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German Pages 122 [120] Year 2013
Syrisch-Nestorianische Grabinschriften Semirjetschie
Kiraz Classic Archaeological Reprints
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Kiraz Classic Archaeological Reprints is a series dedicated to making historic contributions to the field of archaeology, particularly in Ancient Western Asia, available to scholars. The titles in this series are generally selected from the early days of excavation in the Levant and Mesopotamia, although significant contributions of a more recent vintage may also be included.
Syrisch-Nestorianische Grabinschriften aus Semirjetschie
Daniel Chwolson
2013
Gorgias Press LLC, 954 River Road, Piscataway, NJ, 08854, USA www.gorgiaspress.com G&C Kiraz is an imprint of Gorgias Press LLC Copyright © 2013 by Gorgias Press LLC Originally published in 1886 All rights reserved under International and Pan-American Copyright Conventions. No part of this publication may be reproduced, stored in a retrieval system or transmitted in any form or by any means, electronic, mechanical, photocopying, recording, scanning or otherwise without the prior written permission of Gorgias Press LLC.
2013
ISBN 978-1-61143-249-7
ISSN 1935-4401 Reprinted from the 1886 Saint Petersburg edition.
Printed in the United States of America
Vorläufige Nachricht über die in dem Gebiete Semirjetschie 1 ) aufgefundenen syrischen Grabinschriften.
Auffindung dieser Inschriften. Ueber diesen Punkt liegen mir mehrere Berichte vor und zwar 1) verschiedene Meldungen in der BocToiHoe 06o3pfoiie (morgenländische Revue) j\s 4 4 vom 14. November 1 8 8 5 und vom 30. Januar 1886, und ausserdem mir handschriftlich vorliegende Mittheilungen, die alle von Dr. P o j a r k o w (s. unten) herrühren; dann 2) ein Bericht des Hrn. N. N. P a n tussow, Beamten für besondere Aufträge beim Kriegsgouverneur jenes Gebietes, in den Abhandlungen der morgenländischen Abtheilung der hiesigen (St. Petersburger) Kaiserl. Archäologischen Gesellschaft, 1 8 8 6 , Heft II, und endlich 3) nicht veröffentlichte Briefe seiner Eminenz des Bischofs von Turkestan undTaschkend N e o p h y t . Aus diesen Berichten theile ich hier Folgendes mit. Es sind zwei Friedhöfe mit s y r i s c h e n Grabinschriften gefunden worden, welche erstere in einer Entfernung von ungefähr 50 Werst (gegen 55 Kilom.) von einander sich befinden. Den einen von ihnen, den kleineren, entdeckte im Herbste des vorigen Jahres (1885), Dr. P o j a r k o w gegen 15 Werst südlich von dem Dorfe Gross-Tokmak, 1% Werst
1) Dieses Gebiet liegt westlich von der chinesischen* Grenze von K u l d s c h a und nordöstlich von K o k a n d , jetzt F e r g a n a genannt. Nördlich ist diese Provinz begrenzt von dem Gebiet von S e m i p a l a t i n s k , westlich von dem des S y r - D a r i a , südlich von der chinesischen Mémoires de l'Acad. Imp. des sciences. Vilm« Serie.
Provinz von K a s c h g a r und östlich, wie bemerkt, von dem chinesischen Gebiet von K u l d s c h a . Die Hauptflüsse des Gebietes von Semirjetschie sind: der I i i , der östlich von Kuldscha entspringt und inden B a l c h a s c h - S e e — d e r theilweise zu diesem Gebiete gehört — sich ergiesat, und
1
2
D. C h w o l s o n ,
von den Ruinen einer alten, aus gebrannten Ziegeln erbauten Festung, Bur ana genannt, an den Vorbergen der Alexander-Bergkette. Daselbst fand Dr. P o r j a k o w , der als e r s t e r E n t d e c k e r dieser Grabinschriften gelten muss, über 20 Grabsteine, die wohl alle mit Kreuzen, aber nicht alle mit Inschriften versehen sind. Von den hier gefundenen Grabinschriften liegen mir elf in neuen sehr mangelhaften photographischen Abdrücken vor; fünf von ihnen habe ich unten J\|s III, XV. und XIX—XXI mitgetheilt. Den zweiten Friedhof, der eine Ausdehnung von etwa 120 Faden (gegen 240 Meter) Länge und 60 Faden Breite hat, entdeckte ein Feldmesser, Namens A n d r e e w , in dem Gemeindebezirk Alamendina, auf dein Boden der Kara-Kirgisen, gleichfalls in der Nähe der Vorberge der Alexander-Bergkette, gegen 10 Werst von P i s c h p e k , dem Hauptorte des Kreises Tokmak 1 ). Fast der ganze Raum dieses Friedhofes ist als Ackerboden bebaut, mit Ausnahme der kleinen Anhöhen, die von dem daneben fliessenden Kanal nicht bewässert werden können und die, wie Hr. Pantussow vermuthet, Ueberreste von Familiengräbern darstellen. Auf diesen kleinen Erhöhungen finden sich haufenweise die Grabsteine, die dorthin, wenigstens zum Theil, beim Pflügen des Bodens gebracht wurden. Die Grabsteine, die auch hier alle mit Kreuzen, — von anderer Form als die der zuerst erwähnten Grabsteine, — aber nicht immer mit Inschriften versehen sind, bestehen aus einfachen, ziemlich kleinen Feldsteinen von verschiedener Grösse und verschiedener Form, die weder behauen, noch durch Menschenhände geglättet sind; nur bei wenigen unter ihnen ist die Oberfläche zwar nicht geglättet, aber ein wenig geebnet worden. Grabsteine von der Grösse etwa eines halben Meters sind sehr selten; die allermeisten sind bedeutend kleiner. Zur Zeit als Hr. P a n t u s s o w seinen Bericht abgefasst hatte, waren auf diesem Friedhofe 611 Grabsteine gesammelt worden, von denen, wie es scheint, nur wenige keine Inschriften haben. Einige Gräber sind oben und an den Wänden mit gebrannten Ziegeln von Quadratform ausgelegt. Beim Biossiegen einiger Gräber zeigte es sich, dass in manchem Grabe e i n i g e V e r s t o r b e n e ihre Ruhstätte beisammen gefunden haben. In der That finden sich
dann der T s c h u ( T s c h u i bei R i t t e r ) , der aus der westlichen Spitze des I s s y k - K u l ( I s s e - K u l bei R i t t e r ) entspringt und sich in den A l a k u l ergiesst. Diese beiden, zuletzt genannten Seen befinden sich ganz auf dem Gebiete von Semirjetschie. Indem ich mir vorbehalte, bei einer andern Gelegenheit etwas naher auf die Geographie und die Geschichte dieser Provinz einzugehen, bemerke ich hier nur kurz, dass dieselbe vor der Mongolenzeit einen Theil des Reiches der C a r a - C h a t a i ausgemacht und früher reich bevölkert war. Dafür sprechen die zahlreichen Spuren von früheren Ansiedelungen und befestigten Orten. Noch j e t z t sieht man an verschiedenen Stellen des I s s y k - K u l nur einige F u s s unter der W a s serfläche Ueberreste von versunkenen Städten, die in F o l g e von geologischen Bodenveränderungen unter "Was-
ser gerathen sind; vgl. 3anncKn 3äria,i,H0-cit6npcKai'0 o t Ai.ia HIRN, pyccnaro reorpa. sei; aber das Datum 1 1 7 8 ( = 867)ist hier unmöglich, weil dieses Jahr nicht mit dem H a s e n j a h r e , dem 4. des 12jährigen Cyclus, sondern mit dem S c h w e i n e j a h r e , dem 12. desselben, correspondirt 1 ). Jener zweifelhafte Buchstab muss daher wohl L gelesen werden; das Datum ist somit 1578(1267), das wirklich dem Hasenjahre wie hier entspricht. Die 4. Zeile lese ich >n >,.Vocii», S c h ä h - M a l y q . Ein C) (10
jA»aii ou.ofl- A ^ w J (¿ai^io
(11 ^
(12
(1. fZcuJ^) i A a o ^ ^ - o >QjjoAj (13 «Das
Jahr
1627 (1316), das i s t das J a h r
d e r E c l i p s i s , t ü r k i s c h luu (der
Drache). D i e s e s i s t d a s G r a b desScheltchä, d e s b e r ü h m t e n E x e g e t e n und P r e d i g e r s , welcher erleuchtet hat alle K l ö s t e r d u r c h das L i c h t , der Sohn des E x e g e t e n Petrus. G e p r i e s e n an W e i s h e i t ,
e r h o b e n w a r s e i n e S t i m m e wie e i n e T r o m p e t e .
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SYRISCHE GRABINSCHRIFTEN AUS SEMIRJETSCHIE.
U n s e r H e r r m ö g e v e r e i n i g e n s e i n e n e r l e u c h t e t e n G e i s t m i t d e n G e r e c h t e n und d e n V ä t e r n ; er m ö g e t h e i l h a f t i g w e r d e n a l l e s G l a n z e s » . Aus dieser Inschrift kann man ersehen, dass die Angaben der katholischen Missionäre des XIII. Jahrhunderts über, die angebliche Unwissenheit der nestorianischen Geistlichkeit der Wahrheit nicht entsprechen. Zeile 3. Es ist auffallend, dass das türkische l u u ; der D r a c h e , nicht durch das entsprechende syrische ji >.iZ, sondern durch das dunkele Wort U ^ ?
wiedergegeben wird,
das nach den syrischen Lexicographen: S o n n e n - oder M o n d f i n s t e r n i s s bedeutet. Am 22. April des Jahres 1 3 1 6 hat in der That eine sehr starke Sonnenflnsterniss stattgefunden, die in der Gegend, wo diese Inschriften gefunden wurden, sichtbar war. E s kann nun sein, dass diese Himmelserscheinung auf die Bewohner jener Gegend einen so gewaltigen Eindruck hervorgebracht hat, dass dieselben es für gut fanden, das Jahr dieses Ereignisses auf einem Grabsteine zu vermerken. ¡A1 ^
(6 (7
r^H ^ s ^ Ja^lo
(8
(9
Q^olas (10 ^jQSSQiO (11 (? ^ ¿ j ) J , ? Zeile 1 — 3 ) ¿ o i l ) ist eine Zahl, d. h. 1644 =
(12 1333, der auffallender Weise hier, wie
auch i n der folgenden Inschrift, kein AJULS, « I m Jahre» vorangeht. Das Jahr 1644
=
1333 entspricht dem Jahre des 12jährigen Cyclus, welches die H e n n e hiess; hier alttürkisch o s ^ U ) T a g a k ü ,
bei e l - B i r u n i j ^ i i , bei U ü g - B e k ¿ ^ b 2 ) . Dieser Name ist
unrichtig durch i . ^ J ' 2 , der H a h n , statt J A ^ j U , die H e n n e , wiedergegeben. Zeile 4) S ä n - d a - j ü k ist höchst wahrscheinlich ein Eigenname. Mein Freund, Herr Akad. K u n i k theilte mir mit, dass ein alter Fürst der Donau-Bulgaren, deren alte Dynastie türkischen Ursprungs war, Sanduk hiess. Auch der russische Reisende S i e v e r s verkehrte im Jahre 1793 mit einem Kalmücken-Sultan, der Sandük hiess. Da dieser Name in so entfernten Gegenden und in so entfernten Zeiten bei verschiedenen türkisch-mongolischen Stämmen vorkommt, muss er auch sehr verbreitet und nicht ungewöhnlich gewesen sein. W i r haben wohl hier die ursprüngliche und echte Form desselben; vergl. die folgende Inschrift, wo ein ähnlicher aus San und J u k ( o d e r Jök) zusammengesetzter Eigenname vorkommt. Zeile 6 und 7) j » Saarn], das im Original viel deutlicher ist als in der beiliegenden Tafel und das ich wohl an die richtige Stelle gesetzt habe, kann sing, oder pl. sein, und da
1) W i e die Zeilen auf dem Original placirt sind kann man auf der beiliegenden Tafel n\}, d. h. A l e x a n d r o s ; dieses Wort mag somit denSchluss des Datums gebildet haben, welches lautete: Im Jahre so und sonach Alexander, d. h. der seleucidischen Aere. Diese Datirungsweise kommt bei den Nestorianern häufig vor. Aus dem Folgenden tlieile ich hier d i e Worte und Buchstbaen mit, die mir mehr oder minder sicher zu sein scheinen, in der Hoffnung, dass tüchtige Kenner des Türkischen das Fehlende vielleicht durch Combinationen ergänzen werden. •Slfco^r ¿coj t im n \ j (1 V=>iio il?r icu
^ . io (2
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Es versteht sich von selbst, dass von dieser Inschrift, wo nur in der 8. Zeile zwei syrische Worte sicher vorkommen: M a r J u c h a n a n , alles andere, wie es scheint, ganze oder trümmerhafte türkische Worte und Namen enthält, keine Uebersetzung gegeben werden kann. Mein verehrter College Hr. Baron v. E o s e n macht mich darauf aufmerksam, dass die ersten vier Worte der 2. Zeile türkische Zahlwörter sein und türkisch ¿Iju*, ( j ^ ä ) ^ J d . h. 1640, entsprechen könnten. Ich vermuthe nun, dass das folgende Wort vofco sei = _>C a c h t . Das Ganze würde dann das Datum 1648 = 1337 ausdrücken. Dies angenommen, würde auch die 3. Zeile verständlich werden; der Sinn derselben wäre, dass dieses J a h r türkisch ]Zof ( = .¿o). = vergl. oben A^ IV), der S t i e r , heisse. Das J a h r Memoires de l'Acad, Imp. des sciences. VTIme Serie.
D.
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CilWOLSON,
1337 n. Chr. entspricht in der That dem Stierjahre, dem 2. des I2jähriger Cyclus. — Ueber den Eigennamen K u t l u k
oder K ü t l u g ,
wie er hier und JVfi XIX geschrieben
wird, vergl. oben J\s IX. pag. 16.
r v .
Schluss. E s kann nicht zweifelhaft sein, dass die.in Semirjetschie gefundenen Grabinschriften von N e s t o r i a n e r n herrühren; denn sowohl die katholischen Missionäre des XIII. Jahrhunderts, als auch M a r c o P o l o kennen nur nestorianische Christen in jenen Gegenden. E s ist hier nicht der Ort von der grossen Bedeutung der Nestorianer überhaupt zu sprechen, die sie, sowohl als Männer der Wissenschaft, so wie auch als Verbreiter des Christenthums erlangt haben. Gelehrten Orientalisten ist dies durch die grundlegenden Arbeiten A s s c m a n i ' s , so wie auch aus anderen Schriften bekannt. Wir wollen daher hier nur einige kurze Data über diese Punkte zusammenstellen. Nachdem die Lehre des Nestorius im Jahre 4 3 1 n. Ch.Geb. verdammt wurde, hatman die Anhänger desselben immer mehr und mehr aus dem byzantinischen Reiche verdrängt und die letztern flüchteten sich meistens nach dem Orient, besonders nach Persien.
Viele
von den verfolgten Nestorianern waren Männer der Wissenschaft, beschäftigten sich mit der Erklärung der Heil igen Schrift, studirtendie Commentare derselben und gehörten damals zumTheil zu den vorzüglichsten Pflegern der griechischen Literatur. In E d e s s a , wohin das Christenthum sehr früh verpflanzt wurde, hatten sie ihre Hauptschule, wo sie unter andern die Schriften des A r i s t o t e l e s , H y p o c r a t e s , G a l e n und auch viele andere griechische Werke über Mathematik, Astronomie, Rethorik u. s. w. ins Syrische übersetzt
und
commentirt haben. Nachdem diese Schule auf Befehl des Kaisers Z e n o im Jahre 4 8 9 aufgehoben und die nestorianischen Gelehrten von da vertrieben wurden, gründeten die Nestorianer Schulen indem Reiche der Sasaniden und zwar in N i s i b i s und in D s c h o n d a i s c h a b u r , die ein Paar Jahrhunderte lang Pflanzstätten theologischer und profaner Wissenschaft waren. Die nestorianischen höheren Geistlichen und Gelehrten standen am Hofe der Sasaniden in hoher Achtung und manche unter ihnen wurden von den Sasanidenkönigen
bei verschiedenen
diplomatischen Verhandlungen als Abgesandte an den byzantinischen Hof benutzt. Von ähnlicher Bedeutung war ihre Thätigkeit an den Höfen der Chalifen, welche letztere den seit 7 6 2 n. Chr. in Bagdad residirenden nestorianischen Patriarchen als das Oberhaupt der gesammten orientalischen Christenheit ansahen. Viele unter den Nestorianern waren
SYBISCHE GRABINSCHRIFTEN AUS SEMXRJETSOHIE.
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Aerzte und Secretaire an den Höfen der Chalifen, unter anderen haben viele Mitglieder der nestorianischen Familie der B o c h t j e s c hu solche hervorragende Stellungen eingenommen. Als bei den ersten Abbasiden der Wunsch erwachte, die Wissenschaft der Griechen unter den Mohammedanern bekannt zu machen, waren es vorzugsweise Nestorianer, durch welche diese Bestrebungen der Chalifen realisirt wurden. Gelehrte Nestorianer wurden nachByzanz geschickt, um daselbst griechische Handschriften zu sammeln; die schon von früheren Nestorianern gemachten syrischen Uebersetzungen griechischer Schriften, so wie auch noch nicht übersetzte Werke, übersetzten sie ins Arabische. Die Geschichte kennt eine lange Reihe von solchen nestorianischen Gelehrten, welche die griechische Wissenschaft, durch Uebersetzung und Cominentirung griechischer Schriften, zunächst den Mohammedanern und indirect auch dem mittelalterlichen
Europa
zugänglich gemacht haben. Man kann
sagen, dass sie, nach der Verbannung der Wissenschaft aus dem byzantinischen Reiche gegen drei Jahrhunderte lang, d. h. vom VI. bis zum Anfang des IX. Jahrhunderts, fast die einzigen Repräsentanten der altgriechischen Cultur und Wissenschaft waren. Viel grossartiger und von viel grösseren Folgen war ihre Missionsthätigkeit unter den heidnischen Völkern. Auch über diesen Punkt wollen wir hier nnr einige Data angeben, wobei wir zugleich die frühzeitige Verbreitung des Christenthums unter den t ü r k i s c h e n Stämmen nachweisen werden. Bischofsitze der Nestorianer findet man im äussersten Süden (z. B. auf der Insel Sokotra), in den Gegenden des schwarzen und des caspischen Meeres, in T u r k e s t a n , in Indien, in den westlichen, nördlichen und nordöstlichen Provinzen von China. Schon gegen 3 3 4 wird der erste Bischof von M e r w erwähnt, ein anderer Bischof dieses Ortes kommt im Jahre 4 1 0 vor. Im Jahre 4 2 0 wird der Bischofsitz daselbst zu dem Sitze eines Metropoliten erhoben, woraus man ersehen kann, dass es dort und auch in der Umgegend schon damals viele Christen gegeben haben muss, da jeder Metropolit mehrere Bischöfe unter sich hatte (vergi, weiter unten). Der Bischof dieses Ortes T h e o d o r o s , der gegen 5 4 0 lebte, war Verfasser vieler Schriften, und einer seiner Nachfolger, E l i a s (gegen 660) schrieb gleichfalls viele Werke, darunter Commentare zu verschiedenen Büchern der Heiligen Schrift, so wie auch eine geschätzte Kirchen-Geschichte. Nach der Meinung Einiger sollen A c h a i (gegen 411) und S c h i l ä (gegen 503) Metropolitansitze in H e r à t ,
China
und S a m a r k a n d errichtet haben; Andere schreiben die Errichtung dieser Metropolitansitze dem nestorianischen Patriarchen S a l i b s a c h a (gegen 714) zu 1 ). Für die frühe Verbreitung des Christenthums unter den östlichen T ü r k e n spricht
1) Die Angaben auf dem bekannten syriscb-chinesi- !! bezweifelt wird; v e r g l . P a u t h i e r , «De la réalité et de l'ausehen Denkmal von S i - n g a n - f u , wonach das Christen- thenticité de l'inscription nestorienne de Si-ngan-fou etc.» thum in China schon 635 eingeführt wurde und hernach, in den Annales de philos, chrétienne, IV, t. XY und XVI, von verschiedenen chinesischen Kaisern begünstigt, grosse 1857, und P a u t h i e r , « Inscription syro-chinoise de SiVerbreitung daselbst gefanden haben soll, lasse ich unbe- ngan-fou, monument nestorien, élevé en Chine l'an 781 achtet, weil die Authenticität dieses Denkmals, unge- de notre ère et découvert en 1625», Paris, 1858. achtet P a u t h i e r ' s kräftiger Yertheidigung desselben,
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D.
ChwoiiBOS,
auch folgendes Factum. Die von N a r s e s an den Kaiser M a u r i t i u s gegen 581 geschickten türkischen Gefangenen hatten auf den Stirnen ein durch schwarze Punkte gezeichnetes Kreuz. Ueber den Ursprung desselben befragt, sagten sie, dass,alsvor längerer Zeit eine Pest unter ihnen ausgebrochen war, die unter ihnen lebenden Christen — oder nach einer andern Version, diejenigen der Ihrigen, welche sich zum Christenthum bekennen,— ihnen gerathen hätten, den Kindern das Zeichen des Kreuzes auf der Stirne zu zeichnen 1 ). Man sieht daraus, dass es schon im VI. Jahrhundert unter den Osttürken Christen gab; das Christenthum kann aber dorthin nur durch Nestorianer verpflanzt worden sein. Mein verehrter College W. D. S m i r n o w machte mich auf folgenden Punkt aufmerksam. S e l d s c h u k , der Stifter der nach ihm benannten Seldschukiden-Dynastie, der ursprünglich, noch bevor er zum Islam übergegangen war, gegen 930 im Dienste eines türkischen Fürsten in der Gegend der jetzigen K i r g i s e n s t e p p e stand, hatte unter anderen auch einen Sohn, Namens M i c h a e l ; da aber Mohammedaner niemals diesen Namen geführt und er nur bei Christen üblich war, ist man wohl berechtigt daraus zu folgern, dass das Christenthum um die angegebene Zeit bis in die Kirgisensteppe westlich vom Baikalsee vorgedrungen sei. Von dem nestorianischen Patriarchen T i m o t h e u s (778—820) wird in der That berichtet, dass er den C h a k a n der T ü r k e n , sowie auch andere türkische Fürsten zum Christenthum bekehrt hätte. Ausführliche Nachrichten besitzen wir über die Bekehrung des grossen und mächtigen türkischen Stammes der Kera'it (nordöstlich von Kuldscha 3) ) gegen 1007. Die Könige dieses Stammes beherrschten ein grosses Reich und ihre grosse Macht gab höchst wahrscheinlich die Veranlassung zu den in Europa im Mittelalter verbreiteten Nachrichten von dem Reiche des P r i e s t e r s J o h a n n e s . Dieses mächtige Reich wurde erst von T s c h i n g i z e h a n zerstört. Aber mehrere Prinzessinnen aus den fürstlichen Häusern dieses christlichen Volkes waren an Tschingizchan selbst und an dessen Söhne verheirathet, in welcher Stellung sie durch ihren Verstand und ihre höhere Bildung einen grossen Einfluss auf die Regierungsangelegenheiten ausübten. Sie bekannten sich öffentlich zum Christenthum, hatten ihre, mit Glocken versehenen Kirchen und Capellen und beschützten nach Kräften die Christen und die christliche Lehre. Die katholischen Missionäre aus dem XIII. Jahrhundert erwähnen noch andere grosse türkische Stämme, wie d i e N e i m a n und die M e r k i t , die nordöstlich von S e m i r j e t s c h i e bis in die Gegend des Baikal-Sees lebten und die gleichfalls von den Nestorianern zum Christenthum bekehrt wurden und sich zur Lehre derselben bekannten. M a r c o P o l o , so wie auch die erwähnten katholischen Missionäre kamen am Hofe des K u b l a i c h a n in C h a n b a l i k , dem, jetzigen P e k i n , vielfach mit nestorianischen Christen zusammen, welche die eifrigsten Gegner der letzteren waren.
der Kerai't nicht g e n a u a n g e b e n ; jedenfalls dürften dieselben in der N a c h b a r s c h a f t und zwar nördlich von T a n g u t zu suchen sein.
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Syrische Gbabinschbiften aus Semibjetschie.
In einem aus dem Ende des IX. Jahrhunderts stammenden Verzeichniss der Metrodolitansitze der Nestorianer kommen unter andern auch folgende Namen vor: M e r w , H e r ä t , S a i n a r k a n d , die L ä n d e r d e r T ü r k e n , K a s c h g a r (im Westen von China) T a n g u t (östlich von Kaschgar, nördlich von Tübet) und C h a n b a l i k . Dabei wird ausdrücklich bemerkt, dass jeder Metropolit sechs bis 12 Bischöfe unter sich hatte. Man sieht also, dass die Nestorianer das Christentimm verbreitet haben unter andern auch im jetzigen T u r k e s t a n , im Westen und im Norden von China und unter den t ü r k i s c h e n S t ä m m e n fast bis zu den Gegenden des Amur. Dass sie viel dazu beigetragen haben, durch die christliche Lehre die Sitten aller dieser barbarischen Völker zu mildern und unter ihnen Kenntnisse zu verbreiten, versteht sich fast von selbst 1 ); positiv ist es bekannt, dass der mächtige türkische Stamm der ü i g u r e n schon im X. Jahrhundert seine Schrift direct von den Nestorianern entlehnt hat und dass aus dieser Schrift sowohl die verschiedenen mongolischen Schriftarten, als auch die Schrift der Maudschu sich entwickelt haben. Bei der grossen welthistorischen Bedeutung der Nestorianer versteht es sich von selbst, dass von i h n e n herrührende authentische Documente aus so fernen Gegenden an und f ü r sich ein grosses Interesse beanspruchen. Hier kommen noch andere Umstände in Betracht, welche die Bedeutung des kostbaren Fundes in Semirjetschie noch erhöhen. E s sind uns bis jetzt überhaupt nur sehr wenig syrische Inschriften bekannt, und die wenigen bekannten stammen aus Vorderasien, besonders aus Mesopotamien her, also aus den eigentlichen Wohnsitzen der Syrer. Dass man in so fernen Ländern syrische Inschriften finden wird, kommt der gelehrten Welt unerwartet und unverhofft. Diese Inschriften haben aber noch ausserdem ein grosses p a l ä o g r a p h i s c h e s Interesse 2 ) und sind auch in s p r a c h l i c h e r Beziehung, wegen der in ihnen vorkommenden eigentümlichen grammatischen Formen und Sprachwendungen, von Wichtigkeit. Die Thiernamen des 12jährigen Cvclus, die wir bis jetzt nur in der mangelhaften arabischen Umschreibung kannten und die wir jetzt in ihren mehr ursprünglichen Formen kennen lernen, so wie auch die zahlreichen, in diesen Inschriften vorkommenden türkischen Eigennamen dürften gleichfalls für die Sprachforschung von Interesse sein. Für die Geschichte der Vei-breitung des Christeuthums in jenen fernen Gegenden, so wie auch für die innere Geschichte der nestorianischen Kirche und den Culturzustand der Anhänger derselben dürfte man gleichfalls manche neue Aufschlüsse aus diesen Inschriften erwarten. Man hat auch oft die Berichte der Nestorianer über ihre Bekehrungen verschiedener b a r barischer Stämme angezweifelt; nach diesen uns vorliegenden authentischen Quellen aber kann es nicht zweifelhaft sein, dass es den Nestorianern in der That und zwar nicht später
1) Von J a h b a l a h a , dem früheren Metropoliten [ Chron. eccles. II, pag. 451 f., wo er als d. h. von T a n g u t , der von 1281—1317 den nestorianischen E i n e r aus dem Volke der U i g u r , bezeichnet wird, und Patriarchenstuhl zu Bagdad eingenommen hat, wird aus- Assem. B. 0 . II, p. 455 f. drücklich bezeugt, dass er von Geburt ein T ü r k e vom 2 ) lieber diesen Punkt gedenken wir ausführlich zu Stamme Chatai (LL ill) war; vergl. Greg. B a r h e b r . j handeln, wenn uns ein grösseres Material vorliegen wird. 4*
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C.
CHWOLSON,
SYEISCHE G E A B I N S C H E I F T E N AUS S E M I E J E T S C I I I E .
als im VIII. Jahrhundert gelungen ist, türkische Völker zum Christenthum zu bekehren; denn in den beiden von uns mitgetheilten ältesten Grabinschriften aus den Jahren 858 und 911, kommen — vorausgesetzt, dass diese Daten ganz sicher sind —schon türkische Namen vor; man kann aber schwerlich annehmen, dass die in diesen Grabinschriften erwähnten Christen türkischen Ursprungs damals die ersten, oder die einzigen Christen der türkischen Rasse waren. Leider aber muss bemerkt werden, dass das jetzt vorliegende Material, welches ich hier mitgetheilt habe, für weitere Forschungen höchst ungenügend ist; denn die mir vorliegenden Copien sind in paläographischer Beziehung ganz werthlos; selbst die photographischen Abdrücke sind meistens wegen ihrer Undeutlichkeit in dieser Beziehung kaum brauchbar; auch ist das sprachliche und historische Material, welches die mitgetheilten Inschriften darbieten, bis jetzt viel zu gering und oft, wegen der zweifelhaften Lesung vieler "Worte, sehr unsicher. Selbst die beiden oben erwähnten, so wichtigen Daten sind nicht in dem Grade sicher, dass man aus ihnen ohne alle Bedenken schwer wiegende historische Folgerungen machen könnte. Ich freue mich daher in der Lage zu sein, der gelehrten Welt mittheilen zu können, dass das Interesse für diese Inschriften in den hiesigen gelehrten Kreisen ein im hohen Grade lebhaftes ist und dass die örtlichen Behörden den officiellen Auftrag er halten haben, die mit Inschriften versehenen Grabsteine aufzusuchen, zu sammeln und photographiren zu lassen. Die photographischen Abdrücke werden hierher geschickt und untersucht werden. Die wichtigsten Inschriften werden durch Phototypie reproducirt werden; nöthigen Falls wird man selbst manche Originale hierher kommen lassen. Was mich anbetrifft, werde ich keine Mühe und keine Arbeit scheuen, um diesen auf vaterländischem Boden gehobenen Schatz dar gelehrten Welt zugänglich zu machen.
Bemerkung zur Tafel.
Die Inschrift oben links ist Ai: 1 und die rechts JVs 2, die beiden mittlem JV°. 3 und 4 und die beiden untersten As 5 und 6.
Druckfehler. Pag. 5 letzte Zeile und mehreren anderen Stellen anstatt: Aere . . « 22 Zeile 8 anstatt: ist . . . . « 27 Zeile 1 anstatt: anderen
Aera, sind. Anderen.
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Imprimé par ordre de l'Académie I m p é r i a l e des sciences Oetol're If**,
0 . V o s s é l o f s k i , Secrétaire perpétuel.
Imprimerie de l'Académie I m p é r i a l e des sciences. Vuss.-Ostr.. f) liane, As lii.
Im Vorworte zu meiner Ausgabe der saliidischen Bibelfragmente der Kaiserlichen Oeffentlichen Bibliothek
habe ich als Codex Copticus Tiscliendorfianus JVs I V . eine Hand-
schrift beschrieben, welche Bruchstücke aus der Kirchengeschichte Alexandriens enthält. Ich wies dort nach, eben des von
dass im Cod. JVs C L X I 1 . der Borgianischen Sammlung 2 ) ein Abschnitt
der St. Petersburger Handschrift gebotenen Werkes enthalten sei.
Vor
Kurzem erhielt ich nun von Prof. R o s s i die fünfte und letzte Lieferung des I . Bandes seiner «Papiri Copti del Museo Egizio di Torino trascritti e tradotti» 3 ), wo ich auf pag. 2 0 u. ff. eine Anzahl winziger Fragmente unter dem Titel «Frammenti della Vita di S. Atanasio» vereinigt fand. Bei Durchsicht derselben wurde mir sofort klar, dass ich hier wiederum Bruchstücke aus demselben Werke vor mir habe. Einzelne der Turiner Fragmente finden sich fast wörtlich in den St. Petersburger Fragmenten wieder, andere ergänzen dieselben; ausserdem bieten die Turiner Fragmente, so wie auch der Cod. Borgianus J\ls C L X I I . interessante Varianten zur St. Petersburger Handschrift. Während nun aber der Cod. Borgianus nur einzelne Lücken des Cod. Tischendorfianus ergänzt, enthalten die Turiner F r a g mente einige nicht unwichtige, wenn auch sehr kurze Abschnitte, die in dem S t . Petersburger Codex fehlen; immerhin stehen beide Handschriften, die Turiner wie die Borgianische nur ergänzend der St. Petersburger Handschrift zur Seite. Der St. Petersburger Codex, welcher aus 8 in 2 Columnen geschriebenen Blättern besteht, ist, abgesehen von vielen nicht unbedeutenden Lücken, verhältnissmässig gut erhalten und bietet den weitaus grössten Theil der im Folgenden mitgetheilten Texte, weshalb ich ihn auch meiner Publikation zu Grunde lege und von den beiden anderen Codices nur die Varianten, so wie die in demselben fehlenden Abschnitte aufführe. 1) Bruchstücke
der
saliidischen
Bibelübersetzung
nach Handschriften der Kaiserlichen Oeffentlichen Bib-
3) Die
5-te
Lieferung
ftihrt
den speciellen
Titel
« I M a r t i r i i dj Gioore, Heraei, Epimaco e Ptolemeo con
liothek zu St. Petersburg herausgegeben. Leipzig, 1885.
altri frammenti trascritti e tradotti dai papiri copti del
pag. X I I u. flgde. 2) Z o e g a . Catalogus
Museo Egizio di Torino. Codicum
Copticorum
manu
scriptorum qui in Museo Borgiano Veletris asservantur.
Memorie
della
Serie
Tom. X X X V I I I .
II.
Academia
Torino, delle
1887». Scienze
Romae, 1 8 1 0 . pagg. 272 — 273.
Jlemyires de l'Acad. IKI|>. cles sciences, Vlliue Serie.
1
Estr. di
dalle
Torino.
2
O. v. L E
MM.
Im Folgenden bezeichne ich den St. Petersburger Codex mit P . , den Turiner mit T. und den Borgianischen mit B. Ich hoffe, dass es mir durch eingehendes Studium der F r a g m e n t e gelungen ist, überall die richtige Reihenfolge derselben festzustellen; bei einigen ist dieselbe schon dadurch gesichert, dass P . in 2 Columnen geschrieben und die Zusammengehörigkeit von j e 2 derselben bei allen Blättern genau zu bestimmen war, selbst bei denen, die erst aus vielen einzelnen Stückchen zusammengesetzt werden mussten. Bei der Bestimmung von Avers und Revers, so wie der Reihenfolge einiger Fragmente musste natürlich der Inhalt mithelfen den verlorenen Faden wieder anzuknüpfen. Haben wir es hier nun aber wirklich mit Bruchstücken einer Geschichte der P a t r i a r chen von Alexandrien zu thun, wie dies bisher auf Grund des Borgianischen Fragmentes und meiner Beschreibung der St. Petersburger Fragmente allgemein angenommen wurde? Nach dem, was in den genannten 3 Codices erhalten ist, könnte man dies Werk viel eher für eine Vita S. Athanasii halten und zwar aus dem Grunde, weil darin hauptsächlich von Athanasius die Rede ist und von seinem Vorgänger, dem P a t r i a r c h e n Alexander, nur so viel berichtet wird, wie zum Verständniss der Geschichte des Athanasius bis zu seiner E r h e b u n g auf den Patriarchenstuhl Noth t h u t ; so bezeichnet denn auch R o s s i T. als «Frammenti della Vita di S. Atanasio». Doch dass wir es hier ebensowenig mit einer Vita S. Athanasii zu thun haben, sondern vielmehr mit einer Lobrede auf denselben, geht unzweifelhaft aus T . fragm. 10. Revers, Z. 9 — 14 hervor, wo es ausdrücklich heisst ¿vT€Tíiej.u.e
AuuujwqT
git T i v p ^ H MiiePRCOMion (eywofAtov) nTeps2£.ooc. Dazu stimmt denn auch an vielen Stellen die ganze Ausdrucksweise und der Stil, wonach das Ganze viel eher den Charakter einer Lobrede als einer Geschichte oder Biographie an sich trägt. Weder der Codex Borgianus JV» C L X . (Zoega,' pag. 2 6 0 — 268), welcher die Geschichte mehrerer Patriarchen von Alexandrien behandelt, noch der Codex Borgianus J\s CLXI. gehören dazu, wie man dies bis jetzt ganz allgemein zu glauben geneigt war. Wer der Verfasser des Encomiurns ist, lässt sich vor der Hand nicht bestimmen; jedenfalls muss er ein Zeitgenosse des Theophilus von Alexandrien (385 — 4 1 2 ) sein oder kurze Zeit nach ihm gelebt haben, da er denselben erwähnt. (Fragm. P . 3. Rev. b. 18 — 21) und seine Lobrede muss unter den Kopten eine grosse Verbreitung gehabt haben, da sonst wohl kaum Bruchstücke mehrerer Handschriften derselben erhalten wären. Ist es uns einerseits gelungen zu zeigen,
dass unser Werk
keiner
Patriarchen-
geschichte entstammt, so müssen wir andererseits bestätigen, dass der Codex Borgianus JVs CLX. zweifellos Bruchstücke einer solchen enthält 4). W e r ist nun aber der Verfasser dieser Patriarchengesdiichte?
Hier könnte man
4) Der Codex Borgianus JVs C L X I , von welchem ich einer gütigen Mittheilnng des H e r r n B o l o t o f f , Prof. Z o e g a vermutliete, dass er mit Cod. CLXII. einem W e r k e der Kircheligeschichte an der St. P e t e r s h u r g e r Geistlichen entstamme, enthält einen Abschnitt aus der 2 1 - s t e n K e d e Akademie. des Gregorius von Nazianz. Diese Entdeckung verdanke ,
KOPTISCHE F R A G M E N T E Z T S ^ Î ^ T E I A E O H E N G B B O H I C H T B ALEXANDRIENS.
3
zunächst an die Möglichkeit denken, dass derselbe kein anderer sei, als der B i s c h o f von A s c h m u n e i n A n b a S e v e r o s I b n e 1 - M u q a f f ac ( J ¿jt i^ttjiy* M ^ )> welcher in der zweiten Hälfte des X.Jahrhunderts lebte und ums Jahr 971 eine Patriarchengescliichte verfasste. Letztere ist in einer bisher leider noch immer nicht edierten arabischen Handschrift der Bibliothèque Nationale zu Paris erhalten 5) und bis jetzt fast ausschliesslich durch Ren a u d o t , welcher sie in seiner «Historia Patriarcharum Alexandrinorum Jacobitarum» r>) fleissig benutzt und excerpiert hat, bekannt. Die im Codex Borgianus M CLX. erhaltenen Bruchstücke decken sich fast wörtlich mit den von R e n a u d o t mitgetheilten Abschnitten aus dem Severos. Ich theile nachstehend einiges aus R e n a u d o t mit dem entsprechenden koptischen Texte mit, und denke ein flüchtiger Vergleich beider mit einander wird genügen um die Identität derselben zu erweisen. Wenn hier und da die Texte etwas mehr oder weniger von einander abweichen, so ist das einerseits dem Umstände zuzuschreiben, dass R e n a u d o t durchaus nicht überall den Severos genau übersetzt, sondern mitunter sich begnügt den Inhalt mit eigenen Worten wiederzugeben. Andererseits muss hier ausdrücklich hervorgehoben werden, dass der koptische Text überall den Charakter des Originals an sich trägt, und dass in den arabischen Text sich viele Fehler, Missverständnisse und Anachronismen eingeschlichen haben, die auf Grund des koptischen Textes beseitigt werden können. Ich will hier nur zwei Beispiele anführen. So heisst es an einer Stelle bei Severos: «Venit postea Athanasius cum Liberio Romam, atque apud eum mansit, donec mortuus est Constantius; & successit illi filius ejus Constans». Erstens ist es falsch, dass Constans auf Constantius folgte: Constans starb 350, Constantius dagegen erst 361. Zweitens ist Constans nicht Sohn des Constantius, sonderen bekanntlich sein Bruder; beide sind Söhne Constantins des Grossen. Der koptische Text sagt ander entsprechenden Stelle: «Und darnach nahmLiberius den Athanasius und führte ihn mit sich nach Rom, (er blieb dort) bis Constans starb und Constantius König wurde». An einer anderen Stelle, wo von der Erscheinung eines hellen Kreuzes über dem Grabe Christi die Rede ist, heisst es: «Scripsitque Cyrillus ad Constantinum Imperatorem literas, quibus de hoc miraculo significabat». Der koptische Text bietet dafür Folgendes: «Cyrillus der Bischof von Jerusalem schrieb über das Wunder, welches geschehen war und schickte einen Brief an Constantius». Dass hier von Constantius und nicht von Constantin die Rede sein kann, wird noch durch den erhaltenen griechischen Brief des Cyrillus bestätigt 7 ).
5) Catalogue des manuscrits arabes de la Bibliothèque Nationale par M. le Baron de S l a n e . 1-cr fase. JV» 301 et 302. (Ancien fonds 139 et 140) und Ludw. S t e r n ' s Artikel «Kopten» in « E r s c h u. G r u b e r » , Allgem. Encyclopaedie der Wissenschaften und Künste. II-te Section. Band 39. pag. 12 ff. Anba Severos Ibn el-Muqaffa" ist auch unter dem Namen A b u - 1 B i s c h r I b n e l - M u q a f f a c ( »ülj ^ji j j I ) bekannt. Vergi. S l a n e , 1.1.
JVi' 49 u. 170.—Nicht zu verwechseln ist unser Anba Severos mit dem gleichnamigen Bischof von Nesteraweh. Vergi. B a r g e s , Homélie sur Saint - Marc apotre et évangeliste par Anba Sévère, évècjue de Nestéraweh. Texte arabe publié avec une traduction etc. Paris, 1877. Préface. 6) Paris, 1713. 7) Vergi. Lipsius, Die edessenische Abgarsage kritisch untersucht. Braunschweig, 1880. pagg. 73 u. 74.
4
O. y . L e I i . Ich will an diesen Beispielen durchaus nicht gezeigt haben, dass der koptische Text
unantastbar sei und dass nicht auch in demselben Versehen vorkommen; ich bin sogar fest überzeugt, dass der arabische Text in manchen Punkten den koptischen berichtigen und ergänzen wird; jedoch wird bei einer etwaigen Veröffentlichung des arabischen Textes der andere unbedingt zu vergleichen sein. Zuerst führe ich hier noch an, welche Abschnitte bei R e n a u d o t im Allgemeinen den im Codex Borgianus A?. CLX. erhaltenen Bruchstücken entsprechen. Dem I. Fragment (M«) ^ q e a i ^ ^ w p e i . cwVejjevu^poc 2^.6 HTepoircoTMOir nej e q o A i o o c
Patriarcha
t o r c o e p e r a t l e g e r e , cum A r i o intestina c o m mota
sunt,
alvum
adeo
ut
f o r a s in
exonerandam
angulura
secesserit;
viscera omnia sua e j e c i t .
ad
atque
ibi
C u m i g i t u r ille ex
g M n c i m g e a ^ p i o i t , a t w A q u j m e HCA
c o n s p e c t u se s u b t r a x i s s e t , q u a e s i v e r u u t eùm
enApis.cR€Tj-ev5e, Aq-rooenm
nec i n v e n e r u n t :
g M HCTTII-
tandemque
pe2vpiOH Aq&WReitAtA e T i y u j e , AqgMOOc,
g e n t e r quaesivissent,
ATTW i i T e i g e o « o T r i y n e n u j w n a n e q M A g T
t e m , frigid uni, artubus
TiipoTr [ite] MM n e T A u t e q o o T m ivirei e n e -
j e c t o , siccum
CHI',
c o r a m eo.
A.qOTC, dwTTW d^qTtt HM Hd.^ökHÄ.cioc. iiToq tfoxoq evqcg^i n o i r e m c t o A h ep¿s.noTe eq2s.tò m a i o c , 2s.e t i i o t h ^ HCA. ttlCOòvI OM IlOTtóUJ AillMOTTe. HTCpe s^pioc (Te AV.OT OA*. nsMOir iipoTe,
miic
lippe Ao gen TeqAiA.rtiás.
ttGTmTd,q Cívp AlA\.£s.7F m i e t t e ïivTO^ÇOC ii&pioc eivpooiT eooTTG epoq, CTe c e w p c i o e i i e Aut A o i f r s o c a u i g m i o o i r e umaio^tt. uòvi eir&M.KOTe. uewpiMoc TI gttMOíf n^pHMev.. Auippo, ívttw ite^q H^-OTnuje aiaiô^toi lyòuiTOTòknoRivencTò. A\.Avoq eTeHsv"\HCíív n p ^ u o T e . n e q o i r w u j ce^p n e egwT& rtòv^evit^cioc, nnoTTTe es.qTopnq gett TCWHT€. ¿VTT03 ò^qcp co npoAUie e p e c e w p p í o c is.Aid.gTe HTGRRTUici^ npô^ROTe. òvqTnnooTT ott n g r i e n i c R o n o c iievTis. no"A.ic, e-s-Tósiyeoeiuj [ n ^ ] ÏÏTeqAevc^>T!wu&. a u i à o i m o c itôvpioc, 2s.e ottcîomt ne n e ^ c n \ a . o c 2s^e AuioT>-C(rMes.pe i u i m m ; cm t m h Te HRHAie T n p q , iv(V7Vís. neircimfisue o h u h i m h nnpec&iFTepoc o n T í ' r x . Mô^diMôvCioc Mil neqescoT ô Â e g f v i t ^ p o c .
!
Itaque Alexander ConstantinopolitanusPatriarcha Liturgiam eo die absolvit,, cum laetitia, hymnis & laudibus; misitque ad Athanasium Patriarcham Alexandrinum, qui haec omnia suo nomine nuntiarent, in haec verba: Glorificainus Deum, tibique, f r a t e r , notum facimus, Arium morte stupenda extinctum esse, haeresin ejus excisam, & sectatores dispersos. Imperatori haec maxime displicuerunt propter Arii amicos, Georgium & illoram sequaces qui Alexandrinam Ecclesiam invaserant. Siquidem Georgio dédit Imperator équités ex copiis suis quingentos, quos misit cum ilio, ut eum Patriarcham Alexandriae constituèrent.
Scripsit etiam literas ad omnes Provincias, doctrinam Arii in illis publicans, nempe quod Deus creatura esset. E u m tarnen nullus suscepit in terra Aegypti: sed cominunionem accipiebaut a Sacerdotibus quos Athanasius ordinaverat.
Is porro Georgius dolo ingressus est in Ecclesiam Alexandriae, aut, ut alii dicunt, introductus per milites, qui cum ilio vénérant, a quibus occisi sunt ex Christiana plebe plurimi, qui cum Athanasio consentiebant, ita ut sanguis inundaret Ecclesiam & ad genua HivueveeAiA. ^TrqsTOTT, Ainevp^enoc 2s.ô>.gAi0Tr. ^nnoef nòvrcoAUò». fw^OROTT pertingeret. Vasa etiam sacra praedati sunt, & virginibus quae erant in Ecclesia, vitiuin e&oA gH TeRRAHCiòv npÄ.ROTe nifi obtulerunt. piò.HOC. ceooptMoc eô^p evq&wii cootth: eTCRr7V.hciô., d.qowT& o n T]
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20
13
KOPTISCHE FRAGMENTE ZUR PATBIABCHENGESCHICHTE ALEXANDRIENS.
eneqm; vor npMMivo steht noch p&.n. Nach
TAI KCA. 7V&.Ä.1S-
HC£IGS eqss-i
25
Tfv^^nH bricht P. ab, während T. noch die Worte itiP^ bis s c u ^ c epe enthält.
Z. 25. ist eqps.i sicher zu eqaLioiriv zu ergänzen.
Avers,
Fragment P . 1 .
ui
Avers, a.
1
TT. . . . ....
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. . . . [g]HR€ H ecjcji M II[evTr Ä ü i ] & [ e ] R e
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5
TOT. &.TT03 11 Tepoves
CTBR
it&pis.R&Aes AiAioq
Uiv [2^16.] ROItOC 2S 9 ö^ttOH [OTOT&H tl] ^-eg07rc[s&. Ai.Av.dwTr]
5
egioire [e&oA] OTTÄ.1 KAVM CHq Mepe
10
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gHR€ H 10
15
20
T
Teqit nev Ä-TTtO € ujÄ.2s_[e]
15
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Revers,
a.
. . . TH.pq X. Fragm. 11. Rev. 1
2s_e &.ps T&.P&.IIH
HP T. Fragm. 11. Av. ^ n&eRe »m gHKe HdwV. 2£.eK.d>.c epe
1
X^
RÄ.HCI&..
pis.cce itTcime*. gsc. ev n ^ p ^ i emcnono[c TH] k o o t IKV&Ä.H&. cioc ujT
[tt]TCp0T2S.J [HOJTM MlliS.p bci]€iuCR0n0C OC 6TÈ€
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Revers, a.
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