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German Pages 365 [384] Year 2018
Stefanie Rudolf Syrische Astrologie und das Syrische Medizinbuch
Science, Technology, and Medicine in Ancient Cultures
| Herausgegeben von Markus Asper Philip van der Eijk Markham J. Geller Heinrich von Staden Liba Taub
Band 7
Stefanie Rudolf
Syrische Astrologie und das Syrische Medizinbuch |
ISBN 978-3-11-056364-1 e-ISBN (PDF) 978-3-11-056573-7 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-056526-3 Library of Congress Control Number: 2018935089 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: PTP-Berlin, Protago-TEX-Production GmbH, Berlin Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Danksagung Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen des Topoi-Exzellenzclusters der Freien Universität Berlin. Die Interdisziplinarität des Arbeitsvorhabens bestätigte sich im Laufe ihrer Abfassung gleich zweifach, indem nicht nur das Promotionsfach (von Judaistik zu Semitistik), sondern auch die Zugehörigkeit zu einem Forschungsbereich des Clusters (von der Research Group E-CSG-III Spread of Knowledge zur Research Group D1 Space of Nature) wechselte. Diese Uneindeutigkeit, welche dem kompilatorischen Charakter des Quelltextes geschuldet ist, brachte auch etliche Vorteile mit sich: Während meiner dreijährigen Unterstützung durch Topoi und der immer noch anhaltenden Unterstützung durch meine beiden Doktorväter hatte ich die Möglichkeit in viele Teildisziplinen einzutauchen, besonders zu nennen sei hier die Medizingeschichte und Wissensgeschichte im Allgemeinen, die Astronomie, die Theologie und Religionswissenschaft, welche meine eher linguistisch-philologische Ausbildung bereicherten. Das Stipendium ermöglichte mir nicht nur, mich ohne eine Nebenbeschäftigung ganz auf die Arbeit konzentrieren zu können, sondern auch einige Forschungs- und Konferenzreisen. Im Nachhinein erst sind mir die Vorteile eines wissenschaftlichen Netzwerks, wie es von Topoi geboten wurde, in vollem Maße klar und unverzichtbar geworden. Ohne den regen Austausch mit Kollegen und ihre Ermutigungen hätte die Arbeit niemals den jetzigen Stand erreichen können. Ich möchte mich zuallererst bei Prof. Shabo Talay und Dr. Bogdan Burtea bedanken, die mir nicht nur mit inhaltlichen Diskussionen, sondern auch bei der Konzeption und Fertigstellung der Arbeit eine große Hilfe waren. Zahlreichen Diskussionen mit Dr. Cale Johnson, Dr. Maddalena Rumor, Dr. Nethanel Anor und Lidewij van de Peut, Dr. Siam Bhayro, Dr. Michael Güterbock und Dr. Jürgen Hoffmann verdankt die Arbeit ihre Fülle. Für ihre unbedingte freundschaftliche Unterstützung möchte ich mich auch bei Sabine Bauer, Jasmin Schlichting, Karin Menderlen und Felix Teege bedanken und natürlich auch bei meiner Familie, meinen Eltern und meinem Bruder Erik. Die British Library und die Staatsbibliothek zu Berlin waren meine Almae Matres, in deren Räumen die meisten Gedanken und Seiten entstanden sind. Prof. Mark Geller und seine Frau Prof. Florentina Geller haben mir weit über das zu erwartende Maß geholfen, mich in die Akademie einzufinden, und sind mir mit ihrer Begeisterungsfähigkeit, Offenheit und Herzlichkeit ein großes Vorbild und andauernde Inspiration. Das gleiche gilt für meinen Zweitbetreuer, Prof. Rainer Voigt, der mit großer Ausdauer meine Fragen beantwortete, mich in die Mysterien der syrischen Umschrift einführte und mir die nachhaltigsten Lektionen in puncto wissenschaftlicher Gewissenhaftigkeit erteilte.
https://doi.org/10.1515/9783110565737-001
VI | Danksagung
Zuletzt möchte ich mich bei Frau Prof. Reinhild Schreiber bedanken, der ich diese Arbeit widme. Sie hat mich über die Jahre mit ihren Ermunterungen und einer mehr als motivierenden Bewunderung begleitet. Berlin im März 2017 S. Rudolf
Vorbemerkung Allgemein ist der Arbeit vorauszuschicken, dass der Umschrift des Syrischen das von Voigt vorgeschlagene Umschriftsystem zugrundeliegt.¹ In Zitaten, die ein anderes System verwenden, werden diese Schreibungen kommentarlos übernommen. Zur Übersetzung. Zahlen, sofern sie im syrischen Text ausgeschrieben sind, werden auch in der Übersetzung ausgeschrieben wiedergegeben. Zahlen, die wie in vielen semitischen Schriftsystemen üblich mit Buchstaben wiedergegeben sind, werden in der Übersetzung mit arabischen Zahlzeichen dargestellt. In Klammern sind die Seitenzahlen der Edition von Budge angegeben als (S. xy). Mit … werden Stellen als Lakunen gekennzeichnet, die bereits in der Edition der Handschrift als solche markiert sind.
1 S. z. B. Voigt 1997. https://doi.org/10.1515/9783110565737-002
Inhalt Danksagung | V Vorbemerkung | VII Abkürzungsverzeichnis | XI 1 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.4 1.4.1 1.4.2 1.5 1.5.1 1.5.2 1.5.3 1.5.4 1.5.5 1.5.6 1.5.7
Der historische und wissensgeschichtliche Rahmen | 1 Einleitung | 1 Die Tradition von Astrologie und Divination | 5 Historische und terminologische Eingrenzung | 6 Die babylonische Ursprungsdebatte | 10 Etappen des (babylozentristischen) Wissenstransfers | 13 Wissensaneignung und -tradierung bei den Syrern und deren Schauplätze | 34 Übersetzungen aus dem Griechischen | 45 Übersetzungen vom Arabischen ins Syrische | 52 Übersetzungen vom Pahlavi/Persischen ins Syrische | 53 Die Rolle der Syrer im griechisch-arabischen Wissenstransfer | 54 Die Wissenschaften bei den Syrern | 56 Syrische Medizin | 59 Syrische medizinische Schriften | 62 Die Quellen: syrische Astrologie und Astraldivination | 67 Christliche Astrologie – ein Widerspruch? | 67 Arabische Astrologie und Astraldivination | 70 Syrische Astrologie | 72 Polemische Quellen | 73 Technische Quellen | 82 Literarische Quellen: Astrologisches in Chroniken, Viten etc. | 99 Fazit | 103
2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.2 2.2.1 2.2.2
Das Syrische Medizinbuch (SBM) | 105 Status quaestionis: zum Forschungsstand des SBM | 105 Medizinischer Teil | 109 Astraldivinatorischer Teil | 111 Rezeptteil | 113 Handschriftenbestand | 116 Divinationsgattungen des SBM und ihre Provenienz | 125 Onomatomantie | 126 Astrometeorologie | 128
X | Inhalt
Chronomantie | 130 Astraldivination | 140 Komputistik | 148 Exkurs: Der syrische Kalender | 150 Das SBM als Kompilation | 153 Arten von Kompilationen | 154 Exkurs: Astrologie, Divination und Medizin | 156 Zur Textorganisation, Makrostruktur und Mikrostruktur | 164 Fazit | 172 Sprachliche Eigenheiten des Textes | 172 Fremdwörter | 172 Fachtermini | 175 Die Intertexte des SBM | 181 Syrische Intertexte | 181 Arabische Intertexte | 186 Mandäische Intertexte | 192 Griechische Intertexte | 194 Hebräische Intertexte | 198 Fazit | 199
2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.2.6 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.4 2.4.1 2.4.2 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4 2.5.5 2.5.6 3
Übersetzung und Kommentar | 201
4
Fazit und Ausblick | 289
Appendix I
Die Passagen des medizinischen Teils des SBM | 291
II
Die Passagen des astraldivinatorischen Teils des SBM | 297
Bibliographie | 309 Index | 343
Abkürzungsverzeichnis ANTZ Institut Kirche und Judentum (Hrg.): Arbeiten zur neutestamentlichen Theologie und Zeitgeschichte, Berlin 1987. AphHipp H. Pognon, H.: Une version syriaque des Aphorismes d’Hippocrate, Leipzig 1903. ÄthH S. Uhlig: Das äthiopische Henochbuch, Gütersloh 1984 (Jüdische Schriften aus hellenistisch römischer Zeit 5). AfO Archiv für Orientforschung, Wien 1923– ANRW W. Haase/H. Temporini (Hrg.): Aufstieg und Niedergang der römischen Welt/Rise and Decline of the Roman World. Geschichte und Kultur Roms im Spiegel der neueren Forschung, Berlin et al. 1972– ¯ Frankfurt a. M. 1985 BB F. Sezgin (Hrg.): The Book of Indications by Al-H . asan ibn al-Bahlul, (Publications of the Institute for the History of Arabic-Islamic Science Series C Facsimile Editions Vol. 10). BBah R. Duval (Hrg.): Lexicon syriacum, auctore Hassano Bar Bahlule, voces syriacas graecasque cum glossis syriacis et arabicis complectens, Paris 1888–1901. BSOAS University of London School of Oriental and African Studies (Hrg.): Bulletin of the School of Oriental and African Studies, Cambridge 1939– CAD M. T. Roth (Hrg.): The Assyrian Dictionary of the Oriental Institute of the University of Chicago, Chicago 1964–2010. CCAG Kroll, W./Olivieri, A. et al. (Hrg.): Catalogus Codicum Astrologorum Graecorum, 12 Bd., Brüssel 1898–1936. Chron. Eccles. J. B. Abbeloos/T. J. Lamy (Hrg.): Gregorii Barhebraei Chronicon Ecclesiasticum, 2 Bd., Löwen 1872. CSCO J. B. Chabot et al. (Hrg.): Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium, Leuven 1903– EI2 P. Bearman et al. (Hrg.): Encyclopaedia of Islam, Second Edition, Leiden 1960–2006. EIr E. Yarshater (Hrg.): Encyclopædia Iranica, London/New York 1982– EoJ J. Neusner et al. (Hrg.): Encyclopaedia of Judaism, New York 1999– GAS F. Sezgin: Geschichte des arabischen Schrifttums, Leiden 1967–2010. GP Beckh, H.: Geoponica sive Cassiani Bassi scholastici De re rustica eclogae, Leipzig 1895. JAOS American Oriental Society (Hrg.): Journal of the American Oriental Society, Ann Arbor 1843/49– JNES University of Chicago Department of Oriental Languages and Civilizations (Hrg.): Journal of Near Eastern studies, Chicago 1942– JJS Oxford Centre for Hebrew and Jewish Studies (Hrg.): Journal of Jewish Studies, Oxford 1948– Kühn C. G. Kühn (Hrg.): Claudii Galeni opera omnia. T. 1–20, Leipzig 1821–1833. PA Paulus Alexandrinus: Boer, E.: Eisagogika/Elementa Apotelesmatica, Leipzig 1958 (Bibliotheca scriptorum graecorum et roma- norum Teubneriana). PD Pseudo-Dionysios, s. 2.5.1.4 RA Presses universitaires de France (Hrg.): Revue d’assyriologie et d’archéologie orientale, Paris 1886– RE A. Pauly et al. (Hrg.): Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, Stuttgart 1894–1980. RLdA E. Dietz-Otto et al. (Hrg.): Reallexikon der Assyriologie und der vorderasiatischen Archäologie, Berlin. ROC Bureau des Œvres d’Orient (Hrg.): Revue de l’Orient chrétien, Paris 1886–1946. RSO Istituto Italiano di Studi Orientali of Rome Sapienza (Hrg.): Rivista degli Studi orientali, Rom 1907–
https://doi.org/10.1515/9783110565737-003
XII | Abkürzungsverzeichnis
SM Drower, E. S.: The book of the zodiac (Sfar Malwašia), London 1949. SBM Budge, E. A. W.: The Syriac book of medicines: Syrian anatomy, pathology and therapeutics in the early Middle Ages, 2 Bd., London et al. 1913. ZA W. Sallaberger et al. (Hrg.): Zeitschrift für Assyriologie und Vorderasiatische Archäologie, Berlin 1939– ZAW J. van Oorschot/J. C. Gertz (Hrg.): Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, Gießen/Berlin 1881– ZDMG Deutsche Morgenländische Gesellschaft (Hrg.): Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Wiesbaden 1847–
Abkürzung biblischer Bücher nach den Loccumer Richtlinien Apg Gen Kön Mat
Apostelgeschichte Genesis Buch der Könige Matthäus
Handschriftensignaturen BM British Museum Br. Lib. British Library, vormals British Museum
Abkürzung von Mishna-, Tosefta-, und Talmudtraktaten, rabbinischer Literatur bBer Talmud Bavli Berakhot bEr Talmud Bavli Eruvin bSan Talmud Bavli Sanhedrin bShab Talmud Bavli Shabbat MekhY Mekhilta deRabbi Yishmael Suk Sukka bSuk bSukka Tan Tanh.uma Kalla Kalla Rabbati yRHSh Talmud Yerushalmi Roš HaŠana
1 Der historische und wissensgeschichtliche Rahmen „Der Aberglaube ist ein Stück Volkspoesie und es wäre ganz zwecklos, ihn, soweit er harmlos ist, zerstören zu wollen.“¹
1.1 Einleitung Die Öffnung der universitären Portale für die Erforschung der Astrologie wird Warburg zugeschrieben,² der anhand der Fresken des Palazzo Schifanoia exemplarisch den überall mitschwingenden Tenor der Astrologie der Renaissancezeit aufzeigte.³ Zur gleichen Zeit verfasste Jung seine These zur Synchronizität als ein der Astrologie zugrunde liegendes Prinzip.⁴ Beachtlich ist auch die Sammlung griechischer astrologischer Handschriften, die Cumont und Boll durch die Edition des Catalogus Codicum Astrologorum Graecorum (CCAG) bereitstellten.⁵ Die historischen Abrisse von Gundel/Gundel⁶ und Bezold/Boll,⁷ ergänzten die in mancherlei Hinsicht immer noch unübertroffene Geschichte der Astrologie von Bouché-Leclercq.⁸ Von Stuckrad präsentiert die Astrologie als „senkrechtes Weltbild“, um das vielzitierte Diktum
1 Streicher 1926: IV. 2 Der 1912 erschienene Aufsatz „Italienische Kunst und internationale Astrologie im Palazzo Schifanoja zu Ferrara“ behandelt die astrologische Symbolik des Ende des 15. Jh. entstandenen Freskenzyklus. 3 Weiter vertieft wurde dies in seinem Werk Heidnisch-antike Weissagung in Wort und Bild zu Luthers Zeiten, Heidelberg 1920, s. von Stuckrad 2009: 51. 4 Er deutet dies bereits in einem Brief an Freud vom 12. Juni 1911 an: „Meine Abende sind sehr in Anspruch genommen durch die Astrologie. Ich mache Horoskopberechnungen, um dem psychologischen Wahrheitsgehalt auf die Spur zu kommen. Bis jetzt einige bemerkenswerte Dinge, die Ihnen gewiß unglaublich erscheinen werden. […] Ich muß sagen, daß in der Astrologie eines Tages sehr wohl ein gutes Stück Wissens von Ahnung wegen, das an den Himmel geraten ist, entdeckt werden könnte. Es scheint z. B., daß die Tierkreisbilder Charakterbilder sind, d. h. Libidosymbole, welche die jeweiligen typischen Libidoeigenschaften schildern.“ (Jung in McGuire/Sauerländer 1984: 470). Mit der Synchronizität entwickelt er ein Prinzip, nach welchem sich ein bestimmter Archetyp in synchron ablaufenden Ereignissen manifestiert, s. Jung 19912 . 5 Kroll/Olivieri et al. 1898–1924. Zu einzelnen im CCAG enthaltenen Werken s. Bara 2006: 166f. 6 Gundel/Gundel 1966. 7 Bezold/Boll 1918. Das 1918 erstmals erschienene Werk hat inzwischen seine 7. Auflage (1977) erreicht und wurde sogar ins Italienische (Storia dell’astrologia, Rom 1979) übersetzt. 8 Bouché-Leclercq 1899, s. von Stuckrad 2009: 51f. Selbst Neugebauer, Koryphäe auf dem Gebiet der Astronomiegeschichte, betonte die Bedeutung der oft stiefmütterlich behandelten Disziplin der Astrologie, da sie Aufschluss über die Astronomie geben könne. Dagegen sind astrologiefeindliche Stimmen bis heute in Manifestform anzutreffen wie das zuerst 1976 von Bok u. a. Wissenschaftler verfasste „Objections to Astrology: A statement by 186 leading scientists“. https://doi.org/10.1515/9783110565737-004
2 | 1 Der historische und wissensgeschichtliche Rahmen
Cassirers anzuführen: „Die Astrologie ist, rein formal betrachtet, einer der großartigsten Versuche systematisch-konstruktiver Weltbetrachtung, der je vom menschlichen Geiste gewagt wurde: die Forderung, ‚das Ganze im Kleinsten zu erblicken‘, ist selten so eindringlich gestellt und so konsequent durchzuführen versucht worden wie hier.“⁹ Eine zweite Renaissance der Astrologie im wissenschaftlichen Diskurs bezeugen jüngere Arbeiten zur Geschichte der Astrologie von Holden 1996, Curry 1987, Tester 1987, Campion 2008, von Stuckrad 2000 sowie zahllose Einzeluntersuchungen. Einer der Wegbereiter hierfür war Pingree, der als „the most towering figure in the field of the history and transmission of astrology in the 20th century“ am wissenschaftlichen Horizont aufscheint¹⁰ und sicherlich auch Neugebauer, der die für die Astrologie bedeutsamen Grundlagen der Astronomie systematisch erarbeitete.¹¹ Hand in Hand mit dem Interesse an der Astrologie geht dasjenige an Esoterik,¹² Divination und Mantik. Der schon erwähnte Bouché-Leclercq hatte nicht nur eine Geschichte zur Astrologie verfasst, sondern auch eine vierbändige Histoire de la divination dans l’antiquité, Paris 1879–1892. Diese wurde 1978 nachgedruckt, was nach Hogrebe kein Zufall ist, sondern ein Indiz der wissenschaftstheoretisch gestützten Offenheit für weiche und informelle Formen des Wissens und der Rückbesinnung auf altmagische Praktiken.¹³ Das gleiche gilt für die Orientwissenschaften, s. u. Was Divination, Mantik und Astrologie gemeinsam haben, ist das Generieren von Antworten auf die Frage nach der Zukunft, besonders in Krisenzeiten.¹⁴ Eine ähnliche Funktion wird der Religion nach dem religionswissenschaftlichen Ansatz der religious economy zugeschrieben. Religion wird hierbei aus der Perspektive einer Marktwirtschaft gesehen: als Ware, die angeboten wird als Rituale enthaltendes Paket, welches vor allem „Sinn“ stiftet.¹⁵ Die Suche nach Möglichkeiten, das unbekannte Terrain des Zukünftigen zu urbanisieren, ist eine menschliche Universalie, die – per Definition der Zukunftsforschung – eigentlich eine Suche in der Gegenwart ist. Die wissenschaftliche
9 Cassirer 1922: 30, zit. nach Von Stuckrad 2000: 74. 10 Brennan 2007: 26. 11 Sein Monumentalwerk History of Ancient Mathematical Astronomy von 1975 umfasst drei Bände. 12 Faivre, Hanegraaff und van den Broek gelten als Vorreiter bei der Etablierung der Disziplin als akademisches Fach. Faivre hatte den ersten Lehrstuhl für Esoterikforschung an der Sorbonne in Paris inne, später wurde in Amsterdam ein Institut für Hermetismus eingerichtet, s. van den Broek 2009: 11–15. 13 Dieser „Rückbesinnung“ folgt auch der von ihm herausgegebene Sammelband, s. Hogrebe 2005: 7f. Das aufkeimende Interesse der wissenschaftlichen Einbindung der Mantik zeigen Publikationen wie: Hogrebe: Metaphysik und Mantik, 1992; Curry (Hrg.): Divination: perspectives for a new millenium, 2010; Fögen: Die Enteignung der Wahrsager, 1997; Trampedach: Politische Mantik, 2015; Green: Printing and prophecy: prognostication and media change 1450–1550, 2012; Beerden: Worlds full of Signs – Ancient Greek Divination in Context, 2013. 14 Diesen Aspekt als grundlegende Motivation der babylonischen Divination behandelt Maul 1994. 15 S. Graf 2004: 37f. mit Verweis auf Graf 2001.
1.1 Einleitung
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3
Erarbeitung von Strategien, mit Zukunftsfragen umzugehen, ist das Ziel der Futurologie, die seit wenigen Jahren in Salzburg und Berlin studiert werden kann.¹⁶ Beachtlich ist aber auch die akademische Aufgeschlossenheit gegenüber historischen und volkstraditionellen Methoden der Zukunftsforschung wie der Astrologie oder Mantik. von Stuckrad nennt diese neue Aufgeschlossenheit der Wissenschaft eine Folge des pragmatic turn.¹⁷ Mag diese Hinwendung zu esoterischen Themen auch in „(neo)romantischen Hoffnungen auf eine Wiederverzauberung der vom okzidentalen Rationalismus entzauberten Welt“¹⁸ begründet sein, so ist es umso wichtiger, sich vor Augen zu halten, dass es „nur durch intensivierte Historisierung“ möglich ist, „die Einsicht in die Relativität und Vorläufigkeit unserer Begriffsbildung [zu] wahren und uns immer neu bewusst [zu] machen, dass wir weder über einen gottgleichen universellen Blick noch irgendeine Perspektive verfügen, die uns die Differenzen von Insider und Outsider, Beobachtetem und Beobachtendem zu überbrücken erlaubte.“¹⁹ Dass die Astrologie überhaupt erst in Diskredit geraten konnte, begründet Kuhn mit dem Stagnieren der fortlaufenden Theorienbildung und dem Verwerfen von Theorien, die sich als untauglich erwiesen haben. Neben den Naturwissenschaften, die immer wieder Methoden und Theorien überwerfen, und dadurch ihre Wissenschaftlichkeit sichern, hätte sich die Astrologie nicht bewähren können.²⁰ Der Prestigeverlust der Astrologie ist nach Barton das Resultat moderner Wissen(schaft)spolitik,²¹
16 Die Institutionalisierung der Futurologie beschreibt de Haan 2012. 17 Er beruft sich dabei besonders auf Rorty, s. von Stuckrad 2000: 70. Zu einer Kontinuität des Pragmatismus in Philosophie und Wissenschaft vgl. Bernstein 2010. 18 Graf 2004: 25. Er geht noch weiter und überträgt die pluralistischen Tendenzen der Forschung auf die Ebene des Individuums: „Die extreme Fragmentierung der Forschungsinteressen korrespondiert nur der Individualisierung der religiösen Lebensstile, und der in vielen neueren religionswissenschaftlichen Arbeiten zu beobachtende Eklektizismus ähnelt den Techniken der bricolage, mit denen viele moderne Fromme sich ihren privaten Sinnkosmos aus höchst unterschiedlichen religiösen Traditionen zusammenbasteln“, ebd. S. 26. 19 Graf 2004: 32f. 20 „For more than a millennium these were the theoretical and mathematical puzzles around which, together with their instrumental counterparts, the astronomical research tradition was constituted. The astrologer, by contrast, had no such puzzles“, weiter „Though astronomy and astrology were regularly practiced by the same people, including Ptolemy, Kepler, and Tycho Brahe, there was never an astrological equivalent of the puzzle-solving astronomical tradition.“ (Kuhn 1970: 8f.). 21 Barton 2002: 134. Die von westlichen Standards ausgehende und von westlichen Wissenschaftlern eingenommene Position und daraus resultierende Abwertung „nichtwissenschaftlicher“ Künste und Praktiken, insbesondere innerhalb der Medizin, ist auch bei Budge am Beispiel seiner Berichte über den Irak nachgewiesen, s. Becker 2005. Eine politische Mitbestimmung bzw. Monopolstellung in der Sezierung und Aufwertung bestimmter Wissenschaftszweige ist keine Seltenheit, vgl. Gallagher 1983.
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ein wissenschaftsexterner Faktor dazu die Tendenz, Astrologie stiefmütterlich als Pseudo-Wissenschaft zu betrachten.²² Nach und nach hatte sich die Astrologie als eigene Disziplin auch an den Universitäten durchgesetzt. Schon Thomas von Aquin, der ein vehementer Gegner der Individualastrologie war, räumte der Universalastrologie, meteorologischen Prognosen u. ä. ihre Berechtigung ein. Auch wenn sich die „klassische Astrologie“ erst im 12. Jh. in Europa etablieren konnte, so spielte sie dort eine umso größere Rolle im täglichen Leben, in der höfischen und der Populärkultur.²³ An den Universitäten von Padua und Bologna wurde die Astrologie schließlich in das Curriculum von Medizin, Mathematik und Naturphilosophie aufgenommen.²⁴ Astrologie und Astronomie wurden lange Zeit nicht getrennt voneinander behandelt, sondern wie zwei verschlungene Zweige einer Disziplin. Astronomische Berechnungen waren notwendig für astrologische Prognosen, die wiederum fester Bestandteil der medizinischen Behandlung waren. Außerdem konnte sich die astronomia auf ihren Status als Bestandteil des spätantiken Quadrivium berufen, was ebenso der Astrologie zu ihrem Ansehen verhelfen konnte.²⁵ Auf welchen Wegen aber die Astrologie und ihre unterschiedlichen Zweige und Nachbardisziplinen wie die Divination nach Europa gelangten,²⁶ ist noch nicht bekannt. Ebenso tut sich eine Lücke in der Überlieferung von babylonischen Omina und hellenistischer Rezeption und Transmission dieser Tradition an die arabischen Rezipienten auf.²⁷ Die Rolle der Syrer innerhalb dieser Transmission ist zumindest für die astrologischen und mantischen Schriften alles andere als evident. Wenn überhaupt wird eine „syrische Astrologie“ en passant behandelt, und das obwohl eine Grundlage bereits in mehreren Artikeln von Furlani, Nau und Cumont zu Beginn des letzten Jahrhunderts geschaffen wurde, s. u. Überspitzt scheint jedoch auch das Urteil Pingrees, der in seinem Artikel „Classical and Byzantine Astrology in Sassanian Persia“ (1989) Theophilus von Edessa zu einem janusköpfiges Bindeglied für den Transfer alexandrinischer Astrologie nach Bagdad sowie die Weitergabe des Wissens nach Byzanz stilisiert.²⁸
22 Barton 2002: 6. Selbst Ptolemaios verweist schon auf die Problematik des wissenschaftlichen Anspruchs der Astrologie, vgl. Burnett 2002: 199f. 23 Wilhelm von Auvergne (vor 1190–1249) sprach in seinem Werk De universo (II, 2,2) der magia naturalis bereits den gleichen Wert wie der Medizin zu, s. Daxelmüller 1993: 127f. 24 Das Centiloquium des Pseudo-Ptolemaios, das Liber isagogicus von Alcabitius und das Tetrabiblos von Ptolemaios waren Standardwerke des Curriculums, s. Rutkin 2006: 545ff. 25 S. Boudet 2005: 61. 26 Einzeluntersuchungen, darunter auch kontrastive Arbeiten, wie Springsfeld 2002 oder Zambelli 1992. 27 Zur Literatur s. u. 28 Allerdings sind seine Schriften in griechischer Sprache verfasst, so dass sich die Frage in sprachlicher Hinsicht mit der gleichen Schärfe stellen lässt: wer waren die syrischen Vermittler, Träger und Übersetzer astrologischen und mantischen Wissens?
1.2 Die Tradition von Astrologie und Divination
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Vor mehr als einem Jahrhundert wurde das Syriac book of medicines,²⁹ eine medizinisch-astrologisch-pharmakologische Kompilatschrift, mit einer Übersetzung und einer Einführung versehen ediert.³⁰ Der zweite Teil dieser Schrift enthält die ausführlichste edierte Quelle zur syrisch-aramäischen Astrologie bzw. Astral-Divination. Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel, diese Quelle erstmals vollständig auszuwerten. Dafür sind eine Einführung in die astrologisch divinatorische Materie mit der Frage nach ihrer Herkunft, eine Einführung in Medizin, Astrologie und Divination bei den Syrern, eine Zusammenstellung der Quellen zur syrischen Astrologie, eine eingehende Beschreibung des Forschungsstandes zum SBM, seiner Quellen und Intertexte mit linguistischer und literarischer Analyse und schließlich eine Neuübersetzung mit Kommentar vorgesehen. Wir hoffen somit einen Beitrag zur Geschichte der syrischen Literatur und (Übersetzungs)Kultur zu leisten, sowie eine bisher wenig wahrgenommene Nische der Wissensgeschichte zu erhellen, nicht ohne die ständige Ermahnung im Hinterkopf, nicht zu viel in den Farben unseres Zeitgeistes auszumalen.
1.2 Die Tradition von Astrologie und Divination Each time there is a transmission there is a transformation.³¹
Es kann hier nicht der Anspruch einer komplexen Darstellung der Astrologie- und Divinationsgeschichte erfüllt werden. Wir werden den Fokus des folgenden Abrisses auf Mesopotamien legen und dabei Verallgemeinerungen nicht vermeiden können, um bestimmte Prozesse der Wissensweitergabe nachzuzeichnen. Außerdem soll ein historisches und wissenschaftsgeschichtliches Fundament gelegt werden um später der Frage einer ununterbrochenen mesopotamischen Wissenstradierung nachzugehen, die sich womöglich im SBM abbildet, wie es Budge u. a. vermutet haben, oder aber, um alternative Wege des Wissenstransfers aufzuspüren. Anzumerken ist, dass wir Astrologie und Astraldivination gemeinsam behandeln, obwohl die beiden „Künste“ im strengen Sinne sogar widersprüchlich sind.³² Der Widerspruch soll in der folgenden Darstellung zugunsten der reziproken Beziehung von Astrologie und Astraldivination in den Hintergrund treten.
29 Im Folgenden SBM. Wo nicht anders vermerkt, beziehe ich mich dabei auf den syrischen Text, respektive den ersten Band. 30 E. A. W. Budge: The Syriac book of medicines: Syrian anatomy, pathology and therapeutics in the early Middle Ages, 2 Vol. (London et al.: Oxford University Press, 1913. 31 Pingree, zit. nach Brennan 2007: 27. 32 S. Rochberg 2010: 146f. Die Unterschiede liegen v. a. in der unbedingten Kausalität der Astrologie, die sich von der beinflussbaren Vorsehung der Astraldivination unterscheidet. Die aristotelische Weltsicht, die einen Mechanismus voraussetzt, welcher die von der Astrologie beschriebenen Effekte auf der Erde bewirkt, widerspricht der Zeichenhaftigkeit eines Geschehens als Ausdruck des göttlichen Willens.
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1.2.1 Historische und terminologische Eingrenzung Die historische Darstellung der Astrologie hält bereits einige terminologische Fallstricke bereit: Eine Trennung von Astrologie und Astronomie ist für die babylonische Zeit im strengen Sinne anachronistisch.³³ Sie entspricht zwar dem neuzeitlichen Wissenschaftsverständnis, allerdings wird in jüngster Zeit immer mehr von einer „coexistence of empirical sciences with beliefs in deities (or a deity), the occult, and magic“ ausgegangen.³⁴ Nach Pingree definiert sich die Astrologie als „the study of the impact of the celestial bodies […] upon the sublunar world.“³⁵ Wie Rochberg richtig bemerkt, kann mit dieser Definition keine vorhellenistische Lehre bezeichnet sein.³⁶ Wir wollen daher das seit dem griechischen Austausch mit babylonischen und ägyptischen Gelehrten ab der Seleukidenzeit errichtete Lehrgebäude Astrologie nennen, welches seinen Höhepunkt im Tetrabiblos des Ptolemaios gefunden hat. Der Begriff Divination ist auf keine bestimmte Epoche beschränkt, auch wenn die römisch-hellenistische Antike mitschwingt. Im weitesten Sinne bezeichnet er die Interpretation von Zeichen im Hinblick auf die Zukunft.³⁷ Im Gegensatz zur Mantik³⁸ und zu den Orakeln³⁹ wählt Krebernik den Begriff Divination als neutralste Form. Es sind damit auch Praktiken wie die Leberschau (Hepatoskopie), Beobachtung des Vogelflugs (Ornithomantie) usw. bezeichnet. Wir wollen dieser Auswahl hier folgen. Der Begriff Astraldivination⁴⁰ ist relativ jung und versucht, obwohl es schon verwirrend viele Bezeichnungen gibt, definitorische Klarheit in ein terminologisches
33 Die eigentliche Trennung von „Unterdisziplinen“, welche die Astrologie in sich vereinte, nämlich die Astronomie und Meteorologie, wurde erst nach und nach vollzogen. Die Abgrenzung zur Meteorologie geschah zur Zeit des Aristoteles, die zur Astronomie um die Zeitenwende, wobei die Praxis noch eine Vermengung der beiden bis zur Zeit Keplers zeigt (!), s. Bara 2006: 110f. Vereinfacht ausgedrückt ist die Astronomie, welche die Gesetze der Bewegung der Himmelskörper verfolgt, deskriptiv, die Astrologie dagegen, welche bestrebt ist, die Zukunft aufgrund dieser Gesetzmäßigkeiten vorherzusagen, interpretativ. Die Definition variiert auch bei den antiken Autoren, s. Bowen 2013. 34 Rochberg 2004: 244. Diese Koexistenz soll auch dem vor- und frühmodernen Wissenschaftsverständnis entsprechen. 35 Pingree 1968: 118. 36 S. Rochberg 1984: 117. 37 Eine etische Definition bietet Beerden 2013: 20: „divination is the human action of production – by means of evocation or observation and recognition – and subsequent interpretation of signs attributed to the supernatural. These signs can be anything which the supernatural is perceived to place in the world with the intention to communicate, whether evoked or unprovoked, whether visible, auditory, tactile, olfactory or gustatory.“ 38 Von gr. μάντις ‚Seherin‘, was auf μαίνομαι ‚in Ekstase geraten‘ zurückgeht. 39 Letztendlich auf lat. os ‚Mund‘ zurückzuführen, wobei orare das feierliche Sprechen bedeutet, das auf die Form der Vorhersage, nämlich prophetische Rede hinweist, s. Krebernik 2012: 99. 40 Zur Definition von Divination i. A. s. Naether 2010: 13. Zur Klassifizierung mesopotamischer Divination und einem Überblick über die vorhandenen Texte s. Brown 2006. Der Ansatz von Brown ist kommunikationstheoretischer Natur, da er „divination as one expression of alleged god-client communication“ sieht (Brown 2006: 73).
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Chaos zu bringen: Die Bezeichnungen Prognostik oder Laienastrologie sind häufig zu finden, wenn es um mittelalterliche Texte geht, wobei der Terminus Prognostik auf die verwandten Gebiete der Medizin und Meteorologie verweist, die Laienastrologie eine Vereinfachung eines bereits etablierten astrologischen Systems impliziert. Zeitlich kann sie damit nur nach der Astrologie entstanden sein und im strengen Sinne keine vor ihr auftretenden Lehren bezeichnen. Der Begriff Omina wird meist im Zusammenhang mit den babylonischen Praktiken und Texten divinatorischen Charakters verwendet.⁴¹ Die Grenze ist allerdings in der wissenschaftlichen Literatur nicht immer scharf gezogen.⁴² Dass es immer noch begriffliche Verwirrung und definitorische Mängel gibt, belegt ein Vortrag Panainos zu dem Thema, der das Verhältnis von Astrologie und Astraldivination als Hyponymie definiert: die Astrologie ist eine spezielle Form der Astraldivination, die sich des Intrumentariums der Horoskopie bedient.⁴³ Das Problem dieser Taxonomie ist jedoch das grundlegend unterschiedliche Verständnis von fatalistischer Astrologie und tendenzanzeigender Divination, das in dieser Weise nicht berücksichtigt wird. Man müsste also, um terminologisch korrekt zu bleiben, in vorhellenistischer Zeit statt von Astrologie von Astraldivination sprechen.⁴⁴ Die detaillierteste Einführung in die babylonische Astronomie und Astrologie – wobei hier das terminologische Problem durch den Ausruck „Astral Sciences“ umgangen wird – bieten Hunger/Pingree.⁴⁵ Unbestritten ist der unschätzbare Wert grundlegender Arbeiten v. a. zu den mathematischen Grundlagen der babyloni-
41 Der Begriff Prodigien für wundersame ominöse Erscheinungen beschränkt sich auf die römische Welt und auf die spätere Renaissanceliteratur, s. Engels 2006. In einer populärwissenschaftlichen Enzyklopädie der Divination ist die Astrologie mit Astromantie (engl. astromancy) gleichgesetzt. Dieser Begriff wäre jedoch eher als Synonym für Astraldivination zu erwarten gewesen, s. Buckland 2004: 50. 42 Dies liegt natürlich auch in der Natur der Sache, da eine Trennung nicht immer möglich ist. Beispielsweise sind die Wetteromina der späthellenistischen Zeit möglicherweise mit babylonischen Ideen verbunden, da es aber noch keine ausreichenden Studien zur Abhängigkeit gibt, kann der Begriff Omina, sofern er auf babylonisches Gedankengut verweisen will, fehlplaziert sein. 43 Er bezieht sich dabei auf Pingree, s. http://heavenastrolabe.net/astronomy-astrology-and-astraldivination-in-the-acient-east-and-persia/#identifier_I_2930, aufgerufen am 12. 2. 2014. Außerdem verweist er auf die Notwendigkeit, beides von der Astrolatrie, dem Gestirnskult, zu unterscheiden. 44 In der Literatur finden sich daher oft Umschreibungen wie „celestial divination“, „astral sciences“, „astral magic“, usw. s. Rochberg 2010: 237. 45 Hunger/Pinree 1999. Fraglich ist, ob die beiden Disziplinen überhaupt getrennt wahrgenommen wurden. Einen „gemeinsamen Ursprung“ der beiden proklamiert Brown 2006: 113: „My analysis of so called ‘early astronomy’, as in fact ‘ideal-scheme’ divination, has led me to criticise the widespread belief that the motivation behind the appearance of astronomy in Mesopotamia and elsewhere was calendar control – a view shared by O. Neugebauer amongst others. In fact, the evidence is that the months and the seasons were roughly regulated from the earliest times, but that they were systematically reconciled only after the accurate prediction of celestial phenomena had begun. I argue that this was done in order to facilitate prediction (the same reason lies behind the invention of the zodiac – the spatial equivalent), and that the motivation behind prediction came from the advantages it gave to the celestial diviner.“
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schen Himmelskunde von Neugebauer⁴⁶ und Kugler. Einen sehr übersichtlichen Abriss über die Geschichte und Forschungsfelder der babylonischen Divination gibt Annus.⁴⁷ ‚Zeichen‘, akkad. ittu,⁴⁸ werden als göttliche Offenbarung der zukünftigen Ereignisse verstanden und setzen sich zusammen aus spontanen, nicht provozierten Zeichen und vom Menschen eingeforderten Zeichen. Nicht provozierte Zeichen sind solche, die sich am Himmel ereignen und die durch dessen Beobachtung aufgenommen werden, zur zweiten Gruppe gehören Ölomina und Eingeweideschauen.⁴⁹ Brown sieht als Allgemeinplatz der jüngeren Forschung die Dreiteilung mesopotamischer Divinationstechniken, welche die Prophetie berücksichtigt, in oblativa („freely offered or unsolicited omens“), impetrativa („omens from techniques employed, or objects manipulated“), medumistic („where a human is the divinatory vehicle“).⁵⁰ Andere Klassifizierung richten sich nicht nach der Divinationsart, sondern nach dem Subjekt der Vorhersage (Staat, König, usw). Entscheidend ist, dass der Vorzeichendeutung kein deterministisches Konzept zu Grunde liegt, d. h. die Zeichen werden mehr als Warnung, weniger als unausweichliche Schicksalsprognose verstanden.⁵¹ Die Flexibilität der Vorhersagen lässt ein Gegenwirken mit einem rituellen Abwehrzauber zu (nam-búr-bi ‚Lockerung‘).⁵² Der Ursprung der Omina ist unklar, da keine sumerischen Omina überliefert sind und die Tradition zu Beginn wohl mündlich war. Jedenfalls sind sie im letzten Drittel des 3. Jh. v. Chr. sehr beliebt.⁵³
46 Sein dreibändiges Monumentalwerk ist die History of ancient mathematical astronomy von 1975. 47 Diese beginnt mit der Benennung der Profession des Wahrsagers im 3. Jh. v. Chr. Mit weiterführender Literatur Annus 2010. Andere grundlegende Arbeiten sind Reiner 1995, Koch-Westenholz 1995, Brown 2000, Rochberg 2004. 48 Sumerisch (g)iskim; die akkad. Bezeichnung ist verwandt mit den anderen semitischsprachigen ¯ arab. ayah, ¯ Bezeichnungen ominöser Zeichen, vgl. syr. åtå, hebr. ot, s. Annus 2010: 12. Gəəz təəmərt ¯ ‚Zeichen, Omen, Wunder‘, altsüdarabisch mr, s. Leslau 2006: 25. 49 Eine andere klassische Einteilung unterscheidet nach Cicero (De divinatione 1,43) zwischen ‚natürlicher‘ (natura, sine scientia) und ‚künstlicher‘ (arte, ratione, scientia) Divination. Dabei sind erstere deutungsbedürftige und zweitere deutungsunbedürftige Vorzeichen wie Träume bzw. Orakel. Zur Rezeption des Modells s. Naether 2010: 17. Die platonische Taxinomie des Phaidros teilt zwischen erlernbarer (ἔντεχνος) und nicht erlernbarer (ἄτεχνος) Divination, s. Naether 2010: 18, weitere Einteilungsversuche bei Johnston 2008. 50 Brown 2006: 74f. 51 Der Gedanke einer absoluten Kausalität liegt hier fern, obgleich die Beobachtung eines Zeichens und eines nachfolgenden Geschehnisses ein wiederholtes gemeinsames Auftreten sehr nahe legt, s. Hunger/Pingree 1999: 3, Rochberg 2010. 52 Aus dem Sumerischen ist der Begriff im Akkadischen entlehnt zu namburbû, s. Hunger/Pingree: 7. 53 S. Hunger/Pingree: 7, Annus 2010: 1ff. Huber sieht den Beginn in der dreifachen Erwähnung von Mondfinsternissen im Enūma Anu Enlil, die einem Herrscherwechsel in Akkade vorausgehen. Seine Sicht ist nicht unumstritten, s. Koch-Westenholz 1995: 36, Huber 1987.
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Die Omina sind stets als Konditionalsätze formuliert,⁵⁴ was dem Vorwurf der Allgemeingültigkeit zum Trotz als strukturelles Merkmal für die Überlieferung in andere Sprachen gewertet wurde. Noch nicht geklärt ist, warum manche Texte wie die Vorhersagen zu Mondfinsternissen in den Protasen auch unmögliche Daten für Mondfinsternisse enthalten.⁵⁵ Die aus neubabylonisch-assyrischer Zeit stammenden Omina sind meist im babylonischen literarischen Dialekt gehalten. Die bedeutendste Sammlung solcher Omina ist das Enūma Anu Enlil („Als Anu [und] Enlil“).⁵⁶ Die vier Hauptteile sind je einer Gottheit zugeordnet, Sin steht für die Mondomina, Šamaš für die Sonnenomina, Adad für die Wetteromina und Ištar für Stern- und Planetenomina. Die Mondomina treffen Voraussagen nach dem äußeren Erscheinungsbild des Mondes, Mondhörnern, Mondringen und Finsternissen,⁵⁷ wie sie in mandäischen und talmudischen Texten wieder auftauchen, s. 1.2.3.5. Aspekte von Finsternissen sind Datum, Dauer, Erscheinung, Bewegungsrichtung des Schattens, Farbe, meteorologische Begleiterscheinungen wie Wind, Wetter, Erdbeben usw. ¯ ina melê šakin „wenn eine Eine andere wichtige Omenserie ist das Šumma alu Stadt auf einem Hügel liegt“.⁵⁸ Diese Sammlung von Omina behandelt ominöse bzw. anormale Ereignisse oder Erscheinungen in Verbindung mit Städten, Häusern, dämonischen Erscheinungen, Schlangen, Skorpionen, Eidechsen, Insekten, Vieh, Pferden, seltsamen Lichterscheinungen, usw. Die Sammlung steht in einer „complex textual relationship“ mit dem sog. iqqur ¯ıpuš, einer auf ältere Quellen zurückreichenden Menologie.⁵⁹
54 S. Rochberg 2010. Die syntaktische Realisierung, die auch anderen Textgattungen wie Gesetzestexten und in leicht abweichender Form Fabeln, Parabeln und Sprichwörtern zugrunde liegt, gibt Anlass Intention und Hintergrund in Frage zu stellen, s. Annus 2010: 3ff. 55 Tafel 22 des Enūma Anu Enlil erlaubt die Finsternis sogar an allen Tagen des Monats, s. Hunger/ Pingree 1999: 15. In anderen Ominagattungen finden sich ebensolche „unmöglichen Erscheinungen“, s. Koch-Westenholz 1995: 97. Annus 2010: 3, nennt diese Art „speculative science“, die neben dem praktischen Aspekt die Fülle der Omina ausmacht. Eine Ausnahme bilden einige Leberomina, die sich auf vergangene historische Ereignisse beziehen, s. Meyer 1987. 56 Im Folgenden EAE. Zu den einzelnen Texten, deren Edition und Provenienz, s. Hunger/Pingree 1999: 9–12. Jüngst ediert haben es Hunger 2001 und Gehlken 2012. Für eine erschöpfende Bibliographie der bis dato edierten Tafeln s. Rochberg 1984: 116. Einen detaillierten Überblick über den Aufbau und die enthaltenen Textsorten gibt Brown 2006: 80ff. Die Tradition, das EAE zu kopieren, wurde bis in achämenidische und hellenistische Zeit fortgeführt, weswegen man von bestimmten Überlappungen ausgehen kann, s. Hunger/Pinree 1999: 13f. 57 Dazu en détail Rochberg-Halton 1988b. 58 Interessant sind die Parallelen zur Weisheitsliteratur, die schon mehrfach vermerkt wurden. Dazu gehören kanonische wie apokryphe Evangelien, z. B. Matt 5,14, Thomasevangelium 32, s. Annus 2010: 5f. 59 S. Brown 2006: 84ff., Moren 1978. Edition der ersten 21 Tafeln bzw. 22–40 bei Freedman 1998– 2006. Bei iqqur ¯ıpuš „er hat zerstört, er hat errichtet“ handelt es sich um eine Menologie in 12 Tafeln,
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1.2.2 Die babylonische Ursprungsdebatte Die Herkunft der Himmelskunde aus Mesopotamien ist ein weit ausgeschlachteter literarischer Topos. In der gesamten spätantiken Literatur sind die Babylonier bzw. Chaldäer mit ‚internationalen Sterndeuter[n]‘⁶⁰ und Astrologen gleichgesetzt.⁶¹ So ist auch die syrische Bezeichnung kaldåyūtå als ars Chaldaica synonym mit Astrologie, Magie ¯ und aller Art der Divination.⁶² Der babylonischen Ursprungsthese folgt die anschließende Verbreitung des Wissens nach Ägypten und in benachbarte Kulturen.⁶³ Dieser „Babylozentrismus“ ist für die Divination als Praxis sicherlich nicht unangebracht. Weitaus besser erforscht als die Astraldivination sind die Divination nach Vogelflug (Ornithomantie) oder die Leberschau (Hepatoskopie), von der längst bekannt ist, dass sie sich bei den Griechen erst nach babylonischem Kontakt herausgebildet hat.⁶⁴ Auch für die Astraldivination scheint sich diese Annahme in der jüngeren Forschung zu bewahrheiten: „Since Neo Assyrian times, and especially in the Chaldean religion, astrological omina became the main source of divination, because of the conviction that they reveal the content of the heavenly tablets of irresistible destiny. Be-
die altbabylonische Vorläufer hat, s. Labat 1965. Eine Edition wird von J. Fincke vorbereitet, s. Brown 2006: 84. 60 Gundel/Gundel 1966: 47. 61 S. Rochberg-Halton 1988: 2ff. So bei Cicero, Horaz, Geminos, Varro und Properz. Van der Waerden dagegen meint, dass das nomen proprium bei Herodot, Geminos, Cicero, Strabon, Diodorus u. a. doch als Herkunftsbezeichnung verstanden wurde. Die Chaldäer waren eigentlich ein Volk, das im südlichen Teil Babyloniens am persischen Golf ansässig war, s. Van der Waerden 1972: 8f. 62 Folgt man der These von Saffrey, 1981: 225, dass die Chaldäischen Orakel, eine nur im griechischen erhaltene Sammlung von Orakelsprüchen, die einem Julian dem Chaldäer bzw. dem Theurgisten im 2. Jh. zugeschrieben werden, ursprünglich syrisch waren, könnte der Umlauf dieser Schrift das Bild vom chaldäischen Seher oder Magier mitgeformt haben, s. Majercik 1989: 1. Eine ähnliche Umwandlung von nomen proprium zum (pejorisierten) appelativum hat die Wortgeschichte der „Magier“ hinter sich, s. Otto 2011: 135ff. 63 S. Pingree 1968: 118f., s. id. 1982, Jones 1996, Cumont 1937. ¯ vorliegt und Paralle64 Für den speziellen Fall der Divination nach Vogelflug wie sie im Šumma Alu len bei Homer aufweist, schlägt Smith mesopotamischen (statt wie bisher angenommen hethitischen) Ursprung vor. Die für einen Austausch fruchtbare Zeit seien die Jahrzehnte um 1200 v. Chr. sowie das späte 8. Jh. v. Chr. gewesen. Die Träger der Überlieferung sieht er in umherziehenden Wahrsagern, die als Teil des Heeres große Strecken zurücklegten, s. Smith 2013. Die magischen Papyri sind für viele Divinationsmethoden der Erstbeleg in Ägypten und weisen auf griechische und vorderasiatische Einflüsse. Zum ägyptischen Substrat s. Von Lieven 1999. Annus fasst den Forschungsstand zur Transmission der Hepatoskopie, die sich an der Verbreitung von Lebermodellen gut ablesen lässt, sehr treffend zusammen: „The Etruscian discipline of taking omens from liver inspection or hepatoscopy […] shows remarkably close correspondence to the same form of divination developed in Mesopotamia. This can best be explained as the transmission of a “school” from Babylon to Etruria. The system of the slaughter of sheep, models of sheep livers of clay or metal, and the custom of providing them with inscriptions for the sake of explanation are peculiar things found precisely along the corridor from the Euphrates via Syria and Cyprus to Etruria.“ (Annus 2010: 11).
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cause of the “scientific” evidence of that kind of futurology, this Chaldean wisdom spread out to Persia, India, Egypt, Greece and Rome as an integral part of religious and philosophical theories around the turn of the era“.⁶⁵ Diese Einschätzung würde sich mit dem spätantiken Herkunftsmythos decken, der sich z. B. in Berichten Strabons (XVI 6) findet. Demnach sollen in Mesopotamien (Uruk und Borsippa) astronomische Schulen verbreitet gewesen sein, wo sich bereits individualastrologische Horoskope einholen ließen.⁶⁶ Gundel/Gundel legen den Fokus, leider aber auch ein Übergewicht, auf die ägyptische Provenienz einiger Einzellehren. Ihrer Meinung nach erweist sich die Gleichsetzung bei näherer Untersuchung des Materials, das als „chaldäisch“ beschrieben wird, als problematisch. Die Aspektenlehre,⁶⁷ die Geminos als chaldäisch einstuft, ist nach Gundel/Gundel eine eindeutig gräko-ägyptische Idee, ebenso die von Cicero (De divinatione II 89ff.) genannten Monomoiriai, eine noch präzisere Segmentierung des Himmelskreises zwischen den Tierkreiszeichen. Ebenso sind bei Diodor, der die Ähnlichkeit der chaldäischen und ägyptisch-priesterlichen Lehre betont, Planeten als „Dolmetscher“ oder Sterne als „Richtergötter“ einem falschen Ursprung zugewiesen.⁶⁸ Der erst nach ihrer Zeit zugänglichen Quellen unkundig fällen Gundel/ Gundel daher ein vernichtendes Urteil der babylonischen Tradition für die seleukidische Zeit: „Die Behauptung, die ‚Babylonier‘ hätten die grandiose Vorstellung der kosmischen Sympathie als das Wesen der Astrologie betrachtet und diese Auffassung in Systematiken, Techniken und Orakelbüchern zum Ausdruck gebracht, muß als Phantasie späterer Schriftsteller bezeichnet werden, der ein wirklicher Quellenwert nicht zukommt“.⁶⁹ 65 Koch 2007: 126. Er beruft sich dabei auf die grundlegende Arbeit von Cumont 1931. Zu einer Kritik an den von Cumont postulierten gemeinorientalischen Religion s. Kaizer 2006. 66 S. Gundel/Gundel 1966: 51. Auch im 1. Kapitel des 16. Buches der Geographie spricht Strabon von „sternkundigen Chaldäern“ in Babylon, Uruk und Borsippa. Einige Namen, die er angibt, entsprechen tatsächlich Namen aus astronomischen Keilschrifttexten wie Kidenas/Kidinnu und Naburianos/Nabu-rimannu, s. Van der Waerden 1972: 10. 67 Es handelt sich dabei um bestimmte geometrische Verhältnisse, in denen Gestirne/Planeten zueinander stehen können, s. Neugebauer/Van Hoesen 1959: 2f., Bouché-Leclercq 1899: 165ff. 68 S. Gundel/Gundel 1966: 47. Die Monomoiriai sind bereits von Bouché-Leclercq 1889: 216f. als ägyptische Lehre erkannt worden, s. Von Stuckrad 2000: 649. Als „typisch“ ägyptisch gelten die 36 Dekane, eine nochmalige Unterteilung der Tierkreiszeichen in drei Teile zu 10 Grad. Außerdem, allerdings aus älterem Gut in späterer Zeit entwickelt, die Paranatellonta. Für weiterführende Literatur s. A. Von Lieven 2000: 13, Neugebauer/Van Hoesen: 5f. Interessant ist auch die Quellenstudie des 2. Buches der Naturalis Historia von Plinius, der dort nach der Untersuchung von Kroll „Eine anonyme chaldäische Schrift aus vorchristlicher Zeit“ zitiert. Dabei seien alle „erfassbaren Sonderlehren“ dieser Schrift „Speziallehren, die z. T. auf den einheimischen ägyptischen Klerus zurückgehen“ (Gundel/Gundel 1966: 49), Kroll 1930. 69 Gundel/Gundel: 51. Eine Kombination terrestrischer und himmlischer Divination, die für eine verbindliche Prognose bzw. Diagnose notwendig sind, und damit die kosmischen Zusammenhänge verdeutlichen, werden im altbabylonischen Diviner’s Manual empfohlen, s. Oppenheim 1974. Allerdings ist die Wahl des Terminus „Astrologie“ an dieser Stelle etwas unglücklich.
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Bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass die Verwirrung über die Herkunft einzelner astrologischer Lehren bereits in der Antike vorherrschte. Dies zeigt das Beispiel einer kaum mehr bekannten Reihe von Planetennamen: Φαίνων (Saturn), Φαέτων (Jupiter), Πυρόεις (Mars), Στίλβων (Merkur), Φωσφόρος (Venus). Diese Bezeichnungen wurden ab dem 2. Jh. v. Chr. in Alexandrien eingeführt. Sie waren zwar griechischen Ursprungs, wurden aber nach ihrem Herkunftsort als ägyptisch bezeichnet (so bei Firmicus Maternus), ab dem 1. Jh. mussten sie allerdings den Planetengötternamen weichen und gerieten ebenso wie ihre Herkunft in Vergessenheit. Vettius Valens bemüht dann bereits im 2. Jh. n. Chr. einen babylonischen Ursprung.⁷⁰ Momigliano sieht in der Zuschreibung an Chaldäer und Ägypter eine mythologische Attribuierung und Aufwertung des Materials ohne geschichtliche oder quellenkritische Grundlage. Die Zuschreibung sei ähnlich wie bei griechischen Texten mit griechischen Stoffen, die mit der Autorschaft des Zoroaster, Hystaspes oder Abraham versehen wurden, frei erfunden.⁷¹ Van der Waerden dagegen erklärt die abwechselnde babylonische oder ägyptische Zuschreibung bestimmter Methoden bei Ptolemaios,⁷² Diodor u. a. Schriftstellern mit dem Kursieren zweier Sammelhandschriften, einer „ägyptischen“ und einer „chaldäischen“.⁷³ Es werde jeweils auf eine der beiden Sammelhandschrift rekurriert, nicht auf den tatsächlichen Herkunftsort. Die Identifizierung von Lehren als „ursprünglich“ babylonisch oder ägyptisch kann nur eindeutig dort stattfinden, wo Elemente aus vorhellenistischer bzw. vom babylonischen Standpunkt aus vorseleukidischer Zeit und ihre Übernahme dorthin nachzuweisen sind. Eine Pauschalaussage ist unmöglich, da Astrologie und Astraldivination, wie bereits angedeutet, aus verschiedenen Quellen gespeist sind. Diese Erkennnis soll im Kapitel zur Divination und ihren Gattungen (2.2), die für das SBM relevant sind, noch vertieft werden. Einen nicht unwesentlichen Beitrag zu dieser Erkenntis hat Rochberg⁷⁴ durch ihre Evaluation der tatsächlichen „Babyloniaca“ geleistet. Elemente, die schon in vorseleukidischer Zeit in der babylonischen Himmelskunde auftauchen und später als astrologische Lehren übernommen werden,
70 S. Bram 1975: 306. Die Edition des griechischen Textes hat Pingree 1986. 71 S. Momigliano 1975: 17. Rochberg-Halton 1988a: 51f. Zu den zoroastrischen und anderen Pseudepigraphien s. u. 72 Dieser unterscheidet z. B. zwei verschiedene Systeme für die Zählung der Stunden. 73 Die Hauptthesen seiner Kurzmonographie Die „Ägypter“ und die „Chaldäer“ lauten „Alle Zitate, die sich auf die ‚Chaldäer‘ beziehen, stammen aus einem Sammelwerk oder einer Gruppe von solchen Werken, die am Anfang der hellenistischen Zeit (genauer zwischen −330 und −170) in griechischer Sprache geschrieben wurden und in denen die babylonische Astronomie und Astrologie, vielleicht kombiniert mit griechischen Theorien, zusammenfassend dargestellt wurden. […] Die ‚Ägypter‘ haben ihr Werk größtenteils von den ‚Chaldäern‘ abgeschrieben. Daneben haben sie auch Erkenntnisse der griechischen Astronomie verwertet. All das haben sie dann dem König Nechepso und seinem astrologischen Ratgeber Petosiris in den Mund gelegt.“ (Van der Waerden 1972: 6). 74 Bzw. Rochberg-Halton, je nach Publikationsdatum.
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sind die Hypsomata/Exaltationen,⁷⁵ die Dodekatemoria bzw. der Mikrozodiak⁷⁶ und die Triplizitäten.⁷⁷ Eine interessante Parallele bei dem Streit um das Erbe der Hochkulturen ist die Frage nach den Quellen des platonischen Timaios. Nach Quack stechen am prägnantesten die ägyptischen Verbindungen heraus, daneben haben auch iranische und babylonische Elemente ihre Daseinsberechtigung. Die astronomischen Elemente will er aber einzig den Ägyptern überlassen.⁷⁸
1.2.3 Etappen des (babylozentristischen) Wissenstransfers Bevor wir nochmals auf die Überlieferung von Einzellehren eingehen, wollen wir aber die Frage stellen, wann und wo die Transmission dieses Wissens stattgefunden haben könnte, und ob sich zeitliche und räumliche Etappen dieses Transfers näher bestimmen lassen.⁷⁹ Die Schlüsselrolle, die Mesopotamien in puncto Divination einnimmt, wird vielerorts angeführt: „Anzi dovremmo aggiungere che il ‚successo‘ ottenuto da alcune forme di mantica astrale in Mesopotamia non solo ha profondamente influenzato altre tradizioni, da quella greca a quella indiana e per alcuni versi anche quella cinese, ma, dando origine alla posteriore letteratura astrologica che nel mondo antico eurasiatico non conobbe confini, ha prodotto un impulso notevole nella ramificazione di nozioni matematiche e astronomiche, senza la quali tali forme più o meno raffinate di divinazione sarebbero state impossibili.“⁸⁰
75 Hypsomata, auch Erhöhung, ist der gr. Terminus, dem babylonisches ašar nis.irti oder b¯ıt nis.irti ‚Ort des Geheimnisses‘ entspricht. Es bezeichnet einen bestimmten, jedem Planeten eigenen Ort, an dem dessen Einfluss am stärksten ist – allerdings ist die Festlegung etwas unterschiedlich: da diese Vorstellung vor der Erfindung des Zodiaks entwickelt wurde, beziehen sich die Angaben des höchsten Standes eines Planeten in den babylonischen Quellen auf einen bestimmten Bereich innerhalb von Konstellationen, die griechische Astrologie hingegen bestimmt mit Gradangabe einen exakten Punkt. Außerdem ist das Prinzip im babylonischen Bereich stets im Kontext der Omina angesiedelt, in der griechischen Astrologie ist der Einfluss der Planeten unumgänglich. Interessant ist, dass Firmicus Maternus im 4. Jh. noch davon zu berichten weiß, dass die Babylonier dieses System mit dem Namen „Haus“ belegen, was in der griechischen Astrologietradition eine andere Verwendung hatte, s. Hunger/Pingree 1999: 28, Rochberg-Halton 1988: 57. 76 Damit wird eine feinere Untergliederung der Tierkreiszeichen bezeichnet, s. Neugebauer/Van Hoesen 1959: 6. 77 S. Rochberg 1988: 53. 78 S. Quack 1995: 113. 79 Auch wenn eine scharfe Trennung nicht durchwegs möglich ist und auch mathematisch-astronomische Lehren dort erläutert werden, wo sie für das Verständnis unabkömmlich sind, so liegt der Fokus hier auf den für die Astrologie konstitutiven Lehren. Bedeutende Arbeiten mit weiterführender Literatur zum Transfer „astronomischer“ Lehren bieten Neugebauer 1963, aber auch Jones 1997, id. 1996, Steele 2011, Rochberg-Halton 1988. Das von Brown und Falk angekündigte Buch The Interactions of Ancient Astral Science verspricht eine neue umfassende Studie zum Thema. 80 Panaino 2004: 214.
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Schlicht ausgedrückt sind es Ideen, die sich verbreiten wie die guten bzw. schlechten Eigenschaften und Wirkungsweisen von Planeten, das Interagieren von Planeten, einige Konstellationen, die Aufteilung des Himmels, die Zeichenhaftigkeit von Richtungen, Helligkeiten usw.⁸¹ Als allgemeiner Forschungskonsens gilt neben der Übermittlung astronomisch-astrologischen Wissens von Mesopotamien an die Griechen in hellenistischer Zeit diejenige an die Inder ab Mitte des 2. Jh. Dieses hybridisierte babylonisch-griechische Wissen wurde dann wiederum im 9. Jh. an die Araber rücktradiert.⁸² Die Übermittlung dieses Wissens an andere Kulturen lässt sich in vier Großräume bzw. Etappen aufteilen: mittelassyrisch, neu-assyrisch, achämenidisch, hellenistisch.
1.2.3.1 Wissenstransfer in mittelassyrischer Zeit Bereits aus dem 13. Jh. v. Chr. sind Ominatexte der Astraldivination bei den Hethitern bekannt, die ohne Zweifel der akkadischen Nachbarliteratur nachgebildet sind. Erst seit einigen Jahren werden die Verbindungen zu akkadischen Texten und Gattungen untersucht.⁸³
1.2.3.2 Wissenstransfer in neu-assyrischer Zeit In der neu-assyrischen Epoche (ca. 1000–612 v. Chr.) sind Kontakte mit Indien und Griechenland nachgewiesen. Der Einfluss der Astrologie des Mul.Apin auf vedische Texte, die zwischen 1000 und 500 v. Chr. verfasst wurden, ist von Pingree erforscht worden.⁸⁴ Kontakte mit Griechenland spiegeln sich in Homers Ilias in Achills Schildbeschreibung.⁸⁵ Hunger/Pingree legen mesopotamische Vorstellungen vom „Pfadwechsel“ der Sonne auf den äquinoktialen Punkten einem indischen liturgischen Text zugrunde, ebenso einer Stelle bei Homer. Zudem wird die Beobachtungspraxis auf der griechischen Kykladeninsel Syra, welche durch eine Inschrift nachgewiesen ist, als Nachahmung mesopotamischer Observationen gewertet. Eine bedeutende Verbindung, die von Pingree nicht angesprochen wurde, ist die qumranische „Henochastronomie“, welche babylonische Elemente aufweist. Ihr Transfer ist sehr undurchsichtig. Auch wenn die Qumranschriften, insbesondere das astronomische Henochbuch, welches in der Regel in die Hälfte des 3. Jh. v. Chr. datiert wird, um einiges später verfasst wurden, hängt der 364-Tage-Kalender des aramäi-
81 S. Brown 2006: 91. 82 S. Rochberg 2004: 267. Von einer möglichen Transmission über das Aramäische ist hier nicht die Rede, obgleich die Idee von Greenfield/Sokoloff bereits in ihrem Artikel von 1989 postuliert wurde. 83 S. Finke 2014, 2007: 61ff. 84 S. Pingree 1989c. 85 S. Pingree 1998: 127f.
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schen Henochbuches eindeutig von babylonisch-astronomischen Quellen ab, die allerdings viel früher anzusetzen sind. Dort ging man zunächst von einem 360-Tage Jahr des Zivilkalenders aus, entwickelte aber parallel dazu einen um 4 Tage abweichenden Kalender. Dazu treten die Vorstellung von 12 Himmelstoren und die damit verbundene Position der Sonne am Himmel, der Lauf des Mondes und die Länge von Tag- und Nacht, welche sich in dieser Konstellation nur in einer kurzen Periode der babylonischen Astronomie um etwa 700 v. Chr. zur Zeit der Endredaktion des Mul.Apin wiederfinden.⁸⁶ Eine bestimmte babylonische Darstellung der Mondsichtbarkeiten (the Lunar Three) ist allerdings mehr im Zusammenhang mit nicht-astronomischen Quellen der spätbabylonischen bis hin zur hellenistischen Zeit zu sehen, diese erscheint aber auch nur in anderen Qumranschriften außerhalb des Henochbuches. Umstritten ist daher, wann und wo der Transfer stattgefunden hat, ob sich einzelne Lehren unabhängig voneinander wellenartig verbreiteten oder gemeinsam, da die babylonischen Lehren auch noch bis in die hellenistische Zeit hinein zirkulierten.⁸⁷ Wir werden auf die Schriften des Henochkreises nochmals weiter unten bei der Frage nach einer aramäischen Transmission zurückkommen.
1.2.3.3 Wissenstransfer in achämenidischer Zeit Es ist klar, dass sowohl die Himmels- als auch die terrestrischen Omina (repräsentiert ¯ einen großen Einfluss auf durch die Sammlungen Enūma Anu Enlil⁸⁸ und Šumma alu) benachbarte und nachfolgende Kulturen hatten, „trasmessi in India verso il V–IV secolo a.C., appaiono attestati esattamente nel medesimo or¯ dine delle tavolette babilonesi, e.g. nel testo introduttivo, il Brahmajalasutta, della collezione ¯ (del IV secolo a.C. secondo Pingree 1992b), oppure nel ¯ intitolata D¯ıgan¯ıkaya buddhista in pali ¯ testo sanscrito del I–II secolo d.C. noto come Gargasam . hita.“⁸⁹
In einem achämenidischen Text findet sich bereits ein neues Konzept der lunaren Divination: Mond und die vier Planeten Jupiter, Venus, Saturn und Mars werden mit einigen Zeichen des Zodiakus kombiniert, die in vier Sets zu je drei Zeichen gebündelt waren. Dies steht dem späteren hellenistischen Prinzip der „Triplizitäten“ recht nahe. Jede „Triplizität“ ist mit einem Wind assoziiert, ebenso wie in Geminos Εἰσαγογή.⁹⁰
86 In aller Ausführlichkeit ist dies beschrieben bei Ben-Dov 2008: 245ff. 87 S. Ben-Dov: 249. 88 Im Folgenden EAE. 89 Panaino 2004: 218. 90 S. Hunger/Pingree 1999: 15ff., Rochberg-Halton 1988: 60f., Rochberg-Halton 1984: 123ff., 134ff.
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1.2.3.4 Wissenstransfer in hellenistischer Zeit Die für die Astrologie sicherlich wichtigste Entwicklung war die Festlegung des Zodiaks. Dieser Eckpfeiler der astrologischen Disziplin konnte sich aber erst in hellenistischer Zeit durchschlagend ausbreiten. Die Entsprechung von Monaten und Zeichen ist bereits in babylonischen Texten aus der neubabylonischen Periode zu finden.⁹¹ Die Verbereitung in den an Mesopotamien angrenzenden Gebieten zeugt von der dortigen Entstehung: über Emesa, Hat.ra, Edessa, Dura-Europos und Palmyra gelangte das Konzept des Zodiakus bis nach Südarabien.⁹² Die erste systematische (und deshalb vielzitierte) Studie zu motivischen Kontinuitäten in babylonischen und griechischen divinatorischen Texten ist ein Artikel von Bezold/Boll aus dem Jahre 1911.⁹³ Ausgangstexte sind die zu ihrer Zeit zugänglichen, sprich edierten Texte des EAE,⁹⁴ die mit dem griechischen De ostentis des Johannes Laurentius Lydus, eines Zeitgenossen Justinians kontrastiert werden.⁹⁵ Die Schrift ist ein Kompendium aus verschiedenen Prognosebüchern, die mithilfe von meteorologischen Erscheinungen wie Donner, Mond, Blitz etc. Vorhersagen treffen.⁹⁶ Der Überlieferungsweg soll Eudoxos von Knidos passiert haben.⁹⁷ Die Sammlung von Johan-
91 S. Hunger/Pingree 1999: 18. Zur Entstehung des Tierkreises i. A. s. Van der Waerden. Ältere Texte gaben Daten meist kalendarisch an, während die jüngeren dazu tendieren, Positionen in den entsprechenden Tierkreiszeichen anzugeben, s. Hunger/Pingree: 16f. Reiner 1995: 111. 92 Eines der frühesten Monumente ist der Bel-Tempel des 1. Jh. n. Chr. in Palmyra. Dabei dürfte den Nabatäern eine Schlüsselrolle bei der Verbreitung des Konzepts zukommen. Die bedeutendsten Zeug¯ nisse sind ein Relief aus Hirbet at-Tannūr oder die Darstellungen aus Z.afar in der Nähe von Sana, ˘ welche die südarabische Bezeichnungen der Tierkreiszeichen enthalten, s. Laffitte 2012: 46f. 93 Bezold/Boll 1911. 94 S. Virolleaud 1908–10. R.Thompson 1900. 95 Motivgruppen sind die in den Apodosen angekündigten Ereignisse wie der Zorn der Götter, Hinwegraffung der Menschen, Fall des Königs, Aufstand gegen den König, Aufstand der Diener gegen ihren Herrn, Revolte des Kronprinzen, das Herannahen von Feinden (t¯ıb nakri), Versklavung von Kindern, Fehlgeburten, Mangel, Siechtum, Dürre, Hungersnöte, Heuschreckenplagen, Bedrohung der Menschen durch wilde Tiere (im akkadischen Text meist zweigliedriger Ausdruck wie n¯ıši u barbari „Löwen und Leoparden“), Stürme und Überschwemmungen. Sie erwähnen weiter die Übereinstimmungen bestimmter termini technici der astrologischen Sprache, wie die Gestalt der Mondhörner und -sichel zu verschiedenen Zeiten, s. Bezold/Boll 1911: 15ff. 96 Lydus gibt in seiner Einleitung eine Übersicht der von ihm zitierten Quellen: darunter Zoroaster, Antigonos, Ptolemaios, Heliodorus, Nigidius Figulus u. a. Edition des Werkes bei Wachsmuth 1863. Tatsächlich sind ähnliche Omina bei Ptolemaios (Tetrabiblos II, 9) überliefert, s. Robbins 1980: 190–219, Gee 2008: 522. 97 Die nur in den Vergleichstexten vorhandene Überlieferung von „Prophezeiungen über Schicksale von Königen, Kriege[n]“ werten die Autoren als eklektizistische Zusammenstellung des Eudoxos. Das Verfahren schildern sie wie folgt: „Er [Eudoxos] hat also die chaldäische Kunst gekannt – vielleicht also auch durch irgendwelche Vermittlung alte chaldäische astrologische Tafeln, aus denen er genau das nahm, was sich nach seiner Überzeugung wirklich ἐκ τοῦ περιέχοντος wahrsagen liess. […] es ist wenigstens möglich, dass Eudoxos in jenen babylonischen Tafeln, soweit sie auf die Witterung gingen, die Ergebnisse von reellen, langjährigen Erfahrungen zu finden glaubte, die er darum wiederholte,
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nes Lydus, die um 550 entstand, bedient sich verschiedenster Quellen, darunter auch eines Petosiris, der im 2. Jh. v. Chr. eine Schrift über Astraldivination verfasst haben soll.⁹⁸ Auch wenn inzwischen mehr Texte publiziert wurden und zugänglich sind, so ist dem „im-Dunkel-Tappen“ bei der Frage nach den Überlieferungsmodalitäten noch kein wegweisender Stern aufgegangen.⁹⁹ Das Hauptproblem bei dem Versuch, die Überlieferungskette auszuheben, ist die zeitliche Lücke, die sich zwischen der Blütezeit babylonischer Astraldivination im 7. Jh., aus der auch die meisten keilschriftlichen Quellen stammen, und dem astrologischen Schrifttum in eher späterer hellenistischer Zeit auftut.¹⁰⁰ Fraglich ist die Bedeutung des Berossos, der in Kos eine astronomische Schule gegründet haben und dort erstmals babylonisches Wissen ins Griechische transferiert haben soll.¹⁰¹ Ähnliches gilt für die Überlieferung kosmologischer Mythen an die Griechen. Sowohl Berossos als auch die chaldäischen Orakel sollen hier neben unbekannten Quellen eine bedeutende Rolle gespielt haben.¹⁰² Auf der anderen Seite sind die intertextuellen Bezüge beinahe inflationär: „as more is known of the Akkadian texts more parallels become apparent. A large body of astral omen literature descends from this material, in Greek and Latin as well as in Aramaic, Hebrew, Syriac, Arabic, and Persian.“¹⁰³ Selbst im indischen Buddhismus konnten die mesopotamischen Divinationsmethoden Fuß fassen und manifestieren sich nach Panaino auch in Texten der Sabier, Mandäer und Manichäer. Bedeutsam ist, in welcher Weise er diesen Transfer modifiziert, der „directly or throughout the intermediary of other cultures“ stattgefunden habe.¹⁰⁴ Über das Griechische folgt dann (in der traditionellen Vorstellung) die Übermittlung an die Syrer und Araber, nicht selten in apokalyptischer Form.¹⁰⁵ Einfacher lassen sich die Überlieferungswege von Elementen der exakten Wissenschaften nachzeichnen; es seien hier nur zwei Beispiele genannt: Die Aufgangszeiten
während er weitergehende Prätensionen der Chaldäer aufs schärfste, offenbar als puren Schwindel, ablehnte“ (Bezold/Boll 1911: 11). Außerdem werden die Texte des CCAG einbezogen. 98 Diese Omina sind ebenso überliefert in den Apotelesmatika des Hephaiston von Theben (um 415). Basis der Vorhersage sind Mond-, Sonnenfinsternisse und Kometenflüge, gepaart mit Angaben zu Windrichtung, Sternschnuppen, Mondhofbeobachtungen, Donner, Blitz, Regen. Bereits im EAE tauchen alle dieser Phänomene auf, obgleich die griechische „Kometologie“ um einiges expliziter ist, s. Pingree 1998: 133. 99 Ohne die Erwähnung möglicher babylonischer Vorläufer nennt Gee 2008: 522, das Werk des Lydus als Teil der astrometeorologischen Tradition, die sich von den Parapegmata-Texten des Euctemon, Eudoxos und Meton über Aratos, Vergil und Ovid bis in die Renaissance gehalten hätten. 100 S. Rochberg-Halton 1984: 117. 101 Zur Glaubwürdigkeit der „Legende“ s. Geller 2012. 102 S. Talon 2001. 103 Pingree 1998: 133. Zu Hemerologien und verwandten Gattungen babylonischer Herkunft in mitteliranischen Texten s. Panaino 2004: 218f. 104 Panaino, 2005: 86. Als Beispiel zitiert er Sims-Williams 1995. 105 Zu der weiten Verbreitung der sog. „Apokalypse des Daniel“ s. u.
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(die wichtig zur Berechnung von Horoskopen waren) konnten nach dem babylonischen System A oder B (oder adaptierten Weiterentwicklungen) bestimmt werden.¹⁰⁶ In Babylon selbst setzte sich das System A durch, welches Epigenes später in einer weiterentwickelten Form benutzte, ebenso Hypsikles (2. Jh. v. Chr.) für Alexandria und Petosiris für Ancona. System A wurde mit der griechischen Astrologie im 2. Jh. nach Indien übermittelt und taucht auch bei dem syrisch schreibenden Georg, dem Araberbischof, im frühen 8. Jh. wieder auf.¹⁰⁷ Wahrscheinlich sind auch Informationen zu Beobachtungen von Mondfinsternissen oder Planeten der sogenannten astronomischen Tagebücher in das Almagest des Ptolemaios eingeflossen.¹⁰⁸ Ptolemaios verwendet hier die Formulierung „chaldäischer Kalender“ und meint die seleukidische Zählung. Die Tradierung ist auf Hipparchos zurückzuführen, der nachweislich von babylonischen Finsternisbeobachtungen Gebrauch machte.¹⁰⁹ Eine bedeutende Textpassage aus dem Tetrabiblos (I, 21), auf die Geller hingewiesen hat, beschreibt die Aufnahme eines „chaldäischen Manuskripts“, das stark beschädigt gewesen sei.¹¹⁰ 106 Das System A der babylonischen Mondrechnung berechnet die Bahngeschwindigkeit der Sonne für das Tierkreissegment Aries bis Leo langsamer (daher benötigt jeder Monat 31 Tage um die 30-Grad Segmente zu durchwandern) als die für Jungfrau bis Fische, s. Neugebauer 1975, Bd. I: 372, Tubach 1992: 46. Zur geographischen und historischen Verteilung von System A und B s. Van der Waerden 1968, Steele 2002: 293–295. 107 Das Schema der Länge des Mondlichtes in den 30 Nächten eines synodischen Monats, das sich bereits im EAE auf Tafel 14 findet, taucht in modfizierter Form bei Plinius (naturalis historia 2, 58 und 18,324) auf, in der Anthologie des Vettius Valens (I. 12) und in den Geoponica des Cassianus Bassus ¯ aall ¯ ¯ bezieht sich auf In(I,7), der das System dem Zoroaster zuschreibt (Beckh 1895: 11–15). Mash ah formationen von Theophilos von Edessa, s. Pingree 1988: 134ff. Zu den syrischen Autoren s. u. 108 Die astronomischen Tagebücher verdanken ihren Namen dem Umstand, dass sie periodische Erscheinungen, die mathematisch beschrieben werden können, einschließen, dagegen die meisten Ominagattungen ausschließen. Die Astronomischen Tagebücher, in der angelsächsischen Literatur Astronomical Diaries/Diaries, sind akribisch angefertigte Verzeichnisse von Sternbeobachtungen und Vorhersagen für eine Perdiode von jeweils 6 bzw. 7 Monaten, wobei die älteste Aufzeichnung wohl von 651 v. Chr. stammt, allerdings ein früherer Beginn dieser Gattung im 8. Jh. v. Chr. angenommen wird. Das letzte sicher datierte Tagebuch stammt von 60 v. Chr. Es handelt sich hier also um eine durchgehende Protokollierung von 700 Jahren (!). Nimmt man an, dass die Beobachtungen bis zum Ende der keilschriftlichen Tradition weitergeführt wurden, sind es sogar 800 Jahre. In dieser Zeit war Babylonien von den achaemenidischen Persern, hellenisierten Makedoniern und Parthern beherrscht, so dass es unwahrscheinlich erscheint, dass die fördernde Institution eine politische war. Vielmehr kann man annehmen, dass die Veranlassung für die Beobachtungen vom sog. Esagil, dem Marduktempel in Babylonien ausging. Dies belegen Dokumente aus dem späten 2. Jh. v. Chr. Die Intention der Abfassung dieser Tagebücher ist umstritten. Außerdem enthalten die astronomischen Tagebücher Preise für Alltagsgegenstände und den Wasserstand des Flusses. Das früheste darin enthaltene „Horoskop“ fällt auf den 12./13. Januar 409 v. Chr., s. Hunger/Pingree: 139, 156ff, Rochberg 2004: 147ff. 109 S. Toomer 1988: 353–362, Van der Waerden 1972: 14. 110 Eine längere, recht nüchterne Beschreibung der Handschrift folgt, s. Geller 2014: 71. Ob sich Ptolemaios hier tatsächlich auf die Herkunft der „Handschrift“ bezieht, oder womöglich mit „chaldäisch“ auf den astrologisch-astronomischen Inhalt referiert, bleibt unklar.
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1.2.3.5 Innermesopotamische Überlieferung – Eine aramäische Astraldivination? Nachweislich sind also babylonisch-mesopotamische Lehren der Himmelskunde sowie Divinationstechniken an die Nach- und Umwelt tradiert worden. Es stellt sich nun die Frage, ob die Tradierung mesopotamischen Wissens sich nicht auch innersemitisch abgespielt haben könnte, ohne eine griechische Zwischenstufe zu passieren.¹¹¹ Rein sprachlich gesehen wäre eine Übermittlung dieses Wissens vom Akkadischen ins Aramäische ökonomischer gewesen. Außerdem ist für die technischen astronomischen Texte die „aramäische Hypothese“ durchaus anerkannt. Noch vor der Verbreitung bis nach Judaea sollen babylonische „(natur)wissenschaftliche“ Texte in aramäischen Versionen kursiert haben.¹¹² Einer der Ansatzpunkte für die auch die Divination umfassende These ist die vorausgehende Verbreitung des Zodiaks seit seleukidischer Zeit, der den Weg für eine Verbreitung astraldivinatorischer Praktiken und Texte geebnet haben könnte.¹¹³ Solche Texte, die in der Tradition des EAE oder Iqqur ¯ıpuš stehen, sind in vielen aramäischen Dialekten vertreten: dem Mandäischen, dem Syrischen, dem Jüdisch-Babylonisch-Aramäischen, dem Jüdisch-Palästinisch-Aramäischen und dem Qumran-Aramäischen.¹¹⁴ Das mandäische Sfar malwašia (SM) ‚Buch der Tierkreiszeichen‘ und das SBM sollen neben den von Furlani edierten Fragmenten nach Greenfield/Sokoloff nur einen Bruchteil der in der aramäischen lingua franca kursierenden Ominatexte darstellen. Die These einer direkten innermesopotamischen Überlieferung vertreten auch Müller-Kessler¹¹⁵ und Rochberg, die beide das SM als Paradigma eines Transfers ansehen, allerdings keine wörtlichen Überein-
111 Literarische Anspielungen auf einen babylonisch-aramäischen Austausch dieser Disziplinen ist das biblische Danielbuch, s. DiTommaso 2005: 249ff. 112 S. Werman 2003: 23, Ben-Dov 2008: 259f. 113 Eine Übernahme des Zodiakus durch das Aramäische und eine anschließende Transmission ins Arabische ist stark anzunehmen, besonders über die Syrer und Mandäer, welche „descendantes de ces Chaldéens“ gewesen seien, s. Laffitte 2012: 49. Ein Knotenpunkt in der Überlieferung soll der Lahmidenhof in al-H.¯ıra gebildet haben. Laffitte sieht den Ort als bedeutendstes Zentrum für ˘ Wissenschaften, als Ort, an dem antikes Wissen in aramäischer Sprache in vorislamischer Zeit von Arabern gepflegt worden sein soll, bedeutender als Palmyra, Bosra usw. Als Beleg führt er Gedichte ¯ b. Yafūr und Ad¯ı b. Ziyad ¯ al-Ibad¯ ¯ ı an, die qalb al-aqrab „das Herz des Skorpion“ von al-Aswad erwähnen, s. Laffitte 2012: 47ff. Problematisch an der These ist, dass die Verlässlichkeit der altarabischen Poesie als Quelle höchst umstritten ist, s. Wagner 1987–88: 12–29, Toral-Niehoff 2014: 16f. Der Haken liegt jedoch in der Bezeichnung selbst: es handelt sich hier um eine der Mondstationen. Auch wenn diese an den Tierkreis angepasst wurde, so zeugt das Gedicht nur davon, dass sich diese Terminologie wohl schon eine Weile etabliert hatte und nicht unbedingt von einem Transmissionsprozess vom Aramäischen ins Arabische herrührt. Angesichts der Tatsache, dass es im Syrischen verschiedene Reihen der Tierkreiszeichen gibt, wobei eine dem Mandäischen näherzustehen scheint, ist ein enger Kontakt der beiden Sprachen in der Zeit der Tradierung dieses Wissens anzunehmen, s. Rudolf 2015. 114 Speziell zum Qumran-Aramäischen Material, s. den angekündigten Artikel von Ben-Dov: „Babylonian Science in West Semitic Sources: The Case of Qumran“. 115 Müller-Kessler 1999: 428ff.
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stimmungen nachweisen können, die auf eine Übersetzung hindeuten.¹¹⁶ Diese These hat bereits einige Anhänger gefunden: „Indeed, again, as Rochberg aptly demonstrates, on more than a single occasion one encounters virtual translations of both Enūma Anu Enlil and Iqqur ¯ıpuš. And an updated treatment of the Syriac materials will surely reveal a similiar picture.“¹¹⁷ Eine gründliche Studie zu einem Teilgebiet der Divination, den physiognomischen Omina, von Popović förderte ähnliche Vermutungen zu Tage. Zentral sind die Omina des sog. Alamdimmû, die nicht nur in neu-assyrischer Zeit belegt sind, sondern auch auf Tafeln des seleukidischen Uruk.¹¹⁸ In späteren Texten der hellenistischen Zeit wurden diese physiognomischen Omina schließlich in astrologische Prognosen eingebettet.¹¹⁹ Dies verleitet Popović zu der Annahme, dass sich ursprünglich babylonische physiognomische Traditionen astrologischen Prognosen angeschlossen hätten und so während der Spätantike und dem frühen Mittelalter in Umlauf waren. Als Argument dieser These nennt er das SM.¹²⁰ Die These erklärt allerdings nicht, wie das Material vermittelt wurde und auf welchem Wege es ins Mandäische gelangte.¹²¹ Dort, wo literarische Zeugen einer Übersetzung fehlen, ist es angebracht, auf lexikalischer Ebene zu argumentieren. Die Einschätzung Kaufmans lässt den Transmissionsprozess auch von dieser Seite plausibel erscheinen. Im mandäischen astrologischen Vokabular sieht er eine Verbindung zum Akkadischen.¹²² Diese Verbindung bestätigen auch Greenfield/Sokoloff – auch wenn sie gerade den ältesten überlieferten aramäischen astraldivinatorischen Text von diesem Befund ausklammern. Es handelt sich um das qumranische Fragment (4Q318), das in die späte herodianische Zeit (um die Zeitenwende) datiert ist¹²³ und ein Brontologion¹²⁴ sowie ein Selenodro-
116 Fraglich ist auch, selbst wenn der Kern der Sammlung in sasanidische Zeit zurückreicht, ob die nachweislich arabischen Passagen nachträglich hinzugefügt wurden, oder ob womöglich eine Redaktion in späterer Zeit stattfand. 117 Winitzer 2011: 194. 118 S. Böck 2000: 5ff. 119 S. Böck 2000: 276ff, Reiner 1995: 84. 120 S. Popović 2007: 74. 121 S. Rochberg 2004: 289f., zur medizinischen Tradition s. Geller 2000a, id. 2000b, id. 2004. 122 „Not surprisingly, the Akkadian loanwords unique to Mandaic are composed of names of objects of the material culture and religious and astrological terminology. Where it can be determined, all of these unique terms are loans (or better, survivals? [!]) from Babylonian.“ (Kaufman 1974: 163f.) 123 Die paläographische Datierung stammt von Yardeni, s. Greenfield/Sokoloff 1995: 520. 124 Pingree versteht die akkadischen Vorhersagen nach dem Donner, auch wenn sie noch nicht die Variable der Tierkreiszeichen enthalten, als gemeinsame Vorläufer für den qumranischen Text sowie für die griechischen Texte. Er lässt aber offen, ob das Brontologion direkt aus dem Akkadischen oder aus einer Übersetzung aus dem Griechischen stammt, da der Schlüsseltext, die 44. Tafel des EAE, welche Donnervorhersagen enthält, noch nicht ediert ist, s. Greenfield/Sokoloff 1995: 519, iid. 2000: 272.
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mion enthält.¹²⁵ Greenfield/Sokoloff plädieren dafür, dass diese Texte Übersetzungen aus dem Griechischen sind.¹²⁶ Sie werten sie als Belege dafür, dass divinatorische Texte dieser Art im Griechischen bereits in hellenistischer Zeit und damit früher als ihre byzantinischen Textzeugen bekannt waren. Das Beweisstück für ihre These direkter akkadisch-aramäischer Tradierung ist ein jüdisch-palästinisch-aramäischer Text, der zur Feier des Neumondes im Nisan¹²⁷ rezitiert wurde und Mondomina für poetische Zwecke umformt. Ein terminologischer und inhaltlicher Vergleich mit den akkadischen Vorlagen sowie anderen aramäischen Texten¹²⁸ lässt Sokoloff und Greenfield eine gemeinaramäische Überlieferung astrologischer und divinatorischer Literatur postulieren. Diese stelle eine Fortsetzung alter mesopotamischer Traditionen dar, was sie auch an der Terminologie festmachen. Je weiter entfernt von Mesopotamien die Texte entstanden sind, desto weniger wahrscheinlich sind direkte Entlehnungen aus dem Akkadischen, und umso dichter werden Lehnübersetzungen der termini technici.¹²⁹ Der Ausgangspunkt der Verbreitung sei aber nicht das Akkadische selbst gewesen, sondern gemeinaramäische Vorlagen wie im Falle der Hemerologien, die womöglich im Standard Literary Aramaic verfasst waren und auf deren Basis dann die Versionen in verschiedenen aramäischen Varietäten deriviert wurden.¹³⁰ Der Fortsetzung alter mesopotamischer Traditionen im Aramäischen schließt sich auch Leicht an.¹³¹ Eine weitere aramäische Quelle ist der Talmud, der die Vertrautheit der Rabbiner mit astraldivinatorischen Gattungen belegt, wenn auch meist in einem de-
125 Genauer gesagt handelt es sich um ein zodiakales Selenodromion, welches den Mondstand in den Zodiakalzeichen innerhalb von 12 Monaten auflistet. Allerdings sind die Monate mit jeweils 30 Tagen idealisiert, in summo ergibt sich damit ein Jahr mit 360 Tagen: Jacobus 2010: 366. 126 S. Greenfield/Sokoloff 1995: 516, Greenfield/Sokoloff 2000: 269. Sie betonen den Unterschied zum mesopotamischen Vorläuferschrifttum darin, dass die Monate nicht mehr als Monatsnamen, sondern als Tierkreiszeichen erscheinen. Außerdem handelt es sich hier um ein ideales Jahr von 360 Tagen bestehend aus 12 Monaten á 30 Tagen. Der qumranische Kalender rechnet dagegen mit einem Jahr von 364 Tage. Weiteres zum Vergleich des qumranischen und des babylonischen Materials s. Albani 1993: 27–35, id. 1994. Drawnel sieht in einem Vergleich der Qumranfragmente mit babylonischem Material die einzig gangbare Methode, die Lücken in der Überlieferung zu füllen und sieht die Systeme somit als vollkommen kongruent, s. Popović 2007: 39f., Drawnel 2011. 127 Dieser alte palästinische Brauch wurde bis in byzantinische Zeit fortgeführt, s. Greenfield/ Sokoloff 1989: 203, Niehoff-Panagiotidis/Hollender 2010. 128 Darunter das SM und einige von Furlani 1916, 1921, 1947 zitierten Handschriften. 129 S. Greenfield/Sokoloff 1989: 209. Vergleichsmaterial zu den Donner- und Mondbüchern belegen sie im EAE, Iqqur ¯ıpuš, s. Greenfield/Sokoloff 2000: 269. 130 S. Greenfield/Sokoloff 1989: 212. Der von den Autoren geprägte Begriff für einen einheitlichen literarischen Dialekt ist streng genommen idiosynkratisch, da es keine Definition gibt. Die Existenz einer solchen verbindlichen Hochsprache ist umstritten, s. Gzella 2011: 574. 131 S. Leicht 2006: 37.
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spektierlichen Ton darüber gehandelt wird.¹³² Der locus classicus der Astrologie im babylonischen Talmud ist bShab 156a.¹³³ Diese Passage ist vornehmlich im jüdischpalästinischen Aramäisch abgefasst.¹³⁴ Weitere talmudische Passagen zur Astraldivination sind eine abgewandelte Jahresanfangprognostik mit den Stundenherrschern (bEr 56a)¹³⁵ und ein Hemerologion (bShab 129b).¹³⁶ Über den Patriarchen Rabban Gamaliel (um 100) wird berichtet, dass er Mondtafeln schrieb und Teleskope in Benutzung hatte (yRHSh ii, 58b). Ein mögliches Szenario der Wissensaufnahme in jüdische Kreise wird von Albani mit der These vertreten, dass exilierte Juden sich in babylonischen Tempeln, die als Gelehrtenzentren fungierten, betätigten.¹³⁷ Dafür finden sich Anhaltspunkte nicht nur im Talmud,¹³⁸ sonder auch im sog. Aramäischen Levi-Dokument. Es handelt sich dabei um einen Schultext für jüdische Priester, in dem es um die rechte Bemessung von Zutaten für die rituelle Opferung geht. Die Maßangaben sind im babylonischen Sexagesimalsystem gehalten.¹³⁹ Man sollte sich bei
132 In bSuk 2,6 wird die Sonnenfinsternis als schlechtes Zeichen für die Heiden, die sich bekanntlich nach der Sonne richten, beschrieben. Die Mondfinsternis wird umgekehrt als schlechtes Zeichen für Israel gewertet. Sieht die Oberfläche des Mondes wie Blut aus, so steht Krieg bevor, usw. MekhY diskutiert die Gültigkeit von Omina, bSuk 29a beschreibt vier mögliche Verbrechen, die eine Sonnenfinsternis hervorrufen. Hier werden die Omina pervertiert, indem ihr Erscheinen als kosmische Rache für bereits vergangene Freveltaten und nicht mehr als vorausweisendes Zeichen verstanden wird, s. Ilan 2010: 131. 133 Dort diskutieren Rabbi H.anina, der die Horoskopie als verbindlich ansieht, und Yohannan, der dies bestreitet. Zugrundeliegendes Prinzip ist der Einfluss der planetarischen Tages- und Stundenherrscher auf das Schicksal des zu diesem Zeitpunkt geborenen Kindes. Leicht 2006: 94f. bezeichnet dies als „einfache Nativitätsastrologie“, s. auch Charlesworth 1987: 930ff., Greenfield/Sokoloff 1989: 211, von Stuckrad 2000: 441ff. Ein Allgemeinplatz unter frommen Juden war, dass astrologische ¯ und die 18 Lobpreisungen (Tan 10) reVorhersagen niemanden treffen konnten, der das Šma Yiśrael zitieren würde. Außerdem wird das Versagen von Astrologen in einigen talmudischen Geschichten beschrieben, s. Kalla 2,7, bSan 101b, bBer 4a, s. Ilan 2010: 132. 134 Greenfield/Sokoloff 1989: 211. 135 Die Erklärung der Gemara folgt einer Diskussion über den Jahresanfang. Von Shmuel wird überliefert, auf welche Zeitpunkte des Tages eine Finsternis oder das Einsetzen einer Jahreszeit fallen kann, ¯ n¯ısan) ¯ in die Stunde des Jupiter außerdem dass es nicht sein kann, dass der Beginn des Nisan (teqūpat ¯ (z.ædæk) fällt, ohne dass die Bäume zerstört werden, oder, dass die Wintersonnenwende (t.ebet) in die ¯ Stunde des Jupiter fällt, ohne dass die Saat vertrocknet. 136 Für bestimmte Tage werden bestimmte Handlungen vorgeschlagen, z. B. Aderlass wird nur sonntags, montags und donnerstags empfohlen, nicht dienstags, da dieser Tag vom Mars (mad¯ım) bestimmt sei, s. Ilan 2010: 132. 137 Eine mythologische Erklärung folgt zudem: das Wissen der Babylonier sei bei den Juden hochangesehen gewesen, da es sich auf die vorsintflutlichen Weisen (apkallū) zurückführte, s. Ben-Dov 2008: 253. 138 Die zitierte Stelle wird bei Ben-Dov 2008: 254 wie folgt wiedergegeben: „R. Hanina said: ‘The names of months came with them [i.e. the returnees] from Babylonia’ … R. Šimon b. Lakiš said: ‘Also the names of the angels came with them from Babylonia’“ (j. Roš Haš. 56d.). 139 Drawnel geht noch einen Schritt weiter und lässt den mathematischen Grundlagen eine weitere Funktion im Bereich astronomischer Berechnungen zukommen (!), s. Drawnel 2006: 561f.
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dieser Argumentation allerdings bewusst bleiben, dass man mit Analogien arbeitet, wenn man die Transmission divinatorischer Texte mit der Transmission astronomischer und mathematischer Texte gleichsetzt, die zumindest formal unterschiedlich strukturiert waren. Leicht verweist darauf, dass eine eigenständige jüdische Astrologietradition in hellenistischer Zeit, welche gar bis ins Mittelalter überdauert haben soll, schlichtweg unhaltbar ist. Jüdische astraldivinatorische Texte der hellenistischen Epoche beschränken sich seiner Meinung nach auf die Abrahambücher, die im Kontext astrologischer Fachprosa stehen, und die Qumranfragmente, die in gewisser Weise eine Mittelstellung einnehmen, da weder ihre Gattungen noch die in ihnen verwendeten Lehren eindeutig zugeordnet werden können. Nach seiner Einschätzung werden sogar die Qumranfragmente zu Zeugen der gemeinaramäischen Astrologie- und Divinationsliteratur. „An dieser Stelle soll daher stärker als in der bisherigen Forschung auf die Möglichkeit hingewiesen werden, dass die Qumran-Fragmente Reste einer aramäischen Astrologietradition sind, die in vielen Punkten mesopotamischen Quellen näher steht als die griechisch-hellenistische, die aber gleichzeitig bereits viele Ähnlichkeiten mit den griechischen Quellen aufweist. Als Arbeitshypothese soll daher im Anschluss an die These J. Greenfields und M. Sokoloffs formuliert werden, dass es sich um eine spezifisch aramäische Astrologie handelt, die in einigen Fällen sogar eine Mittlerposition zwischen babylonischen und hellenistischen Traditionen einnahm.“¹⁴⁰
Er plädiert dafür, dass das Einsickern babylonischer Elemente in Ägypten durch das Aramäische weitaus plausibler sei als durch das Akkadische. Dass seine These aber kaum belegt werden kann, begründet er mit der Anfälligkeit der Schreibmaterialien aus den „aramäischsprachigen Kerngebieten“ – im Gegensatz zur ägyptisch-aramäischen Literatur. Daher seien die Überlieferungen in den späteren aramäischen Sprachen so wichtig, besonders deren Vergleich und das möglicherweise dadurch zu eruierende Substrat. Hier entsteht allerdings ein Zirkelschluss, denn wenn die Quellen größtenteils nicht mehr zugänglich sind, kann ein Urteil über eine nicht vorhandene Astrologietradition in hellenistischer Zeit nur Spekulation bleiben.¹⁴¹ Das Textkorpus astrologischer und astraldivinatorischer Texte der Kairoer Genizah, das ins 11.–13. Jh. datiert ist, lässt sich anhand linguistischer Kriterien als palästinisch-aramäische Komposition bestimmen. Die Texte sind nach Leicht in byzantinisch bzw. frühislamischer Zeit entstanden und umfassen kurze Passagen der Populärastrologie „generally labeled almanacs“, wie der Traktat des Sem oder die Esra-Traditionen, dem Jannes und Jambres zugeschriebene dicta, Selenodromia und Hemerologien. Spuren der klassischen astrologischen Literatur der Spätantike sind hier nicht zu finden.¹⁴² Das Ende ihrer Verschriftung im 12./13. Jh. soll auch
140 Leicht 2006: 37. Zur Mittlerposition s. auch Ben-Dov 2008: 255ff. 141 S. Leicht 2006: 37f. 142 S. Leicht 2011: 259. Eine detaillierte Studie dieser Texte ist von Leicht angekündigt.
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zugleich ihr Todesurteil – zumindest für den westaramäischen Bereich – bedeutet haben.¹⁴³ Er betont die strukturellen Ähnlichkeiten zwischen Texten aus der Genizah und anderen früheren aramäischen Schriften einerseits sowie arabischen Astrologumena andererseits. Er erwähnt das SBM, ebenso wie den Traktat des Sem. Dieser Einschätzung zufolge müssten zumindest einzelne Passagen des zweiten Teils des SBM auf jeden Fall vor dem 12. Jh. entstanden sein. Zwei wichtige Beobachtungen sollten hier festgehalten werden. Zum einen, dass sich gegenüber dem akkadischen Ominamaterial (die späten Texte ausgeschlossen) die aramäische Astraldivination durch eine bedeutende Innovation auszeichnet: den Zodiak. Zum anderen, dass trotz der offensichtlichen thematischen Übereinstimmung des Omina-Materials mit aramäischen astraldivinatorischen Texten noch keine echten Paralleltexte gefunden wurden. Der einzige Anhaltspunkt ist die Verbreitung der Gattung und das Fachvokabular.¹⁴⁴ Nicht nur deswegen ist es verwunderlich, dass sich bisher niemand mit der Möglichkeit einer oralen Transmission auseinandergesetzt hat. Methodisch würde diese Prämisse ein anderes Vorgehen fordern, z. B. die Untersuchung der Texte nach mnemotechnischen Mustern oder anderen Signifikatoren der Oralität. Eine Frage, die ebenso offen bleibt ist die nach dem Ort eines Transfers, der mit dem Ort der Divinationspraxis weitestmöglich kongruieren sollte. Als Schnittstelle sind die babylonischen Tempel denkbar, deren Kultbetrieb bis in hellenistische Zeit nachweisbar ist.¹⁴⁵ Dort soll auch die Aufzeichnung astronomischer Tagebücher (Astronomical Diaries) vonstatten gegangen sein. Der Spagat zu astrologischer Tätigkeit ist kaum mehr Akrobatik.¹⁴⁶ Die Archive bzw. Bibliotheken der Schreiber und des Tempelpersonals enthielten nicht nur die entsprechenden Ritualtexte, sondern auch andere Textgattungen wie historische, kosmologische und Ominatexte.¹⁴⁷
143 Die syrischen Texte kann Leicht (a. a. O.) kaum gemeint haben. „As far as we can learn from the manuscripts preserved in the Cairo Geniza, the twelfth and thirteenth centuries were a watershed in the history of the ancient Palestinian astrological legacy. The available evidence shows that, during the twelfth century, Aramaic astrological texts were being translated into Hebrew and Arabic, obviously because knowledge of Aramaic was on the wane. At least from the thirteenth century onward, almost all the Aramaic texts disappeared, together with their Judeo-Arabic translations, and new Arabic texts began replacing the older Aramaic traditions. There is no evidence of the large-scale survival of popular astrological literature of Palestinian Aramaic origin in the Orient after the thirteenth or fourteenth century.“ S. auch Leicht 2005. 144 Das SBM bietet in dieser Hinsicht eine wahre Schatzkammer, da verschiedene Traditionen zusammengeschmolzen sind. Eine Aufgabe und bisher kaum wahrgenommener Indikator für die Zuordnung verschiedener Traditionsstränge ist die Variation der Planetennamenreihen (s. 2.4.2.1). 145 S. Linssen 2004: 1ff. Die Frage, wie lange noch Akkadisch gesprochen wurde, ist umstritten. Geller 1997: 43–95, sieht Graeco-Babyloniaca als Beweis dafür, dass zumindest die Keilschrift bis ins 3. Jh. verwendet und gepflegt wurde. 146 S. Van der Spek 1985: 544, wo er die These verwirft, dass die Astrologie erst durch griechischen Einfluss aufgeblüht sei, vgl. Van der Spek 2006. 147 Oelsner prägte den Begriff des Bildungsgutes im Bezug auf diese Texte, s. Linssen 2004: 5.
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Falls die Tempel tatsächlich Umschlagplatz für Divinationstexte und -methoden waren, so ist das Aramäische ein denkbares Medium, wenn auch das Griechische und das Mittelpersische in Mesopotamien um die Zeitenwende eine starke Position einnahmen.¹⁴⁸ Dass schon seit neu-assyrischer Zeit auch am Königshof aramäische Schreiber tätig waren, wird durch Namennennung und Darstellungen belegt.¹⁴⁹ Immer wieder wurden auch die Kulte babylonischer bzw. syro-palästinischer Gottheiten, die oft mit einem Planetenkult einhergingen, als Speicher okkulten Wissens in Betracht gezogen, wobei die Quellen für diese Kulte meistens Polemiken sind.¹⁵⁰ Drijvers spricht sogar von einem „kultischen/religiösen/religionspraktischen“ Muster, dem die syrischen und mesopotamischen Städte während griechisch-römischer Zeit folgten.¹⁵¹
1.2.3.6 Exkurs: Die pocket theory und der Mythos um H.arr¯an ¯ spielt schon im Alten Tesmtament als Aufenthaltsort der Familie Abrahams H.arran eine bedeutende Rolle, außerdem war es seit dem 14. Jh. v. Chr. als Stadt des Mond¯ II (744–750) wurde es gottes Sin bekannt.¹⁵² Unter dem letzten Umayyaden Marwan kurzzeitig Hauptstadt des Kalifats. Von Ibn an-Nad¯ım wird berichtet, dass sich die ¯ H.arraner, als der Kalif al-Mamūn 830 die Stadt inspizierte, als Sabier ausgaben. Die ¯ Zugehörigkeit zu der schon im Koran erwähnten Schriftreligion soll den H.arranern Deckmantel für ihren polytheistischen Kult gewesen sein, welcher ohne den Status ¯ der Schriftreligion ihre Verfolgung bedeutet hätte. Unter den Abbasiden war H.arran ein Symbol für die Aneignung heidnischer griechischer Wissenschaften, wie sie der ¯ ¯ b. Qurra verkörperte.¹⁵³ Im Jahre 1271 wurde die Stadt h.arranische Mathematiker Tabit ¯ von den Mongolen erobert und ihre Bewohner nach Mardin umgesiedelt.¹⁵⁴ Eines der großen Mysterien bei der Tradierung astraler „Wissenschaften“ ist ihre Lokalisierung, gerade zu einer Zeit, in der die byzantinischen und persischen Quellen dazu schwei¯ die für ihren bis lange gen. Es gibt kaum einen passenderen Ort als die Stadt H.arran,
148 S. Müller-Kessler 1999, Rudolf 2015. Zu den Überlieferungen über das Persische s. u. 149 Die zunehmend bedeutendere Rolle des Aramäischen in der Administration kulminierte in der Ausrufung als offizielle Sprache durch Darius, s. Ben-Dov 2008: 259ff. 150 Vermehrt ist auf ihre Rezeption in christlich-syrischen Polemiken hingewiesen worden, z. B. bei Jakob von Sarug im 5./6. Jh., s. Dirven 2009: 48. 151 S. Drijvers 1980: 6. Weitere Untersuchungen dieser Kulte bei Safar/Mustafa 1974, Tubach 1986. Wir werden weiter unten nochmals auf deren Rezeption im Syrischen und auf die Frage nach ihrer Aussagekraft eingehen. Das Problem ist allerdings, dass von einem Tempelkult noch nicht auf eine schriftliche Kontinuität babylonisch-aramäischer Divination geschlossen werden kann. ¯ gehört sicherlich auch die Verbindung mit 152 Zur vorhellenistischen (Kultur)Geschichte von H.arran dem letzten babylonischen Herrscher Nabonid, ausführlich dazu Green 1992: 19ff. 153 S. Takahashi 2011: 191f., Pingree 2002: 23ff. 154 S. Pingree 2002: 34.
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in christliche und sogar islamische Zeit fortgeführten Planetenkult bekannt war,¹⁵⁵ Sitz der sternanbetenden Sabier, welche die „derniers héritiers de la culture babylonienne“ gewesen sein sollen.¹⁵⁶ Eine verlockende Theorie ist die Annahme, dass sich bestimmte Traditionen, die en gros aus dem Wissenskanon (z. B. der byzantinischen oder persischen Machthaber, aber auch von kirchlicher Seite) ausgeklammert waren, durch einen Engpass ihren Weg in die Tradierung gefunden hätten. Saliba benennt diese Idee einer Transmission von Wissen über einen geographischen Engpass die pocket theory.¹⁵⁷ Diese Annahmen lassen sich leicht auf eine Gruppierung projizieren, deren Definition und Identifizierung derart umstritten ist.¹⁵⁸ Vieles deutet darauf hin, dass die Bezeichnung Sabier für die Anhänger einer (gnostischen) Sekte gebraucht wurde, so auch sicherlich schon im Koran. Die Unsicherheit über die Bedeutung mag erst mit der späteren Erweiterung der Extension des Begriffes einherge¯ gangen sein, demzufolge dann auch die H.arraner und Mandäer mit diesem Namen bedacht wurden.¹⁵⁹ Dass die Sabier neoplatonisch geprägte Philosophie tradierten und diese in synkretistischer Weise mit (astral)magischen Praktiken verbanden, geht besonders auf die Darstellung al-Masūd¯ı’s zurück, sowie auf die Annahme, dass die ¯ stammten, al-Battan¯ ¯ ı und Tabit ¯ zwei bedeutendsten Wissenschaftler, die aus H.arran ¯ ibn Qurra, mit ihren Werken und dem Interesse für Astronomie nur einer solchen Tradition entsprungen sein könnten.¹⁶⁰ Ein großes Problem der arabischen Quellen, welche die Sabier als Lieferanten magischen und astrologischen Wissens zitieren, ist die
155 „In particular, this Northeastern corner of the country [Syria] was, from the sixth century on, the center for Syrian investigation of astronomy and astrology.“ (Pingree 2002: 8). 156 S. Berthelot 1983: 11f. 157 „In this new theory, assumptions were made about the survival of ancient scientific and philosophical texts in a few cities in Byzantium or in the then-defunct Sassanian Empire. In those cities, classical Greek scientific texts were supposed to have been preserved. Antioch (the cradle of early ¯ (the site of many legends recorded in later Islamic sources), and Jund¯ıshapūr ¯ Christianity), H.arran (where academies, hospitals, and observatories were supposed to have flourished) were all mentioned at one time ore another as major repositories of ancient classical Greek texts.“ (Saliba 2007: 5). Auch wenn die Theorie eigentlich „Wissenschaftstexte“ behandelt, so beschreibt sie eben¯ Astrologie- und Divinationsschulen anzusiedeln. sogut die leichtfertigen Versuche, in H.arran 158 Die erste umfassende und bis heute maßgebliche Studie verfasste Chwolsohn 1856, s. Hjärpe 1972, Green 1992, Tardieu 1986. Der wohl letzte und beste Stand ist der Artikel von Fahd 1995 sowie De Blois 1995. Dort wird das Problem der Benennung verschiedener Glaubensgemeinschaften mit diesem Namen zu verschiedenen Zeiten eruiert, zur weiteren Sekundärliteratur und einem Überblick über die Quellen vgl. Tubach 1986: 143ff. 159 Noch in frühislamischer Zeit sollen die ersten Anhänger des Islams in Mekka als Sabier bezeichnet worden sein, s. Wellhausen 1961: 236f., vgl. Strohmaier 2011: 307, De Blois 1995. ¯ als tendenziöse 160 Sogar Pingree sieht die von Tardieu postulierte platonische Schule in H.arran Überinterpretation der Überlieferungslage, s. Pingree 2002: 10. Diese Kritik liest sich im Vergleich zu van Bladel noch sehr harmlos, ebd. S. 70. Dieses Wissen soll dann im 9. bis 13. Jh. durch die arabische Tradition im gesamten arabischsprachigen Raum verbreitet worden und somit nach Europa gelangt sein, s. Pingree 2002: 9.
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Uneindeutigkeit des Begriffes ‚Sabier‘, womit bisweilen auch die Nabatäer bezeichnet wurden.¹⁶¹ Zunächst muss der Planetenkult, der eine rein kultische Angelegenheit gewesen sein könnte, von der astrologischen Lehre getrennt untersucht werden, ebenso klar von der Astronomie und Philosophie geschieden werden. Um die Bedeutung von ¯ zu verstehen, müssen die verschiedenen Fremdberichte nach ihrer Intention H.arran unterschieden werden, die Überlegungen zum Wissenstransfer nach dem exakten Inhalt der womöglich dort tradierten Stoffe geschieden werden. Daher behandeln ¯ die philosophisch-naturwir nacheinander den Planeten- und Sternenkult in H.arran, ¯ und schließlich die Überlieferung wissenschaftlich ausgerichtete Schule von H.arran ¯ magisch-astrologischen Wissens in H.arran. ¯ Berichte über den Planetenkult der H.arraner stehen oft mit antiheidnischer Polemik in Verbindung. Dies ist in einer syrischen Anthologie griechischer Philoso¯ gerichtet ist: die phenaussprüche belegt, die als Apell an die Bewohner von H.arran ¯ H.arraner sollten damit von der inhaltlichen Nähe zum Christentum überzeugt werden und letztlich zum Konvertieren bewegt werden.¹⁶² Dass heidnische Kulte hier fortgeführt wurden ist kaum anzuzweifeln, selbst die griechischen Kirchenväter kennen ¯ ist kein Einzelfall. In seiner Homilie es als Heidenstadt (mdin ttå d-h.anpē¸).¹⁶³ H.arran ¯ ¯ „Über den Fall der Götzenbilder“ informiert Jakob von Sarug¹⁶⁴ (451–521 n. Chr.) über eine Reihe heidnischer Gottheiten, die konkurrierend zur syrisch-orthodoxen Religion auch in Edessa und Antiochia verehrt würden.¹⁶⁵ Nennenswert ist auch die Polemik ¯ ıs gegen die Verehrung des babylonischen Gottes Nebo in Edessa.¹⁶⁶ Theodor bar Kon¯ Theodor spricht ihm jegliche Berechtigung ab, indem er die Verehrung dieser Gottheit als reines Missverständnis „aufdeckt“: Nebo sei ursprünglich ein Schriftgelehrter aus Mabbog (Hierapolis) gewesen. Einer seiner Schüler verehrte sein Abbild, um seine Gunst zu gewinnen, was Generationen nach ihm so weiterführten. Das menschliche Vorbild geriet in Vergessenheit und der Kult verselbständigte sich.¹⁶⁷ Eine weitere Quelle für heidnische Praxis in Edessa ist die Doctrina Addai, welche am Ende des 4. Jh. verfasst wurde und in das apologetische Genre fällt. Demnach würden sowohl ¯ Edessener als auch H.arraner eine Gottheit namens Bath Nikkal verehren. Mit den 161 S. Pingree 1980: 3. 162 S. Brock 1983. 163 Zu den Heiligtümern der sieben Planeten s. Segal 1953, id. 1954, id. 1963. 164 S. Vandenhoff 1915: 236f. 165 „He (i.e. Satan) put Apollo as Idol in Antioch and others with him, / In Edessa he set Nero and Bel together with many others, / He led astray Harran by Sin, Baalshamen and Bar Nemre / By my Lord with his Dogs and the goddess Taratha and Gadlat.“ (Landersdorfer 1914: 51ff.), vgl. Green 1992: 57, Dirven 2009: 48, siehe auch Niehr 2003. 166 Er wurde dort als Nebo, Gott der Schreibkunst, adaptiert und später mit Hermes gleichgesetzt. So von Pseudo-Lucianus, der den „Gott von Hierapolis“, Hermes, mit Nebo gleichsetzt, s. Drijvers 1980: 86f. 167 S. Drijvers 1970: 8.
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Arabern teilten sich die Edessener die Devotion des Adlers.¹⁶⁸ Doch nicht nur Edessa ¯ für den Fortbestand alter Kulte bedeutend gewesen zu sein, scheint neben H.arran sondern auch Sumatar¹⁶⁹ oder Hierapolis. Die dort ansässige Verehrung der Atargatis ist auch durch Bardesanes bestätigt, der über Abgar berichtet, dass dieser die Entmannung zu ihren Ehren verboten habe.¹⁷⁰ In diese Reihe lassen sich auch H.at.ra, Antiochia u. a. Städte stellen, die an dem von Drijvers beschriebenen „religionspraktischen“ Muster partizipierten. Dennoch besteht Pingree darauf, dass die kultische ¯ die unmittelbare Verehrung der Planeten als Götter sei, im Besonderheit in H.arran Gegensatz zur Verehrung eines Gottes mit planetaren Attributen in benachbarten Städten.¹⁷¹ Eine Annahme, die schwerlich nachzuprüfen ist, es sei denn, dass eine der verlorenen Quellen über die Stadt wieder auftaucht.¹⁷² ¯ für deren Existenz sich Eine weitere Diskussion betrifft die Schule von H.arran, v. a. Tardieu und Pingree ausgesprochen haben. Es sollen sich hier Schüler des Simplicius und der Neoplatoniker auf der Rückreise aus dem Sasanidenreiche, wo sie urprünglich nach der Schließung der platonischen Schule in Athen durch Justinian 529 Asyl suchten, niedergelassen haben. Dadurch ließe sich der Einfluss neoplatonischer Lehren im „sabischen Glaubensgebäude“ erklären.¹⁷³ Teil an einem solchen Mythos hat vielleicht auch der vereinfachende Bericht des Wissenstransfers von West nach ¯ ab¯ ¯ ı, dem sich al-Masūd¯ı anschließt. Demnach wurden die Schulen grieOst von al-Far chischer Lehrtradition nach und nach weiter Richtung Osten verlegt: von Alexandrien nach Antiochien (während der Regierungszeit Umars 717–720 n. Chr.), von dort nach ¯ (während der Regierungszeit al-Mutawakkils 847–861), von dort weiter nach H.arran Bagdad (um die Wende vom 9. zum 10. Jh.).¹⁷⁴ Saliba zeigt daran erhebliche Zweifel: ¯ nor in Jund¯ıshapūr ¯ „Furthermore, neither in Antioch nor in H.arran could one find a single scientist or philosopher of any importance who could have produced any work that could demonstrate his or her sophisticated understanding of the classical Greek scientific and philosophical texts, let alone match them in brilliance. Sure, one may find some references to such folk scientific ideas as names of stars, calendar approximations, or some astrological prognostications, of the type we see in the Syriac scientists mentioned below, or even the works of Paulus Alexandrinus.“¹⁷⁵
168 S. Drijvers 1970: 7f. ¯ und Edessa, von diesem etwa 50 km südöstlich, liegt. 169 Ein Ort, der zwischen H.arran 170 Ihr Kult ist aus Hierapolis, nach ikonographischen Funden auch aus Dura-Europos bekannt, s. Drijvers 1965: 58, Kaizer 2006: 42. 171 S. Pingree 2002: 8f. ¯ 172 Die von Bar Hebraeus erwähnte Schrift über die Kultpraxis der h.arranischen Sabier ist leider verloren. 173 S. Pingree 2002: 10. Es ließe sich für diese Argumentation auch der Bericht H.unayns anschließen, ¯ gefunden haben soll, demnach er eine Handschrift des In Platonis Timaeum commentaria in H.arran vgl. Strohmaier: 1994: 1996. 174 Vgl. Pietruschka 1997: 121f. 175 Saliba 2007: 5f.
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Kaum kann man soweit gehen, den Syrern die Kompetenz zur Wissenschaftlichkeit abzusprechen: als Gegenbeweis reicht der Verweis auf Zentren wie Qennešrin.¹⁷⁶ Tat¯ ibn Qurra aus H.arran ¯ kam und nachweislich mit Texten wie sache ist auch, dass Tabit ¯ Ptolemaios Planetenhypothesen vertraut war.¹⁷⁷ Eine gut ausgewählte Bibliothek ist außerdem indirekt durch H.unayn belegt, der dort sonst nicht auffindbare galenische Handschriften einsehen konnte.¹⁷⁸ Was aber Salibas Aussage in voller Länge zitierfähig macht, ist sein Postulat ubiquitären kalendarischen und divinatorischen Wissens. ¯ Eine dezidierte Tradition von Geheimwissenschaft, wie sie mancher den H.arranern gerne andichten würde, ist schwer zu belegen. Peters schreibt hier „indeed, as we shall see, the Arabs learned to be Hermeticists even before they learned to be philosophers. They were helped in their education by a peculiar community of people over whom the transforming wave of Near Eastern Christianity appears to have passed unavailingly, the socalled Sabians of the northwestern Mesopotamian city of Harran.“¹⁷⁹
Die Existenz einer Schule oder kursierende hermetische Lehren können weder bewiesen noch gänzlich abgestritten werden. Unumstritten ist die Existenz eines Planeten¯ den einzigen Bewahrer für einen kultes. Allerdings ist es m. A. nicht haltbar, in H.arran bestimmten, sonst überall ausgestorbenen Zweig der Astraldivination zu sehen.¹⁸⁰ ¯ Die Beweise für eine speziell h.arranische Tradierung astralen Wissens sind recht dürftig und bei näherer Betrachtung kaum greifbar. Weder der Planetenkult ist eine singuläre Erscheinung noch die literarischen Beweise, die Pingree anführt. Das K. ¯ ıd, das im 8. Jh. von einem gewissen Sa¯ıd ibn Huras ¯ anh ¯ urrah aus dem Mital-mawal¯ ˘ ˘ telpersischen übersetzt worden sein soll, geht auf ein sasanidisches Werk zur Genethlialogie urpünglich griechischer Provenienz zurück und schmückt sich mit der Au¯ verfasst worden sein, weil dort von einem torschaft des Zoroaster. Es soll in H.arran ¯ Horoskop eines H.arraners aus dem 3. Jh. die Rede ist (!).¹⁸¹ Auch wenn dieses Horo-
176 Saliba will hier auf ein gewisses Stagnieren der Wissenschaft hinaus, wie sie im Falle der Astronomie nicht nachvollziehbar ist, s. Villey 2011–12. Außerdem waren die Syrer am Prozess der Wissensaneignung, des Abgleichs und eines Selektionsprozesses von griechischen und andererseits indischpersischen Traditionen aktiv beteiligt. 177 Pingree 2002: 14. 178 S. Pingree 2002: 15 mit Verweis auf Bergsträsser 1932: 11, 23, 29. 179 Peters 2004: 58. ¯ 180 So behauptet z. B. Tubach, dass „sich die H.arraner in vorhellenistischer Zeit der alten babylonischen Omina-Astrologie widmeten“ und etwas später als die Babylonier Horoskope erstellten. Diese Annahme stützt sich allein auf die Analogie zu umliegenden Städten, z. B. Sultantepe. Daher muss Tu¯ bach wenige Zeilen später eingestehen: „Welchen Anteil das babylonische Substrat an der in H.arran praktizierten Astrologie besaß, entzieht sich jeder Kenntnis.“ (Tubach 1986: 158). Pingree ist vom ¯ im 3. Jh. nachweisbare Astrologie sei griechischer Natur und weit Gegenteil überzeugt: die in H.arran von dem entfernt gewesen, was die Tafeln in Sultantepe berühren würden, s. Pingree 2002: 11. 181 S. Pingree 2002: 11, id. 1997: 44ff. Die Zuschreibung an Zoroaster begründet Pingree mit der Gründungslegende zoroastrischer Religion, die bereits von al-B¯ırūn¯ı „zitiert“ wird. Demnach hätten
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skop echt ist, ist damit noch nicht ausgeschlossen, dass in den umliegenden Städten Edessa, Mabbog (Hierapolis) und Reš Ayna (Theodosiopolis) keine derartigen Überlieferungen stattfanden.
1.2.3.7 Überlieferung astrologisch-divinatorischen Wissens unter den Sasaniden Vom Standpunkt arabisch-islamischer Astrologie aus gesehen, kommt den Persern eine entscheidende Rolle bei der Vermittlung astrologischen Wissens zu.¹⁸² Diese Abhängigkeit zeigt sich auch besonders in byzantinischen Schriften, die aus dem Arabischen übersetzt wurden und sich augenscheinlich auf persisches Material stützen.¹⁸³ Einige Texte, darunter ein astrologisches Lehrgedicht des Dorotheus, sind allein durch ihre mittelpersische Version (und anschließende Übersetzung ins Arabische) erhalten geblieben.¹⁸⁴ Auch von der „Astrologenbibel“, dem Τετράβιβλος des Ptolemaios, kann mit einiger Sicherheit behauptet werden, dass sie ins Mittelpersische übersetzt wurde.¹⁸⁵ Indirekt lässt sich über spätere mittelpersische Schriften des 8./9. Jh. wie ¯ ¯ ¯ı Xrad, die popoulärastrologische das Bundahišn, Dēnkard, Zadsparam oder Mēnog Vorstellungen enthalten und sich dabei auf ältere Traditionen berufen, darauf schließen, dass es sich tatsächlich um das Wissen von „provincial intellectuals (priests and scribes)“ der sasanidischen Zeit handelt, welches allerdings allseits verbreitet war.¹⁸⁶ Die Syrer waren durch ihre weitläufige Ausbreitung und die Gründung der ostkirch-
¯ die Zoroastrier ihre Gesetze von den Sonnenanbetern und den H.arranern erhalten. Dazu formuliert ¯ as the place in which Pingree die „tentative conclusion […] that some Zoroastrians looked to H.arran their prophet received his first inspiration“ (Pingree 2002: 12). 182 Die arabische Astrologie entspringt aus dem Nichts, die Terminologie ist aber bereits voll ausgebildet, dabei sind die ersten maßgeblichen Werke bezeichnenderweise von persischen Autoren verfasst. Abū Mašar wäre hier als Pionier zu nennen, s. Raffaelli 2004. 183 Namentlich handelt es sich um einige Texte des CCAG. Es lässt sich sowohl von ideengeschichtlicher als auch linguistischer Seite argumentieren. Bestimmte Elemente tauchen erstmals in der sasanidischen Astrologie auf, wie die Herrschaft einzelner Planeten über Jahrtausende. Ebenso sind Astronyme z. T. in ihrer iranischen Form belassen ohne durch das arabische Äquivalent ersetzt worden zu sein. Ein weiteres wichtiges Indiz zur Unterscheidung ist die Gestaltung des Welthoroskops, des thema mundi, das sich in seiner klassischen griechischen Form von der iranischen Variante unterscheidet. Bei der „Entstehung der Welt“ befinden sich die Planeten in der griechischen Vorstellung in ihrem Domizil (s. 2.2.4.4), in der iranischen in ihrer Exaltation, s. Raffaelli: 239–244. Zeitlich lässt sich die Konsultation arabischer Astronomen durch die Byzantiner recht gut eingrenzen: Der erste Text der arabischen Einfluss zeigt, soll 1032 entstanden sein, s. Tihon 2000. 184 Es wurde im 3. Jh. n. Chr. ins Mittelpersische übersetzt, s. Raffaelli 2004: 241. Die Edition des arabischen Textes und seiner lateinischen Übersetzung stammt von Pingree 1976. Dieser datiert die Übersetzung ins Persische in die Zeit des Sasanidenherrschers Ardaš¯ır I. (222–237) oder seines Sohnes ¯ an-nahmat.an ¯ des ¯ Šapūr I. (237–267). Die Information stammt aus einer Passage des verlorenen Kitab Ibn Nawbaht, zitiert bei Ibn an-Nad¯ım, s. Pingree 1989: 229. ˘ 185 S. Raffaelli 2004: 241. 186 S. Brunner 1987: 864.
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lichen Verwaltung in Ktesiphon und dem späteren Zentrum Nisibis (s. 1.3) auf persischem Boden angesiedelt und daher in zwangsläufigem Kontakt mit den zoroastrischen und manichäischen Zeitgenossen. Wie der Austausch von Wissen und Ideen de facto ausgesehen hat, ist noch unklar. Nicht nur bestimmte, im 5. Jh. nachweisbare Konzepte wie die 4-Elementen-Lehre, die Vorstellung von Mikrokosmos-Makrokosmos und die Humoralpathologie müssen von den Syrern übermittelt worden sein, sondern auch die aristotelische Logik, z. B. bei Paul dem Perser, die das grundlegende Werkzeug spätantiker apologetischer Religionsdiskussionen gewesen ist, wovon in vielen (legendenhaften) Berichten zu lesen ist.¹⁸⁷ Gignoux betont außerdem, dass „l’intermédiaire syriaque est nécessairement à postuler, au moins en ce qui concerne les livres grecques“.¹⁸⁸ Allerdings sind nicht nur die griechischen Hintergründe unzureichend erforscht, sondern auch die babylonischen. Gerade die Astraldivination sei das Gefäß zur Konservierung älterer Traditionen.¹⁸⁹ Ansätze, die einen Transport von kosmologischem Wissen der Babylonier über iranische Mythologie bestätigen, zeigt die Schatzhöhle (Marat gan zzē¸).¹⁹⁰ Die Trias kosmologischer Schichten, die dem sonst sieben¯ stufigen Modell der Welt in jüdischen und christlichen Quellen (griechischer Beeinflussung) entgegenstehen, wird älteren mesopotamischen Traditionen zugeschrieben, die in iranischen und indischen Quellen wieder auftauchen.¹⁹¹ Etwas ornamentiert und zugespitzt formuliert es Peters: „Indeed, much of what has been described as Hermeticism may have been on that same terrain long before Islam, in the hands of people like the Mandeans, Syrian Christian groups like the Daysanites, the theologians of the well-established Babylonian rabbinate, the Hellenized pagan priesthoods which were still active in Babylon and elsewhere in the first
187 S. Gignoux 2001: 217–236. Walker spricht von einer koineˉˊ, die von Christen, Polytheisten und Zoroastriern gleichermaßen gebraucht worden sei, besonders zur Zeit Justinians. Die Knotenpunkte dieser Entwicklung sieht er in der Übersetzungstätigkeit von Sergius von Reš Ayna und des Mäzenen¯ (531–679). Die Diskussionen seien in al-H.¯ıra, Konstantinopel, Ktesiphon und tums Chosroe Anuširvan Nisibis geführt worden, s. Walker 2006: 164ff., 202f. 188 Gignoux 2001: 219. Damit sind Werke der Astronomie (das ptolemaische Almagest), der Agrikultur, Militärwesens usw. gemeint. Für die griechischen medizinischen Texte darf man ab dem 5. Jh. eine Vermittlung über das Syrische annehmen, s. Sohn 1996: 36. 189 Panaino verweist hier insbesondere auf den Gebrauch der Weissagung durch Schlangen (Ophiomantie) und bestimmter Schutzformeln bei der Beschwörung der Planeten. „Thus, if this shadow-text does not confirm the direct and unchanged continuation of Mesopotamian ideas, an assumption which was never expressed by Pingree, we may observe that a lot of Zoroastrian astral traditions, e.g. those concerning the ophiomancy in the framework of astral omina or the use of protective formulae of invocations to the planets (who are demons in the Mazdean framework), show more than a far resonance from Babylon.“ (Panaino 2009: 102f.) Zu einigen Werken der Astrologie wie des Teukros, Dorotheos, den Geoponica etc., s. Nallino 1922. 190 Ediert und ins Deutsche übersetzt von Bezold 1883. 191 S. Minov 2014: 156. Die Arbeit von Panaino konnte außerdem zeigen, dass auch die den weiterentwickelten Modellen von 5 bis 7 Sphären in den späteren avestischen Texten sowie dem Bundahišn (in Pahlavi) das dreigliedrige Modell zugrundeliegt, vgl. Panaino 2000.
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Christian century, or in later times the Hellenic and Hellenized philosophers at the court of Khusraw Anushirvan.“¹⁹² Es ist kaum vorstellbar, dass dieser Prozess nicht auch umgekehrt verlief. Allerdings wird in keiner mir bekannten Arbeit systematisch auf einen möglichen mittelpersisch-syrischen Wissenstransfer eingegangen, obwohl es dafür deutliche Anzeichen gibt.¹⁹³ Sprachlich gesehen kam zunächst das Parthische mit aramäischen Varietäten wie dem Syrischen, Mandäischen, Hatranischen, Palmyrenischen und Jüdisch Babylonisch Aramäischen in Kontakt.¹⁹⁴ Hier soll v. a. die manichäische Lehre Medium für die Verbreitung des Parthischen gewesen sein.¹⁹⁵ Weitaus bedeutender ist der Sprachkontakt mit dem Mittelpersischen in sasanidischer Zeit.¹⁹⁶ Wohl für nestorianische Gemeinden entstanden mittelpersische Übersetzungen der Psalmen (zabūr), sogar des Henochbuches und anderer Apokrypha. Ein Problem ist die schlechte Textüberlieferung, besonders avestischer Schriften. Mit einiger Sicherheit ist jedoch nachzuweisen, dass nichtindigenes Wissen auch dort eine gewisse Rolle gespielt hat. So ist nachweislich das ptolemaische Almagest darin verarbeitet worden.¹⁹⁷ Anhaltspunkte für die Wissensüberlieferung an die Syrer in sasanidischer Zeit sind z. B. die Kenntnis der indischen Dezimahlzahlen, die Severus in einem Brief demonstriert, und die ihn nur aus dieser Quelle erreicht haben können.¹⁹⁸ Ein Hinweis für die Mechanismen der Überlieferung könnte außerdem die Wortgeschichte des ¯ (al)lyå/attalyå/et(a)lyå¹⁹⁹ ist Finsternisdrachen liefern. Die syrische Bezeichnung at ¯ ¯
192 Peters 2004: 63. Für ihn sind ganz besonders die Mandäer von Interesse, die mangels gültiger Definition mit Sabiern und Nabatäern verwechselt wurden. Ihre gnostische Lehre hätte gut auf ihrem vorchristlichen, jüdisch-sektiererischen Boden gedeihen können. Sie seien vor der Zerstörung ¯ um dann im irakischen Sumpfland eine Wohndes Tempels gen Osten gezogen, vorbei an H.arran, statt zu finden. Ihre Lehre sei eine frühe Form der jüdischen Gnosis angereichert mit babylonischen und iranischen Elementen wie die Betonung der 7 Planeten oder die mand. Form des Erlösermythos, s. Peters 2004: 64. 193 Besser erforscht sind die iranischen Einflüsse auf die rabbinische Gelehrsamkeit, vgl. Secunda 2013, Macuch 1999. 194 Edessa soll in syrischen Quellen sogar „die Parthische“ oder „Tochter der Parther“ genannt worden sein, s. Ciancaglini 2001: 13 mit Verweis auf Widengren 1960: 6. 195 So sollen die gnostischen Ideen des Mandäischen besonders durch parthische Vermittlung aufgenommen worden sein, s. Ciancaglini 2001: 13. 196 Die Christen der ostsyrischen Kirche bedienten sich nach der Trennung von den Westsyrern sogar eine zeitlang des Mittelpersischen, bevor das Syrische wieder den alleinigen Status der Kirchen und Literatursprache einnahm. Allerdings sind kaum Texte aus dieser Zeit überliefert, s. Ciancaglini 2001: 14. 197 S. Daryaee 2009: 119. 198 S. Reich 2000. 199 Die Vokalisierung ist unsicher, bei Bar Bahlūl findet sich die Schreibung mit e-Vokal, wahrscheinlich in Analogie zum wortinizialen Wandel von a > e.
1.2 Die Tradition von Astrologie und Divination
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aus akkadischem attalû²⁰⁰ ‚Finsternis‘ entlehnt.²⁰¹ Dort taucht aber nirgends die Metapher des Drachen auf, der personifizierten Ursache der Finsternis, der den Mond bzw. ¯ die Sonne verschlingt. Dieser Finsternisdrache erscheint aber im Pehlevi als gočihr. Der aufsteigende Mondknoten wurde als sein Kopf und der absteigende Mondknoten als sein Schwanz gedacht.²⁰² Daraus folgt, dass die Syrer bereits vor den Arabern mit dem Konzept in Berührung gekommen sein müssen, da diese den ‚Drachen‘ mit dem direkt aus dem Pehlevi entlehnten Wort gˇ awzahr benennen. Außerdem ist in syrischen Texten schon vor der Astrologieblüte im Arabischen vom Finsternisdrachen die Rede.²⁰³ Als semitische (!) Wurzel ist *? at(h)al- *ač(h)al- bei Militarev/Kogan ¯ im Mandäischen, Tigrinya, Tigre belegt als „mythical reptile, dragon“. Die Autoren können sich einen Bedeutungswandel von akkad. ‚Finsternis‘ zu ‚Drachen‘ nicht erklären und setzen deshalb zwei verschiedene Wurzeln an.²⁰⁴ Ein weiteres Argument ist ein Beleg aus der syrischen Astronymie. Die Bezeichnung für die Milchstraße ist dort noch unberührt von der griechischen Vorstellung der Milchstraße und lautet šb¯ıl tebnå ‚Strohweg‘. Kein mir bekannter syrischer Autor ¯ ¯ erklärt die Bedeutung oder die dazugehörige Legende. Diese ist in der armenischen Sagenwelt beheimatet, von der die iranische nicht allzuweit entfernt liegt.²⁰⁵ Dass die Divination nominell eine „babylonische“ Kunst ist, liegt vor allem an der Rezeption durch die Umwelt, ihre beständige Weitertradierung und Neuformation, die sie gewissermaßen organisch gehalten hat. Dass die ursprüngliche Struktur immer noch durchscheint, muss erklärt werden, was allerdings bei dem omnipräsenten, aber zugleich dem ständigen Versuch einer Ausgrenzung ausgesetzten Sujet der Divination relativ schwer ist. Da sich (noch) keine eindeutigen Hinweise auf Übersetzungen fin-
200 Bezeichnend ist allerdings, dass das Wort bereits im Akkadischen ein Fremdwort ist, das aus dem Sumerischen übernommen wurde, s. CAD, Bd. I,2: 509. 201 Neben dieser Bezeichnung findet sich auch das gr. Lehnwort eql¯ıps¯ıs. 202 Pingree stuft dies als sasanidische Innovation ein, die dort aus der indischen Kosmologie entlehnt wurde, s. Pingree 1997: 39f., Hartner 1965: 501. Mit dieser Metapher war eine bestimmte Methode zur Berechnung der Finsternisse verbunden. 203 Vgl. den von Nau edierten Traktat von Severus Sebokht „Ataliâ, ou le dragon céleste, cause des éclipses de lune“, in dem er sich bereits deutlich vom Mythos eines Finsternis verursachenden Drachens abgrenzt, s. Nau 1910: 223. 204 Sie beziehen sich dabei auf Bezold 1911: 358. Wichtig ist jedoch die Beobachtung einer „perfect semantic and phonetic coincidence between Arm. and Eth.“, was wiederum für eine innersemitische Entlehnung spricht, s. Militarev/Kogan 2005: 29f. Ein Anstoss die Entwicklungslinien zwischen äthiopischer und aramäischer Astrologie/Astronomietradition genauer zu untersuchen, da auch die Zusammenhänge der Henochschriften nicht ganz geklärt sind – auch wenn der Finsternisdrache dort noch nicht vorkommt, s. auch MacKenzie 1964: 515f. Eine detaillierte Darstellung mit Vergleich manichäischer und koptischer Belege ist zu finden bei A. Pirtea 2017. 205 Im 7. Jh. berichtet der Armenier Anania Shirakatsi in seiner Kosmologie über den Mythos, s. Colpe/Haussig 1986: 105. Man vergleiche die Bezeichnung in umliegenden Sprachen kurd. r¯ıya¯ ¯ ıyē ‚Weg eines Strohräubers‘, armen. hardagoγi čanaparh, pers. rah-i ¯ ¯ kahduzd, ¯ kadiz¯ kah-kašan türk. samanyolu, s. Patgambar 2006: 22.
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den lassen, müssen wir von vielen Möglichkeiten ausgehen, wie dieses Wissen zu den Syrern gelangt ist: a) durch eine akkadisch-aramäische Übermittlung, wobei hier noch die These des Gemeinaramäischen geprüft werden müsste, sowie die Rolle des Mandäischen, b) durch eine akkadisch-griechische Vermittlung, c) durch akkadisch-aramäisch-(griechisch)-persische-(arabische) Vermittlung, d) durch …-griechisch-syrisch-arabische Vermittlung, und einer Rückübersetzung ins Syrische, die These, die Furlani für einige syrische divinatorische Texte ansetzt. e) Zuletzt darf nicht die These der Mündlichkeit vergessen werden, welche die Spuren letztendlich verwischen würde.²⁰⁶ Besonders muss auch hier, wie im Falle der Astrologie, eine Studie der einzelnen Divinationsmethoden folgen, wie wir sie in einem späteren Kapitel, zumindest für die im SBM vorkommenden Zweige der Divination beabsichtigen vorzulegen. Im Folgenden werden wir die Wissensangeignung bei den Syrern im Allgemeinen behandeln und ihre sprachlichen Konsequenzen, welche uns bei der späteren Analyse des SBM als Werkzeug zur Hilfe stehen soll.
1.3 Wissensaneignung und -tradierung bei den Syrern und deren Schauplätze ¯ ¸ Eine der ältesten syrischen Schriften, die ‚Gesetze der Länder‘ (ktåbå d-nåmosē ¯ ¯ ¯ d-atrawåtå) des Bardesanes, behandelt die Frage nach der Willensfreiheit und ¯ ¯ ¯ nach der Gültigkeit astrologischer Prognosen. Sie orientiert sich in der Wahl des Sujets und ihrer Quelle eindeutig am Griechischen. Nicht nur astrologische Fachtermini tauchen bei Bardesanes auf, sondern auch die Argumente gegen die Astrologie sind aus der griechischen Philosophie des Karneades (214–129 v. Chr.) übernommen. Argumentationen dieser Art bestimmten den Diskurs um den freien Willen, der besonders seit dem Aufkommen des Christentums eine neue Diskussionsgrundlage gefunden hatte. Wir werden später auf den Autor und sein Werk als astrologischen Schriftsteller zurückkommen. Was aber für die gesamte (spätantike) syrische Wissenskultur geltend sein sollte, ist die enge Bindung an das Griechische. Brock ist der Ansicht, dass die ersten gut erhaltenen Schriften des Syrischen vom Hellenismus sprachlich zunächst kaum in Mitleidenschaft gezogen sind wie die Werke Aphrahats
206 Ein bedeutender Aspekt in der Geschichte der Divination und ebenso Magie, die gelegentliche Vernichtung schriftlicher Aufzeichnungen dieser Gebrauchstexte und anschließende Wiederverschriftung aus dem Gedächtnis der Fachleute – wie es zum Teil heute noch praktiziert wird – könnte auch zu einer gewissen Varianz des Materials beigetragen haben.
1.3 Wissensaneignung und -tradierung bei den Syrern und deren Schauplätze | 35
und Ephrems im 4. Jh., dass Ephrem vielmehr noch mesopotamischen Stilelementen treu bleibt. Drijvers betont dagegen die griechische Rhetorik, die griechisch, besser, antiochenisch getränkte Stilistik Ephrems. Er kommt zu dem Fazit, dass „Ephrem Syrus’ works distort the picture and have established the notion of a purely Semitic Christian learned idiom untouched by Hellenism; as such this never existed, except in the nostalgic dreams of some theologians longing for the original Christian belief shaped in a paradisiac language like Syriac.“²⁰⁷
Die frühesten Werke, die nach Brock sprachlich griechischen Einfluss aufweisen, seien Übersetzungen der Werke Eusebius und Titus von Bostra (Contra Manichaeos),²⁰⁸ aber auch Schriften des nichtchristlichen Kontexts.²⁰⁹ Erst im 5./6. Jh. soll der Hellenismus seinen Durchbruch in der syrischen Welt erlebt haben, seinen Höhepunkt im 7./8. Jh.²¹⁰ Die Bindung an das Griechische war nicht nur der Ausstrahlung des Hellenismus verschuldet, sondern v. a. der Theologie und dem Neuen Testament. Der Einfluss ging dabei vornehmlich von Alexandrien aus und dem dort gelehrten Aristotelismus. So hatten auch Sergius von Reš Ayna und Jakob von Edessa in Alexandrien studiert und Sergius sich besonders der Übersetzung aristotelischer Schriften gewidmet. Anschauliches Beispiel der theologischen Orienterung nach griechischen Schriftstellern ist der Bibelkommentar von Theodor von Mopsuestia, der vom Griechischen ins Syrische übersetzt wurde, weil er als verbindlich galt.²¹¹ Ihm folgte Porphyrius.²¹² Wie genau die Situation des Bilingualismus aussah, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen.²¹³ Aus zahlreichen Inschriftenfunden, darunter palmyrenische Bilinguen des 2. Jh., und den Werken syrischer Schriftsteller ist ersichtlich, dass es sich nicht um eine reine Trennung von Griechisch für die Stadtbevölkerung und Aramäisch für die
207 Drijvers 1995: 59. 208 Eine neue synoptische Edition, die den griechischen und den syrischen Text enthält, stammt von Poirer et al. 2013. 209 S. Brock 1977: 421f. 210 Drijvers 1995: 51, bezeichnet dies als die „usual view“, um dann seine These von der weitaus früheren griechischen Kontamination aufzuzeigen. Diese „usual view“ lässt den hellenistischen Einfluss ab dem Zeitpunkt einsetzen, zu dem Sergius mit seinen Übersetzungen beginnt, wie es später auch Bar Hebraeus darstellen sollte, und dann auch in der Sekundärliteratur rezipiert wurde, z. B. in der sehr nützlichen Zusammenstellung von Hugonnard-Roche 2005: 478. Im Grunde müsste man von einer Rehellenisierung sprechen. 211 S. Teixidor 2011: 5. Eine besondere Bedeutung genoss er in der ostsyrischen Kirche und in der Schule von Nisibis, die ab dem 6. Jh. in theologischen und exegetischen Fragen nach ihm ausgerichtet war, s. Reinink 1995: 78. 212 S. Brock 1988. 213 S. Brock 1975: 80. Er bedauert den schlechten Forschungsstand zum syrisch-griechischen Bilingualismus.
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Landbevölkerung, eine Dichotomie von πόλις und χώρα, handelte.²¹⁴ Allen voran stehen Tatian, der sein Diatessaron auf Syrisch, seine Ansprache an die Griechen²¹⁵ aber auf Griechisch verfasste, der gebürtige Syrer Iamblichus, Rabbula, Bischof von Edessa (gest. 435),²¹⁶ Theodor, Bischof von Mopsuestia,²¹⁷ und Theodoret,²¹⁸ beide antiochenischer Herkunft (4.–5. Jh.).²¹⁹ Auf die Spitze getrieben bedeutet dies eine Unterscheidung wie sie Brock für die syrischen Literaten aramäischer Muttersprache vornimmt zwischen griechisch Schreibenden, griechisch und syrisch Schreibenden, nur syrisch Schreibenden, die des Griechischen kundig waren, und syrisch Schreibenden, die des Griechischen nur bedingt fähig waren. Zur ersten Gruppe zählt er Theodoret, der syrisch sprach, aber griechisch schrieb, auf christlicher Seite steht Eusebius von Emesa (4. Jh.) dem Neuplatoniker Porphyrius aus Tyrus, der ursprünglich Malkos hieß, oder Iamblichus aus Chalcis entgegen. Zur zweiten Gruppe kann der zweisprachig schreibende Rabbula gerechnet werden, zur dritten Bardesanes, der womöglich aus Glaubensgründen nur auf Aramäisch schrieb – auch wenn er paradoxerweise später als Heide verdammt wurde.²²⁰ Der befruchtende Austausch verlief auch in die andere Richtung, Werke größtenteils hagiographischer Natur wurden vom Syrischen ins Griechische übersetzt.²²¹ Ein Problem, vor das sich die Forschung immer noch gestellt sieht, ist die eindeutige Festlegung auf die Originalsprache vieler Werke. Die bekanntesten Beispiele sind die Thomasakten, das Kindheitsevangelium oder die Siebenschläferlegende.²²² Weitere wichtige Werke sind das um 690 ins Griechische übersetzte anonyme Werk Apokalypse des Methodius, die bereits erwähnte Schatzhöhle oder der Alexanderroman,²²³ dem persischer Ursprung angedacht wurde.²²⁴ Von großer theologi-
214 Diese Zweiteilung wird von Johannes Chrysostomos suggeriert, außerdem berichtet auch Theodoret in seiner Historia Philothea (13,7) davon, dass der Eremit Makedonius, der von außerhalb Antiochiens kam, einen Übersetzer brauchte, um sich zu verständigen, da er nur Aramäisch sprach (Socrates, Historia Ecclesiastica 6,1), s. Brock 1994: 149f., Montgomery 2000: 64f. 215 Edition und Übersetzung bei Trelenberg 2012. 216 S. Harvey 2011: 348. 217 Er wurde als Urherber des Nestorianismus angesehen, da er dessen Ausschluss beim Konzil von Ephesus (431) folgte, s. Van Rompay 2011: 401f. Zu seiner Bedeutung für Edessa und Nisibis s. u. 218 Er verfasste einige biblische Kommentare, eine Schrift zur Überlegenheit des Christentums über das Heidentum, eine Geschichte der Mönche in Syrien (Historia Religiosa), die dann auch ins Syrische übersetzt wurde, s. Kitchen 2011: 402f. 219 S. Taylor 2002: 305. 220 S. Brock 1994: 155. 221 Darunter auch Schriften Ephrems, s. Montgomery 2000: 63. 222 An einer Methode zur Ermittlung der Originalsprache unter Einbeziehung einer enormen Sekundärliteraur hat sich Davila versucht, wobei er eingesteht, dass die Überprüfung derselben einer eigenständigen Monographie bedürfe, s. Davila 2005: 60. 223 Bzw. Pseudokallisthenes, s. Budge 1889. 224 Nöldeke vertrat die These einer Pehlevi-Zwischenstufe, s. Ciancaglini 2001: 123.
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scher Bedeutung war das Werk über das spirituelle Leben des ostsyrischen Bischofs Isaak von Niniveh, welches ins Griechische übersetzt wurde. Als Eremit verbrachte er in Huzestan sein Lebensende, und sollte zentrale Figur der sich auf Nemesius von ˘ Emesa und Pseudo-Dionysios stützenden ostsyrischen Mystik werden, welche sogar die Grenzen zwischen der syrischen Ost- und Westkirche aufzuheben vermochte.²²⁵ Ein zuverlässiges Indiz für das Ableben des Griechischen ist, dass „from the ninth century onward one is hardpressed to name many compositions of any significance in Greek to come from Palestine“.²²⁶ Aus einigen westsyrischen Briefen an koptische Christen geht hervor, dass das Arabische Mitte des 10. Jh. bereits das Griechische im Kontext kirchlicher Korrespondenz abgelöst hatte.²²⁷ Auf der anderen Seite, im Osten, stand natürlich der Kontakt und der Einfluss des persischen Reiches. „Although this area of Upper Mesopotamia was from time immemorial one of Semitic language use, it is also in the Greek and Roman periods an environment of considerable international contact and specifically of contact on the one hand with Parthia (and subsequently Sasanian Persia) and on the other with the Greek-speaking Seleucid Kingdom and Roman East.“²²⁸
Über zoroastrischen oder persischen Einfluss ist – zumindest was die Bildung betrifft – weitaus weniger bekannt, obwohl viele Einzelstudien zum christlichen Leben im Sasanidenreich aufzuzählen sind.²²⁹ Der identitätsstiftende Bildungsträger der Syrer, der dem Fremden ein eminentes Gegengewicht bot, war stets die Kirche, ihre Schriftkundigen Priester und Mönche. Becker begreift das Christentum sogar als eine eigene Bildungsform, die dem heidnischen lay learning entgegengesetzt war, mehr noch eine eigene Art der Lebensführung, da Gebet, Meditation und Studium eine zusammengehörige Einheit bildeten.²³⁰ Um die Schauplätze dieser Wissensaneignung zu vergegenwärtigen, wollen wir im folgenden die bekannten syrischen Schulen und Gelehrtenzentren kurz vorstellen, bevor wir zu den eigentlich sprachlichen Entwicklungen kommen. Die Modalitäten des Lehrbetriebes, des Unterrichts, der Disziplinen, des curriculums bei den Syrern sind seit den letzten Jahren deutlich besser erforscht als zuvor,²³¹
225 S. Brock 1977: 410. 226 Griffith 1997: 245, s. auch Griffith 1998, Lamoreaux 2002: 141. Ebenso lässt sich Mango zitieren, der zu der selben Einschätzung gelangt, dass nämlich das Griechische im 9. Jh. in Palästina und Syrien gleichsam ausgestorben sei, s. Mango 1991: 151, Lamoreaux 2002: 141. 227 S. Teule 2002: 11. 228 Healey 2007: 116, Moffet 19982 : 91ff., Takahashi 2011b: 478. 229 Um nur eine Auswahl zu geben: Jullien/Jullien 2003, Hutter 2003, Pera 2000. 230 S. Becker 2006: 16, 24. 231 Z. B. Bettiolo 2006. Zum medizinischen curriculum s. u.
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auch wenn bereits mit Vööbus’ History of the School of Nisibis²³² und Chabot²³³ grundlegende Studien zur Schule von Nisibis vorlagen.²³⁴ Als Spezialist hat sich Becker mit einer Monographie hervorgetan und besonders auch auf die vergleichbare Intstitution jüdischer Jeschiwas hingewiesen.²³⁵ Für unsere Untersuchung von Bedeutung ist das dort gelehrte medizinische curriculum. Die Medizin wurde nicht als reines Handwerk verstanden, sondern stand in enger Beziehung zur Philosophie. Daher erklärt sich, dass in der Schule von Nisibis medizinische Texte gemeinsam mit philosophischen gelesen werden konnten.²³⁶ Umgekehrt durfte die Medizin aber nicht zusammen mit der Theologie studiert werden. In den Statuten der Schule von Nisibis, die auf 590 datiert werden, heißt es: „Canon nineteen: The brothers who have come because of instruction are not allowed to live together with physicians [… åsawåtå], lest the books ¯ of worldly craft be read in the same [place] with books of holiness. Canon twenty: The brothers who have departed from scholarship and taken themselves to medicine, if lacking good witness for themselves, are not allowed to hear …“.²³⁷ Bemerkenswert ist auch, dass es im 6. Jh. bereits möglich war, sich für Medizin ohne vorangehendes Theologiestudium einzuschreiben, wenn dies auch der Normalfall gewesen sein dürfte.²³⁸ Die Zentren der Gelehrsamkeit sollen in nuce dargestellt werden.
Edessa Die Streitigkeiten, die über die Form des frühen Christentums in Edessa herrschen, welches z. T. als häretisch, markionitisch und manichäisch geprägt eingestuft wurde, ändern nichts an der Stellung der Stadt als Urheimat der syrischen Christen.²³⁹ Die Hauptstadt von Osrhoene, ehemals Urh.oy, ist ohne eine Schule undenkbar. Von einer vorchristlichen Schule ist nichts bekannt, ihre Existenz kann jedoch angenommen werden, da Edessa auf der Seidenstraße liegt. Daher bestanden politische Verbindungen nach Osten mit der Adiabene, dem jüdischen Fürstentum östlich des Tigris mit der
232 Vööbus 1965. 233 Chabot 1896b. 234 Zum nestorianischen Schulwesen i. A. Labourt 1904: 288–301. 235 Becker 2006, id. 2010, S. 93, Rubenstein 2003: 16–38. 236 S. Becker 2006: 95. 237 Vööbus 1961: 101f. 238 S. Le Coz 2004: 42. 239 S. Drijvers 1970: 5f. Ein Brief Manis im griechischen Kölner Manikodex ist an die Gemeinde in Edessa gerichtet: Drijvers 1995: 56. Man sollte der Vollständigkeit halber hier auf die frühen Belege der syrischen Thomaschristen in Indien verweisen, die der Legende nach von Edessa aus missioniert wurden, s. Tubach 2006, Moffett 19982 . Eine gewisse Diskrepanz zeigt sich darin, dass alle epigraphischen Überreste bis ins frühe 4. Jh. n. Chr. rein heidnischer Natur sind, während die literarischen Zeugnisse christlich geprägt sind, s. Drijvers 1995: 50.
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Hauptstadt Arbela, und nach Westen mit Zeugma und Antiochien.²⁴⁰ Drijvers geht über diese Annahme noch hinaus und argumentiert mit der Schrift Bardesanes’: zum einen ist er als mittelplatonischer Herold zu lesen, da er in seiner Prädestinationslehre starke Ähnlichkeit zu seinem Zeitgenossen Alexander von Aphrodisias zeigt, zum anderen ist die als Dialog inszenierte Schrift eindeutig der Form des platonischen Dialogs zuzuschreiben.²⁴¹ Daraus konstruiert er noch vor der Schule, deren Gründung Ephrem zugeschrieben wird, in Analogie zur Schule in Alexandrien eine Schule in Edessa in der 2. Hälfte des 2. Jh. Aufgrund des geographischen Konservatismus, der Schulbetrieben eigen sei, soll die Schule am Fuße der Zitadelle, wo sich auch heute noch eine madraša befindet, gelegen haben. Als weiteres Argument bringt er den Beleg bei Eusebius, der von Schülern Bardesanes’ berichtet, die seine Werke ins Griechische übersetzt hätten.²⁴² Diese Tätigkeit setze eine Ausbildung voraus und damit eine konkrete Institution. Die christliche Schule von Edessa wird erstmals im Zusammenhang mit Ephrem, dem Syrer, erwähnt, der wegen der Schenkung von Nisibis 363 durch Kaiser Jovian an die Sasaniden nach Edessa geflohen war. Diese Schenkung oder Abtretung war eigentlich Folge einer Kampagne des Kaisers Julian, die den Verlust von 5 Provinzen an das persische Reich zum Ergebnis hatte. In späterer Zuschreibung heißt es, dass Ephrem auch die Schule aus Nisibis, die sog. Schule der Perser, in Edessa wiedergegründet hätte.²⁴³ Glaubwürdig ist der Bericht von der Lehrtätigkeit Ephrems. Hier soll die Geburtsstunde syrischer Übersetzungen aus dem Griechischen geschlagen haben, da die Stundenten zwar die griechischen Schriften studieren sollten, ihre Sprachkenntnisse aber nicht ausreichend gewesen wären.²⁴⁴ Die Schule von Edessa war im 5. Jh. Ort der Aneignung und Übersetzung der Werke von Theodor von Mopsuestia und mit der antiochenischen Theologie in Verbindung stehend. Daher verwundert kaum die dortige Übersetzung von Aristoteles (Hermeneutik und Organon) oder der Isagoge (Einführung in das Organon von Aristoteles) von Porphyrius.
240 S. Drijvers 1970: 7, Segal 1964: 34ff. Übrigens verlor Edessa vollkommen seine Unabhängigkeit, in dem es seit 213 n. Chr. von Caracalla zu einer colonia Romana umgestaltet wurde, s. Drijvers 1995: 49f. 241 Drijvers 1995: 52–54, geht noch weiter ins Detail mit der Vorstellung vom lógos etc., die bei beiden gemeinsamen Hintergrund verraten würde. In diesem Geist will er auch Tatian verstehen und dessen Oratio ad Graecos als Grundlage für philosophisches Disputieren und damit als Gebrauchstext sehen, was nicht recht überzeugt. Weder sei dort – ebenso wie bei Bardesanes – die Kreuzigung, Auferstehung oder Fleischwerdung behandelt, jedoch in vollem Ausmaß der lógos. 242 Drijvers 1995: 51–55. 243 S. Le Coz 2004: 38. Zu den Anfängen von Edessa s. Tubach 2008: 279–311, Becker 2006: 41. 244 So beschreibt es Le Coz 2004: 38. Montgomery moniert die mangelnde Aufmerksamkeit für die tragende Bedeutung der syrischen Übersetzer in der einschlägigen Literatur, die bereits ab dem 4. Jh. aktiv waren, s. Montgomery 2000: 62.
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Die erste Schule der Perser in Edessa²⁴⁵ wurde 489 wegen ihrer häretischen christologischen Lehren geschlossen und daraufhin nach Nisibis verlegt.²⁴⁶ Ein zweiter enger Kontakt mit Byzanz war die Aufnahme der von dort entflohenen Bilderverehrer. Der ebenfalls von den byzantinischen Kaisern verfolgte Michael Synkellos (760–846) kam nach Edessa, um dort die erste byzantinische Syntax zu verfassen.²⁴⁷
Qennešr¯ın Eines der bedeutendsten monopyhsitischen Zentren, das sich auf die Übersetzung des Griechischen spezialisiert hatte, war die am Euphrat gelegene Klosterschule von Qennešr¯ın (Chalcis).²⁴⁸ Das Kloster und die dazugehörige Schule wurden im 6. Jh. gegründet.²⁴⁹ Das Kloster wird neben Mår Zakkai (Kallinikos) als die bedeutendste westsyrische Stätte griechischer Übersetzung angeführt.²⁵⁰ Jakob von Edessa und Sergius von Reš Ayna sind namhafte Vertreter. Auch Athanasius von Balad, der als einer der vier großen syrischen Denker des 7. Jh. (neben Severus, Georg dem Bischof der Araber und Jakob von Edessa) gilt, war Mönch in Qennešr¯ın, Patriarch ab 638 und bekannt als Übersetzer der Logik des Aristoteles.²⁵¹ „Mit ihrer Lehrtätigkeit und ihren Schriften machten diese Gelehrten aus den kirchlichen, bischöflichen oder monastischen Schulen von Edessa, Nisibis und Qinnasr¯ın, alle im oberen Mesopotamien gelegen, Zentren der biblischen Exegese, der Theologie und des Rechts, aber auch der profanen Wissenschaften wie Philosophie, Medizin oder Musik, die auf überzeugende Weise in das Lehrprogramm eingegliedert wurden.“²⁵²
Mår Mattai Mår Mattai, nordöstlich von Mossul im Gebirge gelegen, war eine der letzten Hochburgen der westsyrischen Lehre im eigentlich ostsyrischen Gebiet. Es galt als wichtiges Zentrum, welches eine so große Bibliothek beherbergte, dass selbst der ostsyrische Katholikos Timotheus I. dort arbeitete.²⁵³
245 Zur Quellenkritik an den meist polemischen Berichten über diese Schule s. Becker 2006: 41–61. 246 S. Becker 2006: 41. 247 S. Baum 2009: 21. 248 S. Hage 2006: 73. 249 S. Allan 1988: 50. 250 S. Becker 2006: 115. 251 S. Le Coz 2006: 74. 252 Teixidor 2011: 5. 253 S. Hage 1966: 55f.
1.3 Wissensaneignung und -tradierung bei den Syrern und deren Schauplätze | 41
Nisibis Nisibis stand im ständigen Kampf zwischen den Römern und Parthern, später den Sasaniden. Seit 298 befand sich Nisibis in römischer Hand.²⁵⁴ Nach dem Tod von Julianus Apostata schloss der neue Herrscher Jovian einen Blitzfrieden mit den Persern und trat ihnen 5 Provinzen ab, in deren Gebiet auch Nisibis fiel. Die meisten Flüchtlinge aus Nisbis wanderten nach Amida, heute Diarbakır aus, einige aber, so wie Ephrem, nach Edessa.²⁵⁵ Nach dem Konzil von Nicea 325 gründete Eustathius, Bischof von Antiochien, auf byzantinischem Boden eine Schule nach alexandrinischem Vorbild, deren Oberhaupt Theodor von Mopsuestia wurde, die aber schon 379 wieder geschlossen wurde. Auch in Nisibis wurde eine solche Schule gegründet, die dann Ephrem zum Florieren brachte.²⁵⁶ Diese erste Schule wurde bald zu einer Art christlichen Universität.²⁵⁷ Dort sollen im 5. Jh. neben Theologie und Philosophie auch Grundzüge der Medizin, Geschichte, Geographie, Mathematik und Astronomie gelehrt worden sein. Aufgrund der dogmatischen Streitigkeiten innerhalb der christlichen Kirche und der darauffolgenden Spaltung und Erklärung des nestorianischen Zweiges als häretisch soll Kaiser Zeno (474–491) diese Schule geschlossen haben. Becker erklärt die Schließung der Schule durch Zeno mit seinen eigentlichen diplomatischen Bestrebungen zwischen den Chalkedonensern und Miaphysiten: „Zeno’s Henotikon of 482 was clearly an attempt at bringing Chalcedonians and Miaphysites together.“²⁵⁸ Allgemein gesprochen lebte man nun in einem Umfeld der übermächtig werdenden griechisch-orthodoxen Kirche, welche die nestorianische und monophysitische Lehre immer weiter abdrängte und bekämpfte.²⁵⁹ Im Sasanidenreich war das Christentum dagegen im späten 5. Jh. salonfähig geworden. Es wurde dann erneut eine Schule in Nisibis von Bars.aumå 489 gegründet.²⁶⁰ Diese Schule war eine Klosterschule, die Schüler hatten nach strengen Regeln zu le-
254 S. Le Coz 2004: 37. 255 S. Becker 2006: 65. 256 S. Whipple 1967: 16. 257 Agapetus und Cassiodorus wollten nach dem Vorbild der nisibenischen Schule eine Schule in Rom gründen, s. Pingree 2002: 16 mit Verweis auf Pingree 1990. 258 Becker 2006: 44. Das nachfolgende Bündnis zwischen Byzanz und der Kirche nahm 519 ein jähes Ende, als der Patriarchen Severus von Antiochien unter Justinian vertrieben wurde. Es sollte das chalkedonensische Bekenntnis durchgesetzt werden, die monophysitische Lehre ausgelöscht werden, was jedoch nicht gelang. Zu den Versuchen, die Reichskirche mit den Monophysiten zu vereinen s. Baum 2009: 14f. 259 S. Pormann/Savage-Smith 2007: 18. Klar ist jedoch, dass die Christen ein Bestandteil des Sasanidenreiches wurden und einen gewissen Schutz genossen, s. Teixidor 1995. 260 Ein alternativer Bericht besagt, dass Narsai, der wegen seines nestorianischen Glaubens aus Edessa vertrieben wurde, in Nisibis eine Schule nach ihrem Vorbild eingerichtet haben soll und 451 Leiter der Schule wurde, s. Baum 2009: 12.
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ben und konnten der Schule z. B. wegen Ausübung von Magie, verwiesen werden.²⁶¹ Die Bedeutung, welche die Schule im 7. Jh. verlor, sollte von der sog. Schule von Gondešapūr übernommen werden.²⁶² Eine bedeutende Quelle für die Schule von Nisibis ist eine Begrüßungsrede (elltå ¯ da-syåm mawtbå d-eskūlē¸)²⁶³ an die neu aufgenommenen Schüler aus dem späten ¯ ¯ ¯ 6. Jh.²⁶⁴ Der Redner, Barh.adbšabbå, erläutert auch die Traditionen der Schule, wozu ¯ nicht nur die schriftlichen gehören wie die Werke Ephrems, sondern auch die mündlichen (!), die ältere Traditionen konservierten und z. B. noch in Predigten und anderen Werken Narsais zu erkennen sind.²⁶⁵ Die Geschehnisse im oströmischen Reich hatten zwar neue Bedingungen für die Schulen geschaffen, das vermeintliche punctum saliens aber war die Schließung der Schule in Alexandria und Athen durch Justinian (529 n. Chr.).²⁶⁶ Er und vor ihm Zeno seien dafür verantwortlich gewesen, dass die nestorianischen Gelehrten, die noch unter byzantinischer Gewalt gelebt hatten, allesamt reißaus nahmen. Daher wären die an ¯ mit offedie Ränder des Reiches gedrängten nestorianischen Gelehrten von Anuširvan nen Armen empfangen worden unter der Prämisse, Übersetzungen anzufertigen. Für einige Schriften wird dieser ausdrückliche Auftrag von Seiten des Perserherrschers stark angezweifelt, speziell für Astrologie und Landwirtschaft.²⁶⁷ Die Schule von Nisisbis stand einigen anderen Schulen und Einrichtungen in Mesopotamien Pate, die indirekt nachgewiesen werden können, wie z. B. in Tel D¯ınawar in Bet Nuhadra am Ostufer des Tigris.²⁶⁸
261 S. Le Coz 2004: 40f. Zu den Statuten der Schule s. Vööbus 1962. 262 Zur weiteren Geschichte der Schule von Nisbis s. Le Coz 2004: 47ff. 263 Edition bei Scher 1908. 264 Die sog. ellåtå ist ein bestimmtes Genre einer Rede, die im 6. Jh. in Nisibis entwickelt wurde, ¯ s. Reinink 1995: 82. Zum Streit um die rein theodorianische Exegese gegen die pluriforme an Antiochia und Edessa ausgerichtete Exegese beschreibt Reinink 1995. 265 S. Reinink 1995: 86. 266 S. Montgomery 2000: 63. 267 S. GAS VII: 68–88, GAS IV: 317–18, Gutas 1998: 26. Angezweifelt wird auch die tatsächliche Exis¯ tenz der angeblich eigens von Syrern gegründeten Schule in Gondēšapūr, s. u. Im allgemeinen wird diese Epoche, in der im 5./6. Jh. griechisches Wissen eine Renaissance erfuhr für als zu kurzlebig und dezentral bewertet und die Hauptarbeit der Übersetzer an den Ursprungspunkt syrischer Gelehrsamkeit zurückgedacht, nämlich Edessa, s. Montgomery 2000: 61f. 268 „The School of Nisibis gave impetus to the rise of other East-Syrian schools dispersed widely across late antique and early Islamic Mesopotamia, and also to the social group of “schoolmen” (Syr. ¯ eskolayē) who studied and often later taught in these schools.“ (Becker 2006: 156). Zu weiteren unabhängigen, monastischen und Dorfschulen ebd. S. 156ff.
1.3 Wissensaneignung und -tradierung bei den Syrern und deren Schauplätze | 43
Gondēš¯apūr ¯ Beth Lapat., der syrische Name der Stadt Gondēšapūr war die Hauptstadt von Huzestan ˘ (Bē¸t Huzaye), dessen Metropolit die zweitwichtigste Rolle nach dem von Seleukia¯ Ktesiphon einnahm. Die Stadt wurde kurz nach der Eroberung von Antiochia 256 ¯ von Šapūr I. (241–272) gegründet und mit römischen Kriegsgefangenen besiedelt.²⁶⁹ Im spätsasanidischen Reich ist auch eine theologische Schule bekannt, es sollen dort zusätzlich Astronomie, Theologie und Medizin gelehrt worden sein. Allerdings könnte es sich aber auch um ein Hospiz bzw. eine Einrichtung für Pilger und Kranke gehandelt haben, die in syrischen Klöstern ähnlich der östlichen griechisch-sprachigen Welt entstanden waren.²⁷⁰ Spätestens für die frühe abbassidische Zeit ist solch eine Schule durch die Briefe des nestorianischen Patriarchen Timotheus I. (gest. 823) ¯ an, ¯ in the catholic city [the belegt:²⁷¹ „We built a xenodocheion, that is, a b¯ımarist see of the Catholicos, Seleucia/Ctesiphon, southeast of Baghdad], and spent on its building more or less 20,000 zuzē [a considerable sum of money].“²⁷² Die oben ge¯ um 530 schilderten Ereignisse sollen dazu geführt haben, dass sich unter Anuširvan griechischen, jüdische, nestorianische, persische und indische Gelehrte versammelt hätten, die sich mit ihrem Wissen gegenseitig befruchtet hätten.²⁷³ Die Anhaltspunkte dafür sind spärlich, einer davon ist die Chronik von Zacharias Rhetor, der berichtet, ¯ eine Krankenhaus durch den Katholikos errichten lies und dass Chosroe Anuširvan es mit 12 Ärzten und Finanzen ausstattete.²⁷⁴ Der Nachhall des Ruhmes der Mediziner der Stadt, die 636 im Zuge der islami¯ schen Expansion erobert wurde, erklingt besonders in arabischen Quellen: Harit ¯ b. Kalada, der Leibarzt des Propheten soll dort ausgebildet worden sein, und auch ˇ ıl II., unter dessen Ägide die Übersetzungen meder Hofarzt Harūn al-Rašids Gibr¯ dizinischer Texte ins Arabische begonnen haben sollen. Letzterer stammt aus der bekannten Familie, oder besser Ärzte-Dynastie Bukht¯ıšū.²⁷⁵ Allerdings wird in der
269 Das griechische Element sei v. a. sprachlich deswegen so penetrant gewesen, weil die dort Ansäs¯ sigen persischsprachigen und syrischschreibenden Christen Nachfahren der von Šapūr I. im Jahre 256 aus Antiochia deportierten Griechen gewesen sein sollen, s. Ciancaglini 2008: 15. Dort wurde 484 auch die rebellische Synode von Bars.aumå von Nisibis abgehalten. 270 S. Attewell 2003: 339. 271 Braun 1914: 108, Brock 2011a: 72. Zu den engen Beziehungen der sasanidischen Leibärzte mit der nestorianischen Kirche oder deren Ämtern, s. Ciancaglini 2008: 15. 272 S. Pormann/Savage-Smith 2007: 21 zitieren MS 587 (Birmingham, Mingana Collections), fol. 342a18–20. 273 S. Whipple 1967: 16. 274 S. Dols 1989: 48. 275 Diese Familie sollte für mehr als zwei Jh. führend auf diesem Gebiete sein. Leider wird an dieser Stelle keine Quelle genannt, s. Whipple 1967: 12ff.
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¯ jüngeren Forschung die Existenz der Schule von Gondēšapūr in Zweifel gezogen, da die frühesten Quellen erst aus dem 13. Jh. stammen.²⁷⁶ Bereits Nutton bezweifelt die Legende von der aurelianischen Aussendung griechischer Ärzte, die seine Tochter 271/2 an den sasanidischen Hof begleiten sollten, ¯ und die daraus resultierende Gründung der Schule von Gondēšapūr. Die Legende ist arabischen und syrischen Autoren zu verdanken, darunter Bar Hebraeus. Die einfache Widerlegung der These ergeben die römischen Quellen (Vita Aureliani 42), nach denen der Herrscher gar keine Tochter hatte.²⁷⁷ Pormann/Savage-Smith erklären diesen Mythos um Gondešapur mit der nachträglichen Zuweisung (retrospective historiography) von Autorität an die nestorianische Familie der Bukht¯ıšūs, von denen zwischen dem 8. und 11. Jh. mindestens 12 als Hofärzte der Kalifen dienten.²⁷⁸ Durch die Entwicklung eines nachträglichen Mythos hätte sich die Familie eine größere Autorität auf dem Gebiet der Medizin und der Krankenhauskunde zugelegt, sich selbst durch die Einführung des Krankenhauswesens in Bagdad als Übermittler aus erster Hand stilisiert. Die Erschaffung eines solchen Mythos könnten die Vorteile des medizinischen Wissensmonopols für die Nestorianer erklären. Die Syrer konnten so ihren gesellschaftlichen Stand in einer islamisch regierten Welt sichern und dem Wachstum der arabischen Wissenschaften zumindest etwas entgegenhalten. Dieser Mythos sei besonders zu dem Zeitpunkt wichtig gewesen, als bereits alle galenischen Schriften übersetzt waren und die syrischen Ärzte keinen Wissensvorsprung vor ihren muslimischen Kollegen mehr hatten.²⁷⁹ Auch Conrad plädiert dafür, dass sich hier vorislamisch keine Akademie befunden habe, da es dafür keinerlei Anhaltspunkte ¯ b. Kalada gebe, und dass die Legende von der Ausbildung des Prophetenarztes Harit ¯ ¯ in Gondēšapūr und sein vermeintlicher Dialog mit dem Sasanidenherrscher Chosroe ¯ (531–78) rein legendarischer Natur sei.²⁸⁰ Anuširvan
276 Noch dazu aus einer Quelle die Mythisches mit Historischem zu mischen scheint: al-Qift.¯ı, s. Dols 1987. 277 S. Nutton 1984: 13. Als Quelle nennt er das Geschichtswerk des Bar Hebraeus, in der Edition von Budge 1932: 56, als Unterstützer dieser These nennt er Elgood 19792 : 46, Hau 1979: 99, Schöffler 1979: 29f. 278 S. Pormann/Savage-Smith 2007: 20, Abele 2008. Die Situation im Sasanidenreich war wohl eine ähnliche, auch wenn dem Einfluss nestorianischer Ärzte derjenige jakobitischer voranging: die Posi¯ sogar die Ausbreition als Leibarzt des persischen Herrschers Chosroe (591–628) soll Gabriel von Š¯ıgar tung des Monophysitismus in Persien begünstigt haben. Bereits unter Yazdegerd I. (395–421) konnte ein Arzt, Maruta, der gleichzeitig Bischof von Mayperqat (Martyropolis) war, mit seiner Heilung des Königs ein Edikt zur offiziellen Anerkennung des Christentums erwirken, s. Khanbaghi 2006:10f. 279 S. Dols 1989: 50f. Pormann/Savage-Smith 2007: 21. 280 S. Conrad 1995: 101.
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Anderer Meinung in dieser Debatte ist Becker. Das größte Problem sieht er in der anachronistischen Herangehensweise, die dem Lehrbetrieb der Vormoderne nicht gerecht wird. Er legt mit Reinink ein Wort für die Existenz der Schule ein, erinnert aber an die gebotene Modizifierung der Darstellung.²⁸¹ Andere Zentren, die auch andere Richtungen der Medizin vertraten, sind weniger erforscht und kaum belegt. So ist es beispielsweise nicht klar, wo Šimon seine Kenntnisse erlangte, die, obwohl er in der Peripherie angesiedelt war, ihren Weg zu Bar Bahlūl genommen hatten.²⁸² Die Übermittlung von Wissen hat sicherlich nicht nur in den größeren Zentren stattgefunden, sondern ist in jeder Institution, die über eine Bibliothek verfügte, denkbar.
1.3.1 Übersetzungen aus dem Griechischen Nachdem bisher nicht geklärt ist, welche Quellsprachen bei der Kompilierung der Textpassagen des SBM beteiligt gewesen sein könnten, soll in diesem Kapitel ein Überblick über die bekannten Übersetzungsprozesse gegeben werden. Nur mit dieser Absicht erklärt sich die sonst etwas unvermittelt wirkende Zusammenstellung der griechischen und arabischen Übersetzungsliteratur, die weder in ausreichendem Maße die Übersetzungsmethoden aus den iranischen Sprachen berücksichtigen kann, da hier schlichtweg die Quellen fehlen, noch die Enthellenisierung als soziohistorisch bedeutenden Faktor berücksichtigen kann, der dem starken Einfluss des Griechischen auf das Syrische eigentlich entgegengestellt werden müsste. Unter den Superstratsprachen des Syrischen hat das Griechische den weitaus größten Einfluss gehabt.²⁸³ Das betrifft sowohl die Syntax als auch die Lexik.²⁸⁴ Die Einflussnahme des Griechischen auf das Syrische in allen sprachlichen Bereichen ist eng mit der Geschichte der Übersetzungen aus dem Griechischem verwoben. Es bietet sich daher eine historische Darstellung entlang der Phasen der Übersetzung an.²⁸⁵
281 S. Becker, 2006: 94ff. Auch Montgomery befürwortet die Existenz der Schule, s. ebd. 2000: 66. 282 Man könnte auch eine ihnen gemeinsame Quelle ansetzen. Auch Becker verweist auf diesen Autor und unterstreicht die Ausweitung seines medizinischen Wissens auf das verwandte Gebiet der Philosophie, s. Becker 2006: 95. 283 S. Healey 1995: 83. 284 Bereits die frühesten syrischen Versionen des Neuen Testaments sind stark von griechischer Syntax geprägt, s. Metzger 1977: 69f., dort geht es um die Verletzung der syrischen Syntax durch die des Griechischen. 285 Eine inzwischen etwas überholte Übersicht über die aus dem Griechischen ins Syrische übersetzten Werke, begonnen bei Eusebius, der bereits im 4. Jh. übersetzt wurde, mit einer Auflistung der Werke und Editionen ist zu finden bei Féghali 2005. Zur syrischen Übersetzungstechnik s. King 2008: 15ff.
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1.3.1.1 Phasen der Übersetzung Nach Brock sind die Übersetzungen, die sich grundsätzlich in anynome und mit Namen versehene Übersetzungen aufteilen lassen, in zwei Blütephasen verlaufen. In diesen Phasen des 5. und 8. Jh. wurden vom Wissensdurst befeuert systematisch Schriften der griechischen Literatur übertragen. Es muss aber betont werden, dass es sich hier ausschließlich um Wissenschaftstexte sowie religiöse und philosophische Literatur handelt. Ein Problem, vor das sich besonders die Erforschung der früheren der beiden Phasen gestellt sieht, ist die katastrophal schlechte Überlieferung. Die medizinische Übersetzungsliteratur sei hier exemplarisch angeführt.²⁸⁶ Die Übersetzungpraxis aus dem Griechischen, die im 4./5. Jh. noch eher als frei und paraphrasierend einzustufen ist, erfuhr im 5.–7. Jh. eine Dramatisierung, die mit theologischen Kontroversen einherging. Federführend war Philoxenes, der Bischof von Mabbog, mit seiner Kritik der älteren Bibelübersetzungen (um 520). Sein Hauptkritikpunkt war die Unstimmigkeit der syrischen Begriffe im Vergleich zu den griechischen. Auf seine Veranlassung hin entstand eine neue Bibelübersetzung. Nach der Hellenisierung der syrischen Kirche Mitte des 5. Jh. wuchs das literarische Prestige des Griechischen, man strebte eine immer exaktere Übersetzung aus dem Griechischen an, um besonders die sakralen Texte möglichst unverfälscht wiederzugeben.²⁸⁷ Im 6. und frühen 7. Jh. entwickelte sich infolgedessen eine Übersetzungstechnik, deren Überlegenheit gegenüber den älteren Übersetzungen sich durch eine weitestgehend wörtliche Übersetzung auszeichnete. Dazu zählt die syrische Übersetzungen der Septuaginta, die sog. Syrohexapla, und die des Neuen Testaments, welche von zwei alexandrinischen Gelehrten im 6./7. Jh. angefertigt wurde. Die Tendenzen in der Übersetzungspraktik sind gattungsunabhängig, auch wenn ein Großteil der syrischen Übersetzungliteratur aus dem Griechischen zur Patristik und biblischen Literatur gehört. Vom 4. bis zum 7. Jh. beschreibt Brock die Wende von einer freien zu einer „sophisticated method of mirror translation“, also von Leser- zu Text-orientierter Übersetzung. Soziolinguistische Faktoren sind nicht nur das Prestigeverhältnis der Sprachen, sondern auch die Rezipienten (Fachpublikum oder Populärleser), das Ausmaß an Hellenisierung im Kreise der Verfasser bzw. Rezipienten, die Kenntnis klassisch-griechischer oder lateinischer Werke zur Übersetzungstheorie und deren Methodik.²⁸⁸ Beinahe pervertiert erscheinen die Bestrebungen, den Originaltext bei der Übersetzung möglichst unverfälscht wiederzugeben, dort, wo sie in einer Wortfür-Wort-Übersetzungen mit griechischer Syntax resultierten, die in der Zielsprache kaum mehr verständlich war.²⁸⁹
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S. Gignoux 2001: 221, Teixidor 1998: 118. S. Brock 1979: S. 75. S. Brock 1991: 143. S. Brock 1977: 414ff.
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Es lassen sich mit Brock allgemeinhin vier historische Stadien der Übersetzungstechnik ausmachen. Zunächst sind die Übersetzungen sehr frei (4./5. Jh.), dann setzt ein rascher Übergang zu einer eher wörtlichen Übersetzungstechnik ein, welche ihren Höhepunkt im 7. Jh. erreicht.²⁹⁰ Zuletzt schließt sich eine erneute Welle von Übersetzungen an, die sich von alten Übersetzungspraktiken abwendet. Das Spannungsfeld bewegt sich zwischen den beiden Polen des interpres (der wörtlichen Übersetzung) und des expositors (der freien Übersetzung).²⁹¹ Etwas umstritten ist, inwieweit die sog. Syrische Renaissance eine erneute Welle an Übersetzungen hervorrief. Bei Brock ist diese Phase nicht mehr berücksichtigt, Teule bestreitet sie gänzlich. Ihr Vorgänger Baumstark hatte dies unter Einbeziehung der West- und Ostsyrer postuliert.²⁹² Er definiert die syrische Renaissance als Rückbesinnung der Syrer auf ihre eigene Sprache und Kultur, als ein neues Bewusstsein, das sich durch vermehrten Kulturkontakt mit der europäischen Kultur der Kreuzfahrer einerseits, durch arabisch-muslimische Beziehungen andererseits herausgebildet hätte.²⁹³ Das Zentrum dieser Renaissance war Nordmesopotamien.²⁹⁴ Eine umfassende Studie zum syrisch-griechischem Sprachkontakt liegt bisher noch nicht vor.²⁹⁵ Im folgenden sollen die sprachlichen Bereiche der Lexik, Morphologie und Syntax im Hinblick auf die Methoden und Mechanismen der Übersetzung in möglichst diachronischer Auffächerung erläutert werden, wobei sich ein Großteil dieser Beobachtungen auf die Arbeit von Brock stützt.
1.3.1.2 Lexik Was sich ganz allgemein über die Aufnahme griechischer Wörter in das syrische Lexikon sagen lässt, ist, dass Fremd- und Lehnwörter nicht immer zu trennen sind. Grundsätzlich unterliegen die griechischen Fremdwörter einer stark schwankenden Voka-
290 S. Brock 1991: 145f. 291 „In the sixth cent., when Boethius translated Porphyry’s Eisagoge, and in the ninth cent., when John Scotus translated the pseudo-Dionysian corpus, each in turn remarks in the preface of his work that the literal style of translation adopted will make him liable to incur Horace’s deprecatory label of fidus interpres. John Scotus excuses himself to the reader by explaining that he deliberately sets out to be an interpres, and not an expositor, of the work. Cicero’s ideal of the translator as orator, and not as interpres, is completely reversed.“ (Brock 1979: 70). 292 S. Baumstark 1922: 285. 293 Teule sieht darin auch den Nexus zur Ökumene christlicher Konfessionen, welche einem Zusammengehörigkeitsgefühl der Christen gegen die Gesamtheit der Muslime entsprang, s. H. Teule 2002: 177f., id. 2001. 294 Dort war auch Mar Elias, ein ostsyrischer Bischof und Maphrian, ansässig, der in einer bekannten ˙ ı eingestehen musste, dass entgegen der Zeit H.unayns Diskussion mit dem Muslim Waz¯ır b. al-Magrib¯ das Syrische dem Arabischen nicht mehr voranstünde, s. Teule 2010: 3ff. 295 Vielversprechend ist die von A. Butts angekündigte Monographie, die bisher nur als unpublizierte Dissertation vorliegt Language Change in the Wake of Empire: Syriac in its Greco-Roman Context, Winona Lake 2016 (Linguistic Studies in Ancient West Semitic 11).
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lisierung und Orthographie.²⁹⁶ Vorhersehbar sind allerdings die beinahe mathematischen Gesetzmäßigkeiten, die seit den frühesten Transliterationen zumindest für die Konsonanten gültig sind.²⁹⁷ Bei griechischen Lehnwörtern im Aramäischen und ebenso Arabischen werden griechisches τ, κ mit den entsprechenden emphatischen Lauten /t./ und /q/ wiedergegeben. Die Entsprechung erklärt sich im Aramäischen durch die Aspirierung von taw und kap¯ in postvokalischer Position, die es zu vermeiden gilt, weshalb die emphatischen Laute, die nicht aspiriert sind, gewählt werden. Für die Wiedergabe der aspirierten Laute θ und χ sind aramäisch ⟨t⟩ und ⟨k⟩ vorgesehen. Wenn im Arabischen, welches eigene Grapheme für die Spiranten mit glei¯ und ha, ¯ dennoch der Plosiv geschrieben wird, so chem Artikulationsort besitzt, ta ¯ ˘ ist die Erklärung naheliegend, dass man die Fremdwörter aus dem Aramäischen und mit ihnen die Schreibkonventionen übernommen hatte.²⁹⁸ Orthographische Konventionen der Transliteration können ggf. auch die Datierung erleichtern: In Texten, die vor dem 7. Jh entstanden, wird die Aspiration von griechischem ρ normalerweise mit rh ¯ wiedergegeben, z. B. rhomåyē, rhē..trå, später aber rē..trå.²⁹⁹ Allgemeine Beobachtungen sind, dass das Syrische ungern Verben aufnimmt, daher sind die meisten griechischen Lehnwörter Nomina. Denominale Ableitungen erscheinen dann meist im Dopplungsstamm (pael). Bei der Übertragung von termini technici gibt es drei Möglichkeiten: Transkription, etymologische Übersetzung (meist Neologismen, v. a. im 7. Jh. beliebt) oder die Bemühung eines „cultural equivalent“.³⁰⁰ Dieser Wandel wird indirekt durch die Kritik H.unayns an Sergius deutlich, der ihm oft eine ungenaue Übersetzung unterstellt.³⁰¹ Innerhalb der dreieinhalb Jahrhunderte hatte sich einiges am Wortschatz geändert. Auch Jakob von Edessa (gest. 708) hatte darauf in seinem Brief über syrische ¯ hingewiesen.³⁰² Er berichtet von NeologisOrthographie an Georg, Bischof von Serug,
296 S. Brock 2004: 31. 297 Darin sind die Graeco-Babyloniaca einzubeziehen ebenso wie die griechische Umschrift semitischer Wörter in der Septuaginta. 298 Odisho räumt diese Möglichkeit für die Fremdwörter, besonders auf den Gebieten der Medizin, Philosophie usw., sogar ein, da die syrischen Übersetzungen vielmals den arabischen vorhergehen, s. Odisho 2002: 496ff. 299 S. Brock 1996: 253f. Der Unterschied zeigt den Übergang vom Fremd- in den Lehnwortschatz an, worauf mich Prof. R. Voigt hingewiesen hat. 300 Brock 1979: 84. 301 Die bevorzugte Herangehensweise H.unayns an eine Übersetzung aus dem Griechischen ins Arabische war die über die syrische Zwischenstufe. Von diesen Erstübersetzungen sind nur sehr wenige ¯ in der überliefert. Die wichtigste Quelle ist freilich die 855/6 von ihm für Al¯ı b. Yah.ya¯ verfasste Risala, alle bis dato übersetzten galenischen Schriften mit den Namen der Übersetzer und einer Angabe zur Qualität der Übersetzung aufgelistet wurden, s. Brock 1991: 139. H.unayn übersetzte 95 Werke Galens vom Griechischen ins Syrische und 39 ins Arabische. 302 S. Phillips 1869.
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men, die erst seit kurzer Zeit im Syrischen in Gebrauch wären.³⁰³ So mag die Übersetzung des 5. Jh für H.unayn noch sehr altmodisch geklungen haben.³⁰⁴ Die Bandbreite des entlehnten Vokabulars erstreckt sich nicht nur auf termini technici, sondern auch Alltagswörter, ebenso wie die Sprache der Literatur. Griechisches Wortgut verbreitete sich durch Übersetzungen, aber auch durch Werke zweisprachiger Schriftsteller.³⁰⁵ Bereits in der frühesten syrischen Literatur, bei Bardesanes und in den Oden Salomos, sind Wörter aus dem Griechischen nachzuweisen, ebenso in den syrischen Inschriften.³⁰⁶ Besonders im 5. und 6. Jh. ist ein extremer Anwuchs griechischen Wortgutes im syrischen Wortschatz zu verzeichnen.³⁰⁷ Grundlegende Untersuchung der griechischen Fremd- und Lehnwörter sind Schalls Studien über griechische Fremdwörter im Syrischen, der bereits mithilfe von Belegen datierter Werke eine historische Skizze anfertigte.³⁰⁸ Daran schließen sich einige Studien von Brock.³⁰⁹ Einige Lexeme sind für eine postquem Datierung recht zuverlässig, besonders, wenn ihre Einführung im Syrischen an die Übersetzung eines bestimmten griechi¯ . ūtå ‚Ausschweischen Werkes gebunden ist. Bereits vor dem 4. Jh. finden sich åsot ¯ ¯ ¯ å ‚Obrigkeit‘, he¯gmonūt ¯ å ‚Präfekt‘, .tronūt ¯ å ‚Tyfigkeit‘, arkonå ‚Herrscher‘, årkonūt ¯ ¯ ¯ rannei‘, usw.³¹⁰ Nicht vor das 4. Jh. zu datieren ist eskē.mtånå ‚gemäßigt‘, nicht vor das 6. Jh. bur¯ ¯ såyūtå ‚Gerben‘, qånonåyūt å ‚Regelhaftigkeit‘, eskē.mtånūtå ‚Mäßigung‘, kromtånūt å ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ‚Vermessenheit‘. Nicht vor dem 7. Jh. tauchen auf eskolåyūt å ‚Gelehrsamkeit‘, nåmo¯
303 Dazu gehört ein vermehrter Gebrauch der Adjektivformen auf -åyå. Mit großer Sicherheit können ¯ ¯ nåmosåyå (‚legal‘) und mtomåyå ‚ewig‘ dem 5. Jh. zugeordnet werden, mårånåyå (Adj. zu måryå) und ¯ qt.¯ıråyå ‚gewalttätig‘ sind im 6. Jh. zuerst bezeugt, yamm¯ınåyå ‚rechter Hand‘ und nb¯ıyåyå ‚prophetisch‘ ¯ ab dem frühen 7. Jh., s. Brock 1991: 151f. 304 Außerdem erwähnt er keinen der anderen Übersetzer des 7. Jh. was womöglich auch an seiner Konfession lag: er gehörte zur Ostkirche, die meisten Übersetzungen des 7. Jh. zur Westkirche (was aber bei sekulären Texten sonst nicht so sehr ins Gewicht fiel), außerdem war er im Gegensatz zu seinen Vorgängern ein expositor, kein interpres, s. Brock 1991: 151f. 305 Das Syrische war ebenso Vermittlungssprache bei der Verbreitung der griechischen Wörter in umgebende Sprachen wie das Armenische, Arabische, Persische und Mandäische, s. Brock 1975: 81f. 306 S. Healey 1995: 80f. 307 Ein anschauliches Beispiel sind die verschiedenen Stadien der Übersetzung des Matthäus-Evangeliums: während die altsyrische Übersetzung noch ca. 40 gr. Fremd/Lehnwörter hat, sind es in der Pš¯ıt.tå 43, in der Harkleischen Fassung ca. 70, s. Brock 1975: 87. 308 Ein nützlicher Index, welcher deren Benutzerfreundlichkeit erheblich erweitert, stammt von Voigt 1998. Nützlich ist Schalls Studie besonders, weil sie ein Liste mit griechischen Wörtern enthält, die außerhalb der bis dato bekannten Übersetzungsliteratur ins Syrische entlehnt wurden. 309 S. Brock 1996. Dort auch mit Verweis auf weitere grundlegende Studien. 310 S. Brock 2004: 32.
50 | 1 Der historische und wissensgeschichtliche Rahmen ¯ od ¯ oksåyūt ¯ ¯ såyūtå ‚Gesetzlichkeit‘, ort å, ūsyåyūtå ‚Essenzialität‘, .tupsanåyå ‚bildlich‘, ¯ ¯ ¯ ¯ hūlånåyūtå ‚Materialität‘, hūlånåyå ‚materiell‘, usw. nicht vor dem 8. Jh.³¹¹ ¯ Partikeln und Adverbien sind eine Gruppe, die starkem Wandel unterlegen war: das altsyrische und Pš¯ıt.tå-Evangelium kennt nur die Partikeln gē¸r (< gr. γάρ) und dē¸n (< dē¸n), was in der gleichen Weise wie δέ verwendet wird. Griechisches γοῦν taucht im Hybrid ba-d-gūn vor dem Ende des 4. Jh. bei Ephrem auf. Eher später, ab dem 5. Jh. ¯ erfolgt die Übernahme von ἄρα,³¹² εἶτα, μέν, dagegen werden τέ, γε mit kē¸t o. ä. wie¯ dergegeben.³¹³ ¯ < ἀκριβώς ‚genau‘, haplos ¯ < ἁπλώς ‚einfach‘ oder Auch Adverbien wie aqribos ¯ mal(l)¯ıst.a < μάλιστα ‚äußerst, außerordentlich‘ werden zu dieser Zeit eingeführt.³¹⁴ ¯ Späte syrische Übersetzer wählen neben den geläufigen Varianten napše¸h, qnome¸h für die Wiedergabe des griechischen Reflexivpronomens hū le¸h, was ihnen näher am Griechischen erschien (ἑαυτόν, wobei ἀυτόν dem syr. le¸h entspricht). Um auch bei den gr. Pronomina der anderen Personen mitzugehen wurden die ganz unsyrischen ¯ bhon ¯ gebildet.³¹⁵ Formen an tt låk oder hennon ¯ 1.3.1.3 Morphologie Bei der Entlehnung von Wörtern auf gr. -os werden diese im Syrischen für gewöhnlich ¯ durch die status emphaticus-Endung ersetzt, z. B. ἐπίτροπος³¹⁶ > epp¯ı.troppå ‚Verwalter‘³¹⁷ oder unter Beibehalt der griechischen Endung -(o)s zusätzlich mit der Endung des status emphaticus versehen, z. B. γένος > genså, τύπος > .tupså. Ebenso kann ledig¯ os. ¯ In gleicher Weise lich die gr. Endung beibehalten werden, θρόνος > trånåws/tron funktionieren Bildungen auf –is. Die Aspiration kann, muss aber nicht erhalten sein, vgl. heres¯ıs vs. eres¯ıs. Die Genera sind z. T. nicht übernommen worden, griechisches Neutrum muss im Syrischen feminin oder maskulin werden, außerdem sind Vertauschungen möglich.³¹⁸ Diachronische Wandel in der Morphologie begründet Brock mit dem Bedarf der Übersetzer an Neologismen.³¹⁹ Die Übersetzung griechischer Texte forderte Spezialvokabular, das nur mit der Bildung von Neologismen abgedeckt werden konnte, da man teilweise sklavisch übersetzte und selbst bei der Wortart nicht von der Vorgabe des
311 S. Brock 2004: 34f. 312 Vormals håkē.l ‚daher‘, s. Brock 1996: 258. ¯ 313 S. Brock 1979: 82. 314 S. Brock 1979: 89. 315 S. Brock 1979: 87. 316 Eigentlich ist von einer obliquen Form als Ausgangsform der Entlehnung auszugehen. 317 Syrisches -å ersetzt auch die griechische Neutrumendung, z. B. δηνάριον > dē¸nårå ‚Dinar; Münze‘, s. Brock 1996: 256. 318 S. Brock 1996: 256. 319 S. Brock 1990.
1.3 Wissensaneignung und -tradierung bei den Syrern und deren Schauplätze | 51
Originaltextes abweichen wollte. Daher wurden bestimmte morphologische Formen zwischen dem 4. und 7. Jh. besonders produktiv, dazu gehören Bildungen – mit dem Adjektivsuffix -åyå – -ånå für nomina agentis³²⁰ – -ånūtå für nomina abstracta ¯ – -ånå¯ıt für Adverbien.³²¹ Die letzten drei Bildungsmuster sind zumeist auf der Basis von Partizipformen der erweiterten Stämme gebildet. Denominale Verbalformen erscheinen tendenziell im pael Stamm, wobei Bildungen mit Aorist Infinitiv Aktiv (oder Passiv) in Kombination mit einem Hilfsverb bad oder hwå häufiger sind.³²² Dieses Phänomen ist auf einen relativ kurzen Zeit¯ ¯ ¯ or¯ ¯ ısē¸ bad ‚erfüllen; raum, namentlich das 6./7. Jh. begrenzt.³²³ Darunter v. a. plē¸rop ¯ ¯ informieren‘, q¯ındūn¯ısē¸ bad ‚in Gefahr bringen‘, usw.³²⁴ Auch innerhalb der deno¯ ¯ minativen Verben lässt sich eine ungefähre Chronologie aufstellen. So fällt der erste Beleg von .tappes zu .tpåså ‚Zuflucht‘ ins 5. Jh., .taggen zu .te¯gnå ‚Folter‘, last.¯ı ‚(als Dieb) ergreifen‘ zu lest.åyå ‚Räuberei‘ (< gr. ληστής) ins 6. Jh. und von yaqqen zu yūqnå ‚Bild, Form‘ ins 7. Jh. Ab dem späten 6. Jh. finden sich auch vierradikalige Verbalwurzeln bei den Lehnwörtern, darunter z. B. palsar zu palsårå (< gr. φαλσάριος).³²⁵ Adjektivbildungen treten in grosso modo erst ab dem 6. Jh. auf. Sekundärbildungen auf -ūtå, -å¯ıt erscheinen in Texten ab dem 4./5. Jh, z. B. grammat.¯ıqūtå ‚Gramma¯ ¯ ¯ tik‘, .tet.rarkūtå ‚Tetrarchie‘. Sekundärbildungen auf -åyå sind seit dem 6. Jh belegt: ¯ ¯ ¯ pars.opåyå ‚persönlich‘ oder qånonåyå ‚regulär‘. Zumeist nicht vor dem 5. Jh. belegt sind sekundäre Bildungen bzw. Wortformationen auf -ayūtå, -ånå, -ånūtå, -ånåit, ¯ ¯ -ånåyūtå, -tånå, -tånūtå, -tånå¯ıt, -tånåyūtå.³²⁶ ¯ ¯ ¯ ¯ 1.3.1.4 Syntax Eine diachronische Veränderung in der Syntax ist das vielzitierte Beispiel der Verwendung der beiden Partikel dē¸n und gē¸r, wobei ersteres etymologisch von der griechi-
320 Dieses Suffix wird ebenso für iranische Lehnwörter benutzt, s. Ciancaglini 2008: 90. Auch das Suffix zur Bildung von nomina agentis -årå geht auf ein über das Griechische überlieferte lateinische Wortbildungsmorphem -arius zurück, s. Ciancaglini 2008: 7. 321 Zur etymologischen Herkunft der Endung s. Butts 2010. 322 Brock legt hier koptischen Einfluss zugrunde, während Ciancaglini auf die weitverbreitete Form verbaler Entlehnungen hinweist wie sie auch im Türkischen und Persischen zu finden sind – dort mit den Verben etmek bzw. kardan, s. Ciancaglini 2008: 9f. 323 Brock 1975: 87, id. 1996: 258. Außerdem war es ebenso räumlich „probably only within the Roman Empire“ begrenzt, s. Brock 2004: 32. 324 S. Brock 2004: 38. 325 S. Brock 2004: 35f. 326 S. Brock 2004: 32ff.
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schen Partikel δέ abzusetzen ist, sich im Gebrauch aber wie zweiteres ganz dem Griechischen ergibt und zunehmend in Zweitposition gebraucht wird.³²⁷ Ein Vergleich des alttestamentlichen Genesisbuches der Pš¯ıt.tå, welches spätestens in der Mitte des 3. Jh. aus dem Hebräischen übersetzt wurde, mit dem aus dem Griechischen übersetzten neutestamentlichen Matthäusbuch ergab einmaligen Gebrauch von gē¸r und zweimaligen Gebrauch von dē¸n in der Übersetzung aus dem Hebräischen gegen 119-maligen bzw. 333-maligen Gebrauch der Partikeln in der Übersetzung aus dem Griechischen.³²⁸ Für die Übersetzungen aus dem Griechischen ergibt sich unter Berücksichtigung aller Ebenen damit ein ungefährer Richtwert zur zeitlichen Eingrenzung.
1.3.2 Übersetzungen vom Arabischen ins Syrische Die gegenüber den griechischen Einflüssen auf das Syrische noch weniger erforschte Übersetzungrichtung ist die vom Arabischen ins Syrische. Bei der Erforschung der abbasidischen Wissenschaftsblüte ist das Syrische meist nur als Quelle für das Arabische einbezogen.³²⁹ Die eindimensionale Darstellung des Transfers hat gewissermaßen Tradition, da bereits Elias von Nisibis (975–1046) gegen die Prägung des Syrischen durch das Arabische argumentierte, um die Überlegenheit der syrischen über die arabische Kultur zu beweisen.³³⁰ In jüngster Zeit hat Teule den Transfer vom Arabischen zum Syrischen untersucht und hat verschiedene Phasen der Adaption arabischer Werke herausgearbeitet. In der erste Phase werden besonders asketisches und hagiographisches Material übertragen, z. B. zu den Mönchen der ägyptischen Wüste. In der zweiten Phase, die in das 7.–11. Jh. fällt, liegt der Fokus auf Unterhaltungsliteratur wie Kalila wa-Dimnah, Sindbad usw. Die dritte Phase übermittelt einige medizini¯ erwähnen. Die vierte sche Werke, darunter Galenübersetzungen, die sogar Ibn Ish.aq 327 S. A. M. Butts: „Between Aramaic *iðayn and Greek δέ: The linguistig history of Syriac den“ (in Vorbereitung). 328 S. Taylor 2002: 326. 329 In den letzten Jahren hat sich dies allerdings u. a. dank der Arbeit von Takahashi und seinen Studien zu den arabischen Quellen bei Bar Hebraeus geändert. 330 S. Teule 2011: 27. Elias von Nisibis erörterte in einem der sieben Dispute (bzw. Religionsgesprä¯ ˙ ı zur Sprache, Syntax und Lexik des Syrischen im che), die er mit dem Wesir Abū l-Qasim al-Magrib¯ Vergleich zum Arabischen führte, warum das Syrische dem Arabischen überlegen sei. Die Dispute ¯ al-maˇgalis ¯ bekannt geworden. In den von Teule als „klassisch islamisch-christlichen sind als Kitab Religionsgesprächen“ bezeichneten Disputen wurden Themen wie die Trinität, Inkarnation, koranische Jesusgeschichten, Verehrung von Ikonen, Verehrung des Kreuzes, die Ausrichtung von Kirchen und Moscheen etc. behandelt. Daran schließt sich auch eine Diskussion über die für Wissenschaften geeignetere Sprache an. Diskussionsgrundlage sind linguistische Argumente: der Muslim präferiert das Arabische seiner Transparenz wegen, die darauf zurückzuführen sei, dass noch dekliniert werde. Der Syrer präferiere das Syrische wegen seiner eindeutigeren Syntax. Seine eigentliche Beweisführung ist aber, dass das Syrische der Wissenschaftslieferant für das Arabische war und ihm damit überlegen sei, s. Teule 2002: 175, Samir 1977, Bertaina 2011.
1.3 Wissensaneignung und -tradierung bei den Syrern und deren Schauplätze | 53
Phase überlappt die sog. syrische Renaissance (1026–1318), die sich durch eine wachsende Akzeptanz der islamischen Kultur auszeichnet. Sie gilt als bedeutende Etappe für die Übersetzungen aus dem Arabischen ins Syrische.³³¹ Ihr Hauptvertreter ist Bar Hebraeus, der sich an verschiedensten arabischen Quellen bedient – ohne zwingende ˙ ¯ und ¯ a¯ d-¯ıt¯ıqon) ¯ ı im Ethikon (Ktab Nennung derselben. So greift er z. B. auf al-Gazz al¯ ¯ ¯ ¯ ‚Buch der Taube‘ (Ktåbå d-yåwnå) zurück. Im Gegensatz dazu benennt er seine Quelle ¯ ¯ ¯ Ktåbå d-remzē¸ wa-m¯ırånwåtå d-Abū Al¯ı bar S¯ına¯ (‚Buch der Hinweise und Warnun¯ ¯ ¯ ¯ ¯ gen des Ibn Sina‘) bereits im Titel. Das Buch, auf das er sich bezieht, trägt den Titel ¯ al-išar ¯ at ¯ wa-l-tanb¯ıhat.³³² ¯ Kitab Die letzte und ausgedehnteste Phase soll dann die der Übersetzung arabischer Schriften, zumeist theologischen Inhaltes, sein, die von westlichen Missionaren aus dem Lateinischen oder einer anderen europäischen Sprache ab dem 16. Jh. zunächst ins Arabische übertragen wurden. Diese stellten dann wiederum die Übersetzungsgrundlagen für die Versionen im Syrischen.³³³ Moderne Werke folgen ab dem 19. Jh. Keine Berücksichtigung finden die Werke, die außerhalb des wissenschaftlichen und religiösen Bereiches liegen, Texte, wie die Prognosen im SBM, für die Furlani bereits arabischen Ursprung vorgeschlagen hat.³³⁴
1.3.3 Übersetzungen vom Pahlavi/Persischen ins Syrische Wie oben bereits angedeutet sind die Quellen und daher auch die Arbeiten hierüber mager. Ein Hinweis auf Übernahme aus dem Persischen ist v. a. deswegen schwierig, weil die entsprechenden Vergleichstexte fehlen. Zu den iranischen Lehnwörtern im Aramäischen sind dafür einige Arbeiten erschienen, die ggf. eine Zuordnung innerhalb der Sprachgeschichte erleichtern können und damit auch epochale Eingrenzungen erlauben.³³⁵ Inwieweit auch hier mündliche Traditionen interferieren, ist
331 In der syrischen Version seiner Chronographie Maktbånut zabnē¸ schildert Bar Hebraeus die Sach¯ ¯ ¯ ¯ lage in etwas anderer Form, nämlich, dass die Araber, die nur mithilfe der Syrer an Wissen gelangt seien, nun die Rolle der Syrer eingenommen hätten. Diese seien nun auf die ursprünglich Unterlegenen angewiesen, um weiterhin am Wissenschaftsbetrieb teilzunehmen, s. Teule 2002: 176ff. Der Begriff der syr. Renaissance wurde von Teule geprägt, der inzwischen einige Arbeiten dazu verfasst hat (s. o.), vor ihm nannte Chabot die Phase eine Zeit des Niedergangs, der durch fremdsprachliche Einflüsse gekennzeichnet ist, s. Chabot 1934: 114, Teule 2002: 176. Ersterer ist der festen Überzeugung, dass es vor Elias von Nisibis keinen echten zweisprachigen Syrer gegeben hätte, der im Stande gewesen wäre, Werke sowohl in ausgefeiltem Arabisch als auch auf Syrisch zu schreiben. 332 Zu den arabischen, aber auch syrischen und Pahlavi-Quellen, auf die Bar Hebraeus in seinem ¯ qudšē¸ (‚Leuchte des Heiligtums‘ bzw. Candelabrum sanctuarii) zurückgreift, hat kürzlich TakaMnarat hashi eine eigene Studie veröffentlicht, s. Takahashi 2002. 333 Ein bekannter Übersetzer dieser Zeit ist der chaldäische Patriarch Yåwsep II (gest. 1731), der die apologetische Schrift mah.z¯ıtå mr¯ıqtå, ‚der polierte Spiegel‘, übersetzte, s. Teule 2011: 28. ¯ 334 Diese These wird sich nicht für alle Passagen bewahrheiten, wie wir später sehen werden. 335 S. Ciancaglini 2008, Greenfield 1987, Shaked 1987.
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schwer zu beurteilen. Zur astrologisch-astronomischen und Divinationsliteratur im Iranischen s. 1.2.3.5.
1.3.4 Die Rolle der Syrer im griechisch-arabischen Wissenstransfer Obwohl der Beitrag der Syrer zur wissenschaftlichen Blüte des abbasidischen Bagdad weithin bekannt ist,³³⁶ musste und muss sich die syrische Sprache als Wissenschaftssprache immer mehr von der Übermacht des Arabischen emanzipieren.³³⁷ Die Rollenzuweisung als wissenschaftliche Mediatoren war womöglich eine Fortführung der im Sasanidenreich gegenüber den christlichen Syrern geübten Politik.³³⁸ Die Gewichtung von syrischer und iranischer Übersetzungsliteratur ist hierbei immer noch fraglich. Kunitzsch betont gerade, dass die Übersetzungen griechischer Texte ins Arabische nicht nur aus dem Syrischen stammten, sondern auch aus dem Persischen, was an vielen Wortformen (seien es Eigennenamen oder Materia Medica)
336 „So hat sich denn auch ein stark syro-zentrisches Bild von der sogenannten Übersetzungsliteratur entwickelt. Die Namen der bekannten Übersetzer und ihrer Schulen, sprachliche Eigenheiten, Transkriptionen griechischer Namen und Wörter: alles deutet immer wieder auf syrische Vermittlung, syrische Vor- und Zwischenstufe.“ (Kunitzsch 1975: 273), vgl. auch Montgomery 2000: 62. Der Austausch am Abbasidenhof wird meist in schillernden, alle Grenzen der Konfession sprengenden Farben gezeichnet: „As reported in Muslim sources, there were some scientific and philosophical séances involving Jews, Muslims, and others in Iraq in the tenth century“, die allesumwebende Kraft und Diskussionsgrundlage sei dabei die Vernunft und die Regeln ihrer Diskussion gewesen (Goldstein 2001: 25). Es soll dabei derart ‚freizügig‘ mit religiöser Toleranz umgegangen worden sein, dass aus dem Reisebericht des andalusischen Theologen b. Sadi, der von einem anderen andalusischen Gelehrten Abū ¯ al-H.umayd¯ı (11. Jh.) überliefert ist, hervorgeht, wie schockiert darüber er zurückgekehrt sei, Abdallah s. Kraemer 1986: 59. „Jews must have been in contact with non-Jewish individuals and groups who were interested in scientific matters, including the occult sciences, although the precise extent of this “interconfessional activity” is not known.“ (Wolfson 1976: 89–90), zit. nach Goldstein 2001: 25. 337 Selbst in aktuell publizierten Darstellungen zum Wissenstransfer werden die Syrer zugunsten der Araber schlichtweg übersprungen, als sprachliche Etappen „Greek into Arabic, Arabic into Latin, Hebrew, and European vernaculars“ genannt. Unter der Unterüberschrift „Greek into Arabic“, die sich größtenteils auf die Literatur von Gutas stützt, werden die Syrer kein einziges Mal erwähnt, s. Glick 2005: 483, vgl. zu den Diskussionen zur Rolle der Syrer Takahashi 2011: 477. 338 S. Pormann 2004: 24ff., Healey 2011: 644, Teixidor 2011: 3. Anzumerken ist, dass zunächst wohl vor allem die Ostsyrer an diesem Prozess teilnahmen. Die Westsyrer waren erst in späterer Zeit mit dem Arabischen vertraut, denn im 7./8. Jh. lag das Gewicht im Schulunterricht noch auf der griechischen Sprache. Johannes I. Sedrå übertrug, als er den Auftrag einer arabischen Evangelienübersetzung er¯ hielt, diese Aufgabe einem christlichen Araber, s. Hage 1966: 56f. Im Übrigen wurden nicht nur die arabischen Gelehrten als Rezipienten des syrischen Wissenstransfers vorgeschlagen, sondern auch die jüdischen. Boyarin erklärt mit syrischer Überlieferung an die rabbinischen Gelehrten zumindest einen Teil von griechischem Wissen im Talmud. Sogar Kenntnisse bzw. Werke von Platon seien so zu den rabbinischen Gelehrten gelangt. Auch den Weg mündlicher Tradition schließt er keineswegs aus, s. Boyarin 2009, Kritik dazu bei Becker 2011.
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ersichtlich sei.³³⁹ Der Ansatz von Saliba hebelt das gesamte Konstrukt einer erst unter der Abbasiden einsetzenden Übersetzungsbewegung aus. Die Wissenschaftsblüte unter den Abbasiden ist für ihn nichts mehr als ein „classical narrative“, das alleine der Selbstkonstruktion der abbasidischen Dynastie gegolten habe. De facto sei es ¯ rapide lautgeworbereits der im umayyadischen Verwaltungsappartat, dem d¯ıwan, dene Bedarf nach fundierten Kenntissen verschiedener Disziplinen gewesen, der eine Wissensaneignung vornehmlich griechischer exakter Wissenschaften durch die im Griechischen gebildeten Syrer erforderte. Er argumentiert, dass bereits in der abbasidischen Zeit, als griechische wissenschaftliche und philosophische Texte übersetzt wurden, das Niveau der Übersetzung so hoch war, dass eine gewisse Vorkenntnis vorausgesetzt werden müsse.³⁴⁰ Er bezeichnet die seiner Meinung nach falsche Annahme, die Araber hätten erst im Kulturkontakt mit umliegenden Nationen wie den Persern oder Byzantinern die Wissenschaften erlernt, als contact theorie. Allerdings ist dieser Mythos kaum so etabliert wie Saliba es gerne hätte. Wann und mit welcher Motivation die Übersetzungsbewegung angefangen hat, ist umstritten. Während le Coz den Impetus hierfür in die Hände der Übersetzer selbst legte, widerspricht Gutas dem in seiner Arbeit und benennt den umayyadischen Verwaltungsapparat als causa movens. Er sieht die Übersetzungen in einer Kontinuität bereits vonstatten gehender Übersetzungstätigkeit, die besonders der Nachfrage nach astrologischen, astronomischen und landwirtschaftlichen Texten beikommen sollte, allerdings spielt das Pahlavi hier eine ebenso bedeutende Rolle wie das Syrische.³⁴¹
339 Kunitzsch nennt Rosenthal 1965 als maßgebliche Studie und führt folgende Thesen Sezgins aus der Geschichte des arabischen Schrifttums als bahnbrechende Thesen an: dass die wissenschaftliche schriftliche Produktion schon im ersten Jahrhundert der Hiˇgra begonnen habe, dass die ersten Übersetzungen ins Arabische besonders medizinisch, astronomisch-astrologischer, alchemistischer und geographischer Schriften in die gleiche Zeit zu datieren sei. Hermetica und Pseudepigrapha der arabischen Literatur würden tatsächlich aus vorislamischer Zeit stammen und seien somit „nur“ Übersetzungen, s. Kunitzsch 1975: 271. Ähnliches gilt für die Medizin, da Ibn an-Nad¯ım nicht nur über die Leitung von Krankenhäusern durch Inder spricht, sondern auch von der Übersetzung indischer me¯ „This makes sense if we bear in mind dizinischer Werke ins Arabische, darunter das Suśruta-sam . hita. Gutas’ thesis that the early Abbasid caliphs had adopted the Zoroastrian Sasanian concept of the recovery of knowledge, which had been dispersed in the languages of different cultures of the region.“ (Attewell 2003: 340). 340 S. Saliba 2007: 4f., Saliba 2004: 30f. 341 S. Gutas 1998: 107f. Dieser betrachtet es als Fehleinschätzung, dass bereits existierende syrische Übersetzungen der griechischen Originale kursierten und so die Übersetzung ins Arabische, da die Schwelle der indogermanisch-semitischen Übersetzungsprobleme bereits überwunden war, sich nur noch als rein mechanische Abkupferung „under the patronage of an Arab elite“ gestaltet hätte. Ein Verfechter des bedeutenden syrischen Anteils an der gräko-arabischen Übersetzungsbewegung ist H. Daiber, programmatisch sind schon die Titel seiner Artikel „Nestorians of the 9th century Iraq as a source of Greek, Syriac and Arabic. A survey of some unexploited sources.“ (1991) und „Semitische Sprachen als Kulturvermittler zwischen Antike und Mittelalter: Stand und Aufgaben der Forschung“ (1986).
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Die Pioniere der Übersetzung in frühabbasidischer Zeit sollen die Barmakiden und „Dynastie“ der Nawbaht gewesen sein, die das Arabische als Zielsprache für die Über˘ setzungen aus dem Pahlavi öffneten. Königsdisziplin am Hofe al-Mans.ūrs sei zunächst ¯ all ¯ ah, ¯ Abū Sahl ibn Nawbaht und die Astrologie gewesen, die sich letztendlich mit Maš ˘ Abū Mašar etablieren konnte.³⁴² In einigen Darstellungen ist die Astrologie zur Triebfeder der Übersetzungen stilisiert.³⁴³ Nach und nach folgten nach seiner These dann die anderen Disziplinen wie Philosophie dem „pattern that was set by astrology.“³⁴⁴ Monokausale Erklärungen sind zwar bestechend in ihrer Einfachheit, jedoch als Modell, das einen umfassenden Prozess wie diesen erfassen soll, kaum akzeptabel. Den Syrern wird zumindest in der semi-mythologischen Zwischenwelt literarischer Wissensgeschichtsschreibung ohne Umschweife eine Rolle als Glied in der astrologischen Traditionskette eingestanden, wenn z. B. der Schüler Abū Mašars, ¯ an, ¯ schreibt: „The Chaldaeans were the first to write about namens Abū Sa¯ıd Šad ¯ the stars, their measurements, and observations of them; they knew their courses in nature [i.e., astronomy] and in prorogations from base-nativities [i.e., astrology]. After them were the Indians, then the Syrians, and then the Arabs.“³⁴⁵
1.4 Die Wissenschaften bei den Syrern Ein Problem, das sich wohl bei jeder Darstellung von Wissenschaften in anderen Kulturen stellt, ist die Frage nach dem Wissenschaftsbegriff und der Selektionskriterien, welche den Kanon der Wissenschaften festlegen.³⁴⁶ Die Wissenschaften der abbasidischen Zeit sind sehr selektiv und eurozentristisch, nämlich mit den Griechen
342 Vgl. Gutas 1998: 107ff. Auch dem Kalifen al-Mutas.im wird im Vorwort zu ad-Dah¯ıra al-Iskan¯ ¯ ˘ ¯ dar¯ıya der Auftrag an den Astrologen Muh.ammad b. Halid, diese magische Schrift zu übersetzen, ˘ in den Mund gelegt. Es handelt sich wahrscheinlich um eine nachträgliche literarische Fingierung, s. Gutas 1998: 123. 343 Dieser Prozess wird mancherorts als allgemeingültiger Mechanismus im mittelalterlichen Wissenstransfer geschildert: „A comparative survey of medieval scientific translation movements (Greek into Arabic, Arabic into Latin, Hebrew, and European vernaculars) reveals some common patterns. The early phases of translation were marked by a preference for astrological treatises.“ (Glick 2005: 483). 344 Gutas 1998: 110. 345 Pingree 1989: 227. Dieser eher mythologische Befund lässt sich auch auf die tatsächliche Über¯ al-maan¯ ¯ ı, eine Einführung in die Astrologie von Umar b. alsetzungspraxis ausweiten. Das Kitab ¯ at.-T.abar¯ı, einem der frühesten arabischen Astrologen, beginnt mit folgender Feststellung Farruhan ˘ ¯ as-suriyan¯ ¯ ı ila¯ lisan ¯ al-arab¯ı „vom Syrischen ins Arabische“ der Überlieferungsrichtung: min lisan (Berlin Oct. 2837/I (Ia). An einigen Stellen fügt der Übersetzer seine eigenen Erklärungen, als solche gekennzeichnet, hinzu, s. GAS VII: 79. Das syrische Pendant ist allerdings nicht erhalten oder noch nicht als solches erkannt worden. 346 Spätestens mit Foucault und der Archäologie des Wissens oder dem Kuhnschen Wissensparadigma sind diese Unschärfevariablen allgemeiner Konsens.
1.4 Die Wissenschaften bei den Syrern
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beginnend, untersucht worden.³⁴⁷ Gleichermaßen ist die Forschungsgeschichte der syrischen Wissenschaften von diesem Vorwurf betroffen. Der Titel der ersten Arbeit zu den syrischen Wissenschaften legt davon Zeugnis ab: How Greek Science Passed to the Arabs von O’Leary.³⁴⁸ Einen aktualisierten Überblick, der den Wissenschaftsbegriff auch etwas weiter fasst, ist von Takahashi als Artikel vorgelegt worden.³⁴⁹ Seine Quelle ist v. a. der syrische Autor Bar Hebraeus, der über die wichtigsten Vertreter verschiedenster Disziplinen in syrischer Sprache informiert. Für seine eigenen Werke, die viele Bereiche abdecken, ist der Aristotelismus grundlegendes Equippement.³⁵⁰ Dieser Umstand mag damit zusammenhängen, dass er stark arabisiert ist und in vielen Bereichen nachweislich aus arabischen Quellen schöpft.³⁵¹ In jüngster Zeit haben die Wissenschaften im syrologischen Interesse wieder etwas aufgeholt.³⁵² Einzelstudien zu Wissens- und Wissenschaftszweigen lassen sich zu einem Bild der syrischen Wissenschaftsliteratur zusammenfügen, das sicherlich noch fragmentarisch ist. Besonders hervorzuheben ist die Arbeit von Witakowski zur Geographie bei den Syrern.³⁵³ Obwohl es keine politische militärisch-strategische Notwendigkeit für geographische Erschließungen gab, so doch eine administrative von Seiten der Kirche.³⁵⁴ Die syrische Geographie beginnt im 7. Jh. mit Jakob von Edessa. Sein Hexaemeron enthält als dritte Abhandlung eine Darlegung derselben in Verbindung mit der christlichen Vorstellung von der Schöpfung der Welt.³⁵⁵ Wenngleich die Reihenfolge vertauscht ist und dem Strukturierungsprinzip des Jakob angeglichen (nicht nach Landschaften, sondern nach Seen, Bergen, Flüssen etc. angeordnet), außerdem Städte und Völker übergangen sind, liegt dennoch kein Zweifel an der ptolemäischen Vorlage, welche spätestens durch Aufnahme griechischer Wörter transparent wird.³⁵⁶ Die enge Verbindung von Geographie und Astrologie liegt in der Natur ihrer
347 S. Attewell 2003: 325. 348 O’Leary 1949. Zwei weitere Auflagen folgten. Besprechung bei Gandz 1950. 349 S. Takahashi 2011. 350 Vgl. das Butyrum Sapientiae von Bar Hebraeus, welches mit seinen vier Hauptteilen zur Logik, den Naturwissenschaften, der Metaphysik und praktischen Philosophie ganz dem Aristotelismus verpflichtet ist. Takahashi 2004. 351 Was die Identifizierung griechischer oder anderer Quellen zusätzlich erschwert, ist die Tatsache, dass auch Bar Hebraeus wie andere syrische Autoren nicht selten auf die Angabe der Quelle verzichtet, s. Nau 1910a: 228. Daher ist die Arbeit Takahashis umso eindrucksvoller! 352 Vgl. den kürzlich erschienenen Tagungsband zum 11. Treffen der Société d’études syriaques, s. Villey 2014. 353 S. Witakowski 2007. 354 Ebd. S. 221ff. 355 Dieser Ausschnitt ist in drei Handschriften überliefert, wobei die zwei jüngeren voneinander abhängen, die älteste Lugdunensis ein bemerkenswertes Alter hat, da sie aus dem 9. Jh. stammt, s. Schmidt 1999: 57. Editionen bieten Abbé Martin (1888) aufgrund der ältesten Handschrift, Arthur Hielt (1892) aufgrund der anderen (Leidensis) mit lat. Übersetzung und syr. Namensindex. 356 S. Schmidt 1999: 58.
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Inhalte: die Geographie des Ptolemaios z. B. enthält wichtige astronomische Grundlagen, die für astrologische Berechnungen unverzichtbar sind, ebenso rein technische Anweisungen wie für die Erstellung eines Astrolabs.³⁵⁷ Kaum ein syrisches Kompendium verzichtet auf die Geographie, auch wenn es sich manchmal mehr um eine der Alexanderlegende angelehnte Darstellung der Welt handelt.³⁵⁸ Der Verbindung, die sich besonders in der Klimalehre bei Jakob von Edessa, Georg, dem Araberbischof und Severus wiederspiegelt, hat sich Honigmann in seiner bisher nicht überbotenen Monographie gewidmet.³⁵⁹ Die meteorologischen Schriften sind besser erforscht als die astrologischen, besonders die Tradition des Theophrastus im Syrischen und Arabischen und ihre gegenseitigen Abhängigkeiten sind dank Daiber recht gut erforscht.³⁶⁰ Besonders die aristotelische Tradition ist vertreten,³⁶¹ eine der frühesten erhaltenen ist das (pseudo)-aristotelische Werk De Mundo, übersetzt von Sergius.³⁶² Syrische Enzyklopädisten, die diese Traditionen aufgenommen haben, sind Moše bar Kepha (813–903) in seinem Hexaemeron,³⁶³ Hiob von Edessa,³⁶⁴ (769–835) im Buch der ¯ adSchätze (Ktåbå d-s¯ımåtå), Bar Bahlūl (in der astrometeorologischen Schrift Kitab ¯ ¯ ¯ ¯ dalail), alle drei Nestorianer. Weitere Abschriften, die auf Moše bar Kepha basieren, ¯ zu finden.³⁶⁵ Das Vorkommen meteorologischer sind bei Bar Šakku und Bar Šahhare Fragmente scheint auch deshalb mehr als interessant, da ihre Umgebung stets die einer Kompilation ist, eines enzyklopädischen Werkes, dessen Form auch sicherlich die Gattung im populärwissenschaftlichen Bereich geprägt hat. In der Windtheorie von Aristoteles ist der Wind trockener Dampf. Durch die Sonnenstrahlen entsteht er als Dunst, seine Richtung und Stärke hängt vom jeweiligen Stand der Sonne ab. Dagegen erklärt Theophrast den Wind als Fließen der Luft. Dieser Definition schließen sich unter dem Namen des Hippokrates wohl Bar Hebraeus (Candelabrum I 612) und Jakob bar S.al¯ıb¯ı (gest. 1171) an.³⁶⁶ Die Mathematik bei den Syrern hat Takahashi in seinem Artikel nochmals aufgenommen, zur Astronomie ist die Arbeit von Villey heranzuziehen, die den griechischen Einfluss, besonders den
357 S. Magdalino 2007: 23. 358 S. Donzel 2009: 16ff. 359 Honigmann 1929: 108ff. 360 S. Daiber 1991. 361 Einen für den Wissenstransfer in die arabische Sprache wichtigen Kompilator sieht Takahashi in Nicolaus, der ein Kompendium zur aristotelischen Philosophie verfasste, s. Takahashi 2004: 37f. 362 Die Handschrift Br. Lib. Add. 14658 ist auf das 7. Jh. datiert, der Text ist ediert von Lagarde 1858: 134–158 und später übersetzt von Ryssel (1880, 1881). 363 Das Hexaemeron ist bis heute unpubliziert. Eine Handschrift liegt in Paris (Syriac ms. Paris 241), s. Daiber 1991: 171. Übrigens definiert er die Klimazonen als „Ql¯ımat.ē, d. h. inclinationes, weil sie voneinander nach der Neigung der Erd[oberfläch]e im Verhältnis zum Himmelsfirmament unterschieden werden“, s. Honigmann 1929: 111. ¯ ı. 364 Besser bekannt unter seinem arabischen Namen Ayyūb ar-Ruhaw¯ 365 S. Daiber 1991: 174. Dort sind alle überlieferten Textvarianten ediert. 366 Vgl. auch Takahashi 2004: 37, Daiber 1975: 76ff.
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Gebrauch der Theonschen Handtafeln und ptolemaischer Astronomie nachweist. Die Astronomie konnte in den letzten Jahren durch Arbeiten zu Severus und Sergius³⁶⁷ zu größerer Aufmerksamkeit gelangen. Der Almagest muss auch im Syrischen vorgelegen haben.³⁶⁸ Auf dem Gebiet der Alchemie sind einige Texte im Syrischen erhalten, wie die Doktrin des Demokrit, die von Berthelot zusammengetragen und ediert wurden, es handelt sich hier vornehmlich um Übernahmen aus dem Griechischen „remontant au temps de Sergius, tels que la traduction de la Chrysopée et de l’Argyropée du Pseudo-Démocrite, celles des Livres de Zosime, des Lettres de Pébéchius, etc.“³⁶⁹ Mit ihrem enzyklopädischen Anspruch sind die Schriften an griechische Texte der Zeit angelehnt, wie sich leicht in der Collection des Alchimistes grecs überprüfen lässt.³⁷⁰ Die Astrologie und Divination werden wir weiter unten gesondert und ausführlich behandeln. Deutlich ist jedenfalls die starke Abhängigkeit der Syrer von den Griechen und dieser Darstellung in der Forschung.
1.4.1 Syrische Medizin Die häufige Erwähnung syrischer Fachbegriffe bei den Lexikographen zeigt, dass die Medizin innerhalb des Wissenschaftskanons einen bedeutenden Stellenwert einnahm. Interessant ist die Definition der Medizin selbst wie sie uns das Lexikon des bedeutensten syrischen Lexikographen Bar Bahlūl präsentiert: als ein Spektrum verschiedener Disziplinen, als ummånūtå ‚Kunst‘.³⁷¹ ¯ Die syrische Medizin ist dort besonders gut herauspräpariert, wo sie die arabische Tradition mit galenischem Material „belieferte“.³⁷² Die Pluralität medizinischer Ansätze wird als Dichotomie beschrieben: „Une grande différence existe, pourtant, entre la médecine populaire et la médicine comme science“.³⁷³
367 Z. B. von Hugonnard-Roche usw. 368 Takahashi, der in jedem Falle vertrauenswürdiger ist, schreibt in seiner sorgfältigen Studie zu den syrischen Naturwissenschaften, dass die ersten Hinweise ins 12. Jh. datieren, s. Takahashi 2011: 483, dort mit Verweis auf die Studien von Kunitzsch. Dagegen behauptet King, dass die bedeutendste ptolemaische Schrift bereits im späten 8., beginnenden 9. Jh. fünfmal übersetzt wurde, einmal ins Syrische und viermal ins Arabische. Eine Quelle nennt er nicht, s. King 2000: 588. 369 Berthelot, La chimie au moyen âge, II, Paris 1893: V. 370 Vorangestellte Zeichenerklärungen und Definitionen sind neben der Materialfülle Hauptmerkmal. Als strukturell ähnliche Schriften zitiert Berthelot die Werke des Photius, Suidas, usw. Die syrischen alchemistischen Texte seiner Edition lassen sich zwischen das 7. und 9. Jh. datieren, s. Berthelot: VIIff. 371 S. BBah: 229. 372 Auf die Dringlichkeit, auch die konkurrierenden medizinischen Systeme in islamischer Zeit zu untersuchen, verweist Attewell. 373 Habbi 2001: 10. Barqây erklärt diese Dichotomie anhand der hebräischen Medizin der Spätantike und des Mittelalters, welches sich auch auf die syrische Medizin übertragen ließe: „It has been
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Alternative Heilmethoden waren die althergebrachten Rituale und Kulte, wozu z. B. der besonders von den Asklepiostempeln bekannte Heilschlaf (Inkubation) gehörte. Gerade seine Schreine, Tempel und Heiligtümer waren es, die später christlich umfunktioniert wurden und teilweise die dort praktizierten Therapieformen beibehielten.³⁷⁴ Wenn man von einer syrischen Medizin spricht, so kann hier nicht nur die syrische Sprache gemeint sein, sondern ein breiteres kulturelles Verständis christlicher Prägung. Die ärztliche Tätigkeit des Heilens, welche das Ideal der Nächstenliebe wiederspiegelt, nahm einen hohen Stellenwert im Christentum ein.³⁷⁵ Im monastischen Bereich wird dies durch die Einrichtung von Hospizen fortgeführt. Im Volksglauben manifestiert sich der Heilkult in der frühen Herausbildung eines Reliquienkultes. Die breite Adaption des Themas in der christlichen Literatur, der Metaphorik des Heilens und des Heilands setzt bereits im 2. Jh. ein.³⁷⁶ Der Gebrauch dieser Metaphorik ist inzwischen auch bei den syrischen Schriftstellern wie Ephrem oder Aphrahat deutlich herausgearbeitet worden.³⁷⁷ Allerdings unterscheidet auch Ephrem die spirituelle von der physischen Medizin und warnt davor, dem weltlichen Heiler, dem Arzt, allzuviel Vertrauen entgegenzubringen.³⁷⁸ Die griechische Schulmedizin wurde innerhalb des Christentums nicht überall mit offenen Armen empfangen.³⁷⁹ Frühchristliche Positionen zum Körper und Körperlichen waren höchst divers. Das hippokratische Ideal des Gleichgewichts war mit
repeatedly stressed in contemporary historiography of medicine that a clear-cut distinction between ‘rational and learned’ medicine on the one hand, and ‘magical and popular’ medicine on the other, existed neither in Antiquity nor in the Middle Ages. It is true that physicians and naturalists such as the Hippocratic writers, Aristotle and Galen seemingly presented themselves as representatives of a comprehensive scientific system, based on ratio, but a thorough investigation of ancient texts reveals a more complex reality.“ (Barqây 1998: 80) Zur römisch-griechischen Tradition der Volksmedizin, s. Jones 1957, Edelstein 1937. 374 S. Nutton 1984: 7. Im Falle des Heilschlafes sind aus christlichen Kirchen und Klöstern solche Berichte bekannt, darunter St. Cosmas und St. Damian in Konstantinopel oder St. Cyrus und St. Johannes in Alexandrien, s. Parmentier 1989: 279. Vgl. auch Ehrenheim 2011. Dabei gibt es nach Parmentier eine Ost-West-Unterscheidung: „At times it seems to me to be attractive to refer the incubation type of healing more to the Monophysites, as a Monophysite view of the Incarnation might seem to allow for a much more uncomplicated encounter between the divine and the human.“ (Parmentier 1989: 293.) Tatsächlich berichtet Severus von Antiochien um 514 von einer Kirche des heiligen Demetios in der Nähe von Cyrrhus, in der Heilschlaf praktiziert worden sein soll. 375 Allgemein zu Medizin und Christentum s. Nutton 1995: 73ff. 376 S. Dörnemann 2003. 377 S. Shemunkasho 2004. 378 S. Shemunkasho 2004: 137. 379 Auch auf römischem Boden hatte die galenische Medizin zunächst einen schlechten Start. Galen berichtet von einem Streit mit den Römern über die Tag- und Nachtgleiche, die aufgrund ihres von seiner Warte aus beschränkten Bildungsstandes solcher Probleme nicht mächtig gewesen wären. Hippokrates konnte sich dagegen dort durchsetzen, s. Strohmaier 1994: 1987ff. Anders verhielt es sich auf griechischem Boden, genauer in Alexandria. Hier lag der Knoten- und Angelpunkt, der die galenischen Schriften in die griechische, syrische und arabisch-islamische Geisteswelt bis nach
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asketischen Motiven nicht vereinbar, ebensowenig mit der Ansicht, dass Krankheit eine Prüfung des Glaubens darstelle.³⁸⁰ Die (spät)antike Medizin an sich ist zwiespältig: zum einen geht sie extrem konform mit der christlichen Heilsgeschichte, wobei nicht nur Jesus, sonder auch seine Jünger in den Evangelien als Heiler auftreten,³⁸¹ so dass ein Urteil wie das von Harnack kaum wundernimmt „Christianity is a healing religion par excellence“.³⁸² Auf der anderen Seite war die Tätigkeit der Heilkundigen und Ärzte auch stets dem Verdacht von Heidentum und Häresie ausgesetzt.³⁸³ Anders scheint es bei den Syrern zu sein (s. o.), die als Ärztedynastien der Buht¯ıšus und der ˘ ¯ Masawayhs am abbasidischen Kalifenhofe in Erscheinung treten und mit der Pflege der ersten Krankenhäuser im Abbasidenreich betraut waren.³⁸⁴ Den besten Überblick zur syrisch medizinischen Literatur gewährt Degen bei seiner Vorstellung des geplanten, bedauerlicherweise aber nicht mehr vollendeten Corpus Medicorum Syriacorum.³⁸⁵ Dabei gibt auch er zu bedauern, dass im Vergleich zur arabischen die syrische Überlieferungslage weitaus schlechter sei.³⁸⁶ Ohne große Mühe ist aus der Degenschen Zusammenstellung abzulesen, dass die umfangreichste zusammenhängende Quelle syrischer galenischer Medizin das SBM ist. Aus Quellen wie der Chronik und der Kirchengeschichte des Bar Hebraeus, der ¯ f¯ı .tabaqat ¯ al-at.ibba ¯ des Ibn Chronik Michaels des Syrers oder den Uyūn al-anba Ab¯ı Us.ayb¯ı a, einer Geschichte der Ärzte und Medizin, lässt sich eine Liste von 56 syrischen Ärzten aufstellen, die zwischen dem Ende des 4. Jh. und des 16. Jh. tätig waKonstantinopel hinauskatapultieren sollte und auch für die spätere breite Rezeption in der westlichen Welt verantwortlich war. 380 Die Lebensführung des heiligen Antonius beispielsweise brach alle Regeln hippokratischer Hygienevorstellungen mit dem Ziel, wieder in einen ursprünglichen Zustand des Menschseins vor dem Sündenfall zurückzufinden, s. Temkin 1991: 149ff., Strohmaier 2006. 381 Wobei auch die Richtung umgedacht werden kann: dahingehend, dass die neue christliche Lehre sich (möglicherweise auch paganer) medizinischer Metaphorik bediente. Es kann hier nur auf die vielzitierte Metapher des Christus medicus und einige Literatur zur These der Anleihennahme am Asklepioskult hingewiesen werden, s. Dinkler 1980, Hauck 1980. Dieser Effekt mag sich durch die medizinische Bildung, die zumindest der Apostel Lukas genossen hatte, welche sich im Vokabular einiger NT Bücher wie dem Lukasevangelium und der Apostelgeschichte nachgewiesen wiederspiegeln, noch potenziert haben, s. Hobart 1882. 382 Harnack 1892, zit. nach Nutton 1984: 5. 383 Nutton nennt als Beispiel Oribasius, Agapius von Alexandrien, Alscepiodotus von Aphrodisia und andere, dazu auch vertiefende Literaturangaben, s. Nutton 1984: 6. 384 S. Attewell 2003: 340. 385 S. Degen 1972. 386 Zum einen ist dies dem Desinteresse an naturwissenschaftlichen Texten von Seiten der syrisch ¯ in seinem Buch orthodoxen Kirche geschuldet – „sei es, weil – wie der Bischof Thomas von Marga der Klostervorsteher berichtet – die Bewohner wegen ihrer guten Ernährung die Heilmittel der GalenAnhänger nicht brauchten, oder sei es, weil manches fromme Gemüt sich am Inhalt der Texte stieß“ (Budge 1893: 135, zit. nach Degen 1972: 114f.), zum anderen aber und viel entscheidender sind die ungünstigen Bedingungen der Kirchen und Klöster als Archive, die Verwüstungen und Plünderungen ausgesetzt waren, ganz abgesehen von den aktuellen Geschehnissen.
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ren. Man muss dazu sagen, dass diese Liste, die erweiterte Variante der sonst eher schmalen Behandlung von Medizinern und medizinischen Autoren in den syrischen Literaturgeschichten darstellt.³⁸⁷
1.4.2 Syrische medizinische Schriften Strohmaier setzt 2-Phasen der Aneignung an, die erste syrische Rezeption durch Ser¯ die zweite zur Zeit der abbasidischen Übersetzungsbewegung.³⁸⁸ gius von Reš Ayna, Auch bei Bar Bahlūl und Bar Al¯ı, den bedeutenden ostsyrischen Lexikographen des 10. Jh. wird Galen zitiert.³⁸⁹
1.4.2.1 Sergius von Reš Ayna (gest. 536) Sergius, der vom Monophysitentum zum Nestorianismus konvertierte, war Presbyter unter Justinian, hatte beim chalkedonensischen Partriarchen Ephrem und bei Johannes Philoponus in Alexandria studiert und verstarb auf einer Reise nach Bazyntium 536 in Begleitung des Papstes Agapetus von Rom.³⁹⁰ Zeit seines Lebens war er führender Arzt (Archiatros) von Reš Ayna (Theodosiopolis) im Norden Mesopotamiens. Er gilt als erster Übersetzer griechischer Medizin und Philosophie ins Syrische,³⁹¹ darunter Werke des Aristoteles (Kategorien), Porphyrius (Isagoge)³⁹² und Galen, angeblich über 30 Werke, darunter die Sechzehn Bücher Galens.³⁹³ Einige der Werke sind der ¯ (ca. 525–45) im Widmungen zufolge von Theodorus, dem Bischof von Karkh Juddan heutigen Samarra in Auftrag gegeben worden. (Sachau hat in seiner Einleitung zu den
387 Habbi gibt eine genaue Übersicht über die literaturgeschichtliche Erfassung der syrischen medizinischen Autoren und berücksichtigt Baumstark, Duval, Wright, Bars.awma und Chabot, s. Habbi 2001, S. 14ff. 388 Einen guten Überblick über den aktuellen Forschungsstand zu Galen im Arabischen und im Syrischen enthält der Artikel von Bhayro 2005. Am Anfang dieser Studien steht Merx mit mehreren Beiträgen, u. a. einem syrischern Auszug der De simplicium medicamentorum temperamentibus et facultatibus: Merx 1885. Einen Überblick zur syrisch-medizinischen Übersetzungsliteratur hat außerdem Taylor angekündigt, s. Taylor 2002: 324. Daneben auch Habbi zu den griechischen Übersetzungen innerhalb der syrischen Literatur. Die arabischen Übersetzungen sind dabei weitaus besser erforscht als die syrischen, s. Bhayro 2005: 147ff., Johnston 1981, Lieber 1981, Gutas 1999. Die überlieferten syrischen Zeugnisse sind von Degen zusammengestellt, s. Degen 1981. 389 Interessant wäre ein Abgleich mit den bekannten Galenquellen im Syrischen und Erhebung wie viel mehr an (potentiellem) galenischem Vokabular bei den beiden aufzufinden ist. Zu den Methoden und Quellen der beiden, s. Endress 2001. 390 S. Brock 1977: 141. 391 S. Budge 1932, Bd. II: 21, Bhayro 2005: 153. 392 Diese Zuschreibung ist allerdings umstritten, s. Hugonnard-Roche 1997: 128f. 393 Nur De sectis und De pulsibus ad tirones wurden nicht von Sergius ins Syrische übersetzt, s. Nutton, 1995: 87, Takahashi 2011: 479.
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Inedita syriaca als Widmungsträger den Bischof von Merw angegeben!) Die Übersetzungen von Sergius scheinen auch den Trend in der syrischen Medizin (zumindest der gebildeteren Schicht) widerzuspiegeln, welche stark von der alexandrinischen Tradition geprägt war. Nach Sergius tut sich – bis auf die Ausnahme von Theophilos von Edessa (gest. 785) – eine fast 300-jährige Lücke in der syrischen Galentradition auf.³⁹⁴
1.4.2.2 Ah.ūdemmeh (6. Jh.) ¯ Der Bischof von Bet Arbaye, der von Jakob Baradäus 559 zum Metropoliten des Os¯ tens ernannt wurde,³⁹⁵ verfasste eine Art spirituelle Medizin.³⁹⁶ Dies sei programmatisch für die syrische Medizin, deren Beschreibung nicht ohne eine Theorie der Seele auskäme.³⁹⁷ In dieser östlichen Tradition ist auch das Gedicht über den Menschen als Mikrokosmos von Warda¯ zu sehen.³⁹⁸
¯ d-T.aybūte¸h (7. Jh.) 1.4.2.3 Šimon ¯ ¯ d-T.aybūte¸h ‚von seiner [d. h. Gottes] GnaDas mystisch-spirituelles Werk von Šimon ¯ de‘ ist vor dem Hintergrund zoroastrisch-sasanidischer Heilsmythologie zu sehen, in der neben der körperlichen Reinheit die „Diätetik der Seele“ betont wird.³⁹⁹ Er ist bei der Definition einiger Lexeme namentlich bei Bar Bahlūl zitiert,⁴⁰⁰ aber auch einige Male ohne Angabe seines Namens.⁴⁰¹ Ein indirekter Beleg seiner Schrift, wie es auch für andere syrische medizinische Schriften gilt, ist deren Erwähnung im Arabischen. ¯ ı f¯ı .tibb.⁴⁰² ¯ ı zitiert ihn in seinem Werk K. al-H Ar-Raz¯ . aw¯ 394 S. Strohmaier 1994: 2001. 395 Er soll auch die Araber Mesopotamiens bekehrt haben: „ceux-ci ne le laissaient pas toujours approcher de leurs campements, mais il guérit la fille d’un de leurs chefs qui était possédée du démon et, depuis lors, il eut libre accès auprès d’eux.“ (Nau 1909: 12). Es handelt sich um den oben erwähnten medizinischen Autor. 396 Er zeigt sich mit der aristotelischen Philosophie vertraut, s. Féghali 2005: 528. 397 Ed. bei Nau 1905, s. Gignoux 2001: 222. 398 S. Gignoux 2001: 226. Ein weiterer in drei Handschriften erhaltener syrischer Text über den Menschen als Mikrokosmos, der die gesamte Schöpfung widerspiegelt, wird einem gewissen ostsyrischen Michael zugeschrieben, s. Becker 2006: 96. 399 S. Bruns 2009: 44. Er lebte zur Zeit des Patriarchen H.enan¯ıšo I und verstarb um 680. Es ist nichts Biographisches über ihn bekannt außer, dass er Schüler von Rabban Šabūr war und daher wahrscheinlich in dessen Kloster zu verorten ist, s. Mingana 1934: 1ff. 400 S. BBah: 36, Z. 25, 83, Z. 24, 463, Z. 12, 1168, Z. 3, 2013, Z. 22, vgl. Ullmann 1970: 100. 401 Z. B. unter dem Lemma šentå ‚Schlaf‘. Dort wird eine komplizierte Theorie von 11 Gefäßen, wörtl. ¯ ¯ wörtlich so wiederfindet, s. Mingana 1934: 319. ‚Schnüren‘ (h.zåqē¸), unterbreitet, die sich bei Šimon Bar Bahlūl behauptet, dass sie von Gelehrten von außerhalb h.akk¯ımē¸ men lbar stamme, s. BBah: 1195. ¯ Möglich wäre natürlich auch, dass beide sich auf dieselbe unbekannte Quelle stützten. 402 S. Ullmann 1970: 100ff.
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1.4.2.4 Yūh.ann¯a ibn M¯asawayh (777–857) Er gehört aufgrund seiner ihm zugeschriebenen und z. T. überlieferten Werke zu den interessanteren Gestalten der nestorianischen Medizingeschichte.⁴⁰³ Obgleich er eine fundierte Ausbildung in syrischer Sprache genossen hatte, verfasste er seine Werke in arabischer Sprache. Seine Diätetik ist die erste bekannte in arabischer Sprache,⁴⁰⁴ dazu gehört auch ein Werk über die Eigenschaften von Nahrungsmitteln.⁴⁰⁵ Noch bedeutender ist jedoch seine Chronologie, eine der ältesten arabischen Almanache.⁴⁰⁶ Dieser Almanach oder Kalender ist eindeutig auf den nestorianischen Ritus ausgerichtet, was die Nennung von Kirchenfesten offenlegt. Erstaunlich ist aber, dass sich die meisten anderen Angaben auf Länder beziehen, die er nie bereist hat, den Jemen, Ägypten, Nubien, Palästina, Syrien, nicht aber Mesopotamien, was darauf schließen lässt, dass er viele ältere Quellen zitiert.⁴⁰⁷
1.4.2.5 Ayyūb (8./9. Jh.) In seinem Sendschreiben an Al¯ı b. Yah.ya¯ al-Munaˇggˇ im über die Übersetzung galenischer Werke erwähnt H.unayn 36 Werke, die von einem gewissen Iyob von Edessa bzw. ¯ ı (2. Hälfte d. 8. Jh.–835) übersetzt worden seien. Man vermutet, dass Ayyūb ar-Ruhaw¯ er auch Werke des Aristoteles und des Ptolemaios übersetzte, erhalten ist aber nur sein ‚Buch der Schätze‘ (Ktåbå d-s¯ımåtå),⁴⁰⁸ in dem anatomische, zoologische, psy¯ ¯ ¯ ¯ chologische, chemische, metallurgische, meteorologische und astronomische Fragen abgehandelt werden.⁴⁰⁹ Es sind des weiteren ein Buch über Tollwut, über Ursachen aller Fieber und ein Buch über den Urin nachgewiesen.⁴¹⁰ Er und sein Sohn waren unter den Abbasiden tätig.⁴¹¹
403 Die Angaben bei Ibn Ab¯ı Us.aybia und al-Qift.¯ı variieren, s. Le Coz 2004: 136. 404 S. Troupeau 1995. 405 Sicherlich in Anlehnung an Galens Schrift De faculté des aliments bzw. On the medical properties of foodstuff, welche bereits von Sergius und Hiob von Edessa aus dem Griechischen ins Syrische übersetzt wurde, s. Le Coz 2004: 137, Hawley 2008. 406 Edition bei Sbath 1933, Übersetzung und Kommentar s. Troupeau 1968. 407 S. Le Coz 2004: 142f. 408 Edition und Übersetzung von Mingana 1935. 409 Die literarische Gattung ähnelt wohl den pseudo-aristotelischen problemata physica. Es sind ¯ nachgewiesen worden, s. Kraus 1942: außerdem Verbindungen zu dem Werk Sirr al-hal¯ıqa des Bal¯ınas ˘ 175ff., 275ff. 410 Nur ersteres als Handschrift, die anderen durch Zitate, s. Ullmann 1970: 101f., Honigmann 1929: 117, Baumstark 1922: 230. 411 S. Roggema 2011: 225f.
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1.4.2.6 H.unayn (808–873) Ein erneutes Aufleben der galenischen Medizin soll erst am Abbasidenhofe stattgefunden haben, wobei die Protagonisten fast ausnahmslos Syrer waren. Nach Berichten soll es zu H.unayns Zeiten bis zu 56 konkurrierende Leibärzte gegeben haben.⁴¹² Der sog. ‚Scheich‘ der Übersetzer⁴¹³ soll laut eigenen Angaben 95 Werke Galens ins Syrische und weitere 39 ins Arabische übersetzt haben, wie er in seinem „Sendschreiben ¯ vom Dolmetsch“ (Risalah) erklärt.⁴¹⁴ Dieses Sendschreiben ist von unermeßlichem Wert, da er dort die bis ins Jahr 880 ins Arabische und Syrische übersetzten galenischen Werke verzeichnet. Fasst man die Ergebnisse seiner Aufzählung zusammen und nimmt die später entdeckten Handschriften dazu, so kann man davon ausgehen, dass beinahe alle galenischen Werke bis zum Ende des 9. Jh. übersetzt worden waren.⁴¹⁵ Obgleich H.unayn sich auf die bereits vorhandenen Übersetzungen des Sergius stützte, wird ihm ein viel höherer Verdienst zugeschrieben. Einer Legende zufolge, die in Bar Hebraeus Geschichtswerk zu finden ist, soll ihm von dem einflussreichsten Arzt ˇ ıl ibn Bukht¯ıšū, prophezeit worden sein, dass die Welt nach H.unayn seiner Zeit, Gibr¯ keinen Gedanken mehr an Sergius verschwenden würde.⁴¹⁶ Dieser Beurteilung Bar Hebraeus folgen einige Autoren bis jetzt, allerdings hat schon Brock darauf hingewiesen, dass sich Sergius und H.unayn in ihrem leserorientierten Ansatz methodisch nicht so sehr unterscheiden würden. Auch Bhayro weist darauf hin, dass die Übersetzungen in Stil und Qualität keineswegs so weit auseinanderklaffen.⁴¹⁷ Zum Teil stellt sich seine Übersetzung als extrem leserorientiert dar, z. B. mit der Einbettung ‚heidnischer‘ wissenschaftlicher Texte in eine christliche Glaubenswelt. Strohmeier liefert hier ein anschauliches Beispiel: bei der Übersetzung des galeni¯ wo Gottheiten schen Kommentars zum Hippokratischen Eid durch H.unayn b. Ish.aq, durch Engel ersetzt werden.⁴¹⁸
1.4.2.7 Bar Hebraeus (1226–1286) Bar Hebraeus ist als medizinischer Schriftsteller mit seinen Übersetzungen von Dios¯ kurides (De medicamentis simplicibus), von vier Teilen von Avicennas al-Qanūn f¯ı t.-T.ibb, sowie einer eigenständigen Sammlung medizinischer Theorien bekannt.⁴¹⁹
412 Im Zuge der Konkurrenz soll es zu Intrigen gegen H.unayn gekommen sein, woraufhin alMutawakkil (847–861) ihn ein halbes Jahr inhaftierte und seine Bibliothek beschlagnahmen ließ, s. Strohmaier 1994: 2001. 413 S. Ghada 2012. 414 S. Bergsträsser 1925. 415 S. Dols 1989: 47. 416 S. Bhayro 2005: 154. 417 S. Bhayro 2005: 155ff. 418 S. Strohmaier 2012: 172ff. 419 S. Barsoum 2003: 187ff.
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1.4.2.8 Anonyme Schriften Neben den zahlreichen nicht edierten Handschriften, die medizinische Texte enthalten, sind außerdem eine anonyme syrische Übersetzung der hippokratischen Aphorismen sowie ein Medizinbuch, welches in der Bibliothek von H.oms. aufbewahrt wurde, zu nennen.⁴²⁰
1.4.2.9 Die kunnåšē¸ – medizinische Sammelbücher Die kunnåšē¸, medizinische Sammelschriften, waren als Gattung so beliebt und weit¯ Die verbreitet, dass man die Bezeichnung auch im Arabischen übernahm (> kunnaš). meisten von ihnen sind leider verloren. In Literaturgeschichten werden Bischof Gregorius (8. Jh.) und Theodosius der Patriarch mit ihren medizinischen Sammelbüchern ¯ ı sind wir mit dem Namen Išl¯ımūn, der mit einem mediziangeführt.⁴²¹ Über ar-Raz¯ ¯ zitiert wird, vertraut.⁴²² Er erwähnt außerdem einen nischen Kompendium (kunnaš) ¯ al-Hūz, ein in Huzestan kompiliertes ¯ Kompilator namens Harūn,⁴²³ sowie das kunnaš ˘ ˘ medizinisches Handbuch, mehrere Werke (über Ursachen des Fiebers, Hundswut und ¯ Urhåyå bzw. Ayyub ¯ ar-Ruhaw¯ ¯ ı, welcher nach 832 gestorben sein muss, Urin) des Ayyob ¯ ¯ at) ¯ Fassung von Yoh.annan ¯ und ein Handbuch in größerer und kleinerer (12/7 maqal ¯ on ¯ (um 873).⁴²⁴ Dieser Autor wird auch bei Ibn an-Nad¯ım zitiert, nach ihm bar Sera¯ py al-Qift.¯ı und Ibn Ab¯ı Us.ayb¯ı a. Seine kunnåšē¸ sind in arabischer, hebräischer und lateinischer Übersetzung erhalten und weisen sogar Parallelen zum SBM auf, ohne dass es sich hier um die gleiche Schrift handelt.⁴²⁵
420 Darüber informiert uns Barsoum 2003: 187ff. in seiner zwar umfangreichen, durch Quellen aber wenig belegten Darstellung nicht weiter. 421 S. Barsoum 2003: 187ff. ¯ ı zitierten Quellen mit Edition und Über422 Eine sehr nützliche Zusammenstellung aller bei ar-Raz¯ setzung der entsprechenden Passagen ist kürzlich erschienen, s. Kahl 2015. 423 „Moreover, the memory of the most famous of these treatises has been perpetuated by numerous quotations in the Continens of Rhazes; it is the Pandectae Medicinae by Ahrôn (Aaron), a Christian priest and archiater of Alexandria in the first half of the VIIth century A. D., a treatise in thirty books, which was early translated from Syriac into Arabic.“ (Meyerhof 1930: 55) Ein syrischer Arzt namens ¯ gawayh aus Basra soll die sog. Pandekten des Ahrūn aus dem Syrischen ins Arabische um 684 Masarˇ übersetzt haben, s. GAS III: 166f., 206f., 224f., Steinschneider 1899. ¯ ı f¯ı .tibb li-a. Bakr Muh.ammad b. Zakar¯ıya ¯ ar-Raz¯ ¯ ı, Bd. Iff., Haidarab ¯ ad ¯ 1374/1955ff., 424 S. K. al-H . aw¯ s. Ullmann 1970: 100ff. 425 Eine davon ist die „Erzählung vom Weingärtner“, s. SBM: 27, s. Ullmann 1971: 291. Eine Probe des arabischen Textes mit Überlegungen zur Überlieferungsgeschichte und Parallelstellen bei anderen arabischen Autoren gibt Ullmann 1971: 279. Er kann ihn nicht vor der zweiten Hälfte des 9. Jh. geschrieben haben, im Syrischen sind keinerlei Quellen belegt, die ihn auch nur erwähnen.
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1.5 Die Quellen: syrische Astrologie und Astraldivination Bevor wir zu den syrischen Quellen kommen, scheint es angemessen, die ideengeschichtlichen Hintergründe und Problematiken, denen die Astrologie und Divination in christlich-islamischem Umfeld ausgesetzt war, aufzuzeigen.⁴²⁶
1.5.1 Christliche Astrologie – ein Widerspruch? Als Träger eines alternativen Konzepts zur Heils- und Determinationslehre konkurrierte die Astrologie mit der sich institutionalisierenden Kirche. Die These, dass antiastrologische Schriften erstmals im römischen Reich infolge der Einführung des Christentums als Staatsreligion entstanden seien,⁴²⁷ ist kaum haltbar. Bereits von vorkonstantinischen Autoren ist der ideelle, philosophische Konflikt der beiden Konzepte thematisiert, so bei Clemens von Alexandrien (150–215).⁴²⁸ Von anderen Autoren wurde die Astrologie in Verbindung mit der Gnosis einer häretischen Lehre gleichgesetzt.⁴²⁹ Tatian führt in seiner um 180 entstandenen Oratio ad Graecos (8–12) die Astrologie auf dämonischen Ursprung zurück.⁴³⁰ Über die Anklagepunkte der angeblich astrologiefreundlichen häretischen Sekten berichten allein die polemischen Schriften. Epiphanius (315–403) unterstellt den Phibioniten, dass sie die Monomoiriai, einzelne Grade zwischen den Tierkreiszeichen, als Götter verehren würden. Die Markioniten hätten sich ihrer bedient, sie neben Dekanen und Planeten mit Zahlen versehen und numerologische Spekulationen angestellt.⁴³¹ Oft findet eine Gleichsetzung der Astrologie mit Magiern, Hellseherei und Beschwörung statt, um die Invektive zu schärfen.⁴³² Diese Argumentation wurde auch in der syrischen Polemik übernommen. Bei den westlichen Autoren sind es Origenes und Gregor von Nazianz, die die Astrologie mit der Seherei in Verbindung bringen, Clemens von Alexandrien führt alle heidnischen Praktiken der Wahrsagerei auf die Unterweisungen gefallener Engel zurück. Ähnliche Argumente finden sich bei Tertullian und Lactantius.⁴³³
426 Die jüdische Polemik wird hier im Einzelnen nicht aufgegriffen. Es sei hier auf die Literatur in Kapitel 1.2 verwiesen. 427 S. Barton 1994: 64ff. 428 Casey 1934: 88f. Man könnte soweit gehen, sie als eigene Theologie darzustellen oder prägnanter als „the most important and widespread Hellenistic system of piety“ (Martin 1991: 59). Zur Selbststilisierung der antiken Astrologen s. Hegedus 2007: 16f. 429 Zur Definition der Gnosis s. Markschies 2010. 430 S. Barton 1994: 72. 431 S. Eusebius (Πανάριον 26,9), darüber berichten auch Irenaeus und Hippolytus, s. Barton 1994: 73f. 432 Dabei war die Astrologie keineswegs zwangsläufig mit diesen Praktiken verbunden; z. B. grenzt sich das Tetrabiblos von derlei Machwerk ab, s. Hegedus 2007: 141. 433 Mit Stellenangaben bei Hegedus 2007: 141, Denzey 1998.
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Auch in Konzilsakten werden die Divination, Magie und Astrologie als Teufelswerk verdammt. Im 36. Kanon des Konzils von Laodicea (325–381) wird gefordert, dass das Priesteramt nicht mit Magiern, Beschwörern, Astrologen und Amulettschreibern besetzt werden dürfe.⁴³⁴ Allerdings waren es nicht nur die kirchlichen Vertreter, sondern z. T. auch die politischen Machthaber, die stark gegen die astrologische Praxis vorgingen, wie der Codex Theodosianus zeigt, eine spätantike Gesetzessammlung, die 438 fertiggestellt wurde.⁴³⁵ Nachdem 572 beim Konzil von Braga ein Anathema über die Astrologie ausgesprochen wurde, und sich schließlich Justinian gegen alles Heidnische gewandt hatte, schien die Kirche vorerst gegen die Astrologie gewonnen zu haben. Isidor von Sevilla (560–636) unterschied erstmals zwischen natürlicher und abergläubischer „Astrologie“ (astrologia naturalis und astrologia superstitiosa). In seinen Etymologiae wird die natürliche Astrologie als die reine Beobachtung sowie daraus abgeleitete Kalenderrechnung bezeichnet, mit abergläubischer die Weissagung aus den Sternen.⁴³⁶ Stephanus, der „Philosoph aus Persien“, behauptete von sich, die Astrologie in Konstantinopel Ende des 8. Jh. wieder eingeführt zu haben, während sie im Westen zu verschwinden begann. „In the West, the Church’s stranglehold on learning probably proved more effective. However, in the East, it appears that astrologers only lowered their profile. Incidents from a number of saints’ Lives and some of the material in collections of questions and answers about the Christian faith suggest that astrology continued to flourish at the local level. The local astrologer competed with the local holy man and the local doctor. […] Naturally, in the Life, the saint triumphs, but in the real world it was harder for the Church to vanquish astrology.“⁴³⁷
Eine Untersuchung Dagrons (1981) blickt aus der literarischen Perspektive auf die Rollenverteilung der Akteure, welche die konkurrierenden Ideen verkörpern. Der Astrologe tritt ebenso wie der Arzt in einen Wettbewerb mit den Heiligen, was sich im literarischen Genre der Hagiographie niederschlägt. Wunderwerke verlieren ihre Zauberkraft, da die Physis und die Sphäre dämonischer Einwirkungen alternative Erklärungen bieten. Spezifischer wird auf das Genre der Erôtapokríseis (‚Fragen und Antworten‘) eingegangen, z. B. die des Anastasius Sinaites (ca. 625–700), der die Frage behandelt, warum Gott bei den Gläubigen mehr Krankheit und Leid zulasse als bei den „Ungläubigen“ bzw. Nichtchristen. Eine mögliche Erklärung sei demnach die 434 „They who are of the priesthood, or of clergy, shall not be magicians (magos), enchanters (incantores), mathematicians, or astrologers; nor shall they make what are called amulets, which are chains for their own souls. And those who wear such, we command to be cast out of church.“ (Trzcionka 2007: 123), s. a. Vakaloudi 2000: 270/279. 435 S. Hegedus 2007: 14. 436 S. Reichel 1991: 17, s. Daxelmüller 1993: 128. 437 Barton 1994: 79f. Hier ist sicherlich auf die Canones des Jakob von Edessa angespielt, auf die wir später noch näher eingehen werden.
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gottgewollte Prüfung, die sich hinter Krankheit und Leid verbirgt; eine trefflichere Begründung biete allerdings die Lokalisierung innerhalb einer Rasse und Klimazone.⁴³⁸ Das Theodizeeproblem wird hier mit einer astrologischen Lehre gelöst! Was das Wunder der Prophetie betrifft, so findet es sein heidnisches, verdammungswürdiges Spiegelbild in der Vorhersehung. Bei Pseudo-Chrysostomus, Georg dem Mönch und in der Suda, dem umfangreichsten byzantinischen Lexikon aus dem 10. Jh., wird einstimmig diejenige Prophetie als diabolisch ausgewiesen, die heidnischer Mantik angehört – außer der Traumdeutung.⁴³⁹ Die astrologische Vorhersage zur Wiederauffindung verlorener oder gestohlener Gegenstände und zur Entlarvung des Diebes spielt eine zentrale Rolle in der byzantinischen Astrologie und wird deshalb auch von Autoritäten wie Johannes Chrysostomus verurteilt, auch weil es Fälle falscher Täterbezichtigung gegeben habe.⁴⁴⁰ Dagron entlarvt die Fähigkeit, verlorene und gestohlene Objekte oder entlaufene Sklaven aufzuspüren, die den Heiligen zu eigen ist, als Handwerk von Astrologen. Eine kontrastive Lektüre von Heiligenviten neben den technischen Anweisungen im CCAG (z. B. I: 104–106) belegen nach ihm die Austauschbarkeit.⁴⁴¹ Allerdings ist es keineswegs so, dass die christlichen Autoren die Astrologie einstimmig ablehnten.⁴⁴² Im Gegenteil lässt sich von einer Mischform sprechen, einer Astrologie, die christliche Motive aufnahm. Ein besonders geeigneter Nährboden hierfür war natürlich der Volksglauben.⁴⁴³ Allerdings erschwert dieses Absinken auf ein „local level“ die Festlegung des Genres auf eine bestimmte Epoche. Ein frühes Beispiel dieser Vermengung ist bei Clemens von Alexandrien in dessen Beschreibung der valentinianischen Irrlehre (Excerpta ex Theodoto 25: 58) bezeugt. Demnach sei die Geburt durch die Tierkreiszeichen bestimmt, die Wiedergeburt aber nach den Aposteln. Eine Gleichsetzung der 12 Tierkreiszeichen mit den Aposteln wurde später auf die alttestamentlichen Patriarchen ausgedehnt.⁴⁴⁴ Zwei der bedeutendsten christlichen Vertreter der Astrologie sind Theophilos von Edessa (s. u.) und ¯ H.anūn b. Amr b. Yuh.anna¯ b. as.-S.alt, der das iatromathematische Werk Abū Zakar¯ıya ¯ al-ih.tiˇgaˇ ¯ g f¯ı s.ih.h.at an-nuˇgūm wa-l-ah.kam ¯ f¯ıha¯ verfasste.⁴⁴⁵ Ihre AufgeschlossenKitab heit muss allerdings im Kontext der abbasidischen Astrologieblüte gesehen werden.
438 Es handelt sich um die 94. Frage, s. Dagron 1981: 144f. 439 S. Dagron 1981: 147f. 440 S. Migne 1862: 413. Die Anweisungen selbst finden sich im CCAG 1: 95–99, IV: 88–91. 441 Als Beispiel zitiert Dagron hier Miracles de saint Théodore, „4 et 11, Acta SS. [= Acta Sanctorum] Nov. IV: 63, 69“. S. Dagron 1981:151. 442 S. Denzey 1998: 208f. 443 Interessant sind die Interferenzen von religiösen Texten und magischen, divinatorischen oder astrologischen Praktiken, vgl. hier die interessante Studie von Salzer 2010. 444 S. Hübner 1983: 37. 445 S. Ullmann 1972: 277, Troupeau 1969: 90. Die Schrift ist inzwischen ediert und kommentiert von Klein-Franke 1984.
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1.5.2 Arabische Astrologie und Astraldivination Die frühislamischen Schriftsteller⁴⁴⁶ zeigen sich alles andere als der Astrologie abgeneigt, in weiterem Ausmaß gilt dies für den Abbasidenhof.⁴⁴⁷ Es reicht völlig aus, die vielzitierte Gründung der Stadt Bagdad nach einem astrologisch berechneten Termin exemplarisch anzuführen.⁴⁴⁸ Eines der Hauptwerke arabischer Astrologie ist das Liber introductorii maioris ad scientiam judiciorum astrorum von Abū Mašar al-Balh¯ı.⁴⁴⁹ Andere bekannte Auto˘ ¯ aall ¯ ¯ oder Umar at.-T.abar¯ı. Weit verbreitet war das sog. Karpós oder ren sind Maš ah Centiloquium, eine Sammlung von hundert Aphorismen, die Ptolemaios zugeschrieben wurden, aber nicht von ihm stammen können, da erst später entwickelte arabisch-astrologische Methoden darin auftauchen.⁴⁵⁰ In der arabischen Laienastrologie sind v. a. die unter dem Namen Alexander (bzw. in latinisierter Form aus einer semitischen Sprache übernommenem Alchandreius oder noch weiter deformiertem Arkandam oder Carcandreo) überlieferten Traktate zu erwähnen.⁴⁵¹ Ullmann nennt in seiner literaturgeschichtlichen Abhandlung Die Natur- und Geheimwissenschaften im Islam als literarische Grundlage der Laienastrologie „die Lunarien, die Mondwahr¯ sagebücher, die Danielapokalypsen, das K. T.ulū aš-šira¯ al-yamaniyya des Hermes oder den Kalender des Ps. Wahb b. Munabbih, […] die Kalendarien aus der Genizah, die Gottheil veröffentlicht hat.“⁴⁵²
446 S. Morrison 2009. 447 S. Saliba 1994: 66ff. Diese Entwicklung ist ganz parallel mit dem Ideal des dem Humanismus verpflichteten Herrschers zu sehen, vgl. dazu Bauer 1989 oder, wie Lemay 1999: 181 es noch untermauert: „La science des cieux dans l’expression savante arabe médiévale fut un amalgame des traditions similaires pratiquées au Moyen Orient (Égypte, Perse, Inde) durant les siècles antérieurs. Étant donné l’orientation propre suivie par ces traditions parallèles à celle de la Grèce classique, c’est le fait indiscuté des influences célestes sur l’évolution du cosmos et sur la destinée humaine qui finit par occuper le secteur central dans la structure de la science des cieux acceptée dans la civilisation médiévale au Moyen Orient.“ 448 Hierzu und als allgemeine Einleitung s. Kennedy 1998, King 1986, 1993. 449 Edition bei Lemay 1995. 450 Dieses Werk wurde auch maßgeblich für Medizinstudenten, soweit, dass es an der medizinischen Fakultät in Bologna des 16. Jh. als Pflichtlektüre galt, s. Rutkin 2006: 546, Lemay 1978. 451 S. Cumont 1916: 17, Juste 2007. 452 Ullmann 1972: 274. Zu Pseudo Wahb b. Munabbih, der 732 gestorben sein soll, s. Brockelmann 1909: 101, GAS I: 305ff. Seine Schrift ist in der Handschrift Ambrosiana 444, 10 (RSO 8, 1919–20: 303) enthalten. Bei den Texten von Gottheil 1927, 1929 handelt es sich um Geburtshoroskope für jeweils drei Abschnitte eines Tierkreiszeichens, um Physiognomik, Charakter, Beruf und Schicksal des unter einem bestimmten Tierkreiszeichen Geborenen. Die Handschrift des Hermesbuches (Vollers 0831), welches dem SBM sehr ähnliche Lunarien enthält, die Vorhersagen zur Unternehmung von Reisen treffen, Informationen zu den Planeten und Klimazonenlehre angeben, besonders mithilfe des Sirius, ist mit dem kompletten Handschriftenbestand weiterer ¯ ıya-Projekt der Leip10 Handschriften (verschiedener Orte wie Berlin, Alexandria etc.) im „Rifa¯
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¯ Das Werk des schiitischen Gelehrten Ibn T.awūs Faraˇg al-mahmūm ist eine Geschichte der Astrologie. Er setzt einen hohen Stellenwert für die Astrologie an, ähnlich der lateinischen Erzählung Albumasar in Sadan, eine Sammlung wissenschaftlicher Gespräche am Hofe des Kalifen im 9. Jh. Auch wenn das Einkommen eines Hofastrologen und eines „modest street diviners“ sehr unterschiedlich bemessen war, sei doch das Prestige entsprechend gewesen. Zumindest lässt sich daraus schließen, dass die Astrologie und Divination in allen Gesellschaftsschichten vertreten war.⁴⁵³ Dabei wurde in praktisch allen Lebensbereichen prophezeit: „in the streets, in shops, in the company of armies, on ships, at deathbeads, and in official positions at court. Administrative manuals specify the duties of such astrologers, especially the court astrologer.“⁴⁵⁴ Besonders gilt dies für schiitische Kreise, Bagdad und Córdoba des 9. und Samarkand des 15. Jh.⁴⁵⁵ Klein-Franke sieht den Arzt in abbasidischer Zeit z. T. vom Handwerk des Astrologen abhängig, bringt aber nur einen Textbeleg. So stellt sich die gewöhnliche Reihenfolge bei der Behandlung eines Patienten folgendermaßen ¯ dar: der Patient sucht den Astrologen (ar. h.asib) auf, der ihm eine Prognose erstellt, dann erst wird der Arzt konsultiert, der sich womöglich der Vorhersage des Astrologen unterwerfen muss. So schildert b. Ab¯ı Us.aybia die Situation von I¯sa¯ b. H.akam ¯ ad-Dimašq¯ı, der zur Zeit des Harūn ar-Raš¯ıd lebte.⁴⁵⁶ Später aber wendete sich das Blatt, auch wenn die Astrologie noch weiter Verwendung fand. So war ihre große Blüte vorrüber, und einflussreiche Autoren wetterten ¯ . , al-Ašar¯ı, b. Hazm al-Andalūs¯ı, al-Farab¯ ¯ ı (gest. 950), Ibn gegen sie, darunter al-Gˇ ahiz ˙ ¯ ı (gest. 1111) und Ibn Rušd (gest. 1198).⁴⁵⁷ Unter den christS¯ına¯ (gest. 1037), al-Gazz al¯ lichen Autoren bildete sich ein eigener Zweig der sog. refutationes-Literatur heraus, den Khalil mit dem 11. Jh. ansetzt, vertreten durch Elias von Nisibis,⁴⁵⁸ den antioche¯ ı ¯ b. al-Fad.l (gest. 1052) mit seinem Werk K. al-Maan¯ nischen Diakon (Melkit) Abdallah ˇ ır at-Takr¯ıt¯ı (gest. 1080) und den koptischen ¯ n-nafia li-n-nafs, den Iraker Yah.ya¯ b. Gar¯ ¯ der im 13. Jh. lebte.⁴⁵⁹ Ebenso der Bischof von Naˇgran, ¯ Apologeten as.-S.af¯ı b. al-Assal,
ziger Universität digitalisiert. Es ist eine zweite Überschrift über den Schriftspiegel als Rand¯ ıt (!), s. www.refaiya.uni-leipzig.de/receive/RefaiyaBook_islamhs_ note vermerkt malh.amat al-h.awad¯ ¯ 00003170;jsessionid=2FF65E573B00377CB8E8DBBE7423A736?lang=ar, 3.2.2013. 453 S. Boudet 2005: 63. 454 Saliba 1994: 70. ¯ 455 Nach einer katarchenastrologischen Prophezeiung wurde hier 1399 die B¯ıb¯ı Hanum Moschee er˘ richtet, s. Boudet 2005: 63. 456 S. Klein-Franke 1975: 168. Außerdem erkläre dieser Umstand Werktitel wie „Dass der Arzt Astronomie wissen muß“ von Yuh.anna¯ b. Baht¯ıšū (Ibn Ab¯ı Us.aybia (I 202–204)), s. Ullmann 1970: 255, ˘ ¯ oder die Schrift zur Astralmedizin von Ibn as.-S.alt al-Katib, s. GAS III: 269f., Klein-Franke 1975: 168, vgl. auch Saliba 1922. 457 S. Khalil 1977: 410. 458 Es handelt sich um zwei Texte, der eine ist ediert durch Khalil, der andere teilediert von Sbath 1934, dieser Text ist betitelt als Korrespondenz mit dem Wesir. 459 S. Khalil 1977: 410f., Sbath 1929: 131–148, Ullmann 1972: 277.
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¯ Quss b. Saida, welcher „die Sternkunde angeblich für Unheil für den Verstand und zweckloses Streben“ hielt.⁴⁶⁰ Ullmann resümiert daher, dass „die Haltung des orientalischen Christentums [eher] ablehnend“ gegenüber der Astrologie war.⁴⁶¹
1.5.3 Syrische Astrologie „Auch bei den Syrern muss die Astrologie eine gewisse Rolle gespielt haben. Darüber ist sehr wenig bekannt und man darf annehmen, daß das Bekenntnis der Syrer zum Christentum die Entfaltung dieser Wissenschaften behindert hat.“⁴⁶²
Seit den islamischen Eroberungen und damit der Verbreitung der arabischen Sprache, ihrer Verdrängung des Griechischen als lingua franca, scheinen auch syrische Astrologen sich vermehrt auf arabische Schriften zu beziehen.⁴⁶³ Allerdings ist die arabische Astrologie, die wir im vorigen Kapitel nur anschneiden konnten, wesentlich besser bekannt als die syrische.⁴⁶⁴ Gleiches gilt für die byzantinische „okkulte“ Literatur, die weitaus besser erforscht ist als die syrische. Von Mavroudi werden inhaltlich zwei Arten dieser Texte unterschieden: „outsider“ und „insider“, wobei zu erster Gruppe Rechts- und literarische Texte gehören, die gegen okkulte Praktiken⁴⁶⁵ polemisieren, zur zweiten Gruppe technische Abhandlungen und Anweisungen zur Magie, Divination und Astrologie. Dieser Aufteilung wollen wir im Ansatz folgen. Um die tatsächliche Bedeutung der Astrologie und Astraldivination im Syrischen einschätzen zu können, sollen unter den dafür in Frage kommenden Texten zunächst die polemischen Quellen, die gerade in ihrer Schärfe indirekt ein eindrückliches Bild liefern, dann die technischen Quellen sowie die literarischen Quellen zusammengestellt werden.⁴⁶⁶ Zunächst sollten die in der syrischen Literatur vorzufindenden Begriffe für verschiedene Bereiche der paranormalen Professionen unterschieden werden, um sie
460 S. Ullmann 1972: 277. 461 Ullmann 1972: 277. 462 Ullmann 1972: 301. 463 „La relativa abbondanza di manoscritti astrologici in karšuni testimonia la diffusione e la popolarità dell’astrologia araba anche tra le comunità christiane siriache“ (Mengozzi 1997: 32). 464 Entwicklungsstufen der arabischen astrologischen Literatur beschreibt Pingree 1990b. Eine enge Verbindung von syrischer zu arabischer astrologischer Tradition nimmt auch Furlani für die von ihm untersuchten Texte an. 465 Unter diesen Phänomenen werden meist Astrologie, Traumdeutung, Wahrsagerei, Zauberei, Statuenkult zusammengefasst und oft mit führende Persönlichkeiten, die dem Kaiser nahestanden in Zusammenhang gebracht, s. Mavroudi 2007: 21. 466 Man muss wohl kaum erwähnen, dass die dort gezeichnete Situation nicht als Abbild der Wirklichkeit verstanden werden darf. In der Forschungsliteratur zur Magie konnte sich beispielsweise lange die sog. Devianzthese halten. Magie wird dort auschließlich als das verstanden, was von außen als Anomalie beschrieben wird, wie z. B. in den Polemiken, s. Otto 2011: 148f.
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von den Astrologen abzugrenzen. Mit den h.aråšē¸ sind Beschwörer gemeint, die sich Zaubersprüchen und Flüchen bedienen und wie in den Akten persischer Märtyrer als Kundige von Ritualen mit Tierblut auftauchen.⁴⁶⁷ Es gehört zu diesem Zweig auch das Anfertigen von Amuletten. Die dazugehörige Kunst ist die ‚Zauberei‘ (h.aråšūtå).⁴⁶⁸ ¯ Mit m¯gūšē¸ sind wohl Sterndeuter gemeint, da es auch das Wort der Pš¯ıt.tå-Übersetzung ist, welches für die ‚Weisen aus dem Morgenlande‘ (μάγοι) gebraucht wird. Der syrische Begriff kaldåyūtå, der dem griechischen Vorbild nachgeahmt sein dürfte ¯ (s. 1.2.2), bezeichnet im engeren Sinne die Astrologie,⁴⁶⁹ im weiteren Sinne Magie, Divi¯ ¯ ¸ ‚Magier‘⁴⁷¹ und mabådē¸ ‚Zauberer‘⁴⁷² sind nation etc.⁴⁷⁰ Qås.omå ‚Beschwörer‘, låh.ošē ¯ weitere Bezeichnungen, die nicht primär die Astrologie bzw. Astraldivination meinen.
1.5.4 Polemische Quellen Zum guten Ton patristischer Literatur gehören dort, wo die Heiden, Barbaren oder Häretiker genannt werden, polemische Kommentare zur Astrologie, die für gewöhnlich den Glauben an ein von den Sternen verursachtes Schicksal thematisieren. Für die griechische und armenische Literatur sind diese Tendenzen bereits herausgestellt worden.⁴⁷³ Einer der bekanntesten griechischen Vertreter aus dem syrischen Raum ist Symeon Stylites.⁴⁷⁴ Bisweilen taucht die Beschuldigung der Astrologie als Argument bei innerkirchlichen Auseinandersetzungen auf, welche den Verdacht der Häresie damit erhärten. Das Thema erscheint auch immer wieder bei den ostsyrischen Schriftstellern wider die innerchristlichen „häretischen“ Strömungen⁴⁷⁵ oder die Zoroastier auf.⁴⁷⁶
467 S. Hoffmann 1880: 15. 468 Auch englischsprachige Missionare wissen vom Gebrauch solcher h.aråšūtå im 19. Jh bei den Ne¯ storianern zu berichten. Das Tragen von Amuletten qm¯ıē¸ ist beschrieben bei Land 1868: 36, Kayser 1886: 131. Die immer noch andauernde Herstellung von Amuletten ist durch Amulett-Sammelbücher belegt, wie sie H. Gollancz 1898 und 1912 ediert hat, vgl. dazu die Studie von Hunter 1990. Einen dezidierten Überblick über den Beginn der Forschung im 18. Jh. und die Überlieferungslage sowie die Zusammenhänge zwischen den Zauberschalentexten und den relativ jungen Amuletten und Handbüchern gibt Lyavdansky 2011. 469 Die erste bei Bar Bahlūl angegebene Bedeutung bezieht sich auf die Verehrung der Gestirne (pulh.ånå da-nh¯ırē¸), s. BBah: 895. ¯ 470 Die Bezeichnung erscheint bereits in den Predigten des Aphrahates als ‚Magie‘, s. Wright 1869: 22, Z. 19. Die ausführenden Subjekte sind die kaldåyē¸. 471 In der Pš¯ıt.tå Ps 58,6 und Eccl 10,11. 472 BBah: 1123. 473 S. de Mendieta 1945, Thomson 1992, Walker 2006: 201. 474 S. Vakaloudi 2000: 269f. 475 So beschuldigt Babai den Adiabener H.enana, den Leiter der Schule von Nisibis, ein Anhänger des Origenes und der chaldäischen Lehre zu sein, s. Walker 2006: 201. 476 Johannes bar Penkaye ist ein Vertreter des 7. Jh., s. Menasce 1938.
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Einen engen Zusammenhang sieht Drijvers in der Behandlung von Magie, Astrologie und Häresie bei einigen syrischen Schriftstellern, da es sich um zum Christentum konkurierende Modelle handelte: „It is also the only correct explanation for the fact that all forms of theology that developed in the Syrian area cherished the doctrine of free will against every pagan or heretical opponent.“⁴⁷⁷ Nach Peterson ist die Verbindung magischer Praktiken mit Häresie nur ein literarischer Topos, Drijvers geht soweit „both accusations“ im syrischen Raum als „organically connected“ zu verstehen.⁴⁷⁸
1.5.4.1 Ephrem (309–373) „Regard not spells and divinations, [which] is communion with Satan,“⁴⁷⁹ ein Zitat, das die Haltung Ephrems prägnant zusammenfasst. Ephrem warnt in seinen Hymnen gegen die Häretiker vor den Büchern der Chaldäer, vor Zauberei und dem Venuskult.⁴⁸⁰ Von den 56 Hymnen handeln Hymnus 1 und 4–10 von der Astrologie. Aber auch in den folgenden Hymnen wird anhand der Nacherzählung von Bibelstellen gegen die traumdeutenden und Magie betreibenden Chaldäer polemisiert.⁴⁸¹ Diese Polemik lässt doch darauf schliessen, dass die Astrologie ein weitverbreiteter Kult im Umfeld Ephrems war. Im 4. Hymnus ist ein ähnliches Argument wie in Bardesanes überliefertem Werk angesprochen: die Unzulänglichkeit der astrologischen Klimalehre, bzw. Mundanastrologie, die für eine bestimmte Region, oder eine bestimmtes Volk ein bestimmtes Schicksal vorhersagt.⁴⁸² Ebenso im 8. Hymnus, wo die variierende Haut- und Haarfarbe innerhalb eines Volkes als Argument gegen die zodiakalen Nativitäten, die eine bestimmte Haut- und Haarfarbe vorhersehen, angeführt werden.⁴⁸³ Im 9. Hymnus schließlich werden im Gleichklang mit Bardesanes die verschiedenen Gewohnheiten und Gesetze der Völker als Argument gegen die Astrologie angeführt.⁴⁸⁴
477 Drijvers 1982: 40. Betont sind die Äußerungen zur Astrologie in der Doctrina Addai, bei Ephrem und Isaak von Antiochien. 478 S. Drijvers 1982: 40, Peterson 1959. 479 Schaff 1898: 334. 480 Dies sind die gleichen Vorwürfe, die gegen die Anhänger Bardesans, Markions und Manis vorgebracht werden, die allesamt als bnay h.ewyå ‚Häretiker‘ (wörtl. ‚Söhne der Schlange‘) gelten, s. Hymnus 1, ed. Beck 1957: 1ff., vgl. V, 19, IX, 8. Edition und Übersetzung Beck 1957a, 1957b, vgl. Drijvers ¯ ¸h 1982: 43. Ein „Buch des Chaldäers“ taucht hier öfter auf, z. B. Hymnus VIII, 2,6 Åw må skal sapre ¯ w-h.elqe¸h d-kaldåyå. Beck 1957a: 31. Insgesamt finden sich vier (!) Belege: 1,14; 5,14; 8,2; 11,12. In den ¯ Hymnen des Isaak von Antiochien wird ebenfalls gegen die Verehrung von Venus, der Magie und den Gebrauch chaldäischer Bücher polemisiert, s. Drijvers 1982: 40, Klugkist 1974. 481 S. Beck 1957b: 40ff. 482 S. Beck 1957a: 16, id. 1957b: 17f. 483 S. Beck 1957a: 32, id. 1957b: 34. 484 S. Beck 1957a: 34ff., id. 1957b: 35ff.
1.5 Die Quellen: syrische Astrologie und Astraldivination
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Eines der Argumente Ephrems gegen das Horoskopieren ist die Unsicherheit darüber, ob das Horoskop zur Zeit der Empfängnis oder zur Zeit der Geburt erstellt werden müsse (Hymnus 6). Ein Hauptargument gegen den durch die Astrologie proklamierten Schicksalsglauben ist die Willensfreiheit des Menschen, die sich auch in den Gesetzen wiederspiegelt: eine Bestrafung von Fehltritten wäre ohne die Willensfreiheit nicht möglich.⁴⁸⁵ Ephrem karikiert die Unglaubwürdigkeit der Astrologen ad ultimo, indem er eine pervertierte astrologische Beratung bei einem „Chaldäer“ fingiert. Im 5. Hymnus heißt es: 13. en nåš kē.t gåar an tt¯t å d-kaldåyå / ¯ ¯ k¯ıså msareq le¸h w-bayte¸h mh.allas. le¸h / ¯ ¯ ¯ kåpē¸ l-påtore¸h w-åšed l-aggåne¸h / ¯ ¯ ¯ ¸ h w-an tt¯t e¸h / en hū d-tåba napše ¯ ¯ 14. bat.le¸h l-bē¸t yaldå d-mallep¯ da-mnē¸h hū / ¯ ¯ ¯ ¯ en ptah. d-neqrē¸ låk pessē¸ w-bē¸t yaldē¸ / ¯ åt¯ın ar¯ıs.tåtå b-šegmå bl¯ılåit ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ sbok be¸h b-håw sapre¸h basbes wa-sdeqåyhy / ¯ ahel w-bazzah. be¸h tann¯ı lē¸h men yulpåne¸h d-hådē¸ att¯ıdå hwat d-te¯gdšåk / ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ w-en hū d-tåb låk tb åyhy d-al månå / ¯ ¯ ¯ ¯ tåba d-lå neh.sar w-mat. ē¸ d-nettgar⁴⁸⁶ ¯ ¯ „13. Wenn also jemand Ehebruch treibt mit dem Weib eines Chaldäers, – seinen Beutel leert und sein Haus plündert,⁴⁸⁷ – dieser (dann) rächen will, sich selber und sein Weib, – so erklärt er (damit) für hinfällig das Horoskop; denn er lehrt doch, dass von ihm – die Zufälle (des Lebens) kommen, blindlings, ohne Ordnung. 14. Wenn er (das Buch) aufschlägt, um dir vorzulesen, Lose und Horoskope, dann stürz dich auf dieses sein Buch, zerreiss es in Fetzen! Spotte und verhöhne ihn! Zitiere ihm aus seiner Lehre! ‚Dies war vorherbestimmt, über dich zu kommen.‘ Und wenn er von dir (Schadenersatz) fordert, dann frag ihn, warum er fordere, um keinen Schaden zu erleiden und in die Irre führe, um Gewinn zu machen.“⁴⁸⁸
Auch wenn wir davon ausgehen können, dass es sich hier um eine fiktive Situation handelt, ist es dennoch beachtlich, wie die Befragung des Astrologen beschrieben wird: dieser liest aus einem Buch, das Lose und Horoskope enthält. Weiter heißt es dazu im ersten Hymnus: ¯ på ¯ d-haddåmē¸ wa-nh.åšå d-eddånē¸ / rpå ¯ ¯ ¯ spar ¯ ramē¸ h.rē¸nå spar ¯ råzå / saprå ¯ .tulqē¸ mtaqqan lqublē¸h d-malwåšē¸ / spar ¯ wa-h.lap¯ enyånåh d-ed ttå / hy d-qadd¯ıšē¸ / ¯ neqyå d-metgawrrå b-sepraw ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ hå målt.ın hånon b-seprē¸ d-h.ūsrånå ¯
485 486 487 488
Dazu besonders Hymnus 5, s. Beck 1957a: 18ff. Beck 1957a: 21. Hat Beck hier einen Halbvers vergessen? Es fehlt: die Tische umstößt und die Kannen verschüttet. Beck 1957b: 22.
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„Das Zucken der Glieder, das Wahrsagen (günstiger) Zeiten, – die Bücher, das Buch der Donner, ein andres, das Buch der Geheimnisse, – das Buch der (Geister)scharen …⁴⁸⁹ – und statt der Beschäftigung der Kirche – des wiederkäuenden Schafes, mit den Schriften des Heiligen, studieren diese die Schriften des Verderbens.“⁴⁹⁰
Des weiteren schreibt er auch Traum(deuterei) (h.elmå) und Zauberei (qes.må) den Heiden zu.⁴⁹¹ Nicht nur die Astrologen, die „Chaldäer“, sind Ephrem ein Dorn im Auge, auch die Kleriker, die Magier aufsuchen – und daher für 30 Tage exkommuniziert werden müssten.⁴⁹² Die Kleriker, die sich selbst der Giftmischerei, Magie, Divination, Beschwörung und Amulettanfertigungen widmeten, galt die sofortige Enthebung ihres Amtes.⁴⁹³
1.5.4.2 Doctrina Addai (4./5. Jh.) Die Doctrina Addai, Apologie des Christentums per se geht in das 4./5. Jh. zurück und dient zugleich als Gründungsurkunde der Orthodoxie in Edessa.⁴⁹⁴ Dezidiert grenzt ¯ Mabbog (Hierapolis) sich die Schrift vom Polytheismus ab, der vermeintlich in H.arran, und anderen Städten herrscht,⁴⁹⁵ und nennt auch die Divination und Horoskopie als eine chaldäische Irrlehre: „and be ye indeed far removed from false swearing, and from wicked murder, and from false testimony, which is mixed with adultery, and for sorcerers with respect to whom there is no mercy, and from divinations, and soothsaying, and necromancers, and from fates, and horoscopes, in which the erring Chaldeens boast themselves; and from stars and the signs of the Zodiac, in which the foolish are confident!“⁴⁹⁶
489 Ergänze: angeordnet nach Tierkreiszeichen 490 Beck 1957b: 5. Gemeint sind die Häretiker (bnay h.ewyå). Er verweist darauf, dass das Buch der Geisterscharen im Julianroman erwähnt ist, s. Nöldeke 1874: 664; es soll nach Isaak von Antiochien ein Buch zur Dämonenaustreibung gewesen sein, s. Beck 1957b: 5. 491 S. Hymnus 5,19, Beck 1957a: 2, Beck 1957b: 23. 492 S. Pitra 1858: 458, besonders die Predigt gegen Priester und Diakone, die Magie u. a. Praktiken betreiben, s. Ephrem des Syrers Sermones III, logos B, 619–628. zitiert nach Vakaloudi 2000: 271/279, auch der Talmud verbietet das Befragen von Chaldäern (B. Pes. 113b), s. Ilan 2010: 132. 493 Vakaloudi 2000: 271. 494 S. Drijvers 1980: 33f. 495 „For I saw in this city that it abounded greatly in paganism, which is against God. Who is this Nebo, an idol made which ye worship, and Bel, which ye honour? Behold there are those among you who adore Bath Nikkal, as the inhabitants of Harran, your neighbours, and Taratha, as the people of Mabbug, and the eagle as the Arabians, also the sun and the moon, as the rest of the inhabitants of Harran, who are as yourselves. Be ye not led away captive by the rays of the luminaries and the bright star; for every one who worships creatures is cursed before God.“ (Phillips 1876: 24). 496 Phillips 1876: 33f., Drijvers 1982: 40.
1.5 Die Quellen: syrische Astrologie und Astraldivination
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1.5.4.3 Sitzungsbericht der Räubersynode von 449 Das Beispiel des Sophronius, des nestorianischen Bischofs von Constantia (heute Viranşehir), zeigt, wie die unorthodoxen Künste der Magie, Astrologie und Divination in polemischer Übertreibung verallgemeinert werden. Sophronius wurde bei der zweiten Sitzung der Räubersynode, des Latrociniums von Ephesus 449, der Magie, der Wahrsagerei und der Astrologie bezichtigt. Der Sitzungsbericht war ursprünglich griechisch verfasst, ging aber verloren und ist nur noch in syrischer Übersetzung erhalten.⁴⁹⁷ „He has been participating […] in the forbidden Calculations (of Astrology), and in the motion and aberration of the Stars, and in Divination (μαντική) and in the vaticinate Art of the Pagans“⁴⁹⁸ ¯ (påtūrå d-šē¸dē¸ d-mannåyūtå masl¯ıtå wa-d-zawå d-kawkbē¸ wa-d-t.ayūtå wa-d-qås.omūt å w-da¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ mqaddmūt melltå d-h.anpūtå).⁴⁹⁹ ¯ ¯ ¯ ¯
Der eigentliche Grund der Anklage war sicherlich das Bekenntnis zum Nestorianismus: „Not being satisfied with the miserable Doctrine of Nestorius which he learnt ¯ he has in addition thrown himself into all these miserable ocfrom his relative H¯ıba, cupations.“⁵⁰⁰ Nach der Aufzählung einiger magisch-divinatorischer Methoden, die er praktiziert haben soll, heißt es dann: ¯ w-hålē¸n da-ktabw ennon ¯ bmet..tol ktåbawhy dē¸n hålē¸n d-ast.rolog¯ yå mnå wålē¸ l-mē. mar ¯ıtayhon ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ē¸ mårå hūpodyåqonå ¯ Tellå nåšå kåtob w-Hades w-Ast.art.on¯ıqē¸ mšammšånyåtå d-ed ttå. w-Pet.ros ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ da-md¯ın ttå. håw d-åp¯ awd¯ı da-qrå ennon ¯ arkyat.ros ¯ ¯ ¯ „Was soll man aber über jene Bücher der Astrologen sagen! Auch die sie geschrieben haben, be¯ as; ¯ die Diakonissen der Kirche: Aidesia finden sich in Tella, die Schreibersleute Hypodiakon Mar und Stratonikē, und der Hauptarzt der Stadt Petros, der sogar eingeräumt hat, daß er sie gelesen habe.“⁵⁰¹
497 S. Hoffmann 1873. Neudruck mit Edition des syrischen Textes bei Flemming 1917. Die Handschrift selbst liegt im British Museum, cod. Syr. 905 (Add. 14. 530), fol 54r–57r, und ist beschrieben bei Wright (1870–2) II: 1027–1030. 498 Honigmann 1944: 282, vgl. auch Peterson 1982. 499 „Dämonentisch, verwerfliche Rechenkunst von der Bewegung und Irrung der Gestirne, Wahrsagerei und heidnische Vorhersagerei“ (Flemming 1917: 80f.). 500 Honigmann 1944: 282. 501 Flemming 1917: 82f. Vgl. die Übersetzung von Honigmann 1944: 283: „Now, what about these Astrological (ἀστρολόγος) writings of his (Sophronius)? There are those, too, who wrote them; the very scribes, who copied them, are at Tella¯ (fol. 56r); there is Maras, the Sub-Deacon (ὑποδιάκονος) and there are Aedesia and Stratonice, Diaconess of the Church; there is Pieter, the Chief Physician (ἀρχατρός) of the City; lastly, there is Uranius, Deacon of the same, who confessed to have read them when he went to the Episcopal Palace (ἐπισκοπεῖον) for the purpose of getting a ticket of Alms […] signed, and there saw the good Bishop carrying and inspecting the brass-sphere (σφαῖρα) destined for his criminal incantations (divination).“ Interessant ist auch die Einschätzung, die Honigmann 1944: 284 später gibt: „From its [the indictments] wording it appears that the accusers, members of the
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Allerdings bezweifelt Honigmann, dass überhaupt eine solche Sitzung stattgefunden habe, da Sophronius zwei Jahre später immer noch den Bischofssitz von Constantia innehatte; außerdem wird er in den Protokollen des chalkedonensischen Konzils nicht erwähnt.⁵⁰²
1.5.4.4 Thomas von Edessa (6. Jh.) Wenig ist über ihn bekannt, außer dass er Ostsyrer war und im 6. Jh. Schüler des Katholikos Mår Abba I. (gest. 552).⁵⁰³ Seine Schriften über die Epiphanie und Geburt Jesu gehören dem ostsyrischen elltå-Genre an, das dem Usprung ostsyrischer Feiertage auf ¯ den Grund geht. Daneben wird ihm u. a. von Abdišo eine Polemik gegen die Astrologie zugeschrieben, die allerdings nicht erhalten ist.⁵⁰⁴
1.5.4.5 Jakob von Edessa (630–708) Jakob von Edessa war Schüler von Severus Sebokht und wurde später monophysitischer Bischof von Edessa. Er ist bekannt für seine Grammatik, welche die erste systematische Grammatik des Syrischen dartellt, in der er neben 7 neuen Vokalzeichen 63 Diakritika und Akzentmarker einführte, außerdem für seine Pš¯ıt.ta-Revision.⁵⁰⁵ In mehreren seiner Werke⁵⁰⁶ sind astrologische Lehren enthalten. Sein Hexaemeron, eine von der griechischen Theologie inspirierte Predigt über die Schöpfung in 6 Tagen, versucht den bekannten Stand griechischer Wissenschaften seiner Zeit zu berücksichtigen und zu integrieren.⁵⁰⁷ Jakob beschreibt den Sternenkult der Chaldäer als mit einem wahren Kern versehen.⁵⁰⁸ Der Geist (rūh.å) ist bei ihm der Schöpfer der 7 Planeten, der „die Zodiakalzeichen als ihre Häuser und Grenzen für ihre Herrschaft
clergy in a remote provincial city of the East, also believed in sorcery and demons. […] Sophronius was accused of the transgression long after its alleged perpetration, which must have occured before the end of A.D. 448.“ 502 S. Honigmann 1944: 284. Dort nennt er auch Quellen zu dessen Leben. 503 Becker bringt ihn in Verbindung mit der Schule von Nisibis. 504 Zu Editionen und weiterführender Literatur s. Becker 2011b: 416. 505 S. Beeston 1993: 469. 506 Einen Überblick über Editionen seiner Werke mit zahlreichen Literaturverweisen bietet die hilfreiche Bibliographie von Kruisheer/van Rompay 1998. 507 Jakob verstarb 708 vor der Vollendung des Werkes, so dass sein Freund Georg, der Araberbischof, sich dieser Aufgabe annahm. Die Schrift ist in sieben Teile untergliedert und als Lehrgespräch zwischen dem Autor und seinem Schüler Konstantin gestaltet, s. Ryssel 1891: 130–138. Ediert ist das Hexaemeron bei Chabot 1928, ins Lateinische übersetzt von Vaschalde 1953. Bedauerlicherweise nicht zugänglich geworden ist mir Greatrex 2000. 508 Solange die Vorherbestimmung durch Gottes Willen nicht hinterfragt wurde und die Astrologie nur gebraucht wurde, um sich dessen zu vergewissern, stellte es auch in der christlichen Theologie des 7. Jahrhunderts keinen Widerspruch dar, als Gläubiger Astrologie zu betreiben, s. Morrison 2009: 56, Cook 1981: 147f.
1.5 Die Quellen: syrische Astrologie und Astraldivination
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und Bereiche für ihren Umlauf“ gesetzt habe, sie sind also in unbedingter Abhängigkeit des Schöpfers zu sehen. Er polemisiert gegen die Häretiker, welche die Bewegung und die Rückläufigkeit der Planeten mit ihrer Belebtheit gleichsetzten würden, so dass diese gottgleiche Wirkungsgewalt auf der Erde hätten.⁵⁰⁹ Obgleich Jakob von Edessa sich bestens mit der griechisch-ptolemäischen astronomischen Tradition, sogar mit der retrograden Planetenbewegung vertraut zeigt, wird aus seiner Behandlung des Stoffes doch ersichtlich, dass er sie der Heilsgeschichte unterstellt. So ist seine Kosmologie der Theologie flexibel angepasst: bei der Anordnung der Planeten überschreitet er die Grenzen der Physik und entwirft schlichtweg seine eigene Ordnung vom Kosmos. Die Sonne ist dabei der äußerste, fernliegendste, der Mond der innerste, der Erde naheliegendste Planet, ein System, das Jakob mit einer theologischwissenschaftlichen Weltschau begründet, nämlich dem Gewicht der Elemente, wobei das reinste Element, die Sonne, am weitesten entfernt vom niederen Erdenelement ist.⁵¹⁰ In diese Kosmologie fügt sich auch seine antiastrologische Polemik reibungslos ein. Da die Sterne und Planeten unterhalb der Sonne liegen, können sie nur der göttlichen Gewalt untergeordnet sein, außerdem bewegen sie sich nicht aus eigener Kraft, sondern werden von der Sonne bewegt, die wiederum von Gott gelenkt ist.⁵¹¹ Ein weiteres Argument, das Jakob gegen die Astrologie vorbringt, ist die Ungenauigkeit der astrologischen Vorhersagen.⁵¹² Der größte Fehler der Astrologen ist allerdings, dass sie nicht Gott als über allem stehend anerkennen, so heißt es: „They do not consider or know that God is the maker of these things … they do not set down the first groundwork correctly, and nor do they afterwards try to build straightforwardly upon it.“⁵¹³ Besonders scharf kritisiert Jakob in seinen katechismusartig gehaltenen Canones,⁵¹⁴ die als Pseudo-Dialog zwischen Jakob und Addai aufgebaut sind, die Astrologie und verwandte abergläubische Praktiken. Schon „magische“ Rituale, die nur
509 S. Vaschalde 1928: 136f., Honigmann 1929: 109. 510 Das System bei Jakob ist triadisch, wobei die Sphären der Elemente mit der Lage und Natur der Himmelskörper begründet werden: die Sonne, die aus dem leichtesten Element, nämlich Feuer besteht, nimmt die höchste Sphäre ein, die Sterne bestehen aus Luft, die etwas weniger wiegt als Feuer und sich deshalb unterhalb der Sonne befindet. Die letzte Instanz repräsentiert der Mond, der aus dem Erdenelement, dem schwersten, besteht. Die Triade kann auch als Hierarchie von Göttlichem, Engelischem und Menschlichem gedeutet werden, s. Wilks 2008: 231f. 511 S. Wilks 2008: 236f. 512 Hexaemeron 161a-b. 513 Wilks 2008: 238. 514 Näheres zu seiner Schrift, in der er sich besonders für seine, die miaphysitische, Konfession einsetzt, bei Jenner 2008. Die Canones wurden zuerst aufgrund einer Pariser Handschrift des 9. Jh. ediert von Lagarde 1856, danach von Lamy 1859, von Kayser 1886 dann mit drei weiteren Fragmenten kollationiert, übersetzt und mit Kommentar versehen. Teule 2008: 86, bemängelt zurecht, dass die Titulatur „Canones“ für diese dialogartige Frage-Antwort bzw. Frage-Kommentar-Gattung (puššåqå) eigentlich verfehlt sei, da eine persönliche Haltung zur Grundlage genommen wird. Eine Reihe von
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der Schädlingsbekämpfung dienen, laufen seinem orthodoxen Verständnis zuwider; ebenso abzulehnen seien divinatorische Praktiken wie die Bibliomantie (l-messab ¯ ¯ ¸ ) oder der Gebrauch von Donner- und Mondbüchern. Die 36. Frage lautet: petgamē ¯ ¯ qdåm gabrē¸ åw qdåm neššē¸ åw b-šūqå åw b-gåw ¯ en zådeq l-dayråyyå åw la-qlē¸r¯ıqå d-neqron ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ pē ¯ ¸ åw d-atwåtå d-¯ıt b-pa¯ ¯ grå da-bnay nåšē¸ åw spar ¯ sahrē¸ (!) åw spar ¯ ramē¸. baytå ktåbå da-rpå ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ „Ist es denn angemessen für den Mönch oder Kleriker, vor Männern oder Frauen, auf dem Markt oder im Hause Zuckungsbücher oder Vorzeichenbücher, die von den Zeichen am menschlichen Körper handeln, oder Mond- oder Donnerbücher zu verlesen?“ Jakob ist eindeutig in seiner Antwort: „Dies darf überhaupt nicht geschehen, nicht einmal, dass ein Mönch solch ein [Buch] besitzt, der soll bestraft werden.“⁵¹⁵
Die Kritik erhellt nicht nur die Anwendung von Donner- und Mondbüchern (Selenodromia, Brontologia), sondern lässt unmissverständlich erkennen, wer die Trägerund Überlieferergruppe dieser Literaturgattung gewesen sein müssen. Die Kampfansage richtet sich (mit Frage 36) gegen Priester (kahnē¸), die jeglichen Arten magischer Praktiken nachgehen wie Beschwörungen (lah.š¯ın), Knoten binden (qåt.r¯ın qet.rē¸), Anfertigen von Amuletten (qm¯ıē¸), dem an Erkrankte gerichteten ‚Zuflüstern‘ (lh.aš) von biblischen Versen, bzw. dem Zettelschreiben für Schwellungen ¯ ¸ l-ubyånē¸ w-la-nqåš rē.šå),⁵¹⁶ der Palmomantik (aus ¯ onē oder Kopfschmerzen (ktab ¯ ¯ ¯ pe ¯ ¸ ), der Seherei (mqas.s.m¯ın wa-mnah.h.š¯ın) oder der Ornithomantie einem ktåbå da-rpå ¯ ¯ ¯ (b-pårah.tå), dem Beobachten von Tagen und bestimmten Zeitabschnitten (eddånē¸) oder der Oneiromantie, d. h. Traumdeutung (pšar h.elmē¸).⁵¹⁷ Jakob ermahnt nicht nur die Heiden und christlichen Laien, sondern ausdrücklich die Klerikalen mit der Drohung der Exkommunikation bzw. Degradation.⁵¹⁸ Ebenso verdammenswert sei der Gebrauch von eucharistischen Gegenständen für magische Zwecke.⁵¹⁹ Daraus lässt Canones wurden Jakob von Edessa zugeschrieben, u. a. von Bar Hebraeus im Ktåbå d-Huddåyē¸, u. a. ¯ ¯ ¯ s. Teule 2008: 87, französische Übersetzung bei Nau 1904, 1906. 515 Text sowie eigene Übersetzung nach der Edition von Lagarde 1856: 131. 516 Man vergleiche die vor nicht allzu langer Zeit ausgestorbene Praxis des Krankenzettelschreibens oder die in Bayern verbreiteten „Zahnwehzettel“, s. Stemplinger 1925: 99. 517 S. de Lagarde 1856: 131. 518 „Wenn es mögliche wäre, die für Christen zu halten, welche eine von diesen Sünden begehen, so würde ich sagen, sie sollen auf jede Weise ihren Rang verlieren. Da sie aber ganz und gar nicht zu den Christen gezählt werden können, so ist ein weiteres Wort überflüssig.“ (Kayser 1886: 23). Dazu tritt die Verurteilung der Zauberei. 519 S. Teule 2008: 95f. Ein anschauliches Beispiel bietet Frage 13: „Ziemt es sich nämlich, dass im Glauben zur Heilung von Kranken […] etwas vom Staube im Heiligen und besonders von dem vor oder unter dem heiligen Tische gegeben wird? Ziemt es sich, dass während der Vollziehung der Sakramente Fäden an die Füße des heiligen Tisches gebunden und nachher den Kranken gegeben werden, dass sie sich dieselben umbinden?“ mit der Antwort „Von dem Staube im Heiligthum kann den Kranken gegeben werden, wenn sie im Glauben bitten […] Die Fäden aber, welche um die Füße des Tisches gebunden werden […] das ist nichts weiter als Spiel des Bösen, der uns durch seine Rathschläge betrügen will.“ (Kayser 1886: 15f.).
1.5 Die Quellen: syrische Astrologie und Astraldivination
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sich unschwer ablesen, dass diese Praktiken zur Zeit Jakobs definitif verbreitet waren und dass ein nicht unbedeutender Teil der Traditionskette die Kirche selbst darstellt. Weitere Fragen beziehen sich auf die typischen Praktiken der Volkstradition, wie Heilzauber, Dämonenaustreibung, „Trennungszauber“, abergläubischer Schutzzauber (Beschmieren der Wände mit Rinderkot), Anbetung von Sternen, Bäumen oder Artefakten, Onomantie, usw.⁵²⁰ Dabei scheint es immer noch Abstufungen zu geben, z. B. hält er es für unmöglich, dass ein Priester oder ein Christ überhaupt Amulette oder Beschwörungen anwendet, bei Heilzaubern sollen Kleriker nur für fünf Jahre exkommuniziert werden und ihren Rang verlieren, Laien sollen 7 Jahre exkommuniziert werden.⁵²¹ In der nächsten Frage wird nochmals auf die Wirksamkeit der Abwehr von Hagel durch das Rezitieren von Psalmen eingegangen. Deutlich wird jedenfalls seine strikte Ablehnung von Astrologie und Divination, auch besonders derartiger Texte, wie sie im SBM vertreten sind. Außerdem polemisiert er gegen Losbücher, welche wohl den von Furlani entdeckten Losbüchern entsprechen.⁵²² Nolens volens liefert Jakob von Edessa einen eindeutigen Beleg, dass alle Textgattungen der Divination, wie sie im SBM anzutreffen sind, zu seiner Zeit kursierten.
1.5.4.6 Georg, der Araberbischof (640–724) Da er zu den bekanntesten Polemikern gegen die Astrologie zählt, wird er hier aufgeführt. Da seine technischen Quellen allerdings noch bedeutender sind, behandeln wir ihn en detail im nächsten Abschnitt. In einem noch unpublizierten Memra über den Kalender kommt seine Gesinnung zum Tragen.⁵²³ Leider ohne Edition hat Tannous 2008 wenigsten eine Übersetzung geliefert: „One day, a man from among the pagans (h.anpē) was boasting while in one of their gatherings (kenshē), greatly praising their poets, saying that it was only given to them to speak in measured ¯ words concerning astronomical calculations (h.ushbanē). He began reciting and bringing forth passsages from them, person by person, in polished and varied speech and [with] something on the subject of astronomical calculations, setting down many bitter things with a little bit of honey, that he might give hidden bitterness with the sweetness of honey. When he had clearly set forth something on the subject of astronomical calculations, he showed forth and said that there ¯ are many guides (mdabranē),⁵²⁴ stating that these are the wandering stars: they have governance ¯ ¯ in this cosmos. According on what he blathered on about, each one of the twelve (mdabranūt a) signs of the zodiac has governance. When reproach seized me because of his shameful prattle, I responded for some time with many words against him. For this reason, I have composed this
520 S. Kayser 1886: 23ff. 521 S. Kayser 1886: 24, 132. 522 S. Furlani 1923b. 523 Die Handschrift befindet sich in Berlin und ist beschrieben bei Sachau 1899, Bd. 2: 720f., Tannous 2008: 713f. 524 Man lese mdabbrånē¸.
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short memra, on account of the measured speech through which that person boasted and I have set down in it certain sorts of astronomical calculations which it is necessary for the members of the Church to know …“⁵²⁵
Nach Ryssel 1893: 2 steht Georg ganz in der Tradition der griechischen Astronomie, und ebenso wie sein bekannterer Zeitgenosse Jakob von Edessa soll er den Volksaberglauben bekämpft haben, der sich aus babylonischer Zeit in Mesopotamien gehalten habe. Sein stärkster Kritikpunkt an den Astrologen ist die Bevormundung Gottes, dem die Lenkung der Welt nicht mehr freistehe, weil er ihren Gesetzmäßigkeiten unterworfen sei.⁵²⁶
1.5.4.7 Hiob von Edessa (9. Jh.) Hiob von Edessa, ein zum Nestorianismus konvertierter Jakobit, übersetzte nach Angaben H.unayns griechische Werke, darunter Galen und Aristoteles.⁵²⁷ Seine syrische Enzyklopädie, das Buch der Schätze (Ktåbå d-s¯ımåtå), soll er um 817 geschrieben ha¯ ¯ ¯ ¯ ben.⁵²⁸ Er bezieht sich dort auf aristotelische und galenische Lehren und versucht vor diesem Hintergrund eine Erklärung für die Schöpfung und Naturphänomene zu kreieren, die gänzlich auf die Eigenschaften der vier Elemente bzw. der vier Säfte zurückgeführt werden. Ontologie, Musik, Mathematik, Biologie, Psychologie werden gleichermaßen behandelt wie die Astronomie, wobei er die Astrologie strikt ablehnt. Die Lehre „der Alten“ von der Beseeltheit der Himmelskörper, die daraus abgeleitete Zukunftsdeutung, jegliche Art astrologischer Voraussage sind somit für ihn hinfällig.⁵²⁹
1.5.5 Technische Quellen 1.5.5.1 Bardesanes (154–222) Eine möglichst objektive Einschätzung Bardesanes muss stets mit der Variable nachträglicher polemischer Verzerrung rechnen.⁵³⁰ Der christlich-polemischen Darstellung zufolge soll er eine eigene Sekte gegründet haben, nachdem er in Mabbog
525 Tannous 2008: 713f. Allerdings ist unklar, wer diese ‚Heiden‘ sind und welcher Sprache sie sich bedienten. Sachau war der Meinung, es müsse sich um Araber handeln. ebd. 526 S. Tannous 2008: 715. 527 Nach H.unayn soll er 36 galenische Schriften übersetzt haben, s. Bergsträsser 1925: 3–50. 528 Mingana nimmt diese Datierung an, da Hiob inhaltlich noch nicht mit der Übersetzung des Almagest vertraut gewesen sein kann. Diese Übersetzung wurde 828 angefertig. Außerdem spricht der Autor von großen Unruhen, die im Jahre 816–7 in Bagdad stattgefunden haben, s. Mingana 1935: XXIIIf. 529 S. 1.4.2.5. 530 Drijvers weist darauf hin, dass die Schriften des Bardesanes auch unbedingt im Lichte des Hermetismus zu untersuchen seien. Die Strömungen, die bisher mit ihm in Verbindung gebracht wurden sind Astrologie, Gnosis, christliche Apologetik, Zurvanismus, Dea Syria-Kulte u. a., s. Drijvers 1970a: 190.
1.5 Die Quellen: syrische Astrologie und Astraldivination
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(Hierapolis) Astrologie studiert hatte.⁵³¹ Zu diesem Zweck soll er von den Davidspsalmen inspiriert 150 Lieder geschrieben haben, mit welchen er laut Ephrem sogar die Jugend von Edessa bezirzt habe.⁵³² Seine bei Georg, dem Araberbischof, erwähnte Schrift über Astrologie, ist verloren. Erhalten ist eine Schrift über Planetenkonjunktionen σύνοδος, in der das Weltzeitalter mit 6000 Jahren berechnet wird.⁵³³ Sein bedeutendstes Werk ist sein Buch über ¯ ¸ d-atrawåtå), welches sich thematisch in zwei die Gesetze der Länder (Ktåbå d-nåmosē ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ Teile gliedert und als dialogisches Lehrgespräch gestaltet ist.⁵³⁴ Der erste Teil handelt von der Frage nach dem freien Willen, der zweite von astrologischer Geographie. Offensichtlich ist seine fundierte griechische Bildung, da er sich in seinem Hauptwerk nicht nur formal der griechischen Gattung per se, des Dialogs, bedient, sondern auch inhaltlich auf die mittelplatonischen Denker Bezug nimmt. In seiner Argumentation gegen die Astrologie bemüht er Karneades, aber auch Alexander von Aphrodisias.⁵³⁵ In dieser Schrift ist er der Astrologie nicht gerade freundlich gesinnt. Hegedus nennt ihn sogar einen Vertreter der nomina barbara-Polemik par excellence. Er führt jeweils laut gängiger ‚ethnographischer‘ Standards ein Beispiel für ein Charakteristikum der Bewohner einer Region an, z. B. die Gewohnheit der Perser, Inzest zu betreiben.⁵³⁶ Diese Lehre widerlegt er mit dem Argument des individuellen Schicksals, welches die astrologische Vorhersage für eine Gesamtpopulation abrogieren würde.
531 Barsoum nennt hier keine Quelle. Interessant wäre gewesen, wie Bardesanes im Einzelnen astrologische Kenntnisse vermittelt wurden. 532 Als Ephrem selbst 363 nach Edessa kam, versuchte er die Lieder und Lehren durch seine eigenen Kompositionen zu verdrängen, die womöglich stark von der Dichtung Bardesanes’ beeinflusst waren. Später bemühte sich noch Rabbula, Bischof von Edessa (gest. 435), um die Konvertierung der weiterhin florierenden Anhängerschaft, s. Brock 2005b: 56. Zu seinem Leben siehe auch Nau 1897, Wright 1869: 27, Ullmann 1972: 301. 533 S. Nau 1907: 612–15, Nau 1910b: 209–219, Nau 1899d. 534 Eine erste Edition mit französischer Übersetzung stammt von Nau 1899a, die neueste Edition und Übersetzung von Drijvers 2007. Auch wenn die älteste Handschrift nicht über das 6. Jh. zurückreicht, so kann die Entstehungszeit dieses Werkes durch Belege bei anderen Schriftstellern nachgewiesen werden, darunter Eusebius von Caesarea (265–339), der ihn ohne Quellenangabe in seiner Praeparatio evangelica beinahe wörtlich zitiert: „les dires de ceux qui, à partir de l’astrologie s’adressent aux partisans des Chaldéens eux qui professent comme une science cette sorcellerie maudite“, zit. nach Crégheur 2004: 45. Außerdem berichtet er über Bardesanes in seiner Historia ecclesiastica VI, 30, 1–3, s. Crégheur 2004: 80, daneben die pseudo-clementinischen Recognitiones usw., s. Crégheur 2004: 47. Auch die Erwähnungen einer nicht weit zurückliegenden römischen Eroberung Arabiens wurde zur Datierung auf das ausgehende 2. oder beginnende 3. Jh. herangezogen. Es kann sich dabei nur um die Eroberung durch Septimius Severus 195–196 oder den Feldzug des Macrinus gegen die Araber 217–218 handeln, s. Crégheur 2004: 76f. 535 S. Crégheur 2004: 49ff., Possekel 2008: 220. 536 Dieser Brauch ist tatsächlich von zoroastrischen Adligen der Sasanidenzeit bekannt. Thomas von Marga beschreibt die sozialen Konsequenzen der Konversion von Zoroastriern zum Christentum damit, „that they no longer married their mothers, sisters, and daughters.“ (Morony 1983: 302).
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Als weiteres Beispiel zitiert er die Essgewohnheiten der Inder, unter denen einige auf den Verzehr von Fleisch verzichten, andere dagegen sogar menschliches Fleisch zu sich nehmen würden.⁵³⁷ Auch wenn Bardesanes polemisiert, so ist er es, der astrologische Lehren im Syrischen popularisiert und astrologische Terminologie in die syrische Sprache einführt. Zu den von ihm erwähnten Lehren gehören die klimatische Einteilung in 7 Zonen, die jeweils von einem der Sieben (Planeten) beherrscht werden,⁵³⁸ Horoskopie, Aspekte,⁵³⁹ Exaltation und Depression, Domizile bzw. (Planeten)Häuser,⁵⁴⁰ Planetengrenzen, die 12 Orte und die Dekane.⁵⁴¹ Außerdem lässt sich anhand seines Textes eine Übersicht zur frühen astrologischen Terminologie erstellen (Tab. 1).
1.5.5.2 Diskurs des Basil (5. Jh.) Die Handschrift Vat. sir. 516, eine Sammelhandschrift astrologisch-astronomischer und medizinischer (!) Texte, enthält auch den Diskurs des Basil.⁵⁴² Kennzeichnend für den Text sei eine Abwesenheit arabischer Einflüsse, eine Ähnlichkeit zum Vokabular Ephrems, gegen diesen jedoch eine Fortentwicklung des sphärischen Weltbildes. Recht einfältig sei die Beschreibung des gleichförmigen Laufes der Gestirne im Vergleich zum damaligen Stand der Astronomie.⁵⁴³ Sprachliche Beobachtungen veranlassen Villey 2011–12 dazu, den Text als relativ früh einzustufen. Der Text würde kaum Konjunktionen benutzen, kaum fremdsprachliche Einflüsse und keinerlei elaborierte Terminologie aufweisen, daher müsse es sich um eine westsyrische Schrift des 5. Jh. handeln. Dazu zählt sie auch die sonst in astronomischen Schriften nicht auftauchenden Planetenbezeichnungen, die neben den griechischen stehen.⁵⁴⁴ 537 S. Crégheur 2004: 148ff. Dieses Argument gegen die astrologische Klimalehre führt auch schon Cicero (106–49 v. Chr.) in seiner Polemik gegen die Astrologie an (De divinatione). Er nimmt hierbei Bezug auf Karneades, und stellt sich damit gegen Geminos, der lediglich offen lässt, ob das Geschehen auf der Erde unmittelbar von den Sternen abhängig sei, oder ob sie nur als Vorzeichen fungierten. Dahinter steht der dem hermetischen Denken eigene Sympathiegedanke. von Stuckrad, 2000: 94ff., sieht als Empfänger dieser Kritik des Cicero in diesem Falle die Vulgärastrologie. 538 Bardesanes bestätigt die babylonische Herkunft dieser Lehre. Er stützt sich bemerkenswerterweise auf die eratosthenischen Klimata, nicht die jüngeren des Plinius, s. Honigmann 1929: 108. Außerdem hat Bardesanes nach Eusebius eine weitere Reihe, die auf den Dekanen beruht, s. Barton 1994: 181. 539 Dazu gehören Opposition/Diameter, Trigonalaspekt (60°), Tetragon (80°) und Sextil bzw. Hexagonalaspekt (30°); zur Erklärung der Begriffe s. Crégheur 2004: 94ff. 540 Saturn hat beispielsweise sein Tages-Domizil im Steinbock, sein Nacht-Domizil in der Waage. 541 S. Crégheur 2004: 90ff. 542 Der Text stimmt in einigen Punkten (nicht aber z. B. in der Bezeichnung der Monate) inhaltlich mit einem Brief Severus Sebokhts zu Planetenkonjunktionen überein, s. Nau 1910: 211, 214, vgl. Villey 2011–12: 84. 543 Man denkt hier an einen pythagoräisch oder gar stoisch geordneten Kosmos, in dem sich die Göttlichkeit in der Ordnung offenbart. 544 S. Villey 2011–12: 364ff., 84ff.
1.5 Die Quellen: syrische Astrologie und Astraldivination
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85
Tab. 1 Syr. Begriff
gr. Entsprechung
lat. Entsprechung
dt. Fachbegriff
atrawåtå ¯ ¯ atrawåtå mrayymē¸ ¯ ¯ bē¸t yaldå ¯
loci/partes altitudo hora/horoscopus
‚Orte, Grade‘ ‚Höhe, Exaltation‘ ‚Horoskop, Geburtshaus‘
domus decani duces
‚Haus‘ ‚Dekane‘ ‚(Zeiten)herrscher‘
¯¸ muzzågē måwzaltå
μοῖραι ὅψωμα ὥρα/ὡροσκόπος/ γένεσις οἶκος δεκανός ἡγεμόνες/ χρονοκράτορες κρᾶσις σφαῖρα
‚Kombinationen‘ ‚Himmelssphäre, Zodiakalkreis‘
malwåšē¸ menwåtå ¯ marbå ¯ mes. at šmayyå ¯ mard¯ıtå ¯ squblå ¯ pusqånå šallit.ånē¸ šatå ¯ th.umē¸
τα ζῴδια μοῖραι δύσις μεσουράνημα τρόχερος διάμετρον κρῖμα ἄρχοντες/ἐξουσίαι ὥρα ὅρια, ὅροι
mixtio sphaera, circulus Zodiacus, orbis caelestis signa Zodiaci loci, partes occasus medium caelum cursus contrarium, diametrum sententia, decretum dominator/princeps hora fines, termini
baytå deqansē¸ mdabbrånē¸ ¯
‚Zodiakalzeichen‘ ‚Grade‘ ‚Westen, Untergang(sort)‘ ‚Himmelsmitte‘ ‚(Um)Lauf‘ ‚Opposition‘ ‚Richterspruch, Dekret‘ ‚Herrscher‘ ‚Stunde, Horoskop‘ ‚Grenzen‘
1.5.5.3 Sergius von Reš Ayna (gest. 536) Zu seiner bedeutenden Rolle als Arzt und vor allem Übersetzer aristotelischer und galenischer Schriften ins Syrische (s. o.) fügt sich ein weiterer Aspekt, den Nau mit den Worten umreißt: „Sergius […] à vulgariser en général les connaissances astrologiques qui jouaient alors un si grand rôle“.⁵⁴⁵ Die beiden Traktate „Einfluss des Mondes“ und „die Bewegung der Sonne“⁵⁴⁶ sind ihm zugeschrieben, wahrscheinlich weil sie Fragmenten einer Übersetzung der galenischen Ars medica und De alimentorum facultatibus folgen.⁵⁴⁷
545 Nau 1910a: 225. 546 Ediert von Sachau 1870: 101–126. Handschriftliche Grundlage der Edition von Sachau ist BM Add. 14658 (fol 141r–149v), s. Takahashi 2011: 479. Die einzige Übersetzung ist zu finden bei Villey 2011–12: 195. 547 Dazu meint Sachau 1870: VIIIf.: „Die beiden Schriften des ‚Anhangs‘ sind nicht aus dem Griechischen übersetzt, wohl aber aus griechischen Quellen geschöpft. Die erste Schrift von Sergius von R. […] ist eine Auseinandersetzung über den Inhalt des dritten Buches von Galens περὶ χρισίμων ἡμερῶν, das er vorher ins Syrische übersetzt hatte; sie ist gerichtet an Theodor, wahrscheinlich Bischof von Merw 540 (vgl. E. Renan, de philosophia peripatetica apud Syros, Paris 1852: 29). Titel: ‚Wie man
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Honigmann konnte in letzterer Schrift bereits das 2. Buch der Handtafeln (Ktåbå ¯ ¯ ¯ ¸ ) und den Almagest des Ptolemaios nachweisen,⁵⁴⁸ Saliba eine Übersetzung d-qånonē ¯ des Paulus Alexandrinus (Elementa apotelesmatica) unter seinen Schriften identifizieren.⁵⁴⁹ Die Schrift war wohl zur Erläuterung des galenischen Traktats über die kritischen Tage gedacht.⁵⁵⁰ Da die Handschrift aus dem 6./7. Jh. stammt,⁵⁵¹ ist damit belegt, dass zu dieser Zeit die Lehre von den kritischen Tagen im Syrischen bekannt war. Eine von Furlani noch unter dem Namen des Sergius edierte Schrift,⁵⁵² konnte von Miller als Aristoteleskommentator des Alexander von Aphrodisias identifiziert werden.⁵⁵³ Unklar ist, ob Sergius der Übersetzer der Schrift ins Syrische war, oder ihm die Autorschaft versehentlich zugeschrieben wurde.⁵⁵⁴
1.5.5.4 Severus Sebokht (–667) Severus wurde in Nisibis geboren, 638 zum Bischof geweiht und verstarb 666/7. Seine Ausbildung genoß er in Qennešrin, u. a. studierte er dort Griechisch und Persisch. Er unterrichtete Philosophie, Theologie, Mathematik und Astronomie. Einer seiner bekanntesten Schüler war Jakob von Edessa. In der Handschrift Paris syr. 346 (fol. 78–121) sind die ersten 28 Kapitel seines Werkes über die Konstellationen enthalten. Diese ist in zwei Teilen von Nau übersetzt und teilediert worden.⁵⁵⁵ Die ersten fünf Kapitel behandeln die Widerlegung von Astrologen und Dichtern,⁵⁵⁶ die Sternmythen thematisieren. Seine Kritik richtet sich auf die arbiträre Zuordnung von Namen und Figuren, die zudem jeweils unterschiedliche Sterne zusammenfassen können. Als
den Einfluss des Mondes nach Ansicht der Astronomen erkennen könne‘ [bzw.] ‚Wie man erkenne, welche Ansichten die Astrologen auf Grund der Bewegung der Sterne hegen‘.“ 548 S. Honigmann 1929: 117, Kunitzsch 1974: 124. 549 S. Saliba 1995: 440–54. 550 S. Takahashi 2011: 479. Die von ihm beschriebenen kritischen Tage beziehen sich auf die exakte Position des Mondes innerhalb des Mondmonats, z. B. den Tag der Konjunktion, den fünften Tag nach der Konjunktion usw., s. Nau 1910b: 225f. Klein-Franke 1975: 169 zitiert dieses Werk als „medizinastrologische Schrift“ (!) und versteht es als Quelltext der arabische Iatromathematik von al-Kind¯ı (!). 551 Vgl. auch Villey 2011–12: 190, Takahashi 2011: 479. 552 Furlani 1923a. 553 Mithilfe zweier unabhängiger arabischer Übersetzungen des Kommentars unter Angabe des eigentlichen Autors konnte die Fehlzuschreibung festgemacht werden, s. Miller 1994, siehe auch Fiori 2010, King 2010. 554 Die Schlüsse Millers, welche aus einer Abweichung vom arabischen Text gezogen werden, dass ¯ stammen könne, sind nämlich die Schrift von Sternenanbetern beinflusst sei, und so nur aus H.arran ¯ mehr als zweifelhaft. Auch im CCAG finden sich bekanntlich Prognosen, die den H.arranern zugeschrieben werden und nicht automatisch auf eine solche Provenienz schließen lassen. 555 S. Nau 1929–1930, 1931–1932. 556 Daher kann der ihm zugeschriebene Traktat über die Wochen des Daniel, der zudem einzig aus Zitaten bekannt ist, nur eine spätere Zuschreibung sein, s. Baumstark 1922: 246.
1.5 Die Quellen: syrische Astrologie und Astraldivination
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Beispiel nennt er die verschiedenen Darstellungsformen des Sirius.⁵⁵⁷ Bei einem der angesprochenen Dichter handelt es sich um Aratus, dessen Werk Φαινόμενα Severus zitiert.⁵⁵⁸ Im Grunde benutzt er die gleiche Terminologie wie Bardesanes. Zusätzliche ¯ Begriffe sind Exaltation (rūmå) und Depression (šeplå), der Trigonal- und Tetragonal¯ ¯ aspekt (t.r¯ıg¯ onå, .tet.rag¯ onå).⁵⁵⁹ Interessant ist v. a. das 6. Kapitel, in dem er die Namen der Tierkreiszeichen und Konstellationen angibt. Die Zodiakalzeichen entsprechen bei ihm der üblichen Reihe (s. u.), Ausnahme ist die Benennung des Widders als dakrå, was sonst aus dem Qum¯ ran-Aramäischen bekannt ist.⁵⁶⁰ Außerdem will er beweisen, dass die Mondknoten keinen Einfluss auf das irdische Leben ausüben würden und es auch keinen Finsternisdrachen (attålyå) gebe.⁵⁶¹ Seine Schrift über das Astrolab⁵⁶² geht nachweislich auf eine verlorene Schrift des Theon von Alexandria zurück.⁵⁶³ Eines seiner meistzitierten Werke ist ein astronomischer Briefe an einen zyprischen Priester Basileos, dem er Fragen zur Chronologie, Astronomie und Mathematik beantwortet.⁵⁶⁴ Severus soll, wie in seinen Schriften nachzuvollziehen ist, mit den meisten Schriften des Ptolemaios vertraut gewesen sein, so der Geographie, den Handtafeln, dem Almagest, dem Tetrabiblos und dem pseudo-ptolemaischen Centiloquium.⁵⁶⁵
1.5.5.5 Georg der Araberbischof (640–724) Über sein Leben ist wenig bekannt, er wird aber oft in einem Atemzug mit den westsyrischen Universalgelehrten genannt, zu denen Sergius von Reš Ayna, Severus Sebokht, Athanasius von Balad und Jakob von Edessa gehören.⁵⁶⁶ Georg, der Araberbischof war Schüler von Jakob von Edessa und von Severus Sebokht in Qennešrin. Seinen
557 S. Nau 1929–1930: 347. 558 S. Villey 2011–12: 31. 559 S. Nau 1929–30: 368. 560 S. Rudolf 2015. 561 S. Nau 1910: 227ff. 562 Berlin Syr. 186 (Petermann 26), s. Sachau 1899: 606 und Paris MS 346, ediert von Nau 1899b. 563 S. Takahashi 2011: 480. 564 Wobei er das Vorrecht der Syrer an der astronomischen Kunst damit begründet, dass die Griechen selbst behaupten, sie hätten das Wissen über den Himmel von den Babyloniern bzw. Chaldäern „geerbt“, und diese seien als Mesopotamier schließlich mit den Syrern gleichzusetzen, s. Reich 2000: 485, zitiert u. a. bei Hugonnard-Roche 2005: 486. 565 S. Nau 1929–1930: 329, Wilks 2008: 233, Pingree 2002: 14, Pingree 1994. Die Übersetzung des Almagest soll aber nicht aus seiner Feder stammen, s. Kunitzsch 1974: 65f. 566 S. Tannous 2008: 677.
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Beinamen verdankt er dem Umstand, dass er zum Bischof der arabischen Stämme der T.ayy, Uqayl und Tanūh geweiht wurde.⁵⁶⁷ ˘ ¯ Seine Briefe und Gedichte an den Presbyter Johannes von L¯ıtarb⁵⁶⁸ sind von In¯ teresse, da er dort astronomische Fragen diskutiert, die auch die Astrologie und Divination berühren. Neben der Berechnung des Osterdatums, der Geschwindigkeit der Sonne, der Länge der Monate, der Länge von Tag- und Nacht, erwähnt er auch die 7 Klimata, welche von den „Leuten der Vorzeit“ und „frühere[n] Philosophen“ bekannt seien.⁵⁶⁹ Einer seiner Gewährsmänner ist Paulus Alexandrinus.⁵⁷⁰ Der Araberbischof verweist auf den Unterschied zwischen Astronomie und Astrologie. Da der Abschnitt zur Jahresanfangsprognostik eine der bedeutendsten Quellen für diese Methode ist, soll er im Folgenden zitiert werden (in eigener Übersetzung). „Was ist das Jahreshoroskop (måwlådå d-šan ttå), das in der Kalenderrechnung vorkommt (kt¯ıb ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ıqon)⁵⁷¹ ¯ ba-kron¯ und welches wir mithilfe des Siriusaufgangs und des Tierkreiszeichens, in dem ¯ der Mond steht, wenn der Sirius aufgeht, ermitteln? Welchen Nutzen oder welche Erkenntnis haben wir davon? Welche Einsicht, welches Vorwissen und welche Notwendigkeit ergeben sich daraus? Zunächst dazu Folgendes: die Berechnung des Jahreshoroskops oder ähnliche Berechnungen gehören nicht zu den Methoden der Kalenderrechnung. Es besteht nicht einmal eine Verwandschaft zum Komputus, da sie nicht über die Feiertage (wörtl. heilige Feste) [im Laufe] des Jahres unterrichten. Außerdem berichtet sie nicht von den tatsächlichen Ereignissen, welche von Zeit zu Zeit in dieser Welt geschehen, z. B. von ihrer Definition oder einer [anderen ähnlichen] Eigenheit der Chronik.⁵⁷² Sie ist aber ähnlich akribisch wie die Astronomie und hat eine [gewisse] Nähe zur Kunst der Astronomen. Oder um es genauer und wahrhaftiger auszudrücken, ich meine nicht die Kunst der heidnischen Astronomen, die ohne Mühe und Verbortheit alleine die Bewegung der Gestirne
567 Syr. T.ūåyē¸, Aqūlåyē¸, Tannūkåyē¸. Die Aufzählung steht wohl stellvertretend für die Gesamtheit nomadisierender arabischer Stämme in Mesopotamien, s. Charles 1936: 78, Tannous 2008: 708f. Die Tannūkåyē¸ entsprechen den arabischen Tanūh, die T.ūåyē¸ sind mit der Banū T.ayy zu identifizieren, ¯ ˘ die in den an den Naˇgd und Mesopotamien angrenzenden Gebieten lebten, die Aqūlåyē¸ mit einer aus dem Gebiet um Kufa stammenden Sippe, s. Tannous 2008: 709f. Der Sitz seiner Diözese war Aqūla, in deren Dienst er 32 Jahre lang stand, s. Barsoum 2003: 354. 568 Allesamt ediert und übersetzt von Ryssel 1891. Daneben existiert ein Kommentar mit Einführung in die aristotelischen Kategorien, s. Tannous 2008: 676f. 569 Vgl. den edierten und übersetzten Text der Briefe von Ryssel 1893, Honigmann 1929: 110, Baumstark 1922: 257f. Eine neue Übersetzung der Briefe hat J. Tannous angekündigt. 570 Zum Zugriff des Araberbischofs auf das astronomische Wissen bemerkt Saliba 1995: 447: „In sum, this text demonstrates very well how Syriac astronomy was very closely associated with Byzantine astronomy, producing the same rules, and reading the same scholia, but most importantly it also demonstrates that Syriac astronomy treated the Byzantine sources as authoritative and was willing to change them whenever they needed to be updated.“ 571 Mit der Chronik ist wohl eine verlorene Schrift des Autors gemeint. Diese wird auch als „Chronikon des Georg“ von Elias von Nisibis (vgl. SBM: 448) angeführt. 572 Offenbar wurde das Wort „Chronik“ im Syrischen für jegliche Gattungen benutzt, die mit dem Kalender in Verbindung standen. Die Geschichtsschreibung scheint damit genauso gemeint zu sein wie die Kalenderrechnung bzw. der Komputus.
1.5 Die Quellen: syrische Astrologie und Astraldivination
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kennen und lehren (in Länge und Breite, d. h. dem Aufgang sowie dem Untergang, welchem der Himmelskreis [unterliegt]), sondern die Kunst der dämonischen Astrologen, welche gemäß der Bewegung der Himmelskörper und Kompliziertheit der Beziehung untereinander und [ihrer] Konjunktionen und dem Aufgang an unterschiedlichen Orten am Himmelsgewölbe behaupten, dass das, was unser ist, und das, was der Welt ist,⁵⁷³ verwoben und voneinander abhängig sind. Sie berauben [aber] Gott seiner Schöpfung, seiner Kontrolle, d. h. der Lenkung der Schöpfung und ihrer Veränderungen. Sie sind es, die solches behaupten, wie du geschrieben hast, mein Bruder. An dem Ort, an dem der Mond steht, wenn der Sirius aufgeht, dort befindet sich das Jahreshoroskop (måwlådå d-šan ttå). Sie berechnen den Aufgang des Sirius so, dass über vier ¯ ¯ Jahre ein zusätzlicher Tag berechnet wird, wie sie sagen. Im ersten Jahr dieser Viererperiode geht der Sirius in der 11. Stunde der Nacht des 19. Juli auf, welche am 20. leuchtet,⁵⁷⁴ und das Horoskop bzw. dasjenige [Tierkreiszeichen], das von der Erde in dieser Stunde aufgeht, ist der Krebs. Im zweiten [darauffolgenden] Jahr geht dann der Sirius in der 5. Stunde des Tages des 20. Juli auf und [sein] Horoskop ist die Waage. Im dritten Jahr geht der Sirius in der 11. Tagstunde des 20. Juli auf und sein Horoskop ist der Steinbock. Im vierten Jahr geht dann der Sirius in der 5. Nachtstunde auf, welche am 20. Juli leuchtet, und sein Horoskop ist der Widder […], und dann beobachten sie die acht Tage nach dem Siriusaufgang und behaupten, dass der erste Tag den Oktober vorhersagt, der zweite den November, der 3. den Dezember, der 4. den Januar, der 5. den Februar, der 6. den März, der 7. den April und der 8. den Mai. Und diese acht Tage sind es, die man ¯ ¸ ), sorådē¸ oder ‚Neujahrstage‘ (nåsorådē¸)⁵⁷⁵ nennt. Alle drei Begriffe sind ‚verheißungsvoll‘ (båh.orē ¯ ¯ mir geläufig. Es gibt aber auch gewisse Prognosen darüber, welche für die Astrologen niedergeschrieben sind, was ein Vorzeichen ist. Für jeden einzelnen Tag nehmen sie Vorzeichen aus den Winden nach ihrer Richtung, aus dem Tau und den Wolken, darunter gibt es auch einige, die die Tierkreiszeichen vergleichen, eines mit dem anderen, in welchem der Sirius aufgeht, d. h. in welchem der Mond in dieser Stunde steht, wenn der Sirius aufgeht, und für das Jahreshoroskop prüfen sie, ob jene füreinander sind oder einander entgegengesetzt oder ob eines von ihnen für sie günstig ist, wiederum an welchem Ort der Mond steht und ob er über oder unter der Erde ist; ob die Tierkreiszeichen im Trigonalaspekt einander gegenüberstehen oder gemäß der Orte (dukkyåtå)⁵⁷⁶ oder im Tetragon, Hexagon, Diameter oder synodisch, des weiteren ob sich die fünf ¯ Planeten (kawkbē¸ .tåyē¸) nah oder fern sind und wie sie sich nähern oder entfernen, oder von vie¯ lerlei anderen derartigen Dingen, wie wir es erklärt haben, über die Monate oder auch das ganze Jahr. Für mich als Christen ist dies alles leeres Geschwätz und große Torheit. Ich habe nämlich vom göttlichen Astrologen David gelernt,⁵⁷⁷ der sagt, dass Gott tut, was er will, im Himmel und auf Erden, in den Meeren und in allen Abgründen, und dass Gott die Erde in ihrer Fülle gehört, der Erdkreis und all seine Bewohner. Doch weiter über das Jahreshoroskop, welches beim Aufgang des Sirius (kalbå d-gan bbårå) [sichtbar] wird, wie die Leute sagen. Du sollst wissen, Bruder, ¯ dass das, wonach du mich eingangs gefragt hast, Geburt (måwlådå) oder Jahreshoroskop (¯ıl¯ıdūtå ¯ ¯ ¯
573 Ryssel 1893: 50 übersetzt hier vorbildlich: „das Schicksal der Menschen und die Angelegenheiten der Welt“. 574 Mit dieser Formulierung soll deutlich gemacht werden, dass es sich um einen vollen Tag (νυχθήμερον) handelt, der mit Sonnenuntergang, also der Nachthälfte, beginnt. Dies war die übliche Zählung der Griechen, wie sie auch bei Plinius beschrieben ist (Hist. nat. II,79), s. Ryssel 1983: 50. 575 Gleichzusetzen mit dem Aufgang des Sirius im Juli oder dem Sommeranfang. Das Wort ist iranisch, s. Ciancaglini 2008: 212f. 576 Wohl die astrologischen „Orte“ (loci). 577 Zu den Pseudepigraphen, die David zugeschrieben sind, s. Gundel/Gundel 1966: 53, 262, 268.
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d-šan ttå) genannt [und] zu Beginn eines neuen Jahres (rē.šå aw kē.t šūryå d-šan ttå h.adtå) [erstellt ¯ ¯ ¯ ¯ wird]. Denn auch die zeitliche Geburt von jeglicher Sache ist [zugleich ihr] Anfang. So nennen wir auch jeden Neumond Anfang.“⁵⁷⁸
Die Briefe geben ein lebhaftes Beispiel von der paradox anmutenden Verteufelung der Methoden, die dann aber en detail beschrieben werden und so offensichtlich gerade von Klerikern diskutiert und weitervermittelt wurden.
1.5.5.6 Theophilus von Edessa (695–785) Theophilus war ein maronitischer Christ, Astrologe und Historiker. Er übersetzte Homer (Illias und Odyssee!) ins Syrische. Ihm wird eine Mittlerrolle zwischen griechischer und arabischer Astrologie zugeschrieben; nach Pingree wird er sogar zur Hauptquelle astrologischen Wissens neben den direkten griechischen Zeugen für die Etablierung der astrologischen Wissenschaft unter den Abbasiden erhoben.⁵⁷⁹ Es ist umstritten, in welchen Sprachen er schrieb, auch wenn seine Schriften fast ausschließlich in griechischer Sprache erhalten sind.⁵⁸⁰ Nach Breydy soll er auf Syrisch, Arabisch und Griechisch geschrieben haben, obgleich er die Möglichkeit nicht ausschließt, dass zwei Autoren unter demselben Namen zusammengefasst wurden.⁵⁸¹ Er war Hofastrologe und militärischer Berater in Bagdad am Hofe von al-Mahd¯ı und starb dort 785.⁵⁸² Theophilus von Edessa rekurriert in seinen astrologischen Schriften auf die indische Militärastrologie,⁵⁸³ welche er teilweise von Rhetorius zitiert, sowie auf Material zur Tagewählerei von Dorotheus und Hephaiston von Theben. Zudem behandelt er die Mundanastrologie.⁵⁸⁴ Er bezeichnete die Astrologie als „Königin aller Wissenschaften“ (πάσης ἐπιστήμης δέσποινα).⁵⁸⁵ Ein Zirkulieren seiner Schriften im Griechischen wird aber von Pingree in das Jahr 792 datiert, da Theophanes in seiner Chronographie desselben Jahres von der militärischen Beratung des byzantinischen
578 Es folgen einige komplizierte Überlegungen zum wahren Jahresanfang in verschiedenen Tierkreiszeichen und ihrer korrekten Ermittlung, s. Ryssel 1893: 27ff. 579 S. Pingree 1997: 63, Holden 2006: 105ff., Hunger zitiert von ihm: CCAG I: 129–131, IV: 93f., 122f., V, 1: 212–226: 233–238, VIII, 1: 266–270, XI, 1: 204–266 (De rebus bellicis), s. Hunger 1978: 234. Pingree konnte nachweisen, dass ihm die Popularisierung des astrologischen Schiftstellers Rhetorius zuzuschreiben war. 580 Einen Überblick darüber gewährt Pingree 1976: 148f. 581 Allerdings ohne Argumente, s. Breydy 1985: 135, zit nach Mavroudi 2002: 397. 582 S. Pingree 1997: 63. ¯ a¯ des 583 Das Werk Πόνοι περί καταρχῶν πολεμικῶν beruht nachweislich auf dem Br.hadyatr ¯ Varahamihira, wobei Theophilus wahrscheinlich nicht das Original in Sanskrit, sondern die PahlaviÜbersetzung benutzte, s. Panaino 2009: 93. 584 Griechischer Text im CCAG V. 1: 230ff., s. Holden 2006: 105ff., Ullmann 1972: 277. Eine Gleichsetzung von Planeten mit bestimmten Metallen scheint Theophilus auch von dem indischen Astrologen ¯ Varahamihira übernommen zu haben, s. Pingree 1989b: 4. 585 S. CCAG V, I: 235.
1.5 Die Quellen: syrische Astrologie und Astraldivination
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Herrschers Konstantin VI. durch den Astrologen Pancratius berichtet. Die Ratschläge zum Vorgehen gegen die Bulgaren entsprechen nach Pingree der von Theophilus vertretenen Militärastrologie.⁵⁸⁶
1.5.5.7 Timotheus (728–823) Er war über vierzig Jahre lang nestorianischer Katholikos und übersetzte im Auftrag des Kalifen al-Mahdi Teile der Topica des Aristoteles aus dem Syrischen ins Arabische.⁵⁸⁷ Es ist unklar, ob sein Buch der Sterne eine Polemik oder eine Befürwortung der Astrologie darstellt.⁵⁸⁸
1.5.5.8 Ta¯ bit b. Qurra (826–901) ¯ Bar Hebraeus verweist in seinem Chronicum syriacum im Zuge seiner Kritik an den unfähigen Astrologen am Hofe des al-Mutazid in Bagdad auf die bekannten Werke des ¯ sowohl arabisch als auch syrisch schreibenden Tabit. Auf syrisch soll er 26 Werke ver¯ fasst haben, eines davon mit dem Titel Ktåbå d-pullå¯g yåwmåtå d-šåboå al kåwkbē¸ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ šab å.⁵⁸⁹ Seine Hauptinteressen waren wohl eher die Naturwissenschaften, darunter ¯ ¯ und soll dann, nachdem er nach BagMathematik und Optik. Er stammte aus H.arran dad gekommen war, dort einen zweiten Zweig der Sabier begründet haben.⁵⁹⁰
1.5.5.9 Elias von Nisibis (975–1046) Elias wurde im Nord-Irak geboren und später Metropolit von Nisibis. Da die meisten seiner Werke in arabischer Sprache verfasst sind, ist er als syrischer Schriftsteller kaum bekannt.⁵⁹¹ Seine Chronographie (Maktbånūt zabnē¸) ist deswegen so bedeu¯ ¯ ¯ ¯ tend, da er in einem Anhang ein Verzeichnis verschiedener Feste und Kalender anführt, das Berührungspunkte mit dem SBM aufweist.⁵⁹² Daneben ist seine arabische Schrift zu den Maßen und Gewichten zu beachten, beide Schriften scheinen einem gewissen Zeitgeist zu entsprechen, der sich auch in den systematisierenden Prinzipien der Werke Bar Bahlūls und al-B¯ırūn¯ıs widerspiegelt.
586 S. Pingree 1989: 239, Mavroudi 2002: 398. 587 S. Takahashi 2011: 481, Berti 2009. 588 S. Ullmann 1972: 302. Eine Zusammenstellung verschiedener Spekulationen über den Inhalt des Buches ist bei Takahashi 2001: 481 zu finden. 589 S. Chwolsson 1856: III. Dem Titel nach könnte man vermuten, dass es sich um die gleich Prognose handelt, die auch im SBM: 469 vertreten ist. ¯ und die Rolle Tabits, ¯ 590 Zur Diskussion um H.arran s. o. ¯ 591 Vgl. Khalil 1977: 410. Von sprachhistorischem Interesse ist seine onomasiologisch geordnete arabisch-syrische lexikalische Liste, s. Troupeau 1991. 592 S. Teule 2011b: 143.
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1.5.5.10 Jakob von Bart.ella (–1241) Jakob wurde in Bart.ella, im Norden des heutigen Irak, geboren, später zum Bischof geweiht. Er verstarb 1241. In seinem enzyklopädischen ‚Buch der Schätze‘ (Ktåbå ¯ ¯ d-s¯ımåtå),⁵⁹³ welches leider noch unediert ist, sind einige Passagen enthalten, die ¯ ¯ sich thematisch mit dem SBM überschneiden. Es besteht aus vier Hauptteilen, wobei der vierte kosmologischer, die anderen religiös-theologischer Natur sind. Er behandelt, ohne die Autoritäten konsequent zu zitieren, ihre Theorien, z. B. die aristotelische Windtheorie. Er führt u. a. Aristoteles, Jakob von Edessa, Moses bar Kepha und Ephrem an. Seine kosmologischen Themen sind die Dreiteilung des Himmels, die Klimazonen der Erde, bis hin zur Ethnographie, welche Chinesen, Europäer sowie Antipoden einbezieht. Geographische und meteorologische Theorien werden enzyklopädisch abgehandelt.
1.5.5.11 Bar Hebraeus (1225–1286) Bar Hebraeus,⁵⁹⁴ als Universalgelehrter und sich über die konfessionellen Grenzen hinwegsetzender Gottesmann bekannt, widmete sich in seinem Werk „Aufstieg der Seele“/„Buch des Vernunftaufstieges“ (k. d-sullåqå hawnånåyå) (1279) auch der Astro¯ nomie und Kosmographie.⁵⁹⁵ Die Astrologie wird eher peripher behandelt, das Hauptgewicht liegt auf der Darstellung der Astronomie. Die enthaltenen Illustrationen sind sonst aus arabischen astronomischen Handschriften bekannt. Eine tiefergehende Studie zu den Quellen, die sicherlich auch im Arabischen zu suchen sind, fehlt bisher.⁵⁹⁶ Bar Hebraeus äußert sich nach einer Einführung über die wissenschaftlichen Theorien zur Entstehung von Kometen über die Prognosen nach Kometenflug: ¯ ¸ ¯ıtayhon kåwkbē¸ s.ūs.yånē¸ da-mšawd¯ın al h.ullåpå ¯ daw-Hermis emar da-mdabbqånē¸ w-kårozē ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ wa-šg¯ ušyē¸ d-malkē¸. mlakwåtå wa-šuh.låpå ¯ ¯ ¯
593 Einführung in sein Werk mit Auszügen bei Nau 1896. 594 Zum Forschungsstand zu Bar Hebraeus und einer eingehenden Beschreibung aller seiner Schriften s. Takahashi 2005. 595 Ediert von Nau 1899c. 596 Im Hinblick auf die Etymologie arabischer Astronyme kommentiert Kunitzsch 1959: 32 die Schrift folgendermaßen: „1272–1279 verfasste Bar Hebraeus Le livre de l’ascension de l’ésprit […] eine syrische Beschreibung der Sternbilder und Mondstationen. Von mir herangezogen, um die syrische Terminologie und ihren eventuellen Einfluss auf die arabische zu beobachten. Das Buch erweist sich jedoch als spätes Werk vollkommen ungeeignet zu derartigen Beobachtungen. Es scheint aus verschiedenen Quellen kompiliert zu sein. Arabischer Einfluss ist sicher bei Formen wie nešrå d-šakk¯ın ¯ ¯ ¯ alpha Canis Maioris), nešrå d-t.aes ¯ (an-nasr al-waqi, alpha Lyrae); kalbå d-gabbårå (kalb al-ˇgabbar, ¯ ¯ ¯ (an-nasr at.-t.air, alpha Aquilae) etc. Viele griechische Wörter und Namen dagegen erscheinen in einer Form, die unmöglich aus den arabischen Quellen genommen sein kann: st.rwlwbwn (acc. von gr. […]; ¯ arab. […] ast.urlab)“.
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„Hermes dit que les étoiles chevelues sont des avis prophétiques et des hérauts qui font connaître les changements des empires et les changements et les sédetions des rois.“⁵⁹⁷
Die rein technisch-astronomische Schrift zur Bewegung der Himmelskörper hat zwar äußerst detaillierte Angaben zur Zeitrechnung, Sternbildern usw., enthält allerdings keinerlei Astrologie!
1.5.5.12 Finsternisprognosen Die Handschrift Vatican Syr Ms 217, aus der auch Greenfield/Sokoloff zitieren, ist bisher leider unediert, wenn auch Furlani die astrologischen und divinatorischen Schriften, die in dieser Handschrift enthalten sind, beschreibt.⁵⁹⁸ Es handelt sich um Finsternistraktate, die auch Prognosen enthalten.⁵⁹⁹ Die restlichen Passagen erläutern Fachtermini, darunter insbesondere den Drachenschwanz und -kopf, welche für Finsternisse verantwortlich sind. Auffällig ist der Gebrauch des Verbs bla, welches das „Verschlucken“ des Mondes bzw. der Sonne durch den mythischen Finsternisdrachen bezeichnet.⁶⁰⁰
¯ 1.5.5.13 Danielapokalypse – malh.amat Danyal-Literatur Unter der dem Propheten Daniel zugeschriebenen Literatur verbirgt sich eine bislang schwer überschaubare Menge an Schriften. Es ergeben sich einige Probleme bei der Gattungsbezeichnung. Auch wenn der Genrebegriff der Apokalypse dehnbar ist,⁶⁰¹
597 Nau 1931–32: 202. 598 Furlani 1948: 569–606. Vor allem geht Furlani der Frage nach dem Ursprung der Drachenmetapher im Syrischen nach und zeichnet den Weg über früheste Erwähnungen bei Severus Sebokht über Bar Hebraeus, wobei er die mandäischen Befunde sowie die mittelpersischen und arabischen Belege miteinbezieht. 599 S. SBM: 484f. 600 Im SBM wird dieser Ausdruck nirgends gebraucht. Die Prognosen für die Mondfinsternis sind nach Tierkreiszeichen geordnet – und diese wiederum im Trigon verbunden, nicht nach Monaten wie in den Texten der vatikanischen Handschrift. Ein Vergleich mit den Daniel-Apokalypsen wäre hier wahrscheinlich ertragreicher, ebenso, was die Vorhersagen über Babylon, Persien usw. betrifft. 601 Die engere Definition wäre etwa „‘Apocalypse’ is a genre of revelatory literature with a narrative framework, in which a revelation is mediated by an otherworldly being to a human recipient, disclosing a transcendent reality wich is both temporal, insofar as it envisages eschatological salvation, and spatial, insofar as it involves another, supernatural world“ (Collins 1979: 9). Die Verwechslung bzw. Zusammenfassung von apokalyptischen sowie rein prognostischen Texten dagegen liegt in der Ähnlichkeit ihrer Struktur bis hinein in die Lexik. Die Anzeichen, welche eine Apokalypse einleiten, sind oft auch im Bereich der „profanen“ Prognostik zu finden. Per definitionem ist die Prophetie eigentlich ein Zweig der Divination. VanderKam sieht die genetischen Verhältnisse ganz klar, indem er den Gattungen mantischer Literatur (Traumdeutung, Leberschauomina, physiognomische Omina und Astraldivination) eine besondere Rolle zuschreibt. Diese seien Ausgang für die apokalyptische Weltsicht
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so handelt es sich dabei doch um religiöse Literatur. Die Zuschreibungen apokalyptischer Texte an Daniel sind auch im Syrischen mit der syrischen Danielapokalypse oder Daniels letzter Vision vertreten.⁶⁰² Die zumeist vom Griechischen ausgehende Texttradition erscheint als eine spätchristliche, welche die Schrecken der islamischen Eroberungen einbezieht. Die politisch-geographische Situation ist an das biblische Danielbuch mit seinen vier Großreichen angelehnt, vor deren Hintergrund Daniel Visionen zu den Vorzeichen der Endzeit empfängt.⁶⁰³ Der Mantel der Danielapokalypsen umfasst aber noch ein weiteres Genre, Sammlungen von Prognosen aller Art, zumeist meteorologischer Natur.⁶⁰⁴ Die Geschichte der Texte ist auch deswegen so kompliziert, weil nicht nur die apokalyptischen und die „pseudo-apokalyptischen“ Texte interferieren, sondern auch die Zusammenhänge der griechischen, syrischen und arabischen Tradition sehr komplex sind.⁶⁰⁵ Die griechische Apokalypse des Propheten Daniel, eine Sammlung meteorologischer Prognosen, ist zwar komplett erhalten,⁶⁰⁶ allerdings nicht vollständig ediert, was eine Untersuchung erschwert.⁶⁰⁷ In 25 Kapiteln finden sich die immer wieder überarbeiteten Vorzeichen für 12 Monate angefangen mit Oktober, wie es nach griechischer Jahreszählung üblich war. Ihr Inhalt sind „Sonnen-, Mondfinsternisse, Halos,
per se gewesen, s. VanderKam 1974, 2000, 1997, davor Müller 1972, Collins 1998. Dagegen Bedenbender 2000, 2002, vgl. Ben-Dov 2008: 252. 602 Ediert, übersetzt und kommentiert von Schmoldt 1972. 603 S. Martinez 1992, 137ff. Die Textgattung ist kaum von den Prophezeiungen des Es(d)ra zu trennen, welche schon in vorchristlicher Zeit kursierten, s. Charlesworth 1981: 182–4, Gundel/Gundel 1966: 56, Kraft 1979, von Stuckrad 2000: 348. 604 (Pseudo-)Autoren apokalyptischer Schriften (Daniel, Esra, Baruch, Henoch, Abraham) konnten auch oft als (Pseudo)-Schriftsteller astronomisch-astrologischer Schriften auftreten. Die Kombination dieser Gattungen dürfte auf die Vorzeichen der Apokalypsen zurückzuführen sein, welche den gleichen Terminus wie die Prognosen bzw. Omina tragen: šūdaå, s. Henze 2001. ¯ 605 Ein beindruckender Versuch, einen Überblick über die komplizierten Zusammenhänge zu schaffen, hat DiTommaso 2005 unternommen. Allerdings ist es aus der Perspektive der Gattungsgeschichte wenig sinnvoll, nur diejenigen Traditionen miteinzubeziehen, welche Daniel zugeschrieben sind, da die Zuschreibung sekundär sein kann. Furlani 1921 hat eine syrische Handschrift des 19. Jh. ediert, die Daniel und Esra zugeschriebene Vorzeichensammlungen enthält (BM or 4434, fol. 46v–58v). An syrischen Manuskripten der Danielapokalypsen sind bereits einige katalogisiert, deren Überprüfung ein nächster Schritt in der Erforschung der Textgeschichte wäre, darunter BM or 2084 (19. Jh.), BM or 5281 (18. Jh.), s. Baumstark 1922: 230. Mögliche weitere Belege dieser Form der Astrologie sind zu finden in einer Schrift über Wochen des Propheten Daniel aus der Hand des Priesters Simon: BM ms 12172, 9. Jh. (!), s. Barsoum 2003: 184. Zwischen einigen syrischen Beschwörungen ist in einer Handschrift des 18./19. Jh. „a book of magic, diagnosis and prognosis of illness, attributed to the prophet Daniel and to Ezra the Scribe“ zu finden, s. Goshen-Gottstein 1979: 104–6. Die vollständig erhaltene ostsyrische Schrift (Syr 161) ist auf das 18.–19. Jh. datiert. Er vermerkt, dass die Diagnose der Krankheiten mithilfe der Buchstaben des Patientennamens zu ermitteln sei. 606 Im Cod. Parisinus Gr. 2316, fol. 380–418, s. Gundel/Gundel 1966: 259. 607 Ediert ist bisher nur die Einleitung und Auszüge der Monatsprognose für Oktober, s. CCAG VII: 171ff., VIII 3: 171ff., X, 1: 153, XII, 1: 153f., vgl. IX 1: 79 fol. 18–55, s. Gundel/Gundel 1966: 259.
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Neulicht des Mondes, Schwanzsterne, Sternschnuppen, Regenbögen, Schwertkometen, Rötungen des Himmels, Wunderzeichen am Himmel, Blitz und Donner, Wetterleuchten, Platzregen, Hagel, Blutregen, Regen von Würmern und Fröschen, Schreckzeichen in der Luft, Wirbelwinde, plötzliche Verwandlung von Tag in Nacht, Stimmen und Lärm aus dem Himmel (bzw. der Erdtiefe), Erdbeben.“⁶⁰⁸ Die Schrift soll unter Ptolemaios Philadelphos (aus welcher Sprache?) ins Griechische übertragen worden sein, dann weiter ins Arabische und schließlich im fränkisch besetzten Konstantinopel von Alexius von Byzanz 1245 ins Griechische rückübersetzt worden sein. Das Produkt beschreibt Pingree mit dem Namen, den die Gattung astrometeorologisch-prognostischer Texte im Arabischen erhalten sollte: Kutub al-malh.ama⁶⁰⁹ bzw. einfach ¯ . im.⁶¹⁰ Die malh.amat Danyal-Literatur ¯ Malah scheint das literarische Genre zu sein, an dem sich die Vertreter verschiedener Ursprungsthesen zu den frühen arabischen Schriften pseudepigraphischer Natur, darunter die hermetischen und die alchemistischen, am meisten aufgerieben haben. Im Grunde geht es um die Frage, ob der Ursprung der arabischen Schriften im Griechischen, Persischen oder Syrischen zu suchen sei.⁶¹¹ Für die syrische Abkunft spricht, dass viele arabische Schriften dieser Art syrische Provenienz vermerken.⁶¹² Das Ergebnis, zu dem Fahd 1966 aufgrund der stark voneinander abweichenden Rezensionen der Malh.ama des Daniel in arabischer, syrischer und griechischer Spra-
608 Gundel/Gundel 1966: 259. 609 Pingree 1997: 76, GAS VII: 312–317, gr. Text mit dem Titel ᾿Αποκάλυψις Δανιὴλ τοῦ προφήτου in CCAG VIII, 3: 171–179. ¯ Voraussagen zur Ankunft des Mahdi und behan610 Zunächst bezeichnete es, synonym mit h.idtan, ¯ delte die verschiedenen seine Ankunft betreffenden Ereignisse. Diese Schriften wurden dann bald mit astrologischen und meteorologischen Lehren vermischt und ihr prophetischer Charakter unter Beibehaltung der äußeren Form, nämlich der Gattung, durch einen astrologischen ersetzt. Wann dieser Wandel stattgefunden hat, verrät Fahd 1966: 224ff leider nicht. 611 Zu dieser Diskussion vgl. auch die These von Kunitzsch, der als Ruska-Schüler und gegen Plessner, der ‚revolutionären‘ Meinung von Sezgin folgt und die Schriften größtenteils für griechische oder persische Originale hält. 612 Z. B. Reisülküttab Mustafa Ef. 1164, fol. 15r–93r, in dieser Handschrift werden Quellen benannt: „K. al-malh.ama, les signes et indications, traduits du syriaque en arabe, et ce qui se reproduit comme les phénomènes célestes et terrestres dans les désert et sur les mers, les tremblements de terre, les éclipes, la chute des étoiles, les tonnerres, les éclaires, les éclipses, les nouvelles lunes, selon les signes du zodiaque, les tempêtes, les vents noirs, les nuages vus comme des silhouettes de personnes, ce qui arrivera dans les pays des Persanes (aˇgam), des Arabes et d’autres peuples et dans les îles et les montagnes“ (Fahd 1966: 409). Er verweist hier im Übrigen auch auf das SBM, außerdem auf eine ältere Malh.ama-Schrift, die aus dem Jahre 556 hegirae stammen soll und dem ¯ des Bar Bahlūl in dieser Handschrift folgt. Zwei weitere arabische Handschriften solK. ad-dalail len aus dem Syrischen übersetzt sein: British Museum or 5907 und 2084, außerdem ein „astrologischmeteorologisches Pseudepigraph, höchst wahrscheinlich syrischen Ursprungs, das von Hippokrates ins Griechische übersetzt und von Aristoteles verbessert worden sein soll.“ Gemeint ist der Berliner Kodex 5912 (fol. 1–63), s. GAS VII: 212. Zum Handschriftenbestand der Danielschriften im Arabischen s. GAS VII: 313–317.
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che⁶¹³ kommt, ist, dass es sich hierbei um verschiedene Übersetzungen eines Prototypen handeln muss. Sowohl die arabischsprachigen Texte untereinander als auch die arabischen und die syrischen bzw. griechischen Texte würden sich in ihrer Auswahl und Anordnung der Themen unterscheiden, hätten aber einen gemeinsamen Kern, der durch variierende Kultur, Geographie und Zeit eine jeweils neue Prägung erfahren hat, resumiert er.⁶¹⁴ Für die Textgeschichte ist damit allerdings nichts gewonnen. Furlani stellt für die von ihm edierten Danielprognosen eine Übersetzung aus dem Arabischen ins Syrische fest, meint aber, dass die Quellen noch viel weiter zurückreichen würden, nämlich über das Griechische bis auf das Babylonische.⁶¹⁵ Einige astrometeorologische Prognosen, die Daniel zugeschrieben sind, tauchen auch mit der (Pseudo-)Autorschaft Zarathustras auf, allerdings ist ihre iranische Herkunft alles andere als geklärt.⁶¹⁶ Auf einer Reise in den Südirak entdeckte Fodor 1974 eine in Naˇgaf edierte Aus¯ eine Sammlung von Jahresprognosen, als schmales Heftgabe der Malh.amat Danyal, chen für den Alltagsgebrauch gebunden. Diese Sammlung publizierte er in einem Artikel mit Kommentar und Übersetzung. Sein Ansatz setzt sich über die Zwänge der Text-, Redaktions- und Literarkritik hinweg und vermeint den Entstehungsort dieser Schrift mithilfe geographischer, botanischer und ethnischer Bezeichnungen kartographieren zu können. Die genannten Topo- und Ethnonyme weisen nach Nordmesopotamien, ¯ z. B. aš-Šam, Sūr¯ıya, Byzantiner (ar-Rūm), Araber, usw. Da der Autor der Prognosen eindeutig auf die Fauna in Mossul verweisen würde, ist nach Fodor seine Herkunft gesichert. Noch zweifelhafter ist seine Argumentation dort, wo er den Text zurechtstutzt und einige Tierarten, die nicht charakteristisch für die Region Nordmesopo-
613 Für die Editionen der Texte zitiert er Furlani 1921a. 614 Dieses Gut erscheint dann auch in stark gestutzter Form in den Sammelwerken zur Landwirt¯ schaft (z. B. b. al-Awwam, b. Wah.š¯ıya), jeweils in dem für seine Zeit verbindlichen Geschmack und ¯ Anspruch. In diese Reihe stellt Fahd 1966: 412 das Werk des b. Bahlūl K. ad-dalail, in dem die Kalender, Feste und Feiertage der Juden, Christen, Armenier und Sabier behandelt werden und welches die astrologischen Prognosen reduziert. 615 S. id. 1921: 128. Es ist besonders interessant, dass Ruska 1924: 34, einer der eifrigsten Verfechter der Meinung, dass die Pseudepigrapha in arabischer Sprache Erfindungen der Araber seien, erklärte: „Forschungen von G. Furlani aus jüngster Zeit, über die ich im Islam Bd. XIII 1923: 361f berichtet habe, zeigen, wie weit zurück – über syrische Übersetzungen und griechische Vorlagen bis zu babylonischen Originalen – diese Weissagungen des Propheten Daniel verfolgt werden können“. Zur Vorsicht bei Texten, die selbst eine babylonische Zuschreibung vornehmen, raten Fälle wie die nabatäische Landwirtschaft von b. Wah.š¯ıya, welche von Chwolsohn als auf 5000 Jahre alte Quellen zurückreichend eingeschätzt wurde. Dies wurde schon von Steinschneider 1862 angezweifelt, s. GAS VII: 312. 616 Zur pseudepigraphischen Literatur des Zoroaster s. Boyce/Grenet 1991: 491–565. Dort erörtern sie die Zuschreibungen astrologischer Schriften an Zoroaster – neben alchemistischer Schriften an Ostanes – und kommen zu dem ernüchternden Ergebnis, dass der Zuschreibung kein bestimmtes Programm zugrunde liegt. Die Pseudepigrapha hätten auch jedem anderen autoritativen Astrologen zugeschrieben werden können.
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tamien sind, in seiner Argumentation einfach übergeht.⁶¹⁷ Abschließend vergleicht er die Prognosen des SBM und des Iqqur ¯ıpuš und reduziert die Erklärung für Unterschiede im Text mit zeitlich und räumlich unterschiedlicher Entstehung (!).⁶¹⁸ Weiter vergleicht er den Inhalt des SBM und der Malh.ama ohne auf die strukturellen Unterschiede einzugehen: Die Malh.ama ist weitaus ausführlicher und konsequenter in der Ausführung. Die Donnerprognosen beispielsweise sind nicht mehr nach Monaten angelegt, sondern die Prognose wird für jeden Tag getroffen, was wie eine erweiterte und daher spätere Mischform aus Hemerologie und astro-meteorologischen Omina aussieht. Zeitlich legt er die Abfassung auf das 10./11. Jh. fest, da die Türken bereits erwähnt sind, Byzanz aber noch eine Rolle gespielt habe.⁶¹⁹ Dass die Rahmengeschichte eine Auffindungslegende⁶²⁰ in einer Höhle enthält, führt Fodor auf die Legende der syrischen Schatzhöhle zurück.⁶²¹ Dies und die Erwähnung des Kreuzfestes, von dem auch al-B¯ırūn¯ı zu berichten weiß, sind ihm Beweis genug, um aus dem Autoren einen syrischen Mönch zu machen, der die Urfassung im T.ūr Abd¯ın niedergeschrieben hätte.⁶²² Die Positionen von Fodor, der vermeint, einen eindeutigen Ursprungsort festlegen zu können, und von Fahd, der eine Festlegung umgeht, sind die beiden Extrema bei der Frage nach der Herkunft des Textes. Da Fahd im Gegensatz zu Fodor ein Experte auf dem Gebiet der Divination ist, wird man geneigt sein, seiner Vorsicht zu folgen. Ob die Frage nach der Textgeschichte aber generell nicht mehr zu beantworten ist, wird erst entscheidbar sein, wenn die Texte ediert und bearbeitet sind.
1.5.5.14 Traktat des Sem Die Schrift ist nicht nur im Syrischen⁶²³ erhalten, sondern auch im (Judäo-)Arabischen, Koptischen und Aramäischen.⁶²⁴ Der Datierung der Schrift ins 1. Jh. nach 617 S. Fodor 1974: 89. 618 Das SBM soll dort entstanden sein, wo Budge es erworben hat. Zu welcher Zeit, verschweigt er aber, s. Fodor 1974: 95. 619 S. Fodor 1974: 90. 620 Die besonders in den hermetischen und astrologischen Schriften beliebte Legende der Entdeckung einer Quelle, die das geheime Wissen äonenlang konserviert haben soll, manifestiert sich hier als Tontafel, auf der sich dem Entdecker die Prognosen offenbart haben sollen. 621 Viel ergiebiger wäre ein Vergleich mit der arabischen Literatur. 622 S. Fodor 1974: 91. 623 Die erste Edition einer Handschrift des 15. Jh. erfolgte durch Mingana 1917–18. Die Handschrift aus der John Rylands University Library (Rylands Syriac MS 44) stammt wahrscheinlich aus der Gegend von Mossul und enthält verschiedensprachige Texte zur Astrologie, s. Atkinson 2006: 37f. und bei Charlesworth 1978. Eine revidierte Version dieses Artikels erschien einige Jahre später, s. Charlesworth 1983. 624 Reeves 1996: 38. Die zwei Handschriften der aramäischen Version und die fünf judäo-arabischen Fragmente stammen aus der Kairoer Genizah. Leicht 2006: 45f. sieht dies sogar als den bedeutensten Text der Juden Palästinas an, weil er am häufigsten unter den astrologischen Texten der Genizah belegt sei.
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Charlesworth ist vehement widersprochen worden.⁶²⁵ Charlesworth argumentiert u. a. mit der Gattung des Textes, den er zu den astrologischen Qumranschriften stellt.⁶²⁶ Dagegen argumentiert Mengozzi, der die Schrift nochmals analysiert hat.⁶²⁷ Er glaubt, dass die Protasen aus dem Standardrepertoire antiker Divination schöpfen und daher solch eine punktgenaue Datierung, wie Charlesworth sie vornimmt, unmöglich sei.⁶²⁸ Der Traktat gehört zu den Jahresanfangsprognosen oder dodekaetris Chaldaica nach Jahresbeginn in einem der 12 Tierkreiszeichen. Nach Mengozzi ist nur fraglich, ob der Jahresbeginn der Prognose als Siriusaufgang oder als Mondstand zu verstehen sei.⁶²⁹ Die Vorhersagen betreffen Getreide, Ernte, politische Ereignisse, das Wetter usw. Mengozzi sieht aber den Text als ganz in der Tradition der astrologischen Traditionen benachbarter Sprachen – auch nicht zwangsläufig als jüdischen Text.⁶³⁰ Die aramäischen Versionen des Textes datiert Leicht auf das 7. Jh., da die Sarazenen genannt werden. Er konstruiert wegen der gravierenden Unterschiede bzw. fehlender Wurzelgleichheit einen griechischen Hilfstext zwischen den syrischen und den jüdisch-palästinisch-aramäischen Text, auf den beide gestützt sein sollen, ohne von ihm abhängig zu sein.⁶³¹ Ein dem Genizah-Text und dem syrischen Sem gemeinsamer Quelltext ist auch das Resumée, das Atkinson aus einem Vergleich der beiden Texte schließt. Der syrische Text ist in seinen geographischen Bezeichnungen näher an Ägypten als der aramäische, der Nil ist des öfteren erwähnt. Außerdem unterscheiden sich die historischen Ereignisse, auf die Bezug genommen wird. Bemerkenswert ist, dass dieser Text die technische Entsprechung dessen ist, worüber Georg der Araberbischof in extenso referiert (s. 1.5.5.5).
625 Charlesworth 1978: 376–381 datiert die Schrift auf das 1. Jh. und verlegt sie nach Alexandria, weil er die Seeschlacht von Aktium als Schauplatz sehen will. Gegen diese Darstellung schon Brock 1984. 626 Darunter besonders 4Q318, vgl. Charlesworth 2005: 5ff. 627 Mengozzi 1997. 628 S. Leicht 2006: 46ff. 629 Durch eine Entdeckung von Leicht ist vielleicht die Bestimmung erleichtert: Die aramäischen Genizah-Fragmente enthalten nämlich eine Einleitung, welche das relevante Datum für die Prognose ¯ (= Sonnenwende) des Tammuz, was dem Siriusaufgang entspricht, genau angeben: 25 Tage der təqūpå s. id. 2006: 50, Atkinson 2006: 41. Dafür, dass beide Versionen, sowohl die Version der Kairoer Genizah des 10. Jh. sowie der syrischen, das gleiche Kalendersystem zugrunde liegt, hat sich auch von Stuckrad ausgesprochen, s. Leicht 2000: 365–94. 630 S. Mengozzi 1997: 46ff. 631 S. Leicht 2006: 49–53. Die Frage ist, warum die Oralität außer Acht gelassen wird und warum es unbedingt eine griechische Zwischenversion gegeben haben muss, wenn sich ohnehin keine Abhängigkeiten festmachen lassen. Reichen die Unterschiede nicht, um eine enorme Verbreitung des Materials aufzuzeigen?
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1.5.5.15 Die Causa causarum Das Buch von der Erkenntis der Wahrheit gleicht einem enzyklopädischen Werk, das eine naturwissenschaftliche, philosophische Weltsicht mit der biblischen Darstellung der Schöpfung der Erde auszubalancieren sucht. Es enthält besonders im 4., 5.⁶³² und 6. Buch kosmologische, astronomische und astrologische Vorstellungen, die z. T. starke Ähnlichkeit mit dem SBM aufweisen, besonders die kosmologischen Beschreibungen der Himmelssphären oder die Liste mit Gleichsetzungen von Tierkreiszeichen und Monaten.⁶³³ Es ist ungewiss, wann die Schrift mit stark christlich-mystischem Einschlag entstanden ist und welche Quellen verwertet wurden.⁶³⁴
1.5.5.16 Anonyme Übersetzung der Tetrabiblos Die Handschrift Bibliothèque nationale ms 346 ist deshalb so bedeutend, weil deren syrische Übersetzung des Tetrabiblos älter ist als die erhaltenen griechischen Handschriften.⁶³⁵ Neben dieser, allerdings unvollständigen Übersetzung⁶³⁶ enthält sie den Traktat über die Konstellationen des Severus Sebokht sowie einen minimalen Teil des Centiloquiums (‚Buch der Frucht‘), ein in hundert Sätze eingeschmolzener Extrakt des Tetrabiblos.
1.5.6 Literarische Quellen: Astrologisches in Chroniken, Viten etc. Evans beschreibt Texte, die keine rein technischen physiognomischen Texte sind, sondern physiognomische Inhalte nur beiläufig erwähnen, als geprägt von einer „physiognomic consciousness“. Wie sie am Beispiel des Caesar-Biographen Sueton aufzeigt, gilt eine „astrological consciousness“ analog auch für Autoren, die sich außerhalb der Fachliteratur astrologischer Termini bedienen.⁶³⁷ Vor allem Textgattungen wie die Geschichtsschreibung, Erzählungen oder Legenden eignen sich, um
632 Hier wird die Abgrenzung von Astronomie, Astrologie, Prophetie und freiem Willen erörtert. Diesen Abschnitt behandelt der angekündigte Artikel von Pratelli. 633 Kayser 1893: 252. 634 Obgleich der Schreiber sich als Bischof von Edessa ausgibt, der das Amt 30 Jahre innegehabt haben soll, rangieren die Datierungen aufgrund anderer Überlegungen zwischen dem 10. und 12. Jh. Nöldeke soll arabischen Einfluss in der Terminologie festgestellt haben, was zumindest für burˇg bestätigt werden kann, s. Mengozzi 2011: 90. Herausgegeben und übersetzt von Kayser 1893. 635 „All of these surviving texts, whether translations, paraphrases, or, commentaries, are older than the earliest surviving Greek manuscript (thirteenth century) that was used to prepare the modern Loeb edition of the Tetrabiblos.“ (Saliba 1994: 67). 636 Eine Edition des syrischen Textes wird im Rahmen des Projekts Ptolemaeus Arabus et Latinus (München) von Bojidar Dimitrov vorbereitet. 637 S. Evans 1969: 5, 1935, 1948, Popovic 2007: 5.
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bestimmte Ereignisse mit Naturphänomenen, kosmischen Ereignissen oder schicksalsträchtigen Sternkonstellationen zu verdichten.⁶³⁸
1.5.6.1 Alexanderroman Die syrische Version des Alexanderromans⁶³⁹ geht auf den griechischen Pseudo-Kallisthenes zurück.⁶⁴⁰ Dort sind einige astrologische Einzelheiten erwähnt wie eine Art Spielbrett, das als Himmelscheibe aufgebaut ist und zur Vorhersage benutzt wird, oder das astrologische Gespräch zwischen Nektanebo und Olympias, welches nur die armenische und die syrische Version haben.⁶⁴¹
1.5.6.2 Pseudo-Klementinen Es gibt zwei Werke, die Clemens, Bischof von Rom, zugeschrieben werden. Die sog. Recognitiones sind ein Roman, der nach dem Prinzip der Wiedererkennungsgeschichten aufgebaut ist und über die Reisen des Clemens und die frühe Beziehung mit dem Apostel Peter berichtet.⁶⁴² Das in der Gattung dazu komplementäre Werk sind die Homilien, eine Sammlung von 20 Predigten, die in weiten Teilen den Recognitiones entspricht.⁶⁴³ Eine gemeinsame Grundschrift soll sich bereits der bardesanischen Schrift Das Buch der Gesetze der Länder bedienen.⁶⁴⁴ Die Astrologie ist in den Recognitiones eingehend behandelt, wenn ihr auch dort jegliche Wirksamkeit abgesprochen wird.⁶⁴⁵
638 Eine Erweiterung dieser Tradition ist das Prodigienbuch des Julius Obsequens, der aus dem Geschichtswerk des Livius Ab urbe condita zitiert und die dort erwähnten Vorzeichen mit historischen Ereignissen korreliert. Bisher ist nur dessen späte mittelalterliche Rezeption bekannt, s. Laureys 2005. 639 Letzterer, auch Pseudo-Kallisthenes genannt, wurde Anfang des 7. Jh. verfasst und ist von Budge ediert, s. Henze 2001:12f., Budge 1889, Reinink 1983, 1985. 640 Von Nöldeke 1890: 14ff. ist ihm die Überlieferung aus dem Mittelpersische nahegelegt, was allerdings umstritten ist. 641 Nöldeke verweist auch darauf, dass das Stadium astrologischer Kenntnisse beim Schreiber nicht allzuweit gediehen war, da er archaische Formen für die Planetennamen benutzt, wie z. B. den status constructus bei šams, was sonst aus dem Mandäischen bekannt ist, s. Nöldeke 1890: 19. 642 Die syrische Übersetzung stammt aus dem 3./4. Jh. und ist in einer der frühesten syrischen Handschriften von 411 belegt, s. Childers 2011: 100f. Eine kritische Edition des syrischen Textes mit griechischem Paralleltext wurde von Frankenberg 1937 besorgt. 643 Wegen der Übereinstimmungen wird für beide Werke eine einzige Grundschrift angenommen, die vermutlich zwischen 220 und 300 in Syrien entstanden ist. Zur Diskussion s. Kelley 2006: 11. 644 Die Abhängigkeiten der Pseudo-Klementinen vom bardesanischen Text in evtl. griechischer Übersetzung ist bis heute umstritten, s. Kelley 2006: 23ff. 645 Es werden in Analogie zu Bardesanes v. a. die Gesetze und Bräuche verschiedener Länder oder Regionen herangezogen, um die Gültigkeit astrologischer (Individual-)Prognostik zu disqualifizieren, s. Kelley 2006: 23. Eine quellenkritische Überlegung und eine lange Diskussion zu den Argumenten für und wider astralen Determinismus in den Recognitiones findet sich bei Kelley 2006: 94ff., Hegedus 2007: 319–327.
1.5 Die Quellen: syrische Astrologie und Astraldivination
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Des weiteren enthält er einige Anspielungen der Lehre von den kritischen Tagen und Stunden und ist geprägt von einer recht positiven Sicht der Astrologie. Diese äußert sich exemplarisch in der Ausgestaltung der Figur Abrahams als Begründer der Astrologie. Diese wird sogar als zentrale Lehre bei Abrahams Aufstieg zu Gott angepriesen.⁶⁴⁶
1.5.6.3 Astrologie und Vorzeichen in Chroniken Der Bericht von Naturereignissen in Geschichtswerken ist ganz und gar legitim, und nicht selten auch als stilistisches Element gebraucht, um eine Beurteilung der Geschehnisse aus der transzendenten Sphäre zu suggerieren.⁶⁴⁷ Auch in orientalischen Gefilden sind dadurch im 7./8. Jh. 13 Erdbeben sowie 13 Kometen nachweisbar, daneben 164 totale oder partielle Sonnen- und 227 totale oder partielle Mondfinsternisse.⁶⁴⁸ Ihre Darstellung wird aber auch zur Inszenierung paralleler Ereignisse eingesetzt.⁶⁴⁹ Elias von Nisibis berichtet in seiner Chronik über den Tod des Patriarchen Timotheus (von Amida und Nisibis), der in Folge einer Seuche (måwtånå), die in Mossul wütete, im Jahre 1933 der Griechen verstarb. Diese Hungersnot sei begleitet gewesen von
646 S. Hegedus 2007: 322. Die Darstellung Abrahams als Astrologe geht bereits auf jüdische Schriftsteller des 3. vorchr. bis 1. nachchr. Jh. zurück, die bei Eusebius in seiner Praeparatio evangelica als diesbezügliche Quelle genannt werden, namentlich Pseudo-Eupolemus und Artapanus. Weitere Schriften, in denen Abraham als Astrologe par excellence genannt wird, sind das Buch der Jubiläen (12,17–18), Philos De Abrahamo (69–71) und Josephus Antiquitates Judaicae (1,154–57), s. Kelley 2006: 95f. 647 Die Historiographie der Antike ist im Allgemeinen viel stärker moralisierend, man denke nur an Cassius Dio etc. 648 Diese Zahlen lassen wohl eher an einen Aprilscherz denken, sind aber so bei Hage 1966: 53 notiert. 649 Interessant ist auch die Deutung Moronys: „The importance of insisting that such phenomena had meaning and were warnings from God as a textual strategy lies in the fact that there were people who denied that they had any such meaning. According to John bar Penkaye, when God sent earthquakes, portents in the skies, locusts, raiders, and a plague on oxen as warnings, people said it was just chance. When the disasters of 1173 carried off people, animals, and birds, and God justly more or less punished the entire universe, unbelief was greater than the punishment. When the crops were destroyed in September and October, the astrologers attributed the calamity to luck. During the winter of 1173–4 libertines fasted in spite of themselves, drunkards abstained, and kings, the rich, governors, and the poor continued in their prayers, tears, and alms. But the astronomers said the calamity was caused by the conjunction of Saturn with Mars, that the conjunction had passed and with it the calamity, and that it would not recur for many years, so rogations were useless, and there was no need for alms. Clearly such explanations pulled the rug out from under the logic of Syriac historiography, and thus threatened the authority and utility of the Church.“ (Morony 2005: 13f.) Vergleichbares findet sich in mittelalterlichen Viten und Chroniken. Gregor von Tours in der Historia francorum, Einhard in der Vita Karoli Magni, die Historia des Nithard oder die Xantener Annalen erwähnen Phänomene wie Finsternisse, Kometenflug etc. stets in zeichenhafter Funktion als signa oder prodigia, s. Reichel 1991: 57ff.
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einer Sonnenfinsternis und einem fünfstündigen Ascheregen.⁶⁵⁰ Auch in der Chronik des Bar Hebraeus werden an einigen Stellen geschichtliche Ereignisse mit Planetenkonjunktionen, himmlischen Erscheinungen o. ä. unterstrichen Es gibt dazu noch keine Studie, daher ist schwer abzuschätzen, wie programmatisch diese Verknüpfung von Bar Hebraeus durchgehalten ist. Dieser Verknüpfung von himmlischen und irdischen Ereignissen folgen auch Elias bar Šenaya oder Michael der Syrer.⁶⁵¹ Sie alle haben eine Tendenz, die ‚christliche‘ Moral und Perspektive durch die jeweilige Klimatologisierung in die Berichte zu imprägnieren. Der Schriftsteller Johannes bar Penkaye nennt sogar ausdrücklich die Kirchenspaltung (Konzil von Chalcedon) als Grund für die von Gott gesandten Zeichen wie Himmelserscheinungen, Erdbeben usw.⁶⁵² Bei Michael dem Syrer, finden sich ebenso derartige Verknüpfungen. Die im 5. Jh vom Himmel gefallenen Steine wurden als Zeichen kirchlicher Korruption, der Verbannung der Orthodoxie und der Einführung der dyophysitischen Häresie gedeutet.⁶⁵³ Kuriose Phänomene wie ein im Himmel stehendes Schwert begleitet die heranrückende Gefahr der arabischen Eroberer (ibid. II, 414, IV, 411) bzw. ein Komet, der sich 632 in der Form eines Schwertes 30 Tage lang am Himmel von Süden nach Norden bewegte.⁶⁵⁴ Bemerkenswert sind auch die vermeintlichen Ereignisse bei der Wende vom 6. zum 7. Jh.: das Erscheinen zweier menschenähnlicher Wesen im Nil⁶⁵⁵ und die aus einem Feldlager des Kalifen al-Mans.ūr stammende Legende von der Wiedergeburt muslimischer Gefallener, die aus ihren bereits geschlossenen Gräbern auferstanden sein sollen.⁶⁵⁶
650 S. Chabot 1909: 229. 651 Mit eigener Studie von Vandenhoff 1920. 652 S. Brock 1987: 60, Morony 2005: 12. 653 S. Chabot 1910, Bd. II: 36, IV: 182–3. Auch bei der Krönung Markions soll eine Finsternis stattgefunden haben als Zeichen der Verblendung seiner Anhänger, s. Chabot 1910, Bd. II: 72, Bd. IV: 205. Weiterhin berichtet er über einen Kometen während des Herrschaftsantritts Justinians als Zeichen der Apostasie und des Untergangs der Kirche, s. Chabot 1910, Bd. II: 180, IV: 265–6. 654 Davon berichtet wohl auch Bar Hebraeus, s. Budge 19762 : 93, Hage 1966: 54. 655 S. Hage 1966: 54. 656 Chabot Bd. 2: 518–520, 471f., Budge 19762 : 112, vgl. Hage 1966: 54. Die drohende Gefahr der muslimischen Eindringlinge könnte sich mit dem von Michal dem Syrer beschriebenen Feuersturm von 708 decken, s. Chabot 1910, Bd. II: 480f., 450f., vgl. Hage 1966: 54. Drei Feuersäulen im Himmel im Jahre 745 und im folgenden den Himmel verdunkelnder Staub, Meteorregen usw. als Vorausdeutung von Blutvergießen und einer kommenden Landplage, s. Chabot 1910, Bd. II: 506–508, IV: 464f. Es soll in diesem Jahr auch Finsternisse, Erdbeben und Kometenflug gegeben haben, s. Morony 2005:13, Hage 1966: 54.
1.5 Die Quellen: syrische Astrologie und Astraldivination
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1.5.7 Fazit Die Kirchenväter sprechen sich en gros dezidiert gegen die Astrologie, Astraldivination und Divination aus, darunter Jakob von Edessa oder Georg der Araberbischof, eine Situation, die bis heute anhält, wenn man an die Literaturgeschichte des syrisch orthodoxen Patriarchen Barsoum denkt, die tatsächlich wissenschaftlichen Anspruch besitzt. Dort wird das Thema der Astrologie und Alchemie mit der folgenden Begründung ausgeklammert: „As for the ancient pseudo-alchemy, the Syrians were motivated by the Christian teaching and practice to reject it as they also rejected the absurdities of astrology.“⁶⁵⁷ Das Gegenteil beweist die obenstehende Liste. Astrologische Vorstellungen sind nicht nur für die eigentlichen Fachtexte relevant, sondern in vielen anderen Gattungen wie der Historiographie sogar als fester Bestandteil vertreten. Es scheint, als ob die Blüte der Disziplin in islamischer Zeit auch ein vermehrtes Interesse auf syrischer Seite befördert hätte. Als Pionier wird häufig Theophilus von Edessa erhoben, der eng mit den islamischen Oberschicht verbandelt war. Das verwandte Gebiet der Traumdeutung legt solch ein Paradigma nahe, man findet dort mit Pseudo-Achmet und Bar Bahlūl zwei Autoren, die sich von muslimischen Autoren inspirieren lassen.⁶⁵⁸ Die syrische Aufgeschlossenheit, die bis in die Kirche Einzug hält, verkörpert Bar Hebraeus, der sich Themen wie der Physiognomik, der Astrologie und innerhalb seiner Geschichtsschreibung anderer divinatorischer Praktiken annimmt. Kompilationen wie das SBM beweisen, dass die Divination in Gebrauch war, und, auch wenn der innerkirchliche Diskurs diese Methoden verwarf, eifrig Texte für deren Gebrauch produziert wurden. Das SBM ist unter den technischen Quellen der Astraldivination die längste zusammenhängende Sammelschrift in syrischer Sprache.
657 Barsoum 2003: 194. Dass Astraldivination in einem monastischen Umfeld tradiert wurde, beweist dagegen die Sammlung des SBM mit den zahlreichen biblischen und theologischen Anspielungen, s. u. 658 Ihre Werke sind in arabischer Sprache verfasst, s. Lamoreaux 2002: 165f.
2 Das Syrische Medizinbuch (SBM) 2.1 Status quaestionis: zum Forschungsstand des SBM Im Jahre 1913 gab E. A. Wallis Budge,¹ damals Leiter der assyriologischen und ägyptischen Abteilung des Britischen Museums, den syrischen Text des SBM mit Einleitung und englischer Übersetzung unter dem Titel Syrian Anatomy, Pathology, and Therapeutics or ‘Syriac Book of Medicines’ heraus. Thematisch zerfällt die Kompilation in drei Teile: der erste behandelt die galenische Schulmedizin, der zweite Astrologie, Divination und Kosmologie, der dritte enthält eine Sammlung heilkundlicher Rezepte und schließt mit einer pharmakologischen Liste.² Die Handschrift ließ Budge sich von dem Schreiber I¯sa¯ bar Išaya¯ aus einer Privatsammlung im Irak kopieren. Budge hatte sich während seines Irakaufenthaltes für das Britische Museum einige Werke abschreiben lassen, darunter die Sahne der Weisheit von Bar Hebraeus, das Leben des Rabban Hormizd³ und das Buch der Regenten von Thomas von Marga. Der Erwerb der Handschriften, darunter das SBM, werden in seiner Biographie erwähnt. Dabei beschreibt er den 1. Teil als „a “Book of Medicine” according to the great Greek physicians, which was in use in the hospitals of Edessa and Nisibis in the early centuries of the Christian Era“, den 2. und 3. Teil als „a Book of Medicine compiled from the works of native authors, and from ancient Babylonian and Assyrian sources.“⁴ In seiner Einleitung des SBM wird der Unterschied des ersten, schulmedizinischen Teils noch deutlicher: „The second section of the Book of Medicines is astrological in character, and was included in the manuscript by some student or scribe who could not free himself from the trammels of the beliefs of some of his contemporaries. Not satisfied with the medical system of Hippokrates he had recourse to omens, portents, spells, divinations, and planetary forecasts in order to find out whether a woman had conceived, and if so whether the unborn child would be a boy or a girl.“⁵
1 Biographisches zu Budge findet sich in seiner zweibändigen Autobiographie By Nile and Tigris 1920, s. auch Thompson 1935, Ismail 2011. Zum Zeitgeist der Fachwelt s. Maier 2011: 36f., Becker 2005: 175–215. 2 Die Liste wird z. T. auch als eigenständiger, von den Rezepten ursprünglich unabhängiger Teil gewertet. 3 Dieses wurde später ediert, s. Budge 1902. 4 Budge 1920: 237. Erst in der Fußnote, die in der Aufzählung den vermeintlich unzusammenhängenden Werken folgt, wird klar, dass es sich hier um eine einzige Schrift handelt, da er auf die Edition beider Werke in seiner Syrian Anatomy, Pathology and Therapeutics von 1913 verweist. 5 Budge 1913, Bd. I: XI. Bei Bar Hebraeus (Chron. Eccles. III: 173) findet sich die Anekdote über den ¯ der sich seine Position als Leibarzt des Kalifen al-Mahd¯ı vernestorianischen Arzt Abū Qurayš I¯sa, diente, indem er zweimal das richtige Geschlecht eines ungeborenen Kindes vorherzusagen wusste, s. Abele 2008: 31ff. https://doi.org/10.1515/9783110565737-005
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Weitaus objektiver beschreibt Seidel die Kompilation in der Besprechung des SBM als zusammengesetzt „aus dreierlei Quellen, einer in der Hauptsache exakt-wissenschaftlichen, einer spekulativ astrologischen und einer empirisch-volkstümlichen […], so daß wir wie auf einem Triptychon sämtliche Konfigurationen der medizinischen Idee in den verschiedenen Geistesgeschichten der Zeit beeinander sehen.“⁶ Bevor wir näher auf dieses Zusammenspiel verschiedener medizinischer Ideen eingehen können und den Blick auf Inhaltliches richten, wollen wir einen um den Handschriftenbestand erweiterten Überblick zum bisherhigen Forschungsstand des SBM geben. Nach der Besprechung von Seidel blieb die Kritik an der Edition von Budge nicht lange aus. Während der Rezensionist Gaster noch lobende Worte findet, hält Brockelmann neben wohlwollenden die kritischen nicht zurück.⁷ Jener hat einige Verbesserungen der Vokalisation bei Budge anzumerken, Löw besonders an der Lesart der Pflanzennamen des Rezeptteils auszusetzen. Sicherlich ist dies zum einen auf Budges immenses Arbeitspensum zurückzuführen, zum anderen auf seine Unkenntnis der medizinischen und pharmakologischen termini technici sowie mangelnder Vertrautheit mit den galenischen Quellen. Diese mühevolle und akribische Zuordnung galenischer Quellen, zum Teil nur weniger Zeilen, für den gesamten ersten Teil des SBM ist Schleifer zu verdanken, der in einigen Artikeln weitere Korrekturen am Text vornahm.⁸ Meyerhof bemängelt 1915 v. a., dass „Budge durch Zusammenarbeit mit einem Medizinhistoriker oder durch ausgiebigere Benutzung der griechischen und orientalischen Quellen zur Geschichte der Heilkunde zahllose Irrtümer [bei der Übersetzung hätte] vermeiden können“. Er nimmt ihn aber in Schutz, da „es […] wohl der Schnelligkeit, mit welcher Budge zu arbeiten pflegt, zuzuschreiben [sei], daß er oft dasselbe Wort an zwei nahe zusammenliegenden Stellen verschieden übersetzt, und die arabischen oder persischen Übertragungen von Heilmittelnamen am Schlusse seiner Handschrift viel zu wenig ausnutzt.“⁹ Meyerhof unterteilt das SBM in vier Teile, wobei er das Verzeichnis syrischer-arabischer Pflanzennamen als eigenen Teil ansieht. Den ersten hält er für den ältesten Teil der Kompilation.¹⁰ Er vermerkt, dass einige Pflanzen-
6 Seidel 1914: 389. Die Idee stammt aus der Einleitung von Budge: „The presence of these forecasts and the four hundred ‘native’ prescriptions in the manuscript is probably due to the person who had the archetype copied, and who wished to include in one volume the various systems of medicine that had been in vogue in his native land.“ (Budge 1913, Bd. 1: CLXVII). 7 S. Gaster 1914, Brockelmann 1914: 203. So monieren Brockelmann und Löw, dass ihm der Name Galens innerhalb des Textes (SBM: 719,5) entgangen sei und er ihn daher in der Übersetzung unterschlägt, s. Löw 1916. 8 S. J. Schleifer 1926, 1927, 1928, 1940, 1946. Der Appendix bietet einen Einblick in die recht eklektisch anmutende Zusammenstellung galenischer Passagen. 9 Meyerhof 1915: 257. 10 Es folgt ein inhaltlicher Vergleich der Augenheilkunde mit der galenischen Literatur und dem ara¯ bisch schreibenden Ibn Masawayh.
2.1 Status quaestionis: zum Forschungsstand des SBM
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namen, die in den Rezepten vorkommen, bei den Griechen und späteren Alexandrinern wie Paulus von Aegina nicht vorkommen, z. B. Moschus, Kampfer und Galangawurzel.¹¹ Zur Korrektur einiger falscher Übersetzungen oder schlichtweg nicht erkannter und von Budge in Transliteration belassener Wörter iranischer Provenienz hat Margoliouth in ihrem Supplementband des immer noch unübertroffenen Thesaurus Syriacus, dem Supplement to the Thesaurus Syriacus, beigetragen.¹² Unzähliger Einzeluntersuchungen (s. u.) und Erwähnungen des SBM in Literaturgeschichten zum Trotz hat sich seine Kunde kaum über die Grenzen der Syrologie hinaus verbreitet; so schreibt Zonta in einer Enzyklopädie zur Wissenschaft, Technologie und Medizin des Mittelalters: „In the early medieval Syriac literature from the Persian area (Mesopotamia and Iran), some traces of the doctrine of ‘microcosm/ macrocosm’ are found in such authors as Ahudemmeh (sixth century), Theodor Bar Koni (c. 900 C.E.), and the writer of The Syriac Book of Medicine.“¹³ Zonta referiert hier auf eine überholte Frage, die in der älteren Forschung immer wieder aufgeworfen wurde: die Frage nach dem Verfasser. Nachdem es sich um eine Kompilation handelt, kann die erste Untersuchungsebene aber nicht auf den Verfasser abzielen, sondern muss den Kompilator und seine Quellen anvisieren. Dennoch wollen wir in Kürze auf die bisher dazu aufgestellten Thesen eingehen. Baumstark nennt ¯ „nur vermutungsweise“ als den Verfasser, ihm folgt Assfalg ebenH.unayn b. Ish.aq falls mit Fragezeichen.¹⁴ „Nicht ganz auszuschließen ist zuletzt die Möglichkeit, daß ¯ astrologische Neigungen hatte.“¹⁵ Ihm zugeschrieben der Nestorianer H.unayn b. Ish.aq ¯ al-Mudhal al-kab¯ır, das vom Einfluss der wird zumindest die Übersetzung eines Kitab ˘ Planeten und dem Erstellen von Talismanen zu Heilzwecken handelt.¹⁶ Auch wenn Seidel keine dezidierte Auskunft über Zeit und Ort der Verschriftung gibt, glaubt er eine Paraphrase Galens vor sich zu haben. Nach den Angaben, die in der ersten Person gehalten sind, schließt er auf einen Verfasser, der in Alexandrien studiert habe und Befürworter der Leichensezierung sei. Außerdem läge jedem Kapitel eine Vorlesung zugrunde.¹⁷ 11 S. Meyerhof 1915: 258. 12 S. Margoliouth 1927. Die Tochter von P. Smith hatte diesen Band nachgereicht. Dort wurden auch diejenigen Texte berücksichtigt, die nach dem Erscheinen des Thesaurus Syriacus ediert wurden, und zum großen Teil der wissenschaftlichen syrischen Literatur angehören. Als Quelle gibt sie u. a. das noch nicht veröffentlichte SBM an, das Budge ihr zur Verfügung stellte, s. Margoliouth 1927: VIIf. Einen Überlick syrischer Lexikographie bietet der Artikel von Brock 2003. 13 Zonta 2005: 346. 14 S. Baumstark 1922: 229, Assfalg 1963: 139. 15 Ullmann 1972: 302. 16 S. Ullmann 1972: 380. Ullmann geht jedoch nicht so weit, ihm das SBM zuzuschreiben. Budge selbst glaubt im ersten, medizinischen Abschnitt „the great medical treatise composed by Bar Hebraeus which is mentioned by Assemânî“ gefunden zu haben, s. Budge 1920: 237, vgl. Assemani 1721: 272. 17 S. Seidel 1914: 389.
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Obgleich Sezgin an anderer Stelle auf die Bedeutung der syrischen Astrologietradition, insbesondere der Danielapokalypse, für die arabische Astrologie hinweist (s. u.), nennt er das SBM als „das anonyme syrische medizinische Buch“ nur im Band zur Medizin und Pharmazie seiner Geschichte des arabischen Schrifttums, nicht in Band VI zur Astrologie und Meteorologie.¹⁸ Verfasser und ursprüngliche Sprache sind nach ihm kaum festzustellen, jedoch verweise die Erwähnung einer Behandlung in Alexandria durch den Verfasser auf griechischen Ursprung. Er legt die Zeit der Abfassung zwischen das 6. und 8. Jh., „da der unbekannte Verfasser von den Syrern Sergios von Reš aina¯ und Ašl¯ımun zitiert“.¹⁹ Dazu bemerkt Ullmann: „Der Autor, den Carl Brockelmann […] mit Recht einen Plagiator genannt hat, hat sie wörtlich aus Galens Werk De locis affectis abgeschrieben. Er hat dabei die Ich-Form der Erzählung Galens beibehalten, so daß der Eindruck entsteht, er selbst, der Syrer, habe die Begebenheit erlebt. In Verkennung dieses Umstandes folgert Sezgin […], daß der Verfasser des ‚syrischen Medizinbuches‘ in Alexandrien gelebt habe und daß das Buch erst griechisch geschrieben und dann ins Syrische übersetzt worden sei.“²⁰
Degen endlich verweist auf die Dreiteilung des Werkes und das späte Hinzutreten des letzten Teiles, der Rezeptsammlung, weswegen eine Datierung für jeden der drei Teile separat anzuwenden sei. Dass hier das Werk eines Kompilators (mkannšånå) vorliegt, ¯ ist unbezweifelt.²¹ Dennoch finden sich bei Gignoux und Flattery-Schwartz Angaben zu einer vorsichtigen Datierung des Werkes (oder der Kompilation?) um das 6. Jh.²² ¯ sammånē¸, des Ein erst kürzlich erschienener Artikel hat sich dem Genre des Spar ‚Giftbuches‘, zugewandt und nennt das SBM als erste Edition eines solchen Werkes. Nachdem es sich in dem Artikel um Astrologie und Divination handelt, dürfte der zweite Teil des SBM gemeint sein.²³ Von großem Verdienst ist sein Brückenschlag in die Moderne, da er eine neuaramäische Übersetzung dieses Werkes nennt: Mūshé
18 Allgemein kritisiert Lamoreaux 2002: 1 an der sezginschen Klassifikation von Wissensgebieten, die in Einzelbänden zusammengefasst die Gesamtheit der arabischen Literatur abzubilden beansprucht, dass es keinen eigenen Band zur Divination gibt. Er begründet dies damit, dass „the manuscript collections of the Muslim world are replete with hundreds of thousands of texts on these subjects.“ 19 Bei Ašl¯ımun handelt es sich um einen unbekannten syrischen Autor, der wahrscheinlich im 6. Jh. lebte. Im SBM: 306 wird er bei einem Rezept gegen Magenschmerzen zitiert, s. GAS III: 176f. 20 Ullmann 1971: 291. 21 S. Degen 1972: 118. 22 S. Gignoux 2001: 224, Flattery/Schwartz 1989: 87. 23 Die Wahl dieses Begriffs ist eine rezeptionsgeschichtliche, da „in modern Assyrian folklore“ diese ¯ genannt wird. Der Autor beliebteste Sammlung „concerning astrology and divination“ Parsummané verschweigt leider, dass diese Zusammenfassung sekundär ist und dass es kaum eine stabile Überlieferung einer einzelnen Sammlung gibt, was auch mit der vornehmlich oralen Tradierung zusammen¯ sammånē¸ auch noch hängen dürfte, s. al-Jeloo 2012: 459. Später fasst er unter dem Genre des Spar Schriften wie das „Book of Protection and Amulets“ und das „Book of Omens, Book concerning all the
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1993.²⁴ Die Datierung des SBM bzw. die Argumente dafür sind allerdings alles andere als fundiert recherchiert. al-Jeloo setzt babylonischen Ursprung der Texte mit einer andauernden Revision unter den Seleukiden, den Parthern und unter islamischen Gelehrten an. Beweis seien die Monatstafeln (SBM: 448–450), welche die babylonischen Monatsnamen neben die Monate des islamischen Lunarkalenders stellen würden.²⁵ Allerdings handelt es sich hierbei sicherlich nicht um die babylonischen Monatsnamen, sondern die syrischen, die zwar in einigen Fällen auf die babylonischen Namen zurückgehen, aber eine eigene Entwicklung genommen haben.²⁶ al-Jeloo versucht mit allen Mitteln für eine ungebrochene Tradition seit babylonischer Zeit zu argumentieren, darunter dem nur kurze Zeit gebrauchten seleukidischen Kalender, der Weitergabe astronomischer Schriften, der babylonisch-aramäischen sprachlichen Interferenz, dem bis ins 4. Jh. fortgeführten Tempelkult, usw. Dabei macht er nicht Halt davor, auch die Kleidung irakischer Frauen der Niniveebene, die derjenigen der goldenen Zeit Hatras gleichkäme, heranzuziehen (!).²⁷ Er kommt zu dem Fazit, dass „the ¯ and similiar Syriac texts of the same genre are the continuation of Spar-Sammané a Mesopotamian tradition over five millenia old. They constitute the latest translation, edition and redaction of information and knowledge first written in Sumerian cuneiform, and which was later gradually transmitted into Akkadian, Aramaic, Greek and other languages“.²⁸ Dieses Urteil ist natürlich stark simplifizierend.
2.1.1 Medizinischer Teil Der medizinische Teil ist in 21 Kapitel unterteilt. Das erste und zweite Kapitel fehlen nicht nur in der Edition von Budge, sondern in allen erhaltenen Handschriften. Das dritte Kapitel beginnt mit Krankheiten des Kopfes. Der Körper wird dann nach dem althergebrachten Schema von Kopf bis Fuß abgehandelt.²⁹ Der Aufbau der einzelnen Kapitel erfolgt nach dem Muster: Beschreibung der Anatomie des Organs und seinen
organs of the human body, Book of Sorcery, Book of Unbinding Sorcery, Book of Fortunes and Spells, Book of Dream Interpretation, the Acts of Simon Magus, and the Book of Astrology“ (al-Jeloo 2012: 460). 24 Diese Version soll kürzer als die von Budge edierte Version sein, s. al-Jeloo 2012: 459. Leider konnte ich das Buch nicht einsehen. 25 S. al-Jeloo 2012: 465. 26 Zu den Monatsnamen s. u. 2.2.6. 27 S. al-Jeloo 2012: 470ff. 28 al-Jeloo 2012: 482. 29 Galen zufolge war diese Anordnung eine „allgemeine Gewohnheit der früheren Ärzte“ (Maróth 1984: 123). Das Kopf-bis-Fuß-Schema scheint beinahe eine medizinische Universalie darzustellen, „the common format to both Akkadian symptom lists in the Diagnostic Handbook as well as the treatise of Diagnosis in the Hippocratic corpus“ (Geller 2000a: 16).
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Funktionen, dann folgen die bekannten Erkrankungen mit Behandlungsmethoden.³⁰ Der Inhalt der ersten beiden fehlenden Kapitel ist Gegenstand von Spekulation geworden. Als Fußnote vermerkt Budge in seiner Biographie: „The section which dealt with the sexual organs is wanting.“³¹ Nach Brockelmanns Vermutung wurden die ersten beiden Kapitel entfernt, da sie nur theoretische Präliminarien enthalten hätten, bedeutungslos für die Praxis.³² Le Coz folgt ihm in dieser Beurteilung. Den medizinischen Teil stellt er ganz in die Tradition des syrischen medizinischen Curriculums.³³ Der einzige, der zwingende Argumente bereithält, ist Schleifer, der die Strapazen einer detaillierten Lektüre des medizinischen Teils auf sich genommen hat. Er nennt innerhalb der erhaltenen Kapitel zwei Stellen, die auf die verlorenen Kapitel Bezug nehmen. Das erste Kapitel muss demzufolge die Verschiedenheit der Krankheitssymptome nach dem galenischen περὶ τῶν συμπτωμάτων διαφορᾶς behandelt haben, das zweite Kapitel Grundlegendes zur Medizin. Dazu rechnet er eine detaillierte Beschreibung des menschlichen Körpers, der einzelnen Körperteile, Definitionen von Krankheiten, Symptomen und deren Ursachen.³⁴ Die syrische Übersetzung enthält verschiedenste Werke Galens wie Ars medica, De symptomatum causis, De locis affectis, De compositione medicamentorum secundum locos, usw.³⁵ Für den Übersetzer der galenischen Passagen ins Syrische würde man freilich gerne eine Autorität bemühen, sei es Sergius von Reš Ayna, sei es H.unayn ¯ des H.unayn als Übersetzung ¯ zumal die zitierten Werke allesamt in der risala b. Ish.aq, von Sergius und anderen Übersetzern bezeugt sind.³⁶ Das Hindernis einer eindeutigen Zuordnung ist die schlechte Überlieferungslage syrisch-medizinischer Schriften, die es erschwert, längere Textpassagen zu vergleichen. Für einige Stellen ist die Übersetzung durch H.unayn nachweisbar.³⁷ Eine umfassende Studie wäre hier wünschenswert.
30 Wie Bhayro 2012 zeigen konnte, sind aber hierbei nicht nur griechisch-galenische Traditionen eingeflossen, sondern auch mesopotamische, meist in Rezeptform als Behandlungsmethode. 31 Budge 1920: 237. Man mag diese Interpretation dem viktorianischen Zeitgeist zuschreiben. 32 S. Brockelmann 1914: 185. 33 „Selon toute vraisemblance les étudiants en médecine de Nisibe avaient également cet ouvrage.“ (Le Coz 2004: 43f.) 34 S. Schleifer 1926: 73f. Als galenische Quellen für dieses Kapitel schlägt er die drei ersten Bücher von περὶ τῶν πεπονθότων τόπων, das zweite und dritte Buch von περὶ αἰτίων συμπτωμάτων vor. 35 S. Degen 1981. Eine Übersicht en detail bietet der Appendix. Neben den Studien von Schleifer ist ein jüngeres, wiedererwachendes Interesse an der syrischen medizinischen Terminologie zu verzeichnen, s. Bhayro 2005, Ford 2002. Die in diesem Teil genannten Autoritäten sind Hippokrates, Diokles, Archigenes, Andronikos, Asklepiades, Theodoros, Demokritos, Dioskurides, Menestios, Philon, Philagrios, Ptolemaios, Severus. Bhayro 2012: 146 verweist auf den Bedarf, diesen (Pseudo) zuschreibungen gesondert nachzugehen. 36 S. Degen 1981: 135ff. 37 Z. B. entspricht S. 267, Z. 8–16, in der Edition von Budge dem Manuskript Mingana Syr. 594, fol. 153 b, welches, zumindest diese Passage, von H.unayn stammt, s. Degen 1972: 118, id. 1978: 48ff.
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Parallelstellen des Textes bei arabischen Autoren werten Meyerhof und Sezgin ¯ als direkte Zitate. Das SBM wurde ihnen zufolge reichlich von Yūh.anna¯ b. Masawayh ¯ at.-T.abar¯ı zitiert.³⁸ und Al¯ı b. Rabban „Die Tatsache, daß die letztgenannten beiden Verfasser das uns erhaltene syrische Werk so stark benutzt und sogar große Teile daraus übernommen haben, zeugt von seinem großen Ansehen, dessen es sich anscheinend besonders bei ursprünglich syrischen Ärzten erfreute. Der Vermutung von Meyerhof, daß es sich hierbei um die Übersetzung der σύνταγμα des Ahron […] handelt, was nicht unwahrscheinlich erscheint, muss aufgrund der erhaltenen Fragmente noch nachgegangen werden.“³⁹
Budge selbst legt in seiner Einleitung zum SBM das Hauptaugenmerk auf den medizinischen Teil, den einzigen, den er überhaupt als wissenschaftlich wertvoll einschätzt, da er griechische Traditionen zugrunde legt.⁴⁰
2.1.2 Astraldivinatorischer Teil Baumstark rekurriert in seiner Literaturgeschichte auf den astrologischen Teil der Kompilation im Zusammenhang mit vergleichbaren handschriftlichen syrischen Texten, darunter „Vorzeichen aus Sonne, Mond und Sternen nach der Anschauung der Chaldäer“,⁴¹ Auszüge aus einem astrologischen „Buch des Siegers und Besiegten“ unter dem Namen des Aristoteles⁴² und ein Vorzeichenbuch des Propheten Daniel.⁴³ In seiner Übersicht werden indirekt schon zwei Probleme bei der Erforschung syrischer astrologischer Schriften angesprochen, zum einen, dass die astrologischen und divi-
38 S. Meyerhof 1915: 258ff., Meyerhof 1931: 62f. 39 GAS III: 178. Ahron war alexandrinischer Presbyter, der im 6. Jh. lebte und eine medizinische Kompilatschrift verfasste, deren Übersetzung die älteste bekannte Übersetzung eines medizinischen Tex¯ os ¯ tes ins Arabische ist. Ursprünglich griechisch verfasst wurde die Schrift von einem gewissen Gosi ¯ als Entlehnung des ins Syrische übersetzt und dann ins Arabische. Daher erklärt sich der Titel kunnaš ¯ syrischen kunnåšå „Sammlung“, die arabische Entsprechung wäre eigentlich gˇ ami. Es geht darin um Krankheiten, ihre Behandlung, Ursachen und Symptome, s. GAS III: 166f., Le Coz 2004: 43. 40 S. Budge 1913, Bd. 1: CLIIff. Obwohl Becker 2005: 181 ihm ein stark vom Kolonialismus geprägtes Wissenschaftsverständnis unterstellt, sowie eine Ablehnung jeglicher Art von Volkstradition, muss dem entgegengehalten werden, dass es gerade Budge war, der viele Texte dieser Art überhaupt erst zugänglich machte. Außerdem zeigen einige seiner Veröffentlichungen ein betontes Interesse an den „esoterischen“ Themen, wie The Book of the Dead 1923, From Fetish to God in Ancient Egypt 1934 oder Magic and Amulets 1961. 41 Er verweist auf weitere anonyme astrologische Texte in den Handschriften Urm 76 (1793/4), 85 (19. Jh.) bzw. CmbrOo. 1. 29 (17/8. Jh.). Die Sigle Urm bezeichnet Handschriften aus der Sammlung des amerikanischen Missionskollegs von Urmia. 42 In einer Handschrift der Bibliothèque Nationale Paris (Pr76), s. Baumstark 1922: 230. 43 BrMOr 2084 (19. Jh.), s. Baumstark 1922: 230. Eine Beschreibung der Handschrift und einige Auszüge finden sich bei Furlani 1917b.
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natorischen Schriften zum größten Teil unediert sind, zum anderen, dass sie entweder anonym überliefert oder verschiedenen Autoritäten zugeschrieben sind, was die Ermittlung der Entstehung und der verschiedenen Rezensionen erschwert. Eine knappe Zusammenfassung und Einschätzung zur Entstehungszeit bietet Brockelmann: „Wie in vielen griechischen Handschriften folgen dem medizinischen Werke Notizen und Tabellen zur Astronomie und Astrologie. Aus dem wirren Inhalt, von dem man […] wohl das meiste auf seine Quellen wird zurückführen können, nenne ich nur die in ihrem Ton noch ganz an babylonische Omentafeln erinnernden Auszüge aus dem Buche des Andronicus über die Vorbedeutung der Sternschnuppen […], ein Stück aus Basilius über die Bewegung der 25 Himmelssphären […], sowie ein metrologisches Stück, in dem Elias von Nisibis […] zitiert wird. Daß dieser Teil des Buches auch sonst auf sehr junge Quellen zurückgeht, zeigen die arabischen Planetennamen 470ff.“⁴⁴
Über astrologische Fragmente, die er mit dem SBM vergleicht, schreibt auch Furlani, dass es sich um Übersetzungen aus dem Arabischen handeln müsse.⁴⁵ „Wahrscheinlich gehen sie aber auf griechische Vorlagen und höchstwahrscheinlich auf babylonische Quellen zurück.“⁴⁶ Dagegen stellt Fodor die meteorologisch-divinatorischen ¯ Prognosen des SBM (S. 441–552) in die arabische Malh.amat Danyal-Tradition und identifiziert ihren Verfasser als syrischen Christ.⁴⁷ van de Vyver hat bereits in einer Untersuchung von 1932 darauf verwiesen, dass es sich bei den im SBM versammelten arithmomantischen Schriften um einen unter dem Namen Alexander kursierenden Überlieferungskreis handeln könnte, der möglicherweise sogar an syrischen Schulen gelehrt wurde. Die syrische Version des Alexanderromans gereicht ihm zur Vergleichsgröße und zum Beleg, dass die astrologischdivinatorischen Passagen des SBM aus der Zeit der Abfassung des Alexanderromans stammen müssten.⁴⁸ Noch weiter geht Cumont mit seiner These, dass diese astrologischen „Alexandertraditionen“⁴⁹ durch syrische Kolonisten in Italien oder Gallien in die lateinische Tradition eingedrungen seien.⁵⁰ 44 Brockelmann 1914: 200 sieht die Quellenangaben ohne Überprüfung als vertrauenswürdig. Zum Problem der Identifizierung von Andronikos und der Textstelle, die Elias von Nisibis zugeschrieben wird, s. 2.5.1.1 + 2.5.1.2. 45 Textgrundlage ist die Handschrift BM or 4434, die weiter unten noch genauer behandelt wird, s. Furlani 1921, 1918: 319. Das einzige Argument, das er nennt, ist die Verwendung der Wurzel b PTH . ‚öffnen‘ (f. 53 ) in der Bedeutung von ‚erobern‘, was eine Übersetzung aus dem Arabischen belegen würde, s. Furlani 1921b: 123f. 46 Furlani 1921b: 128. 47 Zu den Argumenten s. o. 1.5.5.13. 48 S. van de Vyver 1936: 682. 49 Alchandreius ist nach Cumont 1916: 17 eine über semitische Vermittlung falsch transkribierte Form des Namens Alexander, weitergehende Verstümmelungen seien Arkandam und Carcandreo. 50 Er bezieht sich hier auf eine lateinische Handschrift „Parisinus 17.868“, die einen Traktat des „Philosophen Alexander“ enthält. Z. T. entsprechen die Prognosen inhaltlich denen des SBM, wie
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Auch wenn es nachweisbar ist, dass schon früh divinatorische und prognostische Texte im Umlauf waren, ist es nicht zulässig, das Material des SBM automatisch in diese alte Schicht einzubinden. Zur Provenienz der astraldivinatorischen Abschnitte des SBM lassen sich grob zwei Hypothesen formulieren: Die erste nimmt die Abfassung und ununterbrochene Tradition im Syrischen, die zweite Übersetzungen aus dem Arabischen an, wobei in beiden Fällen griechische und/oder ältere orientalische Vorläufer anzusetzen sind.
2.1.3 Rezeptteil Im syrischen Text lautet das incipit des pharmakologisch-heilkundlichen Rezeptteils ¯ sammånē¸ arånåyē¸ „mit der Hilfe Gottes schreiben b-yad alåhå kåtb¯ın-an qall¯ıl spar ¯ ¯ wir das Buch der einheimischen Heilmittel“.⁵¹ Degen tituliert es mit „Buch der Landesheilmittel“, wahrscheinlich in Anlehnung an Baumstark, der den dritten Teil des SBM anzeigt als „‚B[uch] der Landes- (d. h. einheimischen) Medikamente‘ betitelte Rezeptsammlung mit einem teilweise wieder in das Gebiet des Aberglaubens führenden
die Einteilung von Stunden, ein Hemerologion (mit Planetenherrschern), die Sphäre des Petosiris, Heiratsprognosen usw., allerdings sind dazwischen etliche Abschnitte eingeschoben, die keine Entsprechung im SBM haben. Der Text zitiert u. a. Alexander, referiert auf die Hebraei und nennt die arabischen Mondstationen. Von ihnen wird behauptet, dass sie syrischen Ursprungs seien, worauf auch die Argumentation Cumonts fußt. Er kommt dabei zu dem Schluss, dass der Verfasser der Handschrift, der wohl ein Jude war und im 8./9. Jh. in Gallien lebte, nicht aus dem Arabischen, sondern aus dem Syrischen übersetzt haben müsse (!). Kunitzsch 1959: 35f. entschärft das Argument und versteht „syrisch“ hier als „allgemeinorientalisch, mit orientalischer Herkunft“. Die Handschrift stammt nach Meinung von van de Vyver 1936: 666 u. a. zwar erst aus dem 10. Jh., gehört aber gemeinsam mit zwei weiteren Handschriften aus dem 11. Jh. zum ältesten Stratum mittelalterlicher Astrologie, „qui ne sont point d’origine classique“ und „vont principalement sous le nom d’Alchandreus et d’Alexander.“ Auch er hält die Quelle für eine ursprünglich syrische, die aber dann arabisch und hebräisch „infiltriert“ wurde, s. Juste 2007: 11f. Auch wenn diese Handschrift einer speziellen Untersuchung bedürfte, sollte i. A. die Anwesenheit syrischer Zeugnisse, Kolonien und Händler in Europa zu Beginn des Mittelalters als möglicher Weg der Wissensüberlieferung zu denken geben, s. Bréhier 1903. 51 SBM: 553. Wegen seiner Übersetzung des Adjektivs als (engl.) „native“ kritisiert Becker seitenweise das Wissenschaftsverständnis von Budge. Die korrekte und wertfreie Übersetzung sei „local“. Er selbst räumt ein, dass das Adjektiv in Anlehnung an einen Werktitel Galens von einem Syrer ausgewählt worden sei, wobei sich hier die Frage stellt, ob nicht der Fehler bei dem übersetzenden Syrer gelegen habe, denn als Übersetzung von τόπος würde man im Syrischen atrå erwarten bzw. das dazugehörige ¯ Adjektiv. Das syrische arånåyå bezeichnet sonst das ‚Terrestrische, Irdische‘, meist im Gegensatz zum ‚Himmlischen‘. Die Übersetzung jedoch, die Budge gewählt hat, ist zwar frei (weswegen er die Anführungsstriche benutzt und sich dessen sehr wohl bewusst ist), aber trifft doch die Unterscheidung von der traditionellen Schulmedizin, die im ersten Teil geboten wird. Zur Kritik an der Übersetzung von Budge s. Becker 2005: 186.
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Anhang über Tiere und Pflanzen und deren medizinische Verwertung.“⁵² Wie dieser feststellt, wurde ein Fragment des Rezeptteils bereits vor Budge ediert, nämlich von Gottheil.⁵³ Obwohl Budge diese Edition sogar in seiner Einleitung vermerkte,⁵⁴ hatte er übersehen, dass es sich dabei um den gleichen Text handelte.⁵⁵ Eine Auflistung von Tieren und deren Verwendung als materia medica will Budge mit den mittelalterlichen Bestiarien vergleichen, was noch zu prüfen wäre.⁵⁶ Brockelmann stuft das Material aufgrund seines „neusyrischen Sprachgutes“ als jung ein, dazu zählt er z. B. persische Lehnwörter kačal ‚kahl‘, syr. kaˇgal ‚erkrankt‘ ¯ ¯ (S. 554, Z. 12) oder Farbbezeichnungen wie komå ‚schwarz‘ (S. 556, Z. 22) oder smoqå ‚rot‘ (S. 557, Z. 12).⁵⁷ Für einen iranischen Ursprung der Rezepte treten Flattery/Schwartz ein.⁵⁸ Gignoux differenziert zwischen Rezepten, die aufgrund ihres Titels einen griechischen Ursprung andeuten, und Rezepten, die einen syrischen oder iranischen, z. T. als mittelpersisch identifizierbaren Titel tragen, ohne dabei jedoch weiter auf den Ursprung der Rezepte unterschiedlicher Titulatur einzugehen.⁵⁹ Zuletzt hat sich Gignoux von lexikalischer Seite den Giften bzw. dem gesamten Arzneibuch gewidmet.⁶⁰ Gignoux kritisiert zunächst die Ausgabe von Budge, da sie keinerlei Überblick gewähre und eher zur Verwirrung als zur Erhellung beitrage und seinen Index, den er als „terriblement mal fait“ charakterisiert, weil er auf der Übersetzung und nicht auf dem syrischen Text basiere.⁶¹ Insgesamt ist schwer zu sagen,
52 Baumstark 1922: 230. Auf S. 352 verweist er auf eine vergleichbare Handschrift, dazu BM or 4434, s. u. Er bezieht sich auf SBM: 553–601. 53 S. Gottheil 1899. Seine Edition besorgte er nach der Handschrift Paris Syr. 325, wobei er nur fol. 1–8a von den 66 Blättern edierte. 54 Budge 1913, Bd. 1.: CLV, Anm. 2. 55 Auch Brockelmann erkannte nur eine nahe Verwandtschaft, s. id. 1914: 200. Ein Vergleich dieser beiden Quellen ist angekündigt, s. Bhayro 2005: 151. 56 S. Budge 1913, Bd. I: XI. Die (syrische) Physiologustradition ist unabhängig von diesen Sammlungen. Vgl. Ahrens 1892. Ausgangspunkt für einen Vergleich könnten z. B. das strukturell ähnliche ¯ . s., sein. Tiere und ihre Körperteile werden Genre arabisch medizinischer Sammlungen, der sog. hawas ˘ nach ihren Eigenheiten auf Tauglichkeit als Ingredienzien medizinischer o. a. Rezepte abgehandelt. 57 S. Brockelmann 1914: 200ff. 58 S. Flattery/Schwartz 1989: 87. 59 S. Gignoux 2001: 231. 60 Gignoux 2011b. 61 Gignoux 2011: 8. Des weiteren mokiert er „l’Index compilé par Budge, à la fin du second volume qui constitue la traduction, souvent trop libre, et comprenant 75 pages (p. 729–804) est très mal fait et carrément inutilisable tant il contient de lacunes, d’erreurs ou de doublons. Il est impossible d’y retrouver aisément les termes de la pharmacopée, car Budge a répertoirié pêle-mêle les noms des maladies et parfois des médecins qui lois soignent“, in einer Fußnote dazu: „Budge n’a pas mentionné les critères qu’il avait retenus pour un tel Index, dans lequel il a répertoiré toutes sortes des matières, souvent d’une manière incohérente.“ (Gignoux 2011: 9f.). Allerdings bedauert Gignoux zutiefst, dass eine neue Edition aufgrund des Handschriftenverlustes unmöglich sei, ohne die erhaltene Vorlage der
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wie viel Prozent das Material aus dem SBM in seiner lexikalischen Studie ausmacht, da er in sein Korpus noch zwei weitere nicht edierte Handschriften einbezieht.⁶² Eine Datierung der beiden Texte wagt er nicht, allerdings seien Rezeptnamen zu finden, die sich nur als Lehnübersetzungen aus dem Mitteliranischen, nicht dem Neupersischen erklären ließen.⁶³ Somit seien sie in eine Zeit unmittelbar vor dem gänzlichen Verschwinden des Mitteliranischen zu denken.⁶⁴ Es sei noch auf die Beobachtung Ciancaglinis in ihrer Arbeit zu den iranischen Lehnwörtern im Syrischen verwiesen, dass eine Reihe neupersischer Lehnwörter über die Kopisten der Handschriften Eingang gefunden hätten. Besonders in Form von Glossen und Randbemerkungen hätten so die Schreiber neupersisches Gut hinzugefügt.⁶⁵ Ein syrisches Rezept gegen Haarausfall wurde in Turfan, wahrscheinlich als Fragment eines ähnlichen Rezeptbuches, gefunden.⁶⁶ Interessant ist auch eine Beobachtung Gignouxs nach einem Vergleich der bei Plinius (Buch 20) und im SBM genannten Pflanzennamen. Abgesehen von Pflanzen, die nur bei Plinius auftauchen (darunter Brokkoli, Kresse, Distel u. a.), sei der Bestand beinahe kongruent, so dass eine gemeinsame Tradition denkbar ist.⁶⁷ Ähnliche Rezeptbücher in griechischer, arabischer, äthiopischer oder hebräischer Sprache sind unlängst bekannt geworden.⁶⁸ Die Verbindungen mit der babylonischen und ägyptischen Art dieser Literatur steht noch aus. Ein oft übergangenes Faktum ist, dass diese Art von Rezepten z. T. noch in der Gegenwart verwendet werden.⁶⁹ Für die Studien zur arabischen und syrischen Pharmakologie und den Mechanismen der Übersetzung wäre eine Analyse der zweisprachigen Liste sicherlich hilfreich.
Edition BL Ms or. 9360 zu kennen, noch andere Abschriften, die in ihren Variationen eine Einladung für eine neue Edition sind, s. Gignoux 2011: 9. 62 Namentlich Mingana 594 und eine vergleichbare Handschrift der Bibliothèque nationale de France, s. Gignoux 2011: 9. 63 Er räumt hier noch ein, dass nicht direkt auf eine gesicherte vorislamische Entstehungszeit zu schließen sei, zumindest aber auf einen ausgesprochenen Konservatismus der Schrift, s. Gignoux 1998: 727. 64 S. Gignoux 2011: 7f. 65 Als geographisches Beispiel nennt Ciancaglini 2008: 22 Alqoš (!), von dem bekannt ist, dass dort vor 1500 das Persische die sprachliche Vormachtsstellung innehatte. 66 Weiteres zu Vergleichen mit anderen Rezeptsammlungen bei Galen, Plinius (Buch 20–23 der Naturalis Historia) oder Dioskurides bis hin zu babylonischen Parallelen s. Maróth 1984: 123ff., SimsWilliams 2011. 67 Bei Plinius ist die Liste jedoch anders angeordnet: er verfährt, indem er die einzelnen Bestandteile einer Pflanze ihrer medizinischen Verwendung zuordnet, s. Gignoux 1998: 732f. Ein Vergleich mit Buch 23 fördert ein ähnliches Bild zu Tage. Nicht erwähnt im SBM, dafür bei Plinius sind u. a. Birne, Pfirsich und Quitte. 68 Um nur eine Auswahl zu bieten: Preisendanz 1973–4, Strelcyn 1968, Lev/Chipman 2012. 69 Vgl. Lev/Chipmann 2012: 18, Hehmeyer 2012, Muchawsky-Schnapper 2012.
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2.1.4 Handschriftenbestand 2.1.4.1 British Library or 9360 Bis jetzt gibt es leider noch keine kritische Edition des Syrischen Medizinbuches, sondern allein die Edition von Budge, die auf einer einzigen Handschrift beruht. Es handelt sich bei dieser Handschrift um Ms or. 9360 der British Library, die laut Kolophon 1894 vollendet wurde. Budge ist als Besitzer namentlich vermerkt. Auf seine Feder gehen auch die Anweisungen für den Drucker zurück.⁷⁰ Die Überschriften und textgliedernden Elemente, die in der Handschrift mit roter Tinte markiert sind, übernimmt die Edition mit Setzung eines Überstriches. Die Vokalisierung ist an allen Stellen mit schwarzer Tinte vorgenommen worden. Der Schreiber hat Dittographien, die ihm unterlaufen sind, durch Einkreisen mit roter Tinte markiert. Im Manuskript sind nachträglich mit horizontalen Linien die Zeilenenden der Edition markiert. Die Handschrift ist meistens genauer als die Edition, die einige Fehler enthält.⁷¹ Allerdings hat die Edition meist die Endvokalisierung auf zqåpå ergänzt, was in der Handschrift nicht vorzufinden ist. Wie Budge in seinem Vorwort verzeichnet, handelt es sich um eine Abschrift einer Handschrift aus Privatbesitz, die er sich von einem Schreiber in Alqoš⁷² anfertigen
70 Hilfreich für eine neue Edition des Textes wäre eine Markierung der im Text nur als Randnoten vorliegenden Passagen, die Budge mit seinen Anweisungen in den Fließtext aufnimmt, z. T. bricht die Edition den ursprünglichen Textblock auf. Es ist stark davon auszugehen, dass diese Randnoten erst sekundär hinzugefügt wurden, zumal es sich meist um Rechenhilfen handelt, z. B. „Wenn Du die Zeichen des Alphabets durch waw [= 6] teilst, dann verfahre so: von 7 nimm 1 usw.“, jeweils aufsteigend im Wert von 7–9 auf fol. 244r–245r in marginem, auf den nächsten beiden Seiten folgen die Anweisungen für 6 und 12. Im Übersetzungsteil sind diese Randnoten durch Einrückung gekennzeichnet. Fraglich ist, warum an zwei Stellen die Randnoten in der Edition als solche gekennzeichnet sind, s. S. 487 (fol. 232v), nicht aber den ganzen Text hindurch. 71 Im Folgenden werden nur diejenigen Corrigenda aufgeführt, die nicht in der Liste der Errata von Budge (SBM: CLXXVIII) enthalten sind. Entgegen SBM: 444, Z. 15 ist fehlendes zayn bei nezro in der Handschrift enthalten. SBM: 471 (fol. 225r), Z. 22, hat mewån für korrektes w-kewån. Im SBM: 478, Z. 9 (fol. 228r) steht ayn für pe in napšåk. SBM:482, Z. 21 (fol. 230v) hat ein parasitäres waw in luqbal, SBM: ¯ ¯ 487, Z. 10 (fol. 232v) mann¯ın für mann¯ı. SBM: 502, Z. 10 hat für zayn in h.z¯ırån, SBM: 519, Z. 8 (fol. 244 ¯ in marginem) k für s., SBM: 525, Z. 21 (fol. 247v) ayn für pe in hapkå. 72 Die Stadt war einer der Patriarchensitze der Kirche des Ostens, welcher später nach Mossul, dann nach Bagdad verlagert wurde. Erstmals erwähnt ist die ostsyrische Stadt in der History of Rabban Hormizd the Persian des 7. Jh. Das Kloster Rabban Hormizd war nach dem Mongolensturm bis ins 18. Jh. mit kürzeren Unterbrechungen der Patriarchensitz der Ostkirche. Im 16. Jh. blühte die Stadt unter der Bewegung der Schule von Alqoš auf, sie ist zugleich die Hauptquelle für Handschriften des Patriarchats von Mossul zwischen dem 16. und 19. Jh. Hunderte von Handschriften zeugen vom Fleiß der Schrei¯ a¯ und Nas.ro. Interessant ist auch, dass in literarischen Quellen und Vermerken berfamilien Shikwan europäischer Reisender immer wieder Hungersnöte und Seuchen verzeichnet wurden, die von Hitze oder Heuschrecken herrührten, die die Region im 19. Jh. heimsuchten. Außerdem wurde die Stadt von 1832 bis 1842 von Kurden attackiert, s. Mengozzi 2011: 17, Wilmshurst 2000: 241, Coghill 2003: 4. Diese Umstände und immer wiederkehrenden Bedrohungen für die Einwohner der Stadt könnten als
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ließ. Der Eigentümer der Handschrift, der aus Mossul stammte, muss Budge einiges an Überzeugungsarbeit abgerungen haben, bevor er das Kopieren der Handschrift gestattete. Der Abschreiber war ein Dekan, ein kirchlicher Würdenträger (!), namens I¯sa¯ bar ¯ Sohn des Diakons Cyriacus (Quriaq ¯ os), ¯ der aus der Nähe von Eqror ¯ stammte.⁷³ Išaya, Die Originalhandschrift soll nach der Einschätzung von Budge aus dem 12. Jh. stammen.⁷⁴ Die Informationen über die Originalhandschrift sind recht spärlich: „Its size was quarto, and it was bound in the ordinary thick, brown leather covers of the period. It was, unfortunately, incomplete. Three or four quires at the beginning, and three or four in the middle, and several leaves at the end of the manuscript, were wanting. From a few of the leaves portions had been torn away. During the short examination of the manuscript which I was permitted to make I found nothing that showed where, when, or by whom it had been written. Its size and general appearance suggested that it had been copied in some monastery on or near the Tigris, in which it had formed part of the library, for had it been intended for the private use of some monk, the manuscript would have been of smaller size.“⁷⁵
Im Folgenden wollen wir eine Übersicht über die bisher bekannten Handschriften geben, die das SBM oder Teile davon enthalten. Die nur oberflächlichen Vergleiche sollten Anreiz zur tieferen Ergründung der Abhängigkeiten der Handschriften geben.
2.1.4.2 Berlin Ms. or. fol. 3119 Bei der bloß kursorischen Durchsicht dieser Berliner Handschrift überraschen einige Übereinstimmungen mit der Handschrift, die Budge für seine Edition benutzte. Es fehlen auch hier die ersten beiden Kapitel des ersten medizinischen Teils, außerdem sind einige Lakunen im Text identisch.⁷⁶ Auch wenn das Format sich unterscheidet,
Erklärung für das große Interesse solcher Prognosen bzw. der Fortführung ihrer Tradition und dem Kopieren der Handschriften angeführt werden. 73 Der Diakon lebte von 1854–1898. Er begann seine Schreiberkarriere in den 50er Jahren in Mossul und kopierte zahlreiche Manuskripte zwischen 1867–1898 in Alqoš. Eine stolze Anzahl von 73 Handschriften wurde von ihm kopiert und nicht ganz zu unrecht wird er als „probably the most productive East Syrian scribe ever“ betitelt, s. Wilmshurst 2000: 59, 121, 212, 254. Zu den Kopien von Handschriften, die auf das Bestreben westlicher Gelehrter in der zweiten Hälfte des 19. Jh., besonders in und um Mossul, einsetzte, s. Wilmshurst 2000: 212f. 74 S. Budge 1913, Bd. I: XXXVIIff. Brock bestätigt diese Einschätzung: „Though the manuscript printed by Budge (now British Library, Or. 9360) was copied for him in Alqosh in 1894, Budge estimated that its Vorlage could go back to the 12th century. The existence of two such collections of medical writings is in fact known for the early thirteenth century, Damascus, Syriac Orthodox Patriarchate 6/1, copied in Mossul in 1224, and the Vorlage, copied in Caesarea (modern Kaysari) in 1221, of Harvard Syr 132 and Mingana Syr. 559 (the manuscript reproduced by Mingana in his edition of Job of Edessa’s Book of Treasures).“ Brock 2011b: 101f. 75 Budge 1913, Bd. I: XL. 76 S. SBM: 435ff. und fol. 3119 109 vff.
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so ist der Text beinahe identisch bis hin zur ostsyrischen Vokalisation und den Randnoten. Die Handschrift ist dank des Kolophons leicht zu datieren, zumindest für die „Alphabetische Erklärung der Namen der Heilmittel, syrisch-arabisch (karšūn¯ı)“, den dritten, pharmakologischen Teil. Wie bereits Assfalg in seinem Katalog verzeichnet, ist die Handschrift gegenüber der von Budge benutzten charakterisiert durch „Erwei¯ ıja¯ Hom ¯ o, ¯ einem der späteren Besitzer terungen von jüngerer Hand, wohl meist von El¯ der Hs. […] Besitzvermerk […] vom 15. Dezember 1883 (unvollständig).“⁷⁷ Der genannte qašš¯ıšå Aliyå Homo al-Qušiyå, ist als Schreiber bekannt, der auch andere medizinische Texte in Alqoš kopierte, u. a. auch das Buch über Urin (BnF syriaque 423).⁷⁸ Dort, wo der zweite Teil beginnt (fol. 111r), steht allein eine Übersicht der syrischen ¯ Zahlzeichen (åtwåtå d-s¯ımon)⁷⁹ und die Beschreibung von Gewichten und Maßen ¯ ¯ ¯ (h.ušbån lit.rē¸ w-matqålē¸), welche im SBM ebenfalls im astrologischen Teil enthalten ¯ ist.⁸⁰ Der ganze restliche astrologische Teil fehlt (!). Unmittelbar ist das Buch über die „Volksrezepte“, die heilkundliche Sammlung, angeschlossen, das genauso einsetzt wie im SBM.⁸¹ Auch der Rezeptteil stimmt nur bis fol. 123v, dem Rezept des Königs Salomo, überein, aber auch hier ist die Kongruenz bis hin zur Vokalisierung erstaunlich genau. Es folgen einige Rezepte (während bei Budge noch einige Seiten mit der Beschreibung von Wurzeln und ihrer Wirkung folgen), doch auf fol. 124r beginnt bereits das Register zu den Pflanzen- und Arzneinamen, welches nicht mehr wörtlich, aber inhaltlich übereinstimmt. Die Berliner Handschrift ist weniger von arabischem Gut durchsetzt, aber hat einen umfangreicheren Bestand an Pflanzennamen zu verzeichnen.⁸² Alles weist darauf hin, dass der erste, medizinische Teil „auf die gleiche, bereits lückenhafte Hs. zurück[geht] wie eine jüngere Abschrift, die E. A. W. Budge seiner Ausgabe zugrunde legte, weil sie die gleichen Lücken im Text aufweist“.⁸³
2.1.4.3 Paris Syr. 325 Die Gottheils Artikel „Contributions to Syriac Folk-Medicine“ zugrundeliegende Handschrift stimmt mit dem dritten Teil des SBM überein, allerdings edierte Gottheil nur fol. 1–8r von 66 Blättern. Laut Kolophon (fol. 66r) stammt die Handschrift
77 Assfalg 1963: 141. 78 S. Hawley 2008: 82, Degen 1972. Für eine Übersicht der von ihm kopierten Handschriften s. Takahashi 2004: 31. Der seltsam anmutende Name ist eine Abkürzung von Hormizd, s. Sachau 1899: 338. ¯ Die Verschreibung ist auch im SBM: 446 erfolgt. 79 Gemeint ist s¯ımyon. 80 SBM: 446ff. 81 S. Budge 1913: 553. 82 Bereits Assfalg war zu dem Ergebnis gekommen, dass die Lakunen im Text übereinstimmen, wobei die edierte Version an einer Stelle (S. 122–126) mehr Text als die Berliner Handschrift hat. 83 Assfalg 1963: 140.
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aus dem Jahr 1888.⁸⁴ Der Kopist gibt sich als Joseph Azar¯ıya¯ aus, der die Handschrift ¯ kopiert hat,⁸⁵ welches nicht weit entfernt von Alqoš liegt. in Tell-Ke.på
2.1.4.4 N-Dsém 153 (J1833) Scher, der chaldäische Erzbischof von Siirt hat dankenswerterweise die Handschriften des Klosters Notre-Dame-des-Semences beschrieben,⁸⁶ darunter eine Kompilation, die sich inhaltlich weitestgehend mit der des Medizinbuches deckt. Scher hielt die drei Teile für eine unzusammenhängende Sammelhandschrift. Der erste Teil mit dem Titel ktåbå d-sammånē¸ enthält 21 Kapitel, wobei auch hier die ersten beiden Kapitel feh¯ ¯ ¯ len „par suite de la disparation des deux premiers cahiers“.⁸⁷ Das dritte Kapitel (das erste der Handschrift) enthält einige Lakunen. Der Erzbischof sieht in H.unayn den Verfasser dieser Sektion. Es folgen „Notice sur les jours du mois de tamouz (juillet) […], compte des litrés et des mithqals, […] calendrier des mois lunaires, […] livre du Destin, […] note sur les constellations du zodiaque, […], note tirée du livre d’Armis sur la mutabilité des jours et des nuits et sur les songes, […] livre des remèdes terrestres (spar sammånē¸ arånåyē¸)“,⁸⁸ wobei letzteres dem 3. Teil des SBM entsprechen sollte. Im Kolophon ist vermerkt, dass sie 1883 nach einer Vorlage aus Alqoš kopiert wurde. Der astrologische Teil ist hier im Vergleich zum SBM extrem reduziert, sofern Scher in seiner Aufzählung alle Passagen berücksichtigt hat. Außerdem ist ein Text zur Traumdeutung enthalten, welcher im SBM fehlt. Damit lässt sich die Vermutung von Baumstark, es handele sich hier und bei der von Budge kopierten Handschrift sowie Berlin Ms. or. fol. 3119 um drei Abschriften der selben aus Alqoš stammenden Vorlage aus dem 12. Jh., nicht halten – zumindest nicht für das komplette SBM.⁸⁹
2.1.4.5 Urm 81 Die Handschrift stammt aus dem 19. Jh. und enthält nur den 3. volkskundlichen Rezeptteil.⁹⁰ Es sind außerdem noch zwei weitere Handschriften des Medizinbuches vorhanden: MS 159 und 161 – in welchem Umfang ist allerdings nicht klar.⁹¹ Zumindest wissen wir, dass Urm 161 neben Astrologischem auch Prognosen enthielt, außerdem
84 S. http://www.mss-syriaques.org/, 25.10.2013, Chabot 1896a: 272. 85 S. Gottheil 1899: 187f. Es wird sich hierbei um Joseph Azar¯ıya¯ handeln, Sohn des Pilgers ¯ . annan ¯ Audo¯ der T.awpan ¯ Familie von Telkepe (ca. 1877–1895), vgl. Wilmshurst 2000: 824. Yoh 86 S. Scher 1906. 87 Scher 1906: 79. 88 Scher 1906: 79. 89 S. Baumstark 1922: 230f. 90 S. Baumstark 1922: 230. 91 S. al-Jeloo 2012: 461.
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eine Vorhersage des Aristoteles.⁹² Bedauerlicherweise ist die Handschriftensammlung aus Urmia einem Brand zum Opfer gefallen. Nur der Katalog⁹³ zeugt noch von der Fülle astrologischer, divinatorischer und magischer Schriften, die al-Jeloo auf 9 Prozent der Sammlung schätzt.⁹⁴ Auch Mengozzi verweist auf die Beliebtheit astrologischmedizinischer Traktate bis ins vorletzte Jahrhundert hinein und begründet diese Annahme mit der Handschriftensammlung des Urmia College. Den Fund von Budge will er in dieser Tradition verstehen.⁹⁵ Von Nutzen ist der Katalog dennoch, weil er Aufschluss über die Terminologie gibt: die astrologischen bzw. divinatorischen Texte sind oft als kaldåyūtå tituliert.⁹⁶ ¯ Zum anderen wird die Annahme bestätigt, dass bei der Überlieferung divinatorischastrologischer Schriften nicht von einer festen Reihenfolge oder Anordnung auszugehen ist, sondern die Schriften in allen denkbaren Varianten von Sammelhandschriften auftauchen können.⁹⁷
2.1.4.6 John Rylands library syr. 44 Die ostsyrische Handschrift des 16.–18. Jh. ist als Sammelhandschrift astrologischer und divinatorischer Texte beschrieben, außerdem enthält sie einen Text von Bar Hebraeus. Unter den astrologischen und divinatorischen Texten sind vom Autor des Katalogs, Coakley, einige Übereinstimmungen mit dem zweiten Teil des SBM festgestellt worden. Allerdings weichen die Texte in ihrem Wortlaut und in ihrer Reihenfolge stark voneinander ab.⁹⁸ Im Katalog ist bereits eine erste Zuordnung der einzelnen Passagen zu ihren Intertexten im SBM vorgenommen:⁹⁹ – (17a) kawkbē¸ .ta¯ıyē¸ (= SBM: 471) ¯ – (17a) „when you want to go east“ (= SBM: 471) – (17b) met..tol d-aylē¸n d-nåpl¯ın b-bē¸t ass¯ırē¸ en pånē¸n ba-rh¯ıbūtå aw mnassay ¯ ¯ ¯ ¯ (= SBM: 524) – „that you may know the five planets and their computation“ (= SBM: 486–7) – „that you may know how long the sun is in each of the signs of the Zodiac“ (= SBM: 503)
92 S. Baumstark 1922: 168, womöglich =SBM: 460. 93 Sarau 1898. 94 S. al-Jeloo 2012: 461, die Handschriften sind von ihm in einem Appendix zusammengestellt, s. ebd. S. 485f. 95 S. Mengozzi 1997: 52. 96 Die gleiche Bezeichnung, die Al-Jeelo nicht ohne Grund für seinen Artikel gewählt hat, s. id. 2012. Zum Begriff s. u. 97 S. al-Jeloo 2012: 461. 98 S. Coakley 1993: 168. 99 Die ersten beiden Passagen konnte ich unter der angegebenen Seite nicht zuordnen, die anderen scheinen übereinzustimmen. Die Handschrift konnte ich für eine endgültige Überprüfung allerdings nicht einsehen, daher wird sie in der tabellarischen Übersicht im Appendix nicht berücksichtigt.
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„on which days there is moonlight“ (= SBM 459)¹⁰⁰ (43b) men madnh.å l-marbå … „Über die Vermessung der Welt“ (= SBM: 530)¹⁰¹ ¯ ¯
Es finden sich darunter auch Beschwörungsformeln und das Testament des Adam (s. u.). Der astraldivinatorischen Sammlung (fol. 75b–88b) sind fünf verschiedene Jahresanfangsprognosen angefügt, darunter auch der Traktat des Sem (s. u.). Ein weiterer Vergleich des Materials ist für fortführende Studien unerlässlich.
2.1.4.7 Br. Lib./BM Ms or. 4434 Die enthaltene Rezeptsammlung (93v–108r) entspricht in etwa dem dritten Teil des SBM, dies hat schon Baumstark festgestellt, allerdings ohne zu merken, dass die „Berechnungen von Krankheitsausgängen aus dem Zahlenwerte von Namen“,¹⁰² die dem pharmakologischen Teil vorangehen, Passagen aus dem SBM entsprechen.¹⁰³ Die Handschrift ist in Serto geschrieben, allerdings nicht mit übermäßiger Sorgfalt, bereits das zweite Wort ist durchgestrichen. Über das nūn wird meist ein Punkt gesetzt, es ist durchgängig europäisches Papier benutzt, ein Kolophon fehlt. Eine knappe Beschreibung ist im Katalog von Margoliouth enthalten: „Tracts on a fanciful classification of diseases according to the numerical value of names (h.ušbånå d-al kr¯ıhē¸),¹⁰⁴ ¯ forecasts of various kinds, dreams and their interpretation, and some remedial preparations (qall¯ıl spar sammånē¸ arånåyē¸ (?)). Paper, foll. 110. […] xixth Century.“¹⁰⁵ Da die Handschrift offensichtlich verschiedene Passagen des SBM in unterschiedlicher Reihenfolge beinhaltet, könnten sich durch einen Vergleich einzeln überlieferte Textblöcke herauslösen lassen und einen Beitrag zur Überlieferungsgeschichte leisten. Die folgende Inhaltsübersicht der Handschrift zeigt eine Zuordnung von sich entsprechenden Passagen.
Inhaltsübersicht – (1v–2v) Onomatomantische Krankheitsprognosen¹⁰⁶ (al h.ayle¸h d-måran yešu ¯ mš¯ıh.å mšarē¸n-nan l-mektab h.ušbånå d-al kr¯ıhå „Bei der Macht unseres Herrn ¯ ¯ ¯ Jesus, des Gesalbten, beginnen wir, die Krankheitsprognose zu schreiben“): der
100 Diese Passage soll einem „Buch des Pythagoras“ entnommen sein, s. Coakley 1993: 170. 101 S. Coakley 1993: 169f. 102 Baumstark 1922: 352. 103 Diese wurden in Auszügen von Furlani 1918, 1921 übersetzt. 104 Zu den Krankheitsprognosen und anderen Gattungen der Divination s. u. 105 Margoliouth 1899: 42. Die meisten Handschriften der Sammlung wurden von Budge selbst aus Mossul, Alqoš, T.iari und Urmi mit Umgebung erworben und in die Sammlung des Britischen Museums inkorporiert, s. ibid. IIIf. 106 Zu den einzelnen Prognosemethoden s. 2.2.
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Name des Erkrankten ergibt bei einer Operation mit 8 den Tag und die Ursache der Erkrankung, Heilige werden erwähnt. (2v–3r) Onomatomantische Todesprognostik: Name des Kranken und Teilen durch 3 ergibt den Wochentag, an dem der Tod eintreten wird. (3r) Anleitung für das Teilen durch 3 („Von vier nimm eins“, usw.) (3r) Über die Ursache von Krankheiten (= SBM: 453) (3r–3v) Onomatomantische Krankheitsprognose: Basis ist der Wochentagsname und der Name des Kranken (= SBM 454f.) (3v) Prognose zur Genesung eines Kranken mithilfe eines Hundes und Fußnägeln (= SBM: 455f.)¹⁰⁷ (3v–4r) Krankheitslunar: die Tage eines ideellen Monats von 1–30 werden abgehandelt (= SBM: 456–457) (4r–4v) Krankheitslunar (= SBM: 457f.) (4v–5r) Onomatomantische Todesprognostik: Basis sind der Name des Kranken und die Tage des Mondalters (= SBM: 458) (5r) „Sphäre des Demokrit“, onomatomantische Todesprognostik: Name des Kranken, seiner Mutter und die Tage des Mondalters sind die Basis, mit der weitere Rechenoperationen durchgeführt werden (= SBM: 458f.) (5r–5v) [Übersicht] für den Arzt, damit er weiß, an welchen Tagen der Mond Licht hat und an welchen nicht (= SBM: 459)¹⁰⁸ (5v) Onomatomantische Krankheitsprognostik: Basis sind belichtete und unbelichtete Mondtage (= SBM: 459)¹⁰⁹ „Hier enden die Krankheitsprognosen. Er sei gepriesen. Amen“ (6r) Vorhersage über die unglücklichen Tage der Monate: für Geburten, Erkrankungen, Kampf, usw. (6r–7r) Vorhersage über die glücklichen Tage der Monate (7r) Reiseprognose nach Mondtagen (7r–7v) Onomatomantische Reiseprognose (= SBM: 523)¹¹⁰ (7v) Onomatomantische Heiratsprognose: Teilen durch 8 und Ermittlung nach geraden und ungeraden Zahlen (= SBM: 519) (7v–8r) Onomatomantische Heiratsprognose (= SBM: 520)¹¹¹
107 Diese Passage ist im Vergleich zum SBM etwas nachlässiger geschrieben, viele Verschreibungen sind durchgestrichen, statt Imperfekt findet sich häufiger Partizip, sonst sind aber kaum Abweichungen zu vermerken. 108 Dort noch der Zusatz, Z. 9 „Um zu wissen, ob er lebt“. 109 Das Ende der Quelle oder der Passage ist hier eindeutig gekennzeichnet mit der Formel „Hier enden die Krankheitsprognosen […] Amen, es gibt keinen, der weiß außer Gott […] Amen“, im SBM dagegen steht als letzter Satz nur: „Verfahre so (nach dieser Methode) auch mit einem Geflohenen [Sklaven] oder einem verlorenen Gegenstand und mit allen Dingen“. 110 Die Überschrift weicht leicht ab und im SBM sind die Zahlen stets mit Buchstaben wiedergegeben, in der Handschrift werden sie ausgeschrieben. 111 Mit Abweichungen bei den Zahlen: es wird mit 8 statt mit 9 wie im SBM operiert.
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(8r) Onomatomantische Prognose, ob Mann oder Frau zuerst stirbt (= SBM: 447) (8r) Anleitung zum Subtrahieren der Buchstaben mit 7 („Nimm von Sieben Null, von 8 eins, von 9 nimm 2,“ usw.) (8r–8v) Nativitäten: „Wenn jemand im April geboren wird, wird er tamm¯ımå wšatt¯ıqå und keine Augenschmerzen haben, wer im Mai geboren wird, wird ein Bauer werden“, usw. (= SBM: 515f.)¹¹² (8v–9r) Melothesie der Tierkreiszeichen (znå h.re.nå d-al pars.opē¸h d-barnåšå) ¯ (= SBM: 517) (9r–10v) Palmomantik/Zuckungsbuch (šūdåå da-rpåpå) ¯ (10v) Bittegebet an unsern Herrn für Hilfe jeder Art (tūb kåteb-nå qadmayt d-måry ¯ ¯ ¯ ¯ d-udrånå d-kol gens) ¯ ¯ ¯ (10v–11r) Über den bösen Blick (aynå b¯ıštå) (11r–11v) Weiteres über den bösen Blick (11v) Von den Besitztümern, welcher sich der böse Blick bemächtigt (12r) Über böse Geister (šē.de¸) ¯ (12r–12v) Über den, der von Dämonen (daywē¸) verführt wird (12v) Über den, der von einem Dämon befallen wird¹¹³ (12v–13r) Über Angst (d-deh.ltå w-zawtå) ¯ ¯ ¯ (14v) Von der Milz (da-t.h.ålå) u. a. Krankheiten (16r–40r) Verschiedenste Formeln/Beschwörungen (von Dämonen, Engeln, Heiligen) zur Heilung oder für verschiedene Zwecke, Beschriftung von Talismanen¹¹⁴ (40r–41r) Gebete (für wirksame Medizin, Kranke, Besitztümer usw.) (41r–41v) Prognosen über die verheißungsvollen Tage des Juli (= SBM: 441)¹¹⁵ (tūb ¯ šūdåå d-al yåmåtå båh.orē¸ d-tåmūz) ¯ ¯ ¯ (41v) Über die heiligen Propheten (tūb kåtb¯ın-an mnåtå men pessē¸ d-šl¯ıh.ē¸ qadd¯ıšē¸) ¯ ¯ ¯ ¯ (41v–42r) [Vorhersage/Beschwörung] für Leute, die sich bekämpfen (kad dē¸n nåš ¯ l-metqaråbū) ¯ ¯ (42r–42v) Sieg des Feindes wird mit diesen Zeilen verkündet (zkūtå d-al beld¯ ¯ ¯ babå) ¯ ¯ (42v–46v) „Hier enden die Lose“ (46v–54r) Vorhersagen über das Jahr bzw. Prognosen des Daniel¹¹⁶ (56v–57r) „Kometenflugprognose“ nach Flugrichtung (= SBM: 551–552)
112 Allerdings ist die Reihenfolge unterschiedlich und es scheinen einige Informationen in der Handschrift hinzugefügt zu sein, außerdem gibt es keine Gleichung mit Tierkreiszeichen für die Monate (!). Eine genauere Analyse wäre hier sehr wünschenswert. 113 Es folgen verschiedene Beschwörungen, die oft mit der Formulierung plån, plån¯ıtå ‚so und so‘ in ¯ Verbindung treten. Dies lässt darauf schließen, dass der zugrundeliegende Text als Muster für Schreiber gedacht war. 114 Oft taucht auch hier als ‚Empfänger‘ plån, bar plån oder plån plån¯ıtå auf! ¯ 115 Es finden sich hier nur geringfügige Abweichungen. 116 Vgl. die Übersetzung und Teiledition bei Furlani 1921.
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(57r–57v) „Kometenflugprognose“ (= SBM S. 552)¹¹⁷ (57v–58r) [Meteorologische] Vorhersage ausgehend vom 19. des Sonnenmonats Tammuz (= SBM: 545–546)¹¹⁸ (58v) Tabelle (58v–78r) Johannesevangelium mit Auslegung (78r–93v) Traumdeutung¹¹⁹ (93v–108r) Buch der volkstümlichen Gifte (spar sammånē¸ arånåyē¸). Die ersten Kapitel entsprechen dem dritten Teil des SBM, dem Rezeptteil, weichen dann aber von diesem weitaus umfangreicheren Vergleichstext ab. (108r–111v) Populärmedizin (b-šem alåhå abå kåtb¯ın-an åsyūtå ålmånåytå) ¯ ¯ ¯
2.1.4.8 Handschriften aus Privatsammlungen al-Jeloo beschreibt zwei weitere Handschriften der Spar sammånē¸-Gattung als identisch mit dem SBM, die erste der beiden konnte er in Dohuk einsehen. Sie wurde von ¯ a, ¯ dem Sohn des Diakons Joseph 1796 in Alqoš für den Diakon Hormizd, Sohn Hošab ˘ ¯ kopiert. Dieser Handschrift fehlte allerdings der astraldivinatorische Teil des Marhayé ˘ „and instead follows quite closely the sections on Greek and ‘native’ medicines“.¹²⁰ Der Verdacht, dass es sich dabei um eine Variante der Berliner Handschrift handelt, liegt hier nahe. Die zweite Handschrift, die er in einer Privatsammlung in London einsehen und fotografieren konnte, war dagegen um den ersten galenischen Teil gekürzt. Sie wurde ebenfalls in Alqoš im Jahre 1738 kopiert. Diesen Befund erweitert er auf die im Irak und Syrien eingesehen Handschriften, die häufig den medizinischen Teil
117 Die Handschrift folgt beim Seitenumsprung plötzlich einem anderen Text, überspringt einen Absatz und springt dann wieder zurück, wahrscheinlich ein Fehler des Kopisten. Der Text endet schon bei der Stelle “und Gott kennt die Wahrheit“, was als Schlußformel auch darauf hinweist, dass die Passage im SBM noch erweitert wurde. Als Quelle zitieren beide das Buch des weisen Andronikos. 118 Es folgen einige Unterüberschriften und noch eine andere Prognoseart. Die Überschriften sind z. T. etwas verändert, besonders die Tageszahlen, so hat SBM: 545: “Wenn Du die Wahrheit darüber wissen willst, am 18. des Tammuz“, hat die Handschrift 4434 dagegen den 9. Der Text ist übersetzt bei Furlani 1921b. Es sei auch darauf hingewiesen, dass der Kopist des SBM diese Passage zweimal aus voneinander leicht abweichenden Quellen zitiert, s. SBM: 442f. 119 Die Traumdeutung ist „galenischer“ Natur, es gibt sieben Arten von Träumen, und vier davon ¯ hervorgerufen, s. Furlani 1920–21. werden von einem Übergewicht einer der vier Säfte (kūmos) Furlani und Lamoreaux sind sich in der Einschätzung des Materials als Entlehnung aus dem Arabischen einig: „the influence of Muslim sources is ubiquitous“ (Lamoreaux 2002: 166). Man vergleiche das verlorene Handbuch zur Traumdeutung von Bar Hebraeus neben sehr viel jüngeren, neusyrischen Quellen, s. Furlani 1920–21: 118, Lamoreaux 2002: 166. Interessant ist, dass es eine Eigenbezeichnung als „Kodex“ (fol. 79r) gibt, dann folgt ein Inhaltsverzeichnis (79v–80r), das onomasiologisch aufgebaut ist und mit Namen, Gott und den Engeln beginnt, es folgen 20 weitere Kapitel im Verzeichnis, im Text dann aber 31. 120 al-Jeloo 2012: 462.
2.2 Divinationsgattungen des SBM und ihre Provenienz |
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durch eine Sammlung von Omina, Losen, Traumdeutungen oder Beschwörungen ersetzen würden.¹²¹ Zusammenfassend lässt sich zuallererst ein großer Forschungsbedarf festellen. Selbst für den besser untersuchten ersten Teil der Sammelhandschrift bleiben noch etliche Fragen offen: Lässt sich der Übersetzer des galenischen Textes ermitteln? Sind die Parallelen in arabischen Texten tatsächlich eine Übernahme aus dem Kompendium des SBM oder aus einer vollständigen Galen-Übersetzung? Die Frage nach der Bedeutung des SBM innerhalb der Übersetzungsbewegung, bei der Vermittlung griechischer Werke ins Arabische ist damit schon formuliert. Ebenso fraglich ist der Verbund galenischer Medizin mit Prognosen und „volkstümlichen“ Rezepten: Handelt es sich hier um eine jüngere Beigabe? Handelt es sich um eine Übersetzung aus dem Griechischen, Arabischen, Mittelpersischen oder eine indigen syrische Sammlung? Nicht zuletzt sollte die Einheit der Kompilation und ihre Datierung in Frage gestellt werden oder im Gegenteil z. B. durch literarhistorische Argumente gesichert werden. Aus diesem Grund sollen in den folgenden Kapiteln nicht nur astraldivinatorische Einzeltechniken und Textgattungen des SBM vorgestellt werden, sondern auch auf die Vielfalt ihrer Kombination und ihrem zugrundeliegenden Programm eingegangen werden. Am Ende steht die Frage nach dem Konzept von Medizin, das dem gesamten SBM zugrundeliegt.
2.2 Divinationsgattungen des SBM und ihre Provenienz Für einen Überblick zu Divinationsmethoden i. A. s. die Übersicht bei Naether.¹²² Da viele Kategorisierungsversuche die Methoden mit den Objekten ihrer Aussage vermischen, und zudem eine große Schwankung in der terminologischen Bestimmung herrscht, werden wir im Folgenden die verschiedenen Methoden nach ihrer zugrundeliegenden Struktur trennen. Auch die Astraldivination soll hier nochmals behandelt werden, um den Übergang zur Astrologie zu verdeutlichen, die am Ende der Einführung steht.
121 S. al-Jeloo 2012: 462. 122 Sie stellt jeweils die Divinationsmethode mit dem dazugehörigen Divinationsobjekt oder -subjekt zusammen, z. B. Brontoskopie/Keraunoskopie und Blitz, Donner, Sonnenfinsternis; Hemerologie, Menologie und Tagewählerei. Astrologie und Horoskopie werden hier auch als Divinationsmethode genannt, s. Naether 2010: 18. Eine ältere umfrangreiche Arbeit stammt von Gessmann 1892. Ein Standardwerk der griechisch-römischen Antike ist immer noch das vierbändige Werk von BouchéLeclercq 1879–1892. Die Publikationen sind in letzer Zeit beinahe als inflationär zu bezeichnen, z. B. Ciraolo 2002.
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2.2.1 Onomatomantie Die Arithmomantie, Onomantie¹²³ oder Onomatomantie¹²⁴ und Gematrie¹²⁵ ist die Wahrsagekunst, die sich auf den Zahlwert von Wörtern bzw. Namen stützt. Im Grunde sind so wie für die Laienastrologie kaum Vorkenntnisse notwendig, alleine die Alphabetisierung genügt für diese Art der Prognose.¹²⁶ Besonders beliebt war diese Methode zur Zeit des Hellenismus.¹²⁷ Der Doppelgebrauch der semitischen Alphabetbuchstaben ist tatsächlich erst seit der späten römischen Kaiserzeit bekannt im Gegensatz zu den bereits als Zahlen gebrauchten griechischen Buchstaben.¹²⁸ Spielereien mit Zahlen und Namen oder Wörtern kommen bereits in der akkadischen Literatur vor, sogar mit astralem Einschlag, z. B. in der Serie i.NAM.giš, wo die Namen und Zahlen spezifischer Mond- bzw. Monatstage miteinander in Verbindung gesetzt werden.¹²⁹ Allgemein ist die gematrische Methode (akkad. urû) schon seit dem 8./7. Jh. v. Chr. belegt.¹³⁰ Es handelt sich dabei allerdings mehr um Wortspiele als um einen direkten Vorläufer der Gematrie bzw. Arithmomantie.¹³¹ Die arabische Onomatomantie ist neben der jüdischen Gematrie¹³² am besten erforscht,¹³³ da sie eine Vorrangstellung unter den divinatorischen Methoden im ara-
123 Nach einem freundlichen Hinweis von E. Reich sei dieser Begriff wegen seiner Konnotation mit dem Vierhufer zugunsten der eindeutigeren Bezeichnung Onomatomantie besser zu vermeiden. 124 Naether unterscheidet zwischen Onomatomantie, welche mit Namen operiert und Arithmomantie, die nur mit Zahlen operiert, ibid. S. 20. In der Literatur sind die beiden meist nicht voneinander geschieden. 125 Die Herleitung dieses Begriffes ist nicht restlich geklärt. Der hebräische Terminus, der mit der Kabbala in Verbindung gebracht wird, soll ein Lehnwort < gr. γεωμετρία ‚Landmessung‘ sein. 126 S. Tannery 1886. Eine Übersicht der Literatur zu lateinischen onotomatomantischen Texten gibt Juste 2011: 518. Zur hebräischen Tradition Burkhardt 2003. 127 Die Zeit des Hellenismus scheint für die Verbreitung dieser Technik am wahrscheinlichsten, da auch erste Belege im Alexanderroman (Ps Kallisthenes I 33) oder bei Berossos auftauchen, s. Dornseiff 1922: 92. 128 Wie z. B. aus einem aramäisch-griechischen bilinguen Ostrakon aus der Nähe Hebrons des 3. Jh. v. Chr. abzulesen ist, s. Ifrah 2010: 304f. 129 S. Livingstone 1999: 137. 130 S. Liebermann 1987, Ifrah 2010: 319. 131 Diese wurde dem assyrischen Herrscher Sargon angedichtet, der bei der Errichtung des Walls von Khorasabad, Dur-Šarrukin, den Buchstabenwert seines Namens in der Länge des Walls verewigen lassen haben soll, d. h. 16 280 Ellen, s. Hommel 1907, Farbridge 1923: 94. Dagegen die Richtigstellung Neugebauers 1979: 162: „Attempts to demonstrate Babylonian antecedents (Dornseiff, AMM, p. 91) can be disregarded because they were based on speculations about Babylonian arithmetical and metrological tables before the decipherment of Babylonian mathematics.“ 132 Diese entstand womöglich schon im 2. Jh. unter den Tannaim, s. Derovan/Scholem/Idel 2007. 133 Sie wird als Zweig der Wahrsagerei (ˇgafr) gewertet und als ilm al-h.urūf ‚Wissenschaft der Buchstaben‘ bezeichnet. Diese spezielle onomatomantische Praxis war wohl so beliebt, dass sie von Ibn ¯ bezeichnet wurde (< gr. σημεῖα), was eigentlich einen Sammelbegriff für die GeHaldūn mit s¯ımiya ˘ samtheit der weißen Magie darstellt. Die semantische Erweiterung geht also konform mit der pragma-
2.2 Divinationsgattungen des SBM und ihre Provenienz
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bischsprachigen Raum einnahm und oft im astrologischen Kontext zu finden ist. Der ¯ Ursprung dieser Art von Divination ist laut Fahd in den maqalas des Pseudo-Aristote¯ des 9. oder 10. Jh. zu suchen.¹³⁴ lischen Werkes K. as-siyasa Sowohl in jüdisch-hebräischen, arabischen als auch griechischen Beschwörungen war der Name der Mutter neben dem Namen des Klienten selbst das wichtigste Element. Außerdem enthielt der Geheimname bei den Mandäern den Namen der Mutter. Diese Gewichtung wird oft mit dem Diktum pater incertus, mater certa begründet.¹³⁵ Speziell im Syrischen sind arithmetische Umgestaltungen von Namen, z. B. von Namen eines Schreibers im Kolophon einer Handschrift, nicht ungewöhnlich. Der Name wird mit ausgeschriebenen Zahlen und „Syriac arithmetical figures“ chiffriert.¹³⁶ Dieses Wissen wurde auch nach Äthiopien weitergereicht, allerdings haben die Buchstaben dort keine Zahlenwerte, so dass es sich sicherlich um eine sekundäre Erscheinung handelt.¹³⁷ Interessant wäre ein Vergleich mit der noch heute lebendigen astrologischen Tradition in Äthiopien. Das dort zur Prognose herangezogene Werk ist das Awdä nägäśt. Die Prognosen beruhen hierbei auch auf einer Ermittlung des Namenwertes der Mutter des Klienten und des Klienten selbst.¹³⁸
¯ al-ˇgummal/an-n¯ım) ist dabei tischen, s. Quatremère 1858, Bd. III, 137–61. Die Arithmomantie (h.isab nur ein Teilbereich, s. Quatremère 1858, Bd. I: 209–13. Nach Ibn Haldūn entsprang die ganze Lehre ˘ den Talismanen. 134 Das Problem ist, dass die meisten Texte dieses Genres nicht veröffentlicht sind; eine Liste der Handschriften findet sich bei Fahd 1966, 1967. 135 S. Trachtenberg 19398 : 115f. 136 S. Wright 1870–72: 754 (No. DCCLXXVIII). Für die syrischen arithmetischen Figuren s. Duval 1881: XV, Hatch 1946: 17. 137 Dort beliebte Methoden der Gematrie sind z. B. die Berechnung des Namenwertes einer Person und einer ihr Befreundeten oder mit ihr Verwandten, wobei die Summe mit modulo heruntergebrochen wird, z. B. „mod 28 in the ‚Computus of Stars and Lunar Mansions‘“, wobei der Rest zwischen eins und 28 eine bestimmte Mondstation und eine ihr spezifische Eigenschaft bedeutet. Dasselbe Prinzip lässt sich für modulo 12 für die Tierkreiszeichen anwenden. Der Terminus technicus im Äthiopischen für die Anwendung modulo heißt gädäf „cast out“ (namely multiples of the modul), wobei hier die Schnittstelle zur Kalenderrechnung auffällt: „exactly the same terminology is commonplace in calendaric computations for reductions modulo 19, 30, or 7, etc.“ (Neugebauer 1979: 162). Interessant ist auch der Hinweis von Neugebauer 1979: 185 auf äthiopische Magietexte, wobei sogar kalendarische bzw. meteorologische Prognosen anhand von Divination und Numerologie erstellt werden, meist mit modulo 7, um dann einen bestimmten Wochentag zu erhalten. 138 S. Griaule 1934. Die hier zitierte Handschrift (Abbadie 96) enthält interessanterweise auch Krankheitsdiagnosen nach Berechnungen mit dem Namen und dem Wochentag. Eine geeignete Therapie wird dem meist in Form eines pflanzlichen Pharmakons beigegeben, s. ibid. S. 27f., Rossini 1941. Diese Krankheitsprognosen nach Wochentagen tauchen im SBM gelegentlich auf, meist mit anderen Methoden wie der Onomatomantie erweitert, z. B. S. 454.
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Als Krankheitsprognosen ergeben sich damit folgende Grundtypen Krankheitsprognosen nach Wochentagen, die nach dem Erkrankungstermin innerhalb der 7-Tage-Woche rechnen,¹³⁹ Krankheitslunare, die Vorhersagen über den Verlauf der Krankheit anhand des Erkrankungstermins im Mondmonat treffen.¹⁴⁰
2.2.2 Astrometeorologie Die Astrometeorologie ist eine bestimmte Form der Divination, welche astronomische und meteorologische Phänomene als Vorzeichen für irdische Ereignisse deutet: „particular form of divination which interpreted astronomical and meteorological phenomena as portents of mundane events“.¹⁴¹ Eine der bekanntesten Untergattungen sind die Prognosen nach dem Donner (Brontologien),¹⁴² Erdbeben und dem Wind.¹⁴³ Bereits in den ägyptischen Tagewählereitexten treten Stürme als „die numinosen Künder göttlichen Willens“ auf. Nach Herodot (II, 82) gab es in Ägpten „Wunderzeichen mehr als bei allen Völkern“.¹⁴⁴ Daneben sind die Beobachtung der Laute von Tieren und deren Deutung zur Vorhersage des Wetters sowie allgemein außergewöhnliches Verhalten von Tieren zur Gruppe der Prodigien bzw. Omina gehörig. Deren Divinationsgrundlage sind beispielsweise das Summen der Bienen, das Verhalten von Käfern, Fischen, Schlangen, Ameisen oder Gazellen. Dazu gehört auch die weitaus bekanntere Form der Vogelflugbeobachtung (Auspizien) bzw. Ornithomantie.¹⁴⁵ Eine der bekanntesten Sammlungen dieser Art ist das Werk De signis von Theophrastus.¹⁴⁶
139 Die meisten Prognosen gehen vom Buchstabenwert des Wochentagsnamens aus. Zum speziellen Fall der Todesprognostik mithilfe der sog. Sphäre des Demokrit s. SBM: 456, 458. 140 Diese Methode ist auch in dem Beda Venerabilis zugeschriebenen Bedae Opera Dubia et Spuria zu finden: „Si argumentum regulare, quod huic scripturae subjeci diligenter inspexeris, consulturus igitur sic facito: Sume nomen vel decumbentis, vel in fugam lapsi, vel depugnaturi, vel alterius cuiuslibet de quo inquiris, et collige numerum eius, deinde lunam considera, quota fuerit ea die, qua vel aeger decubuit, vel fugitivus elapsus est, vel quota futura sit cum monomachus depugnaturus est, et caetera huiusmodi, numerumque regularum qui ei lunae ascriptus est numero nominis adjunge. Tum summam quae ex his conficitur, per viginti novem divide, et numerum qui superfuerit collige, inspectaque figura, quo in loco idem numerus sit positus inquire.“ (Reichel 1991: 142). Ein weiterer Beleg ist in der Echternacher Krankheitssphäre zu finden. 141 Rochberg-Halton 1988b: 8. 142 Diese Methode ist bereits im EAE anzutreffen, vgl. auch Telle 1970, Förster 1908. 143 Anémoscopie nach Fahd 1966: 407, der diese mit Regenomina (brelomancie), Omina aus Wolken usw. als auspicia coelestia zusammenfasst. Im strengen Sinne gehören diese Omina nicht zu den Astralomina, da sie sich mit der Sphäre unterhalb der Sterne beschäftigen. 144 Brunner-Traut 1986: 155f., zu den Windoraklen im Speziellen s. Hoffmann/Gressmann 1922. 145 S. Naether 2010: 20. 146 S. Sider/Brunschön 2007.
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¯ Parapegmata/anwa Die Verknüpfung meteorologischer Erscheinungen mit dem Aufgang bestimmter Gestirne, welche von den Griechen parápegma genannt wird, hat in vorislamischer Zeit ¯ Aufgänge von Sternen.¹⁴⁷ Lehoux eine eigene Gattung hervorgebracht, die sog. anwa, konnte in seiner Monographie die ägyptischen und babylonischen Traditionen, u. a. im Mul.Apin, aufzeigen, welche in ähnlicher Weise fungieren.¹⁴⁸ Er betont jedoch auch die unterschiedlichen Hintergründe für den Gebrauch und die Art des Zugriffs auf dieses Wissen.¹⁴⁹ Die Parapegmata, die Wetter- und Witterungsvorhersagen enthalten, sind nicht selten schlichtweg abgeschrieben. So hat Ptolemaios 171 Wetteranzeichen eines Parapegmas übernommen, das er den Ägyptern zuschreibt. Allerdings konnte Hellmann zeigen, dass es sich bei den vorhergesagten Winden (Süd- und Westwinde über das ganze Jahr, Nordwestwinde im Sommer) und Niederschlägen (April–Juli und September–Februar) um ein ganz anderes als das ägyptische Klima handeln müsse, wo die Winde aus Nord und Nord-West überwiegen und Niederschläge höchstens von November bis April fallen.¹⁵⁰ Im islamischen Mittelalter wurde die Astrometeorologie neu belebt. Die bedeutendsten Autoren dieses Genres sind Avicenna und Abū Mašar, die sich v. a. mit theoretischen Begründungen beschäftigen. Auch al-Kind¯ıs Regenprognostik stieß im 15. Jh. auf breite Rezeption in lateinischer Sprache. Die Astrometeorologie hatte einen nicht unbedeutenden Stellenwert für die Medizin.¹⁵¹
147 Lafitte 2012: 29 will sogar frühen griechischen Einfluss nicht ausschließen. Dazu en detail Varisco 1991. 148 S. Lehoux 2007. 149 „The development of and cross-cultural currents in astrometeorology move differently from those in astrology and astronomy and […] this may be easily explained. It may simply be a question of the setting in which these traditions were practiced. They weren’t maintained by professional intellectuals but, rather, by individuals such as farmers and sailors whose influence on the intellectual culture was ultimately less noted. Indeed, this point is hugely relevant to the history of science: various astral traditions have different intellectual trajectories. In the case of astrometeorology, the substance of this tradition is utterly localized – weather patterns hold only for particular geographical regions and have little meaning beyond them; civic events, rituals, and festivals differ from culture to culture. In contrast, the traditions of astronomy, divination, and mathematics embody more universal (or at least easily adapted) and transferable knowledge.“ (Montelle 2009: 897). 150 S. Van der Waerden 1985: 97f. So ist sich z. B. Plinius (Nat. hist. XVIII 214) ganz bewusst darüber, wenn er über den Aufgang der Plejaden spricht, dass die verschiedenen Angaben zu deren Auftreten sich auf verschiedene Regionen beziehen, s. van der Waerden 1985: 98. 151 Zur westlichen handschriftlichen Überlieferung unter Ausschluss arabischer Quellen s. Jenks 1983: 196.
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Zu dieser Gattung sind auch Kalendertexte mit Witterungsvoraussagen zu zählen, die Finsternis-,¹⁵² Kometen-, Blitz-, Donner- und Erdbebenbücher, die sich in zwei Untergruppen aufteilen lassen, die erste, umfassendere Form gibt eine Prognose für jeden der 30 Monatstage, die zweite geht nach dem Stand des Mondes in den Tierkreiszeichen. Auch gehört hier der oben besprochene Text des Lydus, der bereits auf die Beliebtheit der Donner und Blitzbücher (Brontologia bzw. Tonitrualia und Keraunologia bzw. Fulguralia) verweist.¹⁵³
2.2.3 Chronomantie Die Astrometeorologie ist ebenso mit der Chronomantie verzahnt, besonders dort, wo Auf- und Untergänge der Gestirne Indikatoren sind, bestimmte Handlungen zu vollführen oder zu unterlassen. Die Chronomantie unterscheidet sich aber durch ihre Abstraktheit, d. h. es werden nicht direkt die Naturphänomene als Grundlage der Vorhersage zurate gezogen, sondern allein der Kalender.
2.2.3.1 Jahresanfangsprognostik Neuralgische Punkte im Jahr, auch dodecaetrides Chaldaicae sind in der Regel 12 Tage, die beobachtet werden und dann auf einen anschließenden (längeren) Zeitraum, gewöhnlich die kommenden 12 Monate, projiziert werden.¹⁵⁴ Die Methode der Jahresprognostik ist bereits im Jubiläenbuch überliefert: „And in the sixth week, in its fifth year, Abram sat up during the night on the first of the seventh month, so that he might observe the stars from evening until daybreak so that he might see what the nature of the year would be with respect to rain.“¹⁵⁵ Nicht nur Esra,¹⁵⁶ auch Daniel
152 Für die Finsternisbücher setzt Gundel einen Überlieferungsweg als bekannt voraus: endend mit dem Dekanwahrsagebuch des Theophilus von Edessa, welches er auf hellenistische Quellen zurückführt (CCAG VIII, 1: 267–270), über das zodiakale Finsternisbuch des Nechepso-Petosiris (2. Jh. v. Chr.) und ein zodiakales Finsternisbuch des Melampus usw. 153 Zur Textgeschichte Gundel/Gundel 1966: 260f. 154 In der mittelalterlichen Praxis entspricht dies den 12 Raunächten zwischen Weihnachten und Neujahr, s. Naether 2010: 353. 155 Wintermute 1985: 81, von Stuckrad 2000: 361, Leicht 2006, S. 50 verweist auch auf das SBM: 441ff. sowie das SM: 184. 156 „Simplest of all perhaps are predictions as to the character of the ensuing year according to the day of the week upon which the first of January falls. For example, ‘If the kalends of January shall be on the Lord’s day, the winter will be good and mild and warm, the spring windy, and the summer dry. Good vintage, increasing flocks; honey will be abundant; the old men will die; and peace will be made.’ In some manuscripts these predictions concerning the weather, crops, wars, and king for the ensuing year are called Supputatio Esdrae or signs which God revealed to the prophet Esdras. In another manuscript the weather for winter and summer is predicted according to the day of the week
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wurde mit dieser Art der Divination in Verbindung gebracht, ebenso wie Zoroaster oder Sem.¹⁵⁷ Die Numinosität des Jahresanfangs als Orakeltag ist mit keinem anderen Tag des Jahres vergleichbar – was sich wieder in den zahllosen Methoden, die zur Prognostik angewandt wurden, zeigt, seien es meteorologische, kalendarische (den Wochentag betreffend), den Mondstand im Zodiak betreffende oder aeromantische, jegliche Geschehnisse dieses Tages konnten als omina principii gewertet werden.¹⁵⁸ Die klassische Form in der Spätantike war diejenige, welche sich auf die Charakteristik des Planetenherrschers des entsprechenden Tages stützte, oder alternativ auf das Tierkreiszeichen des Mondaufganges. Die Ursprünge dieser Art der Divination liegen wie in vielen Fällen im Dunkeln. Sie ist nach Mueller erstmals (!) unter der Bezeichnung Revelatio Esdrae im 7. Jh. in der Chronik des Johannes von Nikiu in Oberägypten belegt. Mueller spekuliert daher, dass das Original in griechischer oder koptischer Sprache entstanden sein könnte, da auch äthiopische und syrische Texte Indizien böten, „daß dieser Prognose-Typus (allerdings nicht für die Wochentage, sondern für die Tierkreiszeichen) bereits im 1. Jahrhundert n. Chr. existiert haben könnte.“¹⁵⁹ Greenfield/Sokoloff stufen diese Art der Jahresanfangsprognose als kalandologion ein und bringen sie mit spätantiken Traditionen sowie den babylonischen Almanachen in Verbindung.¹⁶⁰ Die Frage ist, ob man sich mit der Entstehung dieser Methode an den Jahresanfang der Ägypter mit dem Aufgang des Sirius halten muss (s. u.), oder ob nicht auch iranische Astrologen ihren Anteil an der verstärkten Verbreitung dieser Methode hatten. Bereits in der Avesta ist der Wechsel von trockener und feuchter Jahreszeit als mythologischer Kampf zwischen Tištrya, dem iranischen Sirius, und dem Trockenheitsdämon beschrieben.¹⁶¹ Später, besonders im europäischen Mittelalter, wurde die Neujahrsprognostik auch einzig für den Christtag genutzt.¹⁶²
upon which Christmas falls and Lent begins. Christmas of course was sometimes regarded as the first day of the new year and in any case it falls on the same day of the week as the following first of January. In a ninth century manuscript predictions for the ensuing year are made according as there is wind in the night on Christmas eve and the eleven nights following. For instance, ‘If there is wind in the night on the night of the natal day of our Lord Jesus Christ, in that year kings and pontiffs will perish,’ and ‘If on the twelfth night there shall be wind, kings will perish in war.’“ (Thorndike 1923, Bd. 1: 677ff.) 157 S. Leicht 2006: 47. 158 S. Harmening 1979: 121, Mueller 2009: 76. 159 Mueller 2009: 78ff., s. Matter 1982, Mueller 2009: 76ff. 160 S. Greenfield/Sokoloff 1989: 212. Ähnliche babylonische Modelle bei Reiner 1999. 161 S. Raffaelli 2004: 245. 162 Seit dem Ende des 14. Jh. wurde dieser Tag für die Prognose immer beliebter, da auch das Weihnachtsfest mehr und mehr zelebriert wurde, s. Mueller 2009: 76. Bezeichnend ist die Zuschreibung an Beda Venerabilis (gest. 735), der als Urheber der Neujahrsprognostiken angesehen wurde. Die wohl frühesten Beispiele stammen aus England um 1120, die älteste deutsche Version von 1321 (Heidelberger Cod. Pal. germ. 214), s. Daxelmüller 1993: 129f. Die Zuschreibung an Esdra löst die an Beda zu einem relativ späten Zeitpunkt ab, nämlich mit lateinischen Texten Anfang des 14. Jh., s. Daxelmüller 1993: 130.
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2.2.3.2 Jahresanfangsprognose nach dem Mondstand im Zodiakus Im Traktat des Sem sind auch landwirtschaftliche Vorhersagen nach dem Jahresanfang in einem Tierkreiszeichen enthalten. von Stuckrad diskutiert einige Seiten lang, welcher Jahresanfang gemeint sein könnte. Er kommt am Ende zu der Deutung, die auch der von Georg dem Araberbischof erklärten Variante entspricht, nämlich, dass es sich um eine lunare Tages-Deutung, d. h. nach dem Mondstand in einem der Tierkreiszeichen, handeln müsse. Der fundamentale Vorteil dieser Prognosemethode ist, dass sie keinerlei astronomische Kenntnisse verlangt und somit für Laien nutzbar ist.¹⁶³ Auch wenn es in der Literatur mehrfach nahegelegt wurde, so lässt sich hier keine direkte babylonische Vorlage finden: „Although omens for the appearance, or eclipse, of the moon in zodiacal, or ecliptical, constellations do not occur in any canonical tablet of Enūma Anu Enlil, there is evidence that the celestial diviners, of at least the Neo-Assyrian period, observed this phenomenon.“¹⁶⁴ In einigen Protasen ist der Stand des Mondes in der Nähe eines bestimmten Sternes genannt, wobei der Stern einer von ¯ Sin ‚auf dem Weg des Mondes‘, d. h. in Ekliptiknähe ist. 17 Konstellationen ina harran ˘ 2.2.3.3 Hemerologien Je nach fachspezifischer Forschungsliteratur wechselt die Bezeichnung der Hemerologien. In der Ägyptologie ist dieses Genre meist als „Tagewählkalender“ oder „Kalender der guten und schlechten Tage“ aufgeführt,¹⁶⁵ die häufig übernommene griechische Bezeichnung Katarchen steht neben der der sog. Glücks- und Unglückstage oder der Tagewählerei. In der Altorientalistik hat sich die Bezeichnung Hemerologie durchgesetzt.¹⁶⁶ Diese Prognosemethode ist eine der universalsten und omnipräsentesten vom Altertum bis in die Neuzeit hinein. In enger Verbindung steht das Genre mit den sog.
163 Er wendet sich damit auch gegen die Position von Charlesworth. Die Debatte ist auch für die Deutung der Qumranfragmente von Bedeutung, s. von Stuckrad 2000: 369ff. 164 Rochberg 1984: 49. 165 S. Leitz 1997: 40. Die Kalender stammen aus dem späten 2. Jh. und führen jeden Tag nach demselben Schema aus: Datum, Bewertung des Tages nach Tagesdritteln in gut oder gefährlich, Geschehnisse in der Götterwelt, fakultative Angabe von Geboten oder Verboten. 166 Alternativ als „Significant-day-compositions“, s. Brown 2006: 83f., vgl. Marti 2010. Hemerologien, akkad. utukku gehören neben Lunaria und Menologien zu den Kalendertexten und sind bereits im mittelbabylonischen Schrifttum etabliert. Zur Gattung bei den Babyloniern s. Labat 1972–75, Reiner 1995: 112–118. Die Standardausgabe des Materials stammt von Labat 1965. Zum Korpus und Klassifizierung der Texte s. Livingstone 1999, 2007: 85ff., 2013: 7ff., Koch 2015: 219–229. Ein Paradebeispiel ist ein mittelbabylonischer Text mit mehreren Textzeugen: der Babylonian almanac. „The Almanac was thus a widely known and used text; to put the matter in perspective the plain implication of its textual history is that it was in ancient times more popular than the Epic of Gilgamesh.“ (Livingstone 2007: 87). Der babylonische Almanach reiht Tag um Tag eines idealen 12-monatigen Jahres auf, um für jeden Tag eine Anweisung zu geben. Das Vokabular umfasst nicht mehr als 115 verschiedene Ausdrücke (!) und die Anweisungen sind streng an die dichotomische Form gebunden: ŠE ‚günstig‘ bzw. NU.ŠE ‚ungünstig‘; z. T. ist aber nur eine einzelne Tätigkeit angegeben, die an diesem Tage empfohlen
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Lunarien bzw. Menologien, die allerdings speziell an den Mond(kalender) gebunden sind (s. 2.2.3.4). Bereits Ende des 2. Jh. v. Chr. ist ein ägyptischer Kalender belegt, der neben meteorologischen Prognosen Anweisungen für bestimmte Tätigkeiten, z. B. das Verlassen des Hauses, oder eben ihr Unterlassen an einem bestimmten Tage vorschreiben. Das zugrundeliegende Kalendersystem ist der ägyptische Kalender.¹⁶⁷ Weitere Texte aus ramessidischer Zeit (ca. 1292–1070 v. Chr.), in denen jeder einzelne Tag des Jahres durchdekliniert wird, bestätigen, dass es sich nicht um einen exzeptionellen Fund handelt.¹⁶⁸ Die Tage sind meistens durch eine Drittelung weiter untergliedert. Eigentümlich ist den ägyptischen Texten, dass sie mit mythologischen Vorstellungen unterfüttert sind: die Bedeutung der Tage wird durch den Geburtstag einer Gottheit begründet.¹⁶⁹ Eher zur Gattung der Lunare bzw. Menologien gehören assyrische Texte, die den 7., 14., 19., 21. und 28. Tag des Mondmonats als Unglück verheißende Tage verzeichnen.¹⁷¹ Der Unterschied zwischen der ägyptischen und der babylonischen Hemerologie liegt darin, dass die Tagewählerei der Ägypter auf mythischen Vorstellungen wie den Göttergeburtstagen beruht, die babylonische dagegen auf der Beobachtung realer Katastrophen, die dann mit bestimmten Kalendertagen verknüpft wurden.¹⁷² Livingstone nennt 14 verschiedene Themen, die in den Hemerologien mit einer Prognose bedacht werden können: Landwirtschaft, Familiäres bzw. den Haushalt betreffend (wozu auch der Verlust eines Gegenstandes bzw. das Verschwinden eines Sklaven gehört!), Ernährung, Gesundheit, Gefahren auf Reisen, Berufsleben (Handel, Reputation), Politisches (den Palast betreten, eine Stadt erobern), Feinde, Gesetz/Recht, Trauer, Gottheiten und Schutzgeister, Glücksmomente (ein Wunsch geht in Erfüllung), Himmelskörper, Varia (Ausbruch von Feuer, ein gutes Zeichen etc.).¹⁷³
ist, oder die Anweisung wird jussivisch ausgedrückt: KU6 NUKÚ „Er soll keinen Fisch essen“ oder DAM TUK „Lass ihn eine Frau heiraten“, was ganz den Formulierungen im Syrischen mit der 3. Person Präfixkonjugation entspricht, da „das Impf. […] eben die eigentliche Form des Wunsches, der Bitte, der Aufforderung und des Gebots“ ist, s. Nöldeke 1880: 183, Livingstone 2007: 87. 167 Dieser Kalender ist eben nicht an den Mond gebunden. Edition bei Leitz 1994, Bakir 1966, s. Lehoux 2007: 129ff. 168 Die wichtigsten Textfunde sind verzeichnet bei Brunner-Traut 1986: 153f. 169 So noch bei Hesiod, z. B. ist der 7. als Geburtstag des Apollon ein Glückstag (Hesiod, Opera et dies, 771), s. Solmsen 1970: 82, Livingstone 2007: 85, Bouché-Leclercq 1899: 459f. Die Göttergeburtstage wurden mit der Einführung des Christentums schlichtweg durch Feiertage koptischer Heiliger ersetzt, unter dem Islam durch Gedenktage für muslimische Heilige.¹⁷⁰ Die klassische Astrologie habe sich dieses „Aberglaubens“ verwehrt, dafür sei er in Ephemeridentexte geflossen, in denen er die ἔμπρακτοι καὶ ἄπρακτοι ἡμέραι ersetzte, s. Bouché-Leclercq 1899: 459. 171 S. Langdon 1935: 73, 83f. 172 Nach Brunner-Traut 1986: 156 hat die babylonische Praxis die ägyptische erst in der Spätzeit (664–332 v. Chr.) berührt. Auch die in Dtn 18,9–11 und Lev 19,26 verurteilten Loskalender sollen auf babylonische, nicht auf ägyptische Praxis zurückgehen. 173 S. Livingstone 2007: 88.
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Bemerkenswert ist einer der Texte aus Sultantepe (STT 300), datiert auf 619 v. Chr., der von Reiner als Vorläufer der Verbindung von Ritualen mit Tierkreiszeichen gewertet wird. Es finden sich dort keine himmlischen Ereignisse als Zeiteingrenzung, sondern rein kalendarische Angaben, nämlich Tage des Monats. Der Text durchläuft alle Tage und setzt für empfohlene Handlungen die spezielle Formel teppušma išallim „wenn Du es ausführst, wird es gelingen“.¹⁷⁴ Die einfachste Form der griechisch-lateinischen Aneignung ist eine Aufzählung der ‚glücklichen‘ bzw. ‚günstigen‘ (αἴσιοι) und ‚unglücklichen‘ bzw. ‚ungünstigen‘ (ἀποφράδες) Tage.¹⁷⁵ Sie gehören eng mit der (hesiodschen) Gattung der ἔργα καὶ ἡμέραι zusammen, welche sich aber im Unterschied zu diesen auf die saisonal zu beachtenden Veränderungen beziehen und daher einen eindeutig landwirtschaftlichen Nutzen haben.¹⁷⁶ Festgelegte Serien solcher Tage konnten sich durchsetzen als sog. Pariser Tage,¹⁷⁷ die nicht an bestimmte Monate gebunden sind und meist 32 Tage umfassen, zum anderen als die sog. Dies Aegyptiaci, eine Reihe von 24 Tagen,¹⁷⁸ die sich zu je zweien auf einen Monat verteilen. In der ursprünglichen Form gilt für das Zahlenpaar, dass die erste Zahl keine größere Differenz zum Monatserst aufweisen darf als die zweite zum Monatsletzt. Die ägyptischen Tage sind zuerst belegt in den Fasti Philocaliani (354 n. Chr.) und beziehen sich auf das von Augustus eingeführte System der dies senatus legitimi.¹⁷⁹ Auch in der Pahlavi-Literatur sind solche Texte bekannt, z. B. derjenige des ¯ ¯ ¯ Adurbad, Sohn des Maraspand an.¹⁸⁰ Die arabische Variante dieser Praxis wird ihtiya˘
174 S. Reiner 1995: 111. 175 In der mediävistischen Terminologie findet sich auch häufig die Bezeichnung als „verworfene“, „schwarze“ oder auch „Schwendtage“. Eine Zwischenstufe zwischen dem ägyptischen System und seiner griechischen Aneignung sind möglicherweise die griechischen magischen Papyri, dort werden in einem Text jeweils 3–7 Tage der ägyptischen Monate genannt, die für magische Handlungen entweder günstig oder ungünstig sind, s. Preisendanz, 1931, Bd. II: 13 (VII, Z. 273ff.). Interessanterweise folgt ein Zodiakallunar, welches in bestimmten zodiakalen Mondständen bestimmte Praktiken vorschlägt bzw. untersagt. Weitere Texte dieser Art sind zu finden im Corpus Inscriptionum Latinorum, s. Hopfner 1928: 356ff., CCAG VIII, 3: 168, X,1: 58, XI,2: 154, 188, s. Delatte 1927: 603, 631f., 633. 176 Ebenso lassen sich die lat. fas et nefas-Texte daneben stellen, eine Gattung, die Tage anzeigte, an denen Staats- oder andere Geschäfte in Rom verrichtet werden konnten. 177 Zu den lateinischen Texten, die das Konzept der unglücklichen bzw. Pariser Tage enthalten, s. Keil 1957: 27ff. 178 Diese sind 2., 6. und 16. Januar, 7. und 25. Februar, 3. und 24. März, 3. und 21. April, 3. und 21. Mai, 7. und 20. Juni, 6. und 18. Juli, 6. und 21. August, 2. und 19. September, 3. und 20. Oktober, 2. und 24. November, 4. und 14. Dezember, s. Keil 1957: 35, Mueller 2009: 34, Webster 1916: 195ff., Riha 1992: 128. Zur angelsächsichen Tradition vgl. Förster 1929, Means 1992. 179 S. Resch 2007. 180 S. Zaehner 1956: 107–109. Einige Textstellen nennt noch Panaino 2005: 83. Diese widersprechen aber eigentlich der zoroastrischen Lehre von der Zuschreibung der 30 Tage des Monats an jeweils einen der Götter des Pantheons, da dies keine Unterteilung in glückliche und unglückliche Tage zulassen dürfte, vgl. ibid. S. 83.
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¯ al-ayyam ¯ genannt und enthält z. T. auch das im Folgenden erklärte System der rat Horare.¹⁸¹ Eine weitere Systematisierung der Hemerologie bzw. eine weitere Feingliederung sind die sog. Ephemeriden (Tagesgutachten) und Horare (Stundengutachten), in denen sogar einzelne Stunden als günstig oder ungünstig definiert wurden. Diese Lehre ist eng verknüpft mit der Lehre der Zeitenherrscher (χρονοκράτορες), der planetaren Stunden- und Tagesherrscher. Wahrscheinlich basieren die Tagesherrscher (πολεύοντες) und damit auch die feste Reihenfolge der Wochentagsnamen,¹⁸² die nach den Planeten benannt sind, auf dem System der Stundenherrscher.¹⁸³ Diese Texte sind weit verbreitet, eine Zuordnung von Planeten und Tagen ist als locus classicus der Astrologie im Talmud prominent.¹⁸⁴ Die durchschlagende Verbreitung des Prinzips belegt nicht nur die Zuschreibung ¯ ibn Qurra von Bar Hebraeus, welche den Titel Ktåbå eines solchen Traktates an Tabit ¯ ¯ ¯ d-pullå¯g yawmåtå da-šbūå al kawkbe¸ šeb å „Schrift über die Verteilung der Wochen¯ ¯ ¯ ¯ ¯ tage auf die sieben Planeten“ trägt,¹⁸⁵ sondern auch die mandäischen Texte.¹⁸⁶ ¯ as-saat- über die Wahl der günsti181 Größtenteils nur als Handschriften vorliegend sind: ihtiyarat ˘ gen Stunde für alltägliche Verrichtungen, Br. Libr. Add. 7490/12 (fol. 222–257, 1058 H., s. Kat. No. 415: 198), „der Verfasser sagt, er habe das Buch des Ptolemaios als Grundlage verwendet.“ (GAS VII: 146) ¯ von as-Siˇgz¯ı, über die Katarchen (1. nach den fünf Hauptstellungen des Mondes, 2. bei Einihtiyarat ˘ zeldingen des tägl. Lebens, 3. günstige und ungünstige Zeiten, Br. Libr., Or. 1346/8 (ff. 72–81, 1179 H., s. Rieu No. 776), s. GAS VII: 179. Editionen bei Ebied/Young 1976. Sehr wichtig auch die Besprechung von Witkam 1979, der einige Vorurteile darüber aus dem Weg räumt. Zu den Tagesherrschern s. Young 1982. 182 In den semitischen Sprachen ist die Benennung der Wochentage kaum vertreten und wird numerisch umgangen. Ein interessanter Fall ist allerdings die aramäische Bezeichnung des Freitags als arūbtå, was wahrscheinlich eine Übersetzung für ‚Venustag‘ ist, s. Rotter 1993. ¯ 183 Die Stundenherrscher (διέποντες) sind die 7 Planeten, die nach absteigender Umlaufzeitdauer angeordnet sind. Im geozentrischen Modell sind die siderischen Umlaufzeiten für Saturn ca. 29 J., für Jupiter fast 12 J., für Mars 687 Tage, für die Sonne 365 Tage, für Venus fast 225 Tage, für Merkur 88 Tage und für den Mond 27,5 Tage. Diese Anordnung der Planeten ἑπτάζονος bzw. septizonium war bei den Griechen seit dem 2. Jh. v. Chr. in Gebrauch, s. Rudolf 2014a: 160. Griechische Belege sind CCAG X: 136, wo die planetaren Tagesherrscher mit Tierkreiszeichen vermischt sind, oder CCAG X: 68 wo jeweils die Stunden aufgezählt werden, die ein Planet beherrscht (die Sonne 1, η, ι-ε, κ-β). Dort wird als empfohlene Handlung neben Schreiben, Prüfen, Suchen auch das Heben von Schätzen genannt, was stark an die arabische Tradition erinnert. Andere Vergleichstexte sind CCAG IV, 1: 136, 138, VII, 1: 88,90. Die Art von Text wird von Iuvenal VI, 1: 569ff. mit dem Verweis auf die Zahlen des Thrasyll genannt, s. Gundel/Gundel 1966: 271. 184 S. von Stuckrad 2000: 456ff. 185 S. Chwolsson 1856, Bd. II: III. 186 In den 1012 Fragen heißt es: hazin šuba tufs.ia šuba malkia hinun ušuba hinun yumia d-kul yuma ¯ mara tlh lau anin amarnin d-t.ufsa (t.ufsia) šubaia (šuba) šum-h“ (Drower 1960: 87) „These seven types ¯ are seven kings, and seven are the days (of the week) of which each is the lord. Have we not said of the types that the name of the lord of the seventh should not be written? It is the day of Habšaba (the First of the Week). That is our symbol (type): it is that which is called good fortune. We thaught them all about it (enjoining) love of that day. Šamiš (Sun), Bringer of good fortune, assigned the first type
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Der erste Teil des Testaments des Adam, das sog. Horarium, ein Stundenbuch, bestimmt für jede Stunde, welcher Teil der Schöpfung zu lobpreisen sei und vermerkt zudem, was in dieser Stunde zu unternehmen oder zu unterlassen sei.¹⁸⁷ Sicherlich handelt es sich hier um eine Vermischung religiöser und divinatorischer Zeitteilung. Das syrische Testament des Adam wurde im 3. Jh. verfasst und dürfte in einem christlichen Umfeld entstanden sein. In Verbindung mit einem medizinischen Konzept ist es in der griechischen Tradition Hippokrates, der als erster für den Heilungsprozess kritische Tage des Mondmonats zusammenstellt: es ist der 4., 7., 11., 17., 21., 25. und 29. Tag (beginnend mit dem Datum der Erkrankung). Die erhaltene arabische Version des galenischen Kommentars der kritischen Tage, welche später auch ins Lateinische übersetzt wurde, belegt, dass es eine syrische Zwischenstufe gegeben haben muss.¹⁸⁸ Al-Kind¯ı entwickelt in ¯ ın li-l-amrad ¯. ¯ al-Kind¯ı ila¯ bad.i ihwanihi ¯ ¯ Yaqūb ibn Ish.aq f¯ı illat al-bah.ar¯ seiner Risalat ˘ ¯ al-h.adda „Über die Ursachen der Krisen bei akuten Krankheiten“ eine Theorie der kritischen Tage, die auf einer Art Zahlentheorie beruht. Die Prognose ist gut, wenn eine Zustandsänderung des Kranken an einem ungeraden Tag (gerechnet vom Krankheitsbeginn) eintritt. Das Erstaunliche ist, dass al-Kind¯ı Galen überhaupt nicht erwähnt. Klein-Franke begründet dies damit, dass dessen Schriften zu den kritischen Tagen ¯ deren erstem Übersetzer, überbis zu seiner Zeit wohl noch nicht von H.unayn b. Ish.aq, tragen waren.¹⁸⁹ Die Lehre drang später auf noch wenig erhellten Pfaden auch in die europäischsprachige kalendarische und medizinische Literatur.¹⁹⁰ Eine besonders in medizinisch-prognostischen Texten oft aufgegriffene Sonderform der Tagewählerei sind die belichteten und unbelichteten Tage, eine Sonderform der Unglückstage. Diese in Verbindung mit dem Mond stehenden (und somit schon in die Gattung der Lunaria hinübergreifenden) belichteten, d. h. glückbringenden Tagen entsprechen dem 1., 2., 3., 7., 9., 11., 13., 14., 16., 17., 18., 20., 22., 23., 26. und 28. Tag des Mondmonats.¹⁹¹ to himself: and it is his symbol. The second type is […] S¯ın […] the third type, which is ruddy, is that with which Nirig (Mars) is identified. The fourth type was accepted by Nebo (Mercury), he became identified with it.“ (Drower 1960: 253). 187 Es beginnt mit der ersten Nachtstunde: „the praise of the demons. And in that hour (they) neither injure nor harm any human being.“ (Robinson 1982: 53). Den 12 Nachtstunden folgen die 12 Stunden des Tages. 188 Das Adjektiv der gleichen Wurzel (BH . R) erscheint in der arabischen Übersetzung der galenischen „critical days“, die von H.unayn angefertigt wurde und in seinem Sendschreiben des Übersetzers er¯ ist nach Cooper aus dem Syrischen entlehnt. Er nennt es sogar wähnt ist. Das arabische buh.ran als Paradebeispiel einer Entlehnung aus dem griechisch-syrisch-arabischen Übersetzungskontext, s. Cooper 2011: 18. 189 Sein komplexes System bezieht neben der Disposition des Kranken auch Planetenkonstellationen mit ein, s. Klein-Franke 1975: 164ff. 190 Eine Zusammenstellung englischsprachiger Handschriften hat Wallis 1995. 191 S. Gundel/Gundel 1966: 268. Dort werden als Quellen zitiert: CCAG V, 3: 128, CCAG III, 4: 22ff., VIII, 3: 53, fol. 77, X: 32, fol. 28, 49, fol. 7v.
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2.2.3.4 Selenodromion/Lunar Die wichtigste Gattung der Populärastrologie sind die Mondwahrsagebücher (nach dem Griechischen als Selonodromion oder dem Lateinischen Lunar bezeichnet).¹⁹² Die Gattung sieht auf eine lange Geschichte zurück, wobei es schwer ist, die einzelnen Stränge noch ausfindig zu machen. Mit einer Zugrundelegung einer Mixtur vorastrologischer, altmesopotamischer Mondorakel und ägyptischer Tagewählerei, wie Gundel/Gundel sie vorschlagen, ist das Problem weitestgehend umschifft.¹⁹³ Eine mögliche Vorform sind die Wahrsagebücher nach der ersten Sichtbarkeit des Mondes, die bei den Babyloniern gut belegt sind.¹⁹⁴ Dort, wo die 30-Tages-Struktur in 10er Abschnitte unterteilt ist, liegt die Idee einer „ägyptische[n] Einkreuzung“ nahe.¹⁹⁵ Wichtig ist, dass der Zodiakus für diese Gattung bereits eine entscheidende Rolle spielt, da die Grundlage der Prognose die Sichtung des Neumondes in einem der Zodiakalzeichen ist.¹⁹⁶ Einen Übergang vom System der Hemerologien/Lunaria zum Zodiakalsystem hat Geller äußerst plausibel anhand einiger seleukidischer Texte aus Uruk gezeigt, die Umformungen älterer, aus dem 8. Jh. v. Chr. stammender, Texte darstellen.¹⁹⁷ Sehr weit gefasst ist das Genre bei Gundel/Gundel, die von den Lunaria ausgehend eine Systematisierung der sich überschneidenden Prognoseverfahren anstreben. Die Kategorisierung ist entweder inhaltlich und trennt vorwiegend meteorologische und politische Vorhersagen (Universalastrologie) von Individualastrologischem oder gestaltet sich rein formal. Die vier Hauptgruppen sind 1. Prognosen für einzelne Tage eines 30-tägigen Mondmonats, 2. Losbücher nach belichteten und unbelichteten Tagen,¹⁹⁸ 3. Prognosen nach dem tatsächlichen Mondstand im Tierkreis (Zodiakallunare/Zodiologia) und 4. Prognosen aus dem Mondstand im Verhältnis zu Fixsternen, Sternbildern, Planeten.¹⁹⁹ Diese Hauptgruppen können noch weiter spezifiziert
192 Der Unterschied zu den sog. Menologien, also Monatsbüchern, die ebenso wie die meisten Lunaria von einem idealisierten Monat mit 30 Tagen ausgehen, ist schwer festzumachen. Zur Geschichte vgl. das akkadische Inbu Bel Arhi („Fruit, Lord of the Month“), s. Livingstone 1993. ˘ 193 S. Gundel/Gundel 1966: 263, Müller 1971: 48. Zu den babylon. Mondomina s. Weisser 1981: 24ff. Eine andere Meinung hat Keil dazu: „Die dreißigteiligen Texte sind fürs klassische Altertum zwar nicht nachgewiesen, wurden über die Antike aber wahrscheinlich dem Abendland vermittelt, da sie einerseits im frühmittelalterlichen Fachschrifttum begegnen, auf der anderen Seite aber auch in vereinzelten ‚Mondomina‘ babylonischer Überlieferung vorgebildet sind“. (Keil 1997: 125). 194 S. Hunger 1992. 195 Die Prognosen sind nur für eine Dekade voll ausgeführt und werden dann schlichtweg wiederholt. Auch wenn Gundel i. A. etwas zu sehr den Ägyptern hingeneigt argumentiert, muss dies als ein eindeutiger Bezug zum ägyptischen Dekansystem verstanden werden. 196 S. Gray 1909–1910. Zu persischen Belegen s. Panaino 2005a: 81. 197 S. Geller 2014: 84f. 198 In unserer Aufteilung gehören die Losbücher nicht zu den Mondbüchern. 199 Besonders bedeutsam ist hier der Mondstand z. Z. des Siriusaufgangs (der später auf Neujahr übertragen wurde), s. Gundel/Gundel 1966: 264.
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werden. Die erste Gruppe ließe sich nochmals in Sammellunare²⁰⁰ und Speziallunare aufteilen.²⁰¹ Umstritten ist in der Gattungsgeschichte, ob die monothematischen Speziallunare zu Sammellunaren synthetisiert wurden, oder ob man aus den Sammellunaren die Speziallunare extrahierte. Wahrscheinlicher ist die erste Variante.²⁰² Ein Beispiel eines griechischen Lunars (CCAG III: 32–39) zeigt die alte Idee der Göttergeburtstage noch ganz transparent: „Die Prognose für den 6. Mondmonatstag lautet z. B. […] Artemis wurde geboren, Nebrod wurde geboren. Dieser Tag ist gut und glückverheißend. Man kann an ihm jede schwierige Aufgabe anfangen; besonders aber ist es ratsam in den Krieg zu ziehen, Bogen zu schießen, Sklaven, Rinder und Haustiere zu kaufen. Der Flüchtige und das Verlorene wird mit Freude gefunden werden. Die Neugeborenen werden sehr glücklich sein, glücklich an ihren Wagnissen und sie werden keine Mühsale erleiden. Wird einer krank an diesem Tag, wird er rasch wieder gesund. Sieht einer einen Traum, so soll er ihn in seinem Herzen behalten und soll dieses Geheimnis niemandem sagen, auch nicht dem Sonnengott.“²⁰³
Andere Beispiele sind ein Melampus zugeschriebenes Mondwahrsagebuch,²⁰⁴ das Lunarium von Salomon und David, in dem das Wiederfinden von Sklaven prognostiziert
200 Die Sammellunare enthalten a) Prognosen nach den einzelnen Mondphasen, b) Prognosen nach Göttergeburtstagen, c) Prognosen in verchristlichter Form, d) Prognosen ohne mythologische Erklärung in Verbindung mit den einzelnen Mondtagen. Vorhergesagt werden die Gunst der Stunde für bestimmte Unternehmungen, das Aussehen von Körper, Charakter, Beruf der Kinder, die Wahrscheinlichkeit einen entlaufenen (Sklaven) oder etwas Gestohlenes wiederzufinden, Krankheitsprognosen, Vorbedeutung eines Traumes, Beurteilung von Aderlass und Landwirtschaft. Ein Beispiel eines landwirtschaftlichen Zodiologions ist CCAG XI, 1: 165f., s. Gundel/Gundel 1966: 269. 201 Die Speziallunare umfassen Tagewähllunare, Geburts- oder Nativitätslunare, Krankheitslunare, Traumlunare und Aderlasslunare. 202 Man kann dies z. B. festmachen an der abfallenden Informationsdichte im Verlaufe eines Monats, s. Weisser 1981: 19ff., Mueller 2009: 73. Zur Textstruktur der Lunare, s. auch Riha 1992: 42ff. Die Rekonstruktion dieser textuellen Verzahnung geht auf Wistrand zurück, weshalb sie bei Keil 1997: 126 bereits als „Wistrandsches Kompilationsschema“ zu finden ist: „Wie Erik Wistrand gezeigt hat, zerlegten sie dabei die Ausgangstexte in deren 30 Lunationsabschnitte und fügten die so gewonnenen Versatzstücke segmentgetreu wieder zusammen, wobei sie darauf achteten, daß jede einzelne Prognose der zugehörigen Mondphase erhalten blieb, und gleichzeitig dafür sorgten, daß die Reihung der Themen in den 30 Lunationssegmenten konsequent beibehalten wurde“. Förster hingegen ist überzeugt, dass Spezial- und Sammellunar literargeschichtlich nebeneinanderstehen, s. Förster 1944: 34. 203 Gundel 1927: 139f. äußert sich zu dieser Textart folgendermaßen: „Die Lebensfähigkeit dieser bizarren Zukunftsdeutungen ist ungemein zähe gewesen. Sie bilden einen wesentlichen Teil der Laienastrologie des christlichen Abendlandes im Mittelalter und in der Neuzeit. Natürlich sind bei der fanatischen Tilgung der heidnisch-religiösen Elemente, denen die meisten Systeme der antiken Astrologie im christlichen Mittelalter ausgesetzt waren, in den späteren Listen die antiken Göttergeburtstage völlig eliminiert und durch Daten aus dem alten und neuen Testament ersetzt worden. Der eben beleuchtete Text stellt ein interessantes Dokument des Übergangstadiums dar.“ 204 CCAG VIII, 4: 102ff.
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wird, oder ob es ratsam sei, sich einem Herrscher zu nähern.²⁰⁵ Erwähnenswert sind noch die bei Plinius zitierten Zodiakallunare.²⁰⁶ Wichtig ist zu beachten, ob es sich um 28 Mondstationen handelt, die dann auf arabische Provenienz verweisen, oder um 30 Tage eines idealen Monats.²⁰⁷ Die Sonderform der Krankheitslunare prophezeit Heilungsaussichten mithilfe des Mondstandes im „fiktiv konstanten dreißigtägigen Mondmonat“, wobei das Ergebnis ein recht beschränktes Variationsspektrum bietet: Die minimalistische Form stellt Leben oder Tod in Aussicht. Dies kann noch mit Ungewissheit oder Verlängerung der Krankheit abgewechselt werden, außerdem können empfohlene therapeutische Maßnahmen dazutreten.²⁰⁸
2.2.3.5 Dekumbitur Eine weitere Sonderform des Krankheitslunars war das sog. Dekumbitur, welches den Tag der Erkrankung, der wortwörtlichen „Bettlägrigkeit“ zum Ausgang der Prognose hatte. Die sympathetische Verbindung wird zwischen dem Mondalter²⁰⁹ und dem Verlauf der Erkrankung hergestellt.²¹⁰
2.2.3.6 Dietätik Einige babylonische Texte verknüpfen bestimmte Tage mit einem Verbot oder Gebot von Speisen und Getränken.²¹¹ Neben den dietätischen Motiven könnte auch die Vorstellung, dass bestimmte, einen schlechten Atem verursachende Lebensmittel, die Götter verärgern könnten, zugrunde liegen. Dies würde auch ein rabbinisches Verbot erklären, den Tempeldienst mit schlechtem Atem auszuführen.²¹²
205 CCAG X: 122ff. Der nach Reiners Einschätzung älteste erhaltene griechische Text der Gattung ist περὶ καταρχῶν eines gewissen Maximus, ediert von Ludwich 1877, s. Radici Colace 1988, zu den griechischen Selenodromia s. CCAG X: 121, Reiner 1995: 108. 206 (Naturalis Historia XVIII 200), er führt die landwirtschaftlichen, hausbuchartigen Zodiakallunare auf Accius (Attius) und Zoroaster zurück, s. Gundel/Gundel 1966: 268. Zu den lateinischen Lunaria, s. Svenberg 1963. 207 Gundel/Gundel 1966: 269. Dazu zitiert er CCAG V, 3: 90f. 208 S. Mueller 2009: 73, Weisser 1981: 13. 209 Alternativ kann auch die Stellung des Mondes innerhalb der Tierkreiszeichen oder die Relation zu einem Planeten entscheidend sein. 210 S. Mueller 2009: 75, Stiehle 2009: 7f. Diese Methode ist auch von dem mit Ammon konferierenden Hermes Trismegistos überliefert, s. Ideler 1841, Bd. 1: 387–96, 430–440, Bouché-Leclercq 1899: 524. Moderne Mondwahrsagebücher, die sich nahe an der auch mittelalterlich belegten Praxis halten, werden in großen Auflagen verkauft, s. Tuczay 2012: 172. 211 Z. B. BM 56650, s. Heessel 2000: 128f., Geller 2010: 74. 212 S. Livingstone 2013: 263.
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„Monatsregeln sind dietätisch angelegt, prophylaktisch ausgerichtet und gehören in den Bereich der Präventivmedizin“.²¹³ Das sog. regimen sanitatis und seine Literatur ist besonders aus den dt. und gesamteuropäischen hoch- und spätmittelalterlichen Texten bekannt, die in verschiedenen Formen vorliegen, auch vor arabischer Infiltrierung als regimina duodecim mensium. In der lateinisch-angelsächsischen Literatur sind diese Kalender weit verbreitet und seit dem 9. Jh. greifbar.²¹⁴ Die Gattung hat durch ihre Erwähnung im secretum secretorum (s. 2.5.2.2) und dessen Übersetzungen weite Verbreitung gefunden.²¹⁵ Die Einteilung in Zeiteinheiten kann zwischen Stunden, Tageszeiten, Wochen-, Monatstagen, einzelnen Monaten und den vier Jahreszeiten variieren. Auch im Syrischen sind einige Beispiele für die dietätische Literatur zu finden.²¹⁶ Interessant ist, dass hebräische Texte der Dietätik zunächst ausschließlich in medizinischen Sammelhandschriften vorkommen, bevor sie ihren Eroberungszug in das verwandte Gebiet der Prognose- und Komputustexte fortsetzen.²¹⁷
2.2.4 Astraldivination Wie wir oben gezeigt haben eignet sich für die Beschreibung der Gattungen des SBM am ehesten der Terminus Astraldivination, da astronomische bzw. astrologische Berechnungen kaum von Bedeutung sind und sogar oft durch einfachere onomatomantische Berechnungen ersetzt sind. Die astraldivinatorischen Untergattungen des SBM untergliedern sich nochmals in Nativitäten, Melothesie und Chorographie:
2.2.4.1 Nativitäten Die bekannteste Form der Astraldivination sind die Nativitäten oder Tierkreisorakel, die eine reduzierte Form der astrologischen Horoskopie darstellt. Ledigliche die Kenntnis des Tierkreiszeichens, in dem der Klient geboren wurde, ist vorauszusetzen. Dem in einem bestimmten Sternzeichen Geborenen werden sein Schicksal, Aussehen, späterer Beruf²¹⁸ oder Charakter prognostiziert.²¹⁹ Der exakte Geburtstermin wird –
213 Keil 1997: 131. 214 Untersuchungen dazu sind weniger spärlich als für den orientalischen Raum, z. B. Chardonnens 2007. 215 S. Riha 1985: 14, Hirth 1969. Eine Übersicht bietet außerdem Weiss Adamson 1995. 216 Der kalendarische Aspekt fehlt hier allerdings weitestgehend, s. Wernhard 1997, Gerrit/ Langermann 2009: 179–204, Hawley 2008: 81–104. 217 S. Isserles 2014: 273ff. 218 Gerade bei den griechischen astrologischen Schriftstellern ist die Bandbreite der Berufe erstaunlich und zieht sich durch jede Gesellschaftsschicht, s. Barton 1994: 162, Cumont 1937. 219 Zur Gattung s. Gundel 1927: 157–176. Diese Orakel haben sich als Zeitungshoroskope, d. h. „im Unfug der Sonnenstandshoroskope bis in die Gegenwart gehalten“ (Gundel/Gundel 1966: 270).
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wie in der Horoskopie üblich – nicht weiter spezifiziert. Die babylonische Vorform wird von Rochberg als nativity omen eingeführt.²²⁰ Die Protohoroskope sind dagegen wesentlich komplexer, da z. B. der Stand von Planeten und anderen Konstellationen berücksichtigt wird. Außerdem ist der Geburtstermin auf den Tag, manchmal sogar die Tageszeit genau, angegeben.²²¹ Ein relativ altes ägyptisches Verzeichnis von Glücksund Unglückstagen (19. Dynastie) verknüpft bereits den Tag der Geburt mit einer Schicksalsprognose.²²² Gundel versteht die Nativitäten als spätere Ausweitung dieser Idee auf Mondtage, Planeten und Zodiakalzeichen, während das ägyptischen Genre der Geburtsorakel noch etwas morbider angelegt ist. U. a. wird für den an einem Tag des Jahres Geborenen die künftige Todesursache vorhergesagt, z. B. heißt es für den 4. Paophi: „Schädlich gut gut. Geh ja nicht aus deinem Haus an diesem Tag. Wer an diesem Tag zur Welt kommt, stirbt durch Ansteckung (Pest) an diesem Tag.“²²³ Auch wenn die Tagewählerei im Mittleren und Neuen Reich weit verbreitet war, so beruht sie im Vergleich zur Horoskopie und Nativitätenlehre „auf abweichenden superstitiösen Vorstellungen“. Die stellare und planetare Verknüpfung mit dem Schicksal ist eine adaptierte, und daher spätere Erscheinung, die in der Ptolemäerzeit einsetzt.²²⁴ Die Nativitäten nach Tierkreiszeichen fehlen auch bei den klassischen Autoren der Astrologie wie Vettius Valens nicht, auch bei Ptolemaios taucht dies auf, allerdings noch mit einem wissenschaftlicheren Anstrich, elaboriert und spezifiziert durch Kulminations-, West- und Ostpunkt, sowie den Ort des Tierkreises, in dem der Planet sich befindet.²²⁵ Bei Manilius erscheint die Lehre in erudierter Form (Manil. IV 122–291, 502–584).²²⁶ Einer der erbittertesten Polemiker ist Hippolytos (Refutatio omnium haeresium IV 15–26), der eine detaillierte Übersicht über die von ihm verworfene Lehre gibt.
220 S. Rochberg 2004: 98. 221 Die Unmöglichkeit, bei Tag oder Bewölkung, sämtliche himmlischen Konstellationen und Planetenstände, besonders des Mondes, ausfindig zu machen, war wohl der entscheidende Impuls, die Astrologie durch astronomische Kenntnisse zu erweitern. In dieser Phase soll sich die Astrologie von den anderen Divinationskünsten zu einer eigenen Wissenschaft „emanzipiert“ haben, s. Rochberg 2004: 101. Zum mathematischen Hintergrund s. Rochberg 2004: 98ff. 222 NB: es handelt sich hier also um rein chronomantische Divination (s. o.). 223 Aus dem Papyrus Sallier IV, s. Gundel 1927: 138. 224 S. Osing 1980: 11–13. 225 S. Gundel 1927: 182. Ist hiermit das später zitierte Kapitel des 3. Buches des Tetrabiblos gemeint, welches von der Gestalt und dem Temperament des Körpers handelt? Zur weiten Durchdringung der „laienastrologischen“ Literatur mit diesem Genre äußert sich Gundel 1927: 176: „Die Wirkung der Planetenstrahlungen auf den Menschen, der den Mutterleib verläßt, wird in einer Unzahl primitiver Wegweiser der Laienastrologie und in einer beängstigenden Masse gelehrter Abhandlungen in Handbüchern antiker Autoren geschildert, die einen starken Zustrom noch durch anonyme Traktate erhalten.“ 226 Vgl. CCAG VII: 194–212, s. Gundel/Gundel 1966: 270. Auch Planetenkindertexte sind vertreten, z. B. bei Ptolemaios, (Tetrabiblos III 12), s. Robbins 1980: 142ff., Gundel/Gundel 1966: 271f.
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2.2.4.2 Melothesie Die Melothesie ist per se keine eigentliche Prognosemethode, allerdings können Prognosen auf ihrem Konzept beruhen. Die Melothesie, Entsprechung von Körperteilen mit Himmelskörpern, geht letzlich auf die Idee des μικρὸς κόσμος zurück, der sympathetischen Beziehung von Kosmos und Mensch.²²⁷ Man unterscheidet zodiakale von planetarer Melothesie, wobei die zodiakale Melothesie in ihrer Überlieferung erstaunlich stabil bleibt und nach dem Prinzip a capite ad calcem mit der Entsprechung Widder bis Fische angeordnet ist. Der älteste sicher datierbare Beleg aus der klassischen Astrologie stammt von Manilius.²²⁸ Die Entsprechung von Körperteilen und Planeten im Bezug zu Mond und Tierkreiszeichen findet sich bei Ptolemaios (Tetrabiblos III,13–14).²²⁹ Und auch die arabischen Astrologen nehmen die Lehre freudig auf: So paart al-B¯ırūn¯ı in Nachahmung seiner Vorbilder Widder und Kopf, Stier und Hals, Zwillinge und Arme, Krebs und Brust mit Magen, Löwe und Herz, Jungfrau und Schoß, Waage und Rücken mit Gesäß, Skorpion und Genitalien, Schütze und Oberschenkel, Steinbock und Knie, Wassermann und Unterschenkel, Fische und Füße.²³⁰ Früheste Belege planetarischer Melothesie finden sich in seleukidischen Texten, namentlich in einem späten babylonischen medizinischen Kommentar aus Nippur, in dem die Milz mit Jupiter gleichgesetzt wird und Mars mit den Nieren.²³¹
2.2.4.3 Chorographie Die astrologische Geographie oder Chorographie²³² gehört innerhalb der Astrologie dem Zweig der Universal- oder Mundanastrologie an.²³³ Man bezeichnet damit die
227 Listen, die Körperteile und Elemente des Kosmos gleichsetzen, finden sich bei Macrobius, der ein Orakel der Serapis zitiert, in den Kephalaia des Mani und im Corpus Hermeticum, s. Festugière 1950: 92. Außerdem sei hier an die mystische Vorstellung des Adam Qadmon erinnert, s. Scholem 19896 : 150ff. 228 „Ac velut humana est signis discripta figura, / et, quamquam communis eat tutela per omne / corpus, et in proprium divisis artubus exit / namque Aries capiti, Taurus cervicibus haeret, / bracchia sub Geminis censentur, pectora Cancro, / te scapulae, Nemeaee, vocant teque ilia, Virgo /“. (Manilius, Astronomica, 2.453–65, 4.701–10), s. Schindler 2000: 223. Auch bei Firmicus Maternus, Mathesis 2.24, ebenso belegt bei Teukros, s. CCAG VII: 195, 19ff., s. Hübner 1977: 248. 229 Weitere Texte zur zodiakalen Melothesie: CCAG V, 4: 166f., 216f. Eine Zusammenstellung verschiedenster Melothesiesysteme bietet Stemplinger 1925: 108f. Eine detaillierte, aktualisierte Liste von Passagen zur Melothesie ist zu finden bei Hübner 1977. 230 S. Stegeman 1935–6. 231 S. Heessel 2008: 15, vgl. dazu auch Reiner 1993, Civil 1974: 336–8, Neugebauer 1959. 232 Dieser Begriff wurde von Bouché-Leclercq vorgeschlagen, um die Polysemantik zu vermeiden, die dem Begriff astrologische Geographie inhärent ist: es könnte auch schlichtweg die Himmelsgeographie in astrologischer Darstellungsweise damit gemeint sein, s. Bouché-Leclercq 1884: 341f. 233 Im Gegensatz zur Individualastrologie/Genethlialogie, die erst seit dem 3. Jh. v. Chr. in Gebrauch war, weswegen sie bei Ptolemaios auch klar von ihr abgegrenzt ist (s. u.).
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Gleichsetzung von Ländern und Regionen mit Himmelskörpern- oder -abschnitten, insbesondere den Tierkreiszeichen und Planeten. Dabei beherrschen jene die entsprechende Region und nehmen Einfluss auf ihre Bewohner und deren Schicksal. Die Gleichsetzung von Landstrichen mit himmlischen Bezugspunkten ist in Mesopotamien besonders in der Ominaliteratur verbreitet, besonders im Enūma anu Enlil.²³⁴ Grundlegend für die hellenistische astrologische Lehre war aber abgesehen von der babylonischen Himmelskartographie und der Vorstellung eines allumfassenden Sympathiegedankens auch die griechische geographische Klimalehre.²³⁵ Aus der geographischen Tradition wurden die Klimata entlehnt und in der Astrologie zu mehr oder weniger verbindlichen Listen zusammengestellt, der erste Beleg erscheint bei Nigidius Figulus (1. Jh. v. Chr.).²³⁶ Bei Manilius sind verschiedene Länder dem Zodiakus zugeteilt, bei Ptolemaois ist neben dem o. g. das komplexeste System der PlanetenTierkreiszeichenentsprechungen zu finden, welches die alte geographische Einteilung der Vier-Himmelsrichtungen mit den Klimazonen verbindet.²³⁷ Die Liste des Paulus Alexandrinus (4. Jh.) ist wegen ihrer Schlichtheit als Epitom anderer Listen oder als 234 Es handelt sich meist um die vier wie durch ein Fadenkreuz getrennten Himmelsrichtungen symbolisierenden Regionen Subartu (Osten), Elam (Süden), Amurru (Westen) und Akkad (Norden). Die vier Ecken der Welt oder Himmelsrichtungen stehen in enger Verbindung mit den vier Winden, vgl. Rochberg 1984. Textproben des EAE finden sich bei Rochberg 2004: 47: „If an eclipse begins in the north and the north wind blows: the king of Akkad will die.“. Zu den babylonischen Anknüpfungspunkten und Vorstufen im Einzelnen ibid. 109. 235 „Ob Poseidonius der erste war, der aus den schmalen Klimastreifen breite aneinandergrenzende Zonen gemacht hat, ist fraglich. Wie wir sehen werden, wurde bereits zu seiner Zeit die Klimalehre in engen Zusammenhang mit der Astrologie gebracht; wir werden bei seinem (wohl etwas jüngeren) Zeitgenossen Serapion sieben Klimata finden, die von den rein geographischen zwar stark abweichen, aber ebenfalls zu Zonen geworden sind. Da es für die Praxis der Astrologen wichtig war, daß jede Stadt einem bestimmten Klima zugeteilt war, so ging die Aufstellung von Klimazonen möglicherweise zuerst von den Astrologen aus“ (Honigmann 1929: 30.) Auch wenn in der jüngeren Forschung die Abhängigkeiten anders gesehen werden, d. h. die geographische Einteilung vor der Anwendung in der Astrologie zu sehen ist, so ist doch festzuhalten, welche Weltsicht sich hinter einer Annahme wie dieser verbirgt: Bouché-Leclercq 1899: 311 sieht hierfür das neue, genau definierte System einer Kartographie des Himmels verantwortlich, wie sie die Entdeckung der Ekliptik und die Festlegung der Tierkreiszeichen und damit verbundene genaue Positionsangaben anderer Gestirne ermöglichte. Die Lehre der Sympathie wurde dann auf die zuvor sezierten Erd- und Himmelsteile angewandt. Die Klimalehre ist mit der Zonenlehre eng verbunden, wobei der Begriff der Zone (ζώνη) älter ist. Bereits Aristoteles unterscheidet 5 terrestrische Zonen, eine „verbrannte“ (διακεκαυμένη), die vom Äquator zerteilt und von den Wendekreisen begrenzt wird, und von jeweils zwei weiteren Zonen umgeben ist. Poseidonius zufolge soll Parmenides die Zonenlehre begründet haben, s. Hübner 2012. 236 Plinius könnte diese von ihm übernommen haben, s. Dicks 1955: 251ff. (Erhaltene) Quellen zur zodiakalen Geographie sind die Liste bei Dorotheus von Sidon (1. Jh.), der 30 Länder und Regionen auf die 12 Zodiakalzeichen verteilt, Marcus Manilius (1. Jh.) hat in seinem Werk Astronomica etwa 50, Ptolemaios schon 70 (Tetrabiblos II, 3), s. Bouché-Leclercq 1899: 332ff. Eine vergleichende Sammlung der Texte als „Anecdota astrologia“ hat Ludwich 1877: 112–119. 237 Ptolemaios hat verschiedene Systeme (s. o.), u. a. dasjenige, das dem mesopotamischen Vorbilde der Einteilung von vier Regionen am nächsten kommt. Seine „vier Weltecken“ sind das Nord-West Drei-
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Relikt eines sehr frühen Vorläufers aller anderen Listen diskutiert worden.²³⁸ Bei den früheren syrischen Belegen ist Bardesanes von besonderem Interesse. Er bestätigt die Einteilung der Erde in 7 Zonen, die jeweils von einem der Sieben (Planeten) beherrscht werden, sowie die babylonische Herkunft dieser Lehre.²³⁹ Zur Veranschaulichung sollen hier die drei prominentesten Listen der zodiakalen Melothesie²⁴⁰ dargestellt werden (Tab. 2). Tab. 2 Marcus Manilius 1. Jh.
Dorotheus Sidonius 1. Jh.
Paulus Alexandrinus 4. Jh.
Aries
Hellespont, Propontis, Syrien, Persien, Ägypten
Babylon, Arabien
Persien
Taurus
Skythien, Asien, Arabien
Medien, Arabien, Ägypten
Babylonien
Gemini
Schwarzes Meer
Kappadokien, Perrhabia, Phönizien
Kappadokien
Cancer
Indien, Äthiopien
Thrakien, Äthiopien
Armenien
Leo
Phrygien, Bithynien, Kappadokien, Armenien, Makedonien
Griechenland, Phrygien, Pontus
Asien
Virgo
Rhodos, Karien, Doris, Ionien, Arkadien
Rhodos, Kykladen, Peloponnes
Griechenland, Ionien
Libra
Italien
Kyrene, Italien
Libyen, Kyrenaika
Scorpio
Karthago, Libyen, Kyrenaika, Sardinien, Mittelmeerinseln
Karthago, Libyen, Sizilien
Italien
Sagittarius
Kreta, Sizilien
Gallien, Kreta
Kilikien, Kreta
Capricorn
Spanien, Gallien, Germanien
Kimmerien
Syrien
Aquarius
Phönizien, Kilikien, Unterägypten
—
Ägypten
Pisces
Chaldea, Parthien, Mesopotamien, Rotes Meer
—
Rotes Meer, Indien
eck (Widder, Löwe, Schütze) das keltische Galatien oder Europa, das Süd-Ost-Dreieck (Stier, Jungfrau, Steinbock) Äthiopien und Oberasien. Das Nord-Ost-Dreieck (Wassermann, Zwillinge, Waage) umfasst Skythien und das Süd-West-Dreieck (Fische, Krebs, Skorpion) Libyen, s. Bouché-Leclercq 1899: 338. 238 S. Metzger 1970: 127, vgl. Honigmann 1929: 47, Bouché-Lecercq 1899: 344ff. 239 Bardesanes stützt sich bemerkenswerterweise auf die eratosthenischen Klimata, nicht die jüngeren des Plinius, s. Honigmann 1929: 108. 240 Nach Barton 1994: 179ff.
2.2 Divinationsgattungen des SBM und ihre Provenienz |
145
Manilius, der mehr an Ptolemaios ausgerichtet ist, versucht sich an einer ‚ethnogeographischen‘ Astrologie, welche die Himmelsgeographie räumlich auf die Erde projiziert und deswegen im Osten mit dem ersten Tierkreiszeichen Widder beginnt, um sich entlang des Zodiakus bis in den Westen vorzuarbeiten, allerdings nur bis zum Steinbock. Wassermann, der dem Januar und damit dem römischen Jahresanfang entspricht, liegt auf dem Beginn des Himmelsbandes, und die Fische wiederum gehören zum Euphrat, dem Beginn der Umkreisung.²⁴¹ Der Beleg des SBM zitiert zweifelsohne die paulinische Tradition.²⁴²
2.2.4.4 Grundzüge der hellenistischen Astrologie Zur Übersichtlichkeit sollen hier die Hauptelemente und Etappen der klassischen Astrologie in der gebotenen Kürze zusammengefasst werden. Die klassische griechische Astrologie ist, wie oben geschildert, eine Verschmelzung babylonischer und ägyptischer Himmelskunde in hellenistischem Gewande. Die Horoskopie, d. h. ‚Stundenbeobachtung‘, ist das Fundament astrologischer Praxis und wird allgemein als griechische Erfindung betrachtet. Dahinter verbirgt sich die Interpretation der Gestirnskonstellationen zum Zeitpunkt der Geburt, auf der die Vorhersage des Einzelschicksals beruht.²⁴³ Das Horoskop, auch als Aszendent bezeichnet, ist das zum Zeitpunkt der Geburt am Osthorizont aufsteigende Zeichen bzw. der Grad des Zeichens und muss daher möglichst exakt ermittelt werden.²⁴⁴ Einer der frühesten Texte, der noch mehr der Astraldivination als der astronomisch fundierten Horoskopie zuzurechnen ist, reicht in spätbabylonisch-seleukidische Zeit zurück. Vorausgesagt werden Geschlecht und physiognomische Eigenheiten des ungeborenen Kindes nach dem Stand der Planeten im Tierkreis.²⁴⁵ Die vier Hauptzweige der Astrologie sind die Genethlialogie, die Universal- oder Mundanastrologie, die Katarchenastrologie und die Stundenastrologie. Die Genethlialogie (lat. nativitates) oder Geburtsastrologie ist die bekannteste Art der Astrologie, Grundlage ihrer Vorhersage ist das Horsokop. Einzelne Instrumentarien sind Aszendent und Deszendent, d. h. das zur Geburtszeit am Horizont aufsteigende und untergehende Tierkreiszeichen, die Aspekte, d. h. bestimmte z. T. geometrische Relationen, in denen Tierkreizeichen oder Planeten zueinander stehen, z. B. der Diameter, Trigonal-
241 S. Bouché-Leclercq 1899: 332f. 242 SBM: 503f. 243 Auch wenn sich bereits von babylonischen Geburtsomina sprechen lässt, welche den Zeitpunkt der Geburt als verheißungsvollen Moment auslegen, so sind diese nicht vor der seleukidischen Urukzeit bezeugt. Außerdem ist das schematisierte Horoskopieren ganz klar der griechischen Astrologie zuzuordnen, s. Rochberg-Halton 1988: 11. Einige Protohoroskope sind in das ausgehende 5. Jh. v. Chr. datiert. Bisher sind 32 bekannt und z. T. ediert, s. Hunger/Pingree 1999: 26f. 244 S. Neugebauer/Van Hoesen 1959: 7. 245 S. Rochberg 2004: 98–208.
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oder Tetragonalaspekt.²⁴⁶ Zentral sind außerdem die loci (gr. τόποι),²⁴⁷ die partes bzw. sortes (gr. κλῆροι),²⁴⁸ des weiteren der planetarische Hyleg (lat. significator vitae).²⁴⁹ Besondere Signifikanz für das Horoskop hat außerdem die Stellung der Planeten in den Tierkreiszeichen, der durch verschiedene Bezugssysteme eine bestimmte Bedeutung beigemessen wird. Die Domizile bzw. Häuser²⁵⁰ (gr. οἶκοι) der Planeten bezeichnen eine Art Ausgangsposition der fünf Planeten, die je zwei Tierkreiszeichen zugeordnet sind. Ausgenommen sind Sonne und Mond, die jeweils ein Zeichen beherrschen. Die Begründung für diese Aufteilung ist, dass die Planeten jeweils ein Tag- und ein Nachthaus hätten, was sich bei Sonne und Mond erübrigt, da sie nur einer Seite angehören.²⁵¹ Die Exaltationen oder Hypsomata bezeichnen den Kulminationspunkt des Planeten und Depressionen den jeweils gegenüberliegenden, also tiefsten Punkt am Horizont.²⁵² Für diese Art der Prognose muss die exakte Zeit des Geburtstermins vorliegen und astronomische Präzision, um die Stellung der Gestirne zu diesem Zeitpunkt zu ermitteln. Außerhalb astronomischer Praxis, Beobachtung und Lehre, war diese Form der Astrologie also undenkbar. Die Mundan- oder Universalastrologie bezieht sich in ihren Vorhersagen auf die ganze (überschaubare) Welt.²⁵³ Verschiedene Formen sind die Jahresprognostik, die sich als Geburtshoroskop für das neu anbrechende Jahr lesen lässt. Vorhergesagt werden die Wetterlage für das kommende Jahr, Naturkatastrophen, Epidemien oder politische Ereignisse (s. 2.2.3.1). Methodisch nahm man meist Bezug auf die Konstellation der Planeten, darunter auf die Konjunktion der „großen Drei“: Saturn, Jupiter und Mars. Saturn und Jupiter stehen alle 20 Jahre in Konjunktion, eine Konjunktion von
246 S. Bouché-Leclercq 1899: 165ff. Mit Diameter (διάμετρον) ist das gegenüberliegende Zeichen ¯ gemeint. Dieser Aspekt bildet auch das Fundament der arabischen anwa-Literatur, in der der Aufgang einer bestimmten Mondstation durch den Untergang einer ihr gegenüberliegenden definiert ist, s. Varisco 1991: 10, der davon ausgeht, dass es sich hier um eine indigen arabische Entwicklung handelt, die keine babylonischen o. a. Vorläufer kennen würde. 247 Damit ist eine Zwölfteilung des Himmelskreises ausgehend vom Zeitpunkt der Geburt gemeint, die auch Dodekatopos genannt wird, um sie von einer Achtteilung des Himmelskreises, dem Oktotopos, abzugrenzen. Diese Punkte, die jeweils ein Zwölftel des Kreises markieren sind in der Regel gegen die Tierkreiszeichen verschoben und zeichnen in aufsteigender Reihenfolge die aufeinanderfolgenden Etappen des Lebens ab, s. Neugebauer/Van Hoesen 1959: 7, Bouché-Leclercq 1899: 257ff. 248 Bezeichnet ist damit ein weiteres System, das ausgehend vom Zeitpunkt der Geburt bestimmte Punkte auf der Ekliptik definiert, die einen bestimmten Aussagewert haben (z. B. das Glückslos). Das System ist u. a. bei Manilius und Vettius Valens vertreten, s. Bouché-Leclercq 1899: 288ff., Neugebauer/Van Hoesen 1959: 8. 249 Bei Dorotheus von Sidon und im Tetrabiblos ist die Berechnung dieses Punktes zu finden. 250 Teilweise wird auch der Begriff ‚Würden‘ gebraucht, der aber auch noch eine weitere Funktion in der Astrologie einnimmt. 251 Das System kommt auch bei Ptolemaios vor, s. Bouché-Leclercq 1899: 187ff. 252 S. Bouché-Leclercq 1899: 182ff. 253 Ausnahme kann eine Vorhersage über das Schicksal des Herrschers sein, der ein ganzes Volk repräsentiert und dessen Schicksal auch das Schicksal vieler bestimmt.
2.2 Divinationsgattungen des SBM und ihre Provenienz | 147
Mars und Saturn im Krebs tritt alle dreißig Jahre auf und gilt als besonders unheilvoll.²⁵⁴ Katarchenastrologie dient der Bestimmung des günstigsten Zeitpunktes für eine bestimmte Unternehmung. Wann etwas begonnen wird, hat Auswirkungen auf den Verlauf und das Gelingen z. B. einer Reise. Daher ist dieser Zweig im Griechischen nach dem ‚Anfang‘ benannt καταρχαί. Der lateinische Name electiones bezieht sich auf eine der bekanntesten Untergattungen, nämlich die Tagewählerei, die sich besonders in Form von Kalendern mit Verweisen auf dos and don’ts in fast allen Bevölkerungsschichten unentbehrlich gemacht hat.²⁵⁵ Diese Kalender haben verschiedenste Bezeichnungen wie Almanache, Bauernkalender, Hemerologien etc.²⁵⁶ Die grundlegende Vorstellung der Katarchenastrologie, die im 1. Jh. v. Chr. entwickelt wurde, ist die Abhängigkeit eines bestimmten Zeitraumes von einem der planetarischen Zeitenherrscher. Zur Katarchenastrologie gehören als thematische Subklassen die Iatromathematik, Heiratsastrologie zur Bestimmung eines günstigen Hochzeitstermins, außerdem die Bestimmung des günstigsten Zeitpunktes für militärischen Aktionen.²⁵⁷ Auch Städtegründungen wurden nicht selten mit der Beratschlagung von Astrologen durchgeführt, die bekanntesten Beispiele sind die Gründung von Bagdad 762 durch al-Mans.ūr, die Gründung von Kairo, Florenz, Venedig, Bologna, Mailand, schließlich Vittoria durch Friedrich II. 1247. Nach dem astrologisch abgesegneten Zeitpunkt richtete man sich ebenfalls bei Universitätsgründungen, militärischen Operationen, dem Zeugen von Kindern oder medizinischen Eingriffen, besonders dem Aderlass. Hierzu konnte entweder jeweils eine einzelne Befragung zu einem Spezialfall Vorhersagen treffen oder Hemerologien benutzt werden. Die Stundenastrologie (lat. interrogationes) wiederum beschäftigt sich mit einzelnen Fragestellungen eines Klienten, deren Antwort von dem exakten Zeitpunkt der Befragung des Astrologen abhängt.²⁵⁸ Der gravierende Unterschied zwischen der griechischen Astrologie und ihrem babylonischen Vorläufer ist funktionaler Natur und betrifft ihre absolute Verbindlichkeit. Tester führt dafür eine Differenzierung von harter, deterministischer und weicher, noch umgehbarer Zukunftsprognose ein.²⁵⁹ Diese Vorstellung einer nicht von 254 Meist dienten diese Konjunktionen zur Erklärung politischer Ereignisse wie der schwarze Tod 1348, das große Schisma 1378, welche post eventum als Konsequenzen der Saturn-Jupiter-Konjunktion 1345 und 1365 gedeutet wurden, oder die Geburt von Mohammed nach der Konjunktion von Saturn und Jupiter 571, s. Boudet 2005: 63. 255 S. Bouché-Leclercq 1899: 458–86. Zu den sicherlich älteren verheißungsvollen bzw. Glücks- und Unglückstagen s. 2.2.3.3. 256 Wir wollen uns, um Verwechslungen auszuschließen, i. F. auf den Begriff Hemerologie beschränken. 257 Die sog. Militärastrologie ist erst im 6. Jh. im Werk des Julianus Laodicea belegt, da es sich hierbei größtenteils um eine indische und iranische Neuerung handelt. Dadurch eignet sich die Militärastrologie als ein geeigneter Indikator zur post/ante-quem Bestimmung, s. Pingree 2001: 5. 258 S. Brennan 2007: 2, Boudet 2005: 62f. 259 S. Campion 2008: 174.
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physikalischen Gesetzmäßigkeiten, sondern durch den Willen der Götter geordneten Welt, steht der griechischen Theorie der Gesetzmäßigkeit der Wirkung der Gestirne als physikalische Kräfte entgegen.²⁶⁰ Diese dichotomische Darstellung beruht auf einer starken Verallgemeinerung astrologischer Systeme, die durchaus widersprüchlich waren. Nicht selten wird die Einführung des Horoskops als Spezifikum des Hellenismus mit der Betonung des Individuums begründet. Barton kritisiert allerdings die einseitige Charakterisierung babylonischer Sterndeutung als mundanastrologisch, da dieses Bild auch auf mangelnden Textzeugen gegründet sein könnte. Das entscheidende Kriterium zur Abgrenzung sieht sie darin, dass die Babylonier sich bei ihren Berechnungen auf Zahlenverhältnisse stützten, die Griechen dagegen auf trigonometrische Relationen.²⁶¹
2.2.5 Komputistik Mit Komputistik wird die Kalenderrechnung bezeichnet, die zur Ermittlung der christlichen Feiertage in verschiedenen Kalendersystemen einen hohen Stellenwert für die religiöse Praxis einnahm. Der syrische Kalender ist Teil einer längeren Entwicklung, welche die Kalendersysteme im vorderen Orient durchlaufen haben.²⁶² Der alte persische bzw. persisch-elamische Kalender war wahrscheinlich ein Lunarkalender.²⁶³ Der den Orient dominierende Kalender war seit dem 6. Jh. v. Chr. allerdings der babylonische Kalender.²⁶⁴ Dieser kann als Lunisolarkalender gelten, insofern, dass Mondmonate zu 29 bzw. 30 Tagen alternierten, wobei eine Schaltung zusätzlicher Monate zunächst unregelmäßig erfolgte und das Nachhinken hinter dem Sonnenjahr ausgleichen sollte. Seit dem 4. Jh. v. Chr. finden sich Belege für den 19-Jahreszyklus, in den 7 Monate zwischengeschaltet wurden.²⁶⁵ Der Jahresbeginn fiel auf den Neumond nach dem Frühlingsäquinoktium mit dem Monat Nisan.²⁶⁶
260 S. Rochberg 2010: 16. 261 Barton 1994: 13ff. 262 Die altorientalischen Kalendersysteme, die z. T. nur für einzelne Städte gültig waren, behandelt Cohen 1993. 263 Die altpersischen Monatsnamen scheinen landwirtschaftliche Bezüge zu haben, was einem Mondkalender widersprechen würde. Interessanterweise werden in der Behistuninschrift die babylonischen Daten mit den persisch-elamischen gleichgesetzt – dies dürfte jedoch keine tiefere Bedeutung haben. 264 Spezifikum dieses Kalenders ist die Zählung der Tage ab Sonnenuntergang und die der Monate ab Wiedersichtbarwerden des Mondes nach der Konjunktion von Sonne und Mond, s. Hunger 1980: 297. 265 Auch als metonischer Zyklus bekannt. 266 Der Jahresanfang wurde bei den Babyloniern mit dem sog. Ak¯ıtu-Fest begangen, welches als Erntefest mit dem Neujahrsbeginn zum Frühlingsäquinoktium in Konkurrenz trat, s. Bidmead 2002: 1. Dieser Umstand könnte auch zur Erklärung der verschiedenen Jahresanfänge herangezogen werden.
2.2 Divinationsgattungen des SBM und ihre Provenienz |
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Nicht nur diese Kulturen und Praxis, sondern auch die Namen der babylonischen Monate verbreiteten sich in den umgebenden Sprachen, v. a. dem Aramäischen und Hebräischen.²⁶⁷ Innovativ war der persisch-zoroastrische Kalender, welcher nicht am Mond ausgerichtet, sondern fix war. Er bestand aus 12 Monaten zu 30 Tagen mit 5 zusätzlichen Tagen (Epagomena) und war dem ägyptischen Kalender nachgebildet.²⁶⁸ Es ist wahrscheinlich, dass er in achämenidischer Zeit eingeführt wurde, sicherlich jedoch vor der augustinischen Kalenderreform. Diese Reform, die auch als Kalenderreform des Julius Cäsar bekannt ist, legt das Jahr mit 365 Tagen und einem allvierjährlichen Schalttag fest, um der Verschiebung zum tatsächlichen Sonnenjahr entgegenzuwirken. Einen dem Mond verpflichteten Kalender besitzen im orientalischen Raum nur noch die Juden und Muslime. Die Affinität der Juden zu einem lunaren Kalendersystem ist bereits im Talmud nachzuweisen.²⁶⁹ Für die Christen bedeutsame Kalenderfragen betrafen die Bestimmung von beweglichen Festen, weswegen eine eigene Disziplin für ihre Ermittlung begründet wurde: die Komputistik. Sie bezeichnet im weiteren Sinne die arithmetische Berechnung von Zeit und der Bestimmung des Ostertermins durch die Zyklen von Sonne und Mond. Die Feier der Auferstehung Christi, das wichtigste Fest der christlichen Kirche, fällt auf den ersten Sonntag nach dem jüdischen Passahfest. Dieses Fest ist auf den ersten Frühlingsvollmond festgelegt. Bestimmt werden muss also das Datum und der Wochentag, auf den der erste Vollmond nach dem Frühlingsäquinoktium fällt, was den synodischen Mondmonat und das Sonnenjahr zur Grundlage dieser Berechnung macht.²⁷⁰
267 S. Glessmer 1999: 215ff. Für das 5. vorchristliche Jh. sind einige Schaltungen belegt (in the Persepolis Fortification and Treasury Tablets), die zeigen, dass bis auf geringe Abweichungen, die auf alte persische Gebräuche zurückzuführen sind, zur gleichen Zeit wie bei den Babyloniern geschaltet wurde und somit der Kalender angeglichen wurde. Zu den babylonischen Monatsnamen s. Jastrow 1910: 151–155. Zu den akkadischen Monatsnamen und deren aramäischen Abkömmlingen s. Kaufman 1974: 114. 268 Unterschiedlich war nur der Jahresbeginn und die Verteilung der Schalttage, s. Stern 2012: 175. Nach Stern ist die Einführung eines fixen Kalenders letzlich den Ägyptern zuzuschreiben, die das System an die Babylonier weitergaben. 269 Diese Ausrichtung des Kalenders am Mondlauf macht sich auch in der jüdischen Astrologie bemerkbar und wird zum identitätsstiftenden Merkmal stilisiert: „Israel computes by the moon, the other nations by the sun“ (bSuk 29a), Leicht 2010. 270 Das Frühlingsäquinoktium war mit der Einführung der alexandrinischen Osterberechnung im Abendland durch den skythischen Abt Dionysius Exiguus (525) auf den 21. März festgelegt. Dionysius selbst verweist mit der Festlegung auf das Konzil von Nicäa 325, was jedoch aufgrund nicht überlieferter Konzilsakten nicht verifiziert werden kann. Das Osterdatum, zusammengesetzt aus Wochentag und Mondalter, wiederholt sich wegen dieser beiden Zyklen erst nach 532 Jahren, wenn 28 Durchgänge des 19jährigen Zyklus durchlaufen sind. Die Zahl 28 erklärt sich dadurch, dass wegen der Schaltjahre nicht nach sieben, sondern erst nach 28 Jahren die Monatstage wieder auf die selben Wochentage fallen, s. Springsfeld 2002: 35ff.
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2.2.6 Exkurs: Der syrische Kalender Wie Dickens/Sims-Wiliams 2012 feststellen ist die syrische Kalendologie und Chronologie im wissenschaftlichen Diskurs recht stiefmütterlich behandelt.²⁷¹ Noch weniger ist über die Tafeln zur Konvertierung bestimmter Kalendersysteme bzw. zur Ermittlung des Sonntagsbuchstabens, welcher wiederum unerlässlich zur Ermittlung des Osterdatums war, zu finden.²⁷² Die seleukidische Ära hat den Oktober (Tešri I) als Jahresbeginn.²⁷³ Mit der römischen Eroberung ging die Umformung des makedonischen Kalenders nach Vorbild des festen julianischen Sonnenjahres unter Berücksichtigung des Schaltzyklus einher. Dabei blieb der Oktober als Jahresanfang und ebenso der Name der Monate „syrisch-orientalisch“. Nur in stark hellenisierten Bereichen setzten sich griechischmakedonische bzw. griechisch-lateinische Namen durch.²⁷⁴ Die Monate können fortan sowohl als syrische als auch als römische Monate bezeichnet werden, wobei sich der erste Name auf ihre Berechnung bezieht, der zweite auf ihre Benennung. Ebenso ist die Bezeichnung des ganzen Jahres als syrisch oder römisch möglich, wie bei al-B¯ırūn¯ı ¯ ı zu finden. Einer der frühesten Belege für den syrischen Kalender sind und al-Farg˙ an¯ die Menologien, die Nau ediert hat.²⁷⁵ Auch wenn Nau auf vier jakobitische Kalendarien des 7.–12. Jh verweist, deren Monatslisten mit Dezember statt mit Oktober beginnen, ist von der Allgemeingültigkeit des Jahresbeginnes mit Oktober auszugehen.²⁷⁶ Bar Hebraeus erläutert im 5. Kapitel seines astronomischen Werkes die Zeitmaße und darunter die Jahresanfänge dezidiert. Das Jahr ist in Sonnen- und Mondjahr geteilt und die Jahresanfänge der Zeitrechnungen verschiedener Völker angegeben: die Römer legten den Jahresbeginn auf Anfang Januar, die Griechen zur Zeit des Heidentums auf Anfang November, in christlicher Zeit Anfang September, die Syrer auf Anfang
271 Dean 1934 behandelt einen syrischen komputistischen Text des beginnenden 11. Jh. Er ist einer Sammelhandschrift beigegeben, die sonst v. a. biblische Zitate enthält. Leider handelt es sich bei dem Artikel nur um eine Übersetzung, die Dean anhand ihm vorliegender Photografien anfertigte. Als be¯ was er mit ‚calendar‘ übersetzt. sonderes Merkmal des Textes vermerkt er das gr. Lehnwort kron¯ıqon, Die Tabellen helfen bei der Ermittlung des Fastenbeginns, des Osterdatums, der Sonntagsbuchstaben etc. Die Jahresangabe ist in der „Ära der Griechen“ angegeben. 272 S. Dickens/Sims-Williams 2012: 269f. 273 Die Jahreszählung war im Osten die Seleukidenära, fälschlicherweise als „Ära des Alexander“ bezeichnet, beginnend mit dem 1. Oktober 312 v. Chr. 274 S. Bernhard 1969: 64. 275 Zu diesen Texten gehört wahrscheinlich ein Autograph von Jakob von Edessa, außerdem eine Handschrift, die auf das Jahr 411 zurückgehen soll, s. Bernhard 1969. 276 S. Nau 1912, Bernhard 1969: 64ff. Die erste ausdrückliche Feststellung dieser Jahresanfangshandhabe ist in einem jakobitischen Kalender zu finden, der ins frühe 13. Jh datiert ist, und der Abgrenzung von den Melkiten, die immer weiter in den Einflussbereich von Byzanz gerieten, dienen sollte, s. Bernhard 1969: 71.
2.2 Divinationsgattungen des SBM und ihre Provenienz |
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Oktober, die Ägypter auf den 29. August, die Perser auf Anfang des Monats parward¯ın (neupers. farward¯ın), welcher Ende ‚März‘ beginnt.²⁷⁷ Die syrische Zeitrechnung ist von Elias von Nisibis behandelt worden, der sich u. a. auf das ptolemäische Almagest stützt, öfter aber auch als Quelle die Briefe Georgs, des Araberbischofs zitiert.²⁷⁸ Es zeigen sich hier auch Parallelen zu den Turfanfragmenten, da sie wie die Schrift Elias von Nisibis einen eindeutig liturgischen Charakter haben. Bei Elias von Nisibis sind weitaus mehr Tafeln enthalten, die stark an die Tafeln der z¯ıgˇ -Gattung (s. 2.5.2.5) erinnern, die auch im SBM nachgeahmt werden. Unter den Fragmenten aus Turfan sind in syrischer Sprache v. a. Listen mit Monaten und ihrer Länge in Tagen erhalten.²⁷⁹ Auch Dickens/Sims-Williams erwähnen das SBM in ihrem Artikel über syrische und sogdische Kalenderfragmente in Turfan und betonen, dass der Gebrauch im SBM eindeutig davon zu unterscheiden sei: die Zeitrechnungstabellen im SBM zielen auf divinatorische Praktiken zur Krankheitsprognostik ab, was sicherlich die sekundäre Funktion sein dürfte.²⁸⁰ Die Syrer benutzten weiterhin die Zeitrechnung, die schon ihre Vorgänger, egal ob unter byzantinischer oder sasanidischer Herrschaft, gebraucht hatten: die seleukidische Ära. Der zusätzliche Gebrauch des islamischen Kalenders war v. a. in der Ostkirche verbreitet. Dabei war naturgemäß auch die Sprache ausschlaggebend, da im Umfeld arabisch schreibender Autoren die hegirae-Zeitrechnung weitaus öfter zu finden ist.²⁸¹ In syrischen Texten wird alternativ von der Zeitrechnung der ‚Muslime‘ (t.ayyåyē¸),²⁸² ‚der Ismaeliten‘, ‚der Pilger‘ (mhaggråyē¸)²⁸³ oder „der Söhne Hagars“ gesprochen. Dazu kam bei den Westsyrern etwa ab dem 12. Jh. die christliche Ära in Gebrauch, bei den Ostsyrern finden sich erste Belege im 13. Jh., eine allgemeingültige Verbreitung allerdings erst im 16. Jh.²⁸⁴
277 S. Nau 1899c: 191, Steingass 1963: 924. 278 S. Chabot 1909. 279 S. Dickens/Sims-Williams 2012: 277. Zu den christlichen Handschriften aus Turfan s. Dickens 2009. 280 S. Dickens/Sims-Williams 2012: 270. 281 „One can perhaps deduce from this that the comparative rarity of hijra datings in Syriac manuscripts is due to traditionalism, rather than to any deliberate disinclination towards the use of the Muslim era.“ (Brock 2005a: 282). ¯ started out as the standard Syriac term for ‘Arab’; at some time in the course of the 282 „T.ayyayē Middle Ages it took on its current meaning of ‘Muslim’.“ (Brock 2005a: 277). 283 „This is a term frequently found in Syriac sources of the 7th and 8th century, probably represent¯ ing muhajirun. It also features in Syriac inscriptions dated AH 96 (AD 714/15) from Kamed el-Loz“, (Brock 2005a: 277). 284 Meist weicht die syrische Angabe nach christlicher Ära von der Zeitrechnung anno Domini um zwei Jahre ab, da die Geburt Jesu zwei Jahre früher angesetzt wurde, s. Kaufhold 2009: 1ff.
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Das syrische Jahr setzt sich also wie folgt zusammen: Tešri(n) ist der Name der ersten beiden syrischen Monate, wobei Oktober mit dem Zusatz qdem und November mit h.råy/h.rånå spezifiziert werden. Der erste Be¯ leg sind palmyrenische Inschriften, wobei dort nur der erste Monat mit diesem Namen bezeichnet wird, der zweite mit Kånūn.²⁸⁵ Im syrischen Kirchenkalender bezeichnet der Kånūn den dritten und vierten Monat, die dem jüdischen 9./10. Monat entsprechen, nämlich Kislēw und T.ēbēt.²⁸⁶ ¯ ¯ ¯ wird ebenso mit qdem und h.råy weiter spezifiziert und bezeichnet den Kånon ¯ 3. und 4. Monat. Er taucht bereits in palmyrenischen Inschriften auf, korrespon¯ dem jüd. Monat, der syrisch nur bei Ephrem belegt ist.²⁸⁷ dierend mit Marh.ešwan, Šbåt. entspricht Februar. ¯ Ådår entspricht März. ¯ N¯ısån entspricht dem ersten Monat des jüd. religiösen, dem 7. des bürgerlichen Jahres, ca. April. Iyår entspricht Mai. H.z¯ırån ist etwa dem Juni entsprechend.²⁸⁸ Tåmūz ist abgeleitet von der Bezeichnung des 4. jüd. Monats und entspricht Juli. Åb/Åby entspricht August. ¯ ¯ I¯lūl schließlich entspricht September.
Schleierhaft ist die Doppelbenennung von Monaten, die sich außerhalb davon noch im islamischen Kalender findet, der allerdings auf vorislamische, z. T. auch südarabische Gewohnheiten zurückgeht, was kaum ein Vorbild für den syrischen Kalender gewesen sein kann. Außerdem handelt es sich dabei um einen Lunar-, keinen Solarkalender. Stern versucht sich an einer Erklärung, die nicht recht überzeugen mag. Die Doppelbenennung sei darauf zurückzuführen, dass es in der Partherzeit bereits eine Verschiebung von Monatsreihen in ihren Entsprechungen mit griechischen Monaten gab, die dann so zu Verwirrung geführt hätte, dass manche Monate eine doppelte Entsprechung beibehalten hätten.²⁸⁹ Abschließend soll nocheinmal darauf hingewiesen werden, dass der Oktober als Jahresbeginn dem alten makedonischen Vorbild der seleukidischen Ära entspricht,
285 S. Cook 1898. 286 Der Nachweis einer vermeintlichen Zwischenstufe soll A. von Gutschein mit einer Kontrastie¯ und rung des Kalenders von Heliopolis gelungen sein, dessen erste vier Monate Ag, Thorin, Gelon Chanu sind, wobei die letzten drei Tišr¯ı, Kislēw und Kånūn entsprechen sollen. Die beiden letzten der Vierergruppe seien lautlich zusammengefallen, die Ersetzung des ersten sei auf jüdischen Einfluss zurückzuführen, s. Plessner 2000. 287 Auch das Mandäische und das Jüdisch-Babylonisch-Aramäische kennt die Bezeichnung: < akkad. Warahsamna, S. Sokoloff 2009: 831. ˘ 288 S. Cohen 1993: 300. 289 Stern 2012: 257.
2.3 Das SBM als Kompilation | 153
wie sie in den westlichen Reichsteilen galt. Der Jahresbeginn ab April dagegen verweist auf den alten babylonischen und seleukidisch-mesopotamischen Kalender.²⁹⁰
2.3 Das SBM als Kompilation „Late Antiquity and the Middle Ages favoured compilations, or at least books written in a language still understandable to a civilization that had returned to a prescientific stage.“²⁹¹ Auch wenn die Darstellung Russos etwas fragwürdig ist, darf man ihm in dem Punkt Glauben schenken, was die Inflation von kompilativen Werken betrifft. In der syrischen Literatur wurde für die Syrische Renaissance eine Neigung zu enzyklopädischen Werken geäußert, sowohl im Osten als auch im Westen.²⁹² Man muss annehmen, dass der byzantinische Enzyklopädismus, der mit dem 9. Jh. anzusetzen ist, eine gewisse Vorreiterfunktion einnahm.²⁹³ In Europa finden sich besonders seit dem 14. Jh. kompilierte Texte, die zwischen kalendarischem, divinatorischem, medizinischem und astrologischem Inhalt changieren und gerade eine neue Zuwendung der wissenschaftlichen Erforschung erfahren.²⁹⁴ Ein eindeutiges Problem ist auch hier die Terminologie. Die traditionelle Bezeichnung Volkskalender konkurriert mit der Gattungsbezeichnung Kalenderastrologie²⁹⁵ und der die Medizin stärker gewichtenden des iatromathematischen Corpus.²⁹⁶ Die Kompilationsprinzipien sind innerhalb der
290 S. Tubach 1986: 146f. 291 „Even among real scientific works, some of which were preserved by the Byzantines and Arabs, two selection criteria seem to have been at work. The first was to give preference to authors of the imperial period, whose writings are in general methodologically inferior but easier to use […] Next, among the works of an author the ones selected are generally the more accessible, and of these often only the initial portions.“ (Russo 2004: 13). 292 Zu beachten ist, dass aber auch schon vorher in der syrischen Literatur Kompendien und enzyklopädische Sammlungen vorlagen, s. Brock 1989: 21, Reinink 2010: 66. 293 Im 9. und 10. Jh. wurden vermehrt Schriften zusammengetragen, was den einfachen Grund hatte, dass man die bis dato überlieferten Schriften in ein System und eine Vollständigkeit bringen wollte, um sie in das neue Format der Minuskelschrift zu übertragen. Der Schwerpunkt dieser Tätigkeit lag in Konstantinopel, erstreckte sich aber auf das gesamte byzantinische Reich. Diese Zeit muss aber dezidiert von einem Zeitalter des Enzyklopädismus unterschieden werden, s. Schreiner 2011: 16f. Zur byzantinischen Enzyklopädie i. A. Lemerle 1971. 294 Ein Beispiel wäre der von Mueller 2009 untersuchte Passauer Kalender, vgl. auch Sudhoff 1902. 295 Zur Bildung dieses Begriffes, s. Eriksson 1956. 296 Die Forschung ist allerdings noch zu keiner Einigung gekommen, alternative Vorschläge der neueren Literatur sind astromedizinische Texte divinatorischer Ausrichtung, laienastrologische Kompendien oder Anthologien der Populärwissenschaft. Der Begrif Volksbuch wird in jüngerer Zeit eher vermieden, obgleich er in sprachlicher Hinsicht die Textgattung sehr gut charakterisiert. Diskussion und Literatur dazu bei Mueller 2009: 115ff. Die Unsicherheit und Uneindeutigkeit bei der Benennung, welche fachübergreifend für diese Textsorte vorherrscht, gibt einen Eindruck von den Problemen, vor die sich ein Wissenschaftler bei der Sichtung vorhandenen Materials gestellt sieht.
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deutschen und europäischen mittelalterlichen Kompilationen relativ gut erforscht und beschrieben, so dass sich die Übernahme der Terminologie und Darstellungsweise anbietet. Um das SBM in seinem Gesamtkonzept zu verstehen, wird sich dieses Unterkapitel den medizinischen, astrologischen und „magischen“ Sammelwerken widmen, um dann weiter konkret auf die Textstruktur dieser Sammelwerke einzugehen.²⁹⁷
2.3.1 Arten von Kompilationen 2.3.1.1 Medizinische Kompendien Die epitomisierten galenischen Schriften waren als medizinisches Kompendium nicht nur in Umlauf (s. o.), die schulmedizinischen Kompendien waren vielmehr fester Bestandteil griechischen Schrifttums. Bedeutende Mediziner der Spätantike stellten die jeweils für sie verbindlichen Kompendien zusammen, z. B. Oribasius, Aetios von Amida, Alexander von Tralles und Paulus von Aegina im 7. Jh.²⁹⁸ Wie oben gezeigt wurden die Schriften oft ins Syrische und weiter ins Arabische übersetzt.²⁹⁹ Einen ¯ hat Meyerwichtigen Punkt zur Struktur der medizinischen Handbücher (ar. kunnaš) hof bereits festgehalten: diese sind meist nach dem gleichen Schema gestaltet: „The main part of such books is usually preceded by some chapters on anatomy, physiology or hygiene and followed by others on infectious diseases, poisons or remedies. These ‘pandects’ are generally compilations from old medical authors with additions from the personal experience of the writer.“³⁰⁰ Die hebräische Literatur hat besonders seit dem 10. Jh. dieses Genre entwickelt, davor sind nur jüdischen Schriften, die nicht auf Hebräisch verfasst wurden, zum Thema bekannt, z. B. diejenigen des Arabisch schreibenden Isaak Israeli (855–955). Die frühesten hebräischen Schriften zur Medizin folgten den griechischen Vorbildern. Das hebräische Book of Medicines, das legendarisch einem gewissen Asaf zugeschrieben wird und von König Hezekiah verboten worden sein soll, ist entweder eine spätere Zuschreibung oder kann als losgelöst vom galenischen Schrifttum auch früher datiert werden.³⁰¹
297 Ein Problem ist nicht nur die nichtreligiöse und nicht rein wissenschaftliche Thematik, sondern auch, dass sich die Sammelwerke aufgrund ihrer Vielfalt schwer in eine Literaturgeschichte einordnen lassen. Baumstark beschreibt die Textgattung als „Urkunden abergläubischer Volkmedizin“ neben die „nicht minder volkstümliche Kleinliteratur eigentlicher Beschwörungen“ tritt (Baumstark 1922: 352). 298 S. Lieber 1984: 234. Sie verweist noch auf Temkin 1962. 299 S. 1.4.2. 300 Meyerhof 1930: 60. 301 Lieber 1984: 233ff. vergleicht das SBM und betont den Unterschied zum hebräischen Werk, der ebenso zur kompletten gräko-arabischen enzyklopädischen Tradition bestehe. Höchstens den frühe-
2.3 Das SBM als Kompilation | 155
2.3.1.2 Astrologische Kompendien Die Gattung der astrologischen Kompendien wird im zweiten Kapitel „Astrologische Fachliteratur“ des zweiten Teils der Geschichte astrologischer Literatur von Gundel/ Gundel erschöpfend aufgearbeitet.³⁰²Als wichtigste Sammlung nennen sie die Schrift des Byzantiners Laurentius Lydos aus dem 6. Jh. n. Chr. „Über Vorzeichen“ (Περὶ σημείων), eine Kompilation von Vorhersagen zu Sonnen- und Mondfinsternissen, Kometenflug-, Donner-, Blitz- und Erdbebenprognosen, Witterungskalendern und astrologischer Ethnographie.³⁰³ Verschiedenste Prognosemethoden können miteinander verknüpft werden. Wichtig für die Einordnung des SBM ist, dass Handbücher zur Traumdeutung in spätantiker Zeit noch nicht in der syrischen Literatur zu finden sind, weswegen auch noch nicht gegen sie polemisiert wird.³⁰⁴ Die Traumdeutung wird erst mit den Übersetzungen Bar Bahlūls aus der arabisch-islamischen Literatur übernommen.³⁰⁵ Zu diesem negativen Befund gehört auch, dass der astrologische Teil des SBM im Gegensatz zum ersten, galenischen Teil keinerlei Anweisungen zum Aderlaß enthält!³⁰⁶
2.3.1.3 Medizinisch-astrologische Kompilationen Kompilationen medizinischer und astraldivinatorischer Texte, wie sie im SBM vorliegen, sind aus der byzantinischen Literatur als Iatrosophia bekannt. Die Sekundärliteratur, v. a. die nichtgriechische, ist allerdings marginal. Ein Grund mag auch die Un-
sten indischen medizinischen Enzyklopädien sei es zu vergleichen. Kottek 2003: 306, 322 beschreibt das auf hebräisch geschrieben Medizinbuch des Asaf, der im 6./7. Jh. gelebt haben soll, als eine an Dioskurides angelehnte Beschreibung von Arzneipflanzen. 302 Unterteilt ist das Kapitel nochmals in a) Historisch bekannte Autoren, b) Pseudepigrapha, c) Texte der Laienastrologie und d) Antike Astrologumena bei Persern und Indern. Die beiden Kategorien lassen sich auch aus pragmatischen Gründen abgrenzen: wie Gundel/Gundel 1966: 202, 256 es schildern, hatten in der römischen Kaiserzeit nur gebildete Kreise Zugang zur Fachastrologie. Entweder bemühten sie einen in ihren Diensten stehende Astrologen oder eigneten sich dieses Wissen selbst an. Für die restliche Bevölkerung boten sich die laienastrologischen bzw. populärastrologischen, teils abergläubischen Methoden besser an, die ebenso wie die Fachliteratur in Form von Listen oder Kompilationen zusammengefasst waren. 303 S. Gundel/Gundel 1966: 257f. 304 Gleiches gelte für die lateinische und koptische Literatur. Die Frage ist natürlich, ob ein negativer Befund schon alles sagt. Ein Beispiel für ein byzantinisches Traumbuch ist CCAG IV: 117. 305 Die beiden griechischen Werke sind ein Traumbuch des Pseudo-Daniel und ein weiterer Traumschlüssel in Versen, welcher dem persischen Magus Astrampsychus zugeschrieben wird. Diese Schriften sind nicht mit den strukturierten Traumhandbüchern zu vergleichen, die erst im frühen Mittelalter produziert wurden. Dazu sollte noch erwähnt werden, dass die Traumdeutung nicht im modernen Sinne zu verstehen ist und sich nicht etwa auf die Seele des Träumenden bezieht, sondern auf Naturereignisse und muss daher zu den divinatorischen Künsten gerechnet werden, s. Lamoreaux 2002: 4f., 140. 306 In der talmudischen Medizin wird dagegen mehrfach darauf Bezug genommen, s. Kottek 2003: 310.
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möglichkeit darstellen, einen Kompilator, ein soziales Milieu zu benennen, so dass die Darstellung in der Geschichte der byzantinischen Volksliteratur die programmatische Unfähigkeit, eines solchen Komplexes Herr zu werden, bezeugt: „In der Zwischenwelt zwischen Wissenschaft und Aberglaube, Medizin und Quacksalberei sind auch manche der medizinischen Hausbücher des byzantinischen Volkes, die sogenannten ᾿Ιατροσόφια beheimatet. Beliebt wie überall auf der Welt, halten sie sich neben den Büchern der eigentlichen Zunft, die in der Regel Galen folgen. Die Hausbücher kennen nicht nur altbewährte Rezepte aus der antiken Schulmedizin, sie verstehen sich nicht weniger auf Gesundbeten, Beschwörungsformeln, Sympathiemittel und dergleichen. Echtes und Abergläubisches gehen eine unauflösliche Symbiose ein. Verfasser sind arzneibeflissene Mönche, aber auch Laien und wohl auch mancher Arzt, dem es mit der Schulmedizin nicht allzu gut ergangen ist. Es gibt eine Unzahl von iatrosophischen Handschriften, aber noch hat man kaum zu einer systematischen Bearbeitung angesetzt.“³⁰⁷
Die Iatrosophia sind als therapeutische Handbücher erst ab dem 12. Jh. belegt.³⁰⁸ Die meist anonymen Sammlungen sind größtenteils aus dem Arabischen übersetzt, wobei die Rezeptsammlungen oft vorgeben, aus indischen, persischen u. a. Quellen zu zitieren.³⁰⁹
2.3.2 Exkurs: Astrologie, Divination und Medizin 2.3.2.1 Iatromathematik: Astrologie und Medizin Die mit der Bezeichnung Iatromathematik (ἰατρομαθηματικά) eigentlich gemeinte Verbindung von Medizin und Mathematik stammt aus der pythagoräischen Lehre.³¹⁰ Gundel definiert die Iatromathematik wie folgt: „Sie lehrt, dass der Arzt aus dem äußeren Habitus und dem Gebaren eines Kranken schließen kann, welcher Planet die Erkrankung verursacht hat, und zu welchen Heilmitteln er greifen soll; er stellt auch aus den einzelnen Symptomen die Schwere, die Dauer und die Möglichkeit der Heilung fest“.³¹¹ 307 Beck 1971: 205f. 308 S. v. a. die griechische Sekundärliteratur Lampros 1905, 1921, Stephanides 1931, Amantos 1931, Bennett 2000. Wichtig sind auch die Appendizes des CCAG, insbesondere Bd. X, 1924. Ein Iatrosophion aus dem 18. Jh. wird dort wie folgt beschrieben: „Hoc ἰατροσόφιον 227 formulas prima manu exaratas praebet; secunda et tertia manus alias plurimas addiderunt“ (CCAG X: 51). 309 Congourdeau 2012. Aus einer Handschrift ist der Verfassername zu entnehmen, „wie etwa Johannes Staphidas, es sei denn, es handle sich nur um den Kopisten der Handschrift. Andere Werke stellen volkstümliche Auszüge etwa aus Galen usw. dar. Wichtige Handschriften sind etwa der Bononiensis 3632 des 14. Jh., der Vindob. med. gr. 53 des 16. Jh., der Panormitanus (Bibl. Naz.) XIII C 3 (16. Jh.) und der Paris. 2315 (15. Jh.), der einen Text des Jahres 1384 enthält“ (Beck 1971: 206f.). 310 Lukian überliefert aus dem pythagoräischen System, dass die Zahl 4 dem „Prinzip der Gesundheit“ entspreche, s. Lukian, De lapsu inter salutandum (§ 5), zit. bei Klein-Franke 1975: 161. 311 Gundel 1927: 184. Als Paradebeispiel antiker (hermetischer) Iatromathematik zitiert er Ideler 1841, Bd. I: 389ff.
2.3 Das SBM als Kompilation | 157
Die Verbindung von Heilkunst und Sternenkunde ist schon von den Ägyptern bekannt, die den Dekanen heilende Kräfte zuschrieben.³¹² Bei den Dekanen handelt es sich um Listen von jeweils 12 nacheinander aufgehenden Sternen oder Sternbildern, welche die Stunden der Nacht anzeigen. Da sich der Beginn der Nacht sowie der Sternenhimmel im Laufe des Jahres verschiebt, war die Liste jeweils nur für 10 Tage gültig. Somit ergab sich für das Jahr insgesamt eine 36-spaltige Liste von Dekanen. Sie sind besonders im funerären Kontext in Ägypten seit dem späten 3. Jh. v. Chr. nachzuweisen.³¹³ Die explizite Verbindung der Dekane mit Körperteilen, deren Erkrankung und Heilung, ist erst ab hellenistischer Zeit belegt.³¹⁴ Auch Ptolemaios schreibt diese Korrelation den Ägyptern zu (Tetrabiblos I,3).³¹⁵ Die Geschichte der Iatromathematik ist durch einen Fund eines ägyptischen Papyrusfragments des 4. Jh. bereichert worden, welches neben magischen Kräutern, Amuletten und Edelsteinen auch Anordnungen über Wundbehandlungen gemäß des Zodiakus enthält.³¹⁶ Galen sei von der ägyptischen Iatromathematik überzeugt gewesen, schreibt Stemplinger, und überliefert das Zitat: „Wenn z. B. bei der Geburt eines Menschen die guten Gestirne im Widder, die bösen im Stier stehen, so sind für ihn Krankheiten sehr gefährlich, wenn der Mond im Stier, Löwen, Skorpion oder Wassermann steht; hingegen ist gar keine Gefahr, wenn der Mond durch den Widder, Krebs, die Wage [sic!] und den Steinbock geht. Und […] wer solche Erscheinungen weder selber beobachten noch den Beobachtungen anderer Glauben schenken will, gehört wohl zu den jetzt sich überall vordrängenden Sophisten, welche für handgreifliche Tatsachen Gründe verlangen, anstatt daß sie umgekehrt aus den erwiesenen Tatsachen die Gründe zu ermitteln suchen.“³¹⁷
Galen und Astronomie/Astrologie Damit ist ein Thema angestoßen, dass einer kurzen Erörterung bedarf: Galens Verhältnis und das seiner Schriften zur Astrologie. Die Diskussion darum ist sehr kontrovers.³¹⁸ Dass Galen sich mit astronomischen Fragestellungen auseinandersetzte, ist unumstritten.³¹⁹
312 S. Koch 1993: 533, Quack 1995: 111, von Stuckrad 2011: 255. 313 S. Quack 1995: 99, Gundel 1936. 314 S. Quack 1995: 111. 315 S. Bouché-Leclercq 1899: 517, Robbins 1980: 30f. 316 S. Nutton 2004: 266f., Andorlini 2003. 317 Stemplinger 1925: 104f. 318 Diese Auslegung scheint besonders erleichtert durch eine uneinheitliche Positionierung Galens in seinen und ihm zugeschriebenen Schriften zur Astronomie/Astrologie, s. GAS VII: 96f. Cooper deutet die „Mesalliance“ an, da Galen mehr aus methodischen als inhaltlichen Gründen astrologische Terminologie in seinem Werk de diebus decretoriis eingeführt habe, s. Cooper 2011. 319 In seinem Werk εἰς τό ῾Ιπποκράτους προγνωστικὸν ὑπομνήματα („Kommentar der hippokratischen Prognose“) erwähnt er auch ein anderes seiner Werke, von dem nicht mehr als der Titel erhalten ist: περὶ τοῦ ἐνιαυσίου χρόνου. Vermutlich handelt es sich um astronomische Umläufe, s. GAS
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In seinen Werken nimmt er des öfteren auf eine nicht überlieferte Schrift zur Astrologie Bezug, empfiehlt ihre Lektüre sogar expressis verbis.³²⁰ Eine andere Lesart besagt, dass Galen sich methodisch scharf von den Prognosepraktiken der Vogel-, Leberschau und Horoskopie abgrenzen würde. Die Beobachtung des Mondstandes zu Krankheitsbeginn sei lediglich auf die bereits von Hippokrates angewandte Beobachtung der Wetter- und Witterungsverhältnisse zurückzuführen.³²¹ Allerdings ist innerhalb des galenischen Korpus ein Rezept gegen Tollwut überliefert, das mit dem Siriusaufgang unter Beachtung des Mondalters verabreicht werden sollte. Der wichtigste Beleg für die Vertrautheit Galens mit der Astrologie sowie deren Gebrauch ist seine Schrift De diebus decretoriis („Über die kritischen Tage“). Häuser der Planeten, Dekane usw. werden als astrologische Fachtermini vorausgesetzt. Es spiegelt sich hier der Raum, den die Astrologie der Medizin einräumt: „Many surviving texts of ancient astrology have a medical component, usually sections on when best to bleed or take a drug, whether a disease will last for a long time or be quickly cured, and, in particular, whether a disease will prove fatal or not.“³²² Langermann verweist auf kulturgeschichtlichen Hintergründe: „Galen’s attitude towards astrology has been a matter of controversy for quite some time. His copious body of writings (some key elements of which have only been recently recovered in translation) contain both positive and negative remarks. Historians seem on the whole to have downplayed or even denied Galen’s acceptance of astrology. Recently however, Tamsyn Barton and Glen Cooper have laboured to revise this conception, stressing not just the integration of some level of astrological explanation into the theory of critical days, but, even more, the cultural context within which Galen worked. In that setting, there would have been nothing “unscientific” about accepting astrology.“³²³
Galen betont, wie wichtig es sei, über das tatsächliche Datum der Tag-und-Nachtgleichen sowie Sonnenfinsternisse unterrichtet zu sein (im Gegensatz zu den Astrologen), weswegen er auf deren Nachfrage ein Werk mit dem Titel „Sterne des Hippokrates und ¯ . wa-ilm al-misah ¯ . a an-nafiat ¯ die für die Medizin nützliche Geometrie“ (Nuˇgūm Buqrat f¯ı ilm at.-t.ibb) verfasste, welches zum einen die Grundlagen der euklidischen Geometrie, welche Galen als Basiswissen verstand, sowie die Jahreszeiten und Sonnenwenden und Tag-und-Nachtgleichen für mehrere Jahre beschrieb.³²⁴ Aus einer anderen Schrift geht die Kritik Galens an einem gewissen Pamphilus hervor, der die 36 hei-
VII: 96f. Eine Liste von galenischen Werken, in denen die Astronomie eine Rolle spielt, ist bei Wasserstein 1992: 93–100 zusammengestellt. 320 S. Kühn, IV: 798. 321 CMG 5,8,1, 82–91 zit. nach Nutton 2004: 265f. 322 Nutton 2004: 266. 323 Langermann 2008: 110. 324 S. Toomer 1985, S. 197ff. Zu seiner Schrift über Jahreslänge nach Hipparch und deren Bedeutung für die Astronomiegeschichte s. Neugebauer 1949.
2.3 Das SBM als Kompilation | 159
ligen Kräuter der Dämonen und Dekane eines hermetischen Textes benutzen würde sowie Beschwörungen und Flüche.³²⁵ Die nachträglichen Zuschreibungen iatromathematischer Schriften an Galen erschweren eine klare Antwort.³²⁶ Es ist stark dramatisierend zu behaupten, das medizinhistorische Nachleben Galens „became an affair of salves, poultices, talismans and pentagrams with a mumbling of incantations and spells, very like the backwoods pranks of Tom Sawyer and Huckleberry Finn.“³²⁷ Die nachträgliche Umdeutung und die Erweiterung der Elementenlehre kennen auch die hippokratischen Schriften, die sich als pseudohippokratischer Korpus zusammenfassen lassen. In diese Nische gehören auch die pseudohippokratischen Schriften zur Meteorologie und zu astralen Träumen wie περί διαίτης (IV 89), der „Brief des Hippokrates an den König Ptolemaios“, in dem der Parallelismus zwischen Mikro- und Makrokosmos betont wird,³²⁸ eine lat. Abhandlung „Über die Astrologie der Ärzte“, außerdem ein gr. Traktat „Hermeneia des Hippokrates“, das über die Glieder und Teile des Körpers handelt.³²⁹ Eine besonders große Bedeutung wird Galen der Astrologie nicht eingeräumt haben, was zum einen aus dem betont komputistisch-astronomischen Interesse an der Himmelskunde zu erkennen ist und zum anderen der Konkurrenz von Medizin und Astrologie zuzuschreiben sein dürfte.³³⁰
325 Es handelt sich um seine Schrift De simplicium medicamentorum temperamentis ac facultatibus 6 (= Kühn XI: 796–98), s. Popović 2007: 235. 326 Auch ein Pseudepigraph zum Dekumbitur (s. 2.2.3.5) hat Eingang in das galenische Korpus gefunden, s. Nutton 2004: 267, Weinstock 1948. 327 Garrison 19294 : 113. Zur spätmittelalterlichen europäischen, besonders deutschsprachigen Verbindung von Medizin und Astrologie s. Müller-Jahncke 1985. 328 „Wie der Kosmos aus den vier Elementen Feuer, Luft, Wasser und Erde besteht, so gleicht das Blut der Luft, das Phlegma dem Wasser, die gelbe Galle dem Feuer, die schwarze Galle der Erde.“ (Gundel/ Gundel 1966: 71), dort nennt er als Quelle CCAG IV: 127. 329 S. CCAG VIII, 1: 133, VIII, 1: 47, fol. 153. Erwähnt sei an dieser Stelle auch der Titel des hippokratischen Werkes προγνωστικὸν, welches u. a. die Anzeichen eines bevorstehenden Todes behandelt. Dieses Werk wird von Bar Hebraeus unter den Werken des Hippokrates aufgezählt. In der syischen ˙ Version seiner Chronik heißt es K. da-mqaddmūt ¯ıdatå, in der arabischen K. brūgnūst¯ ıqūn ay Taqdi¯ ¯ ¯ ¯ mat al-marifa, s. Degen 1990: 84f. 330 S. Burnett 2013. Aus arabisch-islamischen Quellen wissen wir um eben diese Konkurrenz. Die Astrologie wurde teilweise sogar als verlässlicher und wissenschaftlicher als die Medizin angesehen, weil die Verbindung mit der Philosophie gegeben war. Die Bedeutung der Astrologie für die medizini¯ f¯ıma¯ yah.taˇ ¯ gu ilayhi .t-t.ab¯ıbu schen Berufspraxis belegt Yuh.anna¯ Ibn Bukht¯ıšū mit seinem Werk Kitab min ilmi n-nuˇgūm „was der Arzt über Astrologie wissen sollte“. Dieses Werk ist zwar nicht erhalten, aber bei Ab¯ı Us.aybia erwähnt, außerdem zitiert Ibn as.-S.alt daraus, s. Klein-Franke 1984:1. Obwohl zugleich der wissenschaftliche Anspruch der Medizin durch vermehrte Übersetzungen ins Arabische stieg, war der Leibarzt am Hofe oftmals den Astrologen untergeordnet. „Looking up to the heavenly stars the astrologers were superior to the physicians who lowered their eyes onto ill bodies and stood on a level with the miser plebs, as Abū Mašar pointed out.“ (Klein-Franke 1984: 3).
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Überlieferungsgeschichtliche Engführung Auch die Medizin war lange Zeit Hand in Hand mit der Philosophie gegangen, sogar als ihre Schwester bezeichnet worden.³³¹ Le Coz hält die alexandrinische Medizin des 6. Jh. für die Grundlage dieser Entwicklung, da sie darauf abzielt, die Philosophie, Medizin, Astronomie, Astrologie und Alchemie miteinander zu verknüpfen, was für das Mittelalter wegweisend sein sollte.³³² Saliba geht von einer überlieferungsgeschichtlichen Trennung exakter Wissenschaften und Laienastrologie und einer gleichzeitigen Engführung der Laienastrologie mit der Medizin aus. Es hätte sich ein wissenschaftliche aufstrebender Ast der Astronomie, der in das klassische arabische Schrifttum hineinwuchs (B¯ırūn¯ı, T.ūs¯ı, ¯ .ir), vom Zweig einer Laienastrologie fortentwickelt, die nur noch von „meIbn aš-Šat ¯ al-T.abar¯ı“³³³ dical practitioners such as Sergius of Ras aina¯ and later Al¯ı Ibn Rabban gepflegt worden sei. „Apparently, those medical practitioners did not concern themselves with sophisticated Ptolemaic astronomy, nor were they advised to do so, as was already demonstrated by A. Z. Iskandar. It looks like those two layers never intersected, and with time both atrophied with the advance of the age of decline.“³³⁴
Auch wenn Saliba zu stark verallgemeinert, spricht er einen wichtigen Punkt an: das Zusammenspiel von Medizin und (Laien-)Astrologie! Diese Verbindung wird nochmals im Rahmen der schriftlichen Überlieferung aufgegriffen und veranschaulicht.³³⁵
331 Dies war die zugespitze Maxime, die sich auf das aristotelische Postulat begründete, dass ein Philosoph letztlich nicht um die Erkundung der Prinzipien von Gesundheit und Krankheit umhinkäme, wie es auch in seinen Parva naturalia 436a19–436b1 nachzulesen ist: „Therefore, most natural philosophers end by going into matters that concern medicine, while of physicians those who exercise this art philosophically take their departure from what concerns nature“ (Temkin 1991: 8). Außerdem sei auf das galenische Ideal der Doppelrolle des Mediziners als Philosophen hingewiesen, was sogar zum Titel einer seiner Werke wurde: Si quis Optimus Medicus est, Eundum esse Philosophum, s. Brian 1977. ¯ ein Autor des 9. Jh. wusste über das geläufige Curriculum zu 332 S. Le Coz 2004: 20f. Ibn Rid.wan, berichten, dass es Euklids Elemente, die Logik des Aristoteles, Hippokrates u. a. Schriften enthalte. 333 Saliba 1995: 452. 334 Saliba 1995: 452, vgl. Iskandar 1976. 335 Einen Vorteil kennt auch Gundel aus den antiken Schriften: „Dem Praktiker gibt nämlich Anubio den Rat, in der Beurteilung des Berufes sich zuerst über den körperlichen Zustand seines Klienten zu informieren. Denn wenn einer z. B. an Podagra leide, sei es ein Unsinn ihm vorauszusagen, daß er ein Ringkämpfer werde, und wenn jemand mit Chiragra belastet sei, könne er kein Schuster und ein Blinder könne nicht ein Flickenschneider werden. Das gehört in das oft behandelte Kapitel, daß in der Praxis der Astrologie sich stets nach den gegebenen äußeren Verhältnissen zu richten hat und vor seiner Diagnose und Prognose wie ein Arzt erst seinen Patienten genau ansehen und lieber aus ihm als aus den ewigen Sternen die Unterlage für seine Prophezeihung erfragen soll.“ (Gundel 1927: 190).
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2.3.2.2 Klimatologie zwischen Astrologie und Medizin Wie sehr sich die Medizin auf Nachbardisziplinen berief, zeigt der Anfang des galenischen Kommentars des hippokratischen Werkes Περὶ ἀέρων, ὑδάτων, τόπων („Über Luft, Wasser und Orte“), welches selbst schon auf der Annahme basiert, dass die geographischen und meteorologischen Gegebenheiten auf die Gesundheit des Menschen Einfluss nehmen.³³⁶ „Hippocrates said: He who desires to seek knowledge of medicine correctly should observe first the season of the year and what happens in them, for they are not like one another; rather, they differ widely from each other. And they differ also in their intrinsic changes.“³³⁷
Weiter: „We should know that every old man has a life limited by the heavenly movements, and these movements are determined by their creator and mover.“³³⁸
Der galenische Kommentar ist nicht nur bedeutsam aufgrund seiner Positionierung Galens zur Astrologie, sondern auch aufgrund der Überlieferungsgeschichte, da Galen alte, sonst verlorene astronomisch-astrologische Quellen verwendet.³³⁹ Der Kommentar ist in einer paraphrasierenden hebräischen Version erhalten, welche mit ihrer lateinischen Übersetzung Grundlage der Überlieferung war. Das griechische Original ¯ ist verloren. Interessanterweise ist aber neben der arabischen Version (Tafs¯ır li-kitab ¯ wa-l-masakin), ¯ al-hawa¯ wa-l-ma die dem Urtext wahrscheinlich am nächsten kommt, eine syrische Übersetzung durch H.unayn belegt, meines Wissens aber nicht erhalten. Daneben finden sich zahlreiche Zitationen in arabischen Schriften.³⁴⁰ Galen erklärt dieses Phänomen mit den vier Säften, die sowohl die Natur des Menschen als auch den Aufbau und Struktur des ganzen Kosmos und seiner Umwelt bestimmen würden. Daher müssten Veränderungen des Wetters zum vorhergehenden Jahr unbedingt beobachtet werden im Hinblick auf Wärme, Kälte, Feuchtigkeit und
336 Der griechische Text ist verloren, allerdings ist die Schrift im Arabischen in mehreren Handschriften der Hagia-sofia (3572, 3632 und 4838) und Escorial (857) erhalten, s. Liewert 2015: 2, GAS VII: 212, Mattock/Lyons 1969: i. 337 Wasserstein 1982: 11. Diese Übersetzung bezieht sich auf die hebräische Version des Kommentars. 338 Wasserstein 1982: 49. 339 S. Ilberg 1974: 237, Kraus 1952, GAS II: 123f. 340 S. Wasserstein 1982: 3ff., 93ff., GAS III: 37, 124, GAS VI: 97f. Der hebräische Text scheint eine epitomisierte Fassung des Arabischen zu sein und wurde von einem gewissen Meati angefertigt. In der längeren arabischen Fassung finden sich zahlreiche Hinweise zum galenischen Urteil über die Astrologie und Astronomie. Dankenswerterweise hat Toomer diesen Ausschnitt, das Buch III, Kapitel 11, herausgegeben, übersetzt und kommentiert, s. Toomer 1985. Eine vollständige Edition des arabischen Textes ist durch Strohmaier angekündigt und sollte im Corpus Medicorum Graecorum, Supplementum Orientale V erscheinen, was bisher leider nicht geschehen ist.
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Trockenheit, weil gerade in der Veränderung der Witterungsverhältnisse und im Übergang von einer zur anderen Jahreszeit der Körper größerer Gefahr ausgesetzt sei.³⁴¹
Krankheitsätiologie Eine Evaluation der Beziehung von Medizin und Magie tangiert die Frage nach der Ätiologie der Krankheiten. Die Korrelation bestimmter Körperteile mit bestimmten Göttern bzw. himmlischen Entitäten ist schon in Ägypten mit der Dekanlehre vertreten (s. o.). In babylonisch-assyrischen diagnostischen Texten ist die Erkrankung meist auf die Berührung von der „Hand“ einer Gottheit oder eines Dämonen zurückgeführt, ¯ „packen“, mahas ¯ . u „schlagen“ und lapatu ¯ „berühren“ die wobei die Verben s.abatu ˘ am häufigsten verwendeten Verben sind, um die Kontamination zum Ausdruck zu bringen. Die Ursache kann hierbei der „Zorn“ (uzzu ili) eines Gottes sein, der durch fehlerhaftes Verhalten wie Ehebruch, Verletzung eines Tabus, Diebstahl u. a. erweckt wurde. Daneben ist eine Erkrankung bisweilen auch auf Zauberei zurückzuführen.³⁴² Die Pluralität von Krankheitsätiologien in der Zeit des 2. Tempels beschreibt Hogan dezidierter. Er berücksichtigt in seiner Evaluation das NT, Ben Sira, apokryphe Schriften, die Qumranschriften, Philo von Alexandrien und Josephus: es gebe in dieser Zeit fünf mehr oder weniger allgemeingültige Krankheitsätiologien. Der beliebteste Verursacher von Krankheiten sei Gott, gefolgt von gottähnlichen Wesen bzw. Botschaftern von Gott, dazu treten böse Geister/Dämonen, astrologische Konstellationen und sündhaftes Verhalten des Erkrankten. Diese fünf Ursachen korrespondieren mit fünf Heilmethoden (Glaube und Gebet, Exorzismus, tugendhafte Lebensführung, Konsultation von Ärzten und Heilern (Volksmedizin), Zurückgreifen auf magische Mittel).³⁴³ Die Dämonenbeschwörungen durch Jesus im NT haben eine lange Debatte über die Natur der Medizin und der dem NT zugrundeliegenden Anthropologie nach sich ¯ gezogen.³⁴⁴ Auch Heiligenviten reproduzieren diesen Topos. In der Vita des Rabban Bar Idta¯ (gest. 612) wird die Geschichte eines besessenen Soldaten erzählt, der auf wundersame Weise von einem Mönch geheilt wird.³⁴⁵ Auch Ah.udemmeh (s. o.) wird in seiner Vita die Fähigkeit zugeschrieben, Dämonen auszutreiben.³⁴⁶
341 Wasserstein 1992: 15. Mit der Abhängigkeit der physischen Konstitution des Menschen von Witterungsverhältnissen stimmt Galen mit Hippokrates überein und übernimmt auch seine Einschätzung, dass das Wetter vom Aufgang der Sterne unabhängig, dafür vielmehr der Stand der Sonne verantwortlich sei, s. GAS VII: 97f. 342 S. Heessel 2000: 55ff. 343 S. Hogan 1986: 305ff. 344 S. Ferngren 2009, Kee 1986. 345 S. Budge 1902: 220. Weitere Berichte von Dämonenaustreibungen bei Budge 1902: 208, 261, 273, 278, Segal 1955. 346 S. Nau 1909: 12.
2.3 Das SBM als Kompilation | 163
Ein Paradebeispiel dämonisierter Astrologie bietet Origenes in der Auslegung von Mat 17,14–21, in der die Heilung eines von Epilepsie befallenen Kindes abgehandelt wird. Er erklärt zunächst, dass diese Form der Epilepsie normalerweise von Ärzten auf die Sympathie der Säfte zurückgeführt würde, da dem Mondlicht die Charakteristik „feucht“ zugeordnet sei, ebenso wie den Säften, die sich im Kopf eines Menschen befänden.³⁴⁷ Kinder wurden wohl als besonders anfällig für den Einfluss des Mondes gesehen.³⁴⁸ Allerdings exkulpiert er den Mond mit einem geschickten Kniff: nicht der Mond sei verantwortlich für die Leiden der Menschen, sondern der unreine Geist, der bestimmte Mondphasen abpassen würde, um dann sein schändliches Werk am Menschen zu tun. Der Grund für das Abwarten sei die Täuschung der Menschen, die glauben sollten, die Ursache für Leid und Krankheit sei den Planeten zuzurechnen.³⁴⁹ Diese Ausführungen sind zwar nur ein Zwischenschritt bei der Argumentation gegen die astrologischen Lehren, jedoch dokumentieren sie die Bedeutung des Volksglaubens für die medizinische Praxis.³⁵⁰ Die Gleichsetzung von Astrologie mit dämonischem Machwerk findet sich auch in den pseudo-clementinischen Recognitionen (9,12,2–3) und bei Augustinus (De civitate dei 8,2).³⁵¹ Diese Vorstellungen von Krankheit stehen der galenischen Auffassung vom Ungleichgewicht der Säfte diametral entgegen. Die Krankheit ist demnach durch eine ‚Rebalancierung‘ der Kräfte wieder aufzuheben. Allerdings war es nach Nutton das Christentum selbst, das, obwohl es diese ‚weiße Magie‘ verunglimpfte, die Vorstellung von dämonischer Besessenheit und die Verursachung von Krankheiten durch Dämonen wieder in vollem Umfange eingliederte.³⁵² Es sei sogar so gewesen, dass „in late antiquity, medical men were willing to consider the intervention of demons and spirits as a cause of disease, and disease as some form of divine punishment for sins, far more openly than they had done in the time of Galen.“³⁵³ Die Frage nach den Krankheitsursachen ist deswegen so bedeutsam, weil sie auch die Mittel heiligt: „regarding the supernatural cause of illness, it is proposed […] that a realignment of our thinking about supernatural healing methods is necessary in order to appreciate their role in fourth-century society.“³⁵⁴
347 Diese Verbindung spiegelt sich wieder im gr. σεληνιάζομαι ‚Epilepsie haben‘ zu σελήνη ‚Mond‘, lat. lunaticus, englisch lunacy und dt. Laune zu lat. luna. 348 Diese Vorstellung ist auch bei Ptolemaios (Tetrabiblos 4,10) vertreten, s. Hegedus 2007: 128. 349 S. Hegedus 2007: 128. 350 Eine Vorstellung von Himmelskörpern, die eigentlich die Dämonen an ihrem Werk hindern, resp. Sternschnuppen als Schutz vor dämonischer Einflüsterung findet sich auch im Koran (Sure 15,17; 37,7) wieder, s. Eichler 1928: 30ff. 351 S. Hegedus 2007: 130. 352 Nutton 1984: 9. 353 Nutton 1984: 9, vgl. auch Böcher 1972, Festugière 1966. 354 S. Trzcionka 2007: 136. Dieses Urteil kann vom 4. Jh. auf die gesamte Spätantike ausgedehnt werden.
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Eine interessante Frage ist, ob die Astrologie den Dämonenglauben verdrängt hat, da ihre mathematisch genaue Bestimmbarkeit eine viel zuverlässigere Deutungsgrundlage zur Verfügung zu stellen schien. Ein Zeugnis für diesen Übergang ist das Testamentum Salomonis.³⁵⁵
2.3.3 Zur Textorganisation, Makrostruktur und Mikrostruktur Als ein Charakteristikum der Volkskalender nennt Mueller, dass es kaum „Kernstücke“ gebe, die sich extrahieren lassen und sich somit einer text-, redaktions- oder traditionsgeschichtlichen Segmentierung sperren, vielmehr entstünde das Bild einer unübersichtlichen Menge kursierender Texte. Diese Situation lässt wohl darauf schließen, dass gewisse Grundzüge der sich oft erstaunlich ähnelnden Texte feststanden, jedoch in ihrer Ausrichtung stark der Intention der gesamten Kompilation folgen. Die Texte würden somit einem sehr großen Variationsspektrum unterliegen, welches immer im Bezug auf das Gesamtgerüst zu bedenken sei.³⁵⁶ Den Volkskalendern zugrunde liegt wohl eine Zweiteilung, bestehend aus einem Kalendarium und einem darauffolgenden praktischen Teil. Nach Mueller sind hierbei Kalendarium, Komputus, Aderlaß und Zodikallunar ursprüngliche Bestandteile, die sekundär überlagert wurden.³⁵⁷ Eine Kompilation kann durch additive Reihung entstehen, welche verschiedene Texte thematisch sortiert und zusammenstellt. Alternativ kann ein einziger Text zentral stehen und durch kleinere Eingriffe, wie Umstellungen oder Zusätze verändert werden, wobei dieser zugrundeliegende Text dann Kompilationsleittext genannt wird.³⁵⁸ Eine dritte Möglichkeit ist die vollkommene Demontierung der alten Textstruktur, welche durch die Verschränkung von Texten erfolgen kann. Das bedeutet eine Auftrennung an den Nahtstellen der Textur, wie Kapitelumbrüchen oder Ordnungspunkten von Reihen, die mit einem ähnlichen Text, der dieselbe Struktur besitzt, neu vernäht werden. Z. B. können somit ursprünglich selbständige Texte, die nach einem 12er Schema geordnet sind wie Nativitätsprognosen, Brontologien,
355 Das Testamentum Salomonis „links together demonology and astrology. This is a move of potentially great theoretical importance. In antiquity astrology was the queen of the sciences – a prestigious, complex, well-theorized body of knowledge. Attempts were made to present other ‘sciences’ as subbranches of it, so that they could benefit from its cachet and its sophisticated intellectual articulation.“ (Alexander 2003: 631). Die Verbindung besteht darin, dass jedem Dämon ein Stern oder Zodiakalzeichen zugeordet ist, und außerdem die Dekane mit Dämonen gleichgesetzt werden. 356 S. Mueller 2009: 21. 357 S. Mueller 2009: 28. 358 Die einfachste Möglichkeit der Erweiterung ist das additive Verfahren am Ende des Textes, wobei sich die sog. Textschleppe, eine Reihe angefügter Textsplitter am Ende des Textes, vom sog. Satellit unterscheidet, welcher einen Kurztraktat bezeichnet, der im Großen und Ganzen erhalten bleibt, allerdings nun in Abhängigkeit des voranstehenden Textes steht, s. Mueller 2009: 84.
2.3 Das SBM als Kompilation | 165
Tierkreiszeichen, meteorologische Monatsprognosen usw. jeweils untereinander in den 12 Abschnitten miteinander verschmolzen werden.³⁵⁹ Die augenscheinlichste und natürlichste Gliederung ist die thematische; aus mittelalterlichen Schriften dieser Art ist z. B. bekannt, dass Kosmologien gerne als Abgrenzung verschiedener Themen genutzt werden wie im Passauer Kalender. Einzelne größere Themenfelder sind dort: Kalendertafeln, Komputus, Tierkreiszeichentraktat, Aderlaßtraktat, Zodiakal-Lunar, Sphärentraktat, Planetentraktat, Jahreszeitenlehre, Monatsregimen, Sammellunar, Christtagsprognostik.³⁶⁰ Die Übersicht über die einzelnen Passagen, ihrem incipit und den Paralleltexten im Appenix II soll die Kompilationsprinzipien kenntlich machen. Es wird daraus ersichtlich, dass die Struktur nach Themen- oder Methoden der Prognosen angelegt ist, zwischengeschoben werden Rechenanweisungen, welche die modulo-Berechnungen vereinfachen. Wie bei der Beschreibung der Handschrift bereits kurz erwähnt, sind diese Einschübe allerdings nicht als „authentisch“ zu verstehen, da sie in der Handschrift als Randnoten neben den dazuhegörigen Passagen stehen. Ein völliger Bruch liegt im Grunde nur mit der Übersicht über Gewichte und Maße (SBM: 446/7) vor, onomatomantische Prognosen stehen dieser voran und folgen ihr. Der Kompilator hat also keinesfalls wahllos divinatorische Texte zusammengetragen, sondern einen gewissen, wenn z. T. auch recht assoziativen Plan befolgt.
Makrostruktur und Mikrostruktur Nach Mueller ist mit der Mikrostruktur die feinstrukturelle Kapitelgestaltung und -binnendifferenzierung gemeint. Dazu gehören die Darstellungsprinzipien, Adressatenorientierung, syntaktische Komplexität und (inter-)textuelle Vernetzung sowie pragmatische Bezüge (Adressatenbezüge, leserorientierte Hinweise). Bei Schäfer ist der Begriff der Mikrostruktur noch enger gebraucht und bezieht sich auf einzelne Komponenten, die als standardisierte Elemente frei kombinierbar sind und damit in einer bestimmten Makroform münden. Als Komponenten erscheinen in magischen und divinatorischen Texten:
359 S. Mueller 2009: 84f. „Diese Form der Destruktion und Rekombination kann bis auf die Satzebene hinunter ausgedehnt werden. Die ursprünglichen Texte werden aufgesprengt, sogar bis in die Struktur einzelner Sätze hinein, dann nach thematischen Gesichtspunkten neu geordnet und gegliedert, mit Überleitungssätzen bzw. -kapiteln versehen, gegebenenfalls mit Eigengut angereichert und zuletzt zu völlig neuen Abschnitten zusammengesetzt. Kompilationen, die sich solcher Techniken bedienen, sind somit nicht mehr simple Aneinanderreihungen, sondern bewegen sich bereits an der Grenze zum eigenständigen Werk.“ (Mueller 2009: 85). 360 S. Mueller 2009: 7ff.
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1) 2) 3) 4) 5)
die Zweckbestimmung oder ein Titel, z. B. QBLH (qivla „Zauberspruch“), DBR HR ˘ „anderer Spruch“, daneben einfaches HRT, HR, l- „für“, usw., ˘ ˘ Beschwörungen, Anweisungen (im Imperativ), Materia medica/magica, Rahmenformel (Bekräftigung der Wirksamkeit des Rezeptes, Preis einer Gottheit).
In Amuletten beispielsweise steht die Rahmenformel zu Beginn, die Angabe der materia medica/magica vor oder nach der Zweckangabe usw. Die Komponenten werden beschrieben als standardisierte Mikroformen, die im Bezug auf die Gattung zu jeweils unterschiedlichen Makroformen komponiert werden.³⁶¹ Für die syrischen Texte hat Furlani die Spuren kompilativen Schaffens mit dem kompilationsspezifischen Fugenelement h.re¸nå „anderer/s“ nachweisen können. Eine „weitere“ Prognose, sei sie methodisch oder inhaltlich „in der Art“ der voranstehenden, kann problemlos eingeschoben werden und gibt sich damit als sekundäre Erweiterung des Gesamttextes zu erkennen. Eine einzige (!) Ausnahme dieser Beobachtung bildet der direkte Anschluss einer Prognose über den guten Ruf an die Zeichentabelle SBM: 447 tūb dē¸n h.renå d-en s.åbē¸-an tt l-medda ‚Weitere ¯ ¯ ¯ [Prognose], wenn du wissen willst …‘. Eine andere Idee stammt von Berthelot, der für die alchemistischen Texte in syrischer Überlieferung feststellt: „Ces nomenclatures semblables des métaux et des planètes correspondantes, inscrites à la fin de chaque petit traité, montrent que ces traités constituaient à l’origine des opuscules indépendants.“³⁶²
Im SBM: 488 fügt sich der Vergleich von Planenten und Metallen in die anderen Passagen zu den Planeten, die womöglich aus völlig verschiedenen Textgattungen stammen (Meteorologie, Astronomie, Astrologie etc.). Die im SBM mit stärkster Frequenz auftauchenden mikrostrukurellen Formeln werden im Folgenden angeführt.
361 S. Schäfer/Shaked 1994: 6f., 65. „According to Schäfer, macroforms are (ideal) literary units that materialize in a large number of concrete microforms—i.e., texts. If we extend the concept of macroforms to the magical and astrological texts of Late Antiquity, we will encounter many structural elements that are shared by representatives of different religious convictions; macroforms are a way to identify fields of discourse. When it comes to the concrete manifestation of such shared fields of discourse—the microforms—the transformation, adaptation and polemical differentiation in a pluralistic religious environment become visible.“ (von Stuckrad 2011: 250). 362 Berthelot 1893: XXXVI.
2.3 Das SBM als Kompilation | 167
2.3.3.1 Quellen und Pseudoquellen Eines der Hauptcharakteristika der laienastrologischen, divinatorischen und auch laienmedizinischen Literatur ist die Bemühung um (Pseudo-)Referenz und „personalautoritative Absicherung“, wobei diese Autoritäten nach Einschätzung mancher Autoren beliebig austauschbar sind.³⁶³ Eine Auflistung von Ibn Ab¯ı Us.aybia kennt ungefähr 40 Titel, die Aristoteles zugeschrieben sind, davon ist nur ein Bruchteil kongruent mit den Büchern, die Ptolemaios aufführt. Eine Erweiterung ist die Einbeziehung des Aristotelesschülers Alexander. Viele Werke stammen aus der Gattung hermetischer, astrologischer und magischer Texte. Diejenigen Texte, die inhaltlich aus indischen und persischen Quellen schöpfen und mit dem Mantel aristotelischer Zuschreibung gekleidet sind, verweisen auf Konventionen des abbasidischen Bagdad.³⁶⁴ Als Spezifikum der hellenistischen Pseudepigraphie wollen Boyce/Grenet ihren inflationären Gebrauch und den Hang zur Übertreibung sehen.³⁶⁵ „The authorities on whom the material imparted is foisted become progressivley more elevated and superhuman. As the quality of the data falls, so the stature of the sanctioning authority rises: only a god or divinely inspired sage could confer credibility on such matter. But the […] most distinctive feature is the expansion, on which we have already touched, to alien sources as both arbiters and authors of the new wisdom.“³⁶⁶
Die Reihe reicht von Aristoteles, Alexander, Hermes Trismegistos bis zu Galen.³⁶⁷ Sogar der Großmeister der Diskursanalyse lässt sich hierüber aus: „Hermes Trismegistus did not exist, nor did Hippocrates – in the sense that Balzac existed – but the fact that several texts have been placed under the same name indicates that there has been established among them a relationship of homogeneity, filiation, authentification of some texts by the use of others, reciprocal explication, or concomitant utilization. The author’s name serves to characterize a certain mode of being of discourse: the fact that the discourse has an author’s name, that one can say ‘this was written by so-and-so’ or ‘so-and-so is the author’, shows that this discourse is not ordinary everyday speech that merely comes and goes, not something that is immediately consumable. On the contrary, it is a speech that must be received in a certain mode and that, in a given culture, must receive a certain status.“³⁶⁸
363 S. Mitscherling 1981: 14. 364 Zu den von Us.aybia genannten Texten s. Burnett 1986: 85–87, 2004. 365 „Hellenistic pseudepigraphy was not then something radically new. What distinguishes it seems to be, first, an increase in scope and volume. Secondly, one observes a certain loss of subtlety, irony, and sense of function in its use.“ 366 Boyce/Grenet 1991: 502f. 367 Zu Hermes s. Rudolf 2014, zu Galen s. GAS VII: 225f. 368 Foucault 1980: 147, vgl. Fowden 1986: 96.
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Die Verbindung von Hermes und der Astrologie ist mindestens seit dem 4. Jh. bekannt, die Αποτελέσματα³⁶⁹ eines anonymen Astrologen erwähnen ihn im Jahre 379 als den ersten, der über den Aufgang des Hundsternes geschrieben habe.³⁷⁰ Ähnliche Popularität genießt Zoroaster als vermeintlicher Urheber astrologisch-divinatorischer Schriften.³⁷¹ Die ersten Bücher über den Lauf der Sterne und der Tierkreiszeichen (raht.å d¯ kawkbē¸ w-d-malwåšē¸) werden im Buch der Biene des Salomo von Basra aus dem 12. Jh. ¯ ¯ Enosch zugeschrieben.³⁷² Zur Nennung des Andronikos als Pseudoautoren im SBM s. 2.5.1.1.
2.3.3.2 Pronominale Anrede Eine Formel, die häufig neue Abschnitte einleitet ist „Wenn Du wissen willst“ oder „Damit Du weißt“.³⁷³ Diese Einleitungsformel findet sich durchgehend in magischen Handbüchern, Rezepten, Amuletten, Beschwörungen und Texten, die als magisch klassifiziert werden. In hebräischen Texten lautet die Formel im biqqašta/tebaqqeš ¯ „wenn du willst“ + Verb im Infinitiv + Verb im Imperativ, meist qah/ke tob „nimm/ ˘ ¯ schreibe“.³⁷⁴ Auch für das Aramäische ist die Formel mit ē baaēt ‚was du willst‘ + Verb im Infinitiv + Verb im Imperativ (sab/ktob/amor ‚nimm/schreibe/sage‘) be¯ ¯ ¯ legt.³⁷⁵ Einige divinatorische Texte des lateinischen Mittelalters, die aus orientalischer Überlieferung stammen, leiten mit diesen Formeln (z. B. quicumque nosse desiderat) einzelne Passagen oder ganze Werke ein.³⁷⁶ Diese Formel findet sich auch in einem aus dem Arabischen stammenden astronomischen Text äthiopischer Herkunft, dem ¯ Computus eines gewissen Abū Šaker.³⁷⁷
369 Wörtlich bedeutet der Begriff apotelésmata im Griechischen ‚Vollendung‘, als astrologischer Fachbegriff ‚Einfluss der Gestirne auf das menschliche Schicksal‘. 370 S. CCAG V, 1: 204. Für weitere Belege s. Festugière 19502 : 104f. 371 S. Beck 1991: 525, Gordon 1988: 47. Überhaupt gilt die Überlieferung vorsintflutlichen Wissens über Ägypten oder Mesopotamien/Persien als Topos, bereits seit Platon (vgl. Timaios). Eine breitangelegte Quellensammlung dieser Mythen bei antiken Autoren findet sich bei Festugière 1950: 19–44. 372 S. Reeves 1996: 54. Ein möglicher Verweis auf die bis dahin anhaltenden Tradition der Henochliteratur? 373 Im SBM: 445, 447, 448, 451, 452, usw. 374 Dieser Eingang in die „magische“ Handlung taucht oft im Sefer ha-Razim auf. 375 Z. B. im Harba d-Moše, s. Schäfer 1990: 85. 376 Van de Vyver: 676f. hält die Formel für eine typisch arabische Wendung, da z. B. die Mathematica Alhandrei einsetzt mit „quicumque nosse desiderat“. 377 Das aus dem Arabischen übersetzte Werk gehört inhaltlich der alexandrinischen bzw. henochi¯ schen Tradition an. Der Name Abū Šaker wird auch metonymisch für „astronomisches Kompendium“ gebraucht. Es beinhaltet Schaltregeln, Umrechnung verschiedener Kalendersysteme, Solar- Lunarkalender, Wochentage usw., s. Neugebauer 1979: 15ff.
2.3 Das SBM als Kompilation | 169
Die sogdischen Textfragmente zur Kalenderberechnung belegen den Konservatismus der Formel innerhalb der Textgattung. Auch dort erscheint die Anrede der 2. Person „Wenn du wissen willst …“ als Einleitung.³⁷⁸
2.3.3.3 Pseudoempirie Eine immer wiederkehrende Aussage besteht aus hendiadyoinartig verbundenen Attributen, welche die empririsch verifizierte Stichhaltigkeit der Methode beteuern. Im SBM ist oft šarr¯ır wa-mnassay zu finden, was soviel heißt wie „wahr und erprobt“.³⁷⁹ Diese Formel findet sich auch in magischen Rezepten und Anweisungen jüdischer Provenienz auf hebräisch als bådūq u-mənussæh.³⁸⁰ Die Formel dient z. T. dazu be¯ stimmte Textpassagen (z. B. einzelne Rezepte) voneinander abzugrenzen und kann als textstrukturierendes Element gesehen werden. Bohak, der die Formel in jüdischen magischen Texten untersucht hat, bezeichnet sie als „Prahlerei“. Er meint, dass sich die Formel zeitlich und räumlich beschränken lasse und weder zur Zeit des zweiten Tempels noch in Rezepten der rabbinischen Literatur vorkäme, aber umgekehrt aus gräko-ägyptischer Tradition geläufig sei, daher schließt er auf eine Übernahme aus dem Griechischen.³⁸¹ Eine plausible Begründung dieser Formelflut in mittellterlichen hebräischen medizinisch-magischen Texten bietet Barqây mit der Annahme, dass dort, wo wenige Autoren genannt werden (können), der Bedarf höher ist, durch Bestätigungsformeln die Wirksamkeit zu unterstreichen.³⁸²
378 S. Dickens/Sims-Williams 2012: 277. 379 S. SBM: 455, 460, 461, usw. 380 Alternativ auch båh.ūn u-mənussæh, welches sich der gleichen Wurzel bedient wie unsere Formel (NSY). Es findet sich z. B. vor einer Anweisung für einen Liebeszauber unter den Genizah-Texten (T.-S. K 1.28, fol. la, 1. 2 ff.), s. Schäfer 1990: 88, Schäfer/Shaked 1994: 135ff. Die Formel bådūq ¯ u-mənussæh „erprobt und bewiesen“ kann auch als Anspielung auf einen medizinischen Kontext verstanden werden, da sich Ähnliches im galenischen Schrifttum nachweisen lässt, s. Trachtenberg 1939: 115. Auch Amulette bedienen sich solcher Beteuerungsformeln, wobei Bohak betont, dass der Terminus mumh.e ein weitläufig gebrauchter Begriff des rabbinischen Schrifttums ist, der nicht mit dem Begriffspaar bådūq u-mənussæh verwechselt werden dürfe. Ein Amulett musste sogar ¯ mumh.e „geprüft“ sein, um seine Gültigkeit zu gewährleisten, sprich am Sabbat getragen werden zu dürfen. Dies belegt eine talmudische Diskussion, erörtert in bShab 61–62a, s. Bohak 2008: 371. 381 S. Bohak 2008: 282. Die Untersuchung demotisch/griechischer magischer Texte Dielemans 2005: 255 zielt auf einen anderen Aspekt ab, nämlich den der Vermarktung: „The texts are, so to speak, wrapped in an attractive package as an appeal to impress their readers and to attract attention among the many alternative spells that must have been available in antiquity.“ Vgl. auch Rudolf 2014b. 382 S. Barqây 1998: 85. Ein mittelalterliches hebräisches Rezept, das die Menstruation beschleunigen soll, hat als Auszeichnung „good, accepted and tried“ (T.WB W-MQWBL W-MNWSH), s. Barqây 1998: 193, 200. Der Text ist eine Rezeptsammlung basierend auf Oxford, Bodleian Library, Ms or. 2142, fol. 251v–257v, hier 252v.
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2.3.3.4 Geheimhaltungsanweisungen Gebote der Geheimhaltung waren nicht nur den Mysterienkulten, den Orphikern und Pythagoräern eigen, sondern besonders im pseudepigraphischen Schrifttum der Magie, Alchemie und Astrologie vertreten.³⁸³ Sogar in den astrologischen Schriften des Firmicus Maternus und Vettius Valens finden sich solche Anweisungen.³⁸⁴ In den griechischen magischen Papyri sind solcherlei Geheimhaltungsanweisungen gang und gäbe. Meistens handelt es sich um einen Imperativ oder einen kurzen Nebensatz, der dazu auffordert, keine Uneingeweihten einzubeziehen. Gerade in der pharaonischen Zeit war Geheimhaltung ein wichtiges Element des Kultus.³⁸⁵ Hier ergibt sich außerdem eine Schnittstelle zur magischen Medizin, die im Mittelalter besonders von der „Singularitätsmagie“ geprägt war, „die auf Seltenheit, Geheimnis, Unheimlichkeit oder besonderen Wert einer Droge oder eines Verfahrens setzt.“³⁸⁶ Im weiteren Sinne gehören zu diesen Formeln auch die Eingrenzung der Leserschaft, z. B. „für einen Erfahrenen und Weisen“. Der Text wird damit zu einer nur einem gewissen Kreis vorbehaltenen Geheimlehre stilisiert.³⁸⁷
2.3.3.5 Anspielungen auf die Heilige Schrift Ähnlich wie bei den Zuschreibungen an historische oder mythologische Persönlichkeiten wird mit biblischen Anspielungen und Zitaten die Wirkkraft einer Passage gesteigert. Ein weiteres Motiv mag nicht nur die Absicherung gegenüber der antiastrologischen Polemik aus religiösen Bedenken sein, sondern womöglich auch eine Absicherung gegen das Fehlschlagen einer Behandlungsmethode.
383 Zu den Geheimhaltungsanweisungen der akkadischen Literatur s. Lenzi 2008. 384 Firmicus Maternus, Mathesis 7,I,2; 8,33,2, Vettius Valens 4,11; 7 Praefatio 7,5; 9,15, s. Speyer 1971: 63f. Auch der Neoplatoniker Porphyrius soll seine Lehren nur als Geheimwissen verbreitet haben. So auch im Widmungsbrief des Pseudo-Aristoteles an Alexander den Großen, in dem sich Sender wie Empfänger zur Geheimhaltung verpflichten. 385 S. Dieleman 2005: 276. Zu den Formeln in den Zaubersprüchen s. Betz 1995. Ähnliche Anweisungen waren auch in ägyptischen medizinischen Texten zu finden, s. Westendorf 1999: 99f. Die exklusive Beziehung zwischen Meister und Adept, in deren Rahmen die Unterweisung stattfand, ist als per se astrologisch definiert „it is in astrology that the role of initiation is especially apparent. It is perhaps not surprising that this should be the case: hermetic and Neoplatonic ideals are found in association with astrology, and it is also probable that the hierarchical initiations of Mithraic cult are linked with astrological symbolism. At any rate, astrology offers a particularly clear example of the role of the initiation model in ancient didactic practice: stages of knowledge are clearly marked in our texts. Astrology is also, obviously, a species of divination, though it is not explicitly presented as such by the authors of the treatises, and its source of information is the divine heavenly bodies.“ (Barton 2002: 171) 386 Riha 2008: 40. 387 Van deVyver 1936: 677 hält die Formel für eine typisch arabische Wendung. Als Beispiel zitiert ¯ b. Qurra stammen soll und von Adelard er den Anfang des Liber prestigiorum Thebidis, das von Tabit ¯ von Bath ins Lateinische übersetzt wurde: „quicumque geometria atque philosophia peritus“.
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Plakativ ist eine Formel wie „Gott tut, was er will“, welche einer Hemerologie folgt (ellå kol d-s.åbē¸ måryå ebad),³⁸⁸ so wie die vorangehende Stelle bram kol d-s.åbē¸ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ måryå åbed ba-šmayyå wa-b-arå w-hūyū båh.ar kasyåtå. „Der Herr jedoch tut al¯ ¯ ¯ ¯ ¯ les, was er will im Himmel und auf Erden, und er ist es, der die verborgenen Dinge kennt“.³⁸⁹ Auffällig ist, dass für die drei obenstehenden Passagen keine Parallelstelle in der syrischen Bibel zu finden ist. Die Idee dürfte auf Psalm 115,3 zurückgehen, wo es heißt alåhan ba-šmayyå h ū w-kol d-s.åbē¸ åbed „Unser Gott ist im Himmel und er ¯ ¯ ¯ ¯ tut, was ihm gefällt.“ Denselben Bezug stellt die Jahresanfangsprognose her, in der die ersten sieben Tage sympathetisch auf die ersten sieben Monate des Jahres übertragen sind, und die tatsächlich behauptet, dass dies ganz dem Willen Gottes entspräche: ay k d-hū ¯ alåhå s.åbē¸.³⁹⁰ Man könnte hier auch an eine Anspielung auf das Jubiläenbuch 12, ¯ 16–18 denken, welches ein Selbstgespräch Abrahams enthält, bevor er zum Monotheismus konvertiert: „All of the signs of the stars and the signs of the sun and the moon are all in the hand of the Lord“.³⁹¹ Ein weiteres Beispiel, das auch auf diese Vor¯ ¯ „Gott lenkt sie alle“ [die stellung Bezug nimmt, SBM: 505, ist alåhå mparnes kollhon Planeten, die in bestimmten Kombinationen Schlechtes oder Gutes verheißen]. Jegliche Argumente gegen die Gottlosigkeit astraler Divination werden so von vornherein ausgeräumt. In einer Diagnose (SBM: 454), welche die Krankheit auf mangelnde devotionale Dienste zurückführt, wird „der lebendige Gott“ (alåhå h.ayyå) genannt.³⁹²
2.3.3.6 Selbstreferenz des Kompilators Einige Bemerkungen im Text geben Aufschluss über den Kompilator und seine Arbeitsweise. Der Kompilator weist selbst darauf hin, dass es für die Prognostik über Leben und Tod mithilfe onomantischer Methode und Bezugname auf das Mondalter eine konkurrierende Meinung einer anderen Handschrift bzw. eines Kodex gibt, welche ihm vorliegt: bram ba-as.s.ah.tå h.rē¸tå måwda d… „in einer anderen Handschrift ¯ ¯ heißt es, dass“.³⁹³ Eine Passage, welche die Tage erläutert, an denen der Mond be-
388 SBM: 474. Eine ähnliche Formulierung ist aus einem mittelalterlichen hebräischen Rezepttext bekannt, der die Unfruchtbarkeit aufgrund einer Verzauberung revidieren soll: „In fact God, be He blessed, brings about whatever He wishes.“ Oxford, Bodleian Library, Ms or. 2142, fol. 251v–257v., hier 252r. Der Text wird Seshet Benveniste ha-Nasi zugeschrieben und hat etliche christlichen Elemente und einige Latinismen vorzuweisen. Der Text ist im 12./13. Jh. kopiert worden und bezieht sich auf Quellen des 12. und 10. Jh., s. Barqây 1998: 83, 193. 389 SBM: 462, vgl. auch Sure 9, 78. 390 SBM: 441, Z. 19. 391 Wintermute 1985, zit. nach von Stuckrad 2000: 361. 392 Für die schon im alten Ägypten und Orient bekannte und beinahe universelle Bezeichnung des „lebendigen Gottes“ s. S. Kreuzer 1983. 393 SBM: 458.
172 | 2 Das Syrische Medizinbuch (SBM)
leuchtet ist, weist dem Text eine eindeutige Funktion als Gebrauchstext für praktizierende Ärzte zu: „Vorhersage, damit der Arzt weiß, an welchen Tagen der Mond beleuchtet ist und an welchen nicht“ (h.re¸nå d-nedda åsyå aylē¸n yåwmåtå ¯ıt lē¸h ¯ ¯ l-sahrå nuhrå w-aylē¸n layt l-ē¸h nuhrå).³⁹⁴ Die Selbstbezeichnung des Schreibers als „Sünder“ ist wohl eher der Konvention anzurechnen.³⁹⁵ Bemerkenswert ist das Rechenbeispiel, das der Verfasser für eine bestimmte Prognosemethode gibt. „Ich habe es so gerechnet, wie es geschrieben steht und von 2020 blieben 185 übrig“.³⁹⁶ Damit ist wohl die im Osten gültige Seleukidenära gemeint, die mit 312 v. Chr. beginnt. Damit würde die Abfassung dieses Abschnittes in eine sehr späte Zeit, auf das Jahr 1708 fallen.
2.3.4 Fazit Die ältesten Texte der Kompilation dürften der pseudo-dionysische Text und der pseudo-basileische Text sein. Die Gesamtkompilation kann aber erst enstanden sein, nachdem die im ersten Teil zitierten Werke Galens bereits übersetzt waren. Allerdings entspricht die Zusammenstellung nicht dem alexandrinischen Standard, so dass man einen östlichen „Gegenentwurf“ vermuten könnte. Festzuhalten ist außerdem, dass der astrologische Teil des SBM im Gegensatz zum ersten, galenischen Teil, keinerlei Anweisungen zum Aderlaß enthält.³⁹⁷ Dass zudem die Traumdeutung noch nicht vertreten ist, lässt vermuten, dass einige Abschnitte des astrologischen Teils älter sind als der erste galenisch-medizinische Teil. Einige Passagen kumulieren allerdings die verschiedenen divinatorischen Techniken derart, dass es wahrscheinlicher ist, für sie eine spätere Abfassung anzusetzen. Die Zusammenstellung der Einzelteile lässt sich am ehesten mit der Tradition solcher Handbücher in Byzanz in Verbindung bringen, die ab dem 12. Jh. weite Verbreitung fanden.
2.4 Sprachliche Eigenheiten des Textes 2.4.1 Fremdwörter 2.4.1.1 Iranische Fremdwörter Sofern es sich um mittelpersische Wörter handelt, muss man auf die Sasanidenzeit als Überlieferungszeit schließen. Indikatoren für solche Entlehnungen sind syrische Wörter, die auf -g enden, und auf Nominalform mit auslautendem -aka (altpers.) > -ag
394 395 396 397
SBM: 459. “Und jeder Mensch ist ein Sünder wie ich, der Schreiber.“ SBM: 462. SBM: 486. Dagegen erscheint sie in der talmudischen Medizin mehrfach, s. Kottek 2003: 310.
2.4 Sprachliche Eigenheiten des Textes | 173
¯ (mittelpers.) > -e (pers.) zurückgehen.³⁹⁸ Diesem Schema scheinen die Begriffe hayag, hay¯ınazag¯ zu entsprechen, die bei der Berechnung des Schaltjahres des Mondes auftauchen. Allerdings sind diese Wörter nirgends nachgewiesen und auch die folgenden ¯ za/eh.¯ıd etc.)³⁹⁹ sind nicht iranisch, kryptischen Begriffe in diesem Abschnitt (baygo, ¯ sondern möglicherweise iranisierende Abkürzungen oder Chiffren.
2.4.1.2 Arabische Fremdwörter ¯ her.tåon ‚infektiöse Krankheit, Pest‘ ist nach Sokoloff aus dem arabischen .taūn geleitet, wobei das SBM: 484 einzige Belegstelle ist.⁴⁰⁰ Vor allem die Passagen, in denen Eigenschaften der Planeten aufgezählt werden, enthalten Farbadjektive und Stoffbezeichnungen, die sonst keinen weiteren Beleg im Syrischen kennen: as.par ‚gelb‘ (SBM: 484), im Text selbst erklärt als hū zara, wohl Verschreibung für zargå ‚glänzend; rötlich‘,⁴⁰¹ und aswad ‚schwarz‘ (SBM: 489), außerdem aqq¯ıqå zu ar. aq¯ıq ‚Kar¯ neol‘ und lazward zu ar. lazuward ‚Lapislazuli‘ (SBM: 489). Die arabischen Wörter im Text sind nicht übermäßig zahlreich. Für Passagen wie die Planetenbeschreibungen (SBM: 489), in denen sich arabische Fremdwörter häufen, ist eine Übersetzung aus dem Arabischen naheliegend. Für die astronomischen Texte ist besonders die Untersuchung von Villey von Bedeutung, aber auch von Crégheur, der seiner Arbeit zu Bardesanes eine Zusammenstellung der astrologischen Terminologie beigefügt hat. Die Untersuchung von Villey vergleicht den Wortbestand einer eindeutig arabisch beeinflussten astronomischen Schrift, dem ‚Buch des Alexander‘, mit der vom Arabischen unberührteren Abhandlungen des Severus und der des Bar Hebraeus.⁴⁰² Zu den arabischen Lehnwörtern gehören nicht nur die Planetennamen und Tierkreiszeichennamen, sondern insbesondere folgende Fachtermini: – dargå ‚Grad‘ ist zunächst nur im Arabischen für den 360ten Teil des Kreises benutzt worden, während im Syrischen und in anderen semitischen Sprachen damit die Stufe einer Treppe bezeichnet ist.⁴⁰³ Severus und Bar Hebraeus haben stattdessen mūrå < gr. μοῖρα. – qat..t¯ıntå für ‚Minute‘ ist zwar im Syrischen geläufig, wird aber bei Severus und Bar Hebraeus mit lept.ē¸ < gr. λεπτά wiedergegeben.⁴⁰⁴
398 S. Gignoux 1998: 730. 399 S. SBM: 450. 400 Sokoloff: 540. 401 Bei Bar Bahlūl: 699 wird die Farbe als ‚zwischen gelb und rot‘ beschrieben. 402 S. Villey 2011–12: 369ff. 403 S. Villey 2011–12: 372. 404 S. Sokoloff 2009: 695.
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¯ yē¸ wiedermalwåšē¸ ‚Tierkreiszeichen‘ sind bei Severus und Bar Hebraeus mit zod ¯ gegeben.⁴⁰⁵ burgē¸ bzw. burˇgē¸ bezeichnen die Dodekatemoria⁴⁰⁶ oder schlicht Tierkreiszeichen. Koranische Belege (Sure 15,16; 25,62; 85,1) sind den Kommentatoren unklar: ¯ ı (1226–60) definiert die burūˇg als Mondstationen, az-Zab¯ıd¯ı (1732–91), al-Bayd.aw¯ ¯ g al-Arūs behauptet, die Araber in alter Zeit wären nicht über die der Autor des Taˇ Tierkreiszeichen unterrichtet gewesen.⁴⁰⁷ Das Wort soll von griechischem πύργος ‚Burg‘ abgeleitet sein, allerdings ist schleierhaft, woher die sekundäre Bedeutung ‚Tierkreiszeichen‘ stammt, da im Griechischen dafür die Bezeichnung οἰκία‚Häuser‘ geläufig ist. Auch scheint das syrische burgå eine sekundäre Entlehnung aus dem Arabischen zu sein, da es sich erst später in dieser Form und mit der Bedeutung ‚Tierkreiszeichen‘ verbreitet – der syrische Lexikograph Bar Bahlūl führt es im 10. Jh. nicht auf, erst Bar Hebraeus erwähnt es im 13. Jh. Die ältere aus dem Griechischen entlehnte Form für ‚Turm‘ ist purqså,⁴⁰⁸ die dem gr. πύργος näher steht.
2.4.1.3 Griechische Fremdwörter Auch bei den griechischen Fremd- und Lehnwörtern, die wesentlich zahlreicher als die Arabischen sind, können wir uns nur auf eine Auswahl beschränken. Eines der ¯ das bereits in den Oden Salomos so ältesten Fremdwörter, gr. κίνδυνος > q¯ındūnos, erscheint,⁴⁰⁹ macht sich auch im SBM nicht rar.⁴¹⁰ Auffällig ist die Varianz, mit der es im Text verwendet wird, wobei hier Schreibfehler natürlich nicht auszuschließen sind. ¯ ¯ Qewåndenos wechselt mit der populäreren Variante q¯ındūnos/qūndn os.⁴¹¹ Besondere Erwähnung verdient das Fremdwort Diastase (dyåst.åsis), ‚Entfernung, Trennung, Spaltung‘ < gr. διάστασις. Als astrologischer Fachterminus bedeutet es ‚Intervall‘, ein Terminus, der auch bei Vettius Valens auftaucht.⁴¹² Es ist im Syrischen bisher einzig im SBM: 505 belegt. Größtenteils sind die Wörter der Fachsprache naturwissenschaftlichen Betäti¯ ‚Zeigungsfeldern entnommen: .tablåytå/t.abl¯ıtå ‚Tafel, Tabelle‘ < gr. τάβλα, s¯ımyon ¯ ¯ ¯ chen‘ (SBM: 467), esp¯ırå > gr. σπαῖρα ‚runder Körper, Sphäre; Kreis‘,⁴¹³ åt¯ır > gr. ¯
405 S. Villey 2011–12: 372. 406 S. Villey 2011–12: 372. 407 S. Lane/Lane-Poole 1863: 180. 408 S. Sokoloff 2009: 1173, Schall 1960: 49ff. Rudolf 2015. 409 S. Healey 1995: 80. 410 Z. B. SBM: 456, Z. I, 467, Z. 18. 411 S. Sokoloff 2009: 1363. 412 S. Neugebauer/Von Hoesen 1959: 78f. 413 SBM: 526ff.
2.4 Sprachliche Eigenheiten des Textes | 175
αἰθήρ, espuggå > gr. σπόγγος ‚Schwamm‘,⁴¹⁴ qrost.ellås < gr. κρύσταλλος ‚Kristall‘ (SBM: 529), was anderweitig im Syrischen, nämlich in der Pš¯ıt.tå, zu finden ist.⁴¹⁵ Im Abschnitt über den Einfluss des Klimas auf die Gesundheit (SBM: 533–538) tauchen einige Krankheitsbezeichnungen auf, die offensichtlich aus dem Griechischen übernommen wurden wie rewmå ‚Rheuma‘ (SBM: 536) < gr. ῥεῦμα, hedropiqiyå ‚Wassersucht‘ (SBM: 537) < gr. ὑδρωπικία, aber auch Lehnübersetzungen wie ‚Skrofulose‘ ¯ o¯ ¯ go¯ ‚ähnlich, analog‘ < gr. ἀνάλογος ist nur im SBM: (SBM: 469). Das Adjektiv ånol 548, das dazugehörige Nomen im syrischen Rechtsbuch (5. Jh.) und bei Bar Hebraeus belegt.⁴¹⁶ Interessant sind besonders diejenigen Wörter, die nicht in Glossen, also synchron mit dem Verfassen oder Kopieren des Textes, sondern als Randnote später dazugesetzt wurden, weil sie offensichtlich veraltet oder nicht mehr überall verständlich wa¯ ıtå ‚Fuß‘ als Maßangabe < gr. πόδιον.⁴¹⁷ Der syrische Text hat ren. Ein Beispiel ist pod¯ ¯ an dieser Stelle eine Worterklärung ‚das Maß einer Fußsohle‘ (mšuh.tå h.då d-passat ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ reglå) als Randvermerk (SBM: 507f.). Ebenso werden die Namen der Mondknoten, Anabibazon und Katabibazon als Randnote erklärt, wobei hier die variante Schrei¯ eindeutig zeigt, dass das griechische Wort dem Schreiber nicht bung (ånåb¯ıbåron) bekannt war. Für einen repräsentativen Befund müsste jede einzelne Passage auf ihren Fremdbzw. Lehnwortgehalt untersucht werden. Vorsichtig möchte ich die Vermutung anschließen, dass dort, wo besonders wenige griechische Wörter auftauchen, auch an einen östlichen, sprich iranischen Ursprung des Textes gedacht werden könnte.
2.4.2 Fachtermini 2.4.2.1 Planetennamen Die Planetennamen sind im Syrischen schon mit Bardesanes belegt, bedauerlicherweise nicht die vollständige Reihe.⁴¹⁸ Zu den gebräuchlichen Planetennamen, die aus den griechischen Bezeichnungen abgeleitet sind, treten diejenigen, die aus dem mesopotamisch-babylonischen⁴¹⁹ bzw. dem syro-palästinisch-aramäischen Inventar übernommen sind.⁴²⁰ Daher weisen sie auch eine engere Verbindung zu den mandäischen
414 SBM: 528. 415 Z. B. Ez 28,13; Jes 54,12; Offenbarung 4,6. 416 S. Sokoloff 2009: 60. 417 S. Sokoloff: 1160. 418 S. Crégheur 2004, S. 226ff. 419 Ein babylonisches Relikt bei der Saturnbenennung hat auch der Bundahišn. Der Saturn heißt dort keivan. Die restlichen Namen stammen aus der iranischen Tradition: anhoma ‚Jupiter‘, vahram ‚Mars‘, anahit ‚Venus‘, tir ‚Merkur‘, s. Justi 1868: 7. 420 Mars ist beispielsweise vom babylonischen Nergal zu Yar¯ıg¯ zu stellen, ebenso wie mand. Nirig und arab. Mirr¯ıh. ˘
176 | 2 Das Syrische Medizinbuch (SBM)
Tab. 3 Quelle
Bardesanes
SBM S. 501f.
SBM S. 505f.
arab. Bez.
Saturn Jupiter Mars Sonne Venus Merkur Mond
kewån kawkbē¸l ¯ ares šemšå belt¯ı herme/¯ıs sahrå
¯ os ¯ qron ¯ zos år¯ıs šemšå ¯ ¯ı.t¯ı aprod ¯ arm¯ıs/harm¯ıs sahrå
kē¸wån bē¸l yar¯ıg¯
az-zuh.al al-muštar¯ı al-mirr¯ıh ˘ aš-šams az-zahra
belt¯ı nåbo¯ ¯ s¯ınå
al-qamar
¯ Planetennamen auf. Von Ibn an-Nad¯ım werden die bei den H.arranern vertretenen ¯ ¯ ¯ Balt¯ı, Qrunus.⁴²¹ Planetennamen angeführt als Helios (Ilyūs), S¯ın, Ar¯ıs, Nabū, Bal, Dagegen nennt Jakob von Edessa im Zuge seiner Polemik gegen die astrologiebetrei¯ ¯ os, ¯ Bē¸l oder Zeus, Belati oder benden H.arraner eine Doppelreihe: Kewån oder Qron Aphrodite.⁴²² Eine Ausnahme ist die Benennung bei Ephrem, der für Venus kåwkabtå ¯ „Planetin, Sternin“ setzt und saypå ‚Schwert‘ allegorisch für Mars gebraucht. Wenn Leicht mit seiner Einschätzung recht behalten sollte, so sind die Planeten und damit auch die astrologischen Planetenlehren erst ab dem 3. Jh. in hebräischjüdischen Kreisen zu finden.⁴²³ Eine komplette Liste der Planetennamen im Hebräischen ist gar erst bei Epiphanius (4. Jh.) belegt.⁴²⁴ Die Planetennamen sind also im Syrischen, mit Bardesanes, wesentlich früher belegt. Im Griechischen weichen die Bezeichnungen der Planeten bis zum 2. Jh. n. Chr. von der späteren Tradition ab: Φαίνων (Saturn), Φαέτων (Jupiter), Πυρόεις (Mars), Στίλβων (Merkur) und Φωσφόρος (Venus),⁴²⁵ was sich im Syrischen offenbar nicht niedergeschlagen hat.
2.4.2.2 Exkurs: Die Reihenfolge der Planeten und ihre Eigenschaften Die in der Astrologie geläufige Reihenfolge der Planeten ist die nach absteigender Entfernung der Planeten von der Erde aus gesehen, also dem geozentrischen Weltbild entsprechend. Diese Reihe kongruiert mit abnehmender Dauer von Umlaufzeiten. Es ist die klassische Anordnung hellenistischer Astronomie und Astrologie, wie Cicero,
421 S. Tubach 1986: 164f. Chwolsohn 1856, Bd. 2: 22. 422 S. Pingree 2002: 14. Interessant ist, dass in der Passage über die kombinatorische Wirkung der Planeten (SBM: 505f.), die auf griechische Quellen zurückgehen muss, für Saturn sowohl kē¸wån als ¯ os, ¯ für Venus sowohl aprod ¯ ¯ı.t¯ı als auch belt¯ı gebraucht wird. Auch die Hemerologie (SBM: auch qron ¯ ¯ ¯ı.t¯ı und belt¯ı. 509ff., die wohl aus dem Griechischen übersetzt ist, hat abwechselnd (a)prod ¯ 423 S. Leicht 2011. 424 S. Stieglitz 1981. 425 S. Raffaelli 2004: 246.
2.4 Sprachliche Eigenheiten des Textes | 177
Vitruv, Plinius und Plutarch bezeugen.⁴²⁶ Auch wenn Ptolemaios sie als die Reihe älterer Autoritäten bezeichnet (Almagest 9.1), ist sie mit großer Wahrscheinlichkeit jünger als die von ihr unterschiedene ägyptische Anordnung, bei der Sonne und Mond nebeneinander stehen. Die Bezeichnung stammt ebenfalls von Macrobius, die Reihe selbst wird im platonischen Timaios (38D) erwähnt.⁴²⁷ Die Reihenfolge ist auch ausschlaggebend für die Benennung der Wochentage.⁴²⁸ Die Darstellung der Planeten, z. B. Merkurs als Schreiber bzw. Sekretär, ist aus nordmesopotamischen Darstellungen des 12.–14. Jh. bekannt.⁴²⁹ Die Attribuierung von Farben und Eigenschaften an Planeten ist bereits babylonisch belegt. Farbliche Unterschiede der Planeten sind mit bloßem Auge erkennbar und daher leicht nachzuvollziehen. Die Fassaden der Observatorien von Borsippa und Nippur sollen schon in den Farben der Planeten bemalt gewesen sein, ebenso im achämenidischen Ekbatana. Die Charakterisierung der Planeten nach Farben lässt sich im griechischen Schrifttum bei Platon (im X. Buch der Republik) finden. Dort heißt es, die Planetenfarben variieren zwischen rot, gelb und weiß. In der üblichen astrologischen Zuschreibung ist Saturn schwarz, Jupiter rot, Mars purpurfarben, die Sonne golden, Venus weiß, Merkur gelb und der Mond blau. Diese astrologische Farbgebung ist bereits deutlich von der tatsächlichen Beobachtung abzugrenzen und bezieht sich mehr auf die mit den Planeten identifizierten Gottheiten: Vettius Valens z. B. begründet die Schwärze des Saturn damit, dass er der Gott der Zeit sei, und die Zeit alles verdunkele. Bouché-Leclerq vergleicht verschiedene Auflistungen bei Ptolemaios (Tetrabiblos II, 9), Hephaistion, Demophilus und Vettius Valens, dessen Reihe der gemeinastrologischen korrespondiert und der Liste im SBM am nähesten kommt. Der Mond, beispielsweise, ist bei Valens ‚luftfarben‘.⁴³⁰ Eine Korrelation von Natur und Farbe findet sich bei Ptolemaios, der dem Mond eine kalte Natur und eine silberne Farbe, dem Merkur Trockenheit und ‚bleiernen Schein‘, der Venus einen matten Schein und eine fließende Farbe, dem Jupiter eine kalte Natur und eine gelbliche Farbe, dem Mars eine heiße Natur und eine rötliche Farbe, der Sonne eine heiße Natur und eine goldene Farbe und dem Saturn eine kalte Natur und eine Farbe wie Eisen zuschreibt.⁴³¹ Eine Gleichsetzung von Metallen und Planeten, die hier schon angedeutet ist, sollte in der späteren alchemistischen Literatur von großer Bedeutung werden. Die iranische Provenienz dieser Gleichsetzung scheint noch durch Origenes Contra celsum 6,22 gestützt zu sein, der die kosmologische Vorstellung vom Auf- oder Abstieg
426 Diese Ordnung wird bei Macrobius (In Somn. 1.19) als chaldäisch bezeichnet, wobei dies hier im übertragenen Sinne als ‚astrologisch‘ zu verstehen ist. 427 S. Neugebauer 1975, Bd. 2: 690ff., Bouché-Leclercq 1899: 105ff., Beck 1988: 5. 428 Beweis für die frühe Verbreitung der astrologischen Sieben-Tage-Woche ist ihr Auftreten in indischen Schriften im frühen 4. Jh., s. Markel 1991: 176. 429 Z. B. auf Münzen oder Gefäßen, s. Strohmaier 2011: 310, vgl. Saxl 1912. 430 S. Bouché-Leclerq 1899: 314f. 431 S. Reichel 1991: 105, Boll/Bezold 1918: 129.
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der Seele entlang einer siebenstufigen Leiter eindeutig den Persern und den mithräischen Mysterien zuschreibt. Jeder Stufe, d. h. jedem Planeten, wird ein Metall zugeschrieben: Saturn, dem ersten Tor, entspricht dabei Blei, Venus Zinn, Jupiter Bronze, Merkur Eisen, Mars eine Mischung, Mond Silber und Sonne Gold.⁴³² Im Gegensatz zur Reihenfolge der Planeten, die innerhalb der astrologischen Tradition fest ist, sind die Farbzuweisungen instabiler.
2.4.2.3 Tierkreiszeichen Beide Reihen der Tierkreiszeichen sind im SBM vertreten, oft finden sich Glossen, um Bezeichnungen einer der Reihen näher zu erläutern.⁴³³ Die folgende Übersicht (Tab. 4) zitiert die bei Bardesanes⁴³⁴ belegten Namen neben der Reihe mit den geläufigen Namen der Tierkreiszeichen, exemplarisch SBM: 488, und ihren gelegentlichen, im Syrischen weniger geläufigen, Varianten SBM: 462f. Tab. 4 Quelle
Bardesanes
SBM: 488
Aries Taurus Gemini Cancer Leo Virgo Libra Scorpio Sagittarius Capricornus Aquarius Pisces
emmårå — — sart.ånå aryå — — — — gadyå ¯ dåwlå —
emmårå tåwrå tåmē¸ sart.ånå aryå šebbeltå ¯ massåtå ¯ qarbå ¯ kaššåt.å gadyå ¯ dåwlå nūnē¸
SBM: 462f.
trē¸n s.almē¸
btūltå ¯ qašlåmå s.almå rabbå
432 S. Beck 1988: 73f. Im syrischen Alexanderroman veranschaulicht Nektanebo seine Vorhersage an Olympias mit einem Modell der Dekane, der 12 Tierkreiszeichen und der 7 Planeten: šemšå d¯ ¯ -åris d-metqrē¸ pårså¯ıt wahram d-kē. på ¯ summåqtå g¯ åwnå da-dmå nåbo¯ qrost.elos w-sahrå d-ådmos ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ d-metqrē¸ pårså¯ıt .t¯ır da-zmara¯gdå (Budge 1889: 9) „die Sonne ist von Kristall, der Mond von Diasåprå ¯ ¯ ¯ mant, Mars, der auf Persisch Wahram genannt wird, ist von rotem Stein, der Farbe von Blut, Hermes, der Schreiber, welcher auf Persisch T¯ır heißt, ist von Smaragd.“ 433 Die Entstehung dieser Reihen ist noch nicht ganz geklärt. Woran kein Zweifel besteht ist, dass es eine spätere Reihe gibt, welche die Bezeichnungen nochmals aus dem Griechischen entlehnt, sicherlich im Zusammenhang mit Übersetzungen aus dem Griechischen. Relativ frühe Belege im Altsüdarabischen sowie die Darstellung der Tierkreiszeichen im 2. Jh. stützen die Annahme, dass die Bezeichnungen auch im Aramäischen bereits im Umlauf waren. Ausführlich dazu Rudolf 2015. 434 S. Crégheur 2004: 226ff.
2.4 Sprachliche Eigenheiten des Textes | 179
Der Alternativname der Waage, qašlåmå, taucht auch in der Form qanyå (SBM: 517), qanšlåmå (SBM: 462), so auch BBah 1813, und q¯ıšlåmå (SBM: 483), bei Sergius vokalisiert als qayšelmå, auf.⁴³⁵ Diese Formen dürften durch Kontraktion (> qanyå šlåmå „die volle, in richtigem Verhältniss befindliche Wage“) entstanden sein, wobei die ursprüngliche Bedeutung nicht mehr transparent war.⁴³⁶ Eine lexikalische Variante des Schützen ist qaššåtå, teilweise auch vokalisiert als ¯ qeštå ‚Bogen‘ (SBM: 483).⁴³⁷ Eine außerordentlich interessante Form hat das Selenodromion zur Krankheitsprognose SBM: 465. Der Schütze wird hier mit s.arbå bezeichnet, womöglich eine kontrahierte Form des s.almå rabbå. Dieser Name ist nur an dieser Stelle belegt.⁴³⁸ ¯ Auch hat Bar Bahlūl eine sonst unbekannte Form für die Fische (al-h.ūt): ūpsår¯ın.⁴³⁹
2.4.2.4 Astrologische Fachterminologie Innerhalb der astrologisch/astronomischen Terminologie ist Villey zufolge ein deutlicher Schnitt mit dem Beginn der arabischen astrologischen Gelehrsamkeit zu verzeichnen: die verwendeten Wörter seien viel näher an die arabische Terminologie angelehnt, griechische Entsprechungen würden eher aufgegeben. Als Ausnahme sieht sie Bar Hebraeus, der auf das griechische Erbe zurückgreift, wie vor ihm Severus Sebokht oder der Verfasser der Causa causarum.⁴⁴⁰ Die folgenden Liste zeigt v. a. die inkonsistente Terminologie der syrischen Astrologie bzw. Astraldivination. – Äquinoktium: yåwmå d-šawyūt imåmå w-le.lyå (SBM: 506), wörtl. ‚Tag der Tag¯ ¯ und Nachtgleiche‘ – Aufgang/Aufstieg (eines Planeten, Gestirns etc.): massqånå – Aufsteigen, aufgehen: dnah., slaq ¯ (SBM: 471) – Depression: mah.h.tå, wörtl. ‚Untergang‘ (SBM: 502) šeplå ¯ – Domizile bzw. Häuser: båttē¸ (SBM: 471) wie bereits bei Bardesanes (s. 1.5.5.1) – Exaltation: massqå, wörtl. ‚Aufstieg‘ (SBM: 502), malkūtå, wörtl. ‚Herrschaft‘ ¯ (SBM: 471) entgegen der Bezeichnung bei Bardesanes (s. 1.5.5.1) – Grad: mūrå < gr. μοῖρα (SBM: 473) gegen dargå – (in) Opposition: wörtl. b-massåtå (SBM: 482) ‚in der Waage‘⁴⁴¹ ¯ 435 Letzteres leider ohne Stellenangabe bei Nöldeke 1871: 258. 436 S. Nöldeke 1871: 256–8. ¯ a, ¯ s. Sokoloff 2009: 1420f. 437 Vgl. jüd.-babylon. qaštoy 438 S. Sokoloff: 1300. ¯ „Aufenthalt der Sonne in den Fischen“ stecken? 439 S. BBah: 83. Könnte dahinter pers. ispandar S. Steingass 1963: 48. 440 S. Villey 2011–12: 374f. 441 Dieses kommt im Diskurs des Basil als Quasi-Fachterminologie vor, da es ständig heißt: „wie sie sagen, die gelehrt sind in diesen Angelegenheiten“.
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retrograd: bar bestrå¯ıt (SBM: 465) ¯ Sternschnuppen/Kometen: kåwkbē¸ d-såt.ē¸n (SBM: 441), wörtl. ‚Sterne, die abwei¯ ¯ chen‘, kåwkbå d-kåšet. (SBM: 442), wörtl. ‚Stern, der fliegt‘ ¯ ¯ Stundenherrscher: måråh d-šåtå (SBM: 522) ¯ Tierkreiszeichen: burˇg (s. a. 2.4.1.2), im syrischen Text stets mit Tilde über dem Gåmal geschrieben, so dass der Fremdwortcharakter erhalten bleibt. Es ist im Syrischen schlecht belegt, was die These des Fremdwortcharakters noch verstärkt und das Wort eigentlich in den Bereich des Fachvokabulars verbannt. Interessanterweise ist es auch ins Persische entlehnt.⁴⁴² Malwåšē¸ dagegen schon bei Bardesanes.⁴⁴³ Untergehen: nh.at, .tba ¯ ¯ Vorhersage/astrologische Berechnung: h.ušbånå (SBM: 448), wörtl. ‚Berrechnung‘. Der allgemeine Begriff wird zum Fachwort in der Astrologie im gesamten aramäischen Sprachraum.⁴⁴⁴ Im Mandäischen ist der Begriff auch in dieser Weise gebraucht.⁴⁴⁵ Alternativ wird auch die Nominalform des Šafel-Stammes der Wurzel YD, šūdåå, sehr selten auch mqaddmūt ¯ıdåtå ‚Voraussage‘ (SBM 547) ¯ ¯ ¯ herangezogen.⁴⁴⁶ Vorzeichen: n¯ıšå, n¯ıså/nesså (SBM: 502) im Gegensatz zum Wunderzeichen messianischer Natur mit der Bezeichnung σημεῖον.⁴⁴⁷ Zenit: pålgūt šmayyå (SBM: 489), wörtl. ‚Himmelsmitte‘ ¯
2.4.2.5 Fazit Die unterschiedlichen Bezeichnungen astrologischer bzw. divinatorischer Fachterminologie unterstreichen den kompilatorischen Charakter des Werkes. Sie zeugen von unterschiedlichen Phasen bzw. Orten der Aneignung der astrologischen Lehren und dem Zugriff auf verschiedene Quellen. Die Termonologie von Bardesanes ist, obwohl er am Anfang dieser Tradition stehen dürfte, keineswegs normativ. Weiterführend wäre ein Vergleich mit dem Wortschatz der Tetrabiblos-Übersetzung denkbar.
442 S. Nallino 1944: 171–175, Steingass 1872: 170, und taucht dort in einigen Traktaten zu den Tier¯ kreiszeichen auf, wie dem Borˇȷ Namah, s. Grey 1909–10, Panaino 2005: 80. Allerdings hat es im Pahlavi noch die Bedeutung ‚Turm‘, s. MacKenzie 1971: 20. 443 Das Wort wird im Syrischen auch zur Bezeichnung des Horoskops gebraucht, s. Ciancaglini ¯ a¯ (!). 2001: 132, dort nach Brockelmann, LS: 390b zitiert als malaš 444 S. Drijvers/Healey 1999: 53–56, außerdem im Palästinisch-Aramäischen im Trakatat des Sem und in den aramäischen Piyyut.¯ım bei Sokoloff/Yahalom 1999: 228, s. Leicht 2006: 27. 445 S. Drower 1949: 201. 446 Diesen Titel trägt im Syrischen nach Bar Hebraeus auch die hippokratische Todesprognostik. 447 Zur Herkunft s. Rundgren 1992. Allerdings wird der Begriff auch als Fachwort für ‚Symbol; Zahlzeichen‘ benutzt wie der Überschrift der Tabelle syrischer Zahlzeichen zu entnehmen ist, s. SBM: 446.
2.5 Die Intertexte des SBM
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2.5 Die Intertexte des SBM Der literaturwissenschaftlich gebrauchte Begriff Intertextualität erlaubt, nicht nur Texte einzubeziehen, bei denen von einer direkten Übernahme auszugehen ist, sondern auch solche, die in einer weiteren Beziehung zueinander stehen.⁴⁴⁸ Im engeren Sinne dürften hier sonst nur solche Texte vorgestellt werden, die nachweisbar voneinander abhängig sind. Wie sich im Text und in der Einleitung gezeigt hat, sind die Berührungspunkte mit der akkadischen Literatur eher struktureller oder ideeller Natur, von einer wörtlichen Übernahme oder gar Übereinstimmung kann daher nicht die Rede sein.⁴⁴⁹ Bei den griechischen, arabischen und hebräischen Intertexten stellt sich oft das Problem einer eindeutigen gemeinsamen Quelle, die jedoch nicht mehr auszumachen ist, weil sie wahrscheinlich nicht diesem Text zugrunde lag, sondern einer früheren Version.
2.5.1 Syrische Intertexte 2.5.1.1 Andronikos Im SBM ist eine Stelle einem sog. Andronikos⁴⁵⁰ zugeschrieben. Als Philosoph wird er auch in der Chronik von Jakob von Edessa zitiert, seine Vorzüge gegenüber Eusebius werden dort genannt.⁴⁵¹ Ein anderes ihm zugeschriebenes Fragment trägt den selbsterklärenden Titel „Welche Völker es nach der Sprachverwirrung von Babel gab“.⁴⁵² Die Schrift „über die Bewohner der Grenzen der Erde“ dürfte damit in Verbindung stehen. Nach Furlani handelt es sich um aus „einige[n] von den bei den Griechen in Umlauf gewesenen Fabeln und Märchen über sonderbare Völker und die Bewohner ferner Weltgegenden mit einigen Brocken aus der Bibel und der gewöhnlichen Auffassung des Kosmos bei den Syrern zusammengeschweißt[es]“⁴⁵³ Konglomerat, das einige Motive des Alexanderromans und der Paradoxographienliteratur aufgreift. 448 Zur Definition und Begriffsgeschichte s. Clayton/Rothstein 1991. 449 Die beiden Literaturgattungen, welche die (Astral-)Divination gespeist haben und in weiterem Sinne auch als Vorbild für die im SBM versammelten Behandlungsmethoden gelten können, sind die Ominaliteratur und die diagnostische Literatur. 450 SBM: 442. 451 Jakob hält ihn für jünger, moderner und schöner als diesen, Elias von Nisibis zitiert ihn umfänglich, s. Serruys 1912. Auch astrologische Texte sind einem Andronikos, „dem Philosophen“, zugeschrieben, s. BM or 3343. 452 Die Schrift wurde von Nau 1917 ediert und enthält eine eher mythologisch-paradoxographische Beschreibung der Bewohner der Erde in den verschiedenen Weltecken. Er nimmt Bezug auf Aristoteles und Philostratus, verlegt die Pygmäen nach Äthiopien. Grundlage der Edition ist die Handschrift BM add 25875, fol. 77. 453 Furlani 1927: 248. In der Sammelhandschrift folgt der Text unmittelbar auf den Bericht einer Städtegründung in Andalusien durch Alexander. Für die im Mittelalter im Orient verbreitete Vorstellung eines die Erde umgebenden Ozeans und dessen Gestank wird hier sogar eine Aitiologie angeführt:
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Dazu gesellt sich eine Abhandlung über die 12 Elemente der Sonne.⁴⁵⁴ Da der Name nur im syrischen Schrifttum belegt ist, nicht aber im Griechischen, schlussfolgert Furlani, dass er nicht nur dem Reich der Pseudepigraphie angehöre, sondern vielmehr der Fantasie und dass sich ein Syrer hinter diesem Pseudonym verberge, der „ausgiebig aus griechischen Werken geschöpft“ habe.⁴⁵⁵ Die Kometenflugprognosen im SBM, die vorgeben, einer Schrift des Andronikos entnommen zu sein, erscheinen zweimal, jeweils am Anfang und am Ende der Sammlung (SBM 442, 552). Sie unterscheiden sich nur durch minimale Abweichungen, wie das Setzen der Partizipialform statt der Imperfektform oder unterschiedliche Verwendung von Partikeln, z. B. steht emmaty an¯ stelle von kad.⁴⁵⁶ Man könnte daher annehmen, dass es sich um zwei Übersetzungen ¯ der gleichen Schrift handelt. Dass die Schrift aus dem Griechischen übersetzt wurde, ist deswegen unwahrscheinlich, weil sich keinerlei griechische Partikeln oder Lehnwörter finden lassen. Dass es einen Autor namens Andronikos, sei es ein Pseudonym oder nicht, gegeben haben dürfte, ist allerdings nicht von der Hand zu weisen.
2.5.1.2 Elias von Nisibis ¯ a¯ von Nisibis wurde 975 Der Erzbischof von Nisibis, Elias bar Sinaeus oder bar Š¯ınay in Šenna¯ am Tigris geboren und verstarb 1049. Er verfasste historiographische, literarische, grammatikalische und theologische Werke sowohl in syrischer als auch in arabischer Sprache.⁴⁵⁷
Kraniche, welche die Bewohner des nördlichsten Teils der Welt töten würden, seien dessen Ursache, s. Furlani 1927: 245, Wensinck 1918. 454 Der Text ist ediert bei Mingana 1917: 60ff. 455 Furlani 1927: 247. 456 S. SBM: 442, Z. 19/S. 552, Z. 14. 457 S. Baumstark 1922: 287f., Sauvaire/Poole 1877, Sauvaire 1880. Über sein Todesdatum scheint es Unstimmigkeiten zu geben, s. Weninger 1994: 55. Er ist einer der Hauptakteuere der sog. syr. Renaissance, s. o., vgl. auch Samir 1977. Sein onomasiologisches Lexikon ist ediert von de Lagarde 1879. Interessant ist die Anordnung des Lexikons nach onomasiologischen, dann als weitere Unterordnung nach grammatikalischen und alphabetischen Gesichtspunkten. Diese Form unterscheidet sich von den vorangehenden semasiologischen (alphabetisch geordneten) syrischen Lexika des Bar Bahlūl und Bar Al¯ı (beide 10. Jh.) und ist mindestens indirekt dem im 2. Jh. verfassten Onomastikon eines Julius Pollux verpflichtet, ganz bestimmt aber den zu dieser Zeit verbreiteten arabischen onomasiologischen Lexika. Bemerkenswert ist auch die Fülle der Überlieferung. An die 30 Handschriften sind erhalten, darunter auch westsyrische, s. Weninger 1994: 54ff. Zum Handschriftenbestand, ihrem Variantenreichtum und einer geplanten kritischen Edition s. McCollum 2010. Die Themenfelder des Lexikons decken sich thematisch mit einigen Passagen des SBM, z. B. 2. Die Gestalt des Menschen und Erwähnung seiner Elemente, seiner Körperteile und was damit zusammenhängt, 3. Die Attribute des Menschen, die Statur, und die Gliederung (sic!), 10. Gesamtheit der Namen für Krankheiten und Kranke in der Ordnung der [sc. befallenen] Körperteile, 11. Nahrungsmittel und was damit zusammenhängt, 24. Der Himmel und was mit ihm zusammenhängt an Tierkreiszeichen, Sternen und Wirkungen
2.5 Die Intertexte des SBM
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Bei der Definition von Maßangaben im SBM: 530 wird ausdrücklich der Metropolit von Nisibis namens Elyå zitiert.⁴⁵⁸ Das kalendarisch-chronologische Werk des Erzbischofs ist bisher kaum untersucht worden, obwohl es bereits 1909 ediert wurde.⁴⁵⁹ Ein Vergleich mit der arabischpersischen z¯ıgˇ -Literatur (s. 2.5.2.5) wäre ein fruchtbringendes Unterfangen, um die Beziehungen zwischen arabischer, persischer und syrischer Astronomie und Komputistik transparenter zu machen. In dieser Schrift und explizit bei der Tabelle zur Berechnung des Mondaufgangs, die das SBM: 448 in leicht variierter Form angibt, zitiert Elias selbst eine verlorene Schrift zum Kalender von Georg, vermutlich dem Araberbischof,⁴⁶⁰ die nicht überliefert ist.
2.5.1.3 Paulus Alexandrinus Paulus Alexandrinus war einer der bedeutendsten Astrologen der Spätantike, dessen Εἰσαγωγή in ihrer Bedeutung beinahe an das Tetrabiblos heranreichte.⁴⁶¹ Von Paulus Alexandrinus sind einige Passagen in syrischer Übersetzung bekannt, die in einem Artikel von Saliba 1995 zusammengetragen sind. Fragmente seiner „Einführung“ konnten bei Sergius von Reš Ayna ermittelt werden. Es handelt sich dabei um ein Fragment des 28. Kapitels bei Paulus zur Berechnung des Sonnenstandes, welches in vereinfachter Form des Öfteren in griechischen Texten erscheint.⁴⁶² Einige Passagen des SBM sehen wie Paraphrasen des paulinischen Textes aus. Dazu gehört die Passage der Klimazonen und der Planeten, die sich gegenseitig hören und sehen (SBM: 503f.). Inhatlich weichen sie allerdings voneinander ab. Die Passage zur Chorographie (SBM: 504) entspricht jedoch genau dem paulinischen Text.⁴⁶³ Im griechischen Text folgt die Auflistung der allgemeinen Beschreibung der Tierkreiszeichen am Ende des 2. Kapitels, im syrischen Text folgt ein ähnlicher Text, der die Planetenherrscher über bestimmte Regionen aufzählt. Seine Provenienz ist unbekannt.
der Luft, wie Winde und Regen, 25. Zeiten und Zeitabschnitte, 26. Das Rechnen, die Zahlen, Gewichte, Hohlmaße und Flächen, s. Weninger 1994: 63. 458 SBM: 530. 459 S. Chabot 1909. 460 S. Chabot 1909: 131. 461 Paulus’ Herkunft aus Alexandria ist deshalb gesichert, weil seine Angaben zur Himmelsbeobachtung mit den Daten für Alexandria übereinstimmen. Sein Werk ist von Boer 1958 ediert und mit einem Kommentar von O. Neugebauer versehen. 462 Die zugrundeliegende Methode wird dabei den Handtafeln des Ptolemaios zugeordnet, s. Saliba 1995: 441ff. Ein ähnliche Version, die Saliba aber nicht direkt auf Paulus Alexandrinus Text, sondern ein Scholion dazu zurückführen will, ist bei Georg dem Araberbischof nachzuweisen, s. Saliba 1995: 445ff. Zu den arabischen Versionen und den Textzusammenhängen s. Saliba 1995: 450ff. 463 S. Boer 1958: 10.
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2.5.1.4 Pseudo-Dionysios Areopagites Der syrische kosmologische Traktat, der ein beachtliches Nachleben in der syrischen Literatur erfahren hat, wurde nicht nur dem Pseudo-Dionysios, dem (Pseudo-)Bischof von Athen,⁴⁶⁴ zugeschrieben, sondern auch Berossos. Die fragmentarische Überlieferung im SBM war bisher unbekannt. Obwohl die pseudo-dionysische Rezension des Textes Anfang des letzten Jahrhunderts zweimal ediert wurde, hat die Forschung sie kaum wahrgenommen.⁴⁶⁵ Der Text wird zwischen das Ende des 4. und Anfang des 6. Jh. datiert.⁴⁶⁶ Als Zeugnis indigener syrischer Astrologie zitiert Takahashi PseudoDionysios/Pseudo-Berossos, wobei er trotz der antihellenistischen Haltung griechische Elemente nicht ausschließt.⁴⁶⁷ Der Traktat ist bei vielen späteren Autoren zitiert, z. B. in der Catena Patrum des Mönches Severus aus dem Jahr 861, in anderer Distribution des Stoffes im Buch der Schätze von Severus bar Šakko (1231),⁴⁶⁸ usw. Eine Untersuchung der komplexen Textgeschichte steht noch aus.⁴⁶⁹ Bemerkenswert ist, dass das SBM zwei verschiedene Versionen des Texts enthält. Geht man vom Pseudo-Dionysios als ursprünglichen Text aus und von einer Aufteilung in 7 Kapitel, wie sie Kugener sinnvollerweise vorschlägt, ergibt sich folgende Verteilung im SBM: 3. Kapitel (a), 2. Kapitel, 3. Kapitel (b), 4. Kapitel.⁴⁷⁰ Das 3. Kapitel (a) ist zwar fragmentarisch, weicht aber wesentlich weniger vom pseudo-dionysischen Text ab als die zweite Version (b). Einige Emendationen lassen sich mithilfe des pseudo-dionysischen Textes im teilweise stark korrupten Text des SBM vornehmen, der daher auf oftmalige Bearbeitung, Abschrift und eine lange Kette der Transmission schließen lässt.⁴⁷¹ 464 Der ‚falsche‘ Areopagites, d. h. der eigentliche Pseudo-Dionysios, dessen Identität im Dunkeln liegt – man weiß nur, dass er zwischen 485, dem Todesdatum von Proclus, dessen Werke er zitiert, und 532 geschrieben haben muss, weil sein Werk dort zum ersten Mal zitiert wird – verfasste eine Schrift zur himmlischen Ordnung, außerdem theologische und mystische Abhandlungen und Briefe, die von Sergius übersetzt wurden. 465 S. Furlani 1917. Kugener 1907: 141f. erklärt die Zuschreibung an Dionysios mit der Absicht eines thematischen Katalogisierens der Schrift und zitiert ausführlich dessen andere und ihm zugeschriebene Werke. 466 Kugener 1907: 140 stützt sich dabei auf zwei Begrenzungspunkte: die Datierung von Weihnachten auf den 25. Dezemeber als terminus post quem (4. Jh.) und die unterbliebene Nennung des Arabischen in der Liste der Sprachen als terminus ante quem. 467 S. Takahashi 2004: 39. Villey 2011–12: 67ff. legt sich dagegen auf aristotelischen Einfluss fest. Sie gibt auch einen detaillierten Überblick über die erhaltenen Handschriften. 468 Eine Analyse des vierten kosmologisch-geographischen Kapitels, das die entsprechenden Passagen zitiert, wurde von Nau 1896 durchgeführt. 469 Für eine erste Bestandaufnahme der Versionen s. Rudolf: „The seas where dragons are born – some new thoughts on the cosmological tract attributed to Pseudo-Dionysios“ (in Vorbereitung). 470 S. SBM: 525–27. Dass nur diese drei Abschnitte der insgesamt sieben bei Pseudo-Dionysios erhalten sind, wirft die Frage auf, ob die anderen Kapitel womöglich später hinzugefügt wurden. 471 Z. B. setzt der Schreiber einmal ‚Tag‘ statt ‚Stunde‘, was durch den Vergleichstext als Verschreibung identifiziert ist. Der dritte Abschnitt über das Meer unter der Erde hat einen bemerkenswerten
2.5 Die Intertexte des SBM
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Tab. 5: Exemplarische Synopse. SBM S. 525f.
add 7192 (Pseudo-Dionysios)
šuh.låpå da-mh.åwwē¸ al ¯ håw yammå tah.tåyē¸ (!)
tūb šuh.låpå d¯ ¯ håw yammå tah.tayå d-lå .tūyay mh.awwē¸-nå ¯ l-aylē¸n da-qnē¸n sukkålå
l-aylē¸n da-qnē¸n sukkålå l-tah.t men arå yammå ¯ıt ¯ ¯ dh.¯ılå håw d-mayyå sagg¯ı ē¸: wa-l-tah.t men ¯ yammå d-mayyå: ¯ yammå d-nūrå: ¯ wa-l-tah.t men ¯ håw yammå d-nūrå ¯ yammå d-ruh.å ¯ wa-l-tah.t men ¯ yammå d-rūh.å: ¯ yammå h.eššokå. ¯ wa-b-yåwmåtå ¯ ¯ d-qayt.å ¯ emmaty ¯ d-met alē¸ šemšå ¯ l-håw atrå ellåyå ¯ lwåt ¯ rūh.å d-hånå rq¯ı å ¯ ¯ ¸ espē ¯ . rē¸h w-meštagrē b-håw reth.å ¯ ¯ azz¯ızå: ¯ låh l-arå. w-šågar meh.då ¯ ay k attūnå d-nūrå ¯ ¯ dåkå låh ¯ håy nūrå da-l-tah.t ¯ ¯ w-qår¯ın mayyå håw håw yammå tah.tåyå ¯ rūh.å d-qar¯ırūtå w-nåšbå b-hon ¯ ¯ met alyå håy qar¯ırūtå ¯ ¯
l-tah.t men arå yammå ¯ıt ¯ ¯ håw dh.¯ılå d-mayyå sagg¯ı ē¸ ¯ wa-l-tah.t men ¯ mayyå nūrå wa-l-tah.t men ¯ nūrå rūh.å wa-l-tah.t men ¯ rūh.å h.eššokå. ¯ l-tah.t men h.eššokå ¯ ¯ lå tba meddem. ¯ wa-b-yåwmåtå h.amm¯ımē¸ ¯ ¯ d-qayt.å. ¯ meh.då ¯ d-met alē¸ šemšå ¯ ¯ l-håw atrå ellåyå: ¯ lwåt ¯ håy h.amm¯ımūtå ¯ d-hånå rq¯ı å: ¯ ¯ ¸ espē ¯ . rē¸h w-meštagrē b-håw reth.å ¯ ellåyå: ¯ låh l-arå w-hū šågar ay k attūnå d-nūrå: ¯ ¯ meh.då ¯ dåkå ¯ håy nūrå d-l-tah.t ¯ ¯ men mayyå w-qå¯ım¯ın mayyå d-håw yammå tah.tåyå ¯ ¯ rūh.å d-qar¯ırūtå w-nåšbå b-hon ¯ ¯ w-met alyå håy qar¯ırūtå ¯ ¯
kosmologischen Unterschied: dort, wo Pseudo-Dionysios unter dem Meer den Wind (oder Geist) sieht, darunter die Finsternis und dann nichts mehr, setzt der Kompilator des SBM „das Zeichen, auf dem die Welt steht“ (remzå håw d-bē¸h qåem ålmå), s. SBM: 527.
186 | 2 Das Syrische Medizinbuch (SBM)
Tab. 5: (fortgesetzt) SBM S. 525f.
add 7192 (Pseudo-Dionysios)
¯ w-åbrå b-gåw arå ¯ ¯ w-åbrå b-war¯ıdē¸ d-ilånē¸ ¯ ¯ ¯ ¯ wa-b-šeryånē¸ d-šūē¸. ¯ ¯ wa-b-eqqårē¸ ¯ d-nes.båtå. ¯ ¯
w-sålqå men gåw arå w-åbrå b-war¯ıdē¸ d-ilånē¸ ¯ ¯ ¯ ¯
d-lå nåwqed šemšå l-¯ılånē¸ ¯ ¯ w-nes.båtå w-zarē¸ ¯ w-ellūlå gē¸r d-sålqå h wåt håy qar¯ırūtå ¯ ¯ men gåw arå h lå såk šåbeq- wå šemšå ¯ ¯ yuråqå meddem al arå d-lå måwqed-h wå le¸h ¯ ¯ ¯ w-åp-lå bnay-nåšå h meškh.¯ın- wåw da-nhallkon al arå ¯ men h.amm¯ımūtå nūrå ¯
wa-d-nes.båtå ¯ ¯ ¯ ¸. wa-b-šeryånē¸ d-šoē ¯ ¯ ¯ w-metqarar apråh d-arå ¯ ¯ d-lå nåwqed šemšå l-¯ılånē¸ ¯ ¯ w-zarē¸ w-nes.båtå ¯ w-ellūlå gē¸r d-sålqå qar¯ırūtå ¯ men gåw arå. lå marpē¸-h wå šemšå meddem d-lå måwqed h wå le¸h ¯ ¯ ¯ bnay-nåšå åplå h meškh.¯ın waw da-nhallkon al arå ¯ men h.amm¯ımūtåh d-nūrå ¯
2.5.2 Arabische Intertexte ¯ ad-dalail ¯ von Bar Bahlūl 2.5.2.1 Das Kitab Der arabisch und syrisch schreibende Nestorianer Bar Bahlūl ist vornehmlich als Lexikograph bekannt.⁴⁷² ¯ ad-dalail ¯ ‚Buch der Zeichen‘ gefunden, eine Weniger Resonanz hat sein Kitab Zusammenstellung verschiedener Kalendersysteme und der dazugehörigen Feiertage, gefolgt von Divinationsmethoden, Jahresprognosen, Listen von Auf- und Untergängen von Sternen (Parapegmata), aber auch eine Passage über die Wirkung von Giften.⁴⁷³
472 Seine Biographie liegt weitestgehend im Dunkeln, bekannt ist lediglich dass er in der Region um Takr¯ıt, nördlich von Bagdad, geboren wurde und die meiste Zeit seines Schaffens in Bagdad verbrachte. Ein sprachlicher Beleg dafür, dass er aus der Region stammte, ist aus mehreren Lexikoneinträgen, in denen dialektale Varianten aus der entsprechenden Region genannt werden, erkenntlich, s. Lamoreaux 2002:155. Ein arabisches biographisches Lexikon zitiert ihn als Übersetzer medizini¯ eines „John son of Serapion“, s. Ibn Ab¯ı Us.aybiah: Uyūn 158, zit. scher Texte, darunter das kunnaš ¯ b. nach Lamoreaux 2002: 155, 218. Er stand außerdem in Kontakt mit Ärzten seiner Zeit wie Sinan ¯ u. a., s. Lamoreaux 2002: 155. Tabit ¯ 473 Sezgin legte auf der Basis der ältesten bekannten Handschrift (Hekimoğlu Bibliothek, Istanbul MS 572 f. 1–300) von 1161 eine Faksimile Edition vor: Sezgin 1985. Zwei Jahre später erschien eine
2.5 Die Intertexte des SBM
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Bereits Sezgin verwies auf die Einmaligkeit der Schrift, welche sich als Kompendium für Meteorologie, Iatroastrologie, Astrometeorologie, Oneiromantie und Physiognomik herausstellte.⁴⁷⁴ Neben dem syrischen Kirchenkalender und den Feiertagen, den koptischen u. a. Kalendern wird auch der sabäische Kalender erwähnt. Diese Entdeckung enthält nicht nur eine bisher unbekannte Quelle zu den Mandäern,⁴⁷⁵ sondern geht der ersten, bisher bekannten komparatistischen Schrift dieser Art, der Chronologie des al-B¯ırūn¯ı, um einige Jahre voraus.⁴⁷⁶ Lamoreaux konnte anhand der Passagen zur Traumdeutung zeigen, dass Bar Bahlūl sich arabischer Quellen bediente, diese aber soweit zurechtstutzte, dass sie einem breiteren, monotheistischen Rezipientenkreis präsentiert werden konnten. Er betont immer wieder das „common interest in the legacy of Hellenism“, welches in dieser Zeit religiöse Barrieren nivelliert hätte.⁴⁷⁷ Bar Bahlūl nennt zwar nicht durchgängig aber immerhin hier und dort seine Quellen,⁴⁷⁸ die wohl teilweise schon in der Vorlage mitüberliefert wurden, z. B. im Falle des Pseudo-Autors Demokrit. Dort, wo ein neuer Abschnitt mit einigen Kapiteln zur Astrometeorologie beginnt, verweist er explizit auf seine syrischen Quellen (!).⁴⁷⁹ Bemerkenswerterweise werden in den letzten Kapiteln der Sammlung der Körper, Krankheiten und materia medica thematisiert. Eine Analyse dieser Quelle (und nicht zuletzt ein Vergleich mit dem dritten pharmakologischen Teil des SBM) wäre wünschenswert. Die Quelle ist insgesamt von großer Bedeutung für unsere Untersuchung, da sich hier eine Schnittstelle arabischer und ostsyrischer Astrometeorologie und Astraldivination darbietet, welche zugleich den Transfer von astrologischem Wissen bestätigt sowie einen Anhaltspunkt lokaler und chronologischer Einordnung bietet. Die folgende Synopse (Tab. 6) zeigt die Übereinstimmungen zwischen dem SBM und dem ersten Abschnitt bei Bar Bahlūl, der Demokrit zugeschriebenen ist. Der Text stammt ursprünglich aus den Geoponica, die im Syrischen nur fragmentarisch erhalten sind (s. 2.5.4.2). Edition von Habbi 1987. Dieser hat eine komplette Edition im Gegensatz zu Sezgin, dem ein Teil über byzantinische Monate fehlt. Lamoreaux 1999 weist darauf hin, dass auch Habbi nicht den kompletten Handschriftenbestand berücksichtigt hat. Die bisher bearbeiteten Passagen behandeln Oneiromantie, Wind- und Lufttheorie, Kalender, Physiognomik und die meteorologischen Omina, s. Daiber 1992, Habbi 1983, 1984, Ghersetti 2001. Habbi 1986 umgeht eine eindeutige Festlegung auf ein Genre und deklariert das Sammelwerk als „une encyclopédie des Signes, ou d’un Almanach, […] un Calendrier, ou Vade-mecum, fournissant des indications astronomiques, météorologiques et autres, […] tout en remplissant la fonction des agendas, des journaux et des revues, ou des romans policiers de nos jours.“ 474 S. Sezgin 1985: I. 475 S. Rudolf: „Neues zu den Mandäern“ (in Vorbereitung). 476 S. Fiey 1988: 259f. Zur weitaus früheren Synaxarientradition s. Nau 1915. 477 S. Lamoreaux 2002: 165. Zu den Quellen gehört Ibn Qutaybah, dessen Traumhandbuch sich noch in der Reihenfolge der Kapitel bei Bar Bahlūl spiegelt, s. Lamoreaux 1997: 556. 478 Darunter als griechische Quellen die „alten Griechen“, Demokrit, Aristoteles, Hippokrates, Galen, Artemidorus von Ephesus, Eusebius von Caesarea, als syrische Quellen „syrische Schriften“, „die ¯ als arabische Quellen Ibn Qutaybah, al-Kind¯ı, al-Arab¯ı, Al¯ı, die BeduiSyrer“, und H.unayn b. Ish.aq, ¯ g ), usw., s. Habbi 1986: 194f. nen, die Dichter (saˇ 479 S. Habbi 1986: 200.
Wenn sie aufsteigt und du siehst vor ihren Strahlen eine dunkle Wolke deutet dies auf Regen hin
wa-ida¯ .talaat ¯ fa-raayta ¯ ¯ a¯ sah.aban ¯ amama šuaih sūdan dallat ala¯ mat.ar
ramē¸ dē¸n w-barqē¸ ¯ en men ruh.qå nehwon al satwå mšåwd¯ın ¯ w-enhū tūb da-zban men taymånå ¯ ¯ ¯ w-ba-zban men garbayå ¯ ¯ ¯ barqē¸ åw men madnh.å nehwon ¯ zådeq l-medda d-men lhal rūh.ē¸ åtyån ¯ ¯ mšåwd¯ın al satwå ¯
und auf Blitz und Regen wenn du sie von der Ferne siehst, deutet es auf Regen hin
nahe von ihr eine Wolke siehst, so muss man Regen erwarten, da er nahe ist.
¯ a¯ (!) qar¯ıbatan minha¯ sah.aib ˙ ı an yatawaqqaa fa-yanbag¯ l-mat.ara fa-innahu qar¯ıb
wa-r-ruūdu wa-l-burūqu ida¯ raaytaha¯ min budin ¯ fa-hiya tadullu ala¯ mat.ar
wenn sie dem Untergang nahe ist und du zu ihrer Linken
¯ ˙ wa-ida¯ qarabat al-gurūb ¯ fa-raayta an yasratiha¯
wa-kmå tūb d-åreb ¯ ¯ ¯ ¯ en men gabbå d-semålå ¯ neštakh.ån ¯ nånē¸ ukkåmåtå d-qårbån lē¸h ¯ ¯ bar šåtē¸h l-met.rå ¯ zådeq la-msakkåyū ¯ w-må tūb d-dånah. ¯ ¯ ¯ enhū ⟨…⟩ da-nånå ammūt.å ¯ w-qåymå luqbal zall¯ıqåwhy al met.rå mšåwda
šemšå emmaty d-dånah. ¯ ¯ w-nehwē¸ summåqē¸h ukkåm al met.rå mšåwda
men h.zåte¸h d-šemšå ¯
Prognose, die zurückgeht auf Demokrit, aufgrund [des Aussehens] der Sonne und Regenomina: wenn die Sonne aufgeht und sie rötlich und schwarz ist deutet dies auf Regen hin
dal¯ılun munsabun ¯ . ¯ısa ila¯ d¯ımuqrat ˇ min gihati š-šamsi wa-t.-t.ayri ala¯ l-mat.ar ¯ ida¯ .talaat aš-šamsu qala ¯ ¯ wa-f¯ıha¯ h.amratun wa-suwadun dallat ala¯ mat.ar
šūdåå satwåyå ¯
Übersetzung der arabischen Version
¯ ad-dalail ¯ Bar Bahlūl, Kitab ed. Sezgin: 11f.
SBM S. 548f.
Tab. 6
188 | 2 Das Syrische Medizinbuch (SBM)
[…] w-qåronå kad qåymå al spar yammå ¯ rešåh .tåba ¯ åw kullåh såyh.å b-mayyå ¯ al satwå mbaddq¯ın ¯ […] zall¯ıqåwhy d-šemšå må d-ukkåm¯ın ¯ w-må d-nūrå l-mah.sen qådh.å ¯ […]
¯ o¯ g¯ o¯ tūb w-ånol ¯
w-må d-qeštå ¯ håy d-meth.azyå ba-nånē¸ ¯ ¯ p¯ıptå håwyå al met.rå mšåwdå
w-åp¯ pårah.tå (!) d-yammå ¯ ¯ må d-am¯ınå¯ıt mšåwrån ¯ ¯ wa-mt.abbån b-mayyå
SBM S. 548f.
Tab. 6: (fortgesetzt)
[Über den] Regenbogen [:] wenn du ihn verdoppelt siehst deutet es auf Regen hin Die auf den Winter verweisen sind der Omina viele […] Krähe und Rabe wenn sie am Ufer stehen und schreien und ihren Kopf eintauchen ins Wasser und schwimmen […] und wenn das Licht der Lampe ins Schwarze umschlägt und Feuer schlägt […]
¯ ida¯ raaytaha¯ mutad.aafatan ¯ ¯ fa-innaha¯ yadullu ala¯ amt.ara ¯ wa-mimma¯ yadullu ala¯ š-šitai kat¯ıran at.-t.ayri ayd.an ¯ […] ˙ wa-l-gur ˙ abu ¯ […] az-za¯ gi ¯ ¯ . ¯ı al-ma ¯ ida¯ qama ala¯ šat ¯ ¯ . a wa-gamasa ˙ wa-s.ah rasahu ¯ wa-sabah.a f¯ı l-ma […] ˇ ida¯ wa-d.awu s-sira¯ gi ¯ ¯ d.araba ila¯ s-suwadi ¯ wa-qadah.a n-nar […]
wenn es von beiden Seiten in der Ferne [zu sehen ist] dann wisse, dass der Regen aus der Ferne kommt
Übersetzung der arabischen Version
wa-l-qawsu
¯ ¯ wa-in kanat min gˇ anibayh a¯ bi-budi fa-lam anna l-mat.ara ˇ ı min bud yug¯
¯ ad-dalail ¯ Bar Bahlūl, Kitab ed. Sezgin: 11f.
2.5 Die Intertexte des SBM | 189
190 | 2 Das Syrische Medizinbuch (SBM)
2.5.2.2 Das Secretum secretorum Bei dieser Kompilatschrift handelt es sich um einen Fürstenspiegel. Enthalten sind allerlei Anweisungen zu Politik und zur Lebensführung, zur Ernährung etc.⁴⁸⁰ Die Übersetzung des Secretum secretorum aus dem Syrischen durch Yahya¯ b. al-Bit.r¯ıq ist aller ¯ marifat Wahrscheinlichkeit nach eine literarische Fiktion. Das Werk enthält ein Kitab ¯ wa-l-maglūb ˙ ¯ wa-l-mat.lūb], ein pseudoaristotelisches Werk der Zahal-g˙ alib [wa-t.alib lenmagie,⁴⁸¹ das mit der pseudo-aristotelischen onomatomantischen Berechnung des Siegers im Kampf aus dem SBM übereinstimmt.⁴⁸²
2.5.2.3 Sammellunar Die Sammellunare, in denen verschiedene Prognosen in Form von Lunaren zusammengetragen werden, sind weit verbreitet, wie wir oben gezeigt haben.⁴⁸³ Exemplarisch soll hier der 1. Tag eines späten Lunars vorgeführt werden, das nicht nur einen gemeinsamen Hintergrund, sondern auch Unterschiede erkennen lässt, die – wenn man von einer gemeinsamen Quelle ausgeht – auf vielfache Umarbeitung des Gerüsts hinweisen.⁴⁸⁴ ¯ ¯ . ¯ına wa-ltimas-i ¯ kull-i h.aˇ ¯ gatin wa-yas.lah.u t-tiˇgara[.] ¯ al-yawmu l-ah.ad: gˇ ayyidun li-l-liqa[]i s-salat ¯ taal ¯ a[.] ¯ wa-man aslama walada-hu ila¯ muallimi man marid.a f¯ıhi yabra[]a sar¯ıan bi- idni llahi ¯ ¯ atra¯ lahu wa-yah.madu f¯ıhi l-kitabati ¯ s.anatin aflah.a wa-mani štara¯ f¯ıhi šayan min al-h.ayawan ¯ wa-s-safar[.] man haraba f¯ıhi luh.iqa wa-man haraˇga f¯ıhi ala¯ .tar¯ıqin yas.ilu sar¯ıan […]⁴⁸⁵ ˘ „Erster Tag [des Mondmonats]: Gut für ein Treffen mit Machthabern und für das Streben nach jeglicher Sache, der Handel wird gelingen. Wer krank wird an ihm, wird schnell gesunden, so Gott will. Wer sein Kind zu einem Lehrmeister schickt, wird erfolgreich sein. Wer ein Vieh an ihm kauft, dessen Reichtum wird sich mehren. Schreiben und Reisen sind angebracht. Wer an ihm flieht, wird gefangen genommen, und wer sich auf eine Reise begibt, wird schnell ankommen.“
Dagegen liest sich der erste Tag der Prognose im SBM: „1. des Mondes: Dieser Tag ist gut für jedes Geschäft und um ein Testament zu schreiben und um jemanden in die Schule (bē¸t yulpånå) zu schicken und um Wein zu filtern, das Fundament für ein ¯
480 Zur Nachwirkung im europäischen Mittelalter s. Forster 2006, zur Textgeschichte Williams 2003: 21. 481 Zu den erhaltenen Handschriften s. Ullmann 1970: 366. Die Schrift wurde auch in ein anderes ¯ gˇ awami ¯ ¯ al-kusūfayn des Abū l-Qasim ¯ Werk, das Kitab ah.kam b. Maˇgūr aufgenommen. Zu den Quellen Manzalaoui 1974. Edition des arabischen Textes bei Badawi 1954. 482 S. SBM: 460. 483 S. 2.2.3.4. Auch Bar Bahlūl zitiert diese Gattung, s. Sezgin 1985: 39, Shaked 1992, Drower 1949: 88, 137. 484 Der Text stammt aus einer Sammelhandschrift aus dem Jahre 1831, die teilediert und übersetzt ist bei Young 1982. 485 Young 1982: 270.
2.5 Die Intertexte des SBM
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Haus zu legen. Etwas, das verloren ging, wird wieder gefunden, jemand der erkrankt ist, wird sich erholen. Wer geboren wird, wird groß [und bedeutend] werden und ein guter Vater sein. Der Traum, den jemand an ihm [diesem Tag] sieht, wird sich in zwei Tagen erfüllen.“⁴⁸⁶
¯ 2.5.2.4 Die Malh.amat Danyal Verglichen mit den Prognosen des SBM scheinen die meisten Passagen der arabischen Malh.amat Danyål⁴⁸⁷ wesentlich weiter bearbeitet zu sein. Mindestens eine Passage teilen die beiden aber inhaltlich, welche zu den simpleren Methoden der Jahresprognostik gehören, die mithilfe von Blättern das Wetter für die einzelnen Monate vorhersagt. Die Abweichungen sind allerdings zu groß, als dass die beiden Texte direkt voneinander abhängig sein könnten. Eine Kostprobe möge hier genügen (Tab. 7). Tab. 7 SBM S. 545f.
¯ Malh.amat Danyal
¯ Übersetzung der Malh.amat Danyal
en båē¸-an tt d-tedda šrårē¸h d-hånå […]
¯ ¯ Danyal ¯ [alayhi s-salam] qala ida aradta an taallama ¯ bi-kutrati l-mat.ar ¯ ¯ wa-qillatahu wa-lam dalika ¯ ¯ min sabi layalin f¯ı tammuz hud itna ašara ˘ ¯ ¯ waraqati t¯ınin
Von Daniel überliefert: Wenn du wissen willst ob es viel Regen geben wird oder wenig, so bringe es in Erfahrung in der siebten Nacht im Juli. Nimm zwölf Feigenblätter
wa-ktub ala¯ kulli waraqatin isma š-šahrin min al-ašhuri r-rūm¯ıya
und schreibe auf jedes Blatt den Namen des Monats von den byzantinischen Monaten
[…] b-tammūz […] b-le.lyå da-tšasar ¯ ¯ aytå .tarpē¸ d-tē¸ nē¸ ¯ åw d-zaytē¸ […] ¯ wa-ktob alayhon ¯ ¯ šmåhē¸ d-yarh.ē¸ ¯ d-satwå ¯ ¯
2.5.2.5 Die persisch-arabische z¯ıgˇ -Literatur Die sog. z¯ıgˇ -Literatur ist eine eigentlich astronomische Gattung, manchmal auch vage als Ephemeriden bezeichnet,⁴⁸⁸ die ab dem 8. Jh. in persischer und arabischer Sprache florierte. Zunächst orientierte man sich an den ptolemaischen Handtafeln, später wurden die dann als z¯ıgˇ bezeichneten Sammlungen noch erweitert. Ihr Inhalt
486 S. SBM: 476. 487 Zur Gattung s. 1.5.5.13. Es wird hier auf die Edition von Fodor Bezug genommen. ¯ 488 Das Wort geht zurück auf das mittelpers. zayč, was dann im Arabischen als z¯ıgˇ adaptiert wurde. Äußerst interessant für die Entstehung der Gattung ist der Bericht von Manūčihr des 9. Jh., der auf ¯ der Herrscher, der Inder und des das Problem dreier abweichender Systeme verweist: auf die zayč Ptolemaios, s. Dhabhar 1912, Bd. II, 2,9–11.
192 | 2 Das Syrische Medizinbuch (SBM)
ist komputistisch-kalendarisch-astronomischer Natur, wobei verschiedene Zeitrechnungssysteme und ihre Konvertierung präsentiert werden. Dazu gehören Sterntafeln, Trigonometrie, sphärische Astronomie, die Bewegung der Planeten, Berechnung von Finsternissen, Tafeln zur Sichtbarkeit des Mondes, astronomische und astrologische Berechnungen und Epizykelmodelle. Beliebig viele dieser Themen konnten zusammengestellt werden.⁴⁸⁹ Thematische Schnittpunkte, die im SBM in Kongruenz zu den astronomischen Tafeln auch tabellarisch dargestellt werden, sind die Konvertierung verschiedener Zeitrechnungen (SBM: 451), Berechnung des Mondaufgangs (SBM: 448) und Berechnung von Finsternissen (SBM: 485). Die dahinterstehende Mechanik interessiert im SBM allerdings nicht und ebensowenig ist die Anordnung annähernd schematisch strukturiert. Die Passage zu den ‚Schaltjahren‘ des Mondes (SBM: 450) allerdings setzt die islamische Zeitrechnung voraus und muss an die spätere z¯ıgˇ Literatur angelehnt sein.⁴⁹⁰
2.5.3 Mandäische Intertexte Der relevante Intertext des Mandäischen ist das Sfar Malwašia (SM), das ‚Buch der Tierkreiszeichen‘.⁴⁹¹ Die Spekulationen um die Elemente babylonischer Ominaliteratur und einer ununterbrochenen Transmission, die in diesem Werk den Kulminationspunkt sehen, wurden bereits oben angedeutet.⁴⁹² Die Zusammenhänge harren noch einer detaillierten Untersuchung, allerdings zeugt das astrologische Vokabular von iranischen und arabischen Bearbeitungen.⁴⁹³ Da eine weite Verbreitung des Materials in der aramäischen und auch in der Pahlavi-Literatur mehr oder weniger nachweisbar ist,⁴⁹⁴ verlegt Greenfield/Sokoloff die Redaktion in die Sasanidenzeit. Die Beweisführung läuft über ein Hemerologion (SM: 88/137), das eine Parallele zu den Vorhersagen über Glücks-und Unglückstage im SBM (S. 476f.) aufweist, außerdem zu 489 Eine der bekanntesten dieser Tafeln ist die z¯ıgˇ al-mumtah.an des Yah.ya¯ b. Ab¯ı al-Mans.ūr von 810, s. Kennedy 1956: 123. 490 Die in der Übersetzung kommentierten Berechnungsverfahren lassen sich eindeutig zeitlich eingrenzen. 491 Auf die vereinzelten Belege aus dem Šarh. dQabin dŠišlam und den Alf trisar šuialia (‚Tausend und ¯ ¯ zwölf Fragen‘) wird in der entsprechenden Textpassage verwiesen, s. u. 492 S. 1.2.3.4. Das Argument ist, dass das SM dem altmesopotamischen Divinationsschema viel näher stehe, da es noch unberührt vom Hellenismus sei. Die Windomina beispielsweise funktionieren nach der Grundannahme ‚Wenn der Wind von rechts bläst …‘. Im mesopotamischen Duktus folgen dann verschiedene mögliche Einwirkungen, Krankheiten, Katastrophen oder Gunst und Wohlstand, die dem König, einer Stadt, einem Volk oder einer Region widerfahren sollen, vgl. auch Scurlock 2005–6. Eine Untersuchung der Terminologie im Vergleich zur babylonischen Ominaliteratur haben Bohak/Geller 2013. 493 S. Drower 1949: 201f. 494 Shaked 1992: 30 konzediert selbst, dass die Texte zu unterschiedlich seien, um eine Verwandschaft herzustellen.
2.5 Die Intertexte des SBM
| 193
einem jüdisch-palästinisch-aramäischen Fragment aus der Kairoer Genizah (T-S NS 246.10).⁴⁹⁵ Allerdings erscheinen auch viele griechische Wörter, die im syrischen Text nicht vorkommen.⁴⁹⁶ Eine Datierung bleibt vorerst schwer. Bemerkenswert ist, dass das Buch bis heute in Kodexform und nicht in Rollenform kopiert wird.⁴⁹⁷ Der Schreiber selbst erläutert sein kompilatorisches Vorgehen, wobei er zwei größere Textkomplexe angibt: eine ‚Schrift der Sterne‘ (mimra d-šuba kukbia)⁴⁹⁸ und ein ‚Buch der Tierkreiszeichen‘ mit Vorhersagen für Männer und Frauen (spar malwašia d-gubria u-enašia).⁴⁹⁹ Bemerkenswert ist, dass hier die Nativitäten nach Geschlecht getrennt sind, was im SBM nirgends eine Rolle spielt, aber aus einigen griechischen und arabischen Texten bekannt ist. Des weiteren begegnen Omina von Sternschnuppen, von Regenfällen, von Regenbögen, Bebenomina, Schneeomina, ein Brontologion, kurz: astrometeorologische Prognosen. Daneben stehen Vorhersagen aus Tierverhalten, Jahresanfangsprognosen, Krankheitsprognosen, Prognosen nach Sonnen- und Mondringen, Mondomina (Mondhörner) usw. Einige Passagen sind beinahe wörtlich im SBM wiederzufinden, z. B. die Vorhersage aus der Wolkenform (Tab. 8). Tab. 8 SBM S. 550
SM S. 159/258
Übersetzung des Mandäischen
dmūtå d-nåšå ¯ ¯ kad teth.zē¸ ba-šmayyå ¯ ¯ b-håw yarh.å måwtånå nehwē¸ bē¸h dmūtå d-tåwrå ¯ ¯ kad teth.zē¸ ba-šmayyå ¯ ¯ qråbå nehwē¸ ¯ b-håw yarh.å qet.lå w-sab å nehwē¸ ¯ dmūtå d-sūsyå ¯ ¯
kad mitahzia aiba mitil ¯ d-s.urat d-bar anaš ¯ ¯ mutana b-hda šara madinta nihuia kad mitahuia ¯ aiak s.urat d-taura ¯ šidta .tabtia tihuia
Wenn eine Wolke sichtbar ist in Gestalt eines Menschen, wird es eine Pest in einem Teil der Region geben. Wenn [sie] sichtbar ist in Gestalt eines Stieres wird es ein gutes Jahr
u-t.iam napša nihuia eu aiba kad ¯ s.urat d-susia ¯ mitahzia b-hanatia iahra d-tidhar alama ¯
und ausreichend Nahrung wird es geben. Und wenn eine Wolke in Gestalt eines Pferdes gesehen wird, in diesem Monat, in dem das Zeichen erscheint,
kad teth.zē¸ ba-šmayyå ¯ ¯ b-håw yarh.å sab å håwē¸ bē¸h ¯
495 Für den 19. Tag enthält es eine fast identische Prognose wie das SBM und SM für den 18. Tag, s. Greenfield/Sokoloff 1989: 212f. Dieses Hemerologion schreibt jedem Tag eine bestimmte Eigenschaft zu verbunden mit dem Vertreter des Tages, der an ihm geboren wurde und meist der griechischen Mythologie entnommen ist. Bemerkenswert ist die Gestalt des 22. Tages: krystys, s. Shaked 1992: 29. Griechischer Ursprung ist unbezweifelt. 496 Wie YSQWLWS, DYKS ‚commander duke‘, ‚member of the bodyguard‘, s. Shaked 1992: 29. 497 Den freundlichen Hinweis verdanke ich Dr. Bogdan Burtea. 498 Drower 1949: 1–54. 499 Drower 1949: 56–66.
194 | 2 Das Syrische Medizinbuch (SBM)
Tab. 8: (fortgesetzt) SBM S. 550 w-måwtånå d-t.ålyē¸ ¯ […] dmūtå d-aryå ¯ ¯ kad teth.zē¸ ba-šmayyå ¯ ¯ […] abå wa-brå ¯ h.dådē¸ neqt.lūn ¯ ¯ […]
SM S. 159/258
Übersetzung des Mandäischen
b-had šara d-mdinta git.la nihuia ¯
an diesem Ort der Region wird es ein Gemetzel geben.
eu nihuia aiba b-s.urat aria
Wenn eine Wolke in Gestalt eines Löwen [gesehen wird], wird es einen Kampf zwischen Vater und Sohn geben.
napil plugta binia aba u-bra […]
Auch wenn das Gerüst der Protasen in dieser Passage größtenteils übereinstimmt, weichen die Apodosen voneinander zwar nicht inhaltlich, aber in ihrer Reihenfolge ab. Eine direkte Abhängigkeit ist nicht zu vermuten. Weitere Übereinstimmungen mit geringen Abweichungen sind Kometenflugprognosen (SBM: 442 = SM: 180), eine onomatomantische Krankheitsprognose (SBM: 454f. = SM: 260f.) und viele Passagen mit stärkeren Abweichungen, die dem Appendix entnommen werden können. Eine detaillierte Untersuchung dieser Prognosen und ihrem Vokabular sollte der nächste Schritt sein, um den Textgeschichten näher zu kommen.
2.5.4 Griechische Intertexte 2.5.4.1 Hippokrates Die spektakulärste Entdeckung innerhalb der syrischen Kompilation ist eine bisher unbekannte Übersetzung des 3. Kapitels der hippokratischen Aphorismen (SBM: 534f.) Eine komplette westsyrische Übersetzung, mit der das SBM nicht übereinstimmt, edierte Pognon 1903 nach einer Handschrift von 1205, verzichtete dabei aber auf die in der Edition nebenstehende arabische Kolumne. Hilgenfeld und nach ihm Degen konnten später belegen, dass es sich nicht um eine stümperhafte arabische ¯ handelt.⁵⁰⁰ Als Verfasser der syrischen Übersetzung, sondern die des H.unayn b. Ish.aq ˇ ıl Verison kämen alternativ auch die von H.unayn erwähnten Hiob von Edessa oder Gibr¯ ibn Bukht¯ıšū in Frage.⁵⁰¹ Die Übersetzung, die im SBM vorliegt, bietet erstmals die
500 S. Degen 1978: 42f. Er verweist auf das Wörtchen h.råyat ‚in höchstem Grade‘, das nur bei H.unayn ¯ vorzukommen scheint, s. ebd. S. 49ff. 501 Zwar bezieht sich H.unayn auf den galenischen Kommentar, der aber den hippokratischen Text enthält, s. Degen 1978: 46.
2.5 Die Intertexte des SBM
| 195
Möglichkeit des Vergleichs zweier verschiedener Übersetzungen im Umfang längerer Abschnitte der Aphorismen, was leider einer eigenständigen Studie vorbehalten bleiben muss.⁵⁰² Zu den hippokratischen Περὶ ἀέρων, ὑδάτων, τόπων als Intertext s. 2.3.2.2.
2.5.4.2 Geoponica Nicht weniger erfreulich ist die Entdeckung von bisher im Syrischen unbekannten Passagen der Geoponica, einer griechischen Textsammlung zur Landwirtschaft.⁵⁰³ Ihre Textgeschichte mit den Übersetzungen ins Syrische, Arabische und Lateinische ist äußerst komplex.⁵⁰⁴ Oben wurde bereits auf das für die Divination bedeutende Werk De signis hingewiesen,⁵⁰⁵ welches auch in den Geoponica verarbeitet wurde.
2.5.4.3 CCAG Die Sammlung des Catalogus Codicum Astrologorum Graecorum, aus dem die meisten griechischen Intertexte stammen, wird en gros der byzantinischen bzw. postbyzantinischen Zeit zugeordnet, die zum großen Teil arabischer Provenienz ist. Die Übernahme arabischer Quellen soll im 11. Jh. eingesetzt haben, wobei die Stoffe z. T. auf das 9. Jh. zurückgehen.⁵⁰⁶ Horologien, Lunare, Onomatomantie, Astraldivination sind als Genres im CCAG vertreten. Allgemeinplatz ist die Klage über schlechte Bearbeitung der Texte, außerdem das Problem ihrer Datierbarkeit.⁵⁰⁷ Keiner der Texte scheint einen direkten Bezug zum SBM zu haben, die Prognosetypen überschneiden sich aber. Einige Beispiele in Übersetzung sollen genügen: – Das Horologion (CCAG VIII, 2: 144) ist Heliodorus zugeschrieben, bemerkenswert ist, dass die Demarkation zwischen Tag- und Nachtstunden anders als in der Prognose des SBM fehlt.⁵⁰⁸ Die Zählung der Stunden nach römischem Gebrauch beginnt mit der ersten Tagstunde – im Gegensatz dazu ist bei Vettius Valens der Sonnenuntergang der Anfang der Woche, d. h. die erste Stunde der vorangehenden Nacht.⁵⁰⁹ 502 Degen hat auch einige andere, meist nur einzelne Aphorismen bei anderen Autoren zum Vergleich finden können. Eine Phrase, die eigentlich aus der Epidemien-Übersetzung des Sergius stammt, die aber mit einem Ausschnitt der Aphorismen (3,5) übereinstimmt, vergleicht Kessel 2011: 119 mit der jüngeren Übersetzung H.unayns (Ed. Pognon). 503 Edition bei Beckh 1895. 504 S. Guignard 2009. 505 S. Sider/Brunschön 2007. 506 S. Tihon 1990, Mavroudi 2002: 396. Inzwischen wird der Transfer v. a. seit Pingrees Arbeiten ins 10. Jh. vordatiert, s. Mavroudi 2002: 398f. 507 Datierungprobleme ergeben sich aus der dauernden Bearbeitung des Materials durch Ergänzung und Abänderung, s. Gundel/Gundel 1966: 274. 508 Es wird nicht immer nach Tag- und Nachtstunden getrennt, wohl aber im Kalender von 354 wie CCAG IV: 136, XI, 2: 126ff. 509 S. Gundel/Gundel 1966: 273.
196 | 2 Das Syrische Medizinbuch (SBM)
Tab. 9 CCAG VII, 2: 144
SBM: 508
Übersicht über die Planeten und über das, was man in ihren Stunden tun muß, in denen sie die 7 Tage der Woche beherrschen
Vorhersagen zu den Tag- und Nachtstunden aus der Schrift des Hermes
Den Tag des Herrn beherrscht die Sonne: am 1. Tag herrscht die Sonne in der 1. Stunde.
Über [die Tagesstunden am] Sonntag: 1. Stunde: Sonne. Geeignet, um ein Schiff zu besteigen […] 2. [Stunde]: Venus. Es wird ruhig sein. Günstig, um sich der Obrigkeit zu nähern […] 3. [Stunde]: Merkur. Für Beschlüsse und alle Verrichtungen gut.
In der 2. Stunde herrscht Venus: schön. Sie bringt Zuneigung der Herrn, der Großen und der Tyrannen. In der 3. Stunde herrscht Merkur: er ist nützlich für die Bekanntschaft mit den Oberen. In der 4. Stunde herrscht der Mond: geeignet, um mit den Oberen zu verkehren. In der 5. Stunde herrscht Saturn: verbirg die Bekanntschaft. In der 6. Stunde herrscht Jupiter: geeignet, um zu den Oberen zu gehen. In der 7. Stunde herrscht Mars: sieh dich vor; unternimm nichts. […]
–
4. [Stunde]: Mond. Für Beschlüsse und alle Verrichtungen gut. 5. [Stunde]: Saturn. Schlecht und nachteilig. 6. [Stunde]: Jupiter. Gut und günstig. […] 7. [Stunde]: Mars. Für nichts günstig. […]
Dieselben Listen erscheinen mit christlichem Einschlag, z. B. CCAG VII: 90. Es gilt für die 7. Stunde des Mondtages, die Merkur untersteht, dass der Flüchtige sich im Tempel (Kapelle) oder in einem Kloster aufhält. Der Erkrankte stirbt usw. Die Schriften, in denen die χρονοκράτορες als Zeitenherrscher, d. h. als Regenten über Jahre Monate, Tage und Stunden gesetzt wurden, gehören der Laienastrologie an. In der Forschung ist inzwischen anerkannt, dass Iuvenal (VI 569ff.) auf Texte dieser Art anspielt, wo er die „Zahlen des Trasyll und die durch Petosiris bestimmten Stunden“ anspricht.⁵¹⁰ Spätestens im 1. Jh. v. Chr. war hierfür mit der Einführung der Reihenfolge der 7 Tage nach ihren Herrschern die Voraussetzung geschaffen,⁵¹¹ welche auf einem astrologischen Prinzip der Stundenherrscher basiert. Da die Lunare bzw. Hemerologien zur populärsten der Divinationsgattungen gehören (s. 2.2.3.3.), ist es kaum verwunderlich, dass bestimmte Elemente eines Lunars des 13. Jh., das im CCAG III: 32ff. ediert ist, und dem des SBM: 476 kongruieren. Die Schablone der 30 Tage bleibt immer gleich, wobei die Tagesaussagen weniger stabil sind. Eine Gemeinsamkeit ist der Geburtstag des Pharaos. Leicht hat
510 S. Gundel/Gundel 1966: 271. 511 Zuerst bei Tibull belegt, s. Gundel/Gundel 1966: 256ff.
2.5 Die Intertexte des SBM
| 197
diese Art von Lunaren mit Göttergeburtstagen zusammengestellt und mit einem Lunar der Genizah verglichen, das ebenfalls auf die Tradition rekurriert, sie allerdings z. T. auch schon durch biblische Gestalten ersetzt hat. Er nennt diese Gattung „biblisierte“ Lunare.⁵¹² Das griechische Lunar, von dem ein Ausschnitt folgt, ist dem Propheten Esra zugeschrieben. Die strukturelle Ähnlichkeit ist augenfällig, darüber hinaus ließen sich dann weiter einzelne übereinstimmende Vorhersagen herausarbeiten. Eine erhebliche Verbesserung der Kenntnis der Textgeschichte, wäre natürlich der Beleg eines griechischen Lunars, das dem syrischen noch näher stünde. Tag 1 des Monats: Adam, der Erstgeformte, wurde erschaffen. Dieser Tag ist schön und gut für jede Tätigkeit, vor allem um auf dem Markt zu handeln, zu verkaufen, zur See zu fahren, Auslandsreisen zu unternehmen, eine Reise zu beginnen, ein Testament zu schreiben, Sklaven zu kaufen. Der flüchtige Sklave und das Verlorene wird gefunden werden. Die an ihm Geborenen werden lebendig sein, glücklich und mutig. Wer am Beginn einer Krankheit ist, wird schnell gesund. Wenn er aber einen Traum hat, geschieht er am Abend selbigen Tages. Er wird erfreulich ausgehen. Wenn du dich aber selbst schlafend siehst, bedenke, dass du all deine Feinde besiegen wirst. Über den zweiten [Tag] des Monats: Der Lichtbringer wurde erschaffen. […]
Zum Vergleich sei nochmals der 1. Tag des syrischen Lunars angeführt: Weitere Vorhersage über die Mondtage: Damit du weißt, an welchem von ihnen es angemessen ist, etwas anzugehen. 1. des Mondes: Dieser Tag ist gut für jedes Geschäft und um ein Testament zu schreiben und um jemanden in die Schule (bē¸t yulpånå) zu schicken und um Wein zu filtern, ¯ das Fundament für ein Haus zu legen. Etwas, das verloren ging, wird wieder gefunden, jemand der erkrankt ist, wird sich erholen. Wer geboren wird, wird groß [und bedeutend] werden und ein guter Vater sein. Der Traum, den jemand an ihm [diesem Tag] sieht, wird sich in zwei Tagen erfüllen.
2.5.4.4 Die magischen Papyri Diese Literatur pseudo-wissenschaftlicher, iatromagischer und divinatorischer Art, die im Mittelmeerraum kursierte und in den Papyri eingefangen wurde, soll auf eine 2000 Jahre alte Tradition zurückreichen.⁵¹³ Inhaltlich umfasst die Sammlung Beschwörungen, Liebeszauber, Flüche, Anweisungen zur Amulettherstellung und onomatomantische Prognosen. Ordnungsprinzipien sind bisher nicht ausfindig gemacht worden. Ihr synkretistischer Charakter spiegelt sich im Spektrum der Gottesbezeichnungen wider.⁵¹⁴ 512 S. Leicht 2006: 59ff. 513 Die ausführlichste Beschreibung zum Forschungsstand mit zahllosen Verweisen zur Sekundärliteratur hat Brashear 1995. Die immer noch verbindliche Edition mit Übersetzung und Kommentar ist diejenige von Preisendanz. Eine Auswahl von Papyri bietet Betz 1986. 514 Darunter Hekate, Kore, Apollo, Aphrodite, Athena, Ereschigal, Adonai, Jehova und Jesus.
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Der Intertext aus dem SBM bezieht sich auf eine Passage, die zu den griechischen, nicht den demotischen Papyri gehört. Das älteste der griechischen Papyri ist spätestens nach dem Tode Alexanders verfasst worden, da die Sprache nicht der Koiné, sondern noch dem ionischen Dialekt mit einigen dorischen und attischen Einsprengseln zuzurechnen ist. Ein Großteil der griechischen Papyri ist allerdings in späterer Zeit verfasst, auch wenn sie auf den Fundus der in Ägypten in den letzten drei vorchristlichen Jahrhunderten zusammengeströmten Literatur zurückgreifen.⁵¹⁵ Der Text, um den es konkret geht, ist die vielzitierte Sphäre des Pythagoras, der im Fußnotenapparat der Übersetzung ausreichend kommentiert ist (s. u.).⁵¹⁶
2.5.5 Hebräische Intertexte Als hebräische Intertexte müssen die von Leicht bearbeiteten Genizah-Texte astrologischen oder divinatorischen Inhalts gelten, im weitesten Sinne ebenso die magische Literatur, darunter besonders das Sefer ha-Razim.⁵¹⁷ Seine Hauptbestandteile sind magische Ritualanweisungen, Engellisten (Namen und Hierarchien) und Beschwörungen, die zahlreiche Parallelen in der aramäischen magischen Literatur haben.⁵¹⁸ Margalioth datiert es ins 3.–4., Rebiger/Schäfer erst ins 7.–8. Jh.⁵¹⁹ Neben dem Lösen von Verfluchung, Verzauberung oder Liebeszaubern, sind auch einige Engelsbeschwörungen enthalten, die der Prognose des Schicksals, der Ergiebigkeit der Ernte, usw. dienen, daneben Beschwörungen, um Verlorenes oder Entlaufene (Sklaven) wiederzubringen.⁵²⁰ Dies entspricht zum großen Teil den Prognoseaussagen des SBM und allgemein der astraldivinatorischen Literatur. Man kann diese Texte als
515 Für Brashear 1995: 3415 namentlich erwähnenswert sind die Traditionen der Griechen, Syrer, Juden und Perser, s. S. 3412. Belege dafür, dass viel ältere Schriften zitiert wurden, sind Fehler, die offensichtlich im Kopiervorgang entstanden sind, zudem Übersetzungsfehler, die auf eine ursprünglich ägyptische Vorlage hinweisen. 516 Die handschriftlichen Überlieferungen derselben hat Thorndike 1923, Bd. I: 692ff. gesammelt. Ab dem 9. Jh. findet sich diese in französischen Handschriften, im 11. Jh. ist die Verwendung der Prognose inflationär. In der europäischen Tradition gibt es bereits Mitte des 11. Jh. eine Darstellung in einer lateinischen Handschrift (MS Tiberius CVI, f.6v.), s. Page 2002: 8. 517 Auch wenn mehrere Werke mit diesem Titel kursieren, so hat sich nach der Edition von Margalioth 1966, ein Text mehr oder minder durchgesetzt, dessen ihm stark ähnelnder traditions- und überlieferungeschichtlicher Geschwistertext von Rebiger/Schäfer 2009 ediert wurde. 518 Darunter das Schwert des Moses, aber auch das syrische Buch der Biene, dessen engelische Hierarchien dem Pseudo-Dionysios Areopagites entnommen sind. 519 Ihr schlagkräftiges Argument ist, dass es im 9. Jh. von karäischen Quellen zum ersten Mal neben anderen „häretischen“ Schriften wie dem Sefer Adam erwähnt wird, s. Rebiger/Schäfer 2009: 2ff. 520 „Du wirst den Namen durchdringen, durch den man das Werk des Todes und des Lebens erkennt, das Böse und Gute versteht, Zeiten und Augenblicke erforscht, (die) Zeit zu gebären und (die) Zeit zu sterben, (die) Zeit für Plage(n) und (die) Zeit für Heilung erkennt, Träume und Visionen deutet, Kampf schürt und Kriege schlichtet, die Geister und Plagegeister beherrscht, um sie auszusenden […], kundig ist in der Stimme der Donner, verkündet, was das Werk der Blitze ist, (vorher)sagt, was in jedem
2.5 Die Intertexte des SBM
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Komplement zur reinen Divination sehen, die an sich keine Lösungsvorschläge für den Fall einer ungünstigen Prognose anbieten.
2.5.6 Fazit Das SBM ist mit zahlreiche Verästelungen in die Umgebung orientalischer Literaturen eingewachsen. Ein Problem dabei, die Quellen zeitlich zu greifen, sind genreinhärent, da die divinatorischen Texte, wie die Hemerologien, einer großen Variabilität ausgesetzt sind. Dass ganz allgemein gesprochen, astraldivinatorische Texte aus dem Syrischen ins Arabische übertragen wurden und dieser Prozess parallel zu den wissenschaftlichen Übersetzungen und zu ihrem großen Anteil griechischer Quellen zu sehen ist, kann kaum bestritten werden. Das beste Beispiel ist das Kapitel aus den hippokratischen Aphorismen (s. 2.5.4.1), das so beiläufig eingeflochten ist, dass es bisher der Identifizierung entgangen ist. Inwieweit dann allerdings Texte wieder aus dem Arabischen zurückübersetzt wurden, kann nicht mit letzter Sicherheit bestimmt werden. Die Fragen, die das SBM aufwirft, reflektieren die der astrologischen Sammlung im Mandäischen. Trotz einer Datierung der Kompilation des SBM in mittelalterliche oder spätmittelalterliche Zeit muss man ihm das ehrwürdige Alter einiger Quellen konzedieren, die wie der pseudo-dionysische Text zum ältesten Substrat syrischer Literatur gehören.
einzelnen Monat geschehen wird, das Geschehen eines jeden Jahres begreift, ob es Sättigung (bringt) oder Hunger, ob Dürre oder (reiche) Ernte, ob Kriege oder Frieden, (durch den man) wie einer der [Furchtbaren] ist und Einsicht erwirbt über die Himmel der Höhe.“ (Rebiger/Schäfer 2009, II: 127f.).
3 Übersetzung und Kommentar (S. 441) Vorhersage nach den verheißungsvollen¹ Tagen im Juli.² Vom 19. Tage des Monats, in dem Sirius³ (kalbå d-gan bbårå ‚Hund des Orion‘) aufgeht, bis zum 26. Juli ¯ bei Tagesanbruch. Wenn du am 19. Juli am Abend eine Wolke am Himmel siehst, wird es Anfang Oktober Regen geben. Wenn [du sie aber] in der Mitte der Nacht [siehst], dann wird es in der Monatsmitte regnen. [Auch] wenn [du sie] beim Anbruch der Morgendämmerung [siehst], wird es am Monatsanfang regnen. Wenn mittags eine Wolke zu sehen ist, dann wird es in der Monatsmitte regnen. Wenn sie [aber] bis zum Anbruch der Dunkelheit zu sehen ist, dann wird es am Monatsende regnen.⁴ Falls aber keine Wolke [zu sehen] ist, wird es in diesem Monat auch nicht regnen, wie oben bereits erwähnt.⁵ Wenn der ganze Himmel bewölkt ist, wird es wenig regnen.
¯ 1 Der Nominalform båh.orå, im Syrischen als Bildung von nomina agentis und Adjektiven gebräuchlich, liegt die Wurzel BH.R ‚untersuchen, diagnostizieren, beobachten‘ zugrunde. Das Adjektiv bezeichnet besonders im Kontext von Prognosen aller Art eine bestimmte verheißungsvolle Zeitspanne. Bei Sergius von Rešayna wird es als Übersetzung für gr. κρίσιμος ‚bestimmend, entscheidend‘ im Kontext der medizinischen Lehre von den kritischen Tagen (s. 2.2.3.3) angeführt. Er behauptet in seiner Schrift über den Lauf des Mondes, das Werk De diebus decretoriis selbst übersetzt zu haben, s. Sachau 1870: ¯ ¸ als ‚die ers102, Z. 15, Villey 2011–12: 190ff. Bei Georg, dem Araberbischof, sind die yåwmåtå båhorē ¯ ¯ ten 8 zum Hundsstern gehörigen Tage‘ belegt und entsprechen damit der hier verwendeten Prognosemethode, s. Ryssel 1893: 49f. BBah: 379,7 kennt offensichtlich verschiedene Kalendersysteme mit unterschiedlichen Jahresanfängen (!). Er benennt die Tage des 19. Juli, 19. September, 20. Oktober als ¯ . ¯ır) Tage. Die folgenden 12 Tage geben jeweils Auskunft über einen Monat verheißungsvolle (al-bawah ¯ „used by the physicians, signifiying The crisis of a des Jahres. Lane 1968: I, 157 führt das Wort buh.ran disease“ als nachklassisch an. 2 Entspricht fol. 211v der Handschrift Ms or 9360. Fortan werden nur noch die Seitenangaben der Edition von Budge angegeben. 3 Der heliakische Aufgang des Sirius steht oft im Zusammenhang mit Jahresanfangsprognosen (s. 2.2.3.1). Der Aufgang des Sothis, ägyptisch für ‚Sirius‘, markierte ursprünglich den ägyptischen Jahresanfang und zugleich das landwirtschaftliche Jahr, s. Hughes 1951, Leicht 2006: 50. Der selbe Jahresbeginn ist in der Jahresanfangsprognose des Antiochos, die nach Mondstand in den Tierkreiszeichen prognostiziert, zu finden (CCAG III: 154f.). Für den Aufstieg des Sirius wird meistens der 19. (wie auch SBM: 549) oder 20. Juli angegeben, z. B. im CCAG I: 68 (entspr. Geoponica 1,8 (Beckh 1985: 15–17), dort unter Zuschreibung an Zoroaster), CCAG IV: 40, 124, CCAG VII: 54, 181–187. Dieselbe Methode, nach dem 19. oder 20. Juli meteorologische Prognosen zu erstellen, ist auch bei Lydus belegt, s. Wachsmuth 1863: 151. 4 Der Tag (als Verband von Tag und Nacht) beginnt hier mit Anbruch der Dunkelheit und somit mit der Nacht. Für eine Zeitrechnung, die auf dem Lunarkalender basiert wie die babylonische, jüdische und islamische Zeitrechnung, ist der Beginn des Tages am Abend, zu der Zeit, wenn der Mond sichtbar ist, charakteristisch, wurde aber auch in jüdisch-christlicher Festtagsordnung beibehalten, s. Neugebauer 1988: 45, Dohrn-van-Rossum 1992: 111f. Für die Prognose wird die Nacht analog zum Tag gewertet. 5 Hier wird auch inhaltlich bestätigt, dass ein Stück vom Anfang des Textes fehlt! https://doi.org/10.1515/9783110565737-006
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fol. 212r
Und wenn eine Wolke im Norden tief [am Himmel] hängt sei es am Abend, um Mitternacht, am Morgen oder [im Verlaufe des] Tages, dann ist es ebenso wie oben beschrieben, dann wird ein harter Winter kommen (wörtl. siehst du, dass der Winter hart sein wird), immer wenn eine Wolke im Norden erscheint. Diese Tage verteilen sich so wie Gott es will: jedem Monat entspricht ein Tag von Oktober bis Mai.⁶ Vorhersage über Sternschnuppen (kåwkbē¸ d-såt.ē¸n). Wenn eine Stern[schnup¯ ¯ pe]⁷ [am Himmel] von Osten nach Westen fliegt (wörtl. geht), dann wird der König der Perser [in] Huzestan (bēt hūzåyē¸) sterben, und unter den Menschen (S. 442) wird es ¯ ˘ Schwache und Kranke geben. Wenn sie sich von Westen nach Osten bewegt, dann wird Zorn [unter den Menschen] walten, und alle Menschen werden unterdrückt werden, und böse Worte werden über ihre Lippen gehen. Am Ende wird es [aber] gut ausgehen. Wenn sie (der Stern) sich vom Norden in Richtung Süden bewegt, wird der König Böses sehen, und Frauen werden nicht empfangen, der Vater wird seinen Sohn töten und ein Bruder den anderen drei Jahre lang. Und dann wird es Frieden geben. Und wenn sie von Süden nach Norden geht und blutrot ist oder vom Himmel zur Erde fällt, wird es in diesem Jahr eine Pest geben. Der König wird sich an einen abgelegenen Ort begeben, es werden Krieg und Finsternis herrschen, viele Krankheiten werden ausbrechen und [Menschen] gefangengenommen [werden], in den Städten [aber] wird Frieden herrschen. Wenn sie sich von Westen nach Osten bewegt und zerbirst (netpars.ad), werden ¯ ¯ die Städte sich gegenseitig überfallen, Pest und Tod werden hereinbrechen. Wenn sie sich von Norden nach Süden bewegt und explodiert, wird eine Pest⁸ ausbrechen, und Menschen werden in ihren Wohnstätten zahlreich werden. Wenn sie vom oberen Himmel [kommend] auf die Erde herunterfällt, wird Frieden und Wohlergehen herrschen, und man wird Gott lobpreisen.
6 Es handelt sich also wie in der bei Georg beschriebenen Prognose um eine Art Sympathiebeziehung. Das, was an den entscheidenden Tagen passiert, verkörpert die Geschehnisse, die auf einen späteren Zeitraum projiziert werden. In ähnlicher Weise funktionieren die Sonnenomina des EAE, Tafel 23. Beinahe ausnahmslos geht es dabei um Phänomene, die am ersten Tag des Monats, d. h. nach der ersten Sichtung des Neumondes, beobachtet werden. Die Phänomene sind stets zur Zeit des Sonnenaufgangs zu beobachten, z. B. eine Umwolkung der Sonne in einem bestimmten Farbton, usw. Es werden gewöhnlich auch Vorhersagen für Sonnen- und Mondfinsternisse gegeben. „If the sun when it becomes visible on the first day of Elūlu appears in a black cloud (and) [when it sets] it does so in a black cloud (as well), [variant: there is a black cloud] in front of the sun: a light rain will fall (during) the first night watch, [on the second] day the day will be gloomy and the south wind will blow, Adad will thunder, a light rain will fall at midday: if during that month Adad does not thunder, the day will be frequently gloomy but it will not rain.“ (Van Soldt 1995: 8). 7 S. SM: 180/275. Der mandäische Text entspricht dem syrischen beinahe wörtlich (!). 8 Im Text steht måwtånå dårm¯ın nehwē¸, wobei das Wort dårm¯ın sehr rätselhaft ist: zu erwarten wäre eine Genitivkonstruktion mit d und folgendem status emphaticus, wozu die Bildung nicht ¯ passen kann. Wir müssen hier von einer Verschreibung ausgehen. Ist eine Pest unter den rhomayē ¸, den Byzantinern, oder den armånåyē¸, den Armeniern, gemeint?
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Wenn sie vom Osten her kommt, dem Feuer gleich, und nicht zerbirst, dann werden die Tiere sich vermehren, die Blumen werden sprießen und die zerstörten Städte werden (wieder)errichtet werden. Weitere [Art der Vorhersage] von Sternschnuppen (kåwkbå d-kåšet.) am Him¯ ¯ mel. Wenn ein Stern von Westen nach Osten fliegt, wird es Zorn und Bedrängnis unter den Menschen geben und nur am Ende Gutes. Wenn er vom Osten nach Westen fliegt, dann wird der König der Perser von Huzestan angreifen, wie es im Buch des weisen Andronikos geschrieben steht.⁹ ˘ Und wenn er von Norden nach Süden fliegt, wird das Königreich erschüttert, und die Schwangeren werden aufheulen, und der Vater wird sich gegen seinen Sohn erheben und der Bruder gegen seinen Bruder, und drei Jahre werden sie getrennt sein ¯ und dann [erst] wird Frieden herrschen. (nehwē¸ pullågå), Wenn er von Osten nach Westen fliegt und in viele Stücke zerbricht, oder aus der Richtung des Südens oder des Nordens, dann kündigt er viele mächtige Dynastien (kursåwåtå) auf der Erde an. (S. 443) Viele werden angreifen und die Herrschaft an ¯ sich reißen, und Kriege werden so zahlreich sein wie die Sternbrocken, die von der Gewalt der Atmosphäre auseinandergerissen wurden. Und genauso wird [jemand] die Herrschaft mit Gewalt an sich reißen und die Befehlsherrschaft und die Wohn- und Regierungssitze. Und wenn er von Norden nach Süden fliegt und in Stücke gerissen wird, so werden Städte sich gegenseitig angreifen. Mord und Totschlag werden walten [unter den Menschen] und eine Seuche ausbrechen, viele Orte werden verwüstet werden. Und wenn man den Stern vom Himmel auf die Erde fallen sieht, werden die Menschen in Frieden und Wohlstand leben. Gott kennt die Wahrheit. Vorhersage über den Winter vom Aussehen der Sonne: Wenn die Sonne aufgeht, vor ihr die Luft klar ist, ihre Strahlen sich schnell verbreiten, es nur wenige Wolken gibt, und das Firmament sichtbar ist, dann sollst du wissen, dass dies ein Anzeichen für Luftfeuchtigkeit ist, noch mehr, wenn [die Sonne] unmittelbar vor dem Sonnenaufgang das Firmament rot färbt, während sie noch unter der Erde ist. Ihr Licht fällt auf die Sterne und beleuchtet sie. Genau das ist das Anzeichen. So kündigt es ebenso Regen an, wenn sie untergeht und eine Wolke vor ihr gesehen wird. Wenn das Jahr im Widder (emmårå) geboren wird,¹⁰ wird der Regen die frühe Ernte zerstören. Säe im Stier das alte Ackerland, es wird an Erträgen reich sein. Zwil-
9 Auch in anderen Texten wird Andronikos als (Pseudo-)Autor genannt (s. 2.5.1.1). In der Handschrift ist der Name über den Textspiegel hinausgeschrieben, was auf nachträgliche Einfügung hinweist. 10 Was hier gemeint sein muss, ist das Zodiakalzeichen, in welchem der Mond zum Jahresanfang steht. Die Methode war im Orient weitverbreitet (s. 2.2.3.1). Georg, der Araberbischof, erklärt die Bestimmung in einem seiner Briefe sehr detailliert, s. 1.5.5.5, Ryssel 1893: 50f. Eine Jahresanfangsprognose mit Zodiakalzeichen hat auch das SM: 110ff., dort wird es noch um den Einfluss der Planeten erweitert, was eine weitere Redaktion voraussetzt. Drower vermutet eine Entstehung in sasanidischer
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linge: Säe auf dem Trockenen [Boden]. Krebs: Lege den Samen früher in die hohe Erde, der Regen wird ihn [sonst] abschneiden. Löwe: Der späte Samen wird keine Erntefrüchte bringen. Jungfrau: Der Anfang des Winters wird heiß, in der Hälfte wird er gemäßigt sein und sein Ende voller Eis und Schnee. Der Regen wird spät kommen. Waage:¹¹ [Setze den Samen] früh in die Erde, [denn] der späte wird nicht gedeihen. Skorpion: [Setze den Samen] früh in die Erde, das Getreide wird [sonst] ruiniert werden. Schütze: Säe zuerst auf der Ebene, und es wird gedeihen, das Getreide wird Schaden nehmen. Steinbock: Beginne früh viel zu säen, der Regen wird es vermindern, das Land wird Erträge bringen. (S. 444) Wassermann: Säe zuerst auf hügligem Land, der erste Samen wird gedeihen. Fische: Beginne nicht zu früh, das Getreide zu säen, in den Bergen wird es Erträge geben, der frühe Samen wird gedeihen. Von den Tierkreiszeichen des Jahres: Widder: Die Flüsse und Quellen werden sprudeln. Zwillinge: Überheblichkeit und Zerwürfnis wird es unter den Menschen geben. Die Menschen werden aufeinander losgehen und umkommen. Es ist angemessen den Samen in die trockene Erde zu säen. Krebs: Verwüstung, Heuschrecken und viele Mäuse wird es in ihm geben, die Menschen werden einander [aber] nicht bedrohen. In Indien werden die Früchte eingehen, aber in Tiberias¹² werden Ernteerträge und Freude [umso] größ[er] sein. Zum Jahresende hin [herrscht] Elend und ein harter Winter in Medien. Man sollte Anfang Oktober säen bis zu seinem Ende 50 Tage (lang). Wenn Jupiter zu diesem Jahr gehört, wird es ruhig sein, im Falle von Mars [wird es] Blut und Krieg [geben]. Zwillinge:¹³ bedeuten einen großen Aufruhr und Rebellion. Löwe: Das Jahr ist gut. Großer Überfluss, [d. h.] die Weinberge und Weizen und Getreide werden gedeihen. Wenn Jupiter zu diesem Jahr gehört, wird es ab Anfang Oktober sehr ruhig und voller Wohlstand. Jungfrau: Man sollte von Anfang Oktober an 50 Tage [lang] säen. Die Tierkreiszeichen (burˇgē¸):¹⁴ Waage: Stier, Jungfrau und Steinbock sind ihr nicht nützlich.¹⁵ Unter den Planeten sind viele nützlich für sie. Skorpion: Von den Tierkreiszeichen sind ihm Fische und Krebs nützlich. Widder, Löwe und Schütze sind
Zeit. Der Verweis auf den Mondstand konnte durchaus auch fehlen, wie in unserem Text, da die Methode wohl so verbreitet war, s. Bidez/Cumont 1973: 121ff., Gundel/Gundel 1966: 49f., Mengozzi 1997: 45, Leicht 2006: 47. 11 In der Edition fehlt die Markierung durch Überstrich. 12 Die Schreibweise T.ebaryå ist seltsam, wenn damit überhaupt die Stadt Tiberias gemeint ist: in ¯ der Pš¯ıt.ta Joh. 6,1; 6,23; 21,1 erscheint die Stadt als T.iberios. Im Arabischen allerdings wird die Stadt ¯ T.abar¯ıya geschrieben, hebräisch T.əbærjah. ¯ 13 Offensichtlich hat der Schreiber etwas übersprungen. 14 Im Text steht burˇgē¸ d-naˇgmå ‚Sterntürme‘. Zur Bezeichnung s. 2.4.2.4. ¯ 15 Die Dreierreihen der Tierkreiszeichen entsprechen fast ausnahmslos den Triplizitäten bzw. dem Trigonalaspekt von Erdzeichen, Feuerzeichen und Wasserzeichen. In einer schematischen Kreisdarstellung der Tierkreiszeichen ergibt sich bei ihrer Verbindung jeweils ein gleichwinkliges Dreieck. Ptolemaios begründet die Bedeutung des Aspekts damit, dass er jeweils Zeichen des gleichen Geschlechts verbindet (Tetrabiblos 1,14), s. Bouché-Leclercq 1899: 169f.
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ihm nicht nützlich. Von den Planeten ist ihnen Merkur nützlich. Schütze: Krebs, Skorpion und Fische sind die, welche ihm von den Tiekreiszeichen nicht nützlich sind. Steinbock: Zwillinge, Waage und Wassermann sind ihm nicht nützlich von den Tierkreiszeichen. Wassermann: Von den Monaten [entspricht er] Februar. Über das Heiraten (massbå d-neššē¸). 2, 3, 4, 5, 6, 7.¹⁶ 2. Eile zu deinem Haus ¯ ¯ (S. 445) zu der Frau deines Herzens. 3. Es wäre verwunderlich, wenn du dich jetzt verheiraten würdest. 4. Du hast nichts mit Frauen zu tun, sondern bist [in dieser Hinsicht] ein Nichtstnutz und kannst nichts ausrichten. 5. Gib das Heiraten auf, es wird Dir in den nächsten zwei Jahren nicht passieren. 6. Du sollst wissen, dass alles von Gott ist und es nicht an der Zeit ist. 7. Du wirst erfolgreich sein bei den Frauen, die du kennst, und dein Anliegen wird sich am Ende erfüllen. Wenn du wissen willst, in welcher Hand etwas versteckt ist. Berechne den Namen[wert] der Person und den seiner Mutter¹⁷ und addiere sie. Teile das Ergebnis durch sechs. Wenn eine gerade Zahl übrig bleibt, dann befindet sich [der Gegenstand] in der rechten Hand, bei einem ungeraden Ergebnis in der linken. Wenn Dir etwas gestohlen wurde: Schreibe den Namen dessen, der verdächtigt ¯ os) ¯ ganz an den Anfang wird, einen nach dem anderen und den Namen Saturn (qron und den Namen des verlorenen Gegenstandes ganz an das Ende und den Namen seines Besitzers in die Mitte. Teile sie danach durch ihre eigene Anzahl. Behalte den Rest der Division, beginne wieder vom Anfang und gib zu jeder Person eines dazu.¹⁸ Derjenige, den das Los¹⁹ erreicht und es auf ihm zu liegen kommt, der hat [die Sache] entwendet.²⁰ Wenn das Los aber Saturn erreicht und bei ihm zu liegen kommt, so ist keiner der Personen schuldig. Wenn das Los den Gegenstand selbst erreicht, sind alle von der Anschuldigung befreit. [Diese Methode ist] erprobt und wahr. Wenn es nicht klappt, dann hast du einen gravierenden Fehler in der Berechnung gemacht.
16 Es bleibt unklar, welche Divinationsmethode hier verwendet werden soll. Vermutlich ist die Passage aus ihrem ursprünglichen Kontext gerissen. 17 Die Verwendung des Matronyms in der Zahlenmagie ist ein derart weitverbreitetes Phänomen, dass es unmöglich ist, einen Ursprungsort dafür festzustellen, auch wenn einige Autoren diesen gerne in Ägypten sehen würden. Herodot behauptet, der Ursprung dieser Methode liege in Lykien, s. Bohak 2008: 286, Golinkin 2002. 18 Gemeint ist wahrscheinlich, mit dem ersten Namen der Liste beginnend, von eins ab aufwärts zu zählen. 19 Das syrische Wort für Los pesså ist in den biblischen Schriften gut belegt, meist mit dem Verb rmå verbunden, z. B. Jud 20,9, Ps 22,19, Mark 25,24 etc., s. Smith 1901: 3183. 20 Gemeint ist derjenige, dessen Ergebnis mit der zufällig aufwärts gezählten Reihe übereinstimmt.
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(S. 446) Zahlzeichen:²¹
Berechnung von römischen Pfunden und Gewichten: Eine Litra (römisches Pfund)²² sind 20 Stater (estē¸rå).²³ Ein Stater sind vier Drachmen (zūzē¸),²⁴ [nach einer anderen] Quelle²⁵ hat er fünf Drachmen (zūzē¸). Ein Sextarius (qest.å)²⁶ sind anderthalb Litra, eine Unze (menq¯ıtå)²⁷ ein halbes Qest.å. Eine Unze ist ¯ 21 Es handelt sich um ein dezimales System, welches eine kumulativ-additive Notation bei Zahlen unter 100 gebraucht, eine multiplikativ-additive für höhere Werte. Es steht in enger Verbindung zu anderen Notationssystemen des Aramäischen (Palmyrenisch, Hatrenisch, ägyptisch-aramäischen Papyri des 5. Jh. v. Chr.). Das System wurde sowohl für Handschriften, v. a. des 6. und 7. Jh., als auch für die Epigraphik des Syrischen seit ältester Zeit, z. B. in Birecik 6 n. Chr., benutzt. Eine Weile wurde es zeitgleich mit dem der Alphabetzahlen mindestens bis ins 8. Jh. gebraucht, meistens für die Nummerierung der Lagen eines Buches, bis sich schließlich die Alphabetzahlen ganz durchsetzten, s. Rödiger 1862, Duval 1881: XV, Chrisomalis 2010: 81ff., Brock 2010: 159. Auch verweist Kiraz 2012: 164 darauf, dass „remnants of this system survive in later medical texts as in the Syriac Book of Medicine“. Diese Einschätzung wird von einer weiteren Handschrift bestätigt, welche zwar jungen Datums ist, aber als medizinisch-pharmazeutische Schrift die gleiche Liste enthält (BM MS 14581 fol 12b-23a). Von überlieferungsgeschichtlichem Interesse ist, dass diese Liste der Zahlen offenbar mit Gewichten und Maßen als zusammengehörig empfunden wurde, wie es die Berliner Handschrift (s. 2.1.4.2) oder die syrische Übersetzung des Epiphanius über Gewichte und Maße nahelegt, s. Dean 1935: 134. 22 Es handelt sich hierbei sowohl um eine Münze als auch um ein Gewichtsmaß < gr. λίτρα. 23 < gr. στατήρ. 24 S. Smith 1879: 1094. Aus akkad. zūzu. In der syrischen Version der „Gewichte und Maße“ von Epiphanius, welche biblische Gewichts- und Maßeinheiten erläutert und volksetymologisch erklärt, ist die Entsprechung einer Litra 24 Stater. Die Umrechnung für Drachmen stimmen, s. Dean 1935: 12, 58. 25 S. steht hier als Abkürzung für s.h.åh.å ‚Kopie, Kodex‘, was die variante Form einer anderen vorliegenden Quelle anzeigt, s. Smith 1901: 3349. Der kompilative Charakter der Passage ist damit gesichert. 26 < gr. ξέστες. Zum Hohlmaß sextarius s. Sauvaire 1880: 133, dazu auch das arabische Flüssigkeitsmaß qist.. Im Syrischen taucht es auch in den alchemistischen Texten auf, s. Berthelot 1893: 22, Smith 1901: 3674. 27 S. Berthelot 1893, Bd. 2: 26. Die im Syrischen übliche Form ist mneq¯ıtå mit der Variante mn¯ıq¯ıtå, ¯ ¯ s. Sokoloff 2009: 785.
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genau ein Löffel (tarwådå), ein Löffel sind vier Halbschekel (matqålē¸). Des Weiteren ¯ ¯ sagt man, dass eine Unze fünf Löffel sind und ein Löffel (S. 447) zwei Halbschekel. Ein Halbschekel aus dem Tempel sind zwanzig Drachmen. Der Halbschekel aus dem Tempel und ein Dinar (d¯ınårå) sind das gleiche. Der Halbschekel [des Tempels],²⁸ mit dem Drachmen, Dinare und Perlen ausgewogen werden, ist ein Dirham. Ein Gramm sind ein Viertel einer Drachme. Ein Karat²⁹ ist die Hälfte von einem Sechstel einer Drachme (denqå)³⁰ oder ein Viertel. 18 Karat sind die Hälfte von einem Halbschekel des Tempels. Eine Kanne (qest.å) ist das Maß für Wein und [entspricht] anderthalb ¯ Maß (manyå), welches Pfennig genannt wird (šåmonå), und wiegt 18 Karat. Ein Karat ist vier Getreidekörner (såråtå) oder sechs.³¹ ¯ Weitere [Divinationsmethode], wenn du wissen willst, ob man dir Gutes nachsagt oder nicht. Stell dich in die Sonne und miss den Schatten deiner [aufrechten] Gestalt in Füßen (parsåtå).³² Addiere deinen Namen und den Namen deiner ¯ Mutter zu einer Zahl und teile sie durch zwei. Wenn zwei übrigbleibt, so ist es gut für dich, wenn [aber] eins übrigbleibt, dann geh [weg aus der Gemeinde]. Weitere [Divinationsmethode]: Wenn du wissen willst, ob der Mann oder die Frau zuerst stirbt. Rechne die Namen der beiden zusammen und teile sie durch 7. Wenn eine gerade Zahl übrigbleibt, so lebt die Frau [länger], wenn eine ungerade bleibt, der Mann.³³ Oder so: teile durch 3. Wenn drei übrigbleibt, lebt der Mann [länger], wenn zwei oder eins übrigbleibt, die Frau.
28 Hier wird wieder auf ein biblisches Maß Bezug genommen, wobei zūzē¸ für hebr. geråh steht, z. B. Ex 3,13, s. Smith 1879: 1094. 29 Κεράτιον entspricht einem Gewicht von 0,185g. Als ursprünglich römisches Gewicht siliqua wurde es wahrscheinlich unter Konstantin dem Großen in das griechisch-römische Gewichtssystem aufgenommen und als Einheit eines Samenkorns relativ zu anderen Gewichten festgelegt. Der lateinische Name bezeichnet die Frucht des Johannisbrotbaums bzw. das Samenkorn. In literarischen Texten erscheint das Gewicht als das Gewicht der Ärzte (!), aber auch zur Gewichtsbestimmung von Gold, s. Schildbach 1970: 185f. ¯ 30 Die Form müsste dånqå lauten. Die Bezeichnung geht zurück auf altpers. *danaka ‚Sechstel‘, s. Sokoloff 2009: 314. Bei Bar Bahlūl definiert als Sechstel einer Drachme, s. BBah: 584. 31 Ullmann betont den praktischen Wert der Auflistungen und Definitionen von Maßen und Gewichten für das Pharmazie- und Medizinwesen. Derartige Listen, die pharmazeutischen Büchern beigegeben sind, bedürften allerdings noch eingehender Untersuchung, da sie weder in der metrologischen Fachliteratur noch in der medizinhistorischen Forschung berücksichtigt sind. In seiner Darstellung der islamischen Medizin fügt Ullmann 1970: 316ff. eine detaillierte Liste mit Stellenbelegen der gebräuchlichsten Maße an, die größtenteils aus dem Griechischen entlehnt sind. 32 Sg. ist parstå. Hier ist die Maßeinheit gemeint, es wird aber noch zusätzlich betont „[gemessen] in ¯ Füßen deines Beines“. 33 S. Ms or. 4434 (8r). Diese Methode scheint auch ins deutschsprachige Mittelalter Eingang gefunden zu haben, bekannt ist eine Anspielung des 49. Kapitels in Hans Hartliebs Buch aller verbotenen Künste. Als Quelle werden dort die „pücher pittagoras“ angegeben, s. Eis 1954: 306f.
fol. 214r
208 | 3 Übersetzung und Kommentar
fol. 214v
(S. 448) [Tabelle zur Berechnung des Mondaufgangs]
Sept.
Aug.
Juli
Juni
Mai
April
März
Feb.
Jan.
Dez.
Nov.
Okt.
Zahl
9 27 17 6 24 13 2 21 10 29 8 7 25 14 4 22 12 1 : 30 19
10 29 18 7 26 16 4 22 12 1 : 30 20 8 27 16 6 24 13 5 21
12 1 : 30 20 9 27 16 5 29 13 2 21 10 28 18 7 25 15 4 22
12 1 20 9 27 17 6 24 14 3 22 10 29 18 7 26 15 4 23
14 3 22 11 29 18 7 26 15 4 23 13 1 : 30 21 9 27 17 5 25
14 3 22 11 30 19 8 26 16 5 24 12 1 20 9 28 17 6 25
16 5 14 13 1 : 31 20 9 28 17 6 25 14 3 22 11 29 19 8 26
14 3 25 11
16 5 24 13 1 : 31 20 9 28 17 6 25 14 3 22 11 29 19 8 26
17 6 25 14 3 22 11 29 19 8 27 15 2 23 12 1 : 30 20 9 28
18 7 26 15 4 23 12 1 : 31 20 9 27 16 2 24 13 2 21 10 28
19 8 27 16 5 24 13 2 21 10 28 17 6 26 14 3 22 11 29
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19
19 8 26 16 5 24 12 1 21 9 28 17 6 25
Sobald Du fertig bist, gehe zum Anfang zurück und bete für mich!
Im Namen unseres Herrn verfassen wir eine komplette Berechnung der Mondmonate (h.ušbånå mbaššlå d-yarhē¸ d-sahrå): Wenn du wissen willst, an welchen ¯ ¯ ¯ Tagen des Sonnenmonats der Mond aufgeht, nimm die Jahre des Alexanders, so viele wie das gesuchte Datum hat, und ziehe von ihnen 1768 ab. Was übrigbleibt, teile durch 19. Nimm das Ergebnis und suche diese Zahl in der Spalte der Alphabetzahlen in der Tabelle vor dir, in der Spalte [der] 19 [Jahre].³⁴ Gehe [in der Reihe] entlang den Sonnenmonaten, zu dem, welchen du suchst (wörtl. gegenüber der Zahl, welche herausgekommen ist), und so geht der Mond im Sonnenmonat auf. Wenn das Jahr (S. 449) ein Schaltjahr ist und der Februar schon vorübergegangen ist, dann ziehe von der Zahl, welche herausgekommen ist, einen Tag ab. Du sollst [außerdem] wissen, dass in den Monaten, welche zwei Zahlen haben und mit zwei roten Punkten versehen sind, der Mond zweimal aufgeht. Am Anfang und am Ende [des Monats]: das Kästchen, das leer
34 In der Tabelle ist diese Spalte schlicht als ‚Zahl‘ (menyånå) bezeichnet, im Vergleichstext von Elias von Nisibis ist sie šnayyå tšasrē¸ ‚19 Jahre‘ betitelt, woraus sich auch der Schlüssel zur Tabelle ergibt, nämlich der 19-Jahres Zyklus, der sog. metonische Zyklus. Den Paralleltext zitiert Elias von Nisibis in ¯ ıqon ¯ d-G¯ıwarg¯ı, womit wohl Georg der Araberbischof gemeint seinem opus chronologicum aus dem kron¯ sein dürfte. Es folgt eine Berechnung des Vollmondes, der Zeichen des Monats und das ‚Fundament‘ des Jahres und sein Beginn, s. Chabot 1909: 131.
3 Übersetzung und Kommentar | 209
ist, [bedeutet, dass] in diesem Jahr der Mond im Februar nicht aufgeht. Nur wenn eine Stunde dazwischengeschaltet ist, geht er am 29. auf. Wenn du die Jahre des Alexanders durch 19 dividierst, dann nimm so von ihnen: von zwanzig eins und von hundert fünf, von vierhundert eins und von tausend [nimm] zwölf.³⁵ [Zur Kalenderrechnung mit dem islamischen Kalender]³⁶
Zeichen des islam. Monats
Zahl der Tage
Name der islam. Monate
7 2 3 5 6 1 2 4 5 7 1 3
30 29 30 29 30 29 30 29 30 29 30 29
muh.arram s.afar rab¯ı al-awwal ¯ ir rab¯ı al-ah ˘ ˇ ad ¯ a¯ l-ūla¯ gum ˇ ad ¯ a¯ t-tan¯ ¯ ı gum ¯¯ ˇ ragab ¯ šaban ¯ ramad.an ¯ šawwal dū l-qada ¯ ˇ : kånūn 1. dū l-h.igˇ ga ¯
Fundament der islam. Jahre 6
3
7
4
1
5
2
6 1 2 4 5 7 1 3 4 5 7 2
3 5 6 1 2 4 5 7 1 3 4 6
7 2 3 5 6 1 2 4 5 7 1 3
4 6 7 2 3 5 6 1 2 4 5 7
1 3 4 6 7 2 3 5 6 1 2 4
5 7 1 3 4 6 7 2 3 5 6 1
2 4 5 7 1 3 4 6 7 2 3 5
Um die Schaltjahre (šnayyå kb¯ıšåtå) des Mondes zu kennen: mit der Rotation von ¯ ¯ zwei ist es bayg¯ o, und mit fünf ist es hayya¯g, mit sieben ist es zh.¯ıd, mit zehn h.ahå, mit dreizehn yag¯ıbah, mit sechzehn yot.ab und mit achtzehn h.ayyinazag.³⁷
35 Hier wird bestätigt, dass es sich um eine modulo genannte Rechenoperation handelt, der Rest der Division ist dabei das entscheidende Ergebnis. Wenn man davon ausgeht, dass von einem Datum im Kalender des Alexander, d. h. der Seleukidenära, die 311/312 v. Chr. mit ihrer Zählung beginnt, die Zahl 1768 abgezogen werden soll, so kann der Text nicht vor 1474 verfasst worden sein! Das Ergebnis der Division könnte sonst negativ werden und die Formel wäre damit ungültig. Handelt es sich hier um einen Schreibfehler? 36 Erst die übernächste Passage des Textes nimmt auf die Tabelle Bezug. Die Namen der islamischen Monate sind zwar Arabisch, aber auf Syrisch geschrieben (Karsšūn¯ı). Muh.arram ist Oktober zugeord¯ a¯ net, da der letzte Monat mit September (kånūn) gleichgesetzt ist. Das Attribut des „zweiten“ gˇ umad ¯ ıya, in jedem Fall aber feminin. Bei dū l-qada widersetzte sich die Umschrift ist überlicherweise at-tan¯ ¯ ¯¯ im Syrischen der Einhaltung der wahren Wortgrenze zugunsten einer pseudoetymologischen Lesung (dū-l-qå ¯ıdå?). Das zweite Glied ist womöglich als das syrische Wort yådå ‚Gewohnheit‘ reinterpretiert ¯ ¯ worden und deshalb getrennt geschrieben worden. 37 Während sich im alltäglichen Gebrauch des islamischen (!) Kalenders der Monatsanfang mit der ersten Sichtung der Mondsichel nach Neumond durchsetzte, machten die Astronomen Gebrauch von schematischen Mondkalendern. Dieses Kalendersystem hatte einen 30-Jahreszyklus zur Grundlage, der sich aus 19 Gemeinjahren zu 354 Tagen und elf Schaltjahren zu 355 Tagen zusammensetzte. Die Schaltjahre fallen auf das 2., 5., 7., 10., 13., 16., 18., 21., 24., 26. und 29. Jahr, was bis auf die letzten vier
fol. 215r
210 | 3 Übersetzung und Kommentar
fol. 215v
(S. 451) Wenn du wissen willst, auf welchen Wochentag der Aufgang des Mondes fällt:³⁸ Nimm den Wert des Monats [=Zeichen des islam. Monats] und addiere ihn zu dem roten Tagesbuchstaben, einem von den sieben, die in der Tafel vor Dir geschrieben stehen. Und siehe, wie viel übrigbleibt. Wenn mehr als sieben übrigbleibt, ziehe davon sieben ab. Das Ergebnis ist der Monatsbeginn des Mond[monats] innerhalb der Woche. Wenn sieben [als Ergebnis] übrigbleibt, ist das der Anfang des Monats: wenn eins übrigbleibt, [beginnt der Monat] am Sonntag. Wenn zwei übrigbleibt, am Montag, wenn drei übrigbleibt, am Dienstag, wenn vier übrigbleibt, am Mittwoch. Wenn fünf übrigbleibt, am Donnerstag, wenn sechs übrigbleibt, am Freitag und wenn sieben übrigbleibt, dann [beginnt der Monat] am Samstag. Wenn du von der islamischen Kalenderrechnung abweichst,³⁹ und du weißt nicht welches [Jahr] es ist, dann nimm von den Jahren des Alexander 914; das was darüber ist, teile durch 7, folgendermaßen: von 30 nimm 2, von 100 nimm 16, von 200 nimm 4, von 300 nimm 7 und von 800 nimm 16, von 1000 nimm zwanzig. Wenn du von den Jahren des Alexanders das, was mehr als 914 ist, durch sieben geteilt hast, dann siehe, wie viel übrigbleibt. Wenn sieben übrigbleibt, ist dies dein Tagesbuchstabe (šat estå).⁴⁰ Wenn mehr als ¯ sieben übrigbleibt, streiche sieben. Verdopple das Ergebnis viermal und merke dir das Ergebnis (wörtl. siehe ihre Werte). Dann teile es durch sieben und schau, was übrigbleibt. Wenn eins übrigbleibt, dann ist 1 dein Tagesbuchstabe. Wenn zwei übrigbleibt, dann 2. Wenn drei übrigbleibt, 3 und wenn vier übrigbleibt, 4. Wenn fünf übrigbleibt, 5, wenn sechs übrigbleibt, 6. Und wenn sieben übrigbleibt, 7.⁴¹ Um herauszufinden, in welcher Nacht- oder Tagstunde der Mond aufgeht:⁴² Prüfe wie viele Monde es sind vom April bis zu dem Mond, in dem du dich befindest, für jeden Monat rechne einen Mond. Teile [das Ergebnis] durch sechs. (S. 452) Der Rest
genau den Zahlenangaben im Text entspricht. Das Aufrunden von n führt dazu, dass eher das 15. als das 16. Jahr ein Schaltjahr ergibt. Diese Methode ist aus der späteren z¯ıgˇ -Literatur (s. 2.5.2.5.) bekannt, s. van Dalen 2000. 38 Dieser Text gehört nun sicher zu der Tabelle und operiert mit dem islamischen Kalender. 39 Wörtl. ‚von der Basis des Jahres‘ (šatestå d-šan ttå) der T.ayyåyē¸. Die T.ayy waren ein arabischer ¯ ¯ ˇ Stamm, der vom Gabal Šammar stammte. In sasanidischer Zeit war die Wüste südlich des Euphrat von Arabern dieses Stammes dominiert, so dass bei den Syrern die T.ayy als Synonym für ‚Araber‘ gebraucht wurden, s. Morony 1983: 216. 40 Brockelmann 1895: 811 führt šatestå d-šan ttå „fundamentum anni i.e. littera dominicalis“. Die ¯ ¯ Berechnung der Tagesbuchstaben war für die Bestimmung der beweglichen kirchlichen Feiertage von Bedeutung. Dabei werden die ersten sieben Tage des Jahres mit Tagesbuchstaben versehen, die sich dann wiederholen. Der Tag, auf den der Sonntag fällt, bestimmt den Sonntagsbuchstaben und das ‚Fundament des Jahres‘. Je nach Zeitrechnung verschieben sich die Tages- und damit Sonntagsbuchstaben des Jahres. Im julianischen Kalender wiederholt sich das Schema nach 28 Jahren und wird Sonnenzirkel genannt. Sonntagsbuchstaben waren ein Bestandteil der Berechnung des Osterdatums bzw. des Computus. 41 Zur allgemeinen Konvertierung von Solar- in Lunardaten s. Neugebauer 1988: 48f. 42 wörtl. geboren wird.
3 Übersetzung und Kommentar | 211
[der Division zeigt an], wie der Mond aufgeht.⁴³ Wenn eins übrigbleibt, dann wird der Mond in der ersten Stunde der Nacht geboren. Wenn zwei übrigbleibt, dann wird er in der fünften Stunde der Nacht geboren. Wenn drei [übrigbleibt], dann in der neunten Stunde der Nacht. Wenn vier [übrigbleibt], dann in der ersten Stunde des Tages. Wenn fünf [übrigbleibt], dann in der fünften Stunde des Tages. Wenn sechs [übrigbleibt], dann in der neunten Stunde des Tages. Eine weitere [Prognose]art (tūb bē¸h ba-znå): Nimm die Tage vom Oktober bis zu ¯ dem Tag, an dem du dich befindest, und teile sie durch 6. Wenn als dein Ergebnis eins übrigbleibt, dann ist es die erste Nachtstunde.⁴⁴ Wenn zwei [übrigbleibt], dann in der fünften Nachtstunde. Wenn drei [übrigbleibt], dann in der neunten Stunde der Nacht. Wenn vier [übrigbleibt], in der ersten Stunde des Tages. Und wenn fünf [übrigbleibt], in der fünften Stunde des Tages. Wenn sechs [übrigbleibt], in der neunten Stunde des Tages.⁴⁵ Wenn du wissen willst, wie lange der Mond beleuchtet ist und [wann er] untergeht, [dann] wisse, dass jeder Tag, der auf den anderen folgt, vier qant.¯ımē¸⁴⁶ zu seinem [des Mondes] Licht hinzufügt bis er voll ist. Von da an beginnt er abzunehmen und nimmt jeden Tag vier Minuten von seinem Licht weg. Ist es der erste Tag des Mondmonats oder der zweite, oder welcher auch immer, verdopple [seine Zahl] viermal und siehe, wie viele Male vier herauskommt, so viele Stundensechstel (qant.¯ımē¸) ist der Mond beleuchtet. Jeweils sechs Stundensechstel sind eine Stunde und wenn die Hälfte des Tages (erreicht) ist, so sind zwei [und siebzig] Stundensechstel vorübergegangen. Und wenn der (aufgehende) Mond 15 Tage überschritten hat und ungefähr die Hälfte seiner Gestalt übrigbleibt, findest du es folgendermaßen: Wenn du 15 Stundensechstel abgezogen hast, nimm von ihnen ein Stundensechstel, weil an jenem Tag des Fünfzehnten der Mond um ein Stundensechstel abnimmt. Eine Stunde sind dreißig saryåtå⁴⁷ und sechs qant.¯ımē¸. Jeden Tag nimmt die Sonne ein sartå zu, ¯ ¯ ıtå) ist ein sartå.⁴⁸ und gleichermaßen nimmt sie ein sartå ab. Ein Fuß (pod¯ ¯
43 wörtl. das, was die Sechs nicht füllt, so wird der Mond geboren. 44 Der syrische Text ist hier elliptisch und wäre ohne den vorangehenden Abschnitt nicht zu verstehen. 45 Hier ist, wie bei den meisten Prognosen, die Berechnung mit modulo zugrundezulegen. Bei einer Teilung durch 6 ist das aussagekräftige Ergebnis der Rest der Teilung. Wenn es keinen Rest gibt, so ist das Ergebnis 6. 46 In den Wörterbüchern findet sich der Begriff ausschließlich mit e-Vokal der ersten Silbe, z. T. auch noch erweitert qehnt.¯ımå (> gr. κέντημα, s. Smith 1901: 3664, Sokoloff 2009: 1382. Ein Hinweis auf die mangelnden Griechischkenntnisse des Schreibers. Der Begriff bezeichnet entweder ein astronomisches Grad(maß), Sechzigstel eines Mondtages, Minute (wie hier) oder den 5. Teil einer Stunde (wie SBM: 531). 47 Wohl eine Variante der Pluralform såråtå für sårtå ‚Doppelminute‘, was BBah unter dem Lemma ¯ ¯ qert.å als Vierfaches dieser Maßeinheit anführt, s. BBah: 1839. ¯ ıtå < πούς, Akkusativ ποδά, ist sowohl ein Längen- als auch 48 Das vom griechischen abgeleitete pod¯ ¯ ein Zeitmaß. Als Zeitmaß wird es mit einem Dreißigstel einer Stunde gleichgesetzt, d. h. es entspricht
fol. 216r
212 | 3 Übersetzung und Kommentar
fol. 216v
Berechnung (h.ušbånå) über Kranke. (S. 453)⁴⁹ Berechne zuerst den Namen des Kranken und den Namen seiner Mutter. Teile [das Ergebnis] durch 9. Wenn eins übrigbleibt, so ist seine Krankheit von Gott. Und wenn zwei [herauskommt], vom bösen Blick. Wenn drei [herauskommt], ist Hexerei im Spiel. Ist der Kranke ein kleines Kind, [ist die Krankheit] von Teb å.⁵⁰ Wenn vier [herauskommt], von einem bösen ¯ Geist. Wenn fünf [herauskommt], ist ein Dämon im Spiel. Wenn sechs [herauskommt], ist seine Krankheit vom Himmel. Wenn sieben [herauskommt], von Angstzuständen. Wenn acht [herauskommt], vom Schlag des Satans. Wenn neun [herauskommt], von Geburt an⁵¹ oder von Teb å oder von verstörenden Träumen.⁵² ¯ Weitere [Berechnung] über Kranke.⁵³ Nimm den Namen des Kranken und den Namen seiner Mutter und teile sie durch 9. Wenn der Rest eins ist,⁵⁴ so erkrankt er am Sonntag, dem Tag der Sonne. Seine Krankheit kommt von seinen Schultern, seinem Kopf und seinem Hals. Neun Tage wird er krank bleiben. Wenn der Rest zwei ist, [dann erkrankt er am] Montag, Tag des Mondes. Sein Leiden kommt aus seinem Unterleib und sein ganzer Körper ist siech. Wenn der Rest drei ist, [ist es] Dienstag, Tag des Mars. Sein Leiden ist heiß und trocken. Im Wasser hat er ¯ ın) von seinen gebadet und die Luft hat ihn geschlagen. Bereite ihm drei Lampen (šråg¯ Geräten und lege ihm eines auf den Kopf, eines zu seiner Rechten und eines zu seiner Linken. 15 Tage wird er krank bleiben.
einer Doppelminute. Zu finden ist es u. a. bei Bar Hebraeus, in den Geoponica und in der eusebianischen Chronik, s. Smith 1901: 3052. 49 Eine arabische Handschrift von 1831 hat eine vereinfachte Form dieser Prognose, stimmt aber in vielen Aussagen überein: Der Ausgang der Krankheit wird dort nach dem Tage der Erkrankung vorhergesagt, z. B. „Wenn jemand am Freitag erkrankt, dann wird seine Krankheit vom Kopf herrühren, und wenn er durchkommt, wird er 25 Tage krank bleiben und mit Gottes Erlaubnis wieder gesunden.“ S. Young 1982 S. 269f. (eigene Übersetzung). 50 Wörtl. ‚Rache‘, hier aber als Eigenname zu lesen. Der Name erscheint in einer syrischen bebilderten Zauberrolle, die von einem Missionar aus Urmia im 19. Jh. in die Harvard University gebracht wurde. Neben Beschwörungen wird die Geschichte von Abdišo berichtet, dem ein böser Geist erscheint, der sich als Frau zu erkennen gibt. Nachdem Abdišo den Geist befragt, wer er sei, nennt er ihm 4 Namen und etwas später nochmals 12 Namen, die vor ihrem Eindringen in ein Haus schützen sollen. Einer der nomina propria ist Teb å, es handelt sich offenbar um eine Kindbettdämonin, ¯ s. Hazard 1983: 289. 51 Wörtl. ‚vom Schoße seiner Mutter‘ (men kres emmē¸h). 52 S. Ms or. 4434 (3r), die den gleichen Text enthält, Abweichung ist die im SBM zusätzliche Krankheitsursache für das Ergebnis Nummer 9. Man muss auch hier von einer modulo-Rechnung ausgehen, wobei das Ergebnis immer den Rest der Division darstellt. Das Ergebnis 9 entspricht daher einer Division ohne Rest. 53 Auch diese Prognose erscheint – in einer erweiterten Form – in Ms or. 4434 (1v–2v), hier sind die Angaben ausgebaut und z. T. mit religiösen Formeln unterstrichen. 54 wörtl. (wie in allen weiteren Fällen dieser Passage:) „wenn eins übrigbleibt“ (w-en h.ad påe¸š). ¯
3 Übersetzung und Kommentar | 213
Wenn der Rest vier ist, [ist es] Mittwoch, Tag des Merkur. [Der Kranke] hat Wasser überquert und nicht den Namen Gottes ausgerufen. Er soll Almosen geben. 17 Tage wird er krank bleiben. Wenn der Rest fünf ist, [ist es] Donnerstag, Tag des Jupiter. Seine Krankheit rührt von übermäßigen Mahlzeiten. Er wird verrückt. Er soll ein Hühnchen als Almosen geben. 16 Tage wird er krank bleiben. Wenn der Rest sechs ist, [ist es] am Freitag, Tag der Venus, er ist sicherlich gefallen. Seine Krankheit ist von seinem Kopf und seinem Körper und der Verkehrung zweier Zustände (?) (hepkat tartē¸n qåwm¯ın). 12 Tage wird er krank sein. Wenn der Rest ¯ sieben ist, Samstag, Tag des Saturn. (S. 454) Sein Leiden [kommt] von seinen Innereien und seinem Herzen. Zittern hat ihn ergriffen. Bring Staub von sieben Wegen und von sieben Grabstätten und von vier Wasserquellen und sprich über ihm Wind …⁵⁵ Wenn⁵⁶ der Rest acht ist, dann hatte er am Mittwoch in der Nacht einen Albtraum.⁵⁷ 20 Tage wird er [krank] bleiben. Wenn der Rest neun ist, dann ist er Freitagnacht auf dem Boden gesessen, ohne den Namen des lebendigen Gottes zu preisen. 17 Tage wird er [krank] bleiben, seine Krankheit stammt von Teb å.⁵⁸ ¯ In dieser Weise nimmst du mit dem Buchstabenwert des Namens eines Klienten und seiner Mutter eine Division vor: Wenn du sie durch 9 teilst, dann nimm von zehn 1, von zwanzig 2, von dreißig 3, von vierzig 4, von fünfzig 5, von sechzig 6, von siebzig 7, von achtzig 8, [von] neunzig nichts und von hundert 1, von zweihundert 2, von dreihundert 3 und von vierundert 4. Wenn du sie durch sieben teilen willst, dann teile so: nimm von acht 1, von neun 2, von zehn 3, von zwanzig 5 und von dreißig 2, von vierzig 6 und von fünfzig 1, von sechzig vier, von siebzig nichts, von achtzig 3 und von neunzig 5, von hundert 2 und von zweihundert 4, von dreihundert 5, und von vierhundert 1. Weitere [Methode], um zu erfahren, ob ein Kranker sterben oder genesen wird: Berechne seinen Namen[wert] und den Namen des Tages, an dem er erkrankt ist. Merke dir das Ergebnis (wörtl. nimm deine ganze Rechnung in deine Hand) und teile so die drei Zahlen: zwei[mal?] den Tag und ein[mal] den [Namen des] Kranken. Wenn eins herauskommt, wird der Kranke leben. Wenn zwei herauskommt, wird er
55 Dies erinnert stark an babylonische medizinische Texte, die seit dem 5. Jh. v. Chr. auch nach dem Prinzip „Stein, Pflanze, Holz“, entsprechend einem Monat bzw. Tierkreiszeichen, aufgebaut sind. Es ¯ .u […] corresponding Zodiacal sign […] Aquarius: […] with heißt dort beispielsweise: „Month Šabat aktam-plant (and) dust from the gate of (the god) Ellil mixed in fine pūru-oil [you anoint him].“ (Heessel 2008: 10). Auch wenn es sich hier um zodiakale Entsprechungen handelt, nicht um planetare wie in unserem Text, und die hellenistischen Elemente u. a. in der Verbindung von Planeten mit Wochentagen klar hervortreten, so lässt sich babylonisches Substrat dennoch erahnen. 56 Im Text ist wohl versehentlich die 20 markiert, nicht das einleitende „wenn“. 57 Wörtl. ‚dann hat er ein böses Gesicht gesehen‘ (h.zå h.ezyå b¯ıšå). ¯ 58 Ist das versehentlich vom letzten Absatz hierherein gerutscht?
fol. 217r
214 | 3 Übersetzung und Kommentar
fol. 217v
Schmerzen haben. Wenn drei [herauskommt], wird er sterben. Diese [Methode] ist sehr verlässlich. Wenn der Rest seines Namens drei ist, wird er nur sterben, wenn er an einem Tag erkrankt, bei dem der Rest zwei bleibt. Wenn du die Wochentagsnamen durch drei teilst, dann bleibt [als Rest der Division]: (S. 455) Vom Sonntag zwei, vom Montag zwei, vom Dienstag eins, vom Mittwoch zwei, vom Donnerstag zwei, vom Freitag eins und vom Samstag eins. Weitere Vorhersage über einen Kranken. Errechne den Namen des Kranken und den seiner Mutter am Tage, an dem er zu dir kommt, und teile das, was herauskommt, durch 3 [soweit es geht]. Wenn er am Sonntag [zu dir] gekommen ist, und der Rest eins ist, wird er bald gesunden. Bei [Rest] zwei wird er eine Weile krank bleiben. Bei drei ist er dem Tode nahe. Wenn er am Montag [zu dir] gekommen ist, und der Rest zwei ist, wird er gesunden. Bei drei wird er eine Weile krank sein, bei eins wird er gesund werden. Wenn er am Dienstag gekommen ist, und der Rest drei ist, wird er gesunden. Bei zwei ist er dem Tode nahe, bei eins wird er eine Weile krank sein. Wenn er am Mittwoch [zu dir] gekommen ist, und der Rest eins ist, wird er gesunden. Bei zwei wird er eine Weile krank sein. Bei drei ist er dem Tode nahe.⁵⁹ Wenn er am Donnerstag [zu dir] gekommen ist, und der Rest zwei ist, wird er gesunden. Bei drei wird er eine Weile krank sein, bei eins wird er nicht wieder gesund werden. Wenn er am Freitag⁶⁰ [zu dir] gekommen ist, und der Rest drei ist, wird er gesunden. Bei zwei ist er dem Tod nahe und bei eins wird er noch eine Weile krank sein. Wenn er am Samstag [zu dir] gekommen ist, dann rechne wie für Freitag. Weitere [Vorhersage] über Kranke[:] Nimm [ein Stück] Brot und lege es unter den Kopf des Kranken vom Abend bis zum Morgen und gib es dem Hund.⁶¹ Wenn er es frisst, so wird [der Kranke] nicht sterben, wenn er es nicht frisst, wird er sterben. Wahr und erprobt.
59 Das ist eine fast wörtliche Wiederholung der Prognose für den ersten Wochentag. 60 Auch hier fehlt der Überstrich in der Edition. 61 Bei den Semiten soll der Hund immer schon ein Tier mit „charactère sacré“ gewesen sein, s. Smith ¯ . iz. legt ein gutes Wort für den Hund ein und nennt ihn zumindest als tauglich für die 19572 : 291f. Al-Gˇ ah Divination, z. B. die Traumdeutung. Das Verhalten von Hunden als Vorhersage bestimmter Ergeignisse ist bei Ibn Qut.ayba überliefert, s. Fahd 1966: 503f. Zudem ist auf den dämonischen Charakter des ¯ ı, at-Tirmid¯ı, al-Gˇ ah ¯ . iz., schwarzen Hundes innerhalb des Islams hinzuweisen, so belegt bei al-Buhar¯ ¯ ˘ ad-Dam¯ır¯ı, s. Fahd 1966: 503f. Es sei hier noch auf die zoroastrische Reinigungszeremonie barašnom¯ e no-šaba ‚Barašnom der neun Nächte‘ und dem dazugehörigen sagd¯ıd „von einem Hund gesehen“ hinzuweisen, welches an Leichen vollzogen wurde, um ihre Verunreinigung vor dem Transport in die Leichentürme (dahme) zu vermindern. Der Hund wurde mit drei Brotstücken dazu gebracht, sich dem ˘ Toten zu nähern, s. Boyce 1996.
3 Übersetzung und Kommentar | 215
Oder gib dem Kranken Wasser zu trinken, und benetze mit dem Wasser, welches zu viel [war und] von ihm [heruntergelaufen ist], seinen Hund. Wenn er das Wasser von sich abschüttelt, wird [der Kranke] sterben, wenn [der Hund] das Wasser nicht abschüttelt, wird er nicht sterben. Oder beschmiere den Kranken mit Ziegenfett an seinen Fußsohlen. Hole am [nächsten] morgen den Hund und wenn er [das Fett] ableckt, wird [der Kranke] leben, wenn nicht, wird er sterben. Oder schneide einen der Fußnägel des Erkrankten ab und wirf ihn in ein Glas Wasser. Wenn er untertaucht, wird der Kranke leben, wenn er (S. 456) auf dem Wasser schwimmt, wird er sterben.⁶² Weitere Berechnung über einen Kranken und über etwas, das verloren gegangen ist, und jemanden, der entlaufen ist:⁶³ Nimm die Tage vom siebzehnten Februar bis zu dem Tag, an dem es den Kranken niedergestreckt hat, bzw. etwas verloren gegangen ist, bzw. jemand entlaufen ist. Teile das Ergebnis durch 36 und vergleiche in welcher Spalte die Zahl, die fünfunddreißig nicht überschreitet, steht. Wenn sie in der ersten Spalte steht, wird der Kranke leben, die verlorene Sache wiedergefunden und der Flüchtige wiederkommen. [Wenn sie] in der mittleren [Spalte steht], dann wird der Kranke leiden und [erst] nach einer Weile gesunden, und er wird in Gefahr schweben.⁶⁴ Das Verlorene bleibt weiter im Dunkeln und der Entflohene wird fallen. [Steht sie] in der letzten Spalte, wird der Kranke sterben und was verloren ist, wird nicht wiedergefunden, und der Flüchtige wird nicht zurückkehren.⁶⁵
62 Im 15./16. Jh. taucht diese Methode kaum verändert in mittelhochdeutschen Texten, besonders in katalogartig zusammengestellten Anzeichen für den nahenden Tod auf, z. B. Dy czeichen des todis des Siegmund Albich von Prag oder in den Pseudo-Galenischen Sammlungen Certa signa mortis quae sint ex Galieni, s. Eis 1954: 246f. In einem Text (Cpg. 644, fol. 10r) heißt es „Item. Ob er sich stirbet ader nit. So nym ein speck schwarten und streich sein fuß da mit und gib dye einem hund: isset ers, so stirbt er nit; isset er sye nit, so stirbt er“ (Telle 1968: 133). 63 Für die griechisch-lateinischen arithmomantischen Texte ist es charakteristisch, dass die Sklaven nicht als solche, sondern stets als ‚Entlaufene‘ oder ‚Flüchtige‘ bezeichnet werden, s. Kudlien 1991: 129ff. Die Prognose ist eine ägyptische Erweiterung der Sphäre des Demokrit bzw. Petosiris, s. u. Das ägyptische Substrat lässt sich aus der Anzahl der Tage, die den Dekanen entsprechen, leicht ableiten, s. Bouché-Leclercq 1899: 540, Neugebauer/Saliba 1988: 195. 64 Hier wird auch das griechische Fremdwort qe¸wånde¸nos ‚Gefahr‘ benutzt, eine Form, die durch Metathese des ursprünglichen qindunos (gr. κίνδυνος) entstanden ist. 65 Eine griechische alchemistische Sammelhandschrift der Pariser Nationalbibliothek (MS 2327) enthält einen ähnlichen Text namens ΕΡΜΟΙ ΤΡΙΣΜΕΓΙΣΤΟΙ ΟΡΓΑΝΟΝ, dem ebenfalls eine dreigliedrige Tabelle beigegeben ist, allerdings variieren die Zahlen. Auch die Anweisungen variieren: es wird nicht vom 17. Februar ab gerechnet, sondern ab dem Aufstieg des Hundsterns, dem 25. Juli, bis zum Tag der Erkrankung. Die Zahl wird – den Dekanen entsprechend – durch 36 geteilt. Der Text ist zu finden bei Berthelot/Ruelle 1912: 87.
216 | 3 Übersetzung und Kommentar
fol. 218r
Erste [Spalte] des Leben
Mittlere [Spalte] der Gefahr
Letzte [Spalte] des Tod
1, 4, 7, 13 16, 19 22, 25 28 31
5, 8, 11 14, 17, 18 26, 23 20, 29 32, 35
3, 6, 2 9, 10, 12 15, 21 24, 27, 30 33, 34
Eine weitere [Prognose]art:⁶⁶ Jeder, der am Anfang des Monats erkrankt, wird am zweiten [Tag des Monats] wieder genesen (wörtl. aufstehen). [Erkrankt er] am 2. des Monats, wird er den ganzen Monat krank bleiben. Am 3. des Monats wird seine Krankheit gleich bleiben, er wird [aber] nicht sterben. [Erkrankt er] am 4. des Monats, wird er mit Sicherheit sterben. Am 5., dann wird er in ärztliche Behandlung gehen, am 6., dann wird er sich ein wenig auskurieren. Am 7., dann wird er nicht sterben. Am 8., dann wird er nicht sterben. Am 9., dann wird das Fieber nicht von ihm lassen. Am 10., dann (S. 457) wird er nach sieben Tagen sterben. Am 11., dann wird er sich in ärztliche Behandlung begeben und [schließlich] leben. Am 12., dann wird er an keiner schweren Krankheit leiden und nicht sterben. Am 13., dann wird er am [nächsten] Morgen sterben. Am 14., dann wird er nach zwanzig Tagen sterben. Am 15., dann wird er sich in ärztliche Behandlung begeben. Am 16., dann wird er leben. Am 17., dann wird das Fieber nicht von ihm lassen. Am 18., dann wird er nach zwanzig Tagen sterben. Am 19., dann wird er sterben. Am 20., dann wird er leben. Am 21., dann wird er leben. Am 22., dann wird er Fieber bekommen, [aber] er wird [es über]leben. Am 23., dann wird er schnell sterben. Am 24., dann wird er sterben. Am 25., dann wird er leben. Am 26., dann wird er sterben. Am 27., dann wird er [wieder] gesund. Am 28., dann wird er sich in ärztliche Behandlung begeben. Am 29., dann wird er leben. Am 30., dann wird er leben. Vorhersage über einen Kranken: Von den Tagen des Mond[monats], ob [ein Kranker] lebt oder stirbt. 1. des Mondes: wenn er sich am ersten Tag etwas erholt, wird er [über]leben. [Selbst] wenn er schwer krank ist, wird er nicht sterben. 2. des Mondes: er wird nicht sehr krank sein. 3. des Mondes: Alles Übel wird sich offenbaren. 4. des Mondes: Er wird sich in ärztliche Behandlung begeben. 5. Er wird sich in ärztliche Behandlung begeben und wieder gesunden. 6. Nach zwei Tagen wird er [über]leben. 7. Er wird seinen Aufenthaltsort ändern und [über]leben. 8. Er wird an einer schweren Krankheit leiden, [aber schließlich über]leben. 9. Wenn er zwischen Tagesbeginn und fünf Uhr den Ärzten überlassen wird, wird er leben. 10. Bis zum Abend dieses Tages
66 Vgl. Bar Bahlūl, s. Sezgin 1985: 33. Ähnliche Vorhersagen finden sich auch im SM, die mit Einleitungsformeln und Schlussformeln mandaisiert erscheinen. Auch hier wird die Konsultation von Ärzten genannt (min yad asya). Inhaltlich weichen die Prognosen etwas voneinander ab, an eine wörtliche Übernahme ist bei weitem nicht zu denken. Interessant ist aber, dass auch dort zwei Lunare aufeinanderfolgen wie hier, s. SM: 72ff.
3 Übersetzung und Kommentar | 217
wird er krank sein und [über]leben. 11. Er wird sich in ärztliche Behandlung begeben und [über]leben. 12. Wenn Fieber der Krankheit vorangeht, wird er sterben. 13. Er wird sterben. 14. Er wird seinen Aufenthaltsort ändern und leben. 15. Er wird sterben. 16. Gleich ob er etwas zu sich nimmt, oder nicht, wird er [über]leben. 17. Wenn fünfzehn Tage vorüber sind, wird er sich in ärztliche Behandlung begeben und wird leben. 18. Er wird sterben. 19. Sieben Tagen wird er [noch zu] leben [haben]. 20. Neun Tage wird er [noch zu] leben [haben]. 21. Er wird sterben. 22. Nach zwölf Tagen wird er gesunden. 23. Er wird sterben. (S. 458) 24. Nach elf Tagen wird er gesunden. 25. Er wird sterben. 26. Nach sieben Tagen wird er leben. 27. Er wird leben. 28. Nach acht Tagen wird er leben. 29. Er wird sich in ärztliche Behandlung begeben und [über]leben. 30. Gleich ob er etwas zu sich nimmt oder nicht, wird er auf jeden Fall sterben.⁶⁷ Eine weitere Art: Frage [den Patienten], wann er erkrankt ist, und ermittle, wie viele Tage vom [Neu]mond es sind bis zu dem Tag, an dem er erkrankt ist. Berechne den Namen[wert] des Erkrankten und addiere dazu die Tage, die bei der Mond[alterberechnung] herausgekommen sind. Teile [das Ergebnis] durch 19. Was größer ist als neunzehn, merke Dir und vergleiche es mit der Liste,⁶⁸ die vor Dir ist, so wirst du die Zahl finden, die übrigbleibt [d. h. der Rest der Division und damit], ob er sterben oder leben wird. 1: er wird leben. 2: er wird sterben. 3: er wird leben. 4: Entweder wird er leben oder sterben. 5: Er wird leben. 6: Er wird leben oder sterben. 7: Er wird leben. 8: Er wird sterben. 9: Er wird leben. 10: Er wird leben oder sterben. 11: Er wird sterben. 12: Er wird leben oder sterben. 13: Er wird sterben. 14: Wenn er sich etwas erholt hat, wird er sicherlich leben. Aber in einer anderen Kopie wird gelehrt, dass er sterben wird. 15: Er wird sterben. 16: Er wird leben. 17: Er wird sofort sterben. Aber an anderer Stelle [heißt es] er wird leben. 18: Er wird leben oder sterben. 19: Er wird leben. Eine weitere Art:⁶⁹ Prüfe, an welchem Tag [der Patient] erkrankt ist und wie viele Tage der Mond hat. Ermittle den Namen des Kranken, mit dem er bei seiner Geburt benannt wurde,⁷⁰ berechne die Buchstabenwerte seines Namens und behalte die Rech67 Den gleichen Text hat Ms or. 4434 (4r–4v). 68 G¯ıg¯ lå ‚Kreis‘ bezieht sich auf die ursprüngliche Darstellung der Tabelle in Kreisform. 69 Der gleiche Text findet sich mit geringen Abweichungen, die sich v. a. auf den Inhalt der Tafeln erstrecken, in Ms or. 4434 (5r). Die Sphäre des Demokrit aus den griechischen magischen Papyri (PGM XII, 351–364) entspricht diesem Abschnitt inhaltlich, einige Abweichungen finden sich nur in der Tabelle, s. Preisendanz 1931: 81. Die Bezeichnung als Sphäre verweist auf die alternative Darstellung dieses Divinationsmodells als Kreis oder Scheibe, s. Bouché-Leclercq 1899: 538. Zinner 1948 fasst die weit verbreitete Methode und ihre Darstellung, die unter verschiedenen Pseudoautoren wie Pythagoras, Apuleius, Demokrit, Hermes Trismegistos und Beda Venerabilis bekannt ist, als eigene Gattung der Schicksalsscheiben zusammen. Die Zurückführung auf Petosiris, welche er proklamiert, ist fragwürdig. Als verlässlichen terminus ante quem kann nur die Erwähnung bei Hippolytus um 200 n. Chr. gelten, s. Neugebauer/Saliba 1988: 189. 70 Die Betonung des Geburtsnamens legt die Annahme nahe, dass es auch andere Namen gab, die den Kindern gegeben wurden; könnte dies ein Hinweis auf die mandäische Praxis des Vergebens von Zodiakalnamen (malwašia) sein?
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nung im Kopf. Addiere die Tage des Mondes, von denen oben die Rede war. Füge nochmals zwanzig Tage hinzu bis du aus allem eine Zahl berechnet hast. Teile sie dann durch 30, nimm das Ergebnis und vergleiche es mit der Tabelle vor Dir. Wenn du das Ergebnis in der ersten Spalte findest, wird er leben. Wenn du es in der zweiten Spalte findest, wird er sterben. (S. 459)
Erste [Spalte] des Lebens
Letzte [Spalte] des Todes
1, 2, 3 17, 8, 7 9, 10, 11 13, 14, 19 16, 29, 20 22, 26, 28
5, 6, 12 15, 18, 21 27, 25 29, 30 4 24
Weitere [Vorhersage], damit der Arzt weiß, an welchen Tagen der Mond beleuchtet ist und an welchen nicht, d. h., ob der Kranke leben oder sterben wird. Die beleuchteten sind die ungeraden Tage: 1, 3, 5, 7, 9, 11, 13, 15, 17, 19, 21, 23, 25, 27, 29.⁷¹ Die unbeleuchteten sind die geraden Tage: 2, 4, 6, 8, 10, 12, 14, 16, 18, 20, 22, 24, 26, 28, 30. Wenn jemand an einem Tag krank wird, an dem der Mond beleuchtet ist, so wird er auf jeden Fall nach kurzer Zeit wieder gesund werden und selbst nach einer langen Zeit. Nimm also den Namen des Kranken und, nachdem du ihn berechnet hast und die Zahl des Mondes geprüft hast sowie den Tag, an dem der Kranke bettlägerig geworden ist, und dir [dann] eine Zahl übrigbleibt, welche einem der beleuchteten Mondtage entspricht, und wiederum an dem Tag, an dem [der Kranke] bettlägerig geworden ist, [der Mond] unbeleuchtet ist, dann wird er [der Kranke] nach einer Weile wieder gesund. Wenn er aber an einem Tag, an dem [der Mond] beleuchtet ist, bettlägerig geworden ist, und die Rechnung des Namens mit einem Tag zusammenfällt, an dem [der Mond] nicht beleuchtet ist, dann wird es ihm schlecht gehen, und er wird leiden, [aber schließlich] wird er gerettet. Wenn beide Prognosen auf einen Tag fallen, an denen der Mond unbeleuchtet ist, dann wird [der Kranke] auf jeden Fall sterben. Berechne mit dieser Methode auch, was einen Entlaufenen betrifft und einen verlorenen [Gegenstand] und alles mögliche.⁷² (S. 460)
71 Es geht hier nicht um die tatsächliche Beleuchtung des Mondes, sondern um bestimmte Tage, die schlichtweg als beleuchtet und damit glückverheißend konstatiert werden, s. Stegemann 1935–6: 153, vgl. SM: 92/145. 72 Es handelt sich hier um die Methode des Decumbitur, welche nach dem Tag der Erkrankung die Genesung oder das Gegenteil in Aussicht stellt.
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Berechnung, um vorherzusagen, welcher von zwei Kontrahenten sterben wird, verfasst von Aristoteles, um seinen Schüler, den König Alexander, zu beraten:⁷³ als er gegen Darius, den Meder, zog und ihn besiegte. Wahr und erprobt. Nützlich für jeden, der gegen seinen Kontrahenten antritt und [mit ihm] kämpft, für den Handel, für Könige und jedermann, ob groß oder klein. Siehe, was du wissen willst, [z. B.] wer siegreich ist von denen, die gegeneinander kämpfen. Nimm den Namen von ihnen, jeden einzeln, und teile sie durch 9. Prüfe, wieviel übrigbleibt und merke Dir [die Zahlen]. Vergleiche die Buchstaben[werte], sie werden darüber Aufschluss geben, wer von beiden gewinnt. Eins gewinnt gegen drei, fünf, sieben und neun. Zwei gewinnt gegen eins, vier, sechs und acht. Drei⁷⁴ gewinnt gegen zwei, fünf, sieben und neun. Vier gewinnt gegen eins, drei, sechs und acht. Fünf gewinnt gegen zwei, vier, sieben und neun. Sechs gewinnt gegen eins, drei, fünf und acht. Sieben gewinnt gegen zwei, vier, sechs und neun. Acht gewinnt gegen eins, drei, fünf und sieben. Neun gewinnt gegen zwei, vier, sechs und acht. Wenn die beiden den gleichen Namen haben oder der Zahlwert ihrer Namen gleich ist, dann wird der, der älter ist, gegen den Jüngeren von beiden siegen. Diese Vorhersage ist absolut wahr und wird von den Philosophen empfohlen.⁷⁵ Als sie die Prognose stellten, war das Ergebnis für Alexander acht, für Darius sieben. [Wie du] sieh[st], hat acht gegen sieben gewonnen. So kommt eins nach dem anderen. Für das, was verloren ist und das, was gefunden wird, für den, der stirbt und den, der gesund wird und so weiter, wenn du den Namen des Kranken nimmst und den Namen des Tages, an dem er erkrankt ist. [Eine] weitere [Prognose]Methode über einen Kranken. So sollst du rechnen: Berechne den Zahlenwert des Namens desjenigen (S. 461) Planeten, der Herrscher über den Tag der Erkrankung war,⁷⁶ und den Namen des Erkrankten. Danach verfahre mit den beiden, wie oben beschrieben. Mit diesem Verfahren⁷⁷ [erstellst du] auch [eine Vorhersage über] einen Entflohenen oder verlorenen [Gegenstand]. Ermittle den Namenwert des verlorenen Gegenstandes und den Namenwert desssen, der etwas verloren hat. Und wenn jener, der etwas verloren hat, gewinnt (d. h. sein Zahlwert größer ist als der des Gegenstandes), so wirst du das Verlorene, d. h. seine Sache wiederfinden. Wenn derjenige der krank ist oder etwas verloren hat, gegen den Planeten gewinnt, der Tagesherrscher ist (l-kåwkbå håw da-mdabbar l-yåwmå), so ¯ ¯ ¯
73 Es handelt sich hier um einen Schreibfehler ay k da-l-malkå sollte ay k da-l-memlak oder schlicht ¯ ¯ ¯ melkå lauten, was die syntaktische Konstruktion des Satzes im Syrischen vorgibt. Die Vorhersage war ¯ (secretum secretorum) u. a. Schrifwohl recht beliebt und findet sich auch im arabischen sirr al-asrar ten, s. Ullmann 1972: 366. Bei Ibn Haldūn wird diese Methode mit modulo 9 erwähnt. Zu den verschie˘ denen Handschriften dieses Werkes, in denen die Methode erläutert wird, s. Baron de Slane 1934–38: 241. 74 Hier ist in der Edition wohl versehentlich die zwei markiert. 75 wörtl. ‚angeordnet‘ (metē¸ mar). ¯ 76 Die Planetenherrscher werden in der nächsten Passage erläutert. 77 s.elmå wörtl. ‚Abbild‘.
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wird der Kranke an diesem Tage aufstehen und von seiner Krankheit gesunden, und der etwas verloren hat, wird es wiederfinden: [diese Methode ist] wahr und erprobt.⁷⁸ Die Tage der Planeten:⁷⁹ Merkur beherrscht die Nacht zum Sonntag, den Tag [beherrscht] die Sonne. Die Nacht zum Montag beherrscht Jupiter, den Tag der Mond. Die Nacht zum Dienstag beherrscht Venus, den Tag Mars. Die Nacht zum Mittwoch beherrscht Saturn, den Tag Merkur. Die Nacht zum Donnerstag beherrscht die Sonne, den Tag Jupiter. Die Nacht zum Freitag beherrscht der Mond, den Tag Venus. Die Nacht zum Samstag beherrscht Mars, den Tag Saturn. Und wenn du wissen willst, wie viel [an Rest] bei den Namen der Planeten und Tagen herauskommt, wenn du sie durch 9 teilst, so ist es Folgendes: von der Sonne zwei, vom Mond vier, von Mars eins, von Merkur neun und von Jupiter eins, von Venus fünf und von Saturn acht, vom Sonntag 2 und vom Montag 2 und von Dienstag 1 und von Mittwoch 2, von Donnerstag 5, von Freitag 4 und von Samstag 1. Weitere Vorhersage über Kranke: Es ist angebracht, dass ein weiser Arzt fragt, an welchem Tag [der Patient] erkrankt ist. Und sobald er gefragt hat, soll er [folgendermaßen] (S. 462) mit den 12 Häusern rechnen, indem er jeden Monat gründlich untersucht, an welchem Tag er erkrankt ist, und wie viele [Tage] der Mond [alt] ist, und wiederum bekannt ist, in welchem Haus der Mond steht und von welchem Tierkreiszeichen das Haus ist, in dem der Mond steht, dann wirst du genau wissen, ob diejenigen, die erkrankt sind, leben oder sterben werden, und zwar aufgrund der Vorhersagen über Leben und Tod, welche darin klar und deutlich geschrieben stehen. Der Herr jedoch tut alles, was er will im Himmel und auf Erden, und er ist es, der die verborgenen Dinge kennt.⁸⁰ Jeder Mensch ist ein Sünder so wie ich, der Schreiber.⁸¹ Über die Monate des ganzen Jahres: [Wenn] am ersten September⁸² der Mond im Löwen steht, [dann wird] der Kranke wieder gesund. In der Jungfrau[:] seine Krankheit wird ihn eine Weile auslaugen, danach wird er genesen. In der Waage,
78 Die Art der Vorhersage findet sich im mandäischen SM, weicht aber zu stark ab, um eine direkte literarische Abhängigkeit nachzuzeichnen, s. SM: 99/157. 79 Die Planeten übernehmen hier die Rolle der sog. χρονοκράτορες, der ‚Zeitenherrscher‘, s. 2.2.3.3. Die altägyptische Stundenzählung umfasst 12 Tag- sowie Nachtstunden, wobei der Tag mit Sonnenaufgang begann und mit Sonnenuntergang endete. Womöglich ist die Zweiteilung von den Ägyptern übernommen. 80 Vergleichbar mit dieser Formel ist, was Georg, der Araberbischof, von dem „göttlichen Astrologen David“ zitiert: „Denn alles, was er will, tut er im Himmel und auf Erden“ (kol d-s.åbē¸ måryå åbed ¯ ¯ ¯ ba-šmayyå wa-b-arå). Es folgt die Erweiterung um Meere und Meeresgrund, s. Ryssel 1893: 27. ¯ 81 Diese Demutsformeln sind in der Regel Teil des Kolophons und stehen neben dem Namen des Schreibers, dem Datum der Abfassung usw.; h.at..tåyå ist eines der häufigsten Attribute, s. Hatch 1946: 17. Selbstbezeichnungen dieser Art sind auch in christlich arabischen Handschriften zu finden, z. B. ¯ . i ‚Sünder‘, oder g˙ ariq ¯ ¯ ahu ¯ ‚Ertrinkender im Meer seiner Sünden‘, s. McCollum 2014: hat f¯ı bah.r hat.ay ˘ ˘ 3, als verkürzte Liste bei Troupeau 1977. 82 Der Übersichtlichkeit halber sind in der Handschrift die Monatsnamen bis zum Ende der Passage SBM: 465 zusätzlich in marginem angegeben.
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dann wird er nach fünfzehn Tagen gesunden. Im Skorpion wird [der Kranke] nach zwanzig Tagen sterben. Im Schützen, dann wird er dreißig Tage krank sein und danach sterben. Im Steinbock … Im Wassermann, dann wird [der Patient] sieben Tage krank sein und wieder gesunden. In den Fischen[: Der Patient] wird gesund werden. Im Widder[:] Nach neun Tagen wird [der Patient] sterben. Im Stier wird er nach wenigen Tagen gesund werden. In den Zwillingen, dann wird er nach wenigen Tagen wieder gesund. Im Krebs, dann wird er für lange Zeit [krank sein] und nicht einmal danach wird er gesunden. 1. Oktober: Wenn der Mond in der Jungfrau steht, wird er nach wenigen Tagen gesund, wenn er [aber] in der Waage [steht], wird er fünfundzwanzig Tage krank sein und dann gesund werden. Im Skorpion, für neunundzwanzig Tage wird er gesund werden. Im Schützen, das ist das große Bild (s.almå rabbå), wird er gesund werden. Im Steinbock wird er von Schmerzen geplagt und nach wenigen Tagen wird er sterben. Im Wassermann und in den Fischen wird er gesunden. Im Widder, Stier und den Zwillingen, dann wird er vierzig Tage krank sein und sterben. Im Krebs und Löwen, dann wird er gesund. 1. November: Wenn jemand krank wird, und der Mond in der Waage (qašlåmå d-hū massatå) steht, dann wird er zehn (S. 463) Tage krank sein und dann gesund ¯ ¯ werden. Im Skorpion, dann wird er gesund werden. Im Schützen, dann wird er für lange Zeit krank bleiben und dann wird er gesund werden. Im Steinbock …⁸³ Im Wassermann … Im Widder … im Stier, dann wird er gesund. In den Zwillingen, dann wird er acht Tage krank bleiben und danach sterben. Im Krebs, dann wird er zwölf Tage krank bleiben und dann gesund werden. Im Löwen, dann wird er neun Tage schwerkrank sein und dann sterben. In der Jungfrau, dann wird es ihm dreißig Tage schlecht gehen, und dann wird er wieder gesund. 1. Dezember: Wenn jemand erkrankt, wenn der Mond im Skorpion steht, dann wird er nach wenigen Tagen gesund werden. Im Schützen, dann wird es ihm schlecht gehen, und dann wird er sich erholen. Im Steinbock, dann wird er nach wenigen Tagen sterben. Im Wassermann, dann wird es ihm schlecht gehen, und nach wenigen Tagen wird er sich von seinen Schmerzen erholen. In den Fischen, dann wird er gesund werden. Im Widder, dann wird er sterben, aber wenn er stark ist, dann wird er nach dreißig Tagen gesund werden. In den Zwillingen … im Krebs und im Löwen, dann wird er nach wenigen Tagen sterben. In der Jungfrau, dann wird er wieder gesund werden. In der Waage, dann wird es ihm schlecht gehen, und er wird sich erholen. 1. Januar: Wenn jemand erkrankt, wenn der Mond gerade im Schützen steht, dann liegt er 20 Tage [darnieder] und dann stirbt er. Im Steinbock wird er sich erholen. [Wenn der Mond] im Wassermann [steht], wird er sich erholen, in den Fischen und im Widder wird er sterben. Im Stier und in den Zwillingen und im Krebs … im
83 Es ist davon auszugehen, dass der Schreiber die Vorlage verderbt vorfand.
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Löwen wird er sterben, in der Jungfrau wird er sich erholen, in der Waage wird er sich erholen, im Skorpion wird er nach wenigen Tagen sterben. (S. 464) 1. Februar: Wenn jemand erkrankt, wenn der Mond im Steinbock steht, wird er gesunden. Im Wassermann, in den Fischen, im Widder, im Stier und in den Zwillingen wird er nach wenigen Tagen gesund. Im Krebs wird er nach fünfzehn Tagen sterben, im Löwen und in der Jungfrau wird er sterben, in der Waage wird er sich nach kurzer Zeit von seinen Schmerzen erholen, im Skorpion wird er nach kurzer Zeit sterben, im Schützen … 1. März: Wenn jemand erkrankt, wenn der Mond im Wassermann steht, wird er gesund werden. [Wenn der Mond] in den Fischen und im Widder [steht], wird er sich von den Schmerzen erholen, im Stier, dann wird er sterben. In den Zwillingen, im Krebs und im Löwen, dann wird er gesund werden, in der Jungfrau, dann wird er nach kurzer Zeit sterben. In der Waage und im Skorpion, dann wird er leben. Im Schützen und im Steinbock, dann wird er nach kurzer Zeit sterben. 1. April: Wenn jemand erkrankt, wenn der Mond in den Fischen steht, so wird er sich von seiner Krankheit, an der er leidet, erholen. [Steht der Mond] im Widder, im Stier und in den Zwillingen (ba-trē¸n s.almē¸), dann wird er gesunden; im Krebs, im ¯ Löwen, in der Jungfrau und in der Waage, dann wird er sterben. [Steht der Mond] im Skorpion und im Schützen, dann wird er gesunden. 1. Mai: Wenn jemand erkrankt und der Mond steht im Widder, dann wird er gesund werden. [Steht der Mond aber] im Stier … in den Zwillingen … im Krebs und im Löwen, dann wird er sterben. In der Jungfrau, dann wird er gesund werden; in der Waage, im Skorpion und im Schützen, dann wird er sterben. [Steht der Mond aber] im Steinbock, dann wird er gesund werden, im Wassermann, so wird er sterben, und in den Fischen, dann wird er gesund werden. (S. 465) 1. Juni: Wenn jemand erkrankt, wenn der Mond im Stier steht, dann wird er sterben. [Steht der Mond] in den Zwillingen und im Krebs und im Löwen und in der Jungfrau und in der Waage und im Skorpion, dann wird er nach kurzer Zeit sterben. Im Schützen, dann wird er gesund werden. [Steht der Mond] im Steinbock, dann wird er sterben. Im Wassermann, dann wird er leben, in den Fischen, dann wird er sterben. Im Widder, dann wird er sich von seiner Krankheit erholen. 1. Juli: Wenn jemand erkrankt, wenn der Mond in den Zwillingen, im Krebs und im Löwen steht, dann wird er sich von seiner Krankheit erholen. [Steht der Mond] in der Jungfrau und Waage, dann wird er sterben. Im Skopion, dann wird er lange Zeit an schweren Schmerzen leiden und sich danach erholen. [Steht der Mond] im Schützen (s.arbå d-hū kaššåt.å),⁸⁴ dann wird er sterben, im Steinbock, dann wird er sterben, ¯ ¯ im Wassermann, den Fischen, im Widder und im Stier, dann wird er gesund werden.
84 Die Bezeichnung des Schützen als s.arbå ist im Syrischen nur aus diesem Beleg bekannt (!), s. Mar¯ goliouth 1927: 288.
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1. August: Wenn jemand erkrankt, wenn der Mond im Krebs steht, wird er acht Tage lang krank sein und danach wird er gesund werden. [Steht der Mond] im Löwen, der Jungfrau und der Waage, dann wird er sterben, im Skopion, dann wird er sterben, im Schützen, dem Steinbock ⟨…⟩ und den Fischen und im Widder, dann wird er leben. Im Stier, dann wird er sterben. In den Zwillingen, dann wird er sich von der Krankheit, an der er leidet, erholen. Vorhersage, damit du weißt, wie lange der Mond in jedem Tierkreiszeichen verweilt. In jedem Haus hält sich der Mond zweieinhalb Tage auf, vom ersten September, an dem er im Löwen steht, bis Ende August, wenn der Mond in den Zwillingen (!) steht. Auch sollst du wissen: wenn der Mond von Neuem aufsteigt, dann läuft er entlang des Kreises der Zodiakalbilder durch die Tierkreiszeichen (burgē¸) retrograd [und] schräg (S. 466) bis er voll ist, dann beginnt er Stück für Stück abzunehmen bis er sich der Seite der Sonne annähert, wenn er dort ist, sei es im Süden oder im Norden, so steigt er von dort von Neuem auf. [Folgendes] musst du wissen: Ein weiteres Kapitel (tarå)⁸⁵ über Kranke und Verletzte: Wer im Widder erkrankt,⁸⁶ der wird sieben Tage krank sein, und wenn er am siebten [Tage] des Mondes niedergestreckt ¯ os) ¯ niewird, dann wird er gesund werden. Wenn er in der Stunde des Saturn (qron dergestreckt wird, wird er an Taubheit leiden. Seine Symptome (atwåtå) sind diese: ¯ ¯ sein Rücken wird ihm schmerzen, eine Stunde wird er heiß sein, eine Stunde kalt und
¯ in dieser Verwen85 tarå ‚Türe, Tor‘ für ‚Kapitel‘ ist hier womöglich eine Anlehnung an arab. bab dungsweise. 86 Das syrische bla wird auch in der Pš¯ıt.tå (Gen 19,11) für das Befallenwerden von einer Krankheit gebraucht. Eine auffällige strukturelle Ähnlichkeit findet sich im Babylonischen Diagnosehandbuch, auch als „diagnostische und prognostische Omenserie“ (SA.GIG) bezeichnet. Oft werden mehrere Krankheitsursachen nebeneinander genannt, häufig schließen sich an die Krankheitssymptome auch therapeutische Maßnahmen an. Die Prognosen selbst enthalten Angaben über Genesungschancen, Zustand, Verlauf und Dauer der Erkrankung (z. T. unter Angabe von Tagen!). Dazu gesellen sich Anweisungen zur medikamentösen Behandlung. Die Gesundungsprognosen sind radikal und variieren zwischen iballut. (TI, TIN, AL.TI) ‚er wird gesunden‘ oder imât (GAM, BA.ÚŠ, ÚŠ) ‚er wird sterben‘, selten unterbrochen von ul iballut. ‚er wird nicht gesunden‘, s. Heessel 2000: 63, zum Diagnosehandbuch auch Geller 2001–2002. Die Ausgestaltung von Zustand und Verlauf der Krankheit, sowohl positiv als auch negativ, ist sehr umfassend, z. B. ‚er wird Kummer haben; er wird in eine Krise geraten; seine Krankheit wird ihn niederwerfen‘ usw., ‚seine Krankheit wird gelöst/herausgezogen/ihn verlassen‘ usw. Für einen detaillierten Überblick s. Heessel 2000: 64. Wie auch in vielen anderen Fällen hat man doch den Eindruck, dass es sich hier um eine vereinfachte Form der Prognostik handelt, die babylonischen Dokumente scheinen viel detaillierter zu sein, z. B. erscheinen bei den Angaben der Genesungsdauer z. T. sogar Tageszeiten. Ein weiteres Beispiel für die ähnliche Struktur zeigt Tafel IX des Diagnostischen Handbuches: „If his face is full of birdu-marks: hand of his god; he will live. Ditto: he is inflamed by sun-heat […]: hand of the god of his father“ (TDP 76,50), Stol 2007: 32. Ein gravierender inhaltlicher Unterschied ist, dass in den akkadischen Texten stets von einem Beschwörer die Rede ist. Die Therapie kann in einem devotionellen Akt bestehen, z. B. bei einem empfohlenen Gebet, nach dessen Rezitation der Patient genesen wird (ana ikribi iballut.), auch in der Formulierung ana ikribi qib¯ıt p¯ıšu iballut. anzutreffen: „nach (der Rezitation) eines ikribu-Gebetes, der Bitte seines Mundes, wird er genesen“, s. Heessel 2000: 61f.
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wenn die Sonne anwesend ist, wird er nicht gesund werden. Wer im Stier erkrankt, dessen Symptome sind diese: seine Arme werden schmerzen, seine linke Seite, sein Nacken und seine Fußsohlen. Wenn er aus Hinterlist geschlagen wurde, so werden ihm seine Augen schwer. Und wenn die Sonne in seinem [des Stieres] Haus steht während des Schlages,⁸⁷ wird [die Krankheit] niemals von ihm weichen. Wer in den Zwillingen erkrankt,⁸⁸ dessen Symptome sind diese: seine Arme und Innereien werden ihm Schmerzen verursachen, und ein Fieber wird ihn überkommen in der Stunde, in der er geschlagen wurde.⁸⁹ Wenn der Mond an dem Tag, an dem er geschlagen wurde, anwesend ist, naht die Heilung. Die Luft um ihn herum wird sich ändern, und er wird gesund werden. Wer im Krebs erkrankt, dessen Anzeichen sind: sein Herz wird in Unruhe versetzt, vom Wasser⁹⁰ wird er geschlagen, sei es bei einem Bad, oder wenn er sich nackt in der Nähe des Wassers aufhält, ein Schattengeist (t.ellån¯ıtå)⁹¹ und ein ¯ Gespenst legen sich auf sein Herz. Wenn er sieben Tage durchsteht und nicht gesund wird, so wird er neunundvierzig Tage an der Krankheit leiden. Wenn er im Mars (wår¯ıs)
87 Der Schlag von Dämonen ist eine Vorstellung der Kontamination mit einer Krankheit, die auch schon im alten Ägypten bekannt war, s. Westendorf 1999: 373f. Daneben findet sich als Krankheitsursache in babylonischen diagnostischen Texten oft die Formulierung „Hand des [Gottesname]“ als Ursache einer bestimmten Krankheit, welche die Assoziation des Schlages oder zumindest der Berührung eines Gottes oder eines Dämons nahelegt, s. Heessel 2010: 18f. 88 Hier ist anders als in vorhergehenden Passagen die aus dem griechischen nachgebildete Bezeichnung tåmē¸ die geläufigere Bezeichnung der Zwillinge. Sie wird vorausgesetzt und erklärt die (womöglich veraltete) Bezeichnung trē¸n s.almē¸ ‚zwei Bilder‘. 89 Eine Gleichschaltung von Gestirnen und Krankheiten bzw. Körperteilen, die dem Kranken nach der Berührung durch ein Gestirn schmerzen, findet sich, wenn auch ohne direkte Übereinstimmung, so doch in der Idee der Sache in dem spätseleukidischen oder früharsakidischen diagnostisch-astrologischen Text BM 56605 in akkadischer Sprache. Dort heißt es z. B. „[wenn] der Himmelsstier-Stern ihn berührt (und) seine Brust ihn schmerzt: [kiškanû-Baum] in einer Schafhaut hängst du [um] seinen Nacken, mit Öl salbst du (ihn), er wird gesunden.“ (Heessel 2000: 122.) Die Rückseite der Tafel enthält die rätselhaften Gleichungen von Sternbild, Stein, Holz, Pflanze, Monat, Tag und hemerologischer Vorschrift, s. Heessel 2000: 112f. 90 Aus medizinischen babylonischen Texten (Tafel 27 der diagnostischen Serie) ist als Krankheitsursache auch der Schlag eines Flussdämons oder von Šulak, der Dämon, der sich in das Badezimmer schleicht, zu finden, s. Wilson/Reynolds 2007: 89ff. 91 Das Wort .tulanita ist auch im Mandäischen bekannt, dort als ‚Phantom, Schatten, Geist, angsteinflößende Erscheinung der Dunkelheit‘, s. Drower/Macuch 1963: 177, wobei es als bestimmte Dämonenart in der Pluralform .tulaniata vorkommt, s. Drower 1946: 332. Im JBA sowies JPA erscheint die Dämonenbezeichnung in einigen Amuletten (7:6; 11:8; 13:8), s. Shaked/Naveh 1985: 58. Auch im Targum des Hohenliedes 4,6 („Bis der Tag kühl wird und die Schatten weichen, will ich zum Myrrhenberge gehen und zum Weihrauchhügel“) wird das Wort als „schädliche Geister, Abend- Morgen- und Mittagsdämonen“ verstanden, s. auch 3,8: „die Schattendämonen, die am Abend wandeln“ oder auch Kohelet 2,5: „die Bäume, welche mir brachten die Abenddämonen und die schädlichen Geister aus Indien“, s. Levy 1883: 305. Für den Beleg in den Zauberschalen s. Gordon 1941: 279, vgl. auch Scholem 1965: 85, 88. Der Übergang von (Natur-)Objekt zu einer dämonischen Gestalt sei in der syrischen Schatzhöhle in diversen Fällen abzulesen, s. Bezold 1888, II: 130, Naveh 1985: 59f.
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oder der Venus (prod¯ı.t¯ı) erkrankt,⁹² siehe [dann], dass es keinen bösen und versteckten Defekt gibt. Wenn 30 Tage vorbeigehen und keine Besserung eintritt, dann wird der Tod bevorstehen. Wer im Löwen erkrankt, dessen Symptome sind diese: seine Rippen und sein Herz werden ihm schmerzen. Wenn er in der Venus (prod¯ı.t¯ı) erkrankt, wird die Krankheit schwer verlaufen, [aber die Symptome] verlassen ihn mit Sicherheit. Wer in der Jungfrau erkrankt, dessen Symptome sind diese: seine Innereien und Schultern werden ihm schmerzen. (S. 467) Er steht nackt auf, und Winde gehen in ihm. Und wenn er nach sieben Tagen nicht gesund ist, so wird er nach zwölf oder fünfzehn Tagen wieder gesund. Wer in der Waage erkrankt, dessen Symptome sind diese: er wird an einer schweren Krankheit leiden. Und wenn er am ersten oder zweiten Tag [des Mondes oder der Waage?] erkrankt, so wird er sechs Monate krank sein ¯ os) ¯ anwesend ist, und wenn er am Mitund dann wird er sterben. Wenn Saturn (qron tag erkrankt, so ist er in großer Gefahr. Wer im Skorpion erkrankt, dessen Symptome sind diese: seine Innereien, Lenden und Rücken werden schmerzen. Er wird an einem feuchten Ort geschlagen und wird ein Zeichen davon tragen. Wer im Schützen erkrankt, wenn Jupiter (zūs) anwesend ist, dessen Kraft wird nachlassen. Wenn er am ersten Tage des Zeichens geschlagen wird, so wird er nicht sterben. Wenn er am dritten Tage geschlagen wird, wird er sterben, denn er wird in derjenigen Stunde geschlagen, die dem Merkur gehört. Seine Symptome sind diese: seine Innereien und Schenkel werden schmerzen, die Luft um ihn wird sich verändern und er wird gesund werden. Wer im Steinbock erkrankt, den wird ein heftiger Schlag verwunden. Er wird an schweren Augen erkranken. Wenn er am ersten Tag des Zeichens geschlagen wird, so wird er sterben, und wenn er am zweiten Tag geschlagen wird, so wird seine Krankheit schwer verlaufen. Wenn er am dritten Tag [geschlagen wird], dann werden ihm seine Augen tränen von der Luft, [schließlich] wird er gesund werden. Wer im Wassermann erkrankt, dessen Symptome sind diese: seine Beine schmerzen. Wenn er in der ersten Stunde des Tierkreiszeichens geschlagen wird, so wird er in großer Gefahr sein. Wenn er am Mittag geschlagen wird, so wird Galle[nsaft] in seinen Innereien sein, und im ganzen Körper wird er einen Überfluss [davon] und Schmerzen haben. Wenn Merkur (arm¯ıs) anwesend ist, wird er an seinen Armen geheilt.⁹³ Wenn der Mond dort der Herrscher ist, wird er nach kurzer Zeit sterben. Wer in den Fischen erkrankt, dessen Symptome sind: seine Rippen, seine Haut, sein Nacken und sämtliche Innereien werden schmerzen. Seine Kraft wird abnehmen. Wenn es sich um eine Frau handelt, die in den Fischen empfängt, so wird sie viel Blut verlieren und nicht gebären,
92 Die beiden griechischen Eigennamen haben hier eine seltsame Erscheinungsform. Dem für gewöhnlich ar¯ıs geschriebenen Mars fehlt initiales Alif, dafür steht Waw, bei Aphrodite fehlt es ganz! 93 Sokoloff verweist auf den Gebrauch des Verbes sar im Sinne von ‚eine kranke Person mit Magie heilen‘, s. Sokoloff 2009: 1027.
fol. 223r
226 | 3 Übersetzung und Kommentar
fol. 223v
wenn du nicht (S. 468) Fruchtsaft (rubbå),⁹⁴ Weihrauch (lbun ttå)⁹⁵ oder Galbanharz ¯ (h.elbånåytå) anwendest. Es gibt auch [noch] sieben andere Kräuter: Syrische Steppenraute,⁹⁶ das ist die Steppenraute (peganum harmala),⁹⁷ yad ¯ın (?) und männlicher ¯ Reis (rūzå dekrå) (?) und Hagel[körner] (bardå)⁹⁸ und Weidenblätter (t.arpē¸ dah.lopå)⁹⁹ ¯ ¯ ¯ und Schilfblätter (t.arpē¸ d-qanyå), Artemisia,¹⁰⁰ beldå (?), wende es an ihr an. ¯ Weitere Art [der Vorhersage]: Im Widder: [es handelt sich um eine] schlimme Krankheit, er wird erkranken und Kopfschmerzen haben. Im Stier: Die Schenkel werden schmerzen, es gibt keine Heilung. In den Zwillingen: [der Kranke] wird Qualen erleiden, seine Schultern schmerzen. Im Krebs: Sein Bauch wird ihm Schmerzen bereiten. Im Löwen: wird [der Kranke] schnell gesund werden, seine Hüfte wird schmerzen. In der Jungfrau: wird [der Kranke] bedrängt. In der Waage: wird er sehr viel leiden müssen. Im Skorpion: sehr gut. Im Schützen: wird er leben. Im Steinbock: wird er den Tod erreichen. Im Wassermann und in den Fischen: wird er nicht in Not geraten, wenn zu dieser Zeit (wörtl. dort) ein guter Planet zu finden ist. Saturn und Jupiter lenken den Kranken. Wenn Mars [anwesend ist], dann wird [der Kranke] ohne Verstand sein, im Falle der Sonne wird er leiden, von Venus, dann wird er aus Liebe fallen. Bei Merkur, dann wird er eine Krankheit empfangen, und unter dem Mond wird seine Krankheit leicht sein. Vorhersage über einen Kranken aus dem Buch der Tierkreiszeichen: Wenn einer, der im Widder geboren ist und im Krebs krank wird, dreißig Tage übersteht, dann wird er nicht sterben. Wenn jemand in den Zwilingen geboren wird und in der Jungfrau erkrankt und 21 Tage überstanden hat, dann wird er nicht sterben. Wenn
94 Dieses Wort ist aus dem Arabischen rubb abgeleitet und wird bei Bar Hebraeus erwähnt, s. BBah: 707. 95 Das Ausräuchern von Dämonen war eine beliebte Methode, um Dämonen auszutreiben. Im Buch Tobit (6,15) wird der Dämon Ašmodai durch das Räuchern von Fischherz und -leber gebannt. Auch auf Soqotra und in Dhofar ist Weihrauch als Frauenheilmittel bekannt: „Women suffering from nausea in early pregnancy chewed pieces of the underbark or prepared tea from it.“ (Morris 2012: 105). 96 Baššåšå bezeichnet bei Bar Bahlūl zweierlei, zum einen den Fenchel (šammårå) und zum anderen die syrische Raute (šabbårå), was er mit arabischem h.armal ‚Bergraute‘ bzw. bizru l-h.armal ‚Saat der Bergraute‘ übersetzt, s. BBah: 439. Im folgenden Text wird das Wort in einer Glosse erklärt mit d-hū h.armal, ‚d. h. afrikanische Raute‘. Alle Bezeichnungen benennen ein und dieselbe Pflanze, das sog. peganum harmala, s. Löw 1924: 509. 97 Die auch als Harmalkraut, Harmalraute, syrische Steppenraute, wilde Raute oder englisch als esfand, Syrian rue, African rue, harmal bekannte Pflanzenart ist in Form ihres Samens im Nahen Osten zum Räuchern sehr beliebt. Bei Flattery/Schwartz 1989: 101ff. ist es dem Haoma gleichgesetzt. Die sonst im Syrischen verbreitete Form ist direkt aus dem Griechischen entlehnt und lautet mit Alif an: armalå < ἅρμαλα. Da die vorliegende syrische Form mit h. anlautet, liegt hier arabischer Einfluss nahe. 98 Ist damit wohl eigentlich bard¯ılå gemeint, was an anderer Stelle im SBM: 571,1 vorkommt? R. Voigt verdanke ich den Hinweis auf arab. bard¯ı ‚Cyperus papyrus, Papyruspflanze‘, s. Siggel 1950: 19. 99 Sonst hat das Wort für ‚Weide‘ die Form h.elåpå, s. Sokoloff 2009: 459f. 100 Bereits in der Antike war dieses Kraut bekannt als Heilkraut zur Behandlung von Frauenkrankheiten.
3 Übersetzung und Kommentar | 227
jemand im Stier geboren ist, im Löwen erkrankt und 27 Tage übersteht, wird er nicht sterben. Wenn jemand im Krebs geboren ist und in der Waage erkrankt, dann wird er sterben. Wenn jemand im Löwen geboren ist und im Skorpion erkrankt … und wenn jemand in der Jungfrau geboren ist, im Schützen erkrankt und sieben Tage durchsteht, dann wird er nicht sterben. Jemand, der in der Waage geboren ist und im Steinbock erkrankt, wird sterben. Jemand, der im Skorpion geboren ist und in den Fischen erkrankt, wird nicht sterben, wenn er 21 Tage übersteht. Und jemand, der im Schützen geboren ist und in den Fischen erkrankt, wird nicht sterben, wenn er acht Tage übersteht. Wer im Steinbock geboren ist und im Widder erkrankt … Wer im Wassermann (S. 469) geboren ist und im Stier erkrankt, wird nicht sterben, wenn er 22 Tage überstanden hat. Wer in den Fischen geboren ist und in den Zwillingen erkrankt, wird nicht sterben, wenn er 15 Tage überstanden hat. Darüber, welche Planeten guten Einfluss auf die Tierkreiszeichen haben: Die Sonne und der Mond sind gut für den Widder. Mond und Merkur sind gut für den Stier. Sonne, Jupiter und Mond sind gut für die Zwillinge und den Löwen. Sonne, Mond und Saturn sind gut für den Krebs. Sonne, Venus und Mond sind gut für die Jungfrau. Sonne, Jupiter und Merkur sind gut für die Waage. Mond, Merkur und Jupiter sind gut für den Skorpion. Sonne, Merkur und Saturn sind gut für den Schützen. Jupiter, Venus und Saturn sind gut für den Steinbock. Die Sonne, der Mond und Saturn sind gut für den Wassermann. Sonne, Mond und Venus sind gut für die Fische. Nun werde ich erklären und lehren, wie die Mondtage auf die acht Herrscher (malkē¸) verteilt sind: Tag 1 und Tag 9 gehören zu Venus. Tag 2 und Tag 11 gehören zu Mars. Tag 3 und Tag 12 gehören dem Drachen.¹⁰¹ Tag 4 und Tag 13 gehören Jupiter. Tag 5 und Tag 14 gehören Saturn. Tag 6 und Tag 15 gehören Merkur. Tag 7 und Tag 16 gehören dem Mond. Tag 8 und Tag 17 gehören der Sonne. Damit du weißt, welches Leiden die Planeten bei den Menschen und in ihren Körpern hervorrufen:¹⁰² Zunächst Saturn: Kopfschmerzen, Gicht (pawdgårūtå),¹⁰³ ¯ Frösteln (wörtl. Kälte), Keuchhusten, Atemnot (karyūt rūh.å), Wasseransammlungen ¯ (kn¯ıšūt mayyå). Jupiter:¹⁰⁴ Geschwüre der Kehle, Verstopfungen,¹⁰⁵ geschwollene ¯ 101 Hier vokalisiert als åttelyå, eigentlich åttalyå ‚Drachen‘, ‚Sonnen- bzw. Mondfinsternis‘. Diese Idee folgt der mesopotamischen bzw. aramäischsprachigen Tradition; im Syrischen findet sich daneben das griechische Fremdwort eql¯ıps¯ıs (< ἔκλειψις), s. a. 1.2.3.7. 102 Ein anderer Text zu Planeten und Krankheiten folgt im SBM: 551, s. Tetrabiblos 3.12, 3.13. ¯ grå (< ποδάγρα), s. Sokoloff 2009: 1160. 103 Die sonst übliche Form lautet poda¯ 104 Das Schema lässt auf den ersten Blick einen von der westlichen Astrologie verschiedenen Zweig erkennen. In der Tradition der griechischen und arabischen Astrologie (Dorotheos, Ptolemaios, Valens, Firmicus, Rhetorios, Abū Mašar) gilt Jupiter, als Entsprechung des Marduk, als Heiler aller Krankheiten, der (Krankheits-)Dämonen bannt. Ihm wird dort niemals die Verantwortung für ein Gebrechen zugeschrieben! Bei den Planeten (außer Jupiter und Sonne) passt das Schema einigermaßen auf das von Firmicus, s. Stegemann 1935–6: 115ff. 105 Es hilft hier ein Blick in die von Merx zu seiner Teiledition der Übersetzung der Galenschrift durch Sergius von Reš Ayna beigegebene Wortliste. Dort findet sich SKR, welches dem sūkkårē¸ an
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228 | 3 Übersetzung und Kommentar
Halsdrüsen,¹⁰⁶ Schmerzen im Rachen (lablebtå),¹⁰⁷ Schmerzen in der Leber. Mars:¹⁰⁸ ¯ ¯ Lähmung, Verdrehung der Beine, Hitze (Brennen), Sinnesverlust. Sonne: Unterleibsschmerzen, Schmerzen am Bauch/den Lenden und am Herzen. Venus: Skrofulose, (S. 470) Krätze (bezqånē¸), Juckreiz, Rotlauf,¹⁰⁹ und eine andere Krankheit (teplåtå). ¯ Merkur: Lähmung der Zunge, Taubheit, gewaltsamer Tod. Mond: Schwellung der Augenlider, Verschlechterung der Sehkraft,¹¹⁰ Erblindung, Schlafwandeln.¹¹¹ Wenn dieser Ort in Konjunktion steht, dann wird er ihnen auf diese Weise ein Ende setzen: Saturn: Ertrinken im Wasser. Jupiter: Durch ein Erdberben. Mars: Durch ein Schwert oder eine Lanze. Sonne: Mit einer Lanze. Venus: Durch Völlerei und Habgier. Merkur: Mit einer Axt und einem Hieb. Mond: Durch Gift. So sind die sieben Herrscher verteilt:¹¹² Man sagt, dass Saturn, welcher Zuh.al ist, über allem ist, im obersten Bereich des Windes und dem äußersten/entferntesten Sphärenkreis. Er hält sich in jedem Tierkreiszeichen dreißig Monate auf und vollendet eine Umrundung durch die zwölf Häuser in dreißig Jahren. Nach ihm kommt Jupiter, der Be¸l genannt wird. Er befindet sich genau in der Zone des Windes und auf dem zweiten Sphärenkreis. In jedem Haus bleibt er zwölf Monate. Er vollendet seinen Lauf durch alle Tierkreiszeichen in zwölf Jahren. Nach ihm folgt Mars, welcher Mar¯ık ist, ¯ er befindet sich in der Zone des Lichts/Feuers und auf dem dritten Sphärenkreis. In jedem Haus verweilt er anderthalb Monate und vollendet seinen Lauf in anderthalb Jahren. Ihm folgt die Sonne nach, welche genau auf der Zone des Feuers liegt und auf
dieser Stelle des SBM entsprechen sollte. Ullmann führt die Entsprechung, die Merx mit ἔμφραξις wiedergibt, als ‚Verstopfung‘ auf, s. Merx 1885: 240, Ullmann 2002: 239. Die Grundbedeutung der Wurzel SKR ‚schließen‘ legt die entsprechende Bedeutung nahe. 106 Merx hat für h.z¯ırtå χοιράδες mit der Bedeutung ‚geschwollene Halsdrüse, Kropf; Skrofulose‘, s. Merx 1885: 240. Das Syrische scheint hier das Griechische nachzuahmen, da das Wort χοιράδες ‚Skrofulose‘ etymologisch mit χοῖρος ‚Schwein, Ferkel‘ zusammenhängt, auch im Syrischen wird es aus der gleichen Wurzel wie ‚Schwein‘ (h.z¯ırå) gebildet. Zur griechischen Etymologie s. Chantraine 1968: 1266. 107 Hier vokalisiert als le¸be¸llabtå (?), wörtl. ‚Uvula‘, s. BBah: 940. ¯ ¯ 108 Auf ihn ist auch in der griechischen Tradition Fieberhitze in Verbindung mit Wahnsinn zurückgeführt bei Firmicus, Valens, Ptolemaios und Rhetorius. Bei letzterem auch Tod durch Fieberhitze, s. Stegemann 1935–6: 139ff. 109 Auch wenn hier abweichend mšaryūtå statt måšrå ‚skin inflammation‘ vorkommt, sollte das glei¯ che gemeint sein, s. Merx 1885: 241, Sokoloff 2009: 853. 110 Wörtl. ‚Verdunklung der Augen‘. 111 Wörtl. ‚Das zum Mond gehörige‘, die Mondsucht. 112 Ein ähnlicher Text ist bei Paulus Alexandrinus im 21. Kapitel seiner Εἰσαγογή enthalten, allerdings ohne die Angabe der Umlaufzeiten bzw. Aufenthaltszeiten in einem Haus. Interessanterweise geht der Passage eine Aufzählung einiger Verwendungszwecke dieses Wissens voraus, darunter ist auf die Nützlichkeit für Ärzte hingewiesen, die nicht nur Hilfestellung für ihre Diagnosen (und Gesundungsprognosen) suchen, sondern dieses Wissen auch für die Anwendung der Therapie (z. B. die Gabe bestimmter Heilmittel zu einer bestimmten Zeit) benötigen würden, s. Hand 1993: 39. Vgl. auch den Traktat des Basil SBM: 480–83, s. 1.5.5.2.
3 Übersetzung und Kommentar | 229
dem vierten Sphärenkreis. Sie verweilt dreißig Tage in jedem Haus. Sie vollendet ihren Lauf in einem Jahr. Nach ihr folgt Venus (balt¯ı), das ist Zuharah. [Sie liegt] in der Zone des Wassers und auf dem fünften Sphärenkreis. Sie ist fünfundzwanzig Tage in jedem Haus und vollendet ihren Lauf in zehn Monaten. Nach ihr folgt Merkur, der Nåbo¯ genannt wird, welcher Ut.ar(i)d ist. Er liegt genau auf der Zone des Wassers und auf dem sechsten Sphärenkreis. (S. 471) Er verweilt fünfzehn Tage in jedem Haus und vollendet seinen Lauf in sechs Monaten. Nach ihm folgt der Mond in der Zone des Wassers auf dem siebten Sphärenkreis und bleibt zweieinhalb Tage in jedem Haus. Er vollendet ¯ seinen Lauf in neunundzwanzigeinhalb Tagen. Das ist ihre Position (syåmhon).¹¹³ Jeder von ihnen ist zwei Häusern zugeordnet, die Sonne und der Mond jeweils einem.¹¹⁴ Die Häuser von Kewån, d. h. Saturn, sind Steinbock und Wassermann. Jupiter: Schütze (s.almå rabbå) und Fische. Mars: Widder und Skorpion. Sonne: Löwe. Venus: Stier und Waage. Merkur: Zwillinge (trē¸n s.almē¸) und Jungfrau. Das Haus des Mondes ist der Krebs. Über den Umlauf eines jeden Planeten: Zwei Umläufe des Saturn [dauern] sechzig Jahre. Fünf Umläufe des Jupiter [dauern] sechzig Jahre. Vier Umläufe von Mars [dauern] sechzig Jahre. Sechzig Umläufe der Sonne [dauern] sechzig Jahre. Hundertzwanzig Umläufe von Merkur [dauern] sechzig Jahre. Vorhersage über die Herrschaft der Wandelsterne und ihre Häuser: Die Ex¯ ¸ h) ist die altation (malkūtå) der Sonne ist der Widder, und ihre Depression (šeplē ¯ Waage.¹¹⁵ Die Exaltation der Venus sind die Fische und ihre Depression ist die Jungfrau. Die Exaltation des Merkur ist die Jungfrau und seine Depression sind die Fische. Die Exaltation des Mondes ist der Stier und seine Depression ist Skorpion. Die Exaltation von Saturn ist die Waage, und seine Depression ist der Widder. Die Exaltation von Jupiter ist der Krebs, und seine Depression der Steinbock. Die Exaltation von Mars ist der Steinbock, und seine Depression ist der Krebs.¹¹⁶ Wenn du in den Osten oder in den Süden gehen willst, gehe unter der Herrschaft (šult.ånå) einer dieser Planeten: Venus, Mond oder Merkur. Wenn du in den Westen gehen willst oder in den Norden, gehe unter der Sonne, Jupiter, Merkur oder Saturn.¹¹⁷
113 Das interessante ist die Vermischung verschiedener kosmologischer Modelle innerhalb einer Passage. Sowohl die siebengestaltige Sphärentheorie als auch die Aufteilung des Himmels in Bereiche nach den Elementen sind hier ineinandergeschoben, s. Edmonds 2003: 227. 114 Mit ‚Häusern‘ (båttē¸) sind die Domizile gemeint, s. 2.2.4.4. 115 Hypsoma bzw. Exaltation eines Planeten wird dasjenige Tierkreiszeichen genannt, in dem der Einfluss des Planeten am stärksten ist, die ihm gegenüberliegende Position mit dem schwächsten Einfluss ist die sog. Depression, s. Bouché-Leclercq 1899: 195. Die Termini stimmen nicht mit denen bei Bardesanes überein. 116 Zu den Vorläufern der Hypsomata s. Rochberg 1988: 147ff. 117 Mewån ist hier nur Druckfehler für handschriftlich korrektes w-kewån.
fol. 224v
fol. 225r
230 | 3 Übersetzung und Kommentar
fol. 225v
(S. 472) Weitere [Vorhersage] über das Reisen: Wenn der Mond im Widder steht, und sich jemand auf eine Reise begibt, dann wird er schleunigst umkehren und nach Hause gehen. Wenn der Mond im Stier [sic!] steht, dann wird [der Reisende] mit großem Reichtum zurückkommen. Wenn der Mond in den Zwillingen steht, wird er in ein fernes Land reisen und sich sehr lange dort aufhalten. Wenn der Mond im Krebs ist, wird er mit Freude nach Hause zurückkommen. Wenn der Mond im Löwen ist, soll er sich gegen das Böse schützen, denn das Böse kündigt sich am ersten Tag an. Wenn es am zweiten oder am dritten Tage wenig ist, dann deutet es vielmehr auf den Gestank des Weges hin. Wenn der Mond in der Jungfrau steht, dann wirst du lange Zeit von zu Hause weg sein, aber Böses wird dir nicht zustoßen. Wenn der Mond in der Waage steht, unternimm keine Reise, weil sie keine Freude bereithält. Es wird keinen Nutzen haben, weil du gleichmütig sein wirst. Weder Freude noch Traurigkeit wird sich einstellen. Wenn der Mond im Skorpion steht, wird sich deine Reise durch Handel und Gewinn auszeichnen. Wenn der Mond im Schützen steht, wirst du nach langer Zeit guter Dinge in dein Haus zurückkehren. Wenn der Mond im Steinbock steht, wird sich die Reise verzögern, und du wirst nicht dazu kommen, Gewinn einzubringen. Vollen Schaden wird dir diese Reise bringen. Wenn du im Steinbock zurückkehrst, wird dir kein Unglück geschehen. Wenn der Mond im Wassermann steht, dann nimm dich am ersten Tage in Acht und am zweiten und am dritten. Gute Dinge werden dir zukommen, und du wirst daraus Nutzen ziehen. Wenn der Mond in den Fischen steht, und du auf dem Weg in einen Kampf bist oder jegliches, das schlimm ist [machst], oder Tiere jagst oder Fische, dann wirst du gut und schön jagen. Wenn du aber irgendeine andere Sache anfängst, wird es nicht gut ausgehen. Wenn Gott ein Haus nicht bauen will, so mühen sich die Bauleute umsonst.¹¹⁸ Über die Mondtage. Jede Stunde wird mabadåtå genannt: Vom siebenund¯ zwanzigsten des Mondes bis zum dritten und einem halben, ist es nicht ratsam für dich, etwas zu unternehmen. Vom dritten und einem halben im Mond (S. 473) bis zum
118 Im syrischen Text ist hier keine Kennzeichnung des Psalmes zu finden, aber Budge verweist auf die alttestamentliche Provenienz: es handelt sich um Psalm 127,1. Salzer 2010, die die Verwendung biblischer Zitate in magischen Texten untersucht, führt diesen Psalm nicht auf. Bedeutender für magische Zwecke erschien Psalm 91. Auch das Handbuch Sefer Shimmush Tehilim, eine Sammlung von Psalmen für den magischen Gebrauch, hat Psalm 127 nicht im Inventar, s. Rebiger 2010. Die Version der Syro-Hexapla und der Pš¯ıt.tå sind gleichlautend, s. Jenner et al. 1980: 153, Hiebert 1989: 159.
3 Übersetzung und Kommentar | 231
elften ist es für alles angemessen, es zu tun. Vom zwölften des Mondes bis zum siebenundzwanzigsten kannst du alles tun. Wenn der Mond im Widder steht,¹¹⁹ ist es in den ersten fünfzehn Graden (mūrås)¹²⁰ gut, sich auf eine Reise zu begeben. Im Stier ist es folglich in den ersten fünfzehn Maßeinheiten (mnåwåtå) gut, sich auf eine Reise ¯ zu begeben. Du solltest die Erde mehrmals pflügen und säen. Du sollst umsichtig mit allen deinen Angelegenheiten sein. In den Zwillingen, in den ersten zehn Graden (mnåwåtå), siehe von jeglicher Arbeit ab. Im Krebs … Im Löwen in den ersten fünf¯ zehn Graden ist es gut sich auf eine Reise zu begeben. In der Jungfrau in den fünfzehn Graden kaufe und verkaufe, säe aus und bestelle den Weinberg. In der Waage … die ersten Grade gehe zurück auf den Weg. Im Skorpion in den ersten fünfzehn Graden, mach dich wieder auf den Weg. Jede Sache, die deine Hand berührt, wird zu deinen Gunsten ausfallen. Im Schützen in den ersten fünfzehn Graden ist es nicht gut für dich, etwas zu unternehmen. Im Steinbock … Weitere Vorhersage, wenn sich jemand auf eine Reise begibt: 1. des Mondes: Es lohnt sich den ganzen Tag, sich auf eine Reise zu begeben. 2. des Mondes: am Anfang des Tages. 3.: es ist nichts von Nutzen. 4.: den ganzen Tag. 5.: es ist nichts von Nutzen. 7.: es ist nichts von Nutzen. 8. [sic!]: es ist nicht gut. 9.: am Mittag. 11.: es ist nichts von Nutzen. 12.: es wird nicht(s) sein (?). 13.: den ganzen Tag. 14.: es ist nichts von Nutzen. 15.: Nicht gut. 16.: am Mittag. 17.: den ganzen Tag. 18.: Am Anfang des Tages. 19.: den ganzen Tag. 20.: den ganzen Tag. (S. 474) 21.: am Mittag. 22.: den ganzen Tag. 23.: es ist nichts von Nutzen. 24.: am Anfang des Tages. 25.: ebenso. 26.: um neun Uhr (?). 27.: den ganzen Tag. 28.: den ganzen Tag. 29.: den ganzen Tag. 30.: ebenso. Über die schlechten Tage des Monats: [Im] April der 3.,¹²¹ Mai der 6., 20., Juni der 3., 17., Juli der 6., 20., August am 1., 4., 15., September der 3., 10., 20., Oktober der 3., 6., 20., November der 3., 5., 11., Dezember der 3., 20., Januar der 2., 3., 11., 14., Februar der 7., 11., 20., 21., März am 4., 5., 20., 21.¹²² Wenn jemand an diesem Tag erkrankt, so wird er nicht (über)leben. Wenn jemand an ihnen geboren wird, wird er nicht (über)leben. Wenn jemand an ihnen ein Fest feiert, wird er sich nicht daran erfreuen. Wenn er sich auf eine Reise begibt oder zu einem Kampf, wird er von seinen Feinden besiegt werden. Wenn jemand einen Weinberg anlegt, wird er keinen Erfolg (damit) haben. Wenn er sich auf eine Reise begibt, wird ihm Böses widerfahren. Wenn er heiratet, wird er zugrunde gehen. Gemäß dem, was der lebendige Gott den Kindern
119 Diese Art des Zodiakallunars ist eine, die in vereinfachter Form, nämlich nach Tagen unterteilt, im CCAG einem Perser namens Zanatos zugeschrieben ist. Eine Probe: „Wenn der Mond im Widder steht, ist es gut zu reisen. … Am 2. Tag ist es günstig, Handel zu treiben. Der Kranke wird gerettet. Der Entlaufene wird gefunden. Es ist geeignet auszusäen. Fruchtbringend. Das Gestohlene wird gefunden … Es ist nützlich Erziehung zur Bildung zu gewähren. …“, s. CCAG IV: 139. 120 < gr. μοῖρα, der Plural ist wie in vielen anderen Fällen auf die oblique Akkusativform im Griechischen zurückzuführen. ¯ ist hier fälschlicherweise als nisan vokalisiert! 121 N¯ısan 122 Es folgt eine Dittographie, die Angaben für März sind versehentlich wiederholt.
fol. 226r
232 | 3 Übersetzung und Kommentar
fol. 226v
Israels über die Vermittlung von Mose (wörtl. durch die Hand) aufgetragen hat. Siehe dich vor und nimm dich in Acht so wie Gott den Ältesten befohlen hat. Denn Gott tut alles, was er will.¹²³ Über die guten Tage des Monats: Prüfe, an welchem Wochentag der Monat beginnt. Der 1. Tag eignet sich für alles. Der 2. Tag ebenso. Der 3. Tag [ist] böse und hart/schwierig, hüte dich vor der Befehlsgewalt. Der 4. Tag [ist] schlecht. Man soll an ihm keine Reise unternehmen. Der 5. Tag ebenso. Der 6. Tag [ist] gut, um eine Frau zu heiraten. Der 7. Tag ist gut. Ein Tag der Freude, mache an ihm, was immer du willst. Erfrage von deinem Befehlshaber und von (jeder)man, was auch immer dir beliebt, denn der Herr wird deine Werke in seiner Güte vermehren. (S. 475) Der 8. Tag ebenso, aber nicht geeignet für eine Reise. Der 9. Tag ist sehr gut. Tag 10 ebenso. Der 11. Tag ebenso, gut und günstig (šapp¯ır). Der 12. Tag ebenso. Am 13. Tag sieh zu, dass du nichts von jemandem verlangst, denn der Tag ist schlecht. Der 14. Tag ist gut und wer an ihm geboren ist, wird erfolgreich sein und viel wissen.¹²⁴ Der 15. Tag ist gut und wer an ihm geboren ist, wird taub und stumm (wörtl. seine Zunge hüten). Der 16. Tag ist gut. Der 17. Tag ist gut. Der 18. Tag ist gut, aber für eine Reise nicht geeignet. Du sollst nicht (los)gehen. Der 19. Tag ist günstig und gut. Der 20. Tag ist gut für diejenigen, die zurückkehren. Der 21. Tag ist schlecht und verflucht. Der 22. Tag ist gut. Der 23. Tag ist gut. Der 24. Tag ist schlecht, denn an ihm wurde der Pharao geboren.¹²⁵ Wer an ihm geboren ist, wird leben und dann getötet werden. Der 25. Tag ist bewölkt und ohne (Sonnen-)Licht. Wer an ihm erkrankt, wird sterben. Der 26. Tag ist gut für den, der sich auf eine Reise begibt. Der 27. Tag ist gut. Der 28. Tag ist gut. Der 29. ebenso. Der 30. Tag ist für alles [geeignet].
123 Eine ähnliche Reihe von Unglückstagen soll auch dem Propheten Esra offenbart worden sein, die dieser dann dem Volk Israel weitergegeben hätte: „C’est en ces jours qu’on réussit tout ce qu’on entreprend: pour acheter, vendre, bâtir, travailler un vigne, se marier, partir en voyage, pour commencer ou pour voyager sur mer pour visiter un malade, aller en guerre ou en justice.“ (Nau 1907: 14). Die Mittlerfunktion von Mose ist also eindeutig und in den Texten dieser Gattung ersetzbar. Die Tage sind zwar mit einer Anzahl von 32 Unglückstagen so viele wie die ägyptischen Tage, sehen aber von den Daten den Pariser Tagen recht ähnlich, s. 2.2.3.3. 124 Wörtl. ‚Besitzer von Wissen‘ (qånē¸ yulpånå). 125 Der Geburtstag des Pharao wird in Genesis einmal erwähnt, nämlich Gen 40,20. Eine spezielle Form der Lunare geht auf die Geburtstage heidnischer Gottheiten zurück, im 2. Jh. wurden diese Daten aber christlich uminterpretiert und durch heidnische Namen und Personen aus dem AT ersetzt bzw. mit biblischen Ereignissen gleichgesetzt (s. 2.2.3.3). Sie sind nicht nur in lateinischen, deutschen, sondern auch griechischen Lunaren der Spätzeit zu finden, s. Förster 1944, Müller 1971: 43. Ein Lunar, in dem am gleichen Tag der Geburtstag des Pharaos genannt wird, ist CCAG III: 83. Es ist in einer (laien)astrologischen Sammelhandschrift enthalten, die aus dem 13. Jh. stammt. Das Lunar ist weitaus vollständiger, nennt für jeden Tag die Entstehung/Geburt einer biblischen Figur oder eines Elements; der 3. Tag ist beispielsweise schlecht, weil Kain an ihm geboren wurde.
3 Übersetzung und Kommentar | 233
Vorhersage über die Ereignisse auf der Reise:¹²⁶ Wenn du aus deinem Hause gehst und dir ein Eber begegnet, dann ist es [ein] gut[es Zeichen]. Wenn dir ein Hund begegnet, hinter dir hergeht und dich anbellt, dann gehe nicht, wenn es möglich ist, weil es kein gutes [Zeichen ist].¹²⁷ Wenn es sich trifft, dass du einen Hund siehst, der aus dem Haus kommt, und sich über dich freut, dann gehe, weil es nützlich für dich sein wird. Wenn dir zwei Männer begegnen oder drei verheiratete Frauen, gehe, weil es gut ist. Wenn dir unverheiratete Jungen oder Mädchen begegnen, dann kehre um, weil es sehr viele Unannehmlichkeiten auf der Reise geben wird. Wenn dir verirrte Kamele begegnen, die dir entgegengehen, so wird dein Weg mit guten Dingen gefüllt sein. Wenn dir Stiere begegnen, dann kehre um, denn es bedeutet Ärger und Aufreibung für den Weg. Wenn du einen Mann siehst, der Wasser verschüttet und dabei sitzt, gehe, denn voller guter Dinge [wird deine Reise sein]. (S. 476) Und wenn du eine Frau siehst oder ein junges Mädchen, die immer wieder Dreck wirft (šådyå npåtå), dann verheißt das nichts Gutes. ¯ ¯ Wenn du hinausgehst und einen schwarzen Menschen siehst, dann ist das kein gutes Zeichen. Gehe nicht aus dem Haus! Über das Kaufen und Verkaufen. Wenn du etwas kaufen willst, dann stelle dir Folgendes vor: der Preis (zb¯ın ttå) ist die Sonne und der, der verkauft, von ihm soll ¯ der Mond der Ort der Unterscheidung sein, und der, der kauft, folgt dem Mond. Wenn jemand etwas verkehrt macht, kommt der Mond; der, der verkauft, verliert und wird nichts Gutes davon haben. Wenn jemand recht handelt, so bringt es dem, der verkauft, Gutes. Und jener, der kauft, ist der Verlierer. Weitere [Prognose]art über die Mondtage:¹²⁸ Damit du weißt, an welchem von ihnen es angemessen ist, etwas anzugehen. 1. des Mond[monats]: Dieser Tag ist gut für jedes Geschäft und um ein Testament zu schreiben und um jemanden in die Schule (bē¸t yulpånå) zu schicken und um Wein zu filtern, das Fundament für ein Haus zu ¯ legen. Etwas, das verloren ging, wird wieder gefunden, jemand der erkrankt ist, wird
126 Die hier verwendete Divinationsmethode heißt Apantomantie (zu gr. ἀπαντάω ‚begegnen‘), definiert bei Gessmann als „Wahrsagekunst aus Gegenständen oder auch Personen, die man beim Ausgehen auf seinem Wege antrifft“, Gessmann 1905: 34. Besonders das Begegnen einer Schlange sei als negatives Zeichen zu verstehen. 127 Ein Text aus Babylon listet Zeichen auf, die der Beschwörer auf dem Weg zum Patienten als Prognose für dessen Krankheitsverlauf deuten soll, z. B. „Wenn er entweder einen schwarzen Hund oder ein schwarzes Schwein sieht: Dieser Kranke wird sterben.“ (Heessel 2010: 17). Die maßgebliche Edition der Tafeln ist bei George 1991 zu finden. 128 Leicht zählt neben dem vorliegenden Text eine Passage des SM und ein Genizah-Fragment des 10. Jh. zum Standardrepertoire der Lunarialliteratur. Eine These der Abhängigkeiten stellt er aber nicht auf, s. Leicht 2006: 60, Shaked 1992, SM 1949: 88/137. Parallelen finden sich in einer arabischen Hemerologie, s. Young 1982.
fol. 227r
234 | 3 Übersetzung und Kommentar
fol. 227v
fol. 228r
sich erholen. Wer geboren wird, wird groß [und bedeutend] werden und ein guter Vater sein. Der Traum, den jemand an ihm [diesem Tag] sieht, wird sich in zwei Tagen erfüllen. 2. des Mondes: Geeignet, um allerlei Werke der Barmherzigkeit zu verrichten, auch um sich einer großen Persönlichkeit zu nähern und den Weinstock zurückzuschneiden.¹²⁹ Jeder, der sich zu einer großen Persönlichkeit flüchtet, wird gefunden. Der, der krank wird, dessen Krankheit wird schwer sein. Der, der [an ihm] geboren wird, wird groß sein, der auf eine Reise geschickt wird, wird schnell gehen. Ein Traum wird in drei Tagen in Erfüllung gehen. 3. An diesem Tag entstehen Winde und Wirbelwinde. Halte dich fern von jedem Geschäft, was auch immer es sein mag, unternimm gar nichts. Achte nur auf deinen Körper und auf dein Haus. Reise weder auf dem Meer¹³⁰ noch auf dem Festland, leihe nichts aus und verleihe nicht und säe nichts aus. Halte an ihm (dem Tag) kein Gericht ab. Der Flüchtige wird gefunden, und die Krankheit dessen, der erkrankt, wird schwer sein. Wer an ihm geboren wird, wenn er es denn überlebt, wird ein Dummkopf werden, und der Traum, den man an ihm sieht, ist falsch. 4. An diesem Tag (S. 477) ist Kaufen und Verkaufen gut, den Acker zu bestellen und zu handeln, und [es ist ein günstiger Tag] für die, die ein Haus bauen, und die vor Gericht gehen wollen. Der, der flüchtig war, und das, was eine Weile verloren war, wird bei einer großen Persönlichkeit gefunden, und der Dieb wird gefasst. Wer sich auf eine Reise begibt, wird eines [Last-]Tieres bedürfen, und wer in der Nacht erkrankt, wird langsam genesen. Wer [an diesem Tag] geboren wird, wird in viele schlechte Situationen kommen und nicht mitfühlend sein. Sein Schicksal ist schlecht. Ein [an diesem Tag geträumter] Traum wird am gleichen Tag eintreffen. 5. Hüte dich und kaufe keinen Sklaven.¹³¹ Falls du einen kaufen solltest, wird er weglaufen und nicht mehr gefunden werden. Pass auf, dass du nicht betrügst, einen Eid schwörst oder schwören lässt. Du musst wissen, dass, wenn du diese Dinge [trotzdem] tust, Problemen Tor und Tür geöffnet werden. Was verloren ist und wer entlaufen ist, wird gefunden, und wer [an diesem Tag] geboren wird, wird schlau. Ein Traum wird nach zwei Tagen in Erfüllung gehen. 6. Gut für diejenigen, die auf die Jagd gehen, oder zu einer Feier und um Besitz zu verkaufen oder anzuschaffen. Wer an ihm geboren wird, wird leben. Wer an ihm erkrankt, wird gesund. Die Entlaufenen und die verloren [geglaubten Dinge] werden gefunden. Ein Traum erfüllt sich am gleichen Tag. 7. des Mondes: Dieser Tag ist geeignet für alles, was man mit der Hand macht, um ein Beet zu säen, jemanden zur Schule (bē¸t seprå) zu schicken und einen Sklaven zu kaufen. Was verloren ist und ¯ wer entlaufen ist, taucht wieder auf. Wer [an ihm] krank wird, überlebt. Wer [an ihm] geboren wird, wird groß und ein bedeutender Schäfer (rab rååwåtå). Ein Traum wird ¯ sich am gleichen Tag erfüllen. 8. Unternimm an diesem Tage keine Reise. Gut für diejenigen, die in eine Schlacht ziehen. Wer krank wird, leidet. Wer an ihm geboren wird,
129 Wörtl. „den Wein zum Hauptstock zurückbringt“ d-nahpek h.amrå l-dannå. ¯ 130 Hier wohl Verschreibung b-h.ammå. 131 Zu Sklaven in prognostisch-divinatorischen Texten s. Kudlien 1991: 67–134.
3 Übersetzung und Kommentar | 235
ist zerissen. Ein Traum erfüllt sich nach zwei Tagen. 9. Alles, was du an diesem Tag anpackst, ist erfreulich und zu deinem Vorteil. Gut für den, der sich etwas borgt oder verleiht. [Ebenso] für den, der etwas anpflanzt, und den, der [mit einem Anliegen] vor den König tritt. Was verloren ist, taucht wieder auf. Wer [an diesem Tag] geboren wird, [über]lebt und wird viel Gutes tun. Wer krankt wird, erholt sich [wieder]. Ein Traum erfüllt sich am gleichen Tag. 10. Schütze dich an diesem Tag vor allem. Kaufe nichts und verleihe nichts, denn es wird dir nicht zurückgezahlt. Wer [an ihm] geboren wird, wird (S. 478) im Exil unter schlechten Umständen leben. Ein Entlaufener kommt gefesselt zurück. Ein Traum wird in sechs Tagen in Erfüllung gehen. 11. Dieser Tag ist gut für alles, woran du Hand anlegst, und für die, die Sklaven kaufen, Besitztümer erwerben, für Handeln und Pflanzen, für das Ernten von Früchten, um eine Reise zu beginnen, für den, der sich [bereits] auf einer Reise befindet, und im Hause des Herrschers. Geeignet für ein Fest, zum Errichten eines Hauses und für den, der ein Verwalter ist. Ein entlaufener [Sklave] kommt schnell zurück. Wer [an diesem Tag] geboren wird, ist ein großer Mann. Sein Los ist günstig und er wird sich freuen. Ein Traum erfüllt sich nach vier Tagen, und [das ist] wahr. 12. des Mondes: Hüte dich vor Streit, schneide nicht dein Kopf[haar] noch deinen Bart und wasche die Haare nicht. Günstig für die, die einen Weinberg abernten und den Wein zurückschneiden. Der entlaufene [Sklave] bleibt verschwunden. Der, der krank wird, ist eine Weile krank und dann lebt er. Wer an ihm geboren wird, hat viele Krankheiten und ist ein Streithahn. Ein Traum geht am gleichen Tag in Erfüllung. 13. Dieser Tag ist gut für alles, was du machst, für ein Fest, um zu verreisen, zum Handeln und zum Geschlechtsverkehr. Wer entlaufen ist und was verloren ist, taucht wieder auf. Wer krank wird, gesundet. Wer [an ihm] geboren wird, lebt und sein Schicksal ist günstig. Ein Traum wird sich nach fünfzehn Tagen bewahrheiten. 14. Gehe nicht zu einer Wahl und kaufe kein Tier. Der, der krank wird, erholt sich. Was verloren ist, bleibt versteckt. Wer an ihm geboren ist, wird verachtenswert. Ein Traum bewahrheitet sich nach sechs Tagen. [Das ist] wahr. 15. Geeignet, um ein Fundament zu legen und auszusäen. Schwöre nicht und lasse nicht schwören. Was verloren ist und wer entlaufen ist, wird an einem anderen Ort wiedergefunden. Wer an ihm geboren wird, hat Erfolg. Wer an ihm krank wird, dessen Krankheit zieht sich eine Weile hin. Ein Traum wird sich nach zwei Tagen als Täuschung erweisen. 16. Geeignet für alles. Jemand, der zur Jagd geht oder in den Kampf zieht wird schnell fündig. Was verloren ist, wird nach zwei Tagen gefunden. Wer erkrankt, erholt sich wieder. Wer geboren wird, ist ein großer Mann. Ein Traum wird sich nach drei Tagen bewahrheiten. (S. 479) 17. Hüte dich davor zu handeln und einen Schwur abzulegen. Schere nicht dein Haupt noch deinen Bart. Was verloren ist, wird nicht wieder gefunden. Wer krank wird, erhebt sich [wieder] in einem schlimmen Zustand. Wer an ihm geboren wird, wird ein Weiser sein. Ein Traum bewahrheitet sich am gleichen Tag und wird gut [sein]. 18. Gut für alles, was du machst, zum Kaufen und Verkaufen, um eine Reise zu beginnen, für Geschlechtsverkehr, den Acker vorzubereiten und um zu ernten. [Gut] um etwas anzupflanzen. Entlaufene und Verlorenes werden schnell wieder gefunden. Wer [an diesem Tag] geboren wird, soll ein großer Mann werden. Ein Traum
fol. 228v
236 | 3 Übersetzung und Kommentar
fol. 229r
wird sich an diesem Tag erfüllen und er ist gut. 19. An diesem Tag ist es gut für dich, ein Fundament zu legen, um auszusäen, die Ernte einzuholen, eine Leiter zu erklimmen ¯ und um Kinder in die Schule zu schicken (e.skolå)¹³² und in eine Schlacht zu ziehen. Entlaufene und Verlorenes werden gefunden. Wer [an diesem Tag] geboren wird, wird ein Anführer. Wer krank wird, wird sehr krank sein. Ein Traum wird sich nach zwanzig Tagen als wahr erweisen. Wahrhaftig. 20. Verlasse dein Haus nicht, verrichte deine Arbeit nicht. Was verloren ist und wer entlaufen ist, tauchen nicht auf. Wer an ihm geboren wird, hat viele Krankheiten. Der Traum wird sich als Täuschung herausstellen. 21. Günstig für die Jagd. Du sollst dich [aber] vor allem hüten, vor Geschlechtsverkehr, vor Kaufen und Verkaufen. Wer entlaufen ist, wird gefangen aufgefunden. Wer erkrankt, hat Schmerzen und erholt sich dann. Der [an ihm] geboren ist, wird viele Krankheiten haben. Ein Traum wird sich nach zwei Tagen bewahrheiten. 22. Wer an ihm geboren wird, lebt lang und wird ein großer Lügner. Wer krank wird, stirbt. Es ist gut an ihm zu pflügen und eine Frau zu heiraten. Wer an ihm geboren wird, stirbt durch einen Schwerthieb. Die Träume [an diesem Tag] sind zahlreich und verführerisch. 23. Es ist gut zu verkaufen und zu kaufen, ein Fest zu veranstalten, Geschlechtsverkehr zu haben, und für die Jagd. Was verloren und wer entlaufen ist, werden wieder gefunden. Wer [an ihm] geboren wird, wird von einem wilden Tier gefressen. Der Traum [dieses Tages] ist eine Täuschung. 24. Gut für die, die an ihm Ackerbau betreiben und handeln. Wer erkrankt, wird eine Weile krank sein. Wer an diesem Tag geboren wird, ist bei Kräften und dem Ende nahe. (S. 480) Ein Traum wird sich als Täuschung erweisen. 25. Sieh ab von allem, was du tun willst. Wer an ihm geboren wird, wird leben. Ein entlaufener [Sklave] und verlorenes [Eigentum] tauchen nicht wieder auf. Wer erkrankt, stirbt. Gut für die Jagd. Ein [geträumter] Traum erfüllt sich nach zwei Tagen. 26. Verhandle mit allem. Schneide nicht deine Haare und deinen Bart. Keiner, der etwas von dir borgt, wird dich übers Ohr hauen, denn mit Dank wird er es dir zurückgeben. Gut für die, die ein Fest veranstalten. Wenn du Wein anbaust, wird er wachsen. Alles, was du tust, wird gelingen. Wer an ihm geboren wird, lebt. Ein entlaufener [Sklave] und ein verlorener [Gegenstand] tauchen wieder auf. Wer erkrankt, erholt sich. Ein Traum erfüllt sich und es ist gut. 27. Es ist gut, zu handeln, von einem zu einem anderen Ort zu gehen und Kinder abzustillen. Wer an ihm geboren wird, lebt und ist … Wer erkrankt, wird geheilt. Ein flüchtiger [Sklave] wird gesehen. Der Traum erfüllt sich nach 6 Tagen. 28. Es ist günstig, etwas anzupflanzen, ein Fest zu feiern, und für alles. Wer an ihm geboren wird, hat viele Krankheiten. Wer geflohen und was verloren ist, bleibt verborgen. Ein Traum wird sich am selben Tag bewahrheiten und schlecht sein. 29. Gut zum Kaufen und Verkaufen. Gut, um mit einer Gesandschaft zu gehen und Rat zu suchen. Wer [an ihm] geboren wird, lebt mit [ständiger] Krankheit. Das, was verloren ist, und der, der entflohen ist, werden nicht wieder auftauchen. Wer krank wird, erholt sich. Wer [an ihm] geboren wird, lebt in Reichtum. Nicht geeignet für Feste. Der Traum wird
132 Dieser Abschnitt und die folgende Schlacht fehlen in Budges Übersetzung.
3 Übersetzung und Kommentar | 237
in sieben oder zwölf [Tagen] in Erfüllung gehen. 30. Günstig für alles, zum Geben und Nehmen. Wer erkrankt, [über]lebt. Das, was verloren ist, und der, der entlaufen ist, tauchen wieder auf. Wer an ihm geboren wird, wird reich sein. Er wird beliebt unter seinen Mitmenschen, so Gott will. Seine Träume sind schlecht. Hüte dich vor ihnen! Es ist zu Ende. Ehre sei Gott. (šlemw wa-l-yåh šubh.å). ¯ Aus dem Traktat des Basil: von der Bewegung des Himmelskreises:¹³³ Weil du von mir wissen wolltest, o Freund der Wissenschaft, wie der Lauf des Himmels sei, sage ich dir nach bestem Wissen und Gewissen,¹³⁴ dass man wissen muss, dass der Himmel von allen Seiten rund ist. Beständig und ohne Pause dreht er sich (S. 481) von Osten nach Westen. Die Erde liegt in seiner Mitte wie ein Ei.¹³⁵ In der Bemessung des Abstands von Himmel und Erde, [ist festzustellen, dass] der Himmel von ihr an allen Seiten [gleich weit] entfernt ist. Der Tierkreis,¹³⁶ welcher den Monaten des Jahres entspricht, umfasst die Ausdehnung der Himmelssphäre, [und ist] geneigt (zl¯ımå¯ıt), [d. h. er befindet] sich zur Hälfte auf der Südseite, so dass April und Okto¯ ber [jeweils] genau von Osten [als erste Monate nach den Wendepunkten] aufzusteigen [scheinen], die anderen (wörtl. restlichen) Wintermonate [aber] vom Süden über die Erde aufsteigen, d. h. Oktober und November, Dezember, Januar, Februar und März. Die Sommermonate steigen vom Norden über die ganze Erde auf: April, Mai, Juni, Juli, August und September. Jeder einzelne dieser Monate ist [nochmals] in dreißig Teile unterteilt. Die Summe von Abschnitten, in die der ganze Himmel unterteilt ist, [beläuft sich also auf] 365. Jeder Abschnitt entspricht einem Tag. Einer von diesen Teilen läuft mehr oder weniger [genau] jeden Tag von Westen nach Osten, so dass seine Reise alle dreihundertfünfundsechzig [Tage] durchläuft. Die Sonne und die sechs Planeten durchwandern die Tierkreiszeichen von Westen nach Osten. Die Sonne wechselt [ihren Ort] durch ihre Schnelligkeit jeden Tag von Osten nach Westen. Die sieben Planeten sind nicht gleichermaßen auf einen Ort gesetzt, so dass ihr Umlauf gleich wäre. So ist ¯ os) ¯ genannt wird, auf der äußersten Sphäre geleSaturn (ke¸ wån), der Chronos (qron gen und vollendet seinen Umlauf in dreißig Jahren, um zu dem Abschnitt zu gelangen, von dem er losgegangen ist. Der Ort an dem er verweilt, ist von Wasser. Der Planet Ju¯ genannt wird, ist an dem Ort des Wassers gelegen und im piter (bē¸l), der Zeus (zos) zweiten Kreis der Sphäre. Er vollendet seinen Lauf in zwölf Jahren. Unter ihm ist Mars
133 Der Traktat ist in der vatikanischen Handschrift Vat. sir. 516 zu finden, s. Villey 2011–12: 84, s. 1.5.5.2. 134 Wörtl. ‚nach meiner Kraft‘ (ay k h.ayly ). ¯ 135 Das Bild vom Ei dient auch Jakob von Edessa (Hexaemeron 51a) als Vergleich zur Lage der Erde innerhalb des Kosmos, allerdings ist es dort sehr viel ausgefeilter auf den weißen Punkt inmitten des Dotters bezogen, s. Wilks 2008: 225. Sie verweist auch auf den ersten Beleg bei Empedokles, bei dem das Bild in umgekehrter Reihenfolge – die Erde entspricht der Eierschale – auftaucht, s. Kirk/Raven 1963: 47–48. Das Ei erscheint auch in der iranischen Kosmologie: dort ist es die Sphäre des Himmels, die die ganze Schöpfung wie ein Ei umschließt, s. Bailey 1943: 120–48. 136 Wörtl. ‚Krone des Tierkreises‘ (kl¯ılå d-malwåšē¸). ¯
fol. 229v
fol. 230r
238 | 3 Übersetzung und Kommentar
fol. 230v
gelegen, am Ort des Feuers, im dritten Kreis der Sphäre. Er vollendet seinen Lauf in anderthalb Jahren. Darunter ist die Sonne gelegen, am Ort des Feuers, (S. 482) im vierten Kreis der Sphäre. Sie vollendet ihren Lauf in einem Jahr. Unter ihm ist der Stern Venus (balt¯ı) gelegen, der Aphrodite genannt wird, am Orte des Windes, im fünften Sphärenkreis. Unter ihr …¹³⁷ am Ort des Windes, in der siebten Sphäre. Er vollendet seinen Lauf in 29 einhalb Tagen.¹³⁸ Vom Mond aus sind vier Elemente (est.ūksē¸) [folgendermaßen] plaziert: Erde, Wasser, Feuer und Luft.¹³⁹ Weil die Hälfte des Himmels über der Erde und die andere Hälfte unter der Erde ist, dreht sich der Himmel jeden Tag zu den Lichtern, wobei die Sonne in der Nacht unter der Erde auf der Nordseite ist und während des Tages über der Erde auf der Südseite. Weil die Sonne in die Tierkreiszeichen, die weit von der Erde entfernt sind, in den Süden eintritt, entsteht im Winter Frost. Und weil sie [andererseits] im Sommer in den Tierkreiszeichen einkehrt, die nahe zur Erde sind, entsteht Hitze und verbrennt die Erde. Sie brennt, weil an genau zwei Tagen im Jahr die Sonne über ihr steht zu Beginn des Juli, weswegen an diesem Ort kein Mensch lebt. Würde die Sonne direkt über die Erde wandern, würde sie wegen ihrer Größe alles anzünden, denn sie ist achtzehn mal so groß wie die Erde und ihr beständiges Feuer kann nicht ausgelöscht werden. Manchmal zeigt sich uns, dass, wie sie sagen, die Sonne und der Mond sich verdunkeln. Dies, so behaupten die Gelehrten in diesen Dingen, sei der Beweis, dass der Mond von der Sonne beleuchtet wird und uns leuchtet, wenn die beiden Lichter sich nähern und eins dem andern gegenübersteht (sie in Opposition stehen), wie sie sagen, im Gleichgewicht stehen, eines auf der einen Seite der Erde, das andere auf der anderen Seite der Erde. Die Erde hindert die Strahlen, vom Mond wahrgenommen zu werden, denn die Sonne verläuft unterhalb von ihr, (S. 483) sodass es nicht geschehen kann, dass der Mond sich verdunkelt, außer wenn er fünfzehn Tage alt ist wie es so nach altem Brauch ist. Auch die Sonne verdunkelt sich nicht, wenn nicht der Mond geboren ist. Zweimal im Jahr verdunkele sich der Mond, behaupten sie. Wenn er sich über der Erde verdunkelt, dann sehen wir ihn, wenn er sich unter der Erde verdunkelt, dann sehen wir ihn nicht.¹⁴⁰
137 Offensichtlich fehlt hier die Nennung von Merkur, der Rest der Mondbeschreibung folgt. 138 Budge ergänzt in der Übersetzung aus der Passage mit Planetennamengleichungen SBM: 470f. 139 Dem Traktat ist die aristotelische Vorstellung eines Himmels mit 8 Sphären bekannt. Diese sind vertreten durch die 7 Planeten und die Himmelssphäre, dort sind nach aristotelischer Vorstellung die Fixsterne angebracht. Inmitten des ganzen Gebildes befindet sich der Mond mit der Erde und den vier Elementen, s. Rochberg 2010: 146. Die Elemente erscheinen aber hier nochmals als Sphären: Saturn und Jupiter auf der Wassersphäre, Mars und die Sonne auf der Feuersphäre, Venus, Merkur und der Mond auf der Windsphäre. Diese Anordnung ist im Traktat über die Umlaufzeiten der sieben Herrscher vertauscht, s. SBM: 470. 140 Ähnlichkeiten zum Pseudo-Dionysios (s. u.) sind nicht zu leugnen. Man mag auch hier an iranische Elemente denken. Der Unterschied ist, dass es sich hier eher um den Versuch einer wissenschaftlichen Beschreibung handelt anstelle einer rein mythologischen Annäherung.
3 Übersetzung und Kommentar | 239
Die Namen der Tierkreiszeichen: (Als erstes) April [ist] Widder, Mai [ist] Stier, Juni Zwillinge, Juli Krebs, August Löwe, September Jungfrau, Oktober Waage, d. h. qišlåmå, November Skorpion, Dezember Schütze, d. h. qeštå, Januar Steinbock, Februar Wassermann, März Fische.¹⁴¹ Das sind die Bilder, die in den Himmel in die Tierkreiszeichen eingemeißelt sind. Neben ihnen wird der Name des Orion (gan bbårå ¯ genannt, welcher südlich vom Tierkreis liegt. [Ferner] der Hund des Orion, arnon) das Kreuz der Lehre (?) (s.l¯ıbå d-yulpånå) welche nördlich des Tierkreises liegen. Die ¯ ¯ sieben Tage der Woche sind nach den Lichtern genannt: Sonntag nach der Sonne, Montag nach dem Mond, Dienstag nach Mars, Mittwoch nach Merkur, Donnerstag nach Jupiter, Freitag nach Venus, Samstag nach Saturn.¹⁴² Jeder einzelne von ihnen [beherrscht] an seinem Tag die erste Stunde, und danach [folgt] der nächste. Und so unterteilt Stunde um Stunde das ganze Jahr in Tag und Nachstunden. Es sind insgesamt achttausendsiebenhundertsechsundsechzig Stunden.¹⁴³ Über Finsternisse.¹⁴⁴ Vorhersage über den aufsteigenden (Anabibazon)¹⁴⁵ und den absteigenden Knoten (Katabibazon)¹⁴⁶ und die Lenkung der Welt: Es handelt sich hier um eine Mondfinsternis. Sie befindet sich weit weg von der Sonne im siebten Tierkreiszeichen (burˇgå).¹⁴⁷ Dies ist der Beweis: Wenn der Kopf des Drachen oder sein Schwanz im siebten Zeichen der Sonne steht, befindet sich der Mond in dem Zeichen, in dem der Schwanz des Drachens ist. Es vollzieht sich eine (S. 484) Mondfinsternis am vierzehnten Tage des Mondes. Die (Vor)zeichen, die an ihr [zu finden] sind, wenn sie stattfindet: betrachte ihre Farbe: Wenn sie schwarz ist,¹⁴⁸ dann wird Unterdrückung [vorherrschen], und es wird viel Wind im Mai geben, das Vieh wird sterben und Angst wird die Menschen ereilen. Und wenn sie schwarz ist und etwas rot [beigemischt ist], so wird es Pest und Totschlag geben, Infektionswunden und Windpocken. Wenn
141 Zu den abweichenden Namen s. 2.4.2.3. 142 Paradoxerweise ist die Idee der Wochentagsbenennung nach Planetengöttern von den Syrern übernommen, obwohl die Wochentage im Syrischen und in den meisten anderen semitischen Sprachen schlichtweg nummeriert sind. Freitag ist wahrscheinlich nach dem hebräischen æræb-šabbåt, ¯ ¯ dem ‚Vorabend des Schabbat‘ so benannt. Ein ähnlicher Text ist auch im Arabischen bei Ibn an-Nad¯ım überliefert, s. Chwolsohn 1856, Bd. 2: 22. 143 Dieser Wert entspricht einer Jahreslänge von 365,25 Tagen, d. h. die Schaltjahre sind mitberücksichtigt. 144 Dieser Kurztitel ist eigentlich nur Randnote. 145 < gr. ἀναβιβάζων [συνδεσμός] ‚aufsteigender Knoten‘, s. Bouché-Leclercq 1899: 122. 146 < gr. καταβιβάζων [συνδεσμός] ‚absteigender Knoten‘, s. Bouché-Leclercq 1899: 122. 147 Das arabische Fremdwort, sowie die Idee vom Finsternisdrachen, der als eigener Himmelskörper fungiert, eine Lehre, die in der arabischen Astrologie vertreten war, weisen auf Entlehnung aus dem Arabischen hin. 148 Im EAE finden sich auf Tafel 16 und 17 Vorhersagen zu Mondfinsternissen mit verschiedenen Farben, allerdings immer in Verbindung mit einer weiteren Voraussetzung (einem Datum, einer Tageszeit etc.). Zum ersten Mal taucht diese farbliche Variation in neuassyrischen Abschriften der Finsternistafeln auf; dort immer in der Reihenfolge: weiß, schwarz, rot, gelb, s. Rochberg-Halton 1988: 55f., vgl. auch die aramäischen Ominatexte zu Finsternissen aus der Genizah bei Leicht 2006: 63f.
fol. 231r
240 | 3 Übersetzung und Kommentar
fol. 231v
sie gelb, d. h. leuchtend,¹⁴⁹ ist, werden Nierenkrankheiten ausbrechen, die Früchte der Bäume und die Gräser werden zugrunde gehen. Vögel und Tiere werden sterben. Wenn ihre Farbe wie Staub ist, wird in diesem Jahr Knappheit [herrschen], es wird Schnee, Eis und Kälte geben und die Tiere werden sterben. Dort, wo der Kopf des Drachen ist, wird es gute Dinge geben, dort, wo sein Schwanz ist, ungute. Und wenn die Finsternis nahe der Himmelsmitte stattfindet, [direkt] über der Erde, dann werden Paläste und Könige … von Blut. Und wenn sie in Richtung des Ostens stattfindet, [gibt es viele] Früchte, Kinder und Fundamente.¹⁵⁰ Wenn sie Richtung Westen stattfindet, betrifft es alte Männer und Tote. Wenn es geschieht, dass der ganze [Mond] verdunkelt ist, dann wird die Sache, die geschieht, der ganzen Welt geschehen. Wenn sie auf einer Seite stattfindet, so geschieht, was geschieht, dort, wo sie war. Wenn es gelbe oder schwarze Stellen gibt oder dunkle [Flecken], so sind sie von ¯ os) ¯ ist. Wenn es weiße [Stellen der Natur des Saturn (ke¸ wån), welcher Chronos (qron ¯ rote von der Natur des Mars. Wenn gibt, so sind diese] von der Natur des Jupiter (zos), die Farbe gelb ist, von der Art der Venus. Wenn es wechselnde Farben sind, sind sie von der Art des Merkur. In ihrem Aussehen ist jeder an seinem Ort. [Weiteres] über Mond- und Sonnenfinsternisse: (S. 485) Wenn sie in der Waage, im Wassermann oder in den Zwillingen stattfindet, zeigt dies eine Pest an, die die Menschheit auf der ganzen Welt [befällt]. Wenn es im Widder, Löwen oder Schützen eine Finsternis gibt, verursacht sie [noch] mehr Übel und bedeutet Hungersnot und Krieg auf der ganzen Welt, Zerstörung von Städten, Pest unter Tieren, Vieh und Vögeln, mehr noch unter Kamelen und Schafen. Diese Verluste bringt [die Finsternis] über sie, am meisten über die Gebiete, denen die Tierkreiszeichen nahe sind. Wenn sie im Skorpion, in den Fischen und im Krebs stattfindet, so bringt sie Wasserknappheit über alle Menschen in den Regionen, denen die Tierkreiszeichen nahe sind. Sie werden von einem Ort zum anderen wegen der Wasser- und Nahrungsmittelknappheit fliehen [müssen]. Auch die Fische und alles, was in der Feuchtigkeit
149 Es könnte auch amethystfarben gemeint sein, wenn man nach Sokoloff 2009: 396 zarå durch zargå ersetzt. Sowohl die Glosse an sich, als auch der arabische Ursprung der Farbbezeichnung und ¯ lassen darauf schließen, dass es sich hier um eine Übersetzung aus der Bezeichnung für Pest .tåon dem Arabischen handelt. Zur ptolemäischen und allgemein hellenistischen Finsternisvorhersagen s. Bouché-Leclercq 1899: 348–355. 150 Es ist anzunehmen, dass die Prognose für die betroffenen angesprochenen Bereiche bekannt waren. Sowohl die Beobachtung der Reihenfolge der Verdunklung der vier Mondquadranten als auch die Feststellung, wie viel vom Mond überhaupt noch sichtbar war (z. B. in The Old Babylonian Celestial Omen Texts), sind Parameter babylonischer Himmelsdivination. Die Beobachtung wurde später mit der Fingermaßmethode weiter präzisiert, was wiederum nur in den Kommentaren der Texte auftaucht, s. Rochberg-Halton 1988: 49. Budge gibt in seiner Edition an, dass in der Handschrift auf derselben Seite in marginem folgende Randnote zu finden ist: Der Finsternisdrache verweilt 17 Tage und sechs Stunden in jedem Tierkreiszeichen (burˇgå), das sind zusammen 207 Tage; weil es 12 Häuser gibt, kommt diese Summe zusammen.
3 Übersetzung und Kommentar | 241
lebt, wird knapp sein. Wenn sie in der Jungfrau, im Steinbock oder im Stier stattfindet, wird es unter den Menschen Knappheit an Früchten, Schafen und allem Getreide geben. Sogar die Erde wird Mangel haben, und Früchte und Wurzeln werden nicht wachsen und es wird keinen Regen geben, besonders in den Regionen, denen die Tierkreiszeichen nahe sind. [Weiteres] über die Finsternis, damit du weißt, an welchem Tag sich der Mond verdunkelt: Eine Finsternis wirkt für zweihundertundsieben Tage,¹⁵¹ berechne [daher] so vom Tag, an dem es eine Finsternis gab, indem du 207 Tagen addierst. Richte deine Aufmerksamkeit, wenn du [alles] bedacht hast, auf den fünfzehnten des Mondes, das ist [der Tag], an dem er voll ist, und in welchem angstvollen (qann¯ı.ttå) Grad sich der aufsteigende Mondknoten (Anabibazon) befindet, dort findet die Finsternis statt. Wenn er mehr als zwölf Grad entfernt ist, findet sie nicht statt. Achte darauf, in welcher Stunde der fünfzehnte Tag zu Ende geht und in welcher der sechzehnte anfängt. Behalte dies ganz genau, denn [es verhält sich so], wenn der fünfzehnte Tag zu Ende geht und keine Finsternis zu sehen ist, so vollzieht sie sich unter der Erde. Wenn jener Tag, der fünfzehnte, (S. 486) in der Nacht zu Ende geht, und in ihr der sechzehnte beginnt, wisse, dass die Finsternis sichtbar über der Erde stattfindet. Wenn du das Haus des aufsteigenden und des absteigenden Mondknotens in Erfahrung bringen willst: Ziehe von den Jahren des Alexanders tausendachthundertfünfunddreißig [1835] ab. Das, was übrigbleibt, dividiere durch zweihundertachtundvierzig [248]. Ich habe es so gerechnet, wie es geschrieben steht, und von zweitausendzwanzig [2020] blieben hundertfünfundachtzig [185] übrig.¹⁵² Das, was übrig bleibt, multipliziere mit neunzehn, und du erhältst dein Ergebnis. Zähle dann eins von dreien von dem, was dir übrig ist [= ein Drittel], dazu. Wenn du es durch 248 geteilt hast, schau, was insgesamt übrigbleibt. Dann nimm die Tage von Anfang Elul bis zu dem Tag, den du willst, und multipliziere sie mit drei, addiere danach ein Sechstel davon dazu. Teile dann die ganze Nummer durch dreihundertsechzig [360]. Das, was übrig bleibt und dreihundertsechzig [360] nicht übersteigt, teile es zu jeweils dreißig auf jedes Haus auf, beginnend mit der Waage. Dann, wenn die Zahl vollendet ist und sich auf [eine Zahl] unter dreißig beläuft, hast du den aufsteigende Knoten [gefunden]. Zähle sieben Häuser [weiter], dort ist der absteigende Knoten.¹⁵³
151 Aus babylonischen Texten sind verschiedene Zeitspannen bekannt, auf die eine Finsternis einwirkt. Es werden drei verschiedene Finsternisarten unterschieden je nach der Tageszeit, zu der sie stattfinden. Die „period of the eclipse of the middle watch is six months and twenty days“, was ganz ungefähr an diesen Zeitraum herankommt, s. Koch-Westenholz 1995: 106. 152 Damit ist wohl die im Osten gültige Seleukidenära gemeint (s. 2.2.6), die mit 312 v. Chr. beginnt. Damit würde die Abfassung dieses Abschnittes auf das Jahr 1708 fallen. 153 Ein ähnlicher syrischer Text zur Berechnung des auf- und absteigenden Knotens ist ediert bei Villey 2011–12: 373.
fol. 232r
fol. 232v
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Damit du die fünf Planeten kennst und ihre Berechnung:¹⁵⁴ Zunächst Saturn, d. h. zuh.ål:¹⁵⁵ Nimm das Jahr der Ära des Alexander, dem Griechen, zu der Zeit, die Du suchst. Ziehe von ihnen drei ab, auch wenn manche sagen, ziehe zwanzig ab.¹⁵⁶ Teile das Ergebnis durch dreißig. Den Rest unter dreißig wende auf jedes Haus an (S. 487) zweieinhalb.¹⁵⁷ Zähle vom Wassermann ab. Dort, wo deine Zahl endet, befindet sich Saturn. Wenn du die Zahl durch dreißig teilst, dann nimm von hundert zehn und von tausend zehn.¹⁵⁸
. Qåt.å-
ä
Ånåbibåron (!) oder Ånåbibåzon ist der Kopf des Drachens und dies ist sein Symbol bibåzon ist der Schwanz des Drachen und dies ist sein Symbol .¹⁶⁰
à
Damit du weißt, wo Jupiter ist, d. h. muštar¯ı: Nimm die Jahre der alexandrinischen Ära, die du suchst, und addiere fünf, andere sagen einundzwanzig, und teile sie durch dreißig.¹⁵⁹ Den Rest teile auf die Häuser auf, beginnend mit den Fischen. Dort, wo die Zahl endet, befindet sich Jupiter.
fol. 233r
Damit du weißt, wo Mars sich befindet, d. h. Mar¯ık:¹⁶¹ Nimm die Jahre der alexan¯ drinischen Ära, die du suchst, und ziehe acht ab, andere sagen drei. Den Rest teile durch dreißig und den Rest verteile auf die Häuser. Zähle vom Tierkreiszeichen Widder. Dort, wo die Zahl aufhört, befindet sich Mars. Damit du weißt, wo Merkur ist, d. h. Ut.arid: Nimm die Jahre der alexandrinischen Ära, die du suchst, und ziehe davon fünfzehn ab, was davon übrig ist, teile durch dreißig. Den Rest teile auf die Häuser auf, beginne mit den Zwillingen (trē¸n s.almē¸). Dort, wo deine Zahl aufhört, befindet sich Merkur. Damit du weißt, wo sich Venus befindet, d. h. Zuhrah: Nimm die Jahre der alexandrinischen Ära, die du suchst, und teile sie durch dreißig. Was übrig ist, teile auf die Häuser auf, beginne mit dem Stier. Dort, wo deine Zahl aufhört, dort befindet sich Venus. Die Zahl der Tierkreiszeichen: (S. 488) Widder, Stier, Zwillinge, Krebs, Löwe, Jungfrau, Waage, Skorpion, Schütze, Steinbock, Wassermann, Fische.
154 Hier wird das System der „planetary longitudes“ vorgestellt, und zwar in einem seltsamen Mischsystem, das bei Juste 2004: 209f. erläutert wird. 155 < arab. zuh.al. 156 Budge schreibt hier dividieren statt subtrahieren, allerdings ist das mit men konstruierte npaq doch eher als Subtraktion zu verstehen. 157 Durch Multiplikation? Es ist hier nicht ganz klar, was gemeint ist. 158 Die Einrückung imitiert die Randnoten der Handschrift. 159 Hier ist wieder ein Schreibfehler, statt poq ‚teile‘ steht šari ‚beginne‘. 160 Es muss sich bei der Umschrift für Anabibazon natürlich um eine Verwechslung von rē.š und zay handeln. 161 Der Name ist von arabischem mirr¯ıh abgeleitet. ˘
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Anordnung der sieben Zonen:¹⁶² Zone des Saturn: Erste und höchste, kalt, Eis ist dort angesiedelt. Der Planet Jupiter [liegt] auf der zweiten Zone, wo es Mäßigung gibt, eine Amme und Erfrischung. Mars ist in der dritten Zone. [Er] besitzt Heißes und Verzehrendes. Sonne in der vierten Zone,¹⁶³ sie ist die mittlere der Zonen, in der sich der Äther befindet, auch sie ist heiß und erfrischend. Venus (balt¯ı) ist in der fünften Zone, sie ist die Herrin des Säens, Fortpflanzens und Gebärens. Merkur in der sechsten Zone … Mond in der siebten Zone, welche kalt und feucht ist und nahe zur Erde, mächtig und dem Mond ähnlich. Ihm eigen ist die Entfernung zu den Planeten, [seine wechselnde] Größe, mit seiner Form [bestimmt er] das Leben der Menschen. [Weitere] Vorhersage zu den Tierkreiszeichen: Zunächst Saturn: Herr über schlechte Dinge. Er herrscht über den Steinbock und die Fische. Er ist niemals gut. Jupiter ist rötlich und ein bisschen kahl. Er herrscht über die Fische und den Schützen. Gut für alles. Mars ist klein und liebt Blut. Er herrscht über Widder und Skorpion und [wirkt auf alles] vernichtend. Die Sonne ist rötlich und lang. Sie herrscht über den Löwen und ist gut für alles. Venus ist schön in ihren wechselnden Erscheinungen. Sie herrscht über Stier und Waage. Sie verführt, zerstört aber nichts, dennoch ist sie [verantwortlich] für Ehebruch und Prostitution. Merkur ist schwärzlich, schön an Gestalt und herrscht über Zwillinge und Jungfrau. Weder gut noch schlecht ist er gesetzt über Handel und Wissenschaft. Vertraue ihm kein Geheimnis an, denn er wird es preisgeben. Er verursacht einen weltlichen Aufstand. Der Mond ist kahl, herrscht über den Krebs und den Wandel der Dinge. Die Erscheinung der Planeten: Die Sonne gleicht (S. 489) Gold, der Mond Silber, Mars Eisen, Venus Kupfer, Saturn Blei, Merkur Elektron, d. i. Gold [mit] Silber und Jupiter Zinn.¹⁶⁴ Die Farben der Planeten: Saturn ist dunkel violett,¹⁶⁵ Jupiter ist dunkel,¹⁶⁶ ein Beryll, gut.¹⁶⁷ Mars ist Karneol (aqq¯ıqå),¹⁶⁸ rot, böse. Die Sonne ist safranfar-
162 Das griechische τάξις ‚Anordnung‘ ist hier stark deformiert: statt takså steht tåbs¯ıs, wieder ein ¯ ¯ Hinweis auf die fehlenden Griechischkenntnisse des Schreibers. 163 > gr. ζωνή ‚Zone‘ ist hier mit Pluralmarkern versehen, was Anzeichen für die Aussprache des gr. Fremdwortes ist, s. Butts 2016: 199 (Die Angabe bezieht sich auf die online zugängliche Version von 2013). 164 Die Reihenfolge ist extrem ungewöhnlich. Die Gleichung ist typisch für alchemistische Texte, die auch im Syrischen zu finden sind. Allerdings kommt dort nirgends Elektron als typisches Element für Merkur vor, sondern wenn überhaupt dann für Jupiter. 165 Die Farbbezeichnung aswad ‚schwarz‘ ist von arab. aswad übernommen und erscheint nur an dieser Stelle im SBM, s. Sokoloff 2009: 74. 166 Auch die Farbbezeichnung asmar ist arabisches Lehnwort < asmar ‚braun, dunkelbraun‘ und erscheint nur an zwei Stellen im SBM, s. Sokoloff 2009: 74. 167 ‚Gut‘ bezieht sich hier sicherlich auf Jupiter. 168 < ar. aq¯ıq.
fol. 233v
244 | 3 Übersetzung und Kommentar
fol. 234r
fol. 234v
ben (?) (mkar¯ım),¹⁶⁹ mittelgelb. Venus ist weiß, grün, gut. Hermes ist grün, Lapislazuli ¯ (lazward).¹⁷⁰ Der Mond ist weiß, mittelblau. Lauf der zwölf Tierkreiszeichen und ihr Wandel durch das ganze Jahr hin¯ durch. Dies sind ihre Zeichen (n¯ıšhon). 14. März. Der Widder steigt mit der Sonne inmitten des Ostens (pfeil)gerade auf. Gegenüber von ihm beginnt die Waage genau im Westen unterzugehen. Er steigt über der Erde ein Grad von sechs Graden der Sonne auf, welche 12 Tagesstunden sind. Zu Beginn der dritten Stunde beginnt der Stier aufzusteigen von dort, wo der Widder aufgestiegen ist, in Richtung Norden ein Grad von sechs Graden des Himmels. Gegenüber von ihm fängt der Skorpion an abzusteigen in Richtung Süden gemäß der genannten Maßangabe. Wenn der Stier einen von sechs Graden aufgestiegen ist, sind vier Tagesstunden vergangen. Zu Beginn der fünften Stunde steigen die Zwillinge von dort auf, wo der Stier nach Norden aufgestiegen ist in diesem Maß. Gegenüber von ihnen beginnt der Schütze abzusteigen am Ort des Untergangs, an dem der Skorpion in Richtung Süden abgestiegen ist: die sechs Tagstunden sind vergangen. Das ist die Tagesmitte. Der Widder steht mit der Sonne im Zenit und gegenüber von ihm in der Mitte der Erde (!) die Waage. Zu Beginn der siebten Stunde geht der Krebs schräg im Osten auf und der Steinbock geht (S. 490) gegenüber von ihm schräg im Südosten unter. Acht Tagstunden sind vollbracht. Zu Beginn der neunten Stunde steigt der Löwe auf von dem Ort, an dem die Zwillinge aufgestiegen sind, und der Wassermann steigt gegenüber von ihm ab, so wie der Schütze untergegangen ist. Zehn Tagstunden sind vergangen. Zu Beginn der elften Stunde steigt die Jungfrau auf, wo der Stier aufgestiegen ist. Die Fische gehen gegenüber von ihm unter, wo der Skorpion untergegangen ist. Zwölf Tagstunden sind vergangen, welche sechs Graden des Himmels entsprechen, und es wird Abend. Zu Beginn der ersten Nachtstunde geht die Waage auf und gegenüber von ihr geht der Widder unter. Zwei Nachtstunden sind vergangen. Zu Beginn der dritten Nachtstunde steigt der Skorpion auf, und der Stier steigt gegenüber von ihm ab. Vier Nachtstunden sind vergangen. Zu Beginn der fünften Nachtstunde geht der Schütze auf, und die Zwillinge gehen gegenüber von ihm unter. Das ist Mitternacht. [Wenn] das End[stück] vom Schützen und die Spitze vom Steinbock im Osten und das letzte Stück der Zwillinge und die Spitze vom Krebs im Westen [steht], so ist die Waage in der Mitte des Himmels und der Widder unter der Erde. Zu Beginn der siebten Nachtstunde steigt der Steinbock auf, und gegenüber von ihm geht der Krebs unter. Acht Nachtstunden sind vergangen. Zu Beginn der neunten Nachtstunde steigt der Wassermann auf, gegenüber von ihm geht der Löwe unter. Zehn Nachtstunden sind vergangen. Zu Beginn der elften Nachtstunde gehen die Fische auf, und die Waage geht gegenüber von ihnen unter. Zwölf Nachtstunden sind vergangen. An diesem Tag ist die Tag- und Nachtgleiche. Wisse, dass nun der Wid-
169 Liegt hier eine Verschreibung für mkarkam ‚mit Safran zubereitet‘ vor? S. Sokoloff 2009: 655. ¯ ¯ ¯ gward, s Sokoloff 2009: 665f. 170 Die üblichere Form ist låzward < ar. lazuward < pers. laˇ
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der anfängt voranzuschreiten und in der Nacht aufzusteigen, an jedem Tag ein Grad von dreißig von einem der sechs Tierkreiszeichen, bis die Nacht vorbei ist, denn Mitte April geht der Widder unter. Am 14. April geht der Stier mit der Sonne auf und der Skorpion geht gegenüber von ihm unter in erwähnter Weise. Verstehe es als Mitte des Tages (S. 491) und den Abend als Mitte der Nacht. Am 15. Mai gehen die Zwillinge am Morgen auf und gegenüber von ihnen geht der Schütze am Abend, d. h. im Westen, unter. Am 16. Juni geht der Krebs am Morgen auf und gegenüber von ihm geht der Steinbock am Abend unter. Am 17. Juli geht der Löwe am Morgen auf und gegenüber von ihm geht der Wassermann unter am Abend. Am 17. August geht am Morgen die Jungfrau auf und gegenüber von ihr gehen die Fische am Abend unter. Am 17. September geht die Waage am Morgen auf und gegenüber von ihr geht der Widder am Abend unter. Am 17. Oktober geht der Skorpion am Morgen auf und gegenüber von ihm geht der Stier am Abend unter. Am 17. November geht der Schütze am Morgen auf und gegenüber von ihm gehen am Abend die Zwillinge unter. Am 13. Dezember geht der Steinbock am Morgen auf und sein Gegenbild Krebs geht am Abend unter. Am 13. Januar geht der Wassermann am Morgen auf und der Löwe geht am Abend unter. Am 12. Februar gehen die Fische am Morgen auf und die Jungfrau geht am Abend unter. Darin siehst du Stunde für Stunde, Tag für Tag und Monat für Monat. So verzeichne ich sie inmitten des Tierkreises, damit du weißt, wo sie am Himmel gelegen sind. Nun werde ich drei Tierkreiszeichen gleichen Typs zusammenfassen, welches ihr Einfluss ist gemäß dem, was die Astronomen sagen. Die zwölf [Zeichen] sind unterteilt in vier Viertel gemäß den vier Elementen und vier [Wind/Kardinal]richtungen.¹⁷¹ So sagt man, dass die Zwillinge, die Waage und der Wassermann heiß und feucht sind wie das Element des Windes und die Richtung des Ostens. Stier, Jungfrau und Steinbock sind kalt und trocken wie (S. 492) das Wesen der Erde und die Richtung des Westens. Krebs, Skorpion und Fische sind kalt und feucht wie die Natur des Wassers und die Richtung des Nordens. Widder, Löwe und Schütze sind heiß und trocken wie die Natur von Feuer und die Richtung des Südens. Siehe, diese sind vor dir in Tabellenform geordnet auf dieser Seite und auf der folgenden in einer anderen [Form der] Darstellung: (S. 493) Der Lauf der zwölf Tierkreiszeichen in Tabellenform: (S. 494)¹⁷²
171 Dies ist freilich die Einteilung der griechischen Astrologie, die auf der Unterteilung von Aristoteles beruht. Auch die Planeten wurden ihren Qualitäten entprechend kategorisiert, s. Mueller 2009: 205. 172 In den Tabellen sind die Informationen über die Auf- und Untergänge veranschaulicht, im Grunde entsprechen sie dem Inhalt des Textes.
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Abb. SBM: 494f.¹⁷³
173 Es folgen weitere Tabellen dieser Art. Zu den verschiedenen Diagrammtypen bzw. Darstellungsformen des Himmels bzw. des Horizonts s. Barton 1994: 94. Die grundlegende Idee ist eine vereinfachte Darstellung der Nord-Süd- und Ost-West-Achse, dabei repräsentiert der obere Rand Osten und damit den aufsteigenden Stern. Dem Uhrzeigersinn nach folgen die Himmelsmitte (Medium coeli), der Westen (der Deszendent) und die Himmelstiefe (Imum coeli/Hypogeion). Horoskopdiagramme finden sich kaum in hellinistischer und römischer Zeit. Die reine Beschreibung der Planeten- und Aszendentendarstellung war in dieser Zeit Standard. Das klassische Horoskopdiagramm entwickelte sich in Byzanz und in der arabisch-persischen Astrologie und sollte bis ins 17. Jh. hinein in Gebrauch sein. Neben einer einzigen kreisförmigen Darstellung finden sich in den griechischen Texten viereckige und kreuzförmige Darstellungen als Prototyp. Der Aufbau ist dem Oktotropos als einem ursprünglichen System aus vier Achsen und acht Häusern angelehnt. Horoskope sind in der klassischen (mittelalterlich-antiken) Darstellung also quadratisch, wobei das erste Haus immer links steht, das 10. oben über dem Schema der vier Himmelsrichtungen – die in der Astrologie auf die Elemente weisen. Brand 2006: 64f. will hier eine Parallele zum Grundriss antiker Städte- und Tempelbauten sehen.
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Vom Lauf der 12 Tierkreiszeichen (S. 502) Weitere Vorhersage: am einundzwanzigsten März ist die Exaltation (massqå)¹⁷⁴ der Sonne, weil der Widder aufgeht. Die sinkende Waage ist ihre Depression (mah.h.tå). Am zweiundzwanzigsten September ¯ ist die Depression der Sonne, weil die Waage aufgeht. Der untergehende Widder ist ihre Exaltation. Am zwanzigsten April geht der Stier auf. Das ist die Exaltation des Mondes. Wenn der Skorpion sinkt, so ist dies die Depression des Mondes. Am zweiundzwanzigsten Oktober geht der Skorpion auf, was die Depression des Mondes ist. Der Untergang des Stiers ist seine Exaltation. Am zwanzigsten Mai gehen die Zwillinge auf und der Schütze geht am einundzwanzigsten November unter. Der Schütze geht auf und die Zwillinge gehen unter. Am sechzehnten Juni geht der Krebs auf, was die Exaltation von Jupiter ist. Der Untergang des Steinbocks ist seine Depression. Am einundzwanzigsten Dezember geht der Steinbock auf, was die Exaltation von Mars ist. Der Untergang des Krebses ist seine Depression. Am sechzehnten Juli geht der Löwe auf und der Wassermann geht unter. Am einundzwanzigsten Januar geht der Wassermann auf und der Löwe geht unter. Am achtzehnten August geht die Jungfrau auf, was die Exaltation von Merkur ist. Die untergehenden Fische sind seine Depression. Am neunzehnten Februar gehen die Fische auf, was der Aufstieg von Venus ist, und die untergehende Jungfrau ist ihre Depression. Am zweiundzwanzigsten September wiederum geht die Waage auf, was die Exaltation von Saturn ist. Wenn der Widder untergeht, ist es [auch] sein Untergang. Über die gleiche Sache: Im Monat, in dem die Sonne in Exaltation steht, ist die Depression des Saturn. Im Monat, in dem Saturn in Exaltation steht, ist die Depression der Sonne. In dem Monat, in dem Jupiter in Exaltation steht, ist die Depression von Mars. Im Monat, in dem Mars in Exaltation steht, ist die Depression von Jupiter. Im Monat, in dem Merkur in Exaltation steht, ist die Depression von Venus. Im Monat, in dem Venus in Exaltation steht, ist die Depression von Merkur. Auf diese Weise wurde das einander Entgegengesetzte geschaffen, je eines zu seinem Gefährten. Weiterhin (tūb): Saturn, vier Tage, (S. 503) Jupiter sechzehn Tage, Mars fünf Tage, ¯ Venus sieben Tage, Merkur elf Tage, die Sonne vierzehn Tage, der Mond neunzehn Tage. Damit du die Tag- und die Nachtplaneten kennst: Die Sonne ist ein Tagesplanet, Jupiter und Saturn sind Nachtplaneten. Der Mond, Venus, Merkur und Mars [sind] des Morgens.¹⁷⁵ 174 Exaltation und Depression sind in der klassischen Astrologie innerhalb der Tierkreiszeichen für gewöhnlich in Gradangaben markiert, z. B. gibt Firmicus für die Exaltation der Sonne 19° Aries an, für ihre Depression 19° Waage usw., was hier kalendarisch ausgedrückt ist, s. Bram 1975: 34, BouchéLeclercq 1899: 192ff. Die Liste ist ohne die Aufgangszeiten der Tierkreiszeichen auch im mandäischen SM: 95f./151f. zu finden. Die Terminologie ist dort aus dem Arabischen abgeleitet, z. B. arab. šaraf ‚Exaltation‘ und hibut./habut./habit. ‚Depression‘. Wie in der arabischen Astrologie üblich, wird der ‚Kopf‘ und der ‚Schwanz des Drachen‘ als eigener Planet gezählt. Der Aufstieg des Kopfes findet in den Zwillingen statt, sein Abstieg im Schützen. Für den Schwanz gilt das Gegenteil. 175 Damit sind Tagesplaneten gemeint.
fol. 236v
fol. 237r
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fol. 237v
Damit du die [Tierkreiszeichen] kennst, die absteigend (mah.h.tånē¸) sind, die ¯ gleichbleibend (šwayyē¸) sind und die aufsteigend (massqånē¸) sind: Widder, Stier und Zwillinge sind aufsteigend, Krebs, Löwe und Jungfrau sind gleichbleibend und Waage Skorpion und Schütze sind absteigend. Steinbock, Wassermann und Fische sind gleichbleibend. Damit du weißt, wie viele [Tage] die Sonne in jedem der Tierkreiszeichen [bleibt]: Im Widder dreißig Tage und eine Stunde. Im Stier, den Zwillingen und dem Krebs jeweils einunddreißig Tage und zwölf Stunden. Im Löwen, der Jungfrau und der Waage neununddreißig Tage und achtzehn Stunden. Im Skorpion, Schützen und Steinbock neunundreißig Tage und sechs Stunden. Im Wassermann dreißig Tage, in den Fischen dreißig Tage und 6 Stunden. Sie erreichen also eine Gesamtzahl von 365 Tagen und 6 Stunden. Damit du die Farben und Symbole der Tierkreiszeichen kennst: Widder à¹⁷⁶ rot, Stier á weiß, Zwillinge â rötlich, Krebs ã weiß, Löwe ä rot, Jungfrau å schwarz, Waage æ weiß, Skorpion ç grau, Schütze è rot, Steinbock é schwarz, Wassermann ê gelb (asmar),¹⁷⁷ Fische ë schwarz-weiß.¹⁷⁸ Die Regionen der Tierkreiszeichen. Der Widder [steht] für Persien, der Stier für Babylon, die Zwillinge für Kappadokien, (S. 504) der Krebs für Armenien, der Löwe für ¯ ı), der Skorpion für Asien, die Jungfrau für Griechenland, die Waage für Libyen (Laybo¯ ¯ Italien (I.tålyå), der Schütze für Kreta (Qrē¸.tē¸) und Kilikien, Steinbock für Syrien, der Wasserausgießer, d. h. der Wassermann, für Ägypten, die Fische für Indien.¹⁷⁹ Regionen, die von den Planeten bestimmt sind: Die Sonne nimmt ihren Lauf vom Euphrat über Kusch und Saba¹⁸⁰ bis zum Okeanos. Der Mond herrscht vom
176 Die hier dargestellten Symbole sind die heute geläufigen, wahrscheinlich auf dieser älteren Tradition fußenden Symbole. Bisher sind in keinem Zeichensatz die Symbole der Tierkreiszeichen aufgenommen, die in der Handschrift des SBM zu finden sind. Die Darstellung ist in nur geringfügig abweichender Form bei Bar Bahlūl unter dem Lemma des jeweiligen Tierkreiszeichens zu finden, außerdem in syrischen alchemistischen Schriften, s. Berthelot 1893: 139f. Daneben sind ähnliche Symbole aus byzantinischen Handschriften (14.–16. Jh.) bekannt, s. Evans 1998: 104. 177 Die Ableitung aus dem Arabischen ist damit naheliegend. 178 Auch hier erscheint der arabische Elativ als Grundform der Ableitung aswad ‚schwarz‘. Eine Liste mit den Farben der Tierkreiszeichen verglichen mit der hinduistischen Tradition hat auch al-B¯ırūn¯ı in seinem K. at-tafh¯ım. Diese stimmt zum größten Teil, aber nicht vollständig mit der Liste im SBM überein, s. Wright 1934: 362f. 179 Für ‚Hellas‘ erscheint hier das syr. allådå, welches sonst nicht belegt ist. Die syrische Bezeichnung für den Wassermann erscheint hier einmal als Lehnübersetzung aus dem Griechischen und wird deshalb glossiert. Der ‚Wasserausgießer‘ (åšed mayyå) wird mit der geläufigen Bezeichnung dåwlå erklärt. Die Liste entspricht exakt der des Paulus Alexandrinus, die selbst eine vereinfachte Version der Listen des Manilius oder Firmicus darstellt, s. Metzger 1979: 127, zur Chorographie (astrologischen Geographie) i. A. s. Bouché-Leclerq 1884. Für den griechischen Text s. Boer 1958: 10. 180 Der Ortsname erscheint in derselben Form in der Pš¯ıt.tå in Gen 10,28. So auch die folgenden Angaben.
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Euphrat bis nach Athen.¹⁸¹ Mars herrscht von Magog¹⁸² bis Hevila¹⁸³ [und] Kyrene¹⁸⁴ und beschert ihnen Krieg. Merkur herrscht von Athen¹⁸⁵ bis zum Okeanos. Jupiter beherrscht Rom¹⁸⁶ und das Land Havila bis Zentralindien, und bis zur Grenze der Thebais. Venus herrscht von Tarsus¹⁸⁷ und Gallien (?) (Bē¸t gl¯ısåyē¸) bis zum Land der ¯ Barbaren. Der Teilhaber¹⁸⁸ wiederum herrscht von der Grenze Antiochiens bis zum Land H.mirayē¸, welches die Grenze zur Peripherie von Indien ist, die in dauerndem Krieg sind. Saturn (kewån) herrscht von Aleppo bis Alexandria, von Alexandria bis zur Thebais und über den äußersten Süden. Weiteres Kapitel (tarå)¹⁸⁹ über die Tierkreiszeichen, die einander hören und einander sehen und einander gebieten und geeignet sind für jede Verbindung:¹⁹⁰ Wenn du [etwas] zu sehen wünschst betreffs zweier Partner oder bezüglich der Liebe zwischen Mann und Frau oder bezüglich eines Sklaven und seines Herrn oder der Freundschaft zwischen zwei Freunden, nimm die Anfangsbuchstaben ihrer Namen und sieh [nach], zu welchem Tierkreiszeichen sie gehören und zu welchem Planeten. Wenn es zwei Tierkreiszeichen sind, die einander lieben und es darüber hinaus Zeichen sind, die einander sehen und hören, so ist eine Steigerung in ihrer Liebe abzusehen. Wenn sie [aber] zu Tierkreiszeichen gehören, die einander entgegengesetzt sind (S. 505) und die nicht einander [zu]hören und einander nicht sehen, so sind sie getrennt voneinander. Die[jenigen Zeichen], die sich nicht gegenseitig sehen, sind Stier, Jungfrau, Skorpion, Fische, […]¹⁹¹ sieht die Zwillinge, den Krebs, Löwen, Waage, Schützen, Steinbock und Wassermann. Diejenigen, welche sich gegenseitig sehen: Die Zwillinge sehen den Löwen und der Löwe sieht die Zwillinge, der Stier sieht die Jungfrau und die Jungfrau sieht den Stier. Der Widder sieht die Waage, die Waage sieht den Wid-
181 S. Apg 18,1; Gen 10,2. 182 S. Apg 20,8. 183 S. Gen 10,29. ¯ 184 S. Apg 10,20, dort aber ohne Yūd vor finalem Ålap. ¯ 185 TNKWS ist hier wohl ein Schreibfehler mit parasitärem k. 186 S. Apg 2,10. 187 Ist mit T. RWQWS Tarsus gemeint, was in Apg 11,25 vorkommt? ¯ als Beiname eines Planeten zu verstehen? 188 Ist die Bezeichnung mšåwtpå 189 S. o. SBM: 466. 190 Es gibt verschiedene Systeme, die das „gegenseitige Sehen und Hören“ der Tierkreiszeichen beinhalten. Neugebauer/Van Hosen verweisen unter dem Stichwort „Commanding and Obeying Signs“ auf das Tetrabiblos (1,14) mit einem einfacheren System, in dem die Zeichen des Sommerhalbjahres die befehlenden Zeichen sind, die des Winterhalbjahres die gehorchenden. Vgl. auch Vettius Valens (1,8). Neugebauer/Van Hosen kennen noch ein weiteres Papyrus (b. P. Mich. 149), in dem dreierlei Arten von Beziehungen erscheinen, nämlich „to see, hear and perceive“, was unserem Textabschnitt genau entspricht (!), ebd. S. 5. 191 Das folgende Wort WRWSSPWS ist von Brockelmann 1914: 201 als Verschreibung für ‚Horoskop‘ identifiziert worden. Allerdings scheint die Stelle korrupt zu sein, da sich auch mit dieser Lesung nicht der Sinn erschließt.
fol. 238r
250 | 3 Übersetzung und Kommentar
fol. 238v
der. Die Fische sehen den Skorpion und umgekehrt. Der Schütze sieht die Fische und die Fische den Schützen. Diejenigen, die sich gegenseitig befehlen, sind diese: der Stier befiehlt den Fischen und sie gehorchen ihm. Die Zwillinge dem Wassermann, Krebs dem Steinbock, der Löwe dem Schützen. Die Jungfrau befiehlt dem Skorpion. Auf diese Weise ergibt sich das Interval (dyåst.ås¯ıs):¹⁹² Widder beim (lwåt) Skor¯ pion und Skorpion beim Widder. Stier bei der Waage, die Waage beim Stier. Steinbock beim Wassermann und umgekehrt. Widder bei den Fischen. Krebs beim Schützen und umgekehrt. Jungfrau von der Waage. Steinbock beim Wassermann.¹⁹³ Dieses sind die Zeichen, die sich verändern und ihre Freundschaft ist daher vorübergehend. ¯ os), ¯ Merkur (arm¯ıs) und ¯ Eine weitere Abhandlung (pragmåt . yå): Saturn (qron ¯ ¯ı.t¯ı) zusammen, wenn sie glückverheißend (wörtl. gut) sind, sind sehr Venus (aprod ¯ ¯ und gut. Saturn und die Sonne sind einander entgegengesetzt. Saturn, Merkur (nåbo) ¯ der Mond sind gut. Saturn, Merkur und Mars sind gut. Saturn, Merkur und Jupiter (bē¸l) sind gut in allen Dingen. Saturn und die Sonne bewirken Böses. Saturn, der Mond (s¯ınå) und Venus (balt¯ı) sind gut und [alle zusammen wirken] gut. Saturn, Venus und Mars (yar¯ıg¯ )¹⁹⁴ sind halb schlecht. Saturn, Venus und die Sonne sind halb schlecht. Saturn, Jupiter und Venus [verheißen] alle gute Dinge. Saturn (kē¸wån), Jupiter und der Mond sind gut und verhelfen zu Reichtum, Gott [allein] lenkt sie alle.¹⁹⁵ (S. 506) Diese sind es: Jupiter heißt alle seine Freunde willkommen, er kommt ihnen zur Hilfe und ist ¯ wie ein Vater und sein Sohn. ihnen nicht feindlich gesinnt. Saturn und Jupiter (zos): Saturn und Mars sind Feinde. Saturn und Venus sind wie Mann und Frau. Jupiter und Mars sind getrennt voneinander und miteinander im Wettstreit. Jupiter und der Mond sind gute und wahrhaftige Könige. Jupiter und die Sonne sind in allen Dingen gut und bewirken gute Dinge.¹⁹⁶ Damit du den Tag kennst, der Tag und Nacht [umfasst]: Tag und Nacht sind [zusammen] 24 Stunden. Die Gesamtzahl der Stunden in einem Jahr sind also 8766 Stunden. Mit diesen Stunden wird gerechnet. Auch kennt man die Zahl der Jahre, der Monate und der Tage¹⁹⁷ und auch der Tage und Nächte. Sie sind zusammengesetzt aus Teilen (mnåwåtå) und Stundensechsteln (qant.¯ımē¸), den 17. Teilen ¯
192 < gr. διάστασις ‚Trennung, Entfernung, Spaltung‘, s. 2.4.1.3. 193 Hier handelt es sich sicherlich um eine Dittographie. ¯ stehen müsste, 194 Bereits Brockelmann weist auf die Verschreibung hin, da nūn anstelle von yod ¯ s. Brockelmann 1914: 201. 195 Einen etwas ausführlicheren Abschnitt zur Kombination von jeweils drei Planeten hat Vettius Valens in seiner Anthologie I,22. Die Reihenfolge der Vorhersagen stimmt ebensowenig überein wie ihr Inhalt. 196 Auch diese Vorhersage mit der Kombination zweier Planeten ist aus der Anthologie I,21 bekannt. Hier stimmt die Reihenfolge weitestgehend überein, nur das Ergebnis ist etwas ausführlicher und beinhaltet Nativitäten. 197 Gemeint ist das sog. νυχθεμερόν, der ganze, 24 Stunden umfassende Tag.
3 Übersetzung und Kommentar | 251
einer Stunde (rupsē¸),¹⁹⁸ rtūpē¸ (?) und Augenblicken (rpåpē¸). Eine Stunde sind also ¯ 30 Teile (mnåwåtå). Dreißig Teile (mnåwåtå) und sechzig Stundenfünftel (qant.¯ımē¸) ¯ ¯ dauert sie. Fünf Minuten (qat..t¯ınåtå) dauern 1050 Rupsē¸. Ein Teil (mnåtå) hat also 35 ¯ ¯ ¯ ‚Stunden‘ (ropyås). Weiter (tūb): Am 24.¹⁹⁹ Dezember in der sechsten Stunde der Nacht beginnt der ¯ Tag und trennt sich von der Nacht. Am 24. März in der sechsten Stunde sind der Tag und die Nacht gleich.²⁰⁰ Am 24. Juni in der sechsten Stunde der Nacht beginnt die Nacht, welche sich vom Tage trennt. Am 24. September in der sechsten Stunde der Nacht sind der Tag und die Nacht gleich. Vom 24. Juni bis zum 24. September nimmt die Nacht vom Tag und die Stunden am Morgen sind länger als die des frühen Abends. Vom 24. Dezember bis zum 24. März nimmt der Tag von der Nacht [einen Teil], die Abendstunden sind länger als die Morgenstunden. Am ersten Tag, wenn das Tageslicht anfängt von der Dunkelheit zu nehmen, dann dauert es zwölf Teile (S. 507) und fehlt (båer) in der Nacht. Vierundzwanzig Teile sind dann vierhundertsechzig Rupås. Zwischen Dezember und Januar wird [nun] eine ganze zusätzliche Stunde eingefügt, so dass der Tag länger wird. Im Februar wiederum werden dem Tag vier Qat..t¯ınåtå ¯ hinzugefügt, das sind 2 Teile (mnåwåtå) einer Stunde. Im April beträgt die Tageslänge ¯ 14 Stunden. Im Mai, sobald die Sonne in den Zwillingen aufgeht, werden dem ganzen Mai über fünfzig Qat..t¯ınåtå hinzugefügt. Der Tag hat [dann] weniger als 15 Stunden ¯ und die Nacht 9.²⁰¹ Und weil die Elemente sie verbergen (ganb¯ın), gibt es viel Hitze. Die Zahl der Sonnengrade: Im Dezember, wenn die Sonne in den unteren Graden steht, vergrößert sich die Schattenlänge, die du wirfst. In der ersten Stunde im Januar findest du deinen Schatten von Kopf bis Fuß auf die Erde fallen. Solange du aufrecht an einer ebenen und flachen Stelle stehst, wo es weder Hügel noch Abhänge noch Hindernisse gibt, und [du auch nicht] gebeugt oder verdreht [dastehst], wird dein Schatten achtundzwanzig Füße [lang sein]. Im November siebenundzwanzig [Füße], im Februar sechsundzwanzig, im März fünfundzwanzig, im April vierundzwanzig, im Mai dreiundzwanzig, im Juni zweiundzwanzig.
¯ ı wird es 198 Bei BBah: 1501 wird ein såså mit 30 rupsē¸ angegeben. Im Liber scholiorum von Bar Kon¯ mit qat..t¯ınåtå gleichgesetzt, s. Sokoloff 2009: 1485. ¯ 199 Der Lesbarkeit halber sind die im Text ausgeschriebenen Zahlen dieser Passage als Zahlen angegeben. 200 In den Geoponica (I,1) wird der 24. März nur als Variante für den 25. März angegeben, an dem die Tag- und Nachtgleiche stattfindet, s. Beckh 1985: 5. 201 Mit der ‚Stunde‘ können zwei verschiedene Zeitmaße gemeint sein. Die Länge der sog. äquinoktialen Stunden variiert nicht. Dagegen sind die saisonalen Stunden gleichmäßig auf die variierende Dauer des Tageslichts und der Nachtzeit aufgeteilt. Erste Gruppe hat einen hellenistischen Vorläufer, wo das νυχθεμερόν in 24 Stunden aufgeteilt wird, wobei sich die Ab- und Zunahme der Stundenlänge in 6 Schritten mit jeweils einem Unterschied von einer Stunde vollzieht. So ist die Formel für die Extreme M = 12 + 3 = 15 h, m = 12 − 3 = 9 h mit einem Schnitt von M : m = 15 : 9, vgl. Neugebauer 1979: 167. Dieser Schnitt wurde später für den Hellespont bzw. Byzanz als charakteristische Skala angelegt, als man bereits mit sphärischer Trigonometrie arbeitete, s. Neugebauer 1975, Bd. II: 581.
fol. 239r
252 | 3 Übersetzung und Kommentar
fol. 239v
Bis hierher steigt die Sonne auf: Von dort und von dannen (mekkå wa-l-hål) kehrt die Sonne um und vermehrt [die Anzahl der Füße] wieder um das, was sie vermindert hat. Im Juli dreiundzwanzig, im August vierundzwanzig, im September fünfundzwanzig, im Oktober sechsundzwanzig, (S. 508) Im November siebenundzwanzig, im Dezember achtundzwanzig.²⁰² Wenn du wissen willst, wieviel [dein Schatten] in jeder einzelnen Stunde zunimmt und wieviel er abnimmt, sollst du in jedem Monat so verfahren: Im Dezember achtundzwanzig Füße, in der zweiten Stunde 18, ebenso in der dritten und vierten Stunde. In der fünften Stunde 9 und in der sechsten Stunde 18. Dann kehrst du es um und fügst das hinzu, was du genommen hast: In der siebten Stunde 9, in der achten Stunde 11, in der neunten Stunde 13, in der zehnten Stunde 18, in der elften Stunde 28. Rechne so für alle Monate. Januar: In der ersten Stunde [der] 27 Füße ziehe 10 ab, in der zweiten 3, in der dritten Stunde 5, in der vierten Stunde 2, in der fünften Stunde 2 und in der sechsten Stunde 1 [Fuß]. Bei der Hälfte des Tages füge [den Stunden] hinzu, was du [vorher] weggenommen hast. Du fügst ebenso hinzu wie du es vollführt hast. In der siebten Stunde 1, in der achten Stunde 2, in der neunten Stunde 2, in der zehnten Stunde 5, in der elften Stunde 27, in der zwölften Stunde lässt sich [der Wert] nicht berechnen.²⁰³ Vorhersagen zu den Tag- und Nachtstunden aus der Schrift des Hermes:²⁰⁴ Über [die Tagesstunden am] Sonntag: 1. Stunde: Sonne. Geeignet, um ein Schiff zu besteigen und eine Reise zu beginnen. 2. [Stunde]: Venus. Es wird ruhig sein. Güns202 Der erste Hinweis zur Messung der Zeit mit dem Schattenwurf des Körpers ist in der aristophanischen Komödie Die Frauenvolksversammlung (um 392 v. Chr.) anzutreffen. Eine Bäuerin wirft dort ihrem Mann vor, lediglich seinen Schatten zu beobachten und auf die Essenszeit zu warten. In mittelalterlicher Zeit sind Tafeln bekannt, welche die Schattenlänge für die Stunden in den verschiedenen Monaten in ‚Füßen‘ (pedes) angeben, s. Dohrn-van Rossum 1992: 27. 203 Angaben zur Schattenlänge in ähnlicher Form sind aus den sog. Schattentafeln der äthiopischen Literatur bekannt. Neugebauer kennt ca. 30 solcher Texte, die alle die Ermittlung der Tageszeit durch die Schattenlänge zum Inhalt haben. Dabei wird der Schatten in Fuß gemessen. Die Stundenzählung entspricht den saisonalen Stunden. Daher nimmt Neugebauer auch griechischen Ursprung an. „The increments of the shadow lengths during the hours before or after noon are always 1, 2, 3, 4, and 10 feet. The noon shadow, however, from which these differences are reckoned, depends on the months, assuming again a simple arithmetical sequence: they vary linearly, either with a one foot monthly difference, between u = 2 and U = 8, or with a difference of 1,5 between u = 0 and U = 9. In the first case the extrema usually lie in the months XI and V, in the second case in X and IV. It is obvious that these tables are valueless for measuring time in Ethiopia. At a geographical latitude of, e.g. φι = 14° (Axum), the noon shadow will be zero twice in a year and vary for a gnomon of length 6 between about 5 to the north and 1 to the south […] at any rate it is obvious that these tables can only have originated in the mediterranean area and were taken over by the Ethiopians without the slightest understanding.“ (Neugebauer 1979: 209). Ein Urteil, das für die Syrer nicht zutreffen kann. 204 S. Rudolf 2014a. Ein mandäisches, etwas textreicheres Horar, das nach dem selben Prinzip der Tagesherrscher angelegt ist, findet sich bei Drower 1950: 97–103. Obwohl es sich um den gleichen Texttypus handelt, gibt es in den Vorhersagen kaum Übereinstimmungen, z. T. sind die Aussagen völlig gegenläufig. Saturn ist dort oft glückbringend.
3 Übersetzung und Kommentar | 253
tig, um sich der Obrigkeit zu nähern und sich auf den Weg zu machen. 3.: Merkur. Für Beschlüsse und alle Verrichtungen gut. 4.: Mond. Gut für Wahrhaftiges und Vertrauenswürdiges. 5.: Saturn. Schlecht und nachteilig. 6.: Jupiter. Gut und günstig. Tätigkeit und Ruhe. Investitionen und Kalkulationen sind angebracht. 7.: Mars. Für nichts günstig und voller Unruhe und Hass. 8.: Sonne. Es bedarf keiner Vorsicht in ihr, denn (S. 509) sie ist geeignet für alles. 9.: Venus. Für alles günstig und geeignet. 10.: Merkur. Mittelmäßig und geeignet, um Berechnungen anzustellen. 11.: Mond. Für jede Arbeit gut und günstig. 12.: Saturn. Schlecht für alles. Die Nachtstunden [vor] Montag:²⁰⁵ 1. Stunde: Jupiter. Günstig für die Obrigkeit und, um ein Schiff zu besteigen. 2.: Mars. Schlecht für alles. 3.: Sonne. Sie ist gut. 4.: der Venus. Günstig. 5.: Merkur. Mittelmäßig. 6.: Mond. Für alles günstig. 7.: Saturn. Sie ist beschwerlich. 8.: Jupiter. Geeignet, um eine Reise zu beginnen und zu heiraten. 9.: Mars. Schlecht für alles. 10.: Mond. Mittelmäßig. 11.: Venus. Für alles geeignet. 12.: Merkur. Gut, um sich auf den Weg zu machen. Über [die Tagesstunden] am Montag: 1. Stunde: Mond. Günstig, um sich auf Reisen zu begeben. 2.: Saturn. Äußerst beschwerlich und anstrengend. 3.: günstig, um Arbeiten zu verrichten. 4.: Mars. Schlecht, bedrückend und schwer. 5.: Sonne. Geeignet, um sich für eine Reise aufzumachen und für alles, was du willst. 6.: Venus. Günstig für alles, was du machst. 7.: Merkur. [Geeignet], zum Kaufen und Verkaufen. 8.: Mond. Mittelmäßig. 9.: Saturn. Schlecht und schwer. 10. Jupiter. Gut für jegliche Art des Handelns. 11.: Mars. Schlecht. 12.: Sonne. Gut für alles. Die Nachstunden [vor] Dienstag: 1. Stunde: Venus. Günstig und geeignet für alles. 2.: Merkur. Geeignet, um ein Schiff zu besteigen. 3.: Mond. Sie ist nicht von Nachteil und (S. 510) günstig. 4.: Saturn. Schlecht und Unglück bringend. 5.: Jupiter. Günstig, aber auf eine Reise solltest du dich nicht begeben. 6.: Mars. Sehr schlecht. 7.: Sonne. Gewöhnlich, nicht besonders günstig. 8.: Venus. Gut für alles. 9.: Merkur. Gewöhnlich und gut, um sich auf eine Reise zu begeben. 10.: Mond. Gut und günstig. 11.: Saturn. Schlecht und Verlust bringend. 12.: Jupiter. Günstig für alles. Die Tage[sstunden] am Dienstag: 1. Stunde: Mars. Schlecht für alles. 2.: Sonne. Für jede Tätigkeit. 3.: Venus. Gut für alles. 4.: Merkur. [Diese Stunde] ist sehr ruhig und gut. 5.: Mond. Günstig für alles. 6.: Saturn. Schlecht. 7.: Jupiter. Gut und geeignet für alle Dinge. 8.: Mars. Sehr unruhig. 9.: Sonne. Für jegliche Sache günstig. 10.: Venus. Sehr günstig und gut. 11.: Merkur. Mittelmäßig und nicht günstig. 12.: Mond. Nachteilig für alles. Die Nachtstunden [vor] Mittwoch: 1. Stunde: Saturn. Schlecht. 2.: Jupiter. Gut. 3.: Mars. Schlecht. 4.: Sonne. Gut für alles. 5.: Venus. Günstig. 6.: Merkur. Günstig, um sich auf eine Reise zu begeben. 7.: Mond. Günstig. 8.: Saturn. Schlecht. 9.: Jupiter. Gut. 10.: Mars. Gewöhnlich. 11.: Sonne. Gut für alles. 12.: Venus. (S. 511) Günstig.
205 Die Nacht gehört zum darauffolgenden Tag, was im Deutschen deshalb nur mit einer Behelfsübersetzung ausgedrückt werden kann.
fol. 240r
fol. 240v
254 | 3 Übersetzung und Kommentar
fol. 241r
fol. 241v
fol. 242r
Die Tage[sstunden] am Mittwoch: 1. Stunde: Merkur. Gut für alles. 2.: Mond. Günstig für alles. 3.: Saturn. Schlecht für alles. 4.: Jupiter. Schlecht für alles. 5.: Mars. Schlecht. 6.: Sonne. Ebenso. 7.: Venus. Günstig für alles. 8.: Merkur. Gut und günstig für alles. 9.: Mond. Ebenso. 10.: Saturn. Schlecht. 11.: Jupiter. Sehr gut. 12.: Mars. Schlecht für alles. Die Nachtstunden [vor] Donnerstag: 1. Stunde: Sonne. Günstig, um eine Schiffsreise zu unternehmen. 2.: Venus. Günstig. 3.: Merkur. Gewöhnlich. 4.: Mond. Gut für alles. 5.: Saturn. Ungünstig. 6.: Jupiter. Für nichts zuträglich. 7.: Mars. Schlecht. 8.: Sonne. Gewöhnlich. 9.: Venus. Günstig, um eine Reise zu beginnen und ein Schiff zu besteigen. 10.: Merkur. Gewöhnlich und gut. 11.: Mond. Günstig. 12.: Saturn. Schlecht. Die Tage[sstunden] des fünften Wochentages: 1. Stunde: Jupiter. Für alles günstig. 2.: Mars. Geeignet für alles. 3.: Sonne. Zum Verjagen von Dieben und Sklaven, die nichts taugen. 4.: Venus. Gut. 5.: Merkur. Gut, um sich auf den Weg zu machen. 6.: Mond. Günstig. 7.: Saturn. Schlecht und verhasst. 8.: Jupiter. Gut und günstig. 9.: Mars. Schlecht und verderblich. 10.: Sonne. Gut für alles. 11.: Venus. Sehr gut. 12.: Merkur. Schlecht für alles. Die Nachtstunden [vor] Freitag: (S. 512) 1. Stunde: Mond. Gut für alles. 2.: Saturn. Sehr schlecht. 3.: Jupiter. Günstig, um ein Schiff zu besteigen. 4.: Mars. Für nichts gut. 5.: Sonne. Gewöhnlich. 6.: Venus. Gut für alles. 7.: Merkur. Gewöhnlich. 8.: Mond. Gut für alles. 9.: Saturn. Sehr schlecht. 10.: Jupiter. Günstig, um ein Schiff zu besteigen. 11.: Mars. Für nichts günstig. 12.: Sonne. Gewöhnlich. Die Tage[sstunden] des Freitag: 1. Stunde: Venus. Für jede Sache günstig. 2.: Merkur. Für alles gewinnbringend. 3.: Mond. Gut für alles. 4.: Saturn. Schlecht für alles. 5.: Jupiter. Gut für jede Sache. 6.: Mars. Sehr nachteilig. 7.: Sonne. Günstig für alles. 8.: Venus. Günstig für alles. 9.: Merkur. Für nichts zuträglich. 10.: Mond. Für alles günstig. 11.: Saturn. Ungünstig für alles. 12.: Jupiter. Gut. Die Nachtstunden [vor] Samstag: 1. Stunde: Mars. Voller Krankheit. 2.: Sonne. Gut für alles. 3.: Venus. Ebenso. 4.: Merkur. Genauso. 5.: Mond. Nicht sehr gut. 6.: Saturn. Ungünstig für jede Unternehmung. 7.: Jupiter. Günstig, um sich auf den Weg zu machen. 8.: Mars. Sehr ungünstig. 9.: Sonne. Gut, um Diebe zu vertreiben. 10.: Venus. Günstig. 11.: Mars. Für jede Sache gut. 12.: Mond. Günstig, um sich auf den Weg zu machen. (S. 513) Die Tage[sstunden] am Samstag: 1. Stunde: Saturn. Für nichts günstig. Ein Kranker wird nicht leben, und was verlorengeht, wird nicht wieder auftauchen. 2.: Jupiter. Für alles günstig. 3.: Mars. Genauso. 4.: Sonne. Mittelmäßig. 5.: Venus. Gut für alles. 6.: Merkur. Genauso. 7.: Mond. Schlecht und ungünstig. 8.: Saturn. Ermüdend, nachteilig und schwer. 9.: Jupiter. Für jede Tätigkeit gut. 10.: Mars. Schlecht. 11.: Mond. Gut. 12.: Venus. Bedauerlich für Diebe. Kranke werden gesunden. Die Nachtstunden [vor] Sonntag: 1. Stunde: Merkur. Freude bringend und günstig. 2.: Mond. Voller Offenheit (galyūtå). 3.: Saturn. Schlecht. 4.: Jupiter. Gut. 5.: Mars. ¯ Schlecht. 6.: Sonne. Mittelmäßig. 7.: Venus. Nicht geeignet für eine Reise. 8.: Merkur.
3 Übersetzung und Kommentar | 255
Schlecht. 9.: Mond. Mittelmäßig. 10.: Saturn. Geeignet für eine Reise. 11.: Jupiter. Genauso. 12.: Mars. Für alles gut. Sie [die Stundenprognosen] sind vollendet, Gott soll immerwährender Lobpreis zuteil werden. Amen. Über die Wochentage, von denen Weise und Verständige Gebrauch machen: Die Nacht auf Sonntag wird beherrscht von Merkur.²⁰⁶ Sie ist gut zum An- und Verkauf und um sich auf eine Reise zu begeben. Wer in ihr geboren wird, wird weise sein. Den Tag beherrscht die Sonne, er ist günstig für alles. Wer an ihm geboren wird, wird ein Anführer. Für die Christen ist es verboten, [in dieser Zeit] etwas zu tun außer zu beten usw. Die Nacht auf Montag²⁰⁷ beherrscht Jupiter. Gut zum Kaufen und Verkaufen und eine Reise zu beginnen. Wer in ihr geboren wird, wird friedlich sein. Den Tag beherrscht der Mond. Gut, um eine Reise zu beginnen, (S. 514) zum Kaufen und Verkaufen, zur Aussaat und zum Geschlechtsverkehr. Wer an ihm geboren wird, wird sehr krank sein. Die Nacht auf Dienstag beherrscht Venus. Die Weisen sollen gewarnt sein. Gut zum Geschlechtsverkehr. Ungünstig zum Einnehmen von Medizin oder eine Reise. Wer in ihr geboren wird, wird von schönem Aussehen sein und beliebt bei den Mitmenschen. [Diens]tag wird von Mars beherrscht. Passend (h.åšah.) zum Heilen. Man sollte sich in Acht nehmen vor Zank und Streit. Wer an ihm geboren wird, wird Arzt werden. Die Nacht zum Mittwoch beherrscht Saturn. Passend für eine Reise, nicht aber für Geschlechtsverkehr. Günstig, um Wissen zu verbreiten und Kinder in die Schule zu schicken. Wer an ihm geboren wird, wird sehr alt werden, weise und gelehrt. Den Tag beherrscht Hermes. Ungünstig. Gut, um sich Wissen anzueignen, nicht aber um Briefe zu verschicken oder Kinder in der Schule zu versammeln. Wer an ihm geboren wird, wird sehr bekannt werden. Die Nacht auf Donnerstag beherrscht die Sonne. Passend zum Geschlechtsverkehr, zum Bauen und zum Reisen. Wer in ihr geboren wird, wird ein Anführer werden. Er wird vor den Machthaber treten und die Ehe brechen. Den Tag beherrscht Jupiter. Passend zum Kauf, Verkauf, für eine Reise und um vor den Machthaber zu treten. Ebenso für Gesandtschaften und mit einer Frau zu verkehren. Die Nacht auf Freitag beherrscht der Mond. Passend zum Kaufen, Verkaufen, Reisen und Geschlechtsverkehr. Wer in ihr geboren wird, wird von schöner Gestalt sein und bedürftig sein. Den Tag beherrscht Venus. Passend zum Kaufen und Verkaufen, zum Reisen aber nicht. Wer in ihr geboren wird, wird schön sein. Die Nacht auf Samstag wird von Mars beherrscht. Gut für Ehebrecher und Diebe. Wer in ihr geboren wird, wird lange leben. Den Tag beherrscht Saturn. Passend für den, der seine Arbeit vollendet, nicht aber für den, der eine Arbeit beginnt. Wer an ihm geboren wird, wird lange leben.
206 Diese Reihe beginnt mit der Nacht vor Sonntag, nicht mit dem Sonntag selbst, was in der Vorstellung der Zusammengehörigkeit der Nacht zum darauffolgenden Tag auch konsequenter ist und der Einteilung bei Vettius Valens entspricht, s. Gundel/Gundel 1966: 273. 207 le.lyå w-trē¸nbšabbå ist hier Verschreibung für le.lyå d-trē¸nbšabbå. ¯ ¯
fol. 242v
256 | 3 Übersetzung und Kommentar
fol. 243r
(S. 515) Vorhersage über die Planeten: Wer im Mond geboren wird, wird arglistig sein und verdorben und nicht zu seinem Wort stehen. Er wird ein Wüstling sein und äußerlich besser als innerlich. Wer im Mars geboren wird, wird blauen und roten Auges sein und Kämpfe und Blut lieben. Wer im Merkur geboren wird, wird schwarz und kraftlos sein. Er wird Wissen und Verstand besitzen und die Wissenschaft lieben. Wer in der Venus geboren wird, wird von schöner Gestalt sein, rötlich und Wein, Frauen und Wohlgeruch lieben. Wer im Jupiter geboren wird, wird schwarz sein und arm. Er wird ein hartes Herz haben und er wird Frauen und Wein lieben. Alles, was sich ihm in den Weg stellt, wird er überwinden.²⁰⁸ Wer in der Sonne geboren wird, wird blaue Augen (ašhal)²⁰⁹ und eine gute Seele haben und angenehm sein, kleine Augen haben und kaum bösartig sein. Er wird jeden lieben, der ihn liebt. Wer im Saturn geboren wird … Vorhersagen über das Horoskop:²¹⁰ Oktober Waage: Wer in [diesem Zeichen] geboren ist, ist ausgewogen (qånē¸ šlåmå) mit jedem, aufrichtig, angenehm und ruhig. [Sein Beruf] wird der eines Bauern und mit seiner [Feld]arbeit wird er für jederman nützlich sein. November Skorpion: Wer in ihm geboren ist, wird böse, bitter und kämpferisch (qrabtån). Er wird viele Kinder haben, aber sie werden nicht [über]leben. ¯¯ Dezember Schütze (s.almå rabbå): Wer in ihm geboren ist, wird siegreich im Prozess, und wenn ihm jemand etwas Böses will, wird es ihm nicht gelingen, weil er nicht neidisch [sondern] wahr[heitsliebend] ist. Er hat einen guten Engel. Januar Steinbock: Wer in ihm geboren ist, wird ruhig und angenehm, freundlich und ernsthaft²¹¹ sein und viele Kinder haben. Er wird keine Sünde begehen und Schlechtes wird ihm nicht begegnen, denn der Friedensengel²¹² wird ihn lenken. Februar Wassermann: Wer
208 Der von den Planeten ausgehende Effekt ist eindeutig der griechischen Tradition zuzuordnen, da Jupiter in der babylonischen Tradition als positiv gilt, s. Rochberg 2010: 137. 209 Das Wort ist in keinem syrischen Wörterbuch verzeichnet und ist arabisches Fremdwort < ašhal ‚tiefblaue Augen habend‘. 210 Eine Zusammenstellung byzantinischer Zodiologien, die nicht im CCAG aufgenommen sind, findet sich bei Hübner 1983: 148ff. Die griechischen Nativitäten (s. 2.2.4) sind in der Regel weitaus detaillierter als dieses syrische Beispiel. Die Texte des CCAC, die auf das 14.–16. Jh. datiert sind, enthalten Heilige, Patriarchen, Propheten, biblische Gestalten etc., die mit bestimmten Monaten verknüpft werden. 211 Das Adjektiv gadyå, ein Homograph zur Bezeichnung des Steinbocks, ein weiteres Wortspiel in ¯ diesem recht verspielten Absatz. Budge übersetzt es als ‚glücklich‘, was in keinem Wörterbuch zu finden ist, und versteht es wohl als Derivation von gad, was eine unzulässige Bildungsweise im Syrischen ist außer bei Nominalformen einer Wurzel tertiae infirmae. Solch eine Wurzel gibt es zwar im Syrischen (gdy) mit der Bedeutung ‚aufsteigen; brennen‘, wäre aber der Form nach ein passives Partizip. Eine bessere Erklärung bietet das Arabische als Quelle für die Entlehnung, dort heißt gˇ idd¯ı ‚ernst, ernsthaft‘ und könnte so mit einem Artikel versehen ins Aramäische zu Zwecken des Wortspiels übernommen worden sein. Diese Annahme rückt den Schreiber in ein von Diglossie geprägtes Umfeld. Wortspiele im Syrischen sind kaum erforscht. Ausnahme ist der Artikel von Pereira 2000. 212 Zu der Vorstellung eines Schutzengels s. Muehlberger 2013: 118ff. In jüdischen magischen Texten wie dem Sefer ha-Razim sind den 12 Monaten Engel zugeordnet, diese erscheinen als Listen
3 Übersetzung und Kommentar | 257
in ihm geboren ist, wird in Elend leben, und an seinem Körper wird er (S. 516) Wunden haben. Weder reich noch arm wird er sein. März Fische: Wer in ihnen geboren ist, wird aufrecht sein und reich. Er wird Schwellungen am Körper haben und viele Kinder. Er wird von strahlendem Anblick sein und ein Priester werden. Er wird Räubern in die Falle gehen (b- ¯ıdē¸ d-lest.ånē¸). April Widder: Wer in ihm geboren ist, wird ¯ ¯ hochgewachsen und stumm, Böses wird ihm nicht zustoßen. Seine Augen werden ihn schmerzen, weil [sein] Engel sich nicht um ihn kümmert. Mai Stier: Wer in ihm geboren ist, wird ein Bauer, seine Augen werden groß und er wird bitter sein. Seine Arbeit wird gemeinnützig sein. Wenn er schläft, wird Wasser aus seinem Mund laufen. Er wird viele Kinder haben. Juni Zwillinge: Wer in ihnen geboren ist, wird kalt und heiß sein, aufrichtig und beliebt. Wenn er zum Himmel blickt, so wird ihm von Gott alles gegeben, worum er bittet, weil sein Engel mit ihm ist. Sonne und Mond sind seine Führer. Juli Krebs: Wer in ihm geboren ist, wird schlecht sein. Er wird viele Kinder zeugen und vor niemandem zurückschrecken und einen guten Ruf haben. August Löwe: Wer in ihm geboren ist, wird standhaft, bitter und stark sein. September Jungfrau: Wer in ihr geboren ist, wird gut und gesegnet sein, seine Ernten werden sehr reich ausfallen. Weiteres über das Horoskop: Jeder der im Anfang des Widders geboren wird, d. h. Anfang April, wird einen Schmutz/Rostkopf (re.š šh.åwåtå)²¹³ haben. Wer Mitte ¯ April geboren wird, dessen Geruch wird angenehm sein.²¹⁴ Wer Ende April geboren ist, wird einen Knochengeruch haben. Mai Stier: Die in ihm geboren sind, denen wird der stinkende Geruch ihrer Füße [anhaften]. Juni Zwillinge: Wer in ihnen geboren ist, wird einen schönen und angenehmen Geruch haben. Juli Krebs: Wer in ihm geboren ist, wird Mundgeruch haben, schmutzig sein und einen [unangenehmen] Körpergeruch haben. August Löwe: Wer in seinem Anfang geboren ist, wird Mundgeruch haben, wer in der Monatsmitte geboren wird oder an seinem Ende wird einen angenehmen Geruch haben, weil er nahe an der Jungfrau ist und weil Jupiter (bē¸l) [ihn] lenkt. September (S. 517) Jungfrau: Wer in ihm geboren ist, wird einen angenehmen Geruch haben. Oktober Waage (qanyå): Ebenso. November Skorpion: Er wird den Geruch von Genitalien und dem After haben. Dezember Schütze: Sein Geruch ist angenehm. Januar Steinbock: Er wird stinken. Februar Wassermann: Wer am Monatsanfang geboren ist, wird einen sehr angenehmen Geruch haben. In der Monatsmitte und am Ende[, der] wird einen Rostkopf haben. Wer im März geboren ist, d. h. in den Fischen, dessen Körpergeruch wird angenehm sein.
(mišmarot) und sind dort fester Bestandteil, s. Rebiger/Schäfer 2009: 168f. Die Verbindung von Engeln und Monaten lässt sich schon im äthiopischen Henochbuch nachweisen (82,11). Auch magische Genizah-Texte bedienen sich der Engelnamen, s. mit zahlreichen Belegen Rebinger/Schäfer 2009: 261. 213 Pl. von šuh.tå ‚Rost‘? ¯ 214 Die Zuschreibung eines bestimmten Geruches könnte eine Umschreibung der Krankheitsprognosen sein. Die Diagnose über den Geruch war in der hippokratisch-galenischen Medizin unverzichtbar, s. Totelin 2015: 21.
fol. 243v
258 | 3 Übersetzung und Kommentar
fol. 244r
¯ Weiteres (znå h.re¸nå) über die Gestalt (pars.opå) des Menschen: Der Kopf des Menschen ist mit dem Widder gleichgesetzt (metpaššaq)²¹⁵ und dem Nacken und den ¯ Schultern. Der Stier mit den zwei Armen. Die Zwillinge mit der Brust. Der Krebs mit den Hüften und dem Herz. Der Löwe mit der Wirbelsäule, dem Rumpf und den Lenden. Die Jungfrau mit den Schenkeln und .tyåråtå, welches seine Hüften sind. Die ¯ Waage mit der Blase, den Geschlechtsteilen und dem After. Der Skorpion mit den Knochen. Der Schütze mit den Knien. Der Steinbock mit den Beinen, Wassermann mit den Fußsohlen. Fische (sic!).²¹⁶ Die Sonne ist sein [des Menschen] Gehirn, der Mond seine Haut, Mars sein Blut, Merkur Nerven und Gefäße. Jupiter die Knochen (garmē¸), Venus sein Fleisch, Saturn (kē¸wån) sein Haar.²¹⁷ Man sagt, dass jeder in einem [bestimmten] Temperament geboren ist und aus der Mischung der sieben [Planeten] besteht. So wie der Aufbau seiner Körperglieder zu einem (einzigen) Körper in Form und Struktur gebracht ist, so sind auch seine inneren Funktionen eine Mischung der sieben [Planeten]Führer. Bösartigkeit kommt von Saturn (kē¸wån), Güte von Jupiter (bē¸l), Zorn und Wut von Mars, Wohlwollen und eine friedliche Gesinnung von der Sonne. Begierde und Ehebrecherei von Venus (balt¯ı). Wissen und Weisheit von Merkur. Demut²¹⁸ und Gier vom Mond (s¯ınå). Dieses glaubten die Chaldäer, heutzutage verwenden es die Christen aber nicht (mehr). Damit du weißt, in welchem von den sieben Planeten jemand geboren ist und an welchem Tag: Zähle die Buchstabenwerte des Namens [der Betreffenden Person] zusammen und teile alle einzelnen Zeichen (S. 518) durch sieben. So bleibt Dir bei 7 null. Von 8 ziehe 1 ab und von 9 2. Von 10 ziehe 3 ab, von 20 6. Von 30 ziehe 50 (!) ab und von 40 5. Von 1 und von 60 4. Von 70 null und von 80 3, von 90 6 und von 100 2, von 200 4. Von 300 6 und von 400 1.
Teile sie [alle] durch 7. Wenn eins übrigbleibt, ist der Tag seiner Geburt Sonntag und sein Zeichen (malwåšē¸h) die Sonne. Er wird lange leben. Wenn er zweiundvierzig Jahre alt wird, dann wird er noch achtzig Jahre alt. Wenn Gott will, dass er stirbt, wird er sterben. Wenn zwei übrigbleibt, ist der Tag seiner Geburt Montag. Sein Zeichen ist Mars [und] Mond (sic!). Wenn er dreißig Jahre wird, wird er noch fünfundsiebzig Jahre alt werden, denn alles geschieht nach dem Willen des Herrn. Wenn drei übrigbleibt, ist der Tag seiner Geburt Dienstag. Sein Zeichen ist Mars. Wenn er sechzig Jahre alt wird, wird er zweiundsiebzig Jahre alt werden. Alles geschieht im Zeichen Gottes (wa-
215 wörtl. erklärt, übersetzt. 216 Vgl. den leicht abweichenden Text des Ms or. 4434 (8v–9r). ¯ 217 Die planetare Melothesie aus der Anthologie des Zadspram, Kapitel 30, (9. Jh.) ist dieser gegenübergestellt bei Gignoux 2001: 224. Es stimmen bei der Zuordnung nur Saturn und Venus überein. Auch die Reihenfolge variiert, im Syrischen folgt sie der Planetenwoche. Aufgrund sogdischer Paralleltexte resumiert Gignoux syrischen Einfluss auf den Osten, s. Gignoux 2001: 224, Panaino 1995: 69, id. 1990: 664. 218 Ist anū Verschreibung für anwåyūtå ‚Demut‘? ¯
3 Übersetzung und Kommentar | 259
b-remzē¸ d-maryå). Wenn vier übrigbleibt, ist der Tag seiner Geburt Mittwoch. Sein ¯ ¯ Planet ist Merkur. Wenn er achtundzwanzig Jahre alt wird, wird er zweiundsiebzig Jahre leben. Alles, was der Herr will, das tut er. Wenn fünf übrigbleibt, ist der Tag seiner Geburt Donnerstag. Sein Zeichen ist Jupiter. Wenn er ein Alter von vierzig Jahren erreicht, wird er vierundachtzig Jahre alt werden. Wenn Gott ihn sterben lassen will, dann wird er sterben. Wenn sechs übrigbleibt, ist der Tag seiner Geburt Freitag, sein Zeichen ist Venus. Wenn er vierunddreißig Jahre alt wird, wird dasselbe nochmal zu seiner Lebenszeit hinzugefügt, wenn er siebzig wird, dann wird er auch noch achtzig Jahre alt. Alles liegt in der Macht Gottes. Wenn sieben übrigbleibt, ist der Tag seiner Geburt Samstag. Sein Planet ist Saturn, und wenn er fünfzig Jahre alt wird, dann wird er siebenundsiebzig Jahre erreichen. Der Herr tut, was er will. (S. 519) Weitere Art (znå h.re¸nå) [der Vorhersage] über den Kranken: Wenn du zu einem Kranken gehst, schau, welches Tierkreiszeichen²¹⁹ mit deinem Besuch zusammenfällt. Addiere den Namen des Kranken und den Namen des Tierkreiszeichens, teile das Ergebnis durch 7. Wenn eine gerade Zahl übrigbleibt, wird der Kranke leben, wenn eine ungerade Zahl übrigbleibt, wird er wahrlich sterben. Damit du weißt, welche Sache dem Mensch Glück und Profit bringt.
fol. 244v
Teile die Buchstabenwerte des Alphabets durch 8, [so] nimm von 9 1 und von 10 2 und von ¯ ), von 20 (sic!) 2 und von 60 4, von 70 6, von 80 null und 20 4 und von 30 6, von 40 null (zqot ¯ von Neunzig (s.ådē¸) 2. Von 100 4, von 200 null, von 300 vier und von 400 null. ¯
Addiere den Namen [der betreffenden Person] und seiner Mutter und teile [das Ergebnis] durch 7. Wenn 1 herauskommt, kommt sein Glück vom Gewalthaber. Wenn 2 herauskommt, von [den Mit]Menschen und Gnade. Wenn 3 herauskommt, von den Schriften und den Liturgien der Kirche. Wenn 4 herauskommt, von Reisen. Wenn 5 herauskommt, vom Ackerbau. Wenn 6 herauskommt, vom Kauf und Verkauf und wenn 7 herauskommt, von seinem Handwerk. Damit du weißt, ob dein Freund dich liebt oder dich hasst: Berechne seinen und deinen Namen und addiere sie. Teile sie durch 7. Wenn [das Ergebnis] im ersten Feld steht, liebt er dich, wenn es im zweiten Feld steht, dann hasst er dich: g h z bdw . Für den, der sich eine Frau zulegen will. Berechne den Namen des Mannes und der Frau. Teile sie durch 8, wenn ungerade Zahlen bleiben, wird die Frau seine werden. Wenn eine gerade Zahl bleibt, dann wird sie nicht seine [Frau] werden.²²⁰
219 Wahrscheinlich ist hier die Bedeutung wie im vorigen Paragraphen gemeint, nämlich ‚Planet‘. 220 Die Handschrift Ms or. 4434 (7v–8r) hat den gleichen Text, geht dann ohne Überschrift in die nächste Passage über Hochzeitsprognosen über, allerdings wird das Alphabet nicht nach 9 aufgeschlüsselt, sondern nach 8!
fol. 245r
260 | 3 Übersetzung und Kommentar Weiteres (znå hre¸nå) für den, der sich eine Frau zulegen will. Wenn du wissen willst, (S. 520) ob die beiden zusammen passen und harmonieren oder nicht.²²¹ Teile die Buchstaben des Alphabets durch 9. Teile so, dass du von 10 1 abziehst, von 20 2, von 30 3 und von 40 4, von 50 5, von 60 6, von 70 7, von 80 8 und von 90 null, von 100 1, von 200 2, von 300 3 und von 400 4.
fol. 245v
Berechne den Namen der Frau und des Mannes. Jeden einzeln für sich. Wenn du deine Zahlen ausgerechnet hast, jede einzeln für sich, dann teile sie durch 9. Jede einzeln. [Bis zu dem Ergebnis], das nicht neun erreicht, das ist ihr Schicksal. Von eins bis neun sind es jeweils zwei Zeichen, das für den Mann und das für die Frau. Zuerst: 1 1: Sie werden heiraten und es wird unter ihnen Frieden sein. 1 2: Sie werden in Harmonie sein. 1 3: Sie werden heiraten, [aber] sich bekriegen. 1 4: Sie werden heiraten und sich gegenseitig hassen. 1 5: Sie werden nicht heiraten, und wenn sie es doch tun, werden sie sich trennen. 1 6: Sie werden heiraten, und es wird unter ihnen Frieden sein. 1 7: Sie werden heiraten und sich gegenseitig hassen. 1 8: Sie werden heiraten und in Liebe und Frieden leben. 1 9: Sie heiraten und sind für immer in Frieden [vereint]. 2 2: Sie werden heiraten und einer Meinung sein. 2 3: Sie werden heiraten und sich dann trennen. 2 4: Sie werden heiraten und für immer in Unfrieden sein. 2 5: Sie werden heiraten, sich lieben und streiten. 2 6: Sie werden nicht heiraten, und wenn doch, dann wird sich ein Gerücht über sie verbreiten und sie werden sich trennen. 2 7: Sie werden heiraten und sich dann trennen. 2 8: Sie werden nicht heiraten und wenn sie es tun, werden sie sich trennen. 2 9: Sie werden heiraten und sich lieben. 3 3: Sie werden heiraten und über den einen von beiden wird sich ein Gerücht verbreiten, so dass sie sich trennen. 3 4: Ebenso. 3 5: Sie werden heiraten und sich lieben. 3 6: Sie werden heiraten und sich streiten. 3 7: Sie werden heiraten und in Frieden leben. 3 8: Sie werden heiraten (S. 521) und werden gegenüber Kindern eigensinnig (h.ås.p¯ın) sein. 3 9: Sie werden nicht heiraten und wenn sie es doch tun, werden sie sich hassen. 4 4: Sie werden nicht heiraten aufgrund eines bösen Namens, der über sie ausgeht. 4 5: Sie werden heiraten und sich dann trennen. 4 6: Sie werden nicht heiraten und wenn sie es doch tun, dann werden sie sich gegenseitig hassen. 4 7: Sie werden heiraten und sich gegenseitig lieben. 4 8: Sie werden nicht heiraten und wenn sie heiraten, werden sie sich trennen. 4 9: Bösartige Menschen werden sie nicht in Ruhe lassen, und es wird keinen Frieden zwischen ihnen geben. 5 5: Sie werden heiraten, sich lieben und sich dann trennen. 5 6: Sie werden heiraten und sich für immer lieben. 5 8: Sie werden heiraten und in Liebe und Frieden leben. 5 9: Sie werden nicht heiraten, und wenn sie es tun, dann werden sie sich trennen. 6 6: Sie werden ganz gegensätzlich sein und
221 Statt der hier angewandten modulo-Rechnung, findet sich in den hebräischen Vergleichstexten aus Sammelhandschriften wie dem Sefer Gemat.riot die Subtraktion: „ziehe ab!“ Leicht 2006: 150. Es fällt auf, dass alle Handschriften relativ jung sind.
3 Übersetzung und Kommentar | 261
nicht heiraten. 6 7: Sie werden nicht heiraten, weil die Frau eine böse Zunge hat. 6 8: Sie werden heiraten und in Frieden leben. 6 9: Sie werden heiraten und werden sich wegen böser Zungen trennen. 7 7: Sie werden nicht heiraten und wenn sie es doch tun, dann werden sie sich streiten. 7 8: Sie werden heiraten und einander lieben, und es wird jemand kommen, der sie trennen wird. 7 9: Sie werden nicht heiraten und wenn sie es doch tun, werden sie sich trennen. 8 8: Sie werden heiraten und sich lieben und werden gegenüber Kindern eigensinnig sein. 8 9: Sie werden heiraten, sich lieben und sich dann trennen. 9 9: Sie werden heiraten, aber sich jeden Tag in den Haaren liegen. Um zu wissen, ob eine Frau schwanger ist oder nicht, berechne ihren Namen und den Namen ihres Mannes und teile sie durch 6. Wenn eine ungerade Zahl übrig bleibt, ist sie schwanger, wenn eine gerade Zahl übrigbleibt, nicht. Teile die Buchstaben des Alphabets durch 6: Verfahre so, nimm von 7 1 und von 8 2, von 9 3 und von 10 4, von 20 2 und von 30 null, von 40 4 und von 50 2, von 60 null. (S. 522) Von 70 [nimm] vier, von 80 zwei, von 90 null, von 100 vier, von 200 2, von 300 nichts und von 400 4.
Um zu wissen, ob eine Frau mit einem Jungen oder einem Mädchen schwanger ist, prüfe das Alter des Mondes, berechne ihren [der Schwangeren] Namen und addiere 28. Teile durch 2, wenn eins übrigbleibt, wird es ein Junge, wenn zwei übrigbleibt ein Mädchen. Über Unfruchtbare [Paare]: Berechne den Namen des Mannes und der Frau und teile sie durch 2, wenn eins übrigbleibt, dann ist keiner von beiden unfruchtbar, wenn zwei übrigbleibt, dann sind sie [als Paar unfruchtbar]. Um zu wissen, ob (åra) ein Neugeborenes leben oder sterben wird, berechne den Namen des Vaters und der Mutter und des Tages, an dem das Kind geboren wurde. Füge dreihundert hinzu und mache daraus eine Zahl und teile sie durch 7. Wenn eine ungerade Zahl übrigbleibt, wird [das Kind] für Jahre leben, wenn eine gerade Zahl übrigbleibt, wird es sterben. Wenn das Kind [aber] ein Mädchen ist, und eine gerade Zahl übrigbleibt, so wird es jahrelang leben, wenn es eine ungerade Zahl ist, wird es sterben. Um zu wissen, auf welchem Auge jemand blind ist, errechne den Namen desjenigen und seiner Mutter und mache aus deiner Rechnung eine [Zahl] und teile sie durch 3. Wenn eine gerade Zahl übrigbleibt, ist er auf dem rechten Auge blind, wenn eine ungerade Zahl übrigbleibt, auf dem linken Auge. Um zu wissen, ob sich etwas Gutes an einem bestimmten Ort befindet oder nicht, berechne den Wert seines Namens. Addiere fünfzehn, siehe wieviel der Wert seiner Zeichen ist und füge nochmals das doppelte hinzu, dann teile es durch 2. Wenn eins übrigbleibt, dann ist es dort, wenn zwei übrigbleibt, ist es nicht dort. Wenn Dir etwas gestohlen wurde, finde heraus, welches der Herr der Stunde ist. (S. 523) Errechne [den Zahlwert] seines Namens und den Namen von dem, was du suchst. Teile sie durch 3. Wenn eins übrigbleibt, ist es gut, wenn zwei übrigbleibt, auch, und wenn drei übrigbleibt, dann ist das, was du suchst, nicht dort.
fol. 246r
262 | 3 Übersetzung und Kommentar
Wenn du die Buchstaben des Alphabets durch 12 teilst, dann nimm von ihnen Folgendes, von 20 8, von 30 6, von 40 4, von 50 2, von 60 null, von 70 10, von 80 8, von 90 6, von 100 4, von 200 8, von 300 null und von 400 4.
fol. 246v
Über den, der sein Haus verlässt und von Ort zu Ort zieht: Errechne den Zahlenwert des Namens des Mannes und seiner Mutter und teile ihn durch 12. Wenn eins übrig bleibt, ist er tot oder weit entfernt, wenn 2 übrigbleibt, ist er im Gefängnis. Wenn 3 übrigbleibt, ist er nahe und kehrt von seiner Reise zurück. Wenn 4 übrigbleibt, werden ihn Verlust, Übel und Schwäche auf seinem Weg treffen [erreichen]. Wenn 5 übrigbleibt, wird er großen Reichtum finden. Wenn 6 übrigbleibt, wird er nicht lange auf Reisen sein. Wenn [es] 7 [sind], soll ihn Böses treffen, bei 8 wird er krank und erschöpft sein. Wenn [es] 9 [sind], wird er [irgendwo] in der Wildnis und im Kampf mit seinem Feind sein. Wenn 10 übrigbleibt, wird er Freude, Glück und Reichtum finden. Bei 11 wird er eine Weile bleiben und dann zurückkommen. Wenn es 12 [sind], wird er lange Zeit wegbleiben und am Ende werden ihm Freude und Erfolg zuteil. Wenn du etwas über den wissen willst, der auf einer Fernreise ist, und ob ihm Gutes oder Schlechtes widerfährt, ob er am Leben ist oder tot: Stell dich an einem ebenen Ort auf und miss die Länge deines Schattens in Fuß, füge [dem Ergebnis] 12 hinzu. Teile es durch 9. Wenn eins übrigbleibt, ist er [= der Reisende] auf dem Weg. Wenn zwei übrigbleibt, ist er tot. Wenn drei übrigbleibt, geht es ihm gut. Wenn vier übrigbleibt, ist er krank. Wenn fünf übrigbleibt, wird er von jemandem abgehalten, so dass er nicht kommen [kann]. Wenn sechs [übrigbleibt], ist er im Gefängnis. (S. 524) Wenn sieben [übrigbleibt], befindet er sich auf seinem Weg. Wenn acht [übrigbleibt], so ist er in der Ferne, und wenn neun [übrigbleibt], ist er dem Tod nahe. Ob die, die im Gefängnis sind, schnell zurückkehren oder auf sich warten lassen: Wenn der Mond im Widder steht oder in den Zwillingen oder im Krebs oder im Löwen oder im Steinbock, und derjenige [zu dieser Zeit] ins Gefängnis gekommen ist, wird er eine Weile dort bleiben und dann zurückkehren. Wenn der Mond im Wassermann steht oder im Stier oder in der Jungfrau oder in der Waage oder im Skorpion oder im Schützen, wird er schnell zurückkehren. Wenn der Mond in den Fischen steht, wird er bis zu seinem Tode nicht zurückkehren und nicht von dort herauskommen. [Diese Methode ist] erprobt und wahr. Mit Nachdruck ermahnen die Ärzte die Kranken, welche mit ihnen²²² sind, im Winter gesund zu sein, denn die Schmerzen des Krebses werden nicht geheilt, und wenn sie geheilt werden, dann sind es nicht die des Krebses. Mit ihr (der Krankheit) ist es wie wenn ein Krebs sich der Gelenke, der Nerven und Gefäße bemächtigt. Denn in ihnen wird die schwarze Galle vernichtet. Das passiert so lange, bis die Zerstörung beendet ist.
222 Das heißt wohl ‚in ihrer Behandlung‘.
3 Übersetzung und Kommentar | 263
Für den, der mit seinem Freund eine Auseinandersetzung sucht: Wenn der Mond im Widder steht oder im Stier, gehe nicht zum Kampf. Wenn du (doch) gehst und mit deinem Freund kämpfst, so wirst du fallen. Wenn der Mond in den Zwillingen steht oder im Krebs, wird der, der in den Kampf geht, siegreich sein. Wenn der Mond im Löwen steht, oder in der Jungfrau, im Skorpion, Schützen, Wassermann oder den Fischen, wird der, der in den Kampf geht, siegreich sein. Wenn Mars oder Saturn in einem der Tierkreiszeichen stehen, dann kämpfe nicht, weil sie nichts Gutes verheißen, sondern nur Schlechtes. Wenn der Mond in einem der zwölf Tierkreiszeichen steht und keiner der anderen sechs Planeten anwesend ist, dann eröffne den Kampf und du wirst gewinnen. Wenn er im Widder, Krebs, Löwen, Wassermann oder der Jungfrau steht, (S. 525) und zwar nur in einem von diesen fünf Tierkreiszeichen und kein anderer der Himmelskörper (nah¯ırē¸) bei ihm ist, dann gehe nicht in die Offensive, sei gewarnt! Überlegung, ob man dem König eine Frage stellen sollte oder irgendeine Angelegenheit: Wenn der Mond im Widder steht, oder im Krebs oder im Stier oder in der Jungfrau oder in der Waage, dann wirst du das, was du von den Machthabern willst, bekommen und du wirst erfolgreich sein. Wenn der Mond im Skorpion steht, in den Zwillingen (s.almå rabbå) oder im Steinbock, frage nichts. Nur wenn dort Jupiter, Venus oder Merkur anwesend sind, wird deine Frage beantwortet werden. Wenn nicht, dann wirst du keine [Antwort] bekommen. Wenn der Mond im Löwen steht, oder im Schützen, oder im Wassermann oder in den Fischen, und du gehst mit jemandem vor Gericht, dann wirst du nicht erfolgreich sein und dein Gegner wird siegreich sein, und wenn du dem Machthabenden eine Frage stellst, wird er sich von Dir abwenden. Weitere [Prognose]art über die Hochzeit. Wenn der Mond im Widder steht oder im Stier, wird derjenige, der heiratet, die Ehe zerstören. Wenn der Mond in den Zwillingen steht, wird es für den, der am zweiten Tag geheiratet hat, gut sein. Für den, der am dritten Tage der Tierkreiszeichen²²³ geheiratet hat, diesem Mann wird sie [die Frau] gehören. Wenn der Mond im Krebs steht, wird die Frau bald von ihrem Mann davonlaufen. Wenn der Mond im Löwen steht, wird die Frau zerstörerisch sein. Wenn der Mond in der Jungfrau steht, dann wird es gut sein, man wird eine Witwe zur Frau zu nehmen und keine Jungfrau. Wenn der Mond in der Waage steht, wird sie [die Frau] mit ihrem Mann aufrichtig sein. Wenn der Mond im Skorpion ist am ersten Tag der Tierkreiszeichen, wird sie gut für ihren Mann sein und ihm gehorchen. Wenn der Mond im Schützen ist, ist es sehr gut. Wenn der Mond im Steinbock steht, wird die Frau eine Ehebrecherin und ihren Mann ständig betrügen. Wenn der Mond im Wassermann steht, ist es sehr gut für die Hochzeit. Wenn der Mond in den Fischen steht ebenso.
223 Es ist hier unklar, was gemeint ist.
fol. 247r
fol. 247v
264 | 3 Übersetzung und Kommentar
Der Wechsel der Jahreszeiten, welcher sich auf dem unteren Meer zeigt: für diejenigen, die Verstand besitzen:²²⁴ (S. 526) Unter der Erde gibt es ein furchtbares Meer von [unvorstellbar] großen Wassermengen. Unter dem Wassermeer ist ein Feuermeer und unter dem Feuermeer ein Windmeer und unter dem Windmeer ein Meer von Finsternis. In den Sommertagen, wenn die Sonne an jenen hohen Ort hinaufsteigt, zum Wind dieses Firmaments, und ihre Sphäre von dieser starken Hitze aufgeheizt wird, und die Erde erwärmt, dann verlischt das untere Feuer schlagartig wie ein Feuerofen. Das Wasser des unteren Meeres erkaltet und ein eisiger Wind weht auf ihm. Jene Kälte steigt auf und passiert das innere der Erde. Sie dringt in die Stämme der Bäume ein und in die Risse in den Felsen und die Wurzeln der Pflanzen, damit die Sonne die Bäume, Pflanzen und die Saat nicht verbrenne[n kann]. Wenn jene Kälte nicht aus dem Innern der Erde aufsteigen würde, ließe die Sonne nichts Grünes auf der Erde, das sie nicht verbrennen würde. Und auch die Menschen könnten nicht auf ihr umhergehen wegen der Hitze des Feuers aus dem Innern der Erde. Sie [die Sonne] würde die Flussläufe und Quellen zerstören und der Ausgleich durch Kälte würde sie nicht zurückbringen. In den Sommertagen, wenn es kein Wasser gibt, würde sie (die Sonne) alles verbrennen.²²⁵
224 Die Syntax im syrischen Titel ist unzulässig und geht wahrscheinlich auf einen Fehler beim Kopieren der Handschrift zurück. Der vollständige Titel im Intertext des Pseudo-Dionysios (s. 2.5.1.4) lautet: Die Bewegung des unteren Meeres, an dem es keinen Zweifel gibt, werde ich nun demonstrieren für diejenigen, die Verstand besitzen, s. Kugener 1907: 152. Ab hier wird der Intertext als PD abgekürzt. 225 Interessant ist, wieviel elaborierter es bereits in der aristotelischen Meteorologie klingt: „Um die Erde legt sich das Wasser, so wie um dieses die Luft und um sie die sogenannte Feuerzone (Feuer ist ja ganz außen, gleichgültig ob im üblichen Sinn oder nach unserem Lehrbegriff verstanden). Wenn nun die Sonne in ihrer Bahn kreist (auf diese Weise kommt der Naturprozeß, Werden und Vergehen, zustande), dann wird Tag für Tag das leichteste, süßeste Wasser emporgeführt und steigt, in Dampf aufgelöst, hinauf zur obersten Region; dort verdichtet es sich wieder infolge der Abkühlung und kehrt zur Erde zurück. So pflegt es die Natur immerfort zu machen, wie bereits früher dargelegt. Lächerlich sind daher alle früheren Anschauungen, daß die Sonne sich vom Feuchten nähre.“ (Met. II, 1–2) (Strohm 1970: 42f.) und „Wenn nun die Sonne auf ihrer Kreisbahn sich (der Erde) nähert, zieht sie durch ihre Wärme das Feuchte empor, entfernt sie sich, so kondensiert infolge der Abkühlung der emporgeführte Dampf wieder zu Wasser (darum fällt im Winter mehr Regen, und nachts mehr als tagsüber […]. Nun enthält aber die Erde viel Feuer und Wärme, und die Sonne zieht nicht nur die Feuchtigkeit der Erdoberfläche empor, sondern trocknet durch ihre Wärme auch den Erdkörper selbst aus.“ (Strohm 1970: 53).
3 Übersetzung und Kommentar | 265
Über den Lauf der Sonne unter dem Firmament:²²⁶ Die Sonne erreicht auf der kompletten Bahn ihres Umlaufes zwölf Türen.²²⁷ Jede von ihnen passiert sie in ihrem Lauf. Diese zwölf Türen sind auf der Sonnenuhr verzeichnet, die dem Lauf ihres Weges gleichen. Für jede Tür gilt, dass sie weit entfernt von der nächsten ist, und zwar beträgt das Maß einen Tag.²²⁸ Jede Stunde hat eine Stufe.²²⁹ Um die Sonnenkugel wehen vier Winde. Weil jener Wind, der von oben [kommt], jener auf dem die Wolken gehen, so stark ist, würde nichts auf der Erde bleiben, das nicht zerstört würde, wenn jener hohe Wind (mašbå) (S. 527) etwas tiefer käme. Es umgeben die Sonnenkugel vier ¯ Winde von allen Seiten, einer von vorne und einer von hinten, und dementsprechend sind von jeder Richtung Winde [systematisch] angeordnet, damit nicht [die Sonne herunter]fallen oder ohne Ordnung umhergehen [kann] und nicht auf die Enden der Erde fällt.²³⁰ Ein Wind von unten und ein Wind von oben. Von Zeit zu Zeit²³¹ öffnet sich eines dieser vier Lagerhäuser,²³² die jenem Wind dienen, der von oben [kommt]. Es verstärkt
226 Dieser Abschnitt entpricht bis auf die Überschrift fast wortwörtlich dem zweiten Teil der astronomisch-meteorologischen Schrift des Pseudo-Dionysios Areopagites, s. Kugener 1907: 149ff. Noch näher zu bestimmen ist ein möglicher Zusammenhang mit der talmudischen Diskussion über die Himmelsmechanik: Im Traktat Pesah.im 94b wird der Ansicht der rabbinischen Gelehrten diejenige der „Völker der Welt“ gegenüber gestellt. Die Rabbiner vertreten die Meinung, die Himmelskugel sei fest, die Sterne aber würden sich bewegen. Der Lauf der Sonne vollziehe sich tagsüber unter dem Firmament, nachts aber über dem Firmament. Die Völker der Welt würden dem Irrglauben folgen, dass nämlich die Himmelskugel in Bewegung sei, die Sterne dagegen fixiert, dass die Sonne tagsüber unter dem Firmament und nachts unter der Erde entlangliefe. Aristoteles stellt in seinem Werk De caelo eben diese beiden Theorien über die Fix- bzw. Nichtfixsterne nebeneinander, argumentiert aber für die Fixsterne, die mit der Himmelssphäre rotierten. Damit wird er zum Gegner der jüdischen Kosmologie, s. Langermann 2000: 556f. 227 Womöglich geht diese Vorstellung, ebenso die der himmlischen Meere auf babylonische Vorstellungen zurück, wie sie im Enūma Eliš auftauchen. Dort wird der Kosmos mit dem deifizierten Meer Tiamat gleichgesetzt, weiter heißt es „Marduk secured bolts on either side of the gates, or ‚doors‘ of ¯ šamê)“, s. Rochberg 2003: 180. Eine schematische Darstellung der 12 Tore, welche heaven (akk. dalat die Sonne (im qumranischen und äthiopischen Henoch) im Laufe eines Jahres durchwandert, ist zu finden in Ben-Dov 2003:136. Zu den Toren des Himmels, die schon in babylonischen Texten meist in ¯ oder abullu auftauchen, s. Heimpel 1986: 133. literarischen Texten als babu 228 Korrekt müsste es hier ‚Stunde‘ heißen, s. Furlani 1917: 254. 229 Villey vermutet, dass der Gebrauch dieses Wortes mit den arabischen Interferenzen zusammenhängt, und erst seitdem in der Bedeutung ‚Grad‘ benutzt wird. Das stimmt mit der vorislamischen Entstehungszeit des Traktates überein und dem ursprünglichen Gebrauch des Wortes als ‚Stufe‘. 230 Bei Pseudo-Dionysios ist der Sachverhalt etwas detaillierter beschrieben: Vier gemäßigte Winde von den vier Himmelsrichtungen halten die Sonne bei ihrem Lauf auf ihrer Bahn, um ihre Geschwindigkeit und ihre Flugrichtung zu kontrollieren, s. Kugener 1907: 150, Furlani 1917: 259. 231 Hier ist der Text korrupt: statt zban, wie im Pseudo-Dionysios erscheint hier zen, s. Kugener 1907: ¯ 150. 232 Der Ausruck ‚Lagerhaus‘ des Windes entstammt eigentlich biblischer Tradition, z. B. Jer 10,13; 51,16; Ps 135,7, s. Henze 2001. Diese Vorstellung findet sich auch im Henochbuch (ÄthHen 41,5ff.).
fol. 248r
266 | 3 Übersetzung und Kommentar
fol. 248v
sich jener Wind von einem der … der Sonne.²³³ Und wirft die Sonne unter den Grad ihres Laufes.²³⁴ Es verdunkelt sich ihr Licht bis der Wind hinter ihr umkehrt und sie wieder sicher auf dem Weg ihrer Bahn läuft.²³⁵ Denn wenn sie (die Sonne) hinaufsteigt zu einer der vielen Türen […],²³⁶ so dass sie hinaufsteigt vom Trockenen, so dass sie sie nehme und hinüberbringe nach außerhalb der Wohnsitze der Menschen, wenn sie aufsteigt zu den hohen, dicken Wolken, welche ihn (?) in der Luft bewegen, und sich eines dieser Lagerhäuser öffnet, dann wird sie mit Beben und Blitzen in die Berge des Nordens geworfen.²³⁷ In diesen Meeren werden ungeheure Schlangen geboren, nicht aber bei uns, [denn] Schlangen (tann¯ınē¸) werden nur im Meer geboren, das Måst.åqåbos heißt.²³⁸ Wenn die Sonne aber zu jenem Feuer¯ wind aufsteigt, dann trocknet sie mit ihrem Licht alle Enden [und Ecken] unter dem Firmament, und ihre Sphäre steht in Flammen vor jener Hitze von oben. Die Sonne verbrennt die ganze Erde, weil sie zu dem Wind aufsteigt, der von oben weht.²³⁹
233 Der Text ist hier fragmentarisch. PD hat: „Jener Wind, der aus einem der Lagerhäuser weht (wörtl. herauskommt), gewinnt an Stärke, da er dem Wagen der Sonne unterjocht ist“, s. Kugener 1907: 150. Das letzte Wort ‚Sonne‘ im syrischen Text stimmt wieder überein. 234 Der Text des SBM ist so korrupt, dass hier der pseudo-dionysische Text vorzuziehen ist. 235 Wörtl. ‚bis sie fest ist/erstarkt an dem Ort des Weges ihrer Bahn‘; PD hat: „Bis ihre Kugel wieder aufgeht und beständig ist auf dem Weg ihres Laufes“. 236 Es gibt zwar keine Lakune im Text, aber inhaltlich fehlt ein Abschnitt, der bei Pseudo-Dionysios erhalten ist. Das Subjekt des ganzes Satzes scheint die Sonne zu sein, obwohl es sich hier bereits um die Drachen handeln sollte. 237 Im SBM steht meštarē¸, was wohl eine Verwechslung mit meštadē¸ sein muss, welches im PD so ¯ vorkommt, s. Kugener 1907: 151. PD: „Wenn eine der riesigen Schlangen (tann¯ınē¸) aufsteigt, welche aus dem Meer hervorgeht, in welchem sie geboren werden, d. h. außerhalb der Wohnstatt der Menschen, und sich in das mittlere Meer wirft oder eines von den Tieren, die Leviathan genannt werden, so öffnet sich eines von den erhabenen Lagerhäusern. Mit einem furchtbaren Getöse, Beben und Blitzen steigt er auf und wirft sich in die Berge des Nordens.“ Die Formulierung „außerhalb der Wohnstatt der Menschen“ sowie die Berge des Nordens deuten auf eine Verwandschaft mit dem Stoff der Alexanderlegende, s. S. Rudolf: „The seas where dragons are born – some new thoughts on the cosmological tract attributed to Pseudo-Dionysios“ (in Vorbereitung). 238 Bei PD mst.kws. Die Vorstellung eines in einem Gewässer lebenden Drachen ist sonst aus der Mythologie der Rigveda bekannt. Es handelt sich um einen Schlangendrachen namens Vr.tra, der das in Höhlen von Gebirgen eingeschlossene (himmlische) Wasser zurückhält, bis er von Indra besiegt wird. In der zoroastrischen Pehlevi-Literatur gibt es ein Meerungeheur namens Gandarw/Gandarb. In der zoroastrischen und manichäischen Astrologie und Kosmologie sind mehrere Drachen und ¯ schlangenähnliche Monster bekannt, Gočihr und Mūčpar¯ıg sind bei den Zoroastriern die Verursacher ¯ ¯ von Finsternissen. Gočihr hat seinen Kopf in den Zwillinge (do-pahikar), seinen Schwanz im Schützen (Nēmasp), so dass stets 6 Tierkreiszeichen dazwischenstehen, s. Skjærvø 1987. Zur Herkunft und Bedeutung der Bezeichnung im Pahlavi s. Panaino 2005. 239 Der Abschnitt bei Ps.-Dion. ist nochmals weitaus detaillierter, s. Kugener 1907: 151.
3 Übersetzung und Kommentar | 267
Seht, o die ihr die Weisheit schätzt,²⁴⁰ dass es unter der Erde ein furchtbares Meer von Unmengen von Wasser gibt. Darunter [wiederum] ein loderndes Feuer und darunter ein Zeichen, auf dem die Erde steht. (S. 528) In den Sommertagen, wenn die Sonne zu diesem hohen Orte aufsteigt, dem Feueräther, und die Sphäre der Sonne in Flammen steht und sie die ganze Erde verbrennt wie ein Feuerofen,²⁴¹ sodann befiehlt Gott den Winden, die unter dem unteren Feuermeer sind, zu wehen und zügig (wörtl. kräftig) aufzusteigen.²⁴² Sie kühlen [dann] die Hitze des unterliegenden Feuers, wehen vorüber und steigen auf zu dem Meer von Wassern, den unterliegenden, und kühlen sie ab. Jene Kälte steigt auf und geht hinauf von der Erde und geht über in die Stämme der Bäume und Pflanzen und die Adern²⁴³ der Steine, und es wird gekühlt der Sand der Erde, damit die Sonne mit ihrer Hitze nicht die Erde und die Menschen, die auf ihr sind, zugrunde gehen lasse, und die Bäume nicht zerstört werden, und nicht die ganze Schöpfung gequält werde. Die Erdoberfläche funktioniert also wie ein Schwamm.²⁴⁴ Je mehr du gräbst und in die Tiefe gehst, desto kälter wird es. Wenn dann die Tiere im Sommer von Durst geplagt werden, so graben sie, gehen in die Tiefe, legen sich nieder und erholen sich so. Auch jene Menschen, die in den südlichen Gebieten im Lande Kusch und Saba wohnen, graben [sich im Sand ein],²⁴⁵ wohnen [dort] und finden Erholung. Über den Winter (tūb šuh.låpå d-måwda al satwå):²⁴⁶ In den Wintertagen wird ¯ ¯ ¯ die Sphäre der Sonne in den Süden abgedrängt, denn demgemäß sind ihr Lauf und ihre Wirkungsgrade. Ihre Hitze ist entfernt vom Norden und die kalten Winde werden
240 Auch dieser Text entspricht dem nächsten Abschnitt bei Pseudo-Dionysios, s. Kugener 1907: 152f. 241 Der Text des SBM hat hier die poetisch schönere Form gewählt und reimt tannūrå d-nūrå statt ¯ attūnå d-nūrå zu kopieren – gesetzt der Fall, es handelt sich hier um eine direkte Vorlage. ¯ 242 Auch wenn al-Kind¯ı in seinem nur durch die Berichte von Ibn Ab¯ı Us.aybia bekannten Werk al¯ ar ¯ al-ulw¯ıya sonst noch genauere und physikalischere Erklärungen als Aristoteles und Theophrast At ¯ für seine Windtheorie sucht und sicherlich auch keine Drachen erwähnt, so ist es doch erstaunlich, wie in diesem Punkt seine Theorie dem Text ähnelt: Er erklärt die Entstehung der Winde durch einen Ausgleich der Luft, die von dort, wo sie wärmer ist, sich in die kälteren Regionen ausdehnt, wo sie sich zusammenzieht. Steht die Sonne über der nördlichen Erdhalbkugel, erwärmt sich die Luft, dehnt sich aus, strömt nach Süden und zieht sich dort wegen der vorherrschenden Kälte zusammen. Die Winde im Sommer wehen also von Norden, im Winter ist es umgekehrt, s. GAS VII: 241f. 243 Der Vergleich des menschlichen Körpers mit der Erde ist ein geläufiges Motiv der aristotelischen Meteorologie, s. Strohm 1970: 66. 244 Das Motiv des Schwammes erscheint in der aristotelischen Meteorologie, allerdings als Metapher für die wasserspeichernden Berge, die das Wasser in Form von Quell- und Bergflüssen wieder abgeben, s. Strohm 1970: 32. 245 H . åsrin ‚vergehen‘ statt h.åprin ‚graben‘ muss Schreib- oder Druckfehler sein. 246 Dieser Abschnitt im PD hat eine dem im SBM ähnliche Überschrift: šuh.låpå h.rånå d-setwå. Der ¯ ¯ Anfang stimmt noch überein, am Ende des Abschnitts wird aber der PD ganz theologisch, setzt die Kristallberge mit dem Paradies gleich und beschreibt die dortigen Lebensumstände, s. Kugener 1907: 153f.
fol. 249r
268 | 3 Übersetzung und Kommentar
fol. 249v
stärker. Und da jene Sphäre der Sonne viel weiter unterhalb der Hitze des brennenden Feuers liegt, ist jene [zu] hoch. Die Sonne kann nicht die Kälte der Winde und des Schnees und das Eis aufwärmen, die auf der ganzen Erdoberfläche verteilt sind und sie kalt machen. (S. 529) Sie kühlen und mäßigen sogar die Hitze der Sonne. Damit jene Kälte nicht die Menschen, Bäume und Tiere vernichte und alles, was auf der Erde ist, auslösche, werden diese unteren Winde gestärkt. Gott befiehlt, dass das Feuer, welches unterhalb von ihnen ist, geschürt werden soll. Jene Hitze kommt nach oben und steigt durch die Ausgänge und Löcher der Erde auf. Sie dringt in die Baumstämme und lässt die Kälte schmelzen, welche im Innern der Bäume und des Wassers und dem Staub der Erde sitzt. Durch die Stärke der Hitze, die vom Innern der Erde aufsteigt, werden die Wasser der Quellen erwärmt und jener kalte Wind abgeschwächt. Aus ihrem Innern steigt ein Hitzerauch auf und jene Hitze, welche von unten aufsteigt und die Härte der Kälte bricht, verbreitet sich schnell (råht.å). Auch die Tiere erfrischen sich, indem sie in die untere Staub[schicht der Erde] graben und sich in ihre Hitze legen. Und sogar die Vögel verbergen sich in der Nacht über dem Wasser von Quellen und Flüssen [vor der Kälte], um sich aufzuwärmen. Und auch jene Menschen, die im Norden wohnen, in den Bergen, die Nordmenschen. Die Felsen jener Berge sind Kristalle. Im Innern der Berge gibt es keinen Wohnort für Menschen, denn jenseits des Flusses, der … Fluss genannt wird. Nichts ist mehr jenseits davon außer dem Okeanos, jenem schrecklichen Meer, das die ganze Erde umgibt. Auf diesem großen Meer gibt es kein einziges Wesen, das sich auf ihm bewegt, nicht einmal ein Vogel kann darüber fliegen.²⁴⁷ Genauso wie eine Mauer eine Stadt umgibt, so umgibt es die ganze Welt. Aus welchem Grund sind die Lagerhäuser des Windes geöffnet? Es gibt ein furchtbares Meer außerhalb der Wohnstatt der Menschen, wo die Ungeheuer und großen Schlangen geboren werden. Und wenn eines von ihnen erstarkt, aufsteigt und zu dem großen mittleren Meer der Menschen gelangt, werden geöffnet die Lagerhäuser des Windes über ihm und nehmen die Form von Wolken an, verdichten sich und laden sich auf mit Donner und Blitzen (S. 530) und entladen sich an einem von den nördlichen Bergen außerhalb der Wohnstadt der Menschen und dort fallen Kristallsteine auf es [das Ungeheuer] herab, d. h. Hagel, und töten es.²⁴⁸ Abschnitt über die Vermessung der Erde: Die Erde besteht aus fünf Abschnitten.²⁴⁹ Jeder dieser Abschnitte besteht [wiederum] aus zwölf Teilen, so dass es ins-
247 Das Motiv ist in der syrischen Literatur gut belegt, am prominentesten sicherlich im Alexanderroman, s. Donzel et al. 2009: 51ff. Der Fluss, der in der babylonischen Mythologie die Grenze zur Unterwelt darstellt, heißt Hubur ‚Bitterfluss‘ und ist in der westlichen Tradition der Alexandersagen ˘ nicht bekannt, s. Annus 2009. 248 Dies ist sicherlich eine korrupte Version der bei Andronikos enthaltenen Geschichte der Kraniche, s. Nau 1917. 249 Geht dieses System auf Aristoteles zurück, wie er es in seiner Meteorologie (B 362a 32) schildert? S. Gilbert 1907: 344.
3 Übersetzung und Kommentar | 269
gesamt sechzig Teile sind.²⁵⁰ Drei Abschnitte sind Wasser, d. h. also sechsundreißig Teile. Das sind 36 Tage. Von diesen sechzig Teilen verbleiben also vierundzwanzig Teile, d. h. zwei Abschnitte. Fünfzehn Teile können bereist werden. Ein [Teil] ist nicht bewohnbar wegen der Hitze der Sonne und ein [Teil] kann nicht bewohnt werden wegen der Kälte des Winters. Ein [Teil] kann nicht bewohnt werden wegen der Höhe der Berge. Die sechs Teile, die übrig bleiben von den sechzig Teilen der ganzen Erde, also ein Zehntel, können nicht beschrieben werden. Vermessung der Erde von Osten nach Westen: Von der Erde zum Himmel ist es siebenmal so weit wie von Osten nach Westen. Von Ost nach West wiederum sind es elftausend und vierundsechzig Parasang (parsh.ē¸). Von der Erde zum Himmel sind es siebzig Kreise, wobei jeder Kreis hundertachtunddreißig Parasang hat. Die Summe der Kreise beträgt tausendsechshundertundsiebzehn Parasang.²⁵¹ Berechnung von Gewichten (h.ušbån matqålē¸):²⁵² Sechsundneunzig Gersten¯ körner (sårē¸) ergeben ein Goldmaß oder Silbermaß. Das Maß eines Getreidekorns (sartå)²⁵³ sind zehn Senfkörner. Eine ganze Maßeinheit (matqålå) sind neunhundert¯ ¯ sechzig wilde Senfkörner nach Meinung des Eliyas, Metropolit von Nisibis.²⁵⁴ 7 Getreidekörner sind ein Finger.²⁵⁵ 24 Finger sind eine Elle. (S. 531) Viertausend Arme sind eine Meile (m¯ılå). Ein Parasang sind 12 Tausend Arme. 67 Getreidekörner sind genau ein Arm. Vom Parasang: Der Parasang des Weges sind drei Meilen. Eine Meile sind zehn Stadien (est.adåwån).²⁵⁶ Ein Stadium ist drei Furchen (sedå),²⁵⁷ was wiederum hun¯ ¯
250 Die Einteilung der Erde in 60 Intervalle geht auf Erathostenes zurück, s. Stahl 1952: 207. 251 Der Parasang ist ein persisches Wegemaß (mp. frasang), das v. a. in altgriechischen literarischen und meteorologischen Texten auftaucht und stets als 30 στάδια bzw. 4 μίλια definiert wird. In Byzanz war das Maß ohnehin schon kaum verbreitet, in Grenzgebieten, die persischem Einfluss ausgesetzt waren überhaupt nicht. Im persischen Schöpfungsmythos Bundahišn heißt es, dass ein Parasang der Entfernung entspricht, die ein Pfeil fliegt, Justi 1976: 10. An anderer Stelle heißt es: „Die Länge einer Parasange ist so gross, wie weit ein Mann mit dem Gesicht unterscheiden kann: wenn er ein Thier sieht, dass er erkennen kann, ob es schwarz oder weiss (ist).“ (Justi 1976: 36). 252 Man beachte hier die echte Status-constructus-Verbindung. 253 Richtig vokalisiert sollte sårtå stehen, s. Sokoloff 2009: 1028. ¯ 254 Dieser soll laut Budge der Nachfolger des Bar S.awma gewesen sein, der 458 starb. Von besagtem Eliyas ist eine Schrift über Maße erhalten, die aber keineswegs mit unserem Text übereinstimmt, s. Sauvaire/Poole 1977, Sauvaire 1980. Allerdings finden sich Maße in der syrischen Version von Epiphanius, s. Dean 1935. Außerdem hat auch Severus Sebokht am Ende seiner Abhandlung über die Konstellationen einen Abschnitt, in dem verschiedene Einheiten definiert werden, s. Villey 2011–12: 34. 255 In der Handschrift ist hier (fol 250a) eine rote Linie in Fingerlänge mit der Beschriftung s.ebå, welche die wohl authentische Länge des Zeigefingers des Schreibers zur Verdeutlichung angibt. 256 Die übliche Form des aus gr. στάδιον kommenden Fremdwortes lautet est.adyå mit der Nebenform ¯ ¯ s. Sokoloff 2009: 68. est.adyon, ¯ 257 Korrekt wäre saddå, s. Sokoloff 2009: 970. Auch im nächsten Satz steht die falsche Vokalisierung.
fol. 250r
270 | 3 Übersetzung und Kommentar
fol. 250v
dert Schritte sind. Ein Schritt ist die Hälfte einer Messlatte (qanyå), eine Messlatte hat acht Ellen.²⁵⁸ Über das Maß der Tierkreiszeichen: Jedes der Tierkreiszeichen hat dreißig Teile (mnåwåtå), wobei jeder Teil wieder siebenhundert Stadien hat. Ein Stadium ist zwei¯ ¯ ¯ıtå). Ein Fuß ist zwei Ellen [lang]. Eine Spanne (zartå) sind hundert Füße [lang] (pod ¯ ¯ zwölf Finger. ¯ ıtå) ist [als Längenmaß] das ¯ yåtå) der Zeit: Ein Fuß (pod¯ Über die Maße (pod ¯ ¯ ¯ ¯ Maß eines Schrittes, [als Zeitmaß] sind es die dreißig Doppelminuten (podyåt å) einer ¯ Stunde.²⁵⁹ Eine Doppelminute entspricht [ferner] zehn Zeiteinheiten (sesså), ein Seså sind zwanzig Siebzehntel-Minuten (rupsē¸).²⁶⁰ Eine Siebzehntelminute hat zweitausend Augenblicke (rpåp¯ın). ¯ ıtå) hat zwei Minuten (qat..t¯ınåtå), eine Minute Weiter: Eine Doppelminute (pod¯ ¯ ¯ [wiederum] hat siebzehn Siebzehntelminuten (rupsē¸). Eine Siebzehntelminute sind tausend Augenblicke.²⁶¹ Sechs podyån²⁶² werden als eine Unze (ūnqyå) gerechnet.²⁶³ Fünf Unzen sind eine Stunde. Vierundzwanzig Stunden sind ein Tag und eine Nacht. Weiter: Ein ganzes Jahr hat dreiundvierzigtausendundachthundertfünfzehn ¯ [43 815] Zeiteinheiten (podyåt å), das sind 120 pro Tag. Die såråtå eines Tages sind ¯ ¯ hundertzwanzig, die såråtå eines Tages dreihundert (sic!). Die såråtå eines ganzes ¯ ¯ Jahres sind zweihundertzweiundsechzigtausendundachthundertneunzig [262 890]. ¯ ¯ ıtå ist sechs sårē¸. Fünf qant.¯ımē¸ sind eine Eine Stunde hat fünf (podyåt å). Und ein pod¯ ¯ ¯ Stunde.²⁶⁴ Die Wochen eines Jahres sind zweiundfünfzig und ein Tag.
258 Eine Definition eines Stadiums findet sich auch bei Severus Sebokht in seinem Traktat zu den Konstellationen (Le traité sur les constellations). In der Übersetzung von Nau heißt es: „Le stade est de deux cents pas ; le pas est de deux ammin, c’est-à-dire deux coudées (fol. 119 r). Un amtâ, c’est-à-dire une coudée, est de deux empans ; l’empan est de douze doigts ; sept stades et demi font un mille (2). 93 milles 1/3 font 700 stades et comme on a montré que chaque degré vaut 700 stades, et que 700 stades valent 93 milles 1/3, les 360 degrés de tout le pourtour de la sphère feront donc 33600 milles.“ (Nau 1931: 93f.). 259 BBah: 1500f. erhellt die vielfachen Bedeutungsebenen des Wortes: ‚Fuß (Längenmaß); Doppelminute (Zeitmaß); Maß für den Schatten der Sonne‘. 260 Bei BBah: 1501 sind es 30 rupsē¸. 261 Diese Bedeutung steht neben der genau definierten Zeiteinheit des rpåpå als ein Zweitausendstel einer Siebzehntelminute (bei Theodor bar Koni, ThbK2, S. 151, 2) bzw. einem Tausendstel wie hier angegeben. Auch BBah: 1501 hat hier zweitausend Augenblicke. 262 Hier mit der maskulinen Pluralendung. 263 Die Unze als Zeitmaß einer Fünftelstunde ist im Syrischen nur bei BBah und hier belegt, s. Sokoloff 2009: 18. 264 Die Polysemie dieser Einheit ist bei Georg mit zwei verschiedenen Berechnungsweisen erklärt. Georg setzt zwei Systeme voraus, das 24-Stundensystem, welches „der Überlieferung bei den Römern, Griechen, Ägyptern, Syrern und Persern entspricht“ und für eine Stunde 2,5 qent.¯ımē¸ ansetzt, und das 12-Stundensystem, welches den Tag in 60 Minuten oder Grade einteilt und eine Stunde in 5 qent.¯ımē¸. Dieses System beruhe auf einem Missverständnis nach der „alten“ Rechnung, wahrscheinlich den babylonischen Doppelstunden, s. Ryssel 1893: 11f., 44f.
3 Übersetzung und Kommentar | 271
Über die Mischung der Tierkreiszeichen: Widder, Löwe und Schütze sind heiß und trocken wie das Feuer, entsprechen der [Himmels-]Richtung des Südens und beherrschen die vierfüßigen Tiere. Stier, Jungfrau und Steinbock sind (S. 532) kalt und trocken wie die Erde, entsprechen der [Himmels-]Richtung des Westens und beherrschen Bäume und Sträucher. Zwillinge, Waage und Wassermann sind heiß und feucht wie die Luft und entsprechen der [Himmels-]Richtung des Ostens und beherrschen Menschen und Vögel. Krebs, Skorpion und Fische sind kalt und feucht wie Wasser und entsprechen der [Himmels-]Richtung des Nordens. Ihnen untersteht alles, was Wasser abgibt. Über die Jahreszeiten, die du suchst: Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Im Frühling gibt es viel Feuchtigkeit wegen der letzten Kälte und der einsetzenden Hitze, welche die Kälte zum Schmelzen bringt. Im Sommer gibt es viel Hitze wegen der Sonneneinstrahlung.²⁶⁵ Im Herbst gibt es viel Trockenheit, weil die Hitze sich dem Ende neigt, welche die Feuchtigkeit verbrennt. Der Winter ist sehr kalt wegen der Sonnenferne. Vorhersage über den Wind: Vier sind der Winde, die der Menschheit und allen Dingen dienen. Von ihnen kommt der Wechsel der Luft im Sommer und Winter: Zwei von ihnen, Osten und Süden, dienen dem Winter und, wenn sie wehen, füllen sie die Quellen, und es regnet. Die Samen und Blüten werden kräftig, und dadurch wachsen die Bäume und tragen Früchte. Wenn aber im Sommer zweierlei Winde, der Ost- und der Südwind, wehen, dann werden sie vieles vernichten. Nord- und Westwind dienen dem Sommer, mit ihnen werden die Wasserquellen gestärkt, fangen an zu fließen und zu sprudeln. Durch sie erblühen die Zedern und Bäume an ihren Früchten. Wenn sie aber im Winter wehen, sind sie schädlich für die Wasserquellen. Weiteres zu den Winden: Es gibt vier Kardinalwinde (rūh.ē¸ šar¯ıråtå): Ost-, West-, ¯ ¯ genannt Nord- und Südwind. Aus dem Osten kommt der Wind, der Apeliotes (apl¯ı.tos) wird. Es gibt zwei Winde, die wehen und ihn umgeben, der eine zu seiner Rechten, der andere zu seiner Linken. Der zu seiner Rechten (S. 533) wird Kaikias (q¯ıs)²⁶⁶ ge¯ os).²⁶⁷ ¯ nannt, der von Norden Euros (oz Derjenige, der von Westen weht, heißt Zephy¯ os). ¯ Es gibt zwei Winde, die ihn umgeben. Der Wind zu seiner Rechten wird rus (zopr Africus (apros) genannt.²⁶⁸ Der von Norden weht, trägt den Namen Boreas (būrås), [auch] ihn umgeben zwei Winde, der zu seiner Rechten wird Thraskias (tarq¯ıs) ge¯ Der wiederum, der vom Süden weht, nannt, der zu seiner Linken Afritos (apr¯ı.tos). [auch] er hat zwei Winde, die ihn umgeben. Der zu seiner Rechten heißt Libonotus
265 Wörtl. ‚wegen des Sonnenmaßes‘. 266 Das Fremdwort hat unterschiedliche Formen im Syrischen angenommen, Zitierform ist q¯ıq¯ıs, daneben finden sich Pleneschreibungen wie qåq¯ıås (BBah: 1703), s. Sokoloff 2009: 1365. 267 Hier muss eine Verwechslung von zayn und rēš ¸ zugrunde liegen. 268 Dieser Name fällt aus der Reihe und könnte höchstens Entsprechung zum römischen SüdWestwind Africus sein, den z. B. Vitruv beschreibt. Fraglich ist jedoch hier, wie weiter unten, wie es zu lateinischen Namen anstelle der griechischen gekommen sein soll.
fol. 251r
272 | 3 Übersetzung und Kommentar
fol. 251v
¯ ¯ (layb¯ı.tos)²⁶⁹ und der zu seiner Linken Euronotus (or¯ı.tos).²⁷⁰ Das sind alle zwölf Winde und die vier [Himmels]Richtungen.²⁷¹ Über die Luft der Himmelsrichtungen und ihre Unterschiede: Die Luft von Osten und der Frühlingszeit ist warm und feucht. Die Luft von Süden und der Sommerzeit ist warm und trocken. Die Luft von Westen und der Herbstzeit ist kalt und trocken. Die Luft von Norden und der Winterzeit ist trocken und feucht. Über den Anfang der vier unterschiedlichen [Jahreszeiten]: Der Frühling beginnt am vierundzwanzigsten [24.] März [und reicht] bis zum vierundzwanzigsten [24.] Juni. Der Sommer beginnt am vierundzwanzigsten [24.] Juni [und reicht] bis zum vierundzwanzigsten [24.] September. Die Herbstzeit beginnt am vierundzwanzigsten [24.] September [und reicht] bis zum vierundzwanzigsten [24.] Dezember. Der Winter beginnt am vierundzwanzigsten [24.] Dezember [und reicht] bis zum vierundzwanzigsten [24.] März. Viele behaupten, dass der Anfang des Aufblühens am 24. März ist,
¯ . os, ¯ s. Sokoloff 2009: 687. 269 Eigentlich vokalisiert als l¯ıbont 270 Abgeleitet von εὐρόνοτος; Die Korruption ist schon vermerkt bei Margoliouth 1927: 11. Die beiden letzten Formen scheinen jeweils von dem griechischen Genitiv abgeleitet zu sein. Korrekturen der Schreibungen sind bei Brockelmann mit Zuordnung der griechischen Bezeichnungen zu finden, allerdings verrät er nicht, welchem System diese Bezeichnungen entsprechen, s. Brockelmann 1914: 201. Schon in der griechischen Windtheorie waren die Anzahl als auch die Bezeichnungen der Winde alles andere als verbindlich. So findet sich im pseudo-hippokratischen Traktat Über die Siebenzahl (Περὶ ἑβδομάδων) ein System von 7 Winden, bei Aristoteles eine Windrose mit 11 Winden. Auch Theophrast beruft sich auf dieses System. Der Libonotus als 12. Wind ist erst durch Timosthenes hinzugefügt worden. Einen historischen Überblick hat Gilbert 1907: 539ff. Dionysius (Geoponica 1,11, Beckh 1985:) bezieht sich auf das System des Eratosthenes-Timosthenes-Poseidonius, wobei er einen einzigen Wind, den ἀργέστες, durch einen Lokalwind ἰάπυξ ersetzt. Es ergibt sich damit eine Windrose mit ἀπηλιώτης Ostwind (wörtl. ‚von der Sonne her wehender Wind‘), εὐρος nördlicher Ostwind (wörtl. ‚der Trocknende‘), εὐρόνοτος westlicher Südwind, νότος Südwind, λιβόνοτος Südwind, λίψ östlicher Südwind, ζέφυρος nördlicher Westwind, ἰάπυξ Westwind, θρασκίας südlicher Westwind, βορέας östlicher Nordwind, ἀπαρκτίας westlicher Nordwind, καικίας Nordwind, s. Gilbert 1907: 560ff. Es fehlt zwar die Nennung von Notos und Lips im syrischen Text, die restlichen Namen stimmen allerdings ausnahmslos überein, sodass von einer syrischen Übersetzung dieses Textes ausgegangen werden kann, die dem Kompilator des SBM vorlag. 271 Dem aufmerksamen Leser mag das Fehlen eines Namens nicht entgangen sein. Ganz klar aber ist hier das Windrosensystem zu erkennen, offensichtlich schon in einer erweiterten und abgewandelten Form. Daiber hat eine Theorie für die Quelle dieser Stelle des SBM: „Neben diesen Windeinteilungen hat man auch ein System von vier Hauptwinden vertreten […] Diese in Plac. philos. III 7, 2 den Stoikern zugeschriebene Einteilung der Winde […] in vier Arten, in einen Westwind (genannt Ζέφυρος), einen Ostwind (genannt ᾿Απηλιώτης), einen Nordwind (genannt Βορέας) und einen Südwind (genannt Λίψ), taucht auch in dem seinem Alter und Herkunft nach schwer fixierbaren (→ Baumstark 230) syrischen Medizinbuch […] auf, wo die griechischen Bezeichnungen beibehalten sind. Möglicherweise hat sie der syrische Autor, der noch zusätzliche Unterarten dieser vier Winde aufzählt, Galen entnommen, den er ja auch sonst öfters zugrunde legt. Galen seinerseits bringt die Einteilung der Winde in vier Arten als Lehre der Stoiker, und zwar nach den Placita philos.: → Galen in Hippocr. de humor. III 13 Kühn 16 S. 396, 1–5.“ (Daiber 1975: 81).
3 Übersetzung und Kommentar | 273
sobald die Sonne im Widder steht. Die einen sagen, dass am siebten [7.] Februar die Bäume anfangen zu blühen,²⁷² die andere sagen Mitte Februar. Vorhersage über das Jahr, die Luft und [Jahres]Zeiten: Wenn die Luft in einem Jahr klar und schön ist, so wird alles zu seiner Zeit geschehen. (S. 534) Du sollst auch wissen, dass Krankheiten in ihm leicht werden. Wenn das Jahr verschoben und durcheinander ist, dann werden auch die Krankheiten schwer und furchtbar sein und nur langsam heilen. Es sind die (Jahreszeiten)Wechsel, welche die Krankheiten hervorrufen, in Verbindung mit der Luftänderung.²⁷³ Je nachdem ob sie kalt oder warm sind, feucht oder trocken, zeigen sich die unterschiedlichsten Krankheiten:²⁷⁴ Wenn der Südwind weht, macht er die Ohren taub und verändert die Augen, den Kopf und die Glieder. Wenn die Windstärke zunimmt, dann treten diese Krankheiten auf. Wenn der Nordwind stark weht, verursacht er Keuchhusten, Kopfschmerzen und Schmerzen in der Kehle. Außerdem ein Zusammenpressen der Eingeweide (h.uyyås. karså), Harndrang (s.amår¯ıtå),²⁷⁵ Fieberschauer (qubbåb garmē¸),²⁷⁶ Schmerzen an der Seite ¯ ¯ und Schmerzen in der Brust.²⁷⁷ Wenn die Sommerluft einsetzt [aber noch] dem April gleicht, dann gibt es eine große Anzahl von Zitter[beschwerden], Bösartigkeit und Krankheit mit starken Schmerzen. [Man muss] in dieser Zeit viel schwitzen und [bekommt leicht] Fieber. Man soll sich in dieser Zeit bei der Ernährung mäßigen und studieren (nuppåqå).²⁷⁸ Wenn die Sommerluft trocken ist und trüb (dl¯ıh.å), dann wird das Fieber akut sein. Wenn ein Großteil des Jahres trocken ist, sollst du wissen, dass die Krankheiten schwer sein werden.²⁷⁹ Wenn die Winterluft trocken ist, und der Nordwind stark weht, wenn der April verregnet ist und es notwendigerweise viel Regen gibt, musst du wissen, dass das Fieber im Sommer schwer wird. Augenschmerzen und Diarrhoe (dyålå d-karså) werden auftreten und Frauen werden mehr Leiden haben als ¯ Männer, weil ihre Körper von ihrer Zusammensetzung her locker sind.²⁸⁰ Wenn der Winter verregnet ist oder sehr feucht, und der April mild ist, so wisse, dass die schwan-
272 Hier ist der römische Kalender gemeint, der den 7. Februar als Frühlingsanfang kennt, so auch in den Geoponica I,1, s. Dalby 2011: 55, Beckh 1985: 4. 273 Ab hier beginnt die Übersetzung des 3. Kapitels der hippokratischen Aphorismen. Die Version weicht von der des H.unayn ab. Ein Vergleich, besonders mit der griechischen Version, steht noch aus, vgl. Pognon 1903: 10ff., 2.5.4.1. 274 Dieser Abschnitt entspricht Aphorismus 3,1, s. Pognon 1903: 10. 275 Das Wort sollte korrekt s.amråytå vokalisiert sein, s. Sokoloff 2009: 1294. 276 So angegeben bei Sokoloff 2009: 1322, obgleich es sich hier um den einzigen Beleg dieses Ausdrucks handelt. 277 Aph. 3,5, s. Pognon 1903: 10. 278 Aph. 3,6, wobei der letzte Satz nicht in der h.unaynschen Version vorkommt, s. Pognon 1903: 10. 279 Aph. 3,7, s. Pognon 1903: 10. 280 Aph. 3,11, s. Pognon 1903: 11. Aus dem galenischen Kommentar des hippokratischen Περὶ ἀέρων, ὑδάτων, τόπων (s. 2.3.2.2) wird ersichtlich, dass sich der Text der Aphorismen an dieser Stelle damit überlappt; hier folgt die englische Übersetzung der arabischen Version: „Hippocrates said: If the winter [is dry] and northerly, and the spring rainy and southerly, people will necessarily suffer in the sum-
fol. 252r
274 | 3 Übersetzung und Kommentar
fol. 252v
geren Frauen Schmerzen haben werden, wenn sie in anderen Umständen sind. Einige von ihnen werden schnell sterben. Die, welche [dem Tod] entfliehen und am Leben bleiben, werden an Krankheiten sterben. Für Menschen mit weicher und trockener Natur (mšuh.tå) sind (S. 535) Schmerzen der Innereien und Diarrhoe [bestimmt], und ¯ sie werden schnell sterben.²⁸¹ Wenn der Winter trocken ist, und die Luft im April schön und schützend (nt.¯ırå), wird eine Seuche über die Greise hereinbrechen. Diejenigen, die in dieser Zeit jung sind, werden sehr geschwächt werden, und es vergeht der Same ihrer Nachkommenschaft.²⁸² Wenn der Sommer trocken ist, und der Nordwind stark [weht], und der Herbst verregnet ist, dann wisse, dass [man] im Winter schnell an Kopfschmerzen, Halsschmerzen und Diarrhoe [erkranken kann], und die Menschen in Gefahr (qewåndenos) sind, und eine große Seuche hereinbrechen wird. Und wenn der Herbst warm und trübe ist, dann sollst du wissen, dass Frauen wie Männern große Gunst bei der Heilung [von Krankheiten zukommen wird], deren Körper feucht, weich und weiß sind. Für die restlichen Menschen sind trockenes Augenleiden, schweres Fieber und schwarze Galle [vorherbestimmt], und viele von ihnen sterben.²⁸³ Der Unterschied der Luft[eigenschaften] ist, dass extreme Trockenheit besser für die Menschen ist als Feuchtigkeit. Wenige sterben daran, und sie vernichtet die Ursache der Krankheit.²⁸⁴ In einem feuchten und regnerischen Jahr sind die Krankheiten sehr schwer, und die Menschheit schwebt in Gefahr (qewåndenos). Das Fieber ist langwierig und akut, die Gedärme lose, und die Glieder schmerzen (qubbåb garmē¸). [Dazu] Abge¯ schlagenheit (t.urråpē¸), Verwirrung (tåwehtå), åpahlos (?), quälende Schmerzen am ¯ [ganzen] Körper, Kopfschmerzen und Laxheit der Gliedmaßen, Schmerzen im Magen und Darm. Das Essen löst sich auf, wird bitter, kalt und wird erbrochen. Die Menschheit schwebt in diesem Jahr in Gefahr, und die Krankheiten, die im Herbst zahlreich sind, werden schwer sein. Schnell werden die Kranken sterben, und alte Wunden werden [wieder] schmerzen.²⁸⁵ Das Jahr hat also viele Umschwünge, seine Luft variiert in [diesem] Wechsel, und sein Lauf besteht aus diesen vielen unterschiedlichen Umschwüngen der Luft[verhältnisse]. Wenn der Nordwind in ihm weht, musst du wis-
mer from fevers and ophtalmia and dysentery. For if the heat comes on suddenly […]“ (Wasserstein 1982: 87.) 281 Aph. 3,12, s. Pognon 1903: 11. Man vergleiche auch hier Περὶ ἀέρων, ὑδάτων, τόπων: „If the winter is southerly and rainy, and the spring dry, northerly and wintry, pregnant women abort in the spring, when they are due to give birth then. If they do give birth, they bring forth their children at that time in a sickly and feeble condition. They therefore either die immediately or live emaciated and sickly. Of the rest of the people, some suffer from dysentry and dry ophtalmia, and others from fluxes from the head to the lungs. Phlegmatic people and women suffer from dysentry; for the phlegm descends from their heads to their bellies. Those that are bilious suffer from dry ophtalmia, because their bodies are overcome by heat and dryness.“ (Mattock/Lyons 1969: 100ff.) 282 Dieser Abschnitt ist nicht bei Pognon enthalten. 283 Aph. 3,13, s. Pognon 1903: 11. 284 Aph. 3,14, ibid. 285 Aph. 3,15, ibid.
3 Übersetzung und Kommentar | 275
sen, werden die starken Körper noch mehr gestärkt und kräftiger und schöner. Auch die Ohren werden gereinigt werden, ihr Rumpf aufrecht, und (S. 536) ihre Augen werden tränen. Brustschmerzen werden, wenn sie vorliegen, sofort gelindert. Wenn die Luft in einem Jahr feucht ist, schmerzt der Körper und wird schlaff. Die Ohren sausen (wörtl. klopfen) und werden taub. Der Kopf brennt und wird schwer, die Augen verdunkeln sich und werden schwach, die Schläfen pochen und die Luftröhren rasseln. Der [ganze] Körper schmerzt, wird schlaff und verdunkelt sich, wird finster und schwer. Im April diesen [eines solchen] Jahres ist die Menschheit in Gefahr, und es wird eine große Seuche geben.²⁸⁶ Und wenn der Ostwind weht außerhalb seiner [zu erwartenden] Zeit, werden die [menschlichen] Körper schwer, die Augen tränen und die Schläfen pochen. Der Magen nimmt Schaden und wird kalt, das Blut verliert (wörtl. tauscht aus) seine Hitze und wird kalt, es wird weniger und erreicht einen kalten Zustand. Wenn es dazu kommt, dass dieser Wind zunimmt, dann wird es zu jenen Krankheiten kommen. Wenn [aber] der Südwind bläst, treten diese Krankheiten auf: Diarrhoe (diyålå d-karså), schwarze Galle, trockene Verschwommenheit [der Augen] und schweres ¯ Rheuma. Das Gehirn und die Glieder werden Schaden nehmen. So gibt es vermehrt Rheuma in einem Jahr, in dem die Luft sich verändert. Die Menschheit befindet sich in einem großen Umschwung, weil die Krankheiten in ihm schwer sind. Es wird eine große Seuche geben. Im Winter werden innere Schmerzen [vorherrschen], Lungenentzündung,²⁸⁷ Schmerzen in Hals und Kehle, Brustschmerzen, Kopfschmerzen und Verrücktheit (šnåyå d-lebbå) und Nierenschmerzen, außerdem wird es viel Elend ¯ geben und die Menschheit schwebt in Gefahr. Im April dieses Jahres wird es schwarze Galle geben und Diarrhoe, Koliken der Innereien (måsē¸ da-mayyå), Verrücktheit und ¯ innere Schmerzen, das Zirkulieren von Blut von oben nach unten, Strangulationen (h.unnåqå),²⁸⁸ Keuchhusten, Hautkrankheiten (zråpå), Pusteln (h.amt.ē¸) und Krätze (h.kåkå) und auch Entzündungen (reth.ē¸). Die Menschheit wird in Gefahr schweben. ¯ ¯ ¯ Der Sommer in diesem Jahr wird akute Fieber mit sich bringen, sengende Hitze, Blässe und Fieber (eštå .tårt.art.os), Erbrechen und Diarrhoe. Trockene Verschwommenheit [in den Augen] und Schmerzen in den Schläfen, türkisches Fieber,²⁸⁹ (S. 537) Auslöschung, Geschwüre von Wundbrand (šuh.nē¸ d-h.allåd¯ıtå) und Elend. Die Men¯ ¯ ¯ schen werden große Angst haben. Im Herbst diesen Jahres wird es Fieber geben und Schenkelschmerzen und Luftnot, Schmerzen in den Knochen, Fieberschauer, Angst, Verrücktheit, Wassersucht (hedropiqåyå), Rheuma und klebrigen Speichel, Steine in ¯ den Eingeweiden (Nieren-/Gallensteine?) und schwarze Galle. Die Menschheit wird sich in einer Drangsal befinden, und es wird eine große Seuche geben. Von allen
286 Aph. 3,16, s. Pognon 1903: 11. 287 Es heißt hier kē¸ b råtūtå statt d-tūtå, s. Brockelmann 1914: 201. ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ 288 Ist das Abschnüren eines Organteils gemeint, wie z. B. bei Darmverschluß? 289 Man muss hier wohl die Lesart ešåtå toråkåytå ‚Fieber der Brust‘ (θωρακικός) konjizieren, s. So¯ ¯ koloff 2009: 108.
fol. 253r
276 | 3 Übersetzung und Kommentar
fol. 253v
fol. 254r
Lüften des Jahres ist die Luft im April am schwersten und die im Herbst. Sie raffen die Menschheit dahin. Hilfreich ist sie nur für (wilde) Tiere, Ziegenböcke und Elefanten. Am Jahresanfang sind die Kinder kräftig und ihre Körper flink, im Sommer und im Hebst [dann] die betagten Greise und im Winter die jungen Männer und die den Jahren Flüchtigen. Es gibt aber auch Kinder, die im Sommer schwach und krank werden, im Herbst dann die jungen Männer und Mittelalten. Es gibt [aber auch] Menschen, für die es im Winter schön ist, denn ihre Natur ist warm. Und es gibt solche, für die es im Sommer schön ist, denn ihre Natur ist kalt. Und es gibt solche, für die es im April und im Herbst [schön ist] wegen der [Säfte]Mischung ihrer Körper. Wir setzen Jahre mit [Jahres]Zeiten gleich, Zeiten mit Lüften, Lüfte mit Orten, Orte mit [Ge]wässern und mit Wässern Nahrungsmittel und mit Nahrungsmitteln die Natur. Und die Natur mit allem davon. Über die Mischung der Lebensalter (mušh.åtå) der Menschen: Kinder sind ¯ heiß und feucht. Vom Mannes- bis zum Greisenalter kalt und trocken, Greise sind kalt und feucht, Männer heiß und trocken, Frauen kalt und feucht.²⁹⁰ Über den Wandel der Krankheiten: Krankheiten treten vermehrt im April auf, denn es gibt dann schwarze Galle und die Menschen werden daran verrückt. Sie leiden an Abgeschlagenheit, ihr Blutkreislauf wird unterbrochen und sie haben Aus¯ schläge (šet.h.ē¸) am Rachen und Steine und Krusten am Körper (qullåp pagrå), Schuppenflechte (h.azzåzyåtå) und eine Krankheit (mas.rupyåtå),²⁹¹ Tetanus, Pusteln und Entzündungen. Im Sommer wird das Fieber leicht und akut, brennender Durst, ein langandauerndes Fieber mit Erbrechen (auf die Erde) [gehen damit einher], (S. 538) Ohrenschmerzen, Unterleibsschmerzen und vollkommene Aufreibung von Wunden im Mund. Im Herbst [dann erscheint] Fieber, Schmerzen in der Milz, Wassersucht, Rheuma, Wasserfluss (šråy mayyå), Blasensteine (s.marmrē¸), Schmerzen in den Schenkeln, Luftnot, (?) (wa-nsot.anyåtå), Tränenfluss, Wunden und schwarze Galle. Im Win¯ ter [erscheinen] Schmerzen in den Innereien und Schmerzen in der Lunge und Schlaffheit der Glieder (šråyå d-haddåmē¸) und jegliche [Art der schmerzenden] Erfahrung. ¯ Jeder, der seine Krankheit spürt, und es schwarze Galle von oben oder von unten gibt ohne einen Hinweis auf [Ver]gift[ung], wisse, dass er sterben wird. Jeder, dessen Krankheit akut ist mit Galle, sei es wie Blut oder schwarzer [Galle], die von oben oder von unten kommt, wisse, dass er sterben wird. Wenn der Kranke drei Tage lang Schweiß [auf der Stirn stehen] hat oder für fünf Tage oder sieben oder neun oder eine andere ungerade Zahl wie drei, wisse, dass er in großer Not ist. Wenn kalter Schweiß zusammen mit Fieber [auftritt], musst du wissen, dass es der Tod ist. Jeder, dessen Krankheit mit viel heißem Schweiß einhergeht, wisse, dass er schnell gesunden wird. Jeder Fieberkranke, der überhaupt nicht schwitzt und wach ist, wisse, dass er sterben wird.
290 Dies entspricht der Vorstellung in der hippokratischen Säftelehre, s. Deissmann 2009: 491. 291 Der einzige Beleg scheint das SBM zu sein, s. Sokoloff 2009: 818.
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Vorhersage über das Gefühl:²⁹² Das Gefühl von Blut ist groß, hoch und dick. Das Gefühl von schwarzer Galle ist luftig und hart. Das Gefühl von Schleim ist eng und leicht. Das Gefühl von Hitze und Galle ist groß und eng.²⁹³ Das Gefühl von Winden, die im Bauche sitzen, ist wie Kräfte, die trampeln. Das Gefühl des Magens und der Lunge ist, dass sie pulsieren, wenn du deinen Finger unter die [Körper]Mitte legst. Das Gefühl des Todes ist erschreckend und verstörend. Das Gefühl der Arterien: lege deinen Finger von der Seite des großen Fingers der linken Hand (S. 539) des Kranken und fühle die Arterien. Wenn er schwer ist und [der Puls] schlägt wie bei jemandem, der schnellstmöglich fliehen möchte, dann geht es ihm sehr schlecht und sein Fieber ist stark. Wenn er [der Puls] schwach schlägt, dann ist seine Krankheit nicht akut. Und wenn er unter [dem Normalpuls] schlägt, dann sind seine Innereien lose. Vom Wassertrinken: Wässer von Quellen, von Sümpfen und aus Reservoirs, auch wenn deren Strömung gemächlich, ruhig und geräuschlos ist, und in Flüssen und Strömen seicht dahindümpeln, von denen sollst du wissen, dass sie allesamt schwer [verträglich] und krankheitserregend sind. Solche, die sich in Flüssen und in schnellen Gewässern bewegen und fließen, wisse, dass sie gesund sind und alkalisch (qall¯ıē¸). All das Wasser, welches vom Himmel kommt, d. h. Regenwasser, Sumpf-, Quell-, und Gebirgswasser, wisse, dass es gesund und alkalisch ist. Deshalb ist es für Kranke zur Genesung und zum [Über]leben nicht angebracht, Wasser aus Sümpfen und Reservoirs oder stillen Strömen, die sich ruhig und gemächlich bewegen, zu trinken oder sie in irgendeiner anderen Art zu gebrauchen.²⁹⁴ Weiteres über das Wassertrinken: Sonntagnacht: Trinke kein Wasser um Mitternacht. Montagnacht: Trinke Wasser bis Mitternacht und dann Schluß. Dienstagnacht: Trinke zehn Stunden lang kein Wasser. Mittwochnacht: Trinke die ganze Nacht lang Wasser und fürchte dich nicht. Donnerstagnacht: Ebenso: Trinke Wasser die ganze Nacht lang und fürchte dich nicht. Freitagnacht: Trinke [nur] innerhalb von zwei Stun-
292 Womöglich ist damit die Praxis des Pulsgreifens gemeint (sphygmologische Begutachtung), welche neben der Harn- und Blutschau (Uroskopie und Hämatoskopie) im spätmittelalterlichen Europa zur „diagnostischen Trias“ gehörte, s. Müller 2009: 54. Zur gängigen mesopotamischen Praxis der Pulsbeobachtung vgl. Oppenheim 1962. Die andere Möglichkeit wäre Hydromantie, welche mithilfe von Wasser, aber auch dem Geschmack von Blut diagnostiziert, s. Naether 2010: 19. ¯ 293 Vgl. den Abschnitt aus dem Medizinbuch des Zadsparam: „the substance of blood is hot and humid, its color is red, its taste is sweet and its seat is the liver. Phlegm is cold and humid, its color is white, its taste is salty and its seat is the lungs. The red bile is hot and dry, its color is red turning to yellow, its taste is bitter and its seat is the bladder. The black bile is cold and dry, its color is black, its taste is sour and its seat is the spleen.“ (Gignoux 2001b: 33.) 294 Im (arabisch und lateinisch überlieferten) hippokratischen Περὶ ἀέρων, ὑδάτων, τόπων wird auch auf die Qualität des Wassers im Zusammenhang mit verschiedenen Krankheiten hingewiesen. Es wird neben dem Wasser aus stehenden Gewässern als Ursache verschiedener Krankheiten das Quellwasser aus Felsen, heißer Erde und Minen genannt. Empfohlen wird Quellwasser, das im Winter warm, im Sommer dagegen kühl ist und kaum der Zugabe von Wein bedürfe, außerdem sei jegliches aus Schnee und Eis gewonnen Wasser schlecht, s. Mattock/Lyons 1969: 52ff.
fol. 254v
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den. Sei wachsam die ganze Nacht. Samstagnacht: Trinke die ganze Nacht und fürchte dich nicht. Über Milch: Milch ist für denjenigen [gut], der Kopfschmerzen hat, und Schmerzen an den Augen und Fieber. Demjenigen, der Durst hat, gib keine Milch, weil es sehr schlecht ist und ihn ermüdet. (S. 540) Über die Ernährungsvorschriften (Dietätik) in den [verschiedenen] Jahreszeiten:²⁹⁵ Folgendes ist die Regel für den Winter: Vom 17. Dezember bis zum 18. März, das sind zweiundneunzig Tage. In dieser Zeit nehmen Schweiß und Feuchtigkeit zu bis zum Wechsel [der Jahreszeit] nach dem Winter. Du solltest von vielen heißen Dingen Gebrauch machen und Wein zu trinken geben, wenn er ungemischt ist. Die Menschen werden arbeiten und ermüden. Nach dem Winter kommen neunundvierzig Tage: vom 18. [März] bis zum sechsten Mai. In dieser Zeit gibt es viel Speichel, benutze deswegen [Nahrungsmittel] mit starkem Geruch und alles, was scharf ist. Du wirst trinken und müde werden. Vom 6. Mai, dem Aufstieg der Plejaden, bis zum 18. Juni sind es zweiundvierzig Tage. Ernährungsvorschrift für den Frühsommer: In dieser Zeit gibt es viel gelbe Galle und Fieber. Benutze alle Arten von Getreide.²⁹⁶ Du wirst wenig arbeiten. Ernährungsvorschrift für den Sommer: vom 18. Juni bis zum 18. September sind es zweiundneunzig Tage. In dieser Zeit gibt es viel schwarze Galle und Trockenheit. Du sollst schwachen Wein trinken und wenig essen, in jedem sollte [aber] etwas Saueres enthalten sein. Wenig sollst du arbeiten. Die Tage nach dem Sommer sind neunundvierzig, vom 8. September bis zum 7. November. In dieser Zeit gibt es viel Galle und Rheuma. Du sollst zu allem von Getreide und Scharfem Gebrauch machen und dich von der Arbeit fernhalten. Die Arbeit sollte mit Maß (verrichtet werden). Vom 7. November bis zu den Plejaden, zum 17. Dezember, das sind einundvierzig Tage, [gilt] die Ernährungsvorschrift für den Frühwinter. In dieser Zeit ist das Blut im Menschen überreichlich, es geziemt sich in dieser Zeit wenig zu sich zu nehmen, auf gemäßigte Art und Weise Wein zu trinken und bis zur Erschöpfung zu arbeiten. Man soll die Arbeit bis zur Ernährungsvorschrift des Winters fortführen. (S. 541)
295 Diätvorschriften nach dem Lauf des Jahres sind schon bei Hippokrates bekannt, s. Περὶ ἑβδομάδων (‚Über die Siebenzahl‘), s. Sommer 1933: XX/94, Περὶ διαίτης τὸ πρῶτον (‚Über die Lebensführung‘), s. Kapferer 1937: IV/70. Die Systematik, welche diesen Einteilungen zugrunde liegt, ist anschaulich aufgearbeitet bei Dong 2010. Wohl einen breiteren Zweig nimmt die die Dietätik ein, die auf galenischen Texten fußend einzelne Nahrungsmittel aufzählt und deren Auswirkungen. Solche Auszüge aus galenischen Werken sind in syrischer Sprache bekannt, allerdings unterscheidet sich das Ordnungsprinzip gravierend, s. Hawley 2008. 296 Nach Sokoloff 2009: 291 ist dieses Wort in der Literatur nur im Medizinbuch belegt, sonst aber aus dem Neuaramäischen bekannt.
3 Übersetzung und Kommentar | 279
Weitere Anweisung zur Ernährung für jeden Monat:²⁹⁷ Oktober: Scharfes [Essen] sollst du zu dir nehmen. November: Wasche dich überhaupt nicht mit Wasser. Dezember: Iss soviel Süßes wie nur möglich. Januar: Trinke aqt¯ıron²⁹⁸ und schütze dich vor Kälte. Februar: Iss überhaupt nichts Grünes aufgrund von Schleim und Kälte. März: Ernähre dich von Getreide und trinke seine Samen und nimm alles zu dir, was ¯ scharf ist. April: Iss keinen Rettich (puglå), Rüben (selqå) und altes Gemüse, kein Ziegen- und Rindfleisch. Mai: Den Kopf und Beine von Ziegen oder Rind sollst Du nicht essen und auch ihr Fleisch nicht. Juni: Iss nichts, was man über dem Feuer kocht oder erhitzt. [Wenn] du dir [doch] den Mund verbrennst, trinke kaltes, ungemischtes Wasser. Juli: Nähere dich nicht deiner Frau und iss weder Schweinfleisch noch Eier. August: Iss kein Gemüse, das über dem Feuer gegart wird, und Vergleichbares (masstå). September: Nimm in ausgewogener Menge Milch und Fleisch zu dir, ¯ dann wird dein Körper Ruhe finden.²⁹⁹ Weitere Vorhersage, die zeigt und lehrt, was man essen soll und was nicht von Monat zu Monat: Oktober: Es ist angemessen, auf Wassermelonen, Gurken, Rindfleisch, Milchprodukte und Saures, Honig, Süßes und Trockenfleisch, d. h. kaltes Fleisch, zu verzichten. Iss aber Pastinaken (est.apl¯ın), d. h. Karotten und jede Art von Früchten nach der Mahlzeit. Am Morgen trinke ungemischten Wein. Gehe zum Badehaus, aber trinke kein kaltes Wasser dort. Nimm dort eine Portion Olivenöl zu dir und vollziehe die Ehe. Parfümiere dich und arbeite nicht zu viel in [diesem Monat]. November: Es ist angemessen, auf Honig und Sahne zu verzichten. Iss (S. 542) aber allerlei Vogelfleisch und Fleisch, das mit Knoblauch zubereitet ist. Trinke Wein und iss kein Gemüse außer Sellerie, Wasserkresse (garg¯ırå), Lauch (karåtå), Pastinaken ¯ und Mimosen mit Honig nach dem Essen. Trinke jeden Tag von diesem Medikament. Mische 7 Halbschekel (zūzē¸) Anis und ein Halbschekel Pfeffer und trinke es mit Wein und Honigwasser. Es ist passend für ? (gn¯ıqå) und Beinschmerzen und vermehrt den menschlichen Samen. Erprobt und wahr. Auch sollst du in diesem Monat heiraten, wie es geschrieben steht. Dezember: Halte ein, was ich dir geboten habe, verzichte auf Hühnerfleisch und heirate in diesem Monat, weil alle Kinder, die in diesen drei Monaten entstehen, schöner sind als die Kinder der anderen Monate. Januar: Verzichte auf kaltes Wasser am Morgen, vor Zwiebeln vor Rind-, Ziegen- und Kamelfleisch und vor Linsen. Iss aber Honig, Sahne, dick Eingekochtes, Fett und Hammelfleisch, das
297 Diese und die vorhergehende Passage gehören zur Regimenliteratur bzw. Kalenderkunde, wie sie ¯ ar ¯ al-baq¯ ¯ ıya), womöglich auch Bar Bahlūl (K. ad-dalail), ¯ bei al-B¯ırūn¯ı (K. al-at al-Marzūq¯ı (K. al-azmina ¯ ¯ wal-amkina) (11. Jh.), al-Qazw¯ın¯ı (13. Jh.) und Ibn Masawayh (10. Jh.) zu finden sind, s. Troupeau 1968: 113f. ¯ < gr. κίτριον ‚Zitrone‘, 298 Vermutlich eine Verschreibung für das griechische Lehnwort qet.r¯ın/qet.ron das im Syrischen belegt ist, s. Sokoloff 2009: 1359. Brockelmann 1914: 202 schlägt dagegen eine Lesart aqrat.on < gr. ἄκρατον ‚ungemischter Wein‘ vor. 299 Lydus zitiert in De mensibus, IV, 134. Die Tradition der chaldäischen Orakel: „The oracle encourages us ‚to drink‘ milk for our health during the entire month of September“, s. Majercik 1989: 129.
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mit Knoblauch gekocht ist. Trinke alle Sorten von Wein. Nimm nach der Mahlzeit ein bisschen Honig zu dir. Februar: Das ist der Monat der Bedrängnisse. Unter den Monaten gibt es die der Bedrängnisse, so wie es Judas unter den Jüngern gab. Verzichte in ihm auf das Heiraten, auf Ziegenfleisch, auf Fett und auf das Baden, auf Butter, Milchprodukte, Öl, kurzum jegliche Nahrung, die kalt und schwer zu verdauen ist. Trinke dazu warme Milch. Teile Eicheln³⁰⁰ und geröstete Samen vom Harzbaum und Nüsse und Mandeln. März: Hüte dich vor Bohnen und Zwiebeln, die nicht gekocht sind, vor Fisch, Öl, Milchprodukten. Mäßige deine Gier und mäßige trockene Arbeiten (?). Heirate in diesem Monat. Bade am ersten des Monats und am letzten Dienstag. Und siehe ab davon, Blut zu vergießen. April: Verzichte auf alles (S. 543) Süße und Salzige, auf eine bestimmte Pflanzenart (GNY), Kürbisse (qarē¸) und Hähnchen. Mache Gebrauch von Schwarzem und Kalten. Zerkleinere und mische es mit Essig und Senf. Hüte dich davor, Wein zu trinken. [Aber] heiraten sollst du im Monat April und baden. Reibe dich mit Jasminöl ein und trage wohlriechende Düfte auf. Im Mai solltest du kein geröstetes Fleisch essen, auch kein Olivenöl, Eier, Milchprodukte und nichts Weinhaltiges, verzichte auf all dies. Und … und auf Fetthaltiges. Heirate im Monat Mai und iss kein Wiesel (qūzē¸). Im Juni: Iss Milch und Honig, geröstetes Fleisch und lebendigen Fisch und übe deinen Körper und verzichte auf Ziegenfleisch mit Honig … Noch eine Diätvorschrift (tūb .tukkås mē¸ klåtå): Völlerei und Habgier bei jeg¯ ¯ ¯ lichen Lebensmitteln führt zu verschiedensten Krankheiten, der Körper schmerzt, die Beine werden dick, das Fließen der Körpersäfte³⁰¹ erstarrt bis zur Zerstörung der Körperglieder.³⁰² Einer von den Philosophen sagte einst: „Es wundert mich, wie ein Mensch sterben kann ohne sich überfressen zu haben.“ Diejenigen, bei denen das Blut dominiert [neben den anderen drei Körpersäften], bedürfen kalter und trockener Speisen. Diejenigen, die an Blutarmut leiden, [d. h.] bei denen die gelbe Galle vorherrscht, bedürfen feuchter und kalter Speise. Diejenigen, bei denen die schwarze Galle vorherrschend ist, bedürfen heißer und trockener Nahrung. Dinge, die austrocknen: sind Senf, Frittiertes und Geröstetes, und was so gegessen wird. Das, was im Wasser gekocht wird, ist sehr feucht. Jegliches Getreide schadet (S. 544) der Leber und der Milz und erhitzt das Blut. Alle gegarten Dinge erleichtern die Lösung des Blutes. Alle Wildgewächse trocknen aus, alle Gartengewächse halten feucht, alles, was kalt ist [und] frittiert, zerstört die Feuchtigkeit des Magens. Pfeffer, Oregano (qorn¯ıtå), Ysop, Minze und frischer Senf sind, wenn sie getrocknet sind, keine Nahrungsmittel, sondern Heilmittel. Dinge, die reinigen, schneiden und öffnen: Bockshornklee, süße Rosinen, saure Bohnen, besonders schwarze, zerkleinern auch die Steine, welche in den Nieren sind. Kapern, besonders die in Essig und Öl eingelegten, oder in Essig und Honig
300 Diese Übersetzung ist nur möglich, wenn man båt.lå als Verschreibung für ballūt.å annimmt. 301 Wörtl. ‚des Körpers‘; die gleiche Formulierung findet sich in den hippokratischen Aphorismen 6,22, s. Pognon 1903. 302 Damit ist wohl Rheuma gemeint.
3 Übersetzung und Kommentar | 281
[zerkleinern, d. h. fördern die Verdauung] am meisten von allen Lebensmitteln. Essig und Honig lösen den Schleim und reinigen die Innereien auf angenehme Weise. Sie helfen der Brust und gegen Lungenschmerzen. Die trockenen Dinge, zerkleinert und zerstückelt, und Mandeln, zerkleinert und zubereitet, erleichtern die Innereien, Brust und Lunge und bringen Feuchtigkeit zum Vorschein. Raute mildert tödliche Gifte. Sellerie und Futterrübe, koche sie, gib ein bisschen Honig dazu und Salzwasser und trinke davon. Wenn man frische Blätter kocht und Wein mischt mit ihrem Sud und davon trinkt, so lösen sich Bauch[krämpfe] des Menschen. Ohne Wein [aber stattdessen] mit Zucker löst es [Beschwerden] und hilft gegen heiße Schmerzen. Wasser, das ungemischt getrunken wird, schadet dem Magen, dem Leib (mayyå), den Nieren und der Blase (šalpuh.tå) und hilft weniger der Leber im Sommer. Wassertrinken hilft den ¯ Besitzern (måray) von gelber Galle und Blut und schadet den Besitzern von schwarzer Galle und Schleim. Wasser nach dem Essen hilft mehr als während des Essens. Wasser reinigt und ? (maqryån). Es irren diejenigen, die kaltes Wasser im Sommer trinken und heißes im Winter. Rote Farbe: viel Blut. Grüne Farbe: gelbe Galle. Schwarze Farbe: von der Kälte der schwarzen Galle. Weiße Farbe: (S. 545) von der Kälte und Zähflüssigkeit des Schleims. Rechte Seite: kräftig und heiß. Linke [Seite]: kalt und ¯ ¸ ) sind getrennt, Naturen (kyånē¸) vermischt, Personen schwach. Hypostasen (qnomē verbunden. Ein Blut, drei Formen, viele Funktionen, zwei Verehrungen, ein Thron, sechs Krippen (?) (larūtå),³⁰³? (bgē¸) Winde. Eine kleine Herde, viele Hirten. Ein Haus, ¯ getrennte Essenz. Mit der Dreiheit werden die Ordnungen umgekehrt. Eines ist nicht für das andere passend. Sie sind miteinander verbunden. Die Sache wird erfüllt und das Gift des Drachens beruhigt sich.³⁰⁴ Weiteres über die Vorhersage des Jahres. Zunächst über die Vorhersage am neunzehnten Juli, dem Sonnenmonat: In ihm geht der Hundsstern (Orion) auf, und von ihm erhältst du die Jahresvorhersage über den ganzen Winter. Siehst du beim Aufgang der Sonne eine Wolke und schwarze Finsternis, wird es Anfang Oktober regnen. Wenn es am Mittag geschieht, zeigt es an, dass es Ende Oktober viel regnen wird. Wenn es bewölkt ist und regnet, ist es ein Anzeichen, dass es im Oktober statt Regen Kälte geben wird. Wenn es Tau gibt in der Nacht, zeigt dies für den Oktober viel Regen an und ebenso für den zweiten und dritten Tag des Novembers, für den vierten Tag des Dezembers und für den fünften und sechsten Tag im Januar, für den achten Tag im Februar, für den neunten im März, den zehnten und elften im April, den zwölften im Mai. Das ist wahr. Wenn du die [verborgene] Wahrheit davon wissen willst: Bringe am achtzehnten Juli in der Nacht auf den neunzehnten nach Sonnenuntergang Feigen- oder Oliven-
303 Ist hier eine Verschreibung für darg¯ın ‚Stufen‘ anzunehmen? Nachdem im Folgenden auf eine alttestamentarische Stelle angespielt wird, könnte auch hier auf die Darstellung des Königthrons, zu dem sechs Stufen führen, gemeint sein, s. 1. Kön 10, 18ff. 304 Die Formulierung ‚Gift des Drachens‘ ist wohl eine Anspielung auf das Buch Hiob mertå d-tann¯ınå ¯ ¯ was auch bei Ephrem auftaucht.
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oder Weinblätter und schreib darauf die Namen der Wintermonate, jeweils einen Namen auf ein Blatt. Bringe sie auf das Hausdach (S. 546) und lege sie unter ein Gefäß bis zum frühen Morgen. Dann nimm sie heraus. Jedes Blatt, das feucht und grün ist, wisse, dass der ganze [entsprechende] Monat regnerisch sein wird und es tauen wird. Diejenigen, die ihre Farbe verloren haben und nicht [mehr] feucht sind, wisse, dass in dem [entsprechenden] Monat der Regen ganz ausbleiben wird. Erprobt und wahr.³⁰⁵ Eine weitere [Prognose]art: Beobachte die Tage vom vierten Oktober bis zum zehnten, das sind sieben Tage, wobei jeder Tag für einen Monat steht. Von Anfang Oktober an bis zum April. Beobachte, an welchem Tag es Regen gibt, in dem [entsprechenden] Monat wird es auch Regen geben.³⁰⁶ Eine weitere [Prognose]art: Beobachte [das Wetter] am Fest des Kreuzes.³⁰⁷ Wenn es Regen und Wolken gibt, wird es ein gutes Jahr werden. Über den Wechsel der Wolken: Wenn am achtzehnten September am Anfang des Tages Wolken aufsteigen, wird es im Oktober regnen. Wenn [sie] am Mittag [aufsteigen], wird die Jahresmitte gut werden. Wenn [sie] bei der Abenddämmerung [aufsteigen], wird [das Jahresende] hart. Wenn Wolken im Osten gesehen werden, wird das Getreide im Osten sprießen. Wenn Wolken im Westen gesehen werden, wird das Getreide im Westen sprießen und ebenso im Norden und Süden. Wenn über der ganzen Erde Wolken sind, wird das Getreide überall gut werden. Wenn die Wolken schwarz sind, wird es ein regnerisches Jahr. Wenn sie weiß sind, wird es viel Eis und Schnee geben. Wenn sie zur Hälfte schwarz und zur anderen Hälfte weiß sind, dann wird es in dieser Gegend viel Schnee, Eis und Kälte zum Jahresende hin geben. Eine weitere [Prognose]art über das Wehen der Winde: Wenn am achtzehnten Juli der Ostwind weht und der Westwind gegenüber von ihm nicht weht, wird das Jahr gut werden. Wenn alle Winde wehen außer dem Ostwind, dann wird es ein schlechtes Jahr werden, und [auch] die Ernte wird schlecht ausfallen. Wenn der Süd- und Nordwind gegenüber dem Ostwind nicht wehen, wird (S. 547) das Jahr an diesem Ort gut und ertragreich in allen Dingen werden. Wenn der Nordwind weht, der Südwind gegenüber von ihm aber nicht, wird die Ernte knapp ausfallen, und es wird ein schlechtes Jahr werden.
305 Die Prognose ist auch in den arabischen Danielprognosen enthalten, s. Fodor 1974: 126f. 306 Diese Passage vergleicht Leicht 2006: 128 mit dem von Furlani 1921 edierten Text, außerdem mit einem Genizah-Fragment (Cambridge, University Library, T.-S. K 1.34 (Genizah, X) „Wetterprognosen im Monat Tishre“, welches er dem 6.–10. Jh. der palästinisch-aramäischen Tradition zuordnet. Dem römischen Kalender angeglichen ist die Prognose auch in den Geoponica 1,5 zu finden, s. Dalby 2011: 58, Beckh 1985: 10. 307 Al-B¯ırūn¯ı berichtet in seiner Chronologie der Völker davon, dass die Melkiten den 14. September als den Tag der Kreuzesauffindung durch Helena feiern würden. Außerdem nennt er ein Fest der Erscheinung des Kreuzes im Himmel, welches auf den Mythos des Kreuzemblems Kaiser Konstantins anspielt, s. Sachau 1879: 292, 298.
3 Übersetzung und Kommentar | 283
Eine weitere [Prognose]art über das Wehen [des Windes]: Wenn der Wind des Nordens zwischen April und Mai weht und es Gewitter und Wolken gibt, dann wird es auf der ganzen Erde eine große Hunger[snot] geben. Wenn der Südwind weht und es Gewitter und Wolken gibt, dann werden alle Wasserquellen versiegen. Wenn der Ostwind weht und es Gewitter und Wolken gibt, dann wird es Fülle (wörtl. Sättigung) auf der ganzen Erde geben. Wenn der Westwind weht und es Gewitter und Wolken gibt, dann [deutet es darauf hin], dass es tauen wird und das Jahr gut wird. Über die Vorraussage der Luft nach dem Mond: Wenn nach drei Tagen der Mond schmal und schön erscheint, dann weist dies auf klare Luft hin,³⁰⁸ ebenso nach vier Tagen. Auch wenn er voll ist und schön, dann bedeutet es, dass die Luft klar wird.³⁰⁹ Vorhersage für den Winter nach dem Aussehen des Mondes: Man kann nach dem [Aussehen] des Mondes, wenn er drei Tage alt ist,³¹⁰ vorhersagen. Wenn seine Hörner zunehmen und üppig werden, deutet es auf Regen hin, ebenso wenn er vier Tage alt ist. Wenn seine ganze Umgebung (der Mondhof) feurig rot erscheint, deutet es auf einen harten Winter hin. Wenn er dann, wenn er voll ist, schwarz erscheint, weist dies auf Regen hin. Und wenn auf dem ganzen Mond verteilt zwei oder drei verschiedene Schwarzfärbungen zu sehen sind, deutet es auf einen langen Winter hin.³¹¹ Die Gestalten, welche im Mond [zu sehen] sind: Wenn [die Farbe des Mondes] aussieht wie ins Schwarze verkehrt, wird es an diesem Ort [der Beobachtung] eine Seuche geben. Wenn seine Farbe leuchtend und hell ist, wird der Wind wehen. Wenn der Mond bläulich schwarz wird, werden die Wasserquellen (S. 548) austrocknen. Wenn er rot wird, werden die Herden zugrunde gehen. Vorhersage über den Winter vom Aussehen der Sonne:³¹² Wenn die Sonne aufgeht und sich ihre Röte verdunkelt, dann kündigt dies Regen an. Wenn sie untergeht und schwarze Wolken auftauchen, die sich ihr nähern, dann muss man genau in dieser Stunde einen Regenguss erwarten. Wiederum, wenn sie aufgeht und sich eine dicke Wolke vor ihren Strahlen aufbäumt, dann kündigt dies Regen an.³¹³ Wenn Blitz und Donner von der Ferne kommen, dann kündigen sie den Winter an. Wenn es
308 Theophrast hat dieselbe Vorhersage für den Mond, allerdings innerhalb seines Kapitels über Anzeichen für klares Wetter, s. Sider/Brunschön 2007: 90f. 309 Die Passage entspricht dem Anfang der Geoponica 1,2, s. Dalby 2011: 56, Beckh 1895: 6. 310 Die Zeichenhaftigkeit des Mondes am dritten Tag des Monats ist bei Theophrast betont, obwohl in der Einleitung der vierte Tag als ominös angegeben wird, s. Sider/Brunschön 2007: 60ff. 311 Der einzige Unterschied zum ersten Teil der Geoponica 1,3 ist, dass sich die Prognose hier auf den Winter, dort auf schlechtes Wetter/Regen bezieht, s. Dalby 2012: 57, Beckh 1895: 7. 312 Den gleichen Text in arabischer Version hat Bar Bahlūl als ersten Prognosetext im ersten Kapitel ¯ s. Sezgin 1985: 13f. Die Prognose ist dort Demokrit zugeschrie„Über das Jahr“ in seinem K. ad-dalail, ben. 313 Die Prognosen sind in anderer Reihenfolge auch bei Theophrast zu finden, auf den der Text letzlich zurückgeht oder auf eine gemeinsame Quelle, s. Sider/Brunschön 2007: 64ff. Eine mehrfache Bearbeitung erklärt auch die zahlreichen korrupten Stellen.
fol. 258v
fol. 259r
284 | 3 Übersetzung und Kommentar
fol. 259v
wiederum von Zeit zu Zeit von Süden, Westen oder Osten Blitze gibt, dann ist es angebracht, zu wissen, woher die Winde kommen. Sie kündigen den Winter an. Auch wenn die Vögel des Meeres geradezu hüpfen und sich ins Wasser stürzen und der Regenbogen in einer Doppelwolke zu sehen ist dann kündigt dies Regen an.³¹⁴ Ebenso wenn ¯ ein Zicklein (s.apråyå) schreit oder eine Krähe (qåronå) am Wasserrand steht und ihren Kopf eintaucht oder im Wasser schwimmt, kündig[en sie] den Winter an. [Weitere Anzeichen sind,] wenn Bullen, nachdem sie sich an ihrem Futter sattgefressen haben, in Richtung Süden blicken; wenn die Hausvögel unablässig scharren, aufgeregt sind und schreien; wenn die Bienen (dabbåšē¸) mehr stechen [als sonst] und die Fledermäuse in eine Lampe fallen; wenn du Funken von einem Kochtopf [sprühen] siehst und Fliegen (zåmē¸),³¹⁵ d. h. Fliegen (dabbåbē¸)³¹⁶ die wie verrückt (kl¯ıbå¯ıt)³¹⁷ zur Futterstelle lau¯ ¯ ¯ ¯ fen; wenn der Rufer,³¹⁸ d. h. der Hahn (tarnåglå), in der Nacht schreit; wenn ein Spinnennetz von selbst herunterfällt, ohne dass der Wind weht, und wenn die Strahlen der Sonne schwarz werden; wenn das Feuer Funken sprüht, wenn Schafe [mit ihren Hörnern] stoßen, wisse, dass es nach drei Tagen Regen gibt. Ebenso wenn Stiere an ihren Hufen lecken und mit Geschrei zum Stall laufen (S. 549), und wenn Wölfe stark werden und zu Ziegen und Häusern gehen,³¹⁹ wenn Mäuse viel quietschen,³²⁰ dann kündigt dies alles einen langen und harten Winter an. Wenn die Eichen viele Früchte tragen mehr als [sonst], kündigen sie einen langen Winter an.³²¹ Wenn Ziegen und Kamelstuten viel springen, dann zeigen sie einen harten Winter an. Wenn wilde Tiere und Hunde in der Erde graben³²² und ihren Kopf nach Norden strecken, dann kündigen sie einen langen Winter an. Wenn Gänse (kurkyåtå) wie Kraniche (qlåqessē¸) zu ¯ früh kommen, kündigen sie einen langen Winter an. Wenn sich ihre Ankunft verspätet und sie [nur] nach und nach eintreffen, zeigen sie den Anfang eines milden Winters an. Wenn die Wolken tief stehen und die Krähe sanft und leise kräht, wenn sich Kraniche und Raben in einem Schwarm sammeln und vor Freude schreien, kündigen sie das Ende des Winters an.³²³ Damit man weiß, ob der Winter zu früh oder zu spät kommt: Auf diese Weise kündigt er an, wann es angemessen ist, zu säen, wenn er zu früh oder zu spät kommt. Dass der Winter in einem Jahr etwas zu spät ist, findest du dadurch heraus: wenn
314 S. Sider/Brunschön 2007: 72f. 315 Einzige Belegstelle für dieses Wort ist das SBM, s. Sokoloff 2009: 361. 316 Diese Ergänzung ist in marginem neben dem Text in roter Tinte angeführt. 317 Wohl Verschreibung für kalbå¯ıt ‚hündisch, verrückt‘. ¯ ¯ 318 In der Bedeutung ‚Hahn‘ ist dieses Wort (qåroyå) nur im SBM belegt (!) 319 Hier muss die Reihenfolge der Wörter durcheinander geraten sein. 320 S. Sider/Brunschön 2007: 84f. 321 A. a. O.: 90f. 322 A. a. O.: 86f. 323 Das Kapitel führt die Paraphrase der Geoponica 1,3-,4 fort. Einige Vertauschungen lassen erahnen, dass dies nicht die erste Übersetzung ist, s. Dalby 2011: 57f., Beckh 1895: 7–9.
3 Übersetzung und Kommentar | 285
es nach der Ernte(zeit) Regen gibt, bevor die Plejaden untergehen, ist der Winter zu früh. Wenn es zeitgleich mit dem Plejadenuntergang Regen gibt, dann wird er spät sein.³²⁴ Vorhersage über die Plejaden: Die Plejaden gehen am 18. Mai auf, Orion am 18. Juni. Der Hundsstern (= Sirius) geht am 19. Juli auf, ? (zuprå) am 28. August und der kleine Wagen am 19. Februar. Von Figuren, die in Wolken am Himmel zu sehen sind: In dem Monat, in dem die Figur eines Menschen am Himmel sichtbar ist, wird es eine Seuche geben. Wenn die Figur (S. 550) eines Stieres am Himmel sichtbar ist, wird es in diesem Monat kriegerische Auseinandersetzungen und Tod geben, und es wird eine Fülle [an Ernteerträgen] geben. Wenn die Figur eines Pferdes am Himmel sichtbar ist, dann wird es in diesem Monat eine Fülle [an Ernteerträgen] geben und eine Seuche unter den Kindern. Frauen werden lange Zeit nicht schwanger werden. Wenn die Figur eines Maultieres (kūdanyå)³²⁵ am Himmel sichtbar ist, dann wird es in diesem Monat eine Massenseu¯ che an diesem Ort geben und die Frauen werden nicht schwanger werden. Wenn die Figur eines Löwen am Himmel sichtbar ist, wird es eine Hungersnot an diesem Ort geben. Wenn die Figur eines Leoparden am Himmel gesehen wird, werden die wilden Bergtiere sterben. Wenn die Figur eines Bären am Himmel sichtbar ist, werden Vater und Sohn sich gegenseitig töten. Wenn die Figur von einer Feuer[flamme] am Himmel sichtbar ist, wird es eine große Hungersnot und kriegerische Auseinandersetzungen an dem Ort geben, an dem das Feuer gesehen wurde. Eine Seuche wird die Menschheit in diesem Jahr ereilen. Wohin auch das Feuer sich bewegt, [dort] wird es eine Seuche geben.³²⁶ Über Schweifsterne (kåwkbē¸ s.ūs.yånē¸), die folgende Namen haben:³²⁷ Qå¯ r¯ıtå,³²⁸ und Būbå und Laktå. Ihre Funktionsweise ist wie die Eigenschaft der Luft. Sie ¯ ¯ ¯ verursachen Kriege, Feindschaft und Ähnliches. Dies wissen wir von den Tierkreiszeichen, in denen sie sich befinden und von der Richtung, in die ihr Schweif gerichtet ist. Denn, wenn sie aus dem Osten kommen und lange sichtbar sind, so wird das, was geschieht, schnell geschehen. Wenn sie aus dem Westen kommen (wörtl. westlich sind), so wird sich das, was geschehen soll, verzögern. Vorhersagen von diesen: Der Schweifstern […]³²⁹ kündigt Hunger und Seuche an. Ein Lanzenstern kündigt eine kriegerische Auseinandersetzung und einen Kon-
324 Auch diese Passage entspricht dem Anfang von Geoponica 1,5, s. Dalby 2011: 58, Beckh 1895: 9f. ¯ anyå vokalisiert, s. Sokoloff 2009: 325 Das Wort ist bereits akkadisch belegt kūdanu und ist sonst kod ¯ 603. 326 Eine eindeutige Übereinstimmung in den Protasen hat eine Passage des SM: 159/258. 327 Die Dämonisierung von Sternschnuppen ist aus zoroastrischen Texten bekannt. Gemeinsam mit den Planeten wurden ihnen nach dem dualistischen Weltbild der Zoroastrier die bösen himmlischen Kräfte zugeschrieben, den Zodiakalzeichen sowie den Fixsternen die guten, s. Panaino 2005a: 73f. 328 Das Wort bedeutet u. a. ‚Strahl‘, s. Sokoloff 2009: 1411. 329 An dieser Stelle ist der Schweifstern gezeichnet, ebenso die beiden folgenden.
fol. 260r
286 | 3 Übersetzung und Kommentar
fol. 260v
flikt an. Der Bärtige (daqnånå) zeigt den Umsturz von Königreichen an und den Sturz des Herrschers. Wisse, dass es in der Richtung, in die der Schweif des Kometen gerichtet ist, gleich dem Schwanz eines Sterns, Zorn gibt und das, [was vorausgesagt] ist. Weiteres (znå h.re¸nå) über Schweifsterne: (S. 551) Wenn du einen Schweifstern siehst, der in den Osten blickt, wisse, dass eine Meute in Babylon einfallen wird, und alle Menschen vernichtet werden. Wenn ein Schweifstern erscheint und es dann dunkel wird, wisse, dass es viel[e] Krieg[e] geben wird und zerstörerische Könige aufstreben werden. Wenn er aus dem Osten oder aus dem Norden kommt, wisse, dass es Krieg und Aufstand in Byzanz geben wird.³³⁰ Weitere Vorhersage der Schweifsterne (kåwkbē¸ ¯ d-mes..trē¸): Wenn ein Schweifstern von Osten nach Westen fliegt, wird der König der ¯ Perser in Huzestan sterben, viel Siechtum und Krankheit wird es unter den Menschen ˘ geben. Wenn der Schweifstern von Westen nach Osten [fliegt], so kündigt er an, dass Gott den Menschen zürnen wird, und dass sie in [ihren] Festungen und Städten sterben werden und es viele schreckenerregende Gerüchte geben wird. Wenn er von Süden nach Norden [fliegt], dann kündigt er an, dass eine Seuche über diese Stadt [der Sichtung] und ihre Umgebung hereinbrechen wird. Wenn [er] von Norden nach Süden [fliegt], so verkündet er, dass das Verhalten der Menschen in diesem Gebiet gut ist. Wenn [er] vom Norden auf die Erde fällt, so kündigt er an, dass der Herrscher in diesem Gebiet sterben wird, und auch sein Statthalter. Es wird Krieg und Streit geben an diesem Ort. Vorhersage nach Schweifsternen (kåwkbē¸ d-såt.ē¸n): Wenn ein Komet von Os¯ ¯ ten nach Westen fliegt, wird der König der Perser in Huzestan sterben, und es wird ˘ Krankheiten und Siechtum geben. Wenn er von Westen nach Osten fliegt, wird großer Zorn herrschen, die Menschen müssen allesamt leiden, und böse Dinge werden gesagt werden. Am Ende wird es sich dann verbessern. Wenn er von Norden nach Süden fliegt, wird der König Böses sehen und Frauen werden nicht schwanger werden, der Vater wird seinen Sohn töten, der Bruder den anderen drei Jahre lang. Dann wird es Frieden geben. Wenn er von Süden nach Norden fliegt und rot ist oder vom Himmel auf die Erde fällt, wird es in diesem Jahr eine Seuche geben und der König wird an einen fernen Ort gehen. Krieg und Finsternis werden herrschen und viel Siechtum und Gefangenschaft. In den Städten wird Frieden herrschen. (S. 552) Wenn er von Westen nach Osten fliegt und explodiert, wird es eine Seuche unter den Hochgestellten geben und die Menschen werden in ihren Wohnorten zahlreich werden.
¯ 330 Die Schreibung rhomåyē ¸ mit gräzisierendem ⟨rh⟩ zeigt, dass es sich hier um einen frühen Text handeln muss, der vor dem 7. Jh. entstanden ist, s. 1.3.1.2.
3 Übersetzung und Kommentar | 287
Wenn er vom oberen Himmel auf die Erde fällt, wird Ruhe und Frieden herrschen und wir werden Gott preisen. Wenn er von Osten kommt und Feuer gleicht und nicht zerbirst, so werden die Tiere viele Nachkommen haben, Blumen werden blühen und verwüstete Städte wieder aufgebaut. Weitere Vorhersage über Sterne, die am Himmel fliegen: Wenn ein Stern von Westen nach Osten fliegt, deutet er auf großen Zorn unter den Menschen hin und zeigt [Hungers]nöte an. Aber er sagt [auch] Gutes zum Ende hin voraus. Wenn ein Stern von Westen nach Osten fliegt, dann unternimmt der König von Huzestan einen Angriff, wie ˘ es im Buch von Andronikos, dem Weisen, geschrieben steht. Wenn ein Stern von Norden nach Süden fliegt, dann wird die Königsherrschaft verkürzt und die Schwangeren werden klagen. Der Vater wird sich gegen seinen Sohn erheben, der Bruder gegen seinen Bruder für eine Zeit, wenn er zerbirst [,dann] drei Jahre lang, danach wird Frieden herrschen. Wenn ein Stern von Süden nach Norden fliegt und dann in Stücke zerspringt, sowohl von der Seite des Südens als auch von Norden, dann sagt dies voraus, dass es viele starke Herrschaftshäuser auf der Welt geben wird. Viele werden [sich gegenseitig] angreifen und die Herrschaft an sich reißen. Es wird viele Kämpfe geben, so wie es viele einzelne Stücke gibt, in die der Stern durch die Gewalt der Luft zersprungen ist. Genauso werden sie mit Gewalt die Macht und Befehlsherrschaft an sich reißen und Wohn- und Herrschaftssitze. Wenn ein Stern gesehen wird, der vom Himmel auf die Erde fällt, dann werden die Menschen in Frieden und Frömmigkeit sein. Und Gott kennt die Wahrheit. Wenn der Stern von Norden nach Süden fliegt und in Stücke zerspringt, dann werden Städte sich gegenseitig angreifen. Auch wird es Totschlag und Seuche geben, und viele Orte werden verwüstet werden. Über den Mond: Wenn sein Hof und sein Lichtschein in seiner Sphäre ⟨…⟩
fol. 261r
4 Fazit und Ausblick Zusammenfassend lässt sich zunächst ein großer Forschungsbedarf für die syrische astrologische und divinatorische bzw. astraldivinatorische Literatur festhalten. Dringend erforderlich wäre eine kritische Edition des SBM mit allen verfügbaren Handschriften. Der Vergleich mit der Handschrift Ms or 4434, die eine ähnliche Sammlung medizinisch-prognostischer Texte darstellt, zeigt, dass die Passagen als selbständige Bestandteile Berücksichtigung finden müssen (s. S. 301f.), da die Kompilation offensichtlich keinem festgeschriebenen Schema folgt. Dennoch lässt sich ein roter Faden im zweiten Teil des SBM erkennen. Die einzelnen Abschnitte sind meistens thematisch verknüpft, größere zusammenhängende Passagen an Gelenken aufgehängt, die meist eine thematische, aber keine gattungsspezifische Gemeinsamkeit haben. Dieses Verfahren könnte man als assoziativ bezeichnen. Auch innerhalb der einzelnen Prognosen lässt sich oft ein Gerüst erkennen, das verschiedene Ausgestaltungen erfahren hat, wie z. B. der Vergleich mit einer mandäischen mundanastrologischen Prognose (S. 208) zeigt, die aus der Form der Wolken vorhersagt. Diese Schemata erinnern z. T. stark an die babylonischen Omina, weswegen die Abhängigkeit dieser Texte von mesopotamischen Vorläufern diskutiert werden muss. Solange allerdings keine echten literarischen Parallelen entdeckt sind, lassen sich nur die Ähnlichkeiten festhalten; eine Kontinuität ist unbestreitbar, auch wenn sie sich nicht mehr im Einzelnen nachzeichnen lässt. Die Variablen der Rückübersetzung und oralen Transmission müssen stets mitberechnet werden. Für einige Passagen, wie den Pseudo-Dionysios (S. 199), ist syrischer Ursprung gesichert, andere weisen einen griechischen Hintergrund auf, wie die Passagen, die aus dem Werk des Paulus Alexandrinus, Hippokrates oder den Geoponica entnommen sind, auch wenn oftmalige Bearbeitung und Umstrukturierung ihre Spuren hinterlassen haben. Die griechischen Vorlagen scheinen besonders aufgrund der Dichte an griechischem Wortgut im syrischen Text durch. Babylonische „Überbleibsel“ sind noch in der Wortwahl spürbar, da eine zweite Reihe von Planetenbezeichnungen beinahe der babylonischen Reihe entspricht. Eine nochmalige Erweiterung hat das Material unter dem Einfluss arabisch-islamischer Alchemie und Komputistik erfahren, wie aus den Planetenbeschreibungen und den Tafeln mit Umrechnung für die hiˇgra-Zeitrechnung, die der z¯ıgˇ -Literatur entnommen zu sein scheinen, hervorgeht. Nicht nur die umgebenden orientalischen Literaturen werden im Bestand des SBM reflektiert, auch innerhalb der syrischen Literatur selbst sind zahlreiche Anknüpfungspunkte vorhanden, wie das chronologische Werk des Elias von Nisibis oder die astronomischen Briefe Georgs des Araberbischofs zeigen. Die Datierung der Gesamtkompilation ins 12. Jh. sollte nicht früher angesetzt werden, auch wenn einzelne Passagen wesentlich älter sind. So ist der Pseudo-Dionysius auf das 5. Jh. datiert. Die Übersetzung des ersten, medizinischen Teils durch H.unayn https://doi.org/10.1515/9783110565737-007
290 | 4 Fazit und Ausblick
(9. Jh.) ist durchaus plausibel und konnte an einer Stelle auch nachgewiesen werden. Zur chronologischen Einordnung bedürfte es tiefergehender Studien zur syrischen Medizin. Dagegen ist für einige Passagen, besonders die Umrechnungstabellen, sogar eine spätere Hinzufügung zu vermuten. Auffällig ist, dass ein Großteil der syrischen Handschriften, die divinatorisches Material enthalten und im Rahmen dieser Arbeit untersucht wurden, in Alqoš (Irak) kopiert wurden. Die Bibliothek von Urmia, die auch einen beträchtlichen Bestand dieser Schriften aufwies, ist bedauerlicherweise verloren. In kulturgeschichtlicher Prespektive sind gerade die syrischen Texte der Divination interessant. Ihre Sichtbarkeit oszilliert zwischen ihrer vollkommenen Verleugnung auf Seiten der orthodoxer Polemik und ihrer Zurschaustellung, ja Instrumentalisierung für politische Zwecke. Das Argument einer ungebrochenen Tradition von babylonisch-assyrischem Gedankengut, darunter auch die Divination, gewinnt im Lichte der Assyrerbewegung, die eben diese kulturelle Kontinuität auf ihre Fahnen geschrieben hat, neue Bedeutung. Das Argument ist ein traditionell syrisches, da Severus Sebokht sich bereits darauf stützt. In jedem Fall wird sich eine weitere Beschäftigung mit dem SBM, auch unter Berücksichtigung des pharmakologischen Teils, lohnen.
Appendix I Die Passagen des medizinischen Teils des SBM Die Zusammenstellung der Textpassagen richtet sich nach Schleifer 1926, 1940 und bezieht sich auf folgende Schriften: Ars medica Τέχνη ἰατρική (Kühn I, S. 305–412) De temperamentis Περὶ κράσεων (Kühn I, S. 509–694) De symptomatum causis Περὶ αἰτίων συμπτωμάτων (Kühn VII, S. 85–272) De locis affectis Περὶ τῶν πεπονθότων τόπων (Kühn VIII, S. 1–452) De compositione medicamentorum secundum locos Περὶ συνθέσεως φαρμάκων τῶν κατὰ τόπους (Kühn XII, S. 378 – XIII,1 S. 361) De compositione medicamentorum per genera libri VII Περὶ συνθέσεως φαρμάκων τῶν κατὰ γένη βιβλία ζ΄ (Kühn XIII,2 S. 362–1058) De methodo medendi Θεραπευτικής μεθόδου βιβλία ιδ΄ = Μέθοδος θεραπευτική (Kühn X,1 S. 1–1021) De remediis parabilibus libris III Περὶ εὐπορίστων βιβλίον γ΄ (Kühn XIV,4, S. 311–581)
Galenisches Werk
Syr. Text (ed. Budge)
Gr. Text (ed. Kühn)
Anmerkungen
Ars medica
36,7–11 36,20–24 37,1–18 37,18–38,17 221,8–21 259,5–260,16 283,21–284,17 331,1–332,8
(I) 320,4–12 323,4–13 324,8–326,7 326,9–336,13 349,10–350,14 322,2–336,13 348,3–349,7 337,3–339,12
weitere syr. Passagen (Kap. 23, 24, 28–31) (= I 365–372; 380–389) vgl. Eduard Sachau, Inedita Syriaca, Halle 1870: 88–94.
De temperamentis
284,12–22
629,14–630,8
De symptomatum causis
1,13–3,1 3,2–4,19 65,21–66,11 69,10–23 77,8–11 95,4–10 97,11–17 97,17–22 100,3–24 111,5–115,11 275,3–282,10
(VII) 139,16–141,17 143,5–145,13 262,18–263,19 36,2–23 94,4–7 104,3–9 105,2–12 106,6–11 102,16–104,2 108,3–115,2 128,5–138,4
De locis affectis
5,6–10,15 10,16–15,12 15,13–18,3 18,4–21,20 21,21–24,2 24,3–30,4 30,5–34,12
(VIII) 106,14–168,10 173,5–179,17 179,18–183,9 184,14–189,19 189,19–193,6 193,7–201,16 201,17–207,17
https://doi.org/10.1515/9783110565737-008
292 | Appendix I Die Passagen des medizinischen Teils des SBM
Galenisches Werk
Syr. Text (ed. Budge)
Gr. Text (ed. Kühn)
De locis affectis
69,23–72,4 72,7–74,9 74,9–10 74,13–24 95,10–96,21 96,22–97,11 99,17–100,3 111,5–115,11 115,11–116,12 116,12–117,22 117,22–118,1 118,1–4 118,4–121,6 121,7–122,21 122,22–123,8 130,19–134,20 154,2–155,15 155,15–157,6 176,15–180,19 186,18–193,24 199,19–23 200,8–202,14 202,14–16 202,18–204,1 204,2–23 215,21–217,3 217,3–218,23 218,23–221,4 221,22–224,6 224,6–225,3 225,3–226,4 226,5–229,16 253,1–254,20 267,20–275,3 282,10–11 282,12–283,17 342,24–349,24 381,21–383,21 383,21–386,18 405,14–407,23 421,5–424,14 437,14–440,24
217,17–220,16 221,12–224,7 225,10–13 227,11–228,4 229,5–231,4 233,11–234,7 234,11–235,4 171,2–173,4 169,6–170,11 171,2–173,4 98,12–15 99,2–4 208,1–214,6 235,5–237,14 237,15–238,7 241,8–245,10 247,15–250,10 238,7–240,15 266,16–272,11 272,15–282,14 287,10–14 261,4–264,8 287,8–10 288,7–290,6 264,9–265,12 282,16–284,11 284,12–287,4 290,6–293,8 306,13–310,4 324,17–326,5 326,6–327,12 327,13–332,17 301,1–306,12 333,3–343,2 343,7–9 343,13–345,8 358,1–372,14 354,15–357,16 372,15–376,7 381,3–384,5 384,5–389,18 390,1–394,3
De methodo medendi
229,18–24 285,8–13 285,9–286,3 286,13–20 287,3–9
(X) 338,1–7 471,7–14 479,5–16 498,4–17 503,8–19
Anmerkungen
Appendix I Die Passagen des medizinischen Teils des SBM
Galenisches Werk
Syr. Text (ed. Budge)
Gr. Text (ed. Kühn)
De methodo medendi
287,12–15 287,15–18 288,18–289,2 287,22–24 288,6–12 350,16–351,1 352,4–15
509,7–10 509,13–19 510,3–14 511,5–9 516,18–517,11 903,1–904,2 913,2–914,3
De compostitione medicamentorum secundum locos
53,2–8 53,13 53,14–17 53,22–54,2 53,18–20 53,20–21 54,3–4 60,12–16 60,16–20 60,21–22 63,9–12 63,14–17 64,5–11 78,7–9 80,4–6 81,8–11 81,11–16 81,20–82,3 82,4–7 82,17–83,1 83,1–5 85,8–13 85,15–19 85,20–22 86,20–87,1 86,22–23 87,2–5 87,6–13 88,23–89,2 88,23–89,4 90,10–14 90,14–16 90,16–21 91,4–9 91,9–14 92,22–24 93,3–11 102,15–19 104,5–7 104,8–10
(XII) 582,12–583,6 585,13 584,5–10 588,3–8 585,14–15 586,10–13 588,16–589,1 594,6–11 597,10–14 597,17–598,1 679,9–13 681,13–16 593,16–594,6 697,6–9 790,12–14/799,1–5 748,1–5 748,5–9 761,10–17 758,8–11 767,12–768,4 767,3–6 743,10–15 744,12–17 745,6–9 738,10–15 802,3–4 739,6–9 787,10–788,2 802,6–8 802,12–18 730,10–15 730,15–731,1 731,4–8 737,5–11 801,3–6 799,8–10 800,8–11 600,7–16 631,15–17 636,10–13
|
Anmerkungen
293
294 | Appendix I Die Passagen des medizinischen Teils des SBM
Galenisches Werk
Syr. Text (ed. Budge)
Gr. Text (ed. Kühn)
De compostitione medicamentorum secundum locos
104,14–22 104,14–22 105,13–19 105,20–21 106,6–10 106,11–17 106,19–20 107,16–19 107,19–22 157,12–159,4 161,5–12 164,19–22 165,12–14 181,3–13 181,13–23 182,1–8 182,8–11 182,16–21 182,23–183,7 183,10 183,21–184,4 184,5–8 184,9–15 184,15–20 184,20–22 184,23–185,2 185,3–9 185,9–13 196,1–4 196,5–9 196,9–12 196,12–17 196,17–21 196,22–197,1 197,1–4 197,4–6 197,7–10 197,10–14 197,14–21 197,21–198,1 198,1–2 198,3–5 198,5–9 198,22–199,8 205,4–15 206,10–24 207,1–5
638,6–10 638,6–10 610,4–11 639,13–16 642,5–7 648,3–7 6 652,4–8 659,5–8 652,8–12 896,1–900,11 938,5–16 956,15–18 957,14–16 (XIII) 11,12–12,10 3,8–4,1 8,9–9,7 7,17–8,4 23,12–24,16 17,5–14 28,10–29,4 31,6–16 35,6–9 85,19–36,8 48,9–15 48,2–3 50,4–5 51,13–52,1 51,3–7 112,10–14 110,8–11 109,17–110,3 109,13–17 109,8–13 109,3–7 108,16–109,3 108,13–16 108,10–13 113,1–5 113,13–114,1 110,8–11 115,2–4 115,4–6 113,5–7 110,15–111,11 73,15–74,11 74,16–75,14 76,2–5
Anmerkungen
Appendix I Die Passagen des medizinischen Teils des SBM
Galenisches Werk
Syr. Text (ed. Budge)
Gr. Text (ed. Kühn)
De compostitione medicamentorum secundum locos
207,6–11 207,12–15 207,16–19 207,19–208,2 208,3–6 208,6–13 208,13–18 208,18–23 208,23–209,3 209,3–8 209,9–14 209,14–18 209,19–210,2 210,2–12 243,7–11 243,11–15 243,16–244,1 244,1–14 244,14–19 292,6–9 292,19–23 292,23–24 294,2–6 295,16–21 295,21–296,1 296,16–21 296,22–297,3 297,3–18 297,23–298,10 317,6–15 320,7–18 321,18–322,6 322,19–323,6 323,15–19 355,21–356,4 356,10–17 370,2–11 370,11–17 370,17–371,2 371,21–371,3 372,4–7 376,22–377,2 390,10–13 390,14–16 391,13–15 396,16–21 397,3–9
76,5–11 83,4–14 84,5–9 84,10–85,1 85,13–17 86,3–12 86,17–87,6 87,6–10 87,11–14 87,15–88,4 88,9–14 91,5–10 97,3–11 98,3–13 72,8–12 72,14–73,4 103,7–104,6 6 104,7–105,5 105,6–12 120,14–18 172,14–173,1 174,9–11 142,4–8 145,3–9 145,13–18 152,6–12 158,3–9 165,2–167,1 133,4–134,2 184,6–15 184,16–185,7 185,8–186,8 179,3–15 182,14–18 213,6–11 202,15–203,4 214,14–215,4 213,12–214,2 204,1–9 204,10–16 218,1–5 262,14–17 233,3–7 233,7–11 231,1–2 238,9–16 205,7–18
|
Anmerkungen
295
296 | Appendix I Die Passagen des medizinischen Teils des SBM
Galenisches Werk
Syr. Text (ed. Budge)
Gr. Text (ed. Kühn)
De compostitione medicamentorum secundum locos
398,10–12 398,15–19 398,19–21 401,11–16 402,15–19 402,19–21 412,4–8 412,14–18 412,19–21 412,21–413,10 413,10–15 413,15–19 413,19–414,3 414,4–9 414,9–12 414,12–14 416,12–21 416,21–417,6 417,9–13 417,15–21 417,22–418,4 425,7–12 427,16–20 432,24–433,8 433,9–11 433,14–18 433,19–21 433,23–434,1 434,1–5
241,7–10 243,6–12 6 240,17–241,7 258,14–259,6 245,3–8 245,10–12 91,11–92,2 288,18–289,4 290,3–5 293,4–294,3 294,10–17 301,3–9 301,12–302,2 302,2–8 302,8–11 302,11–14 304,8–14 305,11–306,1 297,8–12 298,8–299,3 296,6–9 267,10–296,2–7 284,1–7 306,16–18 307,8–16 307,18–308,3 309,1–7 312,7–10 312,11–13 313,1–4
De compostitione medicamentorum per genera libri VII
213,12–16 213,18–22 228,18–24 251,10–15 258,8–12 285,19–286,3 286,15–20 287,3–9 287,12–15 287,15–18 287,22–24 288,6–12 288,15–289,2 403,18–22
834,5–8 834,9–12 338,1–7 967,1–968,3 471,7–14 498,4–17 498,4–17 503,8–17 509,7–10 509,13–17 511,5–9 516,18–517,11 510,3–14 388,11–16
De remediis parabilibus libris III
392,3–5
455,9–11
Anmerkungen
Prognose/Textgattung
Astrometeorologische Jahresanfangsprognose
Mundanastrologische Kometenflugprognose
Mundanastrologische Kometenflugprognose
Astrometeorologische Vorhersage des Winters
Astrometeorologische Jahresanfangsprognose
Mundanastrologische Jahresanfangsprognose
Einteilung der Tierkreiszeichen
Heiratsprognose
Wiederfinden eines verlorenen Gegenstandes
Auffinden eines gestohlenen Gegenstandes
Syr. Zahlzeichen
Berechnung von röm. Pfund und Gewichten
Vorhersage der Reputation
SBM
S. 441
S. 441
S. 442
S. 443
S. 443f.
S. 444
https://doi.org/10.1515/9783110565737-009
S. 444
S. 444
S. 445
S. 445
S. 446
S. 446
S. 447
onomatomantisch
Maßeinheiten/Eichungen
Tabelle
onomatomantisch
onomatomantisch
onomatomantisch
nützlich/nicht nützlich
zodiakal
zodiakal (Stand des Mondes)
Nach dem Aussehen der Sonne
„
Nach der Flugrichtung der Kometen
Nach den ersten 7 Tagen im Jahr (Chronomantie)
Methode
tūb dēn ¸ h.re.nå d-en s.åbē¸ an tt ¯ ¯ ¯ […]
Ms or. 3119 (111r)
Ms or. 3119 (111r)
¯ atwåtå d-s¯ımon ¯ ¯ ¯ h.ušbån l¯ı.trē¸ w-matqålē¸ ¯
Tannery 1886: 256, 257
SM: 110/180ff.
SBM: 552, SM: 180/275
SBM: 551
Ms or. 4434 (41r–41v)
Intertext
tūb emmaty d-metganneb ¯ ¯ ¯ ¯ meddem
ˇ ¸ d-nagmå ˇ burgē ¯ massbå d-neššē¸ ¯ ¯ en s.åbē¸ d-tedda ¯ ¯
malwåšay šan ttå
šūdåå satwåyå men h.zåtē¸h ¯ ¯ d-šemšå ¯ w-en metyaldå ¯
h.re.nå d-kåwkbē¸ d-såt.ē¸n ¯ ¯ ¯
tūb šūdåå d-al yåwmåtå ¯ ¯ ¯ ¯ ¸ båhorē ¯ šūdåå d-al kåwkbē¸ d-såt.ē¸n ¯ ¯
incipit
Appendix II Die Passagen des astraldivinatorischen Teils des SBM
Prognose/Textgattung
Todesprognostik Mann oder Frau
Zur Berechnung des Mondaufgangs
Berechnung der Schaltjahre im (islam.) Mondkalender
Berechnung der Schaltjahre im Mondkalender
Berechnung des Wochentages, an dem der Mond aufgeht
Berechnung des Mondaufgangs
Berechnung der Tag-/Nachtstunde des Mondaufgangs
Berechnung der Beleuchtungsdauer des Mondes
Krankheitsprognose mit Krankheitsätiologien
Krankheitsprognose
Rechenanweisung für modulo 9
Rechenanweisung
Krankheitsprognose
SBM
S. 447
S. 448
S. 449
S. 450
S. 451
S. 451
S. 452
S. 452
S. 453
S. 453
S. 454
S. 454
S. 454
onomatomantisch des Wochentagsnamens
für Onomatomantie
für Onomatomantie mit Mutternamen
onomatomantisch (mit modulo 9)
onomatomantisch
zur Tabelle gehörige Anleitung
Tabelle
Tabelle
Tabelle
onomatomantisch
Methode
håkan appeq […] ¯ w-en s.åbē¸tt d-tedda ennē¸n ¯ ¯ h.re.nå d-tedda en mået kr¯ıhå ¯ ¯ åw meth.lem ¯
h.re.nå d-al kr¯ıhē¸ ¯
en s.åbē¸ an tt d-tedda kmå manhar ¯ ¯ sahrå w-ken åreb ¯ ¯ tūb h.ušbånå d-al kr¯ıhē¸ ¯ ¯
d-tedda b-aydå šå tå met¯ıled sahrå […] ¯ ¯ ¯ ¯ tūb be¸h ba-znå ¯
må gē¸r d-s.åbē¸ an tt […] ¯
d-tedda šan ttå kb¯ıšåtå d-sahrå ¯ ¯¯ ¯ ¯
Ms or. 4434 (1v–2v)
Ms or. 4434 (3r) Young 1982: 269f.
Ms or. 4434 (8r)
tūb dēn ¸ h.re.nå d-en s.åbē¸ an tt ¯ ¯ ¯ l-medda b-šem måran kåteb-nå h.ušbånå ¯ ¯ mbaššlå d-yarh.ē¸ d-sahrå ¯ ¯ ¯ —
Intertext
incipit
298 | Appendix II Die Passagen des astraldivinatorischen Teils des SBM
Prognose/Textgattung
Rechenanweisung
Krankheitsprognose
Krankheitsprognose
Sammelprognose Todesprognostik u. Verlorenes u. Entlaufener
Krankheitsprognose
Krankheitsprognose
Todesprognostik
Todesprognostik
Todesprognostik
Sammelprognose Krankheitsprognose u. Verlorenes u. Entlaufene
Krankheitsprognose
SBM
S. 454
S. 455
S. 455
S. 456
S. 456
S. 457
S. 458
S. 458
S. 459
S. 460
S. 460
onomatomantisch mit Tagesherrscher
onomatomantisch mit Tagesherrschern Wert des Gegenstandes/Namen des Patienten
nach dem Mond beleuchtet/unbeleuchtet (gerade/ungerade Zahlen)
onomatomantisch mit Tabelle
onomatomantisch basierend auf dem Mondalter
Lunar
Lunar
Tabelle modulo 25
mit einem Hund etc.
onomatomantisch nach dem Tag der Befragung (stundenastrologisch)
onomatomantisch für modulo 3 mit Wochentagsnamen
Methode
Ms or. 4434 (4v–5r) Ms or. 4434 (5r), Sphäre des Demokrit SM: 92/145 Ms or. 4434 (5r–5v) secretum secretorum
znå h.re.nå znå h.re.nå
h.re.nå d-nedda åsyå aylē¸n yåwmåtå ¯ ¯ ¯ıt le¸h l-sahrå nuhrå […] ¯ tūb h.ušbånå h.re.nå d-neqdom nåš […] ¯ ¯
znå h.re.nå met..tol kr¯ıhå
Ms or. 4434 (4r–4v)
BB: 33, SM: 72/113ff., Ms or. 4434 (3v–4r)
Sphäre des Demokrit
Ms or. 4434 (3v)
Ms or. 4434 (3r–3v)
Intertext
tūb šūdåå d-al kr¯ıhå ¯ ¯
znå h.re.nå
h.re.nå da-kr¯ıhē¸ ¯ ¯ h.ušbånå h.re.nå da-kr¯ıhå w-al abyadå ¯ ¯ ¯ ¯ w-al nåš d-åreq
må d-mappqatt šem yåwmåtå d-šabbtå ¯ ¯ ¯ ¯ tlåtå tlåtå ¯ ¯ ¯ ¯ šūdåå h.re.nå d-al kr¯ıhå ¯
incipit
Appendix II Die Passagen des astraldivinatorischen Teils des SBM |
299
Prognose/Textgattung
Planeten als Tagesherrscher (Chronokratoren)
Krankheitsprognose
Krankheitsprognose
Dauer der „Mondphasen“ in den Tierkreiszeichen
Der Lauf des Mondes durch den Tierkreis
Krankheitsprognose
Krankheitsprognose
Krankheitsprognose
Einfluss der Planeten auf die Tierkreiszeichen
Beziehung von Tierkreiszeichen und Planeten
Planeten als Krankheitsverursacher
Kosmologie, Lage der Planeten
Umlaufzeiten der Planeten
SBM
S. 461
S. 461
S. 462
S. 465
S. 465
S. 466
S. 468
S. 468
S. 469
S. 469
S. 469
S. 470
S. 471
Melothesie
nach Nativitäten
nach Erkrankung in bestimmten Tierkreiszeichen
nach Erkrankung in bestimmten Tierkreiszeichen und Planetenkonstellationen
Mondstand im Zodiak für alle Monate
onomatomantisch Mondalter und Stand in den Tierkreiszeichen
Anweisung zur Berechnung der Buchstabenwerte von Planeten und Wochentagen
Methode
tūb epareš w-åwda al yåwmåtå ¯ ¯ d-sahrå ¯ d-tedda man uls.ånå åbed kollh.ad ¯ ¯ ¯ ¯ men kåwkbē¸ ¯ såym¯ın l-šab å mdabbrånē¸ håkan ¯ ¯ ¯ met..tol h.udrå d-kollh.ad men kåwkbē¸ ¯ ¯ ¯ ¯
¯ d-malwåšē¸ šūdåå met..tol kr¯ıhå d-seprå ¯ ¯ al šarbå d-hålē¸n kåwkbē¸ d-t.åb¯ın ¯ ¯ ¯ ¯ malwåšē¸
znå h.re.nå d-al kr¯ıhē¸ ¯
hålē¸n da. tarå h.re.nå d-al kr¯ıhē¸ ¯ w-al¯ıs.ē¸
w-åp¯ hådē¸ da ¯ ¯
d-yarhē¸ d-kollåh šan ttå ¯ šūdåå d-tedda […] ¯
h.re.nå d-al kr¯ıhē¸ ¯
yåwmåtå d-kåwkbē¸ ¯ ¯ ¯
incipit
Intertext
300 | Appendix II Die Passagen des astraldivinatorischen Teils des SBM
Reiseprognose
Reiseprognose
Über bestimmte Mondtage
Liste von Unglückstagen
Liste von Glückstagen
Reiseprognose
Über das Kaufen und Verkaufen
Sammellunar
Schrift des Basil
Die Namen der Tierkreiszeichen und Monatsentsprechungen
Namen der Wochentage nach Planeten
Finsternisprognosen
Finsternisprognosen nach Stellung in den Tierkreiszeichen
Vorhersage des Datums der Finsternis
S. 471
S. 472
S. 472
S. 474
S. 474
S. 475
S. 476
S. 476
S. 480
S. 483
S. 483
S. 483
S. 485
S. 485
S. 486
Berechnung des Aufenthaltsortes der Planeten
Exaltation und Depression der Planeten
S. 471
S. 486
Prognose/Textgattung
SBM
nach Jahren des Alexanders
nach Farben und Himmelsrichtung
Kosmologie, Lage der Planeten
30 Tage des Mondmonats
(Sonne-Mond-metapher)
apantomantisch
nach Mondstand in den Tierkreiszeichen
nach Planetenherrschaften in den Himmelsrichtungen
Methode
tūb met..tol eql¯ıps¯ıs […] ¯ en s.åbē¸tt d-tedda baytå ¯ ¯ ¯ […] d-ånåb¯ıbazon ¯ ¯ d-tedda h.amšå kåwkbē¸ w-h.ušbånhon ¯ ¯
tūb al eql¯ıps¯ıs […] ¯
h.adbšabbå ¯ al eql¯ıps¯ıs […]
šmåhē¸ d-malwåšē¸ ¯
h.re¸nå d-al urh.å ¯ al yåwmåtå d-sahrå […] ¯ ¯ tūb d-yåwmåtå b¯ıšē¸ […] ¯ ¯ ¯ h.re¸nå d-yåwmåtå .tåbē¸ […] ¯ ¯ ¯ ¯ ¸ d-urh.å šūdåå d-al pegē ¯ ¯ al zebnå w-zubbånå […] ¯ tūb znå h.re¸nå d-yåwmåtå d-sahrå ¯ ¯ ¯ ¯ tūb men mamlllå d-båsel¯ıs […] ¯ ¯
šūdåå al malkūtå […] ¯ kol emmaty d-s.åbē¸tt d-tē¸ zal ¯ ¯
incipit
Vat. Sir. 516 (26r–31r)
SM: 88/137
+ Psalm 127,1
Intertext
Appendix II Die Passagen des astraldivinatorischen Teils des SBM |
301
Prognose/Textgattung
Liste der Tierkreiszeichen
Lage der Planeten innerhalb der Zonen
Herrschaft der Planeten über die Tierkreiszeichen
Planeten und Metalle
Farben der Planeten
Aufgangszeiten der Planeten
Aufgangstafeln
Hypsomata der Planeten
Tages- und Nachtplaneten
Dreiteilung der Tierkreiszeichen aufsteigend, neutral, absteigend
Aufenthaltsdauer der Sonne in den einzelnen Zeichen
Farbe und Symbole der Tierkreiszeichen
Zodiakale Chorographie
Planetare Chorographie
Sich gegenseitig sehende, hörende und befehlende Tierkreiszeichen
SBM
S. 487
S. 488
S. 488
S. 488
S. 489
S. 489
S. 494– 501
S. 502
S. 502
S. 503
S. 503
S. 503
S. 503
S. 504
S. 504
Exaltation und Depression der Planeten
Kosmologie
Methode
d-tedda gåwnē¸ wa-dmūtå d-malwåšē¸ ¯ ¯ ¯ ¯ atrawåtå da-malwåšē¸ ¯ ¯ ¯ ¯ mdabbrånē¸ lb¯ık¯ın h waw d-hennon ¯ ¯ ¯ tarå h.re¸nå al malwåšē¸ d-šåm¯ın ¯ ¯ la-h.dådē¸ w-h.åzē¸n la-h.dådē¸ w-påqd¯ ın ¯ ¯ ¯ ¯ la-h.dådē¸ ¯ ¯
d-tedda kmå håwē¸ šemšå b-kollh.ad ¯ ¯ ¯
tūb beh b-šarbå ¯ ¯ mah.h.tånē¸ aylē¸n d-tedda aylē¸n ennon ¯ ¯ ¯ šwayyē¸ w-aylē¸n ennon ¯ massqånē¸ ennon
n¯ıšå h.re¸nå
dumyå d-kåwkbē¸ ¯ ¯ ¯ ¯ d-kåwkbē¸ gåwnē¸ d¯ılhon ¯ ¯ ¯ ¯ tūb krukyå da-tresar malwåšē¸ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ on ¯ b-kollåh šan ttå w-šuh.laph ¯
menyånå d-malwåšē¸ ¯ ¯ .tåks¯ıs šba zonas ¯ tūb šūdåå d-malwåšē¸ ¯ ¯
incipit
b. P. Mich. 149
PA, Kap. 2
SM: 95/151f
Intertext
302 | Appendix II Die Passagen des astraldivinatorischen Teils des SBM
Prognose/Textgattung
Sich gegenseitig nicht sehende Tierkreiszeichen
„Diastase“
Wirkung von Planeten in verschiedenen Konstellationen
Zeitmaße
Über die Ab- und Zunahme der Tageslänge
Über die Schattenlänge
Planeten als Herrscher über die Tage und Nächte der Woche (unvollständig)
Nativitäten nach Aussehen, Beruf
Nativitäten nach Geruch
Zodiakale und planetare Melothesie
Berechnung des Geburtstages
Todesprognostik
Berechnung einer glückbringenden Sache
SBM
S. 505
S. 505
S. 505
S. 506
S. 506
S. 507
S. 513
S. 515
S. 516
S. 517
S. 517
S. 519
S. 519
onomatomantisch
onomatomantisch mit Tag des Arztbesuches nach Tagesherrscher und Name des Kranken
onomatomantisch mit Wochentagsnamen und modulo 7
mit Wortspiel
Methode
d-tedda men aydå s.būtå meškah. nåš ¯ ¯ ¯ ¯ yutrånå w-gaddå. kad mappeq an tt […] ¯ ¯
d-tedda b-aynå men hålē¸n šab å ¯ ¯ kåwkbē¸ ¯ıl¯ıd bar-nåšå wa-b-aynå yåmå ¯ ¯ ¯ znå h.re¸nå met..tol kr¯ıhå
menyånå d-dargē¸ d-šemšå ¯ ¯ al yåwmåtå d-šabbtå d-meth.ašh.¯ın ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ h.akk¯ımē¸ w-sakkūltånē¸ b-hon ¯ šūdåå da-mh.åwē¸ al måwlådå ¯ ¯ da-bnaynåšå ¯ ¯ h.re¸nå d-al måwlådå da-bnay-nåšå ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ d-bar-nåšå znå h.re¸nå al pars.opå ¯
(tūb) ¯
d-tedda håkē¸l yåwmå d-šawyūt ¯ımåmå ¯ ¯ ¯ ¯ w-lelyå
¯ håkannå dyåst.åsis lwåt h.dådē¸ ¯ıtayhon ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ . yå h.re¸tå tūb pragmåt ¯ ¯
¯ aylē¸n d-lå h.åzē¸n la-h.dådē¸ ¯ıtayhon ¯ ¯ ¯ hålē¸n
incipit
Ms or. 4434 (8v–9r)
Ms or. 4434 (8r–8v)
Intertext
Appendix II Die Passagen des astraldivinatorischen Teils des SBM |
303
Prognose/Textgattung
Berechnung der Gunst des Freundes
Heiratsprognose (komplex)
Heiratsprognose
Schwangerschaftsprognose
Geschlechtsprognose eines ungeborenen Kindes
Über Unfruchtbarkeit
Todesprognostik über ein Neugeborenes
Vorhersage zur Bestimmung eines blinden Auges
Prognose zur Auffindung eines Gegenstands
Vorhersage über einen gestohlenen Gegenstand
Reiseprognose
Reiseprognose
Schicksalsprognose eines Gefangenen
Prognose zum Ausgang eines Kampfes
Prognose über das Zusammentreffen mit dem Herrscher
SBM
S. 519
S. 519
S. 519
S. 521
S. 522
S. 522
S. 522
S. 522
S. 522
S. 522
S. 523
S. 523
S. 524
S. 524
S. 525
Zodiakales Speziallunar
Zodiakales Speziallunar
Zodiakales Speziallunar
onomatomantisch mit Schattenwurf
onomatomantisch
onomatomantisch
onomatomantisch
onomatomantisch
onomatomantisch mit Geburtstermin und Elternnamen
onomatomantisch
onomatomantisch
onomatomantisch
onomatomantisch
onomatomantisch
onomatomantisch
Methode
tūb met..tol nåš d-nåpeq men bayteh ¯ w-åzel men atrå l-atrå ¯ ¯ tūb en s.åbē¸tt l-medda al håw d-håwē¸ ¯ ¯ b-urh.å rh.¯ıqtå […] ¯ met..tol aylē¸n d-nåpl¯ın bē¸t ass¯ırē¸ […] ¯ l-man d-båē¸ d-naqreb am h.abreh ¯ ¯ ¯ ¯ tūb sukkålå d-nešal nåš […] ¯ ¯
d-tedda an tt¯t å […] ¯ tūb d-tedda d-dekrå båt.nå an tt¯t å åw ¯ ¯ ¯ ¯ neqbtå ¯ tūb d-aqqårē¸ ¯ d-tedda l-yallūdå d-met¯ıled årå d-håyē¸ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ åw mået ¯ en s.åbē¸tt d-tedda l-nåš d-men aydå ¯ ¯ ayneh ¯ıtåwhy w¯ıå ¯ met..tol meddem d-tedda d-en .tåb ¯ ¯ b-dukkteh åw lå ¯ ¯ kad metganneb menåk meddem ¯ ¯ ¯ ¯
d-tedda råh.måk råh.em låk åw sånē¸ låk ¯ ¯ ¯ ¯ l-man d-båē¸ d-nemkor an tt¯t å ¯ znå h.re¸nå l-man d-båē¸ d-nemkor ¯ an tt¯t å […]
incipit
Ms or. 4434 (7r–7v)
Ms or. 4434 (7v–8r)
Ms or. 4434 (7v)
Intertext
304 | Appendix II Die Passagen des astraldivinatorischen Teils des SBM
Zeitmaße
Zeitmaße
Über die Zusammensetzung der Tierkreiszeichen
Über die Jahreszeiten
Vorhersage über den Wind
Weiteres zu den Winden
Über die Luft der vier Himmelsrichtungen
Über den Anfang der Jahreszeiten
Vorhersage über das Jahr nach Luft und Zeit
S. 531
S. 531
S. 531
S. 532
S. 532
S. 532
S. 533
S. 533
S. 533
Maßeinheiten
S. 530
Über Parasang
Maße der Erde
S. 530
Über das Maß der Tierkreiszeichen
Maße der Erde
S. 530
S. 531
Kosmologie (Winter)
S. 528
S. 531
Kosmologie (Lauf der Sonne)
Kosmologie (Jahreszeiten)
Kosmologie (Jahreszeiten)
S. 525
S. 527
Heiratsprognose
S. 525
S. 526
Prognose/Textgattung
SBM
Die Windrichtungen
Windomina
Zodiakales Speziallunar
Methode
šūdåå d-al šan ttå w-åares w-zabnē¸ ¯ ¯
¯¸ met..tol šūråy arbå šuh.låpē
al zabnē¸ d-šan ttå d-båē¸ an tt ¯ ¯ ¯ ¯ šūdåå d-al rūh.ē¸ ¯ tūb d-rūh.ē¸ ¯ ¯¸ met..tol åar d-penyåtå w-šuh.låpē ¯
al mšuh.tå d-malwåšē¸ ¯ ¯ ¯ yåtå d-šåtå al pod ¯ ¯ ¯ ¯ tūb ¯ ¯ d-malwåšē¸ al muzzågå ¯
¯ da-mh.åwwē¸ al håw yammå […] šuh.låpå ¯ met..tol šemšå d-aykånå rådē¸ […] ¯ ¯ etakkalw o¯ rah.may h.ekmtå ¯ ¯ ¯ d-måwda al satwå tūb šuh.låpå ¯ ¯ ¯ sukkålå da-mšuh.tå d-arå ¯ ¯ ¯ tūb mšuh.tå d-arå […] ¯ ¯ ¯ h.ušbån matqålē¸ ¯ al parsh.å
¯ znå ah.re¸nå al zuwwågå
incipit
AphHipp 3,5–7; 3,11–16
GP 1,11
PD
PD
PD
PD
Intertext
Appendix II Die Passagen des astraldivinatorischen Teils des SBM |
305
Winterprognose
Ernährungsvorschrift nach Monaten
S. 541
Jahresanfangsprognostik
Vorhersage über die Ernährung von Monat zu Monat
S. 541
S. 546
Über die Diät im Jahresverlauf
S. 540
S. 545
Über Milch
S. 539
Jahresanfangsprognostik
Weiteres über das Wassertrinken
S. 539
S. 545
Über das Wassertrinken
S. 539
verdauungsfördernde (?) Nahrungsmittel
Vorhersage über das Gefühl
S. 538
S. 544
Jeder, der eine Krankheit fühlt
S. 538
Ernährung und Krankheit?
Über den Wandel der Krankheiten in den Jahreszeiten
S. 537
trocknende Nahrungsmittel
Über die Mischung der Lebensalter der Menschen
S. 537
S. 543
Wenn der Ostwind nicht zu seiner Zeit weht
S. 536
S. 543
Prognose/Textgattung
SBM
vom 4. Oktober
mit Blättern vom 18. Juli
meteorologisch vom 18. Juli
(nach Jahreszeiten)
dietätisch
Säftegemisch in Krankheiten
Windomina „hippokratischer Art“
Methode
tūb al šūdåå d-šan ttå […] ¯ ¯ en båē¸ an tt d-tedda šråre¸h d-hånå ¯ znå h.re¸nå
¯ h.ån aylē¸n d-mårqån w-påsqån w-påt ¯
kol aynå d-margeš b-kurhånē¸ ¯ tūb šūdåå d-al gešštå ¯ ¯ ¯ ¯ al maštyå d-mayyå ¯ tūb al maštyå d-mayyå ¯ ¯ al h.albå ¯ al dubbår mē¸ klåtå d-zabnay šan ttå ¯ ¯ ¯ ¯ tūb purråš mē¸ klåtå d-kol yarh.å ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ b-yarh.ē¸h ¯ šūdåå h.re.nå -d-mh.åwwē¸ […] ¯ tūb .tukkås mē¸ klåtå ¯ ¯ ¯ aylē¸n ennē¸n da-myabbšån
emmaty d-rūh.å d-madnh.å nåšbå d-lå ¯ ¯ ¯ ¯ b-zabnåh ¯ ¯ ¯ ¸ d-mušh.åtå met..tol muzzågē ¯ ¯ da-bnay-nåšå ¯ ¯ al šuh.låp¯ kurhånē¸
incipit
GP 1,5
Ms or. (57v–58r)
Intertext
306 | Appendix II Die Passagen des astraldivinatorischen Teils des SBM
Prognose/Textgattung
Jahresanfangsprognostik
Jahresprognostik
Jahresprognostik
Jahresprognostik
Winterprognose
Winterprognose
Mundanastrologie
Winterprognose
Winterprognose
Aufgang der Plejaden
Mundanastrologie
Mundanastrologie
Mundanastrologie
Mundanastrologie
Mundanastrologie
Mundanastrologie
SBM
S. 546
S. 546
S. 546
S. 547
S. 547
S. 547
S. 547
S. 548
S. 549
S. 549
S. 549
S. 550
S. 550
S. 551
S. 552
S. 552
d-al sahrå
tūb šūdåå d-kåwkbå d-kåšet. ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ba-šmayyå
znå h.re¸nå d-al kåwkbå s.ūs.yånå ¯ ¯
¯ d-hålē¸n šūdåayhon
d-yåda nåš qådem satwå åw måwh.ar ¯ ¯ ¯ šūdåå d-al k¯ımå ¯ ¯ tūb demwåtå d-meth.azyån ba-šmayyå ¯ ¯ ¯ ¯ da-b aymē¸ ¯ ¯ al kåwkbē¸ s.ūs.yånē¸ ¯
tūb znå h.re¸nå al maššbå d-rūh.ē¸ ¯ ¯ ¯ znå h.re¸nå d-al maššbē¸ ¯ ¯ al mqaddmūt ¯ıdatå d-åar […] ¯ ¯ ¯ ¯ šūdåå satwåyå men h.zåte¸h d-sahrå ¯ ¯ tūb demwåtå d-håwyån b-sahrå ¯ ¯ ¯ šūdåå satwåyå men h.zåte¸h d-šemšå ¯ ¯
¯ da-nånē¸ šuh.låpå ¯
znå h.re¸nå
incipit
SBM: 552; Ms or. (56r–57v)
SBM: 441; Ms or. (56v–57r)
GP 1,5
BB: 11f.; GP 1,3–4
GP 1,3
GP 1,2
Intertext
|
nach dem Mond
Kometenflugprognose
Kometenflugprognose
Kometenflugprognose, Kometen mit Abbildung
Kometenflugprognose, Kometen mit Namen
Einsetzen des Winters
nach dem Aussehen der Sonne
nach dem Aussehen des Mondes
nach dem Aussehen des Mondes
nach dem Mond, Einsetzen des Winters
meteorologisch nach dem Wind
meteorologisch nach dem Wind
meteorologisch nach Wolkenbeobachtung
vom Kreuzfest
Methode
Appendix II Die Passagen des astraldivinatorischen Teils des SBM
307
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Index Buchtitel Akkadische Schriften Astronomical Diaries 18, 24 Enūma Anu Enlil (EAE) 8, 9, 15, 20, 128, 132, 143, 202
Iqqur ¯ıppuš 9, 19–21, 97, 326 Mul.Apin 15, 129 ¯ 9, 10, 15 Šumma alu
Arabische Schriften ¯ Al-qanūn f¯ı .t-t.ibb, Avicenna 65
Malh.ama 95, 97, 112, 191
¯ Faragˇ al-mahmūm, Ibn T.awūs 71
ˇ ¯ . wa-ilm al-misah ¯ . a an-nafiat ¯ Nugūm Buqrat f¯ı ilm at.-t.ibb 158
Kalila wa-Dimnah 52 ¯ al-azmina wa-l-amkina, al-Marzūq¯ı 279 Kitab K. ad-dala¯ il, Bar Bahlūl 95, 96, 186, 188, 189, 279, 283 ˇ ami ¯ ¯ al-kusūfayn 190 K. gaw ah.kam ¯ at ¯ wa-l-tanb¯ıhat, ¯ Ibn S¯ına¯ 53 K. al-išar ¯ K. al-magˇ alis 52 ¯ at.-T.abar¯ı 56 ¯ ı, Umar b. al-Farruhan K. al-maan¯ ˘ ¯ Ibn Nawbaht 30 K. an-nahmat.an, ˘ K. at-tafh¯ım, al-B¯ırūn¯ı 248 ˙ K. brūgnūst¯ ıqūn ay taqdimat al-marifa 159 ¯ ı 63, 66 ¯ ı f¯ı .tibb, ar-Raz¯ K. al-h.aw¯ ¯ wa-l-maglūb ˙ ¯ K. maarifat al-g˙ alib [wa-t.alib wa-l-mat.lūb] 190 ¯ Hermes 70 K. .tulū aš-šira¯ al-yamaniyya, Liber introductorii maioris ad scientiam judiciorum astrorum, Abū Mašar al-Balh¯ı 70 ˘
¯ 64, 65, 136 ¯ Risalah (Sendschreiben), Ibn Ish.aq ¯ Yaqūb ibn Ish.aq ¯ al-Kind¯ı ila¯ bad.i Risalat ¯ ¯ ın lil-amrad ¯. ihwanihi f¯ı illat al-bah.ar¯ ˘ ¯ al-h.adda, Al-Kind¯ı 136 Secrectum secretorum 140, 190, 219, 299 Sindbad 52 ¯ 64 Sirr al-hal¯ıqa (Bal¯ınas) ˘ ¯ al-hawa¯ wa-l-ma ¯ wa-l-masakin, ¯ Tafs¯ır li-kitab Hippokrateskommentar 161 Ta¯ gˇ al-arūs, az-Zab¯ıd¯ı 174 ¯ al-at.ibba, ¯ Ibn Ab¯ı ¯ f¯ı .tabaqat Uyūn al-anba Us.ayb¯ı a 61 Z¯ıgˇ al-mumtah.an 192
Aramäische/Hebräische Schriften Buch der Jubiläen 101, 130, 171 Levi-Dokument 22 Sefer ha-Razim 198, 256
Sfar Malwašia 19–21, 130, 192, 202, 203, 216, 218, 220, 233, 247, 285, 297, 299, 301, 302
344 | Index
Griechische Schriften Almagest, Ptolemaios 18, 31, 32, 59, 82, 86, 87, 151, 177 Antiquitates Judaicae, Josephus 101 Apotelesmatikà (Syntágmata), Hephaiston von Theben 17 Ars medica, Galen 85, 291 Chronographie, Theophanes 90, 91 Elementa apotelesmatica, Paulus Alexandrinus 86 Ερ˜οταποκρίσεις, Anastasius Sinaites 68 Excerpta ex Theodoto, Clemens von Alexandrien 69 De Abrahamo, Philo 101 De alimentorum facultatibus, Galen 85 De compositione medicamentorum secundum locos, Galen 110, 291, 293–296 De locis affectis, Galen 108, 110, 291, 292 De ostentis siehe Περὶ σημείων De signis, Theophrastus 128, 195 De simplicium medicamentorum temperamentibus et facultatibus, Galen 62, 159 Geoponica, Cassianus Bassus 18, 31, 187, 195, 201, 212, 251, 272, 273, 282–285, 289
Isagoge, Geminos 15 Isagoge, Porphyrius 39, 62 Oratio ad Graecos, Tatian 39, 67 Περὶ αέρων, ὑδάτων, τόπων, Hippokrates 161, 162, 195 Περὶ ἑβδομάδων, Pseudo-Hippokrates 272, 278 Περὶ καταρχῶν, Maximus 139 Περὶ σημείων, (Johannes Laurentius) Lydus 16, 17, 130, 155, 201, 279 Physiologus 114 Πόνοι περὶ καταρχῶν πολεμικῶν, Theophilus von Edessa 4, 90, 91, 103, 130 Praeparatio evangelica, Eusebius von Caesarea 83, 101 προγνωστικὸν, Hippokrates 159 Φαινόμενα, Aratus 87 Si quis optimus medicus est, eundum esse philosophum, Galen 160 Suda (ἡ σοῦδα) 69 Tetrabiblos, Ptolemaios 4, 6, 16, 18, 67, 87, 99, 141–143, 146, 157, 163, 177, 180, 183, 204, 227, 249 Timaios, Platon 13, 168, 177 Topica, Aristoteles 91
Historia ecclesiastica, von Caesarea 83
Iranische Schriften Bundahišn 30, 31, 175, 269 Dēnkard 30
¯ ¯ı Xrad 30 Mēnog ¯ Zadsparam 30, 277
Lateinische Schriften Ab urbe condita, Livius 100 Anthologie, Vettius Valens 18, 250 Astronomica, Manilius 142, 143
Centiloquium, (Pseudo-Ptolemaios) 4, 70, 87, 99 Codex Theodosianus 68 Contra celsum, Origenes 177
Index |
De diebus decretoriis, Galen 157, 158, 201 De divinatione, Cicero 8, 11, 84 De lapsu inter salutandum, Lukian 156 Historia, Nithard 101 Historia francorum, Gregor von Tours 101
345
Mathesis, Firmicus Maternus 142, 170 Recognitiones, Pseudo-Klemens 83, 100 Refutatio omnium haeresium, Hippolytos 141 Vita Aureliani 44 Vita Karoli Magni, Einhard 101
Liber isagogicus, Alcabitius 4 Xantener Annalen 101
Syrische Schriften Alexanderroman 100, 112, 126, 178, 181, 268 Apokalyspe des Methodius 36 Butyrum Sapientiae, Bar Hebraeus 57 Causa causarum 99, 179 Doctrina Addai 27, 74, 76, 79 Hexaemeron, Jakob von Edessa 57, 58, 78, 79, 237 K. d-Huddåyē¸, Bar Hebraeus 80 ¯ K. da-mqaddmūt ¯ıdatå 159 ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¸ d-atrawåtå, Bardesanes 34, 83, K. d-nåmosē ¯ ¯ ¯ ¯ 100 ¯ Ktåbå d-pullåg yawmåtå da-šbū å al kawkbe¸ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ šeb å, Tabit b. Qurra 91 ¯ ¯ ¯ ¸ (= Handtafeln des Ptolemaios) 86 K. d-qånonē ¯
¯ K. d-remzē¸ wa-m¯ırånwåtå d-Abū Al¯ı bar S¯ına, ¯ ¯ ¯ Bar Hebraeus 53 K. d-s¯ımåtå, Hiob von Edessa/Ayyūb ¯ ¯ ¯ ı 58, 64, 82 ar-Ruhaw¯ K. d-s¯ımåtå, Jakob von Bart.ella 92 ¯ ¯ K. d-s¯ımåtå, Severus bar Šakko 184 ¯ ¯ Ktåbå d-sullåqå hawnånåyå, Bar Hebraeus 92 ¯ ¯ ¯ K. d-yåwnå, Buch der Taube, Bar Hebraeus 53 ¯ Marat gan zzē¸ 31 ¯ Mah.z¯ıtå mr¯ıqtå 53 ¯ Maktbånut zabnē¸, Bar Hebraeus 53 ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ Mnarat qudšē¸ (= Candelabrum sanctuarii), Bar Hebraeus 53 Traktat des Sem 23, 24, 97, 121, 132, 180 Über den Fall der Götzenbilder, Jakob von Sarug 27
Begriffe Arabische Begriffe asmar 243, 248 ¯ 92 ast.urlab aswad 173, 243, 248 aq¯ıq 173, 243, 248 ¯ ayah 8 ¯ 223 bab bard¯ı 226 burūˇg 174 dargˇ 173
h.abit. 247 ¯ h.asib 71 ¯ 154 kunnaš ¯ lazuward 173, 244 malh.amat 71, 93, 95, 96, 112, 191 rubb 226 šaraf 247 zuh.al 242
346 | Index
Griechische Begriffe αἰθήρ 175 ἀπαρκτίας 272 ἀπηλιώτης 272 ἀργέστες 272
λιβόνοτος 272 λίψ 272
βορέας 272
νότος 272
διάστασις 174, 250
ποδάγρα 227 πόδιον 175
ἔκλειψις 227 ἔμφραξις 228 εὐρόνοτος 272 εὐρος 272
μοῖρα 179
χοιράδες 228 χοῖρος 228 σπόγγος 175
ζέφυρος 272 ὑδρωπικία 175, 275 ἰάπυξ 272 θρασκίας 272 καικίας 272 κίνδυνος 215 κρύσταλλος 175
τάβλα 174
Syrische Begriffe attålyå 33, 87 atrawåtå 85 ¯ ¯ ¯ a¯ d-s¯ımon ¯ 118, 297 atwat ¯ ¯ ¯ emmårå 178, 203 eql¯ıps¯ıs 227 år¯ıs 176 arm¯ıs/harm¯ıs 176 aryå 179 ¯ ¸ 89 båh.orē baytå, pl. båttē¸ 85 bē¸l 176 belt¯ı/balt¯ı 176, 229, 238, 243, 250, 258 bē¸t yaldå 75, 85 ¯ bezqånē¸ 228 b-massåtå 179 ¯ bnay h.ewyå 74 btūltå 178 ¯ burgå 174
dakrå 87 ¯ dåwlå 178 deqansē¸ 85 dukkyåtå 89 ¯ d¯ınårå 50, 207 dyålå d-karså 273, 275 ¯ elltå 42 ¯ ¯ eskolayē 42 estē¸rå 206 gadyå 178 ¯ h.amt.ē¸ 275 h.aråšē¸ 73 h.azzåzyåtå 276 ¯ h.kåkå 275 ¯ ¯ h.ušbånå 180, 208, 212, 298, 299, 301 h.z¯ırtå 228 ¯ıl¯ıdūtå d-šan ttå 89 ¯ ¯ ¯
Index |
kahnē¸ 80 kalbå d-gan bbårå 73, 202 ¯ kaldåyūtå (ars Chaldaica) 10, 73, 120 ¯ kaššåt.å 178 kåwkbå d-kåšet. 180, 203 ¯ ¯ ¯ kawkbē¸ d-mes..trē¸ 285 ¯ ¯ kåwkbē¸ d-såt.ē¸n 180, 202, 286 297 ¯ ¯ kawkbē¸ s.ūs.yånē¸ 92, 285, 307 ¯ kawkbē¸ .tåyē¸ 89, 120 ¯ kē¸wån 176, 237, 240, 249, 250, 258 lablebtå 228 ¯ ¯ mabådē¸ 73 ¯ marbå 85 ¯ mah.tå 179, 247 ¯ malwåšē¸ 85, 168, 174 måråh d-šåtå 180 ¯ mard¯ıtå 85 ¯ massåtå 179 ¯ massqånå 180 mas.rupyåtå 276 matqålē¸ 207 ¯ måwlådå d-šan ttå 88, 89 ¯ ¯ måwzaltå 85 mdabbrånē¸ 81 ¯ menq¯ıtå 206 ¯ menwåtå 85 ¯ mes. at šmayyå 85 ¯ ¯ mgūšē¸ 73 mkannšånå 108 ¯ mūrå 179, 231 ¯ ¸ 85, 305, 306 muzzågē nåbo¯ 229, 250 ¯ nåsorådē¸ 89 ¯ n¯ıšå, n¯ıså/nesså 180 nūnē¸ 178 pålgūt šmayyå 180 ¯ parsåtå 207 ¯ pusqånå 85
qest.å 206 qm¯ı ē¸ 73 ¯ os ¯ 205, 223, 225, 250 qron qubbåb garmē¸ 273 ¯ ¯ qullåp¯ pagrå 276 reth.ē¸ 275 ¯ rūh.a 78 rūmå 87 ¯ ¸ , pl. ro¯ pyås ¯ rupsē 251 ¯ ¸ 270 rupsē sart.ånå 178 s årtå 211 ¯ sahrå 176 squblå 85 ¯ šallit.ånē¸ 85 šatå 85 ¯ šat estå 210 ¯ ¯ šåmonå 207 šb¯ıl tebnå 33 ¯ ¯ šebbeltå 178 ¯ šemšå 176 ¯ 87, 179, 229 šeplå šet.h.ē¸ 276 šnayyå kb¯ıšåtå 209 ¯ ¯ šråyå d-haddåmē¸ 276 ¯ šudåå 123, 180, 297, 299–303, 305–307 s.amår¯ıtå/s.amråytå 273 ¯ s.almå rabbå 178, 179, 263 s.arbå 179, 222 ¯ tåmē¸ 178, 224 tåwrå 178, 193 th.umē¸ 85 trē¸n s.almē¸ 178, 222, 224, 229, 242 .tellån¯ıtå 224 ¯ ¯ ¯ 87 .tr¯ıg¯ onå, .tet.rag¯ onå ummånūtå 59 ¯ ūnqyå 270 yar¯ıg¯ 175, 176, 250
qarbå 178 ¯ ¯ qås.omå 73 ¯ qat..tınåtå 173, 251, 270 ¯ qant.¯ımē¸, qent.¯ımē¸ 211, 250 qašlåmå 179, 221, 239
¯ zos/zūs 176, 225, 237, 240, 250 zråpå 275 zuh.ål 176, 228, 242 zūzē¸ 206
347
348 | Index
Geographische Namen Adiabene 38 Ägypten 10, 23, 64, 98,144, 157, 162, 168, 171, 198, 205, 224, 248 Akkad 8 Alexandria, Alexandrien, alexandrinisch 12, 18, 28, 35, 39, 42, 60–62, 66, 67, 69, 70, 87, 98, 107, 108, 149, 160, 162, 168, 172, 183, 249 Amurru 143 Antiochia/Antiochien 27, 28, 39, 41–43, 60, 74, 76 Arbela 39 Athen 28, 42, 184, 249 Bologna 147 Borsippa 11, 177 Dur-Šarrukin 126 Edessa 4, 16, 18, 27, 28, 30, 32, 35, 36, 38–42, 48, 57, 58, 63, 64, 68, 69, 76, 78–83, 86, 87, 90, 92, 99, 103, 105, 117, 130, 150, 176, 181, 194, 237 Elam, elamisch 143, 148 Ephesus 36, 77, 187 Florenz 147 ¯ Gondēšapūr 42, 44
Khorasabad 126 Mabbog (Hierapolis) 27, 30, 46, 76, 82 Mailand 147 Mår Mattai 40 Mardin 25 Mesopotamien, mesopotamisch 5–8, 10, 11, 13, 14, 16, 17, 19, 21, 23, 25, 29, 31, 35, 37, 40, 42, 47, 62–64, 82, 87, 88, 96, 107, 109, 110, 137, 143, 144, 153, 168, 175, 177, 192, 227, 277, 289 Mossul 40, 96, 97, 101, 116, 117, 121 Nisibis 31, 35, 36, 38–43, 52, 53, 71, 73, 78, 86, 88, 91, 101, 105, 110, 112, 151, 181–183, 208, 269, 289 Oberägypten 131 Osrhoene 38 Palästina, palästinisch 19, 21–23, 25, 37, 64, 97, 98, 133, 175, 193, 282 Palmyra, palmyrenisch 16, 19, 32, 35, 152, 206 Qennešr¯ın 29, 40, 86, 87 Subartu 143 Südarabien 16 Sultantepe 29, 134
¯ 27, 29, 76 H.arran al-H.¯ıra 19, 31 Huzestan 37, 43, 66, 202, 203, 286, 287 ˘
Unterägypten 144 Uruk 11, 20, 137, 145 Urh.oy 38
Jemen 64
Venedig 147 Vittoria 147
Kairo 23, 97, 98, 147, 193
Personennamen ¯ b. al-Fad.l 71 Abdallah Al¯ı 187 Al¯ı b. Yahya . ¯ al-Munaˇggˇ im 64 al-Arab¯ı 187 Abraham 12, 25, 94, 101, 102, 171
¯ al-H.umayd¯ı 54 Abū Abdallah Abū Mašar 30, 56, 70, 129, 159, 227 ¯ Abū l-Qasim b. Maˇgur 190 Abū Qurayš ¯Isa¯ 105 ¯ 56 ¯ an Abū Sa¯ıd Šad ¯
Index |
¯ Abū Šaker 168 Adad 9, 202 Adelard von Bath 170 Adonai 197 ¯ ¯ ¯ 134 Adurbad, Sohn des Maraspand an Ah.ūdemmeh 63, 107, 162 ¯ ¯ 96 al-Awwam Alexander von Aphrodisias 61, 83, 86 Anastasius Sinaites 68 Andronikos 110, 112, 124, 168, 181, 182, 203, 268, 287 Antigonos 16 Antiochos 201 ¯ siehe Khusraw Anuširvan Aphrodisias 39 Aphrodite 176, 197, 225, 238 Apollon 27, 133, 197 Aristoteles, aristotelisch 5, 6, 31, 35, 39, 40, 57, 58, 60, 62–64, 82, 85, 86, 88, 91, 92, 95, 111, 120, 127, 143, 160, 167, 170, 181, 184, 187, 190, 219, 226, 238, 245, 264, 267, 268, 272 Artapanus 101 Artemidorus von Ephesus 187 Athanasius von Balad 40, 87 Athena 197 Augustinus 163 Avicenna 65, 129 Ayyūb 58, 64, 66 ¯ 74 Bal¯ınas Bar Bahlūl 32, 45, 58, 59, 62, 63, 73, 91, 95, 96, 103, 155, 173, 174, 179, 182, 186–190, 207, 216, 226, 248, 279, 283 Bar Hebraeus 28, 35, 44, 52, 53, 57, 58, 61, 65, 80, 91–93, 102, 103, 105, 107, 120, 124, 135, 150, 159, 173–175, 179, 180, 212, 226 Bar Idta¯ 162 Bar Šakku 58 ¯ 58 Bar Šahhare Bardesanes 28, 34, 36, 39, 49, 74, 82–84, 87, 100, 144, 173, 175, 176, 178–180, 229 Basil 84, 179, 228, 237, 301 Basileos, zyprischer Priester 87 Berossos 17, 126, 184 al-B¯ırūn¯ı 29, 91, 97, 142, 150, 187, 248, 279, 282 ¯ ı 214 al-Buhar¯ ˘ Bukht¯ıšū 43, 44, 65, 159, 194
349
Cassianus Bassus 18 Cassius Dio 101 Cicero 8, 10–11, 47, 84, 176 ¯ siehe Khusraw, 31, 43, 44 Chosroe Anuširvan Clemens von Rom 100 Clemens von Alexandrien 67, 69 ad-Dam¯ır¯ı 214 Danielapokalypse 70, 93, 94, 108 Demokrit 59, 110, 122, 128, 187, 188, 215, 217, 283, 299 Diodor 10–12 Dorotheus 30, 31, 90, 143, 144, 146, 227 Elias von Nisibis 52, 53, 71, 88, 91, 101, 112, 151, 181–183, 208, 269, 289 Ephrem 35, 36, 39, 41, 42, 50, 60, 62, 74–76, 83, 84, 92, 152, 176, 281 Epiphanius 67, 176, 206, 269 Ereschigal 197 Euctemon 17 Eudoxos von Knidos 16, 17 Eusebius von Caesarea 35, 45, 83, 84, 101, 187, 212 Eusebius von Emesa 36 Eustathius 41 Friedrich II 147 ˇ ahiz ¯ . 71, 214 al-G Galen, galenisch 28, 44, 48, 52, 59–65, 82, 85, 86, 105–110, 113, 115, 124, 125, 136, 154–163, 167, 169, 172, 187, 194, 215, 227, 257, 272, 273, 278, 291–296 Geminos 10–11, 15, 84 Georg, der Araberbischof 18, 40, 58, 78, 81–83, 87, 88, 98, 103, 132, 151, 183, 201–203, 208, 220, 289 ˇ ıl ibn Bukht¯ıšū 43, 65, 194 Gibr¯ Gregor von Nazianz 67 ¯ b. Kalada 43, 44 Harit ¯ Harūn ar-Rašid 43 Hekate 197 Heliodorus 16, 195 Hephaiston von Theben 17, 90 Hermes 27, 70, 93, 139, 167, 168, 178, 196, 217, 244, 252, 255 Hesiod 133
350 | Index
Hiob von Edessa 58, 64, 82, 194, siehe auch Ayyūb Hippokrates, hipokratisch 58, 60, 61, 65, 66, 95, 105, 109, 110, 136, 157–162, 167, 180, 187, 194, 195, 199, 257, 272, 273, 276–278, 280, 289, 306 ¯ siehe Ibn Ish.aq ¯ H.unayn b. Ish.aq Hypsikles 18 Hystaspes 12 Iamblichus aus Chalcis 36 Ibn Ab¯ı Us.aybi a 64, 71, 159, 167, 186, 267 Ibn Haldūn 126, 127, 219 ˘ ¯ 52, 136, 187, 194 Ibn Ish.aq ¯ ¯ Ibn Masawayh siehe Yūh.anna¯ ibn Masawayh Ibn an-Nad¯ım siehe an-Nad¯ım Ibn Qutaybah 187 ¯ Ibn T.awūs 71 ¯Isa¯ bar Išaya¯ 105, 117 Isaak von Antiochien 74, 76 Isaak von Niniveh 37 Isidor von Sevilla 68 Iuvenal 135, 196 Jakob bar S.al¯ıb¯ı 58 Jakob Baradäus 63 Jakob von Bart.ella 92 Jakob von Edessa 35, 40, 48, 57, 58, 68, 78–82, 86, 87, 92, 103, 150, 176, 181, 237 Jannes und Jambres 23 Jehova 197 Jesus 52, 61, 121, 131, 162, 197 Johannes Chrysostomus 36, 69 Johannes Laurentius Lydus siehe Lydus Johannes Philoponus 62 Jovian 39, 41 Julianus Laodicea 68, 147 Julius Obsequens 100 Julius Pollux 182 Justinian 16, 18, 31, 41, 42, 62, 68, 102 Karneades 34, 83, 84 al-Kind¯ı 86, 129, 136, 187, 267 Kore 197 Khusraw Annuširvan 32, siehe Chosroe Livius 100 Lydus 16, 17, 130, 201, 279
al-Mamūn 25 al-Mahdi 90, 91, 105 Macrinus 83 Manilius 141–146, 248 al-Mans.ūr 56, 102, 147, 192 Mar Elias 47 ¯ II. 25 Marwan al-Masūd¯ı 26, 28 al-Marzūq¯ı 279 Meton, metonisch 17, 148, 208 Michael Synkellos 40 Moše bar Kepha 58, 92 al-Mutas.im 56 al-Mutazid 91 al-Mutawakkil 28, 65 an-Nad¯ım 25, 30, 55, 176, 239 Nawbaht 30, 56 ˘ Nebo 27, 76, 136 Nemesius von Emesa 37 Nestorius 77 Nigidius Figulus 16, 143 Origenes 67, 73, 163, 177 Ovid 17 Pamphilus 158 Pancratius 91 Paulus Alexandrinus 28, 86, 88, 143, 144, 183, 228, 248, 289 Petosiris 12, 17, 18, 113, 130, 196, 215, 217 Philoxenes 46 Plinius 11, 18, 84, 89, 115, 129, 139, 143, 144, 177 Porphyrius 35, 36, 39, 47, 62, 170 Poseidonius 143, 272 Pseudo-Achmet 103 Pseudo-Aristoteles 64, 127, 170, 190 Pseudo-Dionysios 37, 47, 172, 184-5, 198, 199, 238, 264, 267, 289 Pseudo-Eupolemus 101 Pseudo-Kallisthenes 36, 100, 126 Pseudo-Ptolemaios 4, 87 Ptolemaios, ptolemäisch 4, 6, 12, 16, 18, 29–32, 57–59, 64, 70, 79, 86, 87, 95, 110, 129, 135, 141–143, 145, 146, 151, 157, 159, 160, 163, 167, 177, 183, 191, 204, 227, 228, 240
Index |
Pythagoras, pythagoräisch 84, 121, 156, 170, 198, 217 al-Qift.¯ı 44, 64, 66 Rabbula 36, 83 ¯ ı 63, 66 Ar-Raz¯ Rhetorius 90, 227, 228 Septimius Severus 83 Sergius von Reš Ayna 31, 35, 40, 48, 58, 59, 62, 65, 85–87, 110, 160, 179, 183, 184, 195, 201, 227 Sophronius 77, 78 Stephanus 68 Severus 32, 33, 40, 41, 58–60, 78, 83, 84, 86, 87, 93, 99, 110, 173, 174, 179, 184, 269, 270, 290 ¯ Šapūr 30, 43 ¯ a¯ 116 Shikwan ¯ d-T.aybūtēh 63 Šim on ¯ Sueton 99 Symeon Stylites 73 at.-T.abar¯ı 56, 70, 111, 160 ¯ Tabit b. Qurra 25, 26, 29, 91, 135, 170 ¯ Tatian 36, 39, 67 ¯ ı 27, 107, 270 Theodor bar Kon¯
351
Theodor von Mopsuestia 35, 36, 39, 41 Theodoret 36 Theon von Alexandria 87 Theophilus von Edessa 4, 18, 63, 69, 90, 91, 130 Theophrastus 58, 128, 267, 272, 283 Thomas von Aquin 4 Thomas von Edessa 78 ¯ 61, 83, 105 Thomas von Marga Tertullian 67 Tiamat 265 Tibull 196 Timotheus 40, 43, 91, 101 at-Tirmid¯ı 214 ¯ Trasyll 196 Vergil 17 Vettius Valens 12, 18, 141, 146, 170, 174, 177, 195, 249, 250, 255 Ibn Wah.š¯ıya 96 Yahya¯ b. al-Bit.r¯ıq 190 ¯ bar Sera¯ py ¯ on ¯ 66 Yoh.annan ¯ Yūh.anna¯ ibn Masawayh 61, 64, 106, 111, 279 Zeno 41, 42 Zoroaster 12, 16, 18, 29, 96, 131, 139, 168, 201
Sachregister Ägypter 12, 13, 129, 131, 133, 137, 149, 151, 157, 220, 270 Alexanderroman 36, 100, 112, 126, 178, 181, 268 alkalisch 277 antiochenisch 35, 36, 39, 71 Apantomantie, apantomantisch 233, 301 Apokalypse 17, 36, 70, 93, 94, 108 Aristotelismus 35, 57 Arithmomantie, arithmomantisch 112, 126, 127, 215 Ars Chaldaica 10 Aspekte 11, 84, 145 Astraldivination 5–7, 10, 12, 14, 17, 19, 22, 24, 29, 31, 67, 70, 72, 73, 93, 103, 125, 140, 145, 179, 187, 195
Astrolab 58, 87 Astrometeorologie 17, 58, 95, 96, 128–130, 187, 193, 297 Aszendent 145, 246 Babylozentrismus 10, 13 Brontologion/-ie 20, 80, 128, 130, 164, 193 Chaldäer, chaldäisch 10–12, 16–19, 53, 56, 73–76, 78, 83, 87, 98, 111, 119, 130, 144, 177, 258, 279 Chorographie 140, 142, 183, 248, 302 Christus medicus 61 Chronokratoren 300
352 | Index
Dekan-, Dekane 11, 67, 84, 85, 117, 130, 137, 157, 158, 159, 162, 164, 178, 215 Dekumbitur 139, 159, Depression 84, 87, 146, 179, 229, 247, 301, 302 Deszendent 145, 246 Diameter 84, 89, 145, 146 Dies Aegyptiaci 134 dies senatus legitimi 134 Dietätik 139, 140, 278, 306 Dinar 50, 207 Dodekaetris Chaldaica 98 Dodekatemoria 13, 174 Dodekatopos 146 Domizil 30, 84, 146, 179, 229 Donnerbuch siehe Brontologion, 80 Drache 32, 33, 87, 93, 227, 239, 240, 242, 247, 266, 267, 281
Inkubation 60 interrogationes siehe Stundenastrologie
Elemente 31, 79, 82, 142, 159, 160, 238, 245, 246, 251 Epagomena 149 Ephemeriden 133, 135, 191 Epizykel 192 Esagil 18 Exaltation 13, 30, 84, 85, 87, 146, 179, 229, 247, 301, 302
loci 85, 89, 108, 146 Lunar 15, 70, 109, 122, 128, 132–134, 136–139, 148, 149, 152, 164, 165, 168, 190, 195–197, 201, 210, 216, 231–233, 299, 301, 304, 305 Lunarkalender 109, 148, 168, 201
fas et nefas 134 Fasti Philocaliani 134 Finsternisdrache 32, 33, 87, 93, 239, 240 Genethlialogie 29, 142, 145 (Graeco-)Babyloniaca 12, 24, 48 Hämatoskopie 277 Handtafeln 59, 86, 87, 183, 191 Heilschlaf 60 Hepatoskopie 6, 10 Hexagonalaspekt 84, 89 Himmelsmitte 85, 180, 240, 246 Himmelstore 15 Hydromantie 277 Hyleg 146 Hypogeion 246 Hypsomata 13, 146, 229, 259, 302 Iatroastrologie 187 Iatromathematik 69, 86, 147, 153, 156, 157, 159 Imum coeli 246
Jupiter 12, 15, 22, 135, 142, 146, 147, 175, 158, 196, 204, 213, 220, 225–229, 237–240, 242, 243, 247, 249, 250, 253–259, 263 Kalender 14, 15, 18, 21, 64, 68, 70, 81, 88, 91, 96, 98, 109, 127, 130, 132, 133, 140, 147–153, 155, 164, 165, 168, 169, 183, 186, 187, 192, 195, 201, 209, 210, 273, 282, 298 Kardinalwinde 245, 271 Katarchen 132, 135, Katarchenastrologie 71, 145, 147 Klimalehre 58, 74, 84, 143 Konjunktion 83–86, 89, 102, 146–148, 228 Kreuzfest 97, 307
Makrokosmos 31, 159 Mandäer, mandäisch 9, 17, 19, 20, 26, 32–34, 49, 93, 100, 127, 135, 152, 175, 180, 187, 192–194, 199, 202, 216, 217, 220, 224, 247, 252, 289 Manichäer 17, 31–33, 35, 38, 266 Mantik 2, 3, 6, 69, 80, 123, 142 Markioniten 38, 67 Mars 12, 15, 22, 101, 135, 136, 143, 146, 147, 175–178, 196, 204, 212, 220, 224–229, 237–240, 242, 243, 247, 249, 250, 253–256, 258, 263 materia medica 55, 166, 187 medium coeli, Himmelsmitte 85, 246 Melothesie 123, 140, 142, 144, 258, 300, 303 Merkur 12, 135, 175–178, 196, 205, 213, 220, 225–229, 238–240, 242, 243, 247, 249, 250, 253–256, 258, 259, 263 Meteorologie 6, 7, 108, 159, 166, 187, 264, 267, 268 Metrologie 112, 126, 207 Mikrokosmos 31, 63, 107 Mikrozodiak 13 Milchstraße 33 Militärastrologie 90, 91, 147
Index |
Mondbücher 21, 80, 137 Mondfinsternis 8, 9, 18, 22, 93, 94, 101, 155, 202, 227, 239 Mondknoten 33, 87, 175, 241 Mongolen 25, 116 Mul.Apin 14, 15, 129 Monomoiriai 11, 67 Mundanastrologie 74, 90, 128, 142, 145, 146, 148, 289, 297, 307 nam-búr-bi 8 Nativitäten 22, 74, 123, 138, 140, 141, 145, 164, 193, 250, 256, 300, 303 Neologismus 48, 50 Oktotopos 146, 246 Omina 4, 7–10, 13–22, 24, 29, 31, 93, 94, 97, 125, 128, 131, 137, 143, 145, 181, 187–189, 192, 193, 202, 239, 289, 305, 306 Oneiromantie 80, 187 Onomastikon 182 Opposition 84, 85, 179, 238 Ornithomantie 6, 10, 80, 128 Paranatellonta 11 Parapegmata 17, 129, 186 Pariser Tage 134, 232 Phibioniten 67 Planetengrenzen 84 Planetennamen 12, 24, 100, 112, 173, 175, 176, 238 Physiognomik 20, 70, 93, 99, 100, 103, 145, 187 Prodigien 7, 100, 128 Pseudo-Klementinen 100 Pseudo Wahb b. Munabbih 70 Pš¯ıt.tå 49, 50, 52, 73, 78, 175, 204, 223, 230, 248 Räubersynode 77 Rückläufigkeit 79 Sabier 17, 25–28, 32, 91, 96 Sammellunar 138, 165, 190, 301 Sasaniden 20, 28–30, 32, 33, 37, 39, 41, 43, 44, 54, 55, 83, 151, 172, 192, 203, 210
353
Saturn 12, 15, 84, 101, 135, 146, 147, 175–178, 196, 205, 213, 220, 223, 225–229, 237–240, 242, 243, 247, 249, 250, 252–256, 258, 259, 263 Schaltjahr 149, 173, 192, 208–210, 239, 298 Sphäre des Demokrit 122, 128, 215, 217, 299 Sphäre des Petosiris 113, 215, 217 Sphäre des Pythagoras 198 Schuppenflechte 276 Schule der Perser 39, 40 Selenodromion 20, 21, 23, 80, 137, 139, 179 Sextil 84 Sirius 70, 87–89, 98, 131, 137, 158, 201, 285 Sonnenfinsternis 17, 22, 102, 125, 158, 240 sortes 146 Standard Literary Aramaic 21 Stundenastrologie 145, 147, 299 Stundenherrscher 22, 135, 180, 196 Syrische Renaissance 47, 53, 182 Syrohexapla 46 Tagesherrscher 135, 219, 252, 299, 300, 303 Tetanus 276 Tetragon 84, 89 Tetragonalaspekt 87, 89, 146 Trigonalaspekt 84, 89, 204 Trigonometrie 192, 251 Triplizitäten 13, 15, 204 Universalastrologie 4, 137, 146 Uroskopie 277 Venus 12, 15, 74, 135, 175–178, 196, 213, 220, 225–229, 238–240, 242–244, 247, 249, 250, 252–256, 258, 259, 263, 271 Volkskalender 153, 164 Wassersucht 175, 275–276 Windrichtungen siehe Kardinalwinde Zeitenherrscher 135, 147, 196, 220 ˇ z¯ıg-Literatur 183, 191–192, 210, 289 Zone 84, 143, 144, 228, 229, 243, 264, 302 Zoroastrier 30, 31, 73, 83, 266, 285 zoroastrisch 12, 29, 31, 37, 55, 63, 83, 134, 149, 214, 266, 285