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German Pages 565 [568] Year 1840
S y st e rn des
heutigen Uömitchen Nechts von
Friedrich Carl von Savigny.
Zwe y t e r Band.
MN g, Hairilchen und Ä. Würtembergitchkn proiugitn.
Berlin. 0 1 i Vei t
und
1840.
Comp.
In h a lt des zweyten Bandes.
Z w e y te s B u c h .
D ie
Z w e y t e s K a p it e l.
R e c h t s v e r h ä lt n is s e . D ie Personen als T räger der Rechts
verhältnisse. Seite.
§. 60.
N atürliche Rechtsfähigkeit und deren positive M o d ific a tio n e n ................................................ ...................
§. 61.
Gränzen der natürlichen Rechtsfähigkeit. I. Anfang
§. 62.
Gränzen der natürlichen Rechtsfähigkeit. fang.
1 4
I. A n
(F o rts e tz u n g .).................................................12
§. 63.
Gränzen der natürlichen Rechtsfähigkeit,
l i . Ende
17
§. 64.
Einschränkung der Rechtsfähigkeit.
E inleitung . . .
23
IV
Inhalt M zweyten Bandes.
Seite.
§. 65. Einschränkung der Rechtsfähigkeit. T. Unfteyheit . 30 8 66. Einschränkung der Rechtsfähigkeit. II. Mangel der
C iv itä t........................................................ 38 8 67. Einschränkung der Rechtsfähigkeit. UI. Abhängig keit von Familiengewalt.................................. 49 8 68. Dreyfache capitis deminutio ............................
60
8 69. Wirkungen der capitis deminutio..................... 69 §. 70. Wirkungen der capitis deminutio. (Fortsetzung ) . 79 8 71. Anvmalische Rechte in Beziehung auf Rechtsfähig keit und capitis deminutio ........................... 90 8 72. Anomalische Rechte in Beziehung auf Rechtsfähig keit und capitis deminutio. (Fortsetzung.) . . 104 8 73. Anomalische Rechte in Beziehung auf Rechtsfähig keit und capitis deminutio. (Fortsetzung.) . . 121 8 74. Anomalische Rechte in Beziehung auf Rechtsfähig keit und capitis deminutio. ( Fortsetzung.) . . 134 8 75. Heutige Anwendbarkeit der Lehre von der Rechts fähigkeit und der capitis deminutio ..............148 8 76. Einschränkung der Rechtsfähigkeit durch Infamie. Einleitung....................................................170 §. 77. Einzelne Fälle der In fa m ie ................................ 173 8 78. Juristische Bedeutung der Infam ie....................... 186 8 79. Juristische Bedeutung der Znfamie. (Fortsetzung.) 195 8 80. Juristische Bedeutung der Infamie. (Fortsetzung.) 20t
8 81. Juristische Bedeutung der Infamie. (Fortsetzung.) 209
Inhalt des zweyten Bandes.
V
Seite. §•
82.
Nebenwirkungen der In fa m ie ......................... 215
§• 83. Heutige Anwendbarkeit der Lehre von der Infamie 224 §•
84.
Einschränkung der Rechtsfähigkeit durch Religion 231
8 85. Juristische Personen. Begriff........................... 235 86.
§•
Juristische Personen. Arten............................. 242
8 87. Juristische Personen. Geschichte...................... 246 §•
88.
Juristische Personen. Geschichte.(Fortsetzung) .
253
§. 89. Juristische Personen. Entstehung und Untergang 275 §•
9 0 -
Juristische Personen. Rechte............................281
S- 91. Juristische Personen. Rechte. (Fortsetzung.). . . 285 §■ 92. Juristische Personen. Rechte. (Fortsetzung.). . . 294 §• 93. Juristische Personen. Rechte. (Fortsetzung.) . . . 299 8 94. Juristische Personen. Rechte. (Fortsetzung.) . . . 310 8- 95. Juristische Personen. Rechte. (Fortsetzung.) . . . 317 8 96. Juristische Personen. Verfassung.......................324
8 97. Juristische Personen. Verfassung. (Fortsetzung.) 329 -
§• 98. Juristische Personen. Verfassung. (Fortsetzung.) 339 8 99. Juristische Personen. Verfassung. (Fortsetzung.) 345 §.
100.
Juristische Personen. Verfassung. (Fortsetzung ) 352
8 loi Juristische Personen. FiscuS........................... 360 8 102. Juvistische Personen. Erbschaften.....................363 §. 103. Verschiedenheiten in der Verknüpfung der Rechts. Verhältnisse mit den Personen....................... 374
vi
In h a lt des zweyten Bandes. S eite.
B e y l a g e Hl.
Die V ita litä t eines Kindes, als Bedingung
seiner Rechtsfähigkeit........................................................... 385 B e y l a g e IV .
über die Wirksamkeit der von Römischen S kla
ven contrahirten Obligationen...............................................418 B e y l a g e V.
Über die Schuldenfähigkeit einer filiafam ilias 430
B e y l a g e VI.
Status und Capitis d e m in u tio ....................... 443
B e y l a g e VII.
über einige zweifelhafte Punkte in der Lehre
von der I n f a m ie ....................................................................516
Zweytes Kapitel.
Die Personen als Träger der Rechtsverhältnisse. §. 60.
Natürliche Rechtsfähigkeit und deren positive Modifikationen. ^ e d e s Rechtsverhältniß
besteht m
Person zu einer andern Person.
der Beziehung einer D e r erste Bestandtheil
desselben, der einer genaueren B etrachtung bedarf, ist die N a tu r der Personen, deren gegenseitige Beziehung jenes V erhältniß zu bilden fähig ist. zu beantw orten:
H ie r ist also die Frage
W e r kann T rä g e r oder S u b je c t eines
Rechtsverhältnisses seyn?
Diese Frage b e trifft das m ög
liche H a b e n der Rechte,
oder die R e c h t s f ä h i g k e i t ,
nicht das mögliche E r w e r b e n derselben, oder die H a n d lu n g sfä h ig ke it,
welche
erst in
einem folgenden A b
schnitt betrachtet werden w ird (§ 106). In
dem Rechtsverhältniß
aber
steht eine bestimmte
Person in Beziehung bald zu einer gleichfalls bestimmten einzelnen Person, bald unbestimmt zu allen anderen M e n schen (§ 58).
H.
D ie gegenwärtige Untersuchung kann ihrer
1
2
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap.
II.
Personen.
Aufgabe nach nur die bestimmten Personen in den Rechts verhältnissen betreffen, da zu dem blos negativen Verhält niß, in welchem Alle einem Einzelnen, z. B. einem E i genthümer, gegenüber stehen, ein Jeder als fähig anzu sehen ist. Alles Recht ist vorhanden um der sittlichen, jedem ein zelnen Menschen inwohnenden Freyheit willen (§ 4. 9. 52) (a). Darum muß der ursprüngliche Begriff der P er son oder des Rechtssubjects zusammen fallen mit dem Be griff des Menschen, und diese ursprüngliche Identität bei der Begriffe läßt sich in folgender Formel ausdrücken: Jeder einzelne Mensch, und nur der einzelne Mensch, ist rechtsfähig. Indessen kann dieser ursprüngliche Begriff der Person durch das positive Recht zweyerley, in der aufgestellten Formel bereits angedeutete, Modificationen empfangen, einschränkende und ausdehnende. E s kann nämlich erstens manchen einzelnen Menschen die Rechtsfähigkeit ganz oder theilweise versagt werden. E s kann zweytens die Rechts fähigkeit auf irgend Etw as außer dem einzelnen Menschen übertragen, also eine juristische Person künstlich gebil det werden. D er gegenwärtige Abschnitt soll nun zuerst die G rän zen der in ihrem ursprünglichen oder natürlichen Begriff (a) L 2 de slatu hörn. (1.5.): „ Cum igitur hominum causa omne ju s constitutum sit; pri-
nio de personarum statu cemus.”
dt-
§. 60. Natürliche Rechtsfähigkeit.
3
aufgefaßten Person feststellen, dann aber die zwiefachen M odificationen
angeben,
wodurch
in
unsrem
positiven
Recht dieser natürliche B e g riff umgebildet worden ist. Z um
S chluß
ist noch die verschiedene Weise zu er
wähnen, in welcher das einzelne Nechtsverhältniß m it be stimmten Personen verknüpft werden kann.
4
Buch II. Rechtsverhältnisse.
Kap. II. Personen.
§• 61. G rä n z e n der n a tü rlic h e n R e c h ts fä h ig k e it.
I. Anfang.
D e r A nfang der natürlichen Rechtsfähigkeit ist bedingt durch die G e b u r t , das heißt durch die vollständige T re n nung eines lebenden Menschen von der M u tte r. Diese w ird von uns gegenwärtig betrachtet in ihrer wichtigsten Beziehung, nämlich a ls Bedingung anfangen der Rechtsfähigkeit fü r den geborncn Menschen selbst. D ie bedeutendsten Anwendungen, wodurch sich dieser Anfang im P riva tre ch t augenblicklich wirksam zeigt,
auch
wenn
das Leben gleich nachher wieder aufhört, sind diese: 1) das frühere Testament des V a te rs , w o rin dieses K in d nicht berücksichtigt ist, w ird durch die G eburt vernichtet; 2) die Jntesiaterbschaft des v o r der G eburt verstorbenen V aters w ird dem Kinde im Augenblick der G eburt erworben.
Um
dieser beiden W irkungen w illen ist es besonders wichtig, die w irkliche, vollständige G eburt von der blos scheinba ren genau zu unterscheiden.
Andere juristische Ereignisse
werden fü r den Neugebornen nicht leicht in diesen ersten Augenblicken seines Daseyns eintreten,
sondern erst in i r
gend einer späteren Z e it, w o rin ohnehin an dem wahren menschlichen Daseyn jenes Gebornen nicht mehr gezweifelt werden kann. —
Aber nicht blos fü r die eigene Rechts
fähigkeit des Gebornen w a r im früheren Römischen Recht jene genaue Unterscheidung w ahrer und scheinbarer G e-
§. 61. Anfang der Rechtsfähigkeit.
S
burt von Wichtigkeit, sondern auch im Interesse der M ut ter, welcher manche wichtige Vortheile durch die Geburt von Kindern entstehen konnten, und zwar auf zweyerley Weise: bald indem sie dadurch Begünstigungen erlangte in Vergleichung mit sonst geltenden allgemeinen Rechtsre geln (a), bald indem sie von einer Zurücksetzung gegen all gemeine Rechtsregeln befreyt wurde. D a s erste kann man Belohnungen der Kinderzeugung nennen, das zweyte aber Besreyung von Strafen für den M angel an Kindern. Bey spiele dev Belohnungen für die M utter sind diese. Erst lich die hereditas im Vermögen der Kinder nach dem Sc. Tertullianum: diese w ar eine Begünstigung gegen die bis dahin bestehende Jntestaterbfolge, und die M utter sollte dieses Vorrecht nur genießen, wenn sie drey Kinder (eine Freygelassene Vier) geboren hatte (b). Zweytens der E r werb der Civität für jede Latina, die drey Kinder gebo ren hatte (c). Endlich die Besreyung von der Tutel, un ter welcher sonst alle Frauen ihres Geschlechts wegen ste hen sollten (d). — Als Besreyung von einer S trafe wurde (a) Hier kommt also der B e das Kind noch lebe, oder doch griff von jus singulare zur An längere Zeit gelebt habe, in wel wendung (§ 16). chen Fällen gar nicht das Bedürf (b) § 2. 4 / . de Sc. Tertull. niß der Unterscheidung wahrerund (3. 3 ). P aulus IV. 9. § 1. scheinbarer Geburten vorkommt. (c) Ulpian. III. § 1, nach ei Vgl. pr. J. de excus. (1. 25.). U lpian. III. § 3. XV. XVI. § 1. nem Senatusconsult. (d) G ajus I. § 194.195. U l Daher erscheint bey dem Vater pia n . XXIX. § 3. Viele Fälle diese Frage nur in seltenen An solcher Belohnungen und Straf- wendungen, und hat also garnicht befreyungen gehören nicht hier dieselbe Wichtigkeit wie bey der her, indem sie voraussetzen, daß Mutter. Eine solche Anwendung
6
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
angesehen die wichtige Regel, nach welcher Frauen durch die Geburt von Drey oder Vier Kindern (Drey bey Freygebornen, Vier bey Freygelassenen) das Recht zur E r werbung von Testamentserbschaften erlangten; die dadurch aufgehobene Unfähigkeit w ar S trafe, da vor der Lex Julia, nach allgemeinen Rechtsregeln, die Fähigkeit der Frauen von dieser Seite her keiner Einschränkung unterworfen ge wesen war. — M an möchte glauben, der Begriff der wah ren Geburt wäre überall derselbe, ohne Unterscheidung dieser daran geknüpften Wirkungen. S o ist es aber in der T hat nicht; vielmehr wurde es bey der Befreyung von Strafen damit weniger genau genommen, als bey den Belohnungen, und bey der eigenen Rechtsfähigkeit des Kindes: ohne Zweifel, weil jene Strafen überhaupt etwas Gehässiges hatten, weshalb man sie einzuschränken suchte, soweit es die W orte der Gesetze nur immer zuließen. Erst nach dieser Vorbereitung ist es möglich, den oben aufgestellten Begriff wahrer Geburt in seine Elemente zu zerlegen. Es. gehört dazu: 1) T re n n u n g von der M ut ter, 2) v o l l s t ä n d i g e Trennung, 3) Leben des Gebornen nach der vollständigen Trennung, 4) menschliche N atur desselben. 4) D as Kind muß von der M utter g e t r e n n t seyn, also außerhalb derselben eristirt haben. Die zu dieser Trennung angewendeten M ittel sind gleichgültig; daher ist auch aus den Vater sindet sich bey beros habuerint, cjusdcm parUlpiak. XV. „et quandoque U.
tis proprietatcm.”
§. 61. Anfang der Rechtsfähigkeit.
7
eine künstliche, gew altsam bewirkte G eburt von der n a türlichen juristisch nicht unterschieden (e). S o g a r hatte deshalb ein Gesetz der alten K önige ausdrücklich vorge schrieben, daß nach dem T od einer schwangeren F rau der Leichnam geöffnet werden sollte, um w o möglich d as Le ben des K indes zu retten (k). (e) F ür das Recht des so ge- Tode erst zwey Kinder hatte, sollte bornen Kindes ist das ganz un nicht durch das nach ihrem Tod zweifelhaft. L. 12 pr. de liberis geborne in die Lage kommen, als (28. 2 ). „Quod dicitur filium hättö' sie durch drey Kinder die natum rumpere testamentum, Civität erworben; sie sollte also natum accipe etsi exsecto ven keine Erben hinterlassen können. ire editus sit: narrt et hie rum- Gezwungener, aber doch nicht p it testamentum, scilicet si na- völlig verwerflich, scheint m ir die scatur in potestate.” L. 6 pr. Combination der L. 141 cit. m it de inoff. (5. 2 ). L. 1 § 5 ad JL. 51 § 1 de, leg. 2 (31 un.) und Sc. Tertull. (38. 17.). — Aber L. 61 de cond. (35.1.) — Vgl. wird dieses Kind auch zum V or überhaupt S chulung, notae ad theil der M utter angerechnet? Digesta, in L. 141 cit. — Bey Ulpian bejaht die Frage. L. 141 der Erklärung der hier angeführ de V. S. ( 5 0 . 16 ). „Etiam ea ten und ähnlicher Pandektenstel inulier, cum moreretur, credi- len hat man ungebührliches Ge tur filium habere, quae exciso wicht auf den Umstand gelegt, daß utero edere possit.” Paulus dieselben aus einem Commentar verneint sie. L. 132 § 1 de V. über die Lex Julia herrührten, S.. „Falsum est eam peperisse, und deshalb stets annehmen wol cui mortuae filius exsectus est." len, sie müßten von einem in die Wahrscheinlich sprach Ulpian von sem Volksschluß erwähnten Fall der Anwendung von S trafen, z.B. reden, den man dann auSzumitwenn die M utter zweyer Kinder teln suchte. D as ist aus zwey eine Testamentserbschaft antrat, G ründen verwerflich; erstens, weil und nach ihrem Tode wurde das unsre Kenntniß von dem In h a lt dritte Kind durch Öffnung des der Lex Julia sehr mangelhaft Leichnams zur W elt gebracht, so ist, zweytens weil der alte Comgalt sie als M utter dreyer Kin mentator sehr wohl neben einer der, und ihre Antretung war nun Regel der Lex Julia auch andere, gültig. P aulus dagegen sprach verwandte Fälle erörtern konnte. von einem Fall der Belohnung, (f) L. 2 de mortuo in s er. z. 83. die Latina, die bey ihrem ( 11. 8 ).
8
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
2) Diese Trennung muß eine v o l l s t ä n d i g e seyn (g). 3) D as so geborne Wesen muß nach der Trennung g e l e b t haben (h). Wenn also während einer langwieri gen Geburt das Kind Zeichen des Lebens giebt, aber stirbt bevor es ganz außer der M utter eristirte, so hat es nie mals Rechtsfähigkeit gehabt. Noch weniger hat es solche haben können, wenn es schon vor dem Anfang der Ge burt todt w a r, sey es nun $tt früh geboren (abortus) (i), oder zwar ausgetragen, aber im Mutterleibe gestorben (k). — Durch welches Zeichen das Leben außer Zweifel ge setzt werden kann, ist gleichgültig. Früher behaupteten manche Rechtslehrer, das Kind müsse nothwendig ge schrieen haben, allein Justinian hat diese Meynung aus drücklich verworfen (l). Eben so ist die D a u e r des Le(g) L. 3 C. de posthumis (6. 29.) „perfecte natus ... ad or dern totus processit” (h) L. 3 C. de posthumis (6. 29.) „ vivus .. natus est.” — P aulus IV. 9 § 1 „ vivos pariant.” Zn dieser letzten S telle
keit des Kindes: eben so auch für die Belohnungen der M u t ter, z. B . das Erbrecht nach dem Sc. Tertullianum (P aulus IV. 9
§ 1 ); von welchem dieser Fälle der Jurist reden wollte, läßt sich nicht bestimmen, da die Überschrift ist nicht von der Rechtsfähigkeit der S telle (Paulus lib. 1. ad L. des Kindes die Rede, sondern von Jul. et Pap.) hierüber nicht sicher einer Belohnung der M utter. entscheiden kann (N ote e). D a (i) L. 2 C. de posthumis (6. gegen ist der Satz sicher nicht an 29.). „Uxoris abortu testamcn- genommen worden bey den S tr a tum mariti non solvi.” fen der Kinderlosigkeit, welches (k) L. 129 de V. S. (50.16 ). aber erst unten, bey dem Erfor „Qui mortui nascuntur, neque derniß der menschlichen N atur des nati, neque prorreati videntur: Kindes, klar gemacht werden kann quia nun quam liberi appellari (N ote s). potuerunt ” Dieser Satz ist sicher (1) h. 3 C. deposthumis (6.29.). wahr für die eigene Rechtsfähig
§. 61. Anfang der Rechtsfähigkeit.
9
bens gleichgültig, so daß auch dasjenige Kind R echtsfä higkeit erlangt h a t, welches augenblicklich nach der G e burt verstorben ist (m ).
4) Endlich muß das so geborne lebende Wesen, um rechtsfähig zu seyn, m enschliche N atur haben, welche nur aus der menschlichen G e s t a l t erkannt werden kann; die Römer drücken das so aus: es muß kein monstvum oder prodigium seyn. Dieses Erforderniß gilt für des Kindes Rechtsfähigkeit und für die Belohnungen, nicht für die Abwendung der S trafen: durch diese Unterscheidung sind die scheinbaren Widersprüche in unsren Rechtsquellen aufzulösen. — Für die Rechtsfähigkeit wird diese Regel ganz klar ausgesprochen (n), und eben so für einen der wichtigsten Fälle der Belohnungen, das Sc. Tertullian u m (o ); es wird jedoch hinzugefügt, daß bloße Abwei chungen von der regelmäßigen Menschengestalt kein H in derniß sind, z. B . Glieder zn viel, oder Glieder zu we nig (p). Die wirkliche Gränze der Menschengestalt wird bey dieser Veranlassung nicht angegeben, sie kann aber (m) L. 3 C. de posthumis (6 29.) „licet 1111co postquam in terra cecidit, vel in manibus obstctricis decessit.” L. 2 C.eod. (n) L. 3 C. de posthumis (6. 29.) „ad nullum declinans monstrum vel prodigium.” (o) P aulus IV. 9 § 3. L. 14 de statti hom. (1. 5.) aus Pau lus lib. 4 senteilt. Diese Stelle
ist also mit jener identisch; in die Pandekten ausgenommen,kann sie
aber ihren ursprünglichen prakti schen S in n nicht beybehalten ha ben, vielmehr ist sie im S in n des Justinianischen Rechts nunmehr von der Rechtsfähigkeit des Kin des zu verstehen. (p) Glieder zu viel. P aulus IV. 9 § 3. L 14 de statu hom. (1. 5 ) . — Glieder zu wenig. L . 12. § 1 de liberis (28. 2.) „ si non integrum animal editum sit, cum spiritu tarnen, an adhuc testa-
10
Buch
II.
Rechtsverhältnisse. Kap.
II.
Personen.
nach der Analogie einer anderwärts vorkommenden Be stimmung darin gesetzt werden, daß der Kopf menschliche Bildung an sich tragen muß (q ) . — Dagegen wurde bey der Abwendung der Strafen eine der M utter günstigere Auslegung angenommen: auch eine monströse. Geburt solle hier angerechnet werden, weil dabey die M utter unschul dig sey ( r ) . Nach diesem Grunde, und nach der Ähnlich keit der Fälle selbst, ist nicht zu zweifeln, daß auch todtgeborne Kinder zur Abwendung der Strafen mitgerechnet werden durften (s). Diese vier Bedingungen der natürlichen Rechtsfähig keit sind die einzigen, welche nach unsrem positiven Recht behauptet werden können. Allerdings haben unsre Rechtslchrer häufig noch eine fünfte hinzugefügt, die Le b e n s mentum rumpat? Et hoc ta rnen rumpit.” — D er Ausdruck Ostentum um faßt sowohl diese Fälle, als den Fall des monstrum. L. 38 de V. S. (50. 16.). (q) L A ip r . de relig. (11.7.). „Cum in diversis locis sepultum est, uterque quidem locus religiosus non fit, quia una sepultura plura sepulchra efsicere non potest: mihi autem videtur, illum religiosum esse, uhi, quod est principale, conditum est, id est caput, cujus iniago f it, unde cognoscimurT (r) L. 135 de V. S. (50. 16.). (Ulpian. lib. 4 ad L* Jul. et Pap.) „. . . Etmagis est, ut haec quoque parentibus prosint: nec enim est quod eis imputetur,
quae, qualiter potuerunt, statutis obtemperaverunt, ncque id, quod fatalitcr accessit matri damnum injungere debet.” B ey dem W ort prosint ist also hinzu zu denken: adlegumpoenas evitandas. D iese höchst n a
türliche Auflösung des scheinba ren Widerspruchs ist schon längst anerkannt. E ckhard hermeneut. § 199 ibique Walch, (s) S . o. N ote k. — Eben so
wurden zur Abwendung der S tr a fen auchDrillinge zugelassen (L.137 de V. S. Paulus lib. 2 ad L. Jul. et Pap.), anstatt daß das Sc. Tertullianum nur solchen M ü ttern zu gut kam, die zu drey verschie denen Zeiten Kinder geboren hat ten. P a u l u s IV . 9 § 1. 2. 8.
§. 61. Anfang der Rechtsfähigkeit.
II
fä h ig k e it oder V i t a l i t ä t . Sie wollen damit sagen, daß ein lebendig, aber früher als gewöhnlich, geborenes Kind keine Rechtsfähigkeit habe, wenn es gleich nach der Geburt sterbe, und wenn die Ursache des Todes in dem unreifen Zustand liege, der eine längere Fortsetzung des Lebens unmöglich gemacht habe. Allein diese Behauptung hat keinen G rund, und es muß vielmehr jedem lebendig gebornen Kinde die vollständige Rechtsfähigkeit zugeschrie ben werden, ohne Rücksicht auf den vielleicht sehr bald nachfolgenden Tod, und auf die Ursachen dieses schleuni gen Todes (t). (t) Diese Streitfrage ist ausführlich behandelt in der Beylage III.
12
Buch n . Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
§.
62.
G r ä n z e n der nat ü r l i c h e n Re c h t s f ä h i g k e i t . (Fortsetzung).
I. A n f a n g .
D er natürliche Anfang der Rechtsfähigkeit ist bestimmt worden auf den Zeitpunkt der vollendeten Geburt. Die sem aber geht vorher ein nicht nnbeträchtlicher Zeitraum, in welchem das Kind auch schon Leben hat, aber kein selbständiges, sondern ein abhängiges, mit dem Leben der M utter eng verbundenes. Welches ist die wahre juristi sche Betrachtungsweise für dieses vorbereitende Leben? Mehrere Stellen des Römischen Rechts sagen ganz bestimmt, in diesem Zustand sey das Kind noch nicht Mensch, es habe kein Daseyn für sich, sondern sey nur als Theil des mütterlichen Leibes zu betrachten (a). An dere Stellen dagegen setzen ein solches Kind dem schon gebornen gleich (b). Die genauere Bestimmung dieses letz ten Satzes wird zugleich den Schein eines Widerspruches entfernen, der durch den Ausdruck beider erwähnten Re geln entsteht. (a) L. 9 § 1 ad L. Falc. (35. pene jure civili intelliguntur in 2.) „.. partus nondum cditus rerum natura esse.” — L. 231 homo non recte fuisse dicitur.” de V. S. (50.16.): „Quod dici— L. 1 § 1 de inspic. venire mus, eum, qui nasci speratur, (25. 4): „ .. partus enim, an- pro superstite esse, tune verum tequam edatur, mulieris portio est, cum de ipsius jure quacest, vel viscerum.” ritur: aliis autem non prodest nisi natus.” — Die Neueren briV (b) L. 26 de statu hom. (1.5.). cken das so aus: Nasciturus ha„Qui in utero sunt, in toto betur pro nato.
§. 62. Anfang der Rechtsfähigkeit. (Fortsetzung.)
13
Die erste Regel drückt eigentlich das wahre Verhält niß der Gegenwart ans: die zweyte enthält eine bloße Fiction, nnd diese ist nur in ganz einzelnen, beschränkten Rechtsbeziehungen anwendbar. Wenn also die allgemeine Frage wegen der Rechtsfähigkeit eines ungeborncn Kin des aufgeworfen w ird, so ist diese entschieden zu vernei nen, indem dasselbe weder Eigenthum, noch Forderungen, noch Schulden haben kann; da es also keine Person ist, die einer Vertretung empfänglich und bedürftig w äre, so kann es auch keinen Tutor haben, und nicht Pupill ge nannt werden (e ). — Die Fiction dagegen bezieht stch vor sorgend auf das bevorstehende wirkliche Leben des Kin des, und zwar auf zweyerley Weise: theils durch Anstal ten, wodurch dieses Leben schon gegenwärtig vor der Ver nichtung geschützt werde; theils durch Anweisung von Rech ten, in welche das Kind gleich bey seiner Geburt eintreten könne. Überall also beschränkt stch diese Fiction auf den eigenen Vortheil des Kindes, nnd kein Anderer darf die selbe für sich benutzen (d). Die Anstalten zum Schutz des Lebens sind theils criminalrechtlich, theils polizeylich. — Criminalstrafen wer(c) L . 161 de V. S. (50.16 ). „Non est piipillus qui in utero est.” — L. 20 pr. de tutor. et curat. (26. 5 ). „Ventri tutor a magistratibus populi Romani dari non polest, eurator polest: nam de curatore constituendo edicto compvchensum est."
(d) L. 231 de V. S. (N ote b).
— L. 7 de statu hom. (1. 5.). „Qui in utero est, perin de ac si in rebus humanis esset, custoditur, quoties de commodis ipsius partus agitur: quamquam alii, antequam nascatur, nequaquam prdsit."— W enn also eine
Frau zwey Kinder hatte, dann wieder Icfynwnger wurde, und nun
14
BUch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
den gedroht sowohl der M utter des Kindes, welche dessen Leben vor der Geburt zerstört (e ), als dem Fremden, der dazu mitwirkt (f). — Zu den polizeilichen Anstalten für die Lebenserhaltung gehört das königliche Gesetz, welches, bey dem Tode einer schwangeren F rau , die Öffnung des Leichnams zur Rettung des Kindes vorschreibt (g ): ferner die späteren Vorschriften, nach welchen die Hinrichtung und selbst die Folter einer schwangeren Frau bis nach der Niederkunft verschoben werden sollen (h). Wichtiger für unsren Zweck ist die privatrechtliche Vor sorge für den künftigen Menschen, wodurch ihm Rechte auf die Zeit seiner Geburt gleichsam aufbewahrt wer den (i). Diese Vorsorge bezieht sich theils auf dessen S ta n desverhältnisse, theils auf die Erbfolge. — D er Stand eines in rechter Ehe erzeugten Kindes richtet sich nach der Zeit der Erzeugung, so daß der ihm damals vorbestimmte S tand durch Veränderungen, die sich in der Person des V aters oder der M utter während der Schwangerschaft ereignen, nicht gefährdet werden kann (k). Wenn daher in dieser Zwischenzeit die M utter ihre Freyheit oder Civiein Kind verlor, so konnte sie das selbe nicht ex Sc. Tertulliano beerben, was sie gekonnt hatte, wenn sie das ungeborne hätte mitrechnen dürfen. (e) L. 4 de extr. critn. (47. 11.). — L. 8 ad L. Com. de sicar. (48. 8.). — L. 39 de poenis (48. 19.). (f) £.38 §5 depoenis(4ü. 19.)
(g) L. 2 de mortuo ins eren do (11. 8 ). (h) L. 18 de statu hom. (1. 5.). — L .3 de poenis (48.19 ). (i) L. 3 st pars (5. 4 ). „Antiqui libero ventri ita prospexerunt, ut in tempus nascendi omnia ei Jura Integra l'cser varent.” (k) Gajus I. § 89 — 91.
§. 62. Anfang der Rechtsfähigkeit. (Fortsetzung.)
15
tät verlor, so wurde darum «icht minder das Kind als Römischer Bürger und in der Gewalt seines Vaters ge boren (1). Eben so hatte der von einem Senator in rech ter Ehe erzeugte Sohn alle Rechte, die den Kindern der Senatoren gesetzlich angewiesen waren, selbst wenn der Vater vor der Geburt starb oder seiner Würde entsetzt wurde (m). — Dagegen sollte der Stand der nicht in rech ter Ehe erzeugten Kinder nach der Zeit der Geburt be stimmt werden (n), so daß sich dabey jener Grundsatz der Aufbewahrung von Rechten nicht wirksam zeigen konnte. Jedoch hatte man schon frühe zur Begünstigung der Kin der die Regel angenommen, daß überall derjenige Zeit punkt zur Beurtheilung ihrer Standesverhältnisse ausge w ählt werden sollte, der ihnen am meisten Vortheil brächte: sey es die Zeit der Zeugung oder der G eburt, oder selbst irgend ein mittlerer Zeitpunkt (o). Vorzüglich wichtig zeigt sich jener Grundsatz im Erb recht. W ird während der Schwangerschaft eine Erbschaft eröffnet, die dem Kinde, wenn es schon geboren wäre, zufallen würde, so wird ihm sein Erbrecht bis zur Zeit der Geburt aufbewahrt, und kann nun in seinem Namen geltend gemacht werden (p). Diese wichtige Regel gilt (l) L. 18. 26 de statu hörn. zur Zeit der Erzeugung aber, oder (1- 5.). auch nur in der Zwischenzeit, frey, (m) L. 7 § 1 de senatoribus so war da6 Kind freygeboren. (1- 9.). (p) L. 26 de statu hom. (1. (n) Gajus 1. c. 5.). — L. 3 si pars (5. 4.). — (o) pr. J. de ingenuis (1. 4.). L. 7 pr. de reb. dub. (34. 5.). — — S o z. B. wenn die M utter L. 36 de solut. (46.3 ). — Eben zur Zeit der Geburt Sklavin war, so wurde das Patronatrecht beb
16
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
sowohl für das Civilrecht, als für das prätorische Recht, ja der P rätor hat für diesen Fall sogar eine eigenthüm liche bonorum possessio ventris nomine eingeführt, wo durch der M utter, zu ihrer und mittelbar zu des Kindes Erhaltung, einstweilen der Genuß der Erbschaft angewie sen werden kann (q). — D a es nun aber ungewiß ist, ob Ein Kind oder mehrere Kinder geboren werden, so wird einstweilen angenommen, es könnten wohl Drey zur W elt kommen: dieses betrifft jedoch nur die vorläufige Behand lung der bereits Gebornen, nicht die Rechtsfähigkeit der Ungebornen: wird also durch die nachfolgende Geburt eine kleinere oder größere Zahl von Kindern, als die einstwei len vermuthete, zur W elt gebracht, so verliert jene Ver muthung ihre K raft, und es wird nun die Erbfolge nach dem wirklichen Erfolg beurtheilt (r). Zur W ahrung dieser dem Kinde aufbewahrten Rechte wird ihm ein besonderer Curator ernannt, da ein Tutor, wie oben bemerkt, nicht eintreten kann (s). Theil irre gemacht durch manche fabelhafte Erzählungen. Am mei sten Aufsehen machte die Nieder (q) Tit. Dig. de ventre in kunft einer Frau mit Fünf Kin poss. mittende et curatore ejus dern unter Hadrians Negierung: deswegen blieb man am längsten (37. 9.). (r) L. 3. 4 st pars (5. 4.). zweifelhaft zwischen der Verm u L . l pr. de reb. dub. (31. 5.). thung von Drillingen oder Fünf L. 36 de solut. (46. 3 ). — Auf lingen. (s) L. 20 de tutor. et cur. jene billige R egel stellte stch die Römische Praxis fest, nachdem (Note c). — Tit. Dig. de ven man lange geschwankt hatte, zum tre in poss. (Note q). verstorbenen Vaters behandelt, das nicht eigentlich Erbschaft, jedoch der Erbschaft ähnlich war. L. 26 dt.
§. 63.
17
Ende der Rechtsfähigkeit.
§. 63 . G ra n z e n der n a tü rlic h e n R e c h ts fä h ig k e it.
II. Ende.
D e r T o d , als die Gränze der natürlichen R echtsfä higkeit, ist ein so einfaches N a tu re re ig n iß ,
daß derselbe
nicht, so w ie die G e b u rt, eine genauere Feststellung sei ner Elemente nöthig macht.
N u r allein die S c h w ie rig
keit des Beweises hat hierin einige positive Rechtsregeln veranlaßt. In
größter Ausdehnung p fle g t diese Schw ierigkeit ein
zutreten in Folge b lu tig er K rie g e , und die Gesetze einzel ner Länder haben darüber in neueren Zeiten ausführliche Regeln aufgestellt.
D a s Römische Recht enthält darüber
keine Bestimmungen, und auch eine ergänzende G ew ohn heit ist fü r
diesen
besondern F a ll in
unsrem
gemeinen
Recht nicht hinzugetreten. Auch außer diesem F a ll a b e r, also ohne Unterschied des Friedens und des K rie g e s, kann die Frage eintreten, ob ein Verschollener, das heißt ein solcher, von dessen Le ben in seinem letzten bekannten W o h n o rt seit langer Z e it keine N achricht eingegangen ist, noch am Leben sey.
Auch
in dieser allgemeineren Gestalt kommt die Frage im R ö mischen Recht nicht v o r, allein hierüber hat sich in der
M.
2
18
Buch ii. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen-
T h a t ein Gewohnheitsrecht gebildet, welches man seit meh reren Jahrhunderten a ls d a rf.
allgemein anerkannt betrachten
E s w ird nämlich der T od des Verschollenen ver
m uthet, wenn seit der erweislichen G eburt desselben S ie benzig Ja h re verflossen sind, zu welcher Verm uthung die S te lle der Psalmen (X C . 1 0 ):
U n se r Leben w ä h r e t
S i e b e n z i g J a h r , Veranlassung gegeben h a t(s ).
W ar
der Verschollene schon Siebenzig J a h re a lt zur Z e it sei ner Entfernung, so pflegt man F ü n f Ja h re nach der E n t fernung den Tod anzunehmen (b).
Dieses ist die n a tü r
liche und consequente Anwendung jener R egel, indem nun die Entstehung einer Verm uthung überhaupt, und der Z e it punkt a u f den diese Verm uthung hinweist, ganz zusammen fallen.
Manche haben ohne G rund Beides dergestalt tren
nen wollen, daß der T od zw ar erst zu vermuthen sey nach A b la u f des Siebenzigsten Lebensjahres, daß aber bey dem E in t r itt dieser Bedingung angenommen w erde, der V e r schollene sey nicht erst jetzt verstorben, sondern schon im Augenblick seiner E n tfe rn u n g , oder (w ie Andere wollen) zu der Z e it, als fü r sein Vermögen ein E u ra to r ernannt w urde (c).
Umgekehrt wollen Andere den Tod annehmen.
(a) L auterbach V. 3 § 24. L eyser Spec. 96. G lück B. 7 § 562. B. 33 § 1397 c. H of acker T. 2 H 1682. H e is e und C rop p juristische Abhandlungen B. 2 Num. IV. (S . 118). — Bey diesen Schriftstellern finden sich
viele Andere auö verschiedenen Zeiten angeführt. (b) G lück a. a. O. (c) Glück a. a. O ., Heise und C r o pp a. a. O. — Die Frage kommt hauptsächlich vor bey der
§. 63.
Ende der Rechtsfähigkeit.
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nicht m it dem A blauf der Siebenzig Jahre seit der er weislichen G eburt, sondern erst wenn ein rechtskräftiges Erkenntniß die Todeserklärung ausgesprochen hat.
S ie
berufen sich darauf, daß die übliche Edictalladung außer dem nicht blos zwecklos, sondern selbst absurd seyn würde. Allein diese Ladung ist dazu bestimmt, wo möglich die Präsumtion durch erlangte Gewißheit entbehrlich zu ma chen.
Gelingt dieses, so entscheidet die alsdann erkannte
W ahrheit; m islingt es, so muß die volle W irkung der Präsumtion eintreten. D as richterliche Erkenntniß ist blos declaratorisch, und kann das Rechtsverhältniß selbst nicht ändern; es setzt außer Zw eifel, sowohl den A b lau f der Siebenzig Ja hre, dung.
Es
als die Erfolglosigkeit der Edictalla
wäre aber ganz willkührlich und grundlos,
wenn durch zufällige, oder sogar durch absichtliche, V er zögerung der Todeserklärung andere Erben herbeygeführt werden könnten, als die welche bey Ablauf der Siebenzig Jahre den nächsten Anspruch hatten (d). — Diese allgemei nere Vermuthung ist denn nach gemeinem Recht die einzige Beerbung deS Verschollenen. D a bey wird die hier angenommene M eyn u n g als Successio ex nunc bezeichnet, die entgegengesetzte als
Successio ex tune. (d ) F ü r die hier vertheidigte M eynung vgl. G l ü ck und K e i f e a. a. O .; ferner M i t t e r m a i e r deutsches Privatrecht § 418 ed 5. Für die entgegengesetzte M eynung
E i c h h o r n deutsches Privatrecht § 327 ed. 4 , V a n g e r o w Panbesten I. S . 57. — D as Preußische A. L. R. II. 18 § 835 sieht zwar auf die Z eit des Erkenntnisies, jedoch nur wenn vor 70 Jahren der Tod angenommen werden so ll, denn von diesem A lte r an ist keine Todeserklärung nöthig. L. R. I. 1. § 3 8 .
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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
Aushülfe auch für den besonderen, oben erw ähnten, F all des Krieges. N u r E in hierher gehörender besonderer F all ist im N ömischen Recht beachtet worden. W enn es von zwey M en schen gewiß ist, nicht n ur daß sie verstorben sind, sondern auch daß ihr T od an einem und demselben bestimmten T ag e eingetreten ist, so kann es noch immer ungewiß, und dennoch (besonders für die Erbfolge) zu wissen wichtig seyn, wie diese beiden Todesfälle der Zeit nach zu einan der stehen. E s sind nämlich dabey die drey Fälle denk b a r: daß der Eine vor dem A ndern, oder nach dem An d ern, oder gleichzeitig m it dem A ndern, verstorben sey. W enn nun in einem solchen F all keines dieser drey Z eit verhältnisse erwiesen werden kann, und wenn zugleich eine äu ßere, gewaltsame Ursache (S chlacht, Schiffbruch, E in sturz eines H auses) den T od beider Personen herbeygeführt h a t, so stellt das Römische Recht folgende Verm uthungen a u f, welche die S telle eines Beweises vertreten sollen: 1) I m Allgemeinen w ird angenommen, Beide seyen in einem und demselben Augenblick umgekommen (e). 2) Eine A usnahm e gilt für den gemeinschaftlichen ge w altsam en T od eines K indes m it seinem V ater oder m it seiner M utter. W a r d as Kmd unmündig, so wird dessen (e) L. 9 pr. § 3. L. 16. 17. 18 de reb. dub. (31.5.). — L. 31 ad Sc. Trebell (36.1.).— Z-.32
§ 14 de dort. int. vir. (24.1.). — /..26 demortis causa don. (39.6.).
§. 63. Ende der Rechtsfähigkeit.
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früherer T o d , w ar es m ündig, so wird dessen späterer T od verm uthet, so daß in allen Fällen dieser A rt die Verm uthung des gleichzeitigen T odes ausgeschlossen ist(f). 3) Diese Ausnahme aber ist wiederum durch zwey spe ciellere Ausnahm en beschränkt. a ) W enn ein Freygelassener gemeinschaftlich m it sei nem S oh ne umkommt, so tritt die allgemeinere R egel ein, das heißt es w ird gleichzeitiger Tod verm uthet, so daß nicht etw a d as Überleben des S o h n e s, selbst wenn er mündig w äre, angenommen werden soll. D er G rund liegt in einer Begünstigung des P a tr o n s , dessen Erbansprüche durch den erweislich überlebenden S o h n beschränkt w er den würden (g). b) G anz dasselbe ist vorgeschrieben für den F a ll, da ein T estator seinem Erben ein Fideicommiß auferlegt u n ter der Bedingung „si sine Iiberis decesserit.” W enn die ser E rbe mit seinem einzigen S o h n durch Schiffbruch um kommt, so w ird gleichzeitiger T od allgemein verm uthet, also auch wenn der S o h n mündig w a r; d arau s w ird ge folgert, daß der S o h n den V ater nicht überlebte, folglich d as Fideicommiß schlechthin ausgezahlt werden m uß, weil (f) L. 9 § 1. 4 de rel. dub. (34. 5) vom Vater. — L. 22. 23
gedacht seyn muß. (g) L. 9 § 2 de rel. dub. (34. eod. L. 26 pr. de paclis dotul. 5) „. .. hoc enim reverentia pa(23. 4.) von der Mutter. — I n tronatus suggerente dicimus.” L .9 § 1 cit. ist die Rede vom Tod Hier wird also das Singuläre dieim Kriege, woraus von selbst ser Bestimmung ausdrücklich an folgt, daß der Sohn als mündig erkannt.
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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
dessen Bedingung (der Tod ohne überlebende K in d e r) in Folge jener Verm uthung w irklich eingetreten ist (h). (h) L . 17 § 7 ad Sc. Treb. (36. 1 ) . — Ausführlich und m it vielem Scharfsinn w il d diese ganze Frage behandelt von M ü h l e n b r u c h , Archiv B . 4 N u m . 27 (vgl. doctrina Fand. § 185). E r weicht von der hier gegebenen D arstel lung darin ab, daß er annim m t, die V erm uthung des früheren T o des der Unmündigen gründe sich a u f ihre im Allgemeinen größere M o r ta litä t; daher gelte sie auch im V erhältniß zu anderen P e r sonen als zu den E lte rn , und auch außer dem F all des gewaltsamen, durch gemeinsames Unglück her-
bevgeführten Todes. — H ie r w ird also angenommen, die beiden ex ceptionellen Verm uthungen ( f ü r M ündige und Unmündige) seyen ganz ungleichartig, und aus ganz verschiedenen G ründen abgeleitet. Allein eine unbefangene Betrach tung der Quellen muß uns ge rade umgekehrt überzeugen, daß beide Verm uthungen als ganz gleichartig gedacht, besonders aber daß sie n u r a u f Fälle der ange gebenen A r t (T o d der E lte rn und K in d e r, bey gemeinsamem Un glück) bezogen werden. Dgl. B a n ge r o w Pandekten I. S . 58.
§. 64. Einschränkung der Rechtsfähigkeit. Einleitung.
23
§. 64.
E in sch rä n k u n g der R echtsfähigkeit. E in le itu n g .
E s sind nunmehr die Fälle anzugeben, worin die im* tätliche, allen einzelnen Menschen zukommende Rechtsfä higkeit durch unser positives Recht eingeschränkt worden ist. Solche Einschränkungen haben die Bedeutung, daß gewisse Menschen entweder zu allen, oder doch zu man chen Rechten unfähig seyn sollen. Um für diese verschie denen Abstufungen einen gemeinsamen Ausdruck zu gewin nen, wollen wir einen solchen Zustand als v e rm in d e rte R e c h ts fä h ig k e it bezeichnen, worunter also auch die gänzlich vernichtete mit begriffen ist. D as Römische Recht kennt drey verschiedene Gründe verminderter Rechtsfähigkeit: Unfreyheit, Mangel der Civität, und Abhängigkeit von eines Andern Familiengewalt. D arauf beziehen sich also folgende drey Eintheilungen aller Menschen: 1) Liberi, Servi; mit der Untereintheilung der Liberi in Ingenui und Libertin!. 2) Cives, Latini, Peregrini. 3) Sui Juris, alieni Juris.
D as Eigenthümliche aber dieser drey Eintheilungen der Menschen besteht nicht etwa in ihrer allgemeinen, alle an deren Unterschiede übertreffenden Wichtigkeit, sondern darin, daß durch sie der verschiedene G rad der R e c h ts f ä h ig -
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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II Personen.
f e t t jedes einzelnen Menschen bestimmt w ird ; in dieser Beziehung stehen sie ganz allein, nnd kein anderer Unter schied kann mit ihnen verglichen werden. Diese Lehre hat ihren Ursprung in der ältesten Zeit des Römischen R echts, und wenngleich auch sie im Lauf der Jahrhunderte manche Umbildung erfahren hat, so hat sie sich dennoch in ihren Grnndzügen dergestalt erhalten, daß w ir sie selbst in d as neueste Recht nach allen S eiten hin verwebt finden. Auch für unS ist eine genaue E in sicht in dieselbe wichtig, ja unentbehrlich. Nicht als ob noch Vieles aus derselben unm ittelbar angewendet werden könnte, sondern au s Zw ey anderen, in einander greifen den, Gründen. D ie Quellen des Römischen Rechts sind nämlich durchaus n ur Demjenigen verständlich, der sich jene Lehre in ihrer vollständigen Ausbildung so angeeignet h a t, daß ihm bey jeder S telle des Römischen Rechts die Beziehungen derselben auf jene alte Lehre (wo solche v or kommen) von selbst vorschweben. Auch d rängt sich uns diese Überzeugung so ungesucht a u f, daß selbst diejenigen unter den neueren Ju risten, welche das geschichtliche Recht gering schätzen, und nur das praktische ihrer Bem ühungen w erth achten, es dennoch nicht lassen können, die erw ähnte Lehre und die dam it zusammenhängende Kunstsprache ihren Darstellungen einzumischen. An ihnen aber rächt sich ihre Einseitigkeit, indem ihnen d a s , w as sie gründlich zu er forschen verschmähten, nun zu einer Q uelle zahlloser I r r thümer w ird. Solehe Irrth ü m e r, entsprungen au s der
§, 64.
Einschränkung der Rechtsfähigkeit.
E inleitung.
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übel verstandenen Lehre von der Rechtsfähigkeit, sind in den neueren Rechtssystemen verbreiteter und befestigter, als man glauben sollte; ja
sie sind selbst bis in neuere Ge
setzgebungen eingedrungen. nun von
der Herrschaft
W ie
anders können w ir uns
dieser verwirrenden Ir rth ü m e r
befreycn, als indem w ir eigene, gründliche Forschung an die S te lle der zu wenig geprüften Überlieferungen setzen? H ie rin also liegt der zweyte G ru n d , der uns eine genaue Feststellung jener alten Lehre des Römischen Rechts u n entbehrlich macht. Um den eben erwähnten unkritischen Einflüssen zu ent gehen, w ill ich einstweilen von der bisher üblichen B e handlung dieses Gegenstandes ganz absehen, auch sogar alle Kunstausdrücke, ächte oder unächte, vermeiden, und zunächst die reinen Rechtsregeln aufstellen, wie w ir sie in unsren Quellen angegeben fin d e n ; dann erst w ird es mög lich seyn, auch die Kunstausdrücke kritisch festzustellen. D ie Neueren bezeichnen sehr allgemein die oben angegebenen drey Unterschiede der Menschen m it den Kunstausdrücken
Status libertatis, civitatis, farniliae; w as daran w a h r oder falsch ist, w ird sich erst k la r machen lassen, nachdem die B egriffe und Rechtsregeln selbst außer Z w eifel gefetzt seyn werden.
Ferner steht m it jenen drey Unterschieden in un
verkennbarer Beziehung eine dreyfache Capitis deminutio, die von den alten Juristen in so vielen S tellen ganz gleich förm ig erw ähnt w ir d ,
daß w ir
darin u ra lte Rechtsbe
griffe und Kunstansdrücke nicht bezweifeln dürfen.
Aber
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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
welches die eigentliche Beziehung ist zwischen jenen drey G ründen verminderter Rechtsfähigkeit und der dreyfachen Capitis deminutio, d as w ird sich erst in Folge einer Utt* tersuchung darthun lassen, die zu den schwierigsten im G e biete des geschichtlichen R echts gehört. D ie Rechtsregeln, wom it w ir uns hier beschäftigen, betreffen die verschiedenen S tu fen der Rechtsfähigkeit. Um diesen Gegenstand der aufzustellenden Regeln klar überse hen zu lassen, ist es n öthig, gleich im E ingang an zwey schon oben abgehandelte Stücke zu erinnern. D a s eine ist der Gegensatz zwischen jus civile und jus gentium (§ 2 2 ); die Verminderung der Rechtsfähigkeit kann sich bald au f d as erste allein (a ls a u f das vornehmere und wichtigere), bald a u f beide zugleich beziehen. — Ferner kann sowohl die Rechtsfähigkeit selbst, a ls die Verm inderung derselben, au f jede der oben aufgestellten Klassen von R echtsverhält nissen (§ 53 — 57) Beziehung haben, wodurch dieselbe, wie es scheint, in schwer zu übersehende Einzelnheitcn hinein gezogen werden müßte. Allein es haben sich im R öm i schen Recht von sehr alter Zeit her zwey Hauptbegriffe gebildet, die durch die Kunstausdrücke C o n n u b i u m und C o m m e r c i u m bezeichnet werden, und wodurch die Über sicht der Rechtsfähigkeit in ihren verschiedenen S tu fen sehr erleichtert w ird. C o n n u b i u m heißt zunächst die F äh ig keit zu einer Römisch gültigen E he, sowohl absolut, für eine einzelne Person an sich betrachtet, a ls relativ , für d as wechselseitige V erhältniß zweyer Personen zu einan-
§. 64. Einschränkung der Rechtsfähigkeit. Einleitung.
27
der 0 ) . D a aber von einer solchen Ehe die Möglichkeit der väterlichen G ew alt, von dieser wieder die Römische V erw andtschaft, und endlich von dieser die alte Jn testaterbfolge ab h än g t, so ist es einleuchtend, welche W ichtig keit jenem Kunstausdruck zugeschrieben werden m uß, in dem dadurch, daß einer P erson Connubium beygelegt oder abgesprochen w ird, der Umfang ihrer Rechtsfähigkeit großentheils bezeichnet is t.— Auf ähnliche Weise heißt C o m m e r c i u m zunächst n u r die Fähigkeit zu kaufen oder zu verkaufen, jedoch so, daß dieser Kunstausdruck nicht au f den gewöhnlichen K au f des täglichen Verkehrs bezogen w ird, sondern au f den symbolischen K auf, der den N am en der M a n c i p a t i o n fü h rt(b ). D a aber diese n u r B e deutung h at a ls die älteste und üblichste V eräußerungs form des Römischen E igenthum s, so ist eigentlich die F ä higkeit zu dieser vollständigsten A rt des Eigenthum s d a durch bezeichnet: also auch die Fähigkeit zu der in jure cessio, der U sucapion, und der strengen Viudication. I n fernerer Entwicklung aber um faßt jener Kunstausdruck zu gleich die Fähigkeit zu S erv itu ten (welche, eben so , wie d as E igenthum , Juris quiritium sind): ferner die F äh ig keit zu manchen Arten der O bligationen (c ): endlich aber, und ganz vorzüglich, die testamentifactio, das heißt die Grundbedingung für die Fähigkeit, ein Testam ent oder ei nen Codwill zu errichten, zum E rben , Legatar oder Fidei(a) U lpian. Tit. 5 § 3, vergl. § 4. 5. 6. 8. '
(b) U lpian. Tit. 19 § 4. 5. (c) Gajus III. § 93. 94.
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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
commissar ernannt zu w erden, und Zeuge bey einem letz ten W illen zu seyn (d ). — S o umfassen also jene beiden Kunstausdrücke den größten und wichtigsten T heil der Rechtsfähigkeit überhaupt (e ). Jedoch dürfen alle diese S ätze nur unter einer wichtigen Einschränkung aufgefaßt werden. D ie Fähigkeit, welche einer Person durch die Anwendung jener Ausdrücke beygelegt oder abgesprochen werden soll, bezieht sich nur a u f die dem j u s civile an gehörenden Rechtsinstitute, so daß sie für d as G ebiet des ju s g en tiu m keine Bedeutung haben. W ird daher einer Person d as Connubium abgesprochen, so kann die F äh ig keit zu einer Ehe und Verwandtschaft nach ju s g e n tiu m sehr w ohl daneben bestehen; eben so, w ie D erjenige, w e l cher das Commercium entbehrt, darum nicht minder zu einem Eigenthum nach ju s g e n tiu m fähig seyn kann (f). (d) U lpian. Tit. 20 § 8. 14 Tit. 22 § 1. 2. Tit, 25 § 4. 6. -— Gajus TI. § 285. — L. 3. 8. 9.11. 13. 19 qui test. (28.1.).— L. 6 § 3. L. 8 § 2 de j. codic. ( 29. 7.). — £ . 49 § 1 de her. inst. (28. 5 ). — H 24 /. de le g atis (2. 20). — L 18 pr. qui test. (28.1.). § 6 J.de test. ord. (2. 10).
(e) I m Allgemeinen kann man sagen, das Connubium entspreche der Fähigkeit in der Familie, das Commercium der Fähigkeit im Vermögen. N u r ist dabey wohl zu bedenken, daß diejenigen Theile der künstlichen Familienverhält
nisse, welche sich an ein Vermö gensverhältniß als Folgen dessel ben anschließen (§ 57), hierin die N atur des Vermögens, nicht der Familie, theilen. S o z. B . hatte der Latinus Commercium ohne Connubium (§ 66): dennoch war er fähig zur Herrschaft über S k la ven und über ein Mancipizim, zum P a tro n a t, zur testamentari schen und D ativtutel, so wie zu der Gewalt über Colonen. (f) Die praktische Anwendung hat sich bey den einzelnen Klassen der Rechtsverhältnisse, so wie es das Bedürfniß mit sich führte, ganz verschieden entwickelt. Bey
§. 64.
Einschränkung der Rechtsfähigkeit.
dem Eigenthum erhielt sich der formelle Grundsatz, daß nur ge wisse Stände (cives und L a tin i) des Römischen Eigenthums fähig seyen, bis auf Justinian, der ihn aufhob: allein die Wichtigkeit des Unterschieds zwischen Römischem und natürlichem Eigenthum hatte längst aufgehört. I n den O bli gationen war man durch das Be dürfniß eines ausgedehnten V er kehrs schon sehr frühe genöthigt, alle S ände zuzulassen, so daß sich hier die alte Strenge nur
Einleitung.
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noch im Andenken erhielt theils in einem geringen Überrest von Fällen (Note c ), theils in einer bloßen Formalität des Prozesses (G ajus IV. § 37). Am reinsten erhielt sich die alte Strenge bey den Testamenten, weil da die Freyheit des Verkehrs keine Um bildung der alten Regeln nöthig machte, so daß hier der strenge Grundsatz auch noch im Justi nianischen Recht unverändert fest gehalten wird (Note d).
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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
§• 65. E i n s c h r ä n k u n g der Re c h ts f ähi gke i t . I. Unfr eyhei t.
Alle M enschen, sagen die R öm er, sind entweder frey oder unfrey (aut liheri aut servi); diese E in te ilu n g kommt hier nur nach ihrem vorzüglich wichtigen Einfluß a u f die Rechtsfähigkeit in Betracht (a). D em Sklaven nämlich wird eine allgemeine R echts unfähigkeit zugeschrieben, und zwar nicht blos für die I n stitute des eigentlichen C ivilrechts, sondern auch für die des prätorischen, und die des jus gentium (b). I n dieser (a) Allerdings bietet das S k la venrecht auch noch mehrere an dere wichtige S eiten dar, die je doch in dem gegenwärtigen W erk, nach dessen P la n , keine S telle finden können. D ahin gehölt we niger das, was bey anderen Rech ten so wichtig ist, die genaue B e stimmung des In h a lts und Um fangs des Rechtsverhältnisses: denn das ganz uneingeschränkte Recht des H errn macht hierin jede specielle Bestim m ung überflüssig. D agegen w ar es wichtig, die E n t stehungsart deö Verhältnisses ge nau zu bestimmen, und darüber sind hier nur folgende H au p t sätze anzugeben. D ie regelm ä ßige Entstehung ist die durch G e b u rt: jedes Kind wird frey oder als Sklave geboren, je nachdem die M u tte r eine Freye oder S k la vin ist. D er Freye aber kann
ferner Sklave werden: erstlich durch Gefangennehm ung in ei nem wahren K riege; zweytens in einigen Fällen zur S tra fe. D a gegen ist es unmöglich durch freyen W illen, also durch V ertrag. (b) L. 20 § 7 qui testarn. (28. 1). „Servus quoque merito ad solemnia adhi beri non potest, cum juris civilis communionem non habeat in totum, ne Praetoi'is quidem edicti” — L. 32 de R. J. (50 17.). „Quod attinet ad jus civile, servi pro nullis habentur: non tarnen et jure naturali, quia quod ad jus na turale attinet, omnes homines aequales sunt.” Z u r Erklärung des jus naturale in dieser letzten
(von Utpian herrührenden) S telle ist die Beylage 11. zu vergleichen. — I n beiden S tellen ist vom jus gentium nicht ausdrücklich die
§. 65. Einschränkung der Rechtsfähigkeit. I. Unfreiheit.
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letzten Beziehung also fehlte dem S klaven nicht etw a blos d as Connubium und das Commercium, sondern es w ar ihm die Möglichkeit jeder Ehe und Verwandtschaft über haupt versagt (c), so w ie die Möglichkeit des Eigenthum s jeder A rt, des natürlichen nicht minder w ie des streng Römischen. D a nun außerdem die potestas des Herrn über den S klaven die W irkung hat, daß der S k la v e dem R ede, indessen lassen die im Text dete Unfähigkeit auch au f die G e angeführten unbestrittenen A n meinschaft des jus gentium hem w endungen keinen Zw eifel, daß mend einwirkte, so daß z. B . der sich auch darauf die Unfähigkeit Sklave nicht einm al einer n atü r erstreckte. Um aber M isverständ- lichen Verwandtschaft fähig war. nissen vorzubeugen, will ich dar D ie Annahme dieses V erhältnis über . noch Folgendes bemerken. ses wird vielmehr theils durch die D ie R öm er schreiben einstimmig allgemeine N a tu r des jus gen die Entstehung der Sklaverey über tium gerechtfertigt (§ 22), theils haupt dem jus gentium zu (L . 4 durch unzweifelhafte Analogien be de ju st. et jure. L. 1 § 1 de stätig t, indem z. B . eine gegen his qui sui. Gajus I. § 52 ); die die Verbotsgesetze des jus civile R epräsentation des H errn durch geschlossene Ehe gar nicht als Ehe den S klaven setzen sie wahrschein betrachtet wird, nicht einm al als lich nicht in das jus gentium, son eine nach jus gentium wirksame dern in das jus civile (Recht des (§ 12 J. de nuptiis 1. 10.). (c) L. 1 § 2 unde cogn. (38. Besitzes § 7. S . 82 der 6. A u sg .); nec enim facile ulla wohin sie die Rechtsunfähigkeit 8.). an sich setzen, darüber fehlt jedes servilis videtur esse cognatio.” Z eugniß, indessen scheint es m ir — L. 10 § 5 de gradibus (38. natürlicher anzunehmen, daß auch 10.) „ad Leges serviles cognadiese, eben so wie die R epräsen tiones non pertinent” (vorher tatio n , aus dem jus civile ab w ar gesagt w orden, der gemei geleitet wurde, besonders da noch ne, nichtjuristische Sprachgebrauch so manche ganz positive M odifi nehme auch bey Sklaven V er kationen derselben unten vorkom wandtschaften an). — E rst Justimen werden. W ar nun dieses nian hat diese Unfähigkeit in ih wirklich die herrschende Ansicht, so ren W irkungen auf die nach der darf es darum doch nicht als I n Freylassung eintretende Erbfolge konsequenz getadelt werden, wenn modificirt. § 10 J. de grad. cogn. diese durch das jus civile begrün (3. 6.).
32
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
Herrn Vermögen jeder Art zu erwerben fähig und ge zwungen ist, so liegt es sehr nahe, die Rechtsunfähigkeit .des Sklaven als eine bloße Folge dieser unfreywilligcn Repräsentation des Herrn anzusehen, folglich aus der po lest as abzuleiten. Auch lassen sich in der That viele An wendungen der Rechtsunfähigkeit auf diese Weise befrie digend erklären; denn wenn der Sklave durch Mancipation oder Stipulation seinem Herrn Rechte erw arb, so konnte er dadurch nicht selbst Eigenthümer oder Creditor werden. Dennoch ist diese Ableitung im Ganzen zu ver werfen, indem die Rechtsunfähigkeit viel weiter geht, als jene Repräsentation, folglich eine ganz selbständige N atur h at, wie sich von zwey Seiteü her unwidersprechlich darthun läßt. Denn erstens bezieht sich die Repräsentation nur auf den Erwerb von Vermögensrechten, der Sklave würde also dadurch nicht gehindert seyn, eine Ehe zu füh ren, und Verwandte zu haben, wozu er jedoch ganz un fähig ist. Zweytens gab es herrenlose Sklaven, die also unter keiner potestas standen, und keinen Menschen durch erwerbende Handlungen repräsentirten, und dennoch ganz eben so rechtsunfähig w aren, als alle anderen ( Liberi. B. Libertini J D.
II.
Servi.
I n Beziehung auf Civität: A. Cives. B.
Latint.
C. Peregrini.
§ 67. Einschränkung der Rechtsfähigkeit. U I. Kamilienabhängigkeit. SS
III.
I n Beziehung auf Fam iliengewalt: A.
Sui Juris.
B.
Filiifamilias
C.
1 > Alieni Juris. Qui in mancipio s u n tj
Z w a r giebt es noch andere Alieni Juris, die Sklaven, und die Ehefrauen in manu :
allein jene gehören unter
die erste Eintheilung (I. C.), diese unter die zweyte S tufe der dritten Eintheilung ( III. B . ) , beide also bilden keine eigenthümliche Stufen der durch Familiengewalt beschränk ten Rechtsfähigkeit.
60
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
§. 68.
Dr e y f a c h e c a pi t i s deminutio.
E s sind bis hierher drey Arten eingeschränkter Rechts fähigkeit, jede au f einem eigenen G runde beruhend, nach gewiesen worden. D a s D aseyn derselben, und insbeson dere auch ihre Anzahl (nicht mehr noch weniger als drey), ist unter den Neueren allgemein anerkannt; nur haben die selben den Versuch gem acht, jene drey Verhältnisse durch die Kunstausdrücke Status libertatis, civitatis, familiae zu bezeichnen, wodurch die einfache Lehre des Römischen Rechts wieder etw as verdunkelt worden ist. Ich habe daher ab sichtlich diese nicht quellenmäßigen Ausdrücke vermieden, und behalte m ir vor, w as d aran w ah r und falsch ist, an passender S telle zu untersuchen. I n jenen dreyerley S tu fen der Rechtsfähigkeit nun können die Einzelnen mancherley V eränderungen erfahren, und zw ar bald vortheilhafte, bald nachtheilige, indem der Freye zum S k la v e n , der Römische B ü rg er zum P eregrin en, oder d as Fam ilienhaupt zu einem Abhängigen w er den kann, und umgekehrt; das eine kann m an Erhöhung, d as andere Herabsetzung oder D egradation nennen. F e r ner können diese Veränderungen bald natürliche, bald ju ristische Ursachen haben, so z. B . kann der S o h n von sei nes V aters G ew alt sowohl durch dessen T o d , a ls durch E m an cipatio n, befreyt werden. D er Einfluß dieser Ver-
§. 68.
Dreyfache capitis deminutio.
61
Änderungen auf die Rechtsfähigkeit bedarf keiner neuen Bestimmungen, ergiebt sich vielmehr aus dem bisher D a rgestellten von selbst; so hat z. B . der S k la v e , welcher au s der Freyheit in den Sklavenstand gekommen ist, durch a u s keine verschiedene Rechtsfähigkeit von dem in der S k la verey geborenen. Indessen findet sich ein uralter Rechtsbegriff unter der gleichfalls alten Benennung capitis deminutio (a), und es fragt sich, w a s darunter zu verstehen sey. M a n möchte glauben, darüber könne kein Z w eifel seyn, da die alten Juristen selbst, in nicht wenigen S tellen , die Erklärung geben, es sey eine status mutatio (commutatio, permutatio) (b). Allein damit ist wenig gewonnen, theils w eil die Erklärung von status wieder die größten Schwierigkeiten macht, theils w eil sich erweisen lä ß t, daß zu der mutatio (a) I n den Handschriften kom men zwey Schreibarten vor, de minutio und diminutio. H u g o erklärt sich entschieden fü r die letzte (Nechtsgeschichte S . 421. Aue'g. 11). F ü r die erste scheint zu entscheiden die alphabetische A nordnung bey Festus, worin das W o rt Deminuti zwischen Demagis unb Demoe steht; allein das beweist Nichts, weil diese strenge O rdnung erst fcurd) die H erau s geber des Festus hervorgebracht ist, anstatt daß in den H and schriften Alles ziemlich bunt durch einander geht. Ich habe keinen G rund zu zweifeln, daß die Al ten selbst Beides wirklich geschrie
ben haben, daß also Beides rich tig ist. (b) J. de cap. dem.( 1.16.). L. 1 de cap. min. (1.5.) von G ajus. — U lpian. XI. jj 13. L. 9 § 4 de minor. (4. 4.) von Ulpian.
—
P aulus
I. 7 § 2,
III.
6
§
29.
L. 2 de in int. rest. (1. 1.) von P a u lu s. — L. 28 C. de Über, causa (7. 16 ). — I n allen die sen S tellen heißt es status, bey G ajus I. § 159 ist eine unlesbare S te lle : prioris ... permutatio, die au f meinen Vorschlag durch capitis ausgefüllt worden ist, weil wenigstens ein p. bemerkt worden war. — D er Unterschied un ter m utatio, com m utatio , p e r-
62
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
in jedem F a ll noch allerley hinzugedacht werden muß, w a s die Urheber der D e fin itio n gewiß auch dachten, und n u r zu sagen unterlassen haben.
S o erfahren w ir also an die
ser D e fin itio n der alten Juristen Dasselbe, w ie an vielen anderen, daß w ir dadurch nicht viel w eiter kommen. H alten w ir uns zunächst an den bloßen W o r tla u t, so scheinen zwey Bestandtheile in jenem R echtsbcgriff e rw a r tet werden zu müssen: erstlich eine Veränderung in dem Z u s ta n d e in e r P e r s o n , und zweytens eine solche V e r änderung,
welche der Person zum N a c h t h e il gereicht.
Dieses erinnert aber sogleich an die eine H ä lfte der im A nfang des gegenwärtigen §. erwähnten Veränderungen, nämlich
an
die D e g r a d a t i o n e n
Rechtsfähigkeit.
in
Beziehung
auf
Und diese Verm uthung e rhält w e i
ter einen hohen G ra d von Wahrscheinlichkeit durch
die
W ahrnehm ung, daß es eben so eine dreyfache capitis de
minutio giebt, wie w ir oben eine dreyfache Einschränkung der Rechtsfähigkeit fanden.
D a n n w äre überhaupt unter
capitis deminutio zu denken eine jede V erm inderung der Rechtsfähigkeit, und zw a r nach den drey möglichen G rü n den solcher Verm inderungen, in Beziehung
a u f Freyheit,
C iv itä t, Unabhängigkeit, also in Vergleichung m it der am S chluß des § 67 aufgestellten Tabelle.
Noch immer aber
bleibt diese Annahme eine blos wahrscheinliche, und ihre m u ta tio ist an sich unbedeutend; übrigens herrscht bey mehreren der angeführten S tellen wiederum die größte Verschiedenheit in der
Leseart der Handschriften: am meisten in der S te lle der Jnsti» tutionen.
§. 68. Dreyfache capitis deminutio.
63
W ahrheit kann mir bewiesen werden durch Vergleichung mit dem wirklichen I n h a lt, den die Römischen Juristen ihrer dreyfachen capitis deminutio anw eisen, zu welcher Vergleichung ich mich jetzt wende (c). D ie drey G rade der capitis deminutio heißen nach der einfachsten und sichersten T erm inologie: maxima, media, minima (d).
I. Maxima. S ie besteht nach den oben angeführten S tellen in dem Verlust der Freyheit, das heißt in der Verw andlung eines Freyen (Ingenuus oder Libertinus) in einen S klaven (e). H ier zeigt sich also die oben aufge stellte Vermuthung vollkommen und unzweifelhaft bestätigt. (c) Die wichtigsten Stellen sind ser magna nennt nun Ulpian den diese: Gajus I. § 1 59-163. Ul- geringsten Grad minor. (L. 1 pian . XI. § 10 — 13. Tit. J. de § 4 eit). — H ieraus erhellt, daß cap. demin. (1. 16.). L. 11 de der Ausdruck minor zweydeutig cap. min. (4. 5.) (von Paulus). ist, und daher besser vermieden B oethius in Ciceronis top. C. 4 wird. Die oben im T ert gebrauch (im Ganzen richtig, nur rech ten Ausdrücke lassen durchaus kein net er irrig die Deportation zur Misverständniß zu. — I n der an geführten L. 5 § 3 de extr. cogn. maxima). (d) Folgende abweichende Ter- (50.13) heißt es: „magna cap. minologieen kommen daneben vor: dem... id est cum libertas ad1) die media heißt minor bey imitur, veluti cum aqua et igni G ajus und in den Institutionen interdicitur.” Hier wird liber (in beiden media daneben ge tas für civitas genommen, wo nannt). 2) Die beiden höheren für auch sonst Analogieen vor Grade werden von G ajus zusam kommen. S c h i l l i n g Institutio mengefaßt unter dem Nameu ma- nen B . 2 § 27 Note h. (e) M an könnte vielleicht noch jores (1. § 163), von Callistratus und Ulpian unter dem N a einen andern Fall dahin rechnen, men magna (L. 5 § 3 de extr. die Verwandlung des Freygeborcogn. 50. 13. — L. 1 § 4 de suis nen in einen Freygelassenen. Die 38. 16. — L. 1 § 8 ad Sc. Ter- ser Fall kam nur vor bey einer tull. 3 8 . 17 ). Im Gegensatz die F ra u , die einen fremden Skla-
C4
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen-
II. Media. Für diese kommen folgende Anwendun gen vor: A. Nach den oben angeführten S tellen , Verwandlung des C ivis in einen Peregrinen, z. B . durch die D eportation. B. Verwandlung des C ivis in einen Latinus (f). C. D ie Verwandlung des Latinus in einen Peregrinen wird zwar nicht ausdrücklich erw ähnt, allein es dürfte w ohl angenommen werden können, daß die D eportation eines Latinen ebensowohl eine capitis deminutio w ar, a ls die eines Römischen B ü r g e r s t ) . Auch bey der media also zeigt sich unsre eben aufge stellte Vermuthung eben so sicher bew ährt, a ls bey der maxima.
ven heurathete m it E inw illigung des Herrn (denn wenn es wider dessen W illen geschah, so wurde sie selbst auch S k lav in ). T acitus
§ 2.
ann. XII. 53. P aulus IV. 10 G ajus I. § 81. F ragm . de
§ 12. D aß dieser Fall bey der capitis deminutio nicht erwähnt w ird , erklärt sich wohl aus dessen später Entstehung und (wahrscheinlich) seltner A nw en dung. W enn es übrigens als ca pitis deminutio angesehen wurde, so war es eine maxima, nicht minima; denn bey dem Frevgelassenen war der Libertinenstand an sich (ähnlich lern S k lav en stand an sich), im V erhältniß zum S t a a t , noch verschieden von dem V erhältniß zudem bestimmten P a tron, und wichtiger a ls dieses.
jure
Fisci
(f) B oethius in Ciceronis top. Cap. 4 „media vero, in qua civitas amittitur, retinetur über las, nt in Latinas colonias transm igratio ” Denselben Fall
erwähnt auch G ajus III. § 56, und noch bestimmter als B oeth iu s, nur ohne den N am en der capi tis deminutio zu brauchen. Vgl. auch Cicero pro Caecina C. 33. (g) Nach dem Recht und Sprach gebrauch der älteren Zeit konnte auch die eintretende In fa m ie als capitis deminutio betrachtet w er den, wegen der verlornen Fähig keit zu politischen Rechten; zur Zeit der klassischen Juristen wurde das anders angesehen. D avon wird unten bey der In fa m ie ge handelt werden.
§. 68.
Dreyfache capitis deminutio.
65
III. Minima. Die Analogie der beiden ersten Fälle würde consequentcrwcise auf folgende Anwendungen führen: A. Verwandlung eines Familienhauptes in einen filiusfamilias, z. B. durch Arrogation, und im neueren Recht durch Legitimation. Daß diese eine minima capitis demi nutio sey, ist niemals bestritten worden (I>). B. Degradation eines filiusfamilias, oder einer Frau in manu, ill die mancipii causa. Auch für diese ist die N atur der minima capitis deminutio unzweifelhaft, und es lag darin der G rund, warum die Emancipation und die Adoption eines fremden Kindes als capitis deminutio galten, da beide nach ihrer alterthümlichen Form stets mit dem Durchgang durch die mancipii causa verbunden waren (i). Nimmt man nicht auf diesen Umstand Rück sicht, so muß es auffallen, daß die Emancipation, wo durch ja der Sohn unabhängig wird, also im letzten Re sultat an Rechtsfähigkeit Nichts verliert, sondern nur ge w innt, dennoch stets und ganz allgemein als capitis de minutio betrachtet wurde. C. M an könnte dahin endlich noch ziehen wollen die Degradation eines Familienhanptes in die mancipii causa; allein diese war überhaupt unmöglich, da die M ancipation, woraus die mancipii eau«a allein entstand, lediglich (h) L . 2 § 2 de cup. min. (!. 5.). G ajus 1. § 132. — Eben so die bey einer unabhängigen Frau durch die Ehe mit in manum conventio entstehende Änderung des Rechtszustandes. H.
(i) L . 3 § 1 de cap.min. (4.5.) „rum emancipari nemo possit, nisi in imaginariam servilem causam deductus. ’’ Gajus 1. § 162. 134.
66
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
eitlem filiusfamilias oder einer Frau in manu widerfahren konnte (k). S o scheint also auch für die minima unsere Vermu thung vollkommen bestätigt, womit zugleich der zu füh rende Beweis durch die Anwendung auf alle einzelne Fälle vollendet seyn würde. D aß dennoch der hier aufgestellte Begriff der capitis deminutio durch die herrschende M ey nung neuerer Rechtslehrer verworfen w ird, liegt theils an einigen zweifelhaften einzelnen Anwendungen, theils und noch mehr an den schwankenden Erklärungen Römi scher Juristen über den Begriff der minima capitis demi nutio. Dieses führt aber zu einer so weitgreifenden Un tersuchung, daß es, um den Zusammenhang nicht zu un terbrechen, zum Gegenstand einer abgesonderten Untersu chung gemacht werden mußte (Beylage VI.). Hier soll nur noch zum Schluß die Stelle eines nichtjuristischen Schriftstellers angeführt werden, welcher die wichtigsten Fälle der capitis deminutio gerade so angiebt, wie sie auch aus unsrer Annahme folgen. F estu s sagt in seinem Wörterbuch: „ Deminutus capite appellatur qui civitate mutatus est (1); et ex alia familia in aliam adoptatus: (k) Gajus I. § 117.118.
halb verworfen werden, weil der Fall sonst identisch seyn würde mit (l) ßicr tt)i(lCoNRADi parerga der am Ende der S telle erwähnten p. 174 emendiren multatus est, aquae et ignis interdictio, folg und er nimmt diesen, allerdings lich ganz überflüssig, und beson scheinbaren, Vorschlag aus.I. B .P ii ders mit unnatürlicher Trennung annotationespost. 0.44. Dennoch beider Sätze. D er civitate mu muß diese Cmendation schon des tatus ist der Röm er, welcher sein PlAN.
XI. § 5.
U l-
§. 68. Dreyfache capitis deminutio.
67
et qui über alteri mancipio datus est: et qui in hostium potestatem v en it: et cui aqua et igni interdictum est.”
W ir gebrauchen hiernach von jetzt an den Ausdruck capitis deminutio für jede D e g r a d a tio n in B e z ie hung a u f die R e c h tsfä h ig k e it. Nimmt man nun die hier vertheidigte Ansicht der mininja c. d. als richtig a » , so folgt daraus nothwendig, daß im Justinianischen Recht die Arrogation der einzige noch übrige Fall derselben ist. Denn die manus, so wie die mancipii causa als ein selbständiges, dauerndes Ver hältniß waren ohnehin schon längst verschwunden, und die ses wird auch gar nicht bezweifelt. Aber auch die Eman cipation kann nicht mehr als capitis deminutio gelten. Dieses hätte eigentlich schon consequenterweise daraus fol gen müssen, daß der Emancipirte nicht mehr durch die formelle mancipii causa hindurchgeführt wurde. Zw ar verordnete Justinian, daß dennoch der Vater sein P a tro natsrecht beybehalten sollte (m ); allein das geschah ledig lich um ihn in der Erbfolge nicht zu verkürzen, wofür nun nach dem Novellenrecht ohnehin keine künstliche Vor sorge mehr nöthig ist. Dagegen hatte Justinian selbst schon ausdrücklich vorgeschrieben, daß die Agnation durch Bürgerrecht freywillig alifgiebt, tim in einem fremden Staate Bürger zu werden. Vgl. Cicero pro Balbo C. 13 „ne quis invitus civitate mutetur,” C. 18 „ut et civitate illum mutatum esse
fateretur.” Lrvius V. 46 „mutari fmibus.” L. 7 pr. de cap. m in . (4. 5.) „familia mutati.” Vgl. Grohov. obs. III. 1. (m) L. 6 C. de emancipat. (8. 49.).
68
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
die Emancipation nicht aufhören solle (n ), noch ehe durch die neueste Gesetzgebung über das Erbrecht die Agnation ohnehin allen praktischen Werth verloren hatte. Zm Sinn des Justinianischen Rechts kann daher die Emancipation durchaus nicht mehr als eine capitis deminutio betrach tet werde». (n) L. 11. L. 13 § 1 C.de leg. hered. (6. 68.).
§. 69. Wirkungen der capitis deminutio.
69
§. 69.
W irkungen der
c a p i t i s d e m in u t io .
Die Wirkungen der hier unter dem gemeinsamen N a men der capitis dem inutiv zusammengefaßten sehr verschie denen Ereignisse sind großentheils so beschaffen, daß sie aus der N atur der einzelnen Veränderungen von selbst folgen. Wenn Z. B. ein Römischer Bürger die Freyheit verlor (m axim a c. d .), so verstand es sich von selbst, daß er nun in die höchst beschränkte Rechtsfähigkeit eines S kla ven eintrat, und daß er also sowohl seine frühere Ehe und Cognation, als sein früheres Vermögen nicht mehr haben konnte. Eben so verlor der Arrogirte zwar nicht seine Ehe und Cognation, wohl aber sein Vermögen. Die ses Alles folgte nothwendig aus den oben dargestellten Einschränkungen der Rechtsfähigkeit für Sklaven und Kin der. E s trat also in solchen Fällen nur dasjenige in Be ziehung auf die Vermögensrechte ein, was ohnehin einge treten seyn würde, wenn dieselben erst nach einer solchen capitis dem inutio erworben worden wären, also dasselbe, was die Römer bey dem letzten Willen durch die natür liche Regel ausdrücken: Q uae in eam causam perven eru n t, a qua incipere non p o tera n t, pro non seviptis ha-
W äre nun Nichts als dieses gemeynt, so ließe sich von besonderen Wirkungen der capitis dem inutio bentur (a ).
(a) L. 3 § 2 de Ms quae pro non scripto (34. 8.). Dieselbe
Regel kommt vielfach auch in an» deren Anwendungen vor. L. 11
70
Buch U
Rechtsverhältnisse.
Kap. H.
Personen.
g a r nicht reden, ja es w äre uns in ih r n u r ein unnützes und beschwerliches K u n stw o rt überliefert.
In
der T h a t
aber verhält es sich anders; sie w ird a ls etwas Selbstän diges behandelt, sie hat fü r sich eigene, positive W irk u n gen, und diese sollen nunmehr festgestellt werden.
Dabey
la g , wie es scheint, der Gedanke zum G ru n d e , daß jede A r t der capitis deminutio den, der sie erleidet, gleichsam zu einem neuen Menschen mache.
Diese Unterscheidung
von zweyerley W irkungen der capitis deminutio liegt in der Sache selbst, und w ird auch durch den sonst ganz unnöthigen Knnstausdruck anerkannt;
ausgesprochen ist sie
bey den Römischen Juristen nicht, und auch in einzelnen F ällen pflegen sie freylich die positiven W irkungen beson ders hervorzuheben, jedoch so, daß sie dam it auch w o h l dasjenige vermischen, welches sich von selbst versteht, und daher strenge genommen der besonderen N a tu r der capitis deminutio nicht angehört. B e y der m a x im a und m e d ia c. d . werden jene eigen thüm liche, ganz positive W irkungen wenig sichtbar, indem hier das Meiste
und W ichtigste schon
theils durch den
Sklavenstand und die P e rc g rin itä t an sich hervorgebracht w ird , theils durch die in den häufigsten F ällen eintretende Confiscation des Vermögens, welche wiederum ganz de ck jud. (5 . 1 ) . L. 11 de serv. L 10 ad L . Aquil. (9 . 2.). § 6 J. de nox. act. (4 . 8 ).
bedingte Allgemeinheit zu gehen
— E inig e bestritten diese R egel,
v r - L . 140 § 2 de V. O. (45. 1 ) .
was aber doch nu r auf ihre u n -
L . 85 § 1 de R. J. (50. 17.).
(8 . l . ) .
scheint, so daß Ausnahmen davon anerkannt werden sollten.
L . 98
§. 69.
Wirkungen der capitis deminutio.
71
soliderer N atu r, und von der capitis deminutio völlig un abhängig ist (b). N u r zwey Rechtösätze sind hier beson ders hervor zu heben. — D ie beiden höheren Arten der capitis deminutio werden oft dem Tode gleichgestellt, und das ist e s , w a s die neueren Juristen a ls bürgerlichen T od ( mors civilis) zu bezeichnen pflegen. Diese G leich stellung gilt nicht nur für die maxima c. d., sondern auch für die media, da wo diese a u f einer S tr a fe beruht (c). M a n benutzte dieselbe unter andern um manchen über(b) D a dieser Punkt von Wich tigkeit, aber keinesweges aner kannt ist, so muß darüber Fol gendes bemerkt werden. Die Con fiscation, als Universalsuccesston des Fiscus in das Vermögen, ist eine positive Ausbildung bestimm ter Criminalstrafen, und nicht die natürliche Folge der capitis de minutio; Erstlich, weil sie über haupt erst seit August mit Sicher heit angenommen werden kann (denn vorher traten ganz andere Folgen sür das Vermögen ein), anstatt daß die capitis deminutio uraltes Recht ist. Zweytens weil sie n u r in Folge gewisser S trafurtheile vorkommt, und z.B. ganz gewiß nicht bey dem civis, der durch E intritt in eine colonia latina die media capitis demi nutio erlitt (§ 68). D rittens weil aus der allgemeinen N atur der in der maxima und media c. d. enthaltenen Veränderung des Rechtszustandes die Succession des Fiscus in das Vermögen ent schieden nicht folgt. Denn der
Deportirte (media c. d.) müßte nach der allgemeinen N atu r seines neuen Zustandes das bisherige Vermögen vielmehr behalten, da er als freyer Peregrine vermö gensfähig ist. Und selbst bey dem servus poenae (maxima c. d.) müßte das Vermögen zwar nicht mehr ihm gehören, da er ganz unfähig zu Vermögensrechten ist; allein es müßte nach allgemeinen Grundsätzen herrenlos werden, da der Fiscus nicht H err dieses Sklaven wird, also auch keinen Successionsanspruch auf dessen Vermögen hat. (c) I. Für die maxima. L. 209 de R. J. (50. 17.). „Servitutem mortalitati ferc comparamus.“ — L. 59 § 2 de condit. (35.1.) „ Servitus morti adsimilatur.“ — L. 5 j)r. de bonis damn. (48. 20 ). — II. Für die media. L. 1 § 8 de B P. contra tab. (37. 4.) „deportatos enim mortuorum loco habendos.“ — L. 4 § 2 de bonis libert. „ deportatus ... mortui loco habe-
72
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
triebenen Folgen der Caducität vorzubeugen, sie w ar aber keinesweges au f diesen Zweck beschränkt (d ), vielmehr galt sie allgemeiner, und namentlich in der Beziehung, daß der D ep ortirte, eben so w ie ein Verstorbener, das Erbrecht entfernterer E ognaten, oder das patronatische Erbrecht seiner Kinder, nicht sollte ausschließen können (N ote c). — Ferner ist der Einfluß der media e. r. quib. modis us. (7. 4 ), das heißt F ragm . Vat. § 61. — H 1 J. de adqu. per arrog. (3. 10.). I n dieser Stelle allein wird auch der Usus aus drücklich genannt. — G ajus 111. §83. P aulus 111. 6. § 29. - L . 16 § 2 C. de usufr. (3. 33 ). § 3 J,
de usufr. (2. 4 ). L . 1 de usu et us. leg. (33. 2 ). (Hier sind die Worte ex magna causa interpolirt). (d) G ajus III. §83 (arrogatio und coemtio). P aulus 111. 6 § 29. (Arrogatio und adoptio; diese letzte gehört zu den in der Note b. angeführten Stellen). (e) L . 16 § 2 C, de usufructu (3. 33 ).
§• 70. Wirkungen der capitis deminutio. (Fortsetzung.) 81
wäre die Fortdauer in der Person des Fructuars natür lich gewesen, und auch bey der Arrogation w ar zu er w arten, daß der Ususfrnctus auf den neuen Vater über* gienge, und ganz in die Lage käme, wie wenn er erst nach der Arrogation erworben worden wäre. — Von dem besonderen Recht der anomalischen persönlichen Servituten (habitatio und operae) wird im § 72 gehandelt werden. III.
Obligationenrecht.
Bey den F o r d e r u n g e n wurde die Wirkung der ca pitis deminutio meist nicht sichtbar, indem dieselben bey der Arrogation auf den neuen Vater übergiengen, bey der Emancipation aber für den Sohn vorher gar nicht vor handen seyn konnten. Dennoch gab es einige Fälle, worin die Forderungen des Arrogirten weder auf den Vater übergiengen, noch bey ihm selbst fortdauerten, sondern durch die bloße capitis deminutio zerstört wurden. Dahin gehörte die von einem freygelassenen Sklaven eidlich über nommene operarnm obligatio, die überall nur mit dem ge genwärtigen, fortdauernden Patronat verbunden seyn konnte ( t) , hier also mit dem P atronat selbst (§ 69) un tergehen mußte (g). Ferner wahrscheinlich die neue F or derung, die aus der Litiscontestation entstanden w ar, wenn der Arrogirte vor der Arrogation in einem legitimum Ju dicium eine Klage angestellt hatte (IV). — Eben so ge hörte dahin ein anomalischer Fall bey der Emancipation. (f) L. 56 pr. de fidej. (46.1.). L. 7 pr. de op. liiert. (3 8 .1 ). (g) G ajus 111. § 83, — § 1 3. de ii.
adqu. per arrog. (3.10.).
(h) G ajus III. § 83, die Stelle ist lückenhaft. — Die Erklärung, 6
82
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
H atte der S o h n w ährend der väterlichen G ew alt eine Adstipulation geschlossen, so wurde das Klagrecht hieraus nicht dem V a te r, sondern dem S o h n selbst erw orben, je doch so , daß es einstweilen ruhte, und erst m it des V a ters T od wirksam w urde; endigte aber die väterliche G e w a lt durch Em ancipation, so gieng jenes Klagrecht durch die capitis deminutio ganz unter (i). Bey dsn S c h u ld e n dagegen tritt die eigenthümliche Einwirkung der capitis deminutio wieder sehr scharf her v o r, indem durch jede minima c. d. nach dem älteren Recht die Schulden ganz nntergiengen (k). D a nun der S o h n in väterlicher G ew alt sich eben so vollgültig ver pflichten kann, als der U nabhängige (§ 6 7), so hätte m an erw arten mögen, daß auch die capitis deminutio daran Nichts ändern w ürde, so daß also hier ihre zerstörende K ra ft a ls etw as ganz Selbständiges erscheint (1). D er A rrogirte also wird frey von seinen S chulden, ohne daß dieselben au f den V ater übergehen, und eben so wird der E m ancipirte frey, obgleich er vor der E m ancipation nicht blos verpflichtet w a r , sondern auch verklagt werden konnte (§ 6 7 ). die H u s c h te Studien I. 277 von der Sache giebt, scheint mir nicht gehörig begründet. (i) G ajus 111. § 114. V gl oben §.67 N ote 6 und 1, auch § 71. h. (k) GajusIV. § 38, lt. 111. §84,
diese letzte Stelle mit der ganz vortrefflichen Restitution ton G ö-
schen.
(1) D onei.lus XXI. 5 §22, und eben so G lück SB. 6 S . 26 halt die imaginaria servilis causa bey der Emancipation für den einzi gen Grund des Untergangs und läugnet diesen daher bey der Arrogation; durch die S telle des G a jus (N o te k ) wird diese M ey nung unmittelbar widerlegt.
§. 70.
Wirkungen der
capitis deminutio.
(Fortsetzung.) 8 3
Dieser wichtige Satz aber ist noch näher zu bestimmen und durch mehrere Ausnahmen zu beschränken. Zuerst be zieht sich dieser Untergang nur ans das C i v i l e in der Obligation, auf ihre Klagbarkeit; als naturalis obligatio dauert sie fort (»>). — Aber auch gegen den Untergang der civilis obligatio schützte der P rätor durch R e s t i t u ti on der verlornen Klage (n). Durch diese Restitution konnte also gegen den Arrogirten und den Emancipirten aus früheren Verträgen geklagt werden, w as außerdem gar nicht möglich gewesen w äre; sie w ar unbedingt ver sprochen, weil sie nur gegen eine aus der buchstäblichen Strenge des alten Civilrechts hervorgehende Härte Schutz geben sollte. Daneben wird aber auch noch eine andere mögliche Restitution erwähnt, wenn nämlich der Vertrag nach der capitis deminutio geschlossen wurde (o). Diese hat etwas Räthselhaftes, weil ja der Arrogirte und der Emancipirte ohnehin wirksame Verträge schließen können. Auch wird ausdrücklich hinzugefügt, diese Restitution komme (m) L. 2 § 2 de cap. min.
(4. 5.) s. u. N ote o. (n) L .2 § 1 . L. 7 § 2. 3 de cap. min. (4. 5 ). L. 2 de in int. rest. (4. 1.). — G ajus III, § 84.
IV. § 38. — Daß es eine wahre Restitution war, sagen ausdrück lich die hier angeführten Stellen, so wie P aulus I. 7 § 2; aber es war eine anomalische, sehr ver schieden z. B . von der bey M in derjährigen, s. u. Note w und x. (o) L. 2 § 2 de cap. min. (4.
5.). „Hi, qui capite minuuntur, ex bis causis quae capitis deminutionem praecesserunt, manent obligati naturaliter: ceterum si postea, imputare quis sibi debebit, cur contraxerit, quantum ad verba hujus Edicti pertinet. Sed interdum , si contrahatur cum bis post capitis deminutionem, danda est actio. Et quidem, si ajjrogatus sit, nullus la b o r: nam perinde obli-
gabitur ut filiusfamilias.”
84
Buch II. Rechtsverhältnisse. K ap. IT. Personen.
nur zuweilen vor (intenlum), und namentlich bey dem A rrogirten sey sie nie nöthig, weil dieser ohnehin, gleich jedem anderen filiusfamilias, durch seine V erträge klagbar verpflichtet werde (p ); dasselbe gilt aber gewiß auch von dem Emancipirten. D er seltene F a ll, der in jener S telle nur angedeutet wird, muß bezogen werden au f einen w äh rend der mancipii causa geschlossenen V ertrag, also w äh rend eines Zustandes, der in der späteren Zeit freylich nur noch als ein Übergangszustand vorkam. Durch einen solchen V ertrag wurde freylich der gewesene S o h n civilster nicht verpflichtet (§ 67), aber der andere Contrahent hatte sich den Schaden selbst zuzuschreiben, weil er sich um den gegenwärtigen Rechtszustand seines S chuldners erkundigen konnte: da jedoch zuweilen (intenlum) eine schuldlose Un wissenheit hierin vorkommen konnte, so sollte dann R estitution eintreten (q). (p ) S . die vorige Note. — Bey der A rrogation galt auch noch eine andere K lage, die actio de peculio gegen den V ater. L. 42 de peculio (15. 1.). V on dieser ist aber hier nicht die Rede, son dern von der Klage gegen den A rrogirten selbst. (q) N im m t man a n , daß der alte Zurist diesen Fall geradezu ausdrückte, und daß die Compilatoren die Erw ähnung des ver alteten Rechtsinstituts wegstri chen, so erklärt sich die D unkel heit der S telle ganz ungezwun gen. — C ujacius obs. VII. 11 bezieht die S telle au f den D er-
trag mit einer Ehefrau in manu, die sich gar nicht obligiren könne, und wobey der Contrahent, der von der manus Nichts wisse, re. stituirt werd « solle. Er nim m t also a n , eine filiafamilias könne überhaupt nach altem Recht nicht obligirt werden, w eil die auctoritas tntoris unmöglich war. Diese M eynung ist widerlegt in der B e y lage V., und dam it fällt auch die eben erwähnte Erklärung unsrer S telle. — D ie ganze S te lle hat von jeher viel zu leiden gehabt, sowohl durch unbefriedigende A u s legung, als durch grundloseAnnahme von Interpolationen. S elb st
§. 70. Wirkungen der
capitis deminutio.
(Fortsetzung.) 85
E s gab jedoch auch einige ausgenommene F älle, in welchen selbst nach altem Recht die Schulden nicht untergiengeu, so daß bey ihnen die Restitution nicht nöthig w ar. D ahin gehörten erstlich die Schulden au s Delik ten ( r ) , die ja auch bey Sklaven klagbare O bligationen bewirkten (§ 65). Zweytens die Schuld aus einem D e positum , wenn der Schuldner auch nach der ca p itis d e m in u tio im Besitz der S ache blieb (s). D rittens die S ch u l den aus einer von dem A rrogirten vor der A rrogation erworbenen Erbschaft; denn nun gieng das Erbrecht selbst au f den A doptivvater über, also auch ip so ju r e die darin enthaltenen Erbschaftsschulden (t). H ierau f aber beschrän ken sich die sicheren Ausnahmen. Z w ar wird auch noch in vielen anderen Fällen erw äh n t, daß nach der ca p itis d em in u tio Schuldklagen fortd auern, theils ohne nähere Bestim m ung, theils mit dem Zusatz, daß dagegen der E m ancipirte die ex c e p tio S c. M a c e d o n ia n i, oder d as so genannte b en e ficiu m co m p e te n tia e haben solle ( u ) ; allein (s) L. 21 pr. depos. (16. 3 ). die W orte nullus labor („bey dem Arrogirten entsteht k ein e D er Zusammenhang dieser Aus S c h w i e r i g k e i t " ) möchten der nahme kann erst unten § 74 klar Sprache des Lllpian nicht unan gemacht werden, s. besonders § 74 gemessen seyn. Vgl. auch P li- Note q. r. hist. nat. XXVI. 72, „Phreneticos somnus sanat .. E di verse lethargicos excitare la bor est, hoc praestante ... peucedani sueco." (r) L. 2 § 3 de cap. min. (4. 5.). „Nemo delictis exuitur, quamvis capite minutus sit.”
nius
(t) Gajus III. §84,f.o 9?otek.
(u) L. 2 pr. L A § 1. L.hpr* L. 7 quod cum eo (14. 5.). L . 9 C. eod. (4. 26 ). L. 3 § 4 de minor. (4. 4.). L . 1 § 2 de Sc. Mac. (14.6.). L. 58 § 2 pro soc.
(17. 2.). Bergt, über diese letzte Stelle §,74 c.
86
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
in diesen zahlreichen S tellen ist stets schon die prätorische R estitution m it hinzu zu denken, die ja ohnehin allgemein und unbedingt ertheilt wurde. W ie stellt sich nun aber diese ganze Lehre im Ju s ti nianischen Recht?
Praktische Bedeutung hatte sie ja schon
längst nicht mehr wegen der prätorischen Restitution. Z w a r könnte man einwenden, daß ja in anderen F ä lle n , z. B . bey M in d e rjä h rig e n , ein großer Unterschied sey zwischen der G ültigkeit (oder U ngültigkeit) eines Rechtsverhältnisses an sich selbst, oder verm ittelst einer Restitution.
A llein
die W ichtigkeit diesses Unterschieds lag in zwey Umständen: erstlich behielt
sich gewöhnlich
der P rä to r
ein H andeln
nach freyer E rw ä g u ng der Umstände vo r (v ); zweytcns w a r gewöhnlich die R estitution an eine kurze V e rjä h ru n g gebunden.
Beides w a r hier anders.
D enn die S chuld
klage gegen den capite deminutus w a r unbedingt, ohne V orbehalt individueller Untersuchung, versprochen (w ); und diese zugesagte Klage w a r den (x ). —
an keine V e rjä h ru n g gebun
Justinian also fand bereits die alte Rechts
regel von dem Untergang der Schulden durch die minima c. d., entblöst von aller praktischen Bedeutung v o r, und dieser Zustand der Sache w urde in seiner Gesetzgebung so wenig verkannt, daß in derselben jene Regel merkwürdiger (v) L . 1 § 1 de minoribus (4. den sonst vorkommenden Zusatz: 4.). . uti quaeque res erit> causa cognita. animadvertam.” (w) L. 2 § 1 de cap. min. (4. (x) 1 .2 § 5 eod. „ Hoc ju5.). judicium dabo” ohne dicium perpetmm est” etc.
§. 70, W irkungen der capitis deminutio. (Fortsetzung.)
87
Weise gar nicht ausgedrückt ist, so daß wir ihr Daseyn unmittelbar und positiv erst aus G ajus nachweisen können. Freylich schließen konnten wir dasselbe stets aus dem stinianischen Recht, ja cs w ar nicht consequent, die Resti tution aufzunehmen, und die alte Rechtsregel, wodurch allein die Restitution zum Bedürfniß wurde, mit S till schweigen zu übergehen; allein cs war dieses dasselbe Ver fahren, wie in so mancher anderen Lehre, indem man von dem formellen In h a lt des früheren Rechts so wenig als möglich untergehen lassen wollte. M an w ar zufrieden, daß die in dem Titel de capite minutis aufgenommenen Stellen der alten Juristen, ihrem letzten praktischen Re sultat nach, noch immer für wahr gelten konnten (w as allerdings der Fall ist), wenngleich sie in den Zusammen hang des übrigen Rechts, so wie sie ausgedrückt waren, eigentlich nicht mehr paßten. Eine ganz andere Einwirkung auf die Schulden hatte die maxima und media c. d. Hier wurde der vorige Schuldner für immer frey, dagegen gieng die Schuld nicht unter, sondern sie fiel, wie durch Vererbung, auf denjenigen, welcher das Vermögen bekam, welches ge wöhnlich der Fiscus war. W urde später der Verurtheilte begnadigt, und in die Civität wieder eingesetzt, so galt dennoch keine Restitution für die alten Schuldklagen (y). (y) L. 2 pr. L. 7 § 2. 3 de duobus reis (45. 2 ). Dergl. zu cup. min. (4. 5.). — L. 30 de dieser letzten Stelle die notae in 0. et A. (44. 7 ). — L. 47 pr. Dig. von S chulung. de Jidejuss. (46. 1.). L. 19 de
88
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
N u r wenn er neben der Begnadigung sein Vermögen zu rück bekam, so lebten auch die früheren Schuldklagen w ie der a u f, und zwar unm ittelbar, ohne die prätorische R e stitutionsklage (z). IV. E r b r e c h t. E in T e s t a m e n t wird irritmn, wenn der Testator entweder eine A rrogation, oder eine maxima oder media c. d. erleidet (aa). D agegen wenn ein S o h n in väterli cher G ew alt über sein castrensc peculium testirt, so wird durch Em ancipation das Testament nicht ungültig (bb). M a n kann also nicht allgemein und unbedingt sagen, daß jede capitis deminutio des T estators das Testam ent ver nichte. D ie J n t e s t a t e r b f o l g e wird durch die minima c. d. zerstört, in so fern sie a u f den zw ölf T afeln beruhte, da gegen nicht wenn sic a u s neueren Gesetzen abgeleitet w ar (ec). W en» also von zwey Agnaten der eine eine solche capitis deminutio erlitt, so konnte Keiner den A n deren beerben; eben so hatte der Patron sein Erbrecht verloren, wenn entweder er selbst, oder der Freygelassene, (z) L. 2. 3 de sent. pussis (48. 23.). L. 4 C. end. (9. 51.). (aa) U lpian . XXIII. § 1. G a jus II. § 145. — § 4 J. quid. mod. fest. (2. 17.). 2 . 6 § 5 — 12 de itijusto (28. 3 ). — So nach dem strengen Civilrecht. Der Prätor erhielt das Testament aufrecht, wenn nur vor dem Tod der frü here Zustand wieder .hergestellt
war. U lpian. XXIII. § G. (bb) L.6 § 13 de injusto (28. 3 ). L. 1 § 8 de B. 1\ sec. tab. (37. 11.). (cc) U lpian. XXVII. § 5. — L. 1 § 8 ad Sc. Tert. (38. 17.). L. 11 de suis (38. 16.). L. 1 hu de legit. (38. 7 ). L. 7 pr. de cap. min. (4. 5.). §2 J. de Sc. Qrphit. (3. 4.).
§. 70. Wirkungen der capitis deminutio. (Fortsetzung.) 89
von einer capitis deminutio betroffen wurde (dd). D a g e gen hörte die au s den Senatusconsnlten herstammende wechselseitige hereditas zwischen der M utter und ihren Kindern nicht a u f, wenngleich die M utter oder das Kind eine minima c. d. erlitten hatte. Noch w eit inehr aber w ar die prätorische Erbfolge davon unabhängig, natürlich mit Ausnahm e der B. P. unde legitimi, so w eit dieselbe au f den zw ölf T afeln beruhte. — D ie Aufhebung jenes älteren Jntestaterbrechts w ar die nothwendige F olge der schon oben dargestellten R egel, nach welcher die Agnation selbst, und das P atronat selbst, a ls die Bedingungen des Erbrechts au s den zw ölf T afeln , durch jede minima c. d. zerstört wurden. Fassen w ir dasjenige, w a s hier über die eigenthüm li chen W irkungen der minima c. d. a ls solcher gesagt w or den ist, kurz zusammen, so ergicbt es sich, daß folgende a ls . die entschiedensten und wichtigsten zu betrachten sind: Aufhebung der Agitation, des P a tro n a ts, der persönlichen S erv itu ten , und der Schulden. (dd) Speciell von diesem Fall reden U lpjan. XXVII. 5. Gajus III. § 51. — V gl. auch L. 2 § 2
L. 23 pr. de hon. Ul. (38. 2.). L. 3 H 4 .5 deadsign. Hb. (38.1.).
90
'
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
§- 7 1 . Anomalische Rechte in Beziehung a u f Rechtsfähigkeit und c a p i t i s d e m i n u t i o . W ir finden eine nicht geringe Z a h l von Rechten, a u f welche die hier festgestellten Regeln über Rechtsfähigkeit und capitis deminutio mehr find.
oder weniger unanwendbar
D e r G rund dieser Unanwendbarkeit liegt d a rin , daß
jene Rechte, obgleich ih re r Form nach m it anderen Rech ten gleichartig, dennoch mehr den natürlichen,
oder den
politischen Menschen, a ls den juristischen (den T rä g e r der Privat-R echtsverhältnisse) angehen, so daß durch sie irgend E tw a s bewirkt werden soll, das durch die so eben darge stellte Rcchtsunfähigkeit nicht berührt w ird .
Diese A no
m alien kommen am häufigsten und vollständigsten vo r in nerhalb des Vermögensrechts: ferner so, daß dadurch ein Klagerecht möglich
w ir d ,
w o es nach den aufgestellten
Regeln nicht erw artet werden möchte: endlich in Bezie hung a u f den filiusfamilias und die minima capitis demi nutio; jedoch find sie a u f diese Gränzen keinesweges völlig eingeschränkt. — Dabey muß v o r Allem gegen das mögliche M isverständniß gew arnt w erden, a ls ständen alle hierher gehörenden Fälle a u f gleicher Linie,
etwa so, daß nun
in jedem derselben gar keine Gränze der Rechtsfähigkeit anzuerkennen wäre.
V ielm ehr w ird hier lediglich eine ge
meinschaftliche, leitende Rücksicht angegeben, wodurch bey
§. 71. Anomalische Rechte. ANgemeine Natur.
91
den einzelnen Rechten dieser Art (je nach ihrem individu ellen Bedürfniß) bald mehr, bald weniger Abweichung von der Regel der Rechtsfähigkeit bewirkt wird. W ir müssen uns also hüten, hierin zu viel zu generalisiren, und wir dürfen als das Gemeinsame der angedeuteten Institute nur dieses anerkennen, daß sie eine w e n ig e r ju ristisc h e N a tu r als die gewöhnlichen Rechtsinstitute haben. Diese Eigenthümlichkeit wird von einem Römischen Juristen in einem hierher gehörenden besonderen Fall sehr treffend so ausgedrückt: in facto potius quam in jure consistit (a).
Bey Fällen dieser Art erscheinen zugleich noch folgende Eigenthümlichkeiten, welche an sich auf die Rechtsfähigkeit keine unmittelbare Beziehung haben: 1) Bey allen diesen Fällen (vielleicht mit einer einzi gen Ausnahme) findet sich die U n v e re rb lic h k eit. Nur eigentliche Rechte, und zwar Vermögensrechte, sind G e genstand der Vererbung. S tirb t daher der Träger eines Verhältnisses von dieser anomalischen N atur, so wird das Verhältniß selbst, welches sich auf ihn allein (als In d i viduum) bezog, untergehen müssen. — Ganz unrichtig aber würde es seyn, diesen Satz umzukehren, und in allen unvererblichen Verhältnissen die hier zur Sprache gebrachte nichtjuristische N atur anzunehmen. Die väterliche Ge w alt, der Ususfructus, der juristische Besitz, sind unver erblich, aber sie sind dennoch wahre, eigentliche Rechts(a) L. 10 de cap, min. (1.5 ).
92
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
Verhältnisse, und daher ganz der gewöhnlichen Regel der Rechtsfähigkeit unterw orfen. 2) Nicht bey allen, wohl aber bey mehreren nnd wich tigen Fällen dieser A rt findet sich eine actio in bonum et aequum concepta, umgekehrt ab er, wo ssch eine solche findet, da ist auch stets jene Anom alie, und namentlich die ausgeschlossene Einwirkung der capitis deminutio, a n zunehmen (§ 72 y). Dieser Punkt bedarf jedoch einer ge nauen E rörterung. — Von jeher haben die Meisten hierin nichts Anderes gesehen, als eine Klage, die au f den freyen Regeln der aequitas, also au f dem jus gentium beruhe, nicht au f den strengen Regeln des Römischen jus civile. Auch hat an ssch der Ausdruck bonum et aequum keine andere B edeutung, und wenn daher nur von dem E n t s t e h u n g s g r u n d eines K lagerechts die Rede ist, so d arf in der T h a t an nichts Anderes gedacht werden. S o z. B . wird von den Condictionen gesagt: ex born» et aequo habet repetitionem, und: ex bono et aequo introducta (b), und Niemand wird bezweifeln, daß die Condictionen reine Vermögensrechte sind, vererblich, allen Beschränkungen der Rechtsfähigkeit unterw orfen, also ohne allen Zusammen hang mit der hier abgehandelten Anomalie. Anders aber verhält es ssch mit dem E r f o l g einer K lage, insbesondere wenn von dem mehr oder weniger freyen Ermessen des Richters in Beziehung au f den Gegenstand und Umfang (b) L. 65 § 4. L. 66 de cond. indeb. (12. 6 ).
§. 71. Anomal,'sche Rechte. Allgemeine Natur.
93
des U rtheils die Rede ist. H ierin kennt der ältere R ö mische Prozeß drey S tu fe n : a) Stricti Juris Judicium, Wen» dasselbe au f cevta pecunia gerichtet w ar. D er P r ä to r bestimmte in der F o r mel eine feste Geldsumme, und der In d e r hatte nur die W ahl, entweder au f diese bestimmte Sum m e zu verurtheilen , oder gänzlich loszusprechen. M ehren oder mindern durfte er die S um m e nicht. b) Bonae fidei und arbitraria judieia. H ier w ar die Sum m e der Bcrnrtheilung nicht durch die Form el vorge schrieben, sondern dem Ermessen des Richters überlassen, und diese Freyheit wird gleichfasts a ls ein bonum et aequum bezeichnet (c). Von einer andern S eite aber w ar allerdings die W illkühr des R ichters gebunden, nämlich durch die nothwendige Rückstcht au f das Interesse des K lä gers, dessen w ahrer B etrag stets durch die bekannten V er hältnisse des Verkehrs erm ittelt werden kann. Ind em also hier das Urtheil zw ar nicht durch den P rä to r, aber durch den Gegenstand bestimmt w a r , konnte man wohl anneh m en, daß bey solchen K lagen zwey gleich sachkundige Richter stets ans dieselbe S um m e sprechen würden. . Auch hier ist die Abhängigkeit von väterlicher G ew alt N ote i. — Wahrscheinlich war je doch die Alim entenklage überhaupt (gg) L . 5 § 2. 7. 10 de agynosc. kein ordinarium Judicium, son ( 2 5 . 3 ). E s fyeijjt hier, mit wenig dern eine cxtraordinaria cogniabweichendem Ausdruck, ex ae- tio vor dem magistratus. Z eit quitate haec res dcsccndit. Das schrift für geschichtl. Rechtswiff. freye Ermessen ist hier sehr ähnlich B . 6. S . 238. (lih ) L . 5 § 12 de agnosc. dem in der funeraria actio, welche jedoch n ich t in bonum et ae~ (25. 3 ). (ii) L .1 9 de riiu nupt. (23.2 ). qiuim concepta war. V gl. § 71
(ff) L . 5 § 1 de ag-unsren dis (25. 3 ).
120
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II Personen.
kein Hinderniß des K lagrechts, da sie sogar die Bedingung desselben ausmacht. Übrigens fällt dieses Recht seinem W esen nach m it dem vorhergehenden zusammen, da die D o tatio n eigentlich n ur eine andere Form ist, in welcher der V ater seiner Tochter die Alimente darreicht. Bey die sem Recht nun ist es ganz gew iß, (w as bey der Alimentenforderung als Verm uthung aufgestellt worden ist), daß es extra ordinem durch die Obrigkeit geltend gemacht w urde, nicht durch eine gewöhnliche Klage.
§. 73. Anomalische Rechte. Vindicta.
§.
121
73.
An omal i s c he Recht e i n B e z i e h u n g a u f R e c h t s f ä h i g k e i t und c a p i t i s deminutio. (Fortsetzung.)
II.
K l a g r e c h t e , d e r e n Zweck a u f V i n d i c t a g e h t (*).
D ie K lagrechte, welche a ls eigenthümliche W irkungen von Rechtsverletzungen entstehen (quae poenae causa dantur) kommen in verschiedenen Abstufungen vor. Einige sollen blos die Verletzung selbst ausgleichen, wie die doli actio, die sich a u f die Entschädigung des Betrogenen be schränkt. Andere sollen dem Verletzten eine Bereicherung (poena) verschaffen, und zw ar bald nur diese (w ie die furti actio), bald die poena noch neben der Entschädigung (wie die vi bonorum raptorum actio). Eine dritte Klaffe endlich geht zw ar zunächst auch au f ein Verm ögensrecht, aber dieses ist nicht, wie bey den ersten K lassen, der Zweck, sondern nur ein M itte l: der w ahre Zweck ist vin dicta. Unter dieser ist jedoch nicht D a s zu verstehen, w as w ir im gewöhnlichen Leben Rache nennen, Befriedigung unsres G efühls durch das W ehe des Andern, sondern viel(*) I n den Rechtsquellen heißt es von einer solchen K lage: ad
2 ). D ie N eueren sagen: actiones quae vindictam Spirant.
ultioncm pertinet, in sola vin dicta constitutum est, vindictam continet. L. 6. 10 de se-
V ergl. hierüber B u r c h a r d i G rundzüge des Nechtssystems der R öm er S . 2 3 1 , der m it Unrecht die Zusammenstellung dieser K la gen verwirft.
pulchro viol. (47. 1 2 .), L. 20 § 5 de adqu. vel om. her. (29.
1 22
Buch II. Rechtsverhitltmffe. Kap. II. Personen.
mehr die Ausgleichung der in unsrer Person gestörten R echtsordnung, wobey also der Einzelne den B eru f a u s ü b t, der von S eiten des S ta a ts durch d as ganze Criminalrecht geübt wird. Auch diesen Rechten sind manche Abweichungen von der Regel der Rechtsfähigkeit und der capitis deminutio eigen, und auch bey ihnen hat dieses seinen G rund d arin , daß sie sich a u f den natürlichen, nicht au f den juristischen Menschen (den V erm ögensinha ber) beziehen; denn sie sind unm ittelbar ans ein sittliches Bedürfniß gegründet, so wie die Rechte der ersten Klasse au f das Bedürfniß der Lebenserhaltung gegründet waren. D ah in gehören folgende Fälle. A.
A c t i o i n j u r i a rum.
W enn ein filiusfamilias beleidigt w ird , so liegen in dieser einen H andlung zwey ganz verschiedene In ju rie n : gegen den V a te r, weil der S o h n unter seinem Schutze steht, und gegen den S o h n selbst. A us jeder derselben entsteht eine eigene In ju rien k lag e, in der Regel au f Geld gerichtet: die au s der In ju rie gegen den S o h n selbst ist e s , die hierher gehört. Auch sie stellt in der Regel der V ater a n , weil er überhaupt durch den S o h n Klagen aller A rt erwerben kann: auch kann ihn der W iderspruch des S o h n es daran nicht hindern (a). Ausnahmsweise aber kann auch der S o h n selbst, in eigenem N am en, mit E r laubniß des P rä to rs klagen, wenn der V ater abwesend (a) L. 1 § 5. L. 41 de injur. (47. 10.). L. 30 pr. de paclis
(2. 14 ). L. 39 § 3. 4 de pror, (3. 3.).
§. 73. Anomalische Rechte. Vi'ndi'cta.
123
oder sonst verhindert, und nicht dnrch einen P ro k u rato r vertreten ist: ja selbst gegen des V aters W illen , wenn dessen Nichtswürdigkeit einen gänzlichen M angel an E h r gefühl annehmen läßt(>,). W ird der S o h n em ancipirt, so geht d as Klagrecht unbedingt au f ihn über, so daß also die capitis deminutio dasselbe nicht zerstört ( de- keine reine Popularklage ist. L L . fensionem ut procurator prae- citt. und L . 45 § 1 de proc. stare cogendus non cst. ” — (3. 3 ).
(dd) Gerade so kann auch der W eil er gleichsam ein Procurator ist, kann er nicht wieder einen filiusfamilias im Criminalprozeß Procurator bestellen (L. 5 depop. Ankläger seyn. Keinesweges wol act. L. 42 pr. de proc.); eben len das L. 6 § 2 L.31 ad L. Jul. deswegen sind zu diesen Klagen de adult. (48. 5.) auf den Ehe unfähig Diejenigen, welche über bruch beschränken. (ce) L .l § 1 de pop. act. (47, haupt nicht Prokuratoren seyn
§. 73. Anomalische Rechte. Mndi'cta.
133
das dadurch erzwungene Eigenthum der Geldstrafe, er wirbt der klagende filiusfamilias allerdings wieder dem Vater. — In bonum et aequum conceptae stnd übrigens die reinen Popularklagen nicht, vielmehr gehen sie auf allgemein bestimmte Geldsummen, welches der gleichmäßi gen Befugniß Aller zu ihrer Anstellung angemessen ist. Eine ähnliche N atur, wie die populäres actiones, ha ben auch die Interdicta publica oder popularia(ff), und eben so auch die operis novi nunciatio , welche publici juris tuendi gratia geschieht (gg); nur mit dem Unter schied, daß diese Rechtsmittel nicht auf Zahlung von Geldstrafen gerichtet sind. I n der unbeschränkten Befug niß zu ihrem Gebrauch, unabhängig von den gewöhnli chen Regeln über die Rechtsfähigkeit, kommen alle diese Rechtsmittel mit einander überein. 23.). L.1Z pr. de V. S. (50.16.). L. 32 pr. ad L. Fa,lc. (35. 2 ). L. 56 § 3 de fidejuss. (46. 1.). (ff) L. 1 pr. L. 2 § 1 de interd. (43.1.), L. 2 § 34 ne quid
in loco (43. 8.), L. 1 § 9 ne quid in flutn. (43. 13 ). (gg) L. 1 § 16. 17, L. 4, L. 5 pr. de op. novi nunc. (39. !♦)•
134
Buch II. Rechtsverhältnisse- Kap. II. Personen.
§. 74.
Anomalische Rechte in B e z i e hu ng a u f Rechtsfähigkeit und c api t is deminutio. (Fortsetzung)
III. Eine d r itte K la sse solcher anomalischen Rechte bilden folgende Verhältnisse, welche an sich b lo s f a k ti scher N a tu r sind, und nur durch enge Verbindung mit eigentlichen Rechten an der juristischen N atur derselben Theil nehmen. A. S o c ie tä t. S ie besteht in einer fortgehenden faktischen Verbindung zu gemeinsamen Unternehmungen, wobey die Rücksicht auf die Eigenschaften des natürlichen Menschen (seine Redlich keit und Geschicklichkeit) vorherrschend ist. Sie selbst also ist, ihrem allgemeinen Daseyn nach, verschieden von den daraus entstehenden Obligationen, die durch die actio pro socio verfolgt werden. Wenn daher ein liliusfamilias eine Societät eingeht, so bleibt diese unverändert dieselbe auch nach der Eman cipation, und eben so wird umgekehrt Pie Societät durch die Arrogation weder aufgelöst, noch auf den neuen V a ter übertragen (a). Es hat also auf dieselbe die minima capitis deminutio gar keinen Einfluß, und nur durch die maxima und media, in welchen ein bürgerlicher Tod liegt (§ 6 9 ), wird sie stets aufgelöst (b). W as aber die actio (a) L . 58 § socio (17. 2.).
2.
L.
65 § 11 p ro
(b) L . 63 § 10 pro socio (17. 2.). Gajus III. § 153. Wenn da-
§. 74. Anomalische Rechte. Faktische Natur. Familie.
135
pro socio betrifft, so folgt diese de» gewöhnlichen Regeln.
Nach der Em ancipation also kann dam it gegen den V ater geklagt werden nur aus früheren H andlangen des S o h n e s , und nur de peculio: gegen den S o h n sowohl au s früheren, als au s späteren Geschäften (c). D a s Recht au f den activen Gebrauch der K lage h at au s den frühe ren Geschäften ausschließend der V a te r, selbst nach der E m ancipation, weil ihm die K lage schon früher u nabän derlich erworben w a r: au s den späteren der S o h n . Auch ein S klave kann in der S ocietät stehen: er selbst w ird dadurch nicht verpflichtet, aber die actio pro socio geht wegen seiner H andlungen gegen den H errn a ls actio de peculio oder quod jussu (d ) : ohne Zweifel auch gegen jeden D ritte n , der den Sklaven a ls Instrum ent zur S o cietät gebraucht, und der nun selbst als durch ihn han delnd anzusehen ist. W ird der S klave veräußert, so hört jedoch die bisherige S o cietät au f und das w as äußerlich und cd. K ob erger 1482, H and schriften müßten darüber entschei den. Für richtig jedoch hatte ich so ist hier die Unbestimmtheit des diese Leseart nicht, sondern die Ausdrucks nicht als Allgemeinheit Florentinische, weil durch die be anzusehen, sondern einschränkend stimmte Bezeichnung maxima die hinzu zu denken: maxima vel mc- media ausgeschlossen w äre, ganz dia. H a l o a n d e r liest: maxima gegen die angeführten Zeugnisse. (c ) L 58 § 2 pro socio (17. capitis deminutione, nim m t also jenen Gedanken theilweise in den 2 ) . B ey der K lage gegen den T ext a u f, weshalb er von A u S o h n aus früheren Geschäften muß natürlich die R estitution hin gustin . einend. 111. 6 getadelt wird. Indessen möchte es wohl zugedacht werden. V g l. § 70 u. (d ) L. 18. L. 58 § 3. L . 63 die wahre V u lgata seyn, w enig stens lesen so ed. Jenson s, a. § 2. L. 84 pro socio (17. 2 ) . her L. 4 § 1 cod. sagt: „Disso-
ciamur rcnuntiatione, morto, capitis minutione, ct egcstate,”
136
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
a ls Fortsetzung erscheint, kann doch nur a ls eine neue S o c ie tä t angesehen werden (e). A us dieser strengen Unterscheidnng der S o c ie tä t selbst, von den d arau s entspringenden O bligationen, ist es denn auch allein zu erklären, w arum jene unvererblich ist, an statt daß diese, so wie alle andere O bligationen forterben. B. M a n d a t und n e g o tio r u m g e s t i o . D a s M an d at hat m it der S o cietät eine ganz ähnliche N a tu r, denn auch bey ihm ist zu unterscheiden das fakti sche, unvererbliche, au f die Eigenschaften des natürlichen Menschen großentheils gerichtete V erhältniß des A uftrags selbst, und die d arau s entstehende O bligation, welche durch die mandati aclio verfolgt w ird , und in ihrer Beschaffen heit von jeder andern O bligation gar nicht verschieden ist. D ie negotiorum gestio hat hierin gleiche N atu r mit dem M an d at. H ierau s folgt, daß der S o h n ein w ahres M an d at von feinem V ater erhalten kann (f), obgleich O bligationen mit civiler Gültigkeit unter ihnen nicht möglich sind (§ 67). H a t ein filiusfamilias von einem Fremden ein M a n d a t er halten, und wird dann em ancipirt, so dauert das vorige M a n d a t unverändert fo rt, so daß also die capitis demi nutio keinen Einfluß aus daffelbe hat (g). G eht der Auf trag eines Fremden d arauf, daß der filiusfamilias für ihn eine Adstipnlation schließe, so erw irbt die K lage d arau s (e) L 58 §3 pro socio (17.2.). (f) L. 8 pr, in s . L, 35 pr.
de proc. (3. 3 ), s. o. § 71. (g) L, 61 mandati (17. 1,).
§. 74. Anvmalische Rechte. Faktische Natur. Familie. 137
nicht der V ater, weil auf dessen Person dabey nicht ge rechnet w ar; auch in der Person des Sohnes ruht einst weilen die Klage aus der Adstipulation, weil sonst das eingeklagte Geld dem Vater erworben werden würde; sie kann daher erst geltend gemacht werden, wenn der S oh n aus der väterlichen G ew alt ausgetreten ist, und zwar ohne capitis deminutio, weil durch diese die S tip n lationsklage ganz untergehen würde (b). Auch ein Sklave kann gegen Jeden im Verhältniß ei nes M andats oder einer negotiorum gestio stehen, und dieses Verhältniß nach der Manumission unverändert fort setzen. Allein eine Klage daraus gieng gegen ihn nur wegen der nach der Freylassung vorgenommenen Hand lungen, nicht wegen der früheren, weil die contractlichen Handlungen eines Sklaven überhaupt keine Klagen erzeu gen (§ 65): eine Ausnahme dieser Einschränkung gilt für den F all, wenn die frühere Geschäftsführung mit der spä teren unzertrennlich zusammenhängt, indem nun die Klage die früheren und späteren Handlungen zugleich umfaßt (i). C.
Actio depositi.
Ulpian sagt, ein filiusfamilias könne nicht selten im Namen des abwesenden Vaters klagen, a ls dessen prä sumtiver Prokurator, jedoch immer nur mit besonderer Erlaubniß der P rätors: beyspielsweise nennt er a ls solche (h) G ajus III. § 114. S. o. 5.). S. o. § 65 und Beylage IV. 8 67 1 und § 70 i. Note n. (i) L. 17 de negot. gestis (3.
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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. ii. Personen.
Klagen (nicht um andere damit auszuschließen) die aus Diebstahl, Beschädigung, M andat, Darlehen, und auch die actio depositi (k). Dagegen zählt Paulus einige we nige Klagen auf, die ein Sohn ausnahmsweise in e ig e nem N a m e n anstellen könne, also unabhängig von des Vaters Willen oder Abwesenheit, und eben so von einer Erlaubniß des P rä to rs, unter diesen Ausnahmen nennt er die actio depositi (1), mit welcher Angabe auch Ulpian in einer anderen Stelle übereinstimmt (m). Diese beiden Möglichkeiten sind an sich völlig verschieden (§ 71), und da sie beide in Beziehung auf die actio depositi aufge stellt werden, zum Theil von demselben alten Juristen (welches den Gedanken an eine Controverse der Alten aus schließt), so liegt darin ein scheinbarer Widerspruch, wel cher nur durch folgende Unterscheidung gelöst werden kann. W enn der Sohn eine Sache des V aters, z. B. aus dem Peculium, einem Andern zur Aufbewahrung übergiebt, so erwirbt dadurch der Vater die actio depositi, weil es sein Interesse ist, die Sache selbst wieder zu bekommen, oder in Geld entschädigt zu werden. Hier kann der Sohn gar nicht klagen, außer als Procurator des V aters, und auf (k) L. 18 § 1 de judic. (5.1.). S . 0. § 71 n. (l) L. 9 de O. et A. (44. 7 ). S . 0. § 71 q. (m) L. 19 depositi (16. 3 ). „Julianus et Marcellus putant, filiumfamilias depositi recte
agere p osse” H ier ist offenbar
das Depositum a ls etw as B eson deres gem eyn t, und in ganz an derer W eise, a ls es derselbe Ul pian in L. 18 § 1 dejud. (N o te k ), m itten unter vielen anderen K la gen , und selbst m it diesen nur beyspielsweise anführt.
§. 74. Anomalische Rechte. Faktische Natur. Familie. 139
diesen F a ll, der ohnehin der gewöhnlichste ist, geht die erste S telle des U lpian. D a s Depositum kann aber auch so beschaffen seyn, daß der V ater dabey g ar kein rechtli ches Interesse h a t, wenn etw a der S o h n die S ache von einem Fremden miethweise, oder als Commodat, oder als Depositum em pfangen, oder wenn er sie g ar gestohlen hatte. H ier hat der S o h n ein zwiefaches Interesse die K lage anzustellen, wovon der V ater nicht berührt w ird: erstlich, in manchen F ällen (wie wenn er die S ach e als M iether oder Com m odatar erh ielt), weil er dadurch den faktischen Vortheil der D etention und des G ebrauchs der S ache wieder erlan g t, der nicht im Vermögen ist, und daher auch dem V ater nicht zu gut kommt: zw eytens, in allen hier bezeichneten F ällen , weil er selbst gegen andere Personen verpflichtet ist, ihnen die S ache oder eine G eld entschädigung zurück zu geben, welche Verpflichtung wie der nicht den V ater berührt. D a nun überhaupt ein D e positar, ein Dieb u. s. w ., wenn er die S ache einem A n dern aufzubewahren g iebt, gegen diesen die actio depositi erw irbt ( n ) , so muß in den angegebenen Fällen auch der S o h n dieselbe in eigenem N am en haben, und au f diese Fälle geht denn die S telle des P a u lu s, so wie die zweyte S telle des U lp ian, welche daher mit der ersten S telle des U lpian nicht im W iderspruch stehen. W enn freylich der Rechtsstreit nicht durch die Restitution der Sache selbst (wodurch jene Zwecke rein zur Erfüllung kommen) (n) L. 16. L. 1 § 39. L. 31 § 1 depos. (16. 3 ).
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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
beendigt wird, sondern durch eine Entschädigung in Geld, so wird dieses Geld allerdings dem Vater erworben, und dieser kann darüber willkührlich verfügen; wenn aber der Sohn es verwendet, um damit Denjenigen abzufinden, ge gen welchen er aus dem früheren Commodat oder aus dem Diebstahl verpflichtet w ar, so ist dadurch seine Schuld getilgt, und der oben angegebene Zweck ist dennoch er füllt; ja er kann fich diese Erfüllung noch dadurch sichern, daß er die Klage gar nicht selbst anstellt, sondern seinem Gläubiger cedirt, und auf diesem Wege seine Schuld tilgt. — E s ist bemerkenswerth, daß gerade bey dem D e positum auch eine formula in factum vorkommt, die dem Sohn die Anstellung der Klage in eigenem Namen mög lich machte (o). — W ie wirkt nun auf diese Verhältnisse die capitis deminutio, nämlich die Emancipation oder die datio in adoptionem? Die Klage für den Vater fällt gewiß weg, weil der Grund der präsumtiven Vertretung aufgehoben ist, aber die Klage in eigenem Namen muß fortdauern, da die Gründe und Zwecke derselben selbst fortwähren: namentlich die Schuld gegen den Dritten durch die oben abgehandelte Restitution gegen die capitis deminutio.
Alles dieses stellt sich ganz anders bey dem Sklaven, welcher eine Sache deponirt: dieser kann weder als Sklave die Klage anstellen, weil er überhaupt zu allen Klagen unfähig ist, noch nach der Manumission, weil bey ihm (o) Gajus IV. § 47.
§. 74. Anomalische Rechte. Faktische Natur. Familie.
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das Hauptinteresse des S o h n es (die klagbare Verpflich tung gegen den D ritten) ohnehin wegfällt (§ 65). D ah er hatte diese K lage stets der H e rr, in dessen Dienst der S klave zur Zeit des gegebenen Depositum stand (p). Ähnliche Rücksichten, wie bey dem Recht zur actio depositi, treten auch bey der Verpflichtung au s dem D epo situm ein. W enn also ein filiusfamilias ein Depositum übernim m t, und wenn derselbe noch nach der E m ancipa tion im Besitz der S ache bleibt, so geht die K lage gegen ihn (hier gewiß selbst ohne R estitution), und g ar nicht als Peculienklagc gegen den V ater (q ); denn es handelt sich hier um die ganz faktische Restitution des natürlichen Besitzes, die von dem juristischen V erhältniß im Peculium unabhängig ist. D aß m an dieses wirklich a ls etw as B e sonderes dachte, und zw ar gerade au s diesem G runde, erhellt unwidersprechlich a u s der ganz ähnlichen, und noch mehr anom alischen, W eise, wie das einem Sklaven ge gebene Depositum behandelt w ird: denn wenn dieser nach der M anumission die S ache besitzt, so geht gegen ihn die actio depositi, da doch andere Contractsklagen au s der Zeit des Sklavenstandes durchaus nicht gegen ihn ange stellt werden können (r). (p) L. 1 § 30 depos. (16. 3.). (q) L . 21 pr, depos. (16. 3 ). (r) L. 21 § 1 depos. (16. 3.).
Die ganze S telle, deren erste Hälfte in Note q angeführt ist, lautet im Zusammenhang so: „Si apud üliumfamilias res de-
posita sit, et emaneipatus rem teneat, pater nec intra annum de peculio debet conveniri: sed ipse filius. — Plus Trebatius existimat, etiam si apud servum depositum sit, et manumissus rem teneat, in ipsum dandam
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Buch IT- Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen. II.
A c t io c o m m o d a ti.
Eine ganz ähnliche Bewandniß wie mit dem Deposi tum , hat es auch mit dem Commodat, und wir dürfen unbedenklich annehmen, daß die eben aufgestellten Sätze auch auf das Commodat anwendbar sind. Einer der wich tigsten derselben ist sogar ausdrücklich anerkannt, und wenn die übrigen nicht gleichfalls erwähnt werden, so ist dieses nur als zufällig anzusehen. Auch die actio commodati nämlich wird ausdrücklich unter diejenigen Klagen gerech net, die ein filiusfamilias ausnahmsweise in eigenem N a men anstellen kann (s). Dieses ist ohne Zweifel aus den selben Gründen abzuleiten, und mit denselben Unterschei dungen anzuwenden, welche so eben bey dem Depositum dargestellt worden sind. Auch kommt bey dem Commodat, eben so wie bey dem Depositum, eine formnla in factum concepta Vor (t). M an könnte fragen, ob nicht ein filiusfamilias auch die actio locati gebrauchen könne, um eine von ihm vermiethete Sache zurück zu fordern? Wenn blos von dieactionem, non in dominum, li cet ex ceteris causis in manu missum actio non datur. " —
N on dieser Ausnahme ist schon anderwärts die Rede gewesen, vgl. §70 s und Beylage IV. Note m. Besaß der Freygelassene die Sache nicht, so konnte die Klage nicht gegen ihn angestellt werden, selbst nicht wenn er sich als Sklave ei nes dolus dabey schuldig gemacht
hatte. L. 1 § 18 depos. (16. 3 ). (s) L. 9 de ü. et A. (44. 7 ). V gl. oben § 71 q. — Auch hier gilt die Negel, daß selbst der Dieb die Klage anstellen kann (L. 15. 16 cornm. 13. 6 .) , gewiß also auch ein Commodatar oder D e positar, der die Sache einem D rit ten als Commodat überließ. (t) Gajxjs IV. § 47.
§. 74. Anvmalische Rechte. Faktische Natur. Familie. 143 ser Rückforderung die Rede ist, so sind allerdings die V e r hältnisse ganz ähnlich denjenigen, welche so eben bey der actio dcpositi itttb commodati erwähnt worden sind. D aß sie demungeachtet nicht in dieser Verbindung erw ähnt w ird , mag w ohl daher rühren, daß hier die K lage zugleich ans die Zahlung des Miethgeldes gerichtet, also die Rückfor derung meist m it der V erfolgung eines reinen und v o ll ständigen Vermögensrechts vermischt ist. E.
D e r n a t ü r l i c h e B e s i t z (die bloßeD etention).
K inder in väterlicher G e w a lt, eben so wie S klaven, sind des juristischen Besitzes u n fä h ig , der Detention aber, da sie blos faktisch ist, fähig (u).
Diese Fähigkeit zeigt
sich in folgenden Anwendungen. W enn der V a te r dem S o h n etwas s tip u lirte , das ju ristische N a tu r hatte, z. B . Eigenthum , so w a r es g ü ltig , w e il das dem S o h n gegebene Eigenthum so gut a ls dem stipulirenden V a te r selbst gegeben ist.
Geht aber die S t i
p u la tion a u f etwas blos Faktisches, z. B . a u f D etention des Sohnes oder a u f dessen Gehen über einen bestimmten W e g , so ist es ung ü ltig , w e il dieses Faktum nicht in des V a te rs Vermögen kommen kann, so daß es wie jede S t i pula tion fü r einen A ndern, deir der S tip u la to r nicht rep rä s e n tirt, zu betrachten ist.
W enn umgekehrt der S ohn
s tip u lirt, daß der V a te r Eigenthum, oder D etention, oder die E rla u b niß zu gehen erhalte, so ist dieses Alles g ü ltig , w eil der S o h n allgemein den V a te r repräsentiren kann,
(u) S a v i g n y Recht des Besitzes §9. 26.
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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. n. Personen.
W enn endlich der S o h n für sich selbst die D etention oder d as Gehen stipu lirt, so ist das g ültig, und zw ar in dem S in n , daß nun der V ater (nicht der S o h n ) gegen den Schuldner die Jnteressenklage wegen Verweigerung der D etention oder des G ehens erw irbt. D ieses Alles g alt bey dem Sklaven ganz eben so wie bey dem S o h n (v). Eine andere Anwendung findet sich bey der von einem filiusfamilias besessenen Erbschaft. Dieser muß die hereditatis petitio, so wie jeder U nabhängige, gegen sich er gehen lassen, weil die Verpflichtung zu derselben au f dem natürlichen Besitz beruht. Läßt er sich nun auch arrogire n , so ändert hierin selbst die capitis deminutio Nichts, und es bedarf nicht einmal einer R estitution, um die An stellung der Klage gegen ihn auch ferner möglich zu m a chen (w ). F.
D i e e r z w u n g e n e R e s t i t u t i o n e in e s F i d e ik o m m is s e s d e r E r b s c h a f t. W enn der V a te r, der zum Erben eingesetzt, und zur Restitution der Erbschaft an den S o h n verpflichtet ist, die Erbschaft bedenklich findet, so kann ihn der S o h n zum A n tritt und zur >Restitution zwingen, weil nun in Folge des Z w anges alle Schulden au f den S o h n übergehen, und der V ater frey von aller G efahr bleibt (x). Anders (v) L. 130. L. 37 § 6. 7. 8 de V. O. (45.1.). §2 J. de stipul. serv. (3.17.). Vgl. Cujagius in Lib. 15 quaest. Pauli (£.. 130 de V. O.), opp. T. 5 p. 1107.
(w) L, 36 § 1 de her. pet. (5. 3 ). (x) L. 16 § 11. 12 ad Sc. Treb. (36. 1.).
§. 74. Aiwmali'sche Rechte. Faktische Natur. Familie. 145
verhält es sich, wenn der Herr gebeten wird, seinen S k la ven frey zu lassen, und dann demselben die Erbschaft zu restituircn. Denn da der Sklave sich nicht durch Rechts geschäfte klagbar verpflichten kann (§ 6 5 ), so verpflichtet ihn auch nicht der gegen den Herrn ausgeübte Zwang zum Antritt; er konnte also nach der Freylassung die An nahme der Restitution verweigern, in welchem Fall der Herr mit den Erbschaftsschulden belastet bleiben würde (y). D er Grund dieses anomalischen Klagrechts zwischen Vater und Sohn liegt darin, daß die durch Klage er zwungene Handlung eine bloße Formalität ist, also etwas blos Faktisches, ohne alle rechtliche Wirkung für den B e klagten. D ie Prozeßform war kein Hinderniß, weil der Zwang extra ordinem durch die Fideicommißobrigkeit durchgeführt wurde. IV. Endlich eine v ie r t e K la s s e anomalischer Rechte bezieht sich auf den Zwang zu solchen Handlungen, w o durch V e r ä n d e r u n g e n in F a m i l i e n v c r h ä l t n i s s e n hervorgebracht werden sollen. I n der Regel nämlich sind solche Handlungen überhaupt ganz frey; wo aber ein rechtlicher Zwang zu denselben zugelassen wird, da ist die ser auch von den gewöhnlichen Regeln über die Rechts fähigkeit unabhängig, weil ein solcher Zwang gerade dar auf abzweckt, jene Regeln zu modiflciren. Dahin gehören folgende Fälle. (y) L. 16 § 13. 14 ad Sc. Treb. (36. 1). II.
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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
146 A.
F i d e i c o m m i s s a r i a libertas.
W enn ein T estator seinem Sklaven die directa libertas giebt, so liegt darin keine Abweichung von den Regeln über die Rechtsfähigkeit. D er S klave geht unm ittelbar in den Zustand der Freyen über, und es erscheint also g ar nicht das B edürfniß, während des Sklavenstandes die A usübung eines R echts, z. B . eine K lage gegen den E r ben, zuzulassen. A nders wenn der T estator seinem eige nen S klaven, oder dem des Erben, oder auch eines D r it ten , die Freyheit durch Fideicommiß hinterläßt. Denn dadurch erhält der S k lav e eine Klage gegen den eigenen H errn unm ittelbar au f Freylassung, gegen den Erben der nicht sein H err ist, au f Ankauf und Freylassung. Dieses bey den Röm ern so sehr häufige und wichtige R echtsver hältniß wurde für die A usführung dadurch möglich ge m acht, daß nicht eine gewöhnliche K lag e, sondern eine extraordinaria cognitio der O brigkeit, dazu angewendet wurde (z). B. W enn einem E rben oder Legatar durch Fideicom miß zur Pflicht gemacht w urde, seine Kinder zu emancip ire n , so w a r dieses zw ar durch die gewöhnliche fideicommissarische Ju risdiction nicht geschützt: außerordentli cherweise aber konnte auch hier durch Einwirkung der Kaiser ein Z w ang gegen den V ater eintreten, der sich durch Annahme der Erbschaft oder des Legats zu einer (z) §2 J. de sing. reb. (2. 24.). de sid. libert. (40. 5.),
ÜLPIAN.
XXV. § 12.18. Tit. Dig.
§. 74. Anomalische Rechte. Faktische Natur. Familie. 147
H andlung verpflichtet h atte, die er hinterher verwei gerte (aa). — Vielleicht konnte sogar im ordentlichen P r o zeß die E m ancipation erzwungen w erden, wenn ein Un mündiger arro g irt w a r , und dieser nach erlangter M ü n digkeit die Auflösung der G ew alt verlangte (bb). C. Noch weit wichtiger aber ist die durch die Lex Julia eingeführte R egel, daß der V ater von seinen K in dern durch Einwirkung der O brigkeit gezwungen werden kann, in ihre Ehe einzuwilligen, wenn er diese E inw illi gung ohne gehörigen G rund verweigert (cc). (aa) L. 92 de cond. et demonstr. (35. 1.). (bb) L. 32. 33 de adopt. (1.
verstehen, worauf der Zusatz causa cognita zu deuten scheint; dann wäre es eine extraordmaria
7 ). Doch könnte man auch un- cognitio. ter dem in L. 32 pr. cit. er wähnten judex den magistratus (cc) L A 9 deritunupt. (23.2.).
148
Buch II. Rechtsverhältnisie. Kap. II. Personen.
§• 75. H e u tig e A n w e n d b a r k e i t der Lehre von der Re c h t s f ä hi gkei t und der c a p itis d e m in u tio. E s bleibt nun noch zu untersuchen ü b rig , welche B e deutung der hier dargestellten Lehre von der Rechtsfähig keit und der capitis deminutio (§ 64 — 74) in unsrem heu tigen Recht übrig geblieben ist. W ir haben von der Römischen Unfreyheit N ichts übrig, also kann auch nicht mehr die Rede seyn von der Rechts unfähigkeit der Römischen Sklaven. Eben so wenig besteht unter uns ein S ta n d der C iv itä t oder L a tin itä t, der P eregrinen;
m it ihrem Gegensatz in dem S ta n d
also hat auch bey uns
die beschränkte
Rechtsfähigkeit der Peregrinen aufgehört: die der Latinen war
ohnehin schon durch
Justinians
Gesetzgebung ve r
schwunden. Dagegen besteht in unsrem heutigen Recht allerdings noch die Abhängigkeit von väterlicher G e w a lt.
Auch die
h ierauf gegründete beschränkte Rechtsfähigkeit ist zum T h e il unverändert geblieben;
und selbst d a ,
wo sie durch die
Gesetze der christlichen Kaiser starke M odifikationen erhal ten h a t, ist sie doch n u r in Verbindung m it dem älteren Recht zu verstehen und anzuwenden möglich. Ic h gehe über zur capitis deminutio.
H aben w ir keine
Sklaven und Peregrinen m ehr, so ist auch eine maxima
(). f) näher bestimmten Sprachgebrauch. Ganz eben so verhält es sich m it einer gleich folgenden S telle desselben K apitels, die von denselben Cen soren Folgendes erzählt: „Flures,
verschieden dargestellt. — W enn übrigens C laudius in seiner R ede den Censoren das Recht abspricht, einen B ü rger aus allen T ribus auszustoßen, (oder zum Ärarier zu machen), so läßt ihn damit Livius seine B ehauptung polemisch a u f die äußerste Spitze treiben; denn daß sie in der T hat jenes Recht hatten, zeigt nicht nur das Zeugniß des Cicero ( § 7 9 . b ) , sondern sogar die eigene H and lung desselben C laudius nach der quam a superioribus, et senatu so eben m itgetheilten Erzählung emoti sunt, et equos vendere von den ausgestoßenen S en atoren jüssi. ümnes iidem ab utro- und R ittern, die er, gemeinschaft que et tribu re m o tie t aerarii lich mit seinem Collegen, zn Äraf a c t i ” H ier w ird, eben so wie riern machte. bey Cicero (§ 79. b ) , B eid es als
§. 81. Infamie. Juristische Bedeutung. (Fortsetzung.) 213
bloßen Infam ie, sondern nur noch auf den Verlust der ganzen, vollständigen Civität angewendet. Erst dadurch erhielt der Begriff der capitis deminutio diejenige aus schließende Beziehung auf die privatrechtliche Rechtsfähig keit, welche wir in unsren Rechtsquellen wahrnehmen (Beylage VI. Num. XIII.). — Diese Veränderung des Sprachgebrauchs wird ausdrücklich erwähnt in folgender merkwürdigen Stelle des Modestin: L , 103 de F. S. (50. 16.). Licet capitalis latine loquentibus omnis causa existimationis videatur, tarnen appellatio capitalis, mor tis vel amissionis civitatis intelligenda est.
D a s heißt: nach dem jetzt geltenden Sprachgebrauch (der Juristen und der Kaiserge^etze) gilt nur der Tod und der Verlust der Civität als Kapitalstrafe, obgleich in den klas sischen Schriftstellern (latine loquentibus) auch schon die Infam ie als Kapitalstrafe bezeichnet wird (d). — W as nun in dieser Stelle als juristischer Sprachgebrauch all gemein bezeugt w ird, das findet sich durch die in vielen (d) Modestin bezeichnet also den Gegensatz eines älteren und neue ren Sprachgebrauchs, welcher zu gleich mit dem des nichtjuristi schen und juristischen zusammen fällt, weil sich der neuere in Folge einer Reflexion der Juristen ge bildet hatte. M a r e z o l l S . i 12. 113 erklärt irrig das latine lo quentibus von dem Sprachge
brauch des gemeinen Lebens, und nimmt die oben angeführten S t e l len des Cicero für rednerische Übertreibung; in der Stelle pro Roseio möchte das noch etwa gel ten, in der pro Quinetio, wo der Ausdruck so oft, und ganz wie etwas allgemein Bekanntes ge braucht wird, ist es ganz un möglich.
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Buch ii. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
anderen Stellen vorkommende Anwendung vollkommen be stätigt (c). (e) §2 /. de publ.jud. (4.18.). „Capitalia dicimus, quae ulti mo supplicio afficiunt,vel aquae et ignis interdictione, vel deportatione, vel mctallo. Ce tera si quam infamiam irrogan t cum damno pecuniario, haec publica quidem sunt, non tarnen capitalia” § 5 J. de cap. dem. (1. 16.), L. 28 pr. § 1 L. 2 pr. de publ.jud. (48. 19), L. 14 § 3 de hon. libert. (38.2 ), L. 6 C. ex quib. caus. ins. (über
diese letzte Stelle, vgl. Beylage VI. Num. V.). — Nicht ganz stimmt damit überein das Rescript von Severns (N ote b). Indessen kann bey einer solchen, gewiß allmälb gen, Veränderung des Sprachge brauchs einiges' Schwanken nicht befremden, auch deutet doch das erwähnte Rescript nur negativ, also indirect, auf den älteren Sprachgebrauch hin, nicht indem es eine eigene Behauptung auf denselben gründet.
§. 82. Infamie. Nebenwirkungen.
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§. 82. N e b e n w i r k u n g e n der I n f a m i e .
E s ist bisher gezeigt worden, daß das Wesen der I n famie publicistisch w ar: darum aber ist es nicht minder w ahr, daß sie nebenher manche Einwirkungen auf das Privatrecht hatte, welche nunmehr dargestellt werden sollen. 1) Die erste privatrechtliche Wirkung der Infamie, die schon oben erwähnt worden ist (§ 7 8 ), besteht in der beschränkten Fähigkeit zu postuliren. E s sollte nämlich der Infam e nur für sich selbst vor dem P rätor Anträge machen dürfen, oder für solche Personen, welche mit ihm in einem besonders nahen Verhältniß ständen (§ 7 8 . i) : in der Regel also für fremde Personen nicht. D araus folgte zunächst, daß der Infame in der Regel (b. h. mit Ausnahme der erwähnten persönlichen Verhält nisse), nicht C o g n i t o r werden sonnte ( a ) : eben so wenig deutung auf die A usnahm e der nahe stehenden Personen ansähe; allein theils paßt quid am wohl als Bezeichnung einer Ausnahm e, aber nicht (wie es hier seyn m üßte) einer vorherrschenden R egel, theils ist das quidem durch den G egen satz der Adsertion gegen dieC ognitur hinlänglich m otivirt. D er J u rist übergieng die A usnahm e m it Stillschw eigen, da es ihm gerade Handschrift dadurch zu retten ver nur um den erwähnten G egen suchen, daß m an es als eine H in satz zu thun w ar. — M erkwürdi-
(a) F ragst. V a tic . §32*1. „Ob turpitudinem et samositatem prohibentur quidem (ms. quidam) cognituram stiscijiere, ad sertionem non, nisi suspecti praetori.” P aulus 1. 2 § 1. „Omnes infames, qui postulare prohibentur, cognitores fic r i non possunt, etiam volentibus adA ersariis.” — M an könnte in der ersten S telle das qui dam der
216
Buch
II.
Rechtsverhältnisse.
Kap. II.
Personen.
aber auch P r o c u r a t o r , da die persönlichen Hindernisse der Cognitur auch au f die P ro cu ratu r allgemein ange wendet wurden (k). E s folgte d arau s aber auch ferner der wichtige S atz, daß dem Infam en keine K lagen ccbtrt werden konnten (e), indem dieses stets unter der Förm einer Bestellung zum Cognitor oder P ro cu rato r geschah (d). Allein diese wich tigste privatrechtliche W irkung der Infam ie wurde entkräf tet, sobald man anfieng, die Cesston auch ohne die wirkliche Bestellung eines Cognitors oder P ro cu rato rs, durch utiles a ctio n es, zuzulassen; denn der Sache nach verfolgte ja ohnehin jeder Cesstonar ein eigenes Interesse, wovon kein In fa m e r ausgeschlossen seyn sollte, und man konnte ihm nun auch nicht entgegen setzen, daß er der F orm nach ein gerweise hat sich dieser S atz des suam cognitor procuratorve ille alten Rechts in G ratians D ecret fieri potest, qui pro Omnibus verirrt c. 1 C. 3. q. 7. „Infamis p o s t u l a t Also nicht D erjenige, persona nec procurator esse welcher in dem zweyten oder drit potest nec cognitor.” Er wird ten Edict de postulando stand. hier einer Romana synodus zu Auch die Interpretatio bezieht den geschrieben, und diese hatte ihn Satz ganz richtig auf die A u s ohne Zweifel aus dem B reviarium schließung der In fam en . — W ört aufgenom m en. N u r steht er frey lich konnte man ihn and) auf die lich in dieser wörtlichen Fassung Ausschließung der Frauen bezie weder in dem T ext des P a u lu s, hen , aber von diesen sagt das noch in unsrer Intcrpretatio: Gegentheil der unm ittelbar vor wahrscheinlich aber findet er sich hergehende § 2. „Feminae in rem so in irgend einer der späteren suam cognitoriam opcram susBearbeitungen. (S a v ig n y (M d), cipere non prohibentur.” (Also des R . R - im M . A., B . 2 § 20). nicht auch procuratoriam.) (b )
F ragm . V atic ,
§ 322. 323.
(c) P aulus I. 2 § 3. »In rem
(d) GajusII. § 39. L. 21 pr. de minor. (4. 4.). L. 3 § 5 de in rem verso (15. 3 ).
§. 82. In fam ie. Nebenwirkungen.
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P ro c u ra to r, also durch den Buchstaben des E dicts a u s geschlossen sey ( e ) . Endlich folgte d arau s auch die Unfähigkeit der E h r losen, reine Popularklagen anzustellen, das heißt solche K lag en, wodurch zw ar eine Geldstrafe eingefordert w ird, aber lediglich um einem öffentlichen Interesse durch diese S tra fe Gewicht und Schutz zu verschaffen. Denn in sol chen K lagen stellte der K läger lediglich einen P ro c u ra to r des S t a a t s v o r(k ). H atte dagegen der K läger zugleich ein eigenes Interesse zu verfolgen, so erhielt dadurch die K lage eine gemischte N a tu r, und der In fa m e w a r dann von der Anstellung derselben nicht ausgeschlossen (g). Diese ganze Einschränkung w a r zunächst au f die W ürde des P rä to rs gegründet, welchem nicht ohne N oth und aus bloßer W illkühr ehrlose Menschen vor Augen gestellt w er den sollten, und darum konnte, wie P a u lu s ausdrücklich sa g t, selbst die Einwilligung des G egners hierin Nichts ändern ( N o te a ) . Aber auch der Gegner im Prozeß sollte in cher R egel nicht gezwungen seyn, mit einem ehrlosen (c) L. 9 C. de her. vel act. vend. (4. 39.) „utUiler eam mo vere suo nomine conceditur.” Näm lich insofern suo nomine, als
er nun nicht die besonderen Rechte und Einschränkungen eines Procurators hatte; dem Beklagten gegenüber war es freylich noch im m er die alte Klage des Cedenten, also auch allen früheren E.rceptionen unterworfen. (f) L. 4 de pop. act. (47. 23 ).
„Popularis actio integrae persouae permittitur: hoc est, cui per Edictum postulare licet.”
Eben so waren auch Frauen a u s geschlossen. L. 6 eod. — V ergl. über diese Klagen § 73 lit. H. (g) Ausdrücklich gesagt wird dieses nur von den Frauen. L. 6 de pop. act. (47. 23.),
Es ist
aber unbedenklich auch auf die Ehrlosen anzuwenden.
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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
Cognitor oder Prokurator zu verhandeln, und zur Ver theidigung dieses seines selbständigen Rechts gab man ihm eine proeuratoria exceptio, die ihm der P rä to r aus blo ßer Nachsicht gegen den Infamen gewiß nicht entziehen konnte. Justinian hob diese Erception gesetzlich auf, da sie ohnehin nicht mehr üblich sey(I>): das heißt aber nicht so viel, daß die Infam en hinfort sollten unbeschränkt postuliren dürfen, w as ja den deutlichsten Bestimmungen der Digesten widersprechen würde, sondern es sollte nur noch die Obrigkeit dieselben zurückweisen dürfen, ohne daß die Gegenpartey eine solche Erception vorbringen, oder auch blos als Vorwand zur Verschleppung des Prozesses fer ner misbrauchen durfte. B los aus dieser zuletzt erwähnten Verordnung Justinians (Note h) erfahren wir gelegentlich, daß eine gleiche Erception den Infamen auch verhinderte, für sich einen (h) § 11 J. de excepi. (1. 13.). exceptiones kamen schon jetzt „Eas vero exceptiones, quae sehr wenig vor, woraus erhellt, olim procuratoribus propter in- daß kein praktisches Bedürfniß für famiam, vel dantis vel ipsius dieselben vorhanden war; wir he procuratoris , opponebantur: ben sie daher nunmehr gesetzlich cum in judiciis frequentari au f, damit sie nicht in einzelnen nullo modo perspeximus, con- Fällen hervorgesucht und zur Ver quiescere sancimus: ne dum de schleppung misbraucht werden mö bis altercatur, ipsius negotii gen." D a s frequentari nullo disceptatio proteletur.” — M a- modo bezeichnet seltnen Gebrauch r e z o l l S . 215 - 217 faßt die Absicht und Wirkung dieser neuen Verordnung richtig auf, erklärt aber die W orte nullo modo sehr gezwungen. D er natürliche S in n ist wohl dieser: „die erwähnten
eines Rechtsinstituts, und ist noch verschieden von einer durch G e wohnheitsrecht bewirkten Aufhe bung des Instituts selbst. Theophilus freylich kann leicht zur An nahme dieser letzten verleiten.
8- 82.
Infam ie.
Nebenwirkungen.
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P ro k u ra to r zu ernennen, welche Beschränkung gleichfalls Justinian aufhebt.
D a s mag seinen G rund etwa da rin
gehabt haben, daß der Beklagte die Unzuverlässigkeit des ehrlosen K lägers m it mehr E rfo lg fü r sich geltend machen konnte, wenn dieser persönlich v o r Gericht erschien.
D ie
A m tsw ürde der O brigkeit hatte dabey kein Interesse, und es w a r ih r daher nicht, wie bey der vorhergehenden E in schränkung, überlassen, den von einem In fa m e n ernann ten P ro c u ra to r von Amtswegen zurück zu weisen.
D aher
mußte denn m it der Aufhebung dieser zweyten procurato-
ria exceptio zugleich auch der ganze ih r zum G rund lie gende Rechtssatz vö llig verschwinden: hierin liegt der na türliche G ru n d ,
w arum sich in den übrigen Theilen der
Justinianischen Rechtsbücher keine Einschränkung erhalten hat.
Spur
dieser zweyten
S e h r wichtig w a r dieselbe
im älteren Recht, indem dadurch der In fa m e verhindert w u rd e , irgend
eine ihm
zustehende Schuldforderung
zu
veräußern, welches damals n u r durch eine förmliche Ces sio», also n u r durch die Bestellung eines P ro ku ra to rs oder C o g n itors, geschehen konnte. 2) D ie z w e y t e privatrechtliche W irku n g der In fa m ie bestand in einer Beschränkung der Fähigkeit zur Ehe. Dem älteren Recht w a r dieselbe fremd, die Lex Julia legte dazu den G ru n d , brachte
aber erst die In te rp re ta tio n
sie zur Ausbildung (i).
D er
der Juristen
Entwicklungsgang
dieses Rechtssatzes w a r aber folgender. (i) Die vollständige Darstellung dieser Sähe, durch Quellenzeug-
2 20
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
D ie Lex Julia verbot bett S enatoren, so wie den m änn lichen und weiblichen Nachkommen der S en ato ren , die Ehe m it Freygelassenen, und außerdem m it gewissen, einzeln aufgezählten, verächtlichen Personen. Allen freygebornen M än n ern verbot sie die Ehe mit gewissen, gleichfalls ein zeln aufgezählten, verächtlichen Frauen. Beide Aufzäh lungen der Fälle der Verächtlichkeit stimmten nur theilweise überein. D ie Juristen bildeten dieses Verbot au f zweyerley Weise a u s: erstens indem sie die Falle der Verächtlichkeit au s einer Klaffe au f die andere übertrugen: zweytens indem sie diese Fälle au f den allgemeinen B egriff der Infam ie zurück führten, und nun die Regel aufstellten, daß sich das V erbot für die S en ato ren , wie für die Freygebornen, a u f alle im Edict als In fa m e bezeichnete Personen beziehe. D ieses gab die erste Gelegenheit, die In fam ie auch au f F rauen zu beziehen, und so den alten B egriff der I n fam ie zu erweitern. D ie neu aufgenommenen Fälle der selben wurden nachträglich in das Edict eingeschrieben. D a s V erbot der L ex Ju lia aber hatte nicht etw a den S i n n , daß eine so verbotene^Ehe nichtig seyn sollte, son dern sie sollte nur nicht die durch dieses Gesetz mit dem Zustand der Verehelichten verbundenen V ortheile gew äh ren, oder mit anderen W orten : sie sollte nicht fähig seyn, die S tra fe n des Eölibats abzuwenden. niffe begrüntet, findet sich in der deren Resultate zu einer kurzen Beylage VU, Ich stelle hier nur Übersicht zusammen.
§. 82. Infamie. Nebenwirkungen.
221
Z w a r w urde die W irkung des Verbots durch Senatsschluß unter M a rc A u re l bis
einen
zur Nichtigkeit der
Ehe ausgedehnt, jedoch nicht fü r die Freygeborncn, son dern n u r fü r die S enatoren, und auch fü r diese n u r im V erhältniß zu den Freygelassenen, und zu den durch gewisse Gewerbe verächtlichen Personen (w ie den Schauspielern), niemals im V erhältn iß zu den In fa m e n im Allgemeinen. Das
Eheverbot der Lex J u lia hörte von selbst auf,
als durch Gesetze christlicher Kaiser die Cölibatsstrafen a ll gemein aufgehoben wurden.
D ie Ausdehnung jenes V e r
bots fü r die Senatoren wurde von Justinian gänzlich a u f gehoben. N unm ehr hatte wieder die In fa m ie ihre A nw endbar keit a u f das weibliche Geschlecht gänzlich verloren.
Es
w a r eine consequente Folge davon, daß die Com pilatoren, als sie das prätorische E dict über die In fa m e n Digesten
in
die
aufnahmen, daraus wiederum die nachträglich
eingeschriebenen Stellen über ehrlose Frauen wegließen.
D ie hier aufgezählten Nebenwirkungen sind die einzi gen, die sich m it G rund a u f die In fa m ie , nach dem w a h ren juristischen B e g riff dieses W o r ts , zurückführen lassen. Manche andere sind jedoch von unsren Juristen irrig e r weise dahin gezählt worden. S o sollen die In fa m e n unfähig seyn a ls Zeugen a u f zutreten, sey es vo r Gericht, oder bey feyerlichen Rechts-
222
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
geschäften (k). D a s Römische Recht hat aber niem als eine solche allgemeine Regel aufgestellt. I n älteren G e setzen w a r den wegen gewisser einzelner Verbrechen Verurtheilten die Zeugenfähigkeit besonders abgesprochen. Z u letzt h at Justinian verordnet, zu Zeugen sollten überhaupt nur vortreffliche Leute genommen werden, gleich zuver lässig durch guten R u f und durch ihre äußere S tellung (1). D aß diese, ohnehin unausführbare, Vorschrift m it dem be stimmten Rechtsbegriff der Infam ie Nichts gemein hat, versteht sich von selbst; sie geht sogar über den schon sehr schwankenden B egriff der Infamia facti (§ 78) noch hin au s (m). Demnach müssen w ir, w as das R esultat des neuesten Rechts betrifft, eine absolute Unfähigkeit der I n famen zum Zeugniß (sow ohl dem gerichtlichen, a ls dem bey feyerlichen Geschäften) durchaus verneinen. W a s aber die Glaubw ürdigkeit derselben im gerichtlichen Zeugniß be trifft, so kann diese ohnehin nur durch freyes Ermessen des Richters in jedem einzelnen F all beurtheilt werden, und auch dabey sind die genauen juristischen Bestimmun gen der In fam ie gleichgültig. Eben so verhält es sich endlich auch m it der angebli chen Beziehung der Infam ie au f die querela inofficiosi. Geschwister, sagt m an, die in dem Testam ent ausgeschlos sen sind, können nur dann ans die Q uere! Anspruch m a(k) DieseMeynung ist sehr ver(1) Nov. 90. breitet. Bergt, u. a. Li nde Lehr(m) Ausführlich behandeln diese buch des Civilprvzesses § 258 (4te Frage B urchardi § 6 und M a Auflage). r e z o l l S . 220 — 227.
§. 82. Infamie. Nebenwirkungen.
223
chen, wenn der Urnen vorgezogene Erbe eine infame P e r son ist. Allein die Bestimmung des Gesetzes ist eine ganz andere. Die Quere! wird abhängig gemacht von dem Umstand, daß der Vorzug des eingesetzten Erben, wegen dessen persönlicher Eigenschaften, etwas besonders Ver letzendes habe. Als Beyspiele solcher, den Vorzug zur Kränkung für den Ausgeschlossenen machender Eigenschaf ten, werden genannt: die Infamie, schlechter Nus (wenn gleich in geringerem G rade), und Libertinität, mit Aus nahme solcher Freygelassenen, die sich besondere Verdienste um den Verstorbenen erworben hatten (n). Offenbar ist also auch hier Alles der freyen Beurtheilung des Richters überlassen, und der Rechtsbegriff der Infamie mit seinen scharf bestimmten Gränzen ist dabey nicht das entschei dende Moment. (n) L. 27 C. de in off. lest. (3. 28.) ,,'si scripti heredes infamiae, vel turpitudinis, vel le vis notae macula adspergantur: vel liberti cpü perperam et non bene merentes ... Instituti sunt.”
tion sind zwey Stellen des Theodosischen Codex. L. 1. 3 C. Th, de inoff. (2. 19). Vergl. über diese Frage M a r e z o l l S . 246, dessen Ansichten von den hier auf gestellten zum Theil verschieden D ie Grundlage dieser Constitu sind.
224
Buch II. Rechtsverhältnisse.
Kap. II.
Personen.
§. 83. H e u t ig e Anwendbarkeit
Es
der
Lehre
von
der I n f a m i e .
ist nunmehr anzugeben, w as aus
In fa m ie
den über die
aufgestellten Sätzen fü r die heutige Anwendung
dieses Rechtsinstituts fo lg t. Zuerst also: welche Gestalt hat die In fa m ie im J u stinianischen Recht angenommen? übrig
E s ist davon Nichts
geblieben, a ls die beschränkte Fähigkeit der I n f a
m en, fü r Andere postulirend vo r Gericht aufzutreten, und auch diese Beschränkung n u r insofcrne der Richter selbst sie geltend machen w il l, nicht mehr a ls Recht der Gcgenpartcy ( § 8 2 ). Bedeutung der In fa m ie
hatte
ein persönliches
Denn die publicistische
ohnehin längst aufgehört,
indem auch selbst die Unfähigkeit der In fa m e n zu Ehren stellen,
obgleich sie sich noch ausgesprochen findet,
dem
S in n e nach von dem alten Rechtssatz ganz verschieden ist, und blos eine buchstäbliche und scheinbare Fortdauer des selben in sich schließt (§ SO).
Eben so w a r auch die m it
der In fa m ie lange Z e it verbundene beschränkte Fähigkeit zur Ehe gänzlich verschwunden (§ 8 2 ). A llein
auch
hat sich bey
jener Überrest des alten Rechtsinstituts
dem Übergang
des Römischen Rechts a u f
das neuere E uro p a nicht erhalten können, da er m it der eigenthümlichen Gerichtsverfassung der R öm er zusammen-
§. 83.
Infam ie.
Heutige Anwendbarkeit.
223
hieng, in der T ha t also auch wieder durch staatsrechtliche Verhältnisse bedingt w ar. Nach der neueren Gerichtsverfassung beruht alle ge richtliche Vertretung Anderer theils auf der P rocuratur, theils auf der Advocatur, welche bald in denselben P er sonen vereinigt, bald getrennt erscheinen.
Beide Geschäfte
sind ferner (je nach dem verschiedenen Recht einzelner Län der) theils an eine öffentliche Anstellung gebunden, theils davon unabhängig, also bloße Privatsache.
Im
ersten
F a ll gehören sie, so wie alle Anstellungen, dem öffentli chen Rechte an, und sind daher von den Bestimmungen des Römischen Rechts, nach richtigen Ansichten, ganz un abhängig. Insbesondere was die Unfähigkeit der Infam en zur Anstellung als Gerichtsprocuratoren betrifft,
so g ilt
davon alles Dasjenige, was so eben über ihre Unfähig keit zu öffentlichen Ämtern überhaupt bemerkt worden ist. — Im
zweyten F a ll könnte an sich wohl von einer An
wendung der Römischen Regel die Rede seyn.
Diese hätte
dann den S in n (den auch wirklich Manche darein legen), daß Infam e nicht befugt wären, Prozeßschriften fü r A n dere abzufassen: denn das ist es, was man unter der P r ivatadvocatur, pflegt.
oder dem heutigen Postuliren, zu denken
Allein auch selbst eine so beschränkte Anwendung
würde doch höchstens dem Buchstaben, nicht dem wahren S in n der Römischen Regel entsprechen.
Denn was nach
der Römischen Ansicht die Amtswürde verletzte, w a r das willkührliche, nicht durch Verfolgung eigener Interessen n.
15
226
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
gerechtfertigte, Auftreten des Infam en vor der Person des P rä to rs . D ie Abfassung von Prozeßschriften kann u n möglich a ls eine Verletzung des richterlichen Ansehens be trachtet werden, welche Eigenschaften auch der (vielleicht sogar ungenannt bleibende) Verfasser an sich tragen möge. W ollte man etw a sagen, ein ehrloser Verfasser sey auch der Verdrehung des Rechts verdächtig, so würde dadurch die S ache in ein ganz anderes, der Römischen Regel frem des G ebiet hinüber gespielt, das G ebiet der Aufsicht auf di« Prozeßverhandlungen. H ier aber sind, wenn sich ein m al der Richter einmischen soll, ganz andere Rücksichten zu beachten: theils sittliche, theils intellectuelle, wohin be sonders ein gewisser G rad von Rechtskenntniß gehören w ird. D ie Infam ie mit ihren ganz positiv bestimmten Bedingungen w ird dabey gleichgültig seyn, und anstatt derselben wird der unbestimmte B egriff persönlicher Z u verlässigkeit zur Anwendung kommen. D ie hier aufgestellten G ründe, wenngleich sie in dieser G estalt und Bestimmtheit nicht anerkannt zu werden pfleg te n , und also nicht zu deutlichem Bewußtseyn kamen, sind dennoch nicht ohne Einfluß au f neuere Schriftsteller ge blieben, D a ra u s allein erklären sich die unglaublich schwan kenden M eynungen derselben über den G rad der Anwend barkeit, welcher den Römischen Grundsätzen über die I n fam ie einzuräumen seyn möchte (a). Aber auch in dieser großen M annichfaltigkeit der M ey(a) Dgl. M a r e r o l l S . 346 — 349.
§. 83. Infamie. Heutige Anwendbarkeit-
227
innigen lassen sich doch einige gemeinsame Ansichten w a h r nehm en, w orin die M eisten und Besonnensten übereinstim men (b). D ahin gehört zunächst eine ungemeine Beschrän kung der Vorschriften des R . N ., wodurch sich also jene Ansichten in ihrem letzten R esultat der hier vertheidigten sehr annähern. E s sollen nämlich g ar keine Anwendung mehr finden die Fälle der In fa m ie , welche ohne richterli ches Urtheil eintraten (immediata). Ferner a u s der so genannten mediata die Urtheile über Privatdelicte oder Contracte. Hiernach bliebe die Infam ie als Rechtsinstitn t (denn die infamia facti geht uns überhaupt Nichts an ), n u r noch übrig a ls Folge ausgesprochener C rim inalstrafen, wobey es noch dahin gestellt bleiben muß, ob m an auch die extraordinaria crimina ausschließen möchte (§ 77. c ) , welche Einschränkung freylich zu unsrem heutigen Crim inalrecht g ar nicht mehr passen würde. — D ie C arolina erw ähnt die Infam ie namentlich als S tra fe des M einei digen, so wie D esjenigen, welcher durch die Person sei ner F ra u oder seines Kindes ein Lcnocinium begeht («). Andere Reichsgesetze erkennen sie an a ls Folge der I n j u rie (d ), oder drohen sie als eigene, neu erfundene S tra fe fü r bestimmte Vergehen a n (e ). (e) Strafe der Notare, die (b) Eichhorn deutsches Pri eine Session von Zuden an Chri vatrecht § 87. 88, 4te Ausg. sten aufnehmen R. A. 155 t § 80. (c) C. C. C. art. 107. 122. (d) Reichsschlüsse von 1668. Strafe der widerspenstigen Hand 1670. Sammlung der Reichsab- werksgesellen 173t. Sammlung der Reichsabschiede Th. 4. ©.379. schiede Th. 4. S . 56.72.
228
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
Die so eng begränzte Infamie soll nun im heutigen Recht noch folgende Wirkungen hervorbringen: 1) Unfähigkeit zu Ehrenämtern, mit Einschluß der Gemeindeämter; 2) desgleichen zur Advocatur, Procuratur, und zum N otariat; 3) desgleichen zur Theilnahme an Zünften und bür gerlichen Collegien. 4) Endlich auch noch alle im Privatrecht durch das R . R . geordnete Wirkungen, namentlich in Beziehung auf die querela inofficiosi. Über die wichtigsten der hier erwähnten Gegenstände habe ich mich bereits im Einzelnen erklärt, namentlich darüber, daß die unter Rum. 4 genannten Wirkungen in der That gar nicht vorhanden sind. I n den Reichsge setzen wird eine jener Folgen, die Unfähigkeit zum N ota ria t, namentlich ausgesprochen (k). M an sieht, daß der Umfang der noch übrig bleiben den rein praktischen Controverse sehr eng ist, und daß die bedenklichsten Fälle der Römischen Infamie schon in jener Lehre bewährter neuerer Schriftsteller beseitigt sind (g). (f) Notariatsordnung 1512 Z 2 „so darzu von den Rechten verboten, als . .. ehrloß. Infames genandt -.. und in Sum m a alle die in Rechten zu zeugen ver« worffen werden, dieweil sie an statt der Zeugen gebraucht wer« den." Hierbey liegt offenbar die falsche M eynung mehrerer Rechts-
lehrer zum Grunde, als ob nach R R- die Infames schlechthin un« fähig zu jedem Zeugniß wären, (g) Am bedenklichsten sind man« che Fäll« der sogenannten infamia immediata, z B. der Fall der bina sponsalia, das heißt eines neuen Verlöbnisses ohne auSdrückliche Aufkündigung des frü«
§. 83.
In fa m ie .
Heutige Anwendbarkeit.
229
Aber auch in dieser großen Einschränkung kann ich irgend eine Anwendung
der Römischen In fa m ie
entwickelten Gründen nicht zugeben.
aus den oben
W a s sich davon ein
räumen lä ß t, ist Folgendes. Unter dem E influß Germanischer Ansichten haben sich vom
M itte la lte r
her in
verschiedenen. Ländern
ziemlich
gleichförmige Regeln über Ehre und Ehrlosigkeit ausge b ild e t, die theilweise auch die N a tu r von Nechtsinstituten angenommen haben, vorzüglich in Beziehung a u f die mög liche
Theilnahme
an
Corporationen
verschiedener
A rt.
Solche Rechtsregeln sind theils durch eigentliche Gesetze, theils durch Gewohnheitsrecht, besonders aber durch die S ta tu te n
und Observanzen solcher K orporationen selbst,
festgestellt worden.
A u f diese Feststellung n u n ,
meist Rechtsgelchrte A ntheil nahmen,
w oran
haben nicht selten
die (m ehr oder weniger misverstandenen) Bestimmungen des R . R . E influß gehabt. E in solcher indirecter E in flu ß des R . R . a u f das heu tige Recht der In fa m ie läßt sich nicht verkennen; er g rün det sich jedoch n u r
a u f M isverständniffe über die oben
dargestellte w ahre N a tu r dieses Rechtsinstituts, und er ist überdem nie von großer Erheblichkeit gewesen. Heren; ferner die Ehe des V o rmunde« oder des SohneS desselben m it der M ü n d e l vor der gesetzlichen Z eit (§ 77. o). Beide Fälle taffen sich denken als ganz arglose Übertretungen blos fo rmelier Vorschriften bey äugen-
In
das
scheinlicher Unschuld in der Sache selbst. Kein Rechtsinstitut aber kann so wenig, als daS der J n famie, einen schneidenden W iderspruch m it der öffentlichen M e ynung vertragen,
230
Buch II. Recht-verhältnisse.
Kap. II. Personen.
G ebiet dieser M isverständnisse fallen denn auch diejenigen Reichsgcsetze, welche fü r einzelne Fälle die Infam ie theils a ls gültig voraussetzen, theils neu vorschreiben ( § 8 3 . c. d. e. f ) , und auch diese können daher nicht geltend ge macht werden, um die hier aufgestellten G ründe gegen die gemeinrechtliche Anwendbarkeit der Infam ie zu widerlegen. I n den Fällen ü brigens, worin die Infam ie noch in unsrem Crim inalrecht, sey es als ausgesprochene S tra fe , oder a ls Folge gewisser S tra fa rte n , vorkomm t, kann ich zw ar, au s den hier entwickelten G ründen, bestimmte recht liche W irkungen derselben, so wie sie tut Einzelnen be hauptet zu werden pflegen, nicht zugeben. Ich bin aber w eit entfernt, deshalb die R ea lität und W irksamkeit der selben als eines bedeutenden S tra fm itte ls zu bestreiten. D enn wenn der Richter die In fam ie ausspricht, oder wenn sie a ls nothwendige Folge einer vollzogenen S tra fe ange sehen w ird, so ist die unausbleibliche W irkung au f die öffentliche M eynung an sich selbst ein sehr reelles Übel, auch wenn daneben einzelne juristische Folgen nicht noch nachgewiesen werden können.
§. 84. Einschränkung der Rechtsfähigkeit durch Religion. 231
§• 8 4 . Ei n s c h r ä n ku ng der R e c h t s f ä h i g k e i t durch R e l i g i o n .
S e it der Herrschaft der christlichen Religion bildete sich im Römischen Recht allm alig der Grundsatz au s, daß gewisse Verschiedenheiten des religiösen Bekenntnisses eine Beschränkung der Rechtsfähigkeit mit sich führen sollte«. E s gehören dahin folgende Fälle. I. Pagani. D ie Anhänger der alten R eligion, deren H errschaft und Druck so lange Zeit den Christen verderb lich gewesen w ar, wurden nun abwechslend m it mehr oder weniger D uldung behandelt, ja es wurden a u f sie die härtesten Strafgesetze nicht selten angewendet. E s erklärt sich wohl gerade au s der S tren g e dieser S tr a f e n , daß dabey von einer Beschränkung der Rechtsfähigkeit, die doch immer einen Zustand ruhiger D uldung voraussetzt, und durch vertilgende M aasregeln unnütz w ird , nicht un m ittelbar die Rede ist. Gegen die willkührliche Verfol gung durch Privatpersonen wurden sie zu Zeiten durch be sondere Gesetze in Schutz genommen (a). II. Judaei. D e r R egel nach sollten sie gleiches Recht m it den Christen haben (b). N u r die Ehe zwischen Chri sten und Ju den w a r gänzlich verboten, und sollte mit der gesetzlichen S tra fe des Ehebruchs belegt werden (c). Diese (a) L.G C.de paganis{{. 11.). (t>) L. 8. 15 C, de Judaeis
(1. 9.). (c) L. 6 C. de Judaeis (1.9.).
232
Buch II. Rechtsverhältnisse- Kap. II. Personen.
Bestimmung w ar ganz positiv, und darf auf keine Weise als eine Anwendung des den Peregrinen versagten Connubium betrachtet werden. Denn das fehlende Connubium w ar kein Verbot und zog keine Strafe nach sich: ferner hatten gewiß von jeher einzelne Juden die Civität erwor ben, und die allgemeine Civität, die Caracalla allen Un terthanen des Reichs verlieh, kam gewiß auch den da mals vorhandenen Juden und ihren Nachkommen zu gut. III. Haeretici. Diejenigen Christen, deren Lehre durch eine Kirchenversammlnng für Ketzerey erklärt worden war, wurden mit verschiedenen, oft harten, Strafen verfolgt, welche bald auf einzelne augenblicklich wichtige Irrlehren, wie der Manichäer und Donatisten, bald auf alle Ketzereyen überhaupt bezogen wurden. Unter diese Strafen gehörten nun besonders auch Beschränkungen der Rechts fähigkeit. Am häufigsten wurde ihnen die Befugniß ver sagt, Erbschaften zu erwerben, und Testamente zu errich ten: daneben kommt auch wohl das Verbot der Schen kung und des Verkaufs, ja aller Contracte, aller Klagen, und aller juristischen Handlungen vor (. 1), L. 25 § l de adffu. vel orn. her. (29. 2 ), C od. J ust. X i. 13, C od. T heod. XIV. 1. — Vgl. A veramus In
terpret. II. 19 § 1. (e) N i e b u h r B. 3 S . 349. D i r k s e n S . 34 fg. — Uber die
heutigen Zünfte als Inhaber von Vermögensrechten vergl. E ic h h o r n deutsches Privatrecht § 371 — 373. (f) L. 17 H2 deexcus. (27.1.), L. 5 jj 1? de j. Immun. (50.6.). (g) L. 1 pr. qnod cuj. nniv. (3. 4 ), L. 5 § 13 de j. immun.
§. 88. Juristische Personen. Geschichte. (Fortsetzung)
255
selben waren gleichartig (und darauf gründeten sich ihre V ereine), nicht gemeinschaftlich: jeder Einzelne arbeitete, so wie bey u n s , au f eigene Rechnung. Allein auch gemeinschaftliche gewerbliche Unternehmun gen kommen in der G estalt juristischer Personen vor. D er allgemeine N am e solcher Verbindungen ist Societas, und die meisten derselben hatten eine blos contractliche N atu r, erzeugten O bligation en , und waren der Auflösung durch Kündigung so wie durch den Tod jedes einzelnen M itg lie des unterworfen. Einzelne darunter erhielten jedoch das Recht von Corporationen, ohne darum den allgemeinen Nam en Societates aufzugeben (h). D ahin gehörten die Gesellschaften zum Betrieb von Bergwerken, S a lin en und Zollpachtungen (i). D. G e s e l l i g e V e r e i n e , Sodalitates, Sodalitia, Col legia sodalitia (k). D er ältere Cato (bey Cicero) erzählt (50. 6 ). — A ls Elemente der Stadtgemeinden selbst, und als Träger politischer Rechte, konn ten übrigens weder die alten noch die neuen Zünfte betrachtet wer den. Darin waren die alten S ta d t verfassungen wesentlich verschieden von den in den Germanischen Staaten entstandenen: denn in diesen w- ren die Zünfte an S t e l lung und Wichtigkeit den R öm i schen Tribus zu vergleichen. (h) L. I ])r. Jj 1 quod euj.umv. (3 4 ), L. 3 § 4 de B. P. (37.1 ), L. 31 § t de fü r tis (47. 2.) (s. o. § 87. e). 3 » L. 1 pr. dt. muß man mit Haloander lesen: „N e-
que societatcm (Flor. socletas), neque collegium, neque hujusmodi corpus passim omnibus habere conceditur ” etc. — Zur
Unterscheidung von diesen corporaliven Societäten werden dann die blos contractlichen auch wohl privat ae societates genannt. L. 59 pr.pro soc. (17. 2.). (i) L. 1 pr. quod cuj. univ.
(3. 4.), L. 59 pr. pro soc. (17.2.). (k) Dieser letzte Ausdruck steht in L. 1 pr. de coli. (47. 22 ). Haloander liest sodalitia ( ohne collcgia), und dieses scheint auch (nach der Glosse) die D ulgata zu seyn, obgleich manche alte Aus-
250
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
ihre erste Entstehung w ährend seines M an n e sa lte rs, und beschreibt sie mit großem Behagen als Zusammenkünfte zu gemeinschaftlichen G astm ahlen, m äßig, aber in froher Geselligkeit: zugleich, nach der S itte der alten Z eit, in Verbindung mit gemeinschaftlichem Gottesdienst (!). E s w ar also das w as w ir Clubbs nennen, und wenn w ir diese Vereine späterhin a ls minder h arm los, ja als poli tisch gefährlich, erw ähnt finden, so folgt d arau s g ar nicht, daß unter jenem Ausdruck Institute verschiedener A rt ver standen werden m üßten, sondern n u r, daß die Beschaffen heit derselben durch den allgemeinen C haracter jedes Z eit alters bestimmt wurde. D ie früher blos geselligen Clubbs wurden in aufgeregten Zeiten (w ie es auch in unseren T agen geschehen ist) M ittelpunkte der politischen Factionen, ja es wurden nun ohne Zweifel auch neue lediglich zu diesem Zweck gestiftet. — Dadurch erklärt sich denn zugleich D asjen ig e, w a s von öfteren Verboten derselben berichtet wird. I n einzelnen Fällen großer Bewegung gaben das Florentinische collegia sodalitia haben, z. B . Venet. 1485, Lugd. Fradin. 1511. I n meiner Handschrift fehlen die W orte col legia sodalitia neve milites, so daß es heißt ne patiantur esse collegia in castris habeant. S o
mag überhaupt die bald folgende Wiederholung des W ortes col legia Veranlassung zur irrigen Weglassung gegeben haben. — Übrigens hat Sodalitia, allein ste hend, sehr alte Autoritäten für sich.
so daß eS wohl nur zufällig in den Recktsquellen nicht vorkommt. (1) Cicero de senect. C. 13.
Cato zählt hier die Freuden des Alters auf. „Sed quid ego ali08? ad meipsum jam revertar. Primum habui semper sodales; sodalitates autem me quaestore constitutae sunt, sacris Idaeis Magnae Matris acceptis; epulabar igitur cum sodalibus omnino modicc, sed erat quidam fervor aetatis, qua progrediente
§. 88. Juristische Personen. Geschichte. (Fortsetzung.) 237
waren die öffentlichen Plätze von den Clubbs und den Schrcibercollegicen besetzt worden: der S en at befahl ihnen aus einander zu gehen, und brachte einen Antrag an das Volk, um diesem Befehl durch die Drohung eines publi cum Judicium Nachdruck zu geben (m). Dann wurden im Allgemeinen die collegia aufgehoben (n). S o erscheint denn auch in unsren Rechtsquellcn die bleibende R egel, kein Verein biirfe ohne obrigkeitliche Erlaubniß gestiftet wer den, und diese Erlaubniß werde nicht leicht noch häufig ertheilt; die unerlaubte Theilnahme daran werde criminell, und zwar a ls extraordinarium crimen, bestraft (o). D ieomnia sient in dies mitiora; neque enim ipsorum conviviorum delectationem voluptatibus cor poris magis, quam coetu amicorum et sermonibus metiebar.” — F estus v. Sodales giebt
ta, praeter pauca atque certa, quae utilitas civitatis desiderasset quasi, ut fabrorum sictorumque” (al. lictorumqne, w el ches besser scheint; denn fictor be
(m) Cicero ad Quintum fratrem II. 3 „ Sc. factum est, ut sodalitates decuriatique discederent: lexque de iis ferretur, ut, qui non discessissent, ea poena quae est de vi tenerentur.” (n) Asconius in Cornelianam (p. 75 ed. Orelli) „Frequenter tum etiam coetus factiosorurn hominum sine publica auctoritate malo publico sieb ant: propter quod postea collegia Scto et pluribus legibus sunt subla-
Pisonianam (p. 7 ed. Orelli) qui ludi sublatis collegiis discussi sunt. Post novem deinde annos, quam sublata erant, P. Clodius trib. pl. lege lata restituit collegia.” (o) L. 1. 2. 3 de coli, et corp. (47. 22 ), L. 1 pr. quod cuj. un.
zeichnet mehr das Abstractum des mehrere Etym ologieen an, woraus B ild n ers, die Töpfer dagegen, de für die Sache erhellt, daß es Gast ren Z unft allerdings uralt war, m ahle mit' zusammengetragenen heißen figuli. V g l. P linius hist, nat. XXXV. 12). — Asconius in Speisen waren (Pickenicks).
(3 . 4 .). W enn eine solche ver suchte Verbindung m isbilligt und aufgelöst w ird, folglich als juri stische Person niem als entsteht, so können natürlich die M itglieder den zusammen gebrachten Fonds
17
258
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. 11. Personen.
ses Alles hat man nicht selten von einer allgemeinen A u f hebung
aller C orporationen verstanden;
allein Niemand
dachte d a ra n , z. B . die uralten Handwerkerzünfte, oder gar die Priestercollegien zu verbieten.
M an
meynte die
factiösen, politisch gefährlichen Clubbs, und fand vielleicht eine genauere Bezeichnung
des
verbotenen Gegenstandes
nicht nöthig, w eil ohnehin jeder w ußte, w ovon die Rede sey (p ).
E s hatten aber jene Regeln unsrer Rechtsquel-
lcn einen doppelten S in n , der n u r in den W o rte n nicht deutlich unterschieden w ird :
erstlich,
daß überhaupt
ein
V erein nicht ohne öffentliche Genehmigung zur juristischen Person w erde, und dieser,
noch in dem heutigen Recht
bestehende wichtige Rechtssatz ist ganz unabhängig von dem unschuldigen oder bedenklichen Character des V ereins: zwey-
wieder zurücknehmen, also unter sich vertheilen. L . 3 de coli, et
corp. pcrmittitur eis, cum dissolvuntur, pecunias commitnes, si quas habent, dividere” ... M i t Unrecht haben hieraus M a n che gefolgert, daß auch wenn eine Corporation wirklich bestanden habe, und nachher sich auflöse, ihrD erm ögen stelS unter die M i t glieder verlheilt werden müsse; in dem F all jener S te lle w ar blos die factische Vereinigung Einzel ner dissolvirt w orden, eine C or poration hatte niemals angefan gen. V g l. M a r e z o l l in G ro lmans und Löhrs M agazin B . 4 S . 207.
(?) Vgl. über das Geschichtli
che dieser Verbote D i r k s e n < 5 .3 4 - 4 7 . — Nach A ö c o n i u S (N o te n ) könnte man glauben, daß n u r einige wenige Collegieen von dem V e rb o t namentlich aus genommen, die übrigen alle auf gehoben worden wären. Z u buch stäblich ist das aber wohl nicht zu nehmen, denn es ist kaum denkb a r, daß irgend eine der alten Handwerkszünfte verboten seyn sollte, von den Societäten der Zollpächter ist e6 noch unw ahr scheinlicher, und von den P rie stercollegien (die doch auch unter den Buchstaben jener Erzählung fallen w ürden) ist eö völlig un denkbar.
§. 88. Juristische Personen. Geschichte. (Fortsetzung.) 2 3 9
tenö, daß ungenchmigte Vereine verboten und strafbar sind, und dieses geht n u r au f V ereine, die wirklich gefährlich sind, ober durch ihre Unbestimmtheit gefährlich werden können (wobey dann die juristische Persönlichkeit blos N e bensache ist), niem als au f blos gewerbliche Unternehmungen. Eine ähnliche N a tu r m it jenen Clubbs au s der Zeit der Republik hatten, wie es scheint, die weit neueren Collegia temiiorum, von welchen Folgendes gemeldet wird. Solche Vereine geringer Leute sollten zw ar gestattet seyn, jedoch n u r m it E iner Zusammenkunft in jedem M o n at, wozu denn auch monatliche B eyträge gegeben wurden. Niemand sollte in mehreren derselben zugleich M itglied seyn. Auch Sklaven konnten T heil nehmen, doch n u r m it E rlaubniß ihrer H erren (q). F ü r alle diese willkührlich gebildete Eorporationen gilt die gemeinsame Bem erkung, daß sie a ls Nachahmungen der Stadtgem einden betrachtet w erden, und gleich diesen Vermögen und V ertreter haben, welches eben d as W esen der juristischen Personen ausm acht (r ). — Unter ihnen ist (q) L. 1 pr. § 2. L. 3 § 2 de die durch ihr Vermögen (noch au coli, et corp. (4 7 . 22 ). — Un ßer ihrem Handwerk) hinreichende richtig li.it man mit diesen col- M ittel besaßen, die städtischen La legiis tem iiorum in Verbindung sten zu tragen. L. 5 § 12 de j. gebracht die R eg el, nach welcher immun. (äO. 6 ). (r) L. 1 tj 1 quod citj. un. die Im m unitäten, welche man chen Handwerkszunften ertheilt (). 4 ). „Q uibus autem perm iswaren, nur den ärmeren M itglie sum est corpus habere colle-. dern (ten u iorib u s) zu gut kom gii, so cietatis, sive cujusque alme» sollten, nicht den reichen. torius eorum nom ine, propri-
260
Buch
II. Rechtsverhältnisse.
Kap. II. Personen.
die schon oben ( § 8 6 ) bemerkte Verschiedenheit w ahrzu nehm en, daß einige au f bleibenden Bedürfnissen, ähnlich den Gemeinden, beruhten, wie die Pricstercollcgicn, ibe* curien, Handw erkszünfte: andere au f vorübergehenden B e dürfnissen und mehr willkührlichen Entschließungen, wie die Societates und Sodalitates. Über die Benennungen ist Folgendes zu bemerken. E i nige specielle Nam en (decuriae, societates, sodalitates) sind bereits angegeben worden. Zwey N am en aber sind ihnen allen gemeinschaftlich, und werden a ls solche abwechslend gebraucht: collegium und corpus, wie denn auch schon oben collegia templorum und collegia sodalitia nach gewiesen worden find (N o te a und k ). W enn zuweilen diese Ausdrücke unterschieden zu werden scheinen, so rü h rt d as blos daher, daß die einzelnen Corporationen nicht beide N am en abwechslend gebrauchten, sondern einen a u s schließend: welchen sie aber führten, das w a r ganz zu fällig. W enn also z. B . gesagt w ird: neque collegium neque corpus habere conceditur (N ote h ), so heißt das so viel: die willkührliche B ildung von Vereinen ist uner la u b t, sie mögen nun den Nam en collegium oder corpus führen wollen (s). Jed er dieser Ausdrücke also bezeichnet um est, ad exemplum Reipublicae, habere res communes, arcam eommunem, et actorem sive Syndicum, per quem, tarnquam in Republica, quod communiter agi ficrique oporteat, agatur, fiat.”
(s) L. 1 pr. § 1 quod cuj. un(3. 4.) (s. o. Note h ), rubr. tit. Dig. de collegiis et corporibus (47. 22.), L. 1 pr. § 1 L. 3 § 1. 2 eod., L. 17 Jj 3 L. 41 § 3 de excus. (27. 1.), L. 20 de reb. dub. (34. 5.), — Nach Stryk us.
§• 68. Juristische Personen. Geschichte. (Fortsetzung.) 261
eine willkührliche Corporation, mithin den Gegensatz gegen städtische Gemeinden (t). D ie einzelnen Mitglieder heißen, in wechselseitiger B e ziehung zu einander, collegae (u), auch sodales, welcher Name also eine allgemeinere Bedeutung und eine ältere Entstehung als sodalitas hatte (v); in absoluter Bedeu tung heißen ste collegiati und corporati (w). — B ey ein zelnen oben erwähnten Arten solcher Corporationen hei ßen die M itglieder Dccuriati, Decuriales (Note d), Socii (N ote h ). D er gemeinschaftliche Name für alle Corporationen, S tädte und andere, ist Universitas (x), und im Gegensatz m od. X LVII. 22 § 1 heißt corpus eine aus mehreren collcgiis
(x) ru b r.D ig .L ib .3 tit.4, L. 1 pr. §1 . 3 L . i L A § 2 eod, (iu L. 2 eit. vergl. S chulung notae in Dis:.). — E s ist nu r eine un
bestehende C orporation; dieser ganz unrömische Sprachgebrauch gründet sich au f den sehr zufäl ter den vielen Anwendungen die ligen Um stand, daß in unsren ses A usdrucks, der ja jede G e Universitäten der ganze S e n a t das sammtheit von Personen, Sachen corpus acauemicum heißt, die oder Rechten bezeichnet (§ 56. n), also auch ganz andere Begriffe als einzelnen Facultäten collegia. (t) L A §1 de quaest. (18.18.). den einer- juristischen Person. S o (u) L. 4 1 § 3 de excus. (27.1), z. B . bedeutet in L. 1 C. de ju daeis (1. 9.) die Universitas Ju F ragm . V atic . § 158. (v) S o die uralten Sodales daeorum in Antiochiensium ciTitii oder Tatii, dann die So vitate nur die G esam m theit der dales Augustales u. f. W. T a- einzelnen daselbst wohnenden J u den (universi Judaei), nicht eine citus ann. I. 54. — V gl. L. 4 de coli et corp. (47. 22.) , nach juristische P erso n; denn eine sol welcher S telle es scheint, daß auch che sollten sie ja gerade nach die schon die zwölf T afeln diesen A us ser S telle nicht bilden, und na mentlich sollte ihnen kein gülti druck enthielten. (w) L . un%C. de priv. corpo ges Legat gegeben werden kön rate (11. 14 ). L. 5 C, de com- nen. V gl. Z i m m e r n Rechtsgeschichte B . 1 § 130. merce (4. 63 ).
262
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
derselben heißt die natürliche P erso n , oder der einzelne M ensch, Singularis persona (y). III. S t i f t u n g e n , oder unsichtbare juristische Perso nen (§ 86). Seitdem die christliche Religion herrschend w nrde, kamen jene in der größten Ausdehnung und M a n nichfaltigkeit v o r , und wurden m it vieler Begünstigung behandelt. Einen gemeinsamen Nam en führen sie in den Rechtsquellcn nicht, und erst die Neueren haben dafür den Ausdruck pia corpora erfunden (z). Ilm ihr eigentliches W esen durch den Gegensatz klarer hervor treten zu lassen, w ird es zuträglich seyn, zuvor den Zustand des vorchrist lichen R om s zu betrachten. I n der früheren Zeit sind solche juristische Personen außerordentlich selten, und cs kommt davon n u r Folgen des v o r, welches sich lediglich au f religiöse Anstalten be zieht. Einige bestimmte G ötter hatten ausnahm sw eise das V orrecht bekommen, daß sie zu Erben eingesetzt werden durften (aa). D a ra u f ist cs denn auch ohne Zweifel zu beziehen, wenn gültige, einem Tem pel angewiesene, Fidei kommisse (b b ), und wenn Sklaven und Freygelassene, die (y) L .9 § 1 quodmetus (4.2 ). (z ) Diele derselben finden sich zusammen gestellt in L. 23 C. de SS. ecd. (1. 2 .) , L. 35. 46 C. de ep. et der. ( 1 . 3 ) . — Dgl. über
den frommen Zweck der Schen kung, nicht die juristische Person als D onatar.
allein dieser Ausdruck bezeichnet
(33. 1 ) .
(aa) U lpjan.XXII. §6. „Deos bered es instituere non possuhaupt M UHLENBRUCH T. 1 H 201. mus, praeter eos quos Scto, S c h i l l i n g Institutionen B . 2 eonstitutionibus Prineipum, in§ 4 9 . — Allerdings steht in L . 19 stitucre conccssum est: sicuti C. de SS. eccles. ( l. 2.) „dona- Jo vom Tarpejum ” etc. tiones super pus causis factae;’’ (bb) L. 20 § l de annuis leg.
C s war den Priestern
8- 88. Juristische Personen. Geschichte. (Fortsetzung.) 263
einem T em pel angehören, erwähnt werden, welches letzte jedoch vielleicht a ls ein allgem eines Recht aller Tem pel, unabhängig von jenen P rivilegien wegen der Testam ente, angesehen werden mochte ( c c ) . W ie ist nun diese Verschiedenheit der Zeiten in der Annahme und Behandlung solcher juristischen Personen zu erklären? G leichgültig gegen ihren Cultus waren die R ö mer in der vorchristlichen Z eit gew iß nicht; aber er w ar S ta a ts c u ltu s , und die Staatskasse deckte seine großen A usgaben; wie in R o m , eben so in jeder S ta d t des Reichs. E s konnte dafür noch besonders gesorgt seyn durch gewisse G üter des S ta a ts oder der S tä d te , deren E rtrag für solche fromme Zwecke bleibend angewiesen w a r , während das Eigenthum selbst dennoch dem S ta a t oder der S ta d t gehörte ( § 87. p). D a ß mit dem Chriund D ienern eines bestimmten Tem pels ein Fideicommiß gege ben; dieses wird für gültig er k lärt, und so ausgelegt: „ R c spondit ... Ministerium nominatorum designatum: ceterum
datum tem plo”
d eb en t h abent. H ab en t p le rique lib e rtin i a m unicipio m an u m issi; in quo, u t so eietatu m et fanorum sei'vi, non scrvaru n t p ro p o rtio n e ratio n em ." D ie übrige nicht geringe Schwie rigkeit d erS telle gehört nicht hier her. Vgl. auch Cicero divinat. in C aecil. C. 17. — G a r Nichts beweisen für die Verm ögensfähigkeit die allerdings sehr häufig er w ähnten G e s c h e n k e an G ö tte r; denn das so Geschenkte wurde ge. wiß meist consecrirt, stand also nun außer allem Eigenthum , und setzt daher gar nicht die Eigenthumsfähigkeit des so beschenkten
(cc) V arro de lingua la tin a L ib .S (s o n s t? ) C. 41. E r will beweisen, daß in der Sprache überhaupt keine Analogie beob achtet werde, und führt als B ey spiel an, daß manche Eigennam en von O rten abgeleitet seyen, a n dere gar nicht, oder doch nicht au f die rechte W ehe: „ a lii nom ina h a b c n t ab o p p id is; a lii a u t non h a b e n t, a u t n o n u t Gottes voraus.
264
Buch
II.
Rechtsverhältnisse.
Kap. II. Personen.
stenthum eine andere Ansicht geltend w urde, erklärt sich au s seiner Einheit und Selbstständigkeit, und besonders au s der weit größeren M ach t, die es über die Gem üther ausübte. — W a s aber die Anstalten der W ohlthätigkeit betrifft, so hatten diese zur Zeit der Republik weniger ei nen menschlichen, als einen politischen C h aracter; so der ungeheuere Aufw and, wodurch für die E rhaltung und das V ergnügen der geringen Klassen der E inw ohner, theils au s S taatsk assen, theils von den einzelnen Obrigkeiten, gesorgt wurde. W enn später von manchen Kaisern W ohl thätigkeit geübt wurde, wie von T ra ja n durch seine groß artige S tiftu n g für arm e Kinder in Ita lie n , so beruhte dieses a u f vereinzelter, vorübergehender persönlicher W illkühr. E s w ar dem Christenthum vorbehalten, die M en schenliebe an sich zu einem wichtigen Gegenstand der T h ä tigkeit zu erheben, und in dauernden, unabhängigen An stalten gleichsam zu verkörpern. Seitdem nun, unter der Herrschaft christlicher Fürsten, die kirchlichen In stitu te a ls juristische Personen auftreten, welches ist hier der P u n k t, wohin w ir die Persönlichkeit zu versetzen haben, oder wie haben w ir uns genau das S u b je c t der ihnen zustehenden Vermögensrechte zu denken? V o r Allem ist hierin folgender Gegensatz gegen die frühere Z eit unverkennbar. D ie alten G ötter w urden gedacht a ls individuelle Personen, ähnlich den einzelnen, sichtbar um her wandelnden M enschen; Nichts w ar natürlicher, a ls daß Jed er derselben sein eigenes Vermögen haben konnte,
§. 88. Juristische Personen. Geschichte. (Fortsetzung.) 265
und es w a r nur eine Fortsetzung desselben Gedankens, wenn auch der in einem einzelnen Tempel verehrte G o tt wieder eine besondere juristische Person vorstellte, ja selbst eigene Privilegien erhielt (äst). D ie christliche Kirche d a gegen beruht au f dem G lauben an Einen G o tt, und sie ist durch den gemeinsamen G lauben an diesen Einen G o tt und dessen bestimmte O ffenbarung zu E iner Kirche ver bunden. E s lag also sehr n ah e, diese Einheit auch au f die Verm ögcnsverhältniffe zu übertragen, und diese Auf fassung findet sich in ganz verschiedenen Zeitaltern, sowohl in der Lehre von Schriftstellern, a ls in dem G efühl und der Ausdrucksweise einzelner Urheber von Stiftungen. S o geschah es also ganz gewöhnlich, daß als Eigenthüm er des Kirchengutes bald Jesu s Christus, bald die allgemeine christliche K irche, oder auch deren sichtbares O b erhaup t, der P a b st, bezeichnet wurde. Allein bey genauerer B e trachtung mußte man sich überzeugen, daß au f dem, an sich nothwendig beschränkten, Rechtsgebiet diese Auffassung völlig unbrauchbar sey, und daß an ihre S telle die A n nahme individueller juristischer Personen, auch in Bezie hung au f das Kirchengut, gesetzt werden müsse. I n diesem S in n enthält schon ein Gesetz von Ju stinian folgende Bestimmungen (ee). W enn ein T estator J e sus Christus zum E rben einsetzt, so ist darunter die Kirche seines W ohnorts zu verstehen. Setzt er einen Erzengel (dd) UtPiAt». XXII. § 6 (ee) L. 26 C. de SS. eccles. (1. 2.); die Stelle ist nicht glossirt.
266
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
oder einen M ä rty re r zum Erben ein, so ist die demselben gewidmete Kirche des W oh no rts, oder (wenn sich da eine solche nicht findet) der H auptstadt der P rovinz als ein gesetzter E rbe gcmeynt. B leibt nach diesen Regeln eine Ungewißheit unter mehreren Kirchen ü b rig , so hat dieje nige den Vorzug, zu welcher der T estator in seinem Leben besondere Zuneigung zeigte, und wenn auch dieser Um stand nicht entscheidet, die ärmste unter jenen Kirchen. — S u b ject des Erbrechts ist also eine individuelle Kirchen gemeinde, das heißt die C orporation der zu dieser Kirche gehörenden Christen. Derselbe Grundsatz findet sich in den Schriftstellern ganz verschiedener Jah rhu nd erte: sowohl vor der R eform a tion (ff), a ls nach derselben; bey Katholiken (gg) eben so w ohl, a ls bey Protestanten (1). Diese erkennen gleichmäßig die individuelle Kirchengemeinde als In h a b e r des Kirchcnvcrm ögens a n , namentlich also bey den P farrg ü tern die (ff) Jo. F aber in Instit.§ Nul lius, de divis. rer um; Französi
communitatis, habet in ipsis rebus jus utendi ” Fr. S arscher Ju rist des vierzehnten J a h r mientus de ecelesiae reditibus P. 1 C. 1 N. 21 „. . . et haec hunderts. (eg) G onzalez T ellez in est opinio in glossis posita.” Deo’r. Lib. 3 Tit. 13 C. 2 „di- S arpi de materiis benesieiariis cendum est dominium rerum s. benef. ecclesiast. Jenae 1681. ecclesiasticarum residere pe- 16 p 91 — 9 3. S auter fund am. nes ecclesiam illam partioula- j. cooles, catholicorum P.5 Frirem cui talia bona applioata burgi 1816 § 834. 835. sunt pro dote ... Nec persona aliqua Singularis habet domi (hh) J.H. B öhmer Jus eccles. nium, sed sola communitas, per Protest. Lib. 3 Tit. 5 fj 29. 30, sona autem Singularis non ut Jus parochiale Sect.5 0 .3 § 3. talis, sed ut pars et membrum 4. 5.
§. 88. Juristische Personen. Geschichte. (Fortsetzung.) 267
Gesamm theit der Parochianen (H). S ie wollen dam it ab weisen die M eynung D erjenigen, welche entweder alles Kirchengut überhaupt der Universalkirche, oder das in je dem bischöfflichen S pren gel befindliche Kirchcngut dieser Diöcesankirche, a ls Gemeingut zuschreiben. S ie sühren gegen diese M eynung a ls entscheidend den G rund an , daß zwischen dem Pfarrvcrm ögcn zweyer Parochieen R echts verhältnisse aller A rt vorkommen können, namentlich E r werb und Verlust durch V erjäh run g, so wie die E rrich tung von P rädialservituten, welches n u r unter V o ra u s setzung von zwey gänzlich getrennten Vcrmcgensmassen möglich sey. — E s erhellt h ie rau s, daß der aufgestellte Rcchtssatz über den w ahren In h a b e r des Kirchenguts fei# nrsw egcs unter die unterscheidenden Lehren der Katholiken und Protestanten gehört; beide stimmen in dieser Jn d iv idualisirung des Kirchenguts überein, und die Differenz betrifft nur den B egriff und die Verfassung sowohl der ein zelnen Kirchen, a ls der Kirche im G roßen und Ganzen (kk). Eine ähnliche Bcw andniß, wie mit den kirchlichen I n stituten, hat es m it den sogenannten milden S tiftu ng en, das heißt m it den Anstalten bloßer W ohlthätigkeit, w o hin die D ersorgungshäuscr fü r A rm e, K ranke, P ilg er, (ii) über den eigentlichen B e- denheit geht die Äußerung von griff der Parochianen findet sich G. L. B öhmer princ. j. canon. eine sehr gründliche Untersuchung jj 190, in welcher also kein W i dey J. H. B öhmer J us paroch, derspruch gegen die von mir im Sect. 3 C. 2 § 4 § 9 — 25. Text behauptete Übereinstimmung der beiden Kirchenparteyen ent» (kk) A uf diese letzte Verschie- halten ist.
268
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
G reise, Kinder überhaupt, W aisenkinder insbesondere, ge hören (N o te z ). S o b a ld hier G rund vorhanden ist, die N a tu r einer juristischen Person anzunehmen, ist jede ein zelne Anstalt dieser A rt a ls eine solche Person zu betrach ten , wie es auch in der T h a t von den christlichen K ai sern geschieht. Jedes H ospital also u. s. w. ist In h ab er eines selbständigen V erm ögens, so gut a ls der einzelne Mensch oder eine C orporation, und es ist unrichtig, wenn manche Neuere das Vermögen jener Anstalten dem S ta a t, oder einer S tadtgem eindc, oder einer Kirche zuschreiben. D er allgemeinste G rund jener Verwechslung liegt aber in Folgendem. W enn der Einzelne Almosen g iebt, oder der S t a a t bey großer Thenrung mit seinen Kassen und M a gazinen zu H ülfe kommt, so ist das auch eine Thätigkeit zu jenen Zwecken, allein schon d as Einzelne und V orüber gehende der H andlung schließt den Gedanken an eine ju ristische Person völlig au s. W enn der S t a a t oder eine S ta d t bleibende M aaßregeln dieser A rt trifft, so haben diese vielleicht einen blos adm inistrativen, g ar nicht ju ri stischen, C haracter; dann ist immer nur von den« V er mögen des S ta a ts oder der S ta d t die R ede, von wel chem ein Theil zu solchen Zwecken willkührlich verwendet w ird, welches eben so willkührlich wieder abgeändert w er den kann. E s kann ferner auch ein Rechtsgeschäft zur G rundlage solcher Zwecke gemacht werden, ohne daß des halb eine juristische Person entsteht; wenn z. B . ein T e stator seinem Erben die Verpflichtung au flegt, so lange
§■
88. Juristische Personen. Geschichte. (Fortsetzung.) 269
er lebt, eine gewisse Summe in Almosen an bestimmten Tagen des J a h rs zu vertheilen, so w ird diese Bestimmung, gleich jedem anderen M o d u s , geschützt (§ 128. 1 2 9 ); eine juristische Person erscheint dabey g ar nicht,, vielmehr ist blos von dem Vermögen des E rb e n , und von einer dem Erben auferlegten Verbindlichkeit die Rede.
Endlich aber
kann allerdings auch die E rrichtung einer juristischen P e r son solchen Zwecken zum Grunde gelegt werden, und es w ird
gewöhnlich dadurch
eine höhere Sicherheit erreicht
seyn; w ovon diese E rrichtung abhängt, w ird sogleich näher bestimmt werden (§ 89). S tiftu n g
N u n pflegt man den Ausdruck
a u f ganz verschiedene Fälle der hier beschrie
benen A r t anzuwenden, und die Unbestimmtheit dieses A u s drucks hat unverkennbar die V e rw irru n g der B egriffe selbst sehr befördert.
Ic h
selbst habe hier den Ausdruck S t i f
tung gebraucht, jedoch nur um eine Klasse der juristischen Personen zu bezeichnen, also in der ausdrücklichen V o ra u s setzung,
daß
die S tiftu n g
zugleich auch
eine juristische
Person geworden sey. D te Constitutionen
der christlichen Kaiser
zeigen die
größte S o r g fa lt, jene milden Zwecke, in welcher Gestalt sse auch auftreten mögen, in Schutz zu nehmen, und von den Hindernissen zu befreyen, die ihnen in den W eg tre ten können. Dieses geschieht, indem sie a ls juristische P e r sonen anerkannt werden, w o n u r immer dazu V eranlas sung erscheint.
W ie es auch außer solchen Fällen ge-
270
Buch H. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
schieht, davon finden sich folgende entscheidende Beyspiele. W enn ein Testator die Armen überhaupt zu Erben oder Legataren ernannte, so w a r die Bestimmung ungültig w e gen der alten R egel des Römischen R ech ts, daß keine incerta persona bedacht werden könne; eine Verordnung V alentinians III. hob die R egel in dieser besonderen An wendung au f (II). Justinian erklärte ein solches T esta ment dahin, daß die Erbschaft dem A rm enhaus, welches der Testator besonders m cynte, in Ungewißheit hierüber dem Arm enhaus seines W ohnorts, unter mehreren Armen häusern dem ärmsten derselben, wo gar kein Armenhaus sey, der Kirche des W ohnorts zufallen solle, m it der V er pflichtung, Alles für die Armen zu verwenden; eben so, wenn die Gefangenen zu Erben eingesetzt w aren, sollte die Kirche des O r ts Erbe seyn, mit der Verpflichtung das ganze Vermögen zum Loskauf von Gefangenen zu verw en den (mm). H ier werden also die w ohlthätigen Absichten dadurch unterstützt, daß das Recht der Succession auf schon bestehende juristische Personen übertragen wird. A u ßerdem aber verordnete Ju stin ian , daß alle wohlthätige Verfügungen Verstorbener unter der besonderen Aufsicht der Bischöffe und Erzbischöffe stehen sollten, welchen also die S o r g e für die Ausführung allgemein übertragen w u r de (nn). E s w ar dieses eine Folge d avon , daß die Ar(11) L. 24 C. de episc. (1,3 ). (nn) L. 46 C. de episc. (1.3); (mm) L. 49 C. de episc. (1.3 ). diese Stelle ist ungloisirt.
8 88.
Zuristische Personen.
menversorgung a ls
Geschichte.
(Fortsetzung.)
271
ein wesentlicher und wichtiger T h e il
kirchlicher T hätigkeit anerkannt w a r. — Dieselben G ru n d sätze finden sich in Rechts.
den Bestimmungen
E s bildete sich hieraus
des
kanonischen
die Ansicht,
Vermögen der milden S tiftu n g e n unter
daß das
den allgemeinen
B e g riff des Kirchenguts (bona ecclesiastica) falle.
Diese
Bezeichnung hatte den zwiefachen S in n , daß dasselbe un ter dem E in flu ß und der Aufsicht der Kirchenobern stehe, und daß es an
den P riv ile g ie n
des Kirchenguts T h e il
nehme; keinesweges aber sollte dadurch die S elbständig keit der juristischen Personen dieser A r t verneint werden, und es ist ein M isverständniß neuerer Z e it, wenn man dem Ausdruck diese Deutung gegeben hat (oo).
D e r ent
scheidende B ew eis fü r die Richtigkeit dieser Behauptung ist derselbe, welcher oben fü r die individuelle Persönlich keit der einzelnen K irchen, insbesondere der Parochieen, geführt worden ist. durchaus fä h ig ,
Denn
auch
sowohl unter
milde S tiftu n g e n sind
einander,
a ls
m it dem
S ta a te , den S tä d te n , den K irchen, in so mannichfalti« gen Rechtsverhältnissen zu stehen, wie sie n u r unter V o r aussetzung juristischer Selbstständigkeit möglich sind. Sehen w ir hierin endlich a u f das heutige R echt, so hat sich die Grundansicht, nach welcher die milden S t i f (o o ) A u f diesem W ege ist R o ß -
chen, und ihr Verm ögen a l- V e r-
h i r t dazugekom m en, den m it-
mögen der Kirche anzusehen. A r
ven S tiftu n g e n die N a tu r ju ri-
chiv fü r civilistische P ra xis B . 10.
stischer Personen ganz abzuspre-
N u m . 13 S . 3 2 2 — 3 2 t. 327.
2 72
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
hingen zu betrachten sind, g ar nicht geändert; nur sind sie mannichfaltiger gew orden, und haben eben dadurch eine andere Stellung zum S ta a te eingenommen. Anstatt daß sie im Justinianischen Recht lediglich als M ittel er scheinen, die Armuth in ihren verschiedenen G estalten zu m ildern, sind sie seit dem M ittelalter großentheils au f die Befriedigung geistiger Bedürfnisse der verschiedensten A rt gerichtet. Schon dadurch mußte das ausschließende V er hältniß der S tiftungen zur Kirche, wie w ir es im Ju sti nianischen Recht wahrnehm en, sehr beschränkt werden. Allein auch das Armenwesen ist zu einer wichtigen und ausgebildeten Thätigkeit des S ta a ts gew orden, so daß selbst der d arauf gerichtete T heil der S tiftungen eine an dere S tellun g gegen S t a a t und Kirche eingenommen hat, als die welche in der Justinianischen Gesetzgebung erscheint. A us diesem Allen geht hervo r, daß auch im heutigen Recht die milden S tiftu ng en eben so individuelle juristi sche Personen bilden, wie die (Korporationen; daß es aber irrig w ä re , sie selbst a ls (Korporationen anzusehen, oder auch die den Corporationen angemessenen Einrichtungen schlechthin au f sie anwenden zu wollen. IV . F i s c u s . — Z u r Zeit der Republik wurde der S t a a t , a ls In h ab er von Verm ögensrechten, durch den Nam en aerarium bezeichnet, indem sich alle jene Rechte, insoweit sie in den lebendigen Verkehr fielen, zuletzt in Einnahm en oder Ausgaben der S taatskasse auflösten.
§. 88. Juristische Personen. Geschichte. (Fortsetzung.) 273
Gleich bey dem Anfang der Kaiserregierung wurde zwi schen dem S enat (a ls Vertreter der alten Republik) und dem Kaiser eine Theilung der Provinzen, und zugleich der wichtigsten Einnahmen und Ausgaben des S ta a ts vor genommen. D as Senatsvermögen behielt den alten N a men aerarium, das Vermögen des Kaisers (pp) wurde fiscus genannt, welche Benennung folgenden Ursprung hatte. Ursprünglich hieß fiscus ein K orb, ein Behältniß von Flechtwerk, und da die Römer Körbe gebrauchten, um größere Geldsummen aufzubewahren und zu transportiren, so wurde der Name auf jede Kasse übertragen, und so hieß auch des Kaisers Kasse: Caesaris fiscus. Weil aber nun von diesem fiscus häufiger als von jedem an dern die Rede w ar, so gebrauchte man bald auch den bloßen Namen fiscus als Bezeichnung der Kaiserlichen Kaffe. Und als sich nach nicht langer Zeit alle Gewalt in dem Kaiser concentrirte, so hieß nun fiscus das in des Kaisers Händen wieder vereinigte Staatsverm ögen, das heißt der Ausdruck nahm nun dieselbe Bedeutung an, welche ursprünglich das W ort aerarium gehabt hatte (qq). (pp) Nämlich dasjenige Ver mögen, welches er als Kaiser hatte, wovon sein Privatvermö gen (res privata Principis) noch verschieden war. (qq) Die Verschmelzung der beiden öffentlichen Kaffen zu ei ner einzigen geschah wahrschein li.
lich allmälig, und ist wenigstens chronologisch nicht genau nachzu weisen. B is auf Hadrian wird noch Sache und Name genau un terschieden. T acitus ann. VI. 2. Pi.ir.ius panegyr. C. 42. Spartianus Hadrian. C. 7. Und doch nennt schon ein Sc. unter H a 18
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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
drian den FiscuS, da wo man de fatsis (48. 1 0 .), L. 3 C de bestimmt das Ärarium erwarten quadr. praescr. (7.37.). — Merk möchte, nämlich bey dem Reckt würdig ist in der Rubrik von Pau auf caduca. L. 20 § 6 de pet. lus V. 12 die Erwähnung des al her. (5. 3 ). Späterhin werden ten Gegensatzes: de jure fisci et beide Ausdrücke mit willkührli- populi; nur folgt daraus nicht, cher Abweckslung gebraucht, um daß zu seiner Zeit noch eine reelle die einzige öffentliche Kasse, die Trennung beider Kassen eristirt des K aisers, zu bezeichnen. § 13 hätte, vielmehr konnte er diesen J. de usuc. (2. 6 .) , L. 13 pr. Ausdruck auch mit bloßer Hin§ 1. 3. 4 L. 15 § 5 de j.fis c i stcht auf die frühere Zeit ge (49. 14.), L. 1 § 9 ad L. Com. brauchen.
§• 89. Juristische Personen. Entstehung und Untergang. 275
§. 89. Juristische Pe rsonen. — Entstehung und Untergang.
Nicht bey allen juristischen Personen ist eine positive Regel über die Bedingungen ihrer rechtsgültigen Entstehung nöthig. D ie meisten Gemeinden sind so a lt, ja älter als der S t a a t (§ 8 6 ), und die späteren werden stets durch einen politischen Akt gegründet (nach R . R . durch die coloniae deductio), nicht nach einer privatrechtlichen Regel. Auch bey dem F iscu s wird Niem and nach der A rt seiner Entstehung fragen. B ey den übrigen aber ist es R egel, daß sie nicht durch die bloße W illkühr mehrerer zusammentretenden M itglieder, oder eines einzelnen S tif te r s , den C haracter juristischer Personen erhalten können, sondern daß dazu die Genehmi gung der höchsten G ew alt im S ta a te nöthig ist, welche nicht n ur ausdrücklich, sondern auch stillschweigend, durch wissentliche D uldung nnd thatsächliche Anerkennung, ertheilt werden kann. Dieser S atz ist allgemein: d as V erbot und die S trafbark eit des Versuchs, ungenehmigte juristische Personen zu gründen, ist nicht so allgemein, sondern geht n ur a u f gewisse Arten derselben, namentlich nicht a u f ge werbliche Genossenschaften und a u f S tiftungen (§ 88. o). F ü r die collegia insbesondere, d as heißt für die willkührlichen C orporationen (§ 88), gilt die Regel, daß drey M it18*
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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
glieder dazu erforderlich sind (a). D as hat jedoch lediglich den S in n , daß sie nur unter Voraussetzung einer solchen Zahl anfangen können: denn fortdauern kann jede einmal gegründete universitas auch noch in einem einzigen M it glied (b). Die hier aufgestellte Behauptung, daß keine juristische Person ohne den genehmigenden Willen des S ta a ts ent stehen könne, ist jedoch in neuerer Zeit von mehreren S e i ten angefochten worden. Zw ar für die Corporationen hat man sie zugegeben, theils wegen mancher Stellen des Rö mischen Rechts, theils wegen der möglichen G efahr, die dem S ta a t durch die willkührliche Bildung von Corpora tionen entstehen könne. Dagegen ist sie bestritten worden für die milden Stiftungen, aus folgenden Gründen. Erst lich weil schon das Römische Recht die willkührliche Er(a) L. 85 de V. S. (50. 16.) „Neratius Priscus tres facere existimat collegium: et hoc magis sequendum est.” E s giebt
magis admittitur, posse eum et convenire et conveniri: cum jus omnium in unum reciderit, et stet nomen universitatis.” —
wenige Aussprüche des R . R ., die so sehr auch unter Nichtjuristen in U m lauf gekommen sind wie dieser. — Eben so wurde auch unter familia in der R egel nur eine Anzahl von wenigstens drey S klaven verstanden (L . 40 § 3 de V. S. 50. 46), ausnahm sweise aber galt bey dem Int de vi („aut familia tua dejecit”) auch schon ein einziger S k lave als fa
Also die juristische Person dauert in einem solchen Fall fort, und behält sogar ihren N a m en , es wird daher keinesweges d asC orporationsverm ögen nunmehr P r i vatvermögen des einzigen übrigen M itg lied es; das Besondere (w or auf jene S te lle aufmerksam m a chen will) liegt nur d arin, daß dieser Einzelne jetzt ohne W eiteres im Prozeß auftreten kann, ohne der künstlichen V ertretung durch einen aetor oder Synd icu S zu bedürfen.
milia. L. 1 § 17 de vi (43.16.). (b) L 7 §2 quod cuj. un. (3.4.) universitas ad unum redit,
§. 89. Juristische Personen.
Entstehung und Untergang.
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richtung solcher In s titu te durch den P riv a tw ille n zulasse, zweytens w e il Anstalten dieser A r t durchaus löblich und ungefährlich seyen; und zw ar nim m t man diese freye W illkühr nicht blos fü r Armenanstalten in Anspruch, sondern auch fü r alle auf geistige E ntw icklung abzweckende S t i f tungen (c).
D a s Römische Gesetz kann hier nicht entschei
den, theils w e il es unglossirt ist ( d ) , theils w eil es blos von S tiftu n g e n fü r die Kirche oder die Armen redet, und die Aufsicht und Genehmigung der Kirche voraussetzt, deren V erhältniß zu den S tiftu n g e n aber im heutigen Recht ein ganz anderes geworden ist (§ 88).
D e r zweyte G ru n d fü r
jene freye P riv a tw illk ü h r w ird in folgender Betrachtung seine E rledigung finden.
D ie Nothwendigkeit der S ta a ts
genehmigung zur Entstehung jeder juristischen Person hat, unabhängig von politischen Rücksichten, einen durchgreifen den juristischen G rund.
D e r einzelne Mensch trä g t seinen
Anspruch a u f Rechtsfähigkeit schon in seiner leiblichen E r scheinung m it sich: w eit allgemeiner als bei den R öm ern, deren zahlreiche S klaven eine so wichtige Ausnahme b il deten.
D urch diese Erscheinung weiß jeder Andere, daß
(c ) Diese M eyn u n g ist beson ders, bey Gelegenheit des Rechts streits über da- Stadelsche Kunstinstitut in F ra n k fu rt a. M . , von den Vertheidigern dieses In s titu ts aufgestellt worden. Gegen dieselbe hat damals M ü h l e n b r u c h (B e urth. des Städelschen BeerbungsfalleS, Halle 1828) die richtige Lehre von der Entstehung ju r i
stischer Personen in Schutz genommen. Übrigens war dieses n u r E in M o m e n t in der B e u r theilung jenes Rechtsfalles; die übrigen M om ente gehören eben so wenig hierher, als das Resultat derselben. (d ) E s ist die unglossirt« L .4 6 C. de episc. (1. 3 .).
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Buch II. Rechtsverhältnisse.
Kap. II. Personen.
er in ihm eigene Rechte zu ehren, jeder R ichter, daß er in ihm solche Rechte zu schützen hat.
W ird nun die natürliche
Rechtsfähigkeit des einzelnen Menschen durch F ictio n a u f ein ideales S u b je ct übertragen, so fehlt jene natürliche B e glaubigung gänzlich; n u r der W ille der höchsten G e w a lt kann dieselbe ersetzen, indem er künstliche Nechtssubjecte schafft, und w ollte man dieselbe M a ch t der P riv a tw illk ü h r überlassen, so würde unvermeidlich die höchste Ungewißheit des Rechtszustandes entstehen, selbst abgesehen von dem großen M is b ra u c h , der durch unredlichen W ille n möglich wäre.
Z u diesem durchgreifenden juristischen G ru n d treten
aber noch politische und staatswirthschaftliche G ründe hinzu. D ie mögliche Gefährlichkeit der (Korporationen giebt man zu; allein die S tiftu n g e n , in der eben erwähnten Ausdeh nung, sind keinesweges unbedingt heilsam und unbedenklich. W enn eine reiche S tiftu n g zur Verbreitung staatsgcfährlicher, irreligiöser, sittenloser Lehren oder Bücher gemacht w ü rde, sollte der S ta a t diese dulden? (e) E rrichtung
von Armenanstalten
dürfte
J a selbst die
nicht unter allen
Umständen der bloßen W illk ü h r zu überlassen sein. z. B . in einer S ta d t,
W enn
deren Armenwesen w o h l geordnet
und hinreichend d o tirt ist, ein reicher T esta to r, aus m is(e ) Z n unseren Tagen w ird Niem and sagen, daß dergleichen unmöglich sey. Es gab reiche Leute unter den S a in t- S im o n isten, und warum sollte nicht E iner derselben auf den Gedanken kommen, eine große S tiftu n g zur
Beförderung seiner Lehre zu machen? Vielleicht war es niemals n ö thig, durch Gesetz oder Richteram t gegen solches Treiben zu kämpfen; aber gewiß sollte doch nicht der S ta a t seine M acht zur Beförderung desselben herleihen.
§. SS. Juristische Personen. Entstehung und Untergang.
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verstandener W o h lth ä tig k e it, eine S tiftu n g von Almosen spenden machte, wodurch die heilsamen Folgen der öffent lichen Arm enanstalt
gestört und
geschwächt w ürden,
so
hätte wenigstens der S ta a t keinen G ru n d , dieser S tiftu n g , durch E rtheilung der Rechte einer juristischen Person, g rö ßere Konsistenz zu geben.
H ierzu kommt nun, selbst bey
unschädlichen S tiftu n g e n , die Rückstcht a u f die vielleicht übertriebene Vermehrung des Vermögens in todter H and. A llerdings kann eine solche Vermehrung auch in Beziehung a u f schon bestehende und
genehmigte
S tiftu n g e n
S ta t t
finden; allein eine Aufsicht d a ra u f w ird ganz unmöglich, wenn es unbedingt der P riv a tw illk ü h r überlassen bleibt, stets neue zu errichten. Eben so kann die Auflösung der einmal begründeten j u ristischen Personen nicht durch die W illk ü h r der gegenwär tigen M itg lie d e r allein, von deren Daseyn ja die juristische Person selbst unabhängig ist (§ 8 6 ), bestimmt werden, son dern es ist auch dazu die Genehmigung der höchsten Ge w a lt nöthig.
Dagegen können sie durch den einseitigen
W ille n des S ta a te s , w ider den W ille n der M itg lie d e r, aufgehoben
werden,
wenn
sie der Sicherheit oder dem
W o h l deö S ta a te s nachtheilig werden.
Dieses kann ge
schehen bey ganzen K laffen von Korporationen, deren T h ä tigkeit eine gefährliche Richtung genommen h a t,.a ls o ver mittelst einer gesetzlich aufgestellten allgemeinen Regel (§ 8 8 ): außerdem aber auch durch einen politischen A k t, also in einem einzelnen vorübergehenden F a ll, ohne bleibende R e-
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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. H. Personen.
gel (f). — Bey solchen Stiftungen, welche die Natur von Staatsanstalten haben ( § 8 8 ) , kann die Aufhebung noch weit mehr nach freyem Ermessen geschehen; nämlich nicht blos weil sich etwa die bestehende Anstalt gefährlich oder schädlich erwiesen hat, sondern schon deshalb, weil der allgemeine Zweck in der Form einer neuen Anstalt voll ständiger erreicht werden kann. A us der oben aufgestellten Regel, daß jede Corporation auch in einem einzigen M itglied fortdauern k önne (Notel>), folgern Manche ganz irrig, daß der Tod aller Mitglieder die Corporation nothwendig auflösen müsse; wo ihr ein dauernder Zweck, von öffentlichem Interesse, zum Grund liegt (§ 8 8), muß dieses durchaus verneint werden. Wenn z. B . in einer S tad t durch Seuchen alle M itglieder einer Handwerkszunft kurz nach einander hinsterben, so wäre es sehr irrig, die Zunft für erloschen, und ihr Vermögen für herrenlos oder für S ta a tsg u t zu halten. Allerdings sind die hier aufgestellten Regeln über den Anfang und das Ende einzelner juristischer Personen nicht ganz ausreichend, allein diese Unvollständigkeit ist in der N atur des Gegenstandes selbst gegründet. Alles w as mehr in das Einzelne eingeht, hängt mit der Verfassung und den Verwaltungsformen der einzelnen Staaten zusammen, und liegt.also außer den Gränzen des bloßen Privatrechts. (f) L. 21 quib. modis ususfr. (7. 4.) „Si ususfructus civitati legetur, et aratrum in eam inducatur, civitas esse desinit,
ut passa est Carthago: ideoque quasi morte desinit habere usumkruclum."
5. 90. Juristische Personen. Rechte.
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§• 90 . J u r is tis c h e P e r s o n e n . — R echte.
D ie Rechte der juristischen Personen sind von zweyerley Art. Einige betreffen das W esen derselben, so daß sie überhaupt nur juristische Personen sind, dadurch daß sie die Fähigkeit zu diesen Rechten haben. Andere, von mehr zufälliger und positiver A rt, bestehen in besonderen Begünstigungen (jura singularia), welche manchen juristi schen Personen verliehen sind: und zwar theils den juri stischen Personen selbst, für die ihnen zugehörenden Rech te (a), theils den einzelnen M itgliedern derselben (b). Diese Begünstigungen hier zusammen zu stellen, würde wenig be lehrend seyn, da sie nur iu Verbindung mit den R echts instituten, w orauf sie sich a ls einzelne Ausnahmen bezie (a) Dahin gehören die zahlrei chen Vorrechte des Fiscus, z. B. dessen stillschweigende und selbst privilegirte Generalhypothek, fer ner die Stellung der S tadtge meinden mit ihren Forderungen in der vierten Klasse der Concurscreditoren, eben so der An spruch auf allgemeine Restitution, den das R . R . den Stadtgem ein den giebt, das neuere Recht aber viel weiter ausdehnt. (b) S o haben nach R . R . die einzelnen M itglieder mehrerer gemeinnühlicher Corporationen manche Im m unitäten, besonders
die excusatio von Vormundschaf ten. L. 17 §2 L. 41 § 3 de cx~ cus. (27. 1.). F ragm. V aticana § 124 § 233 — 237. - L. 5 § 12 de j. immun. (50. 8 .).— U lpian. III. § 1. 6. — Wie sich aber im
späteren Reich so Vieles kasten mäßig ausbildete, so auch diese Corporationen. Die Theilnahme an denselben wurde zu einem erb lichen Recht, zugleich aber auch zu einer erblichen Verpflichtung, auf ähnliche Weise wie die Theil nahme an der städtischen Curie. L. 4 C. Th. de privil. corpor. (14. 2 .), tit. C. Th. de pistor. (14. 3.).
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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
hen, richtig verstanden werden können.
Dagegen ist fü r
die Darstellung der regelmäßigen Rechte hier die richtige, ja die einzig mögliche S telle. D en rechten S tandpunkt fü r diese regelmäßigen Rechte giebt aber der B e g riff der juristischen Personen selbst (§ 8 5 ), a ls
vermögensfähiger
Rechtssubjecte.
Vermögens
rechte nämlich können, abgesehen von besonderen F am ilienverhältnisscn und einigen einzelnen minder wichtigen Fällen, nicht von selbst entstehen, sondern n u r durch Handlungen erworben werden (e).
A llein Handlungen setzen ein den
kendes und wollendes Wesen, einen einzelnen Menschen, vo ra u s, w as eben die juristischen Personen a ls bloße F ik tionen nicht sind. Und so erscheint hier der innere W id e r spruch eines der Vermögensrechte fähigen S u b je c ts , w el ches doch die Bedingungen zum E rw e rb derselben nicht er füllen kann.
E in ähnlicher W iderspruch (w ie w o h l in ge
ringerem G rade) findet sich auch bey vielen natürlichen Personen, insbesondere bey Unmündigen und W ahnsinni gen; denn auch diese haben die ausgedehnteste Rechtsfä higkeit
neben gänzlicher
Handlungsunfähigkeit.
Überall
nun, w o sich dieser Widerspruch findet, muß er durch eine (c) D ie necessarii heredes er werben die Erbschaft, also V e r mögen, ipso ju r e , ohne ih r Z u th u n ; alle andere Erbschaften wer den n u r durch den W ille n des E r ben erworben. Eben so kann E i genthum zwar erweitert werden ohne Z uthun des Eigenthümers (durch sogenannte accessio), aber
nicht zuerst begründet. Desglei chen ist die regelmäßige, fü r den Verkehr wichtige, Erwerbung von Schuldford-erungen nur durch den W illen des Creditors möglich; wo sie ohne den W ille n vor sich geht, wie dmch erlittene Rechtsverletzun gen, da ist die Erwerbung meist be denklich und unwillkommen.
§. 90. Juristische Personen. Rechte.
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V e r t r e t u n g , a ls künstliche A nstalt, aufgelöst werden. Dieses geschieht bey den handlungsunfähigen natürlichen Personen durch die Vorm undschaft; bey den juristischen Personen geschicbt es durch ihre V e r f a s s u n g . W enn aber hier die natürliche Handlungsunfähigkeit der juristischen Personen, als G rund eines nothwendigen künstlichen S u rro g a ts , behauptet worden ist, so ist dieselbe ganz buchstäblich zu nehmen. M anche haben sich die S ache so gedacht, als w äre die gemeinschaftliche H andlung aller einzelnen M itglieder einer C orporation in der T h a t die H andlung der C orporation selbst, und ein S u rro g a t würde blos nöthig durch die große Schwierigkeit, alle M itglieder zum gemeinsamen W ollen und H andeln zu vereinigen. S o ist cs aber in der T h at nicht; vielmehr ist die T o ta litä t der M itglieder von der C orporation selbst ganz verschie den (§ 8 6 ) , und selbst wenn alle Einzelne, ohne A usnabme, gemeinschaftlich handeln, so ist dieses nicht so an zusehen, a ls ob das ideale W esen, welches w ir die ju ri stische Person nennen, gehandelt hätte (vg l. § 9 1 . q, § 9 3 . b und h). D ie Corporation ist einem Unmündigen zu ver gleichen; die Vormundschaft derselben führen in der Uni versitas ordinata (§ 86) die künstlich constituirten G ew al ten, in der inordinata die gegenwärtigen M itglieder. Diese letzten sind also mit der C orporation selbst eben so wenig identisch, a ls der Vormund m it seinem Pupillen. Demnach wird der G ang der folgenden Untersuchung dieser seyn müssen. E s ist zuerst von den Rechten selbst
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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
zu reden, dann von der Verfassung der juristischen P er sonen. Für diese letzte aber muß gleich hier der wahre Gesichtspunkt festgestellt werden. Die Verfassung, insofern sie die juristischen Personen als solche, d. h. als Inhaber von Privatrechten betrifft (denn sie hat oft auch ganz an dere, und zum Theil wichtigere Zwecke), ist lediglich dazu vorhanden, um die zum Vermögensverkehr unentbehrlichen Handlungen vertretungsweise möglich zu machen, das heißt diejenigen Handlungen, welche dazu führen, Vermögen zu erwerben, zu erhalten, zu benutzen, oder in seinen Be standtheilen zu verändern. Indem nunmehr die einzelnen Vermögensrechte, als den juristischen Personen zugänglich, dargestellt werden sollen, ist nur noch ein wichtiger gemeinsamer Grundsatz anzu geben, der allerdings schon aus dem Begriff der juristi schen Person folgt, darum aber nicht weniger verkannt werden kann. Alle diese Vermögensrechte beziehen sich nur ganz und ungetheilt auf die juristische Person als Einheit, mithin (w o von Corporationen die Rede ist) keinesweges theilweise auf die einzelnen Mitglieder derselben. Dieser Grundsatz wird erst in der Anwendung auf einzelne Arten der Rechtsverhältnisse seine volle Anschaulichkeit erhalten können.
§. 91. Juristische Personen. Rechte. (Fortsetzung.)
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§. 9 1 . J u r istisc h e P e r so n e n . — R echte. (Fortsetzung.)
I. E ig e n th u m . Juristische Personen können Eigenthum an Sachen aller Art haben (a). S ie konnten es sogar, selbst nach dem strengen alten Recht, durch feyerliche Handlungen, z. B . durch M ancipatio«, erwerben, vorausgesetzt daß sie dabey durch einen bereits in ihrem Eigenthum befindlichen S k la ven vertreten wurden (b). — Dieses Eigenthum bezieht sich, so wie jedes ihrer Rechte, ungetheilt auf die juristische Person als Einheit, und die einzelnen Mitglieder haben daran keinen Theil ( § 3 ad Sc. Treb. 36. 1 . , L 5 C. de j. delib. 6. 3 0 ); eigenes H andeln aber ist fü r eine S ta d t unmöglich, weil sie überhaupt nu r eine fingirte oder ideale Existenz hat, also nicht die natürliche H andlungsfähigkeit eines Menschen (quoniam incer tum corpus est), so daß die zum Erw erb der hereditas nöthigen
vollbracht werden können. (Über diese Ei klärung des universi vgl. 8 90. § 91. t und unten N ote h). — G ewöhnl ch versteht m an das incertum corpus von einer incerta persona, und das neque .. universi.. possint von der Un möglichkeit, alle B ü rg er zu einem solchen Zweck zusammen zu brin gen. Diese Erklärung aber ist aus folgenden G ründen zu ver werfen. Erstlich würde Ulpian dann zwey G ründe als identisch behandeln, die doch in der T h a t ganz verschieden w ären. Zweytens ist es nicht richtig, Corporationen als incertae personae anzusehen (s u. N ote q). D rit tens ist auch die Unmöglichkeit, alle einzelne B ü rg er zu einer sol chen H andlung zusammen zu brin gen , bey einer S ta d t von m äßi gem Umfang gar nicht vorhan den, und bey einer bedeutenden Erbschaft würden sie leicht Alle erscheinen, ohne daß auch n u r E iner fehlte.
302
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
— A usnahm sw eise erlaubte den S täd ten ein S cn atu scon snlt, von ihren Freygelassenen zu Erben eingesetzt zu w er den und diese hereditas (ohne Rücksicht au f die erwähnte Bedenklichkeit) auch zu erwerben (c); es w ar dieses nur eine natürliche Entwicklung des für diesen F a ll zugelasse nen Jntestaterbrcchts, welches ohne die Zulassung der E rb einsetzung ganz inconsequent geblieben wäre. — Erst K . Leo erlaubte im I . 4 69 ganz allgem ein, die Stadtgem einden zu Erben einzusetzen (d). Andere Corporationen (collegia, corpora) waren gleich falls der Erbeinsetzung in der R egel u n fäh ig, und nur einzelne unter ihnen waren durch individuelle P rivilegien für fähig erklärt worden (e). E ine allgemeine gesetzliche B efähigung derselben hat niem als stattgefunden. D a g e gen muß auch bey ihnen, au s gleichem Grunde w ie bey den S tä d te n , angenommen w erden, daß sie von ihren ei genen Freygelassenen zu Erben eingesetzt werden durften, sobald sie das Jntestaterbrecht an deren Vermögen erlangt hatten. — W enn nun in den Digesten bald von S tä d ten , bald von anderen Corporationen Fälle erwähnt werden, in welchen sie zu Erben rechtsgültig eingesetzt, daneben aber mit Legaten oder mit der fideicommissarischen Restitution der Erbschaft belastet w aren , so sind dabey stets Testamente der Freygelassenen solcher Corporationen voraus zu setzen (k). (c) U lpian. XXII. § 5, L, un. § 1 de Hbertis uniners. (.'58. 3.). ( im
C rim inalrecht
Tödtung eines nicht vitalen Kindes
irgend
bey der
eine S tra fe
(wenngleich nicht die ordentliche S tra fe der T ö d tu n g ) ein treten lä ß t, der ist offenbar inkonsequent.
Im
C rim in a l
recht nun hat die Untersuchung aus zwey Gründen eine besondere Wendung genommen.
Erstlich
wegen des in
der C arolina vorkommenden Ausdrucks der Gliedmäßigkeit
(art. 1 3 1 ),
welchen man sehr häufig von der V ita litä t
verstanden hat.
Zweytens w e il man Gründe zu haben
glaubte, den eigentlichen K inderm ord (d . h. die von der M u tte r unter gewissen Umständen verübte T ödtung) von anderen Tödtungen zu unterscheiden, und gelinder zu be handeln; daher wurde besonders auch die mangelnde V i ta litä t benutzt,
«m von der M u tte r die S tra fe abzuwen
den, zugleich aber versäum t, die Frage auch fü r andere Fälle der Tödtung neugeborener K inder (z. B . durch die G eburtshelferin) zu beantworten.
D a ß neuerlich manche
Crim inalisten die V ita litä t von einem bestimmten Z eitraum unabhängig machen w o llte n , ist nicht a ls etwas Besonde res zu betrachten, da auch im C ivilre ch t, wie oben be-
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Beylage III.
merkt, der Zeitraum uur scheinbar, und das ärztliche Ur theil allein das wirkliche Moment ist. Im Einzelnen haben sich die Meynungen der Criminalisten so gestellt: D as eine Extrem geht dahin, die Le bensfähigkeit als einen wesentlichen Bestandtheil des Cor pus delicti anzunehmen, so daß bey dem Mangel dersel ben alle Strafe wegfallen müsse. S o lehrt F e u e rb a c h , jedoch nur bey dem eigentlichen Kindermord, und nur we gen des Ausdrucks der Carolina (o): wie er andere, ähn liche Fälle behandeln würde, läßt sich nicht ersehen. Auf die äußerste Spitze getrieben ist diese Meynung von M itte r m a ie r (p). Ihm sind lebensunfähig alle, die ihr Le ben nicht lange fortsetzen können, mag dieses von frühzei tiger G eburt, oder von organischen Fehlern herrühren: er rechnet dahin auch solche, die in einzelnen, von ihm selbst angeführten Fällen ihr Leben auf Vier, ja auf Zehen Tage wirklich gebracht haben: jedes Kind dieser Art kann nicht „ein wahrhaft lebendiges genannt w erden," es hat nur „Erscheinungen eines scheinbaren Lebens:" „hier ist „es gewiß, daß ihm kein Leben geraubt wurde." Dieser Lehre, die sich gar nicht auf den eigentlichen Kindermord beschränkt, ist innerer Zusammenhang nicht abzusprechen; aber ich muß zweifeln, ob sich Mittermaier die sehr weit reichendr praktische Consequenz derselben deutlich gedacht (o) Feuerbach §237. ), und in derselben Bedeutung muß nun auch das W ort Status in der Defi nition der c. d. als einer Status mutatio verstanden wer den ( c ) , denn sonst würde ganz unrichtig auch dem Sohn, dessen Vater stirbt, eine c.