer Nachlässigkeit hcrvorgegangen seyn dars.
dem Daseyn eines
Die Ueberzeugung des Richters von Irrthums
Geständnisses kann nur
atS
EiilstebungSgrund
des
aus den Umständen hervorgehen,
welche die Entstehung des Irrthums natürlich und wahr scheinlich erklären (§3066.).
Der bloße Beweis, daß das
selbst daß eS unmöglich sev,
Eingestandcne
unwahr,
ohne Beweis
eines Irrthums
zur Restitution
nicht
ist
hin
reichend. Dieses sind die Regeln des Römischen Rechts über das
gerichtliche Geständniß,
worden sind.
welche oben ausführlich dargestellt
In ihnen liegt Nicht», das als rein positiv,
insbesondere aus der eigenthümlichen Gerichtsversassung der
Römer entsprungen,
angesehen iverden könnte
Lie ent
halten vielmehr eine reine Entwicklung dieses Rechtsinstituts, hervorgegangen desselben
auS den wahren praktischen Bedürfnissen
In den Grundsätzen unsers heutigen gemeinen
§. 308. Surrogate I Gestündinß Heutiges Recht.
43
Prozesses liegt Nichts, das einer vollständigen Anwendung jener Regeln hinderlich seyn könnte Dagegen find allerdings einige Stücke des Römischen Rechts in dieser Lehre, jedoch gerade die unbedeutendsten, so beschaffen, daß davon im heutigen Recht keine An wendung gemacht werden kann. Ueber diese Unanwendbar keit ist auch unsere Praris niemals iin Zweifel gewesen. Ich will fie bier in einzelnen Sätzen zusammenstellen 1 Bon einem Unterschieb zwischen confessio in jure und interrogatio in jure kann nicht mehr die Rede sevn; schoit im Römischen Recht war kein praktischer Unterschied, und die UtUerscheidttng in Formen und Ausdrücken hatte eine blos geschichtliche Bedeutung Es ist also ganz gleich gültig, ob ein gerichtliches Geständniß veranlaßt wird durch eine Anfrage des Gegners (vielleicht auch durch eilt prozeß leitendes Decret deS Richters >, oder nicht, ob es eine bloße Präjudicialsraqe betrifft, oder den Gegenstand des Rechts streites selbst 2 Die Strafen, welche das Römische Recht bei den )nterroqationen aus die wissentliche Unwahrheit und auf die verweigerte Antwort androht (§ 305), sind unserm heutigen Prozeß gewiß fremd. 3. Eben so ist demselben völlig fremd die unbedingte, leder Restitution entzogene, Verpflichtung, die das gericht liche Geständniß ausnahmsweise mit sich führen soll bei der actio legis Aquiliae und bei der Klage aus einem legatum damnationis (§ 307) Diese mußte verschwinden
Buch II. Rechtsverhältnisse.
44
Rav. IV
Verletzung,
als bloße Folge der Berurtheilung in den doppelten Werth, welche überhaupt nur ein Stück deS ganzen Systems der
Privatstrafen ist, und mit diesem System in unser heutiges
Recht keinen Eingang gefunden hat.
Insbesondere bei dem
legatum damnationis ist eine solche Ausnahme unanwendbar,
weil diese eigenthümliche Form der Legate nicht nur für uns
verschwunden,
sondern selbst schon von Justinian gesetz
lich aufgehoben und mit allen übrigen Legaten verschmolzen worden ist (b)
4.
Das gerichtliche Gestandniß ist im heutigen Recht
niemals eigentliches Surrogat eines UrtheUS, Urtheil selbst dadurch
immer noch
entbehrlich
so daß vaS
Vielmehr
würde.
ein Urtheil gesprochen werden,
muß
dessen Inhalt
jedoch mit dem Inhalt ves Urtheils übereinstimmen muß
So war es von jeher schon im Römischen Recht in ven allermeisten Fällen,
nämlich nur mit Ausnahme deS auf
eine bestimmte Geldschuld gerichteten Geständnisses (§ 303); seit der Aufhebung des ordn judiciorum allgemein (§ 304) In dieser Rücksicht also ist kein Unterschied zwischen dem
heutigen und dem Römischen Prozeß Außergerichtliches
Geständniß
heißt jede
Er
klärung einer streitenden Partei, die über einen Gegenstand dieses Rechtsstreites
nicht vor dem Richter desselben abge
geben wird; wohin also nicht nur reine Privaterklärungen, in Briefen und Gesprächen niedergelegt,
gehören,
sondern
auch gerichtliche Erklärungen, die in einem anderen, als (b)
L 1 C commmta de leg (6 43), §2 J de leg (2.20)
$. 308. Surrogat«
dem
jetzt
I Geständniß.
HculigcS Recht.
vorliegende» Rechtsstreite
Geständniß ist
verkommen.
45
Dieses
ein reines Beweismittel, und kann einen
vollständigen Beweis bilden,
weil Jeder gegen sich selbst
ein glaubwürdiges Zeugniß ablegen Imin. Als Beweismittel kann dieses Geständniß eigentlich nur
aus reine Tbatsachen gehen,
nicht aus RechtSverbältniffe.
Da jedoch jedem Nechtsverhältniß Thatsachen zum Grunde liegen,
und da ost die Sacke eine so einfache Natur hat,
daß nur die Tbatsache streitig seyn kann, so kann auch die
über ein Rechtsverhältniß abgegebene Erklärung nach Um
ständen den vollen Beweis einer Tbatsache bilden (§ 304).
So t
B
wenn Jemand in einem Briefe erklärt,
daß er
einem Anderen Hundert aus einem Darleben oder Hundert
aus einem Kaufvertrag sckuldig scv,
unzweifelhafte Erklärung, empfangen,
babe,
welches
daß
so liegt darin die
er Hundert als Darlehen
oder Hundert als Kaufgeld versprochen
reine Tbatsachen sind,
die durch jenes
außergerichtliche Geständniß vollständig bewiesen werden.
Das außergerichtliche Geständniß kann widerrufen und entkräftet werden dadurch,
standenen
Tbatsachen
daß das Gegentbeil der einge-
vollständig
bewiesen wird
Einer
Restitution bedarf es dazu nickt, also kommt es auch nicht aus den Beweis eines Jrrtbums, und auf die besonderen Eigenschaften dieses Jrrtbums an,
eben weil jenes Ge-
ständniß keine verpflichtende Handlung reines Beweismittel.
ist,
sondern
ein
Buch II
46
Misere
RechtsverhLltniffe.
Schriftsteller
über
Kap. IV.
den
Verletzung
haben
Prozeß
wesentlichen Unterschiede beider Arten
des
diese
Geständnisse»
tzroßentheilS verkannt, und daher die ganze Lehre vom Geständniß nicht auf beftiedigende Weift behandelt (c)
Sehr merkwürdig ist die Art, in welcher die Preußische
Prozeßgesetzgebung diesen Gegenstand behandelt (d).
Aller
dings (folgt sie im Allgemeinen den herrschenden Ansichten der Schriftsteller des gemeinen Rechts, welche beide Arten
des Geständnisses als
reine Beweismittel und als Arten
desselben Gattungsbegriffs bebandeln.
Aber die Behandlung
im Einzelnen nähert sich auf merkwürdige Weift der rich tigen Auffassung des Römischen Rechts.
Wenn der Beklagte den Anspruch des Klägers voll
ständig einräumt, so erfolgt kein Urtheil, sondem ein bloßes Agnitionsresolut, wird,
welches jedoch wie ein Urtheil publicirt
und zur Erecution geeignet ist. —
Dieses ist im
Wesentlichen die ältere Römische Behandlung der confessio in jure.
heit zu, aber S. 311 gestattet er
(c) Danz Prozeß § 292—299, Martin § 128. Selbst Belh-
doch dagegen den Beweis des bloßen
mann-H ollweg, der die Lehre
Gegentheils
im
Ganzen sehr richtig
auffaßt,
scheint doch in diesem Punkt nicht
ganz im Klaren zu seyn.
S. 310
der
eines bewiesenen Irrthums (d) Attg. Gerichtsordnung I
schreibt er zwar dem gerichtlichen
8 § 14 — 16,
Geständniß
§ 82 und 8 88 b
förmliche
Wahr
eingestandenen
Thatsache, ohne Anfechtung wegen
II
10 § 27 bi-
§. 308. Surrogate. 1. Geständniß. Heutige» Recht. Jedes Geständniß kann widerrufen werden,
47
aber es ist
nicht genug, das Gegentheil des Eingestandenen zu beweisen, sondern es muß in allen Fällen der Irrthum nachgewiesen
werden,
welches nur dadurch geschehen kann,
daß dessen
Entstehung aus wahrscheinlichen Gründen dargethan wird. Jedem Widerruf steht die Vermuthung der Wahrheit deS jedoch in verschiedenen Graden,
Etngestandenen entgegen,
das heißt, der Richter soll mit der Zulassung deS Widerrufs
mehr oder weniger schwierig und strenge seyn;
am strengsten
bei dem gerichtlichen Geständniß im gegenwärtigen Prozeß,
weniger bei dem,
in
einem anderen Prozeß abgegebenen
gerichtlichen Gestäirdniß; am wenigsten bei dem außergericht lichen. — Durch diese Strenge, und die damit verbundene Abstufung,
wird die grundsätzlich
unrichtige Behandlung
der Sache großentheilS wieder gut gemacht.
$.
309.
Surrogate des Urtheils. — II. Eid. — Einleitung.
Quellen: Dig. XII.2 (de jurejurando, sive voluntario, sive neces-
sario, sive judiciali).
Cod. IV. 1 (de rebus creditis et jurejurando). Paulus II. 1. Schriftsteller:
Malblanc doctrina de jurejurando Nor.
1781. 8 (enthält
viel praktisches Material).
Zimmern Rechtsgeschichte B. 3 § 127. 135. 150.
.
§. 308. Surrogate. 1. Geständniß. Heutige» Recht. Jedes Geständniß kann widerrufen werden,
47
aber es ist
nicht genug, das Gegentheil des Eingestandenen zu beweisen, sondern es muß in allen Fällen der Irrthum nachgewiesen
werden,
welches nur dadurch geschehen kann,
daß dessen
Entstehung aus wahrscheinlichen Gründen dargethan wird. Jedem Widerruf steht die Vermuthung der Wahrheit deS jedoch in verschiedenen Graden,
Etngestandenen entgegen,
das heißt, der Richter soll mit der Zulassung deS Widerrufs
mehr oder weniger schwierig und strenge seyn;
am strengsten
bei dem gerichtlichen Geständniß im gegenwärtigen Prozeß,
weniger bei dem,
in
einem anderen Prozeß abgegebenen
gerichtlichen Gestäirdniß; am wenigsten bei dem außergericht lichen. — Durch diese Strenge, und die damit verbundene Abstufung,
wird die grundsätzlich
unrichtige Behandlung
der Sache großentheilS wieder gut gemacht.
$.
309.
Surrogate des Urtheils. — II. Eid. — Einleitung.
Quellen: Dig. XII.2 (de jurejurando, sive voluntario, sive neces-
sario, sive judiciali).
Cod. IV. 1 (de rebus creditis et jurejurando). Paulus II. 1. Schriftsteller:
Malblanc doctrina de jurejurando Nor.
1781. 8 (enthält
viel praktisches Material).
Zimmern Rechtsgeschichte B. 3 § 127. 135. 150.
.
48
Buch II. Rechtsverhältnisse Puchta Kursus
Kap. IV Verletzung.
der Institutionen,
Auflage 2.
B 2
§. 173. 174.
(Beide für die geschichtliche Seite der Lehre)
Der Eid besteht in der Betheuerung der Wahrheit irgend
eines Ausspruchs dnrch Beziehung auf einen Gegenstand, der von dem Schwörenden als ein hoher, heiliger angesehen
wird (a)
Diese Beziehung soll gegen Andere eine gewisse
Sicherheit geben für die Wahrheit deS Ausspruchs,
das
heißt, für die Uebereinstimmung desselben mit dem Bewußt
seyn des Schwörenden, indem vorausgesetzt wird,
daß die
Ehrfurcht vor dem bezogenen Gegenstand eine gleichzeitige
Abweichung von der Wahrheit hindern werde (b)
Das
auf diese
Weise
versicherte
Bewußtseyn
kann
zweierlei Inhalt oder Richtung haben:
1.
Richtung
aus
die Zukunft,
wobei
also der Eid
Sicherheit geben soll für den Willen und die künftige That. Die Netteren nennen diesen Eid, dessen juristische Bedeutung (a) Dav R R läßt in der Auswatü dieser Gegenstände die größte Frechen zu, z. B per salutem tuain, per caput tiiuin vel filiorum, per geniuni principis, auch selbst propriae super stitionis, nur nickt improbatae publice religionis; dieser Eid ist verboten und hat gar nicht die Wirkungen eines Eides L. 5 pr. $ 1 3 de jur (12. 2) — Für
Ehriften giebt es leinen anderen Eid, als bei dem Namen Gottes, obgleich dabei verschiedene Aus drücke vorkommen können. (b) Cicero de officiis III. 29. „ Est eniin jusjurandum affirniatio religiosa. Quod autem affinnate, quasi Deo teste, promiseris, id tenendum est“
§. 309
Surrogate
eine obligatorische
nur
II
Erv
seyn kann,
49
Emlemmg
als Bestärkung eines
Versprechens, jusjurandum promissorium.
II.
Nichtullg
auf vie Vergangenheit,
wobei der
Eid
Sicherheit geben soll für die Wahrheit des ausgesprochenen
Denkens
Dieser Eid wird von den Neueren assertorium
genannt.
Seiner allgemeinen Natur nach geht derselbe auf
reine Thatsachen, ist also bloßes Beweismittel, und gehört
So ist es in der That mit
lediglich in die Prozeßlchre
dem Zeugeneid,
desgleichen mit dem Ersüllungseid
und
Reinigungseid der Parteien. Eine eigentbümliche Natur aber hat im Römischen Recht
der zugeschobene Eid nommen,
(jusjurandum delatum)
ange
welcher unter gewissen Umständen selbstständiges
Mittel der Entscheidung eines Rechtsstreits, also Surrogat
eines
Urtheils werden kann,
und daher ganz eigentlich
hierher gehört.
Ueber die Anwendungen des prvmissvriichen Eides soll hier, damit es
an einer vollständigen Anschauung der ganzen
Lehre nicht fehle, eine kurze Uebersicht gegeben werden. Die Fälle dieser Anwendung sind so verschiedenartig, daß das Obligationenrecht keine Gelegenheit darbieiet, sie unter einem
gemeinsamen Gesichtspunkte zusammen zu fassen Es kommt dieser Eid vor, sowohl im öffentlichen Recht, als im Privatrecht
Im öffentlichen Recht- der Eid der
Soldaten, der Beamten, des Vormundes VII.
I
50
Buch II Rechtsverhältnisse
Kap. IV. Verletzung
Im Privatrecht find di« Anwendungen des BersprechungSeides nicht von Erheblichkeit; folgende kommen im Römischen
Recht vor:
1
Die
wichtigste
und
Anwendung
eigenthümlichste
findet sich bei den Diensten freigelassener Sklaven,
Patron
einklagen
waren.
Das Bedürfniß und der
form wäre klar,
konnte,
wenn
wenn der,
sie
die der
versprochen
eidlich
Nutzeil dieser Rechts
noch im Sklavcnstand wegen
künftiger Dienste geleistete Eid diese Kraft gehabt hätte,
weil der
Sklave durch
nicht klagbar verpflichten Fall
sollte
sondern nur,
auch
selbst
Bertragsformen sich
gewöbnliche
konnte. der Eid
Aber gerade in diesem
keine
Aage
bewirken,
wenn derselbe nach der Freilassung geleistet
wurde; zu dieser Feit aber war auch die gewöbnliche Sti
pulation zulässig lind von gleicher Wirkung, zwischen ibr und dem Eid die Wabl hatte
so daß man
Der Gebrauch
dieser besonderen Form ist wobl daraus zu erklären, daß ein solcher Eid auch schon
im Sklavcnstand üblich war,
und dann zwar keine Klage bewirkte, wohl aber die religiöse Verpflichtung mit sich führte, denselben Eid nach der Frei
lassung zu wiederbolen, wodurch er dann klagbar wurde (c) Daß
das Recht aus diesem
deminutio des Patrons unterging,
Eid
durch
jede
capitis
ist schon oben bemerkt
worden (d).
(c) L. 7 de op. tibert (38.1), L. 44 de lib causa (40. 12). (d) Gajvs III § 83, § 1 J
de adqu. per adrog S o B 2 S 81
(3. 10)
2. Die ^Bestätigung eines Rechtsgeschäfts durch dm Eid soll Dasselbe selbst dann unanfechtbar machen, wenn eS außerdem hätte angefochten werden können. Dieser wichtige abstracte Grundsatz ist dem Römischen Recht selbst fremd Nur die Restitution ist überhaupt und am meisten in Bestehung auf die Minderjährigen, einem sehr freien Ermessen der richterlichen Obrigkeit unter worfen (e), und so findet sich denn auch einmal ein kaiser liches Rescript, welches die von einem Minderjährigen bei dem Kaiser (wahrscheinlich in der Appellationsinstanz) nach gesuchte Restitution gegen eine Veräußerung unter andern aus dem Grunde abschlägt, weil der Vertrag durch Eid bestätigt sev, die Anfechtung also einen Meineid in sich schließen würde (f) Allein dieses Rescript, welches offen bar mit Rücksicht auf alle ^Umstände des einzelnen Falles erlassen war, kann unmöglich als abstracte Vorschrift für den Eid der Minderjährigen überhaupt angesehen werden, weder im Sinn seines Verfassers, noch im Sinn der Ju stinianischen Sammlung, in welche es ausgenommen wurde; es sollte hier blos zeigen, daß unter den Gründen der Verweigerung einer Restitution auch ein geleisteter Eid Vorkommen könne Dennoch ist jener Stelle im zwölften Jahrhundert von einer Partei der Juristen (im Widerspruch mit einer andern Partei) der erwähnte abstracte Sinn bei gelegt worden, und der K. Friedrich I. hat diese falsche (e) L 3 de in int fest (4 1), L. 24 § 1 5 de minor (4 4)
(f) L (2 28).
l ('
st adr t>end.
52
Buch II. Rechtsverhältnisse.
Auslegung gesetzlich bestätigt,
theil
des
Römischen Rechts
Kap IV
Verletzung
welche seitdem als Bestand
anerkannt
worden ist
(g)
Päbstliche Verordnungen haben diesen Satz anerkannt und
näher ausgebildet (h). 3. Die Anfechtung eines beschworenen Vergleichs oder anderen Vertrags soll die Infamie zur Folge haben (i).
4.
Wenn ein Zahlungsversprechen per gcnium principis
eidlich bestärkt, dann aber nicht erfüllt wird, so soll daraus die Strafe körperlicher Züchtigung erfolgen (k)
5. wirken,
Der Ausspruch eines Schiedsrichters sollte klagbar
wenn das
Kompromiß eidlich
bestärkt wäre (!)
Diese Bestimmung ist jedoch späterhin wieder ausgehoben worden (m).
6
Endlich kann vie Leistung eines Eides einem Rechtsge
schäft als Bedingung hinzugefügt werden, in welchem Fall durch willkürliche Uebereinkunft der Eid,
gleich jeder an
deren Thatsache, zum Grund der Entstehung oder auch der Auf
hebung einer Verbindlichkeit gemacht werden kann (n)
—
Nur bei Erbeinsetzungen und Legaten ist eine solche Be
dingung (die conditio jurisjurandi) besonders untersagt, und da, wo sie dennoch hinzugestlgt wird, soll der letzte Wille
(g) \iith. Frid Sacramenta puberuni C si ad\.vend. (2.28). Vgl Savignn RecblSgeschlckte B 4 S 162 (h) C 28 X de jurej. (2. 24), C 2 de pactis in VI (1 18). (i) L 4t C de transact (2. 4)
(k) L 13 § 6 de jurej (12. 2). (l) L. 4 C de recept (2 56) (m) Nov 82 s 11, Auth Decernit. C. de recept (2. 56) (ii) L. 19 §6 dedon.(39 5), L 39 de jurej (12. 2)
§. 309
II. Eid
(Surrogate
53
Einleitung.
als unbedingt behandelt, und die zu beschwörende Handlung in einen Modus verwandelt werden (o).
Der zugeschobcne Eid, von welchem allein nunmehr die
Rede sevn wird,
beruht auf dem Grundsatz,
der in einem zweifelhaften, einem Anderen steht,
bewirken kann
daß Zeder,
streitigen Rechtsverhältnisse zu
die Feststellung desselben durch Eid
Aus dem Eide entsteht dann stets formelle
Wahrheit, so wie aus dem gerichtlichen Geständniß (§303). Unter gewissen Bedingungen kann daraus sogar die selbstständige Entscheidung ciires Streites hervorgehen, in welchem
Fall ein richterliches Urtheil entbehrlich wird, unb der Eid selbst als Surrogat des Urtheils erscheint.
Wäre dieser Grundsatz verlangen könnte,
so
gemeint, daß
jede Partei
durch ihren eigenen Eid den Rechtsstreit
zu entscheiden, so wäre dieses Institut für die Rechtssicher heit höchst gefährlich;
in vielen Fällen würde Alles von
dem Zufall abhangen,
welcher von Beiden sich zuerst zum
Eide meldete
selbst des
Es soll daher keine Partei befugt seyn, sich
Eides willkührlich
zu bemächtigen (p).
Grundsatz aber hat vielmehr die Bedeutung,
seinem Gegner den Eid zuschieben kann,
Jener
daß Jeder
und daß der so
(o) (S o B. 3 S 185—190. tuebitur, sibi enim juravit; (p) L. 3 pr dejurej. (12.2) alioquin facillimus quisque ad „ - nani si reus juravit, ne jusjurandum decurrens, nemine mine ei jusjurandum deferente, sibi deferente jusjurandum, Praetor id jusjurandum non oneribus actionum se liberabit“.
54
Buch U
yiccbtävi'rlmltiiuTr.
Kap IV
Verletzung,
veranlaße Eid die Kraft einer Entscheidung des Streites
haben soll
Der Sinn dieses Rechtsinstituts
beruht auf
der Voraussetzung, daß eine Partei in die sittlich-religiöse Gesinnung der Gegenpartei das Vertrauen setzt, diese werde nicht schwören, wenn sie nicht von ihrem Rechte, also von
der Wabrheit ihrer Behauptungen, überzeugt sev wird also meist zugeschoben,
leiste,
Der Eid
nicht damit der Gegner ihn
sondern in der Erwartung und mit dem Wunsche,
daß er ibn nicht leisten, vielmehr durch die Scheu vor dem Meineide
zum freiwilligen Nachgeben sich bewegen lassen
werde. Dieser Hergang
nun
läßt sich denken innerhalb der
folgenden vrei verschiedenen Zustände.
1.
Ehe
noch
ein Rechtsstreit angesangen
hat (außer
gerichtlicher Eid)
2.
In einem Rechtsstreit,
und
zwar vor dem Prälor
und
zwar vor dem Iuder
(in jure)-
3. In einem Rechtsstreit,
(in judicio). In der Hauptsache, nämlich in der, aus dem Eide her
vorgehenden, formellen Wahrheit, stehen diese drei Fälle nach Römischem Recht einander gleich.
Beide letzte Fälle aber
haben noch folgende Eigenthümlichkeiten
Im zweiten und dritten Fall wird durch die bloße Zuschiebuitg für den Gegner eine gewisse Nothwendigkeit, ein
Zwang, Rede ist
herbeigeftihrt,
wovon im ersten Fall nicht die
§
Surrogate
309
II
(Sie
(Smlettung
56
können zugleich noch besondere und
Jin Zweiten Fall
stärkere Wirkungen emtreten
Außer der wirklichen Ableistung ves Eides aber kommen noch folgende erhebliche Ereignisse in Betracht:
A. Der Erlaß des Eides (remissio), nachdem der Gegner ihn angenommen
hak,
und zu schwören bereit ge
wesen ist
B. Die Zurückschiebung des Eides (relatio) diese wirv
dasselbe Verhältniß,
sprüngliche Zuschiebung,
herbeigeführ»,
Durch
wie durch die ur
mit allen
seinen
Folgen,
nur mit umgekehrter Stellung beider
Parteien
Die hier übersichtlich aufgestellten Sätze sollen nunmehr einzeln entwickelt und aus unseren Rechtsquellen nachge wiesen werden,
wobei folgender Gang der Untersuchung
engeschlagen werden wird
A. Römisches Recht I. Zuschiebung II. Ableistung
III. Möglicher Inhalt des Eides. IV. Form des Eides V. Erlaß VI. Gemeinsame Wirkungen
VH. Besondere Wirkungen, je nach der verschiedenen
Lage des Streites
B
Heutiges Recht.
56
Buch II
§
3«1) alt.
310.
-
Surrogate res Urtheils. Ableistung,
Kap. IV Verletzung.
Rechtsverhältnisse.
Form,
II. Erd. Erlaß
Fusch,cbung,
--
des
zug escho beilen
Erdes
I. Zuschiebung des
Eides.
Nur durch diese völlig freie Handlung
einer Partei
kann die Reihe von Wirkungen hervorgerufen werden,
das Wesen dieses Rechtsinstituts ausmacht Eid also,
die
Der einseitige
ohne vorhergehende Zuschiebnng, ist völlig wir
kungslos (8 309 p) Die Zuschicbung ist möglich in und außer einem Rechts Sie kann geschehen sowohl von dem Kläger gentium
anstatt daß der Eid,
Vertragsnatur (Note k),
daß er
vermöge seiner
dem ju* gentium vollständig an
Hieran knüpft sich die Wirkung,
daß durch
den gegen eine Obligation abgeleisteten Eid auch selbst der naturale Bestandtheil dieser Obligation (nicht blos die Klag
barkeit ) zerstört wird,
so daß Pfänder frei werden,
und
eine spätere Zahlung als Indebitum zurückgesordert werden kann (i').
(m) ,, . hoc jusjurandum Vgl auch Lil § 3 L. 12 de in locum litis contestatae suc- jur. (12 2) cedit “ (p) L. 2 eod „majorenique (n) L 9 §3 de jur (12. 2), habet auctoritatem, quam res nämlich nach dem älteren Recht, judicata.“ in welchem die L. (5. als regel (q) §4 J de exceyt (4. 13) mäßige Unterbrechung erfordert ,, . . quia iniquum est, de wurde. S. o B 5 S. 316. perjurio quaeri, defenditur per (o) L. 1 quarum rer actio exceptionemjurisjurandi“. Der (44. 5) . viceni rei judica- selbe Ausdruck steht in den vor tae obtinet.“ Dieses zeigt sich hergehenden drei §§, fehlt aber in in der für beide gemeinsamen dem folgenden (§ 5 eod.), der von förmlichen Wahrheit, und ui der in der exc. rei jud. handelt. factum actio, s o. Roten b. c. (r) L. 40. 42 yr de jur (12. 2), L. 43 de cond ind
§ 311
Surrogate
noch
(Sitte praktisch
knüpft,
II
besteht darin,
Etc
Gemetmamc Wirkungen
wichtigere Folge Die
67
sich daran
daß die Wirkung des Eides selbst
durch die Behauptung des Meineides nicht soll entkräftet
werden
können (s),
und daß insbesondere aus diese Be-
hauptung keine doli actio, werden darf (tj
von dieser Regel
exceptio,
replicatio gegründet
Das neueste Römische Recht gestattet
—
nur die emsige Ausnahme,
wenn der
Anspruch aus ein Legat oder Fideieommiß durch den Eid
des Legatars begründet, nachher aber der Meineid nachge wiesen wird
(u)
Ein deutsches Reichsgesetz dagegen ver
daß der vor dem Straftichter erwiesene Eid stets
ordnet,
auch die Verpflichtung zum Schadensersatz mit sich führen
soll (v)
- Die etwas auffallende Vorschrift des Römischen
Rechts hat offenbar die Bedeutung, die Entscheidung
der Sache
daß der Zuschiebende
von des Gegners Eid,
selbst aus die Gefahr des Meineides hin
und
(die ihm ja nicht
verborgen seyn konnte), abhängig machen wollte
Zum Schutz der hier aufgestellten Wirkungen des Eides werden alle Arten von Rechtsmitteln gegeben, die nach den Umständen erforderlich seyn können.
95 § 4 de solut
Deutet in allgemeinen Worten L. 1
(46 3) (s) L. 31 in f de jur (12.2), L.iC eod.f vgl. oben Note q.
nianische Interpolation zu seyn scheint, da keine andere Ausnahme
(12
8),
L.
(t) L. 21. 22 de dolo (4. 3), L. 5 de except (44. 1).
(u)
L. 13 C. de jur
(4. 1)
Auf solche gesetzliche Ausnahmen
C. eod.t welches jedoch eine Justi
dieser Art vorkommt.
(v) Const. art 107
crim.
Carol,
'68
Buch II Rechtsverhältnisse
Kap IV Verletzung
Ist also eine Klage nöthig,
so wird eine solche gege
ben (w); Dieses gilt namentlich auch von dem außergerichtlichen Eide (x).
Eben so wenn eine Erception erforderlich
ist, nämlich wenn der Kläger die Thatsache eines vom Be
klagten geleisteten Eides bestreitet, weil außerdem die Klage sogleich, und ohne Erception, abgeschlagen wird m )
Jede Wirkung des Eides aber,
und zedeo ;um Schutz
derselben anzuwendende Rechtsmittel,
muß sieb genau an
schließen an den besonderen Inhalt des geschworenen Eides, und darf über diesen Inhalt nicht hinausgeben also Jemand,
gehöre,
daß eine Sache
Einrede gründen (z). —
oder eine Erbschaft ihm
sowohl
so kann er daraus
eine Klage, alo eine
Schwört er,
(m) £. 9 § l 6 de jur (12.2), niid zwar eine actio in factum, s. c Note c (x) L. 2k 8 l O eod (>) L 3 pr L 7, L. 9 pr. § 1 eod (z) £.9 § 7 L 11 § 1 3 eod Höchst bestritten ist Vie Auslegung der £ 13 § 1 eod „Juhaims ait, eum, qui jura\ it fundum suum esse, post 1 t praescriptionem etiam, utilein actionem habe re“. Viele wollen damit beweisen, daß zur Zeit der alten Juristen die 1. t. praescr zugleich em Klag recht gegeben habe. Sie nehmen also an, der Schwörende und der Besitzer, der die 1. t. praescnptio erworben habe, seyen in dieser Stelle als eine und dieselbe Person gedacht, und dieser Person werde
Schwört
daß
eine Sache
nun em ^lagrecht zugeschrieben für den Fall, daß sie spater den Besitz wieder veilieu Tiefe ($r klarung aber ist gewiß zu ver werfen Tenn wenn die 1.1 praescr. die Kran baue. em Klagrecht m begründen (welches eben durch diese Stelle bewiesen werden soll), wozu bedurfte es dann noch da neben der Erwähnung des Eides? Umgekehrt aber ist es von dem Eide für sich allein unzweifelhaft, daß er em Klagrecht erzeugte (Note w, wozu bedurfte es da neben noch der Erwähnung der 1. t. praescr *■ — Die richtige Erklärung der Stelle beruht viel mehr auf folgender Voraussetzung Die Eigenthumsklage wird gegen einen Besitzer angestellt, der bas Eigenthum des Klagers verneint,
8 311
Surrogate II (*iir
dem Gegner nicht gehöre, Einrede (aa)
Geillklnianie Wirkung«!
69
so gewinnt er dadurch nur eine
Im Einzelnen treten dann diezelben praktische
Folgen ein, wie sie den Klagen aus Eigenthum, Erbrecht,
Schuldsorderungen u. s w
Klagen,
angemessen sind,
unabhängig von einem Eide,
wenn diese
angestellt und be
gründet werden (bb)
Die durch
den Eid
herbeigesührte Entscheidung eines
Rechtsstreites kann auch noch von Wichtigkeit seyn, nicht mehr von diesem Rechtsstreite selbst,
wenn
sondern von
einem künftigen, mit jenem identischen oder verwandten, die
Rede ist
Es ist derselbe Einfluß, von welchem schon oben
bei dein rechiskrästigen Urtheil ausführlich die Rede gewesen
ist,
und
es gelten für den Eid Hierin dieselben Regeln,
welche dort entwickelt worden sind (ec)
— Auch bei dem
Eide kommt Alles daraus an, daß in beiden Sachen eadem
quaestio zum Grunde liege, wenn herjn der früheren Sache geleistete Eid aus die Entscheidung der spateren Einfluß
fcaiiebeii aber Anspruch auf eine 1. t. praescr bat. Anstatt diese vorzuschützen, und vor Allem den Beweis des Eigenthums zu er warten, wählt er den anderen Weg, daß er dem Kläger den Eid zuschiebt. Wenn nun der Kläger den zugeschobenen Eid schwort, so soll er dadurch eine Klage nut sicherem Erfolg (utilem actionem) Haben, ungeachtet der Beklagte eine 1. t. praescr. Hätte vorschützen können (post 1.1. praescr. etiam). Denn in der EideSzuschiebung über
ras Eigenthum (ohne Zusatz und Vorbehalt) liegt dann em Verzicht ans die 1. t pr. weil der Beklagte durch diese Eideszuschiebung die vollständige Entscheidung über hie ganze Streitsache ui die Hand des Klägers gelegt hat. (aa) L. 11 pr eod. L. 7 § 7 de publ (6. 2) (bb) L. 11 § 1 2.3. L.30 8 1.2. 5 L. 36. L. 42 pr § 1 jur. (12. 2). (cc) S. o B 6 S. 414. 415 und § 297 d 8 299 e
Buch II
70
haben soll Urtheil,
Rechtsverhältnisse.
(dd)
—
Auch
bei
Kap IV. Verletzung,
Eide,
dem
wie bei dem
sind folgende Umstände für den Einfluß auf den
späteren Rechtsstreit gleichgültig: 1.
die Verschiedenheit des äußeren Gegenstandes (ce).
2
Die Verschiedenheit der Klage (ff)
Wer also, bei einer
angestelllcn furti actio, schwört, daß er nicht gestohlen
habe,
ist dadurch auch gegen eilte künftige condictio
fnrtiva gesichert, und umgekehrt.
3
Die Verschiedenheit der Parteirollcn,
so daß der ge
leistete Eid künftig eben sowohl für den Schwörenden bindend ist, als für seinen Gegner ter>
8
Surrogate v e o Urtheils
312
—
II
(Ssifc
(entere
—
Wtrkuugc n ic n a d) d e v v c v (dn c D c n e n V a g e d c ö S r x e 11 c 0 VIII.
Besondere Wirkungen.
Es ist schon oben bemerkt worden, daß die Zuschicbung
des Eides während drei verschiedener Zustände des Streites Vorkommen (§ 309).
kann,
außergerichtlich,
in jure,
Es ist nun noch festuistellen,
in judiciu
welche eigenthüm
liche Wirkungen der Zuschiebung in ledem dieser drei Fälle anzunehmcn sind
Voraus muß bemerkt werden,
daß die,
im vorhergehenden Paragraphen angegebenen, gemeinsamen Wirklingen
von
dieser
(dd) £ 28 §4 7 eod (ee) £.11 § 3 7 eod
Verschiedenheit
unabhängig
sind.
(ff) £ 28 § 4. 6 —9 L. 13 §2 £. 30 § 4 eod. (gg) £ 13 § 3. 5 eod
Buch II
70
haben soll Urtheil,
Rechtsverhältnisse.
(dd)
—
Auch
bei
Kap IV. Verletzung,
Eide,
dem
wie bei dem
sind folgende Umstände für den Einfluß auf den
späteren Rechtsstreit gleichgültig: 1.
die Verschiedenheit des äußeren Gegenstandes (ce).
2
Die Verschiedenheit der Klage (ff)
Wer also, bei einer
angestelllcn furti actio, schwört, daß er nicht gestohlen
habe,
ist dadurch auch gegen eilte künftige condictio
fnrtiva gesichert, und umgekehrt.
3
Die Verschiedenheit der Parteirollcn,
so daß der ge
leistete Eid künftig eben sowohl für den Schwörenden bindend ist, als für seinen Gegner ter>
8
Surrogate v e o Urtheils
312
—
II
(Ssifc
(entere
—
Wtrkuugc n ic n a d) d e v v c v (dn c D c n e n V a g e d c ö S r x e 11 c 0 VIII.
Besondere Wirkungen.
Es ist schon oben bemerkt worden, daß die Zuschicbung
des Eides während drei verschiedener Zustände des Streites Vorkommen (§ 309).
kann,
außergerichtlich,
in jure,
Es ist nun noch festuistellen,
in judiciu
welche eigenthüm
liche Wirkungen der Zuschiebung in ledem dieser drei Fälle anzunehmcn sind
Voraus muß bemerkt werden,
daß die,
im vorhergehenden Paragraphen angegebenen, gemeinsamen Wirklingen
von
dieser
(dd) £ 28 §4 7 eod (ee) £.11 § 3 7 eod
Verschiedenheit
unabhängig
sind.
(ff) £ 28 § 4. 6 —9 L. 13 §2 £. 30 § 4 eod. (gg) £ 13 § 3. 5 eod
312
§
Surrogate
II
Eid
71
Besondere Wirkungen.
Jene Wirkungen beziehen sich insgesammt aus Den Fall der wirklichen Ableistung des zugeschobenen Eides;
darauf be-
ferner die dem Eide zukom
rubt die förmliche Wahrbeit;
mende doppelte Eigenschaft, als eines Vertrages, und alS einer entscheidenden Prozeßhandlung, endlich der Schutz der
förmlichen Wabrbeit durch
jedes erforderliche Rechtsmittel,
Die nunmebr zu untersuchenden Ver
Aage oder Einrede.
schiedenbelten bezieben
demnach
sich
besonders
auf
die,
und Ableistung in der Mitte lie
zwischen der Zuschiebung genden Folgen
Außergerichtliche Zuschiebung
!
Das Eigentbümliche dieses Faltes
bestebt darin,
in der freiesten Willkür des Gegners steht;
Alles
den Eld annebmen,
daß
will er
will er ibn ausdrücklich verweigern,
oder mit Stillschweigen übergeben, so steht Dieses in seiner
Macht, und er bat weder unmittelbaren, Zwang zu besorgen (a).
Auch feblt es
wenigstens für den Kläger,
Zwang,
noch indirecten
zu einem solchen
an jedem Bedürfniß,
da er in jedem Augenblick die Klage vor Gericht bringen
und dann durch den notbwendigell Eid unterstützen kann. Wird
also
der
in
dieser Lage zuqeschobene Eid nicht
angenommen, so ist es so gut, geschoben
(a)
worden
(b)
Von
Bon der einzigen Stelle,
die auf einen indirekten Zwang bezogen werden konnte (L. 38 de jur
12
2)
wird
unten
gezeigt
als wäre er gar nicht zu einem
Zurückschieben dieses
werden, daß sie Nicki von der außergericktlicken Zuschiebung zu versteben ist (§313 f) (b) L 5 § 4 eod
72
Buch II Rechtsverhältnisse
Kap IV Verletzung
Eides kann gar nicht die Rede seyn (c); darin würde nur der Versuch einer umgekehrten Zuschiebung liegen,
welche
wiederum dem Gegner volle Freibeit lassen würde,
diesen
zuletzt zugeschobenen Eid anzunehmen oder zu verweigern
2
Zuschiebung vor dem Prätor (in jure).
Wenn in dieser Lage des Streites der Kläger oder der
Beklagte den Eid zuschiebt,
ob er sich daraus einlassen will,
kür des Gegners, mehr wird
\o siebt es nicht in der Will
er dazu gezwungen (d)
viel
Dieser Zwang aber
besteht nrcht etwa in einer Strafandrobung, sondern in der Wahl zwischen solgenden Entschließungen
entweder nachgebell, also thun,
Er muss
was der Gegner ver
langt,
oder schwörell, oder den Eid dem Gegner zurück schieben (referro). Zu den beiden letzten Maßregeln giebt es keinen eigent
lichen Zwang,
wohl aber zu der ersten;
Zwang
darauf also wird
in
verschiedenen
Arten, die noch näher bestimmt werden sollen
Wenn also
dann der
wahre
gerichtet
(e),
(c) L. 17 pr eod „Jusju worin also der Gegensatz liegt, randuni, quod ex comentione daß teber Andere in der That ge extra Judicium defertur, referri zwungen wirb. non potest“ Die Ziirückschiebung (e) L 34 8- li de jur (12 hat nur eine eigenthümliche Be- 2) ,,\it Praetor eum, a quo deuNiilg als ein Mittel, Dem außer jusjurandum petetur, solvere dem eintvetenben Zwang eine an aut jurare cogani Alterum ita dere Wendung zu geben (Note g). que eligat reus, aut solvat aut (d) L Z8 § 2 de jud. (5 1) juret, si non jurat, solvere co ,, nee jurare cogendus est“, gendus erit a Praetore “ als Ausnahme bei einem Legaten,
8 312
Surrogate
II
Chr
Besondere Wirkungen
73
der Gegner jeT>e dieser Maßregeln ausdrücklich verweigert, oder (was dasselbe ist) blos schweigt,
also jede Erklärung
unterläßt, so gilt Dieses eben so, als wenn gegen ibn durch den Eid des Zuschiebenven die sörmlicke Wabrbeil sestgestellt wäre,
und er wird
uim sactischen Nachgeben unmittelbar
gezwungen (f)
Unter jenen drei Gegenständen freier Wabl ist das Zurückschieben des Eides genannt worden
Diejes bat ganz
dieselbe Natur, wie die ursprüngliche Zuscknebung, und es
tritt nun mit
ganz daö bisber beschriebene Versabren ein, nur
Umkebrung
der
wird als die bescheidenste
trachtet,
(^).
Personen
Tas
Zuruckschieben
und anständigste Maßregel be
als Aeußerung des Vertrauens in die Gewissen
haftigkeit des Gegners (h)
angemessen,
Es ist nicht immer nötbig oder
daß dieser zweite Eid mit dem ersten wörtlich
übereinstimme,
darüber
bat nach Umständen die Richter
bebörde zu entscheiden (i) Es sind jedoch solgende Einschränkungen des so eben
erörterten Zwanges zu bemerken
Aus persönlicher Ehr
furcht braucht die Zuschiebung in der Regel nicht unterlassen
zu werden, so daß sie selbst zulässig ist gegen den Vater
und den Patron des Zuschiebenden (k); in der Zuschiebung
(f) L. 34 8? 9 eod. Bon dem letzten dreser zwer 88 wirb noch weiter die Rede seyn (§ 313 d). (g) L. 34 8 7 eod. (h) L. 25 8 1 o würde
ich jene Frage unbedenklich verneinen
Er bestand aber in
der That nur in der angenommenen Feststellung des Gegen theils der Behauptung, welche zu beschwören in die Macht
deS Weigernden gestellt war (§. 312 f), und dieses Zwangs mittel dem Juder, so gut als dem Prätor, zuzuschreiben,
kann nicht das geringste Bedenken haben.
Der eigentliche,
gewiß richtige Gesichtspunkt für jene Feststellung zum Nach theil Deffen, der den zugeschobenen Eid verweigert, ist in
folgender Stelle des Paulus ausgedrückt (f): festae turpitndinis et confessionis est,
nec jusjurandum rcferrc“.
Mani-
nolle ncc zurare,
Diese Stelle ist ganz wie ge
schrieben zur Rechtfertigung des Juder, der die Weigerung völlig wie ein gerichtliches Geständniß behandelt und hier nach sein Urtheil einrichtet, und sie wird also am natür lichsten bezogen auf die Eideszuschiebung vor dem Juder
Auf die außergerichtliche kann sie nickt bezogen werden, weil
(f) VII.
L 38 de jur (12. 2)
6
82
Buch II
Rechtsverhältnisse
Kap IV
Verletzung.
dabei keine Art des Zwanges vorkam, insbesondere aber
auch kein referre (§ 312 Noten a. c.); eben so wenig aber
auf die Eideszuschiebung vor dem Prätor (g), dessen zwin
gende Gewalt bierin an sich keiner Rechtfertigung bedurfte, und auch schon wörtlich in dem Edict begründet war. Eine Bestätigung der hier aufgestellten Behauptung liegt
noch in dem Fall des Albulius, in welchem das Centum-
viralqericht
die Berweigerung
eines
.zugeschobenen Eides
gleichfalls wie ein Geständniß bebandelte und dem Urtheil zum Grunde legte (h); die Eentumvirn aber batten die
Stellung des ^uder, nicht des Prätors, sie waren ttrtbeiler,
nicht vrozeßlcitcnde Obrigkeit.
Völlig verschieden von dem bisher dargestellren zuge
schobenen Eide ist eine andere Art, den Eid auf die Ent scheidung eines Rechtsstreites
anzuwenden;
eine Art der
Anwendung, die nach der älteren Römischen Gerichtsver fassung nur allein vor dem Inder Vorkommen konnte.
Wenn
nämlich, nach geführten Beweisen, der Richter über die Tbatsachen noch nicht völlig aufgeklärt ist, so kann er nach seinem Ermessen die eine oder andere Partei zum Eide aufsordern,
und je nach dem Ausfall desselben sein Urtheil cinrichken (i) Dieser Fall unterscheidet sich von dem des zugeschobenen Eides (g) Hierauf wird die Sielte bezogen von Pnchl a § 173. e (h) ÄE5EC4 controt lib. 3. praef
(1) L. 1 31 de jur L. 3 L 12 pr C eod
(12 2)
§ 313 Surrogate II. Eid. Besondere Wirkungen. (Forts)
83
wesentlich dadurch, daß keine Einwilligung der Parteien, also kein Vertrag zum Grunde liegt
Dieses ist reines
Beweismittel, und es ist dabei eine Anfechtung wegen später
aufgefundener Urkunden nicht unmöglich (k)
— Diese Art
des Eides ist in dem heutigen Prozeßrecht als Erfüllungseid
und Reinigungseid genauer ausgebildet worden. Es bedarf kaum noch der Bemerkung, daß vor dem
Luder der Eid jeder Art niemals Surrogat eines Urtheils
seyn, folglich das Urtheil selbst entbehrlich machen konnte. Die eigentliche Entscheidung konnte hier lediglich von dem
Urtheil ausgeben (1),
dessen Inhalt aber an den Inhalt
des Eides nothwendig gebunden war
Die Ueberschrift des Digestentitels (Xli. 2) lautet so: De
jurejiirando,
judiciali.
mvc
\ uluntario,
mvc
neccbsario,
sive
Darin sind augenscheinlich Römische Kunstaus-
drücke enthalten, über deren Bedeutung
in
neuerer Zeit
verschiedene Meinungen aufgestellt worden sind (m).
Nach
der bis hierher geführten Untersuchung scheint folgende Be
deutung dieser Ausdrücke angenommen werden zu müssen.
(k) jn ciefvv Hinsicht unterscheid en sich überhaupt Urtheile und Vergleiche (.zu welchen letzten der Eid gehört). L. 35 de re Jud (42. t), L. 19.29 C detrausaet (2.4) Vgl Burchardi Wieder
elnietziing in den vorigen Stand S 13S (1) L 34 8 0 L 31 de jur
(12 2) (in) Do-selli s Lib 24 C 24. P n ch t a Institutionen § 173 Note e
84
Buch II
Rechtsverhältnisse.
Kap IV Verletzung
Voluntarium ist der außergerichtliche Eid, weil dessen An
nahme und Leistung ganz in der Willkür der Partei lag, welcher er zugeschoben wurde.
Nccessarium ist der in jure
oder in judiciu zugeschobene Eid, weil in beiden Fällen die
Partei genöthigt war, sich in irgend einer Weise auf den
selben einzulassen
Judiciale endlich ist der vom Zuder, ohne
Zuschiebung von Seiten einer Partei,
auserlegte Eid —
Anders ist freilich der Sprachgebrauch der neueren Schrift Hier beißt voluntarium der zu-
steller über den Prozeß
gescbobene, also von dem Witten einer Partei ausgehende
Eid, necessarium der von dem Willen des RicknerS aus gehende,
also von jedem Parteiwillen völlig unabhängige
Der Ausdruck der Freiwilligkeit oder Unfreiwilligkeit
Eid
wird also von den Neueren m einer anderen Beziehung gebraucht, als von den Römern
314
8 Surrogate rcs Urtheils
-
II
('m
— Heul> ges Recht
Es bleibt jetzt nur noch übrig, die späteren Aenderungen
des bisher dargestellten Rechts des Eideö binzu zu fügen Die in Justinian s Gesetzgebung eingetretene Aenderung ist bereits dargestellt tvorden (§ 313); es ist also nur noch
von dem heutigen Rechte zu reden Als
vorherrschender Gesichtspunkt
ist
hier
anerkannt
worden die Heiligkeit des Eides als einer religiösen Hand lung
Alle Neuerungen zwecken darauf ab,
theils dem
Meineide vorzubeugen, theils den Mißbrauch zu verhüten,
84
Buch II
Rechtsverhältnisse.
Kap IV Verletzung
Voluntarium ist der außergerichtliche Eid, weil dessen An
nahme und Leistung ganz in der Willkür der Partei lag, welcher er zugeschoben wurde.
Nccessarium ist der in jure
oder in judiciu zugeschobene Eid, weil in beiden Fällen die
Partei genöthigt war, sich in irgend einer Weise auf den
selben einzulassen
Judiciale endlich ist der vom Zuder, ohne
Zuschiebung von Seiten einer Partei,
auserlegte Eid —
Anders ist freilich der Sprachgebrauch der neueren Schrift Hier beißt voluntarium der zu-
steller über den Prozeß
gescbobene, also von dem Witten einer Partei ausgehende
Eid, necessarium der von dem Willen des RicknerS aus gehende,
also von jedem Parteiwillen völlig unabhängige
Der Ausdruck der Freiwilligkeit oder Unfreiwilligkeit
Eid
wird also von den Neueren m einer anderen Beziehung gebraucht, als von den Römern
314
8 Surrogate rcs Urtheils
-
II
('m
— Heul> ges Recht
Es bleibt jetzt nur noch übrig, die späteren Aenderungen
des bisher dargestellten Rechts des Eideö binzu zu fügen Die in Justinian s Gesetzgebung eingetretene Aenderung ist bereits dargestellt tvorden (§ 313); es ist also nur noch
von dem heutigen Rechte zu reden Als
vorherrschender Gesichtspunkt
ist
hier
anerkannt
worden die Heiligkeit des Eides als einer religiösen Hand lung
Alle Neuerungen zwecken darauf ab,
theils dem
Meineide vorzubeugen, theils den Mißbrauch zu verhüten,
§. 314
Surrogate
II Gtt
Heutiges Recht.
85
der in der Leistung eines unpassenden oder unnützen Eides liegen würde.
Hierauf gründen sich folgende einzelne, vom
Römischen Recht abweichende Sätze. Vor Allem bat der Richter freiere Macht in der Auf sicht auf den zugeschobenen Eid, der also nicht mehr so, wie
im Römischen Recht, durch die freie Uebereinkunft der Par
teien bestimmt werden kann
— Der Richter versagt ihn,
wenn nach den Umständen ein Meineid zu befürchten ist. —
Die Fassung der Eidesformel wird von dem Zuschicbenven nur vorqeschlagen, der Gegner hat sich darüber zu erklären,
der Richter aber bat sie festzustellen
Für diese Bestimmung
findet sich ein Anhalt schon im Römischen Reckt (§ 310 ec) — Ein Unmündiger, den das Römische Reckt zur Ableistung
eines
zugeschobenen Eides zuläßt, weil er dabei nur ge
winnen, nicht verlieren kann (§ 310. >,), wird jetzt nicht
mebr zugelassen (§ 312
— Der Eid vor Gefährde fällt letzt weg
n)
Der außergerichtliche Eid, der ganz ohne richterliche Aufsicht feint würde, ist jetzt gar nicht mehr zulässig und
bat, wenn er durch die Willkür der Parteien dennoch angewendet wird, nicht mehr die Wirkungen, die ihm das Römische Recht beilegt (a).
In manchen Partikulargesetzen
ist er geradezu verboten (b)
(a) S o §311 312. Mn Ult« gegen den Zuschiebenden abgeleitet recht wirb Dieses bezweifelt von werden können, obgleich dieser selbst Linde Prozeß §301 N 6 Nach den Anstoß da;u gegeben hat — (b) So z B in Preußen. dem heutigen Recht also würde aus einem solchen Privateide weder Allg L R 11 20 § 1425. 1420 kitte Klage, noch eine Einrede 1429 Allg G O 1. 10 § 248
Buch II.
86
Kap. IV
Rechtsverhältnisse
Verletzung
Der Eid ist jent bloßes Beweismittel, und kann nur
über reine Thatsachen, nicht über Rechtsverhältnisse (welches im Römischen schoben werden
Recht
seine Hauptanwendung
war-
zuge
Wird Dieses dennoch versucht, so bat der
Richter einen solchen Eid
zu verbessern
Diese wichtige
Neuerung ist im heutigen Recht saft allgemein anerkannt, wenn gleich im Einzelnen von unkundigen Richtern dagegen nicht
selten, und vielleicht selbst bewußtlos, verstoßen werden mag, indem sie sich den Gegensatz nicht völlig klar machen (c) — Es dars daher der Eid nicht zugeschoben werden über das
Daseyn eines Eigenthums oder einer Schuld, sondern nur über diejenigen Thatsachen,
die Schuld
angeblich
woraus das Eigenthum oder
entstanden
sevn soll
Der Grund
dieses wichtigen Satzes liegt darin, daß jedes Urtheil über das Dasevn eines Rechtsverhältnisses stets ein Stück Rechts
theorie mit in sich schließt, die doch unmöglich als passender Gegenstand eitles Eides angesehen werdet: kattn
Die Un
klarheit , die aus dieser Vermischung von Rechtssätzen und Thatsachen hervorgeht, kann dahin führen, daß in manchen Fällen ein Eid geleistet wird, den bei genauer Zergliederung
Der aufgestellte Satz tvivt
(c)
von folgenden Schriftstellern aner kannt Böhmer electa T. 2 Ex 14 §12, GlückB 8 § 585, Martin
§224 (llteAusg.), Linde §302 N 15 — Anderer Meinung ist Bayer Vorlesungen S. 390, je doch
nur
Rechts,
nach Stellen des Röm. und indem er die Att-
gemeinheit
der
entgegengesetzten
Memungl anerkennt.
Er meint
aber, wenn sich der Gegner auf den Eid über ein Rechtsverhaltniß
ein lasse, so müsse Das als Vergleich gelten.
Allem gerade darin weicht
das
heutige Recht vom Rönl. R
ab,
daß es die reine Privatwill-
kür im Eide beschränkt.
8 314
Surrogate
Bestandtheile
der
würde.
eine
11. Erv
gewissenhafte
Gerade darin aber besteht
Mißbrauch ocs Eides
Heutiges Recht
Partei
nicht
87 leisten
eben ei» gefährlicher
Um sich Dieses noch anschaulicher
zu machen, möge man versuchen, das Daferm eines Eigen thums zum Gegenstand von Zeugenaussagen und Zeugen
eiden zu macken.
Zwei Zeugen werden vielleicht das strei
tige Eigenthum bejahen, und dabei doch von ganz verschie
denen Rechtsregeln und Thatsachen ausgeben
Dann aber
ist ihre Uebereinstimmung nur scheinbar, da docti die wirk liche Uebereinstimmung der wahre Grund ist, worauf die Kraft des Zeugenbeweises beruht
Endlich kann auch jefe Partei den ihr zuge,chobenen Eid dadurch
beseitigen,
daß sie über die Wahrheit ihrer
Behauptung einen vollständigen Beweis durch andere Be
weismittel führt.
Denn durch diesen Beweis wird der Eid
überflüssig, und in der Anwendung eines überflüssigen Eides liegt schon an sich ein Mißbrauch des Eides
Besonders
bezeichnend aber ist der übliche Kunstausdruck für diesen Fall:
Vertretung
des
Gewissens
durch Beweis
Eine
Partei von besonders strenger, ängstlicher Gewissenhaftigkeit kann nämlich, sich selbst mißtrauend, lieber dem Richter die
Beurtheilung des von ihr geführten Beweises überlassen, als selbst schwören, und dadurch Alles auf das eigene Ge wissen übernehmen
Eine solche Gesinnung verdient viel
mehr Unterstützung, als Tadel, und dem Gegner wird da durch kein Unrecht zugefügt — Die Zulässigkeit einer solchen
Gewissensvertretung ist allgemein anerkannt, und es muß
Buch II
88
Rechtsverhältnisse.
Kap. IV. Verletzung,
dabei auch Gegenbeweis zugelaffen werden (d).
Der Eid
bleibt einstweilen aufgeschoben, muß aber, wenn der ver
suchte Beweis mißlingt, wieder ausgenommen werden.
Im Römischen Recht wird diese Gewissensvertrelung nicht erwähnt, ja sie paßt dahin nicht, weil der Eid nicht als reines Beweismittel, sondern als vergleichsmäßige Ent
scheidung des Rechtsverhältnisses angesehen wird (e). kanonischen Recht wird jenes Recht
Im
bestimmt anerkannt,
und zwar in Anwendung auf einen Fall, worin dem Kläger, der den Grund seiner Klage bereits bewiesen hatte, nun dennoch der Eid zugeschoben wurde (f).
Hierauf beschränken sich die wahren Abweichungen des heutigen Rechts, und einige andere, die gleichfalls behauptet
werden, sind nicht als richtig anzuerkennen. Dahin gehört die Behauptung,
der zugeschobene Eid
könne nur als Ergänzung eines anderen Beweises gebraucht werden, setze also stets einen auf andere Weise, wenngleich
unvollständig, geführten Beweis leine Bescheinigung) voraus.
Diese Meinung ist nach Römischem Recht gewiß zu ver
werfen (g), ja sie war hier, weiligstens bei dem außer gerichtlichen Eid,
völlig
unanwendbar.
heutigen gemeinen Recht ist sie zu (d) Mälblanc §58 'Omaner S. 397 Gö nnerB 2 Abhdl. 48. Marin: §228. Linde § 308.
(e)
Die Stelle bet Quincti-
Lian, nibtit V 6 enthält nur em
allgemeines Räsonnement, geschichtliches Zeugniß.
kein
Auch
nach dem
verwerfen (h), lind
(f) C 2 X de prob. (2.19) (g) L. ^ pr de jur (12.2), L. 22 § 10 C de jure deh'b (6 30). (h) Danz Prozeß § 241 Note d. Linde Lehrbuch § 303 Note 6. 7
§. 314.
Surrogate
II Eid
nur in manchen Partikuiarrechten
Heutiges Recht. Kat
89
sie Eingang ge
sunden (i). Eben so kars nicht bekauplet werden, daß die Zuschie
bung des Eides nur als ein Nothbehelf angesehen werden könne, und daß sie versagt werden müsse, wenn dem Zu
schiebenden andere Beweismittel zu Gebote sieben
solche bat, denen
er vertraut,
Ob er
das muß lediglich seiner
eigenen Beurtheilung überlassen bleiben.
Es wäre unge
recht, ihn darauf zu verweisen und ihm desbalb die Eides zuschiebung
zu
versagen
Hierin läge eine ganz irrige
Umkcbrung der eben erklärten Regel von der Gewissens vertretung, wobei eine Partei freiwillig sich entschließt, den ihr zugeschobenen Eid durch einen von ibr zu fübrenden
Beweis anderer Art entbebrlich zu machen Stelle des kanonischen Rechts,
Tie einzige
die man dafür anführen
könnte, spricht auch in der Tbat nur von der Gewissens vertretung, und nur die Ausdrücke, womit sie die Gewissens vertretung begründet und rechtfertigt, sind so schwankend
und zweideutig, daß sie allerdings auch auf jenen irrigen
Say gedeutet werden könnten (k)
Wenn man die so eben dargestellten Abweichungen des heutigen Rechts in der Lehre vom zugeschobenen Eide er-
(i) So B in der Praris des Tribunals ;u Wismar (jetzt Greifswald), veranlaßt durch die falsche Lebre des MeviuS. Vgl Pufesdorf T 2 Obs. 151
(k) C 2 X. de prob (2. 19), „quum tune deinum ad hujusmodi sit suffragium recurrenduin, quum aliae legitimae probationes deesse noscuntur. “
90
Buch II
Kap. IV. Benetzung
RechtSverhätnnffe
wägt, so möchte man glauben, das Römische Recht sey dadurch von Grund aus verändert, ja es sey davon nicht
viel mebr als Nichts, übrig geblieben
So ist es aber in
der Tbar nicht; die eingetretenen Veränderungen betreffen mehr die Form, als das Wesen der Sache, und zwar so, daß wir sie sogar als wahre Verbesserungen jenes wichtigen
und für die Rechtspflege säst llnentbebrlichen RechtsinstiturS
anscben können
Selbst die wahre Vertragsnatur jenes
Eides mit ihren wichtigen Folgen ist unverändert geblieben, und es ist dabei nur der sehr heilsame Unterschied einge
treten, daß ein solcher Vertrag nicht mehr durch den un
abhängigen Willen der Parteien,
sondern nur unter der
Aufsicht und Mitwirkung eines Richters zu Stande kommen kann
Daher ist auch der Eid in keinem Fall mehr Sur
rogat eines Urtheils, sondern nur der Grund, worauf ein
Urtheil, übereinstimmend mit dem Inhalt des Eides, be ruhen muß (I)
§ Restitution
315 —
Einleitung
Quellen-
Paulin Lib. 1. T. 7. 8. 9.
Cod. Greg. Lib. 2. T. 1-4. (1) Daß nach dem Gebrauch mancher Gerichte schon vor geleistetem Eide ein bedingtes Urtheil gesprochen, und nachher durch die Leistung des Eides puristcirt
wird, ist nur eine die äußerliche Form betreffende Abweichung. Zu empfehlen ist diese Form übrigens nicht.
90
Buch II
Kap. IV. Benetzung
RechtSverhätnnffe
wägt, so möchte man glauben, das Römische Recht sey dadurch von Grund aus verändert, ja es sey davon nicht
viel mebr als Nichts, übrig geblieben
So ist es aber in
der Tbar nicht; die eingetretenen Veränderungen betreffen mehr die Form, als das Wesen der Sache, und zwar so, daß wir sie sogar als wahre Verbesserungen jenes wichtigen
und für die Rechtspflege säst llnentbebrlichen RechtsinstiturS
anscben können
Selbst die wahre Vertragsnatur jenes
Eides mit ihren wichtigen Folgen ist unverändert geblieben, und es ist dabei nur der sehr heilsame Unterschied einge
treten, daß ein solcher Vertrag nicht mehr durch den un
abhängigen Willen der Parteien,
sondern nur unter der
Aufsicht und Mitwirkung eines Richters zu Stande kommen kann
Daher ist auch der Eid in keinem Fall mehr Sur
rogat eines Urtheils, sondern nur der Grund, worauf ein
Urtheil, übereinstimmend mit dem Inhalt des Eides, be ruhen muß (I)
§ Restitution
315 —
Einleitung
Quellen-
Paulin Lib. 1. T. 7. 8. 9.
Cod. Greg. Lib. 2. T. 1-4. (1) Daß nach dem Gebrauch mancher Gerichte schon vor geleistetem Eide ein bedingtes Urtheil gesprochen, und nachher durch die Leistung des Eides puristcirt
wird, ist nur eine die äußerliche Form betreffende Abweichung. Zu empfehlen ist diese Form übrigens nicht.
§ 315
Coi). Theod Du,
Lib
4.
Restitution
Lib 2
F
91
^mleititnq
15 — 17
T. 1 -7
Cun 11§320 Note c).
Allerdings muß, wenn eine Restitution wegen Zwang oder wegen Minderjährigkeit
gesucht wird,
Zwanges eben sowohl bewiesen werden,
der Minderjährigkeit
die Thatsache des als die Thatsache
Aus dem erwiesenen Zwang aber
folgt dann die Mangelhaftigkeit des erzwungenen Geschäfts
von selbst, anstatt daß aus der erwiesenen Minderjährigkeit noch gar nicht folgt,
daß daS Geschäft ein leichtsinniges,
unüberlegtes, und deshalb mangelhaftes war, wenngleich es sich
hinterher
als
nachtheilig
in
seinen
Folgen darge
stellt hak. Die einzelnen Anwendungen aber auf Verhältnisse des
Sachenrechts, des Obligationenrechts u
s w. schließen sich
ganz an die, schon oben (§319) zusammen gestellten, allge
meinen Regeln an,
welche gerade bei der Minderjährigkeit
vollständiger, als bei anderen Restitutionsgründen, vorkommen. Hier sind also nur noch diejenigen Fälle und Verhältnisse
§. 323 Einz. Restitutionögründe I Minderjährigkeit. (Forts) hervorzuheben,
151
in welchen bei der Minderjährigkeit beson
dere Bestimmungen nöthig gefunden worden sind. 1.
Veranlassung zur Restitution kann unter Anderm der
Empfang einer Zahlung werden, wenn der Empfänger das
empfangene Geld verschwendet oder verliert,
Diebstahl (§ 310 Note i).
z. B. durch
Gegen diese Gefahr wurden bei
minderjährigen Gläubigern neben der Restitution mancher
namentlich Zahlung an einen
lei Schutzmittel angewendei,
Kurator, worauf der Schuldner bestehen konnte, oder auch Riederlegung deS gezahlten Geldes in einem Tempel.
Da
durch wurde die Gefahr deö Verlustes vermindert, also die Restitution meist
saclisch ausgeschlossen;
eine unbedingte
Ausschließung der Restitution lag darin nicht (->). Just inian
fügte als neues Schutzmittel
die Vorschrift hinzu,
daß
Kapitalzahlungen nur in Folge eines, dieselben gestattenden, richterlichen Erkenntnisses geleistet werden sollten;
unter
dieser Voraussetzung
sollten sie recht sicher vorgenommen
werden können (b).
Man bat diese Vorschrift gewöhnlich
als Aenderung deö früheren Rechts,
und als unbedingte
Ausschließung der Restitution aufgcfaßl (verden können 1.
Gegen eine nachtheilige Arrogation kann ein minder
jähriger Sohn allerdings Restitution fordern (d).
Nur ist
es ein Zirkel, Dieses als Ausnahme von der oben ange
gebenen Begünstigung anzusehen.
tution als begründet erkannt wird,
Denn wenn die Resti so ist ja gerade das
elterliche Verhältniß verneint, worauf allein die Begünsti gung sich bezieht. 2
Wenn ein Vater seinen minderjährigen Sohn eman-
cipirt, dann aber durch Klage die Emancipation als nicht geschehen angreift, und ein rechtskräftiges Urtheil für sich erlangt,
so
kann der Sohn allerdings Restitution gegen
dieses Urtheil erhalten (e).
Allein wegen dieser angeblichen
Ausnahme gilt dieselbe Bemerkung, wie wegen der vorher gehenden.
Denn wenn in Folge der Restitution ein ent
gegengesetztes Urtbeil
bewirkt wird,
pation für gültig erklärt,
welches die Emanci
so ist dadurch
wiederum daö
Verhältniß zwischen Vater und Sohn beseitigt.
3.
Wenn der Vater eine Sache zuerst seinem minder-
(c) L. 2 C cit (d) L. 3 § 6 de nun. (4 4)
(e) L. 2 C si adv. rem jud. (2. 27)
Bgl. oben § 319 Note p VII.
15
226
II
Buch
Rechtsverhältnisse.
Kap.
IV
Verletzung.
jährigen Sohn, dann aber einem Dritten, und zwar mit
Einwilligung
des
Sohnes,
schenkt,
so kann der Sohn
gegen diese seine Einwilligung Restitution verlangen (f). Hier
geht
aber die Restitution nicht gegen den Vater,
gegen den Dritten,
sondern
der
die spätere Schenkung
empfing.
4.
Wenn einem in väterlicher Gewalt lebenden minder
jährigen Sohne die Erbschaft zufällt, über den Werth dieser
Erbschaft Vater und Sohn verschiedene Meinung haben, und deshalb der Sohn, im Widerspruch mit der Ansicht
des Vaters, die Erbschaft ausschlägt oder antritt, so kann er hinterher gegen diese seine Handlrmg Restitution erlan
gen (§).
Auch hier, wie in dem vorhergehenden Falle,
geht die Restitution nicht gegen den Vater, sondern gegen die mancherlei fremde, dabei betheiligte Personen
5
Wenn eine Mutter als Vormünderin die Rechte
ihres Kindes beeinträchtigt, so kann dieses dagegen Rechts mittel jeder Art,
brauchen (h)
unter andern auch die Restitution,
ge
Dieses ist eine wahre Ausnahme jener
Begünstigung, allein da die Novelle Justin!an's, worin sich diese neueste Bestimmung findet, unglossirt ist, so hat
sie für das beutige Recht keine Anwendbarkeit (i).
(f) L 2 C si adv don (2.30). (g) L. 8 § 1 C de bon quae lib. (6 61) (h) Nov 155 C 1 (i) S o B. 1§ 17. Göschen a. a. O null die Novelle gelten
lassen als blos dectaratorrsch, wofür ich sie mcht halten kann, da sie in der That das frühere Gesetz positiv emschränkt. Puchta a. a. O. faßt die Sache so auf, daß dre Re-
ftttuNon nur wegfalle gegen tue
§. 336
Restitutio»
Parmpersonen.
227
(Forts.)
Zuletzt ist noch der Fall zu erörtern, wenn der Ver pflichtete bei der Restitution gleichfalls eine besonders be
In einem solchen Fall fragt es sich,
günstigte Person ist.
ob auch dieser Person gegenüber die Restitution verlangt werden könne
Diese Frage tritt zuerst ein, wenn ein Minderjähriger gegen einen Minderjährigen restituirt seyn will.
Hier wird
meistens nur ein einseitiger Nachtheil vorhanden seyn; z B. wenn eine Sache zu wohlfeil verkauft wird, hat nur der
Verkäufer Nachtheil,
und dieser wird restituirt,
wobei der
Käufer keinen Nachtheil erleidet in Vergleichung des ur
sprünglichen Zustandes.
Sind aber beide im Nachtheil ge
kommen, ;. B. wenn ein Minderjähriger dem andern Geld
leiht, und dieser es verschwendet, so soll der Empfänger deS Darlehens den Vorzug haben, d. h. es soll an dem gegen wärtigen Zustand Nichts verändert werden (k).
Wenn ein Abwesender die Sache
eitles anderen Ab
wesenden usucapirt, so ist nur ein einseitiger Nachtheil vor
handen, und die Restitution gegen die Usucapion hat kein
Bedenken (1). Giebt ein Minderjähriger ein Darlehen an einen Sohn
in väterlicher Gewalt, so wird er gegen die exceptio Sc. Eltern altt selche (L. 2 C qui et adv quos), nicht gegen die in
anderer Eigenschaft, z. B
als Vor-
Eigenschaft als Eentrahenten, Usucaprenten u. s. w (k)
L. 11 § 6, L
(4. 4). (1) L. 46
Münder, anftrelende Eltern (Nov
min.
155). Allein auch jede andere Restitution gehr nicht gegen Die
(4.6).
ex
Eltern als selche, senvern in ihrer
15 *
34 pr de
quib.
caus
Buch II Rechtsverhältnisse.
228
Kap IV. Verletzung.
Macedoniani restituirt, d h. der Schutz des minderjährigen
Alters soll
in der Collision den Vorzug haben vor dem
Verbot des Senatusconsults (m).
Wenn ein Mindcriähriger
seine Forderung gegen die
Erpromission einer Frau aufgiebt,
so wird ihm (so wie
jedem Anderen) seine frühere Klage wiedergegeben, und
wenn der alte Schuldner zahlungsfähig ist, so entsteht für
den Minderjährigen keine Läsion.
Ist aber der Schuldner
insolvent, so wird der Minderjährige restituirt, d. h. der Schutz deS minderjährigen Alters hat im Collisionsfall den
Vorzug
vor
dem
Verbot
des
Vellejanischen
Senatus-
consultö (n).
§
337.
Restitution. — Verfahren Es gehörte zur Eigenthümlichkeit der Restitution schon von ihrem Ursprung an, daß die Prüfung und Gewährung derselben nicht dem
gewöhnlichen Gang des Verfahrens
(dem ordo judiciorum) überlassen ward, sondern dem höch sten Richteramt vorbehalten blieb, also extra ordincm voll
zogen wurde (8 316. 317).
Daher verfolgte Der, welcher eine Aenderung des be
stehenden Zustandes durch Restitution bewirken wollte, seinen
Zweck nicht durch eine actio. da diese vor einem Juder
(m) L. 11 §®7, L. 34 § 1 de min. (4. 4), L. 3 §2 de Sc Mac (14. 6), L. 9 pr de j. et facti ignor. (22. 6). (n) L. 12 de min. (4. 4).
Buch II Rechtsverhältnisse.
228
Kap IV. Verletzung.
Macedoniani restituirt, d h. der Schutz des minderjährigen
Alters soll
in der Collision den Vorzug haben vor dem
Verbot des Senatusconsults (m).
Wenn ein Mindcriähriger
seine Forderung gegen die
Erpromission einer Frau aufgiebt,
so wird ihm (so wie
jedem Anderen) seine frühere Klage wiedergegeben, und
wenn der alte Schuldner zahlungsfähig ist, so entsteht für
den Minderjährigen keine Läsion.
Ist aber der Schuldner
insolvent, so wird der Minderjährige restituirt, d. h. der Schutz deS minderjährigen Alters hat im Collisionsfall den
Vorzug
vor
dem
Verbot
des
Vellejanischen
Senatus-
consultö (n).
§
337.
Restitution. — Verfahren Es gehörte zur Eigenthümlichkeit der Restitution schon von ihrem Ursprung an, daß die Prüfung und Gewährung derselben nicht dem
gewöhnlichen Gang des Verfahrens
(dem ordo judiciorum) überlassen ward, sondern dem höch sten Richteramt vorbehalten blieb, also extra ordincm voll
zogen wurde (8 316. 317).
Daher verfolgte Der, welcher eine Aenderung des be
stehenden Zustandes durch Restitution bewirken wollte, seinen
Zweck nicht durch eine actio. da diese vor einem Juder
(m) L. 11 §®7, L. 34 § 1 de min. (4. 4), L. 3 §2 de Sc Mac (14. 6), L. 9 pr de j. et facti ignor. (22. 6). (n) L. 12 de min. (4. 4).
§
337
Restitution
229
Verfahren
hätte verhandelt werden müssen (a), sondern er bat viel
mehr um eine cognitiu, d
um eine Verhandlung un
h
mittelbar vor dem Prätor selbst (b).
zusammen,
wenn
Damit
hängt es
oft gesagt wird, die Restitution werde
bewirkt durch cogmtio, welches nur ein abgekürzter, nicht
völlig genauer Ausdruck ist, da es eigentlich das in Folge
der cognitio erlassene Decret des Prätors war, welches die Restitution ertheilte (c)
— Daß aber an die ertheilte Re-
ftitution eine Klage angeknüpst werden konnte, wird sogleich
weiter ausgeführt werden.
Eben so suchte der Beklagte eine Restitution nlcht auf dem Wege einer exceptio, sondern unmittelbar durch Ver weigerung der Klage (d), obgleich auch biet eine exceptio,
angeknüpft
Dasselbe ein,
der
alt
die
Verhältniß die
Restitution, trat
wobt
wiederum
Verweigerung
der
möglich bei
exceptio
dem
war
—
Kläger
unmittelbar
durch Restitution bewirken konnte, nach den Umställden des
(a) L. 24 § 5 de mm (4 4) ,,Ex hoc edicto nulla propria actio \el cautio proficiscitur, totum eniin hoc* p end et ex Praetaris cognitionc “ Die Worte xel cautio gehen auf die Fälle enter vom Prator ernenn genen Stipulation, auo welcher dann wieder, ui natürlicher Felge eine actio lnämlich etile condic tio) entstand. £ I § 2 de st/p praet (4b 5), L 32 pr de o es a (44 7) Die abgedruccte Stelle
geht übrigens zunächst nur auf Die Restitution der Minderjährigen, ist aber darum nicht weniger wahr auch für alle übrige Restitutionen. b) Cognitioneni postulare, linpetrare L. 39 § 6 de proc (3 3), L 3 § 9 de mm (4 4), L. 39 pr de evict (2l 2) (c) L 29 § 2 L. 47 § 1 de mm ( 4 4) L 1 (' de off praet (1 39), L 2 C xt ist omissam (2 40). (d) L. 27 § 1 de min. (4.4).
23U
Buch II. Rechtsverhältmffc.
Kap IV. Verletzung,
einzelnen Falles aber auch eine rcplicatio an die Restitution
knüpfte (e).
Diese Eigenthümlichkeiten sind schon seit dem Untergang
des alten urdo judicionun verschwunden, und können also auch
in unsrem beutigcn Prozeß um so weniger wahr
genommen werden.
Hier erscheint daher die Bitte um Re
stitution in Form einer gewöhnlichen Klage oder Einrede; bald selbstständig, bald bei Gelegenheit eines anderen Rechts
streits, und in Verbindung mit demselben
Da aber unsre
Juristen einen Römisch aussebenden Klagnamen für unentbebrrlich
hielte»,
so pflegten
sie dem
Restitutionsgesuch
den Namen hnploratio officii judicis beizulegen,
ohne sich
daran zu stoßen, daß dieser Name weder in unsren Rechts quellen vorkommt,
noch
zu der ursprünglichen Form des
Römischen Restitutionsverfahrens paßt.
Die meisten Prozeßregeln, die über das Restitutions
verfahren aufgestellt werden, sind einfacher Natur und geben
zu Zweifeln keinen Anlaß. - - Wer zur Restitution berechtigt
ist, kann nicht nur in eigener Person darum bitten, sondern auch durch einen Procurator (f); jedoch nicht durch einen Generalbevollmächtigten, sondern nur vermittelst eines auf
dieses Geschäft gerichteten besonderen Auftrags (g). — Mit
einer gewöhnlichen Klage ist das Restitutionsverfahren darin
(e) L 9 §4 dejitrej (12. 2). (g) L. 25 §1, L. 26 de nun. (f) L. un C etiam per pro r. (4.4). Ueber das Vertretungs(2. 49) recht des Vaters, nach L. 27 pr. de mitt. (4.4), s. o. § 323 Note p.
§. 337
Restitution
231
Verfahren.
gleichartig, daß es nur Gültigkeit hat, wenn die Gegner
des Berechtigten dazu gehörig vorgeladen sind, und entweder erscheinen, oder durch Ungehorsam ausbleiben (h).
Der
ausbleibende Gegner kann auch durch einen Vertreter ver
theidigt werden, der aber, eben so wie in einem gewöhn
lichen Nechtsstreit, Bürgen stellen muß (i).
Nur Restitu
tionen gegen Versäumnisse im Prozeß werden nicht selten auch ohne Anhörung des Gegners (brevi mann) ertheilt (k).
Die schwierigste und bestrittenste Frage in dem Ver fahren bei der Restitution ist die über das sogenannte Ju dicium
rcsciudens UNd rescissorium.
womit es folgende
Bewandtniß Hal (!) Der Zweck der Restitution, die Herstellung des Ver letzten iil seinen früheren Zustand, kann nach Verschiedenheit
der Umstände aus zweierlei Weise erreicht werden.
Es
kann
geschehen
durch
ein
einfaches
Decret deS
Prätors, welches in Folge einer bloßen cognitio die Sache völlig erledigt, so daß Nichts mehr zu thun übrig bleibt. Dieser Fall tritt stets ein bei der Restitution gegen Ver
säumnisse oder Versehen im Prozeß, indem das Decret die restituirte Partei in dieselbe Lage versetzt,
(h) L. 13 pr de min. (4 4), L. 1 C si adv. dotem (2. 34). — Bel der Restitution gegen teil Er werb einer Erbscl'aft sind sämmlllche Gläubiger des Verstorbenen als Gegner vorzuladen L 29 § 2 de min (4 4), Nov 119 CG
wie wenn die
(i) L 26 § 1 de mm (4. 4). (k) ueftt st Vorlesungen S. 216 (l) Ausführlich handelt davon Vurchardl §24.25.26, wo auch viele andere Schriftsteller angeführt und beurtheilt werden
232
Buch II
Rechtsverhältnisse
Kap. IV Verletzung.
Versäumniß oder das Versehen nicht Statt gefunden hätte —
Derselbe Fall findet sich ost, ja meistens, bei der Restitution eines Minderjährigen
gekauft oder
Hat Dieser eine Sache zu theuer
zu wohlfeil verkauft,
so wird der Gegner
gezwungen, im ersten Fall das Geld, im zweiten die ver kaufte Sache zurück zu geben, und mit diesem Decret ist
jeder Verletzung des Minderjährigen fen t|n)
—
vollständig abgehol
Allein auch diese cognitio des PrätorS kann
wieder aus verschiedene Fragen gerichtet seyn, also in ver
schiedene Stufen der Untersuchung zerfallen, deren jede viel leicht durch ein besonderes Decret entschieden wird, indem z. B das Aller selbst, ferner das Daseyn einer Verletzung,
endlich der Zusammenhang der Verletzung mit der Minder
jährigkeit, bestritten werden kann (n) Es kann aber auch
geschehen durch das restituirende
Decret des Prätors, verbunden mit einem darauf folgenden ganz
anderen Rechtsstreit,
durch
welchen erst die völlige
Befriedigung des Verletzten herbcigeführt wird
Zn vielen
Fällen nämlich soll die Restitution nur dazu dienen,
ein
Hinderlich wegzuräumen, welches dem Gebrauch irgend eines
anderen selbstständigen Rechtsmittels < Klage oder Einrede)
im Wege stellt.
Dann erwartet der Verletzte von der Re
stitution nicht sowohl die Herstellung des erwünschten frü
heren Zustandes selbst, als die Herstcllting eines verlorenen
(in) L 24 § 4 de mitt (4.4), L. 39 § 6 de proc (3. 3), L. 39 pr de evict (21 2) „ fundtis praetona cogmtione ablatus.“ (n) L 39 pr de mitt (4.4).
Klagerechts, dessen Anwendung ihm dann, wie er hofft, zum Genuß jenes Zustandes verhelfen soll. Hieraus ent stehen also zwei an sich getrennte Prozesse, und man kann die Restitulion insosern eine bedingte Hülfe nennen, als sie dem Verletzten nur unter der Bedingung einen wirklichen Vortheil verschafft, als er den zweiten Prozeß gewinnt. Auf zusammengesetzte Verhältnisse der hier beschriebenen Art beziehen sich die oben erwähnten Kunstausdrücke Ju dicium rescindens nennen unsre Schriftsteller den Streit über die Restitution, der mit dem Ausspruch derselben endigt (also die practoria cognitio); Judicium rescissorium den darauf folgenden Rechtsstreit, der durch die Restitution erst möglich geworden ist. Der erste dieser Ausdrucke ist von den Netteren willkürlich gebildet; der zweite ist ein ächter Kunstausdruck, von den Römern abwechselnd gebraucht mit i’cstitutorium Judicium oder actio (o). Nur ist der Ausdruck rescistoria actio nicht beschränkt auf die Herstellung einer verlorenen Klage durch die prätorische in integrum resti tutio; derselbe wird vielmehr auch gebraucht, wenn eine solche Herstellung unmittelbar nach einer Regel des Civilrechts, unabbangig von dem freien Ermessen des Prätors ein tritt (p). (o) Rescissoria actio L. 28 §56^ quib. raus. (4. G), L. 24 C de R V (3. 32), L. 18 C de j post Hm (8 51) — Restituto ria actio et er Judicium. L. 3 § 1 de eo per quem (2. 10), L 46
§ 3 de proc (3 3), L. 7 § 3 quod falso (27 6). (p) Wenn 3 B eine Frau erprvmittirt, so wirr» sie nicht ver pflichtet, aber die eigentlich unter gegangene Klage des vorigen
234
Buch II.
Das
Rechtsverhältnisse.
Kap. IV.
Verletzung.
hier beschriebene zusammengesetzte Verfahren ist
besonders anwendbar auf die Restitution der Abwesenden, bei welcher schon die Worte des Edicts auf die Wieder herstellung einer verlorenen Klage gerichtet waren (§ 325). ES ist aber keineswegeö auf diesen Restitutionsgrund ein
geschränkt,
sondern nicht selten auch
anwendbar, und
bei Minderjährigen
es ist auf der anderen Seite bei Ab
wesenden nicht allgemein und nothwendig. Die Anwendbarkeit jenes Verfahrens auf Minderjährige wird anerkannt von Ulpian in einer Stelle, die vor allen anderen dazu geeignet ist, den Gegensatz beider Verfahrungs-
arten zur Anschauung zu bringen (q).
Ulpian sagt, die
Restitution werde einem Minderjährigen zuweilen in rem gegeben, z. B. wenn die von ihm mit Nachtheil verkaufte
Sache durch neue Veräußerung in die Hand eines Dritten gekommen sey,
gegen welchen er nun in manchen Fällen
Restitution begehren könne; dabei fügt er folgeilde Worte
hinzu:
et hoc vel cognitione Praetoria, vel rescissa aliena-
tione, dato in rem judicio. Diese Worte enthalten die Andeutung des oben beschrie benen
zweifachen Verfahrens:
Schuldners kann wieder gebraucht werden als rescissoria actio, wo zu es keiner Restitution durch den Prätor bedarf. L. 16 C. ad Sc. Veil. (4. 29). Auch diese heißt
des einfachen (cognitione
anderwärts restitutoria. L. 8 § 9. 12.13 ad. Sc. Veli. (16.1). (q) L. 13 § 1 de mm. (4. 4). Ueber diese Stelle ist zu vergleichen Burchardi S. 443. 444.
§. 337
Restitution.
Verfahren
235
Praetoria [r]), und des zusammengesetzten, bestehend aus
der Restitution gegen die Veräußerung, und einer darauf folgenden Eigenthumsklage vor dem Juder.
des Verfahrens
Beide Arten
werden hier so zusammengestellt, daß in
einem und demselben Rechtsfall,
je nach den Umständen,
sowohl die eine als die andere anwendbar seyn soll (s).
Auf der anderen Seite aber war auch bei den Abwe senden das zusammengesetzte Verfahren nicht allgemein und
nothwendig, vielmehr konnte auch hier zuweilen die einfache cognitio genügen, ja für manche Fälle wurde späterhin diese kürzere Behandlung sogar vorzugsweise angewender
Dieses
ist anerkannt in folgender, ost mißverstandenen Stelle des Callistratuö (t): Hoc
edictum, quod ad eos pertinet qui co conti-
nentur, minus in usu frequentatur: hujusmodi enim personis extra ordinem jus dicitur ex benatusconsultis
et principalibus constitutionibus. Da bi er das neuere extra ordinem als Gegensatz gegen das ursprüngliche Verfahren nach dem Edict bezeichnet wird, so könnte man leicht zu der irrigen Ansicht verleitet werden,
als ob der alte Jurist das ursprüngliche, reut nach dem
(r) Man muß hinzudenken: solo, cognitione, beim auch die in dem zweiten Fall erwähnte rescissio alienationis geschah stets ui Folge einer pratoriscben cognitio (s) (Sine ähnliche Znsainineiu stelln«q beider Verfabrungsarten
für einen und denselben Rechtsfall findet sich in L. 9 § 4 de jurej. (12.2) (Note e), mir nicht in Beziehung auf eine Klage, sondern ans eine Replieatton (t) L. 2 pr ex quib caus. (4 6). Vgl. Burchardi S. 466 bis 468
236
Buch II
Rechtsverhältnisse.
Kap. IV. Verletzung.
Ediet eingerichtete Restitutionsverfahren für eine Art von
Er will vielmehr
ordinarium judicium ausgeben wolle.
sagen, es werde in solchen Fällen jetzt Alles abgethan durch bloße cugnitio. also extra ordinem, ohne noch eine beson
dere actio nachfolgen zu lassen (u).
— Ferner darf den
Worten des Callistratus nicht ein so allgemeiner Sinn
beigelegt werden, als ob die Neuerung alle Fälle des Edicts über die Abwesenden umfaßt hätte
Ohne Zweifel ist hier
die Rede von einem der zahlreichen juristischen Privilegien der Soldaten; diesen sollte auf die kürzeste und leichteste
Weise zu ihrem verlorenen Rechte verholfen werden, welches
allerdings
geschah,
Sache abmachte
wenn der Prätor extra ordinem die
Andere Abwesende,
oder auch der Freiheit Beraubte,
z
B.
Berbannte,
auf ähnliche Weise zu
begünstigen, war weder ein juristischer, noch ein politischer Grund vorhanden
Und eben so war für den umgekehrten
Fall (die Restitution gegen die Abwesenden) gewiß das alte Verfahren unverändert beibebalten worden (v)
Aus der hier geführten Untersuchung ergiebt es sich, daß in vielen Fallen das einfache Verfahren allein möglich war,
in
anderen Fällen das zusammengesetzte allerdings
möglich, aber nicht durchaus nothwendig
(u) Das extra ordinem jus dicitur hat also hier Denselben Sinn, wie in der vorhergehenden Stelle das (so/ö) cognitione Praetoria (Note r).
Dann hatte ohne
(v) Darauf teuren selbst Die Worte der Stelle, hiijusmodt enim personis extra ordinem jus dicitur, also nicht, wenn etwa Anwesende gegen solche die Neftitiition begehren
§.
337
237
Verfahren
Restitution
Zweifel der Präior freie Macht,
zu entscheiden,
welches
Verfahren in jedem einzelnen Fall als das zweckmäßigere vorzuziehen sey (w); gewiß aber konnte auch die Partei auf das eine oder das andere antragen (x).
Wir können
aber als wahrscheinlich annehmen, daß, so lange der alte ordn judiciorum bestand, diesem nicht ohne Noth Etwas
entzogen
wurde,
das zusammengesetzte Verfahren also in
Anwendung kam, da
wo es überhaupt möglich und nicht
durch dringende Gründe widerrathen war.
heutigen Prozeß
Im
steht
insofern die Sache ganz
als stets ein und derselbe Richter über die Re
anders,
stitution und über die dadurch etwa herzustellende Klage zu
erkennen hat
Es hat keinen Zweifel, daß das Verfahren
über beide Rechtsfragen von Anfang an verbunden (cumulirt) werden kann, und daß die Partei schon ihre Anträge
hierauf richten darf
Aber es ist eben so wenig zweifelhaft,
daß es dem Bedürfniß einzelner Sachen angemessener seyn
kann, beide Verhandlungen gänzlich zu trennen, und zuerst
das Judicium rescindens abgesondert zu einer rechtskräftigen Entscheidung zu bringen, ehe das rescissorium eingeleitet
wird (y).
(y>)
Bllrchardl S.464 —470.
hauptet wird, beide Theile des Re-
Ein paffendes Beispiel, wie in einzelneii Fällen der Vorzug be
stituNonsverfahrens
stimmt werden konnte,
Burchardl S. 461 —464.
findet fick
ebendas S. 443
(x) In diesem Sinn ist es zu verstehe». wenn von Manchen be
hätten
schon
nach R. R cumulirt werden können.
(y)
Burchardi
§. 26.
Goschen Vorlesungen S 541.
—
238
Buch II. Rechtsverhältnisse.
Kap. IV. Verletzung.
Puchta giebt dem an sich richtig aufgefaßten Gegensatz
des Judicium rescindens und rescissorium noch folgenden Er sagt, der Prätor habe auch noch daö Judicium
Zusatz.
rescindens gleichsam spalten können, indem er z. B. die Restitution wegen Zwanges in zwei Fragen zerlegte: eine
rechtliche, über die Verletzung und' deren Zusammenhang
mit dem (angeblichen) Zwang, worüber er selbst (hypothe
tisch) entschied; eine factische, über daö Daseyn des Zwan ges, worüber er von einem Juder entscheiden ließ.
Dieses
sey die äußerste Gränze der Restitution gewesen, und so
sey
insbesondere die actio quod metus
causa behandelt
worden (z). — Diese allzu subtile Annahme kann ich nur
alö
einen nicht
glücklichen Vermittlungsversuch
zwischen der strengen Scheidung der
von
den
sogenannten
ansehen
wahren Restitution
Nestitutionsklagen
auf der
einen
Seite, und der (ungehörigen) Vermengung dieser beiden Arten von Schutzmitteln auf der andern Seite
Wenn der
Prätor sich entschloß, eine Sache als Gegenstand der Re stitution zu behandeln, so entschied er allein über die Resti tution als solche vollständig, und gab höchstens nachher eine
actio.
Wir haben durchaus keinen Grund zu der Annahme,
daß jemals im älteren Recht ein Theil der Restitutionssrage
an einen Juder gewiesen worden wäre.
(z)
Puchta Pandekten 8 105.
Institutionen §. 177.
239
§. 338. Restitution. Verfahren. (Forts.)
§.
338.
Restitution. — Verfahren.
(Fortsetzung.)
Wie das eigentliche Klagerecht auf eigenthümliche Weise aufgehoben werden konnte (a),
Recht zur Restitution,
so
müssen auch für daS
welches mit dem Klagerecht zwar
nicht gleichbedeutend, dennoch verwandt ist, zwei besondere
Aufhebungsgründe
anerkannt
werden.
Diese
sind:
der
Verzicht und die Verjährung. I.
Verzicht.
Zwar hat
über
dieser Aushebungsgrund
daS Gebiet
der Restitution
weit
eine allgemeinere, hinaus reichende
Natur (§ 302); dennoch muß die Anwendung desselben
auf die Restitution hier besonders festgestellt werden. Der Berechtigte kann seinen Anspruch auf Restitution, nachdem er ihn zuerst geltend machte, aufgeben durch eine
ausdrückliche Willenserklärung.
Diese wird desistere ge
nannt; es wird aber besonders bemerkt, dazu genüge eS
nicht, wenn der Berechtigte blos den Prozess liegen lasse, sondern er müsse seinem Recht selbst gänzlich entsagen (b). Dieselbe Wirkung aber, wie die ausdrückliche Entsagung, hat die spätere Genehmigung oder Bestätigung derjenigen
Handlung, gegen welche die Restitution hätte gesucht werden
können; also die comprobatio oder ratihabitio (c).
(a) S. o. B. 5 §. 230—255. (b) L. 20 § 1 de min. (4. 4), L. 21 eod. „Destitisse autern is videtur, non qui distulit,
Des-
sed qui liti renuntiavit in totum.“ (c) L. 3 § 1 de min. (4.4), L. 1.2 C. si major factus (2.46).
Buch II.
240
Rechtsverhältnisse.
Kap. IV.
Verletzung.
gleichen kann diese Wirkung bervorgebracht werden auch durch solche Handlungen, welche mit dem Zweck und Erfolg
der erlangten Restitution iin Widerspruch
sieben würden.
Hat also z. B. ein Minderjähriger die Frist einer B. P.
contra tabulas versäumt und gegen diese Versäumniß Re
stitution gesucht, dann aber aus demselben Testament ein Legat eingefordert, so ist dadurch die Restitution unmöglich geworden, weil durch die Forderung des Legats die Gül
tigkeit des Testaments anerkannt worden ist (d).
Diese Handlungen sind nur dann dazu geeignet, das Recht zur Restitution aufzuheben, wenn sie zu einer Zeit vorgenommen werden, worin der besondere Zustand,
den Restitutionsgrund bildet, bereits aufgebört hat.
der Der
Verzicht auf die Restitution eines Minderjährigen ist also
nur
wirksam,
wenn
er nach
eingetretener
Volljährigkeit
erklärt wird; denn ein früherer Verzicht würde wieder der
selben Restitution unterliegen, wie das ursprüngliche Rechts
geschäft,
welches durch Restitution entkräftet werden soll.
Eben so verhält es sich mit der Restitution wegen Zwanges, wenn der Verzicht erklärt wird unter dem fortdauernden
Einfluß desselben Zwanges, der die Restitution begründete; Der Verzicht ist also nur gültig,
wenn er im Zustand
hergestellter völliger Freiheit erfolgt.
Die Anwendung dieser letzten Regel kann in solchen
Fällen schwierig und zweifelhaft werden, worin ein Rechts-
(d)
L. 30 de min. (4. 4).
§. 338. Restitution. Verfahren.
(Forts)
241
geschäft eine längere Zeil hindurch fortgeführt wird, und
in mehreren einzelnen Handlungen sichtbar hervortritt. Hier
über sind die Aeußerungen Ulpian'ö etwas schwankend. Wenn ein Minderjähriger einen auf längere Dauer berech
neten Vertrag
schließt, und nach erlangter Volljährigkeit
einzelne Handlungen in Beziehung auf diesen Vertrag vor
nimmt, so liegt darin eine Genehmigung, wodurch die Re
stitution gegen den Vertrag ausgeschlossen wird (c).
—
Fängt ein Minderjähriger einen Rechtsstreit an, der wäh
rend der Volljährigkeit zu seinem Nachtheil entschieden wird, so soll er gegen dieses Urtheil in der Regel nicht restituirt
werden,
sondern nur ausnahmsweise,
wenn der Gegner
unredlicherweise den Rechtsstreit so hingehalten hat, daß
das Urtheil erst zu dieser Zeit erfolgte (f).
— Hat ein
Minderjähriger eine nachtheilige Erbschaft angetretcn, und nach erlangter Volljährigkeit Erbschaftsschulden eingeklagt, so soll er dennoch Restitittion gegen den Erwerb der Erb
schaft erhalten, weil man auf den Anfang dieser Reihe von Handlungen sehen soll (g).
(e) L. 3 § 1 de mm (4 4). (f) L. 3 § 1 cit Um diese Entscheidung richtig zu finden, muß man hinzu denken, wie es auch wohl Ulpian meinte, daß das Urtheil unmittelbar nach erreichter Volljährigkeit erfolgte, also ehe der nun volljährig Gewordene Bett hatte, die knorrige naebtheilige Führung seines Neckuvsiretts zu entdecken und zu verbessern
vii.
(g) L. 3 § 2 eod. „ . . putavimus tarnen restituendum in integrum, initio inspecto.“ Diese Entscheidung vermag ich nicht mit allgemeinen Grundsätzen, und ins besondere mit der Elwehetdung über die B P (Note d) ui Ein klang zu bringen.
16
242
Buch II
II.
Rechtsverhältniffe.
Kap. IV. Verletzung.
Verjährung (h)
Der Gedanke liegt sehr nahe, die Verjährung der Re
stitution als eine einfache Anwendung der Klagverjährung anzusehen, und daher die für diese letzte geltenden Regeln
auf die Restitution unmittelbar anzuwenden.
Dem Römi
schen Recht aber ist dieser Gedanke völlig fremd, und in
ihm Hal die verjährte Restitution mehr Verwandtschaft mit einer
versäumten Prozeßfrist,
Klagerecht (i)
als
mit einem verjährten
Allerdings hat nun in unsrem heutigen
Recht die Restitution, was das Verfahren betrifft, weit mehr die Natur einer gewöhnlichen Klage angenommen (§ 337). Dennoch würde es auch hier ungehörig, oft unmöglich seyn, die Regeln der Klagverjährung auf die Restitution einfach zu übertragen; theils aus Gründen, die in der eigenthüm
lichen Natur des Gegenstandes liegen, theils weil die Aus
sprüche des Römischen Rechts über die Verjährung der
Restitution aus der Voraussetzung einer völligen Verschie denheit beider Nechtsinstitute beruhen. Eine durchgreifende Verschiedenheit zeigt sich unter andern
darin, daß die Verjährung nicht blos anwendbar ist, wenn die Restitution angriffsweise, also einer Klage ähnlich wir
kend, gebraucht werden soll, sondern auch, wenn sie Ver theidigungsweise gesucht wird, das heißt um eine verlorene
ü>) Davon handelt ausführlich Burchardl §27 Vgl. Unterholzner VerjäkrnngSlehre § 151. bis 155.
(i) T. o. B. 4 S. 300. 307, B. 5 ©.415
§. 338.
(Restitution.
Verfahren.
(Forts)
243
Erception wieder zu erlangen, oder anstatt einer Erception (die dadurch entbehrlich wird) der Klage eines Andern ent
gegen zu wirken.
Zur Begründung dieser Erception ist es
also nöthig, daß der, welcher Anspruch aus die Restitution hat, diese binnen der vierjährigen Frist erbitte, auch wenn
der Gegner nicht innerhalb dieser Frist die Klage anstellt, und dadurch daS unmittelbare Bedürfniß einer Erception
Die Nothwendigkeit, diese Restitutionsfrist zu
herbeiführt.
wahren, ist also nicht zu verwechseln mit einer Verjährung der Erception als solcher, von welcher allerdings nicht die Rede scvn kann (k) Ein wichtiger Fall der Anwendung einer soliden Er
Wenn die Sache eines
ception ist schon oben vorgekommen.
Abwesenden von einem Anderen usucapirt wird, nach der Rückkehr des vorigen Eigenthümers aber durch Zufall wieder
in dessen Besitz kommt, so bedarf Dieser zu seinem Schutz
sondern nur einer
keiner Klage,
Erception (§ 330. r).
Um aber diese Erception in irgend einer künftigen Zeit mit Erfolg gebrauchen zu können, muß er den Anspruch auf dieselbe durch Restitution binnen vier Jahren begründen.
Gesetzt nun, dieser vorige Eigenthümer verliert abermals den wieder erlangten Besitz, bevor es zu einem Rechtsstreit gekommen ist,
so befindet er sich wieder in der früheren
(k) S o B 5 S. 414. 415. Für den Fall der Mlnderjährigkett
beobachten, ausdrücklich anerkannt von Ulpran ui L. 9 § 4 de jurej.
wird die
(12.2).
hier
ausgestellte
Noth-
wendigkelk, die Nestttnttonsfnst zu
Buch II Rechtsverhältnisse.
244
Lage,
Kap. IV. Verletzung.
und bedarf der Restitution, um seine Klage gegen
Den, der usucapirt hat, zu begründen oder zu sichern, so wie
es
oben ausgeführt worden ist
Widerspruch
Damit scheint im
zu stehen eine Stelle des Paulus,
nach
welcher diese neue Klage nicht mehr an die Rcstitutionsfrist gebunden seyn soll (1).
Diese Behauptung läßt sich mit
allgemeinen Grundsätzen nur durch die Annahme in Ein
klang bringen, daß hier Paulus von der Klage gegen einen dritten Besitzer rede, nicht gegen Den, welcher usu Denn wenn gegen diesen Dritten mit der Pu-
capirt hat.
bliciana geklagt wird, so hat derselbe allerdings nicht die exceptio
dominii
(da nicht er usucapirt hatte), und es
bedarf mithin auch nicht zu deren Ueberwindung einer Re
stitution,
also
auch
nicht der Beobachtung
einer Resti-
tutionssrist.
§.
339.
Restitution. — Verfahren
(Fortsetzung.)
Es sind nunmehr die Bedingungen dieser Verjährung aufzustellen; die Anordnung dieser Bedingungen soll,
der
leichteren Vergleichung wegen, so viel als möglich den Be(1) L. 31 ex quib caus. (4.6) „Si is, cujus rem usucepit reip causa abseits, po^sessionem suae rei ab illo usucaptae nactus sit, etsi postea amiserit, non temporalem, sed perpetuam habet actionem.“ — Die Glosse setzt zur Lösung der Schwie-
rigkett voraus, der vorige Elgenthümer habe wirklich Restitution gesucht und erhalten, nachher aber den Besitz wieder erlangt. Dann aber verstand sich doch dre Sache zu sehr von selbst, um noch einer Erwähnung werth zu seyn.
Buch II Rechtsverhältnisse.
244
Lage,
Kap. IV. Verletzung.
und bedarf der Restitution, um seine Klage gegen
Den, der usucapirt hat, zu begründen oder zu sichern, so wie
es
oben ausgeführt worden ist
Widerspruch
Damit scheint im
zu stehen eine Stelle des Paulus,
nach
welcher diese neue Klage nicht mehr an die Rcstitutionsfrist gebunden seyn soll (1).
Diese Behauptung läßt sich mit
allgemeinen Grundsätzen nur durch die Annahme in Ein
klang bringen, daß hier Paulus von der Klage gegen einen dritten Besitzer rede, nicht gegen Den, welcher usu Denn wenn gegen diesen Dritten mit der Pu-
capirt hat.
bliciana geklagt wird, so hat derselbe allerdings nicht die exceptio
dominii
(da nicht er usucapirt hatte), und es
bedarf mithin auch nicht zu deren Ueberwindung einer Re
stitution,
also
auch
nicht der Beobachtung
einer Resti-
tutionssrist.
§.
339.
Restitution. — Verfahren
(Fortsetzung.)
Es sind nunmehr die Bedingungen dieser Verjährung aufzustellen; die Anordnung dieser Bedingungen soll,
der
leichteren Vergleichung wegen, so viel als möglich den Be(1) L. 31 ex quib caus. (4.6) „Si is, cujus rem usucepit reip causa abseits, po^sessionem suae rei ab illo usucaptae nactus sit, etsi postea amiserit, non temporalem, sed perpetuam habet actionem.“ — Die Glosse setzt zur Lösung der Schwie-
rigkett voraus, der vorige Elgenthümer habe wirklich Restitution gesucht und erhalten, nachher aber den Besitz wieder erlangt. Dann aber verstand sich doch dre Sache zu sehr von selbst, um noch einer Erwähnung werth zu seyn.
§. 339.
RestmMon.
Verfahre».
(Forts.)
dingungen der Klagverjährung angenähert werden (a)
245 Sie
beziehen sich auf den Anfang, die Unterbrechung, den Ablauf der Verjährung.
1
Der Anfang dieser Verjährung ist abzuleiten aus
der Natur des Restitutionsgrundes.
Dieser wurde im All
gemeinen gedacht als ein besonderer (abnormer) Zustand
des Verletzten, dazu geeignet, eine solche außerordentliche Rechtshülfe zu rechtfertigen
fängt daher
(§ 320).
an in dem Zeitpunkt,
Die Verjährung
worin jener abnorme
Zustanv aufhörr; nicht früher, nicht später.
Für die meisten
und wichtigsten Fälle bat diese Regel keinen Zweifel; es
wird
darauf
ankommen, die einzelnen Restitutionsgründe
unter diesem Gesichtspunkt durchzugehcn.
Tie Restitution
wegen Minderjährigkeit verrührt
vom vollendeten fünf und zwanzigsten Lebensjahre an (b); wird der Minderjährige früher für volljährig erklärt, von
diesem Zeitpunkt an (c).
Diese Regel aber hat nicht zu
gleich die Bedeutung, als ob es dem Minderjährigen ver sagt wäre, schott früher die Restitution zu erbitten; er kann
Dieses zu jeder Zeit thun (d), und eben hieraus erklärt es sich, daß auch gegen eine solche, auf übereilte Bitte ertheilte,
Restitution wiederum eine neue Restitution gesucht werden kann (§319 Note u).
(a) 3 c B 5 § 239 - 247 (b) L 7 pr C. de temp (2. 53)
(c) L. 5 pr. C de temp (2. 53). (d) L. 5 § 1 C de in int. rest. min. (2. 22).
246
Buch II. Rechtsverhältnisse.
Kap. IV. Verletzung.
Die Restitution wegen Abwesenheit verjährt von dem Zeitpunkt an, mit welchem das Hinderniß der Rechtsver
folgung aufhört (e); also in der Regel, sobald der Ab
wesende nach seinem Wohnort zurückkehrt.
Die Restitution wegen Zwang muß nach demselben Grundsatz verjähren von der Zeit an, in welcher der ab
norme Zustand des Zwanges, d. h. der absichtlich erregten Furcht, aufhört,
der Verletzte also seine volle Freiheit zu
handeln wieder erlangt.
Die Zweifel gegen diese Annahme
können erst bei dem Ablauf der Verjährung deutlich gemacht werden. — Schon hier aber ist zu bemerken, daß diese Bestimmung von sehr geringer praktischer Erheblichkeit ist.
Denn es kann
zwar leicht geschehen,
daß eine einzelne,
vorübergehende Handlung durch Zwang erpreßt werde, und
darauf eben bezieht sich diese ganze Restitution.
Dagegen
ist es nicht leicht denkbar, daß ein solcher Zustand so lange
fortdauere, wie es zum Ablauf der Verjährungszeit, oder auch nur eines merklichen Theils derselben, nöthig wäre; denn in einem solchen Zeitraum wird es fast immer dem
Bedrohten möglich seyn, richterlichen oder polizeilichen Schutz für seine Freiheit zu finden. Die Restitution wegen Betrugs wird auf gleiche Weise
verjähren müssen mit dem Aufhören des
abnormen Zu
standes, d. h. der Täuschung, in welche der Verletzte durch
(e) L. 1 § 1 ex quib. caus. (4.6), „intra annum quo primum de ea re experiundi potestas
erit “. L. 7 § 1 C. de temp. (2.53).
§. 339.
Restitution.
Verfahren.
247
(Forts.)
den unredlichen Willen des Gegners versetzt worden ist. Die Zweifel gegen diese Behauptling werden auch hier erst bei dem Ablauf der Verjährung erwähnt werden. — Pie
praktische Unerheblichkeit dieser Bestimmung,
die so
eben
bei dem Zwang bemerkt worden ist, läßt sich bei dem Be
trug nicht geltend machen.
Denn der Zustand einer ab
sichtlich erregten Täuschung kann allerdings lange Zeit hin durch
fortdauern,
also
nicht blos auf einzelne,
vorüber
gehende Handlungen einwirken. Eben
so
verhält
es
sich mit der Restitution wegen
Irrthums, die also auch verjähren müßte von der Zeit an, in welcher der Verletzte von dem Irrthum befreit wird. Hier aber ist die Frage weniger erheblich, weil diese ganze
Restitution nicht nur an sich unwichtig ist, sondern auch fast
nur bei Prozeßversäumnissen vorkommt,
einer
Verjährung
der Restitution
nur
selten
wobei
die
von Rede
seyn wird.
Der bisher aufgestellte Grundsatz aber für den Anfang
der Verjährung ist völlig unanwendbar auf diejenigen Re stitutionsgründe, welche nicht so, wie die bisher erwähnten, ein zufälliges und
vorübergehendes,
währendes Daseyn haben.
Restitution
sondern ein immer
So verhält es sich mit der
der Stadtgemeinden,
der Kirchen
und
Klöster, die niemals aufhören, in dem Zustand zu seyn, der ihnen überhaupt Anspruch auf Restitution giebt.
Hier
bleibt Nichts übrig, als die Verjährung anfangen zu lassen
von der Zeit der Verletzung selbst, gegen welche die Resti-
Buch II Rechtsverhältnisse.
248
tution Hülse gewähren soll.
Kap. IV. Verletzung
Bei den Kirchen ist dieser an
sich unzweifelhafte Grundsatz auch gesetzlich anerkannt (f).
Der Anfang der Verjährung ist hier in der Regel fest
gestellt worden auf die Zeit, in welcher der den Nestitutionsgrund bildende abnorme Zustand aufhört; ausnahms weise auf die Zeit der Verletzung.
Nach einer sehr ver
breiteten Meinung aber soll selbst in diesen Zeitpunkten die
Verjährung nicht anfangen können, wenn nicht noch eine andere Bedingung binzutrete: das Bewußtseyn des Ver
letzten von der erlittenen Verletzung (gj Einige stellen diese Behauptung
also schon für das Römische Recht.
ganz
allgemein auf,
Zn dieser Gestalt ist
sie am entschiedensten zu verwerfen, da sie mit Irrthümern theils
über eine ähnliche Bedingung der Klagverjährung,
theils
über den Römischen Kunstausdruck der experiundi
potestas zusammenhängt. Andere wollen dieselbe Behauptung nur aus dem canonischen Recht ableiten, welches in Beziehung auf die Kirchen
das Bewußtsevn der Verletzung für den Anfang der Ver
jährung fordern soll; theils indem sie nun den Latz selbst
(f) C 1 derest in VI (1 21) ,,8i quadriennu spatiumpost sit lapsum“ (nämlich post sententiam > ei contractum). C 2eod „infra quadriennium ab tpsius confessionis tempore computandum“ Clem un derest (1 11)
,,lnfra quadriennium continuum a tempore laesionis,f (g) Vgl eben B. 3 a 415, B. 5 S 282. - Glück B 6 § 405 Rete 3. Burchardr S. 517 — 524 P n ch t a Pandekten 8 105 e
§. 339. Restitution
249
Verfahren. (Forts.)
aus die Kirchen beschränken, theils indem sie demselben eine
allgemeinere Bedeutung beilegen, und die Erwähnung bei den Kirchen nur für einen zufälligen Umstand halten, indem
das
kanonische
Recht
als
ihn
allgemein
wahr voraus
setze (h).
In der That aber enthält^ das canonische Recht jenen Satz Man
gar nicht, bat
weder
denselben
allgemein,
finden
wollen
noch in
sür die Kirchen.
den
Ausdrücken:
„Ecclesia quae . . beiieficium rcstitutionis in integrum . .
negli"ente>
oniiserit“ (i); eine Nachlässigkeit nämlich sey
nur vorhanden, wenn die Kirche von der Verletzung unter richtet sey, und dennoch die Bitte unterlasse — Dabei liegt
ein
zum
gänzliches Verkennen Grunde
Ansicht,
daß
Das
des Wesens dieser Verjährung
Römische Recht geht
jeder Minderjährige,
jeder Abwesende,
der
zurückkehre,
der
aus
von der
volljährig
werde,
seinen
ganzen
sogleich
Rechtszustand durchsorschen solle, um etwa vorgefallcne Ver letzungen zu entdecken und ztlr Abhülse zu bringen.
Dazu
hält man Vier Jahre (früher Ein Jabr) für hinreichend, und wci; in dieser Zeit eine Verletzung nicht entdeckt, der
gilt als nachlässig, und verfällt der Verjährung; nicht edst,
wenn er sie entdeckt und nur zu träge ist, um sie vor Ge
richt geltend zu machen (k).
Daraus beziebt sich nun der
(h) Neber diesen letzten Gegensatz erklärt sich schwankend BurcharrtZ 523 („ znm wenigsten was die Restitution der Kirchen betrifft")
(1) C 1 de rest in VI (1.21) Fast mit denselben Worten ui C 2 eod
(k) (Sfccn so verhält es sich auch mit dem Anfang der Klag-
250
Buch II
Rechtsverhältnisse.
Kap. IV. Verletzung.
Ausdruck des kanonischen Rechts: negligenter omiserit, da wir durchaus keinen Grund haben zu der Annahme, daß daS Römische Recht hierin von den Päbsten entweder miß
verstanden sey, oder habe abgcändert werden sollen. Nach der hier ausgestellten Ansicht ist also für den An
fang der Verjährung das Bewußtseyn des Verletzten ganz gleichgültig.
Nur bei zwei Restitutionsgründen verhält es
sich in sofern anders, als bei ihnen der abnorme Zustand,
dessen Aushören oben erfordert wurde, damit die Verjährung anfangen könne, gerade in dem mangelhaften Bewußtseyn
des
Verletzten besteht
Irrthum.
Dieses
ist der Betrug und der
Der Verletzte muß also aufgehört haben, unter
der Herrschaft jenes mangelhaften Bewußtseyns zu stehen, damit die Verjährung anfangen könne; die Täuschung ist in diesen Fällen Dasselbe,
welches in anderen Fällen die
Minderjährigkeit oder die Abwesenheit ist, ein in besonderen Schutz genommenes Hinderniß, Schaden abzuwenden.
Die
hier aufgestellte Behauptung also gebt nicht etwa auf eine
Ausnabme von den oben angegebenen Grundsätzen, 'sondern vielmehr auf eine reine Anwendung derselben (1) . Eine unmittelbare Bestätigung dieser Behauptung liegt in einer Stelle des canonischen Rechts.
Verjährung, nur mit dem Unter schied, daß dabei kein abnormer Zustand
aufgehort
haben
muß,
(1)
Wenn eine Kirche
Auf die Restitution wegen
Zwanges kann Dieses natürlich nicht angewendet werden,
da es kaum
folglich die Verjährung stets mit
denkbar ist, daß Zemand zu einer
der Verletzung selbst anfängt.
Handlung gezwungen werden sollte,
§. 339
Restitution.
Berfahten.
(Rotts.)
251
durch ihr gerichtliches Geständnis in Nachtheil kommt, so kann
sie
Jahren,
als
Kirche
Restitution
verlangen
von dem Geständniß an.
binnen Vier
Wenn sie aber einen
Irrthum in dem Geständniß nachweist, und deswegen (so wie jeder Andere) Restitution begehrt (§ 331), so ist sie
an die Bier Jahre nicht gebunden (in).
DaS will sagen,
die Restitutionsfrist werde ihr dann gerechnet, nicht von dem Geständniß (der Läsion) an, sondern von der Zeit des entdeckten Irrthums an.
Darin liegt zugleich die vollstän
dige Widerlegung der so eben erwähnten Behauptung, nach
welcher die Kirchen wegen des Anfangspunktes der ihnen als Kirchen zustehenden Restitulion besonders privilegirt
seyn sollen.
§
340.
Restitution. — B er sah reu.
2
(Fortsetzung.)
Ununterbrochene Fortdauer der Verjährung.
Die zweite Bedingung der Verjährung besteht (bei der
Restitution, wie bei den Klagen) in der ununterbrochenen
Fortdauer bis zum Schluß:
Es fragt sich also, worin eine
Unterbrechung derselben bestehen könne.
Diese kann erstlich darin liegen, daß der abnorme Zu stand, in dessen Aufhören der Anfang der Verjährung gesetzt
wurde,
vor dem Ablauf von Neuem eintritt.
Bei der
Minderjährigkeit ist Dieses von selbst unmöglich, bei der
ohne zugleich zu wtffen, daß Dieses zu semem Schaden geschehe.
(m) C 2 de restit. in VI. (1. 21).
§. 339
Restitution.
Berfahten.
(Rotts.)
251
durch ihr gerichtliches Geständnis in Nachtheil kommt, so kann
sie
Jahren,
als
Kirche
Restitution
verlangen
von dem Geständniß an.
binnen Vier
Wenn sie aber einen
Irrthum in dem Geständniß nachweist, und deswegen (so wie jeder Andere) Restitution begehrt (§ 331), so ist sie
an die Bier Jahre nicht gebunden (in).
DaS will sagen,
die Restitutionsfrist werde ihr dann gerechnet, nicht von dem Geständniß (der Läsion) an, sondern von der Zeit des entdeckten Irrthums an.
Darin liegt zugleich die vollstän
dige Widerlegung der so eben erwähnten Behauptung, nach
welcher die Kirchen wegen des Anfangspunktes der ihnen als Kirchen zustehenden Restitulion besonders privilegirt
seyn sollen.
§
340.
Restitution. — B er sah reu.
2
(Fortsetzung.)
Ununterbrochene Fortdauer der Verjährung.
Die zweite Bedingung der Verjährung besteht (bei der
Restitution, wie bei den Klagen) in der ununterbrochenen
Fortdauer bis zum Schluß:
Es fragt sich also, worin eine
Unterbrechung derselben bestehen könne.
Diese kann erstlich darin liegen, daß der abnorme Zu stand, in dessen Aufhören der Anfang der Verjährung gesetzt
wurde,
vor dem Ablauf von Neuem eintritt.
Bei der
Minderjährigkeit ist Dieses von selbst unmöglich, bei der
ohne zugleich zu wtffen, daß Dieses zu semem Schaden geschehe.
(m) C 2 de restit. in VI. (1. 21).
252
Buch II.
Rechtsverhältnisse.
Kap. IV
Verletzung.
Abwesenheit kann es allerdings vorkommen.
der Abwesende
Wenn
also
vor Ablaus der Verjährung
zurückkehrt,
seinen Wohnort abermals verläßt, und diesen abwechselnden
Zustand vielleicht öfter wiederholt, so sind zwei verschiedene Behandlungen dieses Falles denkbar.
Man könnte erstens
alle einzelne Zeiten der Gegenwart zusammen rechnen, und
die Verjährung als vollendet annehmen, wenn die Summe der gesetzlichen Verjährungszeit gleich käme
Man könnte
aber auch zweitens die Verjährung nur dann für vollendet halten, wenn irgend eine einzelne Zeit der Gegenwart so
lange gedauert hätte, als das Gesetz für die Verjährung
fordert.
Von diesen beiden Berechnungsarten ist die zweite,
dem Verletzten günstigere,
als die richtige anzusehen (a).
Dabei liegt also der Gedanke zum Grunde, dem Verletzten müsse irgend einmal die volle, ununterbrochene Verjährungs zeit gestattet worden seyn, um an seinem Wohnort prüfen
(a) L 2R 8 3 ex quib caux. (4 6). Daß die Stelle lvullicb dtesen Lum Hat, zeigt felgender Anfang derselben ,,->i quis sae piu.s reip causa abfuit, ex novissimo redttu tempus resti tutionis esse ei computandum, Labeo putat“, wobei natürlich vorausgesetzt wird, daß er md't schon nach der früheren Abwesen heit, tu welcher er durch Usucapivn einen Verlust erlitten hatte, ein volles Jahr zu Hause geblieben war Die nachfolgenden Worte konnten so verstanden werden, als
wenn von einein Zusainnlenrechnen der Zeiten der Abwesenheit die Rede sevn niochte, die doch ganz gleichgültig sind Zn den Worten, si omnes quidem absentiae annuin colligaiit liegt daher ent ungenauer Ausdruck für die auf jede Abwesenheit felgende Zeit der Gegenwart, während welcher ja altem die Verjährung laufen kann. Cujach s obs. XIX. 15 sagt ganz richtig, absentiae stehe hier für inten alla absentiarum.
§. 340.
Restitution.
Verfahren.
(Forts.)
253
zu können, welchen Einfluß die Vergangenheit, in welcher
er abwesend war, auf seine Rechtsverhältnisse etwa aus geübt haben möge.
Zweitens kann die Unterbrechung aber auch darin liegen,
daß der Verletzte sein Recht zur Restitution wirklich geltend macht; dürften wir hier die Regeln von der Klagverjährung anwenden, so würde die Unterbrechung schon in der In sinuation des Restitutionsgesuchs zu finden seyn (b).
Allein
Justinian sagt ausdrücklich, innerhalb der Verjährungs frist müsse der Restitutionöprozeß nicht nur angefangen, sondern auch vollendet werden, sonst sey die Restitution ver
loren (C) Es würde unrichtig seyn, diese Vorschrift, so fremdartig
sie uns erscheinen mag,
als eine von Justinian auS-
gegangene willkürliche Neuerung anzusehen.
Kaisergesctze stimmen damit völlig
Schon frühere
überein (d);
ja auch
schon die alten Juristen setzen denselben Grundsatz voraus,
indem sie den Ablauf der Frist vor beendigtem Restitutions prozeß nur dann für unschädlich halten,
wenn die Ver
zögerung des Rechtsstreits dem Gegner zur Last fällt (e).
Auch schließt sich diese Vorschrift ganz einfach an die Pro zeßverjährung des alten Rechts an, und sie war bei der
(b) S o B 5 § 242. (c) L 7 pr C de temp (2. 53) continusttio temporis obser\ etur ad interponendam contest itionem finiendatnque
litem“ Wiederholt und bestätigt in Gern iui de rcst (1. 11). (d) Bu r ch arvi S. 503 — 500. (e) L 30 pr de min. (4.4).
254
Buch II
Rechtsverhältnisse.
Kap. IV. Verletzung.
Restitution um so natürlicher, als diese stets durch bloße cognitio vor dem Prätor abgemacht wurde, die wir gewiß als ein sehr schleuniges Verfahren denken dürfen.
Für unsren heutigen Prozeß aber würde die Beobach« tung dieser Vorschrift ganz unpassend seyn, und so ist denn
auch die Praris von jeher darüber einverstanden gewesen,
dieselbe unbeachtet zu lassen (f).
Die Unterbrechung der
Verjährung erfolgt demnach durch die Insinuation des Re
stitutionsgesuchs, und die Verjährung der Restitution ist in in diesem Punkte mit der Klagverjährung ganz aus gleiche
Linie getreten.
3
Ablauf der Verjährung
Dieser war ursprünglich auf Ein Jahr bestimmt, und
zwar auf einen annus utilis, sowohl für die Minderjährigen, als für die Volljährigen (g).
Bei den Minderjährigen heißt
diese Zeit legitimum tempus (h), ohne Zweifel, weil sie aus der Ler Plätoria auf die Restitution übertragen war (>). Constantin gab für diese Verjährungszeit mannich-
faltige und verwickelte Vorschriften (k)
führte wieder Alles
Justinian aber
auf eine einfache, leicht anwendbare
Regel zurück, indem er anstatt des alten annus utilis Vier
(h) L. 19 de mtn. (4. 4), L. 6 (f) Burchardi S. 507 Göschen Vorlesungen S. 543. pr. C de temp. (2. 53.) (g) L. 19 deniin (4. 4), L. 7 (i) Zeitschrift für geschichtliche pr. C.de temp. (2. 53) (fürMinder Rechtswissenschaft B 10 S. 253.— jährige). — L. 1 § 1, L. 28 § 3. Unrichtig bezieht Burch ardi 4 ex quib. caus. (4. 6) (für S. 499 diesen Ausdruck auf das Volljährige). prätorische Edict. (k) Burchardi S. 500. 501.
§. 340.
Restitution.
Verfahren.
(Forts.)
255
gewöhnliche Kalenderjahre (quadriennium continuum), als allgemeine Verjährungsfrist der Restitution vorschrieb (1).
Nur bei den für volljährig erklärten Minderjährigen gilt das besondere Recht, daß ihre Restitution für frühere Ver
letzungen niemals vor dem vollendeten fünf und zwanzigsten Jahre verjähren soll, so daß also in diesem Fall die Ver jährung zuweilen länger als Vier Jahre dauern kann (in).
Irrigerweise wird die von Justinian neu eingeführte Zeit der Vier Jahre von Manchen auch auf die sogenannten
Restitutionsklagen angewendet (n); diese falsche Meinung
ist eine Folge der schon oben ausführlich widerlegten Ver mengung dieser Klagen mit der Restitution (§ 316)
—
Eben so irrig ist es,
wenn Andere die Verjährung der
Vier Jahre nicht nur
auf das
sogenannte Judicium
re-
scindcns, sondern auch auf das rescissorium beziehen, so daß
jedes
dieser Rechtsmittel seine besondere vierjährige
Verjährung haben soll
(o).
Diese Meinung beruht auf
einem gänzlichen Verkennen der Natur dieser beiden Rechts mittel.
Das
sogenannte rescindens ist der einzige, aber
auch vollständige Restitutionsprozeß, und daraus beziehen sich die Vier Jahre
Das rescissorium ist eine gewöhnliche
Klage, die von der verschiedensten Art seyn kann, und bald dieser, (l) (m) (n) (o) (p)
bald
jener Klagverjäbrung
L. 7pr. C de temp. (2 53). L apr C detemp (2.53). Bnrchardt S 513.514 Bnrchardt 5 507 508. Diese Klagverzährnng Kinn
unterworfen ist (p);
in jet ein Fall erst anfangen von der jeit der rechtskräftig ertheilten Ncst.ttttton, weil die Klage ver loren war nut erst jetzt wieder ent standen (actio nata) ist. Es wird
256
Buch II.
Rechtsverhältnisse.
Kap. IV. Verletzung.
dafür war gar kein Bedürfniß vorhanden, jetzt etwas Neues vorzuschreiben.
Dagegen muß allerdings behauptet werden,
daß die
vierjährige Verjährung firr alle Restitutionen gilt (q).
Von
den wichtigsten Restitutionen, wegen Minderjährigkeit und Abwesenheit,
ist
(Noten g. 1).
Dieses
schon
oben dargethan
worden
Es bedarf nur noch einer näheren Prüfung
dieser Frage in Beziehung auf Zwang und Betrug, wobei
auch die schon oben erwähnte, aber ausgesetzte Frage wegen
des Anfangs der Verjährung in diesen beiden Fällen (8 339) ihre Erledigung finden muß.
Die actio quod metus causa verjährt in Einem annus utilis von der Zeit des Zwanges an, und es scheint in
konsequent, daß daneben eine vierjährige Restitution wegen desselben Zwanges gelten sollte.
Allein jene kurze Verjäh
rung tilgt die Klage nur, insofern sie zur Strafe des vier fachen Ersatzes führen kann; wird sie auf den einfachen
Ersatz gerichtet,
so ist sie ganz ohne Verjährung (r).
Da
nun die Restitution stets nur zum einfachen Ersatz führt, so ist es gewiß nicht inkonsequent, neben der immerwäh
renden Klage eine auf Vier Jahre beschränkte Restitution
zur Wahl zu stellen. aber von ihr fast nie die Rede seyn, weil die Restitution meist gesucht wird von Dem, welcher die restituirte Klage unmittelbar dar auf anstellen will. (q) Burchardi S.509—514. Nur freilich nicht, wie dieser Schrift
steller behauptet,, für die Restitution wegen capitis deminutio, die im alten Recht gar keine Verjährung hatte, und im neuen Recht nicht mehr vorhanden ist (§ 333).
(r) L. 14 § 1. 2 quod metus (4.2).
8 340. Restitution. Verfahren. (Forts.)
257
Die actio doli verjährt nach Constantin's Gesetz in Zwei Jahren, welche vom Betrug selbst anfangen, ohne Rücksicht auf das Bewußtseyn des Betrogenen (s). Dabei scheint eS wieder inconsequent, eine vierjährige Restitution daneben zu stellen, und diese erst anfangen zu lassen, wenn der Betrogene die Täuschung erfährt (§ 339). Allein die zweijährige Verjährung (früher einjährig) geht nur.auf die eigentliche actio doli, welche entehrt; daneben steht eine immerwährende actio in factum auf bloße Entschädigung mit Schonung der Ehre (t), und neben diese Klage auch noch eine auf gleichen Zweck gerichtete vierjährige Restitution zu stellen, ist gewiß nicht inconsequent; auch kann es nicht störend gefunden werden, daß die actio in factum auf die Bereicherung des Beklagten beschränkt wird, welche Be schränkung bei der Restitution nicht vorkommt.
8. 341. Restitution. — Verfahren. (Fortsetzung.)
Bei der Verjährung der Restitution sind zuletzt noch einige Fragen von besonders verwickelter Natur zu erörtern, die sich auf das Zusammentreffen mehrerer Restitutions gründe beziehen. In solchen Fällen werden fast immer ver schiedene Zeitpunkte des Ablaufs der Verjährung eintreten, und cs ist dann zu bestimmcit, in welcher Verbindung diese verschiedene Nestitutionen aufzufassen sind, um das Schicksal der Restltution überhaupt feftzuftellen. (s)
L. 8 C. de dolo (2. 21).
(t)
L. 28 de dolo (4.3).
17
8 340. Restitution. Verfahren. (Forts.)
257
Die actio doli verjährt nach Constantin's Gesetz in Zwei Jahren, welche vom Betrug selbst anfangen, ohne Rücksicht auf das Bewußtseyn des Betrogenen (s). Dabei scheint eS wieder inconsequent, eine vierjährige Restitution daneben zu stellen, und diese erst anfangen zu lassen, wenn der Betrogene die Täuschung erfährt (§ 339). Allein die zweijährige Verjährung (früher einjährig) geht nur.auf die eigentliche actio doli, welche entehrt; daneben steht eine immerwährende actio in factum auf bloße Entschädigung mit Schonung der Ehre (t), und neben diese Klage auch noch eine auf gleichen Zweck gerichtete vierjährige Restitution zu stellen, ist gewiß nicht inconsequent; auch kann es nicht störend gefunden werden, daß die actio in factum auf die Bereicherung des Beklagten beschränkt wird, welche Be schränkung bei der Restitution nicht vorkommt.
8. 341. Restitution. — Verfahren. (Fortsetzung.)
Bei der Verjährung der Restitution sind zuletzt noch einige Fragen von besonders verwickelter Natur zu erörtern, die sich auf das Zusammentreffen mehrerer Restitutions gründe beziehen. In solchen Fällen werden fast immer ver schiedene Zeitpunkte des Ablaufs der Verjährung eintreten, und cs ist dann zu bestimmcit, in welcher Verbindung diese verschiedene Nestitutionen aufzufassen sind, um das Schicksal der Restltution überhaupt feftzuftellen. (s)
L. 8 C. de dolo (2. 21).
(t)
L. 28 de dolo (4.3).
17
258
Buch II
Rechtsverhältnisse.
Kap. IV. Verletzung.
Ein solches Zusammentreffen mehrerer Restitutionen kann
vorkommen sowohl in einer und derselben Person,
alö in
mehreren Personen, wenn nämlich die eine Restitution durch Succession auf eine andere Person übcrgcgangen ist (§ 335).
Bei dem Zusammentreffen mehrerer Restitutionsgründe
I.
in einer und derselben Person ist vor Allem die Frage zu beantworten, ob es zulässig ist, gerade gegen die Verjährung
einer Restitution wiederum eine neue Restitution zu suchen. Diese Frage wird von unsern Schriftstellern schlechthin ver neint, und zwar aus zwei Gründen:
gemeinen Grunde,
erstlich auö dem all
weil sonst kein Ende des Restituirens
zu finden wäre, zweitens wegen einer ausdrücklichen Stelle
des Ulpian,
L. 20 pr. de minor. (a).
Beide Gründe
sind aber unhaltbar, und ich muß jene Frage entschieden bejahen
Daß eS mit der angeblichen Endlosigkeit der Re
stitution keine Gefahr hat,
wird sich aus der Betrachtung
der einzelnen möglichen Fälle solcher Art ergeben, die über haupt nur äußerst selten Vorkommen können; die Stelle des
Ulpian aber hat einen ganz anderen Sinn,
wie sogleich
gezeigt werden wird
Erstlich machen gar keine Schwierigkeit die Fälle,
in
welchen die Minderjährigkeit alö Rcstitutionsgrund zuletzt vorhanden ist.
Gesetzt,
Abwesenden usucapirl,
cs
wird
eine Sache von einem
welcher in die Heimath zurückkchrt,
als der vorige Eigenthümer Zwanzig Jahre alt ist, so ver(a)
Burchardl S. 134.
lesungen S. 216.
Puchta Pandekten §. 107. h. Vor
259
§. 34t. ‘Jteftitntton. Verfahre». (Forts.)
jährt die Restitution wegen Abwesenheit binnen Vier Jahren,
und man könnte nun fragen,
ob der Verletzte gegen diese
Verjährung als Minderjähriger Restitution erhalten könne.
Diese Frage ist aber gant müßig,
denn da die Restitution
der Minder,übrigen die umfassendste unter allen ist, so kann
der Verletzte bis zum Alter von Neun und zivanzig Jahren
gegen jene Usucapion schon als Minderjähriger unmittelbar Restitution erlangen,
die
wobei dann die Abwesenheit,
bereits eingetretene Ver,ährung,
so wie
die Restitution
und
gegen diese Verjährung, als ganz gleichgültig erscheint Betrachten wir aber nun den umgekehrten Fall, da die
Minderjährigkeit handen
ist.
nicht
als Restitutionsgrund ein
Gesetzt,
Minderjähriger
während seiner Abwesenheit wird
ruletzt vor
ist
abwesend,
er volljährig,
nachdem
er (vor oder in der Abwesenheit) einen nachtheiligcn Ver trag geschlossen bat.
er zurück
Als er Dreißig Jabre alt ist, kehrt
Eigentlich ist seine Restitlltion schon seit einem
Jahre verjährt, es fragt sich aber, ob er gegen diese Ver
jährung Restitution suchen könne.
Dieses verneint Ulpian,
übereinstimmend mit Papinian (b),
indem er sagt,
Abwesenheit sey hier nicht zu berücksichtigen,
eben die Stelle,
die
und das ist
woraus bewiesen werden soll, daß gegen
die Verjährung einer Restitution überhaupt keine Restitution
möglich
sey (Note a).
Allein Ulpian
giebt gar nicht
diesen Grund seiner Entscheidung an, sondern vielmehr den
(b) L. 20 pr. de nun (4 4)
260
Rechtsverhältnisse.
Buch II.
Kap. IV. Verletzung.
ganz anderen, daß hier die Abwesenheit gar kein Hinderniß für die Bitte um Ncstitution gewesen sey, Grundbedingung
aller Restitution
daß also die
fehle (§ 320 Note 6);
denn auch während der Abwesenheit habe die Restitution gegen den Vertrag gesucht werden können,
und zwar so
wohl durch einen Prvcurator bei dem Prätor in Rom, als in eigener Person bei dem Statthalter der Provinz, worin
der volljährig Gewordene lebte (welches Letzte Papinian Hierin zeigt sich nun wieder
liicht einmal erwähnt hatte).
die Verschiedenheit der Klagen von der Restitution.
Wenn
ein abwesender Minderjähriger ein ihm zusiehcndes einjäh
riges Imerdict verjähren läßt, dann volljährig wird, und
später zurückkchrt,
so kann er nun noch das Jnterdict an
stellen binnen der Restitutionöfrist, und diese Frist läuft ihm
nicht von der Volljährigkeit,
sondern von der Rückkehr
welchen Ulpian anführt,
war
der Abwesende ein zur Strafe Verbannter gewesen,
und
an (c)
— In dem Fall,
diesen llmstand machte Papinian als einen unterstützenden
Grund
jener
Ulpian,
Entscheidung
geltend.
Deshalb
tadelt ihn
indem hier das Verbrechen keinen Einfluß habe,
(c) L 15 §. G quod vi (43 24) welche Bezeichnung die Nestitulion Die N.st tlitten ive^n M.nd.t- n cht gehörte. Der t.echr l egende jäOriqfeit sonnnt nun gar H'cht in innere Grund aber war wohl der, B tracht, weil d.e wegen Abweseu- daß cs weit le.chtrt war, auch aus heit Alles entscheidet. — Der der Ferne ein R st tut onsgesuch zur Grund d-s Unterschirds Ucqt zu Prato tisch en cognitio zu bringen, nächst und formell dat.n, daß das als einen ordentlichen Prozeß vor Cdirt über die Abwesenden von den Inder. einet verlorenen actio sprach, unter
§. 34 t.
Restitution.
Verfahren.
261
(Forts)
sondern lediglich das Alter an sich (und die Abwesenheit an
sich)
zu
berücksichtigen
sey
—
(d).
Nach
der
Ansicht
Ulpian's also sollte auf die Gründe der Abwesenheit gar
Hierin aber machte das spätere Recht
nicht gesehen werden.
eine Ausnahme zum Besten der Soldaten, die nicht auffallen
kann, da sie zu den zahlreichen, auch sonst schon bekannten,
dieses
Privilegien
Minderjähriger
Standes
während
gehört
des
Wenn nämlich
Soldatenstandcs
ein
volljährig
wird, so soll die Vcr>ährungözcit nicht von der Volssährigkeit, sondern von dem Austritt aus dem Soldatcnstand an
Wenn ferner gegen einen Minderjährigen eine
fangen (c).
Usucapion vollendet wird, derselbe aber später in den Sol
datenstand eintritt, so soll er noch immer Hülfe gegen jene Usucapiön
erhalten
unzweifelhaft
können (f).
von der Ansicht aus,
besonderen Borrechts,
tion einer
Beide Aussprüche gehen
daß,
vermöge eines
der Soldat als Abwesender Restitu
erhalten müsse gegen den Ablauf der Verjährungsfrist Restitution,
die
seines
ihm
minderjährigen Alters
wegen zugestandcn hätte. Ich will aber nun noch dcir wichtigsten und am wenigsten verwickelten Fall anfübren,
in welchem die oben erwähnte
Streitfrage Vorkommen kann.
Wenn Jemand aus irgend
einem Grunde, wegen Minderjährigkeit, Abwesenheit usw,
(d) I. 20pr cit „Quid enun commune habet deL( tum cum venia aetatis?“ v eni.i actatis ist hier nicht in dein sonst ^wohn lichen S nn zu nehmen, sondern
fnr beneficium actatis, Nest tutlonsansprnch des M nderjührtzen. Vgl auch obfii 32» N?tc r. (e) L 1 C de tcmp (2. 5 3) (f) L. 3 C cod.
Buch II.
262
Rechtsverhältnisse.
Anspruch auf Restitution hat,
Kap. IV.
Verletzung.
und diese Restitution,
ge
täuscht durch Betrügereien seines Gegners, verjähren läßt, so fragt es sich,
ob er gegen diese Verjährung die Re
stitution wegen Betrugs verlangen kann.
Nach der oben
angeführten Meinung (Note a) muß diese Frage verneint werden,
ich
halte die Bejahung
für ganz unzweifelhaft.
Daß durch diesen Fall keine endlose Ausdehnung und Wie derholung der Restitution hcrbeigcführt werden könne, wird wohl Jeder zugcben bar,
Es ist aber ferner kein Grund denk
weshalb dem Verletzten die actio doli gegen den Be
trüger versagt werden könnte.
Wird nun diese zugegeben,
so muß er vielmehr die nicht entchreitde Restitution erhalten, da diese
im vorliegenden Fall röllig zu demselben Erfolg
führt, wie die Klage, und also der Klage nach allgemeinen Grundsätzen vorgezogen werden muß (§ 332 Note s)
Diese
Restitution führt also dahin, daß die verjährte frühere Re stitution als nicht verjährt behandelt,
und dem Verletzten
gewährt werden muß. Die hier ausgestellte Behauptung
über die Restitution
wegen Betrugs gegen die Verjährung irgend einer anderen
Restitution findet eine unmittelbare Bestätigung im cano-
nischcn
Recht.
Hier
wird
gesagt,
die vierjährige Ver
jährung der den Kirchen zustehenden Restitution könne ent
kräftet werden, wenn der Gegner durch Betrug diese Ver jährung bewirkt habe (g).
(g) C 1 de rcstit. m VI (1.21). „Ecclesia . si qua-
Es ist durchaus kein Grund
dricnnii spatium post sit lapsum, et negligenter omiserit,
§. 341
Restitution
263
(Forts.)
Verfahren.
vorhanden, diesen Ausspruch als ein besonderes Privilegium
indem auch die Fassung des Aus
der Kirchen anzusehen, drucks nicht hierauf,
sondern auf die Anerkennung einer
allgemein bekannten Rechtsregel
hindeutet
Eben
so
ist
kein Zweifel herzuleiten aus einem Zusatz der angeführten
Decretalc (!>), der so allgemein gefaßt ist, daß man dadurch
verleitet werden könnte, Aeußerung
die
ganze Bestimmung für eine
willkürlicher Billigkeit,
nicht
kennung einer Recbtöregel zu halten
laßt sich streng rechtfertigen.
Aufrubr u. s. w,
clausula,
aus
allgemeinen,
wie
längere Zeit ohne Scbutz und
Darin würde, in Anwendung der gene
Vertretung seyn
ralis
Auch dieser Zusatz
Die Kirche nänilich kann aus
individuellen Gründen, oder auch
Krieg,
für die Aner
ein
binreichcndcr Grund der Restitution
gegen alle in diese Zeit fallende Versäumnisse liegen,
also
unter anderen auch gegen die Versäumniß der Frist einer
Restitution,
die sic in ihrer Eigenschaft als Kirche binnen
Vier Jahren hätte begehren können. II.
Es bleibt nun noch übrig,
von
dem Zusammen
treffen mehrerer Restitutionen in Folge eines Successionsfalleö zu sprechen.
Darüber enthält das Römische Recht
folgende Regeln.
non ost ad beneficium hujusmodi admittcnda, nist praevaricationis vel fraudis manifeste probetur super hoc intervemsse commentum . "
(h) 1 c „aut aha rationabihs causa subsit, quae superiormn mo\ ere debcat ad idem beneficium concedendum.“
264
Buch II. Rechtsverhällmffe.
Kap. IV. Verletzung.
Wenn ein Minderjähriger auf Restitution gegen ein Rechtsgeschäft Anspruch hat, dann stirbt, und von einem Minderjährigen beerbt wird, so ist der Tod erfolgt entweder vor oder nach der Volljährigkeit des Erblassers. Im ersten Fall hat der Erbe Vier Jahre Zeit zur Restitution, welche von seiner eigenen Volljährigkeit an zu berechnen sind (i). Im zweiten Fall hat der Erbe, gleichfalls von seiner eigenen Volliährigkeit an, so viel Zeit zur Restitution, als der Erblasser zur Zeit des Todes von seiner eigenen Nestitutionssrist noch übrig hatte (k) Auch hier findet sich wieder ein Privilegium der Sol daten, ähnlich dem schon im ersten Hauptfall erwähnten Privilegium (Rote e. f) Wenn nämlich entweder der Erblasser, oder der Erbe, im Heere diente, so soll da, wo sonst von der Volliährigkeit an zu rechnen wäre, stets erst der Abschied aus dem Heere als bestimmender Zeitpunkt angesehen werden (I). §. 342. Restitution. — Wirk u n g e n
Die aus dem Grundbegriff der Restitution folgende Wirkung derselben ist die Herstellung des früheren Rechts zustandes Hat nun die einge'retene Aenderung dieses Zu standes, die durch die Herstellung beseitigt werden zoll, eine (i) L 19 de mm (4 1), L 5 1 C. de fern/). (2. 53), Paulus 1. 9 § 4.
(k) L. 19 de mm (4 4), L 5 § 2 C de temp. (2 53) (1) L. 1. 3 C de temp. (2. 53).
264
Buch II. Rechtsverhällmffe.
Kap. IV. Verletzung.
Wenn ein Minderjähriger auf Restitution gegen ein Rechtsgeschäft Anspruch hat, dann stirbt, und von einem Minderjährigen beerbt wird, so ist der Tod erfolgt entweder vor oder nach der Volljährigkeit des Erblassers. Im ersten Fall hat der Erbe Vier Jahre Zeit zur Restitution, welche von seiner eigenen Volljährigkeit an zu berechnen sind (i). Im zweiten Fall hat der Erbe, gleichfalls von seiner eigenen Volliährigkeit an, so viel Zeit zur Restitution, als der Erblasser zur Zeit des Todes von seiner eigenen Nestitutionssrist noch übrig hatte (k) Auch hier findet sich wieder ein Privilegium der Sol daten, ähnlich dem schon im ersten Hauptfall erwähnten Privilegium (Rote e. f) Wenn nämlich entweder der Erblasser, oder der Erbe, im Heere diente, so soll da, wo sonst von der Volliährigkeit an zu rechnen wäre, stets erst der Abschied aus dem Heere als bestimmender Zeitpunkt angesehen werden (I). §. 342. Restitution. — Wirk u n g e n
Die aus dem Grundbegriff der Restitution folgende Wirkung derselben ist die Herstellung des früheren Rechts zustandes Hat nun die einge'retene Aenderung dieses Zu standes, die durch die Herstellung beseitigt werden zoll, eine (i) L 19 de mm (4 1), L 5 1 C. de fern/). (2. 53), Paulus 1. 9 § 4.
(k) L. 19 de mm (4 4), L 5 § 2 C de temp. (2 53) (1) L. 1. 3 C de temp. (2. 53).
§. 342.
Restitution.
Wirkungen.
265
ganz einfache Natur, wie z. B. die Schenkung, wozu ein Minderjähriger beredet worden ist, so kann jene Regel als ausreichend gelten', indem eben nur die einzelne Handlung in ihren Folgen rückgängig zu machen ist. Allein viele, ja die meisten Aenderungen des Rechtszustandes haben eine so einfache Natur nicht, intern sie vielmehr aus gegenseitigen Leistungen, also aus Vortheilen und Nachtheilen auf beiden Seiten, zusammengesetzt sind. Für alle diese Fälle nun gilt die allgemeine und natür liche Regel, vast der ursprüngliche Zustand nach allen Seiten hin wiederbergestellt werden muß (a) Eine Anwendung ans die wichtigsten einzelnen Fälle wird diese Regel in das rechte Licht setzen. Durch ein empfangenes Darlehen kann ein Minder jähriger in Nachtheil versetzt seyn, indem er das empfangene Geld verloren oder verschwendet hat; dann führt die Nestitution dahin, daß er Nichts zurückbezahlt (§ 319 Note d). Hat er das Geld nicht gerade verschwendet, sondern an einen unvermögenden Schuldner geliehen, so wird er da durch geschützt, daß er sich durch Ccssion der Klage gegen dicken Schuldner mit seinem Gläubiger abfindet. Hat er (a) L 24 § 4 de min (4 4), „ut HHuxffutS'/we in integrum jus Simin rccipiat-1 — L 29 ex qn CfJir.v (4G) ldehcet ne cui offii mm publicum vcl darnno, vel campend o sit * — L. 1 pr C. de rrpntat (2 48) „ Qm rcstituiLur, SKut indamno mo-
rari non debet, ita nec in lnc.ro “ — Gleichbedeutend ist die Vorschrift, daß bei einem zweis.itiq n Vertrag der Verletzte nur die V.bchl Hut, ob du6 Geschäft qan; q Ihn oder qauz nicht tjiUen soll L. 13 § 27 28 de act. emti (ID. 1).
Buch II.
266
Rechtsverhältnisse.
Kap. IV
Verletzung,
mit dem geliehenen Gelde einen nachtheiligen Einkauf vor
so wird er gegen seinen Verkäufer restituirt,
genommen, und
bedarf dann einer Nestituiion gegen
den
Darleiher
nicht (b).
Gegen einen nachtheiligen Verkauf geht die Restitution deS Minderjährigen zunächst dahin, daß demselben die ver
kaufte Sache mit den Früchten der Zwischenzeit zurückgege ben werden muß (c). — Dagegen muß der Verletzte von
seiiler Seite das empfangene Kaufgeld zurückzahlcn, zwar
sind
mit
(d).
—
Diese
schlossen werden,
Kaufgeld sehen
die
Zinsen,
Früchte
die
Rückzahlung
hat,
welches
dann eine doppelte Restitution:
an
der
empfangene
Hergang
liegt
gegen den Verkauf,
und
gegen den Empfang der Zahlung.
wahre Verbesserungen
ausge
der Käufer vorher
In diesem
(8 319 Note i)
aufzurechnen
kann dadurch
daß der Minderjährige das
verschwendet
konnte
gegen
und
Hat der
—
Sache
Käufer
vorgenommen,
so
müssen ihm die Kosten derselben ersetzt werden so) Dieselbe Natur mit dem Verkauf hat,
wie überhaupt,
so auch in dieser Beziehung, die Uebergabe einer Sache an
Zahlungsstatt.
Auch dabei ist die gegebene Sache mit
ihren Früchten zurück zu geben, und die Zinsen red Geldes
sind dagegen alifzurechnen (f).
(b) £.27 § 1 de min. (4. 4). (c) £. 24 § 4, £.27 § 1 de min. (4. 4).
(d) £.27 min (4. 4). so) £. 39 (f) £ 41) £.98 § 2 de
§ 1, £.47 § 1. de Paulus I. 9 §. 7.
§ l de min. (4. 4). § l de min. (4. 4), solut (46. 3).
§. 342.
Der gleichen
267
Wirkungen.
Restttutwn
nachtheilige Einkauf einer Sache
wird nach
Grundsätzen behandelt; auch hier ist
die Sache
mit ihren Früchten,
das Kaufgeld mit Zinsen,
zurück zu
geben (g) Gegen eine nachtheilige Acceptilation besteht die Re
stitution darin, daß dem unvorsichtigen Gläubiger seine An und zwar nicht blos gegen
sprüche zurück gegeben werden,
den Schuldner selbst, sondern auch gegen dessen Mitschuldner
und Bürgen, so wie gegen die Pfänder (h) Hat ein Minderjähriger durch Novation anstatt seines
Schuldners einen schlechteren Schuldner angenommen, wird
ihm
die
Klage
gegen
den
früheren
so
Schuldner
restituirt (i) Hat er durch Erpromission die Schuld eines Anderen
übernommen,
so wird durch die Restitution er selbst be
freit, dem Gläubiger aber seine verlorene Klage gegen den diese natürlich mit den darauf
Schuldner wiederhcrgestellt; früher
haftenden
Beschränkungen,
kurzen Verjährung unterworfen,
Erpromission
bereits
bis
auf
z. B.
wenn sie einer
und diese zur Zeit der
wenige
Tage
abgclaufen
war (k).
Die Restitution gegen einen Vergleich hat die Folge,
(/.r) L 27 § 1 demin (4. 4), (h) L. 27. § 2 demin. (4.4). (i) L. 27 8 3 de min. (4.4).
(k) L. 50 de minor (4. 4), L 19 de nov (4G 2), L. 1 § 1 C de reputat (2. 48).
Buch II.
268
daß die
Rechtsverhältnisse.
gegenseitig
Kap. IV. Verletzung.
aufgegebenen Ansprüche
von beiden
Seiten wieder aufleben (I).
Die Restitution gegen eine Usucapion hat die Folge, daß dem Verletzten die verlorene Sache mit allen Früchten
der Zwischenzeit herausgegeben werden muß (in). Ist eine
vortheilhafte
Erbschaft
auögeschlagen,
oder durch unerfüllte Bedingung verloren worden,
so be
steht die Restitution nicht darin, daß Der, welcher sie erhält,
nun wirklich Erbe wird,
welches unmöglich ist;
er be
kommt aber alle Klagen, die er als wahrer Erbe von selbst erhalten haben würde, nunmehr als utiles actiones, das heißt also, es wird ihm ein fingirtes Erbrecht verschafft (n).
— Er muß jedoch Alles als gültig anerkennen, was in der Zwischenzeit (Erben,
von
den
bis
dahin
berechtigten
Personen
Curatoren u. s. w.) an den Bestandtheilen der
Erbschaft verändert worden ist (o). —
Ferner leben nun
mehr auch alle Lasten und Verpflichtungen wieder auf, die
dem Restituirten in der Eigenschaft eines Erben auferlegt waren,
und
von
welchen
er
bis zur Restitution
frei
war (p).
(1) L. 12 C. si ade. trans, (m) L 28 § G, L. 29 ex qicib. act. (2 32). Anders verheilt es caus. (4 6). (n) L. 7 § 10 de nun. (4.4), ssch bei der R.st tut o:t ggeii cm Urtheil, wenn Cuf.lbe nur Ein am Ende der Stelle. L. 21 § 6 Stuck streitiger Verhältnisse betrifft, qnod nut ns (4 2). (o) L. 22 de nun (4 4) Diese und daneben andere, galt; iinal'hangige Stücke vvrlieg it; diese Vvrs.hnst sann srgar unter Um bk.beit unberührt durch die Re- standen zur Versagung d.r Rest.tntivn. L. 28, L. 29 § 1 de ftitutipn fithreu 7. 21 § 2 < od. mitt. (4. 4). (p) L Alex quib caus. (4 G).
§. 342.
Restitution.
269
Wirkungen.
Die Restitution gegen den Antritt einer Erbschaft ist nach denselben Grundsätzen zu beurtheilen. tuirte ist und bleibt Erbe,
Der Nesti-
wird nur durch Fiction
und
behandelt, als ob er nicht Erbe wäre (abstinendi potcstas Er muß nun Dem, an welchen nunmehr
ei tribuitur) (q).
die Erbschaft fällt, diejenigen Erbschaftsstücke hcrausgeben,
oder durch bösen Willen
die an ihn bleibend gekommen,
nicht gekommen, oder untergegangen sind (r). — Wenn er vor der Restitution Legate ausgezahlt hat,
oder Schulden der Erbschaft
so giebt er dafür keinen Ersatz;
eben so
erseht er nicht den Werth der durch seinen Antritt frei ge wordenen
oder
Sklaven,
Sklaven,
der
die
er
fidei-
commissarisch selbst sreigclassen hat (s).
Die Restitution gegen den Erwerb eines Legates
macht den Restituirten frei von den Lasten, die ihm in der Eigenschaft
eines
Legatars
als
Fideicommiß
aufcrlegt
waren (t).
§. Restitution.
—
343.
Wirkungen.
(Fortsetzung.)
Die Schriftsteller über die Restitution haben sich von jeher viel mit der Frage beschäftigt,
pcrsonam wirke oder in reist,
(q) L. 21 § 5 qtiod metus (4. 2), L. 7 § 5, £.31 de min. (4. 4). (r) L. 7 § 5 de min. (4. 4)
ob die Restitution in
das heißt, nur gegen eine
an, Ende. L. 1 §2 C.de reputat. (2. 48), (s) L. 22. 31 de min. (4. 4). (t) L. 33 de min. (4. 4).
§. 342.
Restitution.
269
Wirkungen.
Die Restitution gegen den Antritt einer Erbschaft ist nach denselben Grundsätzen zu beurtheilen. tuirte ist und bleibt Erbe,
Der Nesti-
wird nur durch Fiction
und
behandelt, als ob er nicht Erbe wäre (abstinendi potcstas Er muß nun Dem, an welchen nunmehr
ei tribuitur) (q).
die Erbschaft fällt, diejenigen Erbschaftsstücke hcrausgeben,
oder durch bösen Willen
die an ihn bleibend gekommen,
nicht gekommen, oder untergegangen sind (r). — Wenn er vor der Restitution Legate ausgezahlt hat,
oder Schulden der Erbschaft
so giebt er dafür keinen Ersatz;
eben so
erseht er nicht den Werth der durch seinen Antritt frei ge wordenen
oder
Sklaven,
Sklaven,
der
die
er
fidei-
commissarisch selbst sreigclassen hat (s).
Die Restitution gegen den Erwerb eines Legates
macht den Restituirten frei von den Lasten, die ihm in der Eigenschaft
eines
Legatars
als
Fideicommiß
aufcrlegt
waren (t).
§. Restitution.
—
343.
Wirkungen.
(Fortsetzung.)
Die Schriftsteller über die Restitution haben sich von jeher viel mit der Frage beschäftigt,
pcrsonam wirke oder in reist,
(q) L. 21 § 5 qtiod metus (4. 2), L. 7 § 5, £.31 de min. (4. 4). (r) L. 7 § 5 de min. (4. 4)
ob die Restitution in
das heißt, nur gegen eine
an, Ende. L. 1 §2 C.de reputat. (2. 48), (s) L. 22. 31 de min. (4. 4). (t) L. 33 de min. (4. 4).
270
Buch II
Rechtsverhältnisse.
einzelne bestimmte Person,
Kap. IV. Verletzung.
oder in das Unbestimmte hin,
gegen Personen, die sich vielleicht zur Zeit der erlittenen Verletzung noch gar nicht übersehen lassen.
Daß überhaupt
beide Wirkungsarten vorkommen können, sagt in einem all gemeinen Ausspruch eine Stelle des Paulus (a), die durch andere Stellen bestätigt wird (b).
Nach einer unter unsren Schriftstellern sehr gangbaren Formel soll die Restitution in personam die Regel bilden,
die in rem die Ausnahme (c); in der That aber bedarf die Sache einer etwas tieferen Begründung (d)
Es hängt
diese Frage unmittelbar zusammen mit der schon oben erör terten Bestimmung der verpflichteten Person in der Re
stitution,
oder des Gegners des Verletzten (§ 336),
und
diese Bestimmung muß nothwendig sehr verschieden aus fallen,
je nach der verschiedenen Natur der Rechtsverhält
nisse, woraus sich die Restitution beziehen kann.
Die Restitution kann gerichtet seyn gegen eine Usucapion,
also gegen eine nicht auf der Handlung des Eigenthümcrs beruhende Veränderung im Eigenthum, kommen
welcher Fall vor
kann sowohl wegen Minderjährigkeit
Abwesenheit.
Hier versteht es sich von selbst,
als wegen
daß sie in
rem wirkt, also gegen leden Besitzer (e), wie sie denn auch
(a) Paulus I 7 § 4 „Integri restitutio aut in rem competit, aut in personam.“ Diese Stelle ist aber sicher stark verstümmelt. (b) L. 13 § 1 de min. (4. 4) Jnterdum autem restitutio et ,in rem datur minori“
(c) (d) Note f. (e) (4 6).
Burchardt S 416fg. Puchta Pandekten § 106 Vorlesungen (5 217.218. L. 30 § 1 ex qu. caus.
§. 343.
Restitution.
Wirkungen.
271
(Forts.)
zunächst und hauptsächlich durch die Wiederherstellung der verlorenen Eigenthumsklage zur Ausführung gebracht wird (§ 329).
Eben so ist kein Zweifel, daß die Restitution gegen die Ausschlagung oder den Antritt einer Erbschaft stets in rem wirkt,
da sie auf ganz verschiedene und unbestimmte Per
sonen
sich beziehen soll (§ 342)
gesagt,
Auch wird ausdrücklich
daß die aus der Restitution hervorgehende Klagen
auf Erbschaftssachen gegen jeden Besitzer derselben angestellt werden können,
auch wenn der ursprüngliche Besitzer der
Erbschaft sie veräußert hat (f)
Anders verhält es sich mit der Restitution gegen einen geschlossenen Vertrag.
Person, hat,
Diese geht in der Regel gegen die
mit welcher der Verletzte den Vertrag geschlossen
und nur ausnahmsweise gegen dritte Personen;
für
diese Klasse von Fällen also ist die oben erwähnte Formel als richtig anzuerkennen (Note c)
Wird also ein Minderjähriger gegen einen nachtheiligen Verkauf restituirt, so hat er in der Regel die Rückgabe des verlorenen Eigenthums
nur von dem Käufer zu
fordern
(§ 342 Note c), nicht von dem dritten Besitzer, an welchen
der Käufer weiter veräußert hat.
Ausnahmsweise aber (g)
wirkt die Restitution auch gegen den dritten Besitzer, wenn
dieser um den Verkauf des Minderjährigen wußte,
(f) L. 17 pr. ex qwb caus (4. v)
(g)
oder
Interdum, s. o. Note b.
272
Buch II. Rechtsverhältnisse.
Kap. IV. Verletzung,
wenn der erste Käufer zahlungsunfähig ist (h).
solchen Fall hat dann der dritte Besitzer,
In einem
der die Sache
herausgeben muß, dieselben Regreßansprüche gegen fernen
Vorgänger, wie wenn er den Besitz durch eine Eigenthums
klage verloren hätte (i). Dieselbe Behandlung findet sich, jährigen,
wenn einem Minder
der zur Zahlung einer Schuld verurtheilt war,
Sachen abgepfändet und verkauft worden sind; denn diese Handlung ist als ein im Namen des Minderjährigen, also von ihm selbst,
geschlossener Verkauf anzusehen.
Wird
nachher die Verurtheilung durch Restitution aufgehoben, so
kann der Minderjährige in der Regel nur die Summe der Schuld vom Gläubiger wieder fordern (k); ausnahmsweise
aber (1) kann er auch die verkauften Sachen von dem Be sitzer zurück fordern,
wenn er durch' das Entbehren
in
besonders großen Schaden versetzt werden würde (m).
Schon oben ist dargethan worden,
daß bei einer er
zwungenen Veräußerung der Verletzte die Wahl hat, (h) L. 13 § 1, L. 14 de min. (4. 4). (i) L. 15 de min. (4. 4), L. 39 pr. de evict. (21. 2). (k) L. 9 pr. de min. (4. 4) „nam illud cort um est, pecuniam ex causa judicati solutam ei restituendam“. (l) L. 9 pr. eit. „et puto, interdum permittendum“ . . . (m) L. 9 pr. cit. ,, si grau de damnum sit minoris“. L. 1 C. siadv.vend.pign. (2.29) „magno
ent-
detrimento . . . enorme damnum“ ... L. 49 de min. (4.4) „grande damnum“; diese Stelle muß offenbar, so wie die vorigen, von einem Verkauf im Wege der Erecution verstanden werden, ob gleich sie das nicht ausorncktich sagt. — Nicht zu verwechseln aber ist dieser Fall der pignora capta et distracta nut dem Falt, da der Psandglaubiger verkauft; dagegen gilt gar keine Restitution, s. oben § 323 Note e. f. g.
8 343.
Restitution.
Wirkungen.
273
(Forts.)
weder gegen den Verletzer auf Entschädigung
zu klagen,
oder durch Restitution die Herstellung seiner verlorenen in rem actio
zu verlangen,
die er dann auch gegen jeden
dritten Besitzer geltend machen kann (§ 330 Note e).
Sehr häufig ist das Verfahren bei einer Restitution so
einsach, daß Alles abgethan ist mit dem einfachen Befehl an den Verpflichten,
Geld zu zahlen oder eine empfangene
Sache heraus zu geben (§. 337 Note m). Restitution eine
Schuldklage.
ähnliche Natur
mit einer
Dann hat die
gewöhnlichen
Ist nun der zunächst Verpflichtete in fremder
Gewalt als Sohn oder Sklave, so trifft die Verpflichtung, wie bei einer Schuld, auch den Vater oder Herrn, in sofern entweder dieser durch das Geschäft Etwas in sein Vermögen bekommen hat,
oder ein Peculium vorhanden ist,
wodurch
er nach den Grundsätzen der actio de peculio verbunden wird (n).
(n) L. 24 8 3 de nun. (4.4).
VII.
18
Beilagen. XVIII.
XIX
Beilage XVIII.
Restitution der Minderjährigen, welche m väterlicher Gewalt stehen. L. 3 § 1 de ininor. (4. 4) L. 2 C de filiofam. minore (2. 23)
(Zu § 323 Note q)
Weber die Restitution der in väterlicher Gewalt stehenden Minderjährigen werden von den Schriftstellern folgende Sätze als sichere Regeln anerkannt: Der Minderjährige erhält gegen seine Handlungen dieselbe Restitution, wie wenn er nicht in väterlicher Gewalt stände, vorausgesetzt (so wie bei jeder Re stitution), daß er ein Interesse dabei hat; Der Vater soll von dieser Restitution keinen Vortheil ziehen, kann sie also nicht für sich geltend machen. Auch sind diese Sätze in der Hauptstelle, die von dieser Frage handelt, als Regeln so klar und entschieden aus gesprochen, daß darüber kaum ein Zweifel seyn konnte (a) Nur wird fast eben so allgemein für den ersten dieser beiden Sätze eine Ausnahme behauptet, und diese Ausnahme ist
278 es,
Beilage XVIII. welche in der
gegenwärtigen Untersuchung geprüft
werden soll.
Der Minderjährige soll nach dieser Behauptung aus
nahmsweise keine Restitution erhalten,
lige Geschäft in der Aufnahme
wenn das nachthei
eines Gelddarlehens be
steht, und wenn dazu der Vater den Befehl gegeben hat (b).
Betrachten wir zuerst diese Ausnahme in ihrem allge meinen und natürlichen Zusammenhang mit der Restitution
überhaupt, also grundsätzlich, und noch ohne Rücksicht auf das Zeugniß einzelner Stellen
Man könnte riesclbc daraus ableitcn wollen,
daß es
dem väterlichen Ansehen widersprechen würde, den gegebenen
Befehl durch ErtHcilung der Restitution für schädlich zu Diese, an sich denkbare, Ansicht wird von Ulpian
erklären.
entschieden verworfen,
da er bei anderen Rechtsgeschäften
dem Sohn die Restitution gestattet,
auch wenn der Vater
Befehl zu dem Geschäft gegeben hatte (c)
Man
könnte der Sache
ferner die Wendung
geben
wollen, daß nur der allein Handelnde Sohn ein leichtsinniges
Gelddarlehen aufnehmen und dadurch in Schaden kommen werde;
im Fall eines väterlichen Befehls werde keine Ge-
(b) BurcharvlS 239—248. Andere Schriftsteller werden so gleich angeführt werden. (c) L. 3 § 4 cit. „Proinde si jussu patris obligatus sit .. filius auxilium impetrare
debebit, si ipse conveniatur “ — Eben sy wenn der Vater seinen unmündigen Sohn emancipirt, und als Vormund die aucloritas zu einem Geschäft gegeben hatte. L. 29 pr de min (4. 4).
279
Zur Restitution der Minderjährigen. fahr und kein Nachtheil vorhanden sevn (d).
Man kann
Dieses für die meisten Fälle unbedenklich zugeben, uiit> wenn in der That kein Nachtbeil,
oder doch kein Nachtheil auS
Unbesonnenheit entstanden ist, so versteht es sich von selbst, daß die Restitution wegfältt,
fehlt
weil ibre Grundbedingung
Aber es kann doch
(8 320 Note b).
auch
anders
kommen; der Vater kann eben so Leichtsinnig seyn, wie der Sohn, er kann durch den Lobn getäuscht werden, er kann
selbst ui böser, eigennütziger Absicht den nachtbetligen Befehl zum Darlehen geben.
warum gerade nur
Aus keine Welse erklärt dieser Grund, bei
dem Gelddarlehen der väterliche
Besebl drese Wirkung haben soll,
da ja bei allen anderen
Rechtsgeschäften genau dieselben Rücksichten und Möglich keiten eintreten, um die Restitution für zulässig oder unzu
lässig zu halten. In dieser Verlegenheit nun haben ältere Schriftsteller
die seltsamsten Gründe geltend gemacht,
um die erwähnte
Ausnahme bei dem Darlehen zu rechtfertigen (e).
Das für
das Gelddarlehen erlassene Sc. Macedonianum/ sagen sie, sey für viele einzelne Fälle sehr bart,
und für diese Härte
sollten die Gläubiger durch die erwähnte Ausnahme wenig
stens eine kleine Entschädigung erhalten.
Ferner seyen die
(d) Das ist die Wendung, Me solchen Fall fein Nachtheil aus Puchta § 103 Note i der Sache Unbesonnenheit entstanden sey. (e) Azo in L 2 C. de fil. giebt Denn ui den Vorlesungen S. 213 sagt er, es sey feine eigent fam mm , Glossa in L. 3 § 4 liche Ausnahme, sondern es werde D de nuiiorC ujacius in L. 3 nur angenommen, daß in einem §4 D de nun., Opp. Tip. 989
Beilage XVIII.
280
meisten Gläubiger der Minderjährigen ungemein schlechte
Leute.
sinnung
Wenn sich nun einmal einer von so redlicher Ge
fände,
daß er nur mit der Genehmigung deS
Vaters daS Darlehen geben wolle, so verdiene dieser seltene Redliche unter den vielen Unredlichen durch eine besondere
Ausnahme von den allgemeinen Rechtsregeln ausgezeichnet
und belohnt zu werden. Ansicht
Zur Unterstützung dieser letzten
wird auch noch eine Stelle der heiligen Schrift
angeführt (f).
Diese Gründe sind so unhaltbar, ,a so wunderlich, daß sie sich nur aus der völligen Verzweiflung erklären lassen,
über den klaren Ausspruch unsrer Rechtsquellen nicht ander-
hinweg kommen zu können. muß daher
die
Nach
für das Gelddarlehen
nahme schlechthin verworfen werden,
mehr Alles
allgemeinen Gründen
auf die Erklärung
behauptete Aus
und es kommt nun
einzelner Stellen an, zu
welcher ich mich jetzt wende. Die wichtigste Stelle ist folgende aus Ui.pianvs lib. XI. ad Ed., die ich in ihrem ganzen Zusammenbang hierher
setze.
L. 3 § 1 i quis dixent etiam filiiilamiliaruiu
in re pcculiari snbveniendurn, efficiet, ut per eos etiam (f) Ev. S. üutä Kap 15 Einen Sünder, der Buße thut, vor V. 7 „Ich sage Euch: Also wrrd neun und neunzig Gerechten, die auch Freude tut Himmel sehn über der Buße nicht bedursen.
281
Zur Restitution der Minderjährigen.
majoribus subveniatur, id est patribus eorum. Quod
nequaquam fuit Praetori propositum; Praetor enim minoribus auxilium promisit, non majoribus. Ego autein
verissimam arbitror sententiam existimantium, filium-
familias minorem annis in integrum restitui posse ex bis solis causis, quae ipsius intersint, puta si sit
obligatus.
Proinde bi jussu patris obligatus sit,
pater utique potent in solidum conveniri, filius autem,
cum et ipse possit vei in potestate manens conveniri, vel etiani emancipatus vel exheredatus, in id quod
facere potent, et quidem in potestate manens etiani invito patre ex condemnatione conveniri,
imp^trare debebit, si ipse conveniatur. auxilium patri
quoque prosit,
auxilium
Sed an hoc
ut solet int er dum
fidcjussori ejus prodesse, videamus: et” non puto
profutur um. auxilium,
*Si igitur filius conveniatur, postulet
si patrem conveniat creditor, auxilium
cessat, excepta mut ui datione, in hac (g) enim, si
filius jussu (h) patris mutuam pecuniam accepit,
non adjuvatur.
Proinde et (i) si sine jussu patris
contraxit et captus est. siquidem pater de peculio conveniatur, filius non erit restituendus; si filius
conveniatur. poterit restitui. (g) Alle alte Ausgaben lesen hac, welches eine bessere Constructton giebt, als die Florentinische Leseart: hanc. (h) Diese Leseart der Vulgata ist offenbar besser, als die der Flo-
rentina, welche ras Wort filius weglaßt (i) Aus der folgenden Erklarung wird sich ergeben, daß der Sinn einfacherhervortritt, wenn hier das et weggelassen wird (Note n).
282
Beilage XVIII.
Alles kommt auf die Erklärung der hier cursiv gedruckten Worte an. Diese enthalten die Ausnahme von einer Regel, und es fragt sich, worin besteht diese Ausnahme? welches ist die Regel, worauf sic sich bestellt? Die Ausnahme scheint ausgedrückt in den Worten: non adjuvatur, die Regel also scheint nur in einem adjuvatur, (oder was etwa gleichen Sinn giebt) bestehen zu können. Da nun in dem unmittelbar vorhergehenden Satz gesagt wird: atixilitini ecssat. welches eben so viel sagt als non adjuvatur. ;o scheint die Ausnahme daraus nicht ZU passen Sie würde aber passen auf den entfernteren Satz von dem verklagten Sollue; denn da es bei diesem heißt: po^tulet auxiliuui. so bildet dagegen das non adjuvatur allerdings einen Gegensatz, welcher als Ausnahme der Regel: postulet auxilium wohl gedacht werden könnte. Durch diese Betrachtung sind ohne Zweifel alle bisherige Erklärer unsrer Stelle bewogen worden, sich zu zwei sehr bedenklichen Maaßregeln zu entschließen. Erstlich haben sic sich hinweg gesetzt über die oben entwickelten allgemeinen Rcchtsgrundsätze, womit daS Ergebniß dieser Erklärung geradezu in Widerspruch tritt, und sie haben sich über diesen Widerspruch durch die bereits angeführten, etwas abentheuerlichen Erwägungen beruhigt Zweitens aber haben sie die Alisnahme nicht an die unmittelbar vorher gehenden Worte angeschlossen, sondern, mit Ueberspringung dieser Worte, an den früheren, vom Sohne handelnden Satz; dieses letzte Verfahren ist sehr gezwungen, fast ge-
Jur Restitution der Minder,ährlgen
283
waltsam zu nennen. — Wenn es nun gelingen wollte, eine andere Erklärung zu finden, durch welche diese beiden großen Uebelstände vermieden werden könnten, so dürfte diese Erklärung gewiß vorzuzieben seyn Eine solche aber will ich jetzt versuchen. Jcb gehe dabei von dem festen Punkte aus, daß Ulpian ganz bestimmt sagt, daS Gelddarlehen sey hier allein ausgenommen, werde also von allen anderen Rechtsge schäften, die etwa der Sohn geschlossen haben könnte, verf(bieten behandelt. Wenn man nun nach einem Grunde fragt, der diese ganz eigenthümliche Behandlung des Geld darlehens rechtfertigen möchte, so ist kaum ein anderer denkbar, als die exceptio Sc Maeedoniani, welche bekannt lich sowohl von dem Vater, als von dem Sohne selbst, gegen jede aus dem Gelddarlehen anzustellende Klage gebraucht werden kann (k), und welche gerade allein auf das Gelddarlehen, im Gegensatz aller anderen Rechtsge schäfte (selbst des Darlehens an aiireren Sachen als Geld) Anwendung findet. Nimmt man aber Dieses an, so muß der Sinn der Ausnahme nothwendig ein bejahender (ein adjuvatur), nicht ein verneinender (ein non adjuvatur) seyn. Sehen wir zu, wie dieses, nunmehr als nothwendig anzuerkennende, Ziel der Erklärung erreicht werden kann. Es geschieht am einfachsten durch eine Emendation, die
(k) L 7 § 10, L. 9 § 3 de Sc Mac (14. C), L ß pr. C. eod. (4. 28)
284
Beilage XVIU.
jedoch nur in der Versetzung deS non an eine andere Stelle zu bestehen braucht, also gewiß bescheiden ist. Der ganze Satz würde nun so lauten: si patrem conveniat creditor. auxilium cessat, excepta mutui datione; in hac enim, si filius non jussu patris mutuam pecuniam accepit, adjuvatur (1). Für Diejenigen aber, welche etwa selbst vor einer so mäßigen Emendation, als zu gewaltthätig, zurück schrecken möchten, läßt sich daffelbe Ziel auch auf dem Wege bloßer Erklärung erreichen. Man muß nämlich vann zu den Worten: si filius jussu patris . . accepit ein nur oder nur dann (ein non nisi) hinzu denken, so daß der Satz folgenden Sinn giebt, denn bei diesem (dem Gelddarlehen) wird dem Vater nur dann die schützende Einrede (aus dem SenatuSconsult) versagt (non adjuvatur), wenn das Darlehen auf seinen Befehl ausgenommen war (»>); außer diesem Fall des Befehls also hat er die Einrede, worin denn eben die Ausnahme von der Regel: auxilium cessat besteht. Beide Wege (die Emendation und die zuletzt versuchte Erklärung) führen zu demselben Ziel, nämlich zu folgenden (1) nämlich pater adjuvatur, da ja pater das noch fottivirfeit de Subject des Hauptsalzes ist, welcher uut den Worten si patrem conveniat anfangt. Natürlich muß man nun die Regel und die Ausnahme nicht von der RestituLion allem verstehen, sondern von jeder den Beklagten schuhenden Rechtshülfe überhaupt In der
Regel also wird dem Later gar Nicht geholfen, un Fall des Geld darlehens wird ihm geholfen, freilich nicht durch Restitution, sondern durch die exc Sc Macedoniani (in) Eine ähnliche Erklärung durch em hinzugcdachtes nur ist nöthig bei der L. 57 mand. (17 1) s o § 329 Note n
285
Zur Restitution der Minderjährigen.
einfachen Sätzen:
der aus dem Geschäft des
dem Vater,
Sohnes verklagt wird, ist überhaupt nicht zu helfen, außer
von einem Gelddarlehen des Sohnes die Rede ist;
wenn
denn gegen die Klage aus diesem hat der Vater die Ein
rede aus dem SenatuSconsult, vorausgesetzt, daß das Dar auf seinen Beseht ausgenommen
lehen
nicht
Man
kann diese
Wendung, darlehens
Sätze,
mit einer
ausdrücken:
so
auch
nur
worden
etwas
Im Fall
ist.
anderen
eines
Geld
hat der Vater gegen die actio dc peculio die
exc. Sc. Maccdoniani.
gegen die actio quod jussu hat er
Eine Restitution
diese Einrede nicht.
kann er in keinem
Fall verlangen. Daß nun Ulpian in der That gerade Das sagen wollte,
welches ihm durch diese Erklärung in den Mund gelegt wird,
ergiebt sich aus den nachher solgenden Worten, worin er den eben aufgestellten Fall
noch
von
weiterer Betrachtung verfolgt. vym
Vater
nicht
befohlenen
einer anderen Seite in
Der Fall
war der
Gelddarlehens;
eines
gegen
die
Klage aus diesem sollte der Vater die exc. Sc. Macedoniani haben; Das sagt der bisher erklärte Theil der Stelle.
Waö geschieht aber in diesem Falle mit dem Sohne? davon sprechen die hier folgende Worte:
Proinde
si
(n)
sine jussu patris
(o)
contraxit et
(n) Ich lasse da« et vor si weg (Note i), weil nicht eine fort;
bare Wiederholung der vorherge
vorher
tris mutuam pecuniam accepit
ausgesprochenen Satze« folgt, son
nach der von mir vorgeschlagenen
dern eNva« Neue«. (o) Diese Worte find die ficht-
sehr für diese Emendation.
gehende
Anwendung
des
henden Worte: si non jussu pa
Emendation,
und sprechen daher
286
Beilage XVIII
captus est, siquidem pater de peculio conveniatur, filius non erit restituendus;
si filius conveniatur,
poterit restitui. Beide hier ausgestellte Satze sind nicht ganz ohne Be denken
Der Sohn soll,
wenn der Vater verklagt wird,
nicht restituirt werden können daraus,
Das erklärt sich zunächst
daß der Sohn nicht in Anspruch genommen ist.
Aber wie, wenn der Vater die Erception nicht gebrauchen
will,
oder wenn er sic nach den besonderen Umständen des
Falles nicht gebrauchen kann (p)?
Nun wird der Vater
zahlen, das Geld aus dem Peculium nehmen, und so ver
liert der Sohn dennoch dieses Geld
antwortet Ulpian,
Auf diesen Einwurf
das Interesse des Sohnes an dem
Peculium als solchem sey ein blos factisches, kein juristisches,
der Vater habe daran das Eigenthum und könne es also auch ganz willkürlich wegnehmen (q)
Auch der zweite
Satz hat
dem Darlehen verklagte
sein Bedenken
Der auö
Sohn soll Restitution erhalten;
aber auch er hat ja die Einrede aus dem SenatuSconsult, und da diese schon mcro jure gilt, so scheint die Restitution
überflüssig und unzulässig (§ 321 Note r) antworten,
daß jene Einrede
Darauf ist zu
vielleicht ausgeschlossen ist
durch den Irrthum des Gläubigers über das Daseyn der
(p) Wenn etwa der Gläubiger nicht wußte, daß der Schuldner in väterlicher Gewalt stand. L. 3 pr L. 19 de Sc. Maced. (14.6)
(q) ,,Npe eo inovemur, quasi intersit filii peculium habere; magis eniin patris, quam filii interest “
28?
Zur Restitution der Minderjährigen.
väterlichen Gewalt (Note p),
oder daß dieser Umstand
wenigstens vom Gegner behauptet werden und den Ausgang
des Rechtsstreits ungewiß machen kann (§. 318 Note d) AuS solchen Gründen kann wohl die Restitution Vortheil gewähren, ja vielleicht ganz unentbehrlich seyn, wenn dem Sohne geholfen werden soll
Denn die Minderjährigkeit giebt
stets einen Schutz, der solchen Einwendungen nicht ausgesetzt
ist, und gerade die sichere Verhütung einer solchen Gefahr
eignet sich entschieden zur Ertheilung einer Restitution (S 121)
Die (weite Stelle,
woraus bewiesen werden soll, vaß
der Minderjährige keine Restitution erhalte gegen ein Geld
darlehen, wenn sein Vater dazu Befehl gegeben habe,
ist
ein Rescript von Gordian
L. 1 (al. 2) C. de fil. fam. minore (2 23).
„Si frater tuus, cum mutuam pecuniam accipcret, in
patris fuit potestate,
nec jussu ejus.
ncc contra
Senatusconsultum contractum est, propter hibricum
aetatis adversus eam cautionem in integrum restitutionem potuit postulare“. Die Belehrung des Kaisers geht dahin, daß der minder
jährige
Schuldner
gegen
das
Gelddarlehen unter
zwei
Voraussetzungen Restitution erhalten sönne: 1. Wenn das Darlehen nicht auf Befehl des Vaters aus
genommen sey, 2.
wenn dasselbe nicht unter das Verbot des Senatuö-
consults falle.
288
Beilage XVIII.
Ich betrachte die zweite Voraussetzmlg zuerst, die mit
der so eben angestellten Untersuchung zusammentrifft.
Ist
nach der übereinstimmenden Erklärung der Parteien schon das Senatusconsult anwendbar, so bedars es der Restitution
nicht, und sie wird daher nicht gegeben.
Ist es entschieden
nicht anwendbar (weil der Gläubiger die väterliche Gewalt sicher nicht kannte),
oder ist dieser Umstand wenigstens
zweifelhaft und bestritten, dann kann die Restitution ein
treten. Die haben.
erste Voraussetzung
scheint
folgenden Sinn zu
Wenn der Vater keinen Befehl zum Darlehen ge
geben hat,
so bekommt der Sohn Restitution (daS sagt
die Stelle ausdrücklich);
wenn er Befehl gegeben hat, so
bekommt der Sohn keine Restitution (das scheint indirekt
angedeutet). Diese indirekte Andeutung scheint also eine Bestätigung der Ausnahme zu enthalten,
worauf sich die gegenwärtige
Untersuchung bezieht, also eine Bestätigung der oben erklärten Stelle deS Ulpian nach der gewöhnlichen Auffassung der-
selben.
Unstreitig war eS die scheinbare Uebereinstimmung
dieser beiden von einander unabhängigen Stellen,
welche
der gewöhnlichen Behauptung einer Ausnahme für den Fall eines vom
Vater befohlenen Gelddarlehens
solche
Kraft
verlieh, daß dagegen auch nicht einmal ein Zweifel versucht wurde.
Die eben erklärte, in jener ersten Voraussetzung liegende
indirekte
Andeutung
ist nun das gewöhnlich sogenannte
Zur Restitution ter Mmderiähngen. argumentum a contrario.
289
Dasselbe besteht darin, daß aus
einer bedingungsweise aufgestellten Regel geschloffen werden soll, das Gegentheil dieser Regel müsse gelten,
sobald der
logische Gegensatz (die reine Verneinung) der aufgestellten
Bedingung vorhanden sey.
Diese Auslegungsweise, die am
rechten Orte angewendet ihre relative Wahrbeit hat, nirgend bedenklicher, als bei den Rescripten im Coder.
ist
Denn
hier hak die bedingte Fassung eines Ausspruchs sehr oft gar
kücht den Sinn,
daß der Ausspruch eben nur unter der
beigefügten Bedingung wahr seyn soll, sondern vielmehr nur
den Sinn einer kurzen Wiederholung der in der Anfrage an den Kaiser
enthaltenen Thatsachen (->).
vorliegenden Stelle
also
In der hier
sind die zwei scheinbaren Be
dingungen der für zulässig erklärten Restitution etwa so zu
verstehen:
Wenn es wabr ist, wie Tu anführst, daß der Vater zu dem
aufgenommenen Gelddarlehen keinen Befehl
gegeben bat, und daß auch nicht eine Verletzung deS
Senamsconsults jede Restitution überflüssig macht, so ist die Restitution wohlbegründet.
Die Erwähnung des nicht vorhandenen väterlichen Be
fehls in der Anfrage, so wie in der Wiederholung durch das Rescripk, hat nun nicht den Sinn, schlechtbin ausgeschlossen
daß die Restitution
wäre im Fall eines väterlichen
Befehls (wie man die Stelle gewöhnlich auslegt), sondern
(r) Vgl. eben B 1 § 41 am Ende des §. VII.
19
290
Beilage XVIII
Vielmehr, daß, wenn ein solcher Befehl nicht vorhanden ist,
die Restitution um so ficherer zulässig seyn wird, weil das Daseyn eines solchen Befehls gewiß in den meisten Fällen ein Kennzeichen seyn wird,
daß eine
Läsion nicht
»or
Handen, also auch eine Restitution nicht begründet ist.
Was hier über die Auslegung der Rescripte int Coder
gesagt ist, hängt also damit zusammen, daß solche Rescripte nicht dazu bestimmt waren,
allgemeine,
scharf begränzte
Grundsätze auszustellen (wie eS bei den theoretischen Schriften
der alten Juristen, so wie bei den eigentlichen Gesetzen im Coder, der Fall ist), sondern vielmehr Belehrung zu geben
über die concrete Natur einzelner zur Beurtheilung vorge-
legter Rechtsfälle
So ist also auch dieses Rescript des Gordian nicht dazu geeignet,
die angebliche Ausnahme für den Fall des
Gelddarlehens zu rechtfertigen
Ich fasse die vorstehende Ausführung in folgender kurzen Uebersicht zusammen.
Minderjährige erhalten
Restitution
gegen ihre Rechtsgeschäfte auch wenn sie in väterlicher Ge walt stehen, und selbst wenn der Vater in das Geschäft
eingewilligt oder dazu Befehl gegeben hat.
Diese Regel
wird auch von keiner Seite bezweifelt
Es wird aber sehr allgemein eine Ausnahme von dieser
Regel für den Fall behauptet,
wenn das Geschäft in der
Aufnahme eines Geld-Darlehens besteht.
Für diesen Fall
291
Zur Restitution der Minderjährigen.
soll
durch
beit
väterlichen
Befehl
die
Restitution
des
SohneS gänzlich ausgeschlossen seyn.
Diese Ausnahme
läßt
sich
jedoch
nach
allgemeinen
Rechtsgrundsätzen durchaus nicht rechtfertigen.
Sie soll begründet werden durch eine Stelle des Ulpian, und durch ein Rescript des K. Gordian.
Die richtige
Auslegung beider Stellen bestätigt aber diese Behauptung
nicht. Demnach ist tue Behauptung jener Ausnahme durchaus
zu verwerfen
Beilage XIX. L. 57 Mandat! (17. 1).
(Zu § 329 Note n).
An der Stelle, die hier erklärt werden soll, ist fast Alles Gegenstand von Zweifeln und Streitigkeiten geworden: der
Tert, die Bildung des RechtSfalles der entschieden werden soll,
die Personen
von welchen die Rede ist,
die Ent
scheidung selbst. Der Fall stellt fich dem ersten, folgender Weise dar.
unbefangenen Blick in
Ein Sklavenhändler (venaliciarius)
reist in eine Provinz, ohne Zweifel, um neue Sklaven einzu kaufen. Die in Rom vorräthigen Sklaven zu verkaufen, giebt
er Auftrag an einen Mann, der ihm als zuverlässig persönlich
bekannt ist (certi hominis fidem elegit). Abreise stirbt dieser Mann,
Bald nach seiner
und dessen Erben,
unbekannt
mit den Regeln des Mandats, bilden sich ein, der Auftrag
sey auf sie übergegangen;
sie verkaufen die Sklaven,
zwar (wie der Erfolg zeigt)
gungen.
und
unter nachtheiligen Bedin
Die Käufer besitzen die Sklaven über ein Jahr.
Der Sklavenhändler,
von der Reise zurückkehrend,
unzuftieden mit dem Verkauf,
und
will gegen die Käufer mit
Berlage XIX
der Publiciana klagen,
L. 57 mandati (17. 1)
293
fürchtet aber die exceptio dominii
wegen der Usucapion der Käufer, und eS wird bei Papinian angefragt,
wer wohl Aussicht auf Erfolg habe, der
Kläger oder die Beklagten? Das Responsum auf diese Frage
nahm der Jurist in seine Sammlung auf,
und daraus ist
dasselbe in die Digesten übergcgangen
Aber gerade in der Antwort auf die vorgelegte Frage ist der Sitz der Schwierigkeit,
von
zwei Lesearren
ganz
denn eben hier finden sich
entgegengesetztem
Sinn
Die
erste lautet so: 8ed venahciariuin ex provincia reversum Publiciana
actione
non utiliter
acturum.
Dieses ist die Leseart der Florentina und der Vulgata.
inutiliter,
Haloander liest: giebt,
welches ganz denselben Sinn
und wobei es dahin gestellt bleiben mag,
ob er es
in einer Handschrift vorsand, oder nur des besseren Klangeö wegen aufnahm.
Nach dieser ersten Leseart sollen die Be
klagten Recht behalten. Sed
venaliciarium
inutiliter
Die zweite Leseart ist folgende:
....
Publiciana
actione
non
acturum.
Diese findet sich in der Ausgabe des Vintimillius: Pari». 1548.8, aus einer Handschrift des Ranconnetus. Ferner in der Ausgabe des Charondas, Antverp. 1575
lob, aus einer Handschrift des Herausgebers. Augustinus (a):
(a)
„et sunt qui scribant.
X(iG(iSTiM emend. Lib 1 C 3
Ferner sagt
non inutiliter
Beilage XIX.
294
acturwm." Woher er Dieses hat, sagt er nicht; das angeführte
Buch ist zuerst 1543 gedruckt, also älter, als die angeführten
Ausgaben,
worin handschriftliche Terte angegeben werden.
Auch die Basiliken bestätigen diese Leseart (b).
Cujacius
schlägt als Conjectur vor: utiliter, welches dem Sinn nach
Nicht verschieden ist von non inutiliter, dem Ausdruck nach schlechter,
Nach dieser
wie sich weiter unten zeigen wird.
zweiten Leseart soll der Kläger Recht behalten. Also
an
handschriftlicher Beglaubigung
fehlt es für
und wir haben zunächst nach dem
beide Lesearten nicht,
inneren Zusammenhang der Stelle zu prüfen,
welche den
Vorzug verdiene. Sieht man die Stelle obenhin an,
so spricht ein ober
flächlicher Schein für die erste Leseart.
den unmittelbar folgenden Worten: dominii .
detur.
Denn es heißt in
cum exceptio justi
Also: dafür exceptio, die Erception
wird vom Prätor gegeben,
sie ist also wirklich begründet,
also muß der Kläger abgewiesen werden.
Allein bei genauerer Betrachtung ergeben sich sogleich
folgende ganz entscheidende Gründe gegen diese Erklärung. Zuerst die adversative Partikel Satzes.
Sed im Anfang des
Dann wenn die Beklagten durch die Erception
gewinnen, so ist Dieses eilte unmittelbare Folge der vorher erwähnten Usueapion,
kann also unmöglich als Gegensatz
anSgedrückt werden, wie eö doch indem Sed augenscheinlich
(b)
Basil, ed. Fahret T 2 p 161
“
295
L. 57 mandati (17. 1). geschieht.
Allerdings liest nun H a l o a n d e r Et anstatt Sed,
und dadurch
verschwindet
dieser
Einwurf.
Allein seine
Leseart steht so vereinzelt, daß wir wohl unbedenklich annehmen können,
sie sey nicht aus einer Handschrift ge
nommen, sondern eben nur erfunden, um diesem Einwmf
zu begegnen.
Femer spricht dagegen der in dem letzten Satz (ueque oporteat etc.) enthaltene,
iiommene Grund. durch die Berufung
von der bloßen Billigkeit herge-
Wenn die Beklagten gewinnen sollen auf das strenge Recht,
das justum
dominium, so wäre es ja sehr unlogisch, dessen Schutz durch
die an sich schwächere Stütze. der Billigkeit befestigen zu wollen. Dann spricht dagegen das causa coghita, welches nun
vollkommen müßig dasteht, wie es sich am deutlichsten aus
der richtigen Erklärung dieser sehr bedeutsamen Worte er
geben wird.
-
Endlich aber, und welches die Hauptsache ist, muß man
bei dieser Erklärung völlig vergessen,
daß von sehr alter
Zeit her der Prätor eine Restitution angekündigt hatte zum Besten der Abwesenden,
helfen,
und zwar gerade,
um ihnen zu
wenn sie in Folge ihrer Abwesenheit Eigenthum
durch Usucapion verlieren zollten.
An diese Restitution
müßte Papinian gar nicht gedacht haben,
sonst hätte er
auf entgegengesetzte Weise entschieden, oder doch mindestens
nöthig gesunden zu erklären,
warum sie im vorliegenden
Fall nicht angewendet werden sollte.
296
Beilage XIX.
Das Gewicht dieser Gründe ist denn auch schon vor vielen Jahrhunderten anerkannt worden.
Um diesen Ein
wendungen zu
die Leseart non
entgehen,
dennoch
und
utiliter aufrecht zu halten,
da man lange Zeit hindurch
keine andere kannte,
ist der Versuch schon in der Glosse
von
anderen Schriftstellern in ganz ver
gemacht,
und
schiedenen Zeiten ausgenommen und vertheidigt worden (c),
den Rechtsfall selbst,
auf welchen fich Frage und Antwort
in der Stelle beziehen sollen,
in einer ganz anderen, und
zwar sehr künstlichen und verwickelten Weise auszubilden.
Ein Eigenthümer von Sklaven giebt Auftrag, verkaufen,
diese zu
der Beauftragte stirbt, und die Erben desselben
verkaufen die Sklaven, nicht in unredlicher Absicht, sondern weil sie irrigerweise glauben, der Auftrag sey auf sie über
gegangen.
—
Soweit ist es fast derselbe Fall,
wie der
oben dargestellte. Nun aber sollen sich die Schicksale der Käufer getrennt
haben. Die meisten derselben haben (nach dieser Erklärung) die ihnen durch den Kauf zugefallenen Sklaven Ein Jahr lang be
sessen und dadurch usucapirt.
Dadurch bekommen sie volles,
unanfechtbares Eigenthum, das sie behaupten können, sie mögen nun im Besitze bleiben oder nicht. hat es sich selbst zuzuschreiben,
Der vorige Eigenthümer
daß er nicht aufmerksamer
war, und nicht gegen sic geklagt hat vor Vollendung der
(c) Vgl. J Gothofredus Uli Thesaurus dcs Ott» T 3p 293, und Pltimans probabilia p 1
29.7
L. 57 mandati (17. 1). Usucapion.
Auf eine Restitution hat er keinen Anspruch,
denn er war gar nicht abwesend gewesen.
Von diesen
meisten Käufern ist nun nicht weiter die Rede; ihre Sache
ist abgethan mit den Worten: eos ab emtoribus (d. h. von dem größten Theil der Käufer) usucaptos videri placuit.
Nur Einer dieser Käufer, ein Sklavenhändler, hatte ein besonderes Schicksal, abweichend von dem seiner Mitkäufer. Er war vor dem Ablauf seiner Usucapionszeit nach einer
und in seiner Abwesenheit war der auf
Provinz gereist,
ihn gefallene Theil
der erkauften Sklaven wieder in den
Besitz des alten Eigenthümers zurückgekehrt, der also dadurch die Usucapion
unterbrochen
hatte.
Der Sklavenhändler
wollte nach der Rückkehr gegen den alten Eigenthümer mit der Publiciana klagen, und darüber wurde Papinian be
fragt.
Er antwortete, der Kläger müsse abgewiesen werden,
weil der Beklagte noch wahrer Eigenthümer seh,
also die
exceptio dominii für sich geltend machen könne.
In dieser Erklärung wird nun eine umständliche Ge schichte
erdichtet,
ohne daß die Stelle auch nur die ent
fernteste Hindeutung daraus enthielte.
Alle Ausdrücke der
Stelle deuten vielmehr gerade auf das Gegentheil der hier vorausgesetzten Thatsachen.
Denn unter den emtores wird
doch gewiß jeder unbefangene Leser alle Käufer verstehen,
nicht blos die meisten;
und unter dem den Käufern (durch
Sed) entgegengesetzten venaliciarius eher alles Andere, als einen College« eben dieser Käufer. — wichtigsten
Bedenken
bestehen,
welche
Ferner bleiben die
oben
gegen
eine
298
Beilage XIX
andere Erklärung erhoben worden sind: daß die Worte causa cognita völlig müßig sind,
Recht
und daß eine auf Vas strenge
sdas justum dominium)
gegründete
Entscheidung
unmöglich durch einen Grund der Billigkeit unterstützt werden
konnte, der keinen Halt hatte, wenn der alte Eigentbümer
nicht auch verreist war,
und der unter dieser Voraussetzung
gerade auf das Verhältniß der übrigen Käufer
bar gewesen wäre,
und dabei
eine ganz entgegengesetzte
Entscheidung hätte herbeiführen müssen
sind die Resultate,
so trivial,
so von selbst, daß man kaum begreift,
Rechtssall
hätte begehrt,
— Endlich aber
die der Stelle nach dieser Erklärung
zugeschrieben werden müssen,
beschaffenen
anwend
ein
Responsum
sie verstehen sich
wie über einen so von
Papinian
später in dessen Sammlung ausgenommen,
und zuletzt sogar in die Tigesten gesetzt werden sollen.
Die völlige Unhaltbarkeit der beiden bisher dargestellten Erklärungen führt fast nothwendig auf die Annahme der
Zweiten Leseart (non inutiliter),
Beglaubigung nicht fehlt,
der es an handschriftlicher
und es kommt nur darauf an,
unter Voraussetzung dieses Tertcs
eine mit dem inneren
Zusammenhang der Stelle, so wie mit allgemeineren Rechts
regeln, Das
übereinstimmende Erklärung zu versuchen.
eigentliche Hinderniß einer richtigen Auffasfting
liegt an einem Orte, wo man es auf den ersten Blick kaum
erwarten sollte, in den Worten: cum exceptio justi doini-
nii . . . detur, welche einen Doppelsinn mit sich führen, indem sie sowohl aus eoncrete, als ans absiracte Weise ge-
L. 57 mandati (17. 1). deutet werden können.
299
Sie können nämlich erstens sagen,
in dem vorliegenden Fall werde die Erception gegeben, sey sie begründet,
der Kläger müsse daher abgewiesen werden:
dann sind diese Worte der Grund der Entscheidung, und
setzen die Leseart non utiliter nothwendig voraus
Sie
können aber auch zweitens (und das ist das Richtige) eine allgemeine Betrachtung enthalten über die Behandlung jener
Erceprion überhaupt:
dann sind sie nicht Grund der Ent
scheidung, sondern Widerlegung eines Einwurss, und setzen
die Leseart non inutilitcr voraus
Der Sinn dieses Haupt-
tbeils der Stelle läßt sich hiernach in folgender Umschreibung
darstellen:
Zwar
haben die Käufer in der That die
usucapirt.
Sklaven
Dennoch (Sed) wird der alte Eigenthümer
(der venaliciarius) die Sklaven nicht ohne Erfolg (non inutiliter) mit der Publiciana einklagen.
Man könnte
zwar glauben, daß ihm die exceptio justi dominii der Käufer, eben wegen ihrer Usucapion, im Wege stände;
allein man muß erwägen, daß diese Erception im Allge
meinen nicht jedem Eigenthümer unbedingt,
nur causa cognita (d) ertheilt wird.
Im vorliegenden
Fall aber führt die causae cognitio daraus,
(d) (Zs muß also zu den Worten causa cognita em nomiisi hmzugedacht werden, wodurch alleln sie gegen den Vorwurf eines völlig müssigen DasevnS geschützt werden
sondern
den Be-
tonnen. Erne ähnltche Erklärung ul oben bei emer andern Stelle versucht worden, Betlage XVIII. Note m
300
Beilage XIX.
klagten die Erception abzuschlagen aus einer Rücksicht
der Billigkeit (neque oporteat etc.). Die Gründe,
die oben als Einwendungen gegen ibie
vorhergehenden Erklärungen aufgestellt wurden, verwandeln sich jetzt in Bestätigungen der hier versuchten. sed
ausgedrückte
Gegensatz
ist
Der durch
wirklich vorhanden,
die
Worte causa cognita sind nicht müßig, sondern ganz unent behrlich , und der am Schluß aufgestellte Grund der Billig keit ist in der That entscheidend für die ganze Sache.
Der
innere Zusammenhang der Stelle ist völlig befriedigend,
und Alles steht in Einklang mit sonst bekannten Rechts
regeln. Endlich bestätigt sich die Wahl der Leseart, worauf diese Erklärung beruht,
auch dadurch als richtig, daß sich
aus ihr die Entstehung der anderen,
nun als irrig anzu
sehenden Leseart, ungezwungen und befriedigend erklärt (e). In irgend einer sehr frühen Zeit ließ sich nämlich ein Ab
schreiber durch den in den Worten: cum exceptio .. detur
liegenden falschen Schein täuschen,
und verwandelte das
Vorgefundene richtige inutilitcr in das irrige utiliter, welches dann in die meisten Handschriften übergegangen ist.
Es bleibt nun noch übrig, die einzelnen Sätze besonders zu erklären,
wobei in Erinnerung gebracht werden muß,
daß uns in dieser ganzen Stelle Papinian ein von ihm
früher ertheiltes Responsum, mit dessen Gründen, in kurzem Auszuge mittheilen will.
(e) Ueber diese Probe der Richtigkeit eines aus mehreren auszu wählenden Tertes vgl.^B. 1 S. 250. 251.
L. 57 mandati (17. 1).
301
Mandatum distrahendorum servorum, defuncto qui mandatum suscepit, intercidisse constitit. „ Das mußte vor Allem als keinem Zweifel unterworfen anerkannt werden (constitit), daß der Auftrag mit dem Tode des Bevollmächtigten erloschen war, so daß die Erben durch den Verkauf, den sie irrigerweise vornahmen, den Käufern keine Rechte unmittelbar übertragen konnten." Quoniam tarnen heredes ejus errore lapsi, non animo furandi, sed exequendi quod defunctus suae curae fecerat, servos vendiderant, eos ab emtoribus usucaptos videri placuit. „Es kann daher nur noch die Frage seyn, ob etwa die Käufer (die Ein Jahr lang besaßen) durch Usucapion Eigenthum der Sklaven erworben haben. Auch dieses hätte verneint werden müssen, wenn die Erben die Sklaven ver kauft hätten, um das Geld für sich zu behalten; das wäre ein Diebstahl gewesen, und die Sklaven hätten als res furtivae nicht usucapirt werden können. Da aber die Erben nicht diese unredliche Absicht hatten, sondern die ehrliche, nur auf RechtSunkunde beruhende Absicht, den Auftrag zu vollziehen, der ihrem Erblasser gegeben war (f), so mußte das Gutachten dahin ertheilt werden (g), daß die Käufer allerdings usucapirt hatten." (f) Dieser ganze Satz enthält also nicht, wie man nach den An fangsworten (quoniam tarnen) glauben könnte, den positiven Grund der Usucapion (denn dieser liegt
in der justa causa), sondern die Widerlegung eines nahe liegenden Einwurfs. (g) „placuit,“ absichtlich ge wählt, weil zuvor die Beseitigung
302
Setlage XIX
Sed venaliciarium ex provincia reversum (h) Publiciana actione non inutilifer acturum. cum exceptio justi dominii causa cognita detur, (Dieser Hauptthril der Stelle ist schon oben umschreibend erklärt worden.) neque oporteat eum. qui certi hominis fidera elegit, ob errorem aut iinpcritiam heredum affici damno. „Im vorliegenden Fall aber führt die causae cognitio dahin, daß der Kläger wegen seiner Abwesenheit Restitution gegen die Usucapion der Beklagten erhalten muß, wodurch die Erception entkräftet wird, also abgeschlagen werden muß. Der einzige Grund gegen eine solche Restitution hätte etwa darin gesetzt werden können, daß der Kläger durch Nach lässigkeit seinen Verlust selbst verschuldet hätte, folglich keine Restitution verdiene (i); dieser Grund aber fällt hier gewiß
henden constitit bei einem Satze,
Mandatar ist todt, und die Käufer werden schon durch ihren PlnraliS von dem singulären venaliciarius
der zu gar keinem Zweifel Anlaß
unterschieden, also bleibt nur noch
gegeben hatte.
der Mandant übrig,
eines Zweifels nöthig gefunden war, rni Gegensatz de- vorherge
In vielen anderen
wenn
man
um einen Satz zu bezeichnen, der
nicht eme besondere Geschichte hinzu dichten will, so wie es in
erst allmälig Eingang und Aner
der vorhergehenden Erklärung ver
kennung gefunden hatte,
sucht worden ist (i) Vgl. L 26 § 1 ex quib
Stellen
Folge
wird placuit gebraucht,
von
z. B
Controversen.
in
Von
und
oben
diesem rechtshistorischen Verhältniß
caus
ist hier nicht die Rede. (h) 5)ufer ^enaliciarius wnt
Noten e m. — Durch diesen Theil
(4.6),
§ 327
der Stelle ist die Restitution wegen
uns hier ganz unerwartet als em
Abwesenheit
alter Bekannter vorgeführt
ES
Weise bezeichnet, wiewohl der Aus
ist offenbar das Natürlichste,
ihn
druck in integrum restitutio darin
alten Eigenthümer (den
Nicht vorkommt Es wäre aber irrig, anzunebmen daß die causae cognitio
für den
Mandanten) anzuseben
Denn der
auf
unverkennbare
303
L 57 mandati (17 1) weg,
da
derselbe
mächtigten,
weder den nahen
noch die- Rechtsunkunde
Tod seines
Bevoll
der Erben desselben,
vorhersehen konnte"
Ich bin weit entfernt, legung unsrer Stelle, zuzuschreiben;
mir die Erfindung dieser Aus
die ich für ganz unzweifelhaft halte,
Wesentliche
das
derselben
ist
schon
von
und dann von mehreren Schrift
Cujacius aufgestellt,
Dennoch habe ich diese
stellern angenommen worden (k)
neue Darstellung derselben nicht
für überflüssig
gehalten
Zunächst und gerade an diesem Orte, wegen des Zusammenhangs dieser wichtigen und lehrreichen Stelle mit der Lehre von der Restitution;
dann,
weil auch noch von manchen
neueren Schriftstellern die allen Irrthümer nicht völlig auf
gegeben sind
(Note a);
endlich
aber,
und hauptsächlich,
weil sich auch selbst bei den besten unter den angeführten Schriftstellern,
an die im Ganzen richtige Auffassung der
Stelle doch wieder Irrthümer und Zweifel angesetzt haben, deren Beseitigung
erheblich
überhaupt nur tut stall einer Re stitution dahin führen könnedie exceptio dominii einem Beklagten zu versagen; auch schon die doli replicatio konnte in anderen Fallen zu diesem Erfolg führen. Vgl. L. 4 § 32 de doli exc. (44. 4), L. 2 de exc r vend (21 3)
genug
seyn dürfte,
um die
(k) Cujacius obs. X. 6, und: in Papiniani respons Lib 10 (opp. T 4) — ZOANNETTUS Bei Otto thes. IV p 659 — Reinold opusc p. 243. — Cocceji jus controv XVII. 1 am Ende des Titels
304
Beilage XIX.
gegenwärtige Abhandlung zu rechtfertigen.
Diese
falsche
Ansichten stehen insgesammt in Verbindung mit der Lehre von der Publicianischen Klage. zunächst fragen,
Man muß
warum hier der
vorige
Eigenthümer überhaupt die Publicianische Klage anstellt nach der Angabe des Papinian, warum nicht die wahre
Eigenthumöklage, die er ja durch Restitution wieder erlangen
kann? Viele werden daraus antworten,
weil gerade für den
Fall einer solchen Restitution eine besondere Klage aufge
stellt ist,
genannt publiciana
actio,
verschieden von der
gleichnamigen Klage des b. f. possessor, aber auf ähn lichen Gründen der Billigkeit beruhend. — Diese irrige
Meinung ist worden;
es
schon oben
(§. 329) ausführlich
giebt nur Eine publiciana
b. f. possessor,
actio,
widerlegt die des
von welcher der zweite Titel im sechsten
Buch der Digesten handelt, und von dieser muß daher auch
in unsrer Stelle die Rede seyn. Eine befriedigende Antwort würde aus der einfachen
und natürlichen Voraussetzung hervorgehen, Sklavenhändler,
daß wohl der
der hier als Kläger auftreten will,
die
Sklaven in der Provinz, von Peregrinen, gekauft, und zu der Zeit,
in welcher er den Besitz durch den Verkauf der
Erben verlor,
noch nicht ein volles Jahr besessen hatte.
Dann hatte er noch niemals wahres Eigenthum gehabt,
und es konnte ihm auch nicht durch Restitution eine Eigen thumsklage wieder verschafft werden.
Dann hatte er über-
305
L. 57 mandati (17. 1). Haupt
als die b. f. possessio,
kein anderes Recht,
andere Klage, als die Publiciana.
keine
Diese Voraussetzung
hat durchaus Nichts gegen sich.
Aber nothwendig ist diese Voraussetzung nicht.
ES ist
möglich, daß der Besitz des .Klägers durch vollendete Usu«
capion bereits in wahres Eigenthum übergegangen war;
ihm
sein
bisheriges Recht aus der b. f.
possessio nicht verloren,
und er hatte nun die Wahl, die
dadurch
war
Publiciana anzustellen oder die Eigenthumöklage, so wie er die eine oder die andere für sicherer hielt.
Gerade diese
Wahl aber wird von manchen Seilen bezweifelt. beruft sich auf die Worte des Edikts,
Man
und sucht aus den
selben, nach der Erklärung des Ulpian, zu beweisen, daß
von der vollendeten Usucapion mehr zulässig gewesen sey (I).
nicht zu beschränkt auffaffen.
an die Publiciana nicht
Man darf aber diese Worte Der Prätor wollte nur nichts
völlig Ueberflüssigeö thun, nicht über daS wirkliche Bedürf
niß hinaus gehen.
Wenn also beide Theile über das durch
vollendete Usucapion erworbene wahre Eigenthum einver standen waren,
und nur etwa über Erceptionen stritten,
so war allerdings
Kläger,
die Publiciana überflüssig,
der sie dennoch
und der
ohne Grund gebrauchen wollte,
mag dann auf die Eigenthumsklage verwiesen worden seyn;
(1) L 1 pr. $ 1 de publ. „Ait Praetor: Si quis id, quod traditur . . . nondum usucaphrm petet. — Merito Praetor VII.
ait: nondum usucaptum; nam si usucaptum est, habet civilem actionem, nec desiderat honorariam.w 20
Beilagt XIX.
306
das läßt sich aus jenen Worten folgern.
Aber sehr häufig
wird gerade die Frage bestritten seyn, ob die Usucapton in
der That vollendet,
oder irgend einmal durch verlornen
Besitz unterbrochen worden ist.
stritten,
War diese Frage nun be
oder hielt es auch nur der Kläger für möglich,
daß sie vor dem Juder bestritten werden könnte, so war ja
kein Grund denkbar,
weshalb ihm der Prätor die sichere
Publiciana hätte verweigern, und die weniger sichere Eigen-
thumSklage aufdringen sollen. — Also ist
es in unsrem
Fall auch wohl möglich, daß der Kläger die Sklaven schon längere Zeil besessen hatte,
und es dennoch der Sicherheit
wegen vorzog, vielmehr die Publiciana, als die Eigenthums klage anzustellen. Hieran aber knüpft sich noch ein Irrthum des Cujacius,
der weit bedenklicher ist, indem er mehr in das Wesen der
Sache eingreift.
Er glaubt nämlich, der Anspruch auf Re
stitution wegen Abwesenheit sey nur Fall,
zuzulaffen in dem
wie ihn unsre Stelle wörtlich voraussetze,
wenn
nämlich ein b. f. possessor vor vollendeter Usucapion den Besitz
verliere,
und
anfange und vollende.
der
neue
Besitzer
die
Usucapion
Denn nun sey Alles abzuthun da
durch, daß der Kläger, dessen publiciana actio an sich nicht
durch des Gegners Usucapion vernichtet wurde,
gegen die
exceptio dominii des Beklagten Restitution suche,
auch wirklich erhalte.
die er
Wenn dagegen der Erste seine Usu
kapion vor der Abwesenheit schon vollendet habe,
so sey
ihm gegen die spätere Usucapion des Andem durchaus nicht
L. 57 mandati (17. 1). mehr zu helfen.
307
Denn nun sey jenem Ersten sein Recht
selbst durch die spätere Usucapion zerstört worden, also auch
alle Klage überhaupt, legenbeit vorhanden,
folglich sey gar nicht mehr die Ge eine Restitution anzubringen.
Dieser
Irrthum würde fast unglaublich seyn, selbst wenn ausdrück
liche Erklärungen über diese Frage in den Rechtsquellen nicht vorhanden wären.
Denn wenn überhaupt der Prätor
eine Restitution wegen Abwesenheit billig und nöthig sand,
so ist schon voraus zu erwarten, daß er solche Unterschiede
der bloßen Form des Rechts,
wie
sie hier berücksichtigt
nicht unüberwindlich gefunden haben möge.
werden,
In
der That aber ist das Edict über die Abwesenden so deutlich
als möglich (8 325).
ES
stellt an die Spitze den Fall
einer Verminderung des vorhandenen Vermögens (Si cujus
quid de bonis dcmimitum erit),
und dahin gehört doch
gewiß vorzugsweise der Verlust des Eigenthums durch Usu capion;
für diesen und andere Fälle sagt es nun:
rerum actionem in integrum restituam.
earum
Es soll also Dem,
der sein Eigenthum verloren hat, dadurch geholfen werden, daß ihm die aus diesem Recht entspringende,
verlorene,
Klage wiederhergestellt wird.
jetzt wirklich Anschließend
an diesen völlig unzweifelhaften Ausspruch des Edicts ist
denn auch schon oben nachgewiesen worden,
daß dem Ab
wesenden, der durch Usucapion einen Verlust erlitten hat,
in zwei verschiedenen Formen,
geholfen werden kann:
wie er es gut finden mag,
Erstlich,
wenn er die Publiciana
anstellen will, durch Restitution gegen die exceptio dominii
308
Beilage XIX
des Beklagten;
zweitens,
wenn er die Eigenthumsklage
vorzieht, durch Restitution dieser, an sich verlorenen, Klage selbst (§ 329 p).
Beiden Formen liegt zum Grunde ein
und dasselbe Mittel: die Rescijsson des Eigenthums, welches ein Anderer durch Usucapion wirklich erworben hat
Endlich ist noch folgender Zweifel zu erwähnen.
Wenn
der Sklavenhändler gegen die Käufer mit der Publiciana
klagt, so stehen einander gegenüber zweierlei Personen, hie gleichmäßig Anspruch
die aus der
auf
b.
f.
possessio
entspringende Rechte haben, denn diese Rechte haben ja die
Käufer durch die Bvllendung ihrer Usmapion gewiß nicht verloren, und zwar sind dieses Personen, die ihre b. f. pos
sessio nicht
von
einem und demselben Rechtsvorgänger
Gerade für diesen Fall aber stellt Ulpian die
ableiten.
Regel auf,
daß der Besitzer vorgehen,
abgewiesen
werden solle (m)
Rach
müßten die Beklagten gewinnen,
der Kläger also
dieser Regel
also
nicht der Kläger, wie es
doch in unsrer Stelle Papinian annimmt. —
Allein die
eben erwähnte Regel des Nlpian soll öffenbar nur gelten als eine letzte Aushülfe,
wo übrigens alle Verhältnisse
beider Theile völlig gleich stehen,
so daß der Richter ohne
L. 9 §4 de pxiblic. (6.2).
Fall vorausgesetzt, in welchem der
Scheinbar widerspricht dieser Stelle die L. 31 §. 2 de act emti
Besitz bei keinem von beide» Theilen sich befindet, sondern bei einem
lassen sich
Dritten, gegen welche» jene Beide
(m)
(19. 1).
Allem beide
vereinigen, in dieser
wenn nian annimmt,
letzten Stelle werde ein
gleichzeitig wollen.
als Kläger anftreten
L 57 mandati (17. 1).
309
lene Regel um eine Enscheidung verlegen seyn würde
Davon aber kann gewiß nicht die Rede seyn in unsrem Fall, in welchem der Abwesende einen eigenthümlichen An spruch der Billigkeit für sich hat, stark genug, um selbst daS strenge Eigenthum des Gegners zu überwinden; also gewiß um so mehr ausreichend, um die außerdem vorhan
dene Gleichheit beider Theile durch ein auf die Seite des
Klägers gelegtes (Übergewicht aufzuheben.
Gedruckt in der Deckerschen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerer.
heutigen Römischen Rechts veil
Friedrich Carl von Savlgnv.
Achter Band.
Ülit K. Galrtschen und K. würtcmberglschtn prwllegien.
Berlin. Sei
Veit und Camp.
**/er
hier vorliegende achte Band erhält durch
seinen Inhalt eine eigenthümliche Beschaffenheit, sehr verschieden von allen früheren Bänden.
Zunächst
erscheint darin der sichtbare Einfluß des Römischen Rechts weit geringer,
delten Lehren.
als in den früher abgehan-
Ferner ist die hier dargestellte Lehre,
verglichen mit anderen, als erst im Werden begriffen,
als unfertig,
auszufaffen.
Und zwar ist diese Be
hauptung nicht etwa zu verstehen als ein subjektives Bekenntniß des Schriftstellers, der seine persönlichen
Kräfte für unzureichend hält zur Bewältigung der Schwierigkeit des Stoffes; sie ist vielmehr geschöpft aus der Betrachtung der eigenthümlichen Natur des
Gegenstandes
selbst,
nunmehr
worüber
genauere
Rechenschaft gegeben werden soll. In dieser Lehre,
Hälfte
derselben
und besonders in der ersten
(Kap. I.),
der Schriftsteller,
Meinungen
bis
gehen
jetzt
die
so wie die Urtheile
der Gerichte, ziemlich wild durch einander; Deutsche,
oft sehr schroff gegenüber. in einem
stehen sich
Engländer und Amerikaner,
Franzosen,
Alle aber vereinigen sich
gemeinsamen lebhaften Interesse an den
hier einschlagenden Fragen, Annäherung,
in dem Bestreben nach so wie
Ausgleichung, Verständigung,
es sich in keiner anderen Rechtslehre findet.
Man
daß diese Lehre bereits ein Gemeingut
kann sagen,
der gebildeten Nationen geworden ist,
nicht durch
einen schon erworbenen Besitz fester, allgemein aner kannter Grundsätze,
wohl aber durch die Gemein
schaft wissenschaftlicher Untersuchung,
solchen
Besitz
hinstrebt.
dieses unfertigen,
Ein
die zu einem
anschauliches
Bild
aber hoffnungsreichen Zustandes
gewährt das treffliche Werk von Story,
das zu
gleich als reiche Matcrialiensammlung jedem Forscher in hohem Grade förderlich wird. Es
ist
aber nicht blos die Aussicht auf Ent
wicklung und Ausbau der juristischen Theorie,
die
v
Vorrede.
uns in dieser Lehre so anziehend und anregend er
scheint, sondern eben so, und noch mehr, die groß
artige Aussicht auf eine in das Allgemeine gehende praktische Gemeinschaft des Rechtsbewußtsevns
und
des Rechtslebens. Betrachten wir noch insbesondere die Stellung dieser Lehre zu den Bestrebungen und Parteien der
neuesten Zeit. selten
Der nicht
feindliche
Gegensatz
zwischen
Germanisten und Romanisten kommt in dieser Lehre
weniger,
in Betracht.
als anderwärts,
wichtigsten Fragen
die
sind
In
den
deutschen Rechtslehrer
meist zu einer großen Einstimmung gekommen, unge
stört durch jenen, in anderen Lehren oft zum Nach theil der Wissenschaft hervor tretenden, Das
Römische
Recht
erscheint
Gegensatz.
vergleichungsweise
weniger, als anderwärts, einwirkend durch unmittel Die genaueste Kenntniß
bare positive Vorschriften.
desselben aber wird hier vorzüglich dadurch wichtig,
daß die Meinungen der Schriftsteller und der Ge richte
fassung
großentheils
durch
wahre
Römischer Begriffe
worden sind,
und
oder falsche Auf Regeln
bestimmt
oft ohne deutliches Bewußtseyn derer,
die in der That ganz unter diesem Einfluß standen.
B o r r e d e.
VI
ferner
Wenn
ein
abschließendes
Hervorheben
der Nationalität zu den vorherrschenden Richtungen neuester Zeit gehört, so kann fich gerade diese Rich
tung in einer Lehre nicht geltend machen,
die nationalen
Natur nach darauf ausgehen muß, Gegensätze in
die ihrer
einer anerkannten Gemeinschaft
der
verschiedenen Nationen aufzulösen. So finden wir also hier von der einen Seite
die
großartigsten Aussichten in die Zukunft,
-er
anderen Seite
gende Aufgabe
die Unmöglichkeit,
schon jetzt
schluß zu führen,
zu
die
sich
in
selbst unabhängig von der per
solcher
dieser Betrachtung
wenn
geistigen Prozeß
befindet,
Stellung
eben so
scheidenheit schöpfen. rechnen,
vorlie
einem völligen Ab
sönlichen Fähigkeit des einzelnen Arbeiters. der
von
kann
viel Muth,
Er muß
es
Jeder,
sich
aus
als Be
zur Ehre
den fortgchenden
es ihm gelingt,
durch Zurncksührung
dieser Lehre
auf eigentliche Grundsätze weiter fördern zu helfen,
selbst wenn sein Versuch, uur noch
als einzelner,
bei fernerer Entwicklung, vorbereitender Schritt im
Andenken bleiben sollte.
Einen
besonderen
Mangel
in
den
bisherigen
Arbeiten glaubte der Verfasser dieses Werks darin
Vorrede.
zu
finden,
die
in
scheinen,
daß
VII
stets
man
die
beiden
dem
vorliegenden
Werke
die
örtlichen und
die zeitlichen
verbunden
er-
Gränzen
einzeln und abge
der Herrschaft der Rechtsregeln,
Er glaubte diesem Mangel
sondert behandelt hat.
daß er beide Stücke
dadurch abhelfen zu müssen,
in Verbindung
Stücke,
brachte,
nicht blos
indem er sie
äußerlich neben einander stellte, welches allein nicht ausreicht,
schon
auch
häufig in der kurzen Dar
stellung der Lehrbücher ohne merklichen Erfolg ver
sucht
worden
sondern
ist,
Zusammenhang
der
für
indem er
beide
den inneren
Stücke
geltenden
Grundsätze zu erforschen und darzustellen suchte.
Mit dem gegenwärtigen Bande ist der allge meine Theil des Systems,
dessen Bedeutung gleich
Anfangs dargelegt wurde (I. §58), führt.
zu Ende ge
Die dem ersten Band vorangesetzte Ueber-
ficht des ganzen Werks ließ erwarten, daß unmittel
bar
aus die
drei
ersten
Bücher,
allgemeinen Theil in sich schließen, ausenden
Reihe
von Bänden
welche
diesen
in einer fort-
der besondere Theil
folgen
welchem vorläufig
würde,
Ueber-
folgende
schristen gegeben waren:
Viertes Buch.
Sachenrecht.
Fünftes Buch.
Obligationenrecht.
Sechstes Buch.
Familienrecht.
Siebentes Buch.
Eine
durch
zufällige
Erbrecht. Umstände
herbeigesührte,
längere Unterbrechung hat indessen die Vollendung
des Ganzen noch unwahrscheinlicher, gemacht, als sie vielleicht gleich Anfangs angenommen werden konnte,
und durch diese Betrachtung Veränderung
in
bin ich zu folgender
äußerlichen
der
Einrichtung
des
Werks geführt worden, die also durchaus nicht aus der Annahme einer veränderten Ueberzeugung über
die Zweckmäßigkeit des wesentlichen Planes desselben erklärt werden darf. Ich
betrachte
nunmehr
die
jetzt
vorliegenden
acht Bände als ein für sich bestehendes abgeschlossenes Werk, so daß der Titel jedes Bandes in Gedanken
zu
ergänzen
ist
durch
die
hinzugefügten Worte:
Allgemeiner Theil. Der besondere Theil des Systems soll nunmehr
nicht als Fortsetzung des allgemeinen, laufende Bändezahl,
bezeichnet,
durch fort
sondern
vielmehr
ix
Vorrede. in abgesonderten Werken dargestellt werden,
unter
welchen zunächst das Obligationenrecht (nicht nach der früheren Absicht das Sachenrecht) an die Reihe kommen
soll.
Diese
abgesonderten
Werke werden
also äußerlich als Monographieen erscheinen, in der
That
aber
solchen an
vielmehr
nicht
sich
den tragen
wesentlichen Charakter
(I. S. xxxix),
gerade so beschaffen seyn,
von
sondern
wie wenn die
gegenwärtig angekündigte Veränderung des ursprüng lichen Planes nicht eingetreten wäre.
Geschrieben im Julius 1849.
Inhalt des achten Bandes.
Drittes Buch»
Herrschaft
der
die
Rechtsregeln über
Rechtsverhältnisse.
Seite. §. 344*
Einleitung..........................................................................
Erstes Kapitel.
1
Oertliche Gränzen der Herrschaft der Rechts
regeln über die Rechtsverhältnisse.
$. 345.
Uebersicht
§. 346.
Abstammung und Landgebiet, als Gründe der An
8
der Person ..........................................
14
§.
347. Widerstreitende Territorialrechtein demselben Staate
19
§.
348. WiderstreitendeTerritorialrechte
gehörigkeit
§.
in
verschiedenen
Staaten.................. .....................................................
23
349. Fortsetzung...........................................................................
32
350.
Die Römische Lehre von
origo und
domicilium.
Einleitung...................................................................
39
Inhalt des achten Bandes.
XII
Seite.
§. 351.
Die Römische Lehre von origo und
domicilium.
1. Origo...................................................................
44
§. 352.
Fortsetzung ............................................................... .........
50
§. 353.
Die Römische Lehre von origo und domicilium.
Domicilium.......................................................
57
§. 354.
Fortsetzung ........................................................................
63
§. 355.
Die Römische Lehre von origo und domicilium.
IL
Wirkung dieser Verhältnisse.....................................
67
§. 356.
Fortsetzung .........................................................................
76
§. 357.
Fortsetzung ........................................................................
86
§. 358.
Origo und domicilium im heutigen Recht..............
89
8 359.
Fortsetzung ........................................................................
95
8- 360.
Uebergang zu den einzelnen Rechtsverhältnissen ........ 107
8 361.
Fortsetzung ........................................................................ 118
8- 362.
I. Zustand der Person an sich.
(Rechtsfähigkeit und
Handlungsfähigkeit)................................................. 134 8» 363.
Fortsetzung ......................................................................... 141
8 364.
Fortsetzung ........................................................................ 147
8- 365.
Fortsetzung ........................................................................ 159
8» 366.
II.
Sachenrecht.
Gemeinsame Regeln....................... 169
8- 367.
II.
Sachenrecht.
Eigenthum........................................
8. 368.
II.
Sachenrecht.
Jura in re...................................... 189
8- 369.
III. Obligationenrecht.
Einleitung.............................. 200
8 370.
III. Obligationenrecht.
Gerichtsstand der Obligation. 205
8- 371.
Fortsetzung.......................................................................... 233
8 372.
III.
Obligationenrecht.
181
Oertliches Recht................. 246
XIII
Inhalt des achten Bandes.
Seite. §. §.
373. Fortsetzung.................................................................. 256
374. III. Obligationenrecht.
OertlicheS Recht.Einzelne
Rechtsfragen...................................................... 263 Erbrecht............................................................. 295
§.
375. IV.
§.
376. Fortsetzung ......................................................................... 298
§.
377. IV. Erbrecht.
Einzelne Rechtsfragen.................. 311
§.
378. IV. Erbrecht.
Preußisches Recht........................ 316
§.
379. V. Familienrecht.
A. Ehe.................................... 324
§.
380. V. Familienrecht.
B. Väterliche Gewalt.
C. Vor
mundschaft........................................................... 338
§.
381. VI. Formen der Rechtsgeschäfte (Locusregit actum) 348
§.
382. Fortsetzung .....................................
Zweites Kapitel.
359
Zeitliche Gränzen der Herrschaft der Rechts
regeln über die Rechtsverhältnisse. §. 383.
Einleitung.......................................................................... 368
§. 384.
Zweierlei Rechtsregeln...................................................... 373
§. 385.
A. Erwerb der Rechte. — Grundsatz.......................... 381
§. 386.
Fortsetzung ........................................................................ 392
§. 387.
Fortsetzung ........................................................................ 399
§. 388.
A. Erwerb der Rechte. — Anwendungen des Grundsatzes 406
§. 389.
A. Erwerb der Rechte. — Anwendungen. I. Zustand
der Person an sich................................................... 414 §. 390.
A. Erwerb der Rechte.—Anwendungen. II. Sachenrecht 420
§. 391.
Fortsetzung ........................................................................ 426
§. 392.
A. Erwerb der Rechte. — Anwendungen. III. Obli gationenrecht...
435
xiv
Inhalt de- achten Bandes. Seite.
§. 393. A. Erwerb der Rechte. — Anwendungen. IV. Erbrecht 447
$. 394. Fortsetzung...................................................... 468 s. 395. Fortsetzung...................................................... 482 $. 396. A. Erwerb der Rechte.—Anwendungen. V. Familienrecht 493
$. 397. A. Erwerb der Rechte. — Ausnahmen.......... 506 §. 398. B. Daseyn der Rechte. — Grundsatz............... 514 $. 399. B. Daseyn der Rechte. — Anwendungen.Ausnahmen. $. 400. B. Daseyn der Rechte. — Rechtmäßigkeit....... 532
522
Drittes Buch. Herrschaft der Rechtsregeln über tue Rechtsver hältnisse.
§ 344. Einleitung. Das erste Buch des gegenwärtigen RcchtssystemS hatte
die Ausgabe, die Rechtsquellen, d b. die EntstehungSgründe der RechrSregeln, darzustellen;
das zweite, die allgemeine
Natur der Rechtsverhältnisse, die durch jene Regeln beherrscht werden sollten.
Es bleibt jetzt, für den allgemeinen Theil
des Systems, noch übrig, die Verbindung der Nechtsregeln mit den Rechtsverhältnissen festzustellen;
diese Verbindung
erscheint, von der einen Seite betrachtet, als Herrschaft der
Regeln über die Verhältnisse,
von der andern Seite als
Unterwerfung der Verhältnisse unter die Regeln.
Damit aber dieser letzte, eben so wichtige als schwie
rige Theil der Aufgabe gleich Anfangs richtig werde, ist es nöthig,
VIH.
genau zu bestimmen,
1
aufgefaßt
in welchem
Buch III.
2
Herrschaft der Rechtsregeln.
Sinne hier jene Verbindung (Herrschaft, Unterwerfung)
zu denken ist (a).
Die Rechtsregeln sollen herrschen über die Rechtsver hältnisse;
welches ist aber das Gebiet ihrer Herrschaft?
Ueber welche Rechtsverhältnisse sollen sie herrschen? Diese
Frage erhält ihren bestimmten Sinn zunächst durch die
Natur des positiven Rechts, welches nicht etwa eines und
dasselbe ist für die Menschheit im Ganzen, sondern ein, je
nach Völkern und Staaten,
besonderes und verschiedenes;
in jedem einzelnen Volke aber theils aus allgemein mensch
lichen, theils aus eigenthümlichen rechtsbildenden Kräften
entspringend.
Diese Mannichfaltigkeit der positiven Rechte
ist es, woraus das Bedürfniß und die Wichtigkeit hervor geht, für jedes positive Recht das Gebiet seiner Herrschaft
zu bestimmen, das heißt, die Gränzen zu ziehen zwischen den
verschiedenen positiven Rechten gegen einander.
Rur durch
diese Gränzbestimmung wird es möglich, über jede denkbare
Collision zu entscheiden, die in der Beurtheilung eines ge gebenen Rechtsverhältnisses zwischen verschiedenen positiven
Rechten eintreten kann.
Um zu den hier aufgeworfenen Fragen und ihrer Be antwortung zu gelangen,
kann man nun auch den umge
kehrten Weg einschlagen.
Es liegt uns ein Rechtsverhält
niß vor, als Gegenstand unsrer Beurtheilung.
Wir suchen
dafür eine Rechtsregel auf, unter deren Herrschaft dasselbe (a)
Die Grundlage der gegenwärtigen Untersuchung,
insbesondere
der hier aufgestellten Begriffe, findet fich oben B. 1 § 4—9 § 15.
§. 344.
3
Einleitung.
steht, nach welcher eS zu beurtheilen ist.
Indem wir hier
unter mehreren Rechtsregeln zu wählen haben, welche ver schiedenen positiven Rechten angehören, kommen wir wie
derum auf die schon erwähnten Gränzen der Herrschaft eines jeden positiven Rechts, und auf die von diesen GränM abhängigen Collisionen.
Beide Arten, die Frage auf-
zufaffm, sind nur im Ausgangspunkte verschieden.
Die
Frage selbst ist hier und dort dieselbe, und die Entscheidung
kann in beiden Fällen nicht verschieden aussallen. Die meisten Schriftsteller über diesen Gegenstand gehen
aus von dem Begriff der Collisionen, und behandeln die Entscheidung derselben als ihre wahre und einzige Aufgabe;
befriedigenden Erfolgs.
Die
natürliche Folge der Gedanken ist vielmehr folgende.
Für
gewiß zum Nachtheil eines
die Rechtsregeln wird gefragt: Ueber welche Rechtsverhält
nisse sollen sie herrschen? Für die Rechtsverhältnisse: Welchen
Rechtsregeln sind sie unterworfen, oder angehörig?
Die
Frage nach den Gränzen der Herrschaft oder der Ange
hörigkeit, und nach den an diesen Gränzen eintretenden Gränzstreitigkeiten oder Collisionen,
sind ihrer Natur
nach abgeleitete und untergeordnete Fragen (b). Zu der bisher angedeuteten Frage nach den Gränzen,
in welchen die Regeln jedes positiven Rechts herrschen, (b)
Wachter II. S. 34 macht
nach der Kollision,
dahin geführt
werden, auf beide an sich identische
die gute Bemerkung, daß manche Schriftsteller, indem sie die Frage
Fragen widersprechende Antworten
nach der Anwendung der Gesetze
zu geben.
ganz
absondern
von
der
Frage
4
Buch lil.
Herrschaft der Rechlsregcln.
tritt aber nun noch eine neue, von der bisher betrachteten
verschiedene, obgleich damit verwandte, hinzu.
Wir betrach
teten bisher die Rechtsregeln als feststehende, ohne Rücksicht
auf mögliche Veränderungen derselben in der Zeit.
gehört eö aber zu dem Wesen des positiven Rechts, dasselbe nicht als ein ruhendes,
Run daß
sondern als ein in steter
Fortbildung und Entwickelung begriffenes, aufgefaßt werde (c),
und damit wird ibm die Eigenschaft der Wandelbarkeit in
der Zeit zugeschrieben.
Ferner hat jedes unserer Beurthei
lung vorliegende Rechtsverhältniß nothwendig seinen Ent
stehungsgrund in juristischen Thatsachen (d),
die stets in
einer, bald näher bald entfernter liegenden, Vergangenheit gedacht werden müssen.
Da aber in der Zwischenzeit, von
der Entstehung des Rechtsverhältnisses bis zur Gegenwart,
Veränderungen im positiven Recht eingetreten sein können,
so ist noch zu bestimmen, aus welchem Zeitpunkt wir die das Rechtsverbältniß
beherrschende
Regel
zu
entnehmen
haben. Aus dieser Betrachtung entsteht mithin eine neue Art von Gränzen für die Herrschaft der RechtSregeln, und da
mit eine neue Art möglicher Collisionen, nicht minder wich tig und schwierig, als die vorher betrachteten Gränzen und
Collisionen.
In der früheren Betrachtung
wurden die
RechtSregeln gedacht als gleichzeitige, ruhende, feststehende;
in dieser späteren werden sic gedacht als
ungleichzeitige,
$. 344.
5
©inteitmuj
durch Fortbildung verschiedene, successive.
Zum Zweck einer
kurzen und gleichförmigen Beziehung will ich folgende Aus
drücke gebrauchen: Örtliche Gränzen der Herrschaft der Rechtsregeln. Zeitliche Gränzen der Herrschaft. Der zweite dieser Kunstausdrücke ist für sich klar.
Die
Rechtfertigung des ersten ist nur im Laufe der folgenden Untersuchung möglich.
Das
gegenwärtige
Römische Recht.
Werk
hat
zum
In welchem Verhältniß
Gegenstand
nun steht das
Römische Recht zu den hier aufgeworsenen Fragen? müssen dafür ein zwiefaches,
das
Wir
an sich verschiedenes, Ver
hältniß anerkennen
Zunächst müssen wir für die Anwendung des Römischen
Rechts auf bestimmte Staaten und Völker, im Verhältniß zu anderen positiven Rechten,
auf jene Fragen eingehen,
wenn wir ihm irgend eine praktische Geltung sichern wollen. Dieses Bedürfniß würde unabweiölich sein, selbst wenn die
Römischen Juristen an jene Fragen nie gedacht, sich damit niemals beschäftigt hätten.
—
Zweitens aber haben die
Römer in der That diese Fragen behandelt, und wir müs
sen daher ihre Aussprüche über dieselben aufsuchen feststellcn.
und
Obgleich nun diese Aussprüche zum Theil ein
seitig und mangelhaft sind, auch nicht überall auf unmit
telbare Anwendung Anspruch haben können, selbst da, wo wir die Geltung des Römischen Rechts im Allgemeinen anzunehmen berechtigt sind, so ist dennoch die Feststellung
6
Buch III.
Herrschaft der Rechtsregeln,
derselben von großer Wichtigkeit.
Sie ist es schon deshalb,
weil die Lehre der neueren Schriftsteller, und die damit zu sammenhängende Praxis, großentheils auf den Aussprüchen der Römer, ost aber nach einer unrichtigen Auffassung der
selben beruht, so daß sowohl daS rechte Verständniß der neueren Lehre und PrariS,
als die Reinigung derselben,
nur durch eine gründliche Untersuchung über die im Römi schen Recht niedergelegten Ansichten herbeigeführt werden
kann.
Die nunmehr folgende, hier eingeleitete, Untersuchung wird in zwei Kapiteln:
I. die örtlichen Gränzen, II. die
zeitlichen Gränzen der Herrschaft der Rechtsregeln über die Rechtsverhältnisse sestzustellen haben.
Bei diesen zweifachen Gränzen ist aber noch voraus zu bemerken, daß unter denselben eine gewisse Wechselwirkung
eintreten kann.
Wenn
überhaupt
zwei Rechtsregeln mit
einander in zeitliche Kollision kommen, so daß eine Gränz-
bestimmung nöthig ist, um die Herrschaft der einen oder der andern Regel zu entscheiden,
so wird dabei stets eine
ringetretene Veränderung vorausgesetzt.
Eine solche Verän
derung nun kann auf zwei verschiedenen Seiten liegen.
Sie kann erstens liegen aus der Seite der Rechtsregel.
Der einfachste Fall ist der, wenn der Gesetzgeber durch Er laß eines neuen Gesetzes über das vorliegende RechtSverhältniß, die bisher bestehende Regel ändert, also neues ob
jectives Recht schafft.
344.
§
7
Einleitung.
Die Veränderung kann aber auch zweitens liegen auf der Seite des Rechtsverhältnisses, indem, bei unveränderter Rechtsregel, die thatsächlichen Bedingungen des Rechtsver
hältnisses wechseln.
Alö Beispiel zur Erläuterung kann
die Handlungsfähigkeit dienen, die nach dem Recht beur
theilt wird, welches am Wohnsitz der Person gilt.
Wenn
nun diese Person den Wohnsitz ändert, so kann dadurch das Rechtsverhältniß unter eine neue Rechtsregel sortrücken, und es kann die Frage entstehen, ob die Handlungsfähigkeit von jetzt an nach dem Gesetz des früheren, oder des späteren
Wohnsitzes zu beurtheilen ist.
Es ist einleuchtend, daß die Veränderungen dieser zwei ten Art zugleich in das Gebiet der örtlichen und der zeit
lichen Collision einschlagen.
Element vorherrschend,
Jedoch ist dabei daS örtliche
und es ist daher zweckmäßig ünd
räthlich, alle dahin einschlagende Fragen
in Verbindung
mit den örtlichen Gränzen der Herrschaft abzuhandeln, also
in das erste Kapitel mit aufzunehmen (e). Sonach bleiben für die Untersuchung über die zeitlichen
Gränzen der Herrschaft (das zweite Kapitel) nur noch die
(e) Die Erörterung dieser Fragen tcmnit vor in den §§ 365 (Ende des §), § 366—368, § 370. n. 8 372. N. III, § 379. N. 3. — In andern Lehren kommt diese Frage deswegen nicht vor, weil dabei der Einfluß des an sich veränderlichen
thatsächlichen Verhältnisses auf einen bestimmten Zeitpunkt stritt ist, wodurch die Möglichkeit jedes Zweifels ausgeschlossen wird. So bei dem Erbrecht (§ 374.377), und bei der Regel: locus regit actum
(§ 381).
8
Buch 111. Herrschaft der Recht-regeln. Kap 1
Örtliche Gränzen.
Veränderungen der ersten Art übrig, welche auf der Seite der Rechtsregel liegen.
Erstes Lapitel.
Oertlichc Gränzen der Herrschaft der Rechtsregeln
über die Rechtsverhältnisse.
8 345. Uebersicht
Schriftsteller (a). Bartoi.is in Codicem. L. 1
de summa trin. (1. 1)
Num. 13—51.
B. Argextraei Comment cd. oct.
Antverp.
ad patrids Britonum Leges
1661 f
—
Der art.
218 der
Coutume de Bretagne bestimmt, raß Jeder nur ein
Drittheil des unbeweglichen Vermögens seinen gesetz lichen Erben soll entziehen dürfen. Frage,
ob
auch
Dabei entstand die
auswärtige Grundstücke in dieses
Drittheil einzurcchnen seien,
und so kam d’Argcntre
in der sechsten Glosse zu dem angeführten Artikel auf die ganze Lehre von der Collision der Gesetze, die er
hier S 601—620 abhandelt.
Der Verf starb 1590,
(a) Der Abkürzung wegen werd« ich die hierzusamiucngcsttlstcn Schriftsteller künftig blos nut ihren Namen anfnhre»
8
Buch 111. Herrschaft der Recht-regeln. Kap 1
Örtliche Gränzen.
Veränderungen der ersten Art übrig, welche auf der Seite der Rechtsregel liegen.
Erstes Lapitel.
Oertlichc Gränzen der Herrschaft der Rechtsregeln
über die Rechtsverhältnisse.
8 345. Uebersicht
Schriftsteller (a). Bartoi.is in Codicem. L. 1
de summa trin. (1. 1)
Num. 13—51.
B. Argextraei Comment cd. oct.
Antverp.
ad patrids Britonum Leges
1661 f
—
Der art.
218 der
Coutume de Bretagne bestimmt, raß Jeder nur ein
Drittheil des unbeweglichen Vermögens seinen gesetz lichen Erben soll entziehen dürfen. Frage,
ob
auch
Dabei entstand die
auswärtige Grundstücke in dieses
Drittheil einzurcchnen seien,
und so kam d’Argcntre
in der sechsten Glosse zu dem angeführten Artikel auf die ganze Lehre von der Collision der Gesetze, die er
hier S 601—620 abhandelt.
Der Verf starb 1590,
(a) Der Abkürzung wegen werd« ich die hierzusamiucngcsttlstcn Schriftsteller künftig blos nut ihren Namen anfnhre»
$. 345.
9
Uebersicht.
und das angeführte Werk ist erst nach seinem Tode (1608) erschienen.
Chr. Rodenburg
de jure conjugum Traj. 1653 4.
Die praeliminaria S. 13—178 enthalten eine aus führliche Abhandlung über die Colliston der Gesetze.
P. VoETius de statutis eorumque concursu. Leodii. 1700 4 (Zuerst Amst. 1661)
Von der Colliston der Sta
tute handeln nur die Sect. 4. 9. 10. 11.
1688. Comin. et
J. N. Hertius de colhsione legum opuscul. Vrol. 1 p. 118 —154.
Hierher gehört nur
Sect 4 (§ 1—74).
l'i.R. IIuber de conflictu legum. in den praelect. ad Pand. als Anhang zu Lil>. 1 Tix. 3 de legibus
(§ 1 -15) J. Voetivs de statuti».
Sieht in dem Commentar über
die Pandekten hinter Lib 1 Tit. 4 de constitut. princ. als Pars 2 de Statut!» (§ 1—22).
L. Boui i exois traite de la personnalite et de la realite
des loix etc.
Paris 1766. 2 Vol. in 4.
Französische
Uebersetzung des angefiihrten Werks von Rodenburg mit sehr weitschweifigen Zusätzen. D. Meier de conflictu legum divers.
Breiuae 1810. 8.
G. v. Struve üb. das pofitive Rechtsgesetz in seiner Be
ziehung aus räumliche Verhältnisse. Carlsruhe 1834 8.
Jos. Story Comment, on the conflict ok laws.
Boston
1834, zweite sehr vermehrte Originalausgabe Boston
1841
8.
10
Buch 111. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
W. Bürge Commentaries on colonial and foreign laws generally and in their conflict with each other and
with the law of England.
London 1838.
4 Voll.
W Schäffner Entwickelung des internationalen Pri-
vatrechtS
Franks. 1841.
8.
v. Wächter über die Eollision der Privatrechtsgesetze,
Archiv f. civil. PrariS
B. 24 S. 230—311, B. 25
S 1—60, S. 161—200, S. 361—419, im Ganzen
32 §8, 1841. 1842.
Ich werde, um kürzer anführen
zu können, den im 24 B. enthaltenen Abschnitt mit I.,
die im 25. B enthaltenen mit II. bezeichnen.
Nie. Rocco dell’ uso e autoritä delle leggi delle due Sic-ilie consideratc nelle relazioni con le persone e col territorio degli Stranieri.
Napoli 1842.
8.
Foeux du droit international prive, deuxieme edition, Paris 1847.
8.
(Erste Ausgabe 1843.)
Jedes Recht erscheint zunächst als eine der Person zu
stehende Macht (b), mithin als Eigenschaft dieser Person, und von diesem ersten und nächsten Standpunkt auö haben
wir auch die Rechtsverhältnisse als Attribute einer Person
zu betrachten.
Hiernach würde die Frage, womit wir unö
beschäftigen, so zu fassen sein: Auf welche Personen er streckt jede gegebene Rechtsregel das Gebiet ihrer Herrschaft?
§. 345.
11
Uebersicht.
Oder in umgekehrter Auffassung (§ 344): Welches find die Rechtsregeln,
denen
eine
gegebene
Person unterworfen
oder angehörig ist? Folgende Betrachtung aber muß unS sogleich überzeu
gen, daß mit dieser Stellung der Frage nicht auszureichen
In dem Gebiet der erworbenen Rechte (c) erweitert
ist.
sich die Person nach den von ihr selbst verschiedenen Ge genständen dieser erworbenen Rechte hin, und schon auö
dieser Erweiterung an sich entsteht wenigstens die Möglich
keit des Eintritts der Person in daS Gebiet einer ihr ur sprünglich fremden Rechtsregel.
Diese bloße
Möglichkeit
aber gewinnt noch eine ganz andere Gestalt, wenn wir die besondere Beschaffenheit jener Gegenstände der erworbenen
Rechte in'S Auge fassen
Unter diesen Gegenständen finden
wir vor allen auch fremde Personen,
deren jede auch
wieder einem eigenthümlichen Gebiet beherrschender Rechts
regeln angehört, und da es nun ganz zufällig ist, ob zwei, mit einander in einem Rechtsverhältniß stehende Personen
demselben RechtSgebiet angehören oder verschiedenen RechtSgebieten, so ergiebt sich daraus eine neue, und zwar sehr
ausgedehnte, Quelle von Collisionen zwischen den die Rechts verhältnisse beherrschenden RcchtSregeln.
Folgende Uebersicht über die Gegenstände der RechtSregeln wird eS anschaulich machen,
faltigen
(c)
Weise
B. 1 § 53.
die
Collisionen
in welcher mannich-
unter
den
Rechtöregeln
12 Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I Örtliche Gränzen
verschiedener
Gebiete
des
eintreten
Rechts
positiven
(d).
können
Die Nechlsregeln können zum Gegenstand haben:
I. Die Personen an sich selbst, die Rechtssähigkeit und die Handiungssähigkeit derselben, oder die Be
dingungen, unter welchen sie Rechte haben Rechte erwerben
Rechtsregeln
ist
es,
Diese
können.
von
deren
Klasse
und
von
Betrachtung im
Anfang des gegenwärtigen Paragraphen ausgegan gen wurde. II. Die Rechtsverhältnisse
1. Rechte an bestimmten Sachen
2
Obligationen.
3. Rechte an einem ganzen Vermögen,
als einem
idealen Gegenstände von unbestimmtem Umfang
(Erbrecht)
4 Familienrecht. Aus dieser Uebersicht ist cs
klar,
daß allerdings der
nächste und unmittelbare Gegenstand, worüber die Rechtö
regel herrscht, die Person ist.
Und zwar zunächst die Per
son in ihrem allgemeinen Dasein, als Träger aller Rechte; dann aber auch die Person,
insofern sic durch ihre freie
Handlungen in den meisten
und
wichtigsten Fällen die
Rechtsverhältnisse erzeugt oder erzeugen hilft. Allein die Person breitet sich aus zu künstlichen Erwei(d) dienen.
Diese Uebersicht fcti
hier nur
zu einem
vorläufigen Anhalt
Sie wird unten (§ 361) genauer ausgcführt werden
§. 345. Uebersicht.
13
tcrungen ihres Daseins. — Sie will herrschen über Sachen,
und begiebt sich dadurch in den bestimmten Raum, den
diese Sachen einnehmen, also in ein ihr selbst möglicher weise fremdes Rechtsgebiet.
Am unverkennbarsten geschieht
Dieses bei unbeweglichen Sachen, bei welchen der Raum,
den sie erfüllen, nicht zufällig und veränderlich ist;
eS ist
aber, dem Wesen nach, nicht minder wahr auch bei beweg
lichen Sachen
— Sie will durch Obligationen herrschen
über sremde Handlungen,
oder ihre eigene
Handlungen
einem fremden Willen unterwerfen. — Sie geht in beson dere Lebensformen ein durch die Familie,
und tritt auch
dadurch, bald freiwillig, bald unfreiwillig, auf inanchcrlei
Weise aus ihrem ursprünglichen, rein persönlichen, Rechts gebiet heraus.
Es ergiebt sich aus dieser Betrachtung, daß für jeden
gegebenen Fall die anzuwendende Rechtöregel bestimmt und
begränzt wird zunächst und hauptsächlich durch die Unter# wersung der berechtigten Person unter ein bestimmtes Rechts
gebiet; daß aber daneben die mannichfaltigsten und wich tigsten Modificationen eintreten können durch das Verhält
niß, in welchem theils bestimmte Sachen, theils bestimmte Handlungen oder Lebensverhältnisse zu anderen Rechtsge
bieten stehen (c). Die nächste Aufgabe wird daher auf die Gründe ge-
(e) Hieran knüpft sich die in früherer Zeit sehr verbreitete Unter scheidung der Statuta personalia, realia, mixta, von welcher jbald noch weiter die Rede sein wird (§ 361).
I. Örtliche Gränzen,
14 Buch III Herrschaft der Recht-regeln.
richtet sein müssen, aus welchen die allgemeine Angehörig keit einer Person an ein bestimmtes Rechtsgebiet
«bzu-
leiten ist.
§ 346. Abstammung und Landgebiet, als Gründe der Angehö-
rrgkelt der Person an ein bestimmtes Rechtsgebiei. Um den Zusammenhang zu erkennen, wodurch eine Per
son mit einem bestimmten positiven Recht durch die Ange hörigkeit an dasselbe verknüpft wird, müssen wir uns daran erinnern, daß das positive Recht selbst seinen Sitz in dem
Volk als einem großen Naturganzen,
oder in einer volkS-
mäßigen Abtheilung dieses Ganzen hat.
Es ist aber nur
ein anderer Ausdruck derselben Wahrheit, wenn wir sagen, daS Recht habe seinen Sitz in dem Staat, oder in einem
einzelnen organischen Theile deS Staates, da eben nur in dem Staat das Volk wahre Realität hat, indem nur hier der Wille der Einzelnen in einem Gesammtwillen wahr
haft aufgeht (a).
In Folge dieser allgemeinen Angabe ha
ben wir daher näher zu bestimmen,
wodurch dasjenige
Ganze gebildet, diejenige Einheit begränzt wird, worin die
Rechtsregeln, als Bestandtheile deS positiven Rechts, ihren Sih haben.
Dadurch werden wir erkennen, durch welches
Band die einzelnen Personen zur Gemeinschaft eines und
desselben
(a)
positiven
Rechts
Vgl. c'?en B 1 § 8. 9
zusammen
gehalten
werden
I. Örtliche Gränzen,
14 Buch III Herrschaft der Recht-regeln.
richtet sein müssen, aus welchen die allgemeine Angehörig keit einer Person an ein bestimmtes Rechtsgebiet
«bzu-
leiten ist.
§ 346. Abstammung und Landgebiet, als Gründe der Angehö-
rrgkelt der Person an ein bestimmtes Rechtsgebiei. Um den Zusammenhang zu erkennen, wodurch eine Per
son mit einem bestimmten positiven Recht durch die Ange hörigkeit an dasselbe verknüpft wird, müssen wir uns daran erinnern, daß das positive Recht selbst seinen Sitz in dem
Volk als einem großen Naturganzen,
oder in einer volkS-
mäßigen Abtheilung dieses Ganzen hat.
Es ist aber nur
ein anderer Ausdruck derselben Wahrheit, wenn wir sagen, daS Recht habe seinen Sitz in dem Staat, oder in einem
einzelnen organischen Theile deS Staates, da eben nur in dem Staat das Volk wahre Realität hat, indem nur hier der Wille der Einzelnen in einem Gesammtwillen wahr
haft aufgeht (a).
In Folge dieser allgemeinen Angabe ha
ben wir daher näher zu bestimmen,
wodurch dasjenige
Ganze gebildet, diejenige Einheit begränzt wird, worin die
Rechtsregeln, als Bestandtheile deS positiven Rechts, ihren Sih haben.
Dadurch werden wir erkennen, durch welches
Band die einzelnen Personen zur Gemeinschaft eines und
desselben
(a)
positiven
Rechts
Vgl. c'?en B 1 § 8. 9
zusammen
gehalten
werden
$ 346.
Abstammung und Landgebiet.
15
Suchen wir nun auf geschichtlichem Wege zur Lösung
dieser Aufgabe zu gelangen, so finden wir zwei Gründe,
wodurch von jeher Im Großen und Ganzen eine solche Ge meinschaft deS positiven Rechts unter den Einzelnen vor
zugsweise bestimmt und begränzt worden ist: und daS Landgebiet.
abstammung,
I.
die VolkS-
Die Volksabstammung (Nationalität) als Grund
und Gränze der RechtSgeineinschaft hat zunächst einen ganz persönlichen
und
ihrem Begriffe
schlicßen scheint,
unsichtbaren
nach,
den
Charakter.
Obgleich
Einstuß der Willkür
sie,
auszu-
ist sie dennoch einer Erweiterung durch
die freie Ausnahme Einzelner empfänglich In großer Ausdehnung erscheint die Nationalität als
Grund und Gränze der Rechtsgemeinschaft bei wandernden
Völkern, für welche ein festes Landgebiet überhaupt nicht vorhanden ist, wie bei den Germanen zur Zeit der Völker
wanderung.
Bei diesen hat sich aber auch nach ihrer festen
Niederlassung auf dem alten Boden deS Römischen Reichs derselbe
Grundsatz noch lange lebendig erhalten in dem
System der persönlichen Gesetze,
die hier
in demselben
Staate neben einander zur Anwendung kamen, und in deren Reihe jetzt,
neben den Rechten der Franken, Lombarden
u s. w, auch das Römische Recht,
als das fortdauernde
persönliche Recht der ursprünglichen Einwohner dieser durch
Eroberung neu gegründeten Staaten erscheint (b). (b) SaVlgn » Geschichte des R R § 30-33
IM Mittelalter B. t Kap. 3
16 Buch Ul
Herrschaft dec RechtSrcgcln. Kap.!
Örtliche Gränzen.
In den neueren Jahrhunderten finden wir
noch
jetzt
im Türkischen Reich das vollständigste Bild dieser Art der RechtSgemeinschaft.
In den christlichen Staaten von Eu
ropa aber hat sich ein Ueberrest davon am längsten bei der
Jüdischen Nation erbalten, nationalen Rechts,
in welcher die Fortdauer des
so wie die der abgesonderten Natio
nalität selbst, mit der Religion in Verbindung stand.
Aber
auch dieser Ueberrest verschwindet immer mehr(c).
Verwandt, aber nicht gleichbedeutend mit dem eben dar
gestellten Grunde der Nechtsgcmeinschaft ist derjenige, wel cher auf dem eigentbümlichen Bürgerverhältniß besonderer Klassen von Personen beruht.
Ein solches
erscheint
bei
den Römern sehr ausgebildet, und lange dauernd, in den
Klassen der
civcs, latini, peregrini, welche wiederum mit
den Systemen des jus civile und jus gentium Zusammen
hängen (d).
Dennoch hat diese Unterscheidung, obgleich in
anderer Hinsicht sehr wichtig, in der Richtung, die uns hier
ausschließend
beschäftigt,
niemals
einen
Einfluß
erlangt,
welcher dem Einfluß der Volksabstammung oder des Land gebietes an die Seite gestellt werden könnte.
II.
Das
Land gebiet
als der zweite besonders
(die
Territorialität)
erscheint
wichtige und verbreitete Grund,
die Gemeinschaft des positiven Rechts unter den Einzelnen
(c) In Preußen z. B ist schon im I. 1812 durch das Judenedict § 20. 21 für die Juden das gcmeine Recht der übrigen Einwohner als Regel «»''gestellt, das bcson-
dcre nationale Recht nur als AuSnähme beibehalten worden. (d) Vgl. oben D. 1 8 22, und: Geschichte des R. R. im Mittilalter P. 1 8 t-
§. 346.
Abstammung und Landgebut.
zu bestimmen und zu begränzen.
17
Dieser Grund unterschei
det sich von dem vorbergehenden (der Nationalität) durch
seine weniger persönliche Natur.
Er ist an etwas äußer
lich Erkennbares, die sichtbare Landgränze, gebunden, und
der Einfluß menschlicher Willkür in der Anwendung dieses
Grundes ist ausgedehnter und unmittelbarer, als bei der Volksabstammung, bei welcher dieser Einfluß mehr die Na
tur einer bloßen Ausnahme an sich trägt. Dieser zweite
Grund der Rechtsgemcinschaft hat den
ersten (die Nationalität) im Laufe der Zeit, bei fortschrei tender Ausbildung, mehr und mehr verdrängt.
Darauf hat
vor Allem eingewirkt der vielseitigere, lebendigere Verkehr der Völker unter einander,
Gegensätze der
schrofferen
durch welchen die
Nationalitäten verändert werden
mußten.
Besonders aber darf nicht verkannt werden der Einfluß des Christenthums, welches als gemeinsames Band des geistigen
Lebens die verschiedensten Völker umschlingend, die eigen
thümlichen Unterschiede derselben mehr in den Hintergrund
treten ließ.
Gehen wir nun aus
Rechtsgemeinschaft,
von diesem zweiten Grunde der
so bezieht sich die Collision,
hier überall vor Augen stehen muß, Verschiedenheit der Rechte,
für
alle
die
örtliche
und unsere Aufgabe läßt sich
einlretende Collisionsfälle nunmebr
Frage fassen: VIII.
auf
die uns
in
folgende
18 Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap I. Örtlich« Gränzen.
Welches
Territorialrecht ist in jedem gege
benen Falle anzuwenden? Hierin liegt denn auch der Grund, weshalb schon bis
her die gleichzeitigen Gränzen der Rechtsregeln als
ört
liche Gränzen bezeichnet worden sind (§ 244).
Suchen
wir zunächst durch Beispiele anschaulich
zu
machen, welche Bedeutung di« hier in Frage gestalte Kolli
sion verschiedener örtlicher oder territorialer Rechte haben kann.
An einem bestimmten Orte ist ein Rechtsstreit zu
entscheiden über die Erfüllung eines Vertrages oder über das Eigenthum einer Sache.
Der Vertrag aber ist ge
schlossen an einem anderen Orte, als an dem des Gerichts; die streitige Sache befindet sich an einem anderen Orte, als dem des Gerichts;
riales Recht.
beide Orte haben verschiedenes territo
Daneben können beide streitende Parteien,
ihrer Person nach, dem Orte deS Gerichts angehören, oder
beide einem fremden Orte, oder auch beide Parteien ver schiedenen Orten.
Welches
unter den verschiedenen ört
lichen Rechten, mit denen das streitige Rechtsverhältniß in
irgend einer Berührung steht, soll bei der Entscheidung des Streites zur Anwendung kommen?
Das ist der Sinn der
Collisionssrage in Anwendung auf Territorialrechte («).
(e)
Die Colüsion verschiedener
Rechte kommt allerdings auch bei
ihrer Losung. Ein genaueres Ein gehen auf diese Gestalt unserer
der auf die Volksabstammung ge gründeten Rechtsgemeinschaft m
Frage, Die ja überhaupt nur des geschichtlichen Zusammenhangs
Frage, und bedarf hier, eben so gut als neben dem Territorialrecht,
wegen gegenwärtig berührt wurde, und für das beutige Recht keine
§. 347. Widerstreit. Trrritorialrechte in demselben Staate
19
§. 347. Widerstreitende Territorialrechte in demselben Staate.
Die einander widerstreitenden Territorialrechte, förderen
Collision wir nunmehr die Regeln festzustellen haben (§ 346),
können unter einander in einem zweifachen Verhältniß ste hen, und wenngleich die Grundsätze der Beurtheilung stets
dieselben bleiben,
so hat doch diese Verschiedenheit den
größten Einfluß aus die Art der Anwendung jener Grund sätze Jene Territorialrechte können gelten entweder in ver schiedenen
oder
in
Gebietstheilen
eines
verschiedenen,
von
und
desselben
einander
Staates,
unabhängigen
Staaten
I.
Verschiedene Territorialrechte innerhalb
eines und
desselben Staates sind schon an einer früheren Stelle be merklich gemacht worden unter dem Namen von particu-
lären Rechten im Gegensatz eineö gemeinen Rechts eine-
solchen Staates, und sie können eben sowohl in der Ge stalt von Gesetzen als von Gewohnheiten bestehen (a). Die geschichtliche Veranlassung derselben,
so wie ihre
davon abhängende Begränzung, ist höchst mannichfaltig. Der wichtigste Fall der Anwendung während der Dauer
des deutschen Reiches war begründet durch das Verhältniß
Bedeutung hat, würde hier nicht ant Orte sein. Vgl. Savign»
Geschichte des R. R. im Mittelalter B. 1 § 46. (a) S o. B. 1 § 8. 18. 2t
2 *
20 Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
der einzelnen deutschen Staaten zu dem, sie alle zusammen haltenden deutschen Reiche (b). — Aehnliche Verhältnisse
aber fanden sich innerhalb der zum deutschen Reiche gehö renden einzelnen Staaten, und finden sich noch jetzt nach
der Auflösung des Reiches. Solche Particularrechte erscheinen bald in ganzen Pro
vinzen, bald in Abtheilungen von Provinzen, bald und vor
züglich in einzelnen Gemeinden.
Besonders häufig erschei
nen sie in Stadtgebieten, ja zuweilen selbst in einzelnen
örtlichen Bestandtheilen eines und desselben Stadtgebietes (c). In größeren Landstrichen (Provinzen oder Provinzab
theilungen) sind solche Particularrechte ost dadurch entstan
den, daß ein solcher Landstrich früher
als
selbstständiges
Staatsgebiet oder auch als Tbeil eines fremden Staates bestand, und erst später dem Staate, dem er jetzt angehört, einverleibt wurde. (b) B. 1 §2. — Em ähnliches, doch nicht völlig gleiches, Verhält
niß finden wir unter den souveränen kleinen Staaten, ans welchen die
vereinigten Niederlande bestanden,
ist auch das Verhältniß der Nordanlerikanischen Freistaaten. (c) So z. B. bestanden neben einander in Breslau bis zum 1. Jan. 1840 fünferlei partikuläre Gesetze und Observanzen über Erb
die nicht so, wie die deutschen Staaten, durch eine gemeinsame
recht,
höhere Staatsgewalt und Gesetz
w., deren Anwendung durch Juns-
gebung verbunden waren.
Durch
eheliches
Güterrecht u.
dictionsbezirke begränzt war
s.
Nicht
die daselbst^sehr häufig hervortre
selten
tenden Colltfionsfälle
Haus zu Haus verschieden, ja es kam vor, daß Em Haus auf der
wurden be
sonders die Holländischen Juristen
(Rodenburg, P. Voet, I. Voet, Huber) veranlaßt, große Aufmerk samkeit auf den hier vorliegenden Gegenstand zu wenden. Aehnlich
war
hier das Recht von
Gränze verschiedener Rechte lag,
denen es daher theilweise angehörte. Vgl. das Gesetz vom 11. Mai 1830 (Gesetzsammlung 1839
S. 166).
§.347.
21
Widerstreit. Terntorialrechte m demselben Staate
In Stadtgebieten sind sie oft für diese einzelne Stadt erlassen, sei es von dem Landesherrn, dem diese Stadt un
terworfen war, oder auch von der städtischen Obrigkeit, mit Zulassung oder Genehmigung deö Landesherrn
Diese Entstehung besonderer Stadrrechte finden wir schon
im Römischen Reiche, dessen einzelne Gemeinden nicht nur vor ihrer Vereinigung mit dem großen Ganzen das Recht eigener Gesetzgebung
gehabt batten, sondern dieses Recht
auch durch jene Vereinigung nicht schlechtbin einbüßten,
wenngleich sie den in Rom neu erlassenen Gesetzen stets unterworfen waren (d).
Sie sind es, durch welche über
haupt die Römischen Juristen Veranlassung erhielten,
die hier vorliegende Untersuchung einzugehen je).
aus
Sie bil
den hier, als Particularrechte, den Gegensatz gegen das ge meine Römische Recht.
— Noch weit ausgedehnter und
wichtiger aber waren die Stadtrechte, die sich im Italieni
schen Mittelalter fast in jeder Stadt ausbildeten, und die hier,
als Particularrechte,
nicht blos gegen das Römische
Recht, sondern auch gegen das Lombardische, beide als ge meine Rechte gedacht, den Gegensatz bildeten (f).
Für sie
wurde der Name Statuta als Kunstausdruck geltend, der dann auch aus andere Länder übertragen wurde,
welchen sich die Lehre von den Statuta personalia,
und an
realia,
niixta anschloß (§ 345 £).
(d)
Savlgny Geschichte des
R. R.-tm Mittelalter B. 1 Kap 2. (e)
S. o
§ 344
(f)
Geschichte
des R. R
tnt
Mittelalter B. 3 § 42. 189 B. 2
§ 70.
22 Buch 111. Herrschaft der Rechtöregcln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Zu der Collision verschiedener Territorialrechte inner halb desselben Staates könnte man versuchen auch folgen
den Fall zu ziehen, der jedoch in der That eine ganz an dere Natur hat, und gar nicht in daö Gebiet der gegen-
wärtigen Untersuchung gehört. — In jedem Staate können Particularrechte in verschiedener Abstufung und Unterord
nung vorkommen, von dem örtlich begränztesten an in immer weiteren Kreisen der Anwendung geltend, bis zum gemeinen
Recht eines solchen Staates hinauf.
Auch dabei kann man
von einer Collision reden, indem an bestimmten Orten jedes
dieser Particularrechte im Allgemeinen wirkliche
Geltung
hat, und also in gegebenen einzelnen Fällen gefragt werden
kann, welches derselben,
wenn sie einander Widerstreiten,
die Regel der Entscheidung bilden solle.
Hier aber hat
die Collistonöfrage, wenn man diesen Ausdruck dabei ge
brauchen will, eine andere Bedeutung, als bei den neben
einander stehenden, Particularrechten desselben Staates, die
von einander unabhängig sind, also nicht im Berbältniß der Abhängigkeit und Unterordnung zu einander stehen.
Zwischen mehreren einander uiltergeordneten Rechten gilt die einfache Regel, daß stets dasjenige Recht in der An wendung den Vorzug hat, welchem der beschränkteste Um fang der Geltung zuzuschreiben ist, nur mit Ausnahme des besonderen Falles,
wenn das über ihm in weiterem Um
fange stehende Recht einzelne Bestimmungen von einem ab
solut gebietenden Cbarakter enthält (g). (g) S. o. B. 1 § 21. 45. Außer tiefem besonderen Falle also gilt die Regel: Stattrecht bricht Landrecht, Landrecht bricht gemein Recht.
347
Widerstreit. Territorialrechte in demselben Staate.
23
Mt einer so einfachen Regel ist die Colliston, die zwi schen mehreren von einander unabhängigen Partikularrech ten eintritt, nicht zu beherrschen.
Für fie ist eine tiefer ein-
gehmde Untersuchung nöthig, die eben in der Folge deS gegenwärtigen Kapitels angestellt werden soll.
Da übri
gens in don gegenwärtig allein vorausgesetzten Fall Particularrechte eines und desselben Staates vorausgesetzt wer
den (h),
so
ließe
sich
denken,
daß die Collision dieser
Rechte selbst durch die allgemeine Gesetzgebung eben diese-
Staates geregelt wäre.
Gerade Dieses aber findet sich bis
jetzt wohl in keinem Lande auf irgend erschöpfende Weise durchgeführt, vielmehr sind überall die meisten lind wichtig
sten hierher gehörenden Fragen der wissenschaftlichen Fest stellung überlassen geblieben.
8. Widerstreitende
348.
Territorialrechte in
verschiedenen
Staaten.
II.
Der zweite Fall einer möglichen Collision verschie
dener Territorialrechte setzt voraus, daß diese Rechte nicht
(h)
Cs ließe sich Dieses denken
ohne Unterschied,
ob
über
den
eigenthümlichen Particularrechten ein und dasselbe gemeine Recht
oder nicht, denn
auch
in diesem
letzten Fall, welcher z. B zwischen der Preußischen Rheinprovinz und den
übrigen
Provinzen
eintritt,
meine Landrecht über den Provin
ließe sich doch denken, daß em Preußisches Landesgesetz die Colli
zialrechten von Brandenburg, Pom
sion
mern, Ost- n. Westpreußen n. s. w ),
vollständig geregelt hätte.
steht (so wie in Preußen das allge
dieser
verschiedenen
Rechte
347
Widerstreit. Territorialrechte in demselben Staate.
23
Mt einer so einfachen Regel ist die Colliston, die zwi schen mehreren von einander unabhängigen Partikularrech ten eintritt, nicht zu beherrschen.
Für fie ist eine tiefer ein-
gehmde Untersuchung nöthig, die eben in der Folge deS gegenwärtigen Kapitels angestellt werden soll.
Da übri
gens in don gegenwärtig allein vorausgesetzten Fall Particularrechte eines und desselben Staates vorausgesetzt wer
den (h),
so
ließe
sich
denken,
daß die Collision dieser
Rechte selbst durch die allgemeine Gesetzgebung eben diese-
Staates geregelt wäre.
Gerade Dieses aber findet sich bis
jetzt wohl in keinem Lande auf irgend erschöpfende Weise durchgeführt, vielmehr sind überall die meisten lind wichtig
sten hierher gehörenden Fragen der wissenschaftlichen Fest stellung überlassen geblieben.
8. Widerstreitende
348.
Territorialrechte in
verschiedenen
Staaten.
II.
Der zweite Fall einer möglichen Collision verschie
dener Territorialrechte setzt voraus, daß diese Rechte nicht
(h)
Cs ließe sich Dieses denken
ohne Unterschied,
ob
über
den
eigenthümlichen Particularrechten ein und dasselbe gemeine Recht
oder nicht, denn
auch
in diesem
letzten Fall, welcher z. B zwischen der Preußischen Rheinprovinz und den
übrigen
Provinzen
eintritt,
meine Landrecht über den Provin
ließe sich doch denken, daß em Preußisches Landesgesetz die Colli
zialrechten von Brandenburg, Pom
sion
mern, Ost- n. Westpreußen n. s. w ),
vollständig geregelt hätte.
steht (so wie in Preußen das allge
dieser
verschiedenen
Rechte
24 Buch III. Herrschaft btt Rechtsregeln Kap. I Örtliche Gränzen
in demselben Staate, sondern in mehreren von einander un abhängigen Staaten bestehen (§ 347).
zurück
Sehen wir dabei
aus d'ie schon oben zur Erläuterung der ganzen
Collisionsfrage angegebenen Beispiele (§ 346),
diese nunmehr folgende Gestalt an.
so nehmen
Ein Richter unseres
Staates hat zu entscheiden über ein streitiges Rechtsver-
bältniß,
das durch die Tbatsachen,
liegen (z. B. den Ort,
die ihm zum Grunde
wo ein Vertrag abgeschlossen ist,
oder wo sich eine streitige Sache befindet),
mit dem von
unsrem positiven Rechte abweichenden Rechte eines fremden Daneben ist es möglich, daß
Staates in Berübrung steht.
beide Parteien Inländer, oder beide Ausländer sind, daß die eine dem Jnlandc,
oder
die andere dem Auslande per
Welches der verschiedenen hier einschla
sönlich angehört
genden Territorialrcchte bat der Richter zur Anwendung zu bringen? Gan; dieselbe Frage könnte
auch
dem Richter jenes
fremden Staates zur Entscheidung vorlicgen, wenn zufällig
der Rechtsstreit nicht in unsrem,
sondern in dem fremden
Staate entstanden wäre.
Manche
haben versucht,
diese Fragen lediglich durch
den Grundsatz der unabhängigen Staatsgewalt (Souverä nität) zu entscheiden, indem sie folgende zwei Regeln an die
Spitze stellen.
1
Jeder Staat kann fordern, daß inner
halb seiner Gränzen lediglich sein Gesetz gelte.
2
Kein
§. 348.
Staat
Widerstreit. Terntonalrechte in verschied. Staaten.
kann
die Geltung
seines
Gesetzes
25
außer seinen
Gränzen fordern (a). Ich will nicht nur die Wahrheit dieser Sätze einräumen, sondern selbst ihre Ausdehnung bis zu den äußersten denk
baren Gränzen anerkennen, glaube aber,
daß sie für die
Lösung unsrer Aufgabe wenig Hülfe gewähren
Die weiteste Ausdehnung
der unabhängigen Staats
gewalt in Beziehung auf Fremde könnte bis zur völligen
Rechtlosigkeit der Fremden fübren.
Eine solche Auffassung
ist dem Römischen Völkerrecht nicht fremd (l>),
da,
und auch
wo sie von den Römern gegen das Ausland nicht
geltend gemacht wird, ist wenigstens ein großer Unterschied
in der Rechtsfähigkeit zwischen Römern und Fremden stets
festgehalten worden (§ 346).
- Das heutige Recht dagegen
hat allmälig zur Anerkennung vollständiger Rechtsgleichheit zwischen Einheimischen und Fremden hingeführt (c).
Mit dieser Rechtsgleichheit der Personen ist jedoch über die Frage wegen der Collision zwischen dem einhei
mischen und
fremden Rechte noch gar nicht entschieden.
Vor Allem müssen wir anerkennen, daß, wenn einheimische
(a)
Huber
8 18—21 (b) Das
§ 2,
Story
R. R. wendet dlese
Rechtlosigkeit, und zwar mit gegen
Staaten, mit welchen Rom weder foedus noch amicitia gegründet hat. I,. 5 8 2 de capt. (49. 15)
(c)
Wachter I
S. 253 II.
seitigen Folgen, nicht nur auf hostes an, deren Begriff einen
S. 33 -34. 181 Puchta Pan dekten 8 45. 112. Eichhorn
erklärten Krieg voraussetzt, sondern auf alle Bürger solcher
deutsches Recht § 75
selbst
26 Buch IH. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. Örtliche Gränzen. Gesetze über die Behandlung der EollistonSfälle Vorschriften
geben, diese Vorschriften von den Richtern unsres Staate-schlechthin angewendet werden muffen (d).
Nur finden sich
solche Gesetze in erschöpfender Weise nirgend, nicht in den Staate«,
für welche das
insbesondere
gemeine deutsche
Recht gilt (e) Allerdings könnte das strenge Recht der höchsten Gewalt
unter Anderm dahin führen, daß allen Richtern des Landes vorgeschrieben würden,
die ihnen
vorkommenden Rechts
verhältnisse lediglich nach dem einheimischen Rechte zu ent scheiden,
unbekümmert um die vielleicht abweichenden Be
stimmungen irgend eines fremden Rechtes, mit dessen Land
gebiet etwa das
streitige Rechtsverhältniß in Berührung
gekommen sein möchte.
Eine solche Vorschrift ist aber in
der Gesetzgebung keines bekannten Staates zu finden, und
mußte
auch
schon durch
folgende Betrachtung verhindert
werden.
Je mannichfaltiger und lebhafter der Verkehr unter den verschiedenen Völkem wird, desto mehr wird man fich über zeugen müssen, daß es räthlich ist, jenen strengen Grundsatz
nicht festzuhalten, sondern vielmehr mit einem entgegengesetzten Grundsatz zu vertauschen.
Dahin führt die wünschenswerthe
Gegenseitigkeit in der Behandlung der Rechtsverhältnisse, und Wächter I. S. 237 fg. Seltsamerweise widerspricht Struve § 9. 37, indem er die Gesetze für nichtig erklärt, die nicht von richtigen (d)
Story § 23. —
Grundsätzen über die Collifion ausgehen. (e) Es tritt also hier derselbe Fall ein, wie bei der Cellisten der Particularrechte (§ 347).
$. 348.
Widerstreit. Territorialrechte in verschied. Staaten.
27
die daraus hervorgehende Gleichheit in der Beurtheilung
der Einheimischen und Fremden, die im Ganzen und Großen durch den gemeinsamen Vortheil der Völker und der Ein
zelnen geboten wird.
Denn diese Gleichheit muß in voll
ständiger Ausbildung dahin führen, daß nicht bloß in jedem einzelnen Staate der Fremde gegen den Einheimischen nicht zurückgesetzt werde (worin die gleiche Behandlung der Per sonen besteht), sondern daß auch die Rechtsverhältnisse, in
Fällen einer Collision der Gesetze, dieselbe Beurthei
lung zu erwarten haben, ohne Unterschied, ob in diesem
oder jenem Staate das Urtheil gesprochen werde. Der Standpunkt, aus den wir durch diese Erwägung geführt werden, ist der einer völkerrechtlichen Gemeinschaft der mit einander verkehrenden Nationen, und dieser Stand
punkt hat im Fortschritt der Zeit immer allgemeinere An
erkennung gefunden, unter dem Einfluß theils der gemein samen christlichen Gesittung, theils des wahren Vortheils,
der daraus für alle Theile hervorgeht. Auf diesem Wege kommen wir dahin, die Collision der Territorialrechte unabhängiger Staaten, von welcher gegen wärtig die Rede ist, wesentlich nach denselben Grundsätzen zu
behandeln, welche für die Collision verschiedener Particularrechte desselben Staates gelten (§ 347), und diese Gleich
stellung ist für die gesammte folgende Untersuchung maaß gebend. Für beide Arten der Collision läßt sich
gemeinsame Aufgabe dahin bestimmen,
nunmehr die
28 Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I Örtliche Gränzen
daß bei jedem Rechtsverhältniß dasjenige Rechtsgebiet ausgesucht werde,
dieses
Rechtsverhältniß
thümlichen
Natur
nach
welchem
seiner
eigen oder
angehört
unterworfen ist
Man kann diese Gleichstellung, im Gegensatz des oben erwähnten strengen NechtS, als freundliche Zulassung unter
souveränen Staaten bezeichnen, nämlich als Zulassung ur sprünglich fremder Gesetze unter die Quellen, aus welchen die einheimischen Gerichte die Beurtheilung mancher Rechts
verhältnisse zu schöpfen haben (f). Nur darf diese Zulassung
nicht gedacht werden als
Ausfluß bloßer Großmuth oder Willkür, zufällig
wechselnd
und
vorübergehend
die zugleich zu
denken
als
wäre.
Vielmehr ist darin eine eigenthümliche und fortschreitende
Rechtsentwickelung
zu erkennen,
gleichen Schritt haltend
mit der Behandlung der Collisionen unter den Particular-
rechten desselben Staates (g).
(f) Huber de conflictu le gum § 2. „Rectores imperiorum id comiter agunt, ut jura cujusque populi teneant ubique suamvim“ I. Voet de statutis § 1 12. 17 „ Dein quid ex comitate gens genti liberaliter et officiose lndulgeat, permittat, patiatur, ultro citroque“ — Story conflict of laws § 24 — 38.
(g) Ich kann daher nicht übereinstimmen mit WachterI S 240. II. S. 12—15, wenn er hierin so sehr warnt gegen Verwechselnng des richterlichen und legislativen Standpunktes. Was er zu dem legislativen Standpunkt rechnet, fällt gewiß großentheils in den richterlichen, bei einem Gegenstand den die Gesetzgebung ohnehin der wissenschaftlichen Entwickelung
§. 348. Widerstreit. Territonalrechte iu verschied. Staaten.
Nur dadurch
muß die
29
eben behauptete Gleichstellung
beider Arten der Collision beschränkt werden, daß bei wi
derstreitenden Particularrechten (§ 347) die Collisionsfrage entschieden werden kann durch ein über beiden Particular rechten stehendes
gemeinsames
Landesgesetz.
Eine solche
mögliche Auskunft kann bei widerstreiter»den Gesetzen ver schiedener unabhängiger Staaten allerdings nicht eintreten. Dieser Standpunkt
einer völkerrechtlichen Gemeinschaft
unter unabhängigen Staaten,
aus welchem dann die An
näherung zu einer gegenseitigen Gleichstellung in der Be
handlung der Collision verschiedener positiver Rechte hervor gegangen .ist,
war den Römern fremd.
Der Verkehr der
Völker mußte erst den ungeheuren Schwung erhalten haben,
den wir in neueren Zeiten wahrnehmen,
damit das Be
dürfniß solche Grundsätze zur Anerkennung und Ausbildung
bringen konnte. Wenn
dieser
Standpunkt
bei
neueren
Schriftstellern
nicht geradezu wörtliche Anerkennung gefunden hat, so liegt
er doch, dem Wesen nach, zum Grunde bei dem in dieser Untersuchung häufig geltend gemachten allgemeinen Gewohn
heitsrecht
(h).
Zwar wird dieses.Gewohnheitsrecht vor
zugsweise behauptet für das Gebiet deS gemeinen deutschen
größteniheils überlassen hat. Auch liegt eine Annäherung an die hier aufgestellte Ansicht in einer anderen Stelle von Wächter (I. 265), worin er den Richter auf Richtung,
Sinn und Geist seiner LandeSge^ setze verweist. (h) Wächter I. S. 255—261 II. S. 175—177. S. 195. S. 371 — Schäffner § 21.
30 Buch Ul- Herrschaft der Recht-regeln. Kap. l. Örtlich« Gränzen.
Rechts.
Allein die Ableitung desselben aus der (stets fort
schreitenden) Uebereinstimmung der Schriftsteller und der
Richtersprüchr führt gerade hier unwiderstehlich über diese Auch daß sehr gewöhnlich über den In
Gränze hinaus.
halt und die GränM jmeS Gewohnheitsrechts gestritten
wird, kann hierin Nichts ändern.
Die gemeinsame An
nahme des Daseyns deffrlben, und das gemeinsame Suchen
nach dessen Inhalt, ist entscheidend für die hier aufgestellte
Behauptung.
Schwankende und durch einander gehende
Meinungen aber können am wenigsten besternten in einer Rechtslehre, die, so,wie die hier vorliegende, noch erst im
Werden begriffen ist (i).
Die hier
aufgestellten Grundsätze über die mögliche,
wünschenswerthe,
zu erwartende völkerrechtliche Gemein
schaft in der Behandlung der Collisionrn örtlicher Rechte
können eine besondere Förderung erhalten, wenn über diesen
Gegenstand unter verschiedenen,
besonder-
unter benach
barten Staaten, bei welchen die CollifionSfälle am häufigsten
eintreten,
StaatSvrrträge
geschlossen
Solche
werden.
Staatsverträge find nicht blos von Rechtslehrern lebhaft gewünscht und empfohlen worden,
sondern auch in der
That schon vorlängst zu Stande gekommen (k).
(i)
(k)
Es würde
Vgl. hierüber die Vorrede zum gegenwärtigen Bande
I. Voet. § 1. 12. 17
§. 348. Widerstreit. Territorialrechte in verschied. Staaten.
31
unrichtig sein, solche Verträge, wo sie sich finden, so aufzu fassen,
als werde darin etwas ganz Neues positiv sestge-
stellt, so daß, abgesehen von denselben, und vor ihrer Zeit,
etwa gerade daö Gegentheil gegolten haben müßte.
Viel
mehr sind sie fast immer als der Ausdruck der oben dar
gelegten allgemeinen Rechtsgemeinschaft anzusehen,
mithin
als Versuche, diese Rechtsgemeinfchast stets vollständiger zur Anerkennung zu bringen.
Kein Staat hat in neuerer Zeit so zahlreiche Verträge dieser Art mit anderen Staaten geschloffen, als der Preußi-sche, und in diesen Verträgen besonders ist der eben aufge
stellte Gesichtspunkt ganz unverkennbar vorherrschend gewesen.
Ich will hier eine Uebersicht dieser Preußischen Staatsver träge mit Nachbarstaaten geben,
um in der Folge dieser
Untersuchung leichter darauf zurückweisen zu können. Vertrag mit Sachsen-Weimar 1824, 1824.
-
-
-
-
-
-
-
-
1834,
-
S. 353.
Schwarzburg-Rudolstadt 1840,
1840.
-
S. 124.
Königreich Sachsen 1839,
1839.
-
S. 9.
Reuß-Gera
1834.
-
S. 105.
Sachsen-Coburg-Gotha 1833,
1834. -
S. 149.
Sachsen-Altenburg 1832,
1832. -
Gesetz-Sammlung
S. 239.
-
32 Buch 111. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I- Örtliche Gränzen.
Vertrag mit Anhalt-Bernburg 1840, 1840.
-
-
Gesetz - Sammlung
S. 250.
Braunschweig 1841,
1842.
S. 1.
8.
349.
Wederstreitende Tercitorialrechte in verschiedenen
Staaten
(Fortsetzung.)
Unsere Untersuchung bat bisher dahin geführt, daß auch
bei der Entscheidung über solche Rechtsverhältnisse, mit verschiedenen
unabhängigen
Staaten
welche
in Berührung
kommen, der Richter dasjenige örtliche Recht anzuwenden hat, dem das streitige Rechtsverhältniß angehört, ohne Un
terschied,
ob dieses örtliche Recht das einheimische Recht
dieses Richters,
oder daö Recht eines
fremden
Staates
sein mag (8 348.). Dieser Grundsatz aber muß nunmehr beschränkt werden
mit Rücksicht aus manche Arten von Gesetzen, deren beson dere Natur einer so freien Behandlung der Nechtsgemeinschast unter verschiedenen Staaten widerstrebt.
Gesetzen
wird
der Richter das
Bei solchen
einheimische Recht
auS-
schließender anzuwenden haben, als eS jener Grundsatz ge
stattet,
das
ftemde
Recht dagegen unangewendet
lassen
müssen, auch wo jener Grundsatz die Anwendung rechtfer
tigen würde.
Daraus entsteht eine Reihe von Ausnahme
fällen wichtiger Art, deren Gränzen festzustellen vielleicht
die schwierigste Ausgabe in dieser ganzen Lehre sein mag.
32 Buch 111. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I- Örtliche Gränzen.
Vertrag mit Anhalt-Bernburg 1840, 1840.
-
-
Gesetz - Sammlung
S. 250.
Braunschweig 1841,
1842.
S. 1.
8.
349.
Wederstreitende Tercitorialrechte in verschiedenen
Staaten
(Fortsetzung.)
Unsere Untersuchung bat bisher dahin geführt, daß auch
bei der Entscheidung über solche Rechtsverhältnisse, mit verschiedenen
unabhängigen
Staaten
welche
in Berührung
kommen, der Richter dasjenige örtliche Recht anzuwenden hat, dem das streitige Rechtsverhältniß angehört, ohne Un
terschied,
ob dieses örtliche Recht das einheimische Recht
dieses Richters,
oder daö Recht eines
fremden
Staates
sein mag (8 348.). Dieser Grundsatz aber muß nunmehr beschränkt werden
mit Rücksicht aus manche Arten von Gesetzen, deren beson dere Natur einer so freien Behandlung der Nechtsgemeinschast unter verschiedenen Staaten widerstrebt.
Gesetzen
wird
der Richter das
Bei solchen
einheimische Recht
auS-
schließender anzuwenden haben, als eS jener Grundsatz ge
stattet,
das
ftemde
Recht dagegen unangewendet
lassen
müssen, auch wo jener Grundsatz die Anwendung rechtfer
tigen würde.
Daraus entsteht eine Reihe von Ausnahme
fällen wichtiger Art, deren Gränzen festzustellen vielleicht
die schwierigste Ausgabe in dieser ganzen Lehre sein mag.
8 349. Widerstreit. Territorialrechte in verschied. Staaten. (Forts.) 33
Die ost unbewußte Rücksicht unserer Schriftsteller auf diese
Auönahmesälle hat nicht wenig dazu beigetragen, die über einstimmende Anerkennung der Regeln 31t verhindern,
durch dieselben beschränkt werden.
Ausnahmen als solche, und
die
Sollte es gelingen, jene
zugleich die wahren Gränzen
derselben, aus überzeugende Weise sestzustellen, so dürfte da durch vielleicht mancher Widerstreit über die Regeln selbst
beseitigt, und so die gegenseitige Annäherung der streitenden
Parteien gefördert werden. Ich will es
versuchen,
die
angedcuteten
Ausnahmen
auf zwei Klaffen zurückzusühren:
A.
Gesetze von Natur,
streng
positiver,
zwingender
die eben wegen dieser Natur
zu
jener freien Behandlung, unabhängig von den Gränzen verschiedener Staaten, nicht
geeignet sind.
B.
Rechtsinstitute eines fremden Staates, de ren
Dasein
in
dem
unsrigeir überhaupt
nicht anerkannt ist, die also deswegen ans Rechtsschutz in unserm'Staate keinen An
spruch haben. A.
Gesetze von streng positiver, zwingender Natur.
Schon oben sind verschiedene Gegensätze in der Natur und Herkunft der Rechtsregeln hervor gehoben worden (a).
An diese müssen wir hier anknüpfen,
(a) VIII.
wir reichen damit
S 0 B 1 8 15. 16 22.
3
34 Buch 111. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. 1. Örtliche Gränzen,
aber für den gegenwärtigen Zweck nicht aus, müssen viel mehr die verschiedene Natur der Rechtsregeln noch genauer betrachten.
Zwar könnte man glauben, hier auszureichen mit der
absoluter
Unterscheidung
und
vermittelnder
Rechtsregeln
(§ 16), allein auch darin würde man sich täuschen.
Zwar
ist diese Unterscheidung insofern von einigem Einfluß auf
unsre Frage, als niemals eine blos vermittelnde Rechts
regel in die Reihe jener Ausnahmefälle gehören wird (b).
Dagegen würde es umgekehrt ganz irrig sein, allen abso luten Gesetzen eine so positive, zwingende Natur zuzuschreiben, daß sie unter die Ausnahmefälle gerechnet werden müßten.
So z. B. gehört jedes Gesetz über den Anfang
der Volljährigkeit unter die absoluten Gesetze, weil eS nicht
blos in Ermangelung einer anders bestimmenden Privat willkür wirken soll; dennoch sind Alle darüber einig, daß
gerade dieses Gesetz auch außer den Gränzen des Staates,
worin es gegeben ist, unbedenklich wirken kann (§ 362) Ob nun irgend ein Gesetz unter die Ausnahniefälle zu
rechnen ist, das hängt vor Allem von der Absicht des Ge
setzgebers ab.
(b)
Hat dieser sich darüber ausdrücklich erklärt,
Jedes Gesetz über die In-
wirken können;
denn die häufigen
testaterbfolge ist ein vermittelndes,
abweichenden Meinungen betreffen
weil eS nur wirkt in Ermangelung nnes letzten Willens. Daher ist
nicht diese Gesetze an sich, sondern
eS auch allgemein anerkannt, daß solche Gesetze außer dem Ge
Grundeigenthum,
biete,
wofür
sie
gegeben
sind,
nur
ihre
ausführlich (§. 376).
Anwendung die
auf
wovon
Rede
sein
das
unten wird
§.346. Widerstreit. Territorialrtchte »»verschied.Staaten. (Forts.) 35
so muß diese Erklärung gelten, da dieselbe dann die Na tur eines
Gesetzes
Kollision hat, welches
über die
stets unbedingt befolgt werden »nuß (§ 348 d.).
Allein an
einer solchen ausdrücklichen Erklärung wird es meist fehlen,
und dann bleibt Nichts übrig, als aus die verschiedene Na
tur der absoluten Gesetze zurück zu gehen, die uns auf fol gende Unterscheidung führen muß. Eine Klaffe der absoluten Gesetze hat keinen anderen
Grund und Zweck, als die Handhabung des Rechts durch
feste Regeln zu sichern, so daß sie erlassen werden lediglich um der Personen Willen,
sind.
welche die
Träger der Rechte
Dahin geboren die Gesetze über die Einschränkung
der Handlungsfähigkeit wegen des Alters, des Geschlechts
ii. s. w.
Ferner die Gesetze über
die Formen der Ueber-
tragung des Eigenthums (durch bloßen Vertrag oder durch
Uebergabe). — Bei allen Gesetzen solcher Art ist kein Grund
vorhanden, sie unter die Ausnahmefälle zu rechnen, die da bei eintretende Collisionen können vielmehr nach dem Grund
satz der freiesten Rechtsgemeinschaft geschlichtet werden, da
jeder Staat unbedenklich
auch
innerhalb
seiner Gränzen
dem fremden Gesetze solcher Art eine Einwirkung gestat ten kann.
Eine
andere
Klasse der
absoluten Gesetze dagegen
hat ihren Grund und Zweck außer dem reinen, in seinem abstracten Dasein aufgefaßten, Rechtsgebiet (c), so daß sie
(c)
„contra rationem Juris“, s o B 1 § 16 Note p
3*
36 Blich III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. örtliche Gränzen,
erlassen werden nicht lediglich um der Personen Willen, welche die Träger der Rechte sind.
— Die Gesetze dieser
Klasse können beruhen auf sittlichen gehört jedes Ehegesetz,
Gründen.
Dahin
welches die Polygamie ausschließt
— Sie können auch beruhen auf Gründen deS öffent lichen Wohls (publica utilitas), mögen diese nun mehr
einen politischen, einen polizeilichen, oder einen volkswirth-
schastlichen
Charakter
manche Gesetze,
an
sich
tragen.
Dahin
gehören
welche den Erwerb deS GrundeigenthumS
von Seiten der Juden einschränken. Alle Gesetze solcher Art gehören zu den oben erwähn ten Ausnahmefällen, so daß in Beziehung auf ihre Anwen dung jeder Staat für sich als völlig abgeschlossen erscheint.
— Schließt also das Gesetz unsers Staates die Polygamie aus,
so muß unser Richter auch der polygamischen Ehe
solcher Ausländer, deren Landesgesetz sie zuläßt, den Rechts
schutz versagen. — Untersagt unser Gesetz den Juden die Erwerbung des GrundeigenthumS,
so muß unser Richter
nicht nur den einheimischen Juden den Erwerb untersagen, sondern auch den answärtigen, in deren Staat ein solches
Verbot nicht besteht,
wenngleich nach den allgemeinen Re
geln über die Collision die persönliche Rechtsfähigkeit und
Handlungsfähigkeit nach den Gesetzen des Wohnsitzes der
Person beurtheilt werden müßte.
Ebenso aber umgekehrt
wird der fremde Staat, dessen Gesetz eine solche Beschrän
kung der Juden nicht kennt, auch die unserm Staate ange-
§. 349. Widerstreit. Terruorialrechte in verschied. Staaten. (Feris.) 37
hörenden Juden zum Grundbesitz zulassen, ohne Rücksicht auf daö beschränkende Gesetz ihres persönlichen Wohnsitzes.
B.
Rechtsinstitute eines fremden Staates, deren Dasein in dem mistigen überhaupt nicht anerkannt ist.
Der Richter eines Staates, dem der bürgerliche Tod
der Französischen oder Russischen Gesetzgebung unbekannt ist, wird auf Personen, die in diesen Ländern dem bürger lichen Tode unterworfen worden sind, die damit verbundene
Rechtsunfähigkeit nicht anzuwenden haben, wenngleich, nach allgemeinen Regeln über die Kollision, der persönliche Zu
stand beurtheilt werden müßte nach dem am Wohnsitz gel tenden Recht (d). — Eben so wird in einem Staate, der
die Sklaverei nicht kennt, ein Negersklave, der sich daselbst aushält, nicht als Eigenthum seines Herrn, und nicht als
rechtsunfähig, behandelt werden können (c).
In diesem
letzten Fall werden sogar beide hier aufgestellte Gesichts punkte zusammen treffen, und zu einem und demselben Ziele führen.
Die Sklaverei ist, als Rechtsinstitut unserm Staate
fremd, in ihm nickt anerkannt; und zugleich
ist es von
unserm Standpunkte aus etwas durchaus Unsittliches, einen Menschen als Sache zu behandeln.
Bei dem vorher ange
führten Fall des bürgerlichen Todes würde nur der erste
Grund geltend gemacht werden können, nicht der zweite, da (d) Vgl. oben B. 2 § 75. — Anderer Meinung ist in diesem Punkte Schäffner §35, außer wenn man etwa die auswärtige
Wirksamkeit des Straferkennt nisses verneinen möchte. (c) Wächter II. S- 172. Schäffner § 34.
38 Buch III. Herrschaft der Rechlsregeln. Kap I. Örtliche Gränzen der bürgerliche Tod nicht unsittlicher ist, als jede andere sehr harte Strafe.
Die hier zusaininen gestellten Klassen absoluter Gesetze,
so verschieden von einander sie ausserdem sein mögen, kom men darin überein, daß sie sich der für die Collision des
örtlichen Rechts im Allgemeinen geforderten Rechtsgemein
schaft aller Staaten entziehen, daß sie also in dieser Hin
sicht eine anomale Natur haben.
Es ist aber zu erwarten,
daß diese Auönahmefälle, in Folge der natürlichen Rechts entwickelung
der
Völker,
sich
vermindern
fortwährend
werden (f).
Die in dem gegenwärtigen Paragraphen abgehandelten
Ausnahmen von den sonst geltenden Regelir der Colliston
beziehen sich
zunächst auf die widerstreitenden Territorial-
rechte verschiedener
Staaten.
Bei den
Particularrechten
eines und desselben Staates (§ 347) werden ähnliche Ver hältnisse weit seltener vorkommen,
da die oben charakteri-
firten Gesetze von streng positiver, zwingender Natur meist
für den ganzen Umfang eines Staates erlassen werden, also ohne Rücksicht auf die Gränzen particulärer Rechte.
kommen auch
innerhalb desselben Staates
(f) Die wichtigsten und mannich-
faltigsten Anwendungen der
hter
vielleicht
in
Doch
solche anomale
enter
Gestalt erschemt,
zu abstrakten
wird tert mehr
aufgestellten Regeln werden unten
Anschaultchkeit
in der Lehre von der Rechtsfähig-
durch diese geeigneter sein, Ueber-
keit und Handlungsfähigkeit vor-
Zeugung zu bewirken,
kommen (§ 365).
Was nun hier
gewinnen,
und
§. 349. Widersinn. Terrnorialrechle in verschied. Staaten. (Forts.) 39
Verhältnisse vor, wenn nämlich die Verschiedenheit örtlicher Rechte aus einer Zeit herrührt, in welcher manche gegen
wärtige Bestandtheile des Staates noch nicht zu ihm ge
hört' haben.
Dieses gilt namentlich
von dem Recht der
Preußischen Rheinprovinz im Verhältniß
zu dem in den
übrigen Preußischen Provinzen geltenden Recht.
Dann
werden die in dem gegenwärtigen Paragraphen ausgestell
ten besonderen Regeln auch innerhalb der Gränzen desselben
Staates zur Anwendung kommen können.
§.
350
Die RoMlichc Lehre von origo unv domicihum. Etnleltuttg.
Unsere Untersuchung hat bis jetzt dahin geführt,
daß
die Eollision verschiedener positiver Rechte in der Beur
theilung eines Rechtsverhältnisses zunächst und hauptsächlich zu entscheiden ist nach dem Rechtszustand der Person, welche in diesem Rechtsverhältniß steht, und daß selbst die
zahlreichen und wichtigen Abweichungen von diesem Grund
satz nur im Zusammenhang mit denselben und als Modifi-
cationen desselben richtig verstanden werden können (8 345).
Es wurde ferner gezeigt, daß der Rechtszustand der Person, nach der seit langer Zeit allgemein anerkannten Regel, durch
das Landgebiet
(nicht durch die
Abstammung) bestimmt
werde (§ 346—348).
Allein auch diese gewonnene Einsicht hat nur erst eine
formelle Bedeutung.
Denn es bleibt noch die Frage übrig:
§. 349. Widersinn. Terrnorialrechle in verschied. Staaten. (Forts.) 39
Verhältnisse vor, wenn nämlich die Verschiedenheit örtlicher Rechte aus einer Zeit herrührt, in welcher manche gegen
wärtige Bestandtheile des Staates noch nicht zu ihm ge
hört' haben.
Dieses gilt namentlich
von dem Recht der
Preußischen Rheinprovinz im Verhältniß
zu dem in den
übrigen Preußischen Provinzen geltenden Recht.
Dann
werden die in dem gegenwärtigen Paragraphen ausgestell
ten besonderen Regeln auch innerhalb der Gränzen desselben
Staates zur Anwendung kommen können.
§.
350
Die RoMlichc Lehre von origo unv domicihum. Etnleltuttg.
Unsere Untersuchung hat bis jetzt dahin geführt,
daß
die Eollision verschiedener positiver Rechte in der Beur
theilung eines Rechtsverhältnisses zunächst und hauptsächlich zu entscheiden ist nach dem Rechtszustand der Person, welche in diesem Rechtsverhältniß steht, und daß selbst die
zahlreichen und wichtigen Abweichungen von diesem Grund
satz nur im Zusammenhang mit denselben und als Modifi-
cationen desselben richtig verstanden werden können (8 345).
Es wurde ferner gezeigt, daß der Rechtszustand der Person, nach der seit langer Zeit allgemein anerkannten Regel, durch
das Landgebiet
(nicht durch die
Abstammung) bestimmt
werde (§ 346—348).
Allein auch diese gewonnene Einsicht hat nur erst eine
formelle Bedeutung.
Denn es bleibt noch die Frage übrig:
40 Buck II! Herrschaft der Rechtsregel» Kap. I. Örtliche Graazen. Wodurch wird die einzelne Person mit ihrem RechtSzustand an das Land gebunden?
Welches ist also der Grund,
der
zwischen der Person und dem Territorialrecht den Zusammen
hang vermittelt?
Unsere nächste Aufgabe muß auf die'Be
antwortung dieser Frage gerichtet sein.
Hier treten uns nun zwei thatsächliche Verhältnisseals solche Vermittelungsgründe entgegen: Origo und domiciliuni,
Herkunft und Wohnsitz. derselben,
Wir haben uns die Bedeutung
den jnristischen Einfluß,
das Verhältniß beider
zu einander klar zu machen
Daran nun zweifelt Niemand,
daß uns sowohl diese
Ausdrücke, als die mit denselben bezeichneten Rechtsbegriffe, durch daS Römische Recht zugekommen sind: Alle, die davon
Anwendung machen, gehen auf die Quellen des Römischen Rechts zurück.
Wir müssen also vor Allem genau festzu
stellen suchen, was sich die Römischen Juristen unter jenen
Ausdrücken denken,
und welchen Einfluß sie den dadurch
bezeichneten Rechtsbegriffen beilegen.
Damit ist aber keineS-
wegeö gesagt, daß die Römische Auffassung derselben auch für ltns maaßgebend sein müsse.
Fortgang der Untersuchung zeigen,
Vielmehr wird sich im daß eben hierin unser
RechtSzustand die größten Abweichungen von dem Römischen
darbietet.
Es soll zunächst nur gegen die auf bloßen Miß
verständnissen beruhende Airwendung vermeintlicher Römischer
Kunstausdrücke
und Rechtsbegriffe ein sicherer Schutz ge
währt werden. Hierin nun hat es
mit einem der angeführten Aus-
§. 350.
Origo uud domicilium.
Einleitung
41
drücke, dem domicilium, wenig Gefahr, indem sich hierin
der Rechtszustand wesentlich nicht verändert hat, dabei also schon die tägliche Anwendung hinreicht,
fassung festzuhalten.
(Herkunft);
die richtige Auf
Anders verhält es sich mit der origo
und zwar auch hier nicht etwa deshalb, weil
die Aussprüche des Römischen Rechts über diesen Gegen
stand dunkel oder zweideutig wären,
sondern weil hierin
unser Rechtszustand von dem Römischen durchaus verschie
den ist, die Lebenserfahrung also nicht schon als Schutz gegen eine unrichtige Auffaffung der Begriffe dienen kann.
Da
nun der eben erwähnte Ausdruck an sich leicht dahin führt,
ihn von dem Geburtsort zu verstehen, so hat sich dieser letzte Begriff bei den neueren Rechtslehrern häufig Geltung
verschafft, auch bei denen, die daneben die wahre Bedeutung der origo aus den Quellen deS Römischen Rechts an geben (a).
Der bloße Geburtsort an sich aber ist ein höchst
zufälliger Umstand,
ohne allen juristischen Einfluß.
Bevor nun der wahre Sinn jener Kunstausdrücke fest gestellt werden kann, muß bemerklich gemacht werden, daß
die praktische Bedeutung derselben keineswegeö auf die Ent-
(a) Voet. ad Fand. V. 1. §.91. „Est autem originis locus, in quo quis nahes est, aut nasci debuit, licet forte re ipsa alibi natus esset, matre in peregrinatione parturiente “ Durch den Zusatz wird allerdings den nachtheiligen Folgen des fal schen Grundbegriffs entgegen ge
arbeitet; die folgenden Atlegate aber erwähnen, daß hierin die Meinungen schwankend seien. Eben so ist Glück B. 6 §511 schwan kend und verworren, indem mitten in die richtigen Angaben immer wieder der Geburtsort hinein spielt.
42 Buch 111. Herrschaft der Rechtsregel». Kap. I Örtliche Gränzen
als auf eine vereinzelte
scheivung unsrer Collisionsfrage, Folge,
eingeschränkt
diese Entscheidung
werden darf, selbst
sondern daß vielmehr
nur als einzelnes Stück eines
größereil Zusammenbanges aufgefaßt werden darf.
Jeder Einzelne nämlich ist in den Verhältnissen des öffentlichen Rechts
Verpflichtung
Ganzen,
dem
zu er
in einer denken.
zweifachen Abhängigkeit oder Erstlich
als Bürger
zu
dem Staate im
und Unterthan angehört.
Zweitens zu irgend einem engeren,
örtlichen Kreise (nach
Römischer Verfassung einer Stadtgemeinde), der ein organischeS Glied jenes größeren Ganzen bildet. keit von diesem
demselben,
engeren Kreise,
Die Abhängig
der Zusammenhang mit
erscheint in mannichfaltigen wichtigen Folgen;
nach Römischem Recht bald in der Verpflichtung zu städti-
schen Lasten (munera); tische Obrigkeiten;
bald in dem Gehorsam gegen städ
bald in dem städtischen positiven Recht,
welches als daö persönliche Recht dieses Einzelnen anzu sehen ist.
Der Gehorsam gegen die örtlichen Obrigkeiten zeigt sich
in dem Gerichtsstand, dem jeder Einzelne regelmäßig unter
worfen ist, dem formn ori^inis und forum domicilii.
Das örtliche positive Recht endlich, als daö persönliche
Recht jedes Einzelnen, war die Veranlassung, diesen Ge
genstand
schon an dieser Stelle vorläufig zur Sprache zu
bringen;
eö sollte namentlich schon im Eingang auf den
Zusammenhang zwischen dem Gerichtsstand und dem per-
§. 350.
Ongo und domicilium
Einleitung.
sönlichen Recht (formn und lex originis,
43
formn und lex
domicilii) aufmerksam gemacht werden (b).
soll
Nach dieser Vorbemerkung
nunmehr sowohl die
wabre Bedeutung von origo und domicilium im Römischen
Recht, als daS praktische Verhältniß dieser beiden Begriffe zu einander,
festgestellt werden.
damit also,
daß
Es verhält sich nämlich
für >eden Einzelnen durch
origo und
domicilium bestimmt wird: 1. Die Verpflichtung zur Tbeilnabme an städtischen Lasten
(inunera).
Der Gehorsam gegen die städtischen Obrigkeiten, ins
2
besondere der davon abhängende persönliche Gerichts
stand.
3.
Das auf ihn anwendbar« eigenthüniliche Recht einer
Stadt als Eigenschaft seiner Person. Und zwar werden diese Wirkungen hervorgebracht bald
von den beiden oben bezeichneten Verhältnissen (origo und domicilium) neben einander,
so daß sie an zwei verschie
denen Orten zugleich eintreten können, bald von einem der selben allein.
Alles Dieses soll nunmehr näher bestimmt
werden.
(b)
Es
gesunden
darf
werden,
mcht
anstößig
daß
hier von
und Bezeichnung ist erst im Fort gang
der
Untersuchung
möglich,
diesen Dingen m so allgemeinen,
und zwar sowohl für das Römi
abstracten Ausdrücken gesprochen wird. Die genauere Bestimmung
sche Recht, als für das heutige.
44 Buch 111 Herrschaft der RrchtSregel«. Kap. I Örtliche Gränzen.
§.
351.
D>e Römische Lehre von origo und domicihum.
1. Origo.
Gemeinsame Quellen für origo und domicilium.
Ilio. L. 1
(ad municipalem et de incolis), und L. 4. (de
muncribus et honoribus).
Cou. X. 38. (de municipibus et originariis), und X. 39
(de incolis.
et ubi quis domicilium habere videtur,
et de bis, qui studiorum causa in alia civitate degunt).
Zur Zeit der ausgebildeten Römischen Verfassung gegen daS Ende der Republik und in den ersten Jahrhunderten
der Kaiserregierung, war der Zustand der einzelnen Bestand
theile des Römischen Reichs folgender (a). Ganz Italien, außer der Stadt Rom, bestand aus einer großen Zahl von Stadtgemeinden, Cololiieen,
meinden
meist Municipien und
nebst einigen untergeordneten Klaffen von Ge Jede
derselben
hatte eine mehr
oder
weniger
selbstständige Verfassung, mit eigenen Obrigkeiten, mit Ge richtsbarkeit, und selbst mit besonderer Gesetzgebung (§347d.).
Der
ganze Boden von Italien also,
mit Ausnahme der
Stadt Rom und ihres besonderen Gebietes,
Gebieten dieser Städte enthalten,
war in den
und alle einzelne Ein-
(a) Vgl. Savlguy Geschichte de« Römischen Recht« im Mittel alter. B. 1. Kap. 2.
§. 351.
Origo und domicilium I. Origo.
45
wohner von Italien waren Angehörige entweder der Stadt
Rom, oder irgend einer dieser städtischen Gemeinden. Die Provinzen dagegen hatten ursprünglich sehr ver schiedene Verfassungen.
Indessen wurden sie allmälig immer
mehr der Städteverfassung von Italien angenähert,
wenn
gleich diese nicht so vollständig und eingreifend in ihnen
durchgeführt wurde.
Zur Zeit der
großen Juristen,
im
zweiten und dritten Jahrhundert unsrer Zeitrechnung, konnte
man den so eben für Italien aufgestellten Grundsatz fast
auf das
ganze Reich anwenden:
der Boden des Reichs
war fast ganz in bestimmten Stadtgebieten enthalten,
und
die Einwohner des Reichs waren nunmehr Angehörige ent
weder der Stadt Rom, oder irgend einer anderen städtischen Gemeinde (b).
Die Stadtgemeinden führen den civitates oder respublicae (c). heißt territorium,
gemeinsamen Namen
Das Gebiet
auch wohl regio (d).
jeder Stadt
Jedes städtische
Gebiet, und die demselben angehörende Gemeinde, umfaßte
(b) In wiefern fie auch beides zugleich seyn konnten, späterhin sogar sein mußten, wird weiter unten festgestellt werden. (c) S. o. B. 2 § 87. Auch municipes, als collectiver Aus druck, wird häufig gebraucht, um die Gemeinde selbst, als juristische Person, zu bezeichnen; der Aus druck steht dann für municipium, welches letzte aber gerade in dieser abstrakten Bedeutung (für Städte
jeder Art) nicht üblich lft (§ 352. f- g). • (d) Territorium. L. 239 § 8 de V. S. (50.16), L. 20 dejurisd (2.1), L. 20 de jud. (5. 1), L 53 C. de decur (10. 31). — Regio. Siculus Flaccus de condicionibus agrorum, gleich im Anfang der Schrift, p. 135 der Gromatici veteres ed Lach mann Berol. 1848.
46 Buch 111. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. örtliche Gränzen,
zugleich die in dessen Gränzen befindlichen viel (e), so wie die darin einzeln liegenden Höfe, in welchen zu allen Zeiten ein so großer Theil der Bevölkerung von Italien enthalten
Aus diesem Grunde eben läßt stch behaupten, daß
war.
saft der gesammte Boden des Reichs in einer großen Zahl von Stadtgebieten aufging.
Es ist nunmehr zu bestimmen, wie jeder Einzelne An
gehöriger einer Stadtgemeinde wird,
also zu ihr in ein
bestimmtes Verhältniß der Abhängigkeit tritt
schieht aus zweierlei Weise:
Dieses ge
erstlich durch das Bürger
recht der Gemeinde (origo), zweitens durch den Wohn
sitz in dem Stadtgebiet (domicilium). I
Bürgerrecht.
Das Bürgerrecht wird erworben durch folgende That
sachen:
Geburt,
Adoption,
Freilassung,
Auf
nahme (f).
1
Geburt (origo, nativitas) (Note f.).
Diese Entstehungsart ist völlig unabhängig von dem freien Willen Desjenigen, der dadurch der Stadt angehört.
Sie ist die regelmäßige und häufigste, und daher wird ganz gewöhnlich der Name derselben gebraucht,
(e) L. 30 ad mun. (50.1). In der älteren Zeit gab es auch vici, die eine eigene res publica hatten Festus v. vici. (f) L 1 pr ad man. (50.1). „Municipem aut nativitas facit.
aut munumissio, aut adoptio". L. 7 C. de incolis (10. 39) „Cives quidem origo, manumissio, allectio, vel adoptio, incolas vero . domicilium facit“
8- 351.
Origo und domicilium. I. Origo.
um das Bürgerverhältniß selbst,
47
das dadurch ent
steht, zu bezeichnen (g).
Es ist damit gemeint die Erzeugung in einer
rechtsgültigen Ehe, wenn der Vater selbst das Bür gerrecht hat (li).
Die Vaterstadt der Mutter ist
dabei in der Regel ohne Einfluß, jedoch hatten einige
Städte das besondere Privilegium,
daß auch das
Bürgerrecht der ihnen angehörenden Frauen auf die
ehelichen Kinder derselben übergehen
sollte (i). —
Uneheliche Kinder sollten durch origo das Bürger recht in der Vaterstadt der Mutter erwerben (k). 2. Adoption (Note s.). Dadurch wird das angeborne Bürgerrecht nicht auf gehoben, sondern der Adoptivsohn hat nunmehr ein
zweifaches Bürgerverhältniß, welches auch auf dessen
Kinder forterbt (I). — Die Emancipation des Adop
tivkindes aber zerstört jede Wirkung der Adoption, und so auch diese dem öffentlichen Rechte angehö rende Wirkung (in).
(g) L. 6 pr. § 1. 3. L. 9 ad mun. (50.1). L. 15 § 3 e.od. (jus originis). — Andere, aller dings genauer redende, Stellen nennen das Rechtsverhältntß (dessen Entstehung nur die origo ist, und zwar nicht immer) patria oder civitas. L. 27 pr. L. 30 eod. (h) L. 1 § 2. L. 6 § 1 ad mun. (50.1). L. 3 C. demunic. (10 38).
(i) L.l §2 admun. (50.1) ES ist nicht klar, ob nun das Kind nur ui der Vaterstadt der Mutter Bürger sein sollte, oder in beiden Städte». Das Letzte ist wohl a» sich wahrscheinlicher. (k) L.l § 2. L. 9 ad mun (50. 1). (l) L. 15 § 3. £.17 § 9 ad mun (50. 1). (m) L 16 ad mun. (50. 1).
48 Buch UI. Herrsch ast der Rechtsregeln. Kap. I. Örtlich« Gränzen. 3. Freilassung (Rote f). Der
freigelassene
Recht haben.
Sklave konnte kein
angebornes
Dagegen erwarb er durch die Frei
lassung das Bürgerrecht in der Vaterstadt des Pa
trons, welches dann wiederum auf seine Kinder forterbte.
Hatte der Patron ein mehrfaches Bürger
recht, oder wurde ein gemeinschaftlicher Sklave meh rerer Herren von diesen freigelassen, so konnte auch
durch die Freilassung
ein
mehrfaches Bürgenecht
entstehen (n). 4. Aufnahme (allectio) (o).
Darunter ist zu verstehen die freiwillige Gewährung
des Bürgerrecht- von Seiten der städtischen Behörde, an deren Zulässigkeit ohnehin nicht zu zweifeln sein
würde,
auch wenn
sie nicht ausdrücklich bezeugt
wäre.
(n) L. 6 $ 3. L. 7. L. 22 pr. L. 27 pr: L. 37 $ 1 ad mun. (50. 1), L. 3 § 8 de niun. (50. 4.), L. 2 C. de municfp. (10. 38). — Ueber den Tert und den Sinn der L. 22 pr ad mun. vgl. Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft B. 9 S. 91 — 98. — Der Erwerb des Stadt bürgerrechts durchFreilaffung konnte aber nur behauptet werden von einer vollgültigen Freilassung. Die dediticii wurden nicht Bürger in der Stadt ihres Patrons (§ 356),
und eben so Wohl auch die Latini Juniani. (o) L. 7 C. de incolis (10.39) „allectio vel adoptio“/ Daß in einigen Hss. vel fehlt, in an deren dafür atyue steht, hat keinen Einfluß auf den Sinn. Wichtiger ist die Variante: allectio id est adoptio, welche CujaciuS aus Hss. anführt, ohne sie zu billigen (in 111. libros, opp. II. 737). Dadurch würde die Aufnahme als eine besondere Erwerbungsart ganz beseitigt, welche zu bezweifeln jedoch gar kein Gnmd vorhanden ist.
§. 351.
Origo und domicilium.
I. Origo.
49
Aufgehoben wurde das Bürgerrecht mit seinen Folgen nicht durch den einseitigen Willen der Personen, die durch
irgend eine der hier angegebenen Thatsachen in dasselbe ein
getreten waren (p). — Durch rechtsgültige Ehe in einer
sremden Stadt trat die Ehefrau zwar nicht eigentlich aus dem angebornen Bürgerverhältniß aus; allein sie war, wäh
rend der Dauer der Ehe,
von den damit verbundenen per
sönlichen Lasten (nntnera) befreit (q). — Eine ähnliche Be freiung von persönlichen Lasten,
ohne gänzliche Zerstörung
des angebornen Bürgerrechts, galt
für den Stadtbürger,
der zur Würde eines Senators des Römischen Reichs er
hoben wurde, so wie für dessen Nachkommenschaft (r); des gleichen für jeden Soldaten, so lange sein Dienstverhältniß dauerte (s).
der
AuS den hier aufgestellten Regeln folgt
wichtige
Satz, daß nicht selten eine und dieselbe Person zu mehreren
Städten des Römischen Reichs gleichzeitig in einem wahren Bürgerverhältniß stehen konnte, also die Rechte einer jeden
dieser Städte vereinigte, und die Lasten einer jeden zu tra
gen hatte st).
So konnte zu dem angeborenmBürgerrecht
(p) £. 6 pr. ad mun. (50.1), £. 4. 5 C. de municip. (10. 38). — Eine Entlassung durch die Stadt behörde mußte ebenso gut eintreten können, als die Aufnahme durch dieselbe. (q) £. 37 § 2. £.38 §3 ad mun. (50. 1). £. 1 C. de muner.
(10. 62).
VIII.
(r) L.%3pr. £.22 $4.5 ad mun. (50. 1). (s) £.3 §1. muner. (50 4).
L. 4 83 de
(t) Dieser Satz scheint im Wi derspruch zu stehen mit Cicero pro Balbo Cap. II. „ Duarum civitatum civis esse nostro jure 4
50 Buch M. Herrschaft der Recht-regeln. Kap.!. örtliche Gränzen,
ein späteres durch Adoption oder Aufnahme taten, welche beide neben einander bestanden (Note 1).
Und eben so konnte
der stetgelassene Sklave gleich Anfangs in ein mehrfaches
Bürgerverhältniß durch
die Freilassung
gebracht
werden
(Note n). Auf der anderen Seite aber war es denkbar, daß Je
mand in keiner Stadt ein Bürgerverhältniß hatte, obgleich dieser Fall gewiß nicht häufig vorkam.
Er mußte eintre
ten, wenn ein Ausländer als Einwohner in das Römische
Reich ausgenommen wurde,
ohne durch Aufnahme Bürger
irgend einer einzelnen Stadt zu werden (Note o); eben so,
wenn der Bürger irgend einer Stadt aus dem städtischen
Verband derselben entlassen wurde (Note p),
ohne in eine
andere Bürgergemeinde ausgenommen zu werden;
endlich
auch bei den Freigelassenen der untersten Klasse,
welche
dedititiorum numero waren,
und keiner Gemeinde ange
hörten (u).
§. 352. Die Römische Lehre von I
Origo.
Die ursprüngliche
große
origo
und
domicilium.
(Fortsetzung.)
Verschiedenheit der Städte
verfassung in Italien und den Provinzen könnte leicht zu
civili nemo potest.“ dieser Stelle Städten
ist
außer
Allein in
die Rede
dem
von
Römischen
Staate, di« al« souveräne Staaten
neben sprechen
demselben
standen.
halb de« Römischen Reich«. (u)
Wir
von den Städten inner
Ulpian. XX §14.
50 Buch M. Herrschaft der Recht-regeln. Kap.!. örtliche Gränzen,
ein späteres durch Adoption oder Aufnahme taten, welche beide neben einander bestanden (Note 1).
Und eben so konnte
der stetgelassene Sklave gleich Anfangs in ein mehrfaches
Bürgerverhältniß durch
die Freilassung
gebracht
werden
(Note n). Auf der anderen Seite aber war es denkbar, daß Je
mand in keiner Stadt ein Bürgerverhältniß hatte, obgleich dieser Fall gewiß nicht häufig vorkam.
Er mußte eintre
ten, wenn ein Ausländer als Einwohner in das Römische
Reich ausgenommen wurde,
ohne durch Aufnahme Bürger
irgend einer einzelnen Stadt zu werden (Note o); eben so,
wenn der Bürger irgend einer Stadt aus dem städtischen
Verband derselben entlassen wurde (Note p),
ohne in eine
andere Bürgergemeinde ausgenommen zu werden;
endlich
auch bei den Freigelassenen der untersten Klasse,
welche
dedititiorum numero waren,
und keiner Gemeinde ange
hörten (u).
§. 352. Die Römische Lehre von I
Origo.
Die ursprüngliche
große
origo
und
domicilium.
(Fortsetzung.)
Verschiedenheit der Städte
verfassung in Italien und den Provinzen könnte leicht zu
civili nemo potest.“ dieser Stelle Städten
ist
außer
Allein in
die Rede
dem
von
Römischen
Staate, di« al« souveräne Staaten
neben sprechen
demselben
standen.
halb de« Römischen Reich«. (u)
Wir
von den Städten inner
Ulpian. XX §14.
$. 352.
I. Origo. (Forts)
Origo und domicilium.
51
der Annahme verleiten, daß die hier vorgrtragenen Regeln
über die Stadtgebiete und das Stadtbürgerrecht nur in
Italien, nicht in den Provinzen,
Geltung gehabt hätten.
In der That aber war hierin fast gar kein Unterschied.
Die Stadtgebiete (territoria) waren in fast allen Pro vinzen (a) eben so abgegränzt,
wie in Italien.
Diese
Gränzen, so wie der Einfluß derselben auf die Verpflich tung zu städtischen Lasten, namentlich in den zu den Städtm
gehörenden Dörfern,
gaben auch
selten Anlaß zu Prozessen.
in den Provinzen nicht
Nur darin wird ein Unterschied
bemerkt, daß in manchen Provinzen, namentlich in Afrika,
die Stadtgebiete nicht den ganzen Boden des Landes er
schöpfen, indem hier im Besitz mancher Privatpersonen, auch des Kaisers, sehr ausgedehnte, zur Weide benutzte, Land
strecken (saltus) waren, die ganz für sich bestanden, und zu keinem Stadtgebiete gehörten (b).
Die oben vorgetragene Lehre von dem Stadtbürgerrecht, welches durch Geburt, Freilassung u. s. w. entstand, wird
von den alten Juristen in Anwendung auf Provinzialstädte,
(a) Es muß nämlich Aegypten ausgenommen werden, welches in jeder Hinsicht eine durch große Be schränkungen ausgezeichnete Ver fassung hatte. So war daselbst kein Proconsul oder Proprätor, sondern nur ein praefectus Au gustalis von geringerem Rang. (Dio Cass. 51. 17, 53. 13, Tacitus hist. 1.11, Digest. 1.17).
Eben so aber gab es daselbst nur Districte (Nomen), keine Stadt gemeinden, und nur in Alexandrien sand sich ein Bürgerrecht (Plinius epist. X. 5. 22. 23). (b) Agennius ühbicus de controversiis agrorum p. 84.85 der Gromatici veteres ed. Lach mann Berol. 1848.
52 Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen, ganz ohne Unterschied von den Italienischen Städten, vor Eben so auch die Anwendung dieses Rechts
getragen (c).
auf die städtischen Lasten, so wie auf die einzelnen Befrei
ungen von diesen Lasten (vacatio und immunitas) (d). So vielfachen und unzweideutigen Zeugnissen gegen
über würde mit Unrecht
eine Stelle des Ulpian
gel
tend gemacht werden, zum Beweise, daß in den Provinzen überhaupt kein jus originis, sondern nur allein das domi-
cilium, beachtet worden wäre (e).
Hieran schließt sich folgende, zum Verständniß unserer
Rechtsquellen nicht unwichtige, Bemerkung über den Sprach gebrauch,
welche die Bedeutung der Ausdrücke municipium
und municeps
zum Gegenstand
hat. —
Die ursprüng
liche Bedeutung dieser Ausdrücke ist nicht blos in neueren
L. 37 pr. ad
lich nur von einer ganz einzelnen
mun. (50.1) (Ilium, Delphi, PontuS). L. 2 C. de municip.
Anwendung verstanden werden sollte,
(c)
L. 1 § 2.
(10. 38) (Aquitanische Städte). L. 7 § 10 de interd. et releg. (48. 22). (d) L. 8 pr
vacat.(50. 5),
die nur jetzt nicht mit Sicherheit zu ermitteln ist. Vgl. über diese
Stelle:
Gundlingiana
N. 2 S. 34—43
L. 10 § 1 de L. 5 §
1 de j
immunitatis (50. 6). (e) L. 190 de V. S. (50.16) „Provinciales eos accipere de
St. 31
Conradi par-
erga p. 488—506. Hollweg Versuche- S. 6. — Bei dem Ehe verbot
den
zwischen
Römischen
Provinzialbeamten und den Pro
bemus, qui in provincia domi-
vinzialinnen heißt es in L. 38 pr de ritu nupt. (23. 2) gerade um
cilium haben!, non eos, qui in provincia oriundi sunt“ Diese
ibi domicilium habendem uxo-
gekehrt:
„ inde
oriundam,
vel
Stelle, wie so viele andere desselben
rem ducere non polest", wobei
Titels, hat nur in den Digesten
es
einen falschen Schein von Allge
Manche
meinheit, anstatt daß sie ursprüng
erklären wollen.
ganz
willkürlich das vel
wenn
ist,
durch
id
est
§. 352.
Origo und domicilium.
I. Origo. (Forts.)
53
Zeiten bestritten und zweifelhaft, sie war eS auch schon bei Die Zweifel sind dabei theils .sprach
den Römern selbst.
licher, theils sachlicher, also geschichtlicher Art (f).
Wir
können aber für unsern Zweck diese schwierige Untersuchung
auf sich beruhen lassen, da sich späterhin der Sprachgebrauch
in folgender Weise unzweifelhaft festgestellt hat.
—
Seit
ver Lex Julia über das allgemeine Bürgerrecht von Italien die regelmäßige Bezeichnung der Einen
war municipium
Hauptklasse Italischer Städte, der Städte nämlich, die nicht
von Rom
aus
als Gemeinden
zuerst begründet worden
im Gegensatz der anderen Hauptklasse,
waren,
niae (g).
der colo-
Der Name municipium, der allerdings auch in
den Provinzen nicht selten ist,
wurde aber auf die Pro
vinzen keinesweges allgemein übertragen, zu der Zeit, als
die Civität dem ganzen Reiche, also allen Städten, mitge theilt wurde.
Sollte nun eine Stadtgemeinde überhaupt
bezeichnet werden,
ohne Unterschied zwischen Munieipien
und Colonieen, zwischen Italien wurden dafür regelmäßig
und den Provinzen, so
die Ausdrücke
respublica und
civitas gebraucht. — Municeps aber erscheint bei den alten
Dgl. besonders Nieb'uhr
palis (tabulajHeracleensis ) ist
Rönnsche Geschichte B. 2 S. 56 —
die regelmäßige, stets wiederkehrende,
Außer
dem rft zu benutzen ein Programm
Aufzahlung der Stadtgemeinden in Italien folgende: municipium,
von Rudorfs, welche- als Vor
colonia, praefectura,
(f)
88. der dritten.Ausgabe.
Forum,
LectionS-
conciliabulum ( Haubold mo-
Katalogl der Berliner Universität,
numenta legalia N. XVI); fast
Wintersemester 1848, abgedruckt ist.
eben so in der Ler Rubria (und.
rede
(g)
zum
lateinischen
In der Ler Julia munici-
N. XXI).
54
Buch 111. Herrschaft bet Recht-regetu. Kap. I. Örtliche Gränzen
Juristen als die gemeinsame Bezeichnung eines jeden StadtbürgerS, ohne Rücksicht auf die eben erwähnten Unterschiede,
also eben so allgemein, wie die für das Ganze gebrauchten Ausdrücke respublica und civitas
(h).
Für diese ver
schiedenartige Ausdehnung beider an sich verwandter Aus drücke läßt sich auch
ein befriedigender Grund angeben.
Wollte man etwa nur die Stadtbürger in den eigentlichen Municipien municipes nennen, so wäre für die Stadtbür
ger überhaupt kaum ein anderer Name übrig geblieben, als civis (i), analog mit civitas, worunter wirklich jede Stadt-
(h) L. 1 $ 1 ad mun. (50. 1) „Et proprie quidem municipes appellantur muneris participes, recepti in civitatem, ut munera nobiscum facerent; sed nunc abusive municipes dicimus suae cujusque civitatis cives, utputa Campanos, Puteolanos. (Im § 2 wird derselbe Sprachgebrauch angewendet auf Jlium und Delphi). Eben so in L. 23 pr. eod. — Das abusive hat hier eine doppelte Bedeutung. Erstlich (wovon Ulpian zunächst spricht) im Gegen satz der oben im Tert erwähnten ursprünglichen, alterthnmlichen Be deutung, die in den vorhergehenden Worten des Ulpian angedeutet ist. Zweitens aber auch in der anderen Bedeutung, daß Municeps nicht blos auf Municipien angewendet wurde, sondern auch auf Colonieen und Provinzialstädte. Diese letzten kommen im §2 vor; Puteoli aber war seit Nero durchaus Colonie.
Tacitus ann. XIV 27. — Zn der ersten Beziehung findet sich der abusive Sprachgebrauch (muni ceps für civis überhaupt) schon bei Cicero ad kam. XIII. 11 „meos municipesArpinates“ pro Cluentio 16 „municipum suorum dissimillimus“ und de legibus II. 2. Sehr genau unterscheidet noch die Ler Julia municipaliS lin. 145 (Haubold pag 129) municipes, coloni und qui ejus praefecturae erant (vgl. lin 159 —163). Und dennoch mag gerade dieses Gesetz die spätere allgemeine Bedeutung deS Aus drucks municipes vorzugsweise be fördert haben, da dasselbe die Ztalischen Stadtbürger aller Klaffen gemeinschaftlich umfaßte, und zu gleich den Namen Lex Julia municipalis führte (i) So kommt dieser Ausdruck in der That vor in L. 7 C. de incolis (10. 39).
§. 352.
Origo und domicilium.
I Origo. (Forts.)
gemeinde ohne Unterschied verstanden wurde.
55
Allein der
Ausdruck civis war hier weniger brauchbar, weil er in der
Klassifikation der cives, latini, peregrini, eine für die alten
Juristen allzu wichtige und unentbehrliche Stellung hatte, um noch für einen andern Zweck verwendet
zu werden,
welches zu mancher Zweideutigkeit geführt haben würde.
So ist also municeps der allgemeine Ausdruck gewor den,
für jeden Inhaber irgend eines
Stadtbürgerrechts
außer Rom, also für alle diejenigen Personen, deren gemein
same Angehörigkeit an eine Stadtgemeinde außerdem sehr gewöhnlich mit origo oder auch patria bezeichnet wird.
Eine sehr eigenthümliche Ausdehnung erhielt die aus
das Bürgerrecht gegründete Angehörigkeit an eine Stadtge meinde, seitdem die Römische Civität durch die Ler Julia an ganz Italien, durch eine Verordnung von Caracalla
auch an alle Provinzen,
gegeben worden war.
die Römische Civität, ihrem Urbegriff nach,
Denn da
das Bürger
recht der Stadt Rom war, so hatten nunmehr fast alle
Stadtbürger in Italien und in den Provinzen, die ohnehin schon ein mehrfaches Bürgerrecht zufällig haben konnten (§ 351), mindestens ein zweifaches Bürgerrecht: das ihrer
eigenen Stadt, und das der Stadt Rom.
Diese doppelte
patria wird dann auch in ganz verschiedenen Zeiten aus-
56 Buch ni. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. Örtliche Gränzen, drücklich anerkannt (k).
—
Indessen war dieses Verhält
niß von minderer Wichtigkeit, als man ihm auf den ersten
Blick zuschreiben
möchte.
Bei dem Stadtbürgerrecht von
Rom kamen die in andern Städten wichtigen städtischen
Lasten und Verpflichtungen (munera) wenig in Betracht, da
für diese Zwecke in Rom meist auf andere Weise gesorgt
war. — Der auf das Stadtbürgerrecht
gegründete Ge
richtsstand (forum originis) vor den Gerichten der Stadt
Rom war allerdings auch für die Bürger anderer Städte vorhanden, jedoch nur unter großen Einschränkungen.
Er
galt nur, wenn diese Bürger sich zufällig in Rom aufhiel
ten, und auch dann nur unter dem Vorbehalt zahlreicher
Ausnahmen, die unter dem gemeinsamen Namen des jus revocandi^domum begriffen werden (1).
—
Was endlich
die Anwendung deS örtlichen Rechts der Stadt Rom auf
die Personen der Bürger anderer Städte betrifft (also das eigentliche Ziel unsrer ganzen gegenwärtigen Untersuchung), so kann davon erst weiter unten (§ 357) in einem größeren
Zusammenhang geredet werden.
ES würde jedoch unrichtig sein,
der hier erwähnten
neuen Combination den Sinn beizulegen,
(k) Cicero de legibus 11.2 „omnibus municipibus duas esse censeo patrias, unam naturae, alteram civitatis . habuit alteram loci patriam, alteram juris.“ — L.33 admun. (50.1) (Modestinus) • „ Roma communis nostra patria est“.
als ob nun in
Cicero spricht nur von Stadt bürgern au» Italien (municipes), Modestin spricht ganz allgemein, (nostra); jeder nach dem Recht« seiner Zeit. (1) L. 28 § 4 ex'quib. caus. (4. 6), L. 2 § 3—6 de jud. (5. 1), L. 24—28 end.
§ 352.
57
I. Origo. (Forts.)
Origo und domicilium.
der That alle freie Einwohner jbeö Römischen Reichs min destens das Stadtbürgerrecht von Rom (als cives Romani)
Denn es gab auch
hätten haben müssen
nach der Ver
ordnung des K. Caracalla über die Civität noch immer eine nicht geringe Zabl von Personen, die tn niedere Klas sen neu eintraten, und durch welche also diese Klassen stets
erhalten wurden:
theils indem durch unvollständige Frei
lassung neue Latini und peregrini entstanden (in), theils
von
durch Einwanderung
Ausländern
in
das Römische
Reich, welchen nicht gerade auch die Civität neben ihrer Aufnahme alö Unterthanen ertheilt wurde.
So bleibt also für alle Zeiten der oben (§ 351) aus
gestellte Satz wahr,
daß
freie
Einwohner des Römischen
Reichs ohne alles Bürgerverhältniß zu irgend einer Stadt
sein
konnten,
wenngleich
freilich
die Anwendung
dieses
Satzes im Lause der Zeit seltener und unbedeutender wurde.
§ 353. Die Römische
Lehre II.
von origo
und domicilium.
Domicilium.
Quellen (s. o. § 350).
Schriftsteller:
Lauterbach de domicilio 1663 (Diss. Vol. 2. N. 72.).
(m) Erst Justinian hob diese unvollständigen Freilassungen auf (Cod. VII. 5. 6), deren Wirkungen also bis auf ihn fortgedauert hatten,
und zwar sowohl in den auf solche Weise freigelassenen Sklaven selbst, als in den Nachkommen derselben,
§ 352.
57
I. Origo. (Forts.)
Origo und domicilium.
der That alle freie Einwohner jbeö Römischen Reichs min destens das Stadtbürgerrecht von Rom (als cives Romani)
Denn es gab auch
hätten haben müssen
nach der Ver
ordnung des K. Caracalla über die Civität noch immer eine nicht geringe Zabl von Personen, die tn niedere Klas sen neu eintraten, und durch welche also diese Klassen stets
erhalten wurden:
theils indem durch unvollständige Frei
lassung neue Latini und peregrini entstanden (in), theils
von
durch Einwanderung
Ausländern
in
das Römische
Reich, welchen nicht gerade auch die Civität neben ihrer Aufnahme alö Unterthanen ertheilt wurde.
So bleibt also für alle Zeiten der oben (§ 351) aus
gestellte Satz wahr,
daß
freie
Einwohner des Römischen
Reichs ohne alles Bürgerverhältniß zu irgend einer Stadt
sein
konnten,
wenngleich
freilich
die Anwendung
dieses
Satzes im Lause der Zeit seltener und unbedeutender wurde.
§ 353. Die Römische
Lehre II.
von origo
und domicilium.
Domicilium.
Quellen (s. o. § 350).
Schriftsteller:
Lauterbach de domicilio 1663 (Diss. Vol. 2. N. 72.).
(m) Erst Justinian hob diese unvollständigen Freilassungen auf (Cod. VII. 5. 6), deren Wirkungen also bis auf ihn fortgedauert hatten,
und zwar sowohl in den auf solche Weise freigelassenen Sklaven selbst, als in den Nachkommen derselben,
58 Buch UI. Herrschaft der Mcht-ttgeln. Kap. I örtlich« Gränzen Thomasius de vagabundo (Diss. Vol. 1. N. 3.). Glück B. 6. § 512—515.
Kierulff B. 1. S. 122 — 128.
Der zweite Grund, wodurch der Einzelne Angehöriger
einer Stadtgemeinde werden konnte,
war, der
Wohnsitz
(domicilium) (a). Als Wohnsitz eines Menschen ist derjenige Ort zu be
trachten, welchen derselbe zum bleibenden Aufenthalt, und dadurch zugleich zum Mittelpunkt seiner Rechtsverhältnisse und Geschäfte frei gewählt hat (b). — Der bleibende Aufenthalt schließt aber weder eine vorübergehende Abwe-
(a) Wohnsitz halte ich für bezeichnender und darum besser als Wohnort;
eine verschiedene
Bedeutung beider Ausdrücke aber (Liude § 88 Note 1) kann ich
nicht einräumen.
Die Verschieden
heit vom bloßen Aufenthalt wird sogleich
erwähnt
und
näher be
stimmt werden. — Die Lehre vom domicilium wird hier, eben so wie die von der origo, allerdings
zunächst in ihrem Zusammenhang nut dem R. R
Da
feftgestellt.
sich aber unten zeigen wird, daß im heutigen Recht das domicilium in
den
Hauptpunkten
dieselbe
Stellung wie im R. R. einnimmt, so
schien
es
zweckmäßig,
dabei
gleich hier auch den heutigen Rechts zustand jmt zu berücksichtigen.
(b) L. 7 C. de incolis (10. 39) (s. o. § 350. f) ,, , lncolas vero domicilium facit Et iu eo loco singulos habere domicilium non ambigitur, ubi quis larem rcrumque ac fortunarum suarum summam constituit, linde rursus non sit discessurus, si nihil avocet, unde quum profectus est, peregrinari videtur, quo si rediit, peregrinari jam destitit.“ — L. 203 de V. S. (50. 16) „ . Sed de ea re constitutum esse, eam domum unicuique nostrum debere existimari, ubi quisque sedes et tabulas haberet, suarumque rerum constitutionem fecisset“.
§. 353.
Origo und domicilium.
II. Domicihum.
59
senheit aus, noch eine künftige Abänderung, deren Vorbe
halt vielmehr von selbst verstanden wird; es ist damit nur ^gemeint,
daß nicht schon jetzt die Absicht auf vorüberge
hende Dauer vorhanden sein darf.
DaS domicilium, wie die origo,
begründete die Ange
hörigkeit an eine bestimmte Stadtgemeinde,
bezog sich also
stets auf ein bestimmtes Stadtgebiet (c), und umfaßte da her nicht nur die Bewohner der eigentlichen Stadt selbst, sondern auch die Bewohner der zu diesem Gebiete gehören
den Dörfer und einzelnen Höfe (coloniae) (d). Für die Personen, einer Stadtgemeine
die auf diesem Wege Angehörige
geworden waren,
ist die regelmäßige
Bezeichnung: Incola (e). — Die zwei verschiedene Gründe aber,
wodurch eine solche Angehörigkeit begründet werden
konnte «Bürgerrecht und Wohnsitz), werden durch folgende gegensätzliche Ausdrücke unterschieden:
(c) L. 3. 5. 6 C de incolis (10. 39). (d) L 239 §2 de FS. (50.16) ,, Nec tantem hi, qui in oppido morantur, incolae sunt, sed etiam qui alicujus oppidi finibus ila agrum hab ent, ut in eum so, quasi in aliquant sedem, recipiant.“ Scheinbar wider sprechen L 21 § 1 L.3$admun. (50. 1), welche dem Bewohnereiner colonia nur dann das do micilium der Stadt zuschreiben wollen, wenn er durch überwie genden Aufenthalt in der Stadt auch die Vortheile und Annehm
lichkeiten derselben genieße. Diese Einschränkung beruht aber ohne Zweifel nur auf einem ungenauen Ausdruck, und geht eigentlich nicht auf das domicilium an sich, sondern nur auf eine einzelne Wirkung desselben, die Theilnahme an gewissen Arten von städtischen Lasten. Denn daß die Bewohner der coloniae ihren Gerichtsstand vor den städtischen Obrigkeiten hatten (Forum domicilii), wurde gewiß von Niemand bezweifelt. Vgl. unten § 355. m. (e) L. 5. 20 ad mun. (50.1), L. 239 §2 de V. S. (50.16)
60 Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln, Kap. I. Örtliche Gränzen.
Municipes und incolae (f). Origo und domicilium (g). Jus originis und jus incolatus (h).
Patria und domus (i). Aus dem so eben bestimmten Begriff des Wohnsitzes
ergiebt sich die wesentliche
Verschiedenheit desselben vom
bloßen Aufenthalt,
so wie vom Grundbesitz. — Der Auf
enthalt,
nicht
welcher
wärtigen Absicht, sein soll,
verbunden
ist
daß er ein bleibender,
mit
der
gegen
immerwährender
begründet nicht den Wohnsitz, selbst dann nicht,
wenn er zufällig längere Zeit dauert, also nicht blos schnell
vorübergehend ist.
Dahin gehört z. B. der Aufenthalt der
Studierenden an einer Bildungöanstalt; mindestens zehen Jahre dauerte,
erst wenn dieser
sollte derselbe nach einer
Verordnung von Hadrian als bleibend, folglich als Wohn
sitz angesehen werden (k). — Der Grundbesitz aber,
den
Jemand in einem Stadtgebiet hat, ist zum Wohnsitz nicht
(Note d), £. 7 C. de incolis (10. 39) (Note b).
releg. (48.22), £. 6 §3 £. 22 § 2 ad mun. (50.1).
(f) £.6 §5 demun. (50.4). Ueber den Ausdruck municipes s. o § 352 g., über incolae Note e. — Ungenau ist der Ausdruck des Paulus in £. 22 §2 ad mun. (50.1), der auch bloße Einwohner municipes nennt (anstatt incolae), und damit nur sagen will, daß auch sie die städtischen munera zu tragen haben. (g) £. 7 § 10 de interd. et
(h) £.15 §3 admun. (50.1), £ 5 C. de incolis (10. 39)
(i)
£ 203 de V S. (50. 16).
(k) £.5 §.5 de injur. (47.10), £. 2. 3 C. de incolis (10. 39). Allerdings sind tue zehen Jahre nur eine Präsumtion der auf immer währenden Aufenthalt gerichteten Absicht. Lauterbach de domicilio $ 27.
§. 353. erforderlich,
Origo und domicilium.
für sich
II. Domicilium.
allein aber dazu auch
61
ruckt hinrei
chend (1).
Die Begründung des Wohnsitzes mit seinen rechtli chen Wirkungen geschieht durch den freien Willen und die
mit demselben übereinstimmende That, also nicht durch bloße Willenserklärung ohne That (m). — Der Wille aber wird
dabei so sehr als frei gedacht, daß diese Freiheit nicht ein mal soll beschränkt
Bestimmungen,
werden
dürfen durch
privatrechtliche
z. B. durch die einem Legat hinzugefügte
Bedingung eines bestimmten Aufenthalts, welche Bedingung tu der Regel als nicht geschrieben anzusehen ist (n).
Dagegen kann durch das auf mancherlei Staatsdiener,
öffentliche Recht diese Freiheit
Weise beschränkt werden.
z. B
—
jeder Soldat,
einen
So hat jeder nothwendigen
Wohnsitz am Orte des Dienstes (o); der Verbannte am Orte der Verbannung (p).
Umgekehrt kann durch Strafe
ein bestimmter Aufenthalt untersagt werden (q).
(1) L. 17 § 13. £.22 § 7 ad mun. (50. 1), L. 4 C. de incolis (10.39). — Manche Städte hatten das Privilegium, daß der bloße Grundbesitz, ohneWohnsitz, zur Uebernahme persönlicher munera verpflichten sollte L. 17 § 5 ad mun. (50. 1). (in) L. 20 ad mun (50. 1) ,.Domicilium re et facto trans fertur, non nuda contestatione; sicut in his exigitur, qui negant se posse ad munera, ut incolas, vocari“.
(n) L. 31 ad mun. (50. 1), L. 71 § 2 de cond. (35.1). S. o. B 3 S. 184. (o) L. 23 § 1 ad mun. (50.1). (p) L. 22 § 3 admun. (50.1). (q) L. 31 ad mun. (50.1), L. 7 § 10 de interd. et releg. (48.22). — Wenn in L. 27 § 3 ad mun. (50. 1) gesagt wird, daß der Relegirte seinen vorigen Wohn sitz behalte, so hat das wohl den Sinn, daß er durch die Strafe nicht frei werden soll von der Theil nahme an den bisherigen Lasten.
62 Buch III Herrschaft der Necht-regeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Außerdem aber konnte in folgenden Fällen der Wohnsitz begründet werden durch
die Beziehung,
in welcher
eine
Person zu einer anderen Person und deren Wohnsitz stand,
welches man einen relativen Wohnsitz nennen könnte: 1. Ehefrauen haben
ihren
Wohnsitz
allgemein und
nothwendig gemeinschaftlich mit dem des Eheman
nes (r)
Dieser Wohnsitz dauert fort auch für die
Wittwe, so lange sie nicht eine neue Ehe eingeht,
oder auf andere Weise ihren Wohnsitz willkürlich ändert (s).
2
Eheliche Kinder
haben von ihrer Geburt an un
zweifelhaft denselben Wohnsitz wie der Vater
Sie
können aber späterhin einen anderen Wohnsitz frei
erwählen, wodurch Jener ursprüngliche aufhört (t) Bei unehelichen Kindern muß eben so behauptet werden, daß der Wohnsitz der Mutter als Wohnsitz
dieser Kinder zu betrachten ist.
3. Auf ähnliche Weise verhielt es sich mit den Frei
gelassenen.
Ihr Wohnsitz war ursprünglich der deS
(r) L. 5 de ritu nupt. (23.2), L. 65 de jud. (5.1), L. 38 § 3 ad man. (50. 1), L. 9 C. de incolis (10. 38), L. 13 C de dignit. (12. 1). Dieser Wohnsitz heißt daS domicilium matrimonii Eine ungültige Ehe begründet ihn nicht, eben so der bloße Brautstand. L. 37 § 2, L. 32 ad mun. (50.1).
(s)
L. 22 § 1 ad mun. (50.1). (t) L. 3. L. 4. L.G§1 L. 17 §.11 ad mun. (50.1). — Eben so folgen sic unzweifelhaft dem Vater, wenn dleser nach ihrer Ge burt einen neuen Wohnsitz be gründet, so lange als sie selbst noch zu seinem Hausstande gehören.
§ 353.
Origo und domicilium. II. Domicilium.
63
Patrons (u); sie konnten ihn aber später frei ver
ändern (v).
4. Eben Dasselbe gilt nach unfern heutigen Verhält nissen von den Dienstboten (w); imgleichen von den
auf einem bestimmten Landgute bleibend arbeiten den Tagelöhnern, und von den bei einem bestimm ten Handwerksmeister arbeitenden Gesellen. Die Aufhebung eines bisher vorhandenen Wohnsitzes
erfolgt, eben so wie die Begründung, durch die freie Will
Gewöhnlich, wenngleich
kür des bisherigen Einwohners
nicht allgemein und nothwendig, wird diese Aushebung zu sammen fallen mit der Begründung eines neuen Wohn
sitzes, und daher wird in unsern Rechtsquellen die Aufhe bung als Uebertragung bezeichnet (x).
§. 354. Die Römische Lehre von origo und domicilium.
II
Domicilium.
(Fortsetzung.)
Der Wohnsitz, als selbständiger Grund der Angehörig keit an eine bestimmte Stadtgemeinde, kann auch gleichzeitig in Beziehung auf mehrere Städte vorhanden sein,
(u) L. 6 § 3. L 22 pr. ad mun (50. 1). Ueber diese letzte Stelle ist zu vergleichen die schon oben § 351 n. angeführte Ab handlung. (v) L. 22 § 2. L. 21 pr L. 37 § 1 ad mun. (50.1).
wenn
(w) Vgl. die Preußische Allg. Gerichtsordnung 1. 2 § 13. (x) L. 20 ad mun. (s. o. Note m.), L. 1 C. de incolis (10.39). Diese Veränderlichkeit wird bezeichnet durch den Ausdruck domicilii ratio temporaria. L. 17 § 11 ad mun. (50.1).
§ 353.
Origo und domicilium. II. Domicilium.
63
Patrons (u); sie konnten ihn aber später frei ver
ändern (v).
4. Eben Dasselbe gilt nach unfern heutigen Verhält nissen von den Dienstboten (w); imgleichen von den
auf einem bestimmten Landgute bleibend arbeiten den Tagelöhnern, und von den bei einem bestimm ten Handwerksmeister arbeitenden Gesellen. Die Aufhebung eines bisher vorhandenen Wohnsitzes
erfolgt, eben so wie die Begründung, durch die freie Will
Gewöhnlich, wenngleich
kür des bisherigen Einwohners
nicht allgemein und nothwendig, wird diese Aushebung zu sammen fallen mit der Begründung eines neuen Wohn
sitzes, und daher wird in unsern Rechtsquellen die Aufhe bung als Uebertragung bezeichnet (x).
§. 354. Die Römische Lehre von origo und domicilium.
II
Domicilium.
(Fortsetzung.)
Der Wohnsitz, als selbständiger Grund der Angehörig keit an eine bestimmte Stadtgemeinde, kann auch gleichzeitig in Beziehung auf mehrere Städte vorhanden sein,
(u) L. 6 § 3. L 22 pr. ad mun (50. 1). Ueber diese letzte Stelle ist zu vergleichen die schon oben § 351 n. angeführte Ab handlung. (v) L. 22 § 2. L. 21 pr L. 37 § 1 ad mun. (50.1).
wenn
(w) Vgl. die Preußische Allg. Gerichtsordnung 1. 2 § 13. (x) L. 20 ad mun. (s. o. Note m.), L. 1 C. de incolis (10.39). Diese Veränderlichkeit wird bezeichnet durch den Ausdruck domicilii ratio temporaria. L. 17 § 11 ad mun. (50.1).
64 Buch III. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. örtliche Gränzen.
Jemand mehrere Orte gleichmäßig als Hauptpunkte seiner Verhältnisse und Geschäfte behandelt,
nach
Bedürfniß,
seinen
wirklichen
und unter sie, Aufenthalt
je
vertheilt.
Manche unter den Römischen Juristen bezweifelten diese Möglichkeit, zuletzt aber wurde sie dennoch anerkannt,
ob
gleich dabei nicht verkannt wurde, daß ein solcher Fall nur
selten als vorhanden anzunehmen sein werde (a). Umgekehrt kann Jemand ganz
ohne Wohnsitz sein in
dem oben bestimmten Sinn des Wortes, wiewohl auch die
ser Fall zu den seltneren gehören wird (b).
Er ist na
mentlich anzunehmen unter folgenden, an sich sehr verschie
denen, Voraussetzungen:
1. Wenn ein bisheriger Wohnsitz ausgegeben ist, und ein neuer erst ausgesucht wird, so lange bis dieser
gewählt und wirklich begründet sein wird (c)
Die
ser Fall ist wenig wichtig wegen der meist beschränk ten Dauer einer solchen Zwischenzeit.
2. Wenn Jemand eine lange Zeit hindurch das Reisen zu seinem Lebensberuf macht, ohne daneben eine Hei-
math als bleibenden Mittelpunkt seiner Geschäfte, in welchen er regelmäßig zurückzukehren Pflegt,
(a)
L. 5,
L. 6 § 2, L. 27
§ 2 ad mun. (50.1),
C. 2 pr.
de tepult. in VI. (3. 12).
Arbeit
wechselnden
Tagelöhner» sellen,
oder
zu
Dienstboten,
Handwerksge
wenn nämlich ein solcher
(b)
L. 27 § 2 admun. (50.1).
Wechsel zugleich mit
(c)
L. 27 § 2 admun. (50.1).
änderung de» Ausenthalt-ort» ver
— Dahin gehört sehr häufig der
Fall eine«,
dm Dienst »der die
einer Ver
bunden ist (§ 353 Num. 4).
65
§. 354. Origo u. domicilium. II. Domicilium. (Forts.)
behandeln.
Auch dieser Fall ist wenig wichtig, weil
er nur selten vorkommt. 3. Bei Landstreichern
oder
Vagabunden,
ohne
die
einen festen Lebenslauf in unbestimmter Weise um her ziehen, den Unterhalt des Lebens meist in ab-
wechselitder und für die öffentliche Wohlfahrt und
Diese Klasse
Sicherheit bedenklicher Weise suchend.
zahlreich
ist
und gehört
und wichtig,
unter die
großen Uebel unsrer Zeit (d). Der oben aufgestellte Begriff des Wohnsitzes (§ 353)
bliebt sich auf die Lebensverhältnisse des natürlichen Men schen
ist also, seiner Natur nach, nicht anwendbar auf ju
ristische Personen (e)
Dennoch kann auch bei diesen das
Bedürfniß vorkommen, etwas, dem Wohnsitz der natürlichen
Personen Entsprechendes oder Aehnliches, gleichsam einen
künstlichen Wohusitz, anzunehmen, vorzüglich wohl um den (d)
Es ist auffallend, daß von
dieser Klasse ui den Quellen des
letaner), bei den Romern in dem Sklavenftand enthalten waren. —
Römischen Rechts eigentlich nicht
Thomasius de vagabundo § 79.
Selbst die öfter er
91. 112 nennt vagabundus Jeden,
Die Rede ist.
wähnten fluchtigen Sklaven (er rones, fugitivi
(50. 16)
L. 225 de V S.
können dahin nicht ge
rechnet werden, da diese im juri stischen Sinn einen feftenfWohnsitz
haben,
Herren.
nämlich
Der
den
ihrer
Erklärungsgrund
jener auffallenden Erscheinung liegt nun
eben in dem Umstand, daß
die Personen,
welche bei uns als
Vagabunden erscheinen
(eben so,
wie der größte Theil unserer Pro-
der
kein
domicilium hat,
und
unterscheidet ihn von dem verächt lichen Landstreicher,
ganz
gegen
den herrschenden Sprachgebrauch,
der
diese
beiden
Ausdrücke
gleichbedeutend ansieht.
wird
den Kaufmann,
Wohnsitz
aufgegeben
einen neuen zu suchen, ehrenhaften
Reisenden
al-
Niemand
der seinen
hat,
um
oder den von Pro
fession , einen Vagabunden nennen,
(e)
S. o. B 2 8 85 fg. 5
66
Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. örtliche Gränzen.
Gerichtsstand darauf zu begrünten (f). In den meisten Fällen nun wird hierüber kein Zweifel seyn wegen des na türlichen Zusammenhanges, in welchem die juristische Per son zu dem Grund und Boden steht; so bei Städten und Dörfern, bei Kirchen, Schulen, Krankenhäusern u s w. Zweifelhaft kann es sein besonders bei gewerblichen Gesell schaften, wenn bereit Thätigkeit entweder au gar keine Ört lichkeit gebunden ist, oder auf größere Raume sich erstreckt, wie z. B. die der Gesellschaften für Eisenbahnen, oder Dampfschiffahrt, oder für den Brückenbau über große Ströme, deren beide Ufer oft verschiedenen Gerichten, ver schiedener Gesetzgebung, ja selbst verschiedenen Staaten, un terworfen sind Hier ist es räthlich, gleich bei der Grün dung einer solchen juristischen Person einen künstlichen Wohnfitz festzustellen (g); wird dieses versäumt, so muß der Richter den Mittelpunkt der Geschäfte künstlich zu er mitteln suchen
Wenn wir die beiden, von einander unabhängigen, Gründe der Angehörigkeit an eine bestimmte Stadtgemeinde, (f) Vgl. Linde Lehrbuch §88 Note 14. (g) Beispiele: Statut der Ber lin-Sächfischen (Anhaltischen) Ei senbahu - Gesellschaft § 1: „Berlin ist ihr Domizil und der Sitz ihrer Verwaltung und das Königliche
Stadtgericht zu Berlin ihr Ge richtsstand". — Statut der BerlmStettiner Eisenbahn - Gesellschaft 8 3. „Stettin ist das Domizil der Gesellschaft" u. s. w (Gesetzsamml. für die Preußischen Staaten 1839 S. 178, 1840 S. 306).
§. 355.
Origo und domicilium.
Wirkung.
67
Bürgerrecht und Wohnsitz, Zusammenhalten, so ergeben sich
aus den für beide hier aufgestellten Grundsätzen (§ 351 — 354) folgende mögliche Combinationen. Eine einzelne Person konnte im Bürgerverhältniß ste
hen
zu Einer Stadt,
zu
mehreren Städten,
zu
keiner
Stadt (§ 351)
Daneben
konnte
im Verhältniß des
dieselbe Person
Wobnsitzes stehen zu Einer Stadt,
zu mehreren Städten,
zu keiner Stadt (§ 354) Der regelmäßige und
häufigste Zustand aber war es
gewiß, daß das Bürgerverhältniß einer Person
nur für
Eine Stadt begründet war, und daß diese Person in der
selben Stadt zugleich auch ihren Wohnsitz hatte.
8
355
Dle Römische Lehre von origo und domicilium.
Wlrlung dieser Verhältnisse. Nachdem die beiden Gründe der Angehörigkeit an eine
bestimmte Stadtgemeinde dargestellt worden sind,
ist nun
die praktische Seite dieser Lehre, oder die juristische Wir kung der aus ihnen entspringenden Angehörigkeit, zu un tersuchen.
Man möchte dabei ein gleiches Maaß von Rechten und
Pflichten als Wirkung erwarten, und es nmß zunächst auf fallen, daß in unsern Rechtsqucllen fast nur von Pflichten, nicht von Rechten, die Rede ist. folgende Weise
zu
erklären
Diese Erscheinung ist auf
—
Das
Bürgerverhältniß
5 *
§. 355.
Origo und domicilium.
Wirkung.
67
Bürgerrecht und Wohnsitz, Zusammenhalten, so ergeben sich
aus den für beide hier aufgestellten Grundsätzen (§ 351 — 354) folgende mögliche Combinationen. Eine einzelne Person konnte im Bürgerverhältniß ste
hen
zu Einer Stadt,
zu
mehreren Städten,
zu
keiner
Stadt (§ 351)
Daneben
konnte
im Verhältniß des
dieselbe Person
Wobnsitzes stehen zu Einer Stadt,
zu mehreren Städten,
zu keiner Stadt (§ 354) Der regelmäßige und
häufigste Zustand aber war es
gewiß, daß das Bürgerverhältniß einer Person
nur für
Eine Stadt begründet war, und daß diese Person in der
selben Stadt zugleich auch ihren Wohnsitz hatte.
8
355
Dle Römische Lehre von origo und domicilium.
Wlrlung dieser Verhältnisse. Nachdem die beiden Gründe der Angehörigkeit an eine
bestimmte Stadtgemeinde dargestellt worden sind,
ist nun
die praktische Seite dieser Lehre, oder die juristische Wir kung der aus ihnen entspringenden Angehörigkeit, zu un tersuchen.
Man möchte dabei ein gleiches Maaß von Rechten und
Pflichten als Wirkung erwarten, und es nmß zunächst auf fallen, daß in unsern Rechtsqucllen fast nur von Pflichten, nicht von Rechten, die Rede ist. folgende Weise
zu
erklären
Diese Erscheinung ist auf
—
Das
Bürgerverhältniß
5 *
68 Buch 111. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. Örtliche Gränzen,
(die origo) führte allerdings Rechte mit sich, die ursprüng lich großen Werth hatten;
das
besonders
ausschließende
Recht der Theilnahme an der Stadtverwaltung durch den Eintritt in die Stadtsenate und in die obrigkeitlichen Aem
ter.
Allein die Theilnahme an den Stadtsenaten war in
der späteren Kaiserzeit aus einem Ehrenrecht in Druck und Last
verwandelt
worden (a),
von
den
Obrigkeiten der
Städte aber geben uns unsre Rechtsquellen überhaupt nur sehr dürftige Nachrichten, welches aus ihrer ausschließenden Bestimmung zum Gebrauch im Reich von Justinian (b.
h. im Orient) zu erklären ist (b).
Dagegen waren die an
daS Bürgerverhältniß ursprünglich geknüpften Verpflichtungen auch im Laufe der Zeit unverändert geblieben,
so daß sie
auch in unsern Rechtsquellen in ihrem vollständigen Zu sammenhang dargestellt werden konnten und mußten. —
WaS aber den Wohnsitz, als den zweiten Grund der An
gehörigkeit betrifft,
so war bei demselben überhaupt nicht
von eigentlichen Rechten die Rede, da er selbst aus reiner
Willkür des Einzelnen begründet werden konnte (8 353),
wozu ja der Erwerb eigentlicher Rechte wenig gepaßt ha ben würde.
Auch werden in der That als praktische Fol
gen des Wohnsitzes, da wo man etwa die Angabe bestimm
ter Rechte erwarten möchte,
vielmehr
bloße thatsächliche
Vortheile und Genüsse aufgezählt (c).
(a) Savigny Geschichte de« R. R. im Mittelalter B. 1 §. 8.
(b) a. a. O. § 22.
(c) L. 27 § 1 adman. (50. i) ,,8i quis ... in illo (munici-
pio) vendit, emit, contrahit,
§. 355.
Origo und domicilium.
Wirkung.
69
Es bleiben also nur noch die Verpflichtungen aus der Angehörigkeit zur näheren Betrachtung übrig.
Diese sind
schon oben in einer allgemeinen Uebersicht dahin angedeutet worden: Städtische Lasten, Gerichtsstand, das örtliche Recht
(§ 350), und diese drei Stücke sollen nunmehr theils ge nauer entwickelt, theils in unsern Rechtsquellen nachgewie
sen werden.
I.
Städtische Lasten (Munera).
Unter dem Ausdruck munera werden im Allgemeinen
Lasten jeder Art verstanden; hier aber kommen nur diejeni
gen Lasten in Betracht, die aus dem öffentlichen Recht ent springen, also nur publica, nicht privata (d), und zwar insbesondere aus der persönlichen Angehörigkeit an eine Stadtgemeinde,
werden (e).
weshalb sie auch
Damit
civilia munera genannt
ist jedoch nicht gesagt, daß diese La
sten gerade für städtische Zwecke und Vortheile getragen werden mußten;
vielmehr war ein großer Theil der ört
lichen Staatsverwaltung den Städten aufgebürdet worden, und manche der drückendsten Bürgerlasten dienten nur zu
in 60 foro, balneo, spectaculis utitur, ibi festos dies celebrat, omnibus denique municipii commodis . fruitur, ibi magis habere domicilium“ . . Vgl. über diese Stelle oben § 353 d. (d) L. 239 §3 de V. S. (50. 16), L. 18 § 28 de mun. (50.4). — Wenn also anderwärts
bk munera eingetheilt werden in publica und privata (L. 14 8 1 de mun.), so ist da- nicht eine Eintheilung der städtischen Lasten (die stets publica find), sondern der Lasten überhaupt, die ja auch aus privatrechtlichen Ver hältnissen herrühren können. (e) L. 18 §. 28 demun. (50.4).
70
Buch III Herrschaft der Rechtsregeln Käs' I Örttlche Grannen
Zwecken des Staates,
nicht der Städte selbst,
von deren
Angehörigen sie getragen wurden (f)
Die Römischen Juristen unterscheiden nnnms und honor dadurch, daß jenes nicht, so wie dieses, mit einer persön
lichen Würde (dignitas) verbunden war (g)
Es würde
jedoch irrig sein, dieser Unterscheidung den Sinn beizulegen, als ob der honor blos als Ehre und Recht, ohne Zwang
und Verpflichtung, betrachtet worden wäre galt dieselbe Verpflichtung der Uebernahme,
Für den honor
wie für das
munus (h), beide wurden gleichmäßig als städtische Lasten betrachtet, und
jene
Unterscheidung betraf also blos den
Namen. Sie unterscheiden ferner Lasten der Person und des
Vermögens (munera personal!» und patrimonii). je nach dem dabei allein oder doch überwiegend die Mühe und Ar beit in Betracht kam, oder vielmehr die auf dem Vermögen ruhende Ausgabe oder Gefahr (i).
Diese
Unterscheidung
war jedoch schwankend und von unbestimmter Gränze (k),
auch ohne Erheblichkeit, da beiderlei Lasten gleichmäßig die (f) «gl. z. «. L. 18 § 3. 4. 8. 16 de mun. (50. 4). (g) L. 14 pr § 1 L. 6 §3 de mun. (50. 4). — Der Ausdruck honor wurde aber nicht blos auf bte Obrigkeiten, sondern auch auf die Decurionen angewendet. L. 5 de vac. (50. 5). (h) L. 3 § 2. 3. 15. 17 de mun. (50. 4). (i) L. 1 § 1. 2. 3. 4 de mun.
(50. 4), L 6 §3 4.5 end, L. 18 pr § 1—17 eod. — Unter tue persönlichen Lasten gehörte die Ver waltung des Richterqeschäfts, so wie die der Vormundschaft. L. 1 8- 4, L 18 8 14 eod, L 8 8 4, L. 13 pr. 8 2. 3 de vac. (50. 5). (k) Daher nahmen Manche noch eute Mittelklasse an, mixta munera. L. 18 pr § 18—27 de mun. (50. 4).
355
Origo und domicilium.
Wirkung.
Angehörigen jeder Stadt, und nur diese, betrafen.
gen ist es wichtig, davon streng Lasten,
71 Dage
unterscheiden diejenigen
die blos auf dem Grundbesitz
hafteten (wie die
Grundsteuern), ganz ohne Rücksicht darauf, ob der Besitzer
persönlich der Stadt ungestörte (durch origo oder domicilium), oder nicht (1) Die
bier
dargestellte
Verpflichtung
zur
Uebernahme
städtischer Lasten betraf in der Regel alle Angehörige einer
Stadt, obne Unterschied, ob sie in dieses Verhältniß durch
Bürgerrecht
oder durch
Wohnsitz eingetreten waren (m).
Wer also in mebreren Städten zugleich das Bürgerrecht, vielleicht auch in mebreren den Wohnsitz hatte (§351, 354),
war in jeder dieser Städte
zur vollständigen Theilnahme
an diesen Lasten verpflichtet, und konnte dadurch in ein sehr nachtheiliges Verhältniß kommen. Obgleich aber diese allgemeine und gleichmäßige Ver
pflichtung aller Angehörigen die Regel bildete,
doch daneben
ausnahmsweise vielfache
so gab es
Befreiungen
aus
sebr verschiedenen Gründen, und unter verschiedenen Benen-
(1) £. 6 § 5 de mun. (50.4), £ 14 §2, £ 18 §21 -25, £.29 30 eod, £. 10 pr devac (50.5), £ 11 eod. — Etwas abweichend tst der Sprachgebrauch einer Stelle, worm diese reine Grundlaften patrimonii inunera genannt werden. £ un. C de mutier. (10. 62). (in) £. 22 § 2, £ 29 ad mun. (50.1), £.6 § 5, £. 18
§ 22 de mun. (50. 4), £. 1 C. de municip. (10.38), £.4.6 C. de incolis (10 39). — Die schwan kende Erklärung mancher Stellen über das domicilium von Bauer böfen im Stadtgebiet (§ 353 d.), mag daher rühren, daß vielleicht für manche Arten der Lasten ein verschiedener VertheilnngSmaaßstab, etwa nach örtlichen Gränzen, an genommen wurde.
72 Buch III. Herrschaft der RechiSregeln. Kap. I. örtliche Gränze»,
nungen (vacatio, excusatio, immunitas); theils immerwäh rende, theils vorübergehende (n)
II. Gerichtsstand (formn originis, domicilii)
Dabei liegt zum Grunde die allgemeine Regel, baß jeder Rechtsstreit zu führen ist im Gerichtsstand deö Beklagten, nicht des Klägers (o). Fragt man nun, wo der Beklagte seinen regelmäßigen Gerichtsstand bat, so bestimmt diesen daS Römische Recht dabin: In jeder Stadt, gegen deren Obrigkeit er zum Gehorsam verpflichtet ist, weil er dieser Stadt angehört. Angehörig einer Stadt aber wird der Einzelne sowohl durch Bürgerrecht, als durch Wohnsitz; und dadurch verwandelt sich nunmehr jene Bestimmung in die praktische Regel: Jeder muß sich als Beklagter belangen lassen in jeder Stadt, worin ihm das Bürgerrecht zusteht; außerdem aber auch in jeder Stadt, worin er den Wohn sitz hat. So wird diese Regel geradezu ausgesprochen, und zugleich auf ihren eben angegebenen höheren Grund zurück geführt in folgender Stelle des Gajus (p): Incola et bis magistratibus parere debet, apud quos incola est, et illis, apud quos civis erit: nec tantum municipali jurisdictioni in utroque municipio (n)
Dig. L. 5 unb L. 6, Cod. X.
44—64. Die genauere Unter suchung dieser Befreiungen kann hier auf sich beruhen, da sie für unsren gegenwärtigen Zweck gleich gültig ist.
(o) Vat fragm.325.326, L.2. C de jurisd (3.13), L. 3 C. ubi in rem. (3. 19), L. 3. 4 C. übi causa Status (3. 22) (p) L. 29 ad mun (50. 1).
§. 355.
Origo und domicilium.
Wirkung.
73
subjeclus est, verum etiam Omnibus publicis mu-
neribus fungi debet.
In dieser wichtigen Stelle wird zugleich anerkannt, daß hierin durchaus dasselbe Verhältniß eintrete für den Ge
richtsstand, wie für die städtischen Lasten
Hieraus folgt
also, daß auch der Gerichtsstand für dieselbe Person so gar in mehr als zwei Städten zugleich begründet sein konnte,
wenn etwa diese Person in mehreren Städten das Bürger
recht, und zugleich in mehreren anderen Städten den Wohn sitz, gehabt baden sollte.
Dann mußte es in der freien
Wahl des Klägers stehen, in welcher dieser mehreren Städte
er einen Rechtsstreit anhängig machen wollte, und der Be
klagte war in jeder dazu gewählten Stadt zur Einlassung verpflichtet. Bei diesem unzweideutigen Ausspruch sowohl der Regel
selbst,
als ihres höberen Grundes, und ihres Zusammen
hanges mit den städtischen Lasten,
muß es auffallen, daß
anderwärts von dem auf das bloße Bürgerrecht (verschieden
von dem Wohnsitz) gegründeten Gerichtsstand (Forum originis)
so wenig die Rede ist
In vielen
Stellen,
worin
der persönliche Gerichtsstand nur für einzelne Fälle und nur beiläufig erwähnt wird, domicilii,
ist lediglich von dem Forum
nicht von dem Forum originis, die Rede (q).
(q) L. 19 § 4 de jud. (5.1), L. 29 § 4 de inoff. test (5.2), L. 1. 2 de reb. auct jud (42. 5), Vat. fragm. 326, L. 2 C. dejurisd.
(3. 10), L. 1 C. ubi res her (3.20), L. 4 C. ubi causa Status (3. 22). — Dagegen werd in mehreren Stellen das Wahlrecht
74 Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln Kap 1 örtliche Gränzen Dennoch darf uns diese Erscheinung an der Richtigkeit der Regel selbst nicht zweifelhaft machen;
folgenden Gründen zu erklären
sie ist vielmehr aus
Erstlich fand jene Regel
ihre vollständige Anwendung nur in Italien, nicht in den
Provinzen,
in welchen Stadobrigkeiten mit Gerichtsbarkeit
gar nicht vorkamen (r);
daher konnte hier das Stadtbür
gerrecht keinen Gerichtsstand begründen,
anstatt daß der
abstracte Begriff des Wohnsitzes auf das Gebiet einer Pro
vinz, also auf die Gerichtsbarkeit des Kaiserlichen Statt halters derselben,
eben so anwendbar war,
Gebiet einer einzelnen Stadt
wie aus das
Mehrere der angeführten
Stellen aber sprechen ausdrücklich nur von den Provin zen (s), und andere derselben mögen auch davon gesprochen
haben, ohne daß es an ihrer gegenwärtigen Gestalt sichtbar ist- — Zweitens war vielleicht stets
für den,
welcher in
zwei verschiedenen Städten das Bürgerrecht und den Wohn
sitz hatte, die Anwendung des forum origlnis auf den Fall beschränkt, wenn er sich zufällig in der Stadt aufhielt, wo rin ihm das Bürgerrecht zustand (t).
des Klägers zwischen dem forum domicilii und dem forum contractus erwähnt L. 19 § 4 de jud (5. I), L. 1 2. 3 de reb anet jud (42. ')). (r) (Sift spät erhielten hier die Defensoren eine Art von GenchtSbarkeit, die lange Zeit sehr be schränkt blieb, und erst von Ju stinian zu etwas mehr Bedeutung erhoben wurde. Savrgny Ge
Selbst aber wenn
schichte des R. N im Mittelalter B 2 § 23 (s) So z. B, unter den in der Note q angeführten Stellen. L. 19 § 4 de jud (5 1), L. 29 § 4 de inoff (5 2), Vat fragm 32b (t) So war es nut dem forum origims in derStadtRom(§ 352.1c.), und es ist vielleicht nur zufällig, daß von einer gleichartigen Vor-
355.
Origo und domicilium
Wirkung.
75
eine solche beschränkende Rechtsregel nicht vorhanden war, mußte doch meist der Kläger seines eigenen Vortheils we gen das formn domicilii vorziehen, weil der Beklagte am Ort seines Wohnsitzes leichter und bequemer zu errei chen war.
Zum Schluß aber muß nun noch bemerkt werden, daß rie hier ausgestellten Regeln, so wie sie größtenteils durch rie in den Digesten niedergelegten Zeugnisse der alten Ju risten begründet worden sind, auch nur von der Zeit an sichere und allgemeine Geltung in Anspruch nehmen können, in welcher die befestigte und ausgebildete Kaiserregierung einen hohen Grad der Gleichförmigkeit in die einzelnen Theile des Reichs gebracht hatte Damit ist es also sehr roobl vereinbar, daß manche Provinz in srüherer Zeit, bald nach ihrer Unterwerfung unter das Römische Reich, eigen thümliche Vorrechte in der Gerichtsverfassung genoß, wo von in unseren Rechlsquellen keine Spur mehr zu fin den ist (u).
scknfl für andere Städte keine (5:r wähnung gefunden wird
(u) Dieses gilt namentlich von Siutien Cicero in Verrem act. 2 lib 2 C 13. 24. 25. 37.
76 Buch III. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
§. 356.
Die Römische Lehre von origo und domicilium Wirkung dieser Verhältnisse. III.
(Fortsetzung.)
Das eigenthümliche Recht einer Stadt als Eigenschaft
der ihr angehörenden Personen (lex originis, domicilii).
Es sind oben, in allgemeiner Uebersicht, drei Wirkungen der Angehörigkeit einer Person an eine Stadtgemeinde ange
geben worden (§ 350):
Städtische Lasten,
Gerichtsstand,
endlich das Recht dieser Stadt als Eigenschaft der Person. Die
zwei
ersten
Wirkungen
dargestellt (§ 355),
und
es
sind
bereits
im
Einzelnen
bleibt nunmehr die dritte
zu untersuchen übrig, die allein unserer gegenwärtigen Auf gabe angehört, und um deren Willen die ganze bisher ge
führte Erörterung unternommen wurde,
indem nur auf
diesem Wege die Unterordnung der Person unter das ört
liche Recht einer bestimmten Stadt in ihrem wahren Zu sammenhang erkannt werden kann.
Diese Untersuchung knüpft sich an die oben aufgestellten
Sätze, nach welchen jede Person einem bestimmten Rechts gebiet angehört (§ 345), dieses Nechtsgebiet aber vorzugs
weise als ein örtliches oder territoriales Gebiet anzusehen ist (§ 350),
und zwar nach Römischer Verfassung insbe
sondere als ein Stadtgebiet (§ 351).
Da nun jede einzelne
Person überhaupt einem Stadtgebiet auf zweierlei Weise
angehören konnte,
durch Bürgerrecht oder durch Wohnsitz
(§ 351), so konnte auf diesen beiden Wegen auch die Unter-
§. 356.
Origo und domicilium.
Wirkung.
(Forts.)
77
Ordnung der Person unter das territoriale Recht einer Stadt begründet werden.
Es wird also hier ein innerer Zusammenhang behauptet
zwischen den drei verschiedenen Wirkungen der Angehörig
keit an eine Stadtgemeinde,
und dieser Zusammenhang ist
besonders zu bemerken zwischen den zwei letzten Wirkungen
(dem Gerichtsstand und dem territorialen Recht),
da beide
nur als verschiedene Seiten des gesammten örtlichen Rechts zustandes
anzusehen
sind.
Die Anerkennung
aber dieses
inneren Zusammenhanges ist für unsere ganze Aufgabe von
Wichtigkeit,
und reicht selbst über die eigenthümliche Rö
mische Verfassung hinaus, so daß auch bei der Feststellung des heutigen Rechtszustandeö davon Gebrauch zu machen
seyn
wird.
Die Richtigkeit der hier ausgestellten Behauptung, wie die bestimmtere Ausführung derselben, mehr
will ich nun
in den Quellen des Römischen Rechts nachzuweisen
versuchen.
Allerdings sind die Aussprüche der Römischen
Juristen über diese Frage sehr spärlich,
bei
wir
so
einem kritischen Verfahren
um so mehr,
genöthigt sind,
als
gar
manche scheinbare Aeußerungen über dieselbe als nicht da
hin gehörend zurück zu weisen.
Aussprüche kaum hinreichen,
Auch dürften jene wenige die Ansicht der Römer voll
ständig zu erkennen.
1.
Der älteste hierher gehörende Fall bezieht sich auf
die Kollision eines positiven Römischen Gesetzes
mit dem
78 Buch III. Herrschaft der Recht-regeln. Kap I. Örtliche Gränzen. Recht anderer souveräner (jedoch mit den Römern verbün
deter) Staaten (§ 348) (a).
Im Jahre der Stadt 561 (L. Cornelio Merula, Q. Minucio Thermo Coss.)
sand sich in Rom eine große Noth
der durch Wucher bedrückten Schuldner.
schützende Wuchergesetze, gangen,
Zwar bestanden
allein diese wurden dadurch um
daß die Wucherer ihre Forderungen zum Schein
auf den Namen von Einwohnern
benachbarter Staaten
(Socii und Latini) schreiben ließen.
Denn da diese durch
das positive Wuchergesetz nicht gebunden waren, gegen sie die Schuldner keinen Schutz (b).
so hatten
Zur Entkräftung
dieses unredlichen Verfahrens wurde ein besonderes Gesetz
erlassen mit der Vorschrift - daß die Römischen Gesetze über
das Gelddarlehen (die Wuchergesetze) auch für die Socii
und Latini als Gläubiger Römischer Bürger bindend seyn
sollten (c). 2
Eine ähnliche Natur hat die in einem Senatsschluß
aus der Zeit des Hadrian anerkannte Rechtsregel,
daß
das Kind aus einer secundum leges moresque peregrinorum
geschlossenen Ehe selbst dann als Peregrine geboren werden
(also seinem Vater angehören) solle,
wenn zur Zeit der
gegenwärtigen
(a)
Livius XXXV 7.
unsern
(b)
Welches Wuchergesetz, »ach
diese Frage gleichgültig.
dem angegebene» Jahre,
meint ist,
hier ge
läßt sich bei der sehr
unsicheren Geschichte dieser Gesitze nicht bestimmen.
Es kann seyn
das über unciarium foenus, aber auch das über semunciarium. Für
Zweck
ist
(c) Lnius 1. c. „plebesque scivit, ut cum sociis ac nomine Latino pecuniae creditae jus idem, quod cum civibus Ro manis esset“
§. 356.
Origo und domicilium.
(Forts.)
Wirkung.
79
Geburt blos die Mutter (und nicht zugleich der Vater) die Civität erlang: hatte.
Römische Recht
Es wurde also hier der für das
geltende Grundsatz,
daß
der
Status der
legitime concepti nach der Zeit der Erzeugung beurtheilt werden sollte, mit völliger Reciprocität auch aus die Bürger fremder Staaten angewendet (d).
Tie folgenden Fälle beziehen sich auf die Collision der für Italien gegebenen positiven Gesetze mit dem Recht der
Provinzen,
also auf eine Collision von Rechten innerhalb
der Gränzen des Römischen Staates 3.
Die Verpflichtung eines ßdepromissor ging in der
Rege! nicht so, über;
wie die eines lidejussor,
auf die Erben
ausnahmsweise aber trat dennoch dieser Uebergang
ein, wenn der fideproniistor ein Peregrine war, und zwar einer solchen Provinzialstadt angehörte, deren positives Recht
hierin von dem Römischen abwich (e).
4.
Eine Lex Fiiria
pflichtung der Ablauf von
hatte verordnet,
daß die Ver
sponsores und fidepromissores durch den
zwei Jahren getilgt sein solle,
so wie daß
mehrere neben einander eintretende Bürgen solcher Art nur theilweise haften sollten, nicht für die ganze Schuld
(d) Gajus I. §. 92, verglichen mit § 89 (e) Gajls III § 120 „Praeterea sponsoris et fidepromissoris heres non tenetur, nisi si de peregrino fidepromissore quaeramus, et also jure csvstas ejus utaturff Cs könnte auf;
Dieses
satten, daß in der Aufstellung der Regel außer dem fidepromissor auch der Sponsor genannt wird, der nachher in der Ausnahme nicht wieder erwähnt ist. Dieser Um stand erklärt sich daraus, daß Peregrmen überhaupt nicht sponsores sein konnten. Gajus 111. § 93.
80 Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen. Gesetz aber war nur für Italien gültig, nicht für die Pro vinzen (f), das heißt, es galt nur für die Bürger der Städte
in Italien, nicht für die Bürger der Provinzialstädte, auch wenn diese die Römische Civität hatten (g). 5.
Es gab eine Klasse der Freigelassenen,
die
durch
die Freilassung weder cives noch latini, sondern nur pere-
grini, und zwar mit ganz besonderen Zurücksetzungen, wur den (dedititiorum numero).
Von diesen nun wird gesagt,
sie könnten keine Testamente machen,
und zwar weder als
Römische Bürger, weil sie nicht unter diese gehörten, noch
als Peregrinen, weil sie nicht irgend einer bestimmten Stadt als Bürger angehörten,
um nach deren Stadtrecht testiren
zu können (h). — Dabei liegt augenscheinlich folgende Vor
aussetzung zum Grunde
Wäre dieser Peregrine der Bürger
(f)
Gajus in. 8 121. 122.
(g)
Die sponsores,
quoniam nec quasi
civis Ro
§ 121. 122
manus testari potest, cum sit peregrinus, nec quasi peregri-
vorausgesetzt werden, mußten noth wendig die Römische Civität haben,
nus, quoniam nullius certae civitatis civis est, ut adversus
s. o. Note e
der Lex Furia eine engere Be
leges civitatis suae testetur “ Anstatt des offenbar richtigen civis
schränkung anzuweisen (Zeitschrift XIV. S. 441), nach welcher der
welches
Provinzialen
in den
die als
— Rudorfs sucht
Fall derselben nicht mehr in diesen
est,
liest die Handschrift sciens, Manche
gezwungen
und
Die genauere Untersuchung würde
unbefriedigend zu vertheidigen ge sucht haben. — Adversus heißt hier nicht: entgegen, im Wider
hier zu weit abführen.
spruch mit, sondern: in Beziehung
(h) ülpian. XX 8 14 ,,Latinus Junianus, item is qui dedititiorum numero est, testamentum facere non potest ... qui dedititiorum numero est,
auf,
Zusammenhang
gehören
würde
in Gemäßheit dieser Gesetze.
Ganz wie in L. 5 de usurp. (41 3). Andere wollen emendiren: secundum. S. o. Lachmann Zeit schrift IX. S. 203.
§. 350.
Origo und domicilium-
einer solchen Provinzialstadt,
Wirkung.
(Forts.)
81
welche daS Recht der Testa
mente anerkennt, und dafür gewisse Regeln vorschreibt, so
könnte er mit Beobachtung dieser Regeln ein gültiges Testa ment machen, uud zwar sowohl in Rom, als in seiner Va Nun aber kann er es nicht, weil er überhaupt
terstadt
keiner Stadt als Bürger angehört (§ 351.n).
6
Endlich kann hier noch die bekannte Thatsache er
wähnt werden, daß daS eigenthümliche Eherecht der Latini schen
Städte unterging,
als diese Städte daS Römische
Bürgerrecht erhielten (i) Es würde sehr gewagt sein, auS diesen wenigen, ver einzelten Aussprüchen erschöpfende Regeln
über die Be
handlung der Collision verschiedener Terrilorialrechte ablei-
ten zu wollen
Doch lassen sich darin folgende leitende
Gesichtspunkte nicht verkennen. A.
In einem Vertragsverhältniß zwischen zwei Bür gern verschiedener Staaten kann keiner Partei daS
rein positive Gesetz des ihr fremden Staates ent gegengesetzt werden;
sie sind
jus gentium ZU beurtheilen (k).
vielmehr nach dem
Doch kann davon
in einzelnen Fällen, aus politischen Gründen, daS
Gegentheil vorgeschrieben werden (Nr. 1). B.
Das Bürgerrecht einer bestimmten Stadt bestimmt
in der Regel für jeden Einzelnen dasjenige posi
tive Recht, dem er persönlich untergeordnet ist, nach
(i)
Gellius Lib. 4 C. 4.
(k)
Vergl. oben § 348. c,
6
82 Buch III Herrschaft der Rechtskegeln. K«p I Örtliche Gränzen
welchem also er beurtheilt
werden muß (Nr
3.
4. und 5).
Außerdem kommen noch
zweierlei andere Aeußerungen
der Römischen Juristen vor, die leicht als Regeln über die Beobachtung des örtlichen Rechts angesehen werden können,
in der That aber nicht als solche zu betrachten sind, so daß noch besonders gegen die Anwendung derselben auf die hier
vorliegende Untersuchung gewarnt werden muß. Erstlich gehören dahin einige vereinzelte Stellen, welche
bei der Auslegung und Anwendung von Rechtsgeschäften die
aus örtliche Gewohnheiten verweisen, fälschlich von örtlichen Rechtsregeln
man
aber
verstehen würde
— So soll bei der Auslegung eines unbestimmten Vertrags als die wahrscheinliche Absicht der Parteien unter Anderen
Das angenommen werden,
welches in dieser Gegend vor
zugsweise üblich ist (1).
Dieses ist nun offenbar nicht
eine Rechtsregel dieser Gegend,
woran man dort thatsächlich häufig
zu thun pflegt.
sondern vielmehr daS,
gewöhnt
ist,
welches
man
Eine einzelne wichtige Anwen
dung dieser allgemeinen Auslegungsregel findet sich bei den
Cautionen, die der Verkäufer werthvoller Sachen zu leisten hat; auch diese sollen sich nach der Sitte der Gegend rich-
(1) L 34 de R J (50 17) ,, . id sequamur, quod in re-
gione in qua actum est Jre quentatur“
§. 35.6.
Origo und domicilium.
Wirkung.
(Forts.)
83
ten, d. h. nach drn Cautionen, die dort am häufigsten frei willig geleistet zu werden pflegen (m). — Ferner soll die Höhe der Verzugszinsen nach dein Zinsfuß bestimmt wer
den, der in dieser Gegend gerade jetzt üblich ist (n).
Ganz
eben so die Höhe der Zinsen, die ein Geschäftsführer von
seinem ausgelegten baaren Gelde berechnen darf (o).
Zn
beiden Stellen ist gar nicht von einer örtlichen RechtSregel die Hede, wodurch der Zinsfuß dort bestimmt gewesen wäre, sondern von dem Zinsfuß,
wie er augenblicklich an dem
dortigen Geldmärkte vorgefunden wurde.
Der Grund die
ser Bestimmung aber lag darin, daß jene Zinsen dem Gläu
biger eine
wahre
Entschädigung
nutzung gewähren sollten,
für die entbehrte Grld-
welche Entschädigung nur nach
den Zinsen abgemessen werden konnte,
aus dem wirklichen Geldbesitz
die der
anderwärts
Glqubiger
hätte gewinnm
können.
(m) L.Q de evict (21. 2). — AuS demselben Grunde war eine solche (Kaution, die duplae stipulatio, bei wichtigen Sachen sogar allgemein m die Verpflichtungen des Verkäufers übergegangen. L. 31 § 20 de aed ed. (21 1), L. 2, L. 37 pr § 1 de evict. (21 2). Andere Anwendungen derselben Auslegungöregel (beiTestamenten) finden fich m L. 21 § 1 gut test. (28. 1), L. 50 § 3 de leg. 1 (30 un.), L. 18 §3 de instructo (33.7). — Daß jedoch von den hier abgewresenen Stellen auch in unserer Lehre ein indirekter Ge
brauch zu machen ist, wird unten gezeigt werden (§ 372). (n) L. 1 pr. de usuris. (22.1), ,, usurarum modus ex more regionis, ubi contractum est, constituitur“ (o) L. 37 de usuris (22.1) ,, debere dici usuras venire, eas autem, quae in regione frequentantur, ut est in b. f. judieiis constitutum “ (das find eben die in der vorhergehenden Stelle erwähnten Verzugszinsen). Vergl. auch L. 10 $ 3 mand. (17.1), L. 7 § 10 de admin. (26. 7).
84
Buch III Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. 1. Örtliche Gränzen.
Zweitens
sind
aber
noch
viel wichtiger die Stellen,
welche von den drei Klassen der freien Einwohner des Rö mischen Reichs (cives, Latin!, peregrini) reden, und die
man gleichfalls versucht sein könnte, mit der Unterordnung
der Einzelnen unter ein bestimmtes positives Neckt in Ver bindung zu bringen
Man könnte nämlich einen solchen
Gedanken etwa dabin ausbilden wollen,
Klaffe (die cives)
das jus civile,
daß auf die erste
auf die
zwei
niederen
Klaffen das jus gentium angewendet worden wäre.
Allein
dieser ganze Gedanke muß völlig zurück gewiesen werden.
Jene Klassification war höchst wichtig für die Rechtsfä
higkeit der Einzelnen,
indem der civis das
connubium
und commercium, der Latinus das commercium ohne connu bium, der peregrinus keine dieser beiden Fähigkeiten hatte (p). Dagegen hat jene Klassification durchaus keine Verbindung
mit der hier vorliegenden Aufgabe, nämlich mit dem System
der aus jeden Einzelnen anwendbaren positiven RechtSregeln.
Einige Beispiele werden Dieses außer Zweifel setzen.
Auf die cives wurden die Regeln des jus gentium nicht
minder, als die des jus civile angewendet Junianus konnte allerdings, testamentifactio
hatte,
kein
(p) S. o. B. 2 8 64. 66. — Zu dieser Lehre von der Rechtsfähigkett, und nicht zu dem System der auf den Einzelnen anwendbaren Territorialrechte (wovon hier allein die Rede ist), gehört auch
obgleich
er
als
Der Latinus
Latinus
Testament machen,
die
weil ihm
der Satz, daß bie Stipulation in der Formel: spondes ? spondeo nur von Römischen Bürgern, nicht von Peregrinen, gebraucht werden konnte. Gajus III. § 93.
§. 356.
Origo und domicilium
Dieses besonders verboten war (q).
Wirkung.
(Forts.)
85
Sein Sohn aber war
ein sreigeborner Latinus, der durch dieses Verbot nicht ge bunden war, und wenn dieser ein Testament machte, wozu ibn sein Stand als Latinus berechtigte (Note q), so wurde
er nach den Regeln der hereditas. also nach dem strengsten
jus civile,
beerbt,
welches
also auf ihn anwendbar sein
mußte. Noch weniger aber,
als die hier angeführten Stellen,
können für unsre Untersuchung solche Aussprüche deS Rö
mischen Rechts benutzt werden, welche nur ganz im Allge meinen die Berücksichtigung
rechts erwähnen,
eines
ohne dabei den
örtlichen Gewohnheits Gegensatz
verschiedener
örtlicher Rechte (also den Fall einer Collision) voraus zu
setzen oder anzudeuten (r).
(q) Ulpixn. XX § 14. — Daß ihm daS Recht der testamentifactio mcht fehlte (also nur lenes ganz positive Verbot im Wege stand), sagtausdrückltch Ulptan ebendas. § 8. Auch be ruhte ja das Testament auf der Manctpationsform, und daher war die testamentifactio gleichbe deutend mit dem commercium oder der Manclpationsfähigkeit, welche den Latmen jeder Art zuftand. Ulpian. XIX. § 4. o
(r) Dahin gehören etwa fol gende Stetten. L. 1 §15 de inspie, ventre (25. 4), L. 19 C. de locato (4. 65). — Eben dahin gehört die Erwähnung der chirographa und syngraphae, als eines genus obligationis pro prium peregrinorum. Gajus III. § 134. — Von den besonderen Aus sprüchen über die Regel: locus regit actum vgl. unten § 382.
86 Duch M Herrschaft der Rechtsregeln. Kap.I. Örtliche Gränzen.
8.
357.
Die Römische Lehre von origo und domicilium.
Wirkung dieser Verhältnisse.
(Fortsetzung.)
ÄuS der bis hierher geführten Untersuchung ergab eS sich, daß die Angehörigkeit einer einzelnen Person an eine
bestimmte Stadtgemeinde drei Wirkungen hatte, indem die
angehörige Person unterworfen tasten,
war:
1.
2. dem Gerichtsstand dieser Stadt,
thümlichen positiven Rechte derselben.
den
städtischen
3. dem eigen
Diese drei Wirkun
gen ständen in einem inneren Zusammenhang, und konnten daher als gleichartig betrachtet werden. "Cs ist aber nun noch eine wichtige Verschiedenheit unter diesen Wirkungen
hervor zu heben.
Wenn eine Person mehreren Städten angehörig war,
sei eS durch Bürgerrecht oder durch Wohnsitz, so war sie in jeder dieser Städte den Bürgerlasten und dem Gerichts
stand unterwarfen, so daß dann eine wahre Concurrenz un ter den Ansprüchen jener Städte an dieselbe Person ent
stand.
Eine solche Concurrenz war bei der Unterordnung
der Person unter das positive Recht verschiedener Städte unmöglich, weil sie einen inneren Widerspruch mit sich ge führt
hätte.
Dieselbe
Person
konnte
vor verschiedenen
Obrigkeiten verklagt werden, je nach der Wahlfdes Klägers,
sie konnte aber nicht nach verschiedenen, vielleicht ganz wi
dersprechenden,
Rechtsregeln beurtheilt werden.
Es war
also nur die Unterordnung unter Ein örtliches Recht mög-
8 357.
Origo und donucilium.
Wirkung
(Forts.)
87
sich, und es mußte für diesen Zweck unter den verschiedgten, in anderer Hinsicht concurrirenden Städten eine entscheidende
Wahl getroffen werden.
Ich halte eS nun für unzweifelhaft,
daß das
örtliche
Recht, dem jede Person unterworfen seyn sollte, wem dies«
Person in zwei verschiedenen Städten das Bürgerrecht Md den Wohnsitz hatte,
durch
wurde,
den
nicht durch
das
Bürgerrecht bestimmt
Wohnsitz.
sprechen folgende Gründe.
Für diese Amahme
Erstlich war daS Bürgerrecht
das engere, an sich höher stehende Band, verglichen mit dem von Willkür und Laune abhängenden Wohnsitz.
Zweitens
war eS das frühere Band, da es durch die Geburt geknüpft
wurde,
der anderwärts vorhandene Wohnsitz
erst später
durch eine freie Handlung entstanden sein kannte;
aber an jedem Grunde,
eS fehlt
weshalb das für die Person ein
mal begründete territoriale Recht hätte umgewandelt werben
sollen.
Drittens deuten darauf auch mehrere der eben an
geführten Aeußerungen der Römischen Juristen, indem diese
sagen: si... alio jure civitas ejus utatur (§ 356e), und
quoniam nullius certae civitatis civis est (§ 356h), welche Ausdrücke offenbar auf das Bürgerrecht hindeuten
als Bestimmungsgrund für das auf die Person anwmdbare
örtliche Recht, nicht auf den Wohnsitz.
Nimmt man die hier aufgestellte Regel als richtig an, so bleiben dann noch folgende Fälle, die dadurch nicht be
stimmt werden, zu entscheiden übrig.
88 Buch III.
Herrschaft der Rechtsregel». Kap I
Örtliche Gränzen
Erstlich konnte Jemand das Bürgerrecht an mehreren Orten zugleich haben: an dem einen durch die Geburt, an einem andern durch Adoption oder durch Aufnabme (§ 351). In einem solchen Falle wurde ohne Zweifel das frühere
Bürgerrecht,
also
das
durch
Geburt
entstandene
(die
origo), als vorherrschend behandelt, weil kein Grund vor handen war, eine Umwandlung des persönlichen Rechtszu standes anzunehmen. - - Das Bürgerrecht der Stadt Rom, welches jeder municeps neben seinem besonderen Stadtbür gerrecht batte (§ 352), kam bei der Bestimmung
des
per
sönlichen Rechts gewiß nicht in Betracht, vielmebr konnte in dieser Hinsicht nur das Recht der engeren Heimatb be
rücksichtigt werden
Zweitens konnte Jemand ganz ohne städtisches gerrecht sein (§ 351),
Bür
während er einen Wohnsitz hatte.
In diesem Fall mußte der Wohnsitz als Bestimmungsgrund
für das auf ihn anwendbare persönliche Recht gelten.
Zuletzt bleiben noch die Fälle zu erwägen übrig, wenn Je
mand in keiner Stadt das Bürgerrecht (§ 351), und zu oder auch in keiner
gleich entweder in mehreren Städten, Stadt einen Wohnsitz hatte (§ 354).
Wie die Römer solche,
bei ihnen gewiß seltene, Fälle beurtheilt haben mögen, läßt
sich
aus unsern
Rechtsquellen
Zeugnisse nachweisen.
nicht
durch
unmittelbare
Wir werden auf dieselben
zurück
kommen bei der Untersuchung des heutigen Rechts (§ 359). Auch für diese, das örtliche Recht betreffende, Regeln,
muß die Bemerkung wiederholt werden, welche oben für die
§. 357.
Origo unv doinicilium.
Wirkung.
(Forts.)
89
Gerichtsverfassung gemacht worden ist, daß die Allgemein heit dieser Regeln zwar für das Zeitalter der alten Juristen behauptet werden darf, in der früheren Zeit aber, durch die
eigenthümliche Verfassung mancher Provinzen, nur mit Aus nahmen anzunehmen ist (a).
§. Origo
und
358.
domicihum
im
heurigen
Recht.
Cs ist nicht schwer zu zeigen, daß die hier dargestellte
Römische Lehre von origo
und
doinicilium
in unserem
heutigen Rechtszustand, namentlich in dem für Deutschland
geltenden gemeinen Recht,
nicht mehr Anwendung findet,
und daß davon höchstens vereinzelte Bestandtheile übrig ge
blieben sind.
Denn die Grundlage und Voraussetzung jener
Lehre bestand in den Stadtgebieten,
die wie ein Netz über
den ganzen Boden des Römischen Reichs verbreitet waren, und, damit zusammenhängend, in den Stadtgemeinden, die
für die einzelnen Einwohner das Verhältniß zum Staate
vermittelten, so daß alle Einzelne, mit wenigen Ausnahmen, als Stadtbürger,
mannichfaltigen
und dauernden persön
lichen Verpflichtungen unterworfen waren (§351). Gerade diese Grundlage nun der Römischen Verfassung (a)
Stellten
Cicero
Dieses gilt namentlich von nach
den
angeführten
oben
aus
Stellen
(§ 355.il), worin die Gerichte und die Gesetze neben einander genannt
werden als Vorrechte der Sicilraner,
Cap. 13 „domi certet suis legi bus ' Cap. 24 „postulant, ut se ad leges suas rejiciat.“ Cap. 37 ,,ut cives Inter se legibus suis agerent. “
§. 357.
Origo unv doinicilium.
Wirkung.
(Forts.)
89
Gerichtsverfassung gemacht worden ist, daß die Allgemein heit dieser Regeln zwar für das Zeitalter der alten Juristen behauptet werden darf, in der früheren Zeit aber, durch die
eigenthümliche Verfassung mancher Provinzen, nur mit Aus nahmen anzunehmen ist (a).
§. Origo
und
358.
domicihum
im
heurigen
Recht.
Cs ist nicht schwer zu zeigen, daß die hier dargestellte
Römische Lehre von origo
und
doinicilium
in unserem
heutigen Rechtszustand, namentlich in dem für Deutschland
geltenden gemeinen Recht,
nicht mehr Anwendung findet,
und daß davon höchstens vereinzelte Bestandtheile übrig ge
blieben sind.
Denn die Grundlage und Voraussetzung jener
Lehre bestand in den Stadtgebieten,
die wie ein Netz über
den ganzen Boden des Römischen Reichs verbreitet waren, und, damit zusammenhängend, in den Stadtgemeinden, die
für die einzelnen Einwohner das Verhältniß zum Staate
vermittelten, so daß alle Einzelne, mit wenigen Ausnahmen, als Stadtbürger,
mannichfaltigen
und dauernden persön
lichen Verpflichtungen unterworfen waren (§351). Gerade diese Grundlage nun der Römischen Verfassung (a)
Stellten
Cicero
Dieses gilt namentlich von nach
den
angeführten
oben
aus
Stellen
(§ 355.il), worin die Gerichte und die Gesetze neben einander genannt
werden als Vorrechte der Sicilraner,
Cap. 13 „domi certet suis legi bus ' Cap. 24 „postulant, ut se ad leges suas rejiciat.“ Cap. 37 ,,ut cives Inter se legibus suis agerent. “
90 Buch III
Herrschaft der Recht-regeln Kap I
Örtliche Gränzen
in ihrer Anwendung auf die einzelnen Tbeile des Staats gebietes,
findet sich in den neueren Zeiten nicht
Namentlich in Deutschland baben
mehr.
zwar seit vielen Jahr
hunderten die Städte ein wichtiges Stück der Verfassung,
sowohl int Neicke, als in den einzelnen Ländern, gebildet: jedoch mir ein vereinzeltes, neben anderen meist wichtigeren
Bestandtheilen stehendes Stück, so daß hier an ein Aufgehen
des Ganzen in
bloße Stadtgebiete und
niemals zu denken war.
Siadtgemeinden
Wie mit Deutschland, so verhielt
es sich in dieser Hinsicht auch mit anderen Staaten neuerer Zeit;
und höchstens in Italien finden sich tbeilweise noch
Zustände, die, wenn auch unvollständig, nicht nur an den
Zustand des Römischen Kaiserreichs erinnern, sondern auch
in der That als Ueberreste desselben zu betrachten sind Ist nun die Grundlage jener Römischen Lebre von origo
und doiniciliiini verschwunden,
so können auch die darauf
beruhenden Rechtsverhältnisse (munera. formn. Stadtrecht als Recht der Person) nicht mehr in Römischer Weise be
hauptet werden.
origo,
Vorzüglich einleuchtend ist Dieses für die
das beißt für das bei ledem Einzelnen vorauszu
setzende Sladtbürgerrecht,
anstatt daß bei der abstracteren
Natur des doinicilimn sich noch eher eine gewisse Art von Fortdauer annebmen ließe. Auch
baben von jeher die neueren Schriftsteller als
unzweifelhaft anerkannt, daß in dieser Lehre unser Rechts
zustand von dem der Römer durchaus abweiche.
Zwar den
ganzen Umfang der eingetretenen Veränderung konnten sie
§ 358. Origo und domicilium im heutigen Necht.
91
deswegen nicht anerkennen, weil keiner unter ihnen den wahren und vollständigen Zusammenhang jener Römischen Rechtsinstitute übersah. Allein bei einer einzelnen Anwen dung , dem Gerichtsstände, wurden sie aus diesen Gegen stand aufmerksam, und hier eben erkannten sie einstimmig an, daß das Römische so rum origmis, in seiner ursprüng lich vorherrschenden Bedeutung, für uns ganz verschwunden sev, und daß höchstens noch etwas ihm AeHnlickes, aber untergeordnet, und als bloße Aushülfe für seltenere Fälle, für unser heutiges Recht übrig bleibe (a). — Wollte etwa Jemand bezweifeln, ob wirklich in dieser Lehre eine durch greifende Veränderung vorgegangeti wäre, so müßte er schon durch den Umstand überzeugt werden können, daß selbst die Begriffe und Kunstausdrücke der Römer bei den Neueren ganz verwirrt und verdunkelt erscheinen Denn dieser Umstand erklärt sich nicht daraus, daß etwa die Quellen des Römischen Rechts in dieser Lehre besonders undeutlich oder lückenhaft wären, (welches in der That nicht der Fall ist), sondern lediglich daraus, daß der In halt jener Rechtsquellen so wenig zu unsern Zuständen passen wollte Man könnte nun etwa versuchen, die eingetretene Veränderung so aufzufassen, als wäre aus dem Römischen Recht blos die eine Hälfte (die origo) verschwunden, die andere Hälfte (das domicilium) unverändert übrig geblieben.
(a) Lauterbach de domicilio § 13. 14. 50. Schiltek ex. 13 $ 24. Stryk V. 1 $ 17 18. Glück B- 6 S. 261.
92 Buch III. Herrschaft der Recht-regeln. Kap I. Örtliche Gränzen.
Allein auch diese Auffassung kann nur mit großer Be schränkung als richtig anerkannt werden.
Die praktische Bedeutung nämlich des Römischen domi-
ciliuni bezog sich immer wieder auf die Sladtgemeinde und eben so wie das Bür
deren Gebiet, indem der Wohnsitz,
gerrecht, jeden Einzelnen zum An gehörigen einer Stadt
gemeinde
(§ 351. 353).
konnte
machen
Diese
aus«
schließende praktische Bedeutung ist nicht mehr vorhanden, oder sie bat vielmehr eine andere Gestalt angenommen. wie der Wohnsitz
Dagegen ist die Art,
wieder anfgehoben wird (8 353. 354),
entsteht und
bei uns ganz die
selbe wie im Römischen Recht, und in sofern sind bei unS die Bestimmungen des Römischen Rechts völlig anwendbar.
Die Gränze des anwendbaren und nicht anwendbaren
Theils
jener ganzen Lebre wird nun noch anschaulicher
werden durch die Betrachtung der drei einzelnen Wirkungen,
die das Römische Recht an den Wohnsitz,
knüpft (§. 355 356).
daS Stadtbürgerrecht, 1.
eben so wie an
Städtische Lasten (mtinera) Diese können hier völlig
unbeachtet bleiben,
da
sie
sich
ganz
auf eigenthümlich
Römische Verhältnisse bezogen
2
Gerichtsstand (Forum domicilii).
Diese Wirkung des Wohnsitzes ist nicht nur im heuti
gen
Rechte
noch
wichtiger,
sen
bestand ganz
geblieben,
übrig
als
bei
den
sondern Römern.
gewöhnlich das
sie
erscheint hier
Denn bei die
Forum originis
neben
formn domicilii,
dem
ger die
93
Origo und domicilium im heutigen Recht.
§. 358.
Wahl
so daß
(§
hatte
beiden der Klä
zwischen
bei
355);
im Römischen Sinne verschwunden,
uns ist die origo so
ist nunmehr
das formn domicilii der einzige ordentliche,
regelmäßige
Gerichtsstand Dieser
Menschen.
jedes
Römischen
im
wie dort,
aber,
Gerichtsstand
auf welchem er beruht, als
und
hat jetzt
eine
selbst,
Wohnsitz
andere Bedeutung,
Er bezieht sich nicht
Recht
allgemein
wie der
mehr,
und nothwendig auf die richterliche
Obrigkeit eines Stadtgebietes, zu welchem der Wohn sitz
gehört,
sondern
verschiedenartige
sehr
haben,
und
eines
Gerichtssprengels,
Entstehungsgründe
allerdings
mit den Gränzen eines
und
der
Gränzen
anderen und zufällig auch
unter
Stadtgebietes
zusammen
fallen
kann.
3. Das besondere territoriale Recht, welchem jeder Einzelne,
als
seinem persönlichen Recht,
untergeordnet ist
Damit
verhält es sich ähnlich, wie es so eben von dem Gerichts stand bemerkt worden ist.
Diese Wirkung deö Wohnsitzes
ist nicht nur übrig geblieben,
sondern auch ausschließender
anwendbar und darum wichtiger geworden, als bei ihnen. Zugleich aber hat sie bei uns,
eben so wie der Gerichts
stand, eine veränderte Bedeutung angenommen. Dieser Gegenstand aber ist für die Aufgabe der gegen
wärtigen Untersuchung wichtiger, als alles Uebrige, ja er allein war die Veranlassung,
auch die übrigen hier abge-
94 Buch UL Herrschaft der RechtSregeln. Kap. 1. örtliche Gränzen.
handelten Fragen mit in den Kreis dieser Untersuchung zu
ziehen.
Daher ist
derselbe nunmehr einer abgesonderten,
selbstständigett Betrachtung zu unterwerfen (§ 359).
Neben der hier dargestellten großen und allgemein aner
kannten Verschiedenbeit,
die bei rem Uebergang aus den
Römischen Zuständen in die heutigen eingetreten ist, muß
daß sich in
es als eine Merkwürdigkeit erwähnt werden,
einem kleinen Europäischen Lande ein ähnlicher Rechtszu stand ausgebildet hat,
wie der oben dargestellte »Komische
eine origo, verschieden von dem doimeilium, aber mit ent
schiedenem Uebergewicht über dieses; ein Rechtszustand, der nicht Ueberreft des Römischen, ahmung desselben ist,
und eben so wenig Nach
so wie er auch darin eigenthümlich
erscheint,
daß er nicht ausschließend auf einem Stadtbür
gerrecht,
sondern auf dem Heimathsrecht oder Bürgerrecht
in irgend einer Gemeinde (sey sie städtisch oder ländlich) beruht.
Dieser Zustand findet sich in den meisten Kantonen
der deutschen Schweiz, wo das Heimathsrecht in einer be
stimmten Gemeinde,
Erwerb
des
welches zugleich Bedingung für den
Kantonsbürgerrechts
ist,
vorzugsweise vor
dem vielleicht anderswo gewählten Wohnsitz,
entscheidend
ist für viele der wichtigsten Rechtsverhältnisse:
namentlich
für die Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit,
Ehe, väterliche Gewalt,
Vormundschaft,
für die
so wie für daS
Recht der Testamente und die Jntestaterbfolge.
Für mehrere
$. 358.
Origo und domicilium im hmtigen Recht.'
95
dieser Rechtsverhältnisse wird nicht bloö das anwendbare
örtliche Recht,
sondern auch der Gerichtsstand durch die
origo (daS Gemeindebürgerrecht) bestimmt,
vorzugsweise
vor dem Wohnsitz;
namentlich gilt Dieses für die Klagen
auf Ehescheidung,
und
diese Bestimmungen
für die aus dem Erbrecht
gründen sich
Alle
theils auf alteö Her
kommen, theils auf die zwischen vielen Kantonen geschlossenen Konkordate (b)
8. 359. Origo und domicilium nach heurigem Rechr
(Fortsetzu ng.)
Nach dem heutigen Recht ist der Wohnsitz als regel
mäßiger BestimmungSgrund anzusehen für das besondere territoriale Recht, welchem jeder Einzelne, als seinem per sönlichen Rechte, untergeordnet ist (8 358), und dieser Satz hat auch
von jeher sehr allgemeine Anerkennung gefun
den (a).
Es tritt also nunmehr als Regel derjenige Zu-
(b) Offizielle Sammlung der daö Schweizerische Staatsrecht be treffenden Aktenstücke B. 2 Zürich 1822. 4 e 34 36 39. — Ich verdanke diesen, das Schweizerrecht betreffenden, Zusatz der freundlichen Mittheilung von Keller
(a) Vgl. die im § 358 Note a angeführten Schriftsteller, und Eichhorn deutscheS Recht § 34. — Für die Uebereinstimmung aus
ländischer Rechtslehrer find folgende Zeugniffe zu bemerken: Projet de code civil Paris 1801 8. p. LV LV1 — Roccu Lid 2 0 8, wo gleichfalls der bloße Wohnsitz als Grundlage des örtlichen Rechts für den Einzelnen anerkannt wird, völlig verschieden von der (poli tischen) Naturalisation, von welcher Lid 1 C 10 handelt — Stojrx Chap. 3. und 4.
$. 358.
Origo und domicilium im hmtigen Recht.'
95
dieser Rechtsverhältnisse wird nicht bloö das anwendbare
örtliche Recht,
sondern auch der Gerichtsstand durch die
origo (daS Gemeindebürgerrecht) bestimmt,
vorzugsweise
vor dem Wohnsitz;
namentlich gilt Dieses für die Klagen
auf Ehescheidung,
und
diese Bestimmungen
für die aus dem Erbrecht
gründen sich
Alle
theils auf alteö Her
kommen, theils auf die zwischen vielen Kantonen geschlossenen Konkordate (b)
8. 359. Origo und domicilium nach heurigem Rechr
(Fortsetzu ng.)
Nach dem heutigen Recht ist der Wohnsitz als regel
mäßiger BestimmungSgrund anzusehen für das besondere territoriale Recht, welchem jeder Einzelne, als seinem per sönlichen Rechte, untergeordnet ist (8 358), und dieser Satz hat auch
von jeher sehr allgemeine Anerkennung gefun
den (a).
Es tritt also nunmehr als Regel derjenige Zu-
(b) Offizielle Sammlung der daö Schweizerische Staatsrecht be treffenden Aktenstücke B. 2 Zürich 1822. 4 e 34 36 39. — Ich verdanke diesen, das Schweizerrecht betreffenden, Zusatz der freundlichen Mittheilung von Keller
(a) Vgl. die im § 358 Note a angeführten Schriftsteller, und Eichhorn deutscheS Recht § 34. — Für die Uebereinstimmung aus
ländischer Rechtslehrer find folgende Zeugniffe zu bemerken: Projet de code civil Paris 1801 8. p. LV LV1 — Roccu Lid 2 0 8, wo gleichfalls der bloße Wohnsitz als Grundlage des örtlichen Rechts für den Einzelnen anerkannt wird, völlig verschieden von der (poli tischen) Naturalisation, von welcher Lid 1 C 10 handelt — Stojrx Chap. 3. und 4.
96 Buch III. Herrschaft der Rechisregeln. Kap. I. örtliche Gränzen.
stand ein, welcher im Römischen Rechte ausnahmsweise an erkannt werden mußte für solche Personen, die zufällig zu keiner Stadt ein eigentliches Bürgerverhältniß hatten, also ohne origo waren (§ 357) Man könnte diese Regel des heutigen Rechts, um ihr Verhältniß sowohl zum Römischen Recht, als zu der schon erwähnten verwandten Regel für den Gerichtsstand, anschaulich zu machen, etwa so aus drücken. 1 Bei den Römern bestand neben dem so rum domicilii das so rum originis, beide mit völlig gleicher Be rechtigung, also concurrirend Bei uns ist das formn originis im Römischen Sinne verschwunden, das forum domicilii allein übrig. 2. Bei den Römern galt, als lerritoriales persönliches Recht der Einzelnen, die lex originis. und nur ausnahmsweise die lex domicilii, für diejenigen Personen, die zufällig keine origo hatten. Bei und ist die lex domicilii der einzige regelmäßige Bestimmungsgrund für das territoriale persönliche Recht der Einzelnen (b). Obgleich nun diese ungemein wichtige Regel, die für die ganze folgende Untersuchung die Grundlage abgeben wird,
auf
erinurten Personen auch nicht den örtlichen Statuten unterworfen sind.
den Zusammenhang zwischen forum
Eich h orn deutsches Recht § 34. —
domicilii) und lex
Es darf jedoch keine undedmgte, ausschließende Behauptung dieses
(b)
Es ist sch en eben (§ 356)
aufmerksam (originis,
gemacht
(originis, domicilii)
worden
Dieser Zu
sammenhang zeigt sich nicht blos
Zusammenhangs
im R R., sondern auch in manchen
geltend gemacht
rein praktischen Folgen des heutigen
werden, welches schon wrgen der nicht seltenen Concurrenz verschie
Rechts; so unter andern m der Regel, nach welcher die vom ge
dener Arten des Gerichtsstandes (z. B. domicilii Mit rei sitae)
wöhnlichen örtlichen Gerichtsstand
bedenklich seyn würde.
Origo und domicilium nach heutigem Recht.
(Forts.)
97
als Regel sehr allgemein anerkannt wird, so ist es doch nach
zwei Seiten hin nöthig, sie näher zu bestimmen. Erstlich hat im heutigen Recht der Wohnsitz auch in
Ansehung des territorialen Rechts eine andere Bedeutung und andere Gränzen, als im Römischen Recht, ganz so wie
es bereits in Ansehung des Gerichtsstandes bemerkt worden ist (§ 358).
Bei den Römern war die lex originis, wie
die lex domicilii, stets das örtliche Recht eines bestimmten Stadtgebietes (8 356).
Bei unö dagegen hat die Einheit
eines territorialen Rechtes, eben so wie der Gerichtsstand, sehr verschiedenartige Entstehungsgründe und Gränzen (c),
und das territoriale Recht kann nur unter andern und ;usälligerweise mit den Gränzen eines Stadtgebiets zusammen
Wollen wir also für dieses
fallen, also ein Stadtrecht sein.
Verhältniß den Vortheil einer allgemein passenden Bezeich
nung gewinnen, so müssen wir dafür einen besonderen Kunst ausdruck erst bilden, und es würde sich dazu etwa der Aus
druck Gesetzsprengel eignen, welcher durch seine Aehnlichkeit mit dem allgemein üblichen Ausdruck: Gerichtßsprengel leicht verständlich sein wird.
Nur muß dabei bedacht
werden, daß der Ausdruck: Gesetz (eben so wie lex domi cilii) in einem weiteren Sinn zu nehmen ist, für jede Re gel des positiven Rechts,
ohne Unterschied, ob diese Regel
durch ein eigentliches Gesetz, oder etwa durch Gewohnheits
recht, entstanden sein mag. (c)
Von
dieser
verschieden«»-
tigen Natur mit Begrenzung terri-
viu.
torialer Rechte ist schon oben im $ 347 die Rede gewesen.
7
98 Buch III Herrschaft der Recht-regeln. Kap.I. örtliche Gränzen. Zweitens könnte man versucht sein, der hier ausgestell ten Regel
von der lex domicilii einen
uneingeschränkten
Einfluß einzuräumen nur bei der Collision zwischen den
Particularrechten
eines
und
desselben
Staate-
(8 347),
nicht so bei der Collision zwischen den Gesetzen souveräner Staaten (§ 348); Collision
nicht
man könnte annehmen,
sowohl der
als
Wohnsitz,
daß für diese vielmehr der
StaatSverband, das Unterthanenverhältniß, maaßgebend sein
müsse. —
In mehreren großen Staaten nämlich sind ge
naue Bestimmungen erlassen worden über den Erwerb und
Verlust des
Staatsbürgerrechts,
und
man könnte daher
glauben, in diesen Staaten sei die Anwendung deS territo
rialen Rechts auf die Einzelnen forthin bedingt durch daS Staatsbürgerrecht, nicht mehr durch den Wohnsitz, worin
also eine modificirte Rückkehr zu dem Römischen Begriff
der origo (verschieden von domicilium)
gefunden werden
könnte.
Diese Annahme ist nicht ohne Schein im Französischen Recht, welches genaue Bestimmungen enthält über die Ent
stehung und Aufhebung der Eigenschaft eine- Francis (d).
Daran knüpft sich dann die Bestimmung, daß der persön
liche Zustand des Fran^ais (Fetal et la capacite), auch wenn
(d) Code civil art. 9—13. 17—21. Von dem Fran^ais ist verschieden der citoyen, welcher Ausdruck die politischen Rechte be zeichnet, art. 7. — Auch Foelix p. 36 - 39 spricht zwar zuerst von der nationalste al- Grundlage de
anzuwendenden örtlichen Recht-, nimmt aber dann diesen Ausdruck gleichbedeutend mit domicile, will also nicht etwa in Widerspruch treten mit der unter den Schrift stellern de- gemeinen Rechts herr schenden Anficht.
S. 359.
Origo und domicilium nach hcutigem Recht. (Forts.) 99
er im Ausland wohne, nach Französischem Recht beurtheilt werden solle (e);
ferner daß jeder Francais alle droits ci-
vils genieße (f).
Diesem letzten Satz könnte man die aus
schließende
Bedeutung
beilegen,
daß der Ausländer die
droits eivils in Frankreich nicht genieße, worin dann ein« Herstellung des Römischen Unterschieds der cive« und peregrini in der Lehre von der Rechtsfähigkeit gefunden
werden möchte.
Allein, abgesehen davon, daß die Franzö
sischen Juristen von den droits eivils sehr verworrene und irrige Begriffe haben (g), werden daneben den Ausländern
so ziemlich dieselben Rechte, wie den Francais, eingeräumt (h). Daraus geht hervor, daß die praktische Bedeutung des Be
griffs Francais weit geringer ist,
Blick scheint,
als
sie
aus den ersten
und daß sie sich hauptsächlich in der Lehre
von der Handlungsfähigkeit äußert, an welcher Stelle wir auf diesen Gegenstand zurückkommen werden. In Preußen ist neuerlich ein Gesetz erlassen worden
über die Entstehung und Aufhebung der Eigenschaft eines Preußen oder Preußischen Unterthans (i), und man könnte
auch bei diesem Gesetz versucht sein, darnach die Anwend barkeit des Preußischen Rechts auf die Einzelnen, unabhün-
(e) Code civ. art. 3, s. u. $ 363 am Ende des §. (f) Code civ. art. 8. (g) S. o., B.r S. 154 fg. (h Code civ. art. 11. wo der Grundsatz der Reciprocität aufge-
gestellt ist, welcher jetzt fast über all auf völlig gleiche Rechtsfähig keit zwischen Inländern und Aus ländern führen wird. (i) Gesetz vom 31. Dec 1842 ).
Auch liegt darin
die eigentliche Bedeutung der Personal st a tuten, deren Begriff in worden ist
früherer Zeit so
auf
großer Werth gelegt
(§ 361 Rum. 1).
Indessen würden wir irren,
wenn wir diese Ueberein
stimmung allzu hoch anschlagen wollten, da sie großentheils
nur scheinbar ist.
Es ist nämlich folgende Unterscheidung
schon in früherer Zeit versucht,
neuerlich aber mit großem
Nachdruck geltend gemacht worden (c).
(a) So z. B. bei I. Vof.t, § 7 Andere Gegner siehe bei Wächter II S. 162. 163 und Foelix p 121 (b) Wächter!! S. 162.163 175. 177
Man will unter-
(c) Bert § 5. 8. 11. 22. Meier, p 14. Mittermaier
deutsches R § 30 S. 118. Ausg. 7, besonders aber W a cd ter II S163 S 175 —184
§. 362. I. Zustand der Person an sich.
135
scheiden das bloße Daseyn der rechtlichen Eigenschaften und die rechtlichen Wir
einer Person an sich,
kungen dieser Eigenschaften, das heißt, die daraus entsprin
genden Rechte und Beschränkungen der Person.
Die Eigen
schaften an sich sollen beurtheilt werden nach dein örtlichen
Recht des Wohnsitzes; die rechtlichen Wirkungen aber nicht nach diesem,
sondern nach irgend einem anderen örtlichen
Recht; nach welchem Recht?
Rede sevn.
Davon wird noch ferner die
Von den Vertbeidigern dieser Unterscheidung
wird daher auch die allgemein übereinstimmende Meinung, und das damit zusammenhängende gemeine Gewohnheitsrecht,
auf die Eigenschaften an sich beschränkt Der Sinn dieser Unterscheidung wird aus folgenden An
Zu den Eigenschaften an sich ge
wendungen klar werden. hören
die
Zustände
des
Bevormundeten,
Unmündigen,
Minderjährigen, des Verschwenders, ferner des Geschlechts, der
Verheirathelen, der ehelich oder unebelich Gebornen u s w.
Ob also Jemand minderjährig ist oder nicht, das heißt, die
Gränze der Minderjährigkeit, soll zu beurtheilen seyn nach dem
Recht des Wohnsitzes. Beschränkungen Wirkungen,
des
Dagegen gehören die Rechte und
Minderjährigen
zu
den
rechtlichen
und sind daher (nach jener Lehre) nicht nach
dem Wohnsitz zu beurtheilen. Zu allen Zeiten jedoch haben viele Schriftsteller eine
solche Unterscheidung gar nicht gemacht, die rechtlichen Wirkungen, an sich,
sondern vielmehr
gerade so wie die Eigenschaften
lediglich nach dem durch den Wohnsitz der Person
136 Buch !II- Herrschaft der Rechtsregeln. Kap.!. Hrtliche Gränze», bestimmten örtlichen Rechte beurtheilt (d).
Und mit diesen
übereinstimmend muß auch ich jene Unterscheidung gänzlich
Ich halte sie für willkürlich und inkonsequent,
verwerfen.
da es an einem inneren Grunde, ziehen,
gänzlich fehlt.
eine solche Gränze zu
Sehen wir die Sache genau an,
so finden wir keinen anderen Unterschied, persönliche
Zustände
mit
besonderen
als daß manche
Namen
bezeichnet
werden, andere aber nicht; dieser ganz zufällige, gleichgül tige Umstand nun kann umnöglich einen Grund abgeben, verschiedene örtliche Rechte anzuwenden.
Volljährig
nennen wir Den,
digste, durch das Alter erreichbare, sitzt;
Handlungsfähigkeit be
ist also nur ein Name für gewisse rechtliche
daö
Wirkungen,
für die Verneinung früher vorhandener Be
schränkungen der Fähigkeit. jährig
welcher die vollstän
Ten,
Eben so nennen wir minder
welcher jene vollständige Fähigkeit noch
nicht besitzt; cs ist ein Name für die Verneinung des Zu standes vollständiger Fähigkeit.
Wenn nun aber ein Gesetz
auch bei den Minderjährigen gewisse Stufen der Fähigkeit
aufstellt, ohne dafür einen besonderen Namen zu gebrauchen, so ist doch gewiß kein Grund cinzusehen, warum nicht diese
Stufen der Fähigkeit, ständigen Fähigkeit,
eben so wie der Eintritt der voll
nach dem Recht deö Wohnsitzes bcur-
(
(’U crfjtof >i() iq leit itub (Fortsetzung)
ES soll nun zusammcngestellt werden, was sich in den wichtigsten neueren Gesetzbüchern über die hier vorliegende Frage findet
I
Das Preusiische Allgemeine Landrecht stellt fol
genden Grundsatz an die Spitze: „Die persönlichen Eigen schaften und Befugnisse eines Menschen werden nach den Gesetzen der Gerichtsbarkeit beurtheilt, unter welcher der selbe seinen eigentlichen Wohnsitz hat" (a).
Diese Be
stimmung bezieht sich auf die Preußischen Unterthanen, und unterscheidet nicht, ob sie ihre Befugnisse (wozu vor allen
die Handlungsfähigkeit gehört) ausüben an ihrem Wohnsitz
selbst, oder an einem andern Orr des Inlandes, der viel-
(a) L R (Still. § 23. Die nähere» Bestimmungen folgen tit den 88 24-27.
8- 3G3. I Zustand der Person an sich. (Forts.)
141
die ja ohnehin für die individuellen Verhältnisse des Aus länders unentbehrlich sind,
fremden örtlichen Recht.
ganz unabhängig von dem
Wer aber etwa noch mebr Er
leichterung und Sicherheit auf diesem Gebiete verlangen
möchte, der kann dieselbe nur auf dem Wege positiver Ge
setzgebung erwarten.
WaS hierin geschehen kann, wird so
gleich bei der Uebersicht neuerer Gesetze in unserer Lehre
gezeigt werde».
8. 363. 3 uftanD dc r Pcrsou au sich
1
HantlungSfäliigkeit >
(’U crfjtof >i() iq leit itub (Fortsetzung)
ES soll nun zusammcngestellt werden, was sich in den wichtigsten neueren Gesetzbüchern über die hier vorliegende Frage findet
I
Das Preusiische Allgemeine Landrecht stellt fol
genden Grundsatz an die Spitze: „Die persönlichen Eigen schaften und Befugnisse eines Menschen werden nach den Gesetzen der Gerichtsbarkeit beurtheilt, unter welcher der selbe seinen eigentlichen Wohnsitz hat" (a).
Diese Be
stimmung bezieht sich auf die Preußischen Unterthanen, und unterscheidet nicht, ob sie ihre Befugnisse (wozu vor allen
die Handlungsfähigkeit gehört) ausüben an ihrem Wohnsitz
selbst, oder an einem andern Orr des Inlandes, der viel-
(a) L R (Still. § 23. Die nähere» Bestimmungen folgen tit den 88 24-27.
142
Buch 111. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I Örtliche Gränzen,
leicht ein anderes örtliches Recht über solche Befugnisse
hat, oder endlich im Ausland. Für die Ausländer lautet die Bestimmung so: „Auch
Unterthanen fremder Staaten, welche in hiesigen Landen leben,
oder Geschäfte treibe«,
müssen nach obigen Be
stimmungen beurtheilt werden" (b). So weit stimmt Alles mit den oben ausgestellten Grund
sätzen überein.
Völlig gleiche Behandlung der Einheimischen
und der Fremden.
Allgemeine Beurtheilung des persönlichen
Zustandes, der Handlungssäbigkeit, nach dem örtlichen Recht,
das an dem Wohnsitz der Persoil besteht,
es mag dieses
ein einheimisches oder ein fremdes Recht seyn.
Daneben bleiben aber zwei Fragen zu erörtern, welche
schon oben für das gemeine Recht aufgeworfen worden sind.
Zuerst: Sind hier nur die Eigenschaften an sich gemeint, oder sollen auch die rechtlichen Wirkungen derselben nach
dem Rechte des Wohnsitzes beurtheilt werden (§ 362)? Wäre in dem § 23 blos gesagt: „die persönlichen Eigen
schaften", so könnte man vielleicht die erste, also die be schränkende, Bedeutung in jene Worte legen; da aber hin
zugesetzt wird: „und Befugnisse", so muß jene Vor schrift auch auf die rechtlichen Wirkungen der Eigen schaften bezogen werden,
das heißt:
es ist für Jeden
nach dem Recht seines Wohnsitzes zu bestimmen, nicht
blos, ob er minderjährig ist oder nicht,
(b) r. R. (Sins. § 34.
sondern auch,
§. 363.
I
Zustand der Person an fich.
(Forts.)
143
was er als Minderjähriger vermag und nicht vermag. Wollte man diese Behauptung noch bezweifeln, so würde
doch jeder Zweifel beseitigt werden durch einige nachfolgende Stellen des Gesetzes, worin der nach dem Recht des Wohn sitzes zu beurtheilende Gegenstand bezeichnet wird als Fä
higkeit zu handeln (c), und zwar so, daß damit nicht etwas Neues erwähnt, sondern blos das Vorhergehende mit einem willkürlich abwechselnden, völlig gleichbedeutenden, Ausdruck bezeichnet werden soll.
Eö ist daher unzweifel
haft, daß das Preußische Recht unter den persönlichen Ei genschaften und Befugnissen gerade die Handlungsfähigkeit
mit begreift, und daß es also nicht blos die Eigenschaften
an stch, sondern auch die rechtlichen Wirkungen dersel
ben, nach dem örtlichen Rechte des Wohnsitzes beurtheilt wissen will.
Zweitens ist schon oben auf die praktische Schwierigkeit aufmerksam gemacht worden, die bei den Verträgen eines
Ausländers in unserm Lande entstehen kann, indem vielleicht das im Auslande, an seinem Wohnsitz geltende, Recht bei
uns unbekannt ist (§ 362).
Diese Schwierigkeit beseitigt
das Preußische Gesetz durch die Vorschrift, daß die Hand
lungsfähigkeit des Ausländers nach dem für das Bestehen
deS Vertrages günstigsten Gesetz (also nach dem leichtesten) beurtheilt werden soll, vorausgesetzt, daß die Gegenstände
(c)
L. R. Eint. 8 27. 35.
144 Buch 111. Herrschaft der Nechtsregclu. Kap. 1. Örtliche Gränzen, des Verlrags in unserm Lande sich
befinden (d).
Wird
also in Berlin ei» solcher Vertrag
geschlossen von
einem
Franzosen, der über 21 Jahre alt ist, so ist der Vertrag gül
tig nach
Französischem Recht,
aus 21 Jahre setzt.
welches
die
Volljährigkeit
Wird der Vertrag ebendaselbst geschlos
sen von dem Einwohner eines unter dem Römischen Recht
stehenden Landes, welcher über 24 Jabre alt ist,
so ist der
Vertrag gültig nach Preußischem Recht, welches 24 Jahre als Gränze der Minderjährigkeit annimmt.
Das erste ist dem
allgemeinen Grundsatz gemäß, daS zweite ist eine rein positive Vorschrift, gegeben in der Absicht, die Inländer gegen die Folgen
eines unverschuldeten Irrthums, vielleicht selbstder Unredlichkeit ihres Gegners, zu schützen. ließe sich
Eine gleichartige Bestimmung
in den Gesetzen jedes Staates denke»,
wünschenswerthc
Rechtögemcinschaft
in
der
und die
Beurtheilung
der Collisionen würde dadurch nicht beeinträchtigt werden. 11. Daö Oesterreichische bürgerliche Gesetzbuch (1811) beschränkt sich auf zwei
hierher gehörende Bestimmungen,
die mit den oben aufgestellten Grundsätzen übereinstimmcn Die Staatsbürger bleiben auch in Handlungen, die sie
außer diesem Staatsgebiete vornehmen,
(d)
L R
(5ml. 8 35 „ Doch
Der § 26
diese
Gesetze
enthält eine
ähnliche,
an
wird ein Fremder, der in hiesigen
aber weit weniger wichtige,
Landen Verträge über daselbst be-
stimmnng.
Beide Stellen
Be
fehlten
ui An-
in dem Entwurf, und wurden erst
sehimg seiner Fähigkeiten, zu Han-
später anfgenommen, mit Rücksicht
deln, nach denjenigen Gesetzen be-
ans die
urtheilt,
Schwierigkeit.
kindliche Sachen schließt,
luiig
nach
am
welchen die Hand-
besten bestehen
kann".
oben erwähnte praktische
Borne mann
Prenß. Recht B. 1 S. 53 Note 1.
§. 363.
I.
145
Zustand der Person an sich. (Forts.)
(also an die Gesetze ihres Wohnsitzes) gebunden, „insoweit
als ihre persönliche Fähigkeit, sie zu unternehmen, dadurch
eingeschränkt wird" (e). Eben so wird für Fremde bestimmt:
„Die persönliche
Fähigkeit der Fremden zu Rechtsgeschäften ist inSgemein nach den Gesetzen deS Ortes, denen der Fremde vermöge
seines Wohnsitzes
AuS diesen Stellen,
unterliegt, zu beurtheilen" (f). so
allgemein
sie
auch
gehalten
sind, geht doch unzweifelhaft hervor, daß für Inländer und Ausländer der persönliche Zustand nach gleichem Grundsatz, und zwar nach dem örtlichen Rechte des Wohnsitzes zu be-
urtheilen ist;
ferner, daß diese Beurtheilung nicht blos zu
beziehen ist auf die Eigenschaften an sich (z. B. ob Jemand minderjährig ist oder nicht), sondern auch auf die rechtlichen
Wirkungen dieser Eigenschaften, da in beiden Stellen aus drücklich erwähnt wird, die „persönliche Fähigkeit, sie (die Handlungen) zu unternehmen, die persönliche Fähigkeit
zu Rechtsgeschäften." Dagegen findet sich hier eine besondere Vorkehrung we
gen des, vielleicht unbekannten, örtlichen Rechtes, dem der
Ausländer unterworfen sein kann, nicht (g). (e)
Oesterr. Gesetzbuch § 4.
gleichung des § 34 mit § 35 — 37
(f)
Ebendas. 8 34.
muß man sich überzeugen, daß nur der § 34 von der persönlichen
(g) Zwar könnte man hierauf veziehen den § 35, indem man ihn
Handlungsfähigkeit spricht, anstatt
wie die oben erwähnte Vorschrift
daß tu drei folgenden SS von der objectiven Natur und Gültigkeit
de« Preußischen Rechts (Note d.).
der Rechtsgeschäfte reden.
in einem ähnlichen Sinne auffaßte,
Allem bei einer unbefangenen Ver-
VIII.
10
146 Buch III. Herrschaft der RechtSregrln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
III.
Das Französische Gesetzbuch enthält über unsre
Frage nur folgende ganz kurze Stelle:
„Les lois concer-
nant l’etat et la capacite des personnes regissent les Fran-
itae allein entscheidet,
bezweifelt,
nach
auf bewegliche Sachen anzuwenden diesem
Gesetz das
Sache einmal erworben,
ist.
Ist
Eigenthum einer solchen
so muß dieses Eigenthum auch
in jedem anderen Staate anerkannt
werden,
wenngleich
dieser Staat eine gleichartige Erwerbung innerhalb seiner
Gränzen nicht anerkannt haben möchte. 4.
In den Formen der Veräußerung,
das heißt,
der
freiwilligen Uebertragung des Eigenthums an eine andere
Person,
kommen sehr verschiedene Rechtsregeln vor,
und
nach dem oben aufgestellten Grundsatz müssen wir die am
Ort der gelegenen Sache
geltende Rechtsregel anwenden,
ohne Rücksicht auf den Wohnsitz der einen oder der anderen
184 Buch III. Herrschaft der Recht-regeln. Rap. 1. Örtliche Gränzen. Person,
und ohne Rücksicht auf den Ort des geschlossenen
Vertrages.
So beruht nach dem Römischen Recht die Veräußerung auf der Uebergabe der Sache.
Nach dem Preußischen Recht
gleichfalls auf der Uebergabe (c)
Nach dem Französischen
Recht wird dagegen die Uebertragung des Eigenthums schon durch den bloßen Vertrag bewirkt (d). Die Anwendung dieser Regeln wird durch folgende Bei spiele anschaulich werden
Wenn ein Pariser sein in Berlin
befindliches Mobiliar einem Pariser in Paris verkauft, geht das Eigenthum
Tradition über
nur durch
so
Wenn
aber umgekehrt ein Berliner seine in Paris stehende Sachen einem Berliner in Berlin verkauft,
bloße Vertrag das Eigenthum
so überträgt schon der
Ganz Dasselbe wird ein
treten, wenn wir in diesen Beispielen die Stadt Köln an
die Stelle von Paris setzen Für die Anwendung dieser Regel wird es genügen, wenn der Aufenthalt der Sache auch nur ein vorübergehen
der,
kurz dauernder,
Uebertragung
des
Handlung beruht,
sevn sollte (e), da in jedem Fall die
Eigenthums
auf einer augenblicklichen
also keinen längeren Zeitraum erfüllt.
(c) A. L R. I. 10. § 1. Vgl Roch Preuß. Recht B. 1 § 252. 255. 174. Selbst die bedeutenden praktischen Erleichterungen bet der unter Abwesenden durch Ueberfen düng vor sich gehenden Tradition
(1. 11 8 128—133) ändern an jenem Grundsatz Nicht-, (d) Code civil art. 1138 Diese« Recht gilt also auch in der Preußischen Rheinprovinz.
(e)
S o § 3ßß S. 181.
S/367.
II.
Sachenrecht.
Eigenthum.
185
Anders wird es sich nur verhalten in den Ausnahmefällen, in
welchen der
augenblickliche Aufenthalt der Sache in
solchem Grade unbestimmt ist, daß auf denselben ein sicheres Bewußtseyn der handelnden Personen gar nicht gerichtet seyn kann,
jn solchen Fällen
werden wir alö Ort der
gelegenen Sache denjenigen Ort zu betrachten haben,
an
welchem die Sache zunächst zu bleiben bestimmt ist, welches
häufig der Wohnsitz des gegenwärtigen EigenthümerS (deS Veräußerers) seyn wird (f).
An allen hier unterschiedenen Fällen kommt es unzwei
felhaft nur auf den Ort an,
an
zur Zeit der Uebertragung befindet.
welchem sich die
Sache
Ist diese Ucbertragung
einmal geschehen, so ist für das Schicksal des Eigenthums
>ede spätere Veränderung des Aufenthalts der Sache gleich gültig, indem das einmal erworbene Eigenthum durch eine solche räumliche Veränderung nicht berührt werden kann.
5.
Der Erwerb des Eigenthums durch Ersitzung un
terscheidet sich wesentlich von dem Erwerb durch Tradition
darin, daß er nicht, wie die Tradition, durch eine augen
blickliche, sondern durch eine über einen längeren Zeitraum verbreitete Thatsache bedingt ist.
(f) S c 8 366 S. 179 Bel Der Veräußerung von Kaufmann Sgutern kommen noch bu sehr zwei felhaften Fragen von dem kauf männischen Zeichen, und (wenn die
Waaren im Transport begriffen sind) von der Wirkung des über tragenen Connoffements in Be tracht. Vgl. Thöl Handelsrecht § 79 80.'
186 Buch UI. Herrschaft der Rechttregeli». Kap.I. Örtlich« Gränzen. Bei unbeweglichen Sachen nun ist die Anwendung des
Rechts der gelegenen Sache ganz unbestritten.
Dagegen
gehen, in Ansehung der Ersitzung beweglicher Sachen, die
Hier aber ist die Frage
Meinungen sehr auseinander (g). dadurch
besonders
wichtig,
daß die Gesetze verschiedener
Länder sehr von einander abweichen.
Das Römische Recht
erfordert einen Besitz von drei Jahren, das Preußische von zehn Jahren (h),
das Französische
keinen fortgesetzteil Besitz,
endlich
erfordert
gar
sondern schließt schon mit dem
Anfang desselben die Eigenthumsklage des früheren Eigen-
thümerS aus; Dieses jedoch mit Ausnahme verlorener und
gestohlener Sachen, deren Schutz aber mit dem Ablauf von drei Jahren aushört (i).
Durch
diese letzte Bestimmung
schließt sich im praktischen Erfolg daS Französische Recht
dem Römischen nahe an. Gerade hier nun erscheint die Anwendung der lex rei sitae vorzugsweise gewiß durch den Umstand, daß die Grund
lage aller Ersitzung der fortwährende Besitz ist
Der Besitz
aber, als ein, seinem Wesen nach, ganz thatsächliches Ver
hältniß, ist noch unzweifelhafter, als jedes dingliche Recht, nach der lex rei sitae zu beurtheilen (§ 368).
(g) Mühlenbruch doctr. Fand. § 73 nimmt ganz richtig die lex rei sitae an. Meier p. 37 die lex domicilii, und zwar nach dem Wohnsitz des Usucapienten, weil dieser während der lau
fenden Usucapion vaS prätorvche Eigenthum schon habe. Schaff ner §. 67 läßt Alles ungewiß (h) A. L. R. l. 9 § 620. (i) Code civil art. 2279
§. 367.
Sachenrecht.
II
187
Eigenthum.
Ein Zweifel kann noch entstehen für die Fälle, in wel
während der
chen der Aufenthalt der beweglichen Sache, Ersitzungszeit,
ist.
innerhalb verschiedener Landgebiete gewesen
Es kann nicht zweifelhaft sein,
daß alle diese Zeiten
des Besitzes zusammengerechnet werden
Der Ab
müssen.
lauf der Ersitzung aber,
also
der
muß nach
vem
Recht des OrtS
Eigenthums,
werden, an welchem
vollendete
zuletzt die Sache
sich
Erwerb des
beurtheilt
befindet,
weil
erst mit dem Ablauf des ganzen Zeitraums die Veränderung im erst
Eigenthum eingetreten,
vorher
vorbereitet worden ist (k).
aber eine
solche nur
Ist einmal nach diesem
Recht durch Ersitzung daL Eigenthum erworben, dasselbe auch
wenngleich
in jedem anderen Lande
Has Gesetz
anerkannt
so muß
werden,
dieses Landes einen längeren Zeit
raum erfordern möchte. 6.
Die Verfolgung des Eigenthums durch Klage,
allen dazu gehörenden näheren Bestimmungen,
mit
ist zu beur
theilen nach dem Recht des Ortes, an welchem der Prozeß
geführt wird (1). Dieses kann der Ort der gelegenen Sache sein, wegen des an diesem Orte begründeten Gerichtsstandes (§ 366. a);
alsdann ist die lex rei sitae anwendbar.
Es
kann
aber
auch der Wohnsitz deS Beklagten sein, weil nach gemeinem
(k) Es gilt also Biet derselbe Grundsatz, wre bet der zeitlichen Cellisten der Usucaptonsgesetze (§ 391. b).
(1)
S c § 361 Nnm. 3 C.
188 Buch III. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. örtliche Gränzen.
Recht beide Arten des Gerichtsstandes in der Art concur riren, daß der Kläger zwischen beiden die Wahl hat;
als
dann ist die lex domicilii des Beklagten anzuwenden auf aste, die Eigenthumsklage betreffende, Rechtsfragen.
ES ist
nicht zu verkennen, daß durch diese alternative Regel eine bedenkliche Willkür in die Hand des Klägers gelegt wird;
sie ist aber hier unvermeidlich. Eine große Verschiedenheit zwischen den Gesetzgebungen findet sich in Ansehung der Beschränkung der EigenthumS-
klage
Das Römische Recht läßt die Klage unbedingt zu ge
gen jeden Besitzer, der nicht Eigenthümer ist, und zwar ohne
Anspruch dieses Besitzers aus Ersatz des auSgelegten Kauf preises - DaS Preußische Recht läßt gleichfalls die un
zu,
bedingte Vindicatio»
jedoch
mit Vorbehalt deS eben
erwähnten Ersatzes an den redlichen Besitzer (m). — DaS Französische Recht läßt in der Regel gar keine Vindication
beweglicher Sachen zu, und macht davon nur einige Aus
nahmen.
bei
gestohlenen
oder verlorenen Sachen binnen
drei Jahren, und bei verkauften, noch unbezablt gebliebenen
Sachen, die gegen den Käufer binnen acht Tagen vindicirt werden können (n).
Der eine oder der andere dieser Grund
sätze wird zur Anwendung kommen müssen,
je nachdem an
dem Ort des Gerichts, vor welchem der Prozeß geführt wird,
das
Römische,
das
Preußische,
das
Französische
Recht gilt.
(IN) A L. R. 1 art. 2102 N. 4.
15 § 1 26
(n)
Code civil art. 2279
$. 368.
189
II. Sachenrecht. Jura in re.
Der eingeleitete Prozeß über das Eigenthum kann be
sondere Folgen mit sich
führen,
insbesondere wegen der
Früchte, wegen des durch den Untergang oder die Beschä
digung der vindicirten Sache begründeten Schadenersatzes u. s. w. (o).
Alle daraus bezügliche Fragen sind gleichfalls
nach dem am Orte des Gerichts geltenden Recht zu ent
scheiden
§. 368.
II
Sa chenrecht.
Jura in re
Aus die dinglichen Rechte außer dem Eigenthum (Jura in re) sind meist ähnliche Grundsätze anzuwenden,
wie auf
das Eigenthum.
1
Daß die Prädialservituten nur nach
der
lex rei
sitae beurtheilt werden können, wird von keiner Seite be
stritten. Eben so verhält es sich mit den persönlichen Servituten, deren Gegenstand in einer unbeweglichen Sache besteht.
Ist der Gegenstand eine bewegliche Sache, so wird von
Vielen die lex domicilii eben so, wie bei dem Eigenthum an beweglichen Sachen, mit Unrecht für anwendbar gehal
Der Parteistreit über diese Frage im Allgemeinen ist
ten.
schon oben ausführlich abgehandelt worden (§ 366).
2.
Die Emphyteuse und die Superficies find keinem
Zweifel unterworfen, da sie nur an unbeweglichen Sachen
$. 368.
189
II. Sachenrecht. Jura in re.
Der eingeleitete Prozeß über das Eigenthum kann be
sondere Folgen mit sich
führen,
insbesondere wegen der
Früchte, wegen des durch den Untergang oder die Beschä
digung der vindicirten Sache begründeten Schadenersatzes u. s. w. (o).
Alle daraus bezügliche Fragen sind gleichfalls
nach dem am Orte des Gerichts geltenden Recht zu ent
scheiden
§. 368.
II
Sa chenrecht.
Jura in re
Aus die dinglichen Rechte außer dem Eigenthum (Jura in re) sind meist ähnliche Grundsätze anzuwenden,
wie auf
das Eigenthum.
1
Daß die Prädialservituten nur nach
der
lex rei
sitae beurtheilt werden können, wird von keiner Seite be
stritten. Eben so verhält es sich mit den persönlichen Servituten, deren Gegenstand in einer unbeweglichen Sache besteht.
Ist der Gegenstand eine bewegliche Sache, so wird von
Vielen die lex domicilii eben so, wie bei dem Eigenthum an beweglichen Sachen, mit Unrecht für anwendbar gehal
Der Parteistreit über diese Frage im Allgemeinen ist
ten.
schon oben ausführlich abgehandelt worden (§ 366).
2.
Die Emphyteuse und die Superficies find keinem
Zweifel unterworfen, da sie nur an unbeweglichen Sachen
190 Buch m. Herrschastder Rechtsregeln. Kap.I. Örtliche Gränzen, vorkommen können, also, wie alle Parteien annrhmen, nach
dem Recht der gelegenen Sache zu beurtheilen sind.
3.
Das Preußische Recht giebt dem Miether, Pächter,
und ähnlichen Jnhabem fremder Sachen zum Zweck eige
ner Benutzung, ein dingliches Recht mit einer Klage in rem gegen den dritten Besitzer,
Sache
übergeben
ist (a).
vorausgesetzt,
daß ihnen
Im Römischen
die
Recht kommt
bekanntlich ein solches dingliches Recht nicht vor.
Ohne Zweifel wird nun ein dingliches Recht dieser Art entstehen, wenn die Sache,
sie mag beweglich oder unbe
weglich seyn, im Preußischen Staat zur Zeit der Uebergabe sich befindet;
liegt sie zu jener Zeit in einem, dem Römi
schen Recht folgenden Lande,
so
entsteht
das
dingliche
Recht nicht.
Gesetzt aber, dieses dingliche Recht wird im Preußischen
Staat durch Uebergabe einer gemietheten beweglichen Sache
begründet, und der Besitzer bringt die Sache in ein Land deS Römischen Rechts, so könnte man annehmen, er könne
auch hier das einmal erworbene Recht gegen einen dritten
Besitzer geltend machen. Ich glaube jedoch, Dieses vemeinen zu müssen,
lichen
weil sein Anspruch auf einem ganz eigenthüm
Rechtsinstitut beruht,
das
in
jenem Lande über
haupt nicht anerkannt ist (b). — Uebrigens ist diese Frage
(a) I. 7. Preuß. (b)
a. 8. 91.1.2 § 135-137. § 169. 170. Vgl. Koch Recht B. 1 §. 317. 318. S. o. § 149. B. Dieser
Meinung ist auch Wächter II. S. 388. 389, zwar nicht in dem hier angeführten besonderen Fall, wohl aber in dem ganz gleichar-
$. 368. II. Sachenrecht. Jura in re.
191
nicht von praktischer Erheblichkeit, weil das hier erwähnte dingliche Recht überhaupt
nur
bei unbeweglichen Sachen
in wichtigen Folgen hervortritt.
Das Pfandrecht ist nicht
4.
nur von ausgedehnterer
Wirksamkeit, als die bisher genannten Jura in re,
sondern
auch in der hier vorliegenden Frage größeren Zweifeln und Streitigkeiten unterworfen.
Auch hier muß das örtliche Recht der gelegenen Sache als Regel sestgehalten werden, und die meisten dagegen er hobenen Bedenken beruhen auf bloßem Schein. Ich will damit anfangen, eine Uebersicht der wichtigsten,
dieses Rechtsinstitut im Ganzen betreffenden, heiten zu geben,
Verschieden
die in deutschen Staaten wahrzunehmen
sind. Das Römische Recht bemht auf folgenden Grundsätzen,
a.
Das Pfandrecht entsteht,
als dingliches,
dritten Besitzer verfolgbares Recht, auch
durch bloßen Vertrag,
b.
ohne übergebenen Besitz (c).
gegen jeden
Der Vertrag kann
auch stillschweigend geschlossen werden, indem, neben mehre ren obligatorischen Rechtsgeschäften,
meinen Rechtsregel fingirt wird,
Ligen Fall des Pfandrechtes,
welchem
sogleich
die
Rede
von
seyn
vermöge
einer allge
es sey zur Sicherheit der
in re, das heißt, ein vom Eigen thum
abgezweigtes
Recht,
mit
wird.
Uebergehung der künstlicheren An
(c) Ich beschränke mich hier absichtlich auf das Pfandrecht in seinem eigentlichen Sinn, als jus
nen u. s. w.
wendung desselben auf Obligatio
192 Buch III. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. örtliche Gränzen. Forderung zugleich eine Verpfändung verabredet worden (d).
Bewegliche und unbewegliche Sachen werden,
als Ge
genstände einer Verpfändung, nicht unterschieden,
d. Der
c.
ausdrückliche sowohl, als der stillschweigende Vertrag kann sich beziehen,
nicht nur aus einzelne Sachen, sondern auch
auf ein ganzes Vermögen.
Die Verpfändung dieser letzten
Art hat den Sinn, daß sie alle zu diesem Vermögen jetzt gehörende,
und alle in dasselbe künftig eintretende Sachen
umfaßt, also auch solche Sachen, die nicht einzeln bezeich net, ja nicht einmal einzeln zum Bewußtsevn der Parteien gebracht werden.
Mit Unrecht hat man als den Gegen
stand eines solchen Pfandrechts das Vermögen in seinem
idealen Begriff, abstrahirt von allem Inhalt, ansehen, und daher die juristischen Begriffe der Universitas und successio per universitatem, ähnlich den Verhältnissen deS Erbrechts,
in der That ist dabei nur
darauf anwenden wollen (e);
von einer indirekten Bezeichnung und Begränzung der Ge genstände die Rede,
die
als einzelne Sachen mit dem
Pfandrecht behaftet seyn sollen.
(d) L. 3 in quib caus. (20. 2), „ tacitam conventionem de inveetis illatis . L. 4 pr eod. ,, quasi id tacite convenerit ." L. 6 eod ,, tacite solet conventum ac dpi, ut perinde teneantur invecta et illata, ac si spedaliter convenisset . L. 7 pr. eod.
„ tacite intelliguntur pignori esse etiamsi nominatim id non convenerit.“ Der bei neueren Schriftstellern übliche Aus druck des gesetzlichen Pfandrechts (pignus legale) verdunkel! die wahre Namr des Rechtsinstituts. (e) Ueber diese Begriffe vgl. oben B. 3 § 105.
8 368.
II. Sachenrecht.
Jura in re.
193
Unter den verschiedenen Ländern nun, welche im Ganzen
das Römische Recht befolgen,
kommen gerade im Pfand
recht, neben der eben dargestellten gemeinsamen Grundlage,
manche untergeordnete
Abweichungen vor.
Hauptsächlich
betreffen diese den Umfang des stillschweigenden Pfandrechts,
welches,
je nach den einzelnen Landesgesehgebungen,
mebr bald weniger Fälle von Obligationen umfaßt,
bald die
mit der Fiction eines Pfandvertrages verbunden seyn sollen
Gesetzt nun, es sey von zwei, das Römische Recht im Ganzen befolgenden,
Ländern die Rede
In
dem einen
gelte auch die Regel des Römischen Rechts, nach welchem
das Versprechen,
eine Brautgabe zu bestellen,
stets durch
stillschweigende Verpfändung des ganzen Vermögens sichert ist (f); gehoben.
ge
in dem anderen Lande sey diese Regel auf
Wenn nun zwei Einwohner jenes ersten Landes
einen solchen Dotalvertrag schließen,
der Schuldner aber
besitzt in dem zweiten Lande ein Grundstück,
so fragt es
sich, ob dieses Grundstück dem stillschweigenden Pfandrecht unterworfen sey
Man könnte diese Frage verneinen wollen,
indem man die lex rei sitae zur Anwendung brächte; aber mit Unrecht
Denn
auch das
zweite Land erkennt die
Möglichkeit einer Verpfändung durch bloßen Vertrag, und selbst durch stillschweigenden Vertrag,
an.
Ob nun im
vorliegenden Fall ein solcher Pfandvertrag vorhanden ist, das ist eine thatsächliche Frage, die nur nach demjenigen
(f) VIII.
L. un § l C. de rei ux. act (5. 13).
194
Bnch 111. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen,
örtlichen Recht entschieden werden kann,
das
überhaupt
unter
welchem
hier geschlossene Rechtsgeschäft steht (g)
Nach diesem Recht aber wird fingirt, es sey eine ausdrück liche Verpfändung des ganzen Vermögens, also auch jenes
auswärtigen Grundstücks, vorgenommen worden, und daher
muß das Grundstück als mitverpfändet gelten (h). der Dotalvertrag in dem zweiten Lande,
desselben, geschlossen worden, stück,
noch
das
Wäre
von Einwohnern
so würde weder das Grund
übrige Vermögen des Schuldners,
als
verpfändet anzusehen seyn Eine ungleich
größere Verschiedenheit aber findet sich
zwischen den deutschen Ländern, recht im Ganzen anerkennen,
die das Römische Pfand
und denen,
die das Pfand
recht auf eine ganz neue Grundlage stellen.
Ich will als
Typus dieser letzten die Preußische Gesetzgebung annehmen,
worin ein solches neues Recht am vollständigsten ausgebildet
erscheint.
Einzelne Bestandtheile davon finden sich auch in
anderen Ländern, und eS wird nicht schwer seyn, die hier folgenden Regeln auch auf diese anzuwenden
Das Preußische Recht versagt dem bloßen Vertrag all gemein die Kraft,
ein Pfandrecht als dingliches Recht zu
Welches örtliche Recht als
§ 23. 24, aber auS einem Grunde,
solches anznsehen ist, wird ui bem
den ich nicht als richtig anerkenne.
(g) gleich
folgenden Abschnitt (Obli
gationenrecht)
feftgeftellt
werden
(§ 374. D ). (h) Dieselbe Entscheidung ge ben Meier p. 39— 41. Meißner vom stillschweigenden Pfandrecht
Das Recht des Wohnsitzes,
als
solches, soll entscheiden, gerade wie bei Fragen des Erbrechts
weil
hier das ideale Vermögen, die Universitas, Gegenstand der Ver pfandung sey.
§. 368.
erzeugen.
II
Sachenrecht.
195
Jura in re.
Es unterscheidet ferner unbewegliche und beweg
liche Sachen.
Bei den unbeweglichen entsteht daö dingliche
Recht nur durch die Eintragung in das Hypothekenbuch (i). Ein Vertrag über die Eintragung eines bestimmten Grund stücks ist ein Titel, auf desfen Grund die Eintragung selbst
gefordert werden kann,
ein allgemeiner Pfandvertrag über
das ganze Vermögen giebt einen solchen Anspruch für ein zelne Grundstücke nicht (k). — An beweglichen Sachen ent steht ein dingliches Pfandrecht nur durch die Uebergabe (1);
Vertrag
ein
über
die Verpfändung
bestimmter
einzelner
Sachen ist ein Titel zum Anspruch aus diese Uebergabe (m).
Wenn nun in einem Lande, worin das Römische Recht gilt,
eine Verpfändung
durch Vertrag
ausdrücklich oder
stillschweigend vorgenommen wird, so kann diese an den in
Preußen befindlichen Sachen des Schuldners kein Pfand recht erzeugen.
Sie kann höchstens als Titel gelten,
um
an jenen Sachen die Bestellung eines Pfandrechts (durch
Eintragung oder Uebergabe) zu fordern, und auch das nur unter den
so
eben
(Noten k. m.). —
angegebenen besonderen Bedingungen Wird aber umgekehrt in Preußen ein
Pfandvertrag über einzelne Sachen oder über ein ganzes
Vermögen geschloffen, und hat der Schuldner VermögenS-
(i)
A. 8. 9t. 1 20 § 411 412.
(k) Ebendas. § 402. 403. (l) Ebendas. §111 (m)
Ebendas. § 109. HO. —
Ein allgemeiner Verpfändung-ver
trag giebt diesen Anspruch nur in den besonderen Fällen, worin auch
eine
Caution-leistung
werden kann.
gefordert
Ebendas. $ 112.
196 Buch III. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. Örtliche Gränzen,
stücke, die in einem Lande des Römischen Rechts liegen, so ist kein Hinderniß vorhanden,
diese Vermögensstücke als
gültig verpfändet zu behandeln, da das Römische Recht die Verpfändung durch Vertrag
weder von einem bestimmten
Ort des geschlossenen Vertrags, noch von einem bestimmten Wohnsitz des Verpfänders abhängig macht.
Es kann und
muß also hier die lex rei sitae ungestört zur Anwendung kommen (n). Nur folgender Fall bleibt dabei noch zu erwägen übrig.
Wenn in einem Lande des Römischen Rechts eine beweg liche Sache durch Vertrag,
sey es ausdrücklich oder still
schweigend, gültigerweise verpfändet, die Sache aber nach her nach Preußen gebracht wird; wirkt nun das Pfandrecht fort,
so
daß
die
Sache auch hier mit einer Klage gegen
jeden Besitzer (sey es der Schuldner oder ein Dritter) ver
folgt, und eben so von dem Pfandberechtigten, wenn dieser durch Zufall, ohne Uebergabe, den Besitz erlangt, veräußert werden kann?
Man möchte geneigt sein, diese Frage zu
bejahen, weil scheinbar das einmal erworbene Recht durch
Eine buchstäbliche Anwen
Fall umgekehrt denkt. Denn so müßte
Allg. Landrechts Eint.
auch der Stralsunder seine beweg
§ 28 würde dahin führen, daß ein Berliner tu Stralsund (wo Rö
liche Sache durch bloßen Vertrag
misches Recht gilt) seine bewegliche Sache nicht durch bloßen Vertrag
können,
(n) dung
des
in
Berlin
dergestalt
verpfänden
verpfänden könnte, so daß diese Ver
daß die Verpfändung in Berlin wirksam wäre. Diese letzte Behauptung wird schwerlich irgend
pfändung in Stralsund wirksam wäre (§366.h). Die Widersinnig
einen Vertheidiger finden, und doch folgt auch sie aus der völlig
keit dieser Behauptung wird beson
buchstäblichen Anwendung des § 28.
ders einleuchtend, wenn man den
die
Veränderung
Sachenrecht.
II.
§. 368.
Orts
des
197
Jura in re
Kraft
seine
verlieren
nicht
kann.
Dennoch
Es
sen
glaube
ist
ich,
nämlich
die Frage verneinen zu müs
in einem
solchen Fall
einem und demselben Pfandrecht die Rede,
nicht von
das nur in
mehreren Ländern auf verschiedene Weise erworben werden
etwa so, wie das Eigenthum hier durch Tradition,
möchte,
dort
durch bloßen Vertrag erworben wird,
überall
gleichmäßig
Vielmehr
ist
anerkannt,
das Pfandrecht
ganz anderes Rechlsinstitut,
als
Eigenthum
dennoch wirkt.
bloßen Vertrag
durch als das,
Uebergabe begründet werden kann,
und
ein
welches nur durch
und beide haben nur
den Rainen und den allgemeinen Zweck mit einander ge> mein.
Wenn daher die oben erwähnte bewegliche Sache in
das Gebiet
der
Preußischen
Gesetzgebung
hereingebracht
wird, und hier das anderwärts durch bloßen Vertrag be gründete Pfandrecht geltend gemacht werden soll, so beruft
sich der angebliche Pfandgläubiger auf ein im Preußischen Staat nicht anerkanntes Rechtsinstitut und ein solches Ver
fahren
den (o)
ist schon oben als
unzulässig
Dagegen kann umgekehrt
(o) S c § 349 B — Die selbe Meinung wird vertheidigt in den Ergänzungen zum A L R von G r ä ff u. s w. B I S 116 Ebe» io auch von Wächter II S. 38i>. 388. 389, tn Bezie hung auf das Württembergische
nachgewiesen wor
der Pfandgläubiger,
Recht, welche« hierin nut dem Preußischen übereinstimmt. Er giebt als Grund an, daß das Ge setz hier bas Pfandrecht an Mo bilien tn Entstehung und im Fortbestehen nur in der Form des Faustpfandes anerkenne Diese
198 Buch III Herrschaft der RechtSregeln. Kap.I. Örtliche Gränzen,
welchem in Preußen eine bewegliche Sache durch Uebergabe
verpfändet worden ist, sein Recht auch in einem Lande des Römischen Rechts geltend machen, da er alle Bedingungen in fich vereinigt, die hier zu einem wirksamen Pfandrechte
erfordert werden.
Die Rangordnung mehrerer an derselben Sache begrün
deter Pfandrechte ist nach der lex rei sitae zu beurtheilen Diese Rangordnung kann besonders auch im Concurse zur
Sprache kommen,
und von diesem Falle wird noch unten
gehandelt werden (8 374) 5.
renden,
Was hier von den dem Römischen Recht
angehö
und den ihnen durch neuere Gesetzgebung nachge-
bildeten dinglichen Rechten gesagt worden ist, muß eben so
von den rein germanischen gelten.
Das
Recht
an Lehen
und Fideicommissen ist stets ein Recht an bestimmten Grund
stücken, und wird also beherrscht von dem Gesetz des Ortes, an welchem die Grundstücke liegen
Im Laufe dieser Untersuchung über das Gesetz, welchem die dinglichen Rechte unterworfen sind, gehörigen Orte
habe ich an jedem
sogleich die oben (§ 344 e)
vorbehaltene
Frage eingeschaltet, inwiefern das anwendbare Gesetz durch
Begründung ist wesentlrch biefelbe, wie die von mir versuchte, und nur
in der AuSdruckSwerse davon verschieden.
§, 3G8.
II Sachenrecht.
Jura in re.
199
eine Veränderung in dem Aufenthalt der beweglichen Sache, die den Gegenstand eines dinglichen Rechts bildet, so oder
anders bestimmt werden müsse.
Der
Rechte,
Besitz
gehört
zwar
nicht unter die dinglichen
jedoch wird an der gegenwärtigen Stelle,
neben
den dinglichen Rechten, die Frage nach dem auf den Besitz
anwendbaren örtlichen Recht zweckmäßiger,
als an irgend
einer anderen Stelle, behandelt werden können
Der Besitz selbst ist, seiner Natur nach,
ein rein that
sächliches Verbältniß (p), und als solches kann er nur dem
örtlichen Recht der gelegenen Sache unterworfen seyn,
er
mag sich auf bewegliche oder unbewegliche Sachen beziehen. Nach diesem Recht allein also ist die Frage nach dem Er werb und Verlust irgend eines
Besitzes,
also
nach
dem
Daseyn desselben, zu entscheiden, ohne Unterschied, um wel ches Zweckes und
Erfolges Willen diese Frage irgendwo
aufgeworfen werden möge
An den Besitz aber knüpfen sich
zwei rechtliche Folgen, die Usucapion und die possessorischen
Interdikte
Die erste hat gar keine selbstständige Natur,
fällt vielmebr mit dem Eigenthum zusammen, und gehört mit diesem zur lex rei sitae
(§ 367 Num. 5).
—
Die
possessorischen Jnterdicte, als die zweite Folge des Besitzes,
geboren unter die obligationes ex delicto (q), stehen also
(p) Savlgn» Recht des Besitze« § 5. o o. D §. 6. 37
(q) Savrgny
200 Buch III Herrschaft der RechtSregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen, unter dem örtlichen Rechte des Gerichts, vor welchem der Rechtsstreit geführt wird (r). Indessen ist dieser Satz von weit geringerer Erheblichkeit, zuschreiben möchte
als man ihm auf den ersten Blick
Er betrifft nämlich nur das eigentlich
delictartige Element in den Besitzklagen,
also
ihre
Straf
natur, welches der bei weitem geringere Bestandtbeil ibres
juristischen Gehaltes ist
Der weit wichtigere Bestandtheil,
die Frage nach dem Daseyn und der Anerkennung des Be sitzes,
ist
aber
von
jedem Richter,
wie so eben bemerkt
wurde, lediglich nach der lex iei sitae zu entscheiden.
369
§.
III
Obligationen recht
Einleitung
Bei den Obligationen, wie bei den dinglichen Reckten, tritt die Person aus ihrer abstracten Persönlichkeit beraus
in das örtliche Rechtsgebiet eines einzelnen Rechtsverhält nisses (8 345. 360. 3b6)
Auch hier also haben wir die
stets wiederkehrende Frage zu beantworten,
wo der wahre
Sitz jeder Obligation ist, an welchem Ort im Raunt sie ihre
Heimath hat.
Denn aus diesem Sitz der Obligation, aus
dieser ihrer Heimath, werden wir zugleich den besonderen
(r) S. u. 8 374 C Dieses kann nun allerdings das Forum rei sitae seyn, welches unstreitig für die Besitzklagen stets begründet ist. L- un C. ubi de poss (3 IG),
A ov 69 C 1 ES kaun aber auch das davon vielleicht verschiedene Forum domicilii seyn, indem dieses Mit lenem eleetiv concurrirt (8 371 Note n. lind p )
200 Buch III Herrschaft der RechtSregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen, unter dem örtlichen Rechte des Gerichts, vor welchem der Rechtsstreit geführt wird (r). Indessen ist dieser Satz von weit geringerer Erheblichkeit, zuschreiben möchte
als man ihm auf den ersten Blick
Er betrifft nämlich nur das eigentlich
delictartige Element in den Besitzklagen,
also
ihre
Straf
natur, welches der bei weitem geringere Bestandtbeil ibres
juristischen Gehaltes ist
Der weit wichtigere Bestandtheil,
die Frage nach dem Daseyn und der Anerkennung des Be sitzes,
ist
aber
von
jedem Richter,
wie so eben bemerkt
wurde, lediglich nach der lex iei sitae zu entscheiden.
369
§.
III
Obligationen recht
Einleitung
Bei den Obligationen, wie bei den dinglichen Reckten, tritt die Person aus ihrer abstracten Persönlichkeit beraus
in das örtliche Rechtsgebiet eines einzelnen Rechtsverhält nisses (8 345. 360. 3b6)
Auch hier also haben wir die
stets wiederkehrende Frage zu beantworten,
wo der wahre
Sitz jeder Obligation ist, an welchem Ort im Raunt sie ihre
Heimath hat.
Denn aus diesem Sitz der Obligation, aus
dieser ihrer Heimath, werden wir zugleich den besonderen
(r) S. u. 8 374 C Dieses kann nun allerdings das Forum rei sitae seyn, welches unstreitig für die Besitzklagen stets begründet ist. L- un C. ubi de poss (3 IG),
A ov 69 C 1 ES kaun aber auch das davon vielleicht verschiedene Forum domicilii seyn, indem dieses Mit lenem eleetiv concurrirt (8 371 Note n. lind p )
8 369.
111
ObllgaM'iieurecht.
Einleitung.
201
Gerichtsstand derselben, so wie das örtliche Recht erkennen
nach welchem sie zu beurtheilen ist Die Beantwortung dieser Frage ist gerade bei den Obli-
galioneil
aus
folgenden Gründen,
mehr
als anderwärts,
schwierig und zweifelbaft.
Erstlich bat die Obligation einen Gegenstand von un sichtbarer Natur, in Vergleichung mit dem dinglichen Recht,
welches an einem sinnlich wabrnebmbaren Gegenstand, einer
Sache, bastel
Wir müssen lins also jenes Unsichtbare in
der Obligation erst zu verkörpern suchen.
Ferner bezieht sich iede Obligation wesentlich auf zwei verschiedene Personen; in ver einen erscheint sie als erweiterte
Freibeit, als Herrschaft über einen fremden Willen: in der anderen
als beschränkte Freibeit,
citiern fremden Willen (a).
zwar eng verbundenen,
Nach
als
Abhängigkeit
welchem
dieser
dennoch verschiedenen,
von
beiden,
Verhältnisse
tollen wir nun den Sitz der Obligation bestimmen? — Ohne Zweifel nach dem Verhältniß des Schuldners,
der
Person des
Schuldners
vorhandene
da die in
Nothwendigkeit
einer Handlung das eigentliche Wesen der Obligation aus macht.
Diese Annahme wird bestätigt durch den unbestrit
tenen großen Einfluß Gerichtsstand,
des Orts
der Erfüllung
auf den
indem die Erfüllung vorzugsweise in einer
Thätigkeit des Schuldners besteht, neben welcher eine Thä
tigkeit des Gläubigers entweder gar nicht,
(a)
S. i? B. 1 8 56.
oder doch nur
202 Buch III Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. Örtliche Gränzen, in untergeordneter,
mitwirkender Weise vorkommt.
Ferner
durch den inneren Zusammenhang des örtlichen Rechts mit dem Gerichtsstand, welcher letzte stets auf die Person deS Beklagten, hier also des Schuldners, sich bezieht.
Endlich entsteht noch eine Schwierigkeit aus der Gegen seitigkeit, welche, wenn auch nicht bei allen, doch bei vielen Obligationen vorkommr.
Wo
diese vorhanden
ist,
da ist
lebe der beiden Personen als Schuldner anzusehen, nur in Beziehung aus verschiedene Handlungen,
eben aufgestellte Regel
weshalb
die so
der überwiegenden Berücksichtigung
des Schuldners nicht mehr auszureichen scheint
Allein in
jeder gegenseitigen Obligation lassen sich die beiden getrenn
ten Schuldverhältnisse stets als getrennte behandeln, so daß uns auch hier Nichts hindert,
für
>ede der beiden,
durch
diese Trennung entstehenden, Hälften, den Gerichtsstand und das örtliche Recht nach der Person des Schuldners zu be
stimmen
Ja
sogar
ist
diese
absondernde Auffassung als
die ursprüngliche und natürliche anzusehen,
die zusammen
fassende Behandlung und Bezeichnung als eine abgeleitete und künstliche, welche jedoch in der innigen Verbindung der
beiden Obligationen ihre Rechtfertigung findet
Die Rich
tigkeit der hier aufgestellten Ansicht wird bestätigt durch die
bei den Römern sehr gewöhnliche Abschließung eines Kauf vertrags u. s. w
durch zwei getrennte Stipulationen (b).
(b) Es sott habet nrcht geleugnet cer Hälften einer zweiseitigen Oblu werden, daß in manchen Fällen gation, namentlich m Beziehung diese abfonbernbe Behandlung bei- auf das örtliche Recht, Zweifel und
§. 369
III
Obltgationenrecht.
203
Einleitung.
Bei den Obligationen finden wir wieder den schon öfter
hervorgehobenen Zusammenhang zwischen dem Gerichtsstand
zeigt sich
aber
und dem Recht (§360 Rum. 1)
Derselbe
hier wichtiger und einflußreicher,
als anderwärts, weil im
Römischen Recht der für die Obligationen geltende beson dere Gerichtsstand sorgfältig ausgebildet erscheint,
anstatt
daß das örtliche Recht fast gar nicht erwähnt wird
Den
noch
passen
die den Gerichtsstand' bestimmenden 'Gründe
durchaus auch auf das örtliche Recht, indem Beides
auf
dem gleichmäßigen Gehorsam gegen verschiedene Zweige der örtlichen öffentlichen Zustände beruht
Wir können
aus den Bestimmungen des Römischen Gerichtsstand der Obligationen
Rechts
mit Sicherheit
daher
über den abnehmen,
in welchem Sinne das örtliche Recht der Obligationen auf
zufassen ist Der specielle Gerichtsstand, wie daS örtliche Recht der
Obligationen, beruht
auf einer freiwilligen Unterwerfung
(§ 360. Num. 2), die in den meisten Fällen nicht ausdrück
lich erklärt
wird,
sondern
nur
aus
den
Umständen
zu
schließen ist, eben deshalb aber auch durch eine entgegenge setzte ausdrückliche Erklärung ausgeschlossen wird (c).
Die
Umstände also, unter welchen eine Obligation entsteht, kön-
Verwickelungen mit sich führen kann. Grundsätzlich aber ist sie darum nicht weniger richtig, und sie wird auch von Anderen für mehrere Fälle der Anwendung be
hauptet. Vgl. Wächter II. S. 45. (c) L. 19 § 2 de jud. (5. 1) ,, nisi alio loci, ut defenderet, convenit“ .
204 Buch III. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. Örtliche Gränzen,
nen oft in Anderen eine bestimmte wohlbegründete Erwar tung erregen,
und diese Erwartung soll dann auch nicht
Das ist der Gesichtspunkt, von welchem
getäuscht werden.
aus sowohl der Gerichtsstand der Obligationen,
als das
örtliche Recht derselben, aufgefaßt werden muß. Freiwillige Unterwerfung ist nun auch der Grund des
prorogirten Gerichtsstandes, und daher ist eine Verwandt schaft zwischen diesem und dem Gerichtsstand der Obliga
tionen unzweifelhaft, obgleich dieser letzte eine mehr objective,
der prorogirte eine mehr subjektive Natur hat, die Rücksicht
auf ein bestimmtes Gericht, oft auch auf bestimmte Gerichts personen.
Den Gerichtsstand d« Obligation als eine reine
Anwendung des prorogirten, als einen einzelnen Fall dessel
ben, aufzufassen,
ist wohl nicht gerechtfertigt (d).
Das
eigentliche Interesse dieser Frage möchte etwa darin beste
hen, daß es nach Römischem Recht zweifelhaft ist, ob die Prorogation
(d)
Über
streng
diese
bindet (e).
Frage
wird
gestritten zwischen Beth mann Hollweg Versuche S. 20 — 27 S. 50 und Linde Abhandlungen B. 2 S. 75 sg. Der letzte aber irrt offenbar darin, daß er bei den Obligationen nicht blos den Aus druck des prorogirten Gerichts standes verwirft, sondern selbst die freiwillige Unterwerfung als Rechts grund. — Die Hauptstelleu üb er den prorogirten Gerichtsstand find: L. 1 L. 2 pr. § 1 de jud. (5.1),
Der Gerichtsstand
der
L. 15 de jurisdict. (2.1), L. 1 C. de jurisdict. (3. 13). (e) Nach L. 29 C. de pact. (2.3) scheint sie bindend, nach L. 18 de jurisdict. (2.1) wider ruflich. Die letzte Stelle setzt Wohl ein nudum pactum voraus, so daß die Stipulation allerdings bindend war, und eben so das pactum adjectum neben einem 1). f. contractus ( Cato de re rüst. 149). Vgl. auch Holl weg Versuche S. 12.
§. 370. III. Obligationenrecht
Gerichtsstand der Obligation. 205
Obligation dagegen ist ganz gewiß bindend für den Beklag ten, und eben so gewiß nicht bindend für den Kläger,
zwischen diesem
Gerichtsstand
speciellen
und dem
der
forum
domicilii des Beklagten freie Wahl hat (f).
§.
III
370. Gerichtsstand der Obligation.
Obligationenrcckt
Schriftsteller.
ikindc Archiv für civilistische Praris Band 7. S 79
(1824).
Abhandlungen B
2
75—121 (1829),
S
Bethmann Hollweg Versuche Rum
v
59 —
I
S
1—77
(1827).
Mühlenbruch Archiv B
19
S. 337- 384 (1836)
Albrecht Programm über das Motiv des forum con-
tractus.
Würzburg 1845.
Es sind oben drei in sich zusammenhängende Fragen auf
geworfen worden (§ 369):
Wo ist der Sitz einer Obliga
tion? Wo ist der besondere Gerichtsstand derselben? Wo ist
(f)
Vgl. unten
§ 371
Der
und die Ereculion erleichtert wer
Grnnd des speciellen GenchtSstan
den , vielleicht auch die Prozeßfüh-
des der Obligationen ist also gewiß
rung selbst, indem er dadurch oft
nicht
an dem
die Begünstignng
klagten
(wie
Linde
des Be
aiinimnu,
Archiv VII. S. 67), sondern de«
Klägers.
Diesem soll der Beweis
eigenen Wohnfitz
klagen
kann, nicht blos an dem des Be
klagten.
§. 370. III. Obligationenrecht
Gerichtsstand der Obligation. 205
Obligation dagegen ist ganz gewiß bindend für den Beklag ten, und eben so gewiß nicht bindend für den Kläger,
zwischen diesem
Gerichtsstand
speciellen
und dem
der
forum
domicilii des Beklagten freie Wahl hat (f).
§.
III
370. Gerichtsstand der Obligation.
Obligationenrcckt
Schriftsteller.
ikindc Archiv für civilistische Praris Band 7. S 79
(1824).
Abhandlungen B
2
75—121 (1829),
S
Bethmann Hollweg Versuche Rum
v
59 —
I
S
1—77
(1827).
Mühlenbruch Archiv B
19
S. 337- 384 (1836)
Albrecht Programm über das Motiv des forum con-
tractus.
Würzburg 1845.
Es sind oben drei in sich zusammenhängende Fragen auf
geworfen worden (§ 369):
Wo ist der Sitz einer Obliga
tion? Wo ist der besondere Gerichtsstand derselben? Wo ist
(f)
Vgl. unten
§ 371
Der
und die Ereculion erleichtert wer
Grnnd des speciellen GenchtSstan
den , vielleicht auch die Prozeßfüh-
des der Obligationen ist also gewiß
rung selbst, indem er dadurch oft
nicht
an dem
die Begünstignng
klagten
(wie
Linde
des Be
aiinimnu,
Archiv VII. S. 67), sondern de«
Klägers.
Diesem soll der Beweis
eigenen Wohnfitz
klagen
kann, nicht blos an dem des Be
klagten.
206 Buch 111 Herrschaft der Recht-regeln. Kap 1. örtliche Gränzen,
das örtliche Recht aufzusuchen, welches auf sie angewendet werden muß?
Die erste dieser drei Fragen hat eine theo
retische Natur, und dient blos als Grundlage für die rich
tige Beantwortung der beiden anderen, weshalb sie mit der zweiten
Frage
sogleich
zusammen
gefaßt
werden
kann
Diese zweite, den Gerichtsstand der Obligation betreffende, Frage hat im Römischen Recht zu einer Reihe von prak
tischen, sebr in das Einzelne gehenden Entscheidungen ge führt, weshalb die Meinungsverschiedenheiten unsrer Schrift steller weniger den Inhalt der Rechtsregeln, als deren An
ordnung und Begründung betreffen, also eine mehr theore tische,
als praktische Natur haben
Der besondere Gerichtsstand der Obligation (zusammen fallend mit dem wahren Sitz der Obligation)
beruht auf
freier Unterwerfung der Parteien, die jedoch meist nicht in einer ausdrücklichen, sondern in einer stillschweigenden Wil
lenserklärung liegt, und daher stets durch eine entgegenge
setzte ausdrückliche Erklärung ausgeschlossen wird (§ 369).
Wir haben also zu erforschen, auf welchen Ort die Erwar tung der Parteien gerichtet war,
welchen Ort sie sich als
den Sitz der Obligation gedacht haben?
An diesem Ort
haben wir den besonderen Gerichtsstand der Obligation,
vermöge freier Unterwerfung,
anzunehmen
Da aber die
Obligation an sich, als Rechtsverhältniß, ein unkörperliches, nicht räumliches Daseyn hat, so müssen wir in dem natür lichen Entwickelungsgang derselben sichtbare Erscheinungen
aufsuchen, an welche wir das unsichtbare Wesen der Obli-
§. 370. 111. Obligationenrecht. Gerichtsstand der Obligation, 207
um ihr gleichsam einen Körper
gation anknüpfen können, zu verschaffen.
Nun finden wir in jeder Obligation vorherrschend und
gleichförmig zwei solche
sichtbare Erscheinungen,
als leitend ansehen könnten.
jede Obligation wird aber
auch erfüllt durch sichtbare Thatsachen; irgend einem Orte vorkommen
den
wir
Jede Obligation entsteht näm
lich aus sichtbaren Thatsachen:
der
die
beide
müssen
an
Wir können daher entwe der Obligation,
Enlstehungsgrund
oder die
Erfüllung derselben, als Anhalt wählen, um darauf den
Sitz der Obligation, derselben,
zu
so wie den besonderen Gerichtsstand
bestimmen;
Ende der Obligation.
entweder
den Anfang oder das
Welchem von beiden Punkten wer
den wir nach allgemeiner Betrachtung den Vorzug zu geben haben?
Nicht dem Entstehungsgrund.
Dieser ist
an
sich
zu
fällig, vorübergehend, dem Wesen der Obligation und ihrer ferneren Entwickelung und Wirksamkeit fremd.
Sollte dem
Ort, wo die Obligation entstand, in den Augen der Par
teien eine bleibende, in die Zukunft hin wirkende, Wichtig
keit zugeschrieben werden, so könnte Dieses gewiß nicht aus dem Entstehungsgrund an sich
hervorgehen,
sondern
nur
aus der Verbindung desselben mit äußeren, ihm selbst fremd-
artigen Umständen, durch welche eine bestimmte Erwartung
der
Parteien
möchte.
gerade
auf
diesen
Ort
gerichtet
werden
208 Buch III Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Ganz anders verhält es sich mit der Erfüllung, die mit dem eigenstell Wesen der Obligation zusammeil fällt
Denn
die Obligation besteht eben darin, daß irgend Etwas, das früher in der Willkür einer Persoit stand, in ein Nothwen diges. das bisher Ungewisse
in ein Gewisses,
verwandelt
wird, und dieses nothwendig und gewiß Gewordene ist ge Auf diese also ist die ganze Erwar
rade die Erfüllung
tung der Parteien gerichtet, und es liegt daber im Wesen der Obligation,
daß der Ort der Erfüllung als Sitz der
daß
Obligation gedacht,
an diesen Ort der besondere Ge
richtsstand der Obligation durch freie Unterwerfung verlegt
werde
- Bevor aber dieser Gedanke im Einzelnen durch
geführt wird, scheint es räthlich,
auf die unter den
einen vorläufigen Blick
neueren Schriftstellern vorherrschenden
Auffassungen der hier vorliegenden Frage zu werfen. Die meisten Schriftsteller haben von jeher den beson deren
an
Gerichtsstand
welchem
die
der
an
Obligation
Obligation
entstanden
den
Ort
ist.
gesetzt,
Da
nun
die meisten Obligationen aus Verträgen entstehen, so sollte
der Ort, an welchem der Vertrag
geschlossen wurde, be
stimmend seyn für den Gerichtsstand, sich
der sehr
allgemein
verbreitete,
und daraus erklärt keinesweges
quellen
mäßige, Kunstausdruck forum contractus für den besonde ren Gerichtsstand der Obligationen. — Die Erklärung und
scheinbare Rechtfertigung dieser Lehre liegt in einigen Haupt
stellen des Römischen Rechts, in welchen durch ungründ
liche Auslegung das wahre Verhältniß der Regel zur Aus«
§. 370. III. Obligcttiontnrecht. Gerichtsstand der Obligation. 209 nähme, dcö Mittelpunktes zu den untergeordneten Bestim
Die praktischen
mungen, verkannt und verschoben wurde.
Irrthümer,
wozu jener Grundsatz führen konnte,
wurden
nun eben abgewendet durch eine Reihe beigefügter Ausnah
men, die aber den Grundsatz selbst großenthcilö in bloßen Schein auflösten (a). — Nach der oben ausgestellten An
sicht müssen wir diese Lehre im Ganzen verwerfen,
sie eineö inneren Grundes, Obligation entnommen
weil
der nur aus dem Wesen der
werden
könnte,
völlig
ermangelt.
WaS aber an partieller Wahrheit in ihr enthalten ist, wird
in der unten folgenden Lehre seine wahre Stellung finden,
und nach Gebühr anerkannt werden.
Andere Schriftsteller dagegen haben in neuerer Zeit je nen Grundsatz aufgcgeben, und den Gerichtsstand der Obli
gation vielmehr an den Erfüllungsort anzuknüpsen versucht. Mit dieser Grundlage habe ich mich bereits im Allgemeinen
einverstanden erklärt.
Der richtige Erfolg dieses Verfah
rens hängt aber ab von der Art, festgcstellt
werden
soll.
Dieses
wie der Erfüllungsort
kann
zunächst
geschehen
(a) Vgl. oben B. 1 Vorrede ©. XLV. — Jene Stellen sind:
anstatt daß sie in der That nur
L. 3 de reb. auct. jud. (42. 5),
meinen Satz an die Spitze stellt,
L. 21 de 0. et A. (44. 7), vor
dann aber durch hinzugefugte Be
züglich aber L. 19 § 2 de jud.
schränkungen den Leser dahin führt,
(5. 1),
welche allerdings auf den
ersten Blick so aussieht, als wolle
sie so,
wie eS von den Neueren
zu geschehen pflegt,
Regel
und
Ausnahme neben einander stellen,
V11L
versuchsweise einen scheinbar allge
Die wahre Regel, die sie nicht un
mittelbar
auöspricht,
straetion zu finden;
der
Methode
der
angemessen ist.
14
durch
Ab-
ganz wie eS alten
Juristen
210 Buch HI Herrschaft der Rechtsregeln. Kap.I. örtliche Gränzen.
durch den für diese
besondere Obligation ausgesprochenen
Willen der Parteien.
Daß nun an einem solchen Ort der
Gerichtsstand der Obligation anzunehmen sey, bezweifelt worden.
Allein der hier vorausgesetzte Fall ist
gerade der seltnere,
und es bleibt daher für die
Fälle zu untersuchen übrig,
eines
ist niemals
meisten
welcher Ort in Ermangelung
solchen besonderen ausgesprochenen Willens als Er
füllungsort, und (an diesen anknüpfend) zugleich als beson
derer Gerichtsstand ter Obligation angenommen werden soll. Hierüber
wird
von
manchen
folgender
Schriftstellern
Grundsatz ausgestellt:
In Ermangelung des Privalwillens
entscheidet das Gesetz.
Für jede Obligation also giebt es
stets einen fest bestimmten Erfüllungsort; dieser beruht ent weder aus dem besonderen Willen der
dessen Ermangelung,
oder,
Parteien,
auf der Vorschrift des Gesetzes.
in Der
eine wie der andere bestimmt zugleich den besonderen Ge richtsstand der Obligation.
Ich halte diese Lehre für völlig verwerflich,
die Widerlegung derselben erst versllchen, andere durchgeführt habe» werde.
will aber
nachdem ich eine
Diese läßt sich
in
we
nigen Worten so ausdrücken: Der Erfüllungsort wird stets bestimmt durch den
besonderen Willen der Parteien; dieser kann aber entweder ausdrücklich stillschweigend;
er
zugleich
den
erklärt werden,
oder
in beiden Fällen bestimmt
besonderen
Gerichtsstand
der
8- 370. III. Obligationenrecht. Gerichtsstand der Obligation. 211 Obligation, der also stets auf freier Unterwerfung
beruht (8 369)
(b).
Die hier angedeutete Lehre also
unterscheidet sich von
der vorher angegebenen und verworfenen darin, daß an die
Stelle durch
des
gesetzlich
Ersüllungsorteö
bestimmten
Uebereinkunft
stillschweigende
der
bestimmte ge
setzt wirb.
Ich gehe nun zur genaueren Darstellung dieser Lehre über.
I.
Der erste mögliche Fall, den wir zu berücksichtigen
haben, setzt voraus den an sich zufälligen Umstand, daß der besondere Wille der Parteien einen Ort der Erfüllung fest gestellt hat.
Vertrag,
Dieses kann etwa dadurch geschehen, daß der
worin
die
Auszahlung
einer
Geldsumme
sprochen wird, zugleich die Stadt geradezu benennt,
diese Handlung vorgenommen einem
solchen
Fall
dieser
werden soll.
Ort
der
als
ver worin
Daß nun in
besondere
Ge
richtsstand der Obligation gelten soll, ist in unsern Rechts quellen so
(b) überein
deutlich
Wesentlich
Albrecht
besten
Aussührnng
richtig
anerkenne.
und
zugleich so vielfältig gesagt (c),
stimmt damit
(c)
L. 19 § 4 de jud. (5.1),
S. 13—27,
L. 12.3 de reb. auct. jud. (42. 5),
ich
L. 21 de O. et A. (44. 7) „ con-
Er
ganz als
geht aber
traxisse .
. in eo loco intelli-
in dem späteren Theil seiner Ab-
gitur“, C. 17 X de foro comp.
handlnng (S. 28—35) wieder in
(2. 2). — Es gehört dahin auch L. 1 de eo quod certo loco
die oben erwähnte irrige Lehre über, wovon noch unten die Rede
(13. 4).
seyn wird (Note aa).
sagt, daß eigentlich (d. h. abgesehen
Denn indem diese Stelle
14*
212 Buch IU. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. Örtliche Gränzen,
daß darüber zu keiner Zeit ein Zweifel erhoben worden ist (d). Jedoch würde man diesen Fall in zu enge Gränzen ein schließen, wenn man ihn auf die Gestalt beschränken wollte,
die so eben an einem Beispiel anschaulich gemacht worden
ist.
Um Dieses klar zu machen, ist eö nöthig, den natür
lichen Unterschied unter den Handlungen hervor zu heben, die als Gegenstände von Obligationen vorkommen können.
Einige dieser Handlungen,
beschaffen,
daß
an
sie
und zwar die meisten,
sind so
jedem Orte vorgenommen werden
Dahin gehören persönliche Dienstleistungen, ferner
sönnen.
die Bearbeitung beweglicher Sachen,
eben so
die Besitz
übertragung beweglicher Sachen, insbesondere die Zahlung Für diese Handlungen nun kann ein
von baarem Gelde.
bestimmter Erfüllungsort nur in der oben beispielsweise be merkten Gestalt festgestellt werden, nämlich durch wörtliche
Bezeichnung des OrteS, wo sie geschehen sollen. — Andere
von
der
actio
arbitraria)
keinem anderen,
an
als dem be
memtliche Verschiedenheit bis zu dem praktischen Irrthum getrieben,
geklagt
neben diesem Gerichtsstand gleich
werden könne, liegt darin gewiß vor Allem die Regel, daß an
zeitig ein zweites Forum contrac-
diesem Ort die Klage zulässig ist. (d) Manche haben den wahren
trages anzunehmen. So Linde Abhandl. 11. S. 112 — 114. (Vgl.
Gesichtspunkt verdunkelt, indem sie diesen Fall als Forum solutionis
steht neben diesem besonderen Ge
dungenen
Erfüllungsort
bezeichnet, und dadurch als wesent lich verschieden von den folgenden
Unrecht
Fallen
mit
haben.
Andere
angegeben
haben diese ver-
tus am Ort des geschloffenen Ver
Hollweg S 46). Allerdings be richtsstand stets das allgemeine Forum domicilii, so daß zwischen beiden der Klager die Wahl hat (§ 371).
§,370.
111. Obligationenrecht. Gerichtsstand der Obligation.
213
Handlungen dagegen sind schon ihrer Natur nach so auS-
schließend an einen einzelnen Ort gebunden, daß sie nur an Dahin gehört jede Bearbei
diesem gedacht werden können.
tung eines bestimmten Grundstücks, der Aufbau oder die
Ausbesserung eines
Hauses,
Vermiethung,
Verkauf eines HauseS oder Landgutes.
Verkauf besteht
Verpachtung,
Denn bei jedem
die Verpflichtung des Verkäufers in der
Besitzübertragung (e),
diese aber ist an einem Grundstück
nur denkbar da, wo dieses liegt (s).
Daher wäre es eine
ganz müssige, überflüssige Förmlichkeit, in dem Verkauf zu
versprechen, daß die Uebergabe des verkauften HauseS gerade in der Stadt, worin das Haus liegt, vorgenommen werden
solle.
Von
dieser
Förmlichkeit
die
Anwendung
unseres
Grundsatzes abhängig zu machen, ist durchaus kein Grund
vorhanden, und wir müssen also vielmehr behaupten,
daß
die Feststellung des Erfüllungsortes mit ihren Folgen be
wirkt wird nicht nur durch die wörtliche Bezeichnung eines OrtcS, sondern ganz eben so auch durch die Natur einer solchen Handlung, die nur an diesem Orte denkbar ist (g).
Ja es würde selbst ungenau fein, in diesem Fall eine nur stillschweigende Willenserklärung annehmen zu wollen. Denn unter dieser verstehen
wir die auslegende Folgerung aus
L. 11 §2 de act. emti
daß der bisherige Besitzer auch ab-
(19. 1). (f) Die Apprehension ist nur
wesend seyn kann (Ebendas. S. 239). (g) Anderer Meinung hierüber
die Gegenwart des Besitz-
ist Bethmann Hollweg S.47.
(e)
durch
crwerbers
möglich
(Savigny
Recht des Besitzes § 15),
anstatt
—50.
214 Buch III. Herrschaft der Recht-regeln. Kap.I. örtliche Gränzen
einer zu anderen Zwecken,
als der Willenserklärung,
be
stimmten Handlung, welche Folgerung stetö durch eine ent
gegengesetzte ausdrückliche Erklämng ausgeschlossen werden kann (h).
Wenn aber Jemand
ein Haus
verkauft,
das
heißt, zu übergeben verspricht, so ist der besondere Umstand, daß diese Uebergabe gerade da, wo das Haus liegt, gesche
solle,
hen
schon
in
dem
Versprechen
unmittelbar
selbst
enthalten, indem eine Uebergabe an anderem Orte unmög
ist,
lich
so
daß
auch
eine
entgegengesetzte
ausdrückliche
Erklärung über diesen Nebenpunkt völlig widersinnig seyn würde.
Wir gehen jetzt über zu den weit häufigeren und sehr
mannichfaltigen Fällen,
in welchen ein fest bestimmter Er
füllungsort der Obligation nicht vorhanden ist;
diese Fälle
aber werden sich nur beziehen können auf Handlungen, die ihrer Natur nach überall vorkommen können, also nicht mit
einer bestimmten Oertlichkeit zusammen hängen,
weil sonst,
wie so eben gezeigt wurde, eben dieser Zusammenhang den
ErMungsort mit sich führen würde. nun haben wir zu untersuchen,
Für alle diese Fälle
an welchem Orte von den
Parteien die Erfüllung gedacht und erwartet seyn möge;
diesen Ort haben wir als den wahren Sitz der Obligation und als ihren besonderen Gerichtsstand zu betrachten, indem
(h)
S. °. B. 3 8 131.
§. 370. III. Obligattonenrecht
Gcrichtsstanv der Obligation. 215
in jener durch die Umstände begründeten Erwartung eine
stillschweigende Feststellung des Erfüllungsortes,
also
auch eine stillschweigende Unterwerfung des Beklagten unter
den Gerichtsstand dieses Ortes,
enthalten ist.
Aus dieser
Annahme einer stillschweigenden Uebereinkuuft und Unter werfung folgt aber von selbst, daß der durch die folgenden Betrachtungen
festzustellende
besondere
Gerichtsstand
der
Obligation stets ausgeschlossen werden kann durch eine ent
gegengesetzte
ausdrückliche
Willenserklärung
(§ 369. b).
Dieser Grundsatz nun findet sich im Römizchen Recht nirgend
wörtlich ausgesprochen;
allein alle einzelne Entscheidungen
der Römischen Juristen lassen sich ungezwungen auf ihn, und nur auf ihn, zurücksübren, auch steht er in unverkenn
barem Zusammenbang mit der freien Unterwerfung (§369), die za in dieser ganzen Lebre überall als bestimmend anzu sehen ist. Wir werden also nunmehr zurückgesührt auf die That
sachen, die der Obligation ihre Entstehung gegeben haben,
und wir baden, der Reibe nach, diejenigen äußeren Um stände anzugeben, unter deren Voraussetzung der Entstehungs
ort der Obligation von den Parteien zugleich als Erfüllungs ort ,ju erwarten war.
Wenn wir uns bei dieser Unter
suchung an die Aussprüche der Römischen Juristen halten,
welches,
vom Standpunkt des gemeinen Rechts aus, als
richtig und nothwendig nicht bezweifelt werden kann,
so
dürfen wir dabei nicht übersehen, welcher Natur jene Aus sprüche sind.
Sie enthalten nicht etwa Vorschriften des
216 Buch 111. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen, positiven Rechts, sondern leitende Gesichtspunkte, auS welchen der wahrscheinliche, natürliche Gedanke der Parteien zu erkennen ist, neben welchen also stets die besonderen Um stände jedes einzelnen Falles zu beachten sind Wo also diese Umstände auf eine andere Entscheidung führen möchten, da handeln wir ganz im Sinn jener Römischen Aussprüche, wenn wir sie nicht zur Anwendung bringen. Von häu figem Einfluß wird jedoch diese Bemerkung gewiß nicht seyn. II. Um den ersten Fall dieser Art deutlich zu machen, ist eine vorläufige Betrachtung nöthig über die verschiedene Beschaffenheit und äußere Erscheinung der Thatsachen, auS welchen Obligationen entstehen. Die meisten Obligationen entstehen auS einzelnen, vorübergehenden Handlungen So verhält eö sich mit dem häufigsten aller Entstehungsgründe, dem Vertrag, der zwar nicht selten lange vorbereitet wird, dessen wirklicher Abschluß aber stetS eine augenblickliche Erscheinung darbietet, also einen kaum merklichen Zeitraum erfüllt. Dagegen giebt es andere, allerdings seltnere, Obli gationen, die aus einer fortgesetzten, zusammenhängenden Thätigkeit dcS Schuldners entspringen, einer Thätigkeit, die stets einen längeren Zeitraum erfüllt, und zugleich mit einer bestimmten Oertlichkeit in Verbindung steht. Wir können eine Thätigkeit solcher Art, aus welcher, im Lause der Zeit, mehr oder weniger einzelne Obligationen zu entstehen pflegen, mit dem gemeinsamen Namen der Geschäftsführung be zeichnen. Eine Uebersicht der wichtigsten Fälle solcher Art,
g. 370. 111. Obligationenrecht. Gerichtsstand der Obligation. 217
wie sie in unseren NechlSqucllen erwähnt werden, mit An erkennung des dadurch begründeten Gerichtsstandes,
wird
die Sache anschaulich machen (i). Es gehören dahin folgende Fälle
mündige,
so
wie jede Art von Curatel.
sorgung der Geschäfte eines Anderen,
Geschäfte (Eencralmandat), derselben,
Die Tutel über Un
Ferner die Be
sey eS aller seiner
sey cs einer gewissen Klasse
etwa einer Fabrik,
Handlung u. s. w.; sey eS
in Folge eines Vertrags (Mandat oder operae locatac),
oder aber aus einseitigem Willen (negotiorum gestio) (k). Endlich ein fortlaufendes eigenes Bank- und CommissionSAus dieser Uebersicht ergiebt es sich,
geschäft (argentaria). daß
sowohl
eigene,
als
fremde
Gerichtsstand begründen kann,
Geschäftsführung diesen
ferner sowohl ein Vertrag,
als ein Quasicontrakt, welcher der fremden Geschäftsführung^
zum Grunde liegt. nur darin,
bestimmte
Die wesentliche Voraussetzung besteht
daß die fortgehende Geschäftsführung an eine
Oertlichkeit
bleibend
(i) L 19. § 1 de jud. (5. 1), L 36 § 1 L. 45 pr eod.t L 4 § 5 de ed. (2. 13), L 54 § 1 deproc. (3. 3), L I. 2 C. ubi de ratiocin (3.21). — Der Grund der freiwilligen Unterwerfung wird ausdrückltch angegeben bet der nego tiorum gestio in L. 30 § 1 de jud. (5. 1) n non dehet Judicium recusare . . . cum sua sponte sibi hanc Obligationen) contraxerit
geknüpft ist (1).
In den
(k) Ntcht jedes Mandat, und ntcht jede negotiorum gestio ge hören in diese Kategorie; denn beide können auch em einzelnes, vorübergehendes Geschäft zum Gcgenftand haben, wovon hier nicht die Rede ist. (l) L. 19 § 1 de jud. (5. 1) Si quis tutelam . . vel quid aliud, unde obligatio oritur, certo loci adniini\ travit, etsi ibi domicilium non habuit, ibi se debebit desendere“.
218 Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen,
meisten Fällen tritt dieser besondere Gerichtsstand deswegen
nicht merklich hervor,
weil die Geschäftsführung mit dem
Wohnsitz zusammenfällt; sevn,
beide können aber auch getrennt
und dann zeigt sich dieser Gerichtsstand wirksam
(Note l).
Manche einen
ganz
baben diesen Gerichtsstand
Schriftsteller
eigenthümlichen betrachten
als
wollen unter dem
Namen formn gestae administrationK verschieden von dem sogenannten formn contractus
Ganz mit Unrecht, da beide
aus demselben Grunde beruben,
auf der in den Umständen
begründeten Erwartung der Parteien, vaß die aus der Ge-
schästssübrung entstehenden Obligationen auch an dem Ge schäftsort ihre Erledigttng finden werden,
wartung die
dauernde Natur
einer
zu welcher Er
solchen
Verwaltung
gewiß binreichenden Grund darbietet; denn in dieser Ge schäftsführung bat die Gesammtbeit der aus ihr entsprin
genden Obligationen gleichsam ein räumliches,
sichtbares
Daseyn gewonnen, sie erscheint darin wie verkörpert.
Will
man also überhaupt den Kunstausdruck formn contractus
anwenden, so muß man diesen Fall durchaus darunter be
ziehen
Nur darf hier der Entstehungsort der Obligation
nicht da gedacht werden,
wo etwa der Vertrag wegen
Uebernahme des Geschäfts geschlossen worden ist; noch auch
da, wo die einzelnen Kaufverträge, Geldeinnahmen u. s. w Statt gefunden haben,
aus welchen der Geschäftsführer
dem Herrrn des Geschäfts
mag.
verantwortlich geworden seyn
Diese beiden Orte verschwinden hier als unterge-
§.370. III Obligationenreckt
Gerichtsstand der Obligation. 219
ordnet, und das Geschäft selbst, als dauerndes Ganze, muß
als die gemeinsame Grundlage der daraus entspringenden
einzelnen Obligationen angesehen
werden
(m).
Auf den
bleibenden Sitz dieses Geschäfts war der Gedanke, die Er wartung, die freie Unterwerfung der Parteien gerichtet. Es bleiben jetzt noch übrig diejenigen Obligationen,
III.
denen
weder ein bestimmter Erfüllungsort angewiesen
(Num
I), noch eine
stimmten
Orte
fortgesetzte Thätigkeit an einem be
Grundlage
als
ist
(Num
dient
II)
Diese
müssen also insgesammt auf Handlungen, die überall vor kommen können, gerichtet seyn, und zugleich aus einzelnen, vorübergehenden Handlungen entspringen,
denn sonst wür
den sie den ftüher aufgestellten Äategorieen anheim fallen
Bei diesen also haben wir zu untersuchen,
Entstehungsort die
Voraussetzungen die Rücksicht auf den
Erwartung begründet, und
ort,
daher
der
unter welchen
daß dieser zugleich der Erfüllungs wahre
Sitz
der
Obligation,
seyn
werde. Der nächste Fall, auf welchen wir in dieser Reihe von
Betrachtungen geführt werden, besteht darin, daß ein Schuld ner
in
eintritt.
seinem persönlichen Dadurch
unterwirft
Wohnsitz er sich
in
eine Obligation
dem Gerichte dieses
Ortes als dem besonderen Gerichtsstände dieser Obligation.
ES scheint auf den ersten Blick überflüssig, ja widersprechend, den Gerichtsstand,
(m)
der ohnehin
Vgl. Albrecht S. 23.
für diese Person als der
220 Buch 111. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. .örtliche Gränzen,
allgemeine begründet ist,
nun noch als etwas Neues,
einen besonderen Gerichtsstand,
ansehen zu wollen,
als
indem
man annehmen möchte, cS sey ausreichend, in einem solchen Fall blos die gewöhnliche Wirkung des ohnehin geltenden
anzuerkennen..
formn domicilii
die praktische Wichtigkeit der hier aufgestellten
Allein
Unterscheidung bezieht sich auf die Fälle möglicher Verände
Wenn jener Schuldner willkürlich seinen Wohnsitz
rungen.
oder wenn er stirbt,
ändert,
so hat sein bisheriges formn
domicilii, als solches, gänzlich aufgehört.
ausgestellten Eigenschaft,
Aber in der hier
als besonderer Gerichtsstand der
Obligation, dauert er fort:
er folgt dem Auöwandernden
in seinen neuen Wohnsitz nach,
er bindet im Fall deS To
wenngleich dieser einen anderen Wohnsitz
des den Erben,
hat (n). Der
Grund
dieser
eigenthümlichen
Bestimmung
liegt
darin, daß der Schuldner durch die hier übernommene Obli gation die Erwartung erregt hat, er werde sich an dem
selben Orte auch den Folgen derselben unterwerfen (§ 369);
(n)
L. 2
Vgl.
S. 24.
in
L. 19 pr. de jud. (5. 1), C.
de jurisdict
Bethma n n
Nach ihrem Tode wird sie beerbt
H o llwe g
von ihrer Tochter, deren Wohnsitz ui eine Provinz kommt. Hier
Dieser wichtige Satz steht
Verbindung
nut
in ihrer Heimath em Darlehen auf.
13).
(3
dem
oben
gemachten Vorbehalt § 344. e. — Aus diesem Satz tst auch zu
werden die Vormünder im Namen der Mündel verurtheilt. Dennoch, sagt Ulpian, gehört die judicati
45.
de jud. (5. 1),
welche folgenden
voraussetzt.
actio wieder nach Rom, weil die Erblasserin daselbst den Gerichts
Eine Einwohnerin von Rom nimmt
stand der Obligation begründet hatte.
erklären- L
$.370. III. Obligationenrecht. Gerichtsstand der Obligation. 221 diese Erwartung soll nicht getäuscht werden, der Schuldner soll also zwar nicht gehindert werden, seinen Wohnsitz will
er soll aber die an dem alten Wohnsitz
kürlich zu ändern,
übernommenen Obligationen ebendaselbst abwickeln.
IV.
Aber
auch
außer seinem Wohnsitz kann Jemand
als Schuldner in eine Obligation eintreten unter solchen Umständen, welche die natürliche Erwartung erregen, daß der Entstehungsort der Obligation zugleich
ihr Erfüllungsort
seyn werde. Eine solche Erwartung erregt Der, welcher außer seinem
Wohnsitz ein gewerbliches Geschäft von einiger Dauer be gründet, und dabei Einrichtungen trifft, aus welchen abzu
nehmen ist,
er werde die Waaren,
auch eben daselbst abliescrn.
die er hier verkauft,
Dadurch
unterwirft
er
sich
dem besondern Gerichtsstand der Obligation an dem Ort
des
geschlossenen
Vertrags.
ausführlich angegeben,
Dieses
wird
von
Ulpian
und zwar als Warnung gegen die
unbedingte Annahme eines Gerichtsstandes blos deswegen,
weil an irgend einem Orte ein Vertrag geschlossen worden
sey;
er
begründet diese Warnung durch die Erwähnung
eines Durchreisenden, der einen Vertrag schließe, und von
welchem man doch gewiß nicht werde behaupten wollen,
daß er sich einem Gerichtsstand am Ort des Vertrags un terwerfe (o).
(o) L. 19 § 2 de jud. (5. 1) facicns, dclatus ess, tot locis „ . durissimum est, quotquot se defendi. At si quo constilocis quis navigans, vel iter tit, non dico jure domicilii, sed
222 Buch III. Herrschaft der Recht-regeln. Kap.l. örtliche Gränzen.
Aber das hier erwähnte gewerbliche Verhältniß ist über haupt nur als Beispiel, keineöweges als ausschließende Be dingung,
eines Gerichtsstandes der Obligation anzusehen.
Werden nämlich
während
Aufenthaltes
eines
außer dem
Wohnsitz Verträge geschlossen,
so
derselben abgenommen werden,
welchen Gedanken über die
muß
aus dem Jnbalt
Erfüllung die Parteien damit wahrscheinlich verbunden ha
ben mögen.
Wenn also ein Beamter in Folge eines AmtS-
geschäfts, oder ein Abgeordneter zu einer legislativen Ver sammlung, Monate lang an demselben Orte verweilt, und daselbst Schulden contrahirt,
Lebensunterhalt beziehen,
so
die sich auf seinen täglichen
ist
an der Begründung des
besonderen Gerichtsstandes der Obligation nicht zu zweifeln.
Eben so, wenn bei einem Badeaufenthalt Schulden zu ähn
lichen Zwecken entstehen.
Wenn dagegen bei einem Bade
aufenthalt Verträge über Handelsgeschäfte geschlossen wer den, deren weitere Entwickelung nur von der Heimath aus
zu erwarten ist, so muß ein solcher Gerichtsstand für den
Ort des geschlossenen Vertrages verneint werden (p).
Da
hier Alles auf die wahrscheinliche Absicht der Parteien an
kommt, so kann nach Umständen auch schon ein sehr kurzer
tabernulam . . officinam conduxit, ibique distraxit, egit defendere se eo loci debebit.“ — L. 19. § 3 eod. — L. un. C de nund. (4. 60) vernemt das forum contractus nur gegen Die, welche einen öffentlichen Markt zu
einzelnen Kaufgeschäften als Rei
sende besuchen,
nicht gegen Die,
auf welche die oben von Ulpian angegebenen Kennzeichen passen.
(p)
Bethmann
S. 24. 25.
Hollweg
Vgl. Seuffert Ar
chiv B, 2 N. 119.
§.370. UI. Obligationenrecht. Gerichtsstand der Obligation. 223 Aufenthalt
zur
Begründung
jenes
hin
Gerichtsstandes
So wird diese Begründung angenommen werden
reichen.
dürfen gegen einen Reisenden, der im Gasthause seine Rech nung nicht bezahlen will, da bei diesem Geschäft die unver zügliche Erfüllung allgemein üblich ist, also von Jedem er
wartet werden kann.
Es kommt also Alles darauf an, in
welchem Verhältniß die Natur und die Dauer des Aufent halts zu dem Inhalt der Obligation steht.
Wenn wir die bisher aufgestellten Regeln (Rum. II. Hl, IV.)
mit der oben dargestellten und verworfenen Meinung ver
gleichen, so ergiebt sich folgendes Verhältniß beider Auf fassungen.
Jene Meinung betrachtete den Ort der obliga
torischen Handlung an sich als den Grund des Gerichts
standes der Obligation (nur mit Ausnahmen);
die
hier
vorgetragene Lehre knüpft diese Wirkung nicht an die obli
gatorische Handlung an sich,
sondern nur in Verbindung
mit anderen, ihr zum Grund liegenden und vorhergehenden Umständen (q).
V.
Es bleibt endlich noch übrig, den Sitz der Obliga
tion für diejenigen Fälle zu bestimmen, in welchen alle bis her angegebene Voraussetzungen nicht ausreichen,
(q)
Mühlenbruch beurtheilt
indem
tischen Begründung derselben,
in
die unter der Num. IV zusammengc stellten Fälle an sich richtig, und
sidomictl oder ein temporäres Do-
mit praktischer Einsicht in die Ver
nucit annlmmt,
hälimsie
dem Fall Num. III. in Verbindung
des
wirklichen
Lebens
(S. 355 — 357. 360—361. 365— 375), allem er irrt m der theore
dem er ui diesen Fällen cm Qua-
setzt.
Diese
und sie also mit
Verbindung
zwungen und unfruchtbar.
ist
ge
224 Buch III. Herrschaft der RechrSregcln. Kap. 1. Örtliche Gränzen, weder
ein
(Num. I.),
bestimmter
fest
Erfüllungsort
vorhanden
ist
noch der EntstehungSort der Obligation durch
begleitende Umstände geeignet erscheint,
zugleich als Erfül
lungsort von den Parteien gedacht zu werden (Num. II. III.
IV.).
Dahin wird also namentlich
gegebene Fall
zu
während seines
zählen
ganz
seyn,
der von Ulpian an
wenn ein Durchreisender
vorübergehenden Aufenthaltes
Vertrag schließt (Note o).
einen
Fehlt cs hier an jeder Andeu
tung irgend eines bestimmten Erfüllungsortes, so muß an
genommen werden, daß der Wohnsitz dcö Schuldners, den er doch immer wieder zurückkehrt,
gedacht worden ist. beurtheilen,
wie
an
als Erfüllungsort
Ein solcher Fall ist also gerade so zu
wenn der Vertrag nicht auf der Reise,
sondern in dem eigenen Wohnsitz, von dem Schuldner ge schlossen worden wäre (Num. III.).
Dieser Fall wird am häufigsten in folgender Gestalt Auftreten, die noch einer besonderen Erwähnung wegen der zweideutigen Natur
dcö Inhalts der Obligation
bedarf.
Wenn der Eigenthümer einer Fabrik oder Handlung um
her reist oder seinen Diener reisen läßt, um Bestellungen zu sammeln, also Verträge über Lieferung von Waaren abzu schließen, so kann eö zweifelhaft scheinen,
worin eigentlich
der Inhalt der von ihm übernommenen Obligation besteht, und davon wird zugleich der Erfüllungsort abhängig sein.
Die Lieferung ist nämlich ein zusammengesetztes, Zeit er füllendes Geschäft.
Die Waare wird zuerst vom Verkäu
fer abgcsendet, bleibt dann einige Zeit auf dem Wege, und
§. 370. UI Obllgatwnenrecht. Gerichtsstand der Obligation. 225
kommt endlich in den Besitz des Käufers.
Dabei könnte man
als wahren Inhalt der Obligation denken entweder die Ab
sendung, so daß die Empfangnahme blos eine spätere Folge der vollendeten Erfüllung wäre,
oder aber die Empfang
so daß die Absendung blos als Vorbereitung der
nahme,
wirklichen Erfüllung gelten könnte.
Im ersten Fall würde
als Erfüllungsort der Wohnsitz des Verkäufers gedacht, im
zweiten Fall der Wohnsitz des Käufers.
Welche dieser bei
den Ansichten ist nun nach allgemeinen Rcchtsgrundsätzen vorzuziehen?
Ich halte die erste für richtig,
nach welcher
die eigentliche Erfüllung in der Absendung besteht, der Er
füllungsort also an dem Wohnsitz des Verkäufers anzuneh men ist.
Dafür sprechen, wie ich glaube, zwei Bestimmun
gen des Römischen Rechts
Erstlich der Uebergang der
Gefahr des zufälligen Untergangs auf den Käufer vom Au genblick des geschlossenen Kaufs an, also noch ehe daS Ei
genthum durch Uebergabe erworben ist (r).
Zweitens die
allgemeinere Regel, nach welcher die versprochene Uebergabe einer beweglichen Sache nur an dem Orte gefordert werden kann, wo gerade jetzt die Sache liegt (s). — Im Preußi schen Recht ist diese Ansicht noch unzweifelhafter anerkannt.
Denn hier geht mit der Absendung nicht blos die Gefahr,
(r)
§3 J. de ernt. (3.23).
§ 78 Note 5. 6,
(s)
L. 12 § 1 depos. (16. 3).
emer Waare muffe in der Regel
die Uebergabe
wird sogleich
da erfolgen, wo der Verkäufer seine
noch ausführlicher die Rede seyn.
gewöhnliche Waarenniederlage habe.
Von diesem
Satze
In Verbindung mit demselben be
hauptet auch Thöl Handelsrecht
vm.
226 Buch 111. Herrschaft der RechtSregeln. Kap.l. örtlich« GrLnz«».
sondern selbst schon das Eigenthum auf den Käufer über, vorausgesetzt, daß die Art der Absendung durch den Käufer entweder angeordnet war,
oder durch unterlassenen Wider
spruch genehmigt worden ist (t).
Unter
dieselbe
Kategorie
glaube
ich
auch
müssen den Fall der L. 65 de judiciis (5. 1)
stellen
zu
von einer
DoS, über welche der künftige Ehegatte einen schriftlichen
Vertrag schließt außer seinem Wohnsitz (etwa im Wohnsitz der Braut, oder ihres Vaters).
Die Klage auf Rückgabe
der Doö, sagt Ulpi an, ist künftig nicht anzustellen an dem Ort deS geschlossenen Dotalvertrags, sondern an dem Wohn
sitz des Mannes.
Denn dieser ist
zugleich der Sitz der
Ehe, also der Aufenthalt der DoS,
und von diesem Orte
auS mußte daher die künftige Rückgabe der DoS erwartet
werden.
Der bequemeren Uebersicht wegen will ich die hier aus
führlich erörterten Regeln über den besonderen Gerichtsstand der Obligation kurz zusammenstellen.
Dieser Gerichtsstand
ist in folgenden verschiedenen Fällen
als begründet anzu-
nehmm.
I. An dem Orte, welcher alö Erfüllungsort durch den
Willen der Parteien besonders festgestellt ist;
ohne
Unterschied, ob diese Feststellung bewirkt wird durch
(t) A. r. R. 1. 11 8 128—188.
z. 370. HI. Obligationenrecht. Gerichtsstand der Obligation. 227
die wörtliche Bezeichnung irgend eines Ortes, oder durch die Natur der durch die Obligation herbei
zu führenden Handlung,
welche nur an einem ein
zigen Orte möglich ist.
II. In Ermangelung eines festgestellten Erfüllungsortes kann der Gerichtsstand dadurch begründet werden,
daß eine Obligation entspringt aus der an einen bestimmten Ort gebundenen Geschäftsführung deS
Schuldners III. Der Gerichtsstand wird ferner begründet durch den Entstehungsort der Obligation,
wenn dieser mit
dem Wohnsitz deS Schuldners zusammen fällt. IV. Auch
außer dem Wohnsitz deS Schuldners
der EntstehungSort stand
begründen,
Erwartung
kann
der Obligation den Gerichts wenn durch die
begründet wird,
daß
Umstände die
an
demselben
Orte auch die Erfüllung eintreten werde. V Wenn keine der angegebenen Voraussetzungen vor
handen ist, so ist der Gerichtsstand der Obligation an dem Wohnsitz des Schuldners. Alle diese Fälle, so verschiedenartig sie aussehen, und so zufällig ihre Verbindung erscheint,
lassen sich doch auf
einen gemeinsamen Grundsatz zurück führen.
Es ist überall
der Erfüllungsort,
Gerichtsstand
bestimmt;
welcher den besonderen
entweder der ausdrücklich festgestellte (Rum. I.),
oder der auf stillschweigender Erwartung beruhende (Rum.
IL — V.).
In beiden Fällen ist eine freie Unterwerfung
15*
228 Buch III Herrschaft der Recht-regeln. Kap I. Örtliche Gränzen,
des
Beklagten
wenn nicht
unter
eine
Gerichtsstand
diesen
entgegengesetzte
anzunehmen,
ausdrückliche
Erklärung
ihil ausschließt
Die hier vorgetragene Lehre ist oben zusammengestellt worden mit einer anderen, theilweise ähnlichen, deren Prüfung und
Widerlegung
nun
noch
nachgeholt
werden
muß
Diese andere Lehre lautet, aus eine consequente
(S 210).
Spitze getrieben, also.
Für jede Obligation läßt sich stets
ein bestimmter Ort angeben, an welchem sie erfüllt werden
muß.
Dieser kann durch den Willen der Parteien festge
stellt seyn; wo diese Feststellung fehlt, da sorgt das Gesetz für einen bestimmten Erfüllungsort.
In beiden Fällen ist
der Gerichtsstand der Obligation an diesem Erfüllungsort begründet.
Diese ganze Lehre steht und fällt mit der Behauptung,
daß es für jede Obligation einen gesetzlichen Erfüllungs ort gebe;
prüfen wir also vor Allem die Richtigkeit dieser
Behauptung
Es ließe sich etwa denken, daß gesetzlich be
stimmt wäre, jede Obligation müsse da erfüllt werden, wo
sie entstanden wäre; dann wäre das forum contractus im buchstäblichen Sinne dadurch begründet, daß der Ort des
geschlossenen
Vertrags
als
Erfüllungsort
vorgeschrieben
wäre (u), und an innerem Zusammenhang würde es dann
(u)
So nahm e- früher Linde (Archiv S. 61 —63 @.75), er
§. 370.
III, Obligationenrrcht
Gerichtsstand der Obligation. 229
Allein weder diese,
jener Lehre nicht fehlen
noch irgend
eine ähnliche Regel über den gesetzlichen Erfüllungsort ist
wahr.
Vielmehr lautet die wahre Regel so, daß in Er
mangelung
eines
vertragsmäßigen
Erfüllungsorts
der
Schuldner erfüllen muß da, wo er gerade verklagt wird
(ubi petitur) (v),
so daß eö ganz in der Willkür des
Klägers stellt, an welchem Ort er die Erfüllung erzwingen
will,
natürlich vorausgesetzt, daß er an diesem Ort einen
Gerichtsstand findet, verpflichtet ist
welchen der Beklagte
anzuerkennen
Anstatt also daß nach jener Lehre der ge
setzliche Erfüllungsort den Gerichtsstand bestimmen
sollte,
wird gerade umgekehrt der gesetzliche Erfüllungsort bestimmt
durch jeden irgendwo begründeten Gerichtsstand, sobald nur
des einen oder des anderen Ge
der Gläubiger beschließt,
richtsstandeS sich zu bedienen
Nach Römischem Recht nun
war für neben Schuldner sowohl das forum originis be
gründet, als das forum domicilii,
welche beide ganz ver
schieden seyn konnten; ja der Schuldner konnte in mehreren auch in mehreren Städten
Städten Bürger seyn,
wahren
Wahl,
Wohnsitz haben. an
klagen wollte,
welchem
einen
Dann hatte der Kläger freie
unter
diesen
vielen
und wo er immer klagte,
Orten
er
da war zugleich
wurde aber selbst später irre an diesem Grundsatz (Abhandlungen II S. 111). Daß er ihn theilweise beibehalten hat, wird sogleich ge-
(v) L 1 de ann leg (33.1), L. 38 de jud. (5.1), L. 47 §1 de leg 1 (30 un ), L. 4 de cond. trit. (13 3), L. 22 dereb. cred.
zeigt werden.
(12. 1).
230 Buch III Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
der gesetzliche Erfüllungsort.
So
wird also durch
jene
Lehre das wahre Sachverhältniß geradezu umgekehrt; denn nach der wirklichen Lehre des Römischen Rechts ist der Er füllungsort nicht das Bestimmende für den Gerichtsstand,
sondern vielmehr das von dem Gerichtsstand Abhängige. Wäre nun die eben angegebene Regel des Römischen so würde ein so handgreiflicher
Rechts allein vorhanden,
Zirkel nicht verkannt worden seyn, und die erwähnte irrige
Allein jener
Lehre hätte schwerlich Vertheidiger gefunden
Regel ist im Römischen Recht eine Beschränkung hinzugesügt worden, und diese Beschränkung hat daS ganze Miß
In vollständigem Zusammenhang
verständniß verschuldet steht nun die Sache also
Allerdings kann in der Regel jeder Gläubiger die Er füllung einer Forderung an jedem Ort erzwingen, wo er einen
Gerichtsstand des Schuldners findet. Wenn aber die Forderung auf
Uebcrgabe
Sache,
einer
individuell
einer certa species,
bestimmten beweglichen
gerichtet ist,
Schuldner die Erleichterung ein,
so tritt für den
daß er sich
frei
machen
kann durch die Uebergabe an dem Orte, wo sich gerade jetzt
die Sache zufällig befindet, daß er sie also nicht auf seine Kosten und Gefahr an den Ort der Klage zu bringen ver
pflichtet ist.
Nur
verliert
Sache nicht durch Zufall,
Vortheil,
wenn die
sondern durch seine
unredliche
er
Handlung anderwärts ist.
nicht bei allen Schuldklagen,
diesen
Ferner gilt diese Erleichterung
sondern nur bei Klagen aus
§. 970. III. Obligationenrecht. Gerichtsstand der Obligation. 231 bonae fidei Contracten (w), oder aus einem Testament auf
Entrichtung eines Legates (x); namentlich also nicht beider
Condietion auS einer Stipulation (y).
Dagegen gelten
dieselben Sätze auch bei Klagen in rem, namentlich der Eigen thumsklage,
und
eben so
bei
der
actio ad exhibendum,
welche beide arbiträre Klagen sind (z)»
Faßt man diese exceptionelle Vorschrift so auf,
wie eS
hier geschehen ist, als eine bloße Begünstigung des Schuld
ners, auf Billigkeit gegründet, so ist es einleuchtend, sie mit dem Erfüllungsort,
und
daß
einem aus denselben zu
gründenden Gerichtsstand, gar Nichts zu schaffen hat; denn diese sind gerade umgekehrt bindend und
den Schuldner
beschränkend für
Die Richtigkeit meiner Auffassung
aber
gebt daraus hervor, daß durch den Dolus des Schuldners die exceptionelle Maaßregel ausgeschlossen seyn soll, welches
nur Sinn hat, wenn diese Maaßregel als Begünstigung deS Schuldners
anzusehen ist.
Daraus
folgt aber,
daß die
(w) L 12 § 1 depos (16. 3). gleich, also sehr frei, behandelt (x) L 38 de jud. (5 1), L. 47 wurde ( Gajus II. § 280.). Mit pr §. 1 de leg. 1 (30. un.). (Zs der hier vorliegenden Streitfrage kann auffallen, daß hier die per hat dieses Bedenken gewiß keinen sönliche Legatenklage mit den b. f Zusammenhang. (y) L. 137 §4 öfe K 0 (45.1) actiones gleich gestellt wird, da sie selbst doch eine Condietion war ,,. . ut sic non multum referre (S. o. B. 5 S. 540). Wahrschein videatur, Ephesi daturum se, lich bezogen sich jene Stellen ur an (quod Ephesi sit, cum sprünglich blos auf das sinendi ipse Romae sit) dare sponmodo legatum, in dessen Begriff deat diese Begünstigung schon lag, und (?) L. 10. 11. 12 dereivtnd. da- auch in anderen Beziehungen (6. 1), L. 38 in f de jud. (5.1), von Julian den Fideicommiffen L. 11 §. 1 ad exhib. (10. 4).
234 Buch IU. Herrschaft der R«chtSr«geln. Kap. I. örtlich« Gränzen,
gen und näheren Bestimmungen, die nunmehr hinzugefügt werden sollen.
Nach einer früher sehr verbreiteten Meinung, die selbst dem Kunstausdruck foriim contractus
zum Grunde
liegt,
soll jener Gerichtsstand in der Regel an dem Orte ange nommen werden,
an welchem die obligatorische Handlung,
also der thatsächliche Entstehungsgrund der Obligation, vor
genommen worden
ist (8 370).
Diese
Meinung
mußte
zwar verworfen werden, indem nicht jene Handlung an sich
sondern nur in Verbindung mit anderen,
selbst,
ihr zum
Grund liegenden und vorhergehenden Umständen, dazu geeig net ist, einen solchen Gerichtsstand zu begründen (S. 208)
Dennoch muß, auch nach dieser umgebildeten Ansicht, der obligatorischen Handlung noch immer ein wichtiger Einfluß
auf die Begründung jenrö Gerichtsstandes zugestanden wer
Und so erscheint uns auch jetzt noch die Frage von
den.
Bedeutung:
Wo ist der wahre Ort einer obligatorischen
Handlung?
oder mit anderen Worten:
Wo entsteht eine
Obligation? Die Beantwortung dieser Frage, die oft nicht
ohne Schwierigkeit ist, soll hier nach den drei wichtigsten Arten obligatorischer Handlungen versucht werden:
Ver
träge, einseitige erlaubte Handlungen, Delicte. A.
Verträge.
Diese werden meist geschlossen in per
sönlicher Zusammenkunft beider Parteien;
dann ist der Ort
dieser Zusammenkunft zugleich der Entstehungsort der Obli gation.
Es können aber folgende Abweichungen von diesem
einfachsten und gewöhnlichsten Hergang eintreten.
§. 371.
III. Obligationrnrechk.
Gerichtsstand k. (Forts.) 235
Zuerst kann die Gültigkeit deö Vertrags durch gesetzliche
Vorschrift, oder auch durch den Willen der Parteien, abhän gig gemacht werden von der Beobachtung einer besonderen
Form, etwa von schriftlicher, notarieller, gerichtlicher Ab
fassung.
Dann ist der Ort, an welchem diese Form vollen
det wird, der wahre Ort des Vertrags, weil bis zu dieser
Vollendung kein Theil gebunden ist (a).
Weit häufiger und schwieriger aber ist der Fall, wenn ein
Vertrag
nicht
in
Theile geschloffen wird,
Zusammenkunft
beider
sondern durch einen Boten,
durch
persönlicher
eine an verschiedenen Orten von Beiden unterzeichnete Ur
kunde, oder, welches das Häufigste ist, durch bloßen Brief wechsel.
bestritten
Hier ist der wahre Ort des Vertrags ungemein Für diesen Fall entstehen eigentlich drei, an sich
verschiedene, Fragen, die jedoch von den Meisten vermischt
behandelt werden: Wo ist der Vertrag geschlossen? Welcher
Ort gilt für den Gerichtsstand? Recht?
Welcher für das örtliche
Die erste Frage beantworte ich unbedenklich dahin,
daß der Vertrag da geschlossen ist, wo der erste Brief em pfangen und von dem Empfänger die zustimmende Antwort
abgesendet wird; denn an diesem Ort ist eS zu einer über einstimmenden Willenserklärung gekommen.
Der Absender
deS ersten Briefes ist demnach so zu betrachten,
als ob er
sich durch eine Reise zu dem Anderen hinbegeben, und dessen
(a) L 17 C. de Jule msfr. (4. 21). Vgl. Miieb p. 58.
236 Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap.I. Örtliche Gränzen.
Zustimmung eingeholt hätte (b).
angenommen
von Mehreren
Diese Meinung ist auch
worden (c).
aber
Manche
haben dabei folgendes Bedenken geltend gemacht.
Der zu
stimmende Brief, meinen sie, könne ja vor der Ankunft wie der zurückgeholt oder durch einen Widerruf entkräftet wer
den; daher sey der Vertrag erst vollendet an dem Orte, wo
der Absender deö ersten Briefes die Antwort empfangen, also von der Zustimmung ein Bewußtseyn erhalten habe (6). Es ist aber ganz verwerflich, den richtigen Grundsatz durch
die Rücksicht auf solche, ohnehin sehr seltene, Fälle entkräf In den allermeisten Fällen werden beide
ten zu wollen
Erklärungen abgegeben werden ohne ein solches Schwanken der Entschlüsse, wo aber ein solches einmal vorkommt, da kann die Frage nur durch Berücksichtigung der sehr man-
nichfaltigen einzelnen Umstände entschieden werden,
(b)
Dasselbe rst also bei dem
Boten anzunehmen
an dem Orte,
von dem Zeitpunkt des vollen deten Vertrags,
seine
wo diesem tue Zustimmung ausge
daß
sprochen
auf den
wird;
bei
der
doppelt
so daß
spricht jedoch so,
Entscheidung Ort
zu
zugleich
beziehen
ist).
unterschriebenen Urkunde an dem
Lauterbach
Orte, wo die letzte Unterschrift er
(Diss. T. 3 N. 107), wo zunächst
folgt; bei einem Wechsel an jedem
von dem Boten die Rede ist, dieser
de nuncio
§ 25
Orte, an welchem Einer accepttrt
aber dem Briefe ganz gleich gestellt
oder indossirt.
wird. (d)
(c)
Hommel obs. 409 N. 17.
Hert de commeatu lite-
18. Meier p. 59 (Beide bei Ge legenheit der Frage nach dem gel
rarum § 16 —19
tenden örtlichen Recht). Wening
Museum II. 371—382. Wächter
Archiv
f.
civ.
S. 267 — 271
Praxis
B.
2
(der zunächst nur
Vol. I Archiv
p. 243. B. 19
in Comment.
Hasse Rhem S. 116.
Etwas
zweideutig ist 1. Voet. V. 1 § 73.
§. 371.
III. Obligationenrecht.
Gerichtsstand ic. (Forts.) 237
dann auch jene von den Gegnern aufgestellte sehr willkür liche Regel keineSwegeS ausreicht (e).
Wo ist der
Ich gehe nun zu der zweiten Frage über:
Gerichtsstand der Obligation bei einem durch Briefwechsel
geschlossenen Vertrage? Man möchte, nach der eben aufge stellten Behauptung, glauben,
an dem Orte,
wo der erste
Brief empfangen und zustimmend beantwortet wurde. ses muß aber entschieden verneint werden (f).
Die
Denn der
Absender des ersten Briefes kann doch höchstens verglichen werden mit einem Durchreisenden, gewiß nicht mit Einem,
der einen bleibenden Aufenthalt an dem Wohnsitz des Geg
ners aufgeschlagen hat; also hat er sich auch nicht dem Ge richtsstand dieses
OrteS unterwerfen wollen
(§ 370. o).
Vielmehr ist für jede der beiden Parteien der durch Brief wechsel geschlossene Vertrag
zu
betrachten
als
an
ihrem
Wohnsitz geschlossen, und hier muß sie den besonderen Ge richtsstand der Obligation für sich anerkennen (8 370 Nr. V.) Ist aber in dem Vertrag ein bestimmter Erfüllungsort an gegeben,
so
wird durch
diesen zugleich der Gerichtsstand
der Obligation begründet. — Das eigenthümliche Bedürf niß deS Wechselgeschäfts (Note b)
kann
starke
Modifika
tionen dieser Grundsätze über den Gerichtsstand rechtferti gen.
So ist denn auch in der Preußischen Einführungö
se) W ening a. a. O. macht dafür praktische Vorschläge. Die für eine andere, aber verwandte, Frage gegebenen Vorschriften des
A. LR. 1. 5 § 90 fg. könnten dabei benutzt werden, (f) So erklärt sich auch Mühlenbruch S. 348, 351.
238 Buch 111. Herrschast der Recht-regeln. Kap. I. örtliche Gränzen. Ordnung zur neuesten Deutschen Wechselordnung (g) vorge-
schrieben worden, daß nicht blos der Zahlungsort und der Wohnsitz den Gerichtsstand begründe,
sondern daß an den
Ort der einmal angestellten Wechselklage auch andere Wech« selschuldner hcrangezogen werden können.
Die dritte Frage, wegen deS bei einem Vertrag durch Briefwechsel geltenden örtlichen Rechts, kann erst weiter un ten (§ 373) beantwortet werden.
B.
Einseitige erlaubte Handlungen.
Daß diese hier ganz auf gleiche Weise wie Verträge zu
beachten
sind,
sprochen (li);
ist
in unseren Rechtöquellen
klar
ausge
auch ist von diesem Satz schon oben Anwen
dung gemacht worden auf die wichtigen Obligationen,
die
auö einer Geschäftsführung u.s. w entstehen (§ 370Nr.I1.).
Nur Ein Fall bedarf jedoch noch
einer besonderen Er
wähnung. Der Erbe, der eine Erbschaft antritt, übernimmt dadurch
Obligationen verschiedener Art, insbesondere gegen die Erb«
schaftSglaubiger und gegen die Legatare.
Diese Obliga
in
unsern RechtSquellen als eontractähn«
liche bezeichnet (i).
Daher haben mehrere neuere Schrift-
tionen
werden
(g) 8 5, f. Gesetzsamml. 1840. S. 50. (h) L. 20 de jud (5 1) „ Omnem Obligationen! pro contractu habendam, existimandum est . . ohne Zweifel mit Hinsicht aus den Gerichtsstand so ausgesprochen.
(i) §. ß J de obl. quasi ex contr (3. 27), £.3 § 3, L 4 q\ub ex caus (42. 4), £. 5 § 2 de 0. et A. (44. 7), £. 19 pr de R. J. (60. 17).
III. Obligationenrechl.
§. 871.
Gerichtsstand :c. (Forts.) 239
steller für einen solchen Fall ein formn contractus nommen,
ange
und zwar bald an dem Ort, wo der Antritt der
Erbschaft erklärt worden sey, bald an dem, wo die Erbschaft liege,
oder
am Wohnsitz
des
Verstorbenen (k).
Diese
Meinung aber ist zu verwerfen, und es ist ein solcher Ge richtsstand nicht anzunehmen.
ganz positive Vorschrift,
Nur ausnahmsweise, durch
ist ein solcher Gerichtsstand
be
gründet für Fideicommisse, und zwar an dem Orte, wo der
größte Theil der Erbschaft liegt (1).
Der oben erwähnte
bezieht sich nur auf den per
Ausdruck der RechtSquellen
sönlichen Eintritt des Erben in das obligatorische Verhält niß zu Gläubigern und Legataren,
nicht auf dessen eigent
liche Entstehung und juristische Beschaffenheit. C.
Delicte.
Der durch ein Delict begründete besondere Gerichtsstand ist dem älterm Römischen Recht ftemd,
Kaiserzeit entstanden (m).
und
erst in der
Dann aber hat er eine so all
gemeine Anerkennung gefunden, daß er nunmehr auch in
Gesetzen auf gleiche Linie mit dem formn domicilii, con
tractus, rei sitae gestellt wird (n). — Es würde aber un richtig seyn, diesen Gerichtsstand alö eine einzelne Anwen
dung deS Gerichtsstandes der Obligation, des s. g. formn
(k) Linde Abhandlung B. 2 S. 101 — 109, Mühlenbruch S. 379—382. (l) Beth mann Hollweg Versuche S. 32—3ö. S. 48. Vgl.
oben § 370 am Ende de» §.
(m) Bethmann Ho llweg Versuche S. 29. 52. (n) Nov. 69 C. 1. — C. 20. X. de foro comp. (2.2).
240 Buch 111. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. 1. Örtlich« Gränzen.
contractus,
zu betrachten (o).
entsteht nicht durch eine
fung,
das
Denn
präsumtive freiwillige
und daher gelten für dasselbe
delicti
formn
Unterwer
nicht die Be
auch
schränkungen, welche oben für den Gerichtsstand der Obli
gation aufgestellt worden sind (§ 370).
Zur Begründung
noch irgend ein
dieses Gerichtsstandes ist weder Wohnsttz,
anderer hinzutretender äußerer Umstand, mehr
sich,
entsteht derselbe
erforderlich,
viel
aus der Verübung des DelictS an
bei einem ganz zufälligen und vorübergehenden
auch
Aufenthalt.
—
Es hat demnach dieser Gerichtsstand eine
ganz eigenthümliche Natur, indem er begründet wird nicht
durch freiwillige, sondern durch nothwendige Unterwerfung; diese aber ist eine unmittelbare Folge der Rechtsverletzung, deren sich der Thäter schuldig gemacht hat.
—
Der Ge
richtsstand aus dem Delikt ist übrigens eben so wenig aus schließend,
alS der aus dem Contract,
vielmehr
hat der
Kläger stets die Wahl zwischen diesem besonderen und dem allgemeinen, auf den Wohnsitz des Schuldners gegründeten
Gerichtsstand.
wähnung
jeneö
Dieses liegt
schon in
Gerichtsstandes
der
in den
wörtlichen Er
angeführten
Ge
setzen (Note ii); noch mehr aber folgt es daraus, daß der
selbe ganz gewiß nicht zum Vortheil des Beklagten, sondern vielmehr des Klägers, eingeführt ist (o‘)
(o)
bebeide
In der angeführten Stelle kanonischen auch
Recht-
werden
wörtlich unterschieden
und einander coordinirt.
(o1)
Linde Lehrbuch de- Pro
zeffe- § 93 Note 10.
(Forts.) 241
$. 371. III. Obligationenrecht. Gerichtsstand,c.
Man hat die Frage aufgeworfen, ob der Gerichtsstand der Obligation blos begründet sey für die Klagen, die zur natürlichen Entwickelung der Obligation gehören, also zur
Erfüllung derselben führen, oder vielmehr auch für die, welche die umgekehrte Richtung haben, indem sie die Auflösung der
Obligation bezwecken, oder DaS rückgängig machen wollen, welches in Erfüllung der Obligation schon geschehen ist. Hier muß nun in der Regel die erste, beschränktere Anwen
dung
jenes Gerichtsstandes
behauptet
werden (p).
Die
zweite, ausgedehntere Anwendung des Gerichtsstandes kann nur ausnahmsweise in den seltneren Fällen eintreten,
in
welchen die Auflösung der Obligation mit der Entstehung derselben einen gemeinschaftlichen Ursprung hat, also wenn die Auflösung einer durch Vertrag gegründeten Obligation ab
geleitet
wird
auö
einem
diesem
Vertrag
hinzugefügten
Nebenvertrag (q).
Der besondere Gerichtsstand der Obligation schließt den allgemeinen,
aus dem Wohnsitz entspringenden,
Gerichts
stand nicht aus, vielmehr hat der Kläger freie Wahl,
dem einen oder dem
andern
(p) L.2 C ubi et apud quem (2. 47). (q) Glück B 6 S. 301 —303. Unbedingt wird diese Anwendung
vm.
eine Klage
an
anzuftellen (r).
des Gerichtsstandes verneint von Linde Archiv B. 7 S. 67—69. (r) L. 19 § 4 de jud. (5.1), (wo gelesen werden muß; habeat
16
242 Buch Ul Herrschaft der Rechtsregeln. KaP.L -örtliche Gränzen.
Manche haben mit Unrecht dieses Wahlrecht auf den Fall
einschränken wollen,
wenn der
Gerichtsstand durch einen
besonders verabredeten Ort der Erfüllung begründet sey. Das Wahlrecht gilt vielmehr in der That auch, wenn der
Gerichtsstand sich gründet auf den Vertrag an Erfüllungsort) (s),
sich
(ohne
oder aber auf eine geführte Verwal
tung (t). Gerade umgekehrt mußte für den Fall eines durch Sti
pulation bestimmten Erfüllungsortes ursprünglich behauptet werden,
daß
nur an diesem Ort geklagt werden sönne,
indem der Gläubiger durch den besonderen Inhalt dieser Stipulation darauf verzichtet hatte, den allgemeinen persön lichen Gerichtsstand seines Schuldners für die Klage zu be-
anstatt habuit, s. Hohlweg S. 46), L. 1. 2. 3 de reb. auct jud. (42. 5), L un C ubi conv (3. 18) C 17 X de foro comp (2. 2). — Nach Römischem Recht konnte der Klager auch noch in dem forum onginis klagen (§ 355) (s) L. 2 C de jurisdict (3. 13). In den Worten: ubi domicilium reus habet “ liegt der Accent nicht auf domicilium, sondern auf reus Cs soll also gesagt werden, des Beklagten Wohnsitz (nicht des Klagers) bc stimme den Gerichtsstand; das zeigen die Anfangsworte der Stelle Damit soll aber dem Kläger nicht benommen seyn, das forum conttactus vorzuziehen, wo em solches begründet ist.
(t) Das f g forum gestae administrationis hat überhaupt keine eigenibumliche Natur (§ 370 II). Auch wird das Wahlrecht ausdrücklich anerkannt tut Fall des Argenlaruis L. 4 § 5 de ed (2. 13). Und gerade für diesen Fall hat man es verneinen wollen wegen L. 45 pr de jud (5 1) Allein hier heißt ,,conveniri oportet“ : er muß sich gefallen lassen, daß er verklagt werde Die richtige Meinung haben- Strub en Bedenken III. 96 Gönner Hand buch B i Abh. X 1; die irrige Meinung Leyser 73.8, Weber Beiträge B 2 S. 35, Linde Archiv B. 7 S 73
$. 371.
nutzen.
111. Obligatioaenncht.
Gerichtsstand ic. (Forts.) 243
Weil aber dieses zu einer völligen Versagung deS
Rechtsschutzes führen konnte, wenn etwa der Schuldner die
Vorsicht gebrauchte, an dem bedungenen Erfüllungsorte nicht
zu erscheinen, so wurde eine besondere Klage eingeführt, die
nun auch an dem persönlichen Gerichtsstand angestellt wer den konnte, nur mit Berücksichtigung des vielleicht verschie
denen örtlichen Interesse der Leistung (u).
diese
Durch
Klage ist also selbst für solche Fälle daS Wahlrecht des Klägers begründet worden.
Dagegen ist eS nicht zu rechtfertigen, wenn Manche
auch ein Wahlrecht deS Klägers annehmen wollen zwischen dem auf ausdrückliche und dem auf stillschweigende Verabre
dung eines Erfüllungsortes gegründeten Gerichtsstände (v);
denn die Annahme einer solchen stillschweigenden Verabredung
wird durch das Daseyn einer ausdrücklichen stets aus
geschlossen.
(u) L 1 de eo quod certo loco (13 4). „Alio loco, quam in quem sibi dari quisque stipulatus esset, non videbatur agendi facultas competere Sed quia iniquum erat, si promis sor ad eum locum, in quem daturum se promisisset, nunquam accederet, quod vel data opera faceret, vel quia aliis locis necessario distringeretur, non posse stipulatorem ad suum pervenire, ideo Visum est, utilem actionem in eam rem comparare“ Was hier von
der
gesagt ist,
(Stipulation
gilt
eben so von jeder anderen mit einem bestimmten Erfüllungsort
versehenen Obligation, sobald diese eine Condiction erzeugt (wie Dar
lehen und Legat),
nur nicht von
den b. f obligationes, wobei die
Contractsklage
selbst
schon
reichte. L. 7 eod. (v) So daß also der bald
an
dem
auS-
Klager
bedungenen
Er
füllungsort, bald an dem Ort des geschloffenen Vertrages, nach Be lieben ein forum contractus gel tend machen konnte (§ 370).
244 Buch III Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Der besondere Gerichtsstand der Obligation kann nur geltend gemacht werden, wenn der Schuldner in diesem Ge richtssprengel
entweder
persönlich
anwesend ist,
oder
Vermögensstücke besitzt, in welchem letzten Fall durch missio
in possessionem der Zwang gegen ihn durchgeführt wird Diese alternative Bedingung
ist nach dem älteren Römi
schen Recht unzweifelhaft (w).
Nach
einem
Gesetz von
Justinian könnte man dieselbe für aufgehoben ansehen (x). Allein dieses Gesetz ist so allgemein und unbestimmt gefaßt, und wirft so sehr die verschiedenen Gerichtsstände ohne Un terscheidung durch einander, daß die Absicht,
das frühere
Recht zu verändern, daraus nicht mit Sicherheit entnom men werden kann.
Daher hat denn auch
darauf keine Rücksicht genommen,
eine Decretale
sich vielmehr ganz an
daö frühere Römische Recht,
und selbst an die Ausdrücke
desselben, angeschlossen (y).
Die überwiegende Praxis der
neueren Zeit ist dieser Meinung beigetreten (z),
so
daß
(w) L. 1 de eo qui certo trahere coram se non debent loco (Note u) „.. si nunquam ac invitos, licet in possessionem cederet“. L. 19 pr. de jud. bonorum, quae ibi habent, (5, 1) „si ibi inveniatur“ § 1 . possint missionem facere“. eod. „si non defendat. . bona Von Mehreren wird diese Stelle possideri patietur“ Aehnlich sehr gezwungen so ausgelegt, der lautet die Bestimmung für das Richter solle den Abwesenden nicht forum rei sitae in L. 2 C. nbi durch eigene Gewalt (sondern nur in rem (3. 19). durch Requisition seines Richters) (x) Nov. 69 C 1. 2. zwingen. Cocceji jus controv V. (y) C. 1 § 3 de foro comp 1 qu. 15. Glück VI S 304. in VI. (2. 2) „ . . . nisi inve- Linde Archiv VII. S. 69. 70. niantur ibidem (vgl. Note w) (z) Diese überwiegende PrariS
§. 371.
III
Obligationenrecht
Gerichtsstand rc. (Forts.) 245
also der Gerichtsstand der Obligation gegen einen Abwe senden durch bloße Requisition eines fremden Gerichts nicht geltend gemacht werden kann. — Es ist nicht zu verkennen, daß durch diese beschränkende Bedingung der besondere Ge
richtsstand der Obligation einen großen Theil seiner Wich tigkeit verliert.
In neueren Gesetzgebungen
hat der Gerichtsstand der
Obligation, wie zu erwarten war, diejenige Gestalt ange nommen, die zur Zeit ihrer Abfassung unter den Schrift
stellern herrschend war,
also theilweise nicht in Ueberein
stimmung mit dem wirklichen Römischen Recht, dem man sich doch anzuschließen glaubte
So setzt das Preußische
Recht jenen Gerichtsstand zunächst an den Ort der verab redeten Erfüllung, und, wo ein solcher nicht vorhanden ist,
an den Ort des geschlossenen Vertrags (aa), ohne Rücksicht auf die beschränkenden Bedingungen, unter welchen allein das Römische Recht den Ort des geschlossenen Ver
trags als entscheidend ansiebt.
Das Wahlrecht deS Klä
gers wird auch hier anerkannt, und zugleich wird der Be klagte, im Sinn der neueren Praris (Note z), nur dann
wird selbst von den Gegnern eingeränmt. Cocceji 1 c. Glück VI S. 304 — 306. Linde S. 69. (aa) Allg. Ger. Ordn. I. 2 8 148 — 152. Eben so ist dieser
Gerichtsstand anerkannt in Ver trägen mit vielen Nachbarstaaten, z. B. Weimar 1824 Art. 29, Ge setzsammlung 1824 S. 153.
246 Buch III. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. Örtlich« Gränzen,
an diesen Gerichtsstand gebunden, wenn er sich an einem
solchen Orte antreffen läßt.
§. 111
372.
Obligationenrecht
Örtliche- Recht.
Die Lehre vom Gerichtsstände der Obligation ist bisher deshalb so genau in ihren Einzelheiten dargestellt worden
(§ 370. 371), weil sie allein einen sicheren Halt gewährt für die Frage nach dem bei den Obligationen anwendbaren
örtlichen Recht,
für welche Frage
es
an quellenmäßigen
Bestimmungen des Römischen Rechts eigentlich ganz fehlt
Gerade hier ist der innere Zusammenbang
zwischen rem
Gerichtsstand und dem örtlichen Recht eben so ergiebig und
fruchtbar,
als wohl begründet,
indem dieselbe präsumtive
Unterwerfung, welche den Sitz der Obligation und mit ihm
den Gerichtsstand bestimmt, auch für das anwendbare ört liche Recht als bestimmend anerkannt werden muß (a).
Ich nehme die ganze Reihe praktischer Regeln, wie sie
oben für den Gerichtsstand aufgestellt worden sinv, Bedenken
zugleich
als maaßgebend
örtliche Recht an (§ 370).
Verschiedenheit der
Fälle,
für
das
ohne
anwendbare
Dasselbe ist also,
je nach
auf folgende Orte zurück zu
führen (S. 226. 227).
(a) Auch Eichhorn deutsches Recht § 37 b wendet die von dem Gerichtsstand redenden Stellen des
Römischen Rechts unmittelbar auf das örtliche Recht an.
246 Buch III. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. Örtlich« Gränzen,
an diesen Gerichtsstand gebunden, wenn er sich an einem
solchen Orte antreffen läßt.
§. 111
372.
Obligationenrecht
Örtliche- Recht.
Die Lehre vom Gerichtsstände der Obligation ist bisher deshalb so genau in ihren Einzelheiten dargestellt worden
(§ 370. 371), weil sie allein einen sicheren Halt gewährt für die Frage nach dem bei den Obligationen anwendbaren
örtlichen Recht,
für welche Frage
es
an quellenmäßigen
Bestimmungen des Römischen Rechts eigentlich ganz fehlt
Gerade hier ist der innere Zusammenbang
zwischen rem
Gerichtsstand und dem örtlichen Recht eben so ergiebig und
fruchtbar,
als wohl begründet,
indem dieselbe präsumtive
Unterwerfung, welche den Sitz der Obligation und mit ihm
den Gerichtsstand bestimmt, auch für das anwendbare ört liche Recht als bestimmend anerkannt werden muß (a).
Ich nehme die ganze Reihe praktischer Regeln, wie sie
oben für den Gerichtsstand aufgestellt worden sinv, Bedenken
zugleich
als maaßgebend
örtliche Recht an (§ 370).
Verschiedenheit der
Fälle,
für
das
ohne
anwendbare
Dasselbe ist also,
je nach
auf folgende Orte zurück zu
führen (S. 226. 227).
(a) Auch Eichhorn deutsches Recht § 37 b wendet die von dem Gerichtsstand redenden Stellen des
Römischen Rechts unmittelbar auf das örtliche Recht an.
§. 372.
III.
Obligationenrecht.
Örtliche» Recht.
247
I. Wenn die Obligation einen fest bestimmten Erfül lungsort hat: auf diesen Erfüllungsort.
II. Wenn die Obligation hervorgegangen ist aus einer
fortlaufenden Geschäftsführung des Schuldners: auf den Ort, an welchem diese Geschäftsführung ihren bleibenden Sitz hat.
III. Wenn die Obligation aus einer einzelnen Handlung des Schuldners an dessen Wohnsitz entstanden ist:
auf den Ort dieser Handlung,
so daß die spätere
Aenderung des Wohnsitzes hierin Nichts ändert.
IV. Wenn vie Obligation aus einer einzelnen Handlung des Schuldners außer dessen Wohnsitz,
Umständen
solchen
entstanden
ist,
aber unter
welche
eben
daselbst die Erfüllung erwarten lassen: auf den Ort dieser Handlung. V. Wenn keine dieser Voraussetzungen vorhanden ist, aus den Wohnsitz des Schuldners (b).
(b)
Es
könnte
scheinen,
als
werden
kann,
sondern
weil
in
wollte tch mich hier anschlteßen an
diesem Fall die Parteien die (Jrr
den
fullung der Obligation an dem Wohnsitz des Schuldners, natür
oben
verworfenen
Grundsatz
(8 3G1 g), nach welchem das ört-
Uche Recht deö Wohnsitzes
dtäre Gülttgkett haben
subsi.
licher als an jedem anderen Ort,
sollte für
zu erwarten haben. Dieser Grund aber, der blos eine einzelne An
alle Fälle, tu welchen mcht ein anderes örtliches Recht besonders
ist aber nicht der Fall. das
Recht
des
kein
anderes
Recht
der
allgemeinen
Regel
über den Sitz der Obligation ist,
Denn auf wird
paßt für den Gerichtsstand (§ 370 Rum. V ) nicht mehr und nicht
nicht weil
weniger, als für das örtliche Recht.
Wohnsitzes
hier zurück gegangen,
wendung
Dieses
nachgewiesen werden kann.
begründet
248 Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Rap. I. Örtliche Gränzen.
Insofern also fällt die Bestimmung des örtlichen Rechts ganz zusammen mit der Bestimmung des Gerichtsstandes.
Nur darin ist ein wichtiger Unterschied wahrzunehmen, daß
neben dem besonderen Gerichtsstand der Obligation auch noch der allgemeine Gerichtsstand des Wohnsitzes wirksam
bleibt, mit freiem Wahlrecht des Klägers; anstatt daß das
anwendbare örtliche Recht einem solchen einseitigen Wahl recht nicht unterworfen seyn kann,
sondern
ausschließend
durch den fest bestimmten Erfüllungsort, in dessen Erman
gelung durch den Ort der Entstehung der Obligation, oder durch den Wohnsitz deS Schuldners,
je nach Verschieden
heit der Fälle, bestimmt werden muß
Die Ableitung
der hier ausgestellten Regeln aus der
vermutheten freiwilligen Unterwerfung des Schuldners un ter ein bestimmtes örtliches Recht hat einige wichtige prak
tische Folgen, die hier zusammengestellt werden sollen. Dieses örtliche Recht tritt zurück,
A.
wenn cs in
Widerspruch steht mit einer am Ort deS urtheilenden Rich zwingenden,
streng
positiven
indem in solchen
Fällen
der
geltenden
ters
(§ 349),
Rechtsregel
freie Wille
der
Parteien überhaupt keinen Einfluß haben kann (b‘).
B.
Das
angegebene
örtliche Recht
tritt
gleichfalls
zurück, wenn die Vermuthung der freiwilligen Unterwerfung
(b1)
Vgl. Wä ch ter II. S. 397 — 405.
Foelix p. 145.
§. 372.
III.
wird
ausgeschlossen
durch
249
Örtliche- Recht.
Obligationenrecht.
eine ausdrückliche abweichende
Willenserklärung (c). C.
Von manchen Seiten ist behauptet worden,
daß
unter mehreren an sich denkbaren örtlichen Rechten dasje
nige jedesmal angewendet werden müsse, nach welchem daS vorliegende Rechtsgeschäft am besten aufrecht erhalten wer
den könne (d).
Aus dem bestehenden Recht läßt sich dieser
Satz in solcher Allgemeinheit wohl nicht begründen,
ihn als neues positives
gen könnte man darauf kommen,
Gesetz aufzustellen (e).
dage
Allein in folgendem Sinn läßt sich
der Satz dennoch vertheidigen.
Wenn die Anwendung der
oben aufgestellten Regeln dahin führen würde, den Vertrag einem örtlichen Recht (etwa des Erfüllungsortes) zu unter
werfen, nach welchem er ungültig seyn würde, anstatt daß
er nach dem Rechte des Wohnsitzes gültig wäre, so ist ge wiß nicht zu vermuthen,
daß sich die Parteien einem ört
lichen Recht haben unterwerfen wollen, das mit ihrer Absicht völlig im Widerspruch stände (e1).
(c) ,,
L. 19 § 2 de jud. (5. 1)
. nisi aMo loci,
ut defen-
deret, convenit ♦. “
Was hier
(e)
Für
gestellt (I. 5 8 113), nämlich für
von dem Genchtsstand gesagt wird,
den
muß .eben so
Formen
Recht
gelten,
stimmungen
von dem örtlichen
soweit dessen Be durch
Privatwrllkür
abgeändert werden können.
Vgl.
oben § 369. b. und § 370. (d)
8 37.
Eichhorn deutsches Recht Noten f. g.
einen einzelnen Fall
ist er im Preußischen A. L. R. aus Fall
verschiedener gesetzlicher bei
einem
durch
Brief
wechsel geschloffenen Vertrage. (e1)
Satz
So aufgefaßt, stimmt der
ganz überein mit einer be
kannten Auslegungsregel bei zwei-
^utig gefaßten Rechtsgeschäften. L. 12 de reb. dub. (34. 5).
250 Buch 111. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I Artliche Gränzen.
Wenngleich nun durch die hier ausgestellten Regeln der
Sitz der Obligation, und mit diesem zugleich das örtliche
Recht derselben, int Ganzen sicher bestimmt seyn meg,
so
soll damit doch nicht behauptet werden, daß alle bei Gele genheit einer Obligation möglicherweise eintretende Rechts
fragen eben nur nach diesem örtlichen Rechte zu entscheiden Dazu ist eine tiefer eingehende Erwägung
seyn möchten.
solcher Rechtsfragen in ihrem vollständigen Zusammenhang die der Fortsetzung dieser Untersuchung
nöthig,
(§ 374)
Vorbehalten bleiben muß (f).
Von der hier ausgestellten Lehre über das bei den Obli
gationen
örtliche
anwendbare
nungen unserer Schriftsteller
Recht in
Mei
die
weichen
zwei Haupt
folgenden
punkten ab Erstlich knüpfen fast Alle das anwendbare örtliche Recht an den Ort der obligatorischen Handlung
ohne
an sich,
zugleich die im Römischen Recht binzugesügten besonderen
Voraussetzungen zu berücksichtigen (§ 370),
obgleich doch
im Allgemeinen die Meisten auf dem Boden des Römischen Rechts zu stehen vermeinen
Dieses ist aber um so mehr
zu mißbilligen, als die erwähnten Voraussetzungen des Rö-
(f)
bie
Auf
Rechtsfragen wiesen:
haben
einzelnen
schon lnnge-
Leyser 73. 3,
p. 142—145. in
Foelix
Diese Schriftsteller
kann ich daher Gegner
verschiedenartige
solcher
Beurtheilung
der
nicht
als
meine
Aufstellung
deö
Grundsatzes
ansehen;
eS
wird
darauf ankommen, bei den einzelnen Rechtsfragen sich mit einander zu verständigen. fahren
ist
Em ähnliches Ner-
schon
oben
in
der
Lehre vom Eigenthum eingeschla gen worden (§ 367).
§. 372.
mischen
111
Rechts,
gewinnt,
nicht
beruhen,
sondern
Örtliche- Recht.
Obligationenrecht
wodurch
die Suche
auf willkürlichen vielmehr
auf
eine andere Gestalt
positiven
der
251
in der
Vorschriften Natur
der
Sache beruhenden Erwägung, in welchen Fällen eine frei* willige Unterwerfung unter ein bestimmtes örtliches Recht
mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann oder nicht. Zweitens findet sich ein sebr häufiger Widerspruch gegen die hier angenommene Meinung, nach welcher vorzugsweise ein
verabredeter Erfüllungsort
örtliche Recht bestimmen soll. nungen sehr getheilt.
zugleich
das
anwendbare
Hierin sind jedoch die Mei
Ein Theil der Schriftsteller,
und
zwar der größere Theil, stimmt mit der hier vorgetragenen
Lehre überein (g).
Ein anderer Theil dagegen behauptet,
daS örtliche Recht dürfe lediglich nach dem Ort der obliga torischen Handlung bestimmt werden; der verabredete Er
füllungsort habe darauf gar keinen Einfluß, indem die von diesem redenden Stellen des Römischen Rechts lediglich aus
den Gerichtsstand, gar nicht auf das örtliche Recht, zu be ziehen seyen (h).
Bei dieser Streitfrage kommt eö auf die Erklärung der
hier einschlagenden Stellen des Römischen Rechts an,
die
ich, der leichteren Uebersicht wegen, voranstelle.
(g) Christinaeus Vol. I Dec 283 N 8. 11. P. Voet Sect. 9 C. 2 § 12. 15. Mühlen bruch doctr Fand. § 73. not 17.
Foelix p 142 — 145 Story 8 280 299. (h) Hert. § 10 ampl. 2. Meier p. 57 58. Wächter II. S. 41-47.
252 Buch m. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. l. Örtliche Gränzen. 1. L. 6 de evict. (21. 2.) „Si fundus venierit, ex consuetudine ejus regionis, in qua negotium gestum est, pro evictione caveri oportet.” 2 L. 21 de oblig. et act. (44 7.) „ Contraxisse unusquisque in eo loco intelligitur, in quo , ut solveret, se obligavit. ” 3. L. 1. 2. 3. de reb. auct. jud. (42. 5.) „Venire bona ibi oportet, ubi quisque defendi debet, id est — ubi domicilium habet — aut ubi quisque contraxerit. Contractum autem non utique eo loco intelligitur, quo negotium gestum sit, sed quo solvenda est pecunia.” Diese Stellen werden von den Gegnern aus folgende Weise erklärt. Die erste Stelle, sagen sie, spreche allein vom örtlichen Recht, und wolle bei diesem ausschließend den Ort beachtet wissen, an welchem die obligatorische Hand lung vorgenommen worden sey (in qua negotium gestum est), wodurch also die Beachtung des Erfüllungsortes ver neint werde Die zweite und dritte Stelle dagegen sollen lediglich von dem Gerichtsstand reden, nicht von dem ört lichen Recht; für den Gerichtsstand aber fordern sie die Beachtung des Contractsorts, und als Contractsort bezeich nen sie nicht den Ort der obligatorischen Handlung, son dern den der Erfüllung. So werden, sagen sie, in diesen Stellen der Gerichtsstand und das örtliche Recht scharf un terschieden, und nach entgegengesetzten Regeln behandelt.
§. 372.
Diese
111. Obligationenrecht.
Erklärung
Schein,
hat
Örtliches Recht.
aber
253
keine Wahrheit.
Allerdings spricht die dritte Stelle von dem Gerichtsstand, nicht von dem örtlichen Recht;
die zweite aber redet so
allgemein, daß sie eben so gut auf das Eine, wie auf das Andere, altzuwenden ist.
Sind mm die oben aufgestellten
Gründe für den inneren Zusammenhang des örtlichen Rechts
mit dem Gerichtsstand überzeugend, so muß eine praktische Verschiedenheit in der Behandlung beider Fragen so lange verneint werden,
als nicht
bestimmte Zeugnisse für diese
Verschiedenheit aufgewiesen werden können; diese eben sollen
in den oben angegebenen Stellen liegen, und eö wird jetzt
hauptsächlich 'darauf ankommen,
durch die Erklärung der
ersten Stelle zu zeigen, daß diese den praktischen Gegensatz gegen die zwei anderen Stellen, den man darin finden will,
in der That nicht enthält.
Von der ersten Stelle nun, der L. 6 de evict., ist schon oben bemerkt worden, daß sie eigentlich gar nicht von dem anzuwendenden örtlichen Recht spricht, sondern von that
sächlichen Gewohnheiten, die gar nicht Rechtsregeln begrün
den (§ 356. i. k.).
Indessen können wir über dieses Be
denken hinweggehen, und einen indirecten Gebrauch dieser
Stelle für unsere Frage willig einräumen.
Denn dieselbe
Wahrscheinlichkeit, die dafür spricht, daß die Parteien ge wisse factische Gewohnheiten des Orts stillschweigend be
folgen wollten, läßt sich auch geltend machen für ihre stet willige Unterwerfung
Orts.
unter das
örtliche
Recht desselben
Wir wollen also die Stelle ganz so behandeln, al-
254 Buch Ul. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. örtliche Gränzen.
ob sie über das örtliche Recht entscheiden wollte, und nur noch fragen,
welchen bestimmten Ort sie entscheidet.
für
Offenbar will sie in den Worteir:
ejus regionis,
qua
in
negotium gestiim est, irgend einen anderen denkbaren Ort
ausschließen; welches ist nun dieser von ihr ausgeschlossene Ort?
Um die verschiedenen Möglichkeiten,
die dabei
in
Betracht kommen können, zur Anschauung zu bringen, will
ich folgendes Beispiel wählen. teoli,
Zwei Einwohner von Pu-
deren Einer in dieser Stadt ein Grundstück besitzt,
treffen zusammen im Bade von Bajä, und schließen daselbst
einen Kaufcontract über lenes Grundstück;
hinterher ent
steht ein Streit über die EvictionSleistung,
und es fragt
sich, welches örtliche Recht dabei angewendet werden soll Nach der Erklärung der Gegner müßte es das Recht von
Bajä seyn (regionis, in qua negotium gestuni est), daS von Puteoli,
und dieses
nicht
letzte eben sollte durch den
AuSspruch des Juristen verneint werden.
Ich gebe nun
zu, daß eS möglich wäre, der alte Jurist hätte an den auf einem so verwickelten Fall beruhenden Gegensatz gedacht,
und darüber eine Entscheidung geben wollen;
aber in der
Stelle selbst findet sich darauf nicht die entfernteste Hindeutung,
und eine unbefangene Erklärung muß vielmehr
darauf führen, setzen.
folgenden viel einfacheren Fall vorauözu-
Die zwei Einwohner von Puteoli haben in ihrer
Vaterstadt selbst den Kaufvertrag geschlossen (i); in diesem (i)
So erklärt die Stelle auch
C. Morn* aeus ,
Conclusiones
de
statutis in dem Comm. in hinter L. 1 C. de
Codicem
§. 372.
III. Obligattonenrecht.
Stadtgebiet aber gilt bei
Örtliches Recht.
255
Evictionen eine eigenthümliche
Gewohnheit, abweichend von der anderwärts üblichen.
An
statt nämlich, daß die allgemeine Gewohnheit anderer Orte
dahin führte, für den Fall der Eviction den doppelten Kauf
preis zurück zu zahlen (k),
war
in
es
Puteoli üblich,
einen anderen Ersatz, etwa den anderthalbfachen, oder den dreifachen Kaufpreis eintreten zu lassen.
Der Ausspruch
des Juristen gebt also dahin, in einem solchen Fall nicht die allgemeine, anderwärts übliche, Höhe des Ersatzes gel ten
zu
lassen,
sondern die an diesem Ort hergebrachte,
weil wahrscheinlich diese den Parteien vorgeschwebt habeir werde
gelegt trag
Gesetzt nun, worden,
nicht
wie
es wäre ihm die weitere Frage vor eS
in Puteoli
sen worden wäre
zu
selbst,
halten
sey,
sondern
wenn der Ver
in Bajä geschlos
(wovon übrigens die Stelle selbst keine
Spur eitthält), so würde er ohne Zweifel auch wieder auf
die Gewohnheit von Puteoli verwiesen haben,
weil
der
Vertrag in dieser Stadt und nicht in Bajä zu erfüllen war;
nur würde er dann nicht mehr den Ausdruck gebraucht
haben: in qua negotium gestuni est, weil dieser, wenn ein solcher Gegensatz in Frage gestanden hätte, fast nothwendig
summa trin. (p 6. 7 ed Hanov adaptari ad casus vel hypo1604. f) „ quod est inteiligen- theses, quae solent frequenter dum non de loco contractus accidere nec extendi ad casus fortuiti, sed domicilii, prout raro accidentes “ crebrius usu venit, immobilia (k) L 31 § 20 de aedil. ed, non vendi peregre, sed in loco (21. 1), L 2. L. 37 de evict. domicilii Lex autem debet (21. 2).
256 Buch 111. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. Örtliche Gränzen, mißverstanden werden mußte. — Wird nun diese Erklärung
der Stelle angenommen, die ganz bei ihren Worten stehen bleibt, und ihr keine fremdartige Voraussetzungen aufdrängt, so enthält sie durchaus keinen Grund, das örtliche Recht
nach einer andern Regel zu bestimmen,
als den Gerichts
stand.
§.
111.
373.
Örtliche« Recht (Fortsetzung).
Obligationenrecht.
Es sind nun für das
örtliche Recht der Obligation
einige Nebenfragen zu erörtern, meist anschließend an ähn liche Nebenfragen, die schon oben für den Gerichtsstand der Obligation untersucht worden sind (§ 371). In mehreren Fällen nämlich wird das örtliche Recht,
eben so,
wie der Gerichtsstand der Obligation,
begründet
durch den Entstehungsort derselben (8 372Num. HI. IV),
und
es kann dann die genauere Bestimmung dieses Ent
stehungsortes wichtig,
zuweilen aber auch zweifelhaft seyn.
Mit Rücksicht auf solche Zweifel sollen hier mehrere beson dere
Fälle
werden,
angegeben
und
einer Prüfung
in ähnlicher Weise wie Dieses
unterworfen
bereits bei dem
Gerichtsstand geschehen ist. A. Verträge: Der zweifelhafteste und beftrittenste Fall ist der eines Vertrages,
welcher
durch Briefwechsel
geschlossen wird.
Mit diesem Fall aber ist auf völlig gleiche Linie zu stellen
der Vertrag,
der durch eine an verschiedenen Orten unter-
256 Buch 111. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. Örtliche Gränzen, mißverstanden werden mußte. — Wird nun diese Erklärung
der Stelle angenommen, die ganz bei ihren Worten stehen bleibt, und ihr keine fremdartige Voraussetzungen aufdrängt, so enthält sie durchaus keinen Grund, das örtliche Recht
nach einer andern Regel zu bestimmen,
als den Gerichts
stand.
§.
111.
373.
Örtliche« Recht (Fortsetzung).
Obligationenrecht.
Es sind nun für das
örtliche Recht der Obligation
einige Nebenfragen zu erörtern, meist anschließend an ähn liche Nebenfragen, die schon oben für den Gerichtsstand der Obligation untersucht worden sind (§ 371). In mehreren Fällen nämlich wird das örtliche Recht,
eben so,
wie der Gerichtsstand der Obligation,
begründet
durch den Entstehungsort derselben (8 372Num. HI. IV),
und
es kann dann die genauere Bestimmung dieses Ent
stehungsortes wichtig,
zuweilen aber auch zweifelhaft seyn.
Mit Rücksicht auf solche Zweifel sollen hier mehrere beson dere
Fälle
werden,
angegeben
und
einer Prüfung
in ähnlicher Weise wie Dieses
unterworfen
bereits bei dem
Gerichtsstand geschehen ist. A. Verträge: Der zweifelhafteste und beftrittenste Fall ist der eines Vertrages,
welcher
durch Briefwechsel
geschlossen wird.
Mit diesem Fall aber ist auf völlig gleiche Linie zu stellen
der Vertrag,
der durch eine an verschiedenen Orten unter-
III
§. 373.
Örtliches Recht. (Forts.) 257
Obligationenrecht.
zeichnete Urkunde, oder durch die mündliche Willenserklärung
vermittelst eines Boten,
Hierüber nun
kann
;u Stande kommt (§ 370 l>). —
nur
wiederholt
was oben
werden,
(S. 235) über den Gerichtsstand in solchen Fallen gesagt
worden
Der Vertrag durch Brieswechsel ist als ge
ist.
schlossen anzusehen an dem Orte, und
wo der Brief empfangen
zustimmend beantwortet wird
darauf an,
Käme es also
blos
so müßte durch diesen Ort auch das örtliche
Recht bestimmt werden,
und dieses ist
Meinung mehrerer Schriftsteller (a).
aber verworfen werden,
weil
in der That die
Diese Meinung muß
der Verfasser des Briefes
höchstens einem Reisenden zu vergleichen ist,
der sich auf
einen Augenblick zu dem Empfänger hinbegeben
bat,
um
den Vertrag zu schließen; durch einen solchen ganz vorübergehenden Aufenthalt aber wird, auch wenn darin ein Ver
trag zu Stande kam,
der Sih der Obligation mit seinen
rechtlichen Folgen nicht
begründet
Daher ist hier das
örtliche Recht der Obligation zu beurtheilen
vor Allem
nach dem Erfüllungsort, wenn ein solcher fest bestimmt ist;
fehlt es
an einer solchen Bestimmung,
so
gilt für jede
Partei das Recht ihres Wohnsitzes (b). — Ganz abweichend
von diesen verschiedenen Ansichten haben andere Schriftsteller angenommen,
der durch Briefwechsel geschloffene Vertrag
(a) Hummel rliaps., obs. 40!) N. 17. 18, Meier p 59 (b) Wächter II. S. 45 nimmt VIII.
das Recht des Wohnsitzes allgemein an, ohne Rücksicht auf den Erfüllungsort
258 Buch III Herrschaft der Rechtskegeln. Kap. I. örtliche Gränzen,
beurtheilt werden (c);
müsse nach dem Naturrecht
nur zu bedauern ist,
wissen
daß sie nicht zugleich das naturrecht
angegeben
System
liche
wollen.
haben,
welches
sie
angewendet
Das Preußische Gesetzbuch
—
hier vorliegende
die
wobei
entscheidet
Frage nur in der beschränkten An
wendung auf den Fall, wenn /am Wohnsitz beider Parteien ein verschiedenes Recht über die Form des Vertrags gelte;
dann soll dasjenige Recht angewendet werdeit, bei welchem
der Vertrag
am besten bestehen kann (d).
Zn dem Sinn
dieser Vorschrift aber liegt es, auch in anderen Beziehungen
(wo eS nicht auf das Bestehen des Vertrags,
sondern auf
die Art der Wirkung ankommt) das Recht des Wohnsitzes über die Schuld jedes Theiles entscheiden zu lassen. Die wichtigste Anwendung dieser (Streitfrage ist die auf
Nach dem ausgestellten Grundsätze müssen
das Wechselrecht.
wir annehmen, daß die Verpflichtung jedes einzelnen Unter
zeichners eines Wechsels nach dem Recht seines Wohnsitzes zu
beurtheilen
ist.
Das
ganz
eigenthümliche
Bedürfniß
dieses Geschäfts aber kann eine abweichende positive Be stimmung wohl rechtfertigen.
recht
bestimmt
im
Art. 85
Das neueste deutsche Wechsel
Folgendes.
Jede
Wechsel
erklärung ist zu beurtheilen nach dem Gesetz des Orts, welchem sie. erfolgt
ist.
Ist
an
sie jedoch nach diesem Gesetz
mangelhaft, genügt aber den Anforderungen des inländischen
(c) Grotius de j. belli Lib. 2 C 11 § 5 N 3. Bert de commeatu literarum § 16 — 19 (Comm. Vol I pag. 243) (d) A. L. R. I. 5 § 113. 114.
§. 373.
Gesetzes,
III. Obligatwnenrecht.
Örtliches Recht. (Forts.) 259
so sind die später im Inland auf den Wechsel
gesetzten Wechselerklärungen gültig die Wechselerklärungen,
Eben so sind gültig
die ein Inländer einem anderen
Inländer im Auslande giebt, wenn sie nur dem inländischen
Gesetze entsprechen (e). B.
Einseitige erlaubte Handlungen.
Aus
dieser
kommen
Kategorie
hier
hauptsächlich
in
Betracht die mannichfaltigen Verpflichtungen, die aus dem
Klagenrecht hervorgehen,
insbesondere aus der Litisconte-
station (Anstellung der Klage), dem gerichtlichen Geständniß, dem
rechtskräftigen Urtheil
Hierüber waren früher viele
Zweifel und Meinungsverschiedenheiten wahrzunehmen, die
sich
jedoch allmälig immer mehr dem richtigen Grundsatz
angenähert haben, nach welchem das am Ort des Gerichts (und zwar der ersten Instanz) bestehende örtliche Recht als
anwendbar gelten muß,
auch wenn an anderen Gerichten
diese Frage späterhin vorkommt (f). Es muß jedoch bemerkt werden, daß hier eigentlich zwei,
wenngleich verwandte, dennoch an sich verschiedene Fragen zu entscheiden sind, deren Sinn am anschaulichsten werden
wird,
wenn ich sie sogleich aus den wichtigsten Fall der
Anwendung, das rechtskräftige Urtheil, beziehe.
Die erste,
allerdings wichtigste, Frage ist die, ob überhaupt das aus-
(e) Preußische Gesetz - Sammlung 1849 S. 68. Aehnliche Be stimmungen enthält das A. L. R. II 8 § 936 — 938. (f) Huber 8 6 Meier p. 29. Story § 584 sg.
260 Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap.I. Örtliche Gränzen,
gesprochene rechtskräftige Urtheil auch anderwärts, selbst in einem anderen Lande,
anzuerkennen ist.
Die zweite Frage
betrifft die Modalitäten in den Bedingungen und Wirkungen die in den Gesetzen verschie
des rechtskräftigen Urtheils,
dener
Länder
bestimmt
verschieden
seyn
kötmen.
Unsere
nur an die erste Frage.
Schriftsteller denken meist
Wer
aber diese zum Vortheil der Gültigkeit des rechtskräftigen muß consequenterweise auch auf die
Urtheils beantwortet,
Modalitäten das Gesetz des Orts anwenden,
mi welchem
das Urtheil gesprochen wurde, da man doch überhaupt das
Urtheil nur in dem Sinn kann anwenden wollen, in welchem
der urtheilende Richter dasselbe erlassen hat Dieser Gegensatz tritt hervor in der Fassung vieler Ver träge, die von der Preußischen Regierung mit Nachbarstaa
worden
sind (g).
der
wörtlichen
Fassung dieser Verträge könnte man annehmen,
wenn ein
ten
geschlossen
Nach
in Weimar gesprochenes Urtheil in einem Preußischen Ge
richt vorgebracht werde, so müsse die exceptio rei judicatac
so
angewendet
werden,
über diese Erception,
meinrechtlichen)
wie
es
den Preußischen Regeln
nicht, wie es den Weimarschen (ge
entspreche.
(g) Vertrag mit Weimar Art. 3 (s. o 8 348) „Em von einem ständigen Gericht gefälltes rechts kräftiges Erkenntniß begründet vor den Gerichten des andern Staates die Einrede des rechtskräftigen Ur theils (exceptio rei judicatae)
An
diesen
feineren
Gegensatz
mit denselben Wirkungen, als wenn das Urtheil von einem Gericht desjenigen Staates, ui welchem solche Einrede geltend ge macht wird, gesprochen wäre". — Eben so mit mehreren anderen Nachbarstaaten.
§.373
III
Obltgatiencnrecht
Örtliches Recht. (Forts.,
261
aber hat man dabei schwerlich gedacht, um so weniger, als bei jenen Verhandlungen gewiß nicht die möglichen Ver schiedenheiten in der Theorie der exceptio rei judicatae er wogen worden sind. Die Meinung ging vielmehr unzweifelhast blos dahin, daß die Erception aus einem Urtheil deS Nachbarlandes eben so gewiß, wie ans einem inlän dischen ttrtbeil, geltend gemacht, also nicht etwa wegen der ausländischen Stellung des früheren Richters zurückgewie sen werden könne. C Delicte Der (Gerichtsstand am Ort des begangenen Delikts hat nach den Gesetzen und nach der Praris keinen Zweifel, ob gleich er aus andere Weise begründet werden muß, als der Gerichtsstand anderer Obligationen (§ 37t. ('.). Für daS örtliche Recht aber muß eine andere Regel gelten. Indessen wird es zweckmäßiger seyn, diese Frage in einem anderen Zusammenhang zu behandeln (§ 374. (’.), weshalb sie hier einstweilen ausgesetzt bleibt.
Die neueren Gesetzgebungen enthalten nur sehr unvoll ständige Bestimmungen über das örtliche Recht der Obli gationen Das Preußische Landrecht giebt eine Vorschrift über die durch Briefwechsel geschlossenen Verträge (Note d). Es erkennt ferner bei der Frage über Maaß und Gewicht, so wie über die Münzsorte, die in einem Vertrag gemeint seyn mögen, den Grundsatz an, daß der örtliche Gebrauch
264 Buch 111 Herrschaft der Recht-regeln. Kap. I. Örtliche Gränzen, nicht geltenden Wechsclrecht.
An einem solchen Orte näm
lich kann nur keine Wechselklage mit Erfolg angestellt wer
den, selbst aus einem an sich vollgültigen Wechsel; dagegen hat daS Recht eines solches Ortes auf die Gültigkeit der
au demselben ausgestellten Wechsel keinen Einfluß, so daß bie>e an anderen, mit Wechselrecht versehenen Orten aller
dings wechselmäßig eingeklagt werden können (§ 364)
B.
Eine andere Rechtsfrage betrifft die Auslegung
der Rechtsgeschäfte, insbesondere der Verträge, aus welchen Obligationeit entstehen (a) Man kann diese Frage mit mehreren Schriftstellern in einem so weiten Sinne auffassen, daß sie alle andere Fra
gen über daö örtliche Recht in sich ausmmmt, Anwendung
irgend
einer
indem die
örtlichen RechtSrcgel auf einen
Vertrag stets so verstanden werden kann, daß sie nach dem
wahrscheinlichen Willen der Parteien zu dem Vertrag hinzu gedacht werden müsse
legung bezeichnen,
Das läßt sich als ergänzende Aus
so wie sie überhaupt den vermittelnden
Rechtsrcgeln zum Grunde liegt (b).
Allein so allgemein
aufgefaßt, verliert die Frage nach der Auslegung alle eigen
thümliche Bedeutung
Soll ibr diese erhalten werden,
müsseil wir sie in einem engeren Sinne aufsasseu,
so
indem
wir sie auf die Zweifel beziehen, die aus der ungewissen
(a) Schriftsteller über diese Frage: Boullemhs T. 2 obs.46 dixiemc regle p. 489 — 538. Story § 272 fg. 280 fg. Wach-
ter Archiv für civil Prari- B 10 S. 1141'16 125. (b) S o Q). i § 16.
374.
111. Obllgiitwneiirechi.
©uijilne Rechtsfragen.
265
Fassung eines Vertrags, also aus den Ausdrücken desselben, entspringen.
Das ist eine thatsächliche Frage,
eben so wie
bei der Gesetzauslegung; sie ist hier und dort gerichtet auf die Erkenntniß des wahren Gedankens, den die gebrauchte
mündliche oder schriftliche Rede in sich
enthält (c).
Bei
dieser Frage nun ist gar nicht die Rede von der Anwen
dung irgend eines örtlichen Rechts, wohl
aber kann der
örtliche Sprachgebrauch oft dazu dienen, den Gedanken
der Person erkennen zu lassen,
erklärung herrührr
von welcher die Willens
Fragen wir nun nach dem Ort, dessen
Sprachgebrauch zu berücksichtigen ist,
so können dabei die
Regeln über das anwendbare örtliche Recht nicht maaßge
bend seyn, und es ist ganz grundlos,
wenn Manche auf
ben EntstehungSort oder den Erfüllungsort der Obligation blos deswegen verweisen, weil sich nach diesen Orten das
anwendbare örtliche Recht in vielen Fällen richtet. So
Vertrag
wird
bei
einem
durch Briefwechsel
geschlossenen
in der Regel der Sprachgebrauch des Ortes
zu
beachten seyn, an welchem der Verfasser des erstell Schrei bens wohnt, nicht der Ort des Empfanges und der An-
nabme, obgleich an diesem letzten Ort der Vertrag als ab geschlossen anzusehen ist (S
(C) S o B 3 S. 244. So Driicteii sich auch tue Römischen Juristen aus L. 34 de R J (50 17) ,,id sequimur, quod actum est“ L 114 eod „In obscuris lnspici solere, quod
235) (d);
denn es ist anzu-
verisimilius est, aut quod ple rumque fieri solet “ (d) Wächter a a O, S 117 Er erläutert tiefen Satz durch folgenden Rechtsfall Eine Leip ziger Versicherungsgesellschaft hatte
266 Buch III Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtlich« Gränzen, nehmen, daß der Berfaffer des Schreibens den ihm geläu
figen Sprachgebrauch vor Augen gehabt haben wird. Wenn ferner ein mündlicher oder schriftlicher Vertrag
im Wohnsitz beider Parteien geschlossen wird, so ist unstrei tig der Sprachgebrauch dieses Ortes anwendbar
Dagegen
läßt sich Dieses nicht unbedingt behaupten, wenn der Ver
trag an einem Orte geschlossen wird, der für eine der Par teien oder für beide nicht der eigene Wohnsitz ist.
Hier
muß in jedem einzelnen Fall erwogen werden, ob anzuneh men ist, daß der Fremde, der an dem Vertrage Tbeil nahm,
diesen örtlichen Sprachgebrauch kannte, und sich ihn wahr scheinlich aneignen wollte (e).
wir auch
Aus denselben Gründen können
nicht
den
Sprachgebrauch des verabredeten Erfüllungsortes unbedingt zum
Grunde legen bei der Auslegung eines Vertrages,
in ihren gedruckten Bedingungen den Fall
einer
Zerstörung durch
(e)
Man
konnte
diese
Be
Bei einer
hauptung widerlegen wollen durch L 34 de R J (50. 17) „id
auswärts vorgekommenen Feuers brunst entstand nun die Frage, ob
seqiiamur, quod in regione, in qua actum est, frequenta
dabei der juristische Begriff des Auf
tur “
ruhrs anwendbar fen, indem die Ge
wiß
Aufruhr ausgenommen.
setze
verschiedener
Länder
diesen
Begnffnicht gleichmäßig bestimmen.
Wächter entscheidet ganz richtig, es muffe auf den Sprachgebrauch des
Sächsischen
Gesetzes
gesehen
werden, weil in dem Bereich dessel ben
die
Bedingungen
abgefaßt
waren, auf deren Grund die Ver
sicherungen ausgestellt nommen wurden.
und ange
Allein diese Stelle will ge feine
willkürliche
Vorschrift
geben, muß also unter der natur
lichen Voraussetzung verstanden werden, daß die verbandelnden Personen
an
diesem
Orte
ein
heimisch sind; ganz eben so wie die L. 6 de evict (21.2), s o.
§. 372. i.
§. 374.
III. Obligationenrechi.
Einzelne Recht-fragen.
267
wenngleich das örtliche Recht einer Obligation stets nach
dem Erfüllungsort sich richtet
ankommen, Ortes
ob
kannten
die Parteien
und
sich
Auch hier wird es darauf den
Sprachgebrauch dieses
aneignen wollten.
Für manche
Stücke in dem Inhalt eines Vertrages werden wir freilich
den Sprachgebrauch des Erfüllungsortes allgemein bei der Auslegung zum Grunde legen können.
Wenn nämlich an
einem fremden Orte eine Geldsumme ausgezahlt, eine Waare
nach Maaß und Gewicht abgeliefert, oder eilt Grundstück nach dem bestimmten Umfang eines Landmaaßes übergeben
werden soll, in dem Vertrage aber für die Geldsorte, das
Maaß oder das Gewicht Ausdrücke gebraucht sind, die in
verschiedener
Bedeutung,
in
verschiedenem
Umfang
und
Werth vorzukommen pflegen, so ist der Sprachgebrauch des
Erfüllungsortes zum Grunde zu legen, nicht blos, weil an zunehmen ist, daß die Parteien an das dort übliche Geld,
Maaß, Gewicht gedacht haben werden, sondern auch, weil es in lenem Orte oft an der Möglichkeit fehlen wird,
die
Erfüllung nach anderen Gewichten u s. w. abzumessen und
zu vollziehen (f). Man könnte glauben, die hier aufgestellten Regeln über die Auslegung der Verträge ständen
im Widerspruch mit
gewissen Vorschriften des Römischen Rechts. nämlich
Rach diesen
soll die Auslegung eines zweifelhaften Vertrages
(f) Boullenois p. 496 — 498. So ist c- auch ausdrücklich indem Preußischen Gesetze bestimm«. A. L. R. I. 5 § 256. 257.
268 Buch III Herrschaft der Rechtsregelu. Jtap. I Örtliche Gränzen, stets ausfallen zum Nachtheil desStipulatorbei einerStipula-
tion(c); ebenso zum Nachtheil des Verkäufers oder des Vermie thers, wenn von diesen anderen Verträgen die Rede ist (h). Als Grund wird dabei der Umstand angegeben, daß diese
Personen es in ihrer Macht batten, den Zweifel durch an dere Fassung zu verhüten, welches so viel sagen will, daß
sie entweder durch ibre Nachlässigkeit oder gar durch uu-
redliche Absicht den Zweifel verschuldet haben
Eben dieser
Grund aber deutet darauf bin, daß ein ganz anderer Fall,
als bei der hier vorliegenden Frage, vorausgesetzt wird. Jene Aussprüche beziehen sich überdem ganz ausdrücklich
auf dunkle, zweideutige Ausdrücke (i),
anstatt daß in un
serer Frage von Ausdrücken die Rede ist, die an sich weder
dunkel noch zweideutig sind,
sondern nur an verschiedenen
Orten eine andere Bedeutung mit sich führen, welche aber an jedem dieser Orte für sich klar und gewiß ist
Die hier
erörterte Frage
wegen der Auslegung der
Verträge ist von jeher von den meisten Schriftstellern auf
andere Weise, als hier geschehen, aufgesaßt, und vielmehr
aus die Grundsätze dcS örtlichen Rechts zurückgeführt wor den
Hiernach hat man gewöhnlich angenommen, daß die
Auslegung geschehen müsse nach dem Sprachgebrauch dcS
(g) L.2G de reb. dub. (34. 5), L. 38 § 18, L 99 pr de V O (45. 1) (h) L 39 de pactis (2. 14), L. 21 33 de contr ernt (18. I), L. 172 pr de R J (50. 17).
(i) L. 39 de pactis (2. 14), L. 21 33 de contr eint. (18 1), L 29 de reb dub (34 5), L. 172 pr de R J (50 17)
§. 374.
III. Obligationenrecht.
Einzelne Rechtsfragen.
269
Bertragsortes, oder des Erfüllungsortes, wenn ein solcher verabredet sey (k).
Mehrere aber haben völlig richtig die
Aufgabe erkannt, nicht sowohl eine juristische Regel festzustcllen,
als vielmehr die wahre Absicht der Parteien nach
den für die Auslegung
überhaupt geltenden Grundsätzen
für jeden einzelnen Fall zu erforschen (1).
Die Gültigkeit
C.
theils von formellen,
einer Obligation ist
abhängig
theils von materiellen Bedingungen.
Tie formellen Bedingungen werden weiter unten,
in Ver
bindung mit den bei anderen Rechtsverhältnissen anwend baren Formen,
erwogen werden, da,
wo von der Regel:
lucus regit actum die Rede seyn wird (8 381).
Hier ist
für die materiellen Bedingungen der Gültigkeit das örtliche
Recht
festzustellen,
nach
welchem
sic
beurtheilt
werden
müssen. Als Regel müssen wir annehmen, daß die Gültigkeit
der Obligation abhängt von dem örtlichen Recht, dem die Obligation überhaupt unterworfen ist (§372); also, je nach
Verschiedenheit der Fälle, von dem Recht deS Erfüllungs
ortes, oder des Entstehungsortes der Obligation,
Wohnsitzes des Schuldners.
oder des
Von dieser Regel aber muß
eine Ausnahme behauptet werden in allen Fällen, in wel
chen
ein am Ort der angestellten Klage geltendes Gesetz
von streng positiver, zwingender Natur entgegensteht.
(k) Sv Story § 272. 280 und tic daselbst angeführten Schrift steller (1) So Boullenois a. a. O., besonders p. 494 — 498, und Wachter a. a. O
270 Buch III
Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Die hier aufgestellte Regel
wird denn auch
von den
mit Vorbehalt
meisten Schriftstellern anerkannt,
natürlich
sehr verschiedener Anwendungen,
gegründet aus die Mei
nungsverschiedenheiten über das örtliche Recht der Obliga
tion selbst sm). Diese Uebereinstimmung jedoch beschränkt sich auf den durchgreifenden
Gegensatz
einer
durchaus
gültigen
durchaus ungültigen (nichtigen) Obligation
oder
Zwischen die
sen beiden äußersten Fällen finden sich mannichfaltige Mit
telglieder, und über das örtliche Recht, nach welchem diese beurtheilt werden sollen,
gehen die Meinungen sehr aus
einander Zunächst find
hier die Fälle zu beachten, in welchen
einer an sich nicht ungültigen Obligation blos die Rechts
hülfe der Klage versagt wird (naturalis obligatio); die weit häufigeren Fälle,
ferner
in welchen eine klagbare Obli
gation durch entgegenstehende peremtorische Einreden ent
kräftet wird
Manche Schriftsteller haben hier die Klagen
und Einreden als Prozeßinstitute behandelt, und daher auf
alle Fälle solcher Art das Gesetz, welches am Ort der an gestellten Klage gilt, anzuwenden versucht (n).
nung aber ist ganz verwerflich;
erwähnten Art
bestimmen
Voet. Fand. IV 1 §29. § 66. Story § 332 fg. Wächter II. S. 397. 403. 404.
(m)
Bert
nur
Diese Mei
alle Rechtsregeln der hier verschiedene Stufen
und
(n) Weber natürliche Ver bmdlichkett § 62. 95. Foelix p 146.
§. 374*
III. Obligationenrecht.
Einzelne Rechtsfragen.
271
Formen unvollständiger Gültigkeit einer Obligation (o), und
gehören daher eben so, wie die Regeln über völlige Gültig keit oder Ungültigkeit dem materiellen Rechte an, nicht dem Es ist also ganz inconsequent, beide Ar
Prozeßrecht (p).
ten von Rechtsregeln nach
behandeln.
verschiedenen Grundsätzen zu
Besonders bedenklich
aber muß es erscheinen,
wenn diese Behandlung auf neuere Gesetzgebungen ange
wendet werden soll, welchen scharf begranzte Begriffe und Kunstausdrücke ost fehlen, woraus allein jene Unterscheidung
gegründet werden könnte Die hier ausgestellte Regel ist also namentlich anzuwen
den auf die exceptio mm numeratae pecuniae;
denn ob
gleich in dieser zunächst von einer eigenthümlichen Beweis
regel die Rede ist, die dem Prozeßrecht anzugehören scheint, so ist dieselbe dennoch ganz in dem materiellen Recht ge
wisser Arten von Obligationen gegründet. dahin die exceptio
Ferner gehört
excussionis; ungleichen die
auf das
beneficimn compitentiae gegründete Einrede. — Dagegen sind nicht unter diese Regel
(o)
B. 4 § 202. 203
S. o
Es verftebt sich von selbst, daß die hier ausgestellte Regel nur an. wendbar
ist
auf
Einreden,
die
zu beziehen die exceptio Sc.
175
Diese letzten richten sich ge
wiß nach dem am Ort der Klage
geltenden Recht, und vielleicht hat die Verwechselung beider Arten da
einen materiellen RechtSgrund haben
zu beigetragen,
(also auf alle peremtorische), nicht
zu befestigen. (p) Eichhorn deutsches Recht
auf die,
welche
Vorschriften
blos
in Prozeß.
gegründet sind,
und
die stets eme nur dilatorische Natur haben. S.o. B. 5 §227 S. 171.
§ 36
Note ii
S 401. 402.
die falsche Lehre
Wächter
II.
272 Buch III. Herrschaft derRechtSregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Macedoniani und Sc. Vellejani,
da
diese
Einreden nicht
auf der mangelhaften Natur der Obligation an sich,
son
dern auf der unvollständigen Handlungsfähigkeit der
bc
' ii t c v Rechte
— G r n n r s a i
' ii t c v Rechte
— G r n n r s a i
ic Nichtrück
wirkung) als berrschenver Grundsatz, so wie bei den Rechts
regeln über den Erwerb werden könne,
unmöglich
der Rechte,
gedacht
indem die wichtigsten Gesetze solcher Art,
wenn man ihnen
einen solchen
Sinn unterlegen
wollte,
überhaupt gar keinen Sinn babeu würden. Um diese Behauptung anschaulich zu machen, werde ich
drei Gesetze anführen, die in neuerer Zeit an verschiedenen
Orten vorgekommen sind, und auf die ich versuchsweise dm Grundsatz der Nichtrückwirkung anwenden will. setz
bebt
die Leibeigenschaft
auf.
Ein
Ein Ge
anderes hebt die
Zehenten auf, ohne Entschädigung, wie es z. B. gleich im
Ansang der Französischen Revolution geschehen ist.
Ein
drittes Gesetz verwandelt die Zehenten, die bisher unablöslich waren,
in ablösliche Rechte,
indem es dem Verpflichteten
(vielleicht auch dem Berechtigten) gestattet, sie mit einseitiger Willkür in eine Leistung anderer Art,
von gleichem Geld
werth, zu verwandeln. — Wollte man nun diese drei Ge
setze unter den Grundsatz der Nichtrückwirkung stellen, 33*
so
516 Buch III. Herrschaft derRechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen. würden sie folgende Bedeutung bekommen.
Jede künftige
Errichtung einer Leibeigenschaft (oder eines Zehentrechts) ist verboten,
ungültig,
wirkungslos.
Jede künftige Er
richtung eines ZehentrechtS soll stets die Befugniß einseitiger
Ablösung des Zehenten mit sich führen. —
In dieser Be
deutung aber würden die erwähnten Gesetze völlig leer und
überflüssig seyn, gedacht hat,
da seit sehr langer Zeit Niemand daran
eine Leibeigenschaft oder ein Zehentrecht neu
zu begründen.
Daraus folgt also, daß der Gesetzgeber diese
Bedeutung ganz gewiß nicht gemeint und gewollt hat, und
daß also seine Absicht im vollständigen Gegensatz steht gegen die Absicht der den Erwerb der Rechte betreffenden Gesetze,
indem
diese nicht rückwärts,
sondern nur
auf künftige
Rechtsgeschäfte einwirken, mithin erworbene Rechte erhalten wollen; allerdings mit Ausnahmen, die jedoch höchst un
bedeutend sind,
und fast verschwinden in Vergleichung mit
der wirklich beobachteten Regel. Man kann nun allerdings den Zweifel erheben, ob nicht
etwa alle Gesetze der erwähnten Art, eben weil sie erwor
bene Rechte zerstören oder umbilden, durchaus rechtswidrig und verwerflich seyn möchten.
Ich will mich dieser Frage
keinesweges entziehen, sie vielmehr einer selbstständigen Er örterung
unterwerfen.
Nur wird
es dem Gang unsrer
Untersuchung förderlich seyn, diese ganz andere Frage vor
läufig auf sich beruhen zu lassen,
und zunächst nur festzu
stellen, welches der Sinn und die Meinung der Gesetze ist, mit welchen wir uns gegenwärtig beschäftigen;
die Recht-
§
398.
B.
517
Daseyn der Rechte. — Grundsatz.
Mäßigkeit derselben soll am Schluß noch besonders geprüft
(§ 400).
werden
Der Sinn und die Meinung der Gesetze dieser Klaffe
wird
nun
durch
folgende
Formeln
ausgedrückt
werden
die im schneidenden Gegensatz stehen zu dem für
können,
die erste Klaffe von Gesetzen oben aufgestellten Grundsatz (8 384. 385).
Neuen Gesetzen dieser Klasse ist rückwirkende Kraft
beizulegen. Neue Gesetze dieser Klasse sollen erworbene Rechte nicht unberührt lassen. Folgende Betrachtung wird dazu dienen, die hier aufge
stellte Behauptung über den Sinn und die Meinung solcher Gesetze
von
einer
anderen Seite
her zu bestätigen.
meisten und wichtigsten dieser Gesetze haben die oben,
Die bei
einer anderen Gelegenheit, dargestellte streng positive, zwin
gende Natur, indem sie außer dem reinen Rechtsgebiet ihre Wurzel haben,
und mit sittlichen,
politischen, volkswirth-
schastlichen Gründen und Zwecken im Zusammenhang stehen Es liegt aber in der Natur solcher zwingenden
(§ 349). Gesetze,
daß sie ihre Macht und Wirksamkeit mehr,
andere Gesetze, ausdehnen müssen,
als
wie dieses auch schon
oben bei der örtlichen Collision der Gesetze geltend gemacht worden ist.
Es
ist
nun noch
anzugeben,
Schriftsteller zu der hier
welche Stellung
vorgetragenen Lehre
unsre
einnehmen.
Die Unterscheidung der zwei Klassen von Rechtsregeln, die
520 Buch IU. Herrschaft dkr Recht-regeln. Kap II. Zeitliche Gränzen, allgemein wirken (b).
Dahin aber können sie offenbar nur
kommen, indem sie jene Einschränkung (die selbst schon die Ausnahme einer Ausnahme ist) durch eine neue Ausnahme
beseitigen, also gleichsam eine Ausnahnie dritter Potenz an So wird es aber immer augenscheinlicher,
nehmen.
unnatürlich eine Auffassung ist,
wie
die zu solchen Rettungs
mitteln hindrängt. Sebr charakteristisch ist die ganz verschiedene Art,
in
welcher ein anderer Schriftsteller die angegebene Schwierig keit
zu lösen sucht (c).
Rückwirkung, gebers
Dieser
läßt keine exceptionelle
>a überhaupt keine Einwirkung des Gesetz
auf zeitliche Eollisionen der Gesetze zu (§ 387. i).
Bei der gegenwärtig vorliegenden Schwierigkeit aber Hilst
er sich damit,
daß er blos die ihm besonders mißliebigen
Institute, wie Leibeigenschaft, Steuerfreiheit des Adels, in's
Auge faßt.
Diese nennt er Gräuel, moralische Schändlich
keiten, Ungerechtigkeiten, die an sich kein rechtliches Daseyn haben.
Wmn ein Gesetz sie aufbebt,
so soll es des Zu
satzes der rückwirkenden Kraft nicht bedürfen.
Vielmehr
soll jede der drei Staalsgewalten (die gesetzgebende, richter
liche,
vollziehende) für sich allein die Macht haben,
jene
Institute zu ignoriren, und dadurch praktisch zu vernichten.
— Eine Widerlegung dieser Ansicht wird man wohl nicht verlangen.
(b) (c)
Nur auf die praktische Schwierigkeit in der
Weber S. 213 — 215 Bergmann S 259 Struve S. 150—152. 274—276.
§. 398.
B. Daseyn der Rechte.
—
Grundsatz.
Ausführung will ich aufmerksam machen,
521
die in der Fest
stellung des Daseyns und der Gränzen jener Gräuel und Schändlichkeiten liegt, indem darüber die subjektive Anstcht der einzelnen Träger der drei Staatsgewalten vielleicht nicht ganz übereinstimmend seyn könnte.
könnten sich auch
consequenle
Unter diesen Trägern
Communisten finden,
und
diese würden das gesammte Institut des Eigenthums unter
die Gräuel zählen
Nimmt man nun, von Rechtsregeln an,
wie es hier geschieht,
zwei Klaffen
die von ganz verschiedenen Grund
sätzen beberrscht werden,
so ist Nichts wichtiger,
als die
Feststellung scharfer und sicherer Gränzen zwischen beiden
Klaffen.
Für viele Fälle ist die Gränze keinem Zweifel unter worfen ; namentlich für die Fälle solcher Gesetze, in welchen
ein bisber bestehendes Rechtsinstilut völlig aufgehoben wird. Zweifelhaft aber kann sie seyn bei ven Gesetzen, welche ein
Rechtsinstitut nicht aufheben,
Dann
sondern nur umbilden (d).
wird Alles aus die unbefangene Prüfung deS In
halts und des Zwecks des Gesetzes ankommen. sonders sicheres,
(d) gemacht
Ein be
und für die meisten Fälle ausreichendes,
Schon oben ist auf diese Zweifel int Allgemeinen aufmerksam
worden (§ 384).
vorgekommen
Einzelne Fälle zweifelhafter Natur find
§ 390 Num. 3. 4.
§ 393
Num. 6.
524 Buch III Herrschaft der RkchtSregeln. Kap. II Aeulichc Gränzen.
Ueber das Verhältniß alter und neuer Gesetze zu ein
ander wird hier nicht leicht ein Zweifel entstehen. Die zweite Klasse
II.
bilden
einige,
auf
schlechterverbältniß bezügliche, Rechtsinstitute.
über
diese Institute
gehören deswegen
nicht auf reinen Rechtsgründen beruhen,
Ge-
das
Die Gesetze
hierher,
weil
sie
sondern auf sitt
lichen (theilweise sittlich-religiösen) Gründen.
Die einzel
nen hierher gehörenden Fälle sind folgende: 1.
Ehescheidung.
Wenn durch
ein
Gesetz
neues
die Scheidung überhaupt eingeführt oder abgeschafft, wenn eine Aenderung
in
den
Scheidungsgründen
oder
vorge
nommen wird, so entsteht die Frage nach dem Einfluß deS
neuen Gesetzes auf die bestebenden Ehen. Betrachtet
man
ein
solches Gesetz
von
dem
abstract
juristischen Standpunkt aus, so hat es eine äbnliche Natur
mit dem Gesetz
über die
Durch diese Ehescheidung
Veräußerung verliert
jeder
des Eigenthums.
Theil die
bisher
aus der Ehe entstehenden Rechte, so wie jeder die Freiheit
von den Ansprüchen des anderen Theils, und zugleich alle Vortheile der Ehelosigkeit erwirbt.
(Möglichkeit
einer neuen Ehe)
Hiernach möchte man glauben, es verhielte sich
mit den Gesetzen über Ehescheidung gerade so, wie mit den Gesetzen über das Güterrecht (§ 396).
Dann hätte jeder
Ehegatte durch den Abschluß der Ebe das unabänderliche Recht erworben,
bei
einer
künftigen Scheidung nach
dem
zur Zeit des Anfanges der Ehe bestehenden Gesetz beurtheilt zu werden.
B Daseyn der Rechte Anwendungen. Ausnahmen.
525
Diese Auffassung muß jedoch verworfen werden,
weil
§. 399
die
Gesetze
Zwecke,
über
die Ehescheidung
sittliche Gründe und
mithin eine zwingende Natur haben,
und daher
zu den Gesetzen über das Daseyn der Ehe gehören (c). Dieses ist gleich wahr, das neue Gesetz mag die Scheidung
Das erste setzt den überwie
erschweren oder erleichtern
genden Werth auf Erhaltung der Reinheit und Heiligkeit der Ehen; Vas zweite auf unbeschränkte Erhaltung der in
dividuellen Freiheit (d);
beides sind sittliche Principien,
deren relativer Werth oder Unwerlh hier ganz dahin ge
stellt bleiben muß, wo es blos darauf ankommt, die Natur der darauf bezüglichen Gesetze zu bestimmen. Die hier aufgestellte Ansrchr
transitorischen Gesetzgebung,
(c)
Man sonnte
es
für ein
seitig und unbegründet halten, daß hier nur der Ehescheidung dieser Charakter .zugeschrieben werde,
nicht
auch
dem
ganzen
übrigen
rein persönlichen Recht der Ehe, namentlich den persönlichen Rech
ten
und
Pflichten
während
der
Ehe. Der Unterschied ist jedoch der, daß auf diese der Gesetzgeber und der Richter sehr wenig mög lichen Einfluß haben, anstatt daß
ist
in der Preußischen
mit einer geringen
wiewohl
(d) Die Freiheit braucht hier nickt gedacht zu werden als bloße Willkür, als Verneinung unbe quemer Schranken, welche aller
dings keine besonders stttliche Na tur hat;
sie
werden als
kann auch
Schutz der
gedacht
sittlichen
Freiheit in der Ehe gegen jeden äußeren,
diese Freiheit störenden,
und dadurch die Reinheit der Ehe gefährdenden, Zwang.
Dieses war
die ursprüngliche Ansicht der Rö
der Ausspruch über Daseyn oder Nichtdaseyn der Ehe (also die Ehescheidung) sehr wohl mit Er-
mer, wurzelnd in der Zeit alter Sittenreinheit. L. 134 pr. de V,
folg durchgeführt werden kann.
(5. 4),
0 (45. 1),
(8. 39)
L. 14 C. de nupt.
L. 2 C
de mut
stip.
526 Buch III. HerrschaftderRechlsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen Modifikation, anerkannt worden.
Als in den Jahren 1814
und 1816 das allgemeine Landrecht in mehrere Provinzen theils neu eingeführt, theils wieder eingeführt wurde, be
stimmte man für die Scheidung der bestehenden Ehen, daß
diese von jetzt an nach dem Landrecht,
also
unabhängig
von dem Gesetz zur Zeit der geschlossenen Ehe, beurtheilt
sollte.
werden
Nur .wurde
die
sehr
mäßige und nicht
unbillige Ausnahme binzugefügt, daß ein Scbeidungsgrund
des Landrechts nicht geltend gemacht werden dürfe, wenn
die zum Grund liegende Thatsache vorgefallen sey während der Herrschaft des fremden Gesetzes, und in diesem Gesetz nicht als Scheidungsgrund gegolten babe (e). Gan; gleiche Natur mit
scheidung
den Gesetzen über die Ehe
babcn die Gesetze über die Nichtigkeitsklage ge
gen die Ebe 2
Liberalität gegen Ehegatten
Diese ist nicht
selten durch neue Gesetze, auch in der beutigen Zeit, be schränkt worden.
Im Römischen Recht kommt, als uraltes,
sehr ausgebildetes Rechtsinstitut solcher Art,
dih verbotene
Schenkung unter Ehegatten vor (f).
Man möchte nun glauben,
ein solches Gesetz gehöre
durchaus dem Güterrecht an, unter welcher Voraussetzung
lediglich die Zeit der geschlossenen Ehe
(e) § 11. (f)
Provinzen jenseits der Elbe § 9. Sachsen § 11 (f. e § 383).
S o B. 4 § 162—164.
maaßgebend
Weftpreußen § 11.
seyn
Posen
§.399. 8. Dasey» der Rechte. Anwendungen. Ausnahmen.
527
würde. In der That aber hat ein solches Gesetz zwingende Natur, wirkt also augenblicklich aus die bestehenden Ehen ein. Denn der Zweck desselben geht dahin, die Gefährdung der Reinheit der Ehe durch eigen nützige Einwirkungen zu verhindern. Daber würde es irrig feint, die Sache so zu betrachten, als hätte durch die abgeschlossene Ebe jeder Tbeil das unabänderliche Recht erworben, wegen der Liberalität zwischen ihm und dem an dern Tbeil stets nach dem jetzt geltenden Gesetz beurtheilt zu werden Dieselbe Ansicht ist auch schon oben, bei der örtlichen Eoliisiou der Gesetze, geltend gemacht worden (§ 379. Rum 4). 3. ll »eheliche Kinder. Die auö dem außerebelicheu Beischlaf ab.zuleitenden Rechte, theils des Kindes, theile der Mutter, gegen den Erzeuger gehören unter die schwierigsten und zweifelhaftesten Gegenstände, sowohl des Privatrechts, als der GcsetzgebungSpolittk Man kann dabei ausgeben von der Annahme eines vom Erzeuger begangenen DelictS, welche nach den Reichs gesetzen für unser gemeines Recht wobl begründet ist (g); (g) Rcichspolizeiordnung 1530 Ttt. 33, 1548 Tit. 25, 1577 Tit.
11 verbessert werden). —Indessen verwickelt man sich bei der Ablei
26. — Auch nach dem A. L. R. I- 3 § 36. 37 ist es eine gesetz
tung der Entschädigungsansprüche
widrige Handlung, (jedoch muß i'ni § 37 der Druckfehler 10 in
sten und gewagtesten Vorstellungen.
auS diesem Delict m die seltsam
528 Buch III. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. II Zeitliche Gränzen
oder auch von der Annahme der natürlichen Blutsverwandt wobei
schaft,
stets die Thatsache
jedoch
Paternität
der
völlig ungewiß bleibt (h). beiden Fällen könnte man annehmen,
In
Thatsache des als Erzeugung
durch
die
angesehenen Beischlafs
sey
ein unabänderliches Recht begründet,
ein späteres
wobei
Gesetz Nichts ändern könne, es möge die Rechte der Kinder
Das
und der Mutter derselben erweitern oder beschränken.
neue Gesetz würde dann nur Anwendung finden auf künf tige Erzeugungen
Allein in der That
haben solche Gesetze
stets
einen
zwingenden Charakter, indem sie mit sittlichen Zwecken im Darüber ist eine Meinungsverschie
Zusammenhang stehen
denheit kaum möglich, raß die ausschließende Geschlechts
gemeinschaft in der Ehe, sowohl sittlich als für das Staats wohl, höchst wünschenswerth, besonders aber, daß der Zu
stand unehelicher Kinder ein höchst unheilvoller ist kann nun durch Erweiterung
der Ansprüche der Kinder
theils diesen Zustand mildern,
theils dem Leichtsinn der
Männer entgegen wirken wollen.
Die
ui
Präsumtion
Der
Ehe: pater est, quem nuptiae demonstrant,
Würde
Man kann umgekehrt
durch Beschränkung oder Aufhebung dieser An-
versuchen,
(h)
Man
beruht
und Heiligkeit
auf
der
der Ehe
Nicht
entfernte
Aehnlickkeit,
bloße Möglichkeit der
anderer
Männer
da
schon die
neben dieser Thatsache
Concurrenz
Alles
ungewiß
Damit aber hat dre Thatsache des
macht, noch mehr aber die erwie
emgestandenen
sene Wirklichkeit einer solchen Con
erwiesenen
oder
außerehelichen
Beischlafs
auch
currenz (exceptio plurium).
K.3S9. 8. Daseyn der Rechte Anwendungen. Ausnahmen.
529
spräche theils dem Leichtsinn der Frauen entgegen zu wirken, theils die Slörung des Friedens mancher Ehen durch die
von
fremden Frauen
erhobenen Ansprüche,
zu
verhüten.
In beiden Richtungen neuer Gesetze ist ein sittlicher Zweck und cs kann dabei ganz gleichgültig seyn,
unverkennbar,
welche dieser Richtuitgcn an sich
oder durch Erfahrungen
im Großcit mehr begründet seyn möge.
so muß das neue
Nimmt man Dieses als richtig an,
Gesetz über uneheliche.Kinder augenblicklich zur Anwendung ohne Rücksicht ans daS Gesetz,
kommen,
welches zur Zeit
der Erzeugung oder der Geburt deS Kindeö bestanden hat
—
Dieselbe
Regel
die
örtlichen
Collisionett
ist
schon
oben
Beziehung
in
geltend gemacht
auf
worden (8 374
Roten aa. Ick,.) Mit diesen Ansichten
Gesetz,
stimmt überein das Französische
welches selbst die Untersuchung der Paternität
verbietet (i),
also selbst die Möglichkeit abschneidet, einem
unehelichen .Kinde, kennllng,
mit Ausnahme der freiwilligen Aner-
Ansprüche gegen
den Erzeuger
zu
verschaffen.
Man bat dieses Gesetz mit Unrecht getadelt, als ob es eine
ungehörige Rückwirkung enthielte (k).
Man hat es -eben
so mit Unrecht vertheidigt, als ob es den persönlichen Zu stand an sich zum Gegenstand hätte (I).
(i) Code chil art. 340 „La recherche de la paternite est interdite “ (k) Struve S. 233 VIII.
Die wahre Recht-
(1) Weber S. 79—82. Dieselbe Ansicht haben bic Französiscben Juristen. 34
530 Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen, fertigung liegt darin,
daß es ein Gesetz von zwingender
Natur ist.
Eben so stimmt damit überein die transitorische Preußi
sche Gesetzgebung, die, nur mit anderem Ausdruck als das Französische Gesetz, verordnet, daß die unehelichen Kinder, auch wenn sie noch unter der Herrschaft des fremden Ge
setzes geboren wurden,
dennoch von jetzt an die Ansprüche
des Landrechts sollten geltend machen können (m).
III.
Eine dritte Klasse
endlich bilden manche Gesetze
über rein juristische Institute,
welche
durch jene Gesetze
entweder völlig aufgehoben oder doch von Grund auS um
gebildet werden, und die deswegen augenblicklich auf schon bestehende Rechtsverhältnisse anzuwenden sind.
Dahin gehört das Gesetz,
wodurch
Justinian
daS
bisher bestehende zweifache Eigenthum (ex jure quiritium und in bonis) aufhob,
und an dessen Stelle ein einfaches
Eigenthum setzte, das alle bisher zuweilen getrennte Rechte in sich vereinigen sollte (n).
— Eben
so verhält eS sich
welches
dem Eigenthümer
mit dem Französischen Gesetz, einer
beweglichen Sache
die
Vindication
versagt,
wenn
dasselbe irgendwo anstatt deS Römischen Rechts eingeführt werden
sollte.
Diese
Veränderung
(m) Provinzen jensetts der Elbe § 11. Westpreußen § 14. Posen § 14 (f. o. § 383). (n) L un. C. de nudo j Quir. toll. (7 25). Damit hörte
würde
augenblicklich
von selbst auf die eigenthümliche Natur des Fundus Italiens und der res mancipi L, un. C. de usuc. transform. (7 31)
§.399. v. Daseyn der Rechte Anwendungen. Ausnahmen.
531
auch auf das gerade vorhandene bewegliche Eigenthum an
zuwenden seyn; eben so aber auch die umgekehrte Veränderung in dem Rechte des Eigenthums.
Ferner gehört dahin ein neues Gesetz, welches gesetzliche
Servituten, als natürliche Beschränkungen des Eigenthums,
einführt,
oder welches umgekehrt solche Servituten, wenn
aufhebl (§ 390 Num. 2).
sie bisher bestanden, Gleiche
Pfandrechts
Systeme
Natur
in
sönnen
Hal die
Verwandlung
Römischen
des
daö
Preußische
nicht
neben einander bestehen,
Hypothekenrecht;
beide
vielmehr
muß das eine sofort durch daö andere verdrängt werden
(§390 Num 3)
Welche Anstalten
aber
zu
treffen sind,
um diese Veränderung ohne Rechtsverletzung zu bewirken,
wird sogleich angegeben werden (§ 400).
Endlich würden wir dahin auch den Fall zu rechnen haben, wenn die testamentarische Erbfolge in einem Staate, der sie bisher anerkannte,
durch ein neues Gesetz ausge
hoben würde (§ 393 Num. 6)
Ausnahmen
des für diese Klasse neuer Gesetze auf
gestellten Grundsatzes lassen sich eben sowohl denken, bei den
Gesetzen
über den
Erwerb der Rechte
als
(§ 397).
Nur werden sie hier niemals in der Richtung vorkommen,
daß die Wirksamkeit des neuen Gesetzes noch mehr erweitert würde,
als nach dem Grundsatz selbst,
da dieser ohnehin
534 Buch UI. Herrschaft der NechtSregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen,
der anderen Seite aber ist es allerdings dem Gesetz einer umbildenden Entwickelung unterworfen,
ruhendes, stillstehendes zu denken (b).
also nicht als ein
Daher können wir
unmöglich irgend einem einzelnen Zeitalter die Macht ein räumen, durch sein eigenthümliches Rechtsbewußtseyn alle
künftige Zeiten zu bannen und zu beherrschen.
—
Einige
Beispiele werden Dieses anschaulich machen.
Zm ganzen Alterthum wurde der Stand der Sklaven als eine Art von Naturnothwendigkeit betrachtet, und man
dachte sich kaum die Möglichkeit, daß ein gesittetes Volk ohne einen solchen leben könne
Im heutigen christlichen
Europa wird eben so dieser Stand als völlig unmöglich,
als allem Nechtsbewußtseyn durchaus widersprechend,
ge
Der Uebergang aus dem einen dieser Zustände
dacht (c)
in den andern, in Folge der sehr allmäligen Einwirkung christlicher Sitten und Zustände,
hat sich so langsam und
unmerklich gemacht, daß wir das Aufbören des alten Zu-
)
B
(c)
Manche Schriftsteller ha
> § 7
Schärfe vor Augen zu halten, muß man zwei Dinge bedenken
ben riesen Gegensatz Mitnnler da
Erstlich die Entstehung der Skla
durch zu verdunkeln oder abzu schwächen gesucht, daß sie den in
verei durch die Geburt; zweitens die dem Rechte nach ganz gleiche
neuerer Zeit nut harten Freiheits
Stellung des Sklaven mit den Hausthleren ( Ulpian XIX. 1 ),
verbundenen Zustand ver
strafen
glichen haben nut dem oft milden,
als
ja freundlichen Zustand der Skla
Der
einer
käuflichen
heutige
Waare.
Sklavenftand
—
im
Dadurch
Orient, so wie der ganz verschie
aber wird das wahre Verhältniß
dene in Amerika, kann hier ganz
ven
des
Alterthums
nur entstellt. satz
in
Um sich den Gegen
seiner
Reinheit
und
auf sich beruhen.
535
§. 400. B. Daseyn der Rechte. — Rechtmäßigkeit.
standes nicht mit Sicherheit geschichtlich verfolgen können. Gesetzt nun, dieser Uebergang wäre nicht so allmälig, son dern in kurzer Zeit eingetreten, etwa in Folge einer gewalt
samen geistigen
Erschütterung des
würden wir unmöglich
Volksbewußtseyns,
so
einein solchen neuen Zeitalter das
der gegenwärtigen,
Recht versagen können,
allgemein ge
wordenen Ueberzeugung Raum zu geben, und dem Sklaven
stand als Rechtsinstitut die fernere Anerkennung zu ver sagen.
Daneben
den Uebergang
zu
sich
ließen
vermitteln,
mancherlei
und
Wege
denken,
Gefahren
gegen
zu
schützen. Ein anderes Beispiel möge das Zebentrecht darbieten In Zeiten einer wenig entwickelten, stauonären Boden-Cultur
konnte vieses als ein einfaches, natürliches,
Rechtsinstitut
gelten,
und
große
zweckmäßiges
Verbreitung
erhalten.
Bei lebendiger Entwickelung gewerblicher Thätigkeit mußte man sich überzeugen, daß durch eine solche, auf dem Roh
ertrag ruhende,
Abgabe
gehemmt, oft unmöglich
jeder
Fortschritt
gemacht werde
des Landbaues Darunter litten
die Verpflichteten, so wie durch sie der Staat im Ganzen,
nicht die Berechtigten, die also vielleicht einer Verwandlung der ihnen
bequemen Zehenten widerstrebten.
Wenn nun
die Ueberzeugung von den mit diesem Zustand verbundenen Nachtheilen allgemein wurde,
so war die gesetzliche Ver
wandlung der bisher unablöslichen Zehenten in ablösliche
gerechtfertigt, indem dadurch dem Staat und den Verpflich teten ein augenscheinlicher großer Gewinn erworben,
von
540 Buch lll. Herrschaft der Recht-regeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
sich binnen einer bestimmten Frist zu melden, um in die neuen Hypothekenbücher nach der Rangordnung,
ihr bisheriges Recht anwies,
die ihnen
eingetragen zu werden.
Nicht einmal einer solchen Vorkehrung,
einer Entschädigung, bedurfte es,
noch weniger
als Justinian das bis
dahin bestehende zweifache Eigenthum aufhob (§ 299. n)
Denn durch diese Veränderung verlor Niemand ein Recht oder einen Vortheil,
und es wurde nur der vom Gesetz
geber selbst ausgesprochene Zweck erreicht,
die Gemüther
der studirenden Jugend von dem Schrecken zu befreien, den ihnen bis dahin die in dieser Lehre erhaltene unnütze Ge
lehrsamkeit eingeflößt hatte.
Berlin, gedruckt in der Deckerschen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei.