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German, English Pages 228 [230] Year 2023
BEIHEFTE
Syntax aus Saarbrücker Sicht 5 Beiträge der SaRDiS-Tagung zur Dialektsyntax Herausgegeben von Augustin Speyer und Jenny Diener
Germanistik
ZDL
Franz Steiner Verlag
zeitschrift für dialektologie und linguistik beihefte
192
Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik In Verbindung mit Michael Elmentaler, Jürg Fleischer und Mark L. Louden Herausgegeben von Jürgen Erich Schmidt Beiheft 192
Syntax aus Saarbrücker Sicht 5 Beiträge der SaRDiS-Tagung zur Dialektsyntax Herausgegeben von Augustin Speyer und Jenny Diener
Franz Steiner Verlag
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2023 www.steiner-verlag.de Druck: Beltz Grafische Betriebe, Bad Langensalza Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-13511-5 (Print) ISBN 978-3-515-13513-9 (E-Book)
Vorwort ................................................................................................................... 7 Sophie Ellsäßer Synkretismus und Distinktion im Syntagma ......................................................... 11 Alexandra Rehn / Hannah Booth The Possessor Linking Construction in Middle Low German and Alemannic ..... 31 Luise Kempf Der am-Progressiv in schweizerdeutschen Dialekten: Analyse einer rezenten Grammatikalisierung ............................................................................................. 71 Jenny Diener Exploration des Ersatzinfinitivs im Verbalkomplex des Rhein- und Moselfränkischen ................................................................................................ 111 Ben Posner Cross-serial dependencies and similar structures in the Saarland Dialects ......... 143 Ermenegildo Bidese Der syntaktische Bereich zwischen C und T im Deutschen: V2 und Subjekt-Verb-Kongruenz aus der Merkmalsvererbungsperspektive .................. 163 Andreas Pankau Complementizer agreement in Mansfeld German............................................... 187 Jirayu Tharincharoen Der syntaktische Wandel der Mittel- und Neuniederdeutschen je–desto-Konstruktionen ..................................................................................... 209
VORWORT Augustin Speyer / Jenny Diener Der „Saarbrücker Runder Tisch für Dialektsyntax (SaRDiS)“ wurde 2020 schon zum siebten Mal abgehalten. Die hier versammelten Aufsätze stammen größtenteils von diesem SaRDiS, teilweise aber auch von den Tagungen aus 2019 und 2021. Bei allen drei Konferenzen wurde wieder eine große Bandbreite an syntaktischen Phänomenen in einer Vielzahl von Varietäten diskutiert, auch aus diachroner Perspektive. Zwei Aufsätze (ELLSÄSSER und REHN / BOOTH) setzen sich mit Phänomenen der Nominalphrase auseinander. Drei Aufsätze (KEMPF, DIENER und POSNER) widmen sich dem verbalen Bereich der Morphologie und Syntax. Die letzten drei Aufsätze (BIDESE, PANKAU und THARINCHAROEN) weiten den analytischen Blick auf den Satz als Ganzes. Im Folgenden werden die wesentlichen Aspekte der Beiträge kurz vorgestellt. SOPHIE ELLSÄSSER befasst sich in ihrem Beitrag mit Kasussynkretismen in oberdeutschen, speziell schwäbisch-alemannischen Dialekten. Dabei zeigt sich, dass die dort beobachtbaren Synkretismen nicht den Verlust der morphologischen Kategorie Kasus nach sich ziehen, sondern im Gegenteil zu einem neuen ökonomischen System der Kasusmarkierung führen. Kasus stellt im untersuchten System sogar eine sehr stabile Kategorie dar, dem trotz der Häufung an Synkretismen kein Funktionsverlust droht. Stattdessen werden kasusmorphologische Redundanzen abgebaut. Im Beitrag von ALEXANDRA REHN und HANNA BOOTH werden Possessorkonstruktionen des Typs dem X sein Y in zwei diachron und diatopisch weit entfernten Varietäten, dem Mittelniederdeutschen und dem heutigen Alemannischen, unter die Lupe genommen. Es wird anhand von Daten aus diesen Dialekten dafür argumentiert, dass sich diese Konstruktionen aus adnominalen Genitiven (und nicht Pertinenzdativen) entwickelt haben. Ein Vergleich mit der Entwicklung des englischen sächsischen Genitivs, die in vielerlei Hinsicht parallel abläuft, stützt diese Hypothese. Der Aufsatz von LUISE KEMPF beleuchtet den am-Progressiv als eine sich zunehmend grammatikalisierende Aspektkategorie in schweizerdeutschen Dialekten. Die Schweizer Dialekte sind besonders interessant, da neben dem rheinisch-westfälischen Raum (weswegen die Konstruktion auch oftmals „rheinische Verlaufsform“ genannt wird) auch die Schweiz als Kerngebiet der Konstruktion zur Diskussion steht. So zeigen die Ergebnisse von KEMPFS Untersuchungen beispielsweise, dass die Frequenz des am-Progressivs in den letzten ca. 90 Jahren gestiegen ist und sogar über den Werten für Hessen liegt. Dabei konnten auch zwei Hochburgen nachgewiesen werden, die in der Entwicklung des am-Progressivs bereits Mitte der 30er Jahre weit fortgeschritten waren. Der Grammatikalisierungsgrad wurde
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Augustin Speyer / Jenny Diener
anhand typischer Parameter (u. a. Expansion, semantische Integrität, Paradigmatizität, Fügungsenge) gemessen, wobei z. Β. auch verschiedene Verbklassen untersucht wurden. Der Verbalkomplex und die Verwendung des Ersatzinfinitivs im Rhein- und Moselfränkischen bildet das Thema von JENNY DIENERS Beitrag. Die Gebiete ihrer Untersuchung sind grundsätzlich ersatzinfinitivfreundlich (wenn auch Partizipien vorkommen). Die Abfolge im Verbalkomplex ist dabei variabler als im Standarddeutschen, so ist z.B. die IPP-typische Abfolge 1–3–2 (wie in dass er das Buch hat lesen müssen) auch in Futurkonstruktionen (dem Vergleichsfall für periphrastische Verbformen mit Infinitiv ohne IPP-Problematik) akzeptabel, oder es werden 1–2– 3-Abfolgen (wie in dass er das Buch hat müssen lesen) realisiert. DIENER ging hier mit mehreren Methoden gleichzeitig vor (Akzeptabilitätsstudie, Übersetzungsaufgabe); die niedrige Akzeptabilität von Verbalkomplexen, insbesondere mit IPP, findet ihr Spiegelbild in der Vermeidung solcher Konstruktionen in der Übersetzung; eine häufige Strategie war es, das Modalverb Skopus über das Tempus ausüben zu lassen anstatt umgekehrt, wie der Trigger es nahelegte. Einen weiteren Beitrag zum Verbalkomplex in den saarländischen Dialekten liefert BEN POSNER mit einer Studie zu cross-serial dependencies (z. B. dass wir die Kinder dem Hans das Haus lassen helfen anstreichen) und ähnlichen Strukturen, die v. a. in bayrischen und schwäbischen Dialekten als akzeptabel gelten. Bei einem Vergleich von Dialektsprechern mit Sprechern des Standarddeutschen findet er heraus, dass die nicht-standardgemäßen Verbletzt-Cluster von den Dialektsprechern akzeptabler bewertet werden. Als Parameter wurden beispielsweise die Belebtheit der Objekte, das Referieren auf die Objekte mit Eigennamen oder mittels Gattungsbezeichnung, das Modalverb und das Tempus variiert. Allgemein scheinen lange Verbalkomplexe in subordinierenden Sätzen grundsätzlich schlechter akzeptabel als einfachere Strukturen. Abfolgen, die für das Bayrische oder Schwäbische typisch sind, werden von den Informanten besser wertet als solche, die cross-serial dependencies beinhalten. Den Skopus auf den Satz weitet der Beitrag von ERMENEGILDO BIDESE. Er widmet sich dem Thema der linken Peripherie im deutschen (Haupt-)Satz, insbesondere der Frage des Zusammenspiels der funktionalen Projektionen CP und TP. Anhand einer Untersuchung des Zimbrischen, die teilweise auf deutsche Varietäten übertragen werden kann, schlägt er vor, dass der phasale Kopf C° die uT-Merkmale behält (und nicht wie in den romanischen Sprachen mit T° teilt), das EPP-Merkmal und die f-Merkmale jedoch mit T° teilt. Dies erlaubt eine konsistente Modellierung des Verbzweitphänomens und der Subjektkongruenz in diesen Varietäten. ANDREAS PANKAU widmet sich der Komplementiererflexion in dem Mansfelder Dialekt, der zu den thüringischen Dialekten zählt und in Sachsen-Anhalt gesprochen wird. In diesem Dialekt lösen Subjekte der 2. oder 3. Person eine Flexion des Komplementierers aus (z. B. wenn-st für wenn in 2. Person Singular). Allerdings sind die Affixe, die hier an den Komplementierer herantreten, nicht völlig deckungsgleich mit denen für verbale Kongruenz oder Subjektklitisierungen, sodass sich die Frage nach deren Status stellt. Es zeigt sich eine enge Beziehung zwischen Paradigmen der Komplemetiererflexion und des Paradigmas des Verbs sein.
Vorwort
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Ein weiterer interessanter Schluss ist der, dass Pronomen distinkte Entitäten darstellen, die mehr sind als die bloße Wiederaufnahme ihrer Antecedentes. Einen speziellen Satztyp beleuchtet schließlich JIRAYU THARINCHAROEN in seinem Aufsatz, nämlich die je-desto Gefüge im Mittel- und Neuniederdeutschen. Im Gegensatz zum Hochdeutschen wird (wie im Englischen) formal nicht so stark zwischen Haupt- und Gliedsatz unterschieden (namentlich durch die Verbstellung), was zu einer starken Präferenz für eine Voranstellung des Antecedens zum Zwecke der Auszeichnung der Abhängigkeitsverhältnisse führt. Saarbrücken, den 28.07.2022 Augustin Speyer, Jenny Diener
SYNKRETISMUS UND DISTINKTION IM SYNTAGMA* Oberdeutscher Kasus zwischen Verlust und Ökonomie Sophie Ellsäßer 1
EINLEITUNG
Die Entwicklung des Deutschen und seiner Dialekte ist stark von Kasussynkretismus geprägt. Welche Folgen Synkretismen für das deutsche Sprachsystem haben, ist bislang jedoch nicht umfassend untersucht worden. Die Beziehung, die Nominalphrasen untereinander oder zu ihren regierenden Verben bzw. Präpositionen einnehmen, also die Argumentstruktur zu markieren, ist die grundlegende Funktion der Kategorie Kasus (vgl. BLAKE 2001: 1). Formale Synkretismen werden häufig mit dem funktionalen Verlust der Kategorie in Bezug gesetzt. So klassifiziert etwa HOTZENKÖCHERLE (1962) den Kasussynkretismus am Nomen als Zeichen zunehmenden Abbaus der Kategorie Kasus im Deutschen Nachdem die knappe Arbeit von SHRIER (1965) lange die einzige umfassende Übersicht zur Kasusmarkierung in den deutschen Dialekten geboten hat, sind in den letzten Jahren zahlreiche weitere Arbeiten zu diesem Gebiet erschienen,1 sodass zunehmend ein vollständigeres Bild über Kasussynkretismus und -distinktion in den Paradigmen der deutschen Dialekte entsteht. Die Entwicklung der Kasussysteme des Deutschen und seiner Dialekte wurde bislang größtenteils anhand isolierter Paradigmen untersucht. Klassifikationen wie die HOTZENKÖCHERLES (1962) basieren auf eben dieser paradigmatischen Perspektive. Charakteristisch für das Deutsche ist es jedoch, dass verschiedene Wortarten an unterschiedlichen Stellen im Syntagma Kasus markieren, dass also verschiedene Kasusparadigmen auf syntaktischer Ebene miteinander interagieren. Diese Interaktion wurde bisher aber kaum in die Untersuchung und Interpretation einbezogen. Dabei kann gerade die syntagmatische Analyse von Kasussystemen wichtige Erkenntnisse zu den Synkretismus für ein Sprachsystem liefern: So stellt sich vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Wortarten, die im deutschen System für die Kasusmarkierung zur Verfügung stehen, die Frage, inwiefern Synkretismus im Paradigma tatsächlich zum Verlust der Kategorie Kasus und zu * 1
Für angeregte Diskussion zum Thema danke ich den Teilnehmer*innen der „SaRDiS“ 2019, Jürg Fleischer sowie den anonymen Gutachter*innen danke ich für wertvolle Hinweise zum Manuskript. Vergleiche beispielhaft etwa KOSS (1983); ROHDENBURG (1993); HOWE (1996); ROWLEY (1997); SEILER (2003); DAL / NEGRO (2004); ALBER / RABANUS (2011); RAUTH (2016); DREESSEN (2018); PERRIG (2018); DENKLER (2020); DIRANI (2020); ELLSÄSSER (2020a).
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Sophie Ellsäßer
einer Einschränkung der Funktionsfähigkeit führt (HOTZENKÖCHERLE 1962; RABANUS 2019), oder ob es sich dabei nicht viel eher um den Abbau morphologischer Redundanzen und damit um eine Ökonomisierung des Systems bei Erhalt der Kategorie Kasus handelt (vgl. ASKEDAL 2001: 1629). Betrachtet man Kasusmarkierung zusätzlich auch auf syntagmatischer Ebene, ist es möglich, die Tendenzen von Synkretismus und Distinktion innerhalb eines komplexen Systems zu interpretieren und diese individuell beschriebenen Entwicklungen und ihre Folgen im Sprachsystem einzuordnen. Ziel dieses Beitrags ist es, anhand eines beispielhaft analysierten Datensatzes eines oberdeutschen Kasussystems zu illustrieren, wie eine Analyse von Kasusmarkierung konzipiert werden kann, die die Ergebnisse der paradigmatischen Untersuchungen auf syntagmatischer Ebene verknüpft. Dabei wird aufgezeigt, welche wertvollen Erkenntnisse die dialektale Morphosyntax durch eine syntagmatische Perspektive auf Kasusmarkierung erhalten kann. 2 befasst sich zunächst allgemein mit dem Kasussystem des Deutschen. Dazu werde ich in 2.1 zunächst mögliche Interpretationsansätze für Kasussynkretismus aufzeigen und in 2.2 auf bisherige Erkenntnisse zur Struktur der Kasusmarkierung eingehen. Auf dieser Grundlage werde ich in 2.3 Möglichkeiten der Übertragung dieser Erkenntnisse auf eine syntagmatische Perspektive darlegen. In 3 werde ich schließlich eine eigene stichprobenhafte Analyse zu einem oberdeutschen Sprachsystem vorstellen, die ein mögliches Vorgehen bei der syntagmatischen Analyse von Kasussystemen illustriert und erste Erkenntnisse zu den Folgen von Kasussynkretismus im vorgestellten System liefert. Dazu werde ich zunächst die Charakteristika der untersuchten dialektalen Kasussysteme darstellen (3.1) und dann auf Datengrundlage und Methode der beispielhaften Tiefenbohrung (3.2) sowie ihre Ergebnisse (3.3) eingehen. Diese Erkenntnisse werden in 3.4 mit solchen zu einem benachbarten oberdeutschen Gebiet, das einen anderen Systemtypen repräsentiert, in Bezug gesetzt. In 3.5 werden abschließend neue Ansätze zur Analyse von Kasussystemen der deutschen Dialekte aufgezeigt, die sich aus dem Perspektivwechsel von der paradigmatischen zur syntagmatischen Analyse ergeben. 2
DAS KASUSSYSTEM DES (OBER-)DEUTSCHEN 2.1
Kasussynkretismus und mögliche Folgen
Wie bereits angeführt, hat sich die Analyse von Kasussystemen des Deutschen und seiner Dialekte lang auf die paradigmatische Perspektive konzentriert. Untersucht wurden Synkretismus und Distinktion der jeweils angesetzten Kasus in den Paradigmen verschiedener Wortarten, wobei häufig recht isolierte Paradigmen, beispielsweise aus Orts- und Dialektgrammatiken herangezogen werden (vgl. SHRIER 1965; MEYER 1967; SEILER 2003; teilweise RABANUS 2008; PERRIG 2018). Zur konkreten Definition von Synkretismus werden dabei zwei unterschiedliche Ansätze genutzt: In der sprachhistorischen Tradition wird Synkretismus zu-
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Synkretismus und Distinktion im Syntagma
meist als formaler Zusammenfall zweier vormals (z. B. in einer historischen Vorstufe) distinkter Kasusformen definiert (zurückgeführt auf POTT 1836), während die sprachvergleichende Tradition auch dann Synkretismus ansetzt, wenn eine vormalige formale Distinktion nicht oder nicht nachweisbar existiert hat. In dieser Arbeit werde ich mich an der zweiten Definition orientieren und Kasussynkretismus damit als formale Übereinstimmung zweier Wortformen im Paradigma definieren, die sich in (mindestens) einer Eigenschaft – in diesem Fall dem Kasus – unterscheiden (vgl. BAERMAN / BROWN / CORBETT 2010: 7). Die gesamte Entwicklung des Deutschen ist stark von Kasussynkretismen geprägt (DAL 1971a). Dabei lassen sich zwei grundlegende Tendenzen erkennen: Bei der 1. und 2. Person (die ausschließlich durch Pronomen markiert werden) tritt im Plural Synkretismus von Akkusativ und Dativ auf, während der Singular noch volle Distinktion aller Kasus zeigt, wie das folgende Paradigma illustriert. Kasus
Singular
Plural
Nominativ
ich
wir
Akkusativ
mich
Dativ
mir
Genitiv
meiner
uns unser
Tab. 1: Paradigma des Personalpronomens der 1. Ps. im Standarddeutschen
In der 3. Person Plural sowie bei Femininum wird im Verlauf der Entwicklung des Deutschen zunehmend Synkretismus von Nominativ und Akkusativ ausgebaut, im Neutrum ist er in jeder Sprachstufe des Deutschen vorhanden. In bestimmten Dialekten greift er etwa ab frühneuhochdeutscher Zeit (HÄCKEL / WALCH 1988: 191) auch auf das Maskulinum über (ELLSÄSSER 2020a: 12–14). Das folgende Paradigma zeigt die Verhältnisse im Standarddeutschen, wo das Maskulinum noch nicht von Synkretismus betroffen ist. Kasus Nominativ Akkusativ Dativ Genitiv
Maskulinum der den dem des
Femininum
Neutrum
Plural
die
das
die
der
dem des
den der
Tab. 2: Paradigma des Definitartikels im Standarddeutschen
Synkretismus kann dabei zwei mögliche Folgen haben, die sich mit DÜRSCHEID (2007: 109–110) unterscheiden lassen. Zum einen kann der vormals markierte Kasus im Sprachsystem abgebaut werden. Die morphosyntaktische Eigenschaft, diesen Kasus zu markieren, geht damit im Sprachsystem verloren. Die Funktion des
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Sophie Ellsäßer
Kasus wird durch andere Ausdrucksstrategien ausgefüllt. Zum anderen kann die morphologische Markierung dieser Eigenschaft im konkreten Kontext verlorengehen. In diesem Fall bleibt die morphosyntaktische Eigenschaft selbst, also der jeweilige Kasus, im System erhalten. Die formale Markierung fällt im entsprechenden Paradigma also weg, existiert jedoch grundsätzlich noch an einer anderen Stelle im System, z. B. in einem anderen Paradigma. Mit Blick auf die Entwicklung der deutschen Standardsprache sowie der hochdeutschen Dialekte gehen DÜRSCHEID (2007), SHRIER (1965) und DAL (1971b) eher von einem Abbau der formalen Markierung durch Synkretismus als von einem Verlust der morphosyntaktischen Eigenschaften aus.2 Aus diesen beiden möglichen Folgen von Synkretismus für ein Sprachsystem ergeben sich zwei mögliche Interpretationsansätze für Synkretismustendenzen im deutschen Kasussystem: –
–
1. Ansatz: Verlust Bei den Kasussynkretismen im Deutschen handelt es sich um ein Zeichen für den Abbau einzelner Kasus bis hin zum Verlust der gesamten Kategorie. Synkretismus wird hierbei mit dem Verlust der Funktionsfähigkeit der Kategorie gleichgesetzt. Die Markierung der semantischen Relationen, die die Kernfunktion von Kasus darstellt (vgl. z. B. BLAKE 2001: 1), ist durch Synkretismus gefährdet. Die Funktion, die Kasus im System ursprünglich erfüllt hat, wird zunehmend von anderen Markierungsstrategien, z. B. von Serialisierungsfixierung oder Belebtheitsrestriktionen, ausgefüllt. 2. Ansatz: Ökonomie Kasussynkretismen in bestimmten Paradigmen dienen der Ökonomisierung des Kasussystems. Durch unterschiedliche Kasusmarker innerhalb des Syntagmas aufgebaute Redundanzen der Kasusmarkierung werden durch Synkretismen in einzelnen Paradigmen abgebaut; die Funktion der Kategorie Kasus, die Markierung der Argumentstruktur, bleibt jedoch erhalten. Die Ökonomisierung lässt auf eine Umstrukturierung des Kasussystems, nicht aber auf einen Verlust der Kategorie Kasus schließen.
Beide Interpretationsansätze lassen sich in der Literatur zu deutschen Kasussystemen finden. HOTZENKÖCHERLE (1962) geht aufgrund der Synkretismustendenzen am Nomen von einem zunehmenden Funktionsverlust der Kategorie Kasus aus. RABANUS (2019: 622) greift diese Interpretation für die deutschen Regionalsprachen auf und verknüpft den Prozess mit Verschiebungen der im Sinne BYBEES (1985) definierten Relevanzhierarchie. Auch WERLEN (1990) führt bestimmte Serialisierungsfixierungen im Alemannischen auf einen solchen durch Synkretismus verursachten kasusmorphologischen Funktionsverlust zurück.
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Diese Klassifikation betrifft in den vorgestellten Arbeiten die Kasus Nominativ, Akkusativ, Dativ (und Genitiv) in der jüngeren Sprachgeschichte des Deutschen. Andere Entwicklungen, z. B. die des im Althochdeutschen noch teilweise belegten Instrumentals (SONDEREGGER 1979: 98–99) müssten separat untersucht werden.
Synkretismus und Distinktion im Syntagma
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ASKEDAL (2001: 1628–1629) setzt hingegen eher eine systematische Umstrukturierung beziehungsweise Ökonomisierung des Systems an, wobei er sich auf die Interaktion der Paradigmen verschiedener Wortarten innerhalb der NPs bezieht. Auch DAL (1971a, 1971b) geht für das Hochdeutsche nicht von einem Funktionsverlust von Kasus aus, sondern benennt unterschiedliche Tendenzen des Erhalts und Ausbaus von Kasusdistinktion, worauf sie die These eines grundsätzlichen Funktionserhalts der Kategorie Kasus stützt (gebündelt in DAL 1971b: 174). Diese Arbeit geht beiden Interpretationsansätzen anhand einer stichprobenhaften Analyse eines dialektalen oberdeutschen Kasussystems nach. Die dialektalen Kasussysteme mit ihren teils recht unterschiedlichen paradigmatischen Voraussetzungen (3.1) bieten dabei ein Labor zur Untersuchung der Auswirkungen verschiedener Synkretismustendenzen. Dazu sind jedoch auch die übergreifenden typologischen Eigenschaften der deutschen Kasusmarkierung zu berücksichtigen, die im Folgenden beschrieben werden. 2.2
Kasusmarkierung im Paradigma
Wie bereits oben angeführt, werden verschiedene Paradigmen für die Analyse von Kasussystemen herangezogen. Kasus wird im Deutschen an unterschiedlichen Wortarten mit unterschiedlichen morphologischen Strukturen markiert: Charakteristisch für das Deutsche ist eine Kombination aus nominaler und konkordialer Kasusmarkierung (vgl. BLAKE 2001: 7; ELLSÄSSER 2020a: 17–18): Kasus wird zum einen, wie häufig in flektierenden Sprachen, an den Wortarten markiert, die den Kopf der Nominal- bzw. Präpositionalphrase bilden. Dies gilt insbesondere für Pronomen (1), an Nomen ist distinkte Kasusmarkierung im Deutschen nur noch vereinzelt zu finden (2). Auf Ebene der Nominalphrasen zeigt sich hier eine recht typische Struktur des Deutschen: Im Zuge des zunehmenden Ausbaus der Nominalklammer wird der linke Klammerrand zuungunsten des rechten verstärkt (vgl. RONNEBERGER-SIBOLD 2010: 103–105). Die Markierung morphosyntaktischer Funktionen wird vom Kopf auf andere Marker ausgedehnt. Auch Kasus wird nicht mehr nur am rechten Rand, also am Kopf, sondern zunehmend (auch) am linken Rand der NP markiert. Ein nicht unwesentlicher Anteil der Kasusmarkierung lässt sich als konkordial klassifizieren (vgl. BLAKE 2001: 7; ELLSÄSSER 2020a: 17–18): Kasus wird hier durch Kongruenz auf andere Teile der NP, auf Adjektive und Determinierer übertragen (2), an denen dann wiederum distinkte Kasusmarkierung ausgedrückt werden kann bzw. in der Pronominalphrase am Kopf erhalten. (1)
a. Nom.: er b. Akk.: ihn
(2)
a. Nom.: der leckere Kuchen(-Ø) b. Akk.: den leckeren Kuchen(-Ø)
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Die Entwicklung des deutschen Kasussystems wird aufgrund dieser Umstrukturierung der formalen Markierung vom Kopf hin zu anderen Teilen der Nominalphrase (insbesondere seit Aufkommen der Artikel) häufig als zunehmend analytisch klassifiziert (vgl. HOTZENKÖCHERLE 1962: 328; RABANUS 2019; SHRIER 1965: 436; RABANUS 2019: 618). Die Entwicklung scheint jedoch deutlich komplexer zu sein. Zwar findet sich insofern eine Analysetendenz, als Kasus nicht mehr rein flexivisch am Kopf, sondern auch durch andere Marker innerhalb der Nominalphrase ausgedrückt wird, doch finden sich bei diesen verschiedenen Markern wiederum durchaus synthetische Strukturen. Auch hier existieren flexivische beziehungsweise suppletive Paradigmen. Im Vergleich zur Kasusmarkierung am Nomen, die eher flexivisch ausgedrückt wird, neigen die konkordialen Kasusmarker (z. B. Artikel) sogar teilweise eher zur Suppletion.3 Besser als durch die Differenzierung zwischen Synthese und Analyse lässt sich die Kasusmarkierung im Deutschen durch das Prinzip des klammernden Verfahrens in Nominalphrasen (RONNEBERGER-SIBOLD 2010) fassen, das von einem stark flektierten Element am linken Klammerrand (den konkordialen Kasusmarkern) und einem nicht unbedingt flektierten Bezugsnomen (das unter die nominalen Kasusmarker fällt) ausgeht (RONNEBERGER-SIBOLD 2010: 88–91). Das deutsche Kasussystem umfasst aufgrund der Kombination aus nominaler und konkordialer Kasusmarkierung die Paradigmen verschiedener Wortarten: Personal-, Indefinit-, Reflexiv-, Possessiv-, Interrogativ- und Demonstrativpronomen, Definit- und Indefinitartikel und Adjektive. Jede dieser Wortarten weist – auch abhängig von Genus, Person und Numerus – unterschiedliche Muster von Kasussynkretismus und Distinktion auf (vgl. z. B. die Paradigmen in Tab. 1 und Tab. 2) und trägt damit in unterschiedlichem Ausmaß zur Kasusdistinktion bei. Mit ELLSÄSSER (2020a: 148–152) kann hierbei zwischen zentralen und peripheren Kasusmarkern unterschieden werden. Zentrale Kasusmarker konnten in einer quantitativen Analyse (s. 3.2), als die Wortformen klassifiziert werden, die in gesprochener Sprache signifikant häufig distinkte Kasusmarkierung aufweisen. Periphere Kasusmarker zeigen zwar einen gewissen Anteil an distinkter Kasusmarkierung, treten jedoch signifikant häufig mit synkretischer Kasusmarkierung auf. Als zentrale Kasusmarker konnten in den oberdeutschen Dialekten beispielsweise das Personalpronomen der 1. Person Singular, das Personalpronomen der 3. Person Singular Maskulinum und der maskuline Definitartikel klassifiziert werden. Als periphere Kasusmarker wurden beispielsweise der feminine und neutrale und pluralische Definitartikel, Indefinitartikel, das Personalpronomen der 3. Person im Femininum, Neutrum und Plural sowie das Adjektiv klassifiziert (vgl. ELLSÄSSER 2020a: 149–150). In ELLSÄSSER (2019) und ELLSÄSSER (2020a: 118–135) hat sich die Tendenz abgezeichnet, dass zentrale Kasusmarker zumeist suppletive, periphere Kasusmarker auch flexivische morphologische Strukturen zeigen. Die verschiedenen Wortarten weisen an unterschiedlichen Stellen im Paradigma Kasussynkretismus 3
Hier, wie auch in ELLSÄSSER (2019) und ELLSÄSSER (2020a: 118–135), wo dieser Sachverhalt ausführlich diskutiert wird, orientiere ich mich an der skalaren Definition von Suppletion, wie sie beispielsweise in CORBETT (2007) und spezifisch fürs Deutsche in DAMMEL (2008) begründet ist.
Synkretismus und Distinktion im Syntagma
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und -distinktion auf – die zentralen Kasusmarker neigen stärker zur Distinktion; die peripheren stärker zu Synkretismus –, tragen jedoch alle in bestimmten Kontexten zur Kasusmarkierung bei. Aus syntagmatischer Perspektive bedeutet das, dass der Kasus einer NP an verschiedenen Stellen dieser NP und damit unter Umständen auch redundant markiert werden kann. Die verschiedenen Paradigmen der kasusmarkierenden Wortarten stehen nicht isoliert, sondern können im Syntagma miteinander interagieren. Synkretismus im Paradigma einzelner Wortarten führt damit nicht unbedingt zu einer formalen Unterspezifizierung von Kasus, sondern kann, je nach vorhandenen weiteren Wortarten, innerhalb der Nominalphrase ausgeglichen werden. In diesem Fall wäre Synkretismus als ökonomischer Prozess zu klassifizieren, der redundante Kasusmarkierung innerhalb der Nominalphrase abbaut – ähnlich, wie dies etwa bei der Monoflexion von Indefinitartikeln und Adjektiven geschieht (vgl. RONNEBERGERSIBOLD 1996: 317). ASKEDAL (2001: 1629), der von einer Ökonomisierung des deutschen Kasussystems ausgeht, bezieht sich auf eben diese Interaktion von Paradigmen auf Ebene der Nominalphrase. Arbeiten, die eher von einem Verlust der Kategorie Kasus ausgehen (wie beispielsweise HOTZENKÖCHERLE 1962) konzentrieren sich zumeist eher auf die Paradigmen einzelner kasustragender Wortarten, wie beispielsweise dem Nomen, das im Neuhochdeutschen als peripherer Kasusmarker klassifiziert werden müsste, und nehmen diese komplexe Interaktion verschiedener Paradigmen zumeist nicht in den Blick. In diesem Beitrag werden nun beide Ansätze berücksichtigt und zunehmend um einen Blickwinkel erweitert: Neben der Kasusdistinktion im Paradigma und innerhalb der NP wird in dieser Arbeit auch die Kasusdistinktion auf Satzebene in Blick genommen, um die konkrete Funktionsfähigkeit der Kategorie Kasus in den untersuchten Systemen zu analysieren: Die Kategorie Kasus dient (neben anderen Mechanismen, wie bestimmten Stellungsvarianten, Belebtheitsregularitäten und der Kongruenz des Subjekts mit einem flektierten Verb) der Markierung der Argumentstruktur. Ihre Funktion ist es also, die semantischen Relationen auf Satzebene distinkt zu markieren. Dies muss jedoch nicht notwendigerweise durch eine distinkte Kasusmarkierung innerhalb einer Nominalphrase passieren. Strukturen, wie beispielsweise die differenzielle Objektmarkierung (vgl. z. B. COMRIE 1981: 120– 129; AISSEN 2003) zeigen, dass ein ökonomisches Sprachsystem durchaus nur ein Argument auf Satzebene distinkt markieren und dennoch Ambiguitäten vermeiden kann. Synkretismus, der sowohl innerhalb eines Paradigmas als auch innerhalb einer Nominalphrase auftritt, kann also durchaus durch die distinkte Kasusmarkierung eines anderen Arguments auf Satzebene ausgeglichen werden, ohne dass die Kategorie Kasus ihre Funktionsfähigkeit einbüßt. 2.3
Vom Paradigma ins Syntagma
Dieser Beitrag geht nun der Hypothese nach, dass ein Großteil der im untersuchten oberdeutschen System auftretenden paradigmatischen Synkretismen auf syntagmatischer Ebene (innerhalb der NP oder auf Satzebene) durch weitere distinkte
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Sophie Ellsäßer
Kasusmarkierungen ausgeglichen wird. Im untersuchten System ist Kasussynkretismus – so die Annahme – also ein Zeichen für eine Ökonomisierung des Systems. Er führt nicht zum Verlust der Kategorie Kasus und ihrer Funktionsfähigkeit, sondern zum Abbau morphosyntaktischer Redundanzen, die durch die Eigenschaft des Deutschen, Kasus an verschiedenen Wortarten zu markieren, ausgelöst worden sind. Die frequenzbasierte Analyse der untersuchten Daten aus paradigmatischer Perspektive zeigt, dass insbesondere die Wortformen zu den zentralen Kasusmarkern gezählt werden, die ohne weitere Wortformen stehen und z. B. allein eine Pronominalphrase bilden können. Dies lässt darauf schließen, dass sich Synkretismus und Distinktion innerhalb von Kasusparadigmen in den untersuchten Systemen tatsächlich zu einem gewissen Teil an syntagmatischen Interaktionen zu orientieren scheinen. 3 3.1
STICHPROBE IM OBERDERDEUTSCHEN Kasusparadigmen in den deutschen Dialekten
In den hochdeutschen Dialekten im Binnensprachgebiet lässt sich von einem Dreikasussystem ausgehen, das maximal Nominativ, Akkusativ und Dativ unterscheidet. Der Genitiv tritt bis auf wenige relikthafte Wendungen lediglich in höchstalemannischen Varietäten auf, ist ansonsten als synthetischer Kasus geschwunden und wird durch Dativperiphrasen ausgedrückt (vgl. SHRIER 1965: 421; KOSS 1983). Die drei verbliebenen Kasus weisen abhängig von Person, Numerus und Genus unterschiedliche Formen von Synkretismus auf: Während die 1. und 2. Person im Singular volle Distinktion der Kasus zeigen, weisen sie im Plural Synkretismus von Akkusativ und Dativ auf. In der 3. Person zeigt sich hingegen Synkretismus von Nominativ und Akkusativ in Femininum, Neutrum und Plural – hier ist die volle Distinktion aller drei Kasus lediglich im Maskulinum enthalten (SHRIER 1965). Traditionell werden die Synkretismen in maskulinen Kasusparadigmen zur kasusmorphologischen Einteilung der deutschen Dialekte herangezogen. Die Dialekte werden dahingehend klassifiziert, welches Muster der Synkretismus im Maskulinum zeigt, welche Kasus also zusammenfallen, und bei welcher Wortart der Synkretismus auftritt (vgl. z. B. SHRIER 1965; ROWLEY 1997; ROWLEY 2004; ELLSÄSSER 2020a). Charakteristisch für die zentral- und westoberdeutschen, wie auch für einige mitteldeutsche Dialekte, ist ein Synkretismus von Nominativ und Akkusativformen im Maskulinum analog zu den anderen Kategorien der 3. Person – ein Muster, das teilweise als „Rheinischer Akkusativ“ beschrieben wird (HILDEBRAND 1869; ROWLEY 2004). Der Kasussynkretismus im Maskulinum scheint sich entlang unterschiedlicher Wortarten im Raum zu vollziehen (3): Während die suppletiveren Wortarten – allen voran das maskuline Personalpronomen – nahezu im gesamten oberdeutschen
Synkretismus und Distinktion im Syntagma
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Gebiet volle Distinktion zeigen, finden sich für das wenig-suppletive, eher flexivische maskuline Adjektiv nur noch in einem kleinen Reliktgebiet im nördlichen Zentrum des Oberdeutschen distinkte Formen. (3)
PersPron > DefArt > IndefArt > DemPron > Adjektiv
Verglichen mit dem standarddeutschen System, wo das Maskulinum keinen Kasussynkretismus zeigt, weisen die oberdeutschen Dialekte also tendenziell mehr paradigmatischen Synkretismus auf. Während die Systeme im zentralen Reliktgebiet verhältnismäßig nahe am konservativen standarddeutschen Kasussystem liegen, nimmt die Menge an paradigmatischen Synkretismen nach Süden und Südwesten hin zu (vgl. ELLSÄSSER 2020a: 181–191).4 Selbst innerhalb der oberdeutschen Dialekte gibt es also unterschiedliche paradigmatische Voraussetzungen, die sich unter Umständen auf die syntagmatischen Interaktionen auswirken können. 3.2
Datengrundlage zur Tiefenbohrung
Die Materialien, die diesem Artikel zugrunde liegen, stammen aus einer umfangreichen, frequenzbasierten Analyse von Kasusmarkierung in gesprochenen oberdeutschen Daten aus Baden-Württemberg und Bayerisch-Schwaben (ELLSÄSSER 2020a). Die Daten entstammen also sowohl dem zentralen Reliktgebiet, das noch relativ viel Kasusdistinktion in maskulinen Kategorien zeigt als auch innovativeren, peripheren Gebieten, die auch im Maskulinum Synkretismus von Nominativ und Akkusativ aufweisen.5 Grundlage bilden Transkripte von insgesamt 72 Tonaufnahmen, die in den 1950er bis 1970er Jahren erhoben worden sind (RUOFF 1984). Aus den ca. 114 400 Wortformen wurde ein Korpus im Umfang von 24 305 Wortformen erstellt, das alle auftretenden Personal-, Demonstrativ-, Possessiv-, Indefinit- und Reflexivpronomen, definite und indefinite Artikel sowie Adjektive im Ausgangsmaterial enthält, wo also nahezu alle Wortarten vertreten sind, die im untersuchten System Kasus markieren können. Die Daten des Gesamtkorpus entstammen 65 verschiedenen Erhebungsorten. Eines der Transkripte, das sich durch seinen großen Umfang auszeichnet, wurde für die Tiefenbohrung in diesem Beitrag herausgegriffen und in 3.3 exemplarisch analysiert. Die Transkripte in RUOFF (1984) basieren auf dialektalen bis regiolektalen initiierten Erzählmonologen, bieten also einen Einblick in die natürlich gesprochene Sprache. Jede Wortform wurde in der Analyse isoliert sowie im jeweiligen morphosyntaktischen und semantischen Kontext analysiert. Auf Grundlage aller 4 5
Grobe Abbildungen zur geographischen Gliederungen finden sich bei SHRIER (1965) und RAUTH (2016). Aussagen zu Komplexität der geographischen Verhältnisse in ELLSÄSSER (2020a: 156–181). In den Daten finden sich auch maskuline Formen, die einen Synkretismus von Akkusativ und Dativ zeigen – ein Phänomen, auf das an dieser Stelle jedoch nicht weiter eingegangen wird. Vertiefendinformationen dazu finden sich in ROWLEY (2004), DAL (1971b) und ELLSÄSSER (2020a: 184).
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Wortformen eines Transkripts wurden Paradigmen rekonstruiert, die es wiederum ermöglichen, jede einzelne Wortform nach Kasussynkretismus und -distinktion zu klassifizieren. Grundlage war dabei die synchrone Synkretismusdefinition (BAERMAN / BROWN / CORBETT 2010), nach der eine Wortform dann im Paradigma als synkretisch klassifiziert wird, wenn kein formaler Unterschied zu einer anderen paradigmatischen Zelle, die sich im Kasus unterscheidet, gegeben ist (ELLSÄSSER 2017 und ELLSÄSSER 2020a: 69–72). Anhand dieser Klassifikation auf Wortebene lässt sich Kasussynkretismus in den Daten quantifizieren. So ist es beispielsweise möglich, alle Belege einer Wortart innerhalb eines Transkripts zu beziffern und deren quantitativen Anteil an synkretischen bzw. distinkten Formen exakt zu benennen.6 Die Teilsysteme der Erhebungsorte sind im Untersuchungsgebiet aus paradigmatischer Perspektive also vollständig erschlossen und ermöglichen sogar quantitative Aussagen über bestimmte synkretische Tendenzen (ausführlich in ELLSÄSSER 2020a: 109–118). In den spontansprachlichen Daten in RUOFF (1984) stehen diese Paradigmen jedoch nicht isoliert. Vielmehr sind die verschiedenen, nun paradigmatisch annotierten Wortformen in den morphosyntaktischen und semantischen Kontext eingebettet, was einen großen Vorteil gegenüber anderen Datentypen (z. B. Paradigmen in Orts- und Dialektgrammatiken oder den Ergebnissen von Fragebogenuntersuchungen) darstellt. Die Daten ermöglichen also eine vertiefende syntagmatische Analyse des paradigmatisch erschlossenen Korpus. Diese Analyse wird in 3.3 anhand eines stichprobenhaften Ausschnitts illustriert, der erste Erkenntnisse zur Interpretation von Kasussynkretismus im untersuchten Gebiet liefert und das methodische Vorgehen einer syntagmatischen Analyse gesprochensprachlicher Daten exemplarisch darstellt. 3.3
Ergebnisse
Aus dem oben angeführten Korpus wird für diesen Beitrag eine kleinere Stichprobe entnommen, die zur vertiefenden Analyse aus syntagmatischer Perspektive herangezogen werden kann.7 Herausgegriffen werden dabei die Daten eines Ortes, an dem ein besonders langes Transkript und damit besonders viele Belege vorliegen. Aus Alfdorf bei Schwäbisch Gmünd (RUOFF 1984: 156–170) stammt das längste vorhandene Transkript aus RUOFF (1984), das in ca. 7 000 Wortformen 1 615 für die Kasusmarkierung relevante Wortformen aufweist. Der Ort liegt in einem Raum im zentralen Reliktgebiet des Oberdeutschen, in dem das Maskulinum noch bei nahezu jeder Wortart8 volle Kasusdistinktion zeigt, wo also 6 7 8
Für umfassende Darstellungen zu Datengrundlage und Methode siehe ELLSÄSSER (2017) und ELLSÄSSER (2020a: 57–107). Die folgende Pilotstudie stellt eine vertiefende Ausarbeitung der Analyse aus ELLSÄSSER (2020a: 207–214) dar. Personalpronomen (87 Formen, bei denen Nominativ, Akkusativ und Dativ distinkt markiert sind), Demonstrativpronomen (78 Formen, bei denen die Kasus distinkt markiert sind),
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vergleichsweise wenig Kasussynkretismen auftreten. Für die Analyse wird ein peripherer Kasusmarker ausgewählt: das Adjektiv. Adjektive weisen in den untersuchten oberdeutschen Daten aus paradigmatischer Perspektive einen besonders hohen Synkretismusanteil auf. Ein einheitliches Paradigma zu rekonstruieren ist aufgrund der großen lexikalischen Variation von Adjektiven gegenüber anderen kasustragenden Wortarten in den Daten schwer, eine grobe Übersicht ist jedoch in Tabelle 3 abgebildet. Bei der Annotation der Daten wurde nicht zwischen stark und schwach flektierten Adjektiven unterschieden; Tabelle 3 führt jedoch nur starke Adjektivformen auf, für die ein vollständiges Paradigma erstellt werden konnte. Kasus Nominativ Akkusativ Dativ
Maskulinum oina/ganzer/ganze ganza/ganze olfda
Femininum falscha andara schlächda
Tab. 3: Paradigma starker Adjektive aus Alfdorf / Schwäbisch Gmünd (Neutrum unvollständig belegt)
Selbst im Maskulinum treten hier ausschließlich synkretische Formen auf. Es kann entweder ein Akkusativ-Dativ-Synkretismus oder sogar totaler Synkretismus aller drei Kasus rekonstruiert werden. Im Transkript von Alfdorf finden sich 8 Belege für eine distinkte Nominativform, die von synkretischen Akkusativ- und Dativformen unterschieden wird, und 36 Belege für synkretische Nominativformen, an denen kein Kasus mehr distinkt markiert wird (zur Rekonstruktion der Paradigmen s. ELLSÄSSER 2020a: 104–106). Auf Grundlage der Analyse wird der Frage nachgegangen, inwiefern die zahlreichen beim Adjektiv auftretenden paradigmatischen Synkretismen durch Kasusmarkierung an weiteren Wortarten innerhalb der NP oder auf Satzebene ausgeglichen werden können, oder ob diese zu einem großen Anteil an Ambiguitäten und damit zu einem Funktionsverlust der Kategorie Kasus führen. Das Teilkorpus, das dazu erstellt wurde, enthält die folgenden Daten:
Definitartikel (165 Formen, bei denen die Kasus distinkt markiert sind) und zum Teil Indefinitartikel (23, bei denen die Kasus distinkt und 50, bei denen sie synkretisch markiert sind – hier zeigt sich intrasystematische Variation, vgl. ELLSÄSSER 2020b).
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Wortart gesamt Adjektive
Anzahl Kasusformen distinkt 1 615 907 118 8
synkretisch 581 91
unsicher9 127 19
Tab. 4: Datenübersicht Transkript Alfdorf bei Schwäbisch Gmünd in RUOFF (1984)
Das Adjektiv zeigt eine durchschnittliche Distinktionsquote von 8,9%. Die Distinktionsquote entspricht dem Anteil an distinkten Wortformen relativ zur Gesamtmenge der Wortformen im Korpus. Ein Großteil der Adjektivformen ist damit synkretisch, dennoch trägt die Wortart zu einem kleinen Teil (mit 8 distinkten Nominativbelegen) zur paradigmatischen Kasusdistinktion im Untersuchungsgebiet bei, wie etwa in (4). (4)
Allerdengs koi ganzer_DIST Sembel ben i au nedda. ‘Allerdings bin ich auch kein vollkommener Dummkopf.’ (RUOFF 1984: 159)
29 der synkretischen Belege werden durch weitere, distinkte Kasusmarker innerhalb derselben NP ausgeglichen. Dies entspricht ca. 32% der untersuchten Belege. Das folgende Beispiel illustriert diesen syntagmatischen Ausgleich innerhalb der NP, der dem Konzept in ASKEDAL (2001) entspricht. (5)
dr_DIST eldschde_SYN Sõh isch Profässer en Leipzig. ‘Der älteste Sohn ist Professor in Leipzig.’ (RUOFF 1984: 162)
In (5) tritt zwar eine synkretische Adjektivform auf, innerhalb derselben NP findet sich aber ein maskuliner Definitartikel, der im zentralen Reliktgebiet alle drei Kasus distinkt markiert, wie das folgende rekonstruierte Paradigma zeigt. Kasus
Maskulinum
Nominativ Akkusativ Dativ
dr/där en/da/den dem/em
Tab. 5: Paradigma des maskulinen Definitartikels aus Alfdorf bei Schwäbisch Gmünd
Aus syntagmatischer Perspektive ist der Kasus der NP trotz der synkretischen Adjektivform distinkt markiert. Eine zusätzliche, distinkte Adjektivform hätte hier also eine redundante Kasusmarkierung dargestellt. 9
Es waren nicht genug Wortformen bzw. nicht genug Kontext vorhanden, um die jeweiligen Wortformen an der entsprechenden Stelle des Paradigmas zu verorten oder um die Wortform exakt zu klassifizieren.
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49 und damit ca. 54% der gesamten synkretischen Belege zeigen Wortarten mit distinkter Kasusmarkierung auf Satzebene, wie etwa in Beispiel 6a und 6b. (6)
a. Villeicht kã mr_DIST a_SYN andara_SYN Wies verkaufa zu Bouplätz. ‘Vielleicht kann man eine andere Wiese für Bauplätze verkaufen.’ (RUOFF 1984: 160) b. aber där_DIST isch en a Odugend nãikomma on håt da_DIST ganza_SYN Hof versoffa. ‘Aber der ist in eine Untugend hineingekommen und hat den ganzen Hof versoffen.’ (RUOFF 1984: 162)
In 6a wird die synkretische Adjektivform zwar nicht durch eine distinkte Wortform innerhalb derselben NP ausgeglichen, der Kasus der NP wird also nicht distinkt markiert, dennoch kommt es auf Satzebene nicht zu Ambiguitäten. Das Indefinitpronomen man stellt eine distinkte Nominativform dar, sodass diese Pronominalphrase eindeutig als Subjekt und die synkretische NP, die das Adjektiv enthält, damit als Objekt identifiziert werden kann. Auch in diesem Satz zeigt sich trotz der synkretischen Formen also kein Funktionsverlust von Kasus. Wie in 6b illustriert, werden synkretische Belege häufig sowohl innerhalb der NP als auch auf Satzebene ausgeglichen. Bezüglich der Markierung der Argumentstruktur durch distinkte Kasusmarkierung ergeben sich also auf syntagmatischer Ebene trotz der in jedem Satz vorhandenen synkretischen Kasusmarkierungen noch durchaus Redundanzen. Durch die vereinzelten Fälle von paradigmatisch distinkter Kasusmarkierung sowie die häufigen Fälle von Kasusdistinktion innerhalb der NP und auf Satzebene wird in ca. 70% der stichprobenhaft untersuchten Sätze die Argumentstruktur rein auf Grundlage von Kasusmarkierung erfolgreich markiert. Obwohl für diese Stichprobe also ein peripherer Kasusmarker mit einem hohen Anteil an Kasussynkretismus ausgewählt wurde, wird die Funktion der Kategorie Kasus in einem Großteil der Belege erfüllt. Dieses Ergebnis untermauert die Beobachtung, die RABANUS (2008: 261–271) für den Minimalsatz, bestehend aus Pronomen und finitem Verb, beschreibt, auch in größerem Satzzusammenhang: Es scheint ein Bedürfnis nach morphologisch distinkter Markierung grammatischer Merkmale – in diesem Fall von Kasus – zu geben, das steuernd in Synkretismustendenzen eingreift (vgl. RABANUS 2008: 269). Zwar tritt Kasussynkretismus an vielen Stellen im System auf, in den meisten Fällen wird aber ein Minimum der kasusmorphologischen Markierung (in Paradigma oder Syntagma) erhalten. Wirft man nun einen Blick auf die 21 Belege, in denen der paradigmatische Synkretismus nicht durch weitere Kasusmarker im Syntagma ausgeglichen wird, fällt zunächst der hohe Anteil an intransitiven Sätzen und prädikativen Konstruktionen auf. 23% der Belege sind in Sätzen, die zwar nicht durch Kasusmarkierung disambiguiert werden können, die aber intransitive oder Passivsätze oder prädikative Konstruktionen darstellen, in denen eine Disambiguierung der semantischen Relationen durch morphosyntaktische Marker nicht notwendig ist.
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Lediglich 10 und damit 7% der untersuchten Belege finden sich tatsächlich in strukturell ambigen Sätzen. Diese zeigen jedoch fast10 alle eindeutige Belebtheitsregularitäten, wie etwa in Beispiel (7) illustriert. (7)
mãi_SYN Muader håt koi_SYN Zeit et gheet ‘Meine Mutter hat keine Zeit (nicht) gehabt.’ (RUOFF 1984: 157)
Zwar weist keine der beiden NPs in diesem Satz eine distinkte Kasusmarkierung auf, der Kontext, in dem ein menschlicher und ein abstrakter Referent auftreten, sowie die Serialisierung S>O lassen jedoch keine Unsicherheit bezüglich der Argumentstruktur zu. Die kurze, stichprobenhafte Analyse lässt für das oberdeutsche Kasussystem der Ortschaft Alfdorf eher eine Ökonomisierung der Kasusmarkierung als einen Verlust der Kategorie Kasus annehmen. In einem Großteil der Kontexte können paradigmatische Synkretismen selbst bei einer Wortart, die aufgrund ihres hohen Synkretismusanteils den peripheren Kasusmarkern zugeordnet wurde, durch weitere Kasusmarker im Syntagma ausgeglichen werden. Die wenigen Kontexte, in denen dieser Ausgleich nicht stattfindet, führen nicht zu Ambiguitäten bezüglich der Argumentstruktur. Kasus ist damit allen paradigmatischen Synkretismen zum Trotz im untersuchten System als vollkommen funktionsfähige Kategorie zu klassifizieren, was DAL (1971b), DÜRSCHEID (2007) und ASKEDAL (2001) bestätigt. Synkretismus hat hier nicht zum Verlust von Kasus geführt, sondern zu einem Abbau kasusmorphologischer Redundanzen. Dabei scheint es ein morphologisches Minimum (vgl. RABANUS 2008: 269) der Kasusmarkierung zu geben, das im untersuchten System nicht willkürlich unterschritten wird. 3.4
Vergleich zu anderen Systemen
Das hier stichprobenhaft untersuchte System stammt aus einem Gebiet, das, wie bereits in 3.3 ausgeführt, gegenüber anderen oberdeutschen Systemen vergleichsweise wenig Synkretismus zeigt. Synkretische Wortformen, wie das oben in den Fokus gestellte Adjektiv, können hier durch verschiedene distinkte Wortformen auf syntagmatischer Ebene ausgeglichen werden. Andere oberdeutsche Gebiete, in denen mehr maskuline Wortarten zu Synkretismus neigen, haben andere paradigmatische Voraussetzungen und können Kasussynkretismus auf syntagmatischer Ebene damit womöglich schlechter ausgleichen. Eines dieser Systeme, die auch im Maskulinum Synkretismus von Nominativ und Akkusativ aufweisen, stellen BAECHLER / PRÖLL (2018) vor. Sie untersuchen eine ähnliche Fragestellung für ein höchstalemannisches System – dem der Ortschaft Visperterminen. Ziel der Arbeit ist zu klären, inwiefern Kasussynkretismus 10 Dies gilt lediglich für 2 Belege nicht. Diese können jedoch als Fremdwörter bzw. fachsprachliche Ausdrücke klassifiziert werden und gehören vermutlich nicht zum alltäglichen Wortschatz des Sprechers, wie in ELLSÄSSER (2020a: 212).
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am Nomen durch andere Marker innerhalb der NP, vornehmlich durch Adjektive, definite und indefinite Artikel, ausgeglichen wird. Dabei konnte, abgesehen von einigen Fällen im Dativ, kein solcher Ausgleich attestiert werden (BAECHLER / PRÖLL 2018: 20–21). Kasussynkretismus scheint in dem von BAECHLER / PRÖLL (2018) untersuchten Gebiet tatsächlich in einem gewissen Umfang zum Verlust der Kasusdistinktion auch auf Ebene des Syntagmas und damit möglicherweise zu einem gewissen Funktionsverlust der Kategorie Kasus zu führen. BAECHLER / PRÖLL (2018) begründen ihre Aussagen zu diesem System auf der Grammatik von WIPF (1910). Beispielhaft zeigt Tabelle 6 das Paradigma des maskulinen Definitartikels in Visperterminen, das im Gegensatz zum System von Alfdorf / Schwäbisch Gmünd (Tab. 5) auch im Maskulinum Synkretismus von Nominativ und Akkusativ aufweist, dafür aber neben distinkten Dativformen auch noch distinkte Genitivformen zeigt. Kasus Nominativ Akkusativ Dativ Genitiv
Maskulinum dr dm ds
Tab. 6: Paradigma des maskulinen Definitartikels aus Visperterminen nach WIPF (1910: 141) und BAECHLER / PRÖLL (2018: 20)
Die Kasusdistinktion ist an dieser Stelle also sogar differenzierter als die des Systems von Alfdorf (vgl. Tab. 5). Diese Form der Differenzierung ist jedoch nicht direkt mit der von BAECHLER / PRÖLL (2018) primär untersuchten Markierung von Nominativ und Akkusativ zu vergleichen. Im Gegensatz zu Nominativ und Akkusativ (sowie teilweise zum Dativ) dient der Genitiv im Deutschen kaum noch zur Markierung von Argumenten, sondern trägt meist lediglich zur Possessivmarkierung bei (vgl. MIRONOW 1957: 393), erfüllt also eine andere Funktion im Sprachsystem als die anderen Kasus. Obwohl sie ebenfalls ein oberdeutsches System fokussiert, unterscheidet sich die Studie in zweierlei Hinsicht von der hier angestellten Analyse: Methodisch basiert die Analyse auf einer Rekonstruktion syntagmatischer Strukturen auf Grundlage sekundärer Datenquellen. Anhand von Paradigmen verschiedener Wortarten in Ortsgrammatiken wurden hier quasi-syntagmatische Relationen rekonstruiert. Die Analyse beruht also auf einer doppelten Abstraktion: Die Paradigmen in den Ortsgrammatiken stellen zumeist eine Abstraktion der tatsächlichen sprachlichen Wirklichkeit bzw. der gesprochensprachlichen Daten dar. Auf Grundlage dieser isoliert angelegten Paradigmen wird wiederum ein Syntagma rekonstruiert, das nicht unbedingt dem ursprünglichen Syntagma gesprochensprachlicher Daten entsprechen muss: Möglicherweise relevante Variationsformen können bei der Abstraktion verlorengegangen sein. Inwiefern semantische oder morphosyntaktische Interaktionen auf Satzebene eine Rolle spielen und die Synkretismen im Maskulinum durch distinkte Formen
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der 1. und 2. Person ausgeglichen werden, kann aus dieser Datengrundlage nicht erschlossen werden. Die Ergebnisse sind also nicht unbedingt direkt mit den Ergebnissen dieser Arbeit vergleichbar. Nichtsdestoweniger ist es durchaus realistisch, dass es sich beim höchstalemannischen System, das BAECHLER / PRÖLL (2018) untersuchen, tatsächlich um ein Verlustgebiet in gewissem Umfang handelt, das sich nicht nur auf Ebene der paradigmatischen, sondern auch auf Ebene der syntagmatischen Kasusmarkierung von dem in 3.3 untersuchten System unterscheidet. Ein Indiz dafür stellen die paradigmatischen Eigenschaften des Gebiets dar. Diese weichen deutlich vom hier analysierten System ab: Nominativdistinktion ist bei den maskulinen Wortarten hier deutlich weniger erhalten. Große Teile des Systems zeigen Nominativ-Akkusativsynkretismus. Der Kasussynkretismus auf paradigmatischer Ebene ist damit an dieser Stelle deutlich weiter fortgeschritten als im hier untersuchten System, in dem nahezu alle maskulinen Wortformen volle Distinktion erhalten haben, während Kasusdistinktion an anderer Stelle – namentlich beim Genitiv – gegenüber anderen Systemen sogar überwiegt. Die Distinktion von Nominativ und Akkusativ wird hier nur noch von der 1. und 2. Person getragen, was jedoch zeigt, dass das System von einem vollständigen Verlust der Kasus Nominativ oder Akkusativ im Sinne DÜRSCHEIDS (2007) noch entfernt ist. Es ist also denkbar, wenn auch noch näher zu analysieren, dass das von BAECHLER / PRÖLL (2018) untersuchte System eine kritische Grenze überschritten hat, nach der bestimmte paradigmatische Kasussynkretismen nicht mehr auf syntagmatischer Ebene ausgeglichen werden können, wo also tatsächlich ein Funktionsverlust der Kategorie Kasus – zumindest in der 3. Person – droht. Mit WERLEN (1990) wird häufig darauf verwiesen, dass die alemannischen Dialekte diesen Verlust durch eine feste Serialisierung ausgleichen würden. Tatsächlich kann die neurolinguistische Studie von DRÖGE et al. (2020: 265) eine starke Präferenz von Subjekt-Objekt- gegenüber der Objekt-Subjekt-Abfolgen im Zürichdeutschen nachweisen, was die These von WERLEN (1990) erstmals auch empirisch stützt. Inwiefern diese Präferenz global, auch außerhalb von Laborbedingungen Gültigkeit hat, und tatsächlich auf einen Ausgleich der verstärkten Nominativ-Akkusativ-Synkretismen im Alemannischen zurückzuführen ist, gilt es jedoch noch näher zu untersuchen (vgl. DRÖGE et al. 2020: 282). 3.5
Verlust oder Ökonomie? Perspektiven für Dialektologie und Regionalsprachenforschung
Die unterschiedlichen paradigmatischen Tendenzen, die für die deutschen Dialekte beschrieben werden können (z. B. SHRIER 1965), legen unterschiedliche syntagmatische Interaktionsstrukturen in den verschiedenen Gebieten nahe. Die unterschiedlichen Erkenntnisse, die die Analysen in dieser Arbeit und in BAECHLER / PRÖLL (2018) gewonnen haben, können trotz methodischer Unterschiede als erstes Indiz dafür gewertet werden, dass Kasussynkretismen selbst in verschiedenen Systemen des Oberdeutschen unterschiedliche Folgen haben: Je nach paradigmatischen
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Voraussetzungen lassen sich Ökonomisierung und Verlust des Kasussystems (oder seiner Teile) vermuten. Der Ausbau der paradigmatischen Kenntnisse zu dialektalen Kasussystemen in den letzten Jahren ermöglicht es, eben diese Folgen von Kasussynkretismen in den verschiedenen Dialekten empirisch zu untersuchen und so die angeführten Interpretationsansätze für verschiedene Regionen zu überprüfen. Möglicherweise ist es so auch möglich, einen kritischen Punkt zu bestimmen, an dem ein Ökonomisierungsprozess in eine Verlusttendenz umschlägt. Die illustrative Analyse konnte zeigen, welche Möglichkeiten sich hier aus spontansprachlichen Daten ergeben, die in unterschiedlicher Form für verschiedene Dialekte bereits vorliegen (z. B. als Zusatzmaterial aus Atlasprojekten wie dem „Südwestdeutschen Sprachatlas“ oder aus groß angelegten Aufnahmeaktionen wie denen zum Zwirner- oder Pfeffer-Korpus). Kasus in standardnäheren Sprechlagen, wie etwa den Regiolekten, ist bislang noch kaum untersucht. Hier wäre es unter Umständen denkbar, Analysen von Anfang an auf die Kombination einer paradigmatischen und syntagmatischen Perspektive zuzuschneiden. Für das Standarddeutsche liegen zwar beispielsweise mit RONNEBERGER-SIBOLD (1996) und RONNEBERGER-SIBOLD (2010) schon Untersuchungen zur NP vor, eine quantitative Analyse von Kasussynkretismus und -distinktion, wie sie hier vorgestellt wurde, steht jedoch noch aus. In der Analyse konnte gezeigt werden, dass sich eine Annotation auf Ebene einzelner Wortarten zur späteren Quantifizierung anbietet. Für die Interpretation von Kasussynkretismus in einzelnen (dialektalen) Systemen ist es zudem relevant, die Eigenschaften der deutschen Kasusmarkierung zu berücksichtigen – insbesondere die Kombination aus verschiedenen nominalen und konkordialen Markern, die im entsprechenden System auftritt. Eine Untersuchung von Kasussystemen, die eine Interpretation von Synkretismustendenzen zum Ziel hat, sollte alle oder zumindest möglichst viele kasustragende Wortarten in den Blick nehmen und sich nicht nur auf die in rein flektierenden Sprachsystemen üblichen Kasusmarker (z. B. Nomen) konzentrieren. 4
FAZIT
Diese Arbeit hat neben der paradigmatischen auch eine syntagmatische Perspektive auf Kasusmarkierung im Deutschen eingenommen und konnte so die Folgen von Kasussynkretismus empirisch basiert aufzeigen und interpretieren. Die Daten der Analyse haben gezeigt, dass Kasus im untersuchten oberdeutschen System eine erstaunlich stabile Kategorie darstellt. Die zahlreichen paradigmatischen Synkretismen scheinen nicht zu einem partiellen Funktionsverlust oder zu einem globalen Verlust der Kategorie Kasus (vgl. HOTZENKÖCHERLE 1962; RABANUS 2019) zu führen. Vielmehr hat sich ein eigenes, ökonomisches System der Kasusmarkierung entwickelt. Die oben angeführten Synkretismen, die sich insbesondere in den Dialekten, aber teilweise auch in der Standardsprache zeigen, tragen offenbar zu weiten Teilen zu einem Abbau von verbliebenen kasusmorphologischen Redundanzen im System bei.
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Dabei kann die hier vorgestellte Analyse lediglich als Pilotstudie gesehen werden, die es unter Einbezug aller kasustragenden Wortarten und in einem größeren Gebiet zu wiederholen und zu vertiefen gilt. Gesprochene, spontansprachliche Daten, wie sie für den gesamten deutschsprachigen Raum zur Verfügung stehen, haben sich hier als vielversprechende Grundlage erwiesen. Ein frequenzbasiertes Vorgehen auf Basis einzelner Wortformen konnte empirisch verlässliche Aussagen liefern und kann daher für weitere Untersuchungen empfohlen werden. Dabei gilt es noch verschiedene Fragen zu klären, die in 3.5 angerissen wurden. Vergleichende Arbeiten würden in jedem Fall einen wertvollen Beitrag zur Einordnung verschiedener paradigmatischer Synkretismustendenzen in den unterschiedlichen Varietäten des Deutschen und damit eine verlässliche Antwort auf die Frage nach den Folgen fortschreitender Kasussynkretismen im Deutschen und seinen Dialekten bieten.
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Synkretismus und Distinktion im Syntagma
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THE POSSESSOR LINKING CONSTRUCTION IN MIDDLE LOW GERMAN AND ALEMANNIC Hannah Booth / Alexandra Rehn 1
INTRODUCTION
The possessive construction in (1), which we refer to as the Possessor Linking Construction (PLC), is exhibited across a wide range of modern Germanic varieties and has attracted a good deal of interest in the syntactic literature (e.g. GROHMANN / HAEGEMAN 2003; HAEGEMAN 2004; ROEHRS 2005, 2020; STRUNK 2005; STRUNK 2004). (1)
a. den Pasturn sien ole(n) Hoot the.OBL priest his old(WK) hat ‘the priest’s old hat’ (Low German, BERG 2013: 36) b. em Vater sin the.MASC.DAT father his ‘(the) father’s seat’
Platz seat (Alemannic)
The diachronic background of the construction has also received treatment, especially in the context of High German (GRIMM 1837; PAUL 2007; WEISS 2012), Norwegian (NORDE 2012; PERRIDON 2003) and Dutch (BURRIDGE 1990; HENDRICKS 2012), as has a related construction attested in early English, the so-called his-genitive (see e.g. ALLEN 1997, 2002; LORIDO / NÚÑEZ 2017: 47; SHINKAWA 2013). However, there remains no general consensus on the origin of the PLC. For German, for instance, there are two main hypotheses. On the one hand, there is what we refer to as the dative hypothesis, which assumes that the PLC emerged from an external dative construction via reanalysis and is widely cited in the literature (see e.g. BEHAGHEL 1923–1932; FLEISCHER / SCHALLERT 2011; PAUL 2007: 349–350; WEISS 2012; ZIFONUN 2003). On the other hand, certain authors, in particular WEISS (2012), have called into question the validity of the dative hypothesis, suggesting instead that the PLC’s origin lies in the adnominal genitive, an idea which can be traced back to GRIMM (1837: 351–352) and which, following WEISS (2012), we term the genitive hypothesis. As we will show in this paper, investigations in this area are empirically challenging, because historical data is typically sparce owing to the low frequency of the PLC overall in written texts. In order to decide whether the PLC originates from
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Alexandra Rehn / Hannah Booth
a dative or a genitive construction one would ideally have data to show that either there is a period in which there are exclusively dative-marked possessors in the PLC, or a time in which unambiguously genitive-marked possessors are exclusively attested. Despite the extensive research in this area for (historical) High German this empirical requirement is not met. As such, it seems worthwhile to consider other varieties which have been traditionally overlooked. In this paper, we look at novel diachronic and synchronic data from two relatively understudied Continental West Germanic varieties, namely Middle Low German (Middle Low German, c.1250–1650) and modern Alemannic, to try and close this empirical gap. With respect to Middle Low German, we gain insights from corpus data from the recently released Middle Low German component of the “Corpus of Historical Low German (CHLG)” (BOOTH et al. 2020), together with supplementary data from a related resource, the “Referenzkorpus Mittelniederdeutsch/Niederrheinisch (1200–1650) (ReN)” (ReN-Team 2019). With respect to modern Alemannic, we take advantage of available data from dialect surveys conducted as part of the project “Syntax of Alemannic (SynALM)”. The paper proceeds as follows. In Section 2, we survey various possession constructions across synchronic Germanic varieties, with a particular focus on the status and specific properties of the PLC. Section 3 introduces the two Germanic varieties which are the focus of this paper, Middle Low German and modern Alemannic, and their relevant syntactic characteristics in the context of the PLC, together with our data sources. In Section 4, we discuss the origin of the PLC in the light of insights from our data and in relation to the dative- and genitive-hypotheses from the literature, drawing parallels also with a related construction attested in early English, the so-called his-genitive. Section 5 concludes the paper and signals some directions for future work in this area. 2
POSSESSION ACROSS GERMANIC 2.1
Synchronic survey
Possession can be expressed with various constructions across Germanic. The current paper focusses on internal possession, i.e. adnominal constructions in which the possessor and possessum are realised in a complex DP, as in (2). Internal possession comprises a range of constructions that can be found across Germanic. The ordering of the two DPs depends on the specific adnominal construction, as illustrated in (2) a. to (2) d. (2) a. and (2) b. show an adnominal construction that allows the possessor to be pre- or postposed with more restrictions on the former. In (2) c. the possessor is embedded under a PP and is generally but not exclusively postposed, whereas in the Possessor Linking Construction in (2) d. the possessor must precede the possessum. The paper will not discuss in detail external possession as in (3), though this type of possession is nevertheless relevant, as the external dative construction in (3)
33
Possessor Linking Construction
d. is regarded as one possible diachronic source for the Possessor Linking Construction in (2) d., a fact that we will take up in more detail in section 4. (2)
a. Das Auto des Mannes the car the.GEN man.GEN b. Des the.GEN
Mannes man.GEN
Auto car (archaic)
c. Das Auto von dem Mann the car of the.DAT man d. Dem Mann sein Auto the.DAT man his car (3)
a. Der Mann the man
hat has
ein a
Auto car
b. Das Auto gehört dem Mann the car belongs the.DAT man c. Das Auto ist dem Mann the car is the.DAT man (some Alemannic and West Central varieties) d. Der Peter the Peter
wäscht dem Mann das/sein Auto. cleans the.DAT man the/his car
Across Germanic, even more constructions than those given in (2) can be identified, though not all of them are attested in all Germanic languages.1 The overview in table 1 is mainly based on DELSING (1998), but see also DAHL (2015) for a more detailed overview, especially regarding North Germanic varieties. Construction hus-et mitt house-the my mitt hus my house das Haus des Mannes the.NOM house the.GEN man.GEN hus-et till Per house-the to Per 1
Distribution Norw., Ice., Northern Swe. all Germanic languages (North Scand.: when emphatic) Standard Ger., Ice. all Germanic languages (except Dan., Swe., Ice.)
In addition, even if a certain construction is attested, it may of course be the case that it receives different interpretations across different languages or varieties.
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Alexandra Rehn / Hannah Booth
Mutters Haus mother.GEN house mannen-s hus man.GEN house dem Mann sein Haus the.DAT man his house hus-et hans Per house-the his Per
Ice. proper names, Ger. and Faroese also kinship terms Eng., Standard Dan., Swe. and Norw. (group genitive possible) Norw. dialects, Dan. (West Jutlandic), Dutch and Ger. dialects North Swe., Norw., Ice. (proper names and kinship terms)
Tab. 1: Adnominal possession across Germanic
As already mentioned in the introduction, the current paper focusses on the construction in (2) d., which we call the Possessor Linking Construction (PLC). As table 1 shows, the PLC construction is widespread across Germanic but absent from those languages that still productively use adnominal Genitive for expressing possession, see (2) a. and b. above, namely Icelandic and Standard German.2 Norwegian allows both the PLC in (4) a. as well as the PLC construction in (4) b., which is a parallel to that also found in German and Dutch, illustrated again in (5). (4)
a. hus-et hans Per house-the his Per ‘Per’s house’ b. Per sitt hus Per his.REFL house ‘Per’s house’
(5)
a. dem Peter the.DAT Peter
sein Haus his house
b. der Maria ihr the.DAT Maria her
Haus house
The variant of the PLC as given in (5) is common in most non-standard varieties of German with only a few exceptions, e.g. a highest Alemannic variety spoken in the canton of Valais in Switzerland, which has also retained genitive, cf. KASPER (2014). The special properties of the PLC will be discussed in more detail in the next section.
2
Icelandic does however have a variant of the PLC, parallel to the Norwegian construction in (4): (i) hús-ið hans Péturs house-the his Peter.GEN ‘Peter’s house’ (DAHL 2015)
Possessor Linking Construction
2.2
35
The Possessor Linking Construction (PLC)
As mentioned in section 2.1, the Possessor Linking Construction is widely attested across Germanic varieties and has as such attracted attention in the syntactic literature. In this context it has been referred to with a number of different labels, including possessor doubling (e.g. GROHMANN / HAEGEMAN 2003; HAEGEMAN 2004; ROEHRS 2005, 2020), the possessive dative (e.g. BURRIDGE 1990; KASPER 2014; NORDE 2012) or the garpe-genitive (e.g. TORP 1992).3 However, since the construction does not in our view involve doubling in terms of morphosyntactic redundancy, nor has necessarily dative or genitive case-marking, nor is necessarily a contact phenomenon in all Germanic varieties, we prefer the label Possessor Linking Construction (PLC);4 see KOPTJEVSKAJA-TAMM (2003), STRUNK (2004, 2005) and DAHL (2015) for similar terminology. Attested constructions in early English texts which appear at least superficially similar to the PLC have been referred to as the his-genitive (e.g. ALLEN 2002; JANDA 1980) or the separated genitive (e.g. LORIDO / NÚÑEZ 2017), as we discuss in detail in section 4.4. In order to make our own terminology clear, we will use the following terms throughout to refer to the various components of the PLC. The first DP, dem Mann in (6), we will refer to as the possessor-DP and the second DP, sein Auto in (6), we will call the possessumDP. For the sein element within this possesum-DP, we adopt the neutral term possessive element. (6)
dem Mann the.DAT man ‘the man’s car’
sein Auto his car
As pointed out by WEISS (2008: 384), the possessor-DP is typically marked for the most oblique case available. As such, in Germanic varieties which have a threecase system, the possessor-DP is marked for dative; in those varieties with only a two-case system, e.g. modern Low German dialects, the possessor-DP is marked for non-nominative case, e.g. (7), cf. BERG (2013). The possessum-DP is marked for the case that the whole DP is assigned at sentence-level, and the ordering is strictly possessor-possessum. (7)
den Pasturn sien ole(n) Hoot the.NON-NOM pastor his old(NON-NOM) hat ‘the pastor’s hat’ (BERG 2013: 36)
3 4
A standard Norwegian term for the PLC, garpe-genitive, is assumed to derive from Norwegian garp, which was a common derogatory name for the Low German-speaking mechants in Hanseatic Norway (TORP 1992). This terminology is also the basis for a broader perspective on possession in which the possessor is linked via a functional element to the possessum, e.g. a preposition (cf. also the discussion in RAMAT 1986). This broader perspective is beyond the scope of this paper but the term PLC points to a general mechanism of “linking” that may be assumed in possessive constructions in general.
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In addition to variation regarding case-marking of the possessor-DP, there is also variation with respect to the possessive element in the possessum-DP. In most cases, this element matches the gender of the possessor. Thus, with male possessors the element sein (‘his’) is used as in (6), whereas with female possessors the element ihr (‘her’) is used, as in (5) b. However, in both diachronic and some synchronic varieties, the element sein is also compatible with female possessors, suggesting that it may be underspecified for gender, as shown in (8). Another interesting fact about the PLC is that, while the possessive element itself is chosen depending on the gender of the possessor, the inflection on the possessive element is determined by the head noun, a peculiarity that is investigated in detail in GEORGI / SALZMANN (2011). (8)
De Oma sin the.DAT.FEM granny his ‘the granny’s apron’
Schurz apron (Alemannic)
3 3.1
MIDDLE LOW GERMAN AND ALEMANNIC Properties of Middle Low German and Data Sources
Middle Low German is a cover term for several Continental West Germanic scribal dialects which were in use across northern Germany and the north-eastern Netherlands in c.1250–1650. The main scribal dialects which will be relevant for this paper are Westphalian (WP), Eastphalian (EP), North Low German (NLG) and Eastelbian (EE), see Map 1. Middle Low German texts exhibit diatopic variation across these dialect areas, as well as diachronic variation across the centuries. In this respect, the language stage is standardly periodised into three sub-periods: (i) early Middle Low German, 1250–1370; (ii) Classical Middle Low German, 1370–1520; (iii) late Middle Low German, 1520–1600 (PETERS 2017). The data for this paper spans 1250–1652, with the bulk of the data in the Classical Middle Low German period (1370–1520). As such, we adopt an alternative periodization, which consists of four periods of roughly equal length, the middle two of which overlap with much of the traditional Classical period: 1250–1349; 1350–1449; 1450–1549; 1550–1652. The syntax of Middle Low German remains relatively understudied, despite its rich attestation which offers a ripe opportunity for syntactic studies; large numbers of prose texts are preserved from the period and span a range of genres, from chronicles and city rights, to charters, private letters, religious and scientific texts (MEIER / MÖHN 2000). Situated on the Continental West Germanic dialect continuum, with the Dutch dialect area to the west and High German dialects to the south, Middle Low German shares features with both of these groups. At the same time, a number of recent studies have shown that the language exhibits syntactic
Possessor Linking Construction
37
characteristics which signal its unique position within Continental West Germanic with respect to e.g. the verbal complex (MÄHL 2014), verb-second and the left periphery (PETROVA 2012, 2013), negation (BREITBARTH 2014b), adverbial clauses (WALLMEIER 2015) and unexpressed subjects (FARASYN 2018; FARASYN / BREITBARTH 2016).
Map 1: Map of Middle Low German scribal dialects
There are two recently released resources which provide valuable new opportunities for syntactic studies of Middle Low German, and we make use of both in this study: (i) the “Referenzkorpus Mittelniederdeutsch/Niederrheinisch” (1200–1650) (ReNTeam 2019) and (ii) the Middle Low German component of the “Corpus of Historical Low German” (BOOTH et al. 2020). The “Referenzkorpus Mittelniederdeutsch/Niederrheinisch” (1200–1650) contains approximately 1.45 million words spanning 145 texts. Each text is presented in a diplomatic transcription and is lemmatised, POS-tagged and annotated for morphological information e.g. case, number, gender and person for nominal categories. For more details on the design of the ReN, see BARTELD et al. (2017). For this paper, the relevant data from ReN were extracted via AQL queries using the ANNIS platform (KRAUSE / ZELDES 2016).5 The ReN – with its relatively large scope, as well as its POS-tags and rich morphological information – is a valuable resource for certain types of syntactic investigation, particularly as its specially designed tagset, the “Historische Niederdeutsch-Tagset” (“HiNTS”, BARTELD et al. 2018), already encodes some information regarding word order. However, for certain types of syntactic investigation, where e.g. hierarchical structural relations and word order properties beyond 5
, last viewed: 10.03.2022.
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adjacency are relevant, additional synactic annotations are necessary. This is provided by the Middle Low German component of the CHLG, which has been developed in collaboration with the ReN, adding an additional layer of syntactic annotation to a small proportion (approximately 200 000 words) of the ReN texts, on top of the inherited POS-tags and morphological annotations. An overview of the texts in the Middle Low German component of the CHLG is provided in table 2. The syntactic annotation is constituency-based and follows the Penn standard for historical English (SANTORINI 2010), in line with other historical corpora for related varieties, e.g. Old Saxon (WALKDEN 2015) and Early New High German (LIGHT 2011). The data from the CHLG for this paper was extracted using the “CorpusSearch query language” (RANDALL 2005). Text ID Arzneibuch Herford Soest Spieghel Braunschweig Duderstadt I/II Engelhus Zeno Bremen Buxtehuder Griseldis Oldenburg Willeken Flos Greifswald Rostock Schwerin Stralsund
Dialect Westphalian
Eastphalian
North Low German
Eastelbian
Genre science law law religion law/charter law literature literature law/charter religion literature law/charter private letter literature law law law law/charter
Date 1451–1500 1375 1367 1444 1301–1500 1279 1435 1401–1450 1300–1350 1451–1500 1502 1350–1500 1535 1401–1450 1451 1580 1451–1500 1301–1500
Tab. 2: Middle Low German texts in the Corpus of Historical Low German
Despite the recent surge of interest in Middle Low German, the syntax of possession in the language remains neglected. As such, only one possession construction is typically mentioned in connection with Middle Low German, the Possessor Linking Construction (PLC) detailed in section 4.2, e.g. (9). (9)
a. de volgeden carle they followed Carl.DAT ‘they followed Carl’s will’
sines willen his.GEN will.GEN (ReN: Rossiliun-Frag., tokens 3499–3511)
b. Lorins
syn
bede
was gar
entwicht
Possessor Linking Construction
39
Lorin.GEN his.NOM request.NOM was even desecrated ‘Lorin’s wish was desecrated’ (ReN: Kortw.-Hist.-Laurin, tokens 5435–5447) The research to date has focussed exclusively on the role of the Middle Low German PLC as the source of parallel constructions in Scandinavian dialects via language contact during the Hanseatic period (e.g. BRAUNMÜLLER 2018; JAHR 1999; NESSE 2002; NORDE 2012). Yet despite the strong focus on this contact story surrounding the PLC, no dedicated study has pinned down the precise status and properties of the construction in Middle Low German itself. NORDE (2012: 346) claims that the PLC is “commonly attested” in Middle Low German, but does not provide specific evidence to support this claim. According to NESSE (2002: 176), meanwhile, the possessor-DP in the Middle Low German PLC is in most cases not dative-marked, but instead appears with nominative or genitive case-marking. Apart from these sparse statements, very little is known about the Middle Low German PLC. In fact, examining the syntactic expression of adnominal possession in corpus data from CHLG shows that genitive case-marking on the possessor is by far the most frequent strategy in Middle Low German, outweighing the PLC which by comparison occurs very infrequently in the corpus, see table 3. This is in line with other early Germanic languages, where genitive case-marking is very much the dominant strategy. The genitive DP-possessor can be either prenominal, e.g. (10) or postnominal, e.g. (11), and the data shows a roughly even distribution for the two orders (51% prenominal; 48% postnominal), in line with previous research on the position of attributive genitives in Middle Low German (FISCHER / PETERS 2012; LUNDEMO 1989; SOLLING 2015, 2016). Construction Prenominal Gen.-DP Postnominal Gen.-DP PLC Total
n % share 1 174 51% 1 087 48% 23 1% 2 284 100%
Tab. 3: Relative frequency of three adnominal possession constructions in CHLG (1250–1650)
(10) a. se ys gud weder des houedes culden it is good against the.GEN head.GEN colds ‘it is good against head colds’ (CHLG: Arznei) b. To lesten sprak enes greuen son to last spoke a.GEN count.GEN son ‘lastly a count’s son spoke’ (CHLG: Zeno)
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(11) a. vnde de aderen der wangen and the.ACC veins.ACC the.GEN cheeks.GEN ‘and it strengthens the veins in the cheeks’
se it
sterket strengthens (CHLG: Arznei)
b. gi dot de werk ivwes vader you do the.ACC work.ACC your.GEN father.GEN ‘you do your father’s work’ (CHLG: Buxtehuder) By contrast, examples of the PLC are strikingly rare (n=23), though this may be due to the fact that the PLC is dispreferred in written language compared to the spoken language, as in modern Germanic varieties (VEZZOSI 2000). The attested PLCs will be discussed in more detail in section 4.2. There are also attested examples in Middle Low German where adnominal possession is encoded via a PP headed by van (‘from’), e.g. (12). (12) a. creffte vnde sympellicheit der crude van medecinen powers and simplicity the.GEN herb.GEN of medicine ‘(the) powers and simplicity of medicine’s herbs’ (CHLG: Arznei) b. de gherade van der the lineage of the ‘the mother’s lineage’
moder mother (CHLG: Ruethen)
c. de tafele van den eersten boeke the contents of the first book ‘the first book’s contents’ (CHLG: Spieghel) This is not surprising, given that similar PP-strategies for possession marking emerge elsewhere in Germanic around this time. In High German, it has been observed that von-periphrasis gradually takes over from genitive case-marking in Middle High German from the 12th century onwards (EBERT 1986: 92; KIEFER 1910). Similarly, in English, of-periphrasis as a possession-marking strategy is attested from the 12th century onwards and increases throughout the Middle English period (VEZZOSI 2000). A similar trend has been observed for Middle Dutch, where the PP strategy has become dominant by the 15th century (VEZZOSI 2000). A full examination of the status of van-periphrasis for possession marking in Middle Low German is beyond the scope of this study; we leave this for future research and concentrate instead on the PLC. Finally, any investigation of Middle Low German syntax must take into consideration the erosion of morphological case which is underway during the period. A study of the 14th century text the “Wolfenbütteler Psaltertext” by BJÖRNHEDEN (1997), for instance, found that only 37% of all NPs in this text display
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Possessor Linking Construction
unequivocally identifiable distinctive case-marking. This aspect of Middle Low German will be especially relevant for the status of the PLC in Middle Low German, as we discuss below in section 4.2. Here, we draw attention to some of the key trends concerning morphological case which Middle Low German texts exhibit and which are relevant in the context of this study. Already in Middle Low German there is a tendency towards accusative/dative syncretism in the MASC.SG. on account of the double forms in the MASC.SG.DAT, as seen in the paradigm for the definite article (see Tab. 4). A similar tendency towards accusative/dative levelling is reflected in the paradigm for the strong adjectival inflection (see Tab. 5).
NOM. ACC. DAT. GEN.
MASC.SG.
NEUT.SG.
FEM.SG
dê/die den(e) dem(e)/den des
dat dat dem(e)/den des
dê/die dê/die der(e) der(e)
Tab. 4: The definite article in Middle Low German (HÄRD 2000: 1432)
NOM. ACC. DAT. GEN.
MASC.SG.
NEUT.SG.
FEM.SG
blint/blinter blinden blindem(e)/blinden blindes
blint blint blindem(e)/blinden blindes
blint/blinde blinde blinder blinder
Tab. 5: The strong adjectival declension in Middle Low German (HÄRD 2000: 1432)
This represents a case-levelling process which proceeds throughout the period and beyond, coming to completion in modern Low German (HÄRD 2000) where only a two-way distinction remains in the MASC.SG. between nominative and a ‘non-nominative’ case derived from the former accusative and dative (Tab. 6).
NOM. NON-NOM.
MASC.SG.
NEUT.SG.
FEM.SG
de dicke Kopp den dicken Kopp
dat oole Book dat oole Book
de oole Kann de oole Kann
Tab. 6: The case system in modern Low German (ASKEDAL 2005: 6)
Compared to the accusative/dative syncretism story, relatively little has been written about the status of the genitive in the history of Low German. In modern Low German, the genitive is found only sporadically as fossilised forms (BERG 2011; KASPER 2017). In particular, it has been shown that the prenominal genitive of personal names has been retained across Northern Germany in Low German-speaking areas (PICKL 2020). The exact diachrony of the loss of the genitive is hard to pin down, but PICKL (2020), citing BEHAGHEL (1923–1932: 189), suggests the 15th
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Alexandra Rehn / Hannah Booth
century for its loss in spoken German. An extra consideration is the fact that it is generally assumed that the erosion of case proceeded at different rates across Middle Low German dialects (LASCH 1914). As far as the written language is concerned, there is evidence to suggest we are not dealing with a simple trajectory of increasing decline in the genitive. SCOTT (2014: 315) claims for Dutch and German in general that the adnominal genitive underwent a resurgence in the 15th century following its earlier decline up to 1 400, as evidenced by a striking increase in the adnominal genitive in written texts at this time, perhaps as part of the emergence of a distinct prestigious written variety (see also PICKL 2020 for discussion). We pick up this point again in section 4.2 in relation to our findings for the PLC in Middle Low German. Another feature of the Middle Low German nominal system which will be relevant for the discussion in section 4.2 is the fact that there is dative/genitive syncretism in the FEM.SG. (see Tab. 4 and 5). 3.2
Properties of Alemannic and Data Source
Alemannic is a Southern German dialect, spoken in a large area that covers regions in four countries. The dialect is divided into five varieties, namely Highest, High, Middle, Low Alemannic and Swabian. It thus provides a good basis for investigating morphosyntactic (micro-)variation. The area is displayed in Map 2, a snippet of the classical dialect map by WIESINGER (1983), which was created with the “REDE SprachGIS” (BOCK et al. 2008). Furthermore, there is a solid database comprising Alemannic texts from Old, Middle and Early New High German, which makes it particularly interesting for investigating language change. Alemannic has several characteristic phonetic, lexical and morphosyntactic properties of which we can only list some here. One prominent phonetic feature is the realisation of monophthongs where we find diphthongs in Standard German, as Alemannic has not undergone the MHG diphthongisation (with the exception of Swabian) as illustrated in (13) and (14). (13) a. Wii b. Wein ‘wine’
(Alemannic) (Standard German)
(14) a. bruuche b. brauchen ‘need’
(Alemannic) (Standard German)
Possessor Linking Construction
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Map 2: The Alemannic area
A prominent morphosyntactic feature of Alemannic is variation in relative clause introducers (RCI). In Standard German, RCs can only be introduced by a pronoun and in most cases it is a d-pronoun, as in (15) a. In Alemannic, the d-pronoun is available as an RCI but, in addition, RCs can also be introduced by the particle wo as in (15) b., or by a combination of particle and pronoun as in (15) c. This phenomenon can also be found in other German dialects but there is an interesting areal distribution within the Alemannic area concerning this type of variation. While in the Alemannic regions outside of Switzerland the pronoun and the particle are equally accepted as RCIs, this is not the case for the Highest and High Alemannic regions in Switzerland that almost solely allow the particle strategy. This leads to a higher frequency of resumptive pronouns, see (16), which are claimed to compensate for the absence of case marking on the particle, especially in oblique RCs (BRÄUNING 2020; FLEISCHER 2013; SALZMANN 2006). (15) a. Der Mann, der … b. Der Ma, wo … c. Der Ma, der wo … ‘The man, who…’ (16) Der Ma, woer ihm gholfe het. the man, PRT he him helped has ‘The man, whom he has helped’
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Alexandra Rehn / Hannah Booth
Another characteristic feature of Alemannic is the use of uninflected adjectives. While, in Standard German, attributive adjectives must always inflect, they can occur uninflected in a variety of contexts in Alemannic, a phenomenon that is already mentioned as a typical property of Alemannic in BIRLINGER (1868) and which is investigated in detail in REHN (2019). (17) a. mit dem neu Wage b. mit dem neu-en Wagen ‘with the new car’ (Alemannic) Furthermore, Alemannic has a strong and a weak form of the definite article. The latter obligatorily occurs with proper names and is also used in generic DPs, as illustrated in (18). The weak and the strong form of the definite article is investigated in detail in SCHWARZ (2009) and for Alemannic, focusing on the varieties spoken in Switzerland in STUDLER (2011). (18) a. d’ Anna het a neus Auto the Anna has a new car ‘Anna has got a new car’ b. dr Wii isch us Trube gmacht the wine is from grapes made ‘Wine is made from grapes’ Before continuing with the special properties of possession in Alemannic, the data sources will be briefly presented to make the method and origin of the Alemannic data transparent. The Alemannic data were collected within the SynAlm6 project for which detailed questionnaires were sent out across the Alemannic region over a timeframe of four years. The area and the individual places to which questionnaires were sent are displayed in Map 2 above; the black dots mark the places to which questionnaires were sent. In total, seven questionnaires were sent out to these places addressing various phenomena. As expected, the number of participants declined over time; in the first questionnaire, about 1000 people participated, by the seventh questionnaire we still had 500 participants. The questionnaires contained different task types, e.g. judgement tasks, translation tasks and choice tasks in which participants had to choose between different options. In addition to this, participants could also write down alternatives that were not included in the questionnaire. Figure 1 illustrates one type of choice task, in which participants indicated whether or not they use a certain construction. The sentences were always given in the local Alemannic variety to avoid interference of the standard variety. Figure 2 illustrates a translation task. In this task type, a
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The project was funded by the “DFG (German Research Foundation)” and was led by ELLEN BRANDNER.
Possessor Linking Construction
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sentence was given in Standard German and participants were asked to translate this sentence into their dialect.
Fig. 1: Choice task
Fig. 2: Translation task
Figure 3 illustrates a judement task. Sentences were given in the local Alemannic variety and participants were asked to rate these sentences on a scale from 1 (natural) to 5 (not possible).
Fig. 3: Judgement task
The answers of the participants are connected to geographic coordinates that allows one to display the results on maps, created with the “REDE SprachGIS”. These maps make it possible to identify certain regional distributions that may exist within the Alemannic area (cf. the distribution of RCIs (15) and (16) above) and see also Map 3 and Map 4 below. Returning to the properties of Alemannic, possessive constructions in Alemannic show some interesting characteristics and were also investigated as part of the SynAlm project. Both the PLC as well as the PP-construction for expressing possession are productively used across the Alemannic varieties. This is evident from a translation task. Participants translated the sentence in (19) a. containing an adnominal genitive. Due to the absence of genitive in Alemannic, participants were forced to choose an alternative strategy. The PLC and the PP-construction were the most common alternatives chosen across the area, see (19) a. and (19) b. The distribution of the two constructions for this translation task is illustrated in Map 4, revealing that, in the Highest Alemannic region, the PP was preferred over the PLC. This is an expected result, as in this region we find the archaic Alemannic dialects
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Alexandra Rehn / Hannah Booth
which have preserved the adnominal genitive. As Alemannic has a three-case system, the possessor within the PLC is generally marked for dative. In addition, Alemannic has some special properties regarding the inflection of possessive pronouns, as it allows strong inflection in nominative masculine DPs. This is interesting, because adding inflectional material in this context leads to sharp ungrammaticality in the standard variety, and is in fact also regionally restricted in Alemannic, as the overview in BAECHLER (2017) shows. (19) a. mit Lenas neuen Stiefeln (Standard German, Gentitive) b. mit der Lena ihre Stifle (Alemannic, PLC) c. mit de Stifle vu der Lena (Alemannic, PP) ‘with the Lena her boots / with the boots of Lena’ (20) Min-er Sohn isch Mechaniker *Mein-er Sohn ist Mechaniker my-MASC.SG. son is mechanic ‘My son is a mechanic’
(Alemannic) (Standard German)
In addition to the properties of Alemannic regarding adnominal possession already noted, Alemannic also has an interesting external possessive construction besides those that are also available in the standard variety, namely the construction in (21). In this construction, there is a copula followed by a possessor-DP, which is marked for dative. This construction is again regionally restricted in the Alemannic dialect region, being most common in the Highest and High Alemannic areas, whereas rejection centers in the Swabian area (cf. Map 3). (21) Das Auto ist dem Mann the car is the.DAT man ‘The car belongs to the man’ (22) Das ist dem Peter this is the.DAT Peter ‘This belongs to Peter’
Possessor Linking Construction
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Map 3: External Dative
The external possessive construction in (21) and (22) suggests that, in this case, dative is indeed relevant for the expression of possession, whereas in the PLC there is a clear tendency to realise the most oblique case available but the absence of oblique case-marking does not lead to absence of the PLC. Thus, unlike the construction in (21) and (22), case-marking on the possessor-DP within the PLC does not seem to be relevant for expressing the possessive relation in this case.
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Map 4: PLC (orange) and PP (green) as results of a translation task
4
THE ORIGIN OF THE POSSESSIVE LINKING CONSTRUCTION 4.1
Two origin stories
The origin of the PLC is not clear to date. Two possible diachronic sources are discussed in the literature on High German which, as mentioned in section 1, we refer to as the genitive hypothesis and the dative hypothesis (cf. WEISS 2012: 281). The latter has received a lot more attention in the literature than the former but has also been recently disputed by WEISS (2012). In the following, we introduce both hypotheses and discuss the points in WEISS (2012) in detail. The dative hypothesis (e.g. ÁGEL 1993; BEHAGHEL 1923; DEMSKE 2001; EBERT 1986; PAUL 2007; SCHMID 1988) states that the PLC has its origin in an external dative construction and is the result of reanalysis of a phrase boundary, whereby the possessor and possessum as two separate constituents, e.g. (23) a., are reanalysed as a single constituent, e.g. (23) b.
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Possessor Linking Construction
(23) a. der
Peter wäscht [dem
Opa]
[sein Auto]
b. der Peter wäscht [dem Opa sein Auto] the Peter cleans the.DAT grandfather his car ‘Peter cleans the car for his grandfather / Peter cleans his gr.father’s car’ Such accounts are generally built on at least one of the following three observations: (i) the oldest examples of the PLC in High German have a dative-marked possessor, (ii) the PLC in modern High German dialects exhibits exclusively dative-markedpossessors and (iii) the dative-marked DP and the DP containing the possessive pronoun were generally adjacent, enabling the assumed reanalysis as a single constituent. The genitive hypothesis goes back to GRIMM (1837: 351–352), who notes that in MHG a genitive may already be accompanied by an emphasising possessive pronoun. GRIMM also states that, in the upper German varieties, genitive is replaced by dative in this construction but explicitly lists PLCs with genitive-marked possessors, e.g. (24), and assumes adnominal genitive to be the source of the construction; the dative hypothesis is not mentioned by GRIMM. (24) ich habe mich mit des grafen I have me with the.GEN. duke ‘I got engaged to the duke’s chef’
seinem Koch his chef
verlobt engaged
While GRIMM’S suggestion that specifically emphasis may play a role is no longer adequate, WEISS (2012) provides novel evidence from various stages of High German which cast doubt on the dative hypothesis and at least allow for a genitive source for the PLC. Firstly, he shows convincingly that there are problems with the evidence typically cited in favour of the dative hypothesis. With respect to the oftcited earliest examples from OHG which are taken by many to be PLCs with a dative-marked possessor (e.g. RAMAT 1986), WEISS points out that they in fact allow for a free dative reading, so it is not conclusive that they are actually PLCs. A relevant example is provided here in (25). (25) Dû uuart demo Balderes uolon sîn uuoz birenkit there was the.DAT Balderes.GEN colt.DAT his.NOM foot.NOM wrenched ‘There was the foot of Balder’s colt wrenched’ (2nd Merseburger Zauberspruch in WEISS 2012: 274) With the OHG examples excluded, the first clear examples of the PLC appear in MHG, specifically in the 13th century. But, as WEISS also points out, these early examples in fact feature a feminine possessor whose case-marking is ambiguous between dative and genitive due to syncretism in the paradigm, e.g. (26).
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(26) noch scherpfer dan der bîn ir zagel PRT sharper than the.DAT/GEN bee her sting ‘even sharper than the bee’s sting’ (Parzival 297, 12 in WEISS 2012: 282) Due to the case syncretism, examples like (26) also cannot be used as explicit evidence for the dative hypothesis (or for the genitive hypothesis either, for that matter). Another problem arises concerning the evidence from modern German dialects. As WEISS shows, dative is not in fact the exclusive case marked on the possessor in the PLC; genitive-marked possessors can in fact be found in Alemannic and Bavarian varieties e.g. (27). (27) mein’s Vodas san lustigha Bou my.GEN father.GEN his cheerful son ‘my father’s cheerful son’ (North Bavarian, WEISS 2012: 284) Alongside these issues concerning the evidence standardly assumed to be in support of the dative hypothesis, WEISS also cites some, albeit rather scarce, novel evidence in favour of a genitive source. Specifically, PLCs with unambiguous dative-marking on the possessor only occur later, at the end of the 13th century. However, as WEISS does not give earlier examples of PLCs with unambiguous genitive-marked possessors, it is not clear how this observation alone can bear on the origin dispute. More useful evidence cited by WEISS comes from one text from REINMAR VON ZWETER which is extant in multiple manuscripts; in a later manuscript the earlier genitive-marking on the possessor has been substituted for dative. Although this is only one example and so by no means enough to conclusively opt for the genitive hypothesis, it at least fits with a genitive origin. A final observation from WEISS, which does not bear on the origin of the PLC directly but will be relevant in our study of Middle Low German below is that, by ENHG, there is considerable variation in the case-marking on the possessor, even at the intra-speaker level. WEISS points out that in the letters of Magdalena Paumgartner, for instance, both dative and genitive are used within the same year, cf. (28). (28) a. meinem pruter seim weib my brother.DAT his wife.ACC ‘my brother’s wife’ (Paumgartner 1895: 32 in WEISS 2012: 280) b. des Paulus Behems sein hondschlag the Paulus Behem.GEN his handshake ‘Paulus Behem’s handshake’ (Paumgartner 1895: 150 in WEISS 2012: 280)
Possessor Linking Construction
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Overall, in the context of High German there appear then to be some serious empirical holes in terms of the dative hypothesis for the origin of the PLC, and some (rather scant evidence) which at least allows for a genitive origin, if not conclusively supporting it to the exclusion of a dative origin. In particular, it is noteworthy that WEISS (2012) does not specifically provide early examples of the PLC with an unambiguously genitive-marked possessor-DP, which one would expect to find if the genitive hypothesis were correct. As such, the origin of the PLC remains unresolved. Moreover, and as discussed, diachronic accounts for High German have traditionally been formulated on the basis of relatively scarce data, partly due to the fact that the PLC overall is a low-frequency phenomenon in written texts, and that many examples which appear to be PLCs on first sight must ultimately be discounted as potentially alternative constructions involving a free dative or apposition. Furthermore, previous accounts do not appear to differentiate much between the diachrony of individual High German dialects, despite the fact that OHG and MHG are clearly not monolithic. As such, it is worthwhile to consider a wider range of data in detail, specifically diachronic and diatopic data from Middle Low German which has not been previously considered for this issue, and synchronic data from modern Alemannic dialects. 4.2
Middle Low German data
As mentioned, to be sure that an example is a genuine PLC, one must be able to conclusively rule out the possibility that the example in question is one of two other construction types which can appear superficially similar to the PLC: i) the free dative and ii) straightforward apposition. With respect to the Middle Low German data, all examples which resulted from the search queries were manually checked and ruled out if they allow for the free dative reading, e.g. (29), or an analysis as straightforward apposition, e.g. (30). (29) a. Sunder en ridder De openede em sine but a knight that-one opened he.DAT his.ACC side myt Deme spere side.ACC with the spear ‘But a knight, he opened his side with the spear’ (CHLG: Buxtehuder) b. vnd se vorwosteden ome al sin lant and they ravaged he.DAT all.ACC his.ACC land.ACC ‘and they ravaged all his land’ (CHLG: Engelhus) c. Dar du em sijn ere mede mochtes berouen there you him.DAT his.ACC inheritance.ACC with wish rob ‘with which you wish to rob him of his inheritance’ (CHLG: Spieghel)
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Alexandra Rehn / Hannah Booth
(30) a. Jodoch adam vnde eua sin wif weren alle but adam and eve.NOM his.NOM wife.NOM were all beyde naket both naked ‘But Adam and Eve, his wife, were both naked’ (ReN: Lüb._Bibel, tokens 2388–2400) b. Do sede em martha sin suster des then said he.DAT Martha.NOM his.NOM sister.NOM so ‘Then Martha, his sister, said to him so’ (ReN: Buxteh._Ev., tokens 11526–11538) c. Jtem hans beneken is schuldich Tideke beneke syneme and Hans Beneken is in-debt Tideke Bekene his.DAT brodere teyn lubesche mark brother.DAT 10 Lubish marks ‘And Hans Beneken owes Tideke Beneke, his brother, 10 Lubish marks’ (ReN: Schwer._Stb._1401–1450, tokens 2524–2536) Once these instances were excluded, the combined data from the ReN and the CHLG (see section 3.1) yielded 83 examples of constructions which are conclusively PLCs. An overview of this dataset with respect to the case-marking on the possessor-DP is provided in table 7. We collapse nominative and accusative together into one type of case-marking, since there is a good deal of syncretism in the paradigm here (see section 3.1) and the distinction between these cases is not decisive for the dative/genitive origin investigation. We keep dative and genitive separate for instances where there is unambiguous dative or genitive case-marking, with an additional column for possessors which are FEM.SG. and are ambiguously dative/genitive due to syncretism in the paradigm (see again section 3.1). The final column, “other”, serves as a catch-all for examples which cannot be identified as one of the other four types, as they involve e.g. proper names which exhibit no case marking at all, or instances of accusative/dative syncretism.
CHLG ReN Total
NOM./ACC.
DAT.
GEN.
DAT./GEN.
7 15 23
7 19 26
4 14 18
2 8 10
other 3 4 7
Tab. 7: PLCs in Middle Low German by case-marking on the possessor-DP
In terms of diachrony, breaking the overall dataset down by the time periods outlined in section 3.1 yields a mixed picture, see table 8, although the four periods are not directly comparable, since the first and last periods in particular are affected by data sparsity.
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Possessor Linking Construction
1250–1350 1351–1450 1451–1550 1551–1652
NOM./ACC.
DAT.
GEN.
DAT./GEN.
0 7 14 1
3 18 5 0
3 5 5 5
1 6 3 0
other 1 4 2 0
total 8 40 29 6
Tab. 8: PLCs in Middle Low German by case-marking on the possessor-DP (1250–1652)
The first observation is that, already in the earliest period (1250–1350), the texts exhibit PLCs with (unambiguous) genitive case-marking on the possessor, e.g. (31), as well as (unambiguous) dative-marked possessors, e.g. (32). Nominative/accusative marking on the possessor is robustly attested in Middle Low German, but only from 1 351 onwards. (31) a. vortmer geue ik… vortmer mertens van der sal furthermore give I furthermore merten.GEN van der Sal his wife siner husfrven ‘furthermore I give… furthermore Merten van der Sal’s wife’ (CHLG: 1301–1350, Stralsund)7 b. Ok ne scole wi der heren Moͤlen eren Tolnen vnde and NEG shall we the.GEN sirs.GEN Mole.GEN their duty and ere Muͦnte, eder Nynerleye guͦth van vm kopen their coin or no goods from them buy ‘And we shall not buy the Sirs Mole’s duty and coins or no goods from them’ (CHLG: 1301–1350, Oldenburg) (32) a. wante he deme rike sine ere weder wan for he the.DAT kingdom.DAT its honour back won ‘for he won back the kingdom’s honour’ (ReN: 1301–1350, Brem._Sächs._Wchr., tokens 17837–17849) b. Sterft emme manne sin wif dies a.DAT man.DAT his wife ‘if a man’s wife dies’ (ReN: 1300, Hildesh._StR_1300, tokens 6807–6819) Just as WEISS (2012) observed for ENHG (see section 4.1), in later Middle Low German texts this variation in case-marking on the possessor-DP also occurs within individual texts, potentially indicating intraspeaker variation. This is exhibited in
7
Later in the token there is reference to merten as a subject in the nominative.
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particular in two texts, “7 digitalisierte Berliner Urkunden (Berlin)” and “Duisburg: Chronik Wassenberch (Duisburg)”, see table 9. date Berlin 1401–1450 Duisburg 1518
NOM./ACC.
4 2
DAT.
10 0
GEN.
5 4
total 19 6
Tab. 9: PLCs in two Middle Low German texts by case-marking on the possessor-DP
Examples of the diversity of case-marking on the possessor-DP in the texts “Berlin” and “Duisburg” are shown in (33) and (34) respectively. (33) a. Dat dy gnannten vnse gnedigen that the.NOM/ACC named.NOM/ACC our.NOM/ACC gracious.NOM/ACC heren ore Eruen vnd Nakomen lords.NOM/ACC their heirs and descendents Marggraffen to Brandeborg Buwen sollen vnd moͤgen… margraves to Brandenburg build shall and may ‘that our named gracious lords’ heirs and descendents, margraves to Brandenburg shall and may build…’ (ReN: Berl._Uk._1401–1450, tokens 883–895) b. Wes ozen gnaden oren Eruen vnd nakomen whatever our.DAT graces.DAT their heirs and descendents Marggraffen to Branndborg dar euͤen vnde beqweme margraves to Brandenburg there strong and convenient syn wert be become ‘Whatever will be strong and convenient for our graces’ heirs and descendents, margraves to Brandeburg’ (ReN: Berl._Uk._1401–1450, tokens 907–919) c. siner gnaden bruͤdere oren Eruen vnd Nakomen his.GEN gracious.GEN brothers.GEN their heirs and descendents Marggraffen to Brandborg in guden truwen / stede vaste margraves to Brandenburg in good faith steadfast vnd vnuͮerbroken ewichliken to holden and unbroken forever to hold ‘to hold forever in good faith, steadfast and unbroken, his gracious brothers’ heirs and descendents, margraves to Brandenburg’ (ReN: Berl._Uk._1401–1450, tokens 1746–1758) (34) a. Ende was hartoch Jan van cleue syn suster and was duke Jan.NOM/ACC van Cleue his sister ‘And (she) was Duke Jan van Cleue’s sister’ (ReN: Chr._Wass. Duisburg, tokens 15244–15256)
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b. tuysschen hartoch kaerll van gelre ende marien hartoch Jans between Duke Kaerll van Gelre and Maria duke Jan.GEN van cleue syn dochter van Cleue his daughter ‘between Duke Karl van Gelre and Maria, Duke Jan van Cleue’s daughter’ (ReN: Chr._Wass._Duisburg, tokens 16270–16282) Crucially, one must take into account the fact that Middle Low German exhibits not just diachronic variation but also diatopic variation. As mentioned in section 3.1, morphosyntactic change in Middle Low German is known to have proceeded at different rates (e.g. BREITBARTH 2014a; LASCH 1914). In particular, recent work has shown that the distinction between the Low German-speaking Saxon Altland and the Neuland east of Elbe, the latter more recently colonised by Low German speakers, is particularly relevant. BREITBARTH (2014a), for instance, has shown that, with respect to negation, morphosyntactic change is accelerated in the Hanseatic cities in the Neuland (e.g. Lübeck, Stralsund), compared to the more conservative dialects of the Altland. The high level of innovation is found especially in the Stralsund (East Elbian) texts, whereas the Altland Westphalian texts are especially conservative. As such, if there are diachronic trends concerning the PLC underway during the Middle Low German period, one could perhaps expect them to show up in the Altland/Neuland distinction in a similar way. Since the overall datatset for Middle Low German PLCs is small, dividing the dataset into two further subcategories results in small numbers, so we now collapse periods 1 and 2 and periods 3 and 4 together, cf. table 10 and 11. There is no striking difference in the diachrony between the two geographic areas, but there are a few subtle observations to note. Firstly, genitive case-marking on the possessor appears to be more characteristic of Neuland texts in the first half of the period (1250–1450) but more characteristic of Altand texts in the second half (1451–1650), though the numbers remain small and one must be cautious about drawing any conclusions from such little data.
1250–1450 1451–1652
NOM./ACC.
DAT.
GEN.
DAT./GEN.
3 11
10 1
1 6
5 0
other 2 1
total 21 19
Tab. 10: PLCs in Middle Low German Altland by case-marking on the possessor-DP (1250–1652)8
8
Altland = North Low German, Westphalian, Eastphalian
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Alexandra Rehn / Hannah Booth
1250–1450 1451–1652
NOM./ACC.
DAT.
GEN.
DAT./GEN.
4 2
11 3
7 0
2 2
other 1 0
total 25 7
Tab. 11: PLCs in Middle Low German Neuland by case-marking on the possessor-DP (1250–1652)9
Four of the six genitive examples in Altland texts for 1451–1650 in fact come from a very late text from the year 1652 from the Eastphalian region, written by the author Johann Lauremberg (“Lauremberg_1652”). The text exhibits four PLCs which all have genitive case-marking on the possessor-DP, see (35). (35) a. Idt sy doch des Heren syn Wolgevalle it be however the.GEN sir.GEN his pleasure ‘unless it is the sir’s pleasure’ (ReN: Lauremberg_1652, tokens 15457–15469) b. Wen idt wehre des Hern sin Wille if it were the.GEN sir.GEN his will ‘if it were the sir’s will’ (ReN: Lauremberg_1652, tokens 14965–14977) ͤ c. Dat drudde Schertz=Gedichte. Wol nicht wil uth the third joke-poem well not wishes out der Luͤde ere Gratie schlippen the.GEN people.GEN their grace fall ‘the third joke poem does not wish to fall from the people’s grace’ (ReN: Lauremberg_1652, tokens 16977–16989) d. Men wat in disses Mans syn Hoͤvet is begrepen but what in this.GEN man.GEN his.ACC head.ACC is understood ‘But whatever in this man’s head is understood’ (ReN: Lauremberg_1652, tokens 25824–25836) Strikingly, this very late Altland text is the only text in which all PLCs have an (unambiguous) genitive-marked possessor. One may be tempted to see the apparent late (small) boom in genitive-marked possessors in Altland varieties as evidence that genitive-case marking in this context is an innovation on the rise, building on an original PLC with dative-marking on the possessor. In this context, the fact that genitive is more robustly attested earlier in Neuland texts than in the Altland texts, generally thought to be innovative with respect to language change, would be in line with what one would expect. However, well before this (small) boom, there is already an earlier example of the PLC with a genitive-marked possessor in Altland texts, the example in (31) b. above (“Oldenburg”, 1301–1350). As such, it is hard to argue that the late boom in Altland varieties is a wholly new innovation. There 9
Neuland = Lübisch, East Elbian, South Markish, Elbian Eastphalian, Baltic.
Possessor Linking Construction
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is in fact another explanation for the preponderance of genitive-marked possessors in this very late Altland text, specifically the resurgence of the adnominal genitive in written texts from the 15th century onwards in connection with increased standardisation, which, as mentioned in section 3.1, has been observed for Dutch and both High and Low German (KIEFER 1910; PICKL 2020; SCOTT 2014). We suggest that this could be one explanation for the apparent late (and small) boom in genitivemarked possessors in the Altland but that, as the diachronic Middle Low German data indicates, this particular development took place long after genitive-case marking on the possessor was already an established option within the Middle Low German PLC. In sum, the Middle Low German data, much like the OHG/MHG data in WEISS (2012) as discussed in section 4.1, do not definitively show that the PLC has its origin in a genitive source, but nor do they rule it out. However, there are further types of evidence and lines of investigation that can be considered as a way to shed light on the origins of the PLC, as we discuss in the next section. 4.3
Further Considerations
As mentioned, the sparsity and inconclusiveness of the empirical data leads us to consider further lines of investigation. These are i) comparative evidence regarding the distribution of the PLC across Germanic, ii) tendencies regarding the directionality of morphosyntactic change, and iii) facts concerning the external dative as a source for the PLC. With respect to i), there is complementary distribution between adnominal genitive as a means for expressing possession and the PLC in Germanic, in the sense that those varieties that productively use adnominal genitive lack the PLC entirely, e.g. Icelandic, Standard German and Valais German (a highest Alemannic variety, cf. KASPER 2014). One can take this as indication that the PLC arises in connection with case erosion as the loss of genitive as a junktor in the sense of WEINRICH (2005) requires new means for expressing possession. This also implies that we should find a stage of transition in which both the PLC and adnominal genitive are present, leading to an intermediate construction with PLCs with genitive-marked possessors. With respect to ii), if one assumes the dative hypothesis for sake of argument, it is not clear how one explains the fact that PLCs with unambiguous genitive casemarking on the possessor are robustly attested in various German varieties, both past and present. WEISS (2012) already pointed this problem out, making the argument that, if the dative hypothesis is correct, then it is not clear how genitive-marked possessors in the PLC arise; unlike free datives, which are a core feature even at the earliest stages of German varieties, “free genitives” were never attested. Moreover, the fact that there are genitive-marked examples even relatively early in Middle Low German indicates that one cannot dismiss all genitive examples as simply the result of hypercorrection driven by standardisation. As such, promoters and followers of the dative hypothesis need to be able account for how genitive-marked
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possessors come about as an innovation, and to our knowledge such an account has never been proposed. By contrast, in terms of the genitive hypothesis, an account whereby an original PLC with genitive-marked possessors later yields dativemarked possessors is far from beyond reason; in fact, this is in line with general trends following the well-assumed case hierarchy, cf. (36). (36)
GEN > DAT > ACC > NOM
(WEISS 2008)
Furthermore, the change from genitive to another strategy or case in the adnominal domain is not without precedent, and can also be observed in pseudopartitive constructions. For this construction, a trend towards either dropping the case-ending or towards parallel case-marking can be observed, e.g. (37) (cf. HENTSCHEL 1993 and also the discussion in REHN 2021).10 (37) a. *mit ein-em Glas Wasser-s with a-DAT glass water-GEN b. ?mit einem with a-DAT
Glas kühl-en glass cold-WK
Wasser-s water-GEN
c. mit ein-em Glas Wasser with a-DAT glass water d. mit ein-em Glas kühl-em Wasser with a-DAT glass cold-DAT water (examples from REHN 2021: 168) With respect to iii), the dative hypothesis relies on reanalysis as the mechanism that gives rise to the PLC from an external dative source as in (38). However, only the external dative construction in (38) a. is a possible source for the PLC, as the possessum-DP has sein as a determiner, whereas in (38) b. the possessum-DP has a definite determiner. If reanalysis is indeed the source of the PLC, it would thus have to have emerged from a specific subtype of the external dative, namely (38) a. While this is not entirely impossible, there is still an open question as to why and how this specific scenario arose.
10 One counterexample may be seen in the change from dative- to genitive-marking following the preposition trotz (‘despite’) (cf. SZCZEPANIAK 2014). However, this change is only possible in varieties that still have a four-case system. Furthermore, this cannot be said to be a general trend from dative to genitive as, parallel to this development, other prepositions (e.g. wegen) which used to govern genitive case now govern dative. (1) trotz dem Regen à trotz des Regens ‘despite the rain’ (2) wegen des Regens à wegen dem Regen ‘because of the rain’ Hence, we consider the development with certain prepositions not as a counterexample or opposite trend to the more general pattern of GEN > DAT.
Possessor Linking Construction
(38) a. der the
Peter wäscht [dem Opa Peter washes the.DAT grandfather
b. der Peter wäscht [dem Opa] the Peter washes the.DAT grandfather ‘Peter cleans the car for his grandfather’
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[sein Auto]] his car [das Auto] the car
Taking these considerations into account, we note that, although the empirical data from historical stages of High and Low German is not conclusive either way, the genitive hypothesis has various explanatory advantages which, as it stands, cannot be said for the dative hypothesis and its assumed reverse change. 4.4
Alemannic data
As noted in section 3.2, modern Alemannic has a three-case system and thus the possessor in the PLC is generally marked for dative. This is in line with the observation in WEISS (2008) that the possessor-DP in the PLC is generally marked for the most oblique case available. The diachronic data discussed in this paper appear at least to allow for a genitive source of the PLC, as unambiguous PLC examples with genitive-marking on the possessor-DP are robustly attested in Middle Low German and, as discussed in detail in WEISS (2012), feminine possessors are ambiguous between dative and genitive. There is variation regarding the case marking of the possessor as discussed in Section 4.2, however, this variation is not necessarily a counterargument to the case hierarchy, as case erosion is underway in Middle Low German. In Low German varieties, case erosion led to a two-way distinction (nominative vs non-nominative), whereas in Alemannic we find a three-way case distinction. In a stage of “transition” from one system to another, variation is expected and is also found in other areas, e.g. adjectival inflection (cf. DEMSKE 2001). Despite the fact that the adnominal genitive is no longer productive in most Alemannic regions, there are nevertheless examples of genitive-marked possessors within the PLC. These examples are not very frequent and allow for different analyses. One possibility is to analyse them as a remnant from an earlier stage of German. While this may indeed be true for e.g. the Alemannic data, the Middle Low German data seem to point to another analysis along the lines of FLEISCHER / SCHALLERT (2011: 98), who note that genitive-marked PLCs may be a contamination of the PLC construction and the standard German adnominal genitive. The latter may be reflected in the fact that there seems to be a rise in genitive-marking in late Middle Low German – a fact that coincides with the beginning of standardisation, hence an influence from normative regulations is possible11 and may explain 11 It is of course difficult to relate the efforts in standardization to a specific development in a certain phenomenon, as there was no consensus amongst early grammarians and there was no compulsory education either (but see e.g. POLENZ 1994, 2000 for a detailed overview).
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the late boom in the genitive (see section 4.2). Therefore, these examples either further support a genitive source of the PLC as remnants of genitive-marked PLCs or – as a contamination of the PLC and adnominal genitive – they do not provide any evidence against it.12 (39) a. des Schulmeisters sein Jung the.GEN teacher.GEN his son b. des Kindes seinen Nutzen the.GEN child.GEN his benefit (FLEISCHER / SCHALLERT 2011: 99) Further empirical support for genitive-marked PLCs that are best analysed as remnants of the original genitive-marking in the construction stem from the SynAlm project, in which they were tested systematically. As Alemannic is not subject to direct normative regulation, a contamination of the type mentioned above is less likely. Therefore, genitive-marking in this dialect may be best analysed as a remnant from an earlier stage of German (cf. also adnominal genitive in the Valais region as already mentioned in section 2.1, cf. KASPER 2014).13 The sentences in Figure 4, a snippet from the questionnaire, are judgement tasks for a PLC which is marked for dative in the first sentence (cf. (40) b. below) and the second sentence is the same PLC but with a genitive-marked possessor (cf. (40) a. below). Participants rated these sentences on a scale from 1 (natural) to 5 (not possible), as illustrated in Figure 4.
Fig. 4: Snippet from the questionnaire showing the judgement task for PLCs
However, one instance is reported in KIEFER (1910), who notes that the Swiss poet Albrecht von Haller changed the PP construction back to the “more correct” genitive in the third edition of his work in 1743. 12 A reviewer argues that there would have to be a period in the history of German in which we only find PLCs with genitive-marked possessors. This would of course provide strong support for the genitive hypothesis and the case hierarchy mentioned, however, the absence of such evidence does not necessarily speak against it, as historical texts always typically do not fully reflect each stage of spoken language but only provide us with a snippet from which we can draw our conclusions. 13 It must be noted though that, in modern German, all varieties are influenced by standard German but in addition, Standard German is not free from variation (SPIEKERMANN 2005) and spoken and written standard must be distinguished.
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The results of this judgement task show a high preference for the dative-marked possessor. This result is expected, as the construction is known to be productive in Alemannic and it is also known that there is a three-case system. Rejection is, as expected, also extremely low; less than 2% rate the dative-marked possessor with 5 and less than 3% with 4. About 4% rate the construction with 3, which means that the judgement cannot be interpreted as rejection or acceptance. Again, this shows that only very few participants are undecided regarding their judgement for the construction. The majority, namely more than 70%, rate the PLC with the dativemarked possessor with 1 and more than 15% with 2. Considering a rating with 1 and 2 as clear acceptance of the construction means that more than 85% of our participants accept the PLC with a dative-marked possessor. This high acceptance is supported by the results of a translation task in which 399 out of 991 participants translated the genitive construction in (19) above with the PLC with a dative marked possessor. Therefore, we do not only get high acceptance but also high production. Comparing the results for the PLC with a dative-marked possessor with the PLC with a genitive-marked possessor, the results are quite different. Rejection for the genitive-marked variety is rather high and acceptance (ratings with 1 or 2) are low compared to the dative equivalent. Nevertheless, a closer look at the numbers reveals that the genitive-marked PLC is not completely rejected. About 21% rate the sentence with 5 and about 21% rate the sentence with 4, which means that in total more than 40% reject the construction. Interestingly, about 16% are undecided and rate the sentence with 3 and even more importantly, more than 18% of the participants accept the genitive-marked possessor; about 6% rate it with 1 and about 13% rate it with 2. If the origin was a free dative, genitive case-marking in the PLC would be unexpected and the construction would be expected to be rejected by almost all participants, especially in light of the fact that genitive is no longer productively used in Alemannic. However, the SynAlm results clearly go against this. One may argue that the results could also be interpreted as hypercorrection due to the influence of Standard German. While this is possible, we consider it unlikely for two reasons: i) there is no normative rule that requires a certain case-marking in the PLC and ii) while Standard German has a four-case system, Alemannic has a three-way case system as already noted. Comparing these results with another PLC with a genitive-marked possessor illustrates that the results are similar. In (40) a. the possessor is also marked for genitive case; in this example the head noun is in the plural. The results are also given in table 11. (40) a. des isch s‘ Vadders this is the.GEN/DAT father.GEN ‘this is father’s seat’
si Platz his seat
b. des isch em Vadder si this is the.GEN/DAT father.GEN his ‘this is father’s seat’
Platz seat
(Genitive PLC)
(Dative PLC)
(41) a. des sind s‘ these are the.GEN/DAT ‘these are father’s gloves’
Vaters sini Händsche (Genitive PLC) father.GEN his gloves
b. des sind em Vater sini Händsche these are the.GEN/DAT father.GEN his gloves ‘these are father’s gloves’
GEN (36) DAT (36) GEN (37) DAT (37)
1 5.96% 71.62% 6.16% 63.43%
2 12.93% 15.56% 10.91% 16.67%
3 16.36% 4.43% 15.56% 5.25%
4 21.09% 2.63% 21.01% 3.33%
5 21.23% 1.92% 40.4% 7.47%
(Dative PLC)
x 5.76% 3.94% 5.96% 3.84%
Tab. 11: Results of the judgement task for genitive- and dative-marked PLCs
One possible counterargument to the above reasoning in support of a genitive source may be that there could be a regional distribution that corresponds to the areas of Alemannic in which genitive is still attested. However, the two maps in Map 5 show that such a regional distribution cannot be detected. Both acceptance and rejection are distributed rather uniformly across the Alemannic area. The results are displayed on two maps, one showing the distribution of ratings between 1 and 3 (the map on the left in Map 5) and the map on the right showing ratings of 4 and 5, including x (=no answer) in order to avoid too much overlap of the dots, so that the distribution of the individual answers is clearly visible. The acceptance of a genitive-marked possessor in PLC constructions in modern Alemannic therefore allows for a genitive origin of the PLC, in addition to the examples from the literature (see section 4.1). If the PLC originated in a dative construction, PLCs with a genitive-marked possessor should be rejected for two reasons: i) genitive assignment within the PLC construction is not possible and ii) a change from original dative-marking to genitive is unlikely, as modern Alemannic no longer has a four-case system. While hypercorrection may again be argued to play a role here, one further argument against this line of analysis comes from different methods giving differing results with respect to case marking in the PLC. While acceptance is indeed high, actual production of PLCs with genitive-marked possessors in Alemannic is extremely low. In a translation task with a possessive provided in the genitive (cf. section 3.2), three options were chosen: i) the PLC with a dative-marked possessor, ii) a PP or iii) the standard version, hence the identical construction as given in the sentence provided (this is an expected outcome as such translation tasks are subject to interference from the standard German model). If hypercorrection was frequent in Alemannic, we would at least expect some of the PLC constructions to be realised with a genitive-marked possessor in the translation task, however this was not the case. Furthermore, hypercorrection as noted by an anonymous reviewer, is the result of a “temporary state of uncertainty”. However,
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as PLCs with a genitive-marked possessor are attested from MHG to NHG, this seems far from a temporary phenomenon.
Map 5: Results for the PLC in (36) a. with a genitive marked possessor
4.5
The early English his-genitive
In section 2.1 we provided an overview of possessive constructions across the vast majority of modern Germanic varieties. However, we excluded English in our summary, as Modern English notably lacks the PLC construction. Modern English (ModE) either expresses possession via the s-clitic, e.g. (42) a. and b. (s-genitive), or via an of-PP, e.g. (42) c. and d. As with the PLC, animacy plays an important role in the s-genitive construction in ModE, as it is generally preferred with animate nouns, whereas the of-PP strategy is generally used with inanimate nouns (VEZZOSI 2000: 173). (42) a. b. c. d.
Peter’s house the queen of England’s palace the size of the palace the title of the book
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In Old (OE) and Middle English (ME), the so called his-genitive is an attested possessive construction, in addition to the s-genitive. The his-genitive is strikingly similar to the PLC, as it consists of a possessor-DP followed by a form of the possessive element his (or her), which is in turn followed by the possessum. Thus, the internal structure and ordering of the his-genitive construction are identical to the PLC. The examples in (43) all stem from ALLEN (2002: 1). (43) a. not borrowed of other men his lippes ‘not borrowed from other men’s lips’ (Ascham Tox.A 5.23, 1545) b. and then is there good vse of Pallas her Glasse ‘and then is there good use (made) of Pallas’ mirror’ (Wisdome 44, 1619) c. to be enfformyd that Margere ys dowghter ys past to Godd ‘to be informed that Margery’s daughter has died’ (W. Cely 188.3, 1482) Despite the fact that the his-genitive has been the focus of linguistic research for many years, there is no consensus on its status and its origin. ALLEN (1997), for example, regards the construction as an orthographical variant of the bound genitive morpheme -es. At the same time, however, she also points out that it is important to distinguish the his-genitive which are attested in different stages of historical English, as these may in fact reflect different constructions, as evidenced by e.g. different agreement properties (ALLEN 2002). SHINKAWA (2013) also argues against the his-genitive being a mere orthographical variant of the inflectional -es morpheme and discusses their different morphological status. Besides the disputed origin and status of the construction, the tight connection between the his-genitive and the inflectional variant is generally acknowledged and accepted. Comparing the PLC and the his-genitive, both seem to have appeared in similar historical stages, as unambiguous examples of the his-genitive are argued to be only attested from ME onwards. Earlier examples may instead be accounted for in terms of e.g. left dislocation (cf. the discussion in LORIDO / NÚÑEZ 2017: 47). A similar issue arises with the earliest attestations of the PLC, as they are ambiguous between the PLC and an external possessive construction. Besides this overlap regarding the diachronic development at certain stages, in the two respective constructions his and sein are both underspecified for gender, as both elements can or could appear with masculine and feminine nouns. This is illustrated for English his in (43) c. above and for sein in modern Alemannic in (44). (44) de Oma sin Schurz the granny his apron ‘the granny’s apron’ While closer investigation of the early English data is needed, in this paper we simply point out that the striking structural similarity of the PLC and the his-
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genitive as outlined here, together with the seemingly undisputed genitive source of the his-genitive is at least in line with the genitive hypothesis for the origin of the PLC and is thus a worthwhile avenue for future research. 5
CONCLUSION AND OUTLOOK
In this paper, we have shown that novel diachronic and synchronic data from Middle Low German and modern Alemannic respectively allow for a possible origin of the PLC in an adnominal genitive construction contra the oft-assumed dative hypothesis; PLCs with a genitive-marked possessor are robustly attested in Middle Low German, and there are also clear signs of residual examples with similar properties in modern Alemannic dialectal data. Moreover, we have suggested that the so-called his-genitive construction in early English, generally considered independently from the Continental West Germanic PLC in the literature, also adds further strength to this origin story as the construction is strikingly similar to the PLC but has generally been argued to be a variant of adnominal genitive. Thus, if it is true that the PLC in Germanic is also based on adnominal genitive then the two constructions may indeed have their origin in the same construction. Additonally, we have argued that, considering the sparsity of data available for the PLC in historical texts, it is sensible to take further considerations into account which are built on our general understanding of morphosyntactic change, specifically i) comparative evidence regarding the distribution of the PLC across Germanic, ii) tendencies regarding the diarectionality of morphosyntactic change and iii) facts concerning the external dative as a source for the PLC. In fact, as we discussed, on the basis of these considerations the genitive hypothesis offers certain explanatory advantages, which are not currently matched by the dative hypothesis as it stands. We view this paper as an initial study and see several avenues to pursue in future, in the context of the Germanic PLC and similar constructions. Firstly, in light of the structural similiarities between the his-genitive and the PLC observed here, further examination of the precise properties of the his-genitive in early English corpus data would seem worthwhile, in order to understand the role of case erosion in connection with the emergence PLC in German(ic) and its loss/absence in English better. Secondly, now that the specific characteristics of the PLC in Middle Low German have been pinned down for the first time with the help of newly available corpus data, it would be wise to revisit the construction in historical (Mainland) Scandinavian, where it has long been assumed that Middle Low German is the source of the PLC construction via language contact (e.g. NESSE 2002; NORDE 2012; PERRIDON 2003; TORP 1992). This assumption has been maintained throughout the years, despite little understanding of the precise characteristics of what is deemed as the source construction, due to the lack of easily accessible Middle Low German data. The survey presented here fills this gap and can now feed into a closer examination of the contact story. Finally, the status of the possessive element in the PLC (e.g. sein-) remains unclear. As we have pointed out here, it can be underspecified for gender in various varieties, which can be taken to indicate
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that it has grammaticalised towards being a more functional element. In line with its apparent functional nature, we tentatively suggest that one way to account for the status of this possessive element in the PLC would be to view it as a strategy to avoid a distinctness violation (OCP effect, RICHARDS 2010) between the possessor and the possessum. A full formulation of this analysis we leave for future work, informed by a wider variety of Germanic varieties, past and present.
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Possessor Linking Construction
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DER AM-PROGRESSIV IN SCHWEIZERDEUTSCHEN DIALEKTEN: ANALYSE EINER REZENTEN GRAMMATIKALISIERUNG* Luise Kempf 1 EINLEITUNG Im Kontrast zum Englischen oder gar slawischen Sprachen besitzt das Deutsche im geschriebenen Standard (noch) keine voll grammatikalisierte, obligatorische Aspektkategorie (so zumindest der traditionelle Standpunkt, vgl. EROMS 2017: 72; KUHMICHEL 2017: 121; anders jedoch GÁRGYÁN 2014: 53). In der Literatur werden allerdings einige Konstruktionen diskutiert, die eine progressive Aspektualität ausdrücken können (s. z. B. KUHMICHEL 2017: 121). Mit unterschiedlichen semantischen und diasystemischen Schwerpunkten sind dies die folgenden Konstruktionen (zur besseren Anschaulichkeit in der finiten Form der 3. Ps. Sg. genannt): ist am/im/beim Ven; tut Ven; Vt gerade; ist dabei/daran, zu Ven. Unter all diesen Kandidaten ist jedoch der am-Progressiv sowohl am eindeutigsten (bspw. gegenüber der polyfunktionalen tun-Periphrase, vgl. KUHMICHEL 2017: 122) als auch am weitesten grammatikalisiert.1 Da seine Entwicklung rapide voranschreitet, könnte sie „den Beginn einer Umstrukturierung des deutschen Verbsystems darstellen“ (GLÜCK 2001: 83). Dass man mit diesem Phänomen eine Progressivkonstruktion oder gar ein Aspektsystem in statu nascendi beobachten kann, hat den am-Progressiv zu einem beliebten Forschungsgegenstand gemacht. Nicht weniger als sechs Monographien und über zwei Dutzend Aufsätze behandeln den am-Progressiv als zentrales Thema. Dabei liegt der Fokus einerseits auf dem (regionalen) Gebrauchsstandard, wie er sich etwa in Zeitungstexten, Internetbelegen oder Umfragen zeigt, teilweise aus
*
1
Ein herzliches Dankeschön möchte ich an die vielen Personen richten, die die Umfrage getestet, weiterverbreitet und/oder ausgefüllt haben. Ebenso herzlich danke ich: Judith Winterberg, Tino Calzaferri und Nicolas Schatzmann für die Unterstützung bei der Literaturverwaltung; der erstgenannten sowie Elisabeth Kempf für die Hilfe bei der Durchsicht der Wenkerbögen; dem letztgenannten sowie Jeffrey Pheiff, Damaris Nübling und der/dem/den anonymen Gutachtenden für die sorgfältige Durchsicht und die hilfreichen Anmerkungen; Elvira Glaser und Sandro Bachmann für den Zugang zu den „SADS“-Daten. ANDERSSON (1989: 97); EBERT (1996: 44); KRAUSE (1997: 56); EBERT (2000: 630, 636); KRAUSE (2002: 240); ELSPASS / MÖLLER (2003– = AdA, Rd.2 F18); RÖDEL (2003: 100); VAN POTTELBERGE (2004: 219, 240); ELSPASS (2005: 273); FLICK / KUHMICHEL (2013); FLICK (2016); EROMS (2017: 63); TOMAS (2018: 257–258).
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Luise Kempf
kontrastiver Perspektive betrachtet.2 Andererseits stehen Dialekte im Zentrum. Dieser Forschungsstrang ist besonders wichtig, da der am-Progressiv in Dialekten viel weiter grammatikalisiert ist und in ihnen sehr wahrscheinlich seinen Ursprung hat. Vor allem im Westen des deutschsprachigen Raums ist die Grammatikalisierung stark vorangeschritten, vgl. die Karten im „Atlas zur deutschen Alltagssprache“ („AdA“, ELSPASS / MÖLLER 2003– ).3 Besonders auffällig ist der am-Progressiv in Westfalen und dem Rheinland, daher die alternative Bezeichnung „Rheinische Verlaufsform“. Entsprechend sind west(mittel)deutsche Varietäten gut beforscht.4 Auch Sprachinselvarietäten sind untersucht worden.5 Zu den schweizerdeutschen Dialekten liegt bislang keine dedizierte Studie vor. Dies ist eine überraschende Forschungslücke, denn erste Befunde zeigen deutlich, dass die Schweiz neben dem rheinisch-westfälischen Raum ein „zweite[s], bisher weitgehend übersehene[s] Kerngebiet“ darstellt (VAN POTTELBERGE 2004: 220). So gebrauchen in EBERTS (2000: 644–645) germanisch-kontrastiver Studie alle drei „Züritüütsch“-Sprecher*innen den am-Progressiv häufiger als die fünf deutschen Gewährspersonen. Auch in VAN POTTELBERGES (2004: 344–346) literarischen Belegen aus dem 19. Jh. sowie einer Stichproben-Auswertung des „DeReKo“ (VAN POTTELBERGE 2004: 216–221) sticht die Schweiz deutlich hervor. Diesen Befund erhärten die Studien FLICK / KUHMICHEL (2013) und FLICK (2016). Sie ermitteln u. a. höhere Gebrauchsfrequenzen in Schweizer Zeitungen gegenüber deutschen (fünfmal höher) und österreichischen Zeitungen (doppelt so hoch). Außerdem ist interessant, dass sämtliche genannten Studien eine starke Affinität zu objekthaltigen Sätzen aufzeigen, da diese nicht im gesamten deutschsprachigen Raum akzeptiert werden6 und auf ein fortgeschrittenes Grammatikalisierungsstadium verweisen. Zusätzlich können FLICK / KUHMICHEL (2013: 63) eine höhere Kompatibilität mit untypischen Verbklassen (Achievements und States, s. u.) belegen. An diesem Forschungsstand setzt die vorliegende Studie an. Dabei werden die folgenden Fragestellungen verfolgt: Lassen sich die bisherigen Evidenzen für die Schweiz als ein zweites Kerngebiet erhärten? Wie ist der Grammatikalisierungsfortschritt in den Schweizer Dialekten einzustufen und welche regionalen Unterschiede zeigen sich dabei? Lässt sich eine raum-zeitliche Ausdehnung im Gebiet der deutschsprachigen Schweiz belegen? Um diesen Fragen nachgehen zu können, wurden mehrere, unterschiedlich beschaffene Datenquellen ausgewertet. Im Zentrum der Studie steht eine Online-Befragung, die so konzipiert wurde, dass sie Vergleiche mit den anderen Datenquellen (v. a. den Wenkerbögen der 1930er-Jahre 2 3 4
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Z. B. EBERT (1996); KRAUSE (1997, 2002); REIMANN (1997); GLÜCK (2001); VAN POTTELBERGE (2004); GÁRGYÁN (2014); ANTHONISSEN / DE WIT / MORTELMANS (2016); EROMS (2017); FERRARESI (2017). AdA2: und AdA10: , Stand: 16.05.2021. Namentlich das „Ruhrdeutsche“ (ANDERSSON 1989), das Ripuarische (BRONS-ALBERT 1984; BHATT / SCHMIDT 1993), das Moselfränkische (KALLENBORN 2016, 2018), das Rheinfränkische (RAMELLI 2015, 2016a, 2016b) und die Dialekte Hessens (FLICK / KUHMICHEL 2013; KUHMICHEL 2016; 2017). Pennsylvaniadeutsch (TOMAS 2016, 2017, 2018), Texas German (BLEVINS 2018). S. AdA2: , Stand: 09.06.2021.
am-Progressiv in schweizerdeutschen Dialekten
73
sowie Daten aus den Befragungen zum „Syntaktischen Atlas der deutschen Schweiz (SADS)“ zulässt. Die genaue Methodik wird in Kapitel 3 erläutert. Kapitel 4 diskutiert die Ergebnisse der Untersuchung, Kapitel 5 bietet ein Fazit und Ausblicke. Zunächst werden jedoch in Kapitel 2 die theoretischen Grundlagen geklärt. 2
THEORETISCHER ZUGANG
In diesem Kapitel werden die theoretischen Grundlagen aus drei Bereichen erläutert: Grammatikalisierung (2.1), Semantik des am-Progressivs und der Verbklassen (2.2) sowie situative Kontexte (2.3). Begrifflich knüpft die Studie außerdem an konstruktionsgrammatische Konzepte wie Konstruktion, Schema, Coercion an. Hierbei wird jedoch auf einen theoretischen Vorspann verzichtet, da die Begriffe an Ort und Stelle erklärt werden. 2.1
Grammatikalisierung
Schon mehrfach ist der am-Progressiv durch die Brille der Grammatikalisierungsforschung betrachtet worden. Das bietet sich an, da die Konstruktion auf dem Weg ist, ein grammatisches Zeichen zu werden. Dieser Befund zeigt sich allerdings klarer mit Blick auf die gegenwärtig starken Grammatikalisierungsindizien als in Bezug auf die Geschichte des am-Progressivs. Da eine genaue Ausgangskonstruktion nicht sicher feststeht, kann nicht exakt analysiert werden, in welchen Parametern der am-Progressiv grammatischer geworden wäre als seine Vorläuferkonstruktionen. Kritische Diskussionen einer vermeintlichen Entstehung aus Lokativ-Konstruktionen finden sich bei KRAUSE (2002: 44–49) und VAN POTTELBERGE (2004: 231–233). Einen plausiblen Vorschlag zur Genese liefern FLICK / KUHMICHEL (2013: 57). Sie vermuten eine Art Konstruktionsverschmelzung aus einem Temporaladverbial der Gleichzeitigkeit (am Schwimmen ‘während dem Schwimmen’) und dem syntaktischen Strukturschema [NP + sein + PP[am + NP]] (z. B. Er ist am Fluss). Jedenfalls steht fest, dass hier kein kanonisches Grammatikalisierungsszenario vorliegt, bei dem aus einer lexikalischen Quelle eine grammatische Zielkonstruktion entstünde. Denn zum einen grammatikalisiert sich nicht ein einzelnes Zeichen, sondern eine komplexe Konstruktion (vgl. das Konzept construction-based grammaticalization in BISANG et al. 2020: 76; MAISAK 2020: 354). Zum anderen sind schon die Bestandteile dieser komplexen Konstruktion (am und seinKopula) grammatische Zeichen, womit eine sog. sekundäre Grammatikalisierung vorliegt. Diese Eigenschaften haben Auswirkungen auf die Analyse. So ist z. B. klar, dass bei einer sekundären Grammatikalisierung keine semantische Ausbleichung in dem Sinne stattfinden kann, wie es bei kanonischen Grammatikalisierungen der Fall wäre (z. B. Hand ‘Hand’ > anhand ‘durch, mit, mithilfe’). Für den am-Progressiv kann man festhalten, dass schon bei der Präposition eine semantische Ausbleichung von einer lokativen zu einer abstrakteren, polyfunktionalen Semantik stattgefunden hat (vgl. DIEWALD 1997: 70–71). Unter diesen
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Luise Kempf
Funktionen war wahrscheinlich die temporale die entscheidende, zumal es von der Bedeutung ‘Gleichzeitigkeit’ zu ‘progressiv’ nur noch ein kleiner Schritt ist. Eine sekundäre semantische Ausweitung lässt sich z. B. dann feststellen, wenn der amProgressiv in der untypischen Kombination mit punktuellen Verben (platzen, husten) eine prospektive oder iterative Bedeutung annimmt, s. u. Kapitel 2.2. Die semantische Erosion wird hier indirekt über den Einschluss solcher Verbklassen adressiert. Gemeinsam mit der phonologischen Erosion fällt semantische Ausbleichung unter LEHMANNS (2015: 134–141) Grammatikalisierungsparameter Integrität (bzw. Abbau derselben: Erosion). Eine Übersicht zu den LEHMANN’SCHEN und zwei weiteren hier relevanten Grammatikalisierungsparametern bietet Tabelle 1. Die Pfeile bei LEHMANNS Parametern zeigen an, ob im Lauf der Grammatikalisierung eine Zuoder Abnahme stattfindet. Außerdem sind diejenigen Parameter, die in Kapitel 4 näher analysiert werden, mit einem „X“ gekennzeichnet.
LEHMANN (2015: 132)
Achse Parameter Gewicht ↓ Kohäsion ↑ Variabilität ↓
HOPPER / TRAUGOTT (2003: 106–115) HIMMELMANN (2005: 82)
paradigmatisch
syntagmatisch
Integrität Paradigmatizität X Wählbarkeit
Skopus Fügungsenge Stellungsfreiheit X
Dekategorialisierung X Kontext-Expansion X
Tab. 1: Übersicht der Grammatikalisierungsparameter
Auch der phonologische Aspekt der Integrität bzw. Erosion wird hier nicht vertieft. Wie schon RAMELLI (2016b: 77) feststellt, ist die Verschmelzung an + dem „schon in einem sehr frühen Stadium der Grammatikalisierung“ vollzogen und spielt in der Analyse des am-Progressivs keine Rolle. Sie würde erst wieder relevant, wenn z. B. am proklitisch an den Infinitiv treten und sich dabei lautlich reduzieren würde (Er war gerade a(m)backen) – was aber ggf. durch dazwischen platzierte Objekte (am Kuchen backen) verhindert wird.7 Wie darin schon anklingt, ist auch der LEHMANN’SCHE (2015: 157–167) Parameter der Fügungsenge (bondedness) im vorliegenden Fall nicht gut anwendbar. Die Fügungsenge kann sich dann verstärken, wenn regelmäßig Adjazenz vorliegt, was zu Klitisierung und zum Übergang in ein Affixstadium führen kann. RAMELLI (2016b: 71) stellt anhand westmitteldeutscher Daten fest, dass zunehmende
7
Die Infinitive in den am-Progressiven werden im vorliegenden Beitrag kleingeschrieben, da es sich nach linguistischer Analyse nicht mehr um einen nominalisierten Infinitiv handelt und auch Sprachbenutzer*innen mehrheitlich die Kleinschreibung nutzen, vgl. Kap. 4.3. Ausgenommen sind Zitate, die stets in Originalform wiedergegeben werden.
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Fügungsenge bis hin zum Präfixstatus8 als „Indikator zur Feststellung des Grammatikalisierungsgrades“ verwendet werden könne. Sicher ist dies für einige Dialekte zutreffend. Allerdings ist zu bedenken, dass der Parameter für den kanonischen Fall optimiert ist, bei dem sich ein einzelnes Zeichen grammatikalisiert. Für dieses ist dann auch zu erwarten, dass es an Stellungsfreiheit verliert, d. h. eine feste Position einnimmt und sich nach und nach enger an das benachbarte Lexem anfügt. Bei einer konstruktionsbasierten Grammatikalisierung, wie etwa dem haben-Perfekt, muss dies nicht zutreffen. Die Komponenten stehen zwar in einem fixierten Syntaxschema (hier: linke und rechte Satzklammer), haben darin aber variable Nachbarn und sind folglich nicht für Klitisierungen prädestiniert. Dennoch kann man solche Konstruktionen als voll grammatikalisiert betrachten, z. B. wenn sie sich vollständig in das Paradigma einer Kategorie (hier: Tempus) integriert haben. Der schweizerdeutsche am-Progressiv scheint sich, um es vereinfachend vorwegzunehmen, aktuell an einem Scheideweg zu befinden, bei dem noch nicht klar ist, ob er Richtung Fügungsenge und Klise führen könnte oder doch hin zu einer periphrastischen, klammernden Konstruktion. TOMAS (2018: 84–86, 176–192) stellt in seiner Analyse des extrem weit grammatikalisierten am-Progressivs im Pennsylvaniadeutschen fest, dass hier eine Progressivklammer entstanden ist. So sind dann Sätze wie Ich bin am die Kinna dihre Hoar schneida ‘Ich bin am den Kindern ihre Haare schneiden’ möglich (vgl. TOMAS 2018: 259). Ansätze in diese Richtung bestehen auch im Schweizerdeutschen, doch gibt es regionale und individuelle Akzeptanzunterschiede, s. Kap 4.2. Der Parameter Skopus zielt auf die Größe der Konstruktion, an deren Bildung das sich grammatikalisierende Zeichen mitwirkt (vgl. LEHMANN 2015: 152–157). Auf diesen Parameter wird hier in Anlehnung an BISANG / MALCHUKOV (2020: 36, 89 et passim) verzichtet, da er sich empirisch und theoretisch als schwer fassbar erweist. Auf der paradigmatischen Achse sind noch die Paradigmatizität und die Wählbarkeit zu nennen. Paradigmatizität meint die formale und semantische Integration sowohl eines Paradigmas als Ganzen (z. B. Tempus oder Aspekt) als auch einer einzelnen Subkategorie in das Paradigma seiner generischen Kategorie (z. B. Perfekt im Tempusparadigma, Progressiv im Aspektparadigma), vgl. LEHMANN (2015: 141). Bei flektierenden Kategorien ist hier noch eine Dimension hinzuzudenken: Wenn die Subkategorie (Perfekt, Aspekt) vollwertig in ihr Paradigma integriert sein soll, muss sie ein vollständiges eigenes Flexionsparadigma aufweisen. Das Perfekt müsste also das gleiche Flexionsparadigma ausbilden wie Präsens und Präteritum. Bei der Progressivgrammatikalisierung müsste man, wenn man sie als Beginn eines Aspektsystems begreift, das gesamte Verbalparadigma mit allen Tempora, Modi, Diathesen, Personen, Numeri in allen Verbklassen überprüfen. Eben dies hat KRAUSE (1997, 2002) für das Standarddeutsche im Kontrast zum Niederländischen und Englischen vorgenommen und dabei den am-Progressiv als in den meisten Kategorien fakultativ möglich herausgearbeitet. Für schweizerdeutsche Dialekte 8
Hierzu führt RAMELLI (2016b: 70) das interessante ripuarische Beispiel Ich ben dat jrad op am schrieve aus BHATT / SCHMIDT (1993: 78) an.
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stehen diese Prüfungen noch aus. Die vorliegende Studie konzentriert sich auf semantische Verbklassen und einige Valenzrahmen. Die Wählbarkeit reduziert sich im Lauf einer Grammatikalisierung, so dass das Zeichen zunehmend obligatorisch wird. Hierbei kann man zum einen fragen, in welchen Bereichen eines Paradigmas die Konstruktion obligatorisch ist; so könnte es bspw. sein, dass nur im Präsens zwischen progressiv und aspektuell unmarkiert unterschieden wird, hier aber der Progressiv eingesetzt werden m u s s , sobald eine Handlung in ihrem Verlauf betrachtet wird. Zum anderen ist nach den situativen Kontexten zu fragen, in denen der Progressiv zum Einsatz kommt. Es gibt progressiv-begünstigende Kontexte (s. Kap. 2.3), so dass man in diesen am frühesten eine Obligatorisierung erwarten würde. Die Wählbarkeit wird hier nicht weiter vertieft, vgl. jedoch die in Kapitel 4 angegebenen Prozentwerte. Der Parameter Dekategorialisierung beschreibt den Vorgang, bei dem die betreffende Einheit die morphosyntaktischen Eigenschaften der ursprünglichen Wortartkategorie (Substantiv, Verb, Adjektiv) verliert und in eine grammatische Wortartkategorie (z. B. Präposition) oder eine Flexionskategorie übergeht. Auch dieser Parameter muss auf den vorliegenden Fall einer konstruktionsbasierten, sekundären Grammatikalisierung angepasst werden, vgl. Kapitel 4.3. Besonders wichtig ist schließlich HIMMELMANNS (2005) Konzept der KontextExpansion. Es geht dabei um die Zunahme der Gebrauchsfrequenz aufgrund von Erweiterung a) der semanto-pragmatischen oder b) syntaktischen Kontexte oder c) der lexikalischen Träger (host class expansion, vgl. HIMMELMANN 2005: 82). Dieser Parameter kann mit HIMMELMANN (2005: 83) als primär betrachtet werden, während alle anderen Parameter nur Epiphänomene seien. Dieser Gedanke lässt sich gut nachvollziehen anhand folgender Parameter-Hierarchie, die NARROG / HEINE (2018: 2) aufbauend auf HIMMELMANN (2005) vorschlagen: (1)
Exten sion > Desemantisierung > Dekategorialisierung > (phon.) Erosion
So beginnt der Prozess über zunächst vereinzelte, dann immer häufigere Ausdehnungen der ursprünglichen Gebrauchskontexte. Haben die Ausdehnungen eine gewisse Frequenz erreicht, so geht die in ihnen angepasste Semantik in die Bedeutung des sich grammatikalisierenden Zeichens über und erweitert sie somit. Je allgemeiner und damit ausgebleichter die Semantik des Zeichens wird, desto eher kommt es zu einer Dekategorialisierung. Phonologische Erosion ist allerdings kein zwingend folgender Schritt. Nach HIMMELMANN (2005: 83) ist ihr Auftreten abhängig vom Sprachtyp sowie vom Konstruktionstyp. Wie oben gesagt, bedürfte es zuerst der Stellungsfestigkeit, damit Fügungsenge und phonologische Erosion eintreten können. Aufgrund seines Primats wird der Faktor Kontext-Expansion in dieser Studie prioritär analysiert. Die folgenden Unterkapitel nehmen Bezug auf die Erweiterungsdomänen a) semanto-pragmatische Kontexte sowie c) lexikalische Träger (Verbklassen). Die Erweiterungsdomäne b) syntaktische Kontexte wird im empirischen Teil anhand transitiver und reflexiver Konstruktionen adressiert.
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Verbklassen und Semantik des am-Progressivs
In der Forschung werden für die am-Konstruktion neben deren Hauptfunktion, eine Handlung als im Verlauf befindlich zu kennzeichnen, auch einige weitere Funktionen diskutiert. So beschreiben ANTHONISSEN / DE WIT / MORTELMANS (2016) – die das Funktionsspektrum der am-Konstruktion anhand des DeReKo9 untersuchen – aspektuelle Nebenfunktionen sowie ein Potential zu intersubjektiven Konnotationen. Zu Ersteren zählen der habituelle und der iterative Aspekt (s. Bsp. (2) und (3), beide aus ANTHONISSEN / DE WIT / MORTELMANS 2016: 12; vgl. auch KRAUSE 1997: 73). Zu Letzteren zählen etwa eine Intensivierung oder ein Irritations-/Gereiztheitsausdruck (Bsp. (4) und (5), aus ANTHONISSEN / DE WIT / MORTELMANS 2016: 19). (2) (3) (4) (5)
Sie waren immer nur am Arbeiten […] Angelika Hoffmann z. B., die „nur noch am Kofferpacken ist,” weil sie laufend Reisen gewinnt. Die sind so am Kämpfen, daß die mich gar nicht wahrnehmen […] Viele haben sich über die Fülle an Informationen beklagt, die von der Gesundheitsdirektion verlangt wurden. Überspitzt gesagt waren die Leute „nur noch am Erheben statt am Arbeiten,” wie sich ein Spitalvertreter ausdrückt.
Wie an den Beispielen deutlich wird, entstehen die Zusatzfunktionen jedoch in Abhängigkeit vom Kontext. Einen Beitrag leisten meist Adverbien (immer nur, nur noch, so, laufend), daneben auch der weitere semantische Kontext (so tendiert die Tätigkeit des Arbeitens zur Habitualität, der Kontext des Sich-Beklagens zur Gereiztheit). Bemerkenswert ist das Auftreten des am-Progressivs in diesen Situationen dennoch, da er ebenfalls zu den entsprechenden semantischen Nuancen beiträgt, eine Affinität zu diesen Kontexten erkennen lässt und dabei teilweise kaum ersetzbar wäre. ANTHONISSEN / DE WIT / MORTELMANS (2016: 12, 18) ermitteln diese Affinitäten quantitativ. Dabei zeigt sich, dass die Kennzeichnung des Verlaufs vor allen anderen (Neben-)Funktionen sehr deutlich überwiegt. Die Verlaufssemantik dürfte auch diejenige sein, die sich als Default einstellt, wenn nicht der Kontext auf verwandte oder zusätzliche Bedeutungen schließen lässt. Aus diesen Gründen wird hier der Terminus am-Progressiv gewählt – der Nebenbedeutungen nicht ausschließen, die Hauptfunktion aber hervorheben soll. Neben der frequentiellen Dominanz lässt sich auch ein diachrones Primat der Progressivbedeutung erwägen. Die Nebenfunktionen dürften größtenteils, wahrscheinlich vollständig, durch Kontext-Expansionen entstanden sein. Dabei spielt vor allem die Ausdehnung auf verschiedene Verbklassen eine wichtige Rolle, wie unten noch deutlich wird. Die Nebenfunktionen werden hier nicht systematisch untersucht. Da allerdings die Kompatibilität mit „untypischen“ Verbklassen geprüft wird, gerät doch ein erweitertes Funktionsspektrum in den Blick. Was die
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Sie nutzen dazu ENGELBERGS et al. (2013) „Kleines Wörterbuch der Verlaufsformen im Deutschen“.
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Verbklassen betrifft, orientiert sich dieser Beitrag wie andere zuvor im Wesentlichen an VENDLERS (1967) Aktionsartklassen. Die typische host class stellen Activity-Verben wie spielen oder singen dar. Sie besitzen eine zeitliche Ausdehnung und keinen inhärenten Endpunkt (i. e. sie sind atelisch). Damit sind sie von Natur aus gut mit Verlaufsformen kompatibel. Anders sieht es bei telischen Verben aus: Ihr inhärenter Endpunkt widerspricht eigentlich der verlaufsfokussierten Innenperspektive des am-Progressivs. Das gilt sowohl für Accomplishments (i. e. Vorgänge mit zeitlicher Ausdehnung wie etwa einschlafen, absterben) als auch für Achievements (Vorgänge ohne zeitliche Ausdehnung, z. B. gewinnen, platzen). Telische Verben in den am-Progressiv zu setzen wird jedoch möglich, indem die Semantik des Vollverbs und/oder die des am-Progressivs eine Coercion, d. h. eine durch den Kontext erzwungene semantische Anpassung, durchläuft. So kann das Verb (hier: Achievement) an Punktualität verlieren. Etwa könnte man beim Betrachten eines Films in Zeitlupe beschreiben: Der Ballon ist gerade am platzen. In anderen Situationen kann das Verb an Telizität verlieren, denn beim Gebrauch mit am-Progressiv ist nicht mehr ausgedrückt, ob der Endpunkt tatsächlich erreicht wird (vgl. Sie war am einschlafen/gewinnen, als …, FLICK 2016: 176; ähnlich ANTHONISSEN / DE WIT / MORTELMANS 2016: 15). Der am-Progressiv seinerseits fokussiert dann zwar immer noch eine innere Phase des Geschehens in ihrer Ausdehnung, jedoch liegt diese hier vor dem Eintreten des eigentlichen Verbalereignisses. Daher ist die Konstruktion hier in Richtung eines prospektiven Aspekts gedrängt worden, man könnte von einer prospektiv-progressiven Semantik sprechen. Wenn also die vorliegende Studie wie zuvor bspw. FLICK / KUHMICHEL (2013), FLICK (2016), RAMELLI (2016a) prüft, wie weit der am-Progressiv mit telischen Verben kombinierbar ist, dann geht es nicht um eine rein progressive oder rein telische Semantik, sondern um eine entsprechend angepasste. Interessant sind die Fälle, weil der am-Progressiv erst in einem fortgeschrittenen Grammatikalisierungsstadium überhaupt mit telischen Verben eingesetzt wird. In der weiteren Entwicklung dürfte sich der kognitive „Umwandlungsaufwand“ (FLICK 2016: 176) dann immer mehr reduzieren, da dann die semantische Anpassung schon Teil der Konstruktion geworden sein wird (semantische Ausbleichung). Begrenzte Kompatibilität gilt auch für State-Verben. Hier ist es allerdings sinnvoll, etwa mit CROFT (2012: 42) zwischen transitory und permanent states zu unterscheiden. Erstere sind zeitlich gebunden (z. B. be ill), letztere inhärent (z. B. be Polish). Ähnlich unterscheidet FERRARESI (2017: 86–87, in Anlehnung an MAIENBORN 2003) zwischen räumlich situierbaren Zustandsverben wie warten, schlafen und abstrakten Situationen wie wissen, lieben. Erstere sind nach FERRARESI (2017: 86–87) auch im heutigen (Standard-?)Deutsch mit dem Progressiv kombinierbar, letztere nicht einmal im Englischen (nach FERRARESI 2017: 87; vgl. jedoch die Analyse von extravaganten Verwendungen wie im Slogan I’m loving it bei DE WIT / PETRÉ / BRISARD 2020). In der vorliegenden Studie werden alle vier genannten Aktionsarten untersucht, bei den State-Verben allerdings nur das raum-zeitlich situierbare Verb schlafen.
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Schließlich wurde mit Semelfactive (nach COMRIE 1976) noch eine fünfte Aktionsart inkludiert. Diese Verben bezeichnen einen plötzlichen Vorgang ohne Zustandswechsel (z. B. niesen, blitzen). Sie erhalten im Progressiv automatisch eine iterative Bedeutung (vgl. VAN VALIN 2005: 35), was auch beim einzigen hier vertretenen Verb – husten – der Fall ist. Einen Beispielsatz zu jeder Verbklasse sowie deren Frequenzen im „Schweizer SMS-Korpus“ zeigt Tabelle 5 in Kapitel 4.2. 2.3
Situativer Kontext
Da im Deutschen und vermutlich auch in schweizerdeutschen Dialekten noch kein grammatisches Aspektsystem besteht, das die Wahl der einen oder anderen Aspektausprägung in jedem Satz erzwingen würde, muss darauf geachtet werden, welche situativen Kontexte eine Progressivverwendung begünstigen. In der Literatur ist auf verschiedene prototypische Progressiv-Kontexte verwiesen worden. Die folgende Übersicht stützt sich auf FLICK / KUHMICHEL (2013: 54) und deren Quellen. Inzidenz-Schema: Anna ist am backen, als ihre Mutter anruft. Frage – Antwort: Was macht Anna gerade? Sie ist am backen. Aspetto Continuo: Anna ist schon den ganzen Tag am backen. Beim Inzidenz-Schema geht es darum, dass eine Handlung bereits im Gange ist, wenn eine andere neu eintritt (vgl. RAMELLI 2015: 14, bezugnehmend auf POLLAK 1960).10 Beim Frage-Antwort-Schema wird auf die Frage Was macht XY gerade? geantwortet (vgl. EBERT 1996: 43; KRAUSE 1997: 63), beim Aspetto continuo handelt es sich um längere, z. B. den ganzen Tag andauernde Handlungen (vgl. BERTINETTO 1986: 163–181). In der Online-Befragung wurden alle drei situativen Kontexte verwendet, teilweise in Kombination. 3
DATENQUELLEN UND METHODEN
Diese Studie verwendet vier Datenquellen zur deutschsprachigen Schweiz und zieht vergleichend Daten aus dem Projekt „Syntax hessischer Dialekte (SyHD)“ heran. 10 Bei POLLAK (1960: 129–140) ist das Inzidenzschema auf Situationen in der Vergangenheit bezogen, da die Untersuchung den französischen Tempusformen imparfait und passé simple gilt. In der Forschung zum am-Progressiv wird das Konzept auch auf Gegenwarts- und z. T. sogar Futurkontexte angewandt, so bei KRAUSE (1997: 63, 66), FLICK / KUHMICHEL (2013: 54) und in der vorliegenden Studie. Ob die Hintergrund- und die neu eintretende Handlung im selben Satz stehen müssen, diskutiert HARWEG (2014: 246) und negiert dies. Ähnlich werden im vorliegenden Beitrag die Umfragesätze dem Inzidenzschema zugeordnet (vgl. Tab. 4), sobald das Hinzutreten einer neuen Handlung zu einer schon im Gange befindlichen gegeben ist.
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Für historische Daten wurde eine Auswahl an Wenkerbögen herangezogen, für den rezenten Stand Daten aus dem Projekt „Syntaktischer Atlas der deutschen Schweiz (SADS)“ sowie aus einer eigenen Online-Befragung. Ergänzend wurden die Vorkommen des am-Progressivs aus dem „Schweizer SMS-Korpus“ erhoben, denn nur aus Korpusdaten können Frequenzen (Gesamtfrequenzen sowie Frequenzverhältnisse bspw. zwischen Aktionsarten, Tempora, Valenzrahmen etc.) gewonnen werden. Tabelle 2 gibt einen Überblick zu den Datenquellen, der nachfolgende Text weitere Details zur Datenerhebung. Eine Übersicht der relevanten Sätze wird in Kapitel 4 zusammen mit quantitativen Ergebnissen (Prozentanteile am-Progressiv) gegeben. Quelle
Erhebungszeitraum
Wenkerbögen
1933–1934
SADS
2000–2002
SMS Corpus Online-Befragung kontrastiv: SyHD
2000er-Jahre 2019–2020 2010–2016
Umfang
relevante Sätze 307 Bögen ausgewertet 2 (CH), 209 Bögen (weitere alemannische Räume) 2 776 –3 187 Gewährs- 4 personen11 275 000 Tokens Text12 152 641 Gewährspersonen 7 812–1 022 Gewährs- 10 personen13
Tab. 2: Datenquellen
Die Daten aus dem SyHD-Projekt sind KUHMICHEL (2017) entnommen. Die Datengewinnung aus den anderen Quellen wird im Folgenden erläutert. Der Datensatz „Wenkerbögen“ bezieht sich auf die in der Schweiz 1933–1934 durchgeführte schriftliche Dialekterhebung nach den von Georg Wenker entworfenen Fragebögen (s. KAKHRO 2005; FLEISCHER 2017: 111–117).14 Hierbei übersetzten Schüler bzw. deren Lehrer 40 auf Standarddeutsch vorgegebene Sätze in ihren Dialekt. Zwei dieser Sätze sind potentiell relevant: (6)
11 12 13 14
Wenkersatz 24: Als wir gestern Abend zurück kamen, da lagen die andern schon zu Bett und waren fest am Schlafen.
, Stand: 24.05.2021. , Stand: 23.05.2021. Vgl. FLEISCHER / LENZ / WEISS (2017: 3) und KUHMICHEL (2017: 124). Zugänglich über , Stand: 23.05.2021.
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Wenkersatz 38: Die Leute sind heute alle draußen auf dem Felde und mähen.
Satz 24 erweist sich als schwierig, denn einerseits ist der am-Progressiv vorgegeben, andererseits lässt er sich in Schweizer Dialekten nur schwer realisieren. Denn aufgrund des Präteritumschwunds wird hier das Perfekt gebraucht, was zu syntaktischen Komplikationen – nämlich der Koordination zweier aspektuell ungleicher Perfektperiphrasen im Matrixsatz – führt.15 Satz 38 ist besser nutzbar und deshalb einschlägig, da man ihn als Aspetto continuo lesen kann (daneben auch als Absentiv16). In dieser Studie wurden nicht alle 1 785 Schweizer Wenkerbögen ausgewertet, sondern ein Sample von ca. 300 Bögen. Um eine etwa gleichmäßige Flächenverteilung zu erreichen, wurde pro Kanton je nach Größe eine bestimmte Anzahl Orte ausgewertet (z. B. Appenzell Ausserrhoden 5, Basel-Landschaft 10, Zürich 20, Graubünden 30). Pro Kanton wurde mit den alphabetisch ersten Orten jeweils eine (pseudo-)zufällige Auswahl getroffen. Durch Besonderheiten des Materials (z. B. liegt mit Bosco/Gurin genau ein deutschsprachiger Ort für das Tessin vor) ergibt sich eine Gesamtmenge von 307 ausgewerteten Bögen. Zum Vergleich wurden außerdem insgesamt 230 Bögen aus Vorarlberg, Liechtenstein, Württemberg, Baden und Elsass-Lothringen ausgewertet. Auch die SADS-Daten stammen aus einer schriftlichen Fragebogenerhebung. Der Zugriff erfolgte über eine interne Datenbank,17 in Kürze soll jedoch ein öffentlicher Zugriff möglich sein.18 Aus den vier Sätzen, bei denen eine Antwort mit amProgressiv möglich ist, sind hier vor allem die folgenden beiden interessant, da sie ein direktes Objekt enthalten. (8)
fII_16: Mir sind grad am es Bild uufhänke. / Mir sind grad es Bild am uufhänke. / Mir sind grad draa es Bild uufzhänke. ‘Wir sind gerade am ein Bild aufhängen. / Wir sind gerade ein Bild am aufhängen. / Wir sind gerade daran, ein Bild aufzuhängen.’19 Stimulus: Situationsbeschrieb + Auswahl (mit konkur. Varianten)
15 Weder das Perfekt noch das Verb schlafen wären an sich problematisch, da ihr Gebrauch jeweils in vielen Sätzen der Online-Umfrage und des „Swiss SMS Corpus“ belegt ist. 16 Dieser Terminus meint Situationen, in denen das Subjekt sich vom (lokalen) deiktischen Zentrum entfernt hat, um die Verbalhandlung in Absenz von ihm durchzuführen. Für Genaueres s. VOGEL (2009: 7–8), wobei die dort vertretene Annahme, dass die betreffende Tätigkeit gewohnheitsmäßig ausgeführt werden muss, nicht zwingend erscheint. 17 Für die Zugriffsrechte bedanke ich mich sehr herzlich bei Elvira Glaser und Sandro Bachmann, Universität Zürich. 18 Sandro Bachmann p. c. 19 Auf Anregung einer/eines Gutachtenden sowie der Herausgeber*innen werden Übersetzungen für alle schweizerdeutschen Beispiele (außer für die bereits zuvor übersetzten sowie die erschließbaren in Tab. .4) inkludiert. Zugunsten der morphologischen Transparenz wird eine möglichst wörtliche Übersetzung gewählt.
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fII_24: Jetzt bini aber grad am s Brot schniide. / Jetzt bini aber grad s Brot am schniide. ‘Jetzt bin ich aber gerade am das Brot schneiden. / Jetzt bin ich aber gerade das Brot am schneiden’ Stimulus: Situationsbeschrieb + Auswahl (ohne konkur. Varianten)
Bei beiden Sätzen ist vorher eine Situation beschrieben, die ein Inzidenz-Schema evoziert. Anschließend werden die genannten Varianten zur Auswahl gegeben, danach folgen die Fragen, welche Variante am natürlichsten sei und ob im jeweiligen Dialekt außerdem eine andere (frei zu nennende) Variante gebraucht würde. Durch diese Art der Abfrage kann nicht erschlossen werden, welcher Anteil der Gewährspersonen im spontanen Gebrauch einen am-Progressiv verwendet hätte; jedoch sind die Realisierungsvarianten diatopisch aufschlussreich. Ein weiterer Satz, fI_4, ist zwar per Freitexteingabe elizitiert, lädt jedoch eher zu Absentivbildungen ein (‘die Nachbarin ist nicht anzutreffen, da sie gerade einkauft’). Der vierte Satz schließlich, fIII_27, entspricht dem Frage-Antwort-Schema, da beschrieben werden soll, was der Polizist auf einer Abbildung gerade tut (Strafzettel/Buße schreiben). Da hier eine Mehrfachauswahl vorliegt (wieder mit anschließender Frage nach natürlichster und alternativer Variante), können auch hier keine freien Gebrauchsfrequenzen erschlossen werden. Die eigene Online-Befragung wurde von Februar 2019 bis Februar 2020 durchgeführt. Die Gewährspersonen wurden über Facebook, Twitter und E-Mail akquiriert und am Anfang der Umfrage aufgefordert, in ihrem Dialekt zu antworten.20 Die Umfrage war mit sieben einschlägigen Fragen und fünf Distraktoren bewusst kurz gehalten, um einen hohen Rücklauf zu fördern.21 Zu Beginn wurden Sozialdaten erhoben – verpflichtend die Angabe, an welchem Ort man aufgewachsen sei, sowie optional weitere Angaben wie heutiger Wohnort, Dialektbezeichnung, Beruf, Alter und Geschlecht. Fast alle Informant*innen füllten alle Felder aus. Die einschlägigen Fragen waren so gewählt, – – – –
dass sie verschiedene Aufgabentypen umfassen und sich von ganz offenen Fragen zu solchen mit mehr Vorgaben entwickeln, um Priming-Effekte zu minimieren; dass sie jeweils einen (groben) Vergleich mit anderen Datenquellen zulassen; dass sie alle mindestens einen der drei prototypischen Progressivkontexte aufweisen; dass sie zusammen alle vier Aktionsartklassen abdecken;
20 Im Lauf der Umfrage erwies sich dies als unterkomplex, da viele sich je nach Gegenüber akkommodieren. Daher wurde addiert „wie Sie mit Menschen mit dem selben Dialekt sprechen würden“. Dies schafft Klarheit für viele, abgesehen allerdings von Personen mit individuellen Mischdialekten. 21 Der vollständige Fragebogen kann unter eingesehen werden, Stand: 01.03.2022.
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dass sie alle im Indikativ Präsens Aktiv gehalten sind (außer dem hier integrierten Wenkersatz 24 … waren fest am Schlafen), da der Umfang der Befragung keine Abdeckung der anderen Modi, Tempora und Diathesen zuließ.
Die Distraktoren waren v. a. einfache lexikalische Bildbenennungsaufgaben. Dabei wurde die Frage nach dem „Kerngehäuse/Überrest des Apfels“ integriert, da hier eine gut dokumentierte und kleinräumige Lexemverteilung vorliegt und somit die diatopische Zuordenbarkeit der Gewährspersonen grob überprüft werden konnte. Für die diatopische Einordnung wurde immer die Angabe, wo man aufgewachsen sei, verwendet. Die Kartierung „Überrest eines Apfels“ ergab eine hervorragende Deckung mit der auf einer Online-Befragung von 2008 basierenden KSDS-Karte,22 wobei in den vorliegenden Daten in Graubünden noch die alte Variante Bitschgi vorherrscht.23 Daher kann man insgesamt von einer guten diatopischen Zuordenbarkeit der Daten ausgehen. In den Daten sind alle deutschsprachigen Kantone vertreten, mit einer ungefähren (aber nicht exakt repräsentativen) Entsprechung zur Bevölkerungsstärke der Kantone. Allerdings ist zu bedenken, dass die Gewährspersonen nicht ebenso ortsfest sind wie die des SADS-Projekts, die am selben Ort ansässig sein sollten, wo sie aufgewachsen waren und woher mindestens eines ihrer Elternteile stammen sollte (vgl. GLASER / BART 2015: 83). Bei den Gewährspersonen der Online-Umfrage liegt mehrheitlich Mobilität vor. Daraus könnte sich erklären, dass in den SADSDaten klarere Raumbilder zu erkennen sind. Unterschiedlich ist auch die Altersstruktur. Wie beim SyHD-Projekt (hier Durchschnitt 73,4 Jahre, vgl. FLEISCHER / KASPER / LENZ 2012: 6) sind auch bei SADS die Gewährspersonen durchschnittlich älter als in der Online-Befragung, vgl. Tabelle 3. Altersklasse SADS Altersklasse Online-Befr.
81–104 194 ≥ 80 5
61–80 1 259 60–79 100
41–60 1 124 40–59 211
21–40 524 20–39 312
13–20 84 < 20 11
Summe 3 185 639 24
Tab. 3: Altersklassen der Gewährspersonen SADS, Online-Befragung
Das „Swiss SMS Corpus“ ist mit 275 000 Tokens Schweizer Dialekttext ein recht kleines, aber doch wegen der realen Alltagssprachlichkeit sehr nützliches Korpus. Aus dem lemma- und wortartannotierten Korpus wurden 152 valide Belege
22 , Stand: 09.06.2021. 23 Diese Variante ist auf der KSDS-Karte (KSDS 2019: 150), die auf der Mitte des 20. Jh. basiert, zu sehen. 24 Quelle der SADS-Informationen: GLASER / BART (2015: 83). Zwei Personen der Online-Befragung machten keine Altersangabe. In der Ergebnispräsentation werden die folgenden Altersgruppen verwendet: ≥60: 105, 30–59: 389,