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German Pages 175 Year 1999
CHRISTIAN LAUE
Symbolische Wiedergutmachung
Schriften zum Strafrecht Heft 118
Symbolische Wiedergutmachung
Von
Christian Laue
Duncker & Humblot . Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Laue, Christian:
Symbolische Wiedergutmachung / von Christian Laue. Berlin : Duncker und Humblot, 1999 (Schriften zum Strafrecht; H. 118) Zug!.: Heidelberg, Univ., Diss., 1997 ISBN 3-428-09889-7
Alle Rechte vorbehalten
© 1999 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fotoprint: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Gennany ISSN 0558-9126 ISBN 3-428-09889-7 Gedruckt auf aIterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 0
Meinen Eltern
Vorwort Diese Arbeit lag der Juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg im Wintersemester 1997/1998 als Dissertation vor. Neuerscheinungen konnten bis März 1999 berücksichtigt werden. Großen Dank schulde ich meinem Chef und Betreuer dieser Arbeit, Prof. Dr. Dieter Dölling, der mir sehr viel Freiheit bei der Entwicklung der Gedanken gewährt und mich dennoch vor einigen Irrwegen bewahrt hat. Prof. Dr. Eva Graul möchte ich herzlichst danken für die Erstellung des Zweitgutachtens sowie zahlreiche sehr wertvolle Hinweise und Amegungen. Besonderen Dank schulde ich Prof. Dr. Horst Schüler-Springorum, der mein Interesse für dieses Thema geweckt und dessen Bearbeitung durch zahllose Gespräche beeinflußt hat. Herzlich bedanken möchte ich mich auch bei Prof. Dr. Heinz Schöch für seine Unterstützung. Danken möchte ich meiner Lebensgefährtin Annette Porzelt, Dr. Florian Hönicke, Birgit Lankisch, meiner Großmutter und meiner Schwester Bettina für ihre jeweiligen, höchst unterschiedlichen Beiträge zum Abschluß dieser Arbeit. Gewidmet ist diese Untersuchung meinen Eltern, ohne deren Langmut, Hilfe und Großzügigkeit ich sie nie hätte erstellen können. Heidelberg, im Juni 1999
Christian Laue
Inhaltsverzeichnis Einleitung..................... ........... ................ .......... ............ .... ......... .......... ....... .... ........ Erstes Kapitel Stand der Literatur über symbolische Wiedergutmachung
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A. Symbolische Wiedergutmachung außerhalb der aktuellen Diskussion um
strafrechtliche Wiedergutmachung.................................................................... Strafe als symbolische Wiedergutmachung.... ............. ............... .... ...... ....... 11. Gemeinnützige Arbeit als symbolische Wiedergutmachungsstrafe......... .... III. Teilweise Schadenswiedergutmachung....................................................... IV. Resozialisierungsmaßnahmen des Täters.................................................... B. Symbolische Wiedergutmachung in der aktuellen Diskussion um strafrechtliche Wiedergutmachung................................................................................... I. Negative Umschreibung eines subsidiären Anwendungsgebietes............... I. Die defensive Funktion der symbolischen Wiedergutmachung............ 2. Die offensive Funktion der symbolischen Wiedergutmachung..... ..... ... 11. Unklare Vorstellungen von "Symbolischer Wiedergutmachung"............... I.
Zweites Kapitel Der Begriff der symbolischen Wiedergutmachung
A. Die strafrechtlichen Folgen der Straftat............................................................. I. Vorbemerkungen......................................................................................... I. Ausgleich............................................................................................... 2.. Abgrenzung zum zivilrechtlichen Schadensersatz... ... ........... ......... ...... 11. Verletzung oder Gefährdung von Rechtsgütern.......................................... III. Überindividuelle Störung............................................................................ IV. Folgen der Viktimisierung........................................................................... Exkurs: Der Konflikt zwischen Täter und Opfer............................... .......... V. Zusammenfassung....................................................................................... B. Leistungen des Täters.......................... ................ ......................... ............. ........ I. Materielle Wiedergutmachung.................................................................... 11. Ideelle Wiedergutmachung.......................................................................... III. Symbolische Wiedergutmachung........ ......... ............... ................... ............. I. Leistungen zum Ausgleich der überindividuellen Störung... ................ a) Konkretisierung der überindividuellen Störung.............................. Exkurs: Verhaltensnormen und Sanktionsnormen.. ..............................
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Inhaltsverzeichnis b) Strafrechtsnormen als wichtigste Regeln der Gemeinschaft.... ....... c) Leistungen des Täters...................................................................... d) Tilgungswirkung der materiellen und ideellen Wiedergutmachung............................................................................................... Exkurs: Kriminalpolitische Vorteile der strafrechtlichen Wiedergutmachung .......................................................................................... . 2. Wiedergutmachung bei Beeinträchtigungen universaler Rechtsgüter...................................................................................................... a) Definition der Tatfolgen, Bestimmung von Leistungen.................. b) Bisherige Umschreibungen der symbolischen Wiedergutmachung............................................................................................... c) Zwei Gruppen von Universalrechtsgütern...................................... I. Gruppe: Vorverlagerung des Schutzes von Individualrechtsgütern........................................................................................ 2. Gruppe: Universal rechts güter zum Schutz gesellschaftlicher Systeme..................................................................................... aa) Konkrete Folgen der einzelnen Tat........................................... bb) Schutz gesellschaftlicher Systeme.. ............. ........... ............ ...... cc) Schutz der Systeme als Ganze........................................ ... ........ dd) Folgenlosigkeit im EinzelfalL.......... ...................................... ee) Konkretisierung von Leistungen............................................... ff) Willkür......................................................................................
Drittes Kapitel Freiwilligkeit
A. Einleitung.......................................................................................................... I. Wiedergutmachung und Freiwilligkeit........................................................ 11. Verschiedene kriminalpolitische Ziele........................................................ B. Die einzelnen Wiedergutmachungsarten........................................................... I. Materielle Wiedergutmachung.................................................................... I. Bewirkung der unmittelbaren Leistung................................................. 2. Wirkungen im strafrechtlich relevanten Verhältnis............................... 11. Symbolische Wiedergutmachung........................ ........................................ I. Überindividuelle Störung.................................. .......... ...................... .. .. a) Normakzeptanz und Normstabilisierung......................................... b) Wiedergutmachung und Strafrechtszwecke.. .......... ...... .................. c) Anforderungen an die Freiwilligkeit............................................... 2. Ausgleich von Beeinträchtigungen immaterieller Universalrechtsgüter...................................................................................................... a) I. Gruppe von Universalrechtsgütern.............................................. b) 2. Gruppe von Universalrechtsgütern.......... ...................... .............. III. Ideelle Wiedergutmachung..........................................................................
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Inhaltsverzeichnis Viertes Kapitel Konzepte, Grenzen und Anwendungen strafrechtlicher Wiedergutmachung
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A. Kriminalpolitische Konzepte............................................................................. I. Das "reine" Strafrecht......................................... .... ....... ........ .. .................. .. 11. Prozessuale Zusammenflihrungen...... ...................... ............ ............. .......... III. Materiel1er Einfluß der Wiedergutmachung auf den Strafanspruch............ IV. Moderne Erweiterungen.............................................................................. B. Grenzen der strafrechtlichen Wiedergutmachung.............................................. I. Unmöglichkeit des Ausgleichs der Rechtsgutsverletzung.......... ................. 11. Schwerkriminalität...................................................................................... III. Nicht ausgleichbare andere Beeinträchtigungen.......................................... IV. Beeinträchtigungen von Universalrechtsgütern........................................... C. Anwendungsgebiete der symbolischen Wiedergutmachung.............................. 11. Teilnahmeverweigerung des Opfers.......................................... .................. 11. Delikte ohne personales Opfer..................................................................... 111. Versuch........................................................................................................ IV. Diskrepanz zwischen Schwere der Tat und Umfang der Wiedergutmachungsleistung........................................................................................
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Schluß betrachtung.. ......... ... ........ .............. .... ................................ .... ....... ..... .........
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Literaturverzeichnis. ....... ............ .... ........ ............... ........ ................ ....... ......... ..... ...
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Sachwortverzeichnis.. ..................... ............ .... ... ...................................... ....... .......
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Einleitung Der Begriff der "Symbolischen Wiedergutmachung" wurde in der strafrechtstheoretischen und strafrechtspolitischen Diskussion mit verschiedenen Inhalten verwendet. In seiner aktuellen Bedeutung ist er ein Produkt der Diskussion um die verstärkte Einbeziehung von Möglichkeiten der Wiedergutmachung in das materielle und formelle Strafrecht. Diese Reformbestrebungen haben einerseits ihren Ausgangspunkt in den Bemühungen, das Straftatopfer besser in das Strafverfahren zu integrieren, andererseits, hervorgerufen aus einer gewissen Skepsis gegenüber den präventiven Möglichkeiten der traditionellen strafrechtlichen Sanktionen, in der Suche nach Alternativen zur Strafe bzw. zum bisherigen Strafverfahren. Ergebnis dieser Reformen war eine intensive Diskussion über Möglichkeiten der Erledigung von Strafverfahren durch den Täter-Opfer-Ausgleich. Ausführliche Darstellungen dieser Entwicklung und eingehende theoretische Analysen enthalten unter anderem die Monographien von Frehsee l , Frühauf, Weigentf, A. Hartmann 4und Brauni. 6 Besondere Aktualität und eine klarer akzentuierte Bedeutung erhielt der Begriff der symbolischen Wiedergutmachung im Rahmen des "Alternativ entwurfs Wiedergutmachung" des Alternativkreises deutscher, österreichischer und schweizerischer Strafrechtslehrer (AE-Wgm) aus dem Jahre 1992. 7 Der AEWgm versuchte, ein umfassendes strafrechtliches Wiedergutmachungskonzept in materiell-strafrechtliche und strafverfahrensrechtliche Gesetzesform zu gießen. Dabei spielte die symbolische Wiedergutmachung eine wichtige Rolle. Verstanden wurde darunter zunächst Wiedergutmachung gegenüber der Allgemeinheit. 8 Daneben wurde der Begriff aber auch in einen Gegensatz gestellt IFrehsee: Schadenswiedergutmachung als Instrument strafrechtlicher Sozialkontrolle. Berlin 1987. 2Frühau! Wiedergutmachung zwischen Täter und Opfer. Gelsenkirchen 1988. 3 Weigend: Deliktsopfer und Strafverfahren. Berlin 1989. 4A. Hartmann: Schlichten und Richten - Der Täter-Opfer-Ausgleich und das (Jugend-)Strafrecht. München 1995. 5 Brauns: Die Wiedergutmachung der Folgen der Straftat durch den Täter. Berlin 1996. 6 Vgl. auch BMJ (Hrsg.): Täter-Opfer-Ausgleich in Deutschland. Bonn 1998, mit einer reichen Bestandsaufnahme der Praxis des Täter-Opfer-Ausgleichs in Deutschland. 7Baumann u.a.: Alternativ-Entwurf Wiedergutmachung (AE-Wgm). München 1992 (zit.: AE-Wgm). 8Siehe die Legaldefinition in § 1 13 HS 2 AE-Wgm.
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Einleitung
zur rein materiellen Schadenswiedergutmachung. 9 Nur durch die Integration der symbolischen Wiedergutmachung sei eine "große Lösung" möglich, das heißt die Einbeziehung auch derjenigen, sonst als kritisch eingestuften Fälle in ein umfassendes Wiedergutmachungskonzept, in denen ein Ausgleich zwischen Täter und Verletztem nicht möglich ist. IO Als Beispiele werden insbesondere versuchte Delikte, Fälle mit nicht ausgleichsbereitem Opfer sowie Delikte der Umwelt- und Wirtschaftskriminalität genannt. 11 Knapp nach dem Erscheinen des AE-Wgm beschäftigte sich noch im Jahre 1992 die strafrechtliche Abteilung des 59. Deutschen Juristentags mit den strafrechtlichen Sanktionen ohne Freiheitsentzug. In seinem Gutachten plädierte Schäch l2 daflir, beim Einbau strafrechtlicher Wiedergutmachung aus GleichbehandlungsglÜnden sog. symbolische Wiedergutmachungsleistungen zu ermöglichen. Er verstand darunter insbesondere Geldzahlungen an gemeinnützige Einrichtungen oder gemeinnützige Arbeiten. 13 Gerade in dieser Frage regte sich während der beim Juristentag geflihrten Diskussionen Widerstand. Der Referent Rahra lehnte symbolische Wiedergutmachung als "modische Etikettierung" ab, die echte Wiedergutmachung diskreditiere. 14 Auch in den Diskussionen zeigte sich verbreitete Skepsis über die Möglichkeiten der symbolischen Wiedergutmachung. 15 Das abschließende Abstimmungsverhalten über das Kapitel "Symbolische Wiedergutmachung" ergab keine eindeutige Tendenz. Es wurde die Aussage: "Auch wenn, wie in Fällen des Versuchs, ein wiedergutzumachender Schaden nicht entstanden ist und, wie bei Straftaten gegen die Allgemeinheit, ein Täter-OpferAusgleich ausscheidet, verdient das Bemühen des Beschuldigten, die Tat durch freiwillige Übernahme von Sühneleistungen wiedergut-zumachen, im Strafrecht Anerkennung." 16
angenommen. 17 Ebenso die Aussage:
9 AE-Wgm,
S. 33. IOAE-Wgm, S. 42. llAE-Wgm, a.a.O. 12Schöch: "Empfehlen sich Änderungen und Ergänzungen bei den strafrechtlichen Sanktionen ohne Freiheitsentzug? - Gutachten C zum 59. Deutschen Juristentag, München 1992. (zit.: Gutachten) 13Schöch, Gutachten, S. 67. 14Robra in: Ständige Deputation, Verhandlungen, S. 13 f. 15Siehe etwa in: Ständige Deputation, Verhandlungen, die Beiträge von Rieß, S. 68 und Hirsch, S. 70. Ausdrücklich will auch Brauns, Wiedergutmachung, S. 181 ff., symbolische Wiedergutmachung aus dem von ihm entwickelten Wiedergutmachungskonzept ausschließen. 16Ständige Deputation, Verhandlungen, S. 168. 17 A.a.O., S 176.
Einleitung
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"Freiwillig übernommene gemeinnützige Leistungen, etwa gemeinnützige Arbeit oder Zahlungen an einen Opferfonds oder gemeinnützige Einrichtungen, können in diesen Fällen das Bedürfnis nach Bestrafung in ähnlicher Weise mindern wie die Wiedergutmachung des Opferschadens.,,18
Doch wurde der Satz: "Die sogenannte symbolische Wiedergutmachung ist in die Regelungen über TäterOpfer-Ausgleich und Wiedergutmachung einzubeziehen.,,19
abgelehnt,20 und dafür die Aussage: "Die sogenannte symbolische Wiedergutmachung bedarf keiner besonderen Regelung, weil der enge Bezug zur Tat und zum Verletzten fehlt, der für Wiedergutmachung und Täter-Opfer-Ausgleich kennzeichnend ist.,,21
angenommen. 22 Es ergibt sich aus dieser kurzen Darstellung der (wenigen) über symbolische Wiedergutmachung getroffenen Aussagen kein einheitliches Bild. Unterstützt wird diese Tendenz(losigkeit) von dem Fehlen einer klaren positiven Defmition der symbolischen Wiedergutmachung. Dieser Begriff wird sehr vielfaltig verwendet. In einem ersten kurzen Kapitel soll diese Vielfalt dargestellt werden, wobei der Schwerpunkt auf die Begriffsbedeutung in der aktuelleren Wiedergutmachungsdiskussion gelegt wird. Da insbesondere der AE-Wgm sich bei seinem Konzept strafrechtlicher Wiedergutmachung der symbolischen Wiedergutmachung bedient, wird dessen Vorstellungen besonderer Wert zugemessen. In diesem ersten Kapitel soll auch versucht werden, die spezifischen Funktionen, die der symbolischen Wiedergutmachung unausgesprochen zugedacht sind, zu beschreiben. In einem zweiten, dem Hauptkapitel, wird der Versuch unternommen, eine positive Begriffsbestimmung der symbolischen Wiedergutmachung zu erarbeiten. Dies ist nicht möglich, ohne ein eigenes, die gesamte strafrechtliche Wiedergutmachung umfassendes Konzept zu skizzieren. Auch sollen die theoretischen und praktischen Anwendungsbereiche der symbolischen Wiedergutmachung untersucht werden. In einem dritten Kapitel wird die besondere Bedeutung der Freiwilligkeit von strafrechtlichen Wiedergutmachungsleistungen speziell dargestellt. Ein abschließendes viertes Kapitel beschreibt die verschiedenen kriminalpolitischen Konzepte, die hinter dem gemeinsamen Grundgedanken der strafrechtlichen Wiedergutmachung verborgen sind, und versucht, die bisher bereits diskutierten Anwendungsfelder symbolischer Wiedergutmachung zu analysieren.
18A.a.O., S. 19A.a.O., S. 20A.a.O., S. 2I A.a.O., S. 22A.a.O., S.
168; das Abstimmungsergebnis siehe a.a.O. S. 176. 168. 176. 168. 176.
Erstes Kapitel
Stand der Literatur über symbolische Wiedergutmachung Der Begriff der symbolischen Wiedergutmachung ist weder per Gesetz noch durch die Rechtsprechung oder in der wissenschaftlichen Literatur einheitlich definiert. Daher wurde und wird er in der strafrechtlichen Diskussion mit unterschiedlichen Bedeutungen verwendet. Die Variations breite reicht dabei von der Funktionsbezeichnung einer jeden strafrechtlichen Reaktion (siehe unten A. 1.) bis zu quantitativ und qualitativ ganz spezifischen und sehr verschiedenen Verwendungen (siehe unten vor allem A. III. und A. IV.). Der Begriff hat in der Täter-Opfer-Ausgleichs-Diskussion der letzten fünfzehn Jahre vor allem durch die Arbeiten des AE-Wgm eine neue, herrschend gewordene Bedeutung erlangt, von der auch diese Untersuchung ausgeht. Dennoch lohnt es, auch die hier nicht zugrunde gelegten Bedeutungen näher zu betrachten.
A. Symbolische Wiedergutmachung außerhalb der aktuellen Diskussion um strafrechtliche Wiedergutmachung I. Strafe als symbolische Wiedergutmachung
In seiner ältesten Bedeutung wird "symbolische Wiedergutmachung" als Funktionsbeschreibung der Kriminalstrafe im Zusammenhang mit dem Talionsprinzip verwendet, so z.B. von Brunner. I Wenn nach diesem Prinzip der durch die Tat angerichtete Schaden real nicht mehr gutgemacht werden kann, weil Z.B. das ausgeschlagene Auge nicht mehr einzusetzen ist, "tritt an die Stelle der realen Zurückerstatlung, der Wiedergutmachung, die nicht möglich ist, eine stellvertretende, symbolische Restitution; ( ... ) Der Übeltäter bekommt nun 'das Seine' als gerechte, das heisst dem Schaden entsprechende Strafe oder symbolische Sühnehandlung.,,2 Der Gedanke einer symbolischen Wiedergutmachung durch Strafe hat also die Funktion, die Strafe im Verhältnis zur Schwere der Tat angemessen und damit gerecht auszugestalten. Die Talion ist
IBrunner, Gerechtigkeit, S. 263 f. Gerechtigkeit, S. 264.
2Brunner,
A. Symbolische Wiedergutmachung außerhalb der aktuellen Diskussion
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der Maßstab für die Schwere der tatangemessenen Strafe, die somit zur symbolischen Wiedergutmachung der gestörten Ordnung wird. J Ähnlich verwendeten den Begriff der "Wiederherstellung" die Restitutionstheoretiker des 19. Jahrhunderts, so vor allem Welcker. 4 Er sah als Aufgabe des Strafrechts die Wiederherstellung des durch die Straftat angerichteten "intellektuellen" Verbrechenschadens, in Abgrenzung zum Zivilrecht, dessen Funktion in der Restitution des materiellen Schadens liege. Der intellektuelle Schaden ist dabei zu verstehen als eine Störung in den vertikalen Beziehungen des Täters zur Rechtsgemeinschaft, zum Staat, 5 und er ist unabhängig von dem konkreten Schaden in der horizontalen Beziehung zwischen dem Opfer und dem Täter. Er ist ein immaterieller Gemeinschaftsschaden, im Gegensatz zum Individualschaden des Opfers, der allerdings auch immaterieller Natur sein kann. 6 Auf diese Bedeutung der symbolischen Wiedergutmachung nimmt MüllerDietz Bezug, wenn er meint: "Denkbar weit gefaßt ist der Begriff der Wiedergutmachung, wenn damit die Bestrafung des Täters schlechthin gemeint ist.,,7
11. Gemeinnützige Arbeit als symbolische Wiedergutmachungs strafe Dünkel spricht 1985 von "symbolischer Wiedergutmachungsstrafe"S und meint damit gemeinnützige Arbeit als eigenständige strafrechtliche Sanktion. 9 Der damit verwendete Begriff der symbolischen Wiedergutmachung lO ist dem oben unter A. I. beschriebenen sehr ähnlich, weil er indiziert, daß durch aufer3Brunner, a.a.O.; zur Talion vgl. auch Ebert, Festschrift f. Karl Lackner, S. 399 ff., der zeigt, daß die erste historische Leistung sowohl der "echten" als auch der "analogen" (in Fonn von spiegelnden Strafen) Talion darin besteht, die Rache zu begrenzen, siehe a.a.O., S. 406. 4 Welcker, Gründe, S. 189 ff. 5Siehe Frehsee, Schadenswiedergutmachung, S.9. 6 Zuletzt hat Weber unter ausdrücklicher Anknüpfung an Welcker den Ausgleich des intellektuellen Verbrechensschadens mit dem Begriff der strafrechtlichen Genugtuung gleichgesetzt, siehe Weber, Genugtuungsinteresse, S. 52. Im weiteren Fortgang seiner Untersuchung behandelt er dann aber zumeist nur noch das Genugtuungsinteresse des Verletzten (siehe z. B. für die weitgehend von Brauns, Wiedergutmachung, S. 189 f., übernommene Analyse der strafrechtlichen Wiedergutmachung Weber, S. 110 ff.), also ein nicht mehr - wie bei Welcker - auf die Rechtsgemeinschaft bzw. Allgemeinheit, sondern auf das individuelle Straftatopfer bezogenes Phänomen. Dabei kommt es dann zu unklaren Vennischungen, siehe beispielsweise a.a.O., S. 114. 7Müller-Dietz, Strafrechtstheoretische Überlegungen, S. 358. sDünkel, BewHi 1985, S. 360 f. 9Dazu siehe Pfahl, Gemeinnützige Arbeit als strafrechtliche Sanktion, Berlin 1983. IO S0 auch Dölling: Gemeinnützige Arbeit, S. 365 f.
2 Laue
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Erstes Kapitel: Stand der Literatur
legte gemeinnützige Arbeit als Strafe das Unrecht der Tat abgearbeitet werden kann. Gemeint ist also wiederum Wiedergutmachung des immateriellen Schadens in der vertikalen Beziehung zwischen Täter und Rechtsgemeinschaft. 11 Beispielsweise vom AE-Wgm wird gemeinnützige Arbeit als eine mögliche Leistung zur Wiedergutmachung angesehen (§ 2 I 1 Nr. 5 AE-Wgm). Was der gemeinnützigen Arbeit als Strafsanktion im Vergleich zur Wiedergutmachung im Sinne des AE-Wgm - trotz aller Gemeinsamkeiten l2 - aber fehlt, ist das Element der Freiwilligkeit. Dieses Element wird überwiegend als konstitutiv flir jede Fonn der Wiedergutmachung angesehen. \3 Ohne Freiwilligkeit ist gemeinnützige Arbeit nichts anderes als eine alternative Fonn der Bestrafung des Täters neben der Geld- und Freiheitsstrafe und hat mit Wiedergutmachung im Strafrecht in der hier zugrunde gelegten Bedeutung l4 nichts zu tun. Daher ist auf dieses konstitutive Element der Freiwilligkeit noch gesondert einzugehen. 15
III. Teilweise Schadenswiedergutmachung
Der Begriff der symbolischen Wiedergutmachung findet sich auch im Zusammenhang mit materieller Schadenswiedergutmachung, so Z.B. bei Plack. 16 Nach seiner Auffassung soll der Täter, der wegen mangelnder finanzieller Leistungsfahigkeit nicht imstande ist, die gesamten Tatfolgen auszugleichen, eine teilweise Wiedergutmachungsleistung symbolisch erbringen. Diese soll z.B. mit Arbeitserziehungsmaßnahmen verbunden werden. Dadurch könne man allzu große Belastungen des Täters durch die strafrechtliche Sanktion venneiden. 17 Diese Begriffsverwendung gehört aber allein in den Bereich der materiellen Schadenswiedergutmachung, genauer zu deren Ausgestaltung im Einzelfall, besonders bei einer Diskrepanz zwischen der Schwere der Straftat und dem da-
II Eine Entlohnung der gemeinnützigen Arbeit kann auch dazu dienen, einen materieHen Schaden des Opfers wiedergutzumachen. Dies wäre eine Modifikation der materieHen Schadenswiedergutmachung, genauer deren Finanzierung. Frühauf, Wiedergutmachung, S. 281 f. beschreibt dieS' als "indirekte" Wiedergutmachung; dazu auch unten
S.47.
12Siehe dazu Frehsee, Schadenswiedergutmachung, S. 9 f. \3 So nach § 1 I 1 AE-Wgm, siehe dazu AE-Wgm, S. 40 f. 14Siehe unten S. 26. '5Siehe unten Drittes Kapitel. 16Plack, Plädoyer für die Abschaffung des Strafrechts, S. 383 f. 171n dieser Bedeutung spricht auch Schneider von "symbolischer Ersatzleistung", siehe Schneider, Kriminologie, S. 777. Vgl auch Jung, Sanktionensysteme, S. 161, der symbolische Wiedergutmachung fordert und dadurch "Gleichheitsprobleme für nicht liquide Täter" vermeiden will.
B. Symbolische Wiedergutmachung in der aktuellen Diskussion
19
durch entstandenen materiellen Schaden. Auch darauf ist noch gesondert einzugehen. 18
IV. Resozialisierungsmaßnahmen des Täters Zum Teil werden auch freiwillige Resozialisierungsmaßnahmen des Täters, wie eine Entziehungskur nach einer Alkoholtat, als symbolische Wiedergutmachung bezeichnet, so (allerdings vorsichtig) von Rössner: "Wiedergutmachung ist ( ... ) in symbolischer Form denkbar, die unter Voraussetzung der Freiwilligkeit ( ... ) bis zu Bemühungen des Täters um Integration und sozial verantwortliches Verhalten reichen kann." 19 Eigenverantwortliche Resozialisierungsmaßnahmen fallen aber schon rein logisch nicht unter den Begriff der "Wiedergutmachung", denn sie sind gerichtet auf die Beseitigung möglicher Ursachen der Tat, nicht auf deren Folgen. Sie dienen der Verhinderung weiterer Straftaten und haben mit der begangenen nichts mehr zu tun.
B. Symbolische Wiedergutmachung in der aktuellen Diskussion um strafrechtliche Wiedergutmachung In der aktuellen Wiedergutmachungsdiskussion hat der Begriff einen spezifischeren Inhalt bekommen. 20 Der modeme Begriff, wie er vom AE-Wgm verwendet wird und beim 59. Deutschen Juristentag zur Abstimmung gestellt wurde, ist verankert im Konzept der strafrechtlichen Wiedergutmachung. Dennoch gibt es, soweit ersichtlich, nirgends eine konkrete Umschreibung des Begriffsinhalts, nirgends eine positiv gefaßte Definition.
I. Negative Umschreibung eines subsidiären Anwendungsgebietes In § 1 Abs. 1 Satz 3 AE-W gm wird der Anwendungsbereich der symbolischen Wiedergutmachung festgelegt: "Die Wiedergutmachung soll in erster Linie zugunsten des Verletzten erfolgen; wenn dies nicht möglich ist, keinen Erfolg verspricht oder für sich allein nicht ausreicht, so kommt Wiedergutmachung auch gegenüber der Allgemeinheit in Betracht (symbolische Wiedergutmachung)."
18Siehe unten Viertes Kapitel C. IV. 19Rössner in MarkslRössner, S. 17. 2°Siehe oben S. 13 f. 2*
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Erstes Kapitel: Stand der Literatur
Diese Definition in Gesetzesform spiegelt die Erfassung der symbolischen Wiedergutmachung in der wissenschaftlichen Literatur wider. Es herrscht dort das Verfahren der negativen Umschreibung des Anwendungsgebietes vor, also die Erfassung eines subsidiären Einsatzbereiches. Allgemein üblich sind Umschreibungen, wonach symbolische Wiedergutmachung zum Einsatz kommen soll, wenn ein Ausgleich zwischen Täter und Opfer nicht möglich ist, vor allem bei Delikten gegen die Allgemeinheit wegen des Fehlens eines personalen Opfers,21 bei der Verweigerung der Teilnahme des Geschädigten am Täter-OpferAusgleich 22 oder beim strafbaren Versuch. 23 So schreibt Frühauf, daß die Wiedergutmachung in symbolischer Form als geeignet gelten kann, "wenn die Straftat nicht gegen ein einzelnes Opfer gerichtet ist, sondern die Rechtsgemeinschaft als ganze betrifft oder aber Wiedergutmachung allein dem Verletzten gegenüber (... ) nicht als ausreichend erscheint. ,,24 Müller-Dietz beschreibt seinen Begriff von symbolischer Wiedergutmachung in einem engeren Sinn: "Danach geht es der Sache nach darum, in Fällen, in denen - aus welchen Gründen auch immer - die Möglichkeit einer realen Wiedergutmachung im Verhältnis zum Opfer ausscheidet, an deren Stelle andere Einbußen oder Leistungen des Täters als äußerlich sichtbares Zeichen der Genugtuung treten zu lassen. ,,25 Dabei kommen als Wiedergutmachungs leistungen gemeinnützige Arbeiten oder Zahlungen an gemeinnützige Eimichtun. Betrac h t. 26 gen m
Somit folgt die Umschreibung der symbolischen Wiedergutmachung durchgehend einem einheitlichen Muster mit zwei Komponenten. Zunächst wird symbolische Wiedergutmachung - nach dem Prinzip der Subsidiarität - in ihrem Anwendungsbereich als Restgröße im Gesamtkomplex der strafrechtlichen Wiedergutmachung definiert. Als zweites werden die möglichen Leistungen exemplarisch aufgezählt. Die Beschreibung des Begriffs geschieht also in zwei Schritten: negative Erfassung des Anwendungsgebietes und exemplarische Aufzählung der Leistungen.
21Siehe Frühauf, Wiedergutmachung, S. 195; Rössner in MarkslRössner, S. 17; Schöch, Gutachten, S. 74; Roxin, Festschrift Baumann, S. 249; AE-Wgm, S. 29, passim; Meier, JuS 1996, S. 442. 22Frühau! a.a.O.; siehe auch Schneider, Opfer, S. 110; Schöch, a.a.O.; AE-Wgm, S.42. 23Schöch a.a.O.; AE-Wgm a.a.O.; Meier, JuS 1996, S. 442. 24Frühauf, Wiedergutmachung, S. 283. (Hervorhebungen durch Verfasser) 25Müller-Dietz in KaiserlEserlMadlener, S. 358 f. 26Frühau[. Wiedergutmachung, S. 196; Müller-Dietz in KaiserlEserlMadlener, S. 359; Rössner in MarksIRössner, S. 17; Schöch, Gutachten, S. 74, 130 These IV 3 b; Meier, JuS 1996, S. 442.
B. Symbolische Wiedergutmachung in der aktuellen Diskussion
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Diese Behandlung steht in bemerkenswertem Gegensatz zur üblichen Umschreibung der anderen Wiedergutmachungsarten. Der Verzicht auf eine positiv gefaßte Definition deutet auf spezifische Funktionen der symbolischen Wiedergutmachung im Gesamtkonzept strafrechtlicher Wiedergutmachung hin, verursacht auf der anderen Seite aber naturgemäß Unsicherheiten über einen einheitlichen Begriffsinhalt. Bezogen auf den allgemeinen strafrechtlichen Restitutionsgedanken hat symbolische Wiedergutmachung ihren Platz vor allem innerhalb der sog. "großen Lösung", für die sich der AE-Wgm entschieden hat. 27 In dieses umfassende Wiedergutmachungskonzept sollen auch Delikte gegen abstrakte Belange der Allgemeinheit einbezogen werden. Im Gegensatz dazu steht eine "kleine Lösung", nach der wiedergutmachungsfahig nur solche Delikte sind, die personenbezogene Wiedergutmachungsleistungen ermöglichen. Dabei kommen auch solche Straftaten gegen Rechtsgüter der Allgemeinheit in Frage, bei denen konkrete individuelle Verletzungen oder Gefahrdungen möglich sind, etwa beim Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB),28 einem Deliktstatbestand, der zwar ein Rechtsgut der Allgemeinheit schützen soll,29 bei dem aber der einzelne betroffene Beamte durchaus auch ausgleichsfahige Beeinträchtigungen erleiden kann. Die "große Lösung" strebt dagegen die prinzipielle Einbeziehung aller Deliktstypen an und will Wiedergutmachung grundsätzlich allen Tätern ermöglichen, also unabhängig von der Art des geschützten Rechtsguts und unabhängig vom konkreten Delikts- und Verfahrensverlauf. Letzteres bedeutet, daß auch versuchte Taten und Täter, deren Opfer nicht ausgleichs bereit sind, in diesem weitreichenden Konzept strafrechtlicher Wiedergutmachung mitumfaßt sein sollen. Dabei steht die opferbezogene Wiedergutmachung zwar im Vordergrund,3o ihre Möglichkeit stellt aber keine absolute Grenze dar. Symbolische Wiedergutmachung ist daher nur subsidiär anwendbar und soll bei der Entscheidung für eine "große Lösung" die Tür zur flächendeckenden Restitution öffnen. Bei näherer Betrachtung lassen sich zwei verschiedene Funktionen beschreiben, die der symbolischen Wiedergutmachung zugeschrieben werden können. Die eine, "defensive" Funktion dient der Absicherung bereits einer "kleinen Lösung", die andere, "offensive" Funktion dient der Erweiterung eines strafrechtlichen Wiedergutmachungskonzepts hin zu einer "großen Lösung".
27AE_Wgm, S. 41 f. 28 AE-W gm, S. 42 mit weiteren Beispielen. 29Und zwar die "Ungestörte Durchsetzung staatlicher Vollstreckungsakte", siehe Tröndle/Fischer, StGB § 1 \3 Rn. I. 30 S0 Schöch, Der Alternativ-Entwurf, S. 363; so auch § 1 13 I. HS AE-Wgm, dazu AE-Wgm, S. 41.
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Erstes Kapitel: Stand der Literatur
1. Die defensive Funktion der symbolischen Wiedergutmachung Bereits innerhalb einer "kleinen Lösung" hat symbolische Wiedergutmachung eine ganz spezielle Funktion. Die soeben dargelegte Strategie der negativen Umschreibung erklärt sich, wenn man die Kritik z.B. von Hirsch an einer allgemeinen Hinwendung zu Wiedergutmachungslösungen statt Strafe betrachtet: "Auch darf nicht außer acht gelassen werden, daß es zahlreiche opferlose Delikte gibt, wie z.B. Straftaten gegen die Allgemeinheit oder strafbarer Versuch. Da bei ihnen ihrer Natur nach ein Täter-Opfer-Ausgleich ausscheidet und deshalb - soll nicht ein rechtliches Vakuum entstehen - die Strafe weiterhin unverzichtbar bleibt, träte eine große Ungleichheit in der Reaktion auf Straftaten ein.,,31 Diesem Vorwurf einer in dem Gedanken der strafrechtlichen Wiedergutmachung angelegten und unvermeidbaren Tendenz zur Ungleichbehandlung scheint die Idee von symbolischen Leistungen des Täters begegnen zu können. Denn die Ungleichheiten entstehen eben gerade dadurch, daß ein personaler oder materieller Ausgleich zwischen Täter und Opfer nicht immer möglich ist, daß die Möglichkeit unter Umständen vom Zufall abhängt oder zumindest vom Täter nicht zu beeinflussen ist. Darüber hinaus eröffnet sich die Möglichkeit eines Schadensausgleichs zwischen Täter und Opfer oftmals gerade in Fällen schwereren Unrechts - beim vollendeten Delikt -, wogegen bei geringerem Unrecht - so beim Versuch32 - ein solcher Ausgleich ausscheidet. Dazu kommt bei der Entscheidung fur die "große Lösung" - die Notwendigkeit einer Wiedergutmachung bei Taten gegen Rechtsgüter der Allgemeinheit. Ziel muß es daher sein, eine Reaktion auf Straftaten zu finden, die zwar Wiedergutmachung darstellt, aber gerade in den Fällen anwendbar ist, in denen die "eigentliche", d.h. opferbezogene, interpersonale Wiedergutmachung nicht möglich ist. Schöch greift diese Kritik auch direkt auf, denn er führt im Gutachten zum 59. Deutschen Juristentag genau die von Hirsch erwähnten Fälle als Beispiele an, in denen ein personaler Täter-Opfer-Ausgleich nicht möglich ist, nämlich Versuchstaten und Straftaten gegen Rechtsgüter der Allgemeinheit. Der Gleichbehandlungsgrundsatz lasse bei diesen Tätern keine unterschiedliche Behandlung zu. Um die Zufälligkeiten der Opferkonstellationen auszugleichen, sei die Einbeziehung symbolischer Wiedergutmachungsleistungen ein geeignetes Mittel. 33 Auch hier steht die Notwendigkeit im Vordergrund, strafrechtliche Wiedergutmachung gegen Kritik abzusichern. Das findet seinen Ausdruck in der sprachlichen Erfassung der symbolischen Wiedergutmachung, die als das
31Hirsch ZStW 102 (1990), S. 537. Vgl. auch Albrecht, Strafrechtsverfremdende Schattenjustiz, S. 83 32 Ausflihrlich dazu unten Viertes Kapitel C III. 33 Schöch, Gutachten, S. 74. So auch Dölling, JZ 1992, S. 499.
B. Symbolische Wiedergutmachung in der aktuellen Diskussion
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Mittel zur Venneidung von Ungleichheiten als eine subsidiäre Größe im Gesamtkomplex strafrechtlicher Wiedergutmachung definiert wird. Somit deutet die durchgängig negative Umschreibung des Anwendungsgebietes der symbolischen Wiedergutmachung und ihre Behandlung als Restgröße subsidiär zur materiellen Schadenswiedergutmachung auf ihre Funktion hin: Symbolische Wiedergutmachung soll dann zur Anwendung kommen, wenn opferbezogene, interpersonale Wiedergutmachung nicht möglich ist, denn diese Unmöglichkeit verursacht zwangsläufig eine ungleiche Behandlung von Straftätern. Damit dient symbolische Wiedergutmachung primär der Absicherung des personalen Täter-Opfer-Ausgleichs gegen die naheliegende Kritik der Ungleichbehandlung. Sie ist damit eine unabdingbare Sicherung jedes Konzepts strafrechtlicher Wiedergutmachung, denn kein strafrefonnerisches Vorhaben kann überzeugen, das in sich schon den Keim für unvenneidbare Ungleichbehandlungen trägt. Man kann diese Schutzfunktion daher als defensive Funktion der symbolischen Wiedergutmachung bezeichnen.
2. Die offensive Funktion der symbolischen Wiedergutmachung
Auf dem Weg zur sog. "großen Lösung" der strafrechtlichen Restitution soll symbolische Wiedergutmachung aber noch eine weitere Funktion erfüllen: Mit ihr kann der Schritt zu einem umfassenden Konzept "Wiedergutmachung statt Strafe" erst bewältigt werden. Sie soll also - zunächst defensiv - die Gefahr der Ungleichbehandlung bannen, und danach in einem zweiten Schritt dem Restitutionsgedanken auch Anwendungsgebiete eröffnen in Bereichen, in denen für Wiedergutmachung auf den ersten Blick kein Platz zu sein scheint. So gibt es Delikte, bei denen keine individualisierbare Person als Opfer geschädigt ist und daher ein natürlicher Adressat für Wiedergutmachungs leistungen ausscheidet. Wie gerade an den Delikten gegen Rechtsgüter der Allgemeinheit deutlich wird, gibt es dabei Überschneidungen mit der defensiven Funktion der symbolischen Wiedergutmachung. Darüber hinaus stehen aber bei der Anwendung von Fonnen strafrechtlicher Wiedergutmachung auf Deliktstatbestände, die keinen personalen Rechtsgutsträger schützen sollen, sondern Belange der Allgemeinheit, auch ganz andere Motive hinter den Refonnbemühungen als beim ursprünglichen Modell eines Täter-Opfer-Ausgleichs. Denn um das Wohl des Opfers kann es hierbei nicht primär gehen, der Täter rückt statt dessen in den Vordergrund. Motiv einer solchen Refonn kann nur die Zurückdrängung der Strafe sein, die durch eine weniger eingriffsintensive Wiedergutmachungsleistung ersetzt werden soll. Die Anwendung der symbolischen Wiedergutmachung in diesen Bereichen ist somit nur dann notwendig, wenn man ein Konzept "Wiedergutmachung statt
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Erstes Kapitel: Stand der Literatur
Strafe" umfassend verwirklichen will. Will man Wiedergutmachung zur regelmäßigen Reaktion auf strafbares Verhalten erklären/ 4 dann muß es eine Form der Wiedergutmachung geben, die bei allen denkbaren Konstellationen der Strafrechtswirklichkeit zumindest subsidiär anwendbar ist. Nur die symbolische Wiedergutmachung, so wird offensichtlich vermutet, kann alle Lücken ftillen, die sich auftun, weil personaler Täter-Opfer-Ausgleich nicht flächendeckend anwendbar ist. Dies scheint die zweite wichtige Aufgabe zu sein, die der symbolischen Wiedergutmachung zugeschrieben wird. 35 Man kann sie, weil sie nicht der Absicherung der strafrechtlichen Wiedergutmachung dient, sondern deren Ausweitung, daher als offensive Funktion der symbolischen Wiedergutmachung bezeichnen.
11. Unklare Vorstellungen von "Symbolischer Wiedergutmachung" Die defensive und die offensive Funktion der symbolischen Wiedergutmachung scheinen die Art der Umschreibung des Begriffs zu motivieren. Diese Motivation läßt sich so zusammenfassen: Es gibt zwar bei jedem strafrechtlichen Wiedergutmachungskonzept problematische Fälle, in denen der personenbezogene Ausgleich nicht möglich ist, aber dann muß der Täter eben Leistungen erbringen, die der "echten" Wiedergutmachung gleichkommen. Voraussetzung ftir die Erftillung dieser Aufgabe wäre allerdings, daß symbolische Wiedergutmachung tatsächlich vergleichbar der materiellen Wiedergutmachung anzuwenden und zumindest ähnlich wirksam ist. Dies scheint durch die Behandlung der symbolischen Wiedergutmachung als Restgröße stillschweigend vorausgesetzt zu werden. Ob dem wirklich so ist, läßt sich aber erst nach der Erarbeitung einer positiven Definition der symbolischen Wiedergutmachung klären. Dies soll daher in den nächsten Kapiteln versucht werden. Zunächst bleibt noch kurz zu beschreiben, welche Unklarheiten diese negative, auf die erwünschten Funktionen ausgerichtete Umschreibung des Begriffs hervorrufen kann. Denn obwohl die Umschreibung der symbolischen Wiedergutmachung als Restgröße vage bleibt, kann man dennoch beobachten, daß der Begriff der symbolischen Wiedergutmachung meist so verwendet wird, als stehe sein Inhalt fest oder als sei er eine feste Größe mit klaren Grenzen. Formulierungen wie "In solchen Fällen müssen (00') sog. symbolische Wiedergutmachungsleistungen möglich sein, also insbesondere Geldzahlungen an gemeinnützige Organisationen oder gemeinnützige Arbeit,,36, legen nahe, daß "symbo" 34AE_Wgm, S. 24. 35S0 ausdrücklich Frehsee, Schadenswiedergutmachung, S. 10: Gemeinnützige Leistungen und unmittelbare Schadenswiedergutmachung stehen in einem komplementären Verhältnis. Siehe auch Roxin. Festschrift Baumann, S. 249. 36Schöch Gutachten, S. 66 f.
B. Symbolische Wiedergutmachung in der aktuellen Diskussion
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lische Wiedergutmachung" einen festen Oberbegriff bildet, aus dessen Bereich die genannten Leistungen Beispiele darstellen. Das "insbesondere" indiziert darüber hinaus, daß es auch weitere Leistungen neben den erwähnten geben kann. Es stellt sich dann allerdings die Frage, welche Leistungen noch gemeint sein können. Daß der Inhalt des Begriffes der "Symbolischen Wiedergutmachung" keineswegs so klar ist, zeigt ein kurzer Blick auf nur wenige Umschreibungen. Laos z.B. konkretisiert symbolische Wiedergutmachungshandlungen in einem Aufsatz, der sich kritisch mit dem AE-Wgm auseinandersetzt, durch die Beispiele "Entschuldigung, Geschenke,,37. Dies deckt sich aber nicht mit der Definition des AE-Wgm selbst, der in seinem § 1 Abs. 1 Satz 3 symbolische Wiedergutmachung umschreibt als "Wiedergutmachung gegenüber der Allgemeinheit". Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob alle Wiedergutmachungsleistungen gegenüber der Allgemeinheit symbolische Wiedergutmachungsleistungen darstellen. Ist also der Adressat der Leistung entscheidend, oder das, worauf die Leistung gerichtet ist, also der Leistungsinhalt? Beispielsweise wird durch Umweltkriminalität das Gemeinschaftsgut "Umwelt" in ihren verschiedenen Erscheinungsformen38 verletzt, und dementsprechend zählt Schöch Leistungen zum Ausgleich der Folgen einer umweltgefahrdenden Abfallbeseitigung (§ 326 StGB) zu den symbolischen Wiedergutmachungsleistungen, weil sie gegenüber der Allgemeinheit zu erbringen sind. 39 Andererseits werden aber vom AE-Wgm die symbolischen Leistungen in Gegensatz gestellt zur rein materiellen Schadensabwicklung. 40 Da grundsätzlich bei Umweltdelikten materielle Schadenswiedergutmachung nicht als unmöglich erscheint,41 ergibt sich hier eine Diskrepanz in der Beurteilung, was schließlich als symbolische Wiedergutmachung zu gelten hat. Was symbolische Wiedergutmachung genau umfaßt und was nicht, ist also nicht geklärt. Notwendig wäre zunächst eine Begriffsbestimmung "von innen heraus" - im Gegensatz zur bisherigen rein negativen Umschreibung - und erst in zweiter Linie anhand der Funktion, die symbolische Wiedergutmachung erfüllen soll. Soweit ersichtlich, ist eine solche Begriffsbestimmung bisher noch nicht versucht worden.
37Loos ZRP 1993, S. 52. 38Lackner IKühl, Vor § 324, Rn. 7; vgJ. dazu unten S. 50 f. 39Schöch, Gutachten, S. 74. 4°AE_Wgm, S. 33. Frehsee, Schadenswiedergutmachung, S. 156.
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Zweites Kapitel
Begriff der symbolischen Wiedergutmachung Bei der Einführung der Wiedergutmachung in das Strafrecht ist der symbolischen Wiedergutmachung eine besondere Funktion zugewiesen. Sie soll für eine flächendeckende Erweiterung der Restitutionsidee über das gesamte Anwendungsgebiet des Strafrechts sorgen. Sie bildet eine Teilmenge im Gesamtkomplex der strafrechtlichen Wiedergutmachung. Eine Begriffsbestimmung der symbolischen Wiedergutmachung muß sich daher orientieren an dem Begriff der allgemeinen strafrechtlichen Wiedergutmachung. Sind dabei auch einzelne Merkmale nicht völlig unumstritten, so hat dieser Begriff doch bereits relativ feste Konturen. Er ist exemplarisch umschrieben in § 1 Abs. 1 Satz 1 AE-Wgm: "Wiedergutmachung ist der Ausgleich der Folgen der Tat durch eine freiwillige Leistung des Täters.,,1
Diese Definition erfaßt alle Merkmale, die Wiedergutmachung von anderen strafrechtlichen Reaktionen abgrenzen. Es sind dies "Ausgleich der Folgen der Tat", "Freiwilligkeit" und "Leistungen des Täters". "Freiwilligkeit" erscheint dabei als das verzichtbarste dieser drei Merkmale, denn es gibt in der kriminalpolitischen Diskussion auch Modelle einer strafrechtlichen Wiedergutmachung, die ohne dieses Element auskommen. Darüber hinaus mutet eine freiwillig erbrachte Leistung im generell auf Zwang aufgebauten System des Strafrechts besonders außergewöhnlich an. All dies rechtfertigt es, die Freiwilligkeit in einem besonderen Kapitel zu behandeln. 2 Da symbolische Wiedergutmachung eine Teilmenge des Oberbegriffs der Wiedergutmachung im Strafrecht darstellt, müssen die Spezifikationen, die das Wesen der symbolischen Wiedergutmachung ausmachen, in diesen Begriffsmerkmalen gesucht werden. Es gilt also, bei diesen Merkmalen das spezifisch "Symbolische" an der Wiedergutmachung herauszuarbeiten. Denn nur dadurch läßt sich bestimmen, was das Besondere an der symbolischen gegenüber anderen Formen der Wiedergutmachung ist, und nur so läßt sich überprüfen, was symbolische Wiedergutmachung genau leisten soll und was sie leisten kann. Es sollen daher zunächst diese drei konstitutiven Merkmale - Folgen der Tat, LeiI Fast deckungsgleich Frehsee, Schadenswiedergutmachung, S. 6 ff. 2Siehe unten Drittes Kapitel.
A. Die strafrechtlichen Folgen der Straftat
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stungen des Täters und Freiwilligkeit - im einzelnen betrachtet und es soll dabei versucht werden, den Anwendungsbereich der symbolischen Wiedergutmachung in Abgrenzung zu den anderen Wiedergutmachungsarten zu beschreiben.
A. Die strafrechtlichen Folgen der Straftat I. Vorbemerkungen
1. Ausgleich Wiedergutmachung soll Ausgleich der Folgen der Tat sein. Dabei ist zunächst zu bemerken, daß "Wiedergutmachung" genauso wie "Ausgleich" zweierlei bezeichnet. Einerseits kann darunter der Prozeß des Wiedergutmachens oder Ausgleichens verstanden werden, aber andererseits auch das Ergebnis oder Ziel dieses Prozesses, also ein Stadium, das erreicht wird durch den erfolgreichen Abschluß der Erbringung von Wiedergutmachungs- oder Ausgleichsleistungen. Ist letzteres in der oben angeführten Definition gemeint, dann ist strafrechtliche Wiedergutmachung erfolgsbezogen zu sehen, und der erfolgreiche Ausgleich ist die Bedingung für das Gelingen der Wiedergutmachung. In der ersten Bedeutung dagegen verlangt strafrechtliche Wiedergutmachung nur das Bemühen um einen Ausgleich. Was aus strafrechtlicher Sicht ausreichend ist, ist letztlich eine rechtspolitische Entscheidung, die erst getroffen werden kann, wenn Klarheit besteht über die abstrakte Leistungsfähigkeit strafrechtlicher Wiedergutmachung.
2. Abgrenzung zum zivi/rechtlichen Schadensersatz Zunächst muß jedenfalls entschieden werden, was unter den Folgen der Tat zu verstehen ist. Der Ausgangspunkt, daß es in diesem Zusammenhang um die Wiedergutmachung der Folgen der Tat geht, legt nahe, daß diese Folgen, weil wiedergutzumachen, stets negative sind. Negative Folgen der Straftat lassen sich auch als "Schäden" in einem weiten Sinn bezeichnen. Dementsprechend verwendet das geltende Strafrecht immer, wenn es Wiedergutmachung behandelt/ diesen Begriff. So, wenn § 56 b Abs. 2 Nr. 1 StGB dem Gericht die Möglichkeit einräumt, dem Verurteilten aufzuerlegen "den durch die Tat verur-
3Über Wiedergutmachung im geltenden Jugend- und Erwachsenenstrafrecht siehe Bannenberg, Wiedergutmachung, S. 7 ff.; siehe zum durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz v. 28. 10. 1994 (BGBI I, 3186) eingeftihrten § 46 a StGB Meier, JuS 1996, S. 436; Rössner/Klaus in: BMJ (Hrsg.): Täter-Opfer-Ausgleich in Deutschland, S. 49 ff.
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Zweites Kapitel: Begriff der symbolischen Wiedergutmachung
sachten Schaden wiedergutzumachen". Mit dieser Wortwahl begibt man sich aber in die unmittelbare Nähe zum zivilrechtlichen Schadensersatzrecht, und das Verhältnis der strafrechtlichen Wiedergutmachung zu diesem Rechtsgebiet wird unklar. Diese Nähe hat Auswirkungen. So hat die Rechtsprechung lange Zeit gefordert, daß eine Wiedergutmachungsauflage z. B. bei der Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 b Abs. 2 Nr. I StGB nur erteilt werden darf, "wenn und soweit eine zivilrechtliche Haftung des Straftäters besteht. ,,4 Diese Forderung ist deswegen problematisch, weil sie eine Bindung der strafrechtlichen Wiedergutmachung an das Zivilrecht indiziert. Zwar ist dieses Rechtsgebiet dasjenige, das dezidiert Wiedergutmachung regelt, und dies differenZiert und leistungsfahig. Aber es geht dem Schadensersatzrecht stets nur um die Wiedergutmachung von Schäden im Sinne des Schadensersatzrechtes; ohne das Vorliegen dessen, was das Zivilrecht als Schaden definiert, ist das Schadensersatzrecht nicht anzuwenden. Strafrechtliche Wiedergutmachung dagegen strebt Ausgleich der Folgen der Tat an, und, weil es ein strafrechtliches Mittel ist,5 Ausgleich der spezifisch strafrechtlichen Folgen der Tat. Wenn allerdings diese strafrechtlichen Folgen deckungsgleich sind mit dem, was das Zivilrecht als ausgleichsfähige Schäden definiert, liegt es nahe, auf das Schadensersatzrecht als ein ausgereiftes Instrument zur Wiedergutmachung dieser Schäden zurückzugreifen und dieses mit seinen Begrenzungen und Differenzierungen auch in der strafrechtlichen Behandlung eines Falles zu übemehmen. 6 Die strafrechtlichen Folgen decken sich aber nur zum Teil mit den zivilrechtlichen, sie gehen in der Regel über diese hinaus. Daß sie nicht deckungsgleich sind, liegt daran, daß das Strafrecht andere Zwecke verfolgt als das Zivilrecht. Während aber zu Zeiten Bindings eine strikte Unterscheidung und Trennung der Zwecke der beiden Rechtsgebiete als Errungenschaft angesehen wurde, ist die Trennung heute beiderseits in Auflösung begriffen. Wie das Zivilrecht durch die Zubilligung von Schmerzensgeld auch Genugtuung des Verletzten erreichen will, 7 also über den bloßen Schadensausgleich hinaus ei4 0LG Stuttgart NJW 1980, S. 1114; OLG Hamburg MDR 1980, 246; LG Bremen NJW 1971, 153; LG Stuttgart MDR 1971, 1025; LG Zweibrücken NJW 1997, 1084; siehe auch SK StGB-Horn § 56 b Rn. 4; LK StGB-Gribbohm § 56 b Rn. 5 m.w.N. Kritisch zu dieser Rechtsprechung auch Frehsee. NJW 1981, S. 1253. 5S0 neben Frehsee, Schadenswiedergutrnachung, S. 8 f. auch diejenigen, die eine Bindung der strafrechtlichen Schadenswiedergutrnachung an schadensersatzrechtliche Regelungen bejahen. Zu dieser Ungereimtheit und der Einordnung der strafrechtlichen Wiedergutrnachungsauflage nach § 56 b Abs. 2 NT. 1 StGB im allgemeinen MüllerDietz, Befreiung des Strafrechts, S. 267. 6 S0 wohl auch AE-Wgm, S. 44 f. 7Siehe BGHZ (GrZS) 18, 149.
A. Die strafrechtlichen Folgen der Straftat
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nen pönalen Zweck verfolgt, so hat sich in der strafrechtlichen Wiedergutmachungsdiskussion weitgehend die Erkenntnis durchgesetzt, daß der Schadensausgleich im Sinne des Zivilrechts auch zu einer besseren Erreichung der Strafrechtszwecke beitragen kann. 8 Aus der Sicht des Strafrechts sind nur diese spezifisch strafrechtlichen Zwecke entscheidend. Wenn sich aber diese Strafrechtszwecke auch erreichen lassen durch den Ausgleich von Tatfolgen, wie er durch das zivilrechtliche Schadensersatzrecht geregelt wird, dann kann man auf dieses ausgereifte Instrument der Tatfolgenabwicklung zuruckgreifen. Dies ist allerdings nur eine Frage der Ökonomie. Entscheidend ist, daß das Verhältnis von strafrechtlicher Wiedergutmachung zum zivilrechtlichen Schadensersatzrecht im strafrechtlichen Kontext stets aus der Perspektive des Strafrechts betrachtet werden muß. Das Fazit der Diskussion über diesen Punkt, wie es Müller-Dietz zieht: "Übergreifende Gemeinsamkeiten zivilrechtlichen Schadensersatzes und strafrechtlicher Wiedergutmachung scheinen allemal dort auf, wo dem bürgerlichrechtlichen Schadens ausgleich gleichermaßen (quasi-)pönale, etwa vorbeugende, präventive Funktionen zugewiesen werden,,9 scheint aus der Perspektive des Zivilrechts gezogen und müßte umgekehrt aus der Perspektive des Strafrechts lauten: "Übergreifende Gemeinsamkeiten strafrechtlicher Wiedergutmachung und zivilrechtlichen Schadensersatzes scheinen allemal dort auf, wo der strafrechtlichen Wiedergutmachung (auch) bürgerlichrechtliche Schadensausgleichsfunktionen zugewiesen werden." Zu betonen ist der Vorrang der strafrechtlichen Tatfolgen, nur diese kann strafrechtliche Wiedergutmachung im Blick haben. Im hier zu behandelnden Zusammenhang ist also im weiteren grundsätzlich eine Loslösung vom Begriff des Schadens im Sinne des Zivilrechts notwendig. AufweIche Folgen der Tat die Wiedergutmachung gerichtet sein soll und kann, muß nach rein strafrechtlichen Kriterien bestimmt sein. Eine Überschneidung mit zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchen ist dabei möglich und wohl auch günstig, keineswegs aber notwendig. Wiedergutmachung im Strafrecht ist einzig an den strafrechtlichen Tatfolgen auszurichten. Daß andere Rechtsbereiche den Sachverhalt ebenfalls regeln, wie z. B. das Zivilrecht oder auch das Verwaltungsrecht, ist eine Tatsache, darf aber die rein strafrechtlichen Kriterien nicht beeinflussen. Die strafrechts spezifische Bestimmung der Folgen der Tat muß sich somit ausschließlich danach richten, weIche negative Folgen die Verletzung eines Strafgesetzes nach sich zieht. Verletzungen anderer Gesetze dürfen dabei für 8Roxin, Wiedergutmachung im System der Strafzwecke, S. 37 ff.; siehe dazu ausführlicher unten S. 74 ff. 9Müller-Dietz, Befreiung des Strafrechts, S. 264 f.
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Zweites Kapitel: Begriff der symbolischen Wiedergutmachung
diese Bestimmung keine Rolle spielen, weder durch Ausweitungen noch durch Einschränkungen. Dies kann erst später relevant werden, wenn es darum geht, zu bestimmen, wie die Folgen der Tat wiedergutzumachen sind. Dabei können Modellösungen anderer Rechtsbereiche durchaus herangezogen werden. Die Bestimmung der strafrechtlichen Tatfolgen hat zunächst völlig unabhängig von ihrer Wiedergutrnachungsrahigkeit zu geschehen. Diese zu beurteilen obliegt einem späteren Bemühen. Hier und jetzt geht es allein darum, zu klären, welche spezifisch strafrechtlichen Folgen eine Straftat nach sich zieht.
11. Verletzung oder Gefährdung von Rechtsgütern
Die Aufgabe des Strafrechts besteht im Schutz des Zusammenlebens der Menschen in der Gemeinschaft. 1o Diese Aufgabe will das Strafrecht dadurch erfüllen, daß es bestimmte, für das Zusammenleben der Menschen besonders wichtige Güter schützt. Diese Güter sind so bewahrenswert, daß die Gemeinschaft auf ihre Beeinträchtigung mit dem härtesten ihr zur Verfügung stehenden Instrument, eben dem Strafrecht, reagiert. Welche Güter des Schutzes durch das Strafrecht für würdig befunden werden, ist eine rechtspolitische Entscheidung der Gemeinschaft. Einen "feststehenden Kanon der Rechtsgüter, an denen das Strafrechtsprogramm festgemacht werden könnte", gibt es nicht. 11 Es gibt darüber hinaus auch keine allgemein anerkannten Kriterien für die Etablierung von Rechtsgütern in diesem Sinne. Die Entscheidung, welche Güter Strafrechtsgüter sein sollen, ist nicht unabänderlich. So unterstellt die Rechtsgemeinschaft manche Güter dem strafrechtlichen Schutz neu (Neukriminalisierung), manchen anderen entzieht sie diesen Schutz (Entkriminalisierung). Diese Entscheidungen können einem permanenten Fluß unterliegen und sind abhängig von Wertungen der Gemeinschaft. Von der anderen Seite betrachtet darf der Gesetzgeber aber nur dann zum Mittel des Strafrechts greifen, wenn dadurch Rechtsgüter geschützt werden sollen, also menschliches Verhalten nur verbieten und als strafbar werten, wenn dadurch Rechtsgüter verletzt oder zumindest gefährdet werden. Der Rechtsgutsbegriff ist somit das Kriterium, das strafwürdiges Verhalten von nicht strafwürdigem unterscheidet. 12 Letzteres mag von der Mehrheit der Rechtsgemeinschaft etwa als moralwidrig empfunden werden, was allein aber nach heutigem Verständnis keine Strafbarkeit legitimiert. IOSiehe nur Jescheck / Weigend, Strafrecht, § I I 1. in Festschrift StreelWessels, S. 71. 12 Hierzu ausführlich Roxin, Strafrecht AT I, § 2. 11Frisch
A. Die strafrechtlichen Folgen der Straftat
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Obwohl dieses Kriterium des Rechtsgutes klar und einleuchtend klingt, ist die konkrete Entscheidung, was als Rechtsgut anzusehen ist und damit strafrechtlichen Schutz legitimiert, im einzelnen aufgrund der Unbestimmtheit des Begriffes schwierig und strittig. Für den Zweck dieser Untersuchung genügt es aber festzuhalten, daß hinter jedem Straftatbestand jeweils zumindest ein Gut steht, das die Gemeinschaft besonders, nämlich strafrechtlich schützen will. 13 Es wird dadurch zum Strafrechtsgut. Die vollendete Verwirklichung eines Straftatbestandes bedeutet somit in der Regel die Verletzung dieses Gutes. Besonderer Behandlung bedürfen in diesem Zusammenhang die Gefährdungsdelikte. Bei den konkreten Gefährdungsdelikten besteht die tatbestandsmäßige Handlung in der Gefährdung eines Rechtsgutes. Diese Rechtsgutsgefährdung ist daher die strafrechtliche Folge eines konkreten Gefährdungsdeliktes. Schwieriger ist aber die Folgenbestimmung bei den abstrakten Gefährdungsdelikten bzw. den neuerdings präziser als Gefährlichkeitsdelikte bezeichneten Tatbeständen. Bei diesen wird nicht der Eintritt eines Gefahrerfolges verlangt, sondern das verbotene Handeln wird als typischerweise gefährlich eingestuft und alleine deswegen bestraft. 14 Es tritt also durch die inkriminierte Handlung kein Erfolg ein, nicht einmal ein Gefahrerfolg. 15 Wenn der Gedanke des Rechtsgüterschutzes als des Sinns des Strafrechts aufrechterhalten werden soll, muß aber auch in diesen Fällen die Verwirklichung des jeweiligen Tatbestands zumindest eine Rechtsgutsgefährdung bedeuten. Handlungen ohne jeglichen Rechtsgutsbezug unter Strafe zu stellen, ist, wenn das Strafrecht sich aus dem Rechtsgüterschutz legitimiert, nicht erlaubt. Dieser Bezug ist bei zahlreichen abstrakten Gefährdungs- bzw. Gefährlichkeitsdelikten durch die Vorverlagerung des Schutzes klassischer Rechtsgüter wie Leben etc. gewährleistet. 16 Zur Definition der Folgen einer Straftat erscheint es aber anschaulicher, für diese Gruppe von Delikten von einem übergeordneten Rechtsgut l7 auszugehen. Dieses Rechtsgut ist allerdings sehr weit zu fassen. Es läßt sich zweckmäßig als "Sicherheits"-Rechtsgut beschreiben. So schützt § 316 StGB die "Sicherheit des Straßenverkehrs" I 8, § 267 StGB die "Sicherheit und Zuverlässigkeit des Beweissverkehrs mit Urkunden,,19, § 154 StGB die "Sicherheit der staatlichen 13
S/S-Lenckner, vor § 13 Rdn. 10, Maurach / Zipf, Strafrecht AT I, S. 266 ff.
14 Siehe Hirsch, Gefahr, S. 558; Zieschang, S. 200 ff.
Graul, S. 109 f. Roxin, Strafrecht AT I, § 2 Rn. 26. Siehe dazu auch sogleich unten. 17 Ähnlich dem "vergeistigten Zwischenrechtsgut" von Schünemann, der diese Konstruktion allerdings nur auf die Aussage- und Bestechungsdelikte beschränkt, siehe dens., JA 1975, S. 753, 758. 18 So die h. M., siehe Tröndle/Fischer, StGB § 316 Rn. I; LacknerlKühl, StGB § 316 Rn. I. 19 Tröndle/Fischer, § 267 Rn. I; LacknerlKühl, § 267 Rn. 1; S/S-Cramer, § 267 Rn. I. 15
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Zweites Kapitel: Begriff der symbolischen Wiedergutmachung
Rechtspflege". Wenn ein durch Alkoholkonsum Fahruntüchtiger am Straßenverkehr teilnimmt, ist durch diese typischerweise gefährliche Handlung die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt bzw. verletzt,20 auch wenn keine konkrete Gefährdung eingetreten ist. Sogar wenn ein Zeuge in einem Gerichtsverfahren einen Meineid leistet, dessen Falschheit jedem Anwesenden deutlich bewußt ist und er deswegen die Urteilsfindung nicht schädlich beeinflussen kann, kann man davon sprechen, die "Sicherheit" der Rechtspflege sei verletzt bzw. beeinträchtigt, denn diese baut auf der wahrheitsgemäßen Zeugenaussage auf. Eine wahrheitswidrige Aussage stellt - als gefährliche Handlung 21 - einen Fehler im System der Rechtspflege dar, der deren Sicherheit beeinträchtigt. In diesem Sinne ist es im weiteren zu verstehen, wenn auch bei abstrakten Gefährdungs- oder Gefährlichkeitsdelikten von einer Rechtsgutsbeeinträchtigung gesprochen wird. Der Sinn dieser Festlegung erhellt sich erst unten, wenn die Folgen der Straftat genauer konkretisiert und auf ihre Wiedergutmachungsfähigkeit untersucht werden. 22 Das Beispiel des Meineids deutet an, daß man sich bei der Definition von Rechtsgütern vor allem bei den Gefährlichkeitsdelikten oftmals am äußersten Rand des Vertretbaren bewegt. Diese Definitionen werden aber notwendig, wenn man voraussetzt, daß das Strafrecht sich aus dem Rechtsgüterschutz legitimiert und somit fordern muß, daß jeder strafrechtliche Deliktstatbestand ein Rechtsgut schützt. Daß dies bei manchen abstrakten Gefährdungs- oder Gefährlichkeitsdelikten nur unter großen Mühen durchzuhalten ist,23 zeigt, daß diese Deliktskategorie nicht in allen Fällen leicht zu legitimieren ist. 24 Dies ist 2°Roxin, Strafrecht AT I, § 2 Rn. 23. Dabei ist es eine rein semantische Frage, ob man das Rechtsgut des § 316 StGB "Sicherheit des Straßenverkehrs" durch eine Trunkenheitsfahrt als nur "gefahrdet" oder bereits "verletzt" bezeichnet. Die Güter, die letztendlich geschützt werden sollen (siehe dazu ausftihrlich unten S. 86 ff.), also vor allem Leib und Leben, sind jedenfalls nur - abstrakt, und d.h. im konkreten Fall eben in Wahrheit nicht - gefahrdet, ein Gefahrerfolg ist nicht eingetreten. Das vorgeschaltete "Sicherheits"- Rechtsgut kann man dagegen bereits als beeinträchtigt oder verletzt ansehen, denn durch die Teilnahme eines Fahruntüchtigen ist die Sicherheit des Straßenverkehrs nicht mehr gewährleistet. Entscheidend ist also, ob man die Vorschaltung eines solchen Universalrechtsguts annimmt oder ob man als unmittelbare Schutzgüter z. B. der Straßenverkehrsdelikte nur die Individualrechtsgüter ansieht. Ähnliches gilt ftir die Umweltdelikte der §§ 324 bis 327 StGB. Siehe dazu sogleich unten und ausftihrlich unten S. 86 ff. 21 Siehe dazu auch A. Meyer, S. 183 ff. 22 Siehe S. 86 ff. 23 Zu den zahlreichen, zu weitgehend unterschiedlichen Ergebnissen kommenden Versuchen, die Rechtsgüter bzw. den Strafgrund abstrakter Gefährdungsdelikte bzw. Gefahrlichkeitsdelikte zu umschreiben siehe nur Schünemann, JA 1975, S. 787, 797 f.; Berz, S. 100 ff.; Kindhäuser, S. 225 ff., Graul, S. 140 ff.; A. Meyer, S. 145 ff. 24 Siehe dazu F. Herzog, S. 1 ff., 70 ff., 109 ff.; W. Hasserner, ZRP 1992, S. 378, 381; vgl. auch Schünemann, GA 1994, S. 201,213 f.
A. Die strafrechtlichen Folgen der Straftat
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um so bedauernswerter, als die Zahl dieser Tatbestände steige 5 und allein deshalb einer Begründung ihrer Legitimität dringend bedare 6 Hier kann das nicht geleistet noch auf das Problem tiefer eingegangen werden. Es genügt in diesem Zusammenhang, daß auch bei der Begehung eines (abstrakten) Gefährdungsdelikts vom Täter eine Rechtsgutsverletzung oder -gefährdung verursacht wird. Das Rechtsgut ist bei den abstrakten Gefährdungsdelikten als ,,sicherheits"-Gut allerdings schwer faßbar. Auf diese Problematik ist unten noch ausführlicher einzugehen. 27 Daher ist die erste Folge jeder vollendeten Straftat stets eine Verletzung eines Rechtsguts oder zumindest dessen Gefährdung. Es liegt also immer eine Beeinträchtigung eines (zumindest Sicherheits-)Rechtsgutes vor. 28 Bewußt soll in diesem Stadium die Rechtgutsverletzung oder -gefährdung noch nicht darauf untersucht werden, ob sie überhaupt wiedergutrnachungsfähig ist und wenn ja, mit welchen Leistungen. Als einzige Untergliederung soll diesbezüglich nur bemerkt werden, daß Rechtsgüter in Individual- und Gemeinschaftsgüter unterteilt werden, je nachdem ob Träger des Rechtsgutes ein Einzelner bzw. mehrere individualisierbare Einzelne sind, oder ob Träger die Gemeinschaft als Ganzes, also die Allgemeinheit ist. Die Definition dessen, was das verletzte oder gefährdete Strafrechtsgut und damit in weiterer Konsequenz die Folge der Straftat sein soll, ist dabei unabhängig von den Prämissen anderer Rechtsgebiete, z. B. des Zivilrechts. Zwar sind die Rechtsgüter des Schadensersatzrechts zum Teil deckungsgleich mit den Strafrechtsgütern, aber eben nur zum Teil. Zum einen geht der Schutz durch das Schadensersatzrecht weiter, z. B. bei der fahrlässigen Eigentumsverletzung, zum anderen geht der strafrechtliche Schutz weiter. Jedenfalls ist er prinzipiell unabhängig, insbesondere gilt nicht der Satz, daß dort, wo kein Schaden etwa an Leben oder Eigentum eingetreten sei, die Strafwürdigkeit entfalle. Dies zeigt sich beispielsweise an dem Gefährdungsdelikt des § 315 c StGB. Durch dieses Delikt erfahren klassische Rechtgüter wie Leben und Eigentum einen im Vergleich zum Zivilrecht ausgeweiteten Schutz. Danach sind diese 25 Der erhöhte Anteil abstrakter Gefährdungsdelikte scheint die Antwort des Gesetzgebers auf die sog. "Risikogesellschaft" zu sein, siehe dazu Kuhlen GA 1994, S. 346, vgl. auch Schünemann, GA 1994, S. 201, 2\0 ff. 26 W. Hassemer ZRP 1992, S. 378, 381. 27 Siehe dazu unten S. 86 ff. 28 Die "Beeinträchtigung des Rechtsguts" soll im weiteren Text nur das sperrige "RechtsgutsverIetzung oder -gefährdung" ersetzen. Eine Beeinträchtigung des Rechtsgutes umfaßt damit immer dessen Gefährdung, und es umfaßt insbesondere auch die Verletzung oder Gefährdung der oben sogenannten (Sicherheits-)Rechtsgüter.
3 Laue
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Zweites Kapitel: Begriff der symbolischen Wiedergutmachung
Rechtsgüter so bewahrenswert, daß bereits ihre vorsätzliche oder fahrlässige Gefährdung durch bestimmte Verhaltensweisen im Straßenverkehr strafrechtliche Sanktionen legitimiert, ohne daß eine materielle Beeinträchtigung eingetreten sein muß. 29 Primär geschütztes (Universal-)Rechtsgut soll dabei die "Sicherheit des Straßenverkehrs" sein. 30 Die Vorverlagerung des Schutzes 31 für Leben und Eigentum zeigt sich aber daran, daß nur ein Verhalten strafbar ist, das fremde Sachen oder das Leben eines anderen konkret gefährdet. Nicht nur die wirkliche Beeinträchtigung dieser Rechtsgüter ist strafbewehrt, sondern auch das Schaffen einer Situation, in der diese Beeinträchtigung wahrscheinlich ist. Strafrechtlich betrachtet kann man nicht sagen, es sei bei einer Gefährdung des Straßenverkehrs ohne Eintritt eines zivilrechtlich relevanten Schadens nichts geschehen, denn die Tatbegehung an sich hat das Rechtsgut "Sicherheit des Straßenverkehrs" beeinträchtigt. Dieses einfache Beispiel zeigt, daß das Strafrecht in seiner Autonomie den Schutz klassischer Individualrechtsgüter wie Leben und Eigentum durch die Schaffung eines Gemeinschaftsgutes wie "Sicherheit des Straßenverkehrs" gewähren kann. Es kann den Schutz von Rechtsgütern, die auch zivilrechtlich geschützt werden, also ausweiten, aber auch einengen. 32 Das Strafrecht ist also weitgehend unabhängig und gehorcht nur seinen eigenen Vorgaben. Auch deswegen ist die strafrechtliche Wiedergutmachung unabhängig von den Anforderungen anderer Rechtsgebiete zu beurteilen und auszugestalten.
III. Überindividuelle Störung
Der Eintritt einer Rechtsgutsverletzung oder -gefährdung ist aber nicht die einzige Folge einer Straftat, sie ist nicht einmal notwendig. Zwar ist bei einem vollendeten Delikt jedenfalls immer das geschützte Rechtsgut beeinträchtigt, dies gilt aber nicht rür den strafbaren Versuch. Wenn ein Täter in Tötungsabsicht auf sein Opfer schießt, dieses, aus welchen Gründen auch immer, verfehlt und es daher unverletzt bleibt, ist die Tat, zumindest was die einschlägigen geschützten Rechtsgüter betrifft, folgenlos geblieben. Dennoch zweifelt niemand an der Strafbarkeit des Täters. 29Jakobs, Strafrecht AT, 2/25b. ln weIchem Verhältnis das Universalrechtsgut der "Sicherheit des Straßenverkehrs" bzw. Individualrechtsgüter wie Leib, Leben etc. durch § 315 c StGB geschützt werden, ist umstritten. Vgl. dazu die Darstellung des Streitstandes mit zahlreichen Nachweisen bei Hi/lenkomp, Probleme, S. 84 ff. 31 Dazu ausführlicher unten S. 86 ff. 32 S0 beispielsweise durch die nicht umfassende, d.h. von besonderen Umständen abhängige Strafbarkeit der fahrlässigen Sachbeschädigung, die vom zivilrechtlichen Schadensersatzrecht dagegen generell erfaßt ist. 30
A. Die strafrechtlichen Folgen der Straftat
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Nach den objektiven Versuchstheorien33 ist die Strafbarkeit damit zu rechtfertigen, daß in der Handlung des Täters eine objektive Gefahrdung des geschützten Rechtsgutes liege. Die sog. subjektive Theorie 34 sieht den Strafgrund rur den Versuch in der Betätigung der rechtsfeindlichen Gesinnung, löst sich damit von dem Rechtsgut, weil nach dieser Theorie auch der untaugliche Versuch, der das Rechtsgut gar nicht gefahrden konnte, strafbar ist. Der heutigen Gesetzeslage in den §§ 22, 23 StGB entspricht am ehesten eine gemischt subjektiv-objektive Theorie, besser bekannt unter der Bezeichnung "Eindruckstheorie". Danach liegt der Strafgrund rur den Versuch darin, daß die Handlung des Täters dessen rechtsfeindlichen Willen manifestiert, der geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Gültigkeit der Rechtsordnung zu erschüttem. 35 Nach der heute herrschenden Theorie wird somit vorausgesetzt, daß eine Straftat sozialpsychologische Auswirkungen auf die Allgemeinheit hat. Diese Auswirkungen bestehen in einer Erschütterung des Vertrauens der Allgemeinheit in die Geltung der Rechtsordnung. Der Auslöser rur eine solche Erschütterung ist die rechts(guts)feindliche Gesinnung des Täters, die nach außen tritt und so auf die Allgemeinheit wirkt. Dieser Erschütterung der Allgemeinheit kann - so die Folgerung aus der Eindruckstheorie - entgegengewirkt werden durch die Strafbarkeit und schließliche Bestrafung der Versuchstat. Damit ist diese Erschütterung oder der Vertrauensverlust der Allgemeinheit eine Folge der Versuchstat und gleichzeitig Rechtfertigung ihrer Strafbarkeit. Solche Wirkungen sind, nachdem sie die Strafbarkeit des Versuchs rechtfertigen, notwendig bei jedem legitim strafbaren Versuch anerkannt und vorausgesetzt. 36 Wenn diese potentielle Erschütterung der Allgemeinheit oder der Vertrauensverlust in die Geltung der Rechtsordnung die Strafbarkeit beispielsweise eines versuchten Betruges rechtfertigt, so kann man - von der Folgenseite her betrachtet - argumentieren, daß jeder strafbare versuchte Betrug potentiell dazu geeignet ist, derartige Wirkungen hervorzurufen. Diese potentielle Geeignetheit muß bejaht werden, weil anderenfalls die Legitimation der Strafbarkeit des Versuchs entfiele. Wenn dies aber rur die versuchte Rechtsgutsverletzung gilt, so gilt es über ein argumentum a minori um so mehr rur die eingetretene Verletzung, also das vollendete Delikt. Zwar muß die rechtsfeindliche Gesinnung des Täters beim
33ZU den verschiedenen Versuchstheorien und wohlwollend gegenüber der objektiven Theorie Weigend, Entwicklung der deutschen Versuchslehre, S. 113 ff. 3~och vertreten vom BGH in BGHSt 11,268,271. 35Siehe Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT 11, 7. Autl, S. 22 f.; Wessels/Beulke, AT § 14 I 2; S/S-Eser, vor § 22, Rn. 22; SK-Rudolphi: vor § 22, Rn. 14; Roxin, JuS 1979, S.I; J. Meyer ZStW 1975, S. 604; Jescheck / Weigend, Strafrecht, § 49 11 3, § 50 I 4. 36 An dieser Prämisse knüpft die Kritik Stratenwerths an der Eindruckstheorie an, s. dens., Strafrecht AT I, Rn. 658. 3'
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Zweites Kapitel: Begriff der symbolischen Wiedergutmachung
vollendeten Delikt nicht notwendig stärker sein als beim versuchten, sie tritt aber deutlicher zutage und hat dadurch zumindest die gleiche, in der Regel sogar eine stärkere Wirkung auf die Allgemeinheit. Diese erkennt noch klarer, daß der Täter ein geschütztes Rechtsgut verletzen will und dieser Wille erschüttert ihr Vertrauen in die Rechtsordnung. Dies gilt - allerdings abgeschwächt auch fUr Fahrlässigkeitstaten. Denn auch Fahrlässigkeitstatbestände schützen Rechtsgüter. Bei fahrlässigem Handeln ist zwar kein rechts(guts )feindlicher Wille erkennbar, aber eine Einstellung des Täters, die die erwartete Sorgfalt im Umgang mit geschützten Rechtsgütern vermissen läßt. Auch dadurch kann, ähnlich wie nach der Eindruckstheorie, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Geltung der Rechtsordnung erschüttert werden. Dies fUhrt zu der Begründung der Strafe durch die Theorie der positiven Generalprävention. Auch dabei wird mit einer ähnlichen Auswirkung der Straftat auf die Allgemeinheit argumentiert. Danach dient die Bestrafung des Täters der "Erhaltung und Stärkung des Vertrauens in die Bestands- und Durchsetzungskraft der Rechtsordnung,,37. Nach Roxins Modell der positiven Generalprävention38 soll dieses Ziel über drei Bestrafungseffekte erreicht werden: einen sozialpädagogischen Lerneffekt durch "Einübung von Rechtstreue,,/9 einen Vertrauenseffekt der Bevölkerung, die sieht, daß das Recht sich durchsetzt, und einen Befriedungseffekt durch die Beruhigung des allgemeinen Rechtsbewußtseins. 40 Zum letzten Punkt meint Roxin, dieser Befriedungseffekt werde durch die strafrechtliche Reaktion erzielt, "wenn die Allgemeinheit die durch die Straftat herbeigeführte soziale Störung als beseitigt empfindet.,,41 Diese Wirkung bezeichnet er als "Integrationsprävention". Auch nach dieser Theorie, in der von Roxin vorgetragenen Ausprägung, wird also eine (störende) Wirkung der Straftat auf die Allgemeinheit postuliert. Dabei bleibt aber noch unklar, wie man sich diese "soziale Störung" - ebenso wie die Erschütterung der Allgemeinheit nach der Eindruckstheorie - vorzustellen hat, insbesondere ob es sich dabei um ein empirisches Phänomen handelt oder um ein normatives. Roxin spricht im weiteren auch von einem "sozialen Konflikt", der erst durch die Wiedereinsetzung des Opfers in seine Rechte beigelegt werde, aber dennoch auch ein Konflikt zwischen dem Täter und der Allgemeinheit sei. 42 Das sowie die Bezeichnung der Störung als eine "soziale", 37 BVerfGE 45,187,256. 38 Zuletzt beschrieben in Roxin, Strafrecht AT I, § 3 Rn. 26 ff. 39 Diesen Begriff hat er übernommen von Jakobs, Schuld und Prävention, S. 10, sie-
he dazu sogleich unten. 40 Siehe dazu Roxin, Strafrecht AT I, § 3 Rn. 27. 41Roxin in Festschrift Lerche, S. 304. 42Roxin a.a.O.
A. Die strafrechtlichen Folgen der Straftat
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legt die Vennutung nahe, daß es sich dabei um eine empirisch faßbare Erscheinung handelt, von deren Nachweisbarkeit dann freilich auch die Legitimierungswirkung der Theorie der positiven Generalprävention abhängig sein müßte. 43 Andererseits soll durch die strafrechtliche Reaktion nach der Theorie der positiven Generalprävention die "Wiederherstellung des Rechtsfriedens" bewirkt werden,44 und wenn man den Rechtsfrieden als einen nonnativen Begriff ansieht,45 muß man daraus ableiten, daß es sich bei der erwähnten Störung um eine solche der nonnativen Ordnung handelt. Noch läßt sich die Frage nach der (realen oder nonnativen) Qualität dieser Störung nicht schlüssig beantworten. Dies soll nach der Klärung einiger Vorfragen noch eingehender weiter unten behandelt werden. 46 Eine andere Konzeption der positiven Generalprävention hat Jakobs entworfen, er stellt die nonnativen Auswirkungen eines Strafrechtsbruches deutlich in den Vordergrund. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist der systemtheoretische Ansatz Luhmanns und dessen Unterscheidung zwischen kognitiven und nonnativen Erwartungen. 47 Das Unterscheidungsmerkmal dieser zwei Arten von Erwartungen ist die Reaktion auf ihre Enttäuschung, die antizipierte Enttäuschungsabwicklung. Während eine enttäuschte kognitive Erwartung entsprechend der Enttäuschung modifiziert und der Wirklichkeit angepaßt wird, werden nonnative Erwartungen im Falle ihrer Enttäuschung nicht aufgegeben, sie werden kontrafaktisch stabilisiert, und die Diskrepanz wird dem Handelnden zugerechnet. 48 Jakobs wählt für nonnative Erwartungen das Beispiel eines Alkohol trinkenden Steuennanns: Wer dessen Alkoholisierung erkennt, gibt dennoch den Anspruch auf eine sichere Fahrt nicht auf. Im Enttäuschungsfall bleibt die Erwartung trotz der Enttäuschung bestehen, und der Nonnbruch des Enttäuschenden wird als maßgeblicher Fehler definiert. 49 Die Aufgabe der Stra43Skeptisch hinsichtlich der Nachweisbarkeit: Schüler-Springorum, Kriminalpolitik, S. 205: "unbeweisbare Integrationsprävention" . Zumindest für die langfristigen Wirkungen der positiven Generalprävention stellt W Hassemer die Möglichkeit einer Falsifizierung in Abrede, ders., Generalprävention, S. 36; siehe dazu auch mit Bezug auf die Eindruckstheorie Stratenwerth, Strafrecht AT I, Rn. 658. 44Roxin in Festschrift Lerche, S. 304. 45 S0 für die "Wiederherstellung des Rechtsfrieden" als Zweck des Strafprozesses ausdrücklich Schmidhäuser, Festschrift Schmidt, S. 522; Volk, Prozeßvoraussetzungen, S. 200 f. 46 Siehe dazu Zweites Kapitel B III 1. 47Luhmann, Rechtssoziologie, S. 42. 48 Luhmann wählt das Beispiel einer neuen Sekretärin: daß sie blond sei, sei eine kognitive Erwartung, die angepaßt werden muß, man könne nicht auf blonden Haaren bestehen. Erbringe sie dagegen bestimmte Leistungen nicht, was normativ erwartet werde, so habe man nicht das Gefühl falsch erwartet zu haben, sondern halte an der Erwartung fest. Die Diskrepanz werde der Sekretärin zugerechnet. Siehe Luhmann, Rechtssoziologie, S. 42 f. 49Jakobs, Strafrecht AT, 2. Aufl., 1/6.
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Zweites Kapitel: Begriff der symbolischen Wiedergutmachung
fe besteht dementsprechend in der Bestätigung der Normgeltung,50 ihr Inhalt ist "ein auf Kosten des Normbrechers erfolgender Widerspruch gegen die Desavouierung der Norm,,51. Die präventive Wirkung der Strafe sieht Jakobs darin, daß alle Menschen, die auf Normen vertrauen, in ihrem Vertrauen bestätigt werden und letztlich Strafe Generalprävention bewirkt durch "Einübung in Normanerkennung" .52 Beide Konzepte - das von Roxin genauso wie das von Jakobs - sehen als Folge einer Straftat einen Konflikt zwischen dem Täter und der Allgemeinheit. 53 Dieser Konflikt ist die notwendige Folge einer Verletzung einer Strafrechtsnorm, weil strafrechtlich nur solche Normen - legitimerweise(!) - garantiert werden, deren Einhaltung über den individuellen Konflikt hinaus in einem gesellschaftlichen Interesse liegt. 54 Die Enttäuschung über den Normbruch ist daher keine nur individuelle Angelegenheit des geschädigten Rechtsgutsträgers, sondern die Einhaltung der Norm ist ein öffentliches Bedürfnis und dementsprechend ihre Verletzung eine öffentliche Störung. Sie ist eine Auswirkung des Normbruchs, die über die Interessen der durch diesen Normbruch unmittelbar Betroffenen hinausgeht. Sie ist dadurch eine überindividuelle Störung. Diese Störung macht nach allen Spielarten der Theorie der positiven Generalprävention eine (strafende) Reaktion notwendig. Dieser Theorie wird angesichts der Schwächen der anderen Strafrechtszwecke besondere Beachtung und Überzeugungskraft zugebilligt. 55 Somit spielt die in der Allgemeinheit durch die Straftat hervorgerufene Störung eine besondere Rolle schon bei der Legitimierung von Strafe an sich. Die überindividuelle Störung gilt, wenn man der Theorie der positiven Generalprävention besonderes Gewicht bei der Rechtfertigung von Strafe zumißt, als ein wesentlicher Legitimationsgrund rur (strafende) Reaktionen. Sie wird bei der Verletzung jeder legitimen Strafrechtsnorm als Folge unwiderleglich vermutet. Gleichzeitig rechtfertigt aber das Auftreten dieser Folge die strafrechtliche Reaktion und damit die Qualität einer Norm als strafrechtliche Norm. Sie ist damit - wie die Erschütterung der Allgemeinheit nach einem strafbaren Versuch - als vermutete Folge der Straftat zugleich Voraussetzung der Legitimation einer strafrechtlichen Garantie der Norm. Somit tritt sie notwendig bei jeder Begehung einer Straftat auf, anderenfalls wäre die strafrechtliche Garantie der verletzten Norm nicht legitim. Anderer50Jakobs a.a.O., 1/11. 51Jakobs a.a.O. 52Jakobs a.a.O., 1/15 53Siehe Roxin in Schöch (Hrsg.), 1987, S. 48; Jakobs, a.a.O., 1/8. 54Jakobs, a.a.O., 1/8. 55Siehe Dölling, ZStW 102 (1990), S. 1 ff.
A. Die strafrechtlichen Folgen der Straftat
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seits tritt sie nur auf bei der Verletzung von strafrechtlichen Normen, ist also eine spezifisch strafrechtliche Folge einer Tat. Andere Rechtsgebiete setzen eine überindividuelle Störung durch die Verletzung ihrer Vorschriften gerade nicht voraus. Zwar ist es denkbar, daß auch Verstöße gegen Normen des Zivilrechts oder des Verwaltungsrechts in Einzelfällen die Öffentlichkeit beunruhigen. Es ist das Auftreten dieser Störung aber nur eine bloße Reflexwirkung, sie ist nicht notwendig zur Legitimation der zivilrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Garantie der Norm. Niemand wollte behaupten, jede zivilrechtliche Nachbarstreitigkeit oder jede Bautätigkeit ohne die vorgeschriebene Genehmigung löse eine öffentliche Störung aus bzw. die verletzte Norm sei dadurch in ihrer Geltung erschüttert. Das Zivilrecht genauso wie andere Rechtsgebiete verfolgen jeweils ganz andere Zwecke als den Ausgleich der erschütterten Normgeltung. Den Ausgleich dieser Störung bezweckt nur das Strafrecht, deswegen ist diese Störung auch eine spezifisch strafrechtliche Folge der Tat. Noch ist nicht ganz klar, welche Gestalt diese überindividuelle Störung genau hat, wodurch sie sich ausdrückt. Es bestehen durchaus Unterschiede zwischen einer Erschütterung des Rechtsbewußtseins aufgrund der wahrnehmbaren Betätigung des rechtsfeindlichen Willens des Täters - wie beim strafbaren Versuch nach der Eindruckstheorie angenommen - und der enttäuschten Erwartungshaltung aufgrund eines strafrechtlichen Normbruchs - wie sie in Jakobs' Konzept vorausgesetzt wird. Allen diesen Phänomenen ist aber gemein, daß sie, wenn man der Eindruckstheorie oder der Theorie der positiven Generalprävention Legitimationswirkung zubilligt, bei jeder Straftat auftreten müssen, daß sie Auswirkungen der Tat auf die Allgemeinheit sind und daß sie nur bei Straftaten vorkommen können. Somit ist diese überindividuelle Störung eine universale, spezifisch strafrechtliche Folge der Tat.
IV. Folgen der Viktimisierung Natürlich geht es bei Straftaten nicht nur um einen mehr oder minder faßbaren Konflikt zwischen dem Täter und der Allgemeinheit oder um abstrakten Rechtsgüterschutz. Insbesondere der Schutz von Individualrechtsgütem wird zur leeren Hülse, wenn in die Betrachtung nicht auch die Rechtsgutsträger einbezogen werden. Rechtsgüterschutz ist Opferschutz, aber zahlreiche Untersuchungen haben gezeigt, daß die Auswirkungen für das Opfer einer Straftat nicht angemessen erfaßt werden können, wenn nur die Verletzung des tatbestandlich geschützten Rechtsguts betrachtet wird. In vielen Fällen wird damit das für das Opfer Wesentliche übersehen. Bei einer Körperverletzung sind unter Umständen die gesundheitlichen Schäden, also das, was die §§ 223 ff.
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Zweites Kapitel: Begriff der symbolischen Wiedergutmachung
StGB direkt verhindern sollen, relativ schnell verheilt, weitere psychologische oder soziale Schäden bleiben dem Opfer dagegen möglicherweise für immer. 56 Die Variationsbreite dieser über die Rechtsgutsverletzung hinausgehenden möglichen Opferschäden ist außerordentlich groß. Sie ist abhängig von den möglichen Tathandlungen, von der individuellen Disposition des Opfers und von dessen sozialen Umfeld. Die Beeinträchtigungen können unterteilt werden in Schäden, die durch die Tat entstehen (primäre Viktirnisation), Schäden, die durch das soziale Umfeld entstehen (sekundäre Viktirnisation) und späte Opferschäden. 57 Bei der erstgenannten Gruppe können die Begleitschäden oft weitaus schwerwiegender sein als die Verletzung der direkt durch den Tatbestand geschützten Güter. So weiß man, daß bei Vergewaltigungen die psychischen Beeinträchtigungen wie Scham, Schuldgefühle, Ekel, Einsamkeit, Furcht etc. belastender und längerfristiger auf das Opfer wirken können als die Gewalteinwirkung des Täters. 58 Aber auch bei anderen Delikten wie Einbruchsdiebstahl wird die Verletzung der Privatsphäre oft als gravierender empfunden als der materielle Verlust,59 werden also die Schäden am geschützten Rechtsgut überwogen von darüber hinausgehenden Beeinträchtigungen. Schäden, verursacht durch das soziale Umfeld oder staatliche Kontrollinstanzen (sekundäre Viktimisation), können soweit gehen, daß das Opfer mehr unter der Reaktion auf die Straftat leidet als unter der Tat selbst, das soziale Umfeld kann sogar die primäre Viktimisierung dem Opfer erst bewußt machen. 60 Staatliche Kontrollinstanzen können - etwa durch das Strafverfahren die Verarbeitung der Tat hindern oder Schuldgefühle beim Opfer wecken oder verstärken. Auch Langzeitschäden können den Verletzten in den verschiedensten Formen als Folgen primärer, sekundärer Viktirnisierung bzw. als späte Opferschäden treffen. Opfer von Vergewaltigungen, Entführung, Geiselnahme und Raub werden oft von psychischen Schocks getroffen,61 deren Negierung zu Psychound Organneurosen führen kann. Aber auch Geschädigte weniger schwerer Delikte leiden häufig noch Jahre nach der Tat an Angst- oder Schamgefühlen, 56Schneider, Kriminologie, S. 775; Rössner, BewHi 1994, S. 20. 57Dazu gehören die Schäden, die erst lange Zeit nach der Tat auftreten können und deren Bezug zur Tat für das Opfer und seine Umwelt nicht immer leicht zu rekonstruieren ist. Zu späten Opferschäden sind auch solche Tendenzen zu zählen, die Opfer von (sexuellem) Kindesmißbrauch später zumindest statistisch eher dazu neigen lassen, selbst Täter der erlittenen Delikte zu werden, siehe dazu Tampe, Verbrechensopfer, S. 46 f. Zu den Begriffen der primären, sekundären und auch tertiären Viktimisation siehe Baurmann I Schädler, Das Opfer, S. 16 ff. 58Siehe Weis, Vergewaltigung, S. 98 ff. 59Siehe Hagemann, WohnungseinbTÜche, S. 126 f, 132. 60 Ein Beispiel dafür bei Tampe, Verbrechensopfer, S. 42 61Schneider, Kriminologie, S. 775 f.
A. Die strafrechtlichen Folgen der Straftat
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und auch das GefUhl der Demütigung durch die Tat und andere psychische Belastungen können sich in somatischen Störungen ausdrücken, genannt werden etwa Schlaflosigkeit, Verdauungsstörungen, Magersucht, Herzbeschwerden etc. 62 Solche Folgen nehmen naturgemäß mit der Schwere des Deliktes zu. Besonders bei sexuell mißbrauchten Kindern kann das Trauma der Tat zu lebenslangen Kontakthemmungen fUhren. 63 Auch bei anderen Opfern sind Folgen der Tat unter Umständen gravierende soziale Schwierigkeiten, die zur Umstellung des bisherigen Lebensablaufes oder einem Sich-Zurückziehen aus der gewohnten Umwelt fUhren und sogar im Abbruch von Kontakten zu vor der V iktimisierung nahestehenden Personen eskalieren können. 64 Selbst bei weniger dramatisch getroffenen Opfern bleibt häufig ein langanhaltendes GefUhl der Verunsicherung oder ein Verlust an SelbstwertgefUhl. Diese Langzeitschäden können unter Umständen erst so viel später beim Opfer auftreten, daß ein Zusammenhang mit der auslösenden Tat nur schwer herzustellen ist, und sie können besonders bei frühkindlichen Mißhandlungen zur bekannten 11 Opfer-Täter-li oder "Opfer-Opfer-Abfolge" fUhren. 65 Diese nur kurze und naturgemäß keineswegs abschließende Aufzählung möglicher Viktimisierungsfolgen deutet bereits darauf hin, daß das Vorkommen dieser Schäden von Opfer zu Opfer und von Tat zu Tat sehr unterschiedlich ist. Es sind aber stets Schäden gemeint, die, wenn sie auftreten, von der verletzten Strafrechtsnorm nicht primär verhindert werden sollen, deswegen, weil die Norm eine andere Schutzrichtung hat und damit die beschriebenen Folgen nicht erfaßt. Wenn im weiteren daher von Viktimisierungsfolgen die Rede ist, sind damit die Folgen einer Straftat gemeint, die als Schäden fUr das Tatopfer außerhalb der Rechtsgutsbeeinträchtigung auftreten. Bei einer Körperverletzung, deren strafrecht1ich~s Verbot die körperliche Integrität schützen soll, sind daher alle Folgen fUr das individuelle Opfer gemeint, die von diesem Rechtsgut nicht erfaßt werden. In Frage kommen also psychische Folgen, die keine physischen Auswirkungen haben,66 wie etwa ein zerrüttetes Verhältnis zum Täter, Angstzustände beim Betreten bestimmter Orte, aber auch materielle Folgen wie der Verlust des Arbeitsplatzes etc. Diese Folgen sind in manchen Fällen so gravierend, daß der Verlust dessen, was das Strafrecht schützen will, fUr das Opfer völlig in den Hintergrund tritt.
62Kiejl/Lamnek, Soziologie des Opfers, S. 275. 63 Zu den Folgen des sexuellen Mißbrauchs bei Kindern Wilmer, S. 122 ff. 64Schneider, Das Opfer und sein Täter, S. 106. 65Schneider, a.a.O., S. 46 ff. 66 Bei physischen Auswirkungen läge regelmäßig - die Zurechenbarkeit vorausgesetzt - ein Körperverletzungsdelikt vor. Folge dieses Delikts wäre die Beeinträchtigung des Rechtsgutes "körperliche Unversehrtheit".
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Zweites Kapitel: Begriff der symbolischen Wiedergutmachung
Sie sind, weil der Straftäter durch seine Tat sie dem Opfer - unabhängig von dessen individueller Disposition67 - angetan hat, Folgen der Straftat. Es handelt sich bei diesen Viktimisierungsfolgen um Beeinträchtigungen individualisierbarer Geschädigter. Sie resultieren im wesentlichen aus der Erfahrung des Opferwerdens. Sie sind also nur bei solchen Delikten möglich, die sich gegen Personen richten, bei denen Individuen Opfer werden. Dies bedeutet nicht, daß der verwirklichte Straftatbestand Individualrechtsgüter schützen muß. Als Beispiel sei das Delikt des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) genannt, das ein Gemeinschaftsrechtsgut68 schützt, bei dessen Begehung aber durchaus der betroffene Beamte von Viktimisierungsfolgen getroffen sein kann. Schließlich sind sie auch nicht abhängig von der Beeinträchtigung des Rechtsguts. Bereits der wahrgenommene Versuch eines Delikts gegen individuelle Rechtsgüter kann schwerwiegende psychische oder physische Folgen für das potentielle Opfer haben. Auch solche Folgen sind von den Viktimisierungsfolgen erfaßt. Diese Folgen haben das Strafrecht und das Strafverfahren bisher vernachlässigt. 69 Soll strafrechtliche Wiedergutmachung die Folgen der Tat umfassend ausgleichen, müßte sie zumindest den Anspruch haben, auch diese Beeinträchtigungen des Opfers zu erfassen.
Exkurs: Der Konflikt zwischen Täter und Opfer Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) gilt allgemein als praktizierte strafrechtliche Wiedergutmachung. 70 Der TOA ist ein Verfahren zur Beilegung eines Konflikts zwischen Täter und Opfer. Dieser Konflikt kann die Wurzel einer Straftat sein, ihr Nährboden, oder aber er kann erst durch die Straftat entstehen. Die strafrechtshistorische Entwicklung hin zu einer "Enteignung" des Konflikts 7 \ der Beteiligten und die Transformation des in der Straftat eskalierten oder nur
67 Die Viktimisierungsfolgen sind also nicht nach der "Empfindlichkeit" oder Robustheit des Opfers zu bewerten und zu objektivieren. Sie sind stets Folgen der Straftat, unabhängig davon, wie nachvollziehbar die psychische Reaktion des Opfers im konkreten Fall für einen Außenstehenden ist. 68Geschützt ist die "ungestörte Durchsetzung staatlicher Vollstreckungsakte" , siehe Tröndle/Fischer, StGB, § 113 Rn. I. 69Im Gegenteil, gerade die strafrechtliche Behandlung des Opfers verursacht manche Schäden erst durch sekundäre Viktimisierung, siehe dazu die Beispiele bei Weis, Vergewaltigung, S. 165 ff., 172 ff. 7°Siehe dazu nur die Gleichstellung bei Bannenberg/Rössner in HeringlRössner, S. 319 ff.; Schüler-Springorum, Kriminalpolitik, S. 220; siehe auch AE-Wgm, S. 14. 7\"Klassisch" in diesem Sinne Christie, Conflicts as Property, British Journal of Criminology 1977, S. I.
A. Die strafrechtlichen Folgen der Straftat
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sichtbar nach außen getretenen Konflikts zwischen Individuen zu einem Konflikt zwischen Täter und Rechtsgemeinschaft wird als Deftzit des Strafrechts betrachtet. Eine Re-Privatisierung oder Rückübereignung des Konflikts an die Beteiligten soll im Verfahren des TOA ermöglicht werden. 72 Besonders bei über längere Zeiträume schwelenden und in der Straftat eskalierenden Konflikten soll der Ausgleich zwischen Täter und Opfer den Grund, den Nährboden der Straftat beseitigen. Dies sei eine Erwartung, die das strafgerichtliche Verfahren prinzipiell nicht erfüllen könne, weil es bezogen sei auf eine punktuelle Endentscheidung73 und den komplexen, dahinterstehenden sozialen Konflikt nicht thematisiere. 74 Das Erkennen dieses Deftzits und der Versuch semer Überwindung führten zur Suche nach alternativen Verfahrensformen. 75 Dementsprechend sehen die eher aus dem Lager der Konfliktsoziologie stammenden Befürworter informeller Mediationsverfahren wie dem TOA das Ziel der Vermittlung in der zukunftsorientierten Neugestaltung des Verhältnisses der Parteien. 76 Haupteinsatzfeld für diese Verfahren seien daher Konflikte in länger andauernden Beziehungen zwischen den Beteiligten. 77 Für die eher strafrechtlich orientierten Befürworter steht dagegen ein anderer Konflikt im Vordergrund, nämlich der, der in der Straftat liegt oder erst durch sie entsteht. 78 Von "Konflikt" kann man demnach auch sprechen, wenn zwei sich bis dahin völlig unbekannte Personen in der Straftat erstmals aufeinandertreffen, er ist sogar darüber hinaus möglich, wenn sie nicht einmal bei der Begehung des Delikts in Kontakt treten. In diesen Fällen besteht der Konflikt in dem Erfordernis, die Folgen einer Straftat abzuwickeln. Ein Täter, der eine Sache beschädigt, ohne den Eigentümer zu kennen, hat somit per Deftnition mit dem Opfer einen Konflikt, der durch TOA bereinigt werden kann. TOA kann also grundsätzlich zwei Arten von Konflikten behandeln. Erstens den zwischen sich länger kennenden Beteiligten, der als bereits vor der Tat schwelender Konflikt in dem Delikt eskaliert oder nach außen tritt. In diesem Fall ist die Tat Symptom des Konflikts. Im zweiten Fall ist die Tat selbst der Konflikt oder aber er entsteht erst durch das Delikt, er folgt diesem also zeitlich nach. 79 Das kann zwischen sich bereits länger kennenden Beteiligten gesche72Siehe dazu Kuhn, S. 46 ff. 73 Weigend, Deliktsopfer, S. 225 f. 74Kuhn, S. 47. 75Siehe dazu Weigend, Deliktsopfer, S. 223 ff.; siehe auch unten S. 138 ff. 76Weigend, Deliktsopfer, S. 347; E. Hassemer, Praktische Erfahrungen, S. 402. 77Weigend, Deliktsopfer, S. 347 f. 78S0 Schreckling, der als TOA Bemühungen bezeichnet, die nach einer Straftat zwischen Täter und Geschädigtem bestehenden Probleme, Belastungen und Konflikte zu bereinigen, siehe Schreckling, Bestandsaufnahme, S. 1. 79Vg i. die Darstellung bei Kuhn, S. 59.
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Zweites Kapitel: Begriff der symbolischen Wiedergutmachung
hen, aber genauso auch zwischen einander vorher Unbekannten, die erst in der Tat zusammentreffen oder gar nach der Tat erstmals Kontakt haben, etwa bei der Abwicklung ihrer Folgen. 80 Für die hier vorgenommene Einteilung der Straftatfolgen hat der Konflikt jedenfalls keine eigenständige Bedeutung. Der erstgenannte, vor der Tat anzusiedelnde Konflikt ist keine Straftatfolge, sondern deren Grund oder Vorgeschichte. Eine Folge der Straftat wäre dann nur eine daraus resultierende Konfliktverschärfung. Die zweite Konfliktkonstellation ist zwar durchaus eine Folge der Straftat, denn sie ist auf die Tat zurückzuführen und auch zeitlich nach ihr anzusiedeln, sie läßt sich aber zwanglos unter die hier vorgestellten Kategorien von Straftatfolgen subsumieren. So ist beispielsweise das gestörte Vertrauensverhältnis in einer bis zur unvermittelten Gewalttätigkeit eines Ehepartners funktionierenden Ehe eine Viktimisierungsfolge. Die Abwicklung des durch eine Sachbeschädigung entstandenen Schadens, den man als materiellen Konflikt bezeichnen kann, ist die Wiedergutmachung einer Rechtsgutsverletzung. Die weitere Entfremdung zweier Nachbarn nach einer Tätlichkeit in einer schon lange dauernden, aber bisher nur verbal ausgetragenen Streitigkeit ist ebenfalls eine Viktimisierungsfolge. Der mit der Straftat in Zusammenhang stehende Konflikt ist daher stets weiter zu differenzieren und zu konkretisieren.
V. Zusammenfassung
Als spezifisch strafrechtliche Folgen der Tat lassen sich somit festhalten: Zunächst, da Strafrecht Rechtsgüterschutz darstellt, bei jedem vollendeten Delikt zumindest eine Rechtsgutsverletzung bzw. bei Gefährdungsdelikten die Gefährdung eines (zumindest Sicherheits-)Rechtsguts. Daneben - und für das Strafrecht charakteristisch - eine überindividuelle Störung und zum dritten in vielen Fällen Schäden beim Opfer aufgrund der Viktimisierung, die vom geschützten Rechtsgut nicht umfaßt werden. Soll strafrechtliche Wiedergutmachung Ausgleich der Folgen der Tat sein, muß sie sich mit diesen spezifischen Folgen der Straftat auseinandersetzen, unabhängig von dem, was andere Rechtsbereiche wiedergutmachen wollen. Darüber hinaus muß dieses Ziel angestrebt werden zunächst unabhängig davon, ob und mit welchen Leistungen des Täters eine Wiedergutmachung dieser Tatfolgen überhaupt möglich ist.
80 Vgl. die Unterscheidung bei E. Hassemer, Praktische Erfahrungen, S. 410 f. zwischen Konflikten mit Vorgeschichte und situationsbedingten Konflikten.
B. Leistungen des Täters
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B. Leistungen des Täters Strafrechtliche Wiedergutmachung fordert Ausgleich der Folgen der Tat durch Leistungen des Täters. Im folgenden soll daher untersucht werden, durch welche Art von Leistungen die oben beschriebenen Tatfolgen wiedergutgemacht werden können. Die aufgezeichneten Beeinträchtigungen durch eine Straftat sind sehr unterschiedlicher Natur. Allein unter den Rechtsgutsverletzungen gibt es Individualverletzungen und Gemeinschaftsverletzungen, es gibt immaterielle Beeinträchtigungen und materielle Schäden. Letztere erlauben eine Restitution im Sinne einer Wiederherstellung des froheren Zustands oder einen befriedigenden Ausgleich durch Geldzahlungen. Daß gerade diese Schäden bereits im Strafverfahren wiedergutgemacht werden sollen, erscheint am wenigsten umstritten, weil dieser Vorgang durch das Vorbild des zivilrechtlichen Schadensersatzrechts unproblematisch geworden ist. Dementsprechend wollen verschiedene Autoren strafrechtliche Wiedergutmachung auf den Ausgleich dieser Schäden beschränken. 8 I Da hier aber untersucht werden soll, ob strafrechtliche Wiedergutmachung flächendeckend ausdehnbar ist auf den Ausgleich aller Tatfolgen, also auch solche immaterieller Art, müssen hier alle Tatfolgen auf ihre Wiedergutmachungsfähigkeit hin beurteilt werden. Naturgemäß können bei der Vielfalt strafrechtlicher Tatkonstellationen nicht alle Tatfolgen, nicht einmal alle Rechtsgutsbeeinträchtigungen im einzelnen untersucht werden, sondern es müssen typische Gruppen gebildet werden, und zwar im Hinblick auf die Art von Leistungen, die im Zuge der Wiedergutmachung zu erbringen sind. Bewußt muß daher die eben erarbeitete Einteilung der Straftatfolgen verlassen werden, denn es geht jetzt um die Qualität der Leistungen, die ein Straftäter potentiell erbringen kann. Da diese Leistungen die Straftatfolgen wiedergutmachen sollen, können sie allerdings auch nur mit einem Seitenblick auf diese Folgen beschrieben werden. Das Mittel kann also letztlich nur über sein Ziel defmiert werden. Es ist dabei notwendig, im weiteren die Perspektive zu wechseln und zu fragen, was der Straftäter theoretisch tun kann, um Straftatfolgen auszugleichen. I. Materielle Wiedergutmachung
Am wenigsten problematisch erscheint strafrechtliche Wiedergutmachung dann, wenn die Straftatfolgen bereits durch das zivilrechtliche Schadensersatzrecht erfaßt werden. Sind Folgen der Straftat materielle Schäden im Sinne der 81 S0 Rohra in seinem Referat beim 59. Deutschen luristentag 1992, siehe Ständige Deputation, S. 13 f., siehe auch Hirsch in EserlKaiserlMadlener, S. 383 f.
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Zweites Kapitel: Begriff der symbolischen Wiedergutmachung
zivilrechtlichen Vorschriften, so können und sollen diese Schäden durch materielle Wiedergutmachungsleistungen des Täters an den Verletzten ausgeglichen werden. In bezug auf die oben vorgenommene Einteilung der Straftatfolgen in drei Gruppen - Rechtsgutsbeeinträchtigungen, überindividuelle Störung, Viktimisierungsfolgen - sind materielle Schäden nur in der ersten und letzten Gruppe vorstellbar. So erscheinen materielle Wiedergutmachungsleistungen nach Rechtsgutsverletzungen bereits auf den ersten Blick plausibel. Bei Verletzungen der Rechtsgüter "Eigentum" oder "Vermögen" liegen rein materielle Schäden vor. Aber auch bei Verletzungen anderer Rechtsgüter, wie beispielsweise "Körperliche Unversehrtheit" oder "Ehre", sind die an sich immateriellen Beeinträchtigungen durch das Zivilrecht weitgehend kommerzialisiert,82 so daß ein Ausgleich dieser Verletzungen in Geld allgemein üblich und akzeptiert ist. Daher bietet sich dieser Weg auch für das Strafrecht an. Bei den Viktimisierungsfolgen können ebenfalls materielle Schäden des Opfers entstehen, z. B. bei psychisch bedingter Arbeitsunfähigkeit nach einer Straftat. Da alle diese Schäden durch materielle Leistungen des Täters auszugleichen sind - wenn auch in vielen Fällen eine wirkliche Wiedergutmachung nicht möglich ist83 -, sind diese Ausgleichsleistungen solche einer materiellen Wiedergutmachung. Inhaltlich bestehen diese Leistungen in Schadensersatz nach den Regeln des Zivilrechts. Diese Regeln werden durch das Modell der strafrechtlichen Wiedergutmachung nicht modifIziert. 84 Sie bilden den Rahmen für jede strafrechtliche Lösung. Dennoch geht eine spezifIsch strafrechtliche Wiedergutmachung über das zivilrechtliche Schadensersatzrecht hinaus, sie ist zumindest - wie schon mehrfach betont - davon unabhängig. Tatfolgen im Sinne des Strafrechts sind mit Schäden des Zivilrechts nicht deckungsgleich. Es soll hierbei auch bewußt der Begriff der "Schadenswiedergutmachung", wie er in der strafrechtlichen Diskussion verwendet wird,85 vermieden werden. Dieser Begriff kann entweder eng verstanden werden, indem er die Wiedergutmachung nur von Schäden im Sinne des Schadensersatzrechts meint. Da die Straftatfolgen aber gerade nicht deckungsgleich sind mit zivilrechtlichen Schäden, ist er in dieser Bedeutung für ein umfassendes Konzept strafrechtlicher Wiedergutmachung nicht weit genug und damit wenig hilfreich. Oder aber "Schadenswiedergutmachung" kann weit verstanden werden und man be82Siehe dazu die Darstellung der Entwicklung bei Lange, Schadensersatz, S. 54 ff. 83Siehe dazu auch unten S. 53 ff. 84Siehe AE-Wgm, S. 44 f. 85S0 betitelt Frehsee seine Monographie mit "Schadenswiedergutmachung als Instrument strafrechtlicher Sozialkontrolle" .
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zeichnet jede Straftatfolge als "Schaden". Der Begriff des Schadens in diesem Sinne ginge dann weit über den der §§ 823 ff. BGB hinaus. Er umfaßte alle negativen Folgen der Straftat, wie sie etwa Müller-Dietz beschreibt. Dieser unterscheidet zwischen materiellen und immateriellen Schäden, zwischen Schäden beim direkten Opfer selbst und bei Dritten. Sogar negative Auswirkungen auf die psycho-soziale Verfassung einer Gesellschaft, also wohl das, was hier als überindividuelle Störung bezeichnet wurde, zählt er unter die Schäden. 86 Eine derartige Auslegung ist zwar durchaus plausibel, denn all dies sind mögliche negative Folgen eines Delikts. Jedoch ist der Schluß, daß Schadenswiedergutmachung dementsprechend jede Leistung ist, die auf die Behebung dieser negativen Folgen zielt, in diesem Zusammenhang nicht weiter zielführend. Eine Systematik möglicher Täterleistungen läßt sich damit nicht erstellen, denn ihre Bandbreite ist dafür zu groß. Auch Müller-Dietz zählt unterschiedlichste Leistungen auf, so Wiederherstellung des früheren Zustands, wertmäßigen Ersatz bei materiellen und immateriellen Schäden, Genugtuung, gemeinnützige Leistungen, öffentliche Entschädigung. Selbst diese Aufzählung kann er aber nicht als abschließend betrachten. 87 Eine Systematisierung ist meines Erachtens am praktischsten dadurch zu erreichen, daß man auf das Ziel der Täterleistung abstellt. Daher lautet mein Vorschlag, als materielle Wiedergutmachung all jene Bemühungen des Täters zu erfassen, die auf den Ausgleich der vermögenswerten Einbußen zielen, die dem Opfer als Folge der Straftat entstanden sind. Die Leistung des Täters defmiert sich damit nicht durch ihren Inhalt, sondern durch ihre Zielrichtung, nämlich den Ausgleich geldwerter Einbußen. Es ist dabei also nicht entscheidend, ob der Täter tatsächlich sofort eine Geldsumme bezahlt, oder ob er, etwa weil er vermögenslos ist, eine geldwerte Einbuße eines Opfers durch den wirtschaftlichen Gegenwert von - gegenüber dem Opfer oder der Gemeinschaft erbrachten - Dienstleistungen ausgleicht. 88 Dabei erbringt der Täter also gemeinnützige Arbeiten, deren Entlohnung dem Opfer zum Ausgleich für erlittene vermögenswerte Einbußen zufließt. Dieser zuletzt genannte Umweg der Wiedergutmachung wird zwar zum Teil unter symbolische Wiedergutmachung gerechnet,89 es handelt sich aber dabei lediglich um eine Leistungsmodalität der materiellen Wiedergutmachung. Denn auch eine solche Dienstleistung dient nur der Finanzierung von Leistungen, die auf den Ausgleich geldwerter Einbußen gerichtet sind.
86Müller-Dietz in HeringlRössner, S. 21.
87Müller-Dietz a.a.O., S. 22. 88Diese Organisationsfonn der Wiedergutmachung wird von Frühauf als indirekte Wiedergutmachung bezeichnet, siehe Frühauf, Wiedergutmachung, S. 281. 89Siehe Jung, Sanktionensysteme, S. 161. Vgl auch oben S. 18.
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Zweites Kapitel: Begriff der symbolischen Wiedergutmachung
Es ist dabei auch irrelevant, ob di~se Einbußen das Opfer selbst treffen oder Dritte, z. B. Angehörige. Ebenso ist es ohne Bedeutung, ob die Vermögenseinbußen mittelbar oder unmittelbar durch die Tat eintreten. So sind z. B. die Kosten einer Therapie, der sich das Opfer aufgrund der psychischen Belastungen durch eine Straftat unterziehen muß, vermögenswerte Einbußen des Verletzten. Deren Ausgleich - das Tragen der Kosten der Therapie - stellt somit eine materielle Wiedergutmachungsleistung dar. Auch der geldwerte Ersatz rur immaterielle Schäden ist stets materielle Wiedergutmachung, sofern diese Schäden kommerzialisiert sind. Der Schmerzensgeldanspruch nach § 847 BGB mag dabei als Vorbild dienen. Schließlich spielt es auch keine Rolle, ob der Empfanger der Leistung individualisierbar ist oder ob die Leistung der Allgemeinheit zugute kommt, etwa nach der Beschädigung eines öffentlichen Gebäudes. Auch dieser Schaden ist eine geldwerte Einbuße und sein Ausgleich definitions gemäß daher materielle Wiedergutmachung. 90 Es geht hierbei nicht um die Frage, welche Beeinträchtigungen überhaupt ausgleichsfähig sind oder sein sollen, sondern nur um eine Kategorisierung der dazu notwendigen Leistungen. Es wird nicht behauptet, daß z. B. alle Einbußen der Angehörigen von Straftatopfern, die durch das Delikt verursacht sind, im Rahmen strafrechtlicher Wiedergutmachung zu ersetzen sind, gleichgültig ob sie materieller oder immaterieller Natur sind. Festgelegt wird nur, daß es sich bei einem Ausgleich, der darauf zielt, vermögenswerte Einbußen zu beheben, um materielle Wiedergutmachung handelt. Es wird lediglich eine Definition gegeben, nicht die notwendige normative Entscheidung gefällt, was wiedergutgemacht werden soll. An dieser Stelle soll nur auf einige strittige Punkte eingegangen werden, die die Anwendbarkeit strafrechtlicher Restitution betreffen, und es sollen in aller Kürze die Perspektiven anhand des eben erarbeiteten Begriffs der materiellen Wiedergutmachung behandelt werden. Diskutiert wird unter anderem, ob materielle Wiedergutmachung gegenüber nicht personalen Opfern, z. B. juristischen Personen möglich sein soll.91 Ungeachtet der Vermutung, daß der TäterOpfer-Ausgleich bei geschädigten juristischen Personen aufgrund der ungleichen Verhandlungsposition nicht alle erstrebten Wirkungen entfalten kann, ist in diesem Zusammenhang nur festzuhalten, daß der Ausgleich materieller
90Zur Frage, ob materielle Wiedergutmachung auch möglich ist bei der Verletzung von Universalrechtsgütem, siehe sogleich unten S. 49 ff. 91 S0 bei Kuhn, S. 81 ff.; Schreckling, Täter-Opfer-Ausgleich, S. 132 f.; Bannenberg, Wiedergutmachung, S. 262 f.
B. Leistungen des Täters
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Schäden auch gegenüber juristischen Personen jedenfalls materielle Wiedergutmachung ist. 92 Differenzierter muß die Situation bei der Beteiligung von Versicherungen betrachtet werden. Entscheidendes Kriterium ist hierbei, ob der Versicherungsträger - unabhängig davon, ob es sich um eine Schadensversicherung des Verletzten oder eine Haftpflichtversicherung des Täters handelt - einen Regreßanspruch gegen den Täter hat. Bei einem Regreßanspruch der Versicherung hat der Täter zwar einen anderen Gläubiger, aber seine Wiedergutmachungsleistung ist gerichtet auf den Ausgleich der vermögenswerten Einbußen, die er durch seine Straftat verursacht hat. Somit ist die Leistung des Täters jedenfalls materielle Wiedergutmachung. Der Gläubigerwechsel hat auf die Qualität der Leistung keinen Einfluß, sie wird vor allem nicht zu einer symbolischen Wiedergutmachung, auch nicht teilweise. 93
Im Falle, daß trotz einer Verletzung kein Regreßanspruch gegen den Täter besteht, ist die Tat so zu behandeln, als habe sie keinen materiellen Schaden beim Opfer verursacht. Die Situation ist somit vergleichbar mit der beim strafbaren Versuch. 94 Bei einer Schadensversicherung des Verletzten hat dieser allerdings häufig materielle Einbußen gegenüber seiner Versicherung, so durch Prämienerhöhungen oder den Verlust eines Bonus. Diese Verluste sind materielle Schäden als Folge der Straftat und als solche wiedergutmachungsfahig durch den Täter. Seine Leistungen zum Ausgleich dieser Folgen sind daher auch in diesem Fall als materielle Wiedergutmachung zu qualifizieren. Dies führt weiter zu der Frage, ob materielle Wiedergutmachung nur bei der Verletzung von Individualrechtsgütern möglich ist. Zwar hat sich die Idee des Täter-Opfer-Ausgleichs, der ja auch und besonders die Position des Opfers verbessern sollte, entwickelt unter Bezugnahme auf Delikte, durch die Individualrechtsgüter verletzt werden. Da die Funktion der symbolischen Wiedergutmachung aber in der flächendeckenden Anwendung der strafrechtlichen
92Interessant erscheint auch die Frage, ob es nicht auch bei juristischen Personen bzw. Unternehmen auf der Täterseite möglich und erstrebenswert sein sollte, strafrechtliche Wiedergutmachung verstärkt zu praktizieren. Zu diesem Ergebnis kommt Waldzus, Zur Sanktionsproblematik, S. 214 ff., 238 ff. nach einer Untersuchung zum Umweltstrafrecht und einer Schilderung der Praxis in den USA und den Niederlanden. Diese Problematik verdient und benötigt wohl noch eingehendere Untersuchungen. Für den hier interessierenden Zusammenhang bleibt auch bei dieser Fragestellung festzuhalten, daß Wiedergutmachung zum Ausgleich vermögenswerter Einbußen definitionsgemäß materielle Wiedergutmachung darstellt. 930er AE-Wgm plaziert die Leistung des Täters an die Grenze zwischen "echter" und symbolischer Wiedergutmachung, weil keine persönliche Beziehung zwischen Täter und Opfer hergestellt wird, siehe AE-Wgm, S. 46. Zur Abgrenzung zu symbolischer Wiedergutmachung siehe unten S. 39 f. 94 Siehe dazu unten Viertes Kapitel C III. 4 Laue
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Wiedergutmachung auf alle Delikte besteht, ist dieser begrenzte Blick auf den personalen Täter-Opfer-Ausgleich aufzugeben. Bei der Verletzung von Gemeinschaftsgütern muß aber, auch wenn personaler TOA ausscheidet, noch keineswegs die Möglichkeit materieller Wiedergutmachung entfallen. Ob materielle Wiedergutmachung in der hier vorausgesetzten Bedeutung vorliegt, ist einzig und allein davon abhängig, ob die Einbußen, die ausgeglichen werden sollen, vermögenswerter Natur sind. Auch bei der Verletzung von Rechtsgütern der Allgemeinheit kann ein materieller Schaden entstehen. Dies ist deutlich bei der Steuerhinterziehung, aber auch in Fällen der Wirtschafts- und Umweltkriminalität. Ungeachtet der Schwierigkeiten im einzelnen sind z. B. bei der Verunreinigung eines Gewässers gemäß § 324 StGB durchaus Fälle vorstellbar, in denen zumindest auch ein materieller Schaden vorliegt. Wie auch immer die geschützten Rechtsgüter des Umweltstrafrechts zu bewerten sind,95 so ist doch jedenfalls die Verunreinigung des Gewässers selbst auch ein materieller Schaden. Kann dieser behoben werden, stellt die erbrachte Leistung eine materielle Wiedergutmachung dar. 96 Die Tatsache, daß Träger des Rechtsgutes Umwelt die Allgemeinheit ist, ändert an der Art der Wiedergutmachungsleistung nichts. An dieser Stelle ist eine notwendige und für die weitere Darstellung wichtige Begriffsklärung vorzunehmen. Im folgenden sollen alle Rechtsgüter, deren Verletzung durch materielle Wiedergutmachung auszugleichen ist, materielle Rechtsgüter genannt werden. Rechtsgüter dagegen, deren Verletzung durch andere Arten der Wiedergutmachung auszugleichen ist, werden immaterielle Rechtsgüter genannt. Wesentlich für die Unterscheidung in materielle und immaterielle Rechtsgüter ist somit die Art der Wiedergutmachung ihrer Verletzungen. Demnach sind Vermögen und Eigentum materielle Rechtsgüter, aber auch körperliche Unversehrtheit,97 Ehre oder Freiheit, weil deren Verletzungen weitgehend kommerzialisiert sind98 und in diesem Sinne eine vermögenswerte Einbuße bilden. Deren Ausgleich geschieht definitionsgemäß durch materielle Wiedergutmachung, weshalb diese zuletzt genannten Rechtsgüter - ebenso defmitionsgemäß - materielle Rechtsgüter darstellen. 9SSiehe dazu Rengier, NJW 1990, S. 2506; Waldzus, S. 57 ff.; S/S-Cramer, Vorbem. § 324 ff. Rn. 8; Lackner / Kühl, vor § 324 Rn. 7. 96Schöch, Gutachten, S. 74 bezeichnet die Beseitigung der Folgen einer umweltgeflihrdenden Abfallbeseitigung dagegen als symbolische Wiedergutmachung. 970ie Kommerzialisierung geschieht auch durch Gesetz. Siehe rur Körperverletzungendie §§ 843, 845, 847 BGB, für die sexuelle Selbstbestimmung § 84711 BGB. 98 Bei Verletzungen des Persönlichkeitsrechts wird vom BGH (NJW 1971, S. 698) Ersatz des immateriellen Schadens in Geld - unter dem Gesichtspunkt der Genugtuung (!) - gewährt, wenn es sich um eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts handelt und wenn Genugtuung auf andere Weise nicht zu erlangen ist. Vgl. auch BVerfG NJW 1971, S. 1221. Kritisch dazu Lange, Schadensersatz, S. 54 ff.
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Wichtig ist dabei, daß die Unterscheidung von materiellen und immateriellen Rechtsgütern sich nur nach der abstrakt einschlägigen Wiedergutmachungsart richter, also von den konkreten Möglichkeiten der Wiedergutmachung im Einzelfall unabhängig ist. So verursachen Körperverletzungen, aber auch Verletzungen der Ehre, der sexuellen Selbstbestimmung etc. unter Umständen bleibende, nicht wieder ausgleichbare Schäden. In unserer Rechtsordnung sind solche, an sich immateriellen Schäden aber fast vollständig und mit steigender Dichte kommerzialisiert und werden in vermögenswerte Einbußen umgerechnet. Deren Ausgleich geschieht wiederum in Geld, z. B. als Rente, und damit als materielle Wiedergutmachung. Davon zu unterscheiden sind bleibende psychische Schäden als Folge der Opferwerdung, die zwar unter Umständen durch materielle Wiedergutmachung auszugleichen sind, die aber als Viktimisierungsfolgen nicht durch das Rechtsgut erfaßt sind und somit als rechtsgutsexterne Folgen keine Rechtsgutsverletzung darstellen. Diese Viktimisierungsfolgen fallen daher nicht unter diese Unterscheidung verschiedener Arten von Rechtsgütern. Nach dem oben 99 Gesagten ist daher auch das Universalrechtsgut der "Umwelt" in ihren verschiedenen ErscheinungsformenIOD ein materielles Rechtsgut. Abstrakt betrachtet, und nur darauf kommt es an, sind Umweltschäden, - wenn überhaupt - durch Einsatz von Geld auszugleichen. Verunreinigte Gewässer sind zu säubern, zerstörte Wälder sind wieder aufzuforsten und vergiftete Böden sind zu entsorgen. Daß in diesem Bereich die Wahrscheinlichkeit irreparabler Schäden - Ausweitung des Ozonlochs, Klimaveränderungen, Aussterben von Tier- oder Pflanzenarten - besonders groß ist, ist evident. Dies betrifft aber die konkrete Möglichkeit der Wiedergutmachung, abstrakt ist der Ausgleich einer Verletzung des Rechtsguts "Umwelt" in ihren verschiedenen Erscheinungsformen - sofern möglich - materielle Wiedergutmachung und dieses Rechtsgut somit ein materielles. Eine echte Sonderstellung nimmt das Rechtsgut "Leben" ein. Trotz der zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche, die gemäß § 844 BGB Dritten aus der Tötung einer nahestehenden Person zugestanden werden, ist aus der Sicht einer umfassenden Wiedergutmachung entscheidend, daß bei der Verletzung dieses Rechtsguts Kompensation gerade nicht mehr möglich ist. Durch den Wegfall des Rechtsgutsträgers scheidet jede Art von Wiedergutmachung aus. "Leben" ist ein notwendig nicht wiedergutmachungsfahiges Rechtsgut, entzieht sich daher der Kategorisierung in materielle bzw. immaterielle Rechtsgüter. Auch als immaterielles Rechtsgut ist es nicht einzuordnen, weil es gar nicht, das heißt auch nicht durch andere Formen der Wiedergutmachung, zu kompensieren ist. Diese Sonderstellung des Rechtsguts "Leben" macht diese defmitorische Eintei50. looSiehe dazu Lackner / Kühl, vor § 324 Rn. 7.
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lung der Rechtsgüter nicht hinfällig, außerdem ist sie in der strafrechtlichen Dogmatik nicht außergewöhnlich. lol Es zeigen sich allerdings daran die natürlichen Grenzen eines umfassenden strafrechtlichen Wiedergutmachungskonzepts. 102 Hinzuweisen ist noch darauf, daß die hier verwendete Bezeichnung eines Rechtsguts als "immateriell" nichts mit der manchmal anzutreffenden, gleichlautenden Wortwahl in der Rechtsgütertheorie zu tun hat. Dort l03 umschreibt dieser Begriff die Kontroverse über das "Rechtsgut als realer Gegenstand oder ideeller Wert",104 also die Frage, was Strafrechtsnormen schützen. In der hier verwendeten Begriffsbedeutung - das sei nochmals klargestellt - bezeichnet ein immaterielles Rechtsgut ein solches, dessen Verletzung nicht durch materielle Wiedergutmachung ausgeglichen werden kann. Zusammenfassend läßt sich somit sagen, daß materielle Wiedergutmachung immer dann vorliegt, wenn vermögenswerte Einbußen, die durch die Straftat verursacht sind, ausgeglichen werden. Diese Qualifikation ist unabhängig davon, ob diese Einbuße aus der Verletzung eines materiellen Rechtsguts resultiert oder aber eine Viktimisierungsfolge ist. Sie ist überdies unabhängig davon, ob der Adressat der Leistung individualisierbar oder die Allgemeinheit ist.
11. Ideelle Wiedergutmachung Nach dem oben Gesagten wird deutlich, daß materielle Wiedergutmachung nur einen Teil der Straftatfolgen ausgleichen kann, nämlich nur vermögenswerte Beeinträchtigungen. Wie aber schon bei der Beschreibung der Viktimisierungsfolgen festgestellt, gibt es für den durch die Straftat Verletzten in der Regel noch andere, immaterielle Folgen der Tat, unter denen in vielen Fällen das Opfer weit nachhaltiger leidet als unter den materiellen Einbußen. Diese immateriellen Schäden sind vor allem psychische Beeinträchtigungen. Die Grenzen zwischen materiellen und immateriellen Schäden sind zum Teil fließend und normativ bestimmt. Es wurde schon herausgestellt, daß durch das zivilrechtliche Schadensersatzrecht ein Teil der immateriellen Schäden kommerzialisiert wurde, z. B. Schmerzen durch die Gewährung von Schmerzensgeld, und somit die Wiedergutmachung immaterieller Schäden durch die Zah10lSiehe nur die mangelnde Einwilligungsfähigkeit in Verletzungen des Lebens. 102Siehe dazu unten Viertes Kapitel B I. 103Z. B. bei Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 175. I04 S0 die Überschrift der Darstellung bei Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S.
41 ff.
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lung von Geld oder andere materielle Leistungen weitgehend akzeptiert ist. Das Strafrecht sollte sich in seinem Wiedergutmachungskonzept aus Gründen der Einfachheit diesen Vorgaben anschließen. Dies, das sei nochmals betont, nicht deswegen, weil das Zivilrecht eine auch rur das Strafrecht geltende Grenze bestimmt, denn das Strafrecht ist bei seinem Wiedergutmachungskonzept insofern vom Zivilrecht unabhängig. Aber die Kommerzialisierung mancher immaterieller Schäden durch das Zivilrecht deutet auf eine weitgehende Akzeptanz in der Allgemeinheit hin, und ein Rückgriff auf allgemein akzeptierte Wiedergutmachungsmechanismen ohne die Notwendigkeit, eigene zu entwickeln, bedeutet für das Strafrecht eine Vereinfachung. Was dann noch auf der TäterOpfer-Ebene übrig bleibt, sind die nicht kommerzialisierten, ideellen Beeinträchtigungen individueller Straftatopfer. Im weiteren sollen alle Leistungen, die auf den Ausgleich dieser Tatfolgen zielen, Leistungen der ideellen Wiedergutmachung genannt werden. Als Tatfolgen, die durch ideelle Wiedergutmachung auszugleichen sind, kommen daher Viktimisierungsfolgen und Verletzungen immaterieller Individualrechtsgüter in Betracht. Letztere sind allerdings nur noch schwer vorstellbar, weil die zivilrechtliche Rechtssprechung praktisch bei jedem der strafrechtlich geschützten Individualrechtsgüter einen Geldwert annimmt. Daher kann sich die Darstellung im weiteren auf die Viktimisierungsfolgen konzentrieren. Ein umfassendes strafrechtliches Wiedergutmachungskonzept proklamiert die Möglichkeit, auch diese Tatfolgen durch Leistungen des Täters auszugleichen. 105 Im Vergleich zur materiellen Wiedergutmachung, die auf das Vorbild des zivilrechtlichen Schadensersatzrechts zurückgreifen kann, treten in diesem Bereich aber Probleme auf. Zunächst ist dies die Schwierigkeit die auszugleichenden Tatfolgen im Einzelfall zu konkretisieren und als Grundlage für die Defmition der zu erbringenden Leistungen des Täters aufzubereiten. Mit anderen Worten: es ist schwerer als bei materiellen Schäden überhaupt festzustellen, was die ausgleichsbedürftige Folge der Tat ist, denn aufgrund der individuellen Disposition der Verletzten sind die psychischen Beeinträchtigungen, die durch die Erfahrung der Viktirnisierung verursacht werden, von Opfer zu Opfer unterschiedlich. Es müßte also in jedem einzelnen Fall zunächst herausgefunden werden, unter welchen Folgen der Verletzte leidet. Dabei steht aber kein Maßstab zur Verfügung, wie man ihn bei materiellen Schäden durch deren Geldwert hat. Dieses Problem des fehlenden Maßstabes wird noch verschärft durch die Schwierigkeit, einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Beeinträchtigung des Verletzten und der Täterhandlung herzustellen. Die hier in Rede stehenden Folgen für das OpI05Frühau[, Wiedergutmachung, S. 123 f.
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Zweites Kapitel: Begriff der symbolischen Wiedergutmachung
fer können erst lange nach der Tat auftreten, sie können nicht nur durch die Tat unmittelbar, sondern auch durch andere, damit lediglich mittelbar verbundene Umstände verursacht sein. Schließlich äußern sich solche Folgen häufig nur diffus und für die Umwelt des Geschädigten schwer nachvollziehbar. Es fehlt also neben der Möglichkeit der Quantifizierung der Folgen oftmals bereits an der Möglichkeit einer ursächlichen Verknüpfung mit dem Täterverhalten. Wenn man aber nicht klar definieren kann, welches die auszugleichende Tatfolge ist, kann man im Rahmen strafrechtlich begründeter Erwartungen an den Täter nicht bestimmen, welche Leistung er erbringen soll. Darüber hinaus gibt es bei immateriellen Tatfolgen keinen voraussehbaren, schematischen Zusammenhang zwischen Leistungen des Täters und deren Wirkung beim Opfer. Im Gegensatz zur materiellen Wiedergutmachung kann der Ausgleich psychischer Beeinträchtigungen nur in einer symmetrischen Interaktion l06 geschehen, das heißt, der Erfolg der Täterleistungen ist abhängig von den Umständen ihrer Erbringung und von der Bereitschaft des Opfers zur Zusammenarbeit. Während man bei materieller Wiedergutmachung durchaus noch von Tatfolgenausgleich sprechen kann, wenn z. B. eine vom Richter auferlegte Wiedergutmachungsleistung vom Täter nur widerwillig erbracht wird, bewirkt eine angeordnete, ohne innere Überzeugung geäußerte Entschuldigung für die Viktimisierungsfolgen des Opfers meistens nichts. Man könnte daraus den Schluß ziehen, daß die strafrechtliche Wiedergutmachung die psychischen Beeinträchtigungen des Opfers nicht erfassen kann. Sie sind nicht quantifizierbar zur Definition der notwendigen Wiedergutmachungsleistung, und eine Leistung des Täters ist im Rahmen des Zwangsinstrumentariums Strafrecht oftmals wirkungslos. Dennoch wird allgemein unter Täter-Opfer-Ausgleich etwas anderes und mehr verstanden als die Leistung materieller Wiedergutmachung. Dei Begriff des Täter-Opfer-Ausgleichs urnfaßt über die Behebung des materiellen Schadens hinaus auch ein personales Element, die Aussöhnung zwischen Täter und Opfer. 107 Daß diese Wiedergutmachung eines immateriellen Schadens auch für die praktische Arbeit der TOA-Projekte von großer Bedeutung ist, wird allgemein betont. 108 Fallbeispiele sollen die Wirksamkeit des Täter-Opfer-Gesprächs für den Abbau von Viktimisierungsfolgen belegen. 109 Das Kennenlernen des Täters und seiner Lebensumstände - so wird vermutet - mache es dem Opfer in I06Siehe dazu Herlener, Sozialpsychologie, S. 17. 107Müller-Dietz, in Hering! Rössner, S. 23. I08Siehe Bannenberg in HeringlRössner, S. 208; Schreckling, Täter-Opfer-Ausgleich, S. 16 f. I09S0 bei Schöch in Schöch (Hrsg.), Wiedergutmachung, S. 148 f; Herz, BewHi 1984, S. 243.
B. Leistungen des Täters
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vielen Fällen leichter, die eigene Opferwerdung zu bewältigen, weil durch die Kenntnis der Tätermotive die Anonymität und ein daraus resultierendes Gefühl der Sinnlosigkeit der Tat abgebaut werden könne. 11o Zahlreiche emotionale Beeinträchtigungen wie Furcht, Scham, Gefühle der Mitschuld würden durch das Kennenlernen des Täters und seiner Motive weniger drückend. Die "Leistung" des Täters in diesem Prozeß läßt sich nur sehr schwer definieren. Es ist jedenfalls keine materielle, von außen feststellbare oder festlegbare Leistung. Bisweilen wird allerdings eine materielle Wiedergutmachungsleistung zum Ausgleich "für das Opferwerden selbst" gefordert. 111 Eine solche materielle Leistung zum Ausgleich der immateriellen Viktimisierungsfolgen wäre aber eine weitere, über das Zivilrecht hinausgehende Kommerzialisierung von Tatfolgen. Dadurch würde das Strafrecht zu einem Ausgleichsrecht, das sich dem Vorwurf des "Freikaufens" kaum noch entziehen könnte. Darüber hinaus würde damit nur einer Alibi-Ersatzleistung der Weg geebnet, die das Wesen dieser Folgen als psychische Beeinträchtigungen aus der Straftat keinesfalls erfassen könnte. Die Wiedergutmachung als Abbau immaterieller Beeinträchtigungen des Verletzten, findet - sofern sie überhaupt möglich ist auf einer emotionalen Ebene zwischen Täter und Opfer statt. Nach außen kann dieser Ausgleich in Erscheinung treten in Form einer akzeptierten Entschuldigung als wahrnehmbares Symbol der Verantwortungsübernahme. Die Leistung des Täters besteht also auch in dieser Verantwortungsübernahme, aber, wichtiger noch, vor allem in der Teilnahme an dem Prozeß im Vorfeld, der die symbolische Geste der Entschuldigung vorbereitet. Dieser interpersonale Prozeß kann in der Regel nur dann erfolgreich immaterielle Tatfolgen abbauen, wenn die Beteiligung des Täters von ihm selbst ausgeht. Von außen kann ihm diese Beteiligung nicht auferlegt werden. Dieser Prozeß unterliegt keiner Regelhaftigkeit, er ist besonders anfällig für störende Einflüsse. So kann der ernst gemeinte Wille des Täters zur Verantwortungsübernahme vom Opfer mißverstanden und nicht akzeptiert werden, andererseits kann sogar geheuchelte Einsicht und Reue unter Umständen beim Verletzten zum Abbau psychischer Beeinträchtigungen führen. Diese Unregelhaftigkeit des Prozesses bewirkt auch seine Unsteuerbarkeit von außen. Ein rechtlich ausgestaltetes Verfahren wie das Strafverfahren kann ihn vom Täter nicht erzwingen, es kann ihn bestenfalls erleichtern. Zumindest sollte es ihn aber nicht verhindern. Gerade die Verhinderung des personalen Ausgleichs zwi-
1lORössner, Formalisierte Emotionsverarbeitung, S. 182 f., Ute I. Hartmann, Staatsanwaltschaft, S. 29. IIIFrühauj, S. 123 f., der fordert, "daß der Täter auch auf dieser Ebene ein angemessenes Äquivalent erbringen muß".
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sehen Täter und Opfer wird an der modernen Ausgestaltung des Strafprozesses aber häufig kritisiert. I 12 Neuere Untersuchungen zeigen, daß diesem Ausgleichsprozeß jedoch auch von der Opferseite her gewisse Grenzen gesetzt sind. Besonders mit der für diesen Prozeß notwendigen Bereitschaft, dem Täter persönlich zu begegnen, kann man danach bei bestimmten Deliktstypen, Schweregraden und Tatumständen mehrheitlich nicht mehr rechnen. l13 ptimistischere Einschätzungen l14 stammen zum Großteil aus Evaluationsforschungen zum Täter-OpferAusgleich im Rahmen des Jugendstrafrechts. I 15 Deren Ergebnisse sind aber auf das Erwachsenenstrafrecht nicht ohne weiteres übertragbar. Dies könnte schon allein damit begründet sein, daß Straftatopfer gegenüber jugendlichen Tätern grundsätzlich mehr Verständnis aufbringen I 16 und geringere psychische Folgen nach einer Jugendtat davontragen. Darüber hinaus ist die Teilnahmebereitschaft bei Opfern von Gewaltdelikten weitaus geringer als bei Opfern von Eigentumsdelikten. 117 Sie sinkt sogar, wenn die Beteiligten vor der Tat eine soziale Beziehung hatten, und sie sinkt noch weiter, wenn diese Beziehung bereits vor der Tat konfliktbeladen war. 118 Aus alledem kann man schließen, daß die Bereitschaft der Opfer, einen Ausgleich mit dem Täter zu suchen, um so geringer ist, je größer die persönliche Betroffenheit durch die Tat ist, je schwerer also die Viktirnisierungsfolgen sind. Hier zeigen sich absolute Grenzen eines Ansatzes, der im Rahmen des Strafrechts alle Tatfolgen ausgleichen will. Wenn sich Viktirnisierungsfolgen nur in einem interaktiven Prozeß zwischen Täter und Opfer ausgleichen lassen, müssen auch beide Seiten bereit sein, an diesem Prozeß teilzunehmen. Wenn der Verletzte in seiner subjektiven Befmdlichkeit eine punitive Reaktion zu Lasten des Täters als Funktion seiner Selbststabilisierung braucht,119 sollte dieses Bedürfnis nicht delegitimiert werden. Ansonsten würde er im Rahmen des Straf-
112Siehe nur RössneriWulf, S. 80. 113 Kilchling, Opferinteressen, S. 558 ff., zusammenfassend S. 686 f. 114 Vg l. Schreckling, Bestandsaufnahmen, S. 40 Tab. 17; Dölling, Probleme, S. 84; Bannenberg, Wiedergutmachung, S. 171 Tab. 30, S. 226 Tab. 55. 115 Ausnahme Bannenberg, a.a.O., S. 226 Tab. 55. 116Dölling in HeringlRössner, S. 88. 117Baurmann/Schädler, Das Opfer nach der Straftat, S. 123; nach Kilchling, Opferinteressen, S. 561 Tab. 131, S. 563, ist die Ablehnung eines Täter-Opfer-Ausgleichs bei Einbruchsopfern am höchsten. Dies deckt sich mit der Erkenntnis, daß Wohnungseinbruch ein Delikt mit besonders schweren Viktimisierungsfolgen ist, siehe oben S. 25. 118 VOß , MSchrKrim 1989, S. 46. 119Dazu Streng, ÖJZ 1994, S. 145 ff.
B. Leistungen des Täters
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verfahrens genauso einseitig instrumentalisiert wie durch die Reduktion auf die reine Zeugemolle. 120 Auch ein umfassendes strafrechtliches Wiedergutmachungskonzept kann somit in seinem Bemühen, die Folgen der Tat auszugleichen, das, was hier Viktimisierungsfolgen genannt wird, nicht immer erfassen und noch weniger regeln. Die Unsteuerbarkeit des hierftir notwendigen Prozesses macht eine Erzwingung im Strafverfahren unmöglich. Dennoch können im Täter-OpferAusgleich die Rahmenbedingungen ftir das Ingangkommen des Prozesses geschaffen werden, wenn die Bestimmung der materiellen Wiedergutmachungsleistung im Wege des Gesprächs zwischen Täter und Opfer geschieht. Während also die Reduktion des Verletzten auf die Zeugemolle im Strafprozeß den Ausgleich immaterieller Tatfolgen beim Opfer weitgehend verhindert, können durch das Aushandeln materieller Wiedergutmachungsleistungen zumindest die Voraussetzungen ftir den Abbau psychischer Schäden des Opfers geschaffen werden. Mehr allerdings kann das Strafrecht und das Strafverfahren nicht erzwingen. Hier stößt ein umfassendes strafrechtliches Wiedergutmachungskonzept wiederum an Grenzen.
IH. Symbolische Wiedergutmachung
Wie gezeigt, zielt materielle Wiedergutmachung auf den Ausgleich der vermögenswerten Einbußen durch die Tat. Diese können aus der Rechtsgutsverletzung resultieren, so auch bei kommerzialisierten immateriellen Schäden wie z. B. Schmerzen oder Nutzungsausfall, unabhängig davon, ob Individualrechtsgüter oder Gemeinschaftsrechtsgüter verletzt wurden. Also sind auch vermögens werte Einbußen der Allgemeinheit, d.h. materielle Gemeinschaftsschäden, Ausgleichsgegenstand der materiellen Wiedergutmachung. Vermögenswerte Einbußen können aber auch durch Viktimisierungsfolgen entstehen, etwa wenn das Opfer durch die Erfahrung der Opferwerdung behandlungsbedürftig ist, in bezug auf die Kosten der Therapie. All diese Tatfolgen kann der Täter durch geldwerte Leistungen - materielle Wiedergutmachungsleistungen ausgleichen. Immaterielle, nicht kommerzialisierte Schäden des individuellen Verletzten sind in einem gewissen Rahmen durch ideelle Wiedergutmachung ausgleichbar. In diesem Zusammenhang von Leistungen des Täters zu sprechen ist weitgehend verfehlt, weil eine Behebung der Folgen einseitig durch den Täter nicht möglich ist, höchstens mit ihm in einem interaktiven Prozeß. Eine stets zu respektierende Grenze dabei ist die Teilnahmebereitschaft des Opfers. Psycholo12°Siehe dazu auch unten S. 148 f.
58
Zweites Kapitel: Begriff der symbolischen Wiedergutmachung
gisehe Tatfolgen sind nicht in gleichem Maße mechanistisch ausgleichbar wie materielle Schäden. In einem Achsenkreuz mit den Achsen materielle 121 /immaterielle Schäden, bzw. Individual- und Gemeinschaftsschäden (s. Abb.) verbleiben somit noch die immateriellen Gemeinschaftsschäden unabgedeckt. Diese markieren nach der oben beschriebenen subsidiären Funktion der symbolischen Wiedergutmachung deren Einsatzbereich.
Individualschäden
Gemeinschaftsschäden
Materielle Einbußen
materielle Wiedergutmachung
materielle Wiedergutmachung
Immaterielle
ideelle
symbolische
Beeinträchtigungen
Wiedergutmachung
Wiedergutmachung
In Anpassung der allgemeinen Defmition strafrechtlicher Wiedergutmachung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AE-Wgm kann symbolische Wiedergutmachung daher wie folgt umschrieben werden: Symbolische Wiedergutmachung ist Ausgleich der immateriellen Gemeinschaftsschäden der Tat durch eine freiwillige Leistung des Täters. Die soeben erstellte Definition ist nur ein erster Schritt in Richtung einer anwendbaren Theorie der symbolischen Wiedergutmachung; die Begriffsbestimmung folgt noch dem immer wieder anzutreffenden Subsidiaritätsdenken, das symbolische Wiedergutmachung als Restgröße betrachtet im abstrakt möglichen Leistungsspektrum eines Täters. Entscheidend fur die soeben gewonnene Defmition war die Kategorisierung in "materiell - immateriell" und in "Individual- und Gemeinschaftsschäden". Diese Kategorisierung ist bereits leistungsbezogen und bezeichnet einerseits die Art der möglichen Leistung in ihrem abstrakten Inhalt und andererseits den Adressaten dieser Leistung. Um nun konkret zu umschreiben, welche Straftatfolgen mit welchen Leistungen wiedergutzumachen sind, genügt die Bezeichnung der Beeinträchtigungen als erstens immaterielle und zweitens Schäden der Gemeinschaft nicht, denn aufI21Einschließlich der kommerzialisierten immateriellen Schäden.
B. Leistungen des Täters
59
grund der Immaterialität und der Universalität allein lassen sich noch keine entsprechenden Leistungen definieren, wie es bei materiellen Schäden durch ihren Geldwert möglich ist. Es muß daher im weiteren versucht werden, genauer herauszuarbeiten, welche der oben beschriebenen Straftatfolgen immaterielle Gemeinschaftsschäden darstellen und in einem zweiten Schritt diese Folgen so präzise zu fassen, daß zuletzt konkrete Leistungen zu ihrer Wiedergutmachung definiert werden können. Auf der ersten Annäherungsebene läßt sich zunächst sagen, daß immaterielle Gemeinschaftsschäden vorkommen bei der Verletzung von universalen Rechtsgütern, die nicht in geldwerten Beeinträchtigungen liegen, d.h. bei den immateriellen Rechtsgütern der Allgemeinheit, wie sie beispielsweise durch abstrakte Gefährdungsdeliktstatbestände geschützt werden 122 oder etwa durch die Straftaten im Amt. Die oben 123 beschriebene überindividuelle Störung ist ebenfalls ein immaterieller Gemeinschaftsschaden. Sie tritt bei jeder Straftat auf, denn sie ist das Resultat des Eindrucks, den der Angriff des Täters auf das geschützte Rechtsgut bzw. die Strafrechtsnorm in der Allgemeinheit hinterläßt. Da diese ausgleichsbedürftigen Wirkungen bei jedem Delikt auftreten, hieße das, daß symbolische Wiedergutmachungsleistungen - fUr einen umfassenden Tatfolgenausgleich - von jedem Täter verlangt werden müßten. Daß dem nicht so ist, wird später aufgezeigt. 124 Zur Definition konkreter Leistungen muß im weiteren noch spezifischer herausgearbeitet werden, was im einzelnen die Beeinträchtigungen ausmacht. Dabei ergeben sich Unterschiede zwischen der überindividuellen Störung und der Verletzung universaler Rechtsgüter.
1. Leistungen zum Ausgleich der überindividuellen Störung a) Konkretisierung der überindividuellen Störung
Die überindividuelle Störung wurde oben im wesentlichen von der Eindruckstheorie und von der Theorie der positiven Generalprävention hergeleitet. Nach letzterer besteht die Störung in einem öffentlichen Konflikt, in einem Konflikt zwischen dem Täter und der Allgemeinheit. Der Grund fUr diesen Konflikt wird in der Verletzung der strafrechtlichen Norm, im Rechtsbruch des Täters gesehen, der die Geltung dieser Strafrechtsnorm in Frage stellt. 122 Siehe dazu oben S. 31 ff. 123Siehe S. 34 ff. 124Siehe unten S. 72 ff.
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Zweites Kapitel: Begriff der symbolischen Wiedergutmachung
Die Eindruckstheorie scheint dagegen mehr auf den Schutz des Rechtsgutsobjekts abzustellen, der hinter der strafrechtlichen Norm steht; so wenn bei der Abgrenzung von Vorbereitungshandlung und Versuch verlangt wird, daß der Täter "in eine Beziehung zur Sphäre des Opfers tritt, die einen rechtserschütternden Eindruck hervorruft". 125 Dabei scheint der Angriff auf das Opfer der Auslöser ftir die Erschütterung der Allgemeinheit zu sein. Jedoch verfolgt die Eindruckstheorie in dieser Anwendung den Zweck, die straflose Vorbereitungshandlung vom strafbaren Versuch abzugrenzen. Es soll also eine Grenze definiert werden, ab der von einem Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung und somit von strafbarem Verhalten auszugehen ist. Der Grund ftir die Strafbarkeit steht dabei schon fest, er liegt in dem rechtserschütternden Eindruck, der vom Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung ausgeht. Zu unterscheiden ist also zwischen verschiedenen Funktionen der Eindruckstheorie. Die in diesem Zusammenhang entscheidende und einzig relevante ist, zu begründen, warum eine Handlung, die keine Rechtsgüter verletzt, dennoch strafbar sein kann. Sie kann es - so die Eindruckstheorie -, weil das Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung genau wie die Vollendung des Delikts einen rechtserschütternden Eindruck bei der Allgemeinheit hinterläßt. Sinn und Zweck der Eindruckstheorie ist somit die Gleichsetzung des Ansetzens zur Tatbestandsverwirklichung mit deren Vollendung in bezug auf die Frage der Strafwürdigkeit. 126 Beides hat eine gemeinsame Wirkung: eben jenen rechtserschütternden Eindruck auf die Allgemeinheit durch den Angriff des Täters auf die Strafrechtsnorm. Gleichgültig ob der Angriff in bezug auf das Rechtsgut glückt oder scheitert, Strafbarkeit ist zu bejahen, weil die Allgemeinheit durch die Tatsache des Angriffs betroffen ist. Als Angriff auf die Norm bedeutet er auch die Behauptung der Nichtgeltung dieser Norm ftir den Täter. 127 Damit haben die Theorie der positiven Generalprävention und die Eindruckstheorie zahlreiche Gemeinsamkeiten, es erscheint sogar so, daß die Eindruckstheorie nur eine Ausweitung der Theorie der positiven Generalprävention auf den strafbaren Versuch darstellt. 128 Nach der Theorie der positiven Generalprävention soll die Bestrafung des Täters der "Erhaltung und Stärkung des Vertrauens in die Bestands- und Durchsetzungskraft der Rechtsordnung,,129 dienen, die Eindruckstheorie weitet diesen Zweck mit dem gleichen Argument der Erschütterung des Vertrauens auf das bloße Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung 125Roxin, JuS 1979, S. 4.
126Wegen des Defizits im Erfolgsunrecht kann natürlich der Versuch milder bestraft werden (§ 23 11 StGB), aber die Hürde zur Strafbarkeit haben beide Verhaltensweisen genommen. 127Jakobs, Strafrecht AT, 25/21. I28 Was nur in einem funktionalen Sinne zu verstehen ist, denn die Eindruckstheorie ist die weitaus ältere Theorie. J29BVerfGE 45,253,256.
B. Leistungen des Täters
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ohne Rechtsgutsverletzung aus. Beide wollen das Rechtsvertrauen der Gemeinschaft schützen,130 das durch das Nachaußentreten des Normbruchs 131 beschädigt ist. Im Vordergrund steht also nicht der Schutz des Opfers, nicht einmal der Schutz des Rechtsguts, sondern der Schutz der strafrechtlichen Norm. Die Gefährdung des Rechtsguts ist nicht der primäre Grund rur die Strafbarkeit, 132 auch nicht die räumliche und/oder zeitliche Nähe des Täterverhaltens zur Opfersphäre. 133 Diese Attribute dienen alle nur der Abgrenzung von noch straflosem und bereits strafbaren Verhalten. Eigentlicher Grund rur die Strafbarkeit ist der strafrechtliche Normbruch. Allerdings ist dies nicht absolut zu sehen, denn dies wäre eine vergeltungstheoretische Begründung, sondern durchaus im Sinne einer Präventionstheorie. Der Normbruch habe nämlich - so die Theorie der positiven Generalprävention - eine vertrauenzersetzende Wirkung auf die Allgemeinheit, er greife die Geltung der Norm an. Die Allgemeinheit sei darüber erschüttert, glaube nicht mehr an die Norm und deswegen müsse auf diesen Normbruch reagiert werden. Nicht also wegen des Normbruchs an sich, sondern um das Vertrauen der Allgemeinheit wiederherzustellen, um der Norm neue Kraft und Geltung zu verleihen, werde gestraft. Dabei bleiben aber rur den hier interessierenden Problemkreis noch zahlreiche Fragen offen. So ist noch nicht hinreichend geklärt, woher diese Erschütterung kommt und wieso sie nur bei der Verletzung strafrechtlicher Normen behauptet wird, nicht aber bei Normverletzungen in anderen Rechtsgebieten. Auch ist die Umschreibung der Störung als Erschütterung der Allgemeinheit noch zu abstrakt, um daraus konkrete Täterleistungen abzuleiten.
Exkurs: Verhaltensnormen und Sanktionsnormen
Deutlicher werden diese und andere Fragen durch die normentheoretische Unterscheidung zwischen Verhaltensnormen und (strafrechtlichen) Sanktionsnormen. 134 Verhaltensnormen bestimmen dabei, welche Verhaltensweisen zum Schutz bestimmter Rechtsgutsobjekte rechtlich verboten und welche erlaubt sind. 135 Die Sanktionsnormen legen dagegen fest, unter welchen Voraussetzun130Siehe auch Papageorgiou-Gonatas, S. 209 ff. 131 Siehe Jakobs, Strafrecht AT, 25121. I32 Dies entspräche einer rein objektiven Versuchstheorie. 133 So Roxin JuS 1979, S. 5 f. I34Ausflihrlicher zu dieser Unterscheidung Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 59 ff., Stein, Strafrechtliche Beteiligungsformen, S. 65 ff. 135Stein , S. 66 f.
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Zweites Kapitel: Begriff der symbolischen Wiedergutmachung
gen nach der Verletzung einer Verhaltensnorm eine bestimmte Sanktion folgen soll, sie definieren die Voraussetzungen der Sanktion. 136 Demzufolge besteht die - § 223 StGB entsprechende - Strafrechtsnorm "Wer einen anderen ( ... ) an der Gesundheit beschädigt, wird (... ) bestraft" normentheoretisch aus zwei Normen: es steckt darin die Verhaltensnorm, die das Verbot ausspricht, einen anderen an der Gesundheit zu beschädigen, und die sich an die Allgemeinheit richtet. Den zweiten Teil bildet die Sanktionsnorm, die sich an den Rechtsanwender, also Richter und Staatsanwalt, wendet und die Aussage hat, daß derjenige, der einen anderen an der Gesundheit beschädigt hat, bestraft werden soll. Diese Unterscheidung von zwei Normtypen ist keine Besonderheit des Strafrechts; neben strafrechtlichen Sanktionsnormen gibt es auch solche anderer Rechtsgebiete, wie des Verwaltungs- oder des Zivilrechts. So kann ein und derselbe Verstoß gegen eine Verhaltensnorm - etwa das an einen Gastwirt gerichtete Verbot, verdorbene Speisen zu servieren - nach dem Verwaltungsrecht den Widerruf seiner Gaststättenerlaubnis zur Folge haben, der Gastwirt kann zivilrechtlich zur Geldzahlung an das Opfer zur Kompensation der Folgen des Verstoßes verpflichtet sein, und die Verletzung des Verbots kann zur Bestrafung des Täters führen mit dem Zweck, weitere Verstöße in Zukunft zu vermeiden. 137 Eine Verletzung einer Verhaltensnorm kann also durch unterschiedliche Sanktionsnormen unterschiedliche Verpflichtungen und Rechtsfolgen nach sich ziehen, je nach der Ausgestaltung der einschlägigen Sanktionsnorm. Die Frage, welche Verhaltensweisen verboten und welche erlaubt sind, also die Frage nach der inhaltlichen Ausgestaltung der Verhaltensnormen, ist nach dieser Sicht dem Strafrecht vorgelagert,138 sie folgt eigenen strafrechtsunabhängigen Vorgaben. 139 Erst die Verknüpfung der Verhaltensnorm mit einer rechtsgebietsspezifischen Sanktionsnorm verbindet mit der unerwünschten Verhaltensweise eine entsprechende Rechtsfolge, eine Sanktion. Und nur die Verknüpfung mit einer strafrechtlichen Sanktionsnorm erlaubt danach, einen Verstoß gegen eine Verhaltensnorm mit Strafe zu belegen, die einen sozialethischen Tadel mit einer Übelszufügung verbindet. 140
136Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 59. 137 Stein, S. 73. 138Freund, GA 1995, S. 6. \39 ZU diesen Vorgaben siehe Stein, S. 66 ff. 14°Diese Verknüpfung von Verhaltensnorm und (strafrechtlicher) Sanktionsnorm wird deutlicher in mehreren Gesetzen des Nebenstrafrechts, etwa im Waffengesetz. Danach ist es verboten nach § 37 I I Nr. Id WaffG, bestimmte Schußwaffen herzustellen dieses Verbot bildet die Verhaltensnorm -, und erst in einer anderen Vorschrift, in § 52 aI Nr. I WaffG, wird festgelegt, mit welchen Sanktionen ein Verstoß gegen dieses Verbot belegt werden kann.
B. Leistungen des Täters
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Da diese Elemente der strafrechtlichen Sanktion die schwersten Eingriffe in die Freiheitsrechte des Normunterworfenen darstellen, sind an den Erlaß und an die Anwendung einer strafrechtlichen Sanktionsnorm besondere, nur rur diese Verknüpfung geltende Voraussetzungen gestellt. So muß die Anwendung strafrechtlicher Sanktionsnormen stets einen Verstoß gegen eine Verhaltens. norm voraussetzen, 141.1m G egensatz zu an deren Rec htsgeb·1eten. 142 An dererseIts darf nicht jede Verhaltensnorm mit einer strafrechtlichen Sanktionsnorm verknüpft werden: wenn der Schutz der Rechtsgutsobjekte, den die Verhaltensnorm intendiert, auch mit anderen Mitteln zu erreichen ist, und das heißt mit weniger eingriffsintensiven Sanktionen, dann ist nach dem Subsidiaritätsprinzip des Strafrechts eine strafrechtliche Sanktionsnorm nicht legitim.
b) Strafrechtsnormen als wichtigste Regeln der Gemeinschaft Um den Charakter der überindividuellen Störung als eines nur auf das Strafrecht beschränkten Phänomens besser zu erfassen, bedarf es rur die weitere Darstellung noch zweier V orüberlegungen. Erstens darf nach dem heutigen, ganz auf Prävention ausgerichteten Verständnis vom Strafrecht die Androhung, Verhängung und Vollstreckung einer Strafe nur dem Zweck dienen, das tatbestandliche Verhalten zu verhindern. Die Verknüpfung einer Verhaltensnorm mit einer strafrechtlichen Sanktionsnorm bzw. deren Anwendung und Vollziehung darf also nur vorgenommen werden, um das in der Verhaltensnorm verbotene Verhalten zu verhindern. 143 Die strafrechtliche Sanktionsnorm hat somit die ganz spezifische Funktion, weitere Verstöße gegen die Verhaltensnorm zu unterbinden. 144 Sie soll - nach der Theorie der positiven Generalprävention die Verhaltensnorm in ihrer Geltung absichern 145 durch die Bekräftigung, daß die in der Verhaltensnorm zugrunde gelegte Bewertung nach wie vor richtig ist. 146 Auch die anderen Präventionstheorien dienen dazu, (weitere) Verstöße gegen die Verhaltensnorm, die mit einer strafrechtlichen Sanktionsnorm verknüpft ist, zu verhindern.
141Stein, S. 73. 142Siehe Stein, a.a.O., Beispiele bei Münzberg, S 72 ff.: § 833 BGB, Gefährdungshaf-
tung u.a.
143Stein, S. 78.
144Genau genommen kommt diese Funktion nicht der Sanktionsnorm seIbst zu, sondern der Tatsache der Verknüpfung einer Verhaltensnorm mit einer strafrechtlichen Sanktionsnorm. Die Sanktionsnorm selbst ist nur eine Regel für den Rechtsanwender, siehe Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 62 f. 145 Siehe Kindhäuser, Gefährdung, S. 132. 146Freund, GA 1995, S. 7
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Zweitens ist nach dem Subsidiaritätsprinzip147 die Verknüpfung mit einer strafrechtlichen Sanktionsnorm nur dann legitim, wenn das Ziel einer Sanktion anders als mit Strafe nicht zu erreichen ist. 148 Wenn also alleiniger Zweck von Strafen, d.h. der Anwendung von strafrechtlichen Sanktionsnormen, die Verhinderung von Verletzungen der Verhaltensnormen ist, und wenn gleichzeitig zu diesem Mittel nach dem Subsidiaritätsprinzip nur gegriffen werden darf, wenn keine mildere Möglichkeit zur Verfligung steht, dann bekommen diejenigen Verhaltensnormen, die mit strafrechtlichen Sanktionsnormen verknüpft sind, ein ganz besonderes Gewicht. Danach erscheint nur ein Teil aller Verhaltensnormen so bewahrenswert, daß neben einer anderen möglichen Sanktionsnorm noch eine strafrechtliche Sanktionsnorm mit der Verhaltensnorm zu deren Absicherung verknüpft werden darf. Allein daraus, also aus der Tatsache der Verknüpfung einer Verhaltensnorm mit einer spezifisch strafrechtlichen Sanktionsnorm, lassen sich normative Hierarchien von sozialen Wertigkeiten der Verhaltensnormen erstellen. 149 Eine Verhaltensnorm, die lediglich mit einer ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sanktionsnorm verknüpft ist, hat demnach eine geringere soziale Wertigkeit als eine Verhaltensnorm, die mit einer strafrechtlichen Verhaltensnorm verknüpft iSt. 150 Da sowohl das Ordnungswidrigkeitenrecht als auch das Strafrecht die gleichen Zwecke der Prävention und des Rechtsgüterschutzes verfolgen,151 wäre dies die Konsequenz aus einem ernst genommenen Subsidiaritätsprinzip. Doch so klar und eindeutig ist die Abgrenzung nicht. Das Plus der Kriminalstrafe gegenüber der ordnungswidrigkeitenrechtlichen Buße ist - neben den Möglichkeiten von Freiheitsentziehung und Aussetzung zur Bewährung - defmitionsgemäß vor allem das sozialethische Unwerturteil,152 also die ausdrückliche Mißbilligung der Verletzung der Verhaltensnorm, des Normbruches. Nach der früher herrschenden Auffassung unterliegt Kriminalunrecht einem solchen besonderen ethischen Unwerturteil, Verwaltungsunrecht dagegen gerade nicht. Darin wurde ursprünglich der wesensmäßige Unterschied zwischen diesen beiden Rechtsgebieten gesehen. 153 Heute hat sich dagegen die Meinung 147 Allgemein dazu Arth. Kaufmann, Festschrift Henkel, S. 89; Brandt, Bedeutung, S. 123 ff., 136 ff. 148Roxin, Strafrecht AT, § 2 Rn. 29. 149Das ist zu unterscheiden von der Dringlichkeit von Verhaltensnormen, die sich nur auf der Ebene der Verhaltensnormen erschließen lassen soll, siehe Stein, S. 75 ff. 150S0 hat das Verbot, Geschosse mit Betäubungsstoffen herzustellen (§ 37 I I Nr. 8 WaffG), als ein gemäß § 55 I Nr. 22a WaffG nur als Ordnungswidrigkeit eingestufter Verstoß gegen eine Verhaltensnorm, eine geringere soziale Wertigkeit als das Verbot, Geschosse mit leicht entflammbaren Stoffen herzustellen (§ 37 I I Nr. 7 WaffG), das gemäß § 53 I Nr. 4 WaffG mit einer strafrechtlichen Sanktionsnorm verknüpft ist. 151 Mitsc h, Recht der Ordnungswidrigkeiten, 1995, I § 3 Rn. 9 m.w.N. 152Bockelmann/Volk, Strafrecht AT, 4. Aufl., S. 2f., Mitsch, III § I Rn. 3. 153BGHSt 11, 264
B. Leistungen des Täters
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durchgesetzt, daß auch das Ordnungswidrigkeitenrecht in manchen Fällen ein sozialethisches Unwerturteil beinhalten kann, das im Vergleich zum Krirninalunrecht nur geringer ausfällt. Der Unterschied sei nicht rein qualitativer, sondern vor allem quantitativer Art. I 54 Abhängig sei das Quantum von der Sozialgefährlichkeit des durch das Strafrecht oder das Recht der Ordnungswidrigkeiten verbotenen Verhaltens l55 bzw. von der Verwerflichkeit der Tätergesinnung. 156 So gebe es Delikte wie Mord, Geiselnahme oder Raub, die zum "Kernbereich" des Strafrechts gehörten, also nicht zur Ordnungswidrigkeit herabgestuft werden dürften, lS7 andererseits dürfe z. B. Falschparken nicht unter Strafe gestellt werden. 15s Dazwischen gibt es aber eine sehr große Grauzone, also Verhaltensweisen, deren Verbote nicht nach eindeutigen materiellen Kriterien in einem der beiden Rechtsgebiete verankert werden können. Als Beispiele genannt werden etwa einige Wettbewerbsverstöße der §§ 38 ff. GWB, die qualitativ mit Straftaten vergleichbar seien,159 also auch unter Strafe gestellt werden könnten. Bei den Bagatelltaten der Eigentums- und Vermögenskriminalität herrscht dagegen Uneinigkeit darüber, ob sie zu Ordnungswidrigkeiten herabgestuft werden sollten. 16o Die Entscheidung innerhalb dieser Grauzone, also die Zuordnung eines Verbots zu entweder dem Ordnungswidrigkeitenrecht oder dem Strafrecht, obliegt dem Gesetzgeber, er hat dabei einen Ermessensspielraum. 161 Innerhalb dieses Ermessensspielraurns gilt als ein wesentliches Kriterium der Grad des ethischen Unwertgehalts der verbotenen Verhaltensweise. 162 Taten mit eher geringem Unwertgehalt sind den Ordnungswidrigkeiten zuzuordnen, Taten mit größerem Unwertgehalt sind dagegen unter Strafe zu stellen. Ab welchem Grad die Grenze zur Strafwürdigkeit erreicht ist, läßt sich nicht abstrakt festlegen, unterliegt auch dem zeitlichen Wandel. Deutlich wird aber, daß im Idealfall schwerwie154Jescheck I Weigend, Strafrecht, § 7 V 3b; Jakobs, Strafrecht AT, 3/8; Mitsch, I § 3 Rn. 10; Zieschang, Gefährdungsdelikte, S. 388; siehe zu dieser Entwicklung Kunz, Bagatellprinzip, S. 148 ff. 155Roxin, Strafrecht AT I, § 2 Rn 40. 156JescheckiWeigend, Strafrecht, § 7 V 3b. 157Roxin, Strafrecht AT I, § 2 Rn. 41. 158Kunz, Bagatellprinzip, S. 159. 159Jakobs, Strafrecht AT 3/8. I60Dafür: Roxin, Strafrecht AT I, § 2 Rn. 41; dagegen: Jakobs, Strafrecht AT, 3/10; Kunz, Bagatellprinzip S. 170ff., Dölling, Kleinkriminalität, S. 21; vgl. auch Zieschang, der bei den Gefährlichkeitsdelikten (zu diesem Begriff siehe oben S. 31) für eine Herabstufung zu Ordnungswidrigkeiten plädiert, weil diesen Delikten der Rechtsgutsbezug fehle. 161BVerfGE 27,18,30; 45, 272, 289. 162BVerfGE 27,18,28. 5 Laue
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gendere, sozialschädlichere 163 Taten dem Strafrecht zu unterstellen sind und daß nach dem Subsidiaritätsprinzip nur wirklich strafwürdige Verhaltensweisen unter Strafe gestellt werden sollen. Dies ist damit zu begründen, daß der Gesetzgeber durch die Verknüpfung einer Verhaltensnorm mit einer strafrechtlichen Sanktionsnorm eine Grenze überschreitet. Denn es ist mit dieser Entscheidung nicht nur ein anderes Verfahren und die Möglichkeit der Freiheitsstrafe verbunden, sondern auch das mit der Kriminalstrafe im Gegensatz zur Geldbuße wesensmäßig verknüpfte sozialethische Unwerturteil über das verbotene Verhalten. Auch wenn nach der neueren Auffassung der Unterschied zwischen Ordnungswidrigkeiten und Straftaten nur ein quantitativer ist, Ordnungswidrigkeiten also durchaus Verhaltensweisen mit einem gewissen Unwertgehalt beschreiben, so drückt die ethische Mißbilligung des Täterverhaltens nur die Kriminalstrafe aus, nicht die Geldbuße des Ordnungswidrigkeitenrechts. Und auch wenn die Entscheidung über die Strafwürdigkeit dem Ermessen des Gesetzgebers unterliegt und diese Entscheidung in der oben beschriebenen Grauzone nicht immer klar und eindeutig zu treffen ist, so liegt doch in der Verknüpfung einer Verhaltensnorm mit einer strafrechtlichen Sanktionsnorm eine positivrechtliche Festlegung des Gesetzgebers, daß (nach dem Subsidiaritätsprinzip: nur) Verstöße gegen diese Verhaltensnormen einer ausdrücklichen Mißbilligung bedürfen. 164 Die Verbindung mit einer ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sanktionsnorm reicht - so bei Beachtung des Subsidiaritätsprinzips die Folgerung aus einer solchen Entscheidung des Gesetzgebers - nicht aus, weil die Verhaltensnorm eine fundamentale sozialethische Norm darstellt,16S deren Verletzung einer ausdrücklichen Mißbilligung bedarf. 166 Jedenfalls positivrechtlich gesehen werden Verhaltensnormen daher durch ihre - legitime - Verknüpfung mit strafrechtlichen Sanktionsnormen als die wichtigsten, unverzichtbaren Normen der Gemeinschaft deklariert. 167
163Nach der Bedeutung des geschützten Rechtsguts, der Verwerflichkeit der Tat und der Tätergesinnung, siehe Mitsch, I § 3 Rn. 10. I64 Darin liegt aber wieder ein gewisses qualitatives Kriterium in der inhaltlichen Abgrenzung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, so daß man richtigerweise von einer gemischt qualitativ-quantitativen Betrachtungsweise sprechen sollte. So auch Roxin, Strafrecht AT I, § 2 Rn. 42 m. w. N. 165 Kindhäuser, Gefährdung, S. 343, meint, die Strafwürdigkeit einer Tat ergebe sich umso mehr, "je elementarer die Geltung der Norm zur Ermöglichung allseits vorteilhafter Koexistenz" sei. I66 S0 für den strittigen Fall des leichten Diebstahls Dölling, Kleinkriminalität, S. 21. 167Jakobs, Strafrecht AT, 118: "Strafrechtlich werden nur solche Normen garantiert, auf deren generelle Beachtung zur Erhaltung der wesentlichen gesellschaftlichen Gestalt nicht verzichtet werden kann".
B. Leistungen des Täters
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Diesem Schluß könnte selbstverständlich nur dann vorbehaltlos zugestimmt werden, wenn Strafrechtsnormen in ihrer Gesamtheit als legitim angesehen werden könnten. In der kriminalpolitischen Diskussion wird die Legitimität von Strafrechtsnormen aber oftmals bzweifelt, genannt seien nur Stichworte wie "Vorverlagerung des Strafrechtsschutzes" ,168 "Symbolisches Strafrecht,,169 oder allgemein "Notwendigkeit der Entkriminalisierung" .170 Aber auch diese Zweifel an der Legitimität von Strafrechtsnormen nähren sich nicht zuletzt von der Überzeugung, daß das Strafrecht als ultima ratio dem Schutz der wichtigsten Regeln der Gemeinschaft vorbehalten sein muß. 171 Die oben gezogene Schlußfolgerung beansprucht volle Geltung daher nur rur ein ideales, nur theoretisch vorstellbares Strafrecht, in dem Zweifel an der Legitimität aller einzelnen Normen in allgemeinem Konsens ausgeräumt sind; ein Zustand also, der utopisch ist und heute höchstens rur Teilbereiche, nämlich das allgemein akzeptierte "Kernstrafrecht" angenommen werden kann. Eine solche Beurteilung der Legitimität kann hier naturgemäß nicht geleistet werden. Nicht vergessen werden darf aber andererseits, daß der Gesetzgeber mit der Verknüpfung von Verhaltensnormen mit strafrechtlichen Sanktionsnormen, also der Kriminalisierung von Verhalten, in jedem Einzelfall den theoretischen Ansprüchen der Prinzipien der Subsidiarität und der ultima ratio genügen muß. Dieses Genügen behauptet er notwendig mit jeder einzelnen Kriminalisierung. Somit wird also zumindest formell-positivrechtlich eine Verhaltensnorm durch ihre Verknüpfung mit einer strafrechtlichen Sanktionsnorm zu einer unverzichtbaren Regel der Gemeinschaft erhoben. Nur unter diesen Einschränkungen einer positivrechtlichen Dezision sind die hier vorgebrachten Schlüsse zu verstehen. Zurückkehrend zum Ausgangspunkt kann also resümiert werden: Im Gegensatz zu den Sanktionsnormen anderer Rechtsgebiete wird derjenige, der eine Verhaltensnorm verletzt, die mit einer strafrechtlichen Sanktionsnorm verknüpft ist, rur diese Normverletzung ausdrücklich getadelt. Das Unwerturteil der Strafe dient dazu, klarzustellen, daß trotz des Verhaltens des Täters die Norm weiterhin gilt und das normverletzende Verhalten nicht als normal oder hinnehmbar angesehen wird. Strafrechtliche Sanktionen beinhalten jedenfalls diesen Tadel, diese sozialethische Mißbilligung. Diese Mißbilligung des Normbruches ist aber nur dort notwendig, wo die Gefahr droht, der Normbruch könne als normal angesehen werden - vom Täter, 168 Siehe Jakobs, ZStW 97 (1985), S. 751. 169Siehe W. Hassemer, NStZ 1989, S. 553. 17°Siehe dazu Schöch, Festschrift Schüler-Springorum, S. 245; siehe auch SchülerSpringornm, Kriminalpolitik, S. 163 ff. 171Siehe dazu Kindhäuser, Gefährdung, S. 157 ff. 5*
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von der Allgemeinheit l72 -, und wo diesem Normalisierungsprozeß entgegengewirkt werden soll. Diesem Prozeß darf nach dem Subsidiaritätsprinzip nur bei Verhaltensnormen, die besonders wichtige soziale Regeln darstellen, mit den Mitteln des Strafrechts entgegengewirkt werden. Der Eindruck, der Normbruch könne als normal angesehen werden, ist gleichzusetzen mit dem Geltungsverlust der Norm, mit dem Vertrauensverlust der Allgemeinheit, mit der überindividuellen Störung. Gerade weil es sich bei den mit strafrechtlichen Sanktionsnormen verknüpften Verhaltensnormen dann, wenn diese Verknüpfung legitimerweise besteht, um die Normen handelt, die fiir den Erhalt der Gemeinschaft unverzichtbar sind, entsteht durch den Normbruch eine überindividuelle Störung. 173 Dabei sind abschließend noch zwei Punkte anzusprechen. Zunächst muß der Vertrauensverlust der Allgemeinheit in die Norm durchaus als ein reales, empirisch faßbares Phänomen gesehen werden. Es handelt sich dabei also nicht nur um eine normative Fiktion, denn in diesem Falle ginge die Theorie der positiven Generalprävention ihres Charakters als einer relativen Straftheorie, einer Präventionstheorie verlustig. Die zumindest schwierige, wenn nicht unmögliche empirische Nachweisbarkeit ihrer Wirkungen setzt sie der Kritik aus,174 angesichts ihrer alltagstheoretischen Plausibilität wird die Schwierigkeit ihrer Falsiftzierung andererseits aber auch als Vorteil angesehen. 17S Für unseren Zusammenhang entscheidend ist, daß die Theorie der positiven Generalprävention in der heutigen Strafzweckdiskussion eine wichtige Rolle spielt. Dieser Rolle entspricht auf der Folgenseite die Konsequenz, daß, wie es hier beschrieben wurde, jede Straftat theoretisch einen Vertrauensverlust in der Allgemeinheit durch die Verletzung einer für die Gemeinschaft fundamentalen Norm als spezifIsche Straftatfolge hervorrufen kann. Zum zweiten ist es genaugenomrnen gar nicht die Bestrafung des Täters als Kombination aus Unwerturteil und Übelszufiigung, deren Notwendigkeit aus der überindividuellen Störung und dem Geltungsverlust der Norm abzuleiten ist, sondern es ist primär nur das Unwerturteil, das dieser Störung entgegenwirken soll. Die Mißbilligung des Normbruchs ist notwendig, um den Geltungsverlust zu verhindern, die Übelszufiigung als Freiheits- oder Vermögensentzug dagegen kann aus der Annahme eines Geltungsverlustes direkt nicht legitimiert
I72Siehe schon Roxin, JuS 1966, S. 383. 17'Jakobs. Strafrecht AT, 1/8. 17·Siehe W. Hassemer, Generalprävention und Strafzumessung, 1979, S. 36; SchülerSpringorum, Kriminalpolitik, S.205. I75Roxin, Strafrecht AT I, § 3 Rn. 30.
B. Leistungen des Täters
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werden,176 abgesehen davon, daß sie dem Unwerturteil stärkere Geltung verschafft, also es nur quantitativ verstärkt. Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß die Straftat die überindividuelle Störung deswegen hervorgerufen hat, weil diese Tat die Verletzung von Verhaltensnormen mit der höchsten gesellschaftlichen Wertigkeit bedeutet. Die strafrechtliche Sanktionsnorm stellt die damit verknüpfte Verhaltensnorm aus der durchschnittlichen Wertigkeit heraus und defmiert sie als eine für die Gemeinschaft besonders wichtige Regel. Nach der Theorie der positiven Generalprävention folgt aus der theoretischen, zumindest positivrechtlichen sozialen Unverzichtbarkeit dieser Verhaltensnormen, daß jede Straftat zwingend eine überindividuelle Störung nach sich zieht. Diese Störung hat ihre Ursache im Normbruch, eben in der Verletzung der Verhaltensnorm. Der Normbruch beeinträchtigt das Vertrauen der Allgemeinheit in die Geltung der Norm. Eine solche Beeinträchtigung ist charakteristisch für Verletzungen von Strafrechtsnormen, sie wird bei allen Straftaten angenommen, sofern diese Taten legitimerweise mit Kriminalstrafe bedroht sind. Bei der Verletzung von Normen anderer Rechtsgebiete wird dagegen eine überindividuelle Störung nicht über Einzelfälle hinaus behauptet.
c) Leistungen des Täters Als nächster Punkt ist zu untersuchen, mit welchen Leistungen der Täter diese Folgen der Tat positiv ausgleichen kann. Der Täter soll mit seiner Leistung folgendes wiedergutmachen: den Verlust des Vertrauens der Allgemeinheit, der aus der Verletzung einer für die Gemeinschaft besonders wichtigen Regel resultiert. Worin die Unterschiede zwischen Strafe und Wiedergutmachung in der Reaktion auf diesen Vertrauensverlust bestehen, läßt sich kurz und vorläufig so zusammenfassen: Die Strafe ist der Ausspruch eines sozialethischen Unwerturteils, das verstärkt und verdeutlicht wird durch eine Übelszufügung. Dieser Ausspruch des Unwerturteils bedeutet die Auferlegung der Verantwortung für die Straftat und ihre Folgen, also für das (außer beim Versuch) beeinträchtigte l77 Rechtsgut, mögliche Viktimisierungsfolgen und für die überindividuelle Störung. Nur um diese letzte Folge geht es im weiteren. Dem strafrechtlichen Wiedergutmachungsgedanken entsprechend soll dagegen die im Ausspruch des 176 Eher ein Schuldspruch unter Sanktionsverzicht, dazu kommt auf ganz anderem Wege auch Schüler-Springorum, Kriminalpolitik, S. 172, siehe auch Jung, Sanktionensysteme, S. 144 f; zu Abstufungsmöglichkeiten innerhalb des gesamten Strafrechtssysterns Freund, GA 95, S. 5 fI. 177 Siehe dazu oben S. 32 f. und Fn. 20 und 28.
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Zweites Kapitel: Begriff der symbolischen Wiedergutmachung
Unwerturteils liegende Verantwortungsauferlegung einer Verantwortungsübernahme durch eine positive Leistung des Täters weichen. 178 Die überindividuelle Störung resultiert aus der Unverzichtbarkeit der verletzten Regel. Unverzichtbar fur die Gemeinschaft sind die Regeln, deren Verletzung unter Strafe gestellt wird, nicht deswegen, weil sie besondere Moralvorstellungen schützen. Das ist nicht Aufgabe des Strafrechts. Es soll also nicht die Gemeinschaft homogenisieren oder zu einem bestimmten moralischen, religiösen, ideologischen etc. Ziel hinfUhren, sondern es geht schlicht um ein friedliches, möglichst gleichberechtigtes, freies Zusammenleben der einzelnen Mitglieder. Diesem fragmentarischen Charakter des Strafrechts in diesem Sinne müssen auch die vom Straftäter erwarteten Leistungen entsprechen. Die überindividuelle Störung resultiert darüber hinaus daraus, daß die Verletzung der geschützten Verhaltensnorm deren Geltungsanspruch verneint. In einer ersten Annäherung zur Konkretisierung der notwendigen Wiedergutmachung muß der Täter daher eine positive Leistung erbringen, die seine Tat als eine Geltungsgefährdung der Regel aufhebt, also sein Akzeptieren der grundlegenden Regeln fUr das Zusammenleben dokumentieren. Die Straftat kann aufgrund dieser Geltungsgefährdung grundlegender Gemeinschaftsregeln als ein Akt der Nicht-Identifikation mit der Gemeinschaft gesehen werden. Dieser Akt der Nicht-Identifikation löst die überindividuelle Störung aus. Zur Wiedergutmachung dieser Störung ist somit ein Akt der IdentifIkation notwendig. Eine adäquate Leistung des Täters ist daher eine solche, die diese IdentifIkation mit der Gemeinschaft nach außen hin ausdrückt. Komplementär zur Verletzung einer fUr das funktionierende Zusammenleben der Gemeinschaft grundlegenden Regel wäre somit eine Leistung, die dieses Zusammenleben fordert. Solche Leistungen sind naturgemäß in vielfältiger Form denkbar. Der Staat als Institutionalisierung der Rechtsgemeinschaft erfüllt auf allen Ebenen Bund, Länder, Gemeinden - verschiedene Aufgaben im Gemeininteresse. Darüber hinaus übernehmen aber auch zahlreiche freie Träger wie Kirchen, Stiftungen und Vereine Leistungen, die das Funktionieren der Gemeinschaft bzw. das Zusammenleben ihrer Mitglieder fördern. Ein Straftäter kann zur Wiedergutmachung der überindividuellen Störung solche gemeinnützigen Leistungen erbringen und damit seine IdentifIkation mit der Gemeinschaft demonstrieren. Abstrakt betrachtet läßt sich somit die überindividuelle Störung durch einen Akt der IdentifIkation mit der Gemeinschaft, also mit einer gemeinnützigen Leistung wiedergutmachen. Bei der konkreten Ausgestaltung der erforderlichen Leistung ergeben sich aber größte Schwierigkeiten.
178AE_Wgm, S. 24.
B. Leistungen des Täters
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Sie beginnen bereits bei der Quantifizierung der Leistung, die der durch die Straftat ausgelösten überindividuellen Störung entsprechen sollte. Es wurde oben bereits darauf hingewiesen, daß diese Störung zwar als ein an sich empirisches, also nicht nonnatives Phänomen zu begreifen ist,179 daß dieses Phänomen aber primär nur alltagstheoretisch vennutet wird und zumindest bisher nicht empirisch nachweisbar ist. Wenn sich aber das Ausmaß der Störung nicht allgemeinverbindlich feststellen läßt, dann lassen sich auch die zu ihrer Wiedergutmachung erforderlichen Leistungen nicht quantifizieren. Was als Schwäche der Theorie der positiven Generalprävention kritisiert wurde, nämlich daß sie zwar begründen könne, daß irgendeine Reaktion auf eine Straftat notwendig sei, aber sich nicht bestimmen lasse, welche Reaktion das konkret sei,180 zeigt sich zumindest bei der Definition von Wiedergutmachungsleistungen. Es fehlt ähnlich wie bei der ideellen Wiedergutmachung I 81 - bei der Wiedergutmachung der überindividuellen Störung an einem verläßlichen, allgemein akzeptierten Instrumentarium zur Feststellung des konkreten Schadens. Es handelt sich ja um eine immaterielle Beeinträchtigung. Darüber hinaus ist das Ausmaß der überindividuellen Störung in hohem Maße von Zufällen abhängig. Die tatsächliche Beunruhigung der Allgemeinheit über einen Nonnbruch ist naturgemäß größer je bekannter, je öffentlicher der Nonnbruch wird. In der heutigen Zeit wird in den Medien über Straftaten, von denen etwa Prominente als Opfer oder Täter betroffen sind, ausfiihrIich berichtet. Dadurch verbreitet sich die Kenntnis von einer Tat, was die öffentliche Beunruhigung über den Bruch der strafrechtlich geschützten Gemeinschaftsregel allein durch die größere Verbreitung stark erhöht. Soll der Täter einer solchen Tat daher mehr zur Wiedergutmachung der überindividuellen Störung leisten als ein Täter, dessen Tat bei vergleichbarem Umecht und vergleichbarer Schuld nur einem kleinen Kreis bekannt wird? Dies widerspräche dem Gleichheitssatz und dem Schuldprinzip. Oder soll statt dessen das Maß des Umechts und der Schuld als Ausgangspunkt der Bemessung einer erforderlichen Wiedergutmachungsleistung dienen? Damit wäre allerdings die Basis der hier angestellten Überlegungen verlassen. Es soll ja - dem Konzept der strafrechtlichen Wiedergutmachung entsprechend - die konkrete überindividuelle Störung durch Leistungen des Täters wiedergutgemacht werden. Denn gerade aus der Abbildung der konkreten Folgen der einzelnen Straftat in der Leistung des Täters wird die krirninalpolitische Überlegenheit der strafrechtlichen Wiedergutmachung gegenüber der pauschalen Bestrafung des Täters hergeleitet. 182
179Siehe dazu oben S. 68. 180Schumann u.a., Jugendkriminalität, S. 16. 181Siehe oben S. 53 f. 182Siehe dazu Frehsee, Schadenswiedergutmachung, S. 87 fT.; s. auch ausführlicher unten S. 74 ff.
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Zweites Kapitel: Begriff der symbolischen Wiedergutmachung
Das Ausmaß der konkreten Störung ist aber von der durch die Straftat verwirklichten Schuld nur mittelbar abhängig. Einfacher wären diese Probleme zu lösen, wenn man die überindividuelle Störung als ein normatives Phänomen auffaßte und damit eine engere Bindung an das Ausmaß von Unrecht und Schuld ermöglichte. Dann könnte man sagen, die Verletzung einer bestimmten strafrechtlich geschützten Verhaltensnorm verwirkliche im Einzelfall ein gewisses Maß an Unrecht und Schuld, das normativ festgelegt - der Strafrechtsnorm einen bestimmten Geltungsschaden zufüge und das der Täter durch Leistungen wiedergutmachen könne. Diese Argumentation verstünde die Theorie der positiven Generalprävention allerdings nicht mehr als Präventionstheorie, die eine Reaktion auf konkrete Vertrauensverluste in der Allgemeinheit legitimiert. Die Theorie der positiven Generalprävention hätte damit statt dessen den Charakter einer absoluten Theorie, die nur die Reaktion auf Unrecht und Schuld legitimieren kann. Es zeigt sich, daß die Theorie der positiven Generalprävention - zumindest im Zusammenhang mit strafrechtlicher Wiedergutmachung - überhaupt nicht von konkreten Störungen durch konkrete Straftaten ausgehen kann, denn es ist unmöglich das Ausmaß dieser Störung im Einzelfall festzustellen. Sicher läßt sich nur sagen, daß die Normgeltung gefährdet ist. Diese Gefährdung läßt sich aber nicht quantiftzieren und daher auch nicht in eine Täterleistung umrechnen, die zur Aufhebung der Gefährdung notwendig wäre. Dabei darf aber folgendes nicht aus den Augen verloren werden: die überindividuelle Störung ist nur eine Folge der Straftat unter insgesamt drei möglichen - neben Rechtsgutsverletzung und Viktimisierungsfolgen. Sie ist das Resultat des Geltungsangriffs des Täters auf eine für das Zusammenleben besonders wichtige Norm. Dieser Geltungsangriff darf aber nicht isoliert betrl!-chtet werden. Hinter der Strafrechtsnorm steht der Schutz von Rechtsgütern und deren Trägem, also Menschen als Opfer der Tat. Rechtsgüter und deren Träger sind im Vergleich zur Normgeltung die primären Schutzobjekte der Strafrechtsnormen. Dies beeinflußt auch - über die im folgenden darzulegende sog. "Tilgungswirkung" der materiellen und ideellen Wiedergutmachung - die Notwendigkeit der Erbringung von symbolischen Wiedergutmachungsleistungen.
d) Tilgungswirkung der materiellen und ideellen Wiedergutmachung Es wurde bereits häuftger klargestellt, daß die beschriebene überindividuelle Störung bei jeder Straftat auftritt. Diese Störung resultiert defmitionsgemäß aus dem Bruch der Strafrechtsnorm und deren damit verbundenen Geltungsverlust. Diese Tatfolge kann, da sie einen immateriellen Gemeinschaftsschaden darstellt, auf den ersten Blick nur durch symbolische Wiedergutmachungsleistungen des Täters behoben werden. Wie beschrieben, kann materielle Wiedergut-
B. Leistungen des Täters
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machung nur vermögenswerte Einbußen ausgleichen, und ideelle Wiedergutmachung ist nur bei immateriellen Schäden des Tatopfers, also im wesentlichen Viktirnisierungsfolgen, zu leisten. Es wäre daher zu erwarten, daß symbolische Wiedergutmachungsleistungen in jedem Fall von Straftätern zu erbringen sind, um die überindividuelle Störung, die ja bei jeder Straftat auftritt, auszugleichen. Davon geht aber kein strafrechtliches Wiedergutmachungskonzept aus, auch nicht der AE-Wgm. Nach § 4 AE-Wgm sieht das Gericht von Strafe ab, wenn der Täter seine Tat wiedergutgemacht hat. Dieses Absehen von Strafe stellt nach dem Konzept des Alternativkreises die Regel dar, denn die Fälle, in denen eine Bestrafung des Täters trotz Wiedergutmachung unerläßlich ist, namentlich zur Einwirkung auf den Täter oder auf die Allgemeinheit, werden in einem Nebensatz nachgereicht, der mit "es sei denn" beginnt und somit rechtstechnisch eine Ausnahme bezeichnet. Gleichzeitig aber beschränkt dieser Entwurf auch symbolische Wiedergutmachungsleistungen auf die Ausnahme,183 das heißt auf Fälle, in denen Leistungen gegenüber dem individuellen Verletzten nicht möglich sind, keinen Erfolg versprechen oder fiir sich allein nicht ausreichen (§ 1 I 3 AE-Wgm). Es wird ausdrücklich klargestellt, daß personenbezogene Wiedergutmachungsleistungen gegenüber dem Verletzten vorrangig und gemeinschaftsbezogene Leistungen l84 subsidiär sind. ls5 Aus dem Zusammenhang von § 4 und § 1 13 AEWgm und aus der entsprechenden Kommentierung wird klar, daß es Fälle gibt, in denen personenbezogene Wiedergutmachungsleistungen allein ausreichen, die Folgen der Tat völlig auszugleichen, so daß keine Notwendigkeit zu Bestrafung und/oder zur Erbringung symbolischer Wiedergutmachungsleistungen besteht, und daß diese Fälle darüber hinaus sogar den Regelfall bilden. Dies mag insofern verwundern, weil personenbezogene Leistungen des Täters, also materielle und ideelle Wiedergutmachung nach dem hier vorgestellten Konzept nur einen Teil der strafrechtlichen Tatfolgen ausgleichen können, nämlich Rechtsgutsverletzungen und im günstigen Falle Viktimisierungsfolgen. Keinesfalls können sie, so scheint es, den immateriellen Gemeinschaftsschaden der überindividuellen Störung ausgleichen, denn dazu wären symbolische Wiedergutmachungsleistungen notwendig. Diese werden aber nicht verlangt.
183 AE-Wgm,
S. 41 f. I~as sind in der Diktion des AE-Wgm, der seine Ausdrucksweise nicht ganz konsequent durchhält, symbolische Wiedergutmachungsleistungen. Nach dem hier vorgestellten Konzept gibt es auch materielle Wiedergutmachungsleistungen gegenüber der Allgemeinheit, die aber, weil vermögenswerte Einbußen ausgeglichen werden sollen, unter materielle Wiedergutmachung fallen, siehe dazu S. 50 f. IBSAE _Wgm, S. 41 f.
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Zweites Kapitel: Begriff der symbolischen Wiedergutmachung
Im Gegenteil werden der nur materiellen und ideellen Wiedergutmachung Vorteile bei der Erreichung der Strafrechtszwecke gegenüber der Bestrafung des Täters zugesprochen. Dies, obwohl die Strafe das Element des Unwerturteils hat, das die gleiche Funktion erftillt - Reaktion auf die Auswirkungen in der Allgemeinheit durch den Geltungsangriff auf die Norm - wie die symbolische Wiedergutmachung. Die Bestrafung des Täters scheint also in dieser Hinsicht einen präventiven Vorteil gegenüber der materiellen und ideellen Wiedergutmachung zu bieten, die ohne ausdrückliche symbolische Wiedergutmachungsleistung erbracht wird. Dennoch werden allgemein der Wiedergutmachung im Vergleich zur Strafe kriminalpolitische Vorteile zugesprochen, weil sie besser geeignet sei, die Strafrechtszwecke zu erreichen.
Exkurs: Kriminalpolitische Vorteile der strafrechtlichen Wiedergutmachung
Materielle Wiedergutmachung besteht bei den Delikten, die üblicherweise im Täter-Opfer-Ausgleich behandelt werden - Körperverletzung, Betrug I Diebstahl bzw. Sachbeschädigung etc. 186 - regelmäßig in der Wiederherstellung der verletzten Rechtsgüter, zu deren Schutz die Verhaltensnorm aufgestellt wird, d.h. also konkret etwa in der Wiederherstellung der Gesundheit oder in der Rückgabe oder dem Ersatz der gestohlenen Sache. Wiedergutmachung greift somit ganz am Anfang der Kette des Rechtsgüterschutzes ein. In der kriminalpolitischen Diskussion wird daraus auch eine präventive Überlegenheit der Erbringung von Wiedergutmachungsleistungen gegenüber der Bestrafung des Täters hergeleitet. Der entscheidende Nachteil in der präventiven Wirksamkeit der Bestrafung des Täters - im wesentlichen in Form einer Geld- oder Freiheitsstrafe - besteht in der Pauschalität der Übelszuftigung, die einem Taxensystem gleicht, in dem Schwere des Unrechts und Schwere der Schuld umgelegt werden in Tagessätze oder Zeiteinheiten. 187 Dabei können z. B. ftir einen Diebstahl und eine Körperverletzung jeweils identische Bestrafungen angemessen sein. Jedenfalls wird Täter, Opfer und Öffentlichkeit dadurch nicht deutlich gemacht, was und wer durch die Anwendung der Strafrechtsnorm überhaupt geschützt werden soll.188 Es bleibt verborgen, ob eine Bestrafung wegen der Verletzung des Eigentums oder der körperlichen Integrität etc. ausgesprochen wird. Es drückt eine solche pauschale, taxenmäßige Bestrafung nur aus, daß überhaupt eine strafrechtliche Norm in ihrer Geltung bestätigt wird. Sie läßt zusätzlich noch die Schwere des abstrakten Rechtsbruches erken186Siehe Bannenberg, Wiedergutmachung, S. 216 Tab 39, 40; A. Hartmann / Stroezel, Die Bundesweite TOA-Statistik, S. 162; Dölling / Henninger, S. 366, 368. 187Siehe Wagner, Das absurde System, S. 3. 188Siehe dazu Frehsee, Schadenswiedergutmachung, S. 88.
B. Leistungen des Täters
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nen. Die konkrete Verletzung der Strafrechtsnorm, und warum diese Norm existiert und was sie schützen will, bleiben dabei allerdings verborgen. 189 Anders ist es dagegen bei der Wiedergutmachung. Leistungen des Täters gegenüber dem Opfer, deren Ziel die Wiederherstellung des durch das Täterverhalten beschädigten Rechtsguts ist, machen nach außen hin deutlich, was letzten Endes durch das Strafrecht geschützt werden soll: nämlich das Rechtsgut und sein Träger. Nach einem Diebstahl ist das Eigentum der gestohlenen Sache dem Eigentümer zu restituieren, nach einer Körperverletzung muß der Täter für die Wiederherstellung der beeinträchtigten Gesundheit des Opfers sorgen. Dies erscheint wegen der mit der Wiedergutmachung verbundenen konkreten, auf den geschädigten Rechtsgutsträger und auf die Tat bezogenen Normbestätigung generalpräventiv einleuchtender als eine pauschalierte Übelszufügung. 190 Durch die Leistung des Täters bestätigt dieser die Geltung der konkreten gebrochenen Norm, und das wird durch die Rechtsgutsbezogenheit des Geleisteten auch nach außen deutlich. Im Sinne der Theorie der positiven Generalprävention ist das vorteilhaft, weil die Vergegenständlichung des Rechtsgutes und seines geschädigten Trägers, die in der materiellen Wiedergutmachung liegt, der Allgemeinheit zeigt, daß der strafrechtliche Normbruch nicht ein leeres, bezugsloses Vergehen ist, sondern daß die Norm ihren Sinn nimmt aus der Verhinderung konkreter Tatfolgen für den Geschädigten. Das Strafrecht zeigt durch die Reaktion seinen Sinn. Das ist auch spezialpräventiv wirksamer durch die Plausibilität einer deutlich vergegenständlichten, auf die Tat und deren Auswirkungen beim konkreten Opfer bezogenen Wiedergutmachung einer Schädigung, 191 die nicht - wie bei der Bestrafung - als abstrakte Rechtsgutsverletzung durch eine pauschale Übelszufügung vergolten wird. In der Vorbereitung seiner Wiedergutmachungsleistung muß der Täter zunächst vom Opfer erfahren, was sein Verhalten bei diesem angerichtet hat. Er lernt das Opfer als Person und die Auswirkungen seiner Tat kennen. l92 Dies sei, so wird argumentiert,193 spezialpräventiv besonders wirksam durch den Abbau von Neutralisierungstendenzen. 194 189Bzw. wird nur mittelbar aus dem Urteil deutlich. 190Frehsee, Schadenswiedergutmachung, S. 94. 191Frehsee, Schadenswiedergutmachung, S. 95 ff. 192Roxin in Schöch (Hrsg.), Wiedergutmachung, S. 50. 1935iehe Frühauf, Wiedergutmachung, S. 159; Rössner in Marks / Rössner, S. 24; ders., Formalisierte Emotionsverarbeitung, S. 181 f.; Kuhn, Tat-Sachen, S. 40; Dölling JZ 1992, S. 494; E. Hassemer, Praktische Erfahrungen, S. 423 f. 194Unter "Techniken der Neutralisierung" werden alle psychischen Mechanismen des Täters verstanden, die darauf hinauslaufen, sein von an sich internalisierten Normen abweichendes Verhalten zu rechtfertigen. Sie wurden 1957 erstmals beschrieben von den amerikanischen Soziologen Sykes und Matza, American Sociological Review 22
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Zweites Kapitel: Begriff der symbolischen Wiedergutmachung
Schließlich erhalte der Täter durch die Wiedergutmachung die Gelegenheit zum Erlernen einer konstruktiven Konfliktbewältigung. 195 Durch die Konzentration auf die Tat und deren konkrete Auswirkungen muß auch nicht die gesamte Täterpersönlichkeit der Mißbilligung unterworfen und in ihren gesamten Haltungen und Motivationen diskreditiert werden. 196 All diese präventiven Vorteile gegenüber der Strafe sind aber nur eine Folge der Ausgestaltung der Reaktion in Abhängigkeit von der Gestalt der konkreten Tat, d.h. eine Folge der konkreten Rechtsgutsverdeutlichung durch die Reaktion. Die Straftatreaktion spiegelt die Tat wider und zwar in einer Form - eben als Wiedergutmachung -, die im "normalen" Leben durchaus üblich erscheint. Es gilt außerhalb des Strafrechts als angemessen und natürlich, daß jemand, der einem anderen Schaden zufügt, diesen danach wiedergutmacht. Dies ist ein Vorgang, der auch im Dunkelfeld unzählige Male abläuft und Konflikte be· d·1gend rege It. 1~ fine All dies sind kriminalpolitische Erwägungen. Sie lassen sich aber auch durch die oben angestellten normentheoretischen Überlegungen bestätigen. Auch danach sind - ausdrückliche - symbolische Wiedergutmachungsleistungen bei der Erbringung von materiellen und ideellen Leistungen nicht nötig. Wie oben dargelegt wurde, dient die Verhängung einer strafrechtlichen Sanktion dazu, eine Verhaltensnorm zu bekräftigen, ihre Geltung abzusichern. Diese Verhaltensnorm ist das wesentliche Element, denn sie drückt das Ge- oder Verbot aus, die strafrechtliche Sanktionsnorm dient nur ihrer Sicherung. Ein legitimes Strafrecht hat aber die Funktion, Rechtsgüter und ihre Träger zu schützen. Dementsprechend enthält die Verhaltensnorm die Ge- oder Verbote zum Schutz von Rechtsgütern. Diese rechtsgüterschützende Verhaltensnorm wird zu ihrer Geltungssicherung wiederum mit einer strafrechtlichen Sanktionsnorm verknüpft. Es besteht also eine Kette von zwei Sicherungen, an deren (1957), S. 664. Die Autoren unterscheiden insgesamt fünf verschiedene Techniken, unter denen die Verneinung des Unrechts und die Ablehnung des Opfers als die bedeutendsten erscheinen. Vemeinung des Unrechts ist dann zu beobachten, wenn der Täter eine Handlung zwar als illegitim betrachtet, aber seine Tat unter den konkreten Umständen etwa damit rechtfertigt, daß niemand konkret geschädigt wurde, so z. B. bei einem Versicherungsbetrug. Die Ablehnung des Opfers zeigt sich darin, daß das Opfer als der eigentliche Ubeitäter hingestellt wird, gegen den vorzugehen unter den konkreten Umständen gerechtfertigt sei. Beispiele dafür sind in Gewalttätigkeiten gegen Ausländer oder Minderheiten wie Homosexuelle zu sehen. Siehe dazu Sykes / Matza, a.a.O. und zusammenfassend Lamnek, Theorien des abweichenden Verhaltens, S. 212 t1 Vgl. auch speziell für den Täter-Opfer-Ausgleich Messmer, Unrechtsaufarbeitung, S. 93 f1; E. Hassemer, Praktische Erfahrungen, S. 423 f. 19SDölling, JZ 1992, S. 494; A. Hartmann, Schlichten, S. 108. 196prehsee, Schadenswiedergutmachung, S. 114; A. Hartmann, a.a.O. I97Prehsee, Schadenswiedergutmachung, S. 96; vgl. auch Schüler-Springorum, Kriminalpolitik, S. 254. Siehe auch unten S. 10 1 f.
B. Leistungen des Täters
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Anfang das Rechtsgut steht, zu dessen Sicherung eine Verhaltensnonn erlassen ist, deren Geltung wiederum durch eine strafrechtliche Sanktionsnonn abgesichert ist. In diesem Zusammenhang entscheidend ist die Tatsache, daß materielle Wiedergutmachung am Ursprung der Kette von Sicherungen des Rechtsguts eingreift und davon auch ihre kriminalpolitische Plausibilität und Wirksamkeit nimmt. Die überindividuelle Störung resultiert dagegen daraus, daß das Sicherungsmittel Verhaltensnonn seine Verläßlichkeit verloren hat, indem durch die Straftat die Geltung dieser Nonn in Frage gestellt wurde. Die Bestrafung als Anwendung der strafrechtlichen Sanktionsnonn dient dazu, die Geltung der Verhaltensnonn zu bekräftigen. Dies ist aber ein deutlicher Umweg, denn die Bestrafung - in ihrem Element des Unwerturteils - dient damit der Wiederherstellung des Sicherungsmittels, also der Verhaltensnonn, nicht der unmittelbaren Wiederherstellung dessen, was die Nonn schützen will, nämlich des Rechtsguts. Das ähnelt einer Diebstahlsversicherung, die nach einem Einbruch das aufgebrochene Türschloß ersetzt, nicht aber die gestohlenen Sachen. Die Wiederherstellung des verletzten Rechtsgutes durch den Täter bestätigt dagegen nicht nur nach außen die Wertschätzung des Rechtsguts durch den Täter, sondern sie bekräftigt damit auch automatisch die Geltung der Sicherungen. Insofern hat die Wiederherstellung des Rechtsguts eine Tilgungswirkung in bezug auf die überindividuelle Störung, die ja nur ein Resultat der besonderen Sicherung der das Rechtsgut schützenden Verhaltensnonn ist. Dies gilt abgeschwächt auch tUr die ideelle Wiedergutmachung. Auch beim Ausgleich immaterieller Tatfolgen, z. B. der Verletzung eines immateriellen Rechtsguts, bestätigt der Täter die Verhaltensnonn. Ideelle Wiedergutmachung ist, wie es oben beschrieben wurde, nicht immer möglich; dort, wo sie möglich ist, zeigt sie aber, daß der Täter die Verhaltensnonn akzeptiert. Das soeben Dargelegte gilt allerdings lediglich unter einer wichtigen Voraussetzung, die hier aber zunächst nur kurz angedeutet werden soll. Die Straftat ist nach dem Schuldprinzip ein verantwortlicher Angriff auf das Rechtsgut und damit zugleich auf die zu dessen Sicherung bestehende Verhaltensnonn. Der Täter gibt damit nach außen hin zu erkennen, daß er die Geltung der Nonn geringschätzt, daß sie fiir ihn zumindest in der Situation der Tat nicht gilt. Diese Geringschätzung der Geltung wird durch die Tat nur ausgedrückt, wenn der Nonnbruch verantwortlich geschah. Nur in diesem Fall kann die Tat eine überindividuelle Störung hervorrufen, denn diese ist eine Beunruhigung der Allgemeinheit über die - verantwortliche - Entscheidung gegen die Nonn. Dementsprechend bewirkt die Wiedergutmachung der Rechtsgutsvetletzung durch den Täter eine mitschwingende Wiederherstellung des Sicherungsmittels Verhaltensnonn nur dann, wenn diese Wiedergutmachung freiwillig geleistet wird. Die Straftat ist als eine - im strafrechtlichen Sinne freiwillig getroffene Entscheidung gegen die Nonn zu sehen, die Wiedergutmachung der Rechts-
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Zweites Kapitel: Begriff der symbolischen Wiedergutmachung
gutsverletzung ist komplementär dazu eine nach außen tretende Entscheidung für die Geltung der Norm. Diese Entscheidung muß aber freiwillig geschehen. Von einer in der Wiedergutmachung liegenden Normbestätigung als einer autonomen Entscheidung für die Norm kann daher nur dann gesprochen werden, wenn sie freiwillig geschieht. Dieser wichtigen Frage soll unten bei der Behandlung der Freiwilligkeit detaillierter nachgegangen werden. 198 Hier und jetzt genügt es festzuhalten, daß die Wiederherstellung des beschädigten Rechtsguts, also die materielle (oder ideelle) Wiedergutmachung, eine zusätzliche, ausdrückliche symbolische Wiedergutmachungsleistung überflüssig macht. Genau genommen ist diese symbolische Wiedergutmachung in der Wiedergutmachung zwischen Täter und Opfer bereits mitenthalten, weil die Wiederherstellung des Rechtsgutes auch die in ihrer Geltung gefährdete Verhaltensnorm wiederherstellt. Im Normalfall der strafrechtlichen Wiedergutmachung wird die symbolische Leistung zum Ausgleich der überindividuellen Störung konkludent miterledigt. Die Frage nach der Definition einer ausdrücklichen symbolischen Wiedergutmachungsleistung stellt sich daher nicht. Mit anderen Worten: Eine ausdrückliche symbolische Wiedergutmachungsleistung ist nur dann notwendig, wenn die Wiederherstellung des verletzten Rechtsgutes nicht möglich ist. Dies ist aber genau die subsidiäre Umschreibung des Anwendungsgebietes, wie sie in der Literatur durchgehend anzutreffen iSt. 199 Deren Sinn wird jetzt klar. Die symbolische Wiedergutmachungsleistung ist im Normalfall durch materielle - aber auch, sofern möglich, durch ideelle Wiedergutmachung mitgeleistet. Nur dann, wenn dieser Ausgleich zwischen Täter und Opfer nicht möglich ist, ist die überindividuelle Störung vom Täter separat auszugleichen. Das ist namentlich dann der Fall, wenn die Tat im Versuch steckengeblieben ist, oder wenn das Opfer zu einem Ausgleich nicht bereit ist und seine notwendige Kooperation verweigert. Detaillierter soll auf diese Fälle später, nach der Klärung weiterer Fragen eingegangen werden. 20o Zwei Punkte sind aber noch zu behandeln. Erstens wird deutlich, daß symbolische Wiedergutmachung zum Ausgleich der überindividuellen Störung gleichzusetzen ist mit ihrer oben beschriebenen defensiven Funktion. Sie ist nur dann zu erbringen, wenn materielle oder ideelle Wiedergutmachung ausscheiden. Und sie dient dazu, dem an sich zur Wiedergutmachung bereiten Täter in den Fällen die Möglichkeit einer Wiedergutmachung zu eröffnen, in denen seine Bereitschaft zum Tatfolgenausgleich aus Gründen scheitert, die unter dem Aspekt der Gleichbehandlung nicht hinnehmbar sind. Der geringeres Unrecht verwirklichende Versuchs täter darf nicht bestraft werden, wenn dem Vollen1985iehe unten Drittes Kapitel. 1995iehe dazu oben S. 19 ff. 2°O Siehe unten Viertes Kapitel C.
B. Leistungen des Täters
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dungstäter die Möglichkeit offensteht, durch Wiedergutmachung Strafe zu venneiden. Und der zur Wiedergutmachung bereite Täter darf nicht der Zufälligkeit einer Teilnahmeverweigerung des Opfers ausgeliefert werden. Um diese Ungleichheiten zu venneiden, also zur defensiven Absicherung der strafrechtlichen Wiedergutmachung, muß dem Täter die Möglichkeit der Wiedergutmachung gegenüber der Allgemeinheit eröffnet werden. Zum zweiten sei nochmals auf die Schwierigkeiten der konkreten Definition von Leistungen hingewiesen. Notwendig ist - nach der Verletzung einer unverzichtbaren Regel für die Gemeinschaft - ein Akt der Identifikation mit dieser Gemeinschaft. Die Leistung sollte daher jedenfalls gemeinnützig sein. Ob sie darüber hinaus das verletzte Rechtsgut berücksichtigen, das heißt die Tat spiegeln sollte, erscheint dabei sekundär. Die gesonderte symbolische Wiedergutmachung kommt ja nur in Frage, wenn der Täter zur Wiederherstellung des Rechtsguts grundsätzlich bereit ist. Daher ist eine "vergegenwärtigende Darstellung, eine Symbolisierung der Tat,,20J präventiv nicht mehr in dem gleichen Maße notwendig wie bei der materiellen Wiedergutmachung. Ob dies in der symbolischen (Ersatz-)Leistung gegenüber der Allgemeinheit darstellbar ist oder nicht, dürfte deshalb für die Erbringung der Wiedergutmachung nicht unabdingbare Voraussetzung sein. Denn einerseits ist eine Rechtsgutsverdeutlichung kriminalpräventiv durchaus wünschenswert. 202 Deswegen ist sie dann, wenn sie leicht und einleuchtend zu ennöglichen ist, auch zu realisieren. Wenn eine Rechtsgutsverdeutlichung dagegen aber fernliegend und künstlich erscheint, dann sollte nicht darauf beharrt werden, daß die Leistung des Täters die Verletzung des Rechtsgutes abbildet. Denn auf der anderen Seite besteht bei der Definition spiegelnder Leistungen oftmals die Gefahr eines - zumindest im Erwachsenenstrafrecht unangebrachten - erzieherischen Eifers, der leicht willkürlich und maßlos werden kann. 203 Darüber hinaus soll ja auch nur noch die überindividuelle Störung ausgeglichen werden. Entscheidend ist daher der Charakter der Leistung als eines Aktes der Identifikation. Folglich sollte es sich jedenfalls um eine gemeinnützige Leistung handeln, weitere inhaltliche Zielvorgaben erscheinen unangebracht. Dies wird - das sei hier nur angekündigt .. 204 nach dem weiteren Fortgang der Uberlegungen noch deutlicher.
20JSiehe dazu im Zusammenhang mit jugendstrafrechtlichen Weisungen Ebert, Festschrift Lackner, S. 419. 202Siehe oben S. 74 ff. 203Vgl. auch Ebert, Festschrift Lackner., S. 421 f. 204Siehe dazu die Ausftihrungen sogleich unten und auf S. 151 f.
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Zweites Kapitel: Begriff der symbolischen Wiedergutmachung 2. Wiedergutmachung bei Beeinträchtigungen universaler Rechtsgüter
Wie im ersten Kapitel beschrieben, hat symbolische Wiedergutmachung in einem umfassenden strafrechtlichen Wiedergutmachungskonzept zwei Funktionen. 205 In der defensiven Funktion dient sie der Absicherung von materieller und ideeller Wiedergutmachung durch die Vermeidung von Ungleichbehandlungen, wie sie den Täter vor allem durch die Weigerung des Opfers zur Kooperation oder durch die Unmöglichkeit der materiellen Wiedergutmachung bei Versuchstaten treffen können. In ihrer offensiven Funktion soll symbolische Wiedergutmachung dagegen ein Konzept flächendeckender Restitution, unabhängig von der Qualität des Rechtsgutsträgers, ermöglichen. Ziel ist es, den Anwendungsbereich der Wiedergutmachung nicht nur fiir Straftaten mit einem individuellen Verletzten, sondern auch fiir solche Deliktstatbestände zu eröffnen, die Rechtsgüter der Allgemeinheit schützen. Diese sog. "große Lösung,,206 ist folglich auf eine Möglichkeit der Wiedergutmachung gegenüber der Allgemeinheit angewiesen, und diese wird im wesentlichen in der symbolischen Wiedergutmachung gesehen. Dementsprechend verwendet etwa der AE-Wgm häufig die Begriffe "gemeinschaftsbezogene Leistungen" und "symbolische Wiedergutmachung" 207 synonym. Es ist aber daran zu erinnern, daß hier dieser Gleichstellung nicht gefolgt wird. Oben208 wurde bereits dargestellt, daß materielle Wiedergutmachung auch gegenüber der Allgemeinheit erbracht werden kann. Entscheidend ist, daß materielle Wiedergutmachung defmitionsgemäß vermögenswerte Einbußen ausgleicht. Dabei macht es fiir die Einordnung der Wiedergutmachungsart keinen Unterschied, ob bei einer Sachbeschädigung die wiederhergestellte Sache im Eigentum eines Einzelnen, mehrerer Einzelner oder aber im Eigentum einer Körperschaft steht. Es handelt sich beim Tatfolgenausgleich jeweils um den Ausgleich vermögenswerter Einbußen und damit um materielle Wiedergutmachung Die oben209 kurz beschriebenen präventiven Vorteile der materiellen Wiedergutmachung gegenüber der Bestrafung des Täters, namentlich bessere spezialpräventive Wirkungen durch die Begegnung des Täters mit dem Geschädigten, mögen im Falle einer Leistung gegenüber der Allgemeinheit weniger eindrucksvoll ausfallen. Doch das ist nur eine Frage der Wirksamkeit der Lei-
205Siehe oben S. 22 ff. 206AE_Wgm, S. 42. 207 AE-Wgm, S. 41 f. 208S. 49 ff. 209Siehe S. 74 tT.
B. Leistungen des Täters
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stung,2IO die auf deren grundsätzliche Einordnung als materielle Wiedergutmachung keinen Einfluß haben kann. Eine Leistung zum Ausgleich vermögenswerter Einbußen bleibt immer materielle Wiedergutmachung, unabhängig davon, ob diese Leistung zugunsten individualisierbarer Geschädigter oder aber zugunsten der Allgemeinheit erbracht wird Gemeinschaftsbezogene Leistungen können also materielle oder symbolische Wiedergutmachungsleistungen sein. Letztere bestehen nur im Ausgleich immaterieller Schäden der Allgemeinheit; nur sie sollen im weiteren behandelt werden. In einer ersten Annäherung kann man somit festhalten, daß Verletzungen immaterieller Rechtsgüter der Allgemeinheit defmitionsgemäß nur durch symbolische Wiedergutmachungsleistungen auszugleichen sind. Diese immateriellen Rechtsgüter der Allgemeinheit sind bereits im StGB sehr zahlreich und sowohl in ihrem Wesen als auch in ihrer Faßbarkeit sehr unterschiedlich; genannt seien nur z. B. die Sicherheit im Straßenverkehr etwa bei § 316211 , die Sachlichkeit der Amtsführung in der öffentlichen Verwaltung bei den §§ 331 bis 334 212 oder die Sicherheit des Rechts- und Beweisverkehrs bei § 267 213 • Nur diese kurze, beispielhafte Aufzählung zeigt bereits die Variationsbreite der einzelnen immateriellen Universalrechtsgüter. Sie zeigt aber auch das Fehlen eines solch deutlichen gemeinsamen Charakteristikums, wie es bei den materiellen Rechtsgütem defmitionsgemäß deren (potentieller) Geldwert darstellt. 214 Es muß nun untersucht werden, ob es Leistungen gibt, durch die ein Täter Verletzungen immaterieller Universalrechtsgüter ausgleichen kann. Dazu müssen zunächst die konkreten Folgen einer Straftat defmiert werden und danach in einem zweiten Schritt die möglichen Leistungen zu deren Ausgleich. Zu berücksichtigen ist dabei auch die präventive Wirksamkeit symbolischer Leistungen im Vergleich zu materiellen Wiedergutmachungsleistungen.
Dazu siehe unten S. 84 ff. § 316 Rn. 2. 212Döl/ing, Gutachten, S. 48. 213 TröndleIFischer, § 267 Rn. 1; Lackner I Kühl, § 267 Rn. 1. 214 Es wurde oben (S. 31 f.) eine Gemeinsamkeit in den, den abstrakten Gefährdungstatbeständen eigenen "Sicherheits"-Rechtsgütem gesehen. Diese Sicherheit ist aber auf ganz verschiedene Objekte bezogen, so daß sich eine deutliche Gemeinsamkeit in der Schutzrichtung dieser Tatbestände nicht ergibt. 210
211 Tröndle/Fischer,
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Zweites Kapitel: Begriff der symbolischen Wiedergutmachung
a) Definition der Tatfolgen, Bestimmung von Leistungen Wenn durch strafrechtliche Tatbestände immaterielle Rechtsgüter der Allgemeinheit geschützt werden, so ist die Folge einer vollendeten Straftat die Verletzung oder Gefährdung eines immateriellen Universalrechtsguts. Oben215 wurde dargelegt, daß auch bei nur abstrakten Gefährdungsdelikten das übergreifende "Sicherheits"-Rechtsgut beeinträchtigt ist. Dabei handelt es sich um ein immaterielles Universalrechtsgut. Nach der oben erarbeiteten Defmition der symbolischen Wiedergutmachung als Ausgleich immaterieller Schäden der Allgemeinheit ist deutlich, daß symbolische Wiedergutmachung ihren Anwendungsbereich nach solchen Taten fmden muß. Die Aussage, eine Trunkenheitsfahrt, eine Bestechung oder eine Urkundenfälschung hätten jeweils das entsprechende ("Sicherheits"-)Rechtsgut der Allgemeinheit beeinträchtigt, ist aber noch zu abstrakt. Sie fuhrt nicht weiter, wenn es um die Beantwortung der Frage geht, welche Leistungen ein Täter konkret nach einer Trunkenheitsfahrt, welche Leistungen konkret nach einer Urkundenfälschung etc. erbringen kann, um die Folgen seiner Tat auszugleichen. Bisher wurden in der Literatur die möglichen Leistungen bei der Erbringung symbolischer Wiedergutmachung sehr allgemein umschrieben, worauf zunächst einzugehen ist. Danach soll eine eigene Differenzierung vorgestellt werden, die sich stärker an den konkreten Folgen der Tat orientiert und vor allem die Möglichkeiten einer Verdeutlichung dieser Folgen berücksichtigt.
b) Bisherige Umschreibungen der symbolischen Wiedergutmachung Als mögliche Wiedergutmachungsleistungen nach Straftaten, die Rechtsgüter der Allgemeinheit beeinträchtigen, werden üblicherweise genannt: gemeinnützige Arbeit und Geldzahlungen an gemeinnützige Einrichtungen. 216 Es wird dabei weder die Art der gemeinnützigen Arbeit noch der gemeinnützigen Einrichtung näher konkretisiert. In solcher Abstraktheit bietet diese Umschreibung nicht mehr als eine Reaktion auf die - soeben als nicht weiterführend bezeichnete - Aussage, durch die hier behandelten Straftaten würden immaterielle Rechtsgüter der Allgemeinheit beeinträchtigt. Wie bereits gezeigt, 217 ist diese Antwort in ihrer Abstraktheit befriedigend, wenn es um symbolische Wiedergutmachung in ihrer defensiven Funktion, also m S. 31 ff.
216Statt vieler Schöch, Gutachten, S. 74; weitere Nachweise oben Erstes Kapitel Fußnote 26. 217 Siehe oben S. 79.
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um den Ausgleich der Störung der sozialen Ordnung geht. In diesen Fällen muß der Täter, der ja an sich willens ist, die notwendige rechtsgutsbezogene Wiedergutmachung zu leisten, nur noch (irgend)einen Akt der Identiftkation mit der Gemeinschaft erbringen. In der offensiven Funktion der symbolischen Wiedergutmachung dagegen, also beim Ausgleich von Beeinträchtigungen immaterieller Gemeinschaftsrechtsgüter, sollte die symbolische Wiedergutmachungsleistung aber im besten Falle den gleichen Effekt haben wie eine materielle Wiedergutmachungsleistung, d.h. die gleichen präventiven Wirkungen. Nur wenn bezüglich dieser präventiven Wirkungen die Wiedergutmachung von Beeinträchtigungen immaterieller Gemeinschaftsrechtsgüter der Wiedergutmachung materieller Individualrechtsgutsverletzungen annähernd gleichwertig ist, kann guten Gewissens von einer "großen Lösung" gesprochen werden. Erst dann ist eine weitgehende Ersetzung der Kriminalstrafe durch Wiedergutmachungsleistungen erlaubt, unabhängig von der Qualität des Rechtsgutes bzw. seines Trägers. Die präventiven Wirkungen der materiellen Wiedergutmachung wurden oben als vorteilhaft gegenüber der pauschalen Bestrafung eingestuft. 218 Diese Überlegenheit resultiert im Bereich der Generalprävention aus der natürlichen Verdeutlichung des durch die Strafrechtsnorm geschützten Rechtsgutes und seines konkreten Trägers. Dadurch tritt der hinter der Norm stehende Sinn zutage, und der Allgemeinheit wird dieser Sinn in weit effizienterem Maß vermittelt als durch eine bloße Übelszufiigung in Form einer Geld- oder Freiheitsstrafe. Spezialpräventiv wirksamer als die Strafe erscheint die materielle Wiedergutmachung ebenfalls durch den natürlichen Bezug zu dem verletzten Rechtsgut und seinem Träger. Das Rechtsgut wird aus seiner Abstraktheit gelöst und einem individuellen Träger zugeordnet. Diese Erfahrung, so wird vermutet, soll dem Täter die Aufhebung möglicher Neutralisierungstendenzen ermöglichen. Präventiv wirksam soll darüber hinaus auch die Konstruktivität der Leistung sein, die den Täter gesellschaftlich integriere im Gegensatz zur Destruktivität und Ausgrenzung der Krirninalstrafe. Schließlich erlerne der Täter durch die Erbringung einer Wiedergutmachungsleistung einen gesellschaftlich anerkannten Vorgang, wie er im Dunkelfeld und außerhalb des strafbewehrten Bereichs in üblicher und natürlicher Weise Konflikte bereinigt. Es ist also im wesentlichen die - fiir die Wiedergutmachung zwischen Täter und Opfer charakteristische - Rechtsgutsverdeutlichung, der die präventiven Wirkungen zugesprochen werden. Daher ist zunächst vor Augen zu halten, wie die Leistungen der materiellen Wiedergutmachung konkret wirken. Im bisher schon praktizierten Täter-Opfer-Ausgleich tritt die Rechtsgutsverletzung offen 218Zum
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folgenden siehe auch oben S. 74 ff. mit Nachweisen.
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Zweites Kapitel: Begriff der symbolischen Wiedergutmachung
zutage, auch wenn sie schließlich nur in ihrem Geldwert ausgeglichen wird. Eine Körperverletzung zum Beispiel ist naturgemäß zunächst keine Vermögenseinbuße, aber sie wird im Laufe der Verhandlung zwischen Täter und Opfer ausfiihrlich beschrieben und erst am Ende in ihrem Geldwert definiert. So wird bei einer Körperverletzung vom Täter - nach außen hin sichtbar - genau der Schaden wiedergutgemacht, den seine Tat am verletzten Rechtsgut "körperliche Unversehrtheit" angerichtet hat. Die Leistung des Täters orientiert sich dabei an der konkreten Folge der Einzeltat und gibt so der abstrakten Feststellung, es sei ein Rechtsgut verletzt, eine einzelfallbezogene Ausprägung. Der entscheidende Aspekt ist dabei, daß - im Gegensatz zur Strafe - die konkrete Folge der Tat thematisiert und offensichtlich wird. Eine Körperverletzung ist dadurch nicht mehr die abstrakte Verletzung eines Rechtsgutes, sondern z. B. ein Armbruch mit einem Krankenhausaufenthalt von X Tagen, Behandlungskosten mit Y Höhe, Schmerzen und bleibenden Schäden mit Z Ausmaß. Die materielle Wiedergutmachung besteht dabei in der (freiwilligen219 ) Leistung eines Vermögenswertes, der dem angerichteten Schaden entspricht. Diese Leistung ist gerade wegen der konkreten Rechtsgutsverdeutlichung in ihren präventiven Wirkungen der Strafe überlegen. Die Strafe kann die Folgen der Tat nur quantitativ im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigen, sie bleibt immer noch ein pauschales Bestrafungsmittel; bei der Wiedergutmachung rücken die Folgen der Einzeltat dagegen in den Mittelpunkt der Überlegungen und erlangen so weit größere Beachtung. Zusätzlich ist dem Opfer dadurch mehr gedient als durch eine Bestrafung des Täters.
In der sehr abstrakt gehaltenen Umschreibung der symbolischen Wiedergutmachung als (irgendeine ) gemeinnützige Arbeit oder als Geldzahlung an (irgendeine) gemeinnützige Einrichtung kommt aber gerade die Rechtsgutsverdeutlichung zu kurz. Zwar ist die Betonung der Gemeinnützigkeit der Leistung durchaus im Ansatz plausibel, aber um präventive Gleichwertigkeit von materieller und symbolischer Wiedergutmachung zu erreichen, müßte die Umschreibung der symbolischen Wiedergutmacl1ungsleistungen weiter konkretisiert werden. Annähernd sollte die präventiv wirksame Rechtsgutsverdeutlichung genauso angestrebt werden wie bei der materiellen Wiedergutmachung. Es gilt daher, nun im weiteren zu untersuchen, ob eine solche Rechtsgutsverdeutlichung durch Leistungen des Täters auch bei immateriellen Rechtsgütern der Allgemeinheit denkbar ist und wie diese Leistungen im einzelnen auszusehen haben. Erst wenn das gelingt, ist es gerechtfertigt, von einer "großen Lösung" zu sprechen. Vergleicht man die präventiven Wirkungen der Wiedergutmachung immaterieller Rechtsgutsverletzungen gegenüber der Allgemeinheit mit denen der materiellen Wiedergutmachung gegenüber Einzelnen, so lassen sich aber be219Siehe dazu unten Drittes Kapitel.
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reits auf den ersten Blick Nachteile feststellen. Sie resultieren zum einen aus der Immaterialität der Beeinträchtigung und zum anderen aus der Allgemeinheit als Adressat der Leistung. Durch letztere Abweichung wird eine Konfrontation des Täters mit dem konkret Geschädigten unmöglich. Er ist nicht individualisierbar, scheint daher gar nicht zu existieren, und darüber hinaus gehört der Täter als Teil der Allgemeinheit sogar selbst zu den Geschädigten. Daher scheint es auch von vornherein nicht möglich, Neutralisierungsmechanismen des Täters 220 durch die Konfrontation mit dem Opfer zu begegnen. Es ist eher das Gegenteil zu befürchten, wenn dem Täter deutlich gemacht wird, daß jeder und somit auch der Täter selbst oder aber keiner (spürbar) geschädigt ist. Und wo kein greifbarer Geschädigter auftrete, so könnte man argumentieren, gebe es auch keinen Schaden. Dies sind aber genau die Argumente, die eine Neutralisierung der eigenen Handlung ermöglichen. Sie würde also eher verstärkt. Aus dem soeben Gesagten ergeben sich bereits präventive DefIzite der Wiedergutmachung gegenüber der Allgemeinheit im Vergleich zur Wiedergutmachung gegenüber Individuen. Dies gilt in einem gewissen Rahmen auch für die materielle Wiedergutmachung gegenüber der Allgemeinheit bzw. gegenüber größeren (privatrechtlichen) Organisationen wie etwa Kaufhausketten oder Versicherungsgesellschaften. Auch dabei besteht die Gefahr, daß den Neutralisierungstendenzen des Täters nicht entgegengewirkt werden kann, weil ein faßbares Opfer beim Ladendiebstahl oder ein faßbares Opfer beim Versicherungsbetrug angesichts der Größe und Anonymität der Organisationen nicht erkennbar ist. Dies ist bei materieller Wiedergutmachung gegenüber der Allgemeinheit - in gewissem Rahmen - noch auszugleichen durch den Hinweis auf die konkrete Beschädigung, sofern sie sichtbar ist. Möglich ist das bei einer Beschädigung eines Gegenstands im Eigentum einer Körperschaft oder bei Umweltdelikten durch den Hinweis auf die zerstörenden Auswirkungen des Täterverhaltens. Bei der symbolischen Wiedergutmachung handelt es sich aber defmitionsgemäß um den Ausgleich immaterieller Gemeinschaftsschäden. Und ein immaterieller oder ideeller Schaden tritt nur im Träger des Schadens auf. Das ist aber die Allgemeinheit und damit auch der Täter. Ein gewisses DefIzit in der präventiven Wirkung ist also bei symbolischer Wiedergutmachung gegenüber dem Ausgleich materieller Individualrechtsgutsverletzungen von vornherein festzustellen. Dieses DefIzit resultiert aus der Schwierigkeit, Rechtsgutsverletzungen zu verdeutlichen, wenn die Schäden jeden treffen (Universalrechtsgüter) oder nur immaterielle Schäden darstellen (immaterielle Rechtsgüter).
220
Siehe dazu oben Fn. 194.
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Somit kann man bereits jetzt zu dem Ergebnis kommen, daß symbolische Wiedergutmachung als Ausgleich von Verletzungen immaterieller Universalrechtsgüter in ihrer Wirkung jedenfalls hinter der materiellen Wiedergutmachung zurückbleibt. Das läßt sich nicht leugnen, aber gleichzeitig auch nicht für alle immateriellen Universalrechtsgüter in gleichem Maße behaupten. Denn es gibt auch unter den immateriellen Universalrechtsgütern solche, die sich durch Leistungen des Täters besser, und solche, die sich durch Leistungen des Täters schlechter bis gar nicht verdeutlichen lassen. Bei genauerer Betrachtung kann man vor allem mit Blick auf die Möglichkeit der Rechtsgutsverdeutlichung grundlegend zwei Gruppen immaterieller Universalrechtsgüter unterscheiden.
c) Zwei Gruppen von Universalrechtsgütern 1. Gruppe: Vorverlagerung des Schutzes von Individualrechtsgütern
Zu der ersten Gruppe gehören die Rechtsgüter derjenigen Delikte, die den Schutz von Individualrechtsgütern nach vorne verlagern. Zu nennen wären dabei insbesondere die Straßenverkehrsdelikte, etwa das abstrakte Gefährdungsdelikt der Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) oder das konkrete Gefährdungsdelikt der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315 c StGB). Rechtsgut ist jeweils die "Sicherheit des Straßenverkehrs",221 also ein immaterielles Rechtsgut der Allgemeinheit. Besonders bei § 315 c StGB wird aber die Funktion dieses immateriellen Rechtsgutes deutlich: es sollen materielle Individualrechtsgüter, namentlich Leben, körperliche Unversehrtheit oder Eigentum geschützt werden. 222 Diese materiellen Individualrechtsgüter werden als wesentlich und gleichzeitig die Teilnahme am Straßenverkehr als potentiell rechtsgutgefährdend, aber dennoch unverzichtbar angesehen. In dieser Abwägung begnügt das Strafgesetz sich nicht nur mit dem Verbot der Verletzung der Individualrechtsgüter als ihrer realen Beeinträchtigung, sondern es verbietet bereits deren Ge221 Für § 316 StGB unbestritten, siehe TröndleiFischer § 316 Rn. 2; für § 315 c wohl noch herrschende Meinung, siehe BGH NJW 70, S. 1380 f., NJW 89, 1227 f. m. Anm. Geppert NStZ 89, 321 f., BGH NJW 89, 2550; vgl. Ladener / Kühl § 315 c Rn. I. 222Zum Teil wird dementsprechend der Schutz der konkret gefährdeten Rechtsgüter als gleichrangiger oder sogar primärer Schutzzweck des § 315 c StGB angesehen, siehe TröndleiFischer § 315 c Rdn. 2, S/S-Cramer § 315c Rdn. 2. Dies bedeutet in diesem Zusammenhang, daß bei einer durch eine Begehung des § 315 c StGB verursachten fahrlässigen Sachbeschädigung die Eigentumsverletzung als Folge der Geflihrdung des Straßenverkehrs anzusehen wäre und die notwendige materielle Wiedergutmachung direkt als Wiedergutmachung nach dem Delikt des §. 315 c StGB zu verstehen ist. Bei einer im Zuge der Begehung des § 315 c StGB verursachten fahrlässigen Körperverletzung oder Tötung steht dagegen der Ausgleich nach den einschlägigen Delikten der §§ 229 bzw. 222 StGB im Vordergrund.
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fährdung als ihrer potentiellen Beeinträchtigung. Technisch geschieht dies durch die Vorschaltung eines immateriellen Universalrechtsgutes, eben - in den hier genannten Beispielen - der Sicherheit des Straßenverkehrs. Was bisher über die rechtsgutsverdeutlichende Wirkung der materiellen Wiedergutmachung gesagt wurde, ist - abgeschwächt - auch denkbar bei Delikten, deren Rechtsgut die Sicherheit des Straßenverkehrs ist. 223 Zwar kann ein Täter, der alkoholisiert ein Fahrzeug führt und erst nach der abgeschlossenen Fahrt von der Polizei zu einer Alkoholkontrolle gebeten wird, sagen, es sei nichts passiert. Wenn der Staatsanwalt ihm darauf entgegenhält, es sei doch bereits ein "Schaden" entstanden, es sei nämlich die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt und damit ein Universalrechtsgut verletzt worden, so klingt das für einen durchschnittlichen Täter im Normalfall nicht sehr überzeugend. Aber die Verletzung des Rechtsgutes "Sicherheit des Straßenverkehrs" ist nur eine Hilfskonstruktion, um eine Gefährdung der hinter diesem Universalrechtsgut stehenden Individualrechtsgüter zu vermeiden. Bei der an sich schwer kontrollierbaren Teilnahme am Straßenverkehr sollen alle Verhaltensweisen, die diese Teilnahme über das unverziehtbare Maß hinaus noch gefährlicher machen, wie etwa das Fahren im fahruntauglichen Zustand, ausgeschlossen werden, weil sie geeignet sind, Störungen hervorzubringen. 224 Dabei ist die Sicherheit des Straßenverkehrs nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck, und zwar zur bestmöglichen Vermeidung von Unfällen, also von Gefahren für Individualrechtsgüter wie Leben, körperliche Unversehrtheit oder Eigentum. Rechtsgut der Straßenverkehrsdelikte ist daher der Zustand der Gefahrlosigkeit für diese Individualrechtsgüter. Eine Gefährdung22S dieser - faßbaren - Individualrechtsgüter ist daher der "Schaden", der durch eine Alkoholfahrt entsteht. Dies müßte und kann dem Täter verdeutlicht werden. Die Konstruktion dieser Gefährdungsdelikte als eine Vorverlagerung des Strafrechtsschutzes für dahinter stehende Individualrechtsgüter bereitet mit Sicht auf eine mögliche Wiedergutmachung daher keine unüberwindbaren Probleme. Ein Abstellen auf die hinter dem immateriellen Universalrechtsgut stehenden materiellen Individualrechtsgüter macht die Defmition der vom Täter zu erwartenden Leistungen plausibel.
223Siehe auch Frühauf, Wiedergutmachung, S. 253 mit Rückgriff auf das USamerikanische Win-Onus-Programm. 224Siehe für § 316 StGB Jakobs, ZStW 97 (1985), S. 768 f. 22S Eine Gefährdung kann bei einem konkreten Gefilhrdungsdelikt in einem konkreten Gefahrerfolg bestehen oder aber - das sei nochmals betont - bei abstrakten Gefilhrdungsoder Gefahrlichkeitsdelikten in der oben (S. 31 f.) dargelegten Beeinträchtigung bzw. Gefahrdung des "Sicherheits"-Rechtsgutes "Sicherheit des Straßenverkehrs". Diese Beeinträchtigung, ist kein Gefahrerfolg im technischen Sinne, aber durchaus eine Folge der Straftat.
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Zweites Kapitel: Begriff der symbolischen Wiedergutmachung
Zunächst muß man als Tatfolge dieser Gefährdungsdelikte im Einzelfall das heißt als das beeinträchtigte Rechtsgut - die gefährdete Sicherheit des Straßenverkehrs ansehen. Diese Gefährdung der Verkehrssicherheit bildet aber nur eine Sammelbezeichnung für die Gefährdung von Individualrechtsgütern derjenigen Rechtsgutsträger, die an der konkreten Verkehrssituation teilgenommen haben oder hätten teilnehmen können. Dies ist zwar eine unbestimmte Zahl von (zumindest abstrakten) Gefährdungen, aber die potentiell möglichen Rechtsgutsverletzungen sind bekannt. Mit diesen Kenntnissen kann man die abstrakte Aussage, symbolische Wiedergutmachung bestehe beispielsweise in der Leistung gemeinnütziger Arbeit, näher konkretisieren. Rechtsgutsverdeutlichend und gemeinnützig ist die Übernahme von Leistungen, die die Allgemeinheit zu erbringen hat, um den Gefahren des Straßenverkehrs zu begegnen, etwa Arbeiten bei der Verkehrswacht, in Unfallkrankenhäusern und ähnliches. Solche Arbeiten lassen durch die Nähe zu Leistungen zum Ausgleich von Verletzungen materieller Individualrechtsgüter auch eine gewisse präventive Wirksamkeit erwarten, weil gerade damit eine verdeutlichende Konkretisierung der Rechtsgutsverletzung möglich ist. Zwar kann der Täter das verletzte Rechtsgut - Sicherheit des Straßenverkehrs - nicht direkt wiederherstellen, und deshalb ist eine "echte" Wiedergutmachung nicht möglich. Aber bei einer der erwähnten Arbeiten tritt der Schutz der betreffenden Individualrechtsgüter deutlich zutage. Es wäre dies zwar keine "reale" Wiedergutmachung, aber eine im besten Sinne "symbolische". Ebenso wie bei der materiellen Wiedergutmachung wird der Sinn der Strafrechtsnorm dadurch nach außen und für den Täter sichtbar. Die Ausweitung des Schutzes von Individualrechtsgütern durch das Vorschalten eines Universalrechtsgutes macht gemeinnützige Arbeiten zur Verdeutlichung des Schutzzweckes der Strafrechtsnorm also prinzipiell möglich. Dies gilt, wie beschrieben, für das Rechtsgut der "Sicherheit des Straßenverkehrs", ähnlich ist es bei manchen Delikten des BtMG, etwa der Herstellung von oder dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, sofern man als geschütztes Rechtsgut den "Schutz der Volksgesundheit" ansieht. 226 Bisweilen ist der Strafrechtsschutz so weit vorgelagert, daß - wie bei der Produktion automatischer Selbstladewaffen ohne Erlaubnis gemäß § 52 a WaffG - eine Verletzung von Individualrechtsgütern nur über die Zwischenstufe einer weiteren Deliktsbegehung denkbar ist, wodurch die Legitimität solcher Vorfeldverlagerungen problematisch sein kann. 227 Auch dabei sollen letztlich aber Gefahren für Individualrechtsgüter vermieden werden, so daß solche Delikte - unabhängig von
116Siehe Körner, BtMG, § 29 Rn. 141; kritisch zu dieser Rechtsgutsbestirnrnung W Hassemer, JuS 1992, S. 113. 117Beispiei von Jakobs ZStW 97 (1985), S. 769 f.
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der Frage ihrer Legitimität - jedenfalls zu dieser Gruppe von Delikten zu zählen sind. Hier eignen sich bestimmte Tätigkeiten der Gemeinschaft als naheliegende Betätigungsfelder fiir rechtsgutsverdeutlichende Wiedergutmachungsleistungen, etwa - im Beispiel der Betäubungsmitteldelikte - Arbeiten in Drogentherapiezentren. 228
2. Gruppe: Universalrechtsgüter zum Schutz gesellschaftlicher Systeme
Tatbestände zum Schutz immaterieller Universalrechtsgüter sind allein im StGB sehr zahlreich. Die Mehrheit der 30 Abschnitte des Besonderen Teils des StGB faßt Deliktsgruppen zusammen, die Rechtsgüter der Allgemeinheit schützen. Das klassische, Individualrechtsgüter schützende Kernstrafrecht konzentriert sich auf den 13. bis 22. und den 27. Abschnitt, in denen der Schutz wichtiger Rechtsgüter des Einzelnen, wie etwa sexuelle Selbstbestimmung, Ehre, körperliche Unversehrtheit, Leben, persönliche Freiheit, Eigentum, Vermö. d .229 gen etc. gerege It sm Die restlichen Abschnitte regeln im wesentlichen den Schutz von - materiellen und immateriellen - Universalrechtsgütern. Da symbolische Wiedergutmachung defmitionsgemäß nur den Ausgleich von Beeinträchtigungen immaterieller Rechtsgüter der Allgemeinheit erfaßt, sind materielle Universalrechtsgüter von vornherein aus ihrem Anwendungsgebiet ausgenommen. Dazu ist beispielsweise das Rechtsgut des 29. Abschnitts zu zählen, "Umwelt" in ihren verschiedenen Erscheinungsformen,230 weswegen Wiedergutmachungsleistungen von Tätern nach Straftaten gegen die Umwelt der materiellen Wiedergutmachung zuzurechnen sind. 23I Im einzelnen gibt es bei solchen Einordnungen noch zahlreiche Zweifelsfragen, wie bei der Bestimmung der Rechtsgüter überhaupt. So ist etwa zweifelhaft, ob das Rechtsgut des 8. Abschnitts "Sicherheit und Funktionsfahigkeit des Geld- und Wertzeichenverkehrs" eher unter die materiellen oder die immateriellen Rechtsgüter einzuordnen ist. Schwierigkeiten bestehen auch bei der Einordnung der Konkursstraftaten des 24. Abschnitts, bei denen die Defmition des Rechtsgutes überhaupt strittig 228 Dies kommt wohl nur für "kleine" Drogenstraffallige in Betracht. Größere Drogenhändler fallen in der Regel unter Schwerkriminalität, bei der die Anwendung strafrechtlicher Wiedergutmachung an sich an Grenzen stößt. Siehe dazu unten S. 142 fT. 229Was auch nicht einheitlich geschieht, denn beispielsweise im 22. Abschnitt gibt es neben dem Betrug als klassischem Delikt zum Vermögensschutz neuere Delikte zum Schutz von Rechtsgütem der Allgemeinheit wie Subventionsbetrug in § 264 oder Kreditbetrug in § 265 b. Von jeher uneinheitlich ist auch der 21. Abschnitt etwa mit Strafvereitelung § 258 und Hehlerei in § 259. 230 Siehe dazu Ladener / Kühl, vor § 324 Rn. 7. 231Siehe oben S. 49 f. Dadurch soll nicht behauptet werden, daß Umweltzerstörungen im Einzelfall wieder vollständig rückgängig zu machen sind.
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ist. 232 Schließlich sind auch die Rechtsgüter des neu eingefügten 26. Abschnitts, also der Straftaten gegen den Wettbewerb, schwierig zu bestimmen. Aufgrund dieser Zweifelsfragen und strittigen Einordnungen kann man bei der Beschreibung des Einsatzbereichs der symbolischen Wiedergutmachung als Ausgleich von Verletzungen immaterieller Universalrechtsgüter auch keine Lösungen für jedes einzelne Delikt anbieten, sondern nur ein grobes Raster, das die meisten Tatbestände befriedigend einordnet, aber nicht alle. Unter dem Vorbehalt dieser Unsicherheit kann - verallgemeinernd - behauptet werden, daß die restlichen Abschnitte des Besonderen Teils im wesentlichen immaterielle Rechtsgüter der Allgemeinheit schützen. Ausgeschieden wurden daraus mit der 1. Gruppe bereits diejenigen Universalrechtsgüter, deren Ziel die Vorverlagerung des Schutzes materieller Individualrechtsgüter ist. Diese fmden sich vor allem im 28. Abschnitt bei den gemeingefahrlichen Straftaten. Es verbleiben somit 15 Abschnitte, nämlich der 1. bis 12., der 23., 25. und 30. Abschnitt, die immaterielle Universalrechtsgüter schützen, mehr oder weniger hauptsächlich233 oder ausschließlich. Zu nennen wären unter anderem die Staatsschutzdelikte im 1. und 2. Abschnitt, Rechtsgut: "Äußere Sicherheit" bzw. "Freiheitlich-demokratische Grundordnung", Straftaten gegen die Landesverteidigung im 5. Abschnitt, Rechtsgut: "Landesverteidigung", Widerstand gegen die Staatsgewalt im 6. Abschnitt, Rechtsgut: "Inländische Staatsgewalt" (im weitesten Sinne), Aussagedelikte im 9. Abschnitt, Rechtsgut: "(Sicherheit der)Rechtspflege", Urkundenfälschung im 23. Abschnitt, Rechtsgut: "Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechts- und Beweisverkehrs" und Straftaten im Amt im 30. Abschnitt mit dem - strittigen234 Rechtsgut: "Schutz der Sachlichkeit der Amtsführung". Sehr viel schwieriger gestaltet sich die Defmition von Tatfolgen bei dieser zweiten Gruppe. Eine Problemlösung erscheint aber dringlich, weil Straftaten innerhalb dieser Gruppe häufig sind. 235
232Siehe etwa LK-Tiedemann, Vor § 283, Rn. 43 tT. 233Beispielsweise im 7. Abschnitt, der das Rechtsgut "öffentlichen Frieden" schützt, in dem aber in § 142 mit dem "privaten Beweissicherungs- und Feststellungsinteresse der UnfalJbeteiligten" auch ein Individualrechtsgut geschützt wird, s. dazu BVerfGE 16, 191, 193; BGHSt 24, 382, 385. 234Siehe dazu Dölling, Gutachten, S. 48 ff. 23SUnter anderen W. Hassemer sieht darüber hinaus eine Tendenz des Strafgesetzgebers, eher Verhaltensweisen zu kriminalisieren, die solche immaterielJen Universalrechtsgüter beeinträchtigen als Verhaltensweisen, die gegen individuelJe Rechtsgutsträger gerichtet sind, siehe dens., Festschrift Klug, S. 230.
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aa) Konkrete Folgen der einzelnen Tat Durch die Begehung eines der Delikte aus den genannten Abschnitten beeinträchtigt der Täter das jeweils geschützte Rechtsgut bzw. - wie oben bereits dargelegt wurde 236 - dessen Sicherheit. Die Aussage, der Täter beeinträchtige ein immaterielles Universalrechtsgut, ist aber fiir sich genommen noch nicht weiterführend. Oben wurde herausgestellt, daß der Vorteil der materiellen Wiedergutmachung gegenüber der Bestrafung in der Rechtsgutsverdeutlichung liege. Es gilt nun im weiteren zu untersuchen, ob ein solcher Mechanismus wenn auch nur annähemd237 - bei den Delikten, die die hier aufgezählten immateriellen Universalrechtsgüter verletzen, möglich ist. Dazu wäre es - ebenso wie bei der Verletzung materieller Rechtsgüter - zunächst notwendig, konkrete Folgen der einzelnen Straftat zu umschreiben. Dann sollte es nicht schwierig sein, die entsprechenden Leistungen des Täters zum Ausgleich dieser Folgen zu bestimmen.
bb) Schutz gesellschaftlicher Systeme Allein die soeben aufgezählten Rechtsgüter zeigen eine große Variationsbreite, scheinen aber dennoch einen kleinsten gemeinsamen Nenner zu haben: sie dienen im weiteren Sinne alle dem Erhalt und der Funktionsfähigkeit staatlich-gesellschaftlicher Institutionen oder Systeme, die fiir das Zusammenleben in einer staatlichen Gemeinschaft als unverzichtbar angesehen werden, wie Rechtspflege, Beweisverkehr oder öffentliche Verwaltung. 238 Weil etwa das System der staatlichen Rechtspflege nur dann seinen Zweck erfüllen kann, wenn notwendige Auskünfte von Personen wahrheitsgemäß gegeben werden, dienen die Aussagedelikte dem Erhalt der Funktionsfähigkeit des Systems, indem sie falsche Aussagen verbieten. Weil der Beweisverkehr mittels Urkunden nur dann funktionieren kann, wenn Urkunden nicht verfälscht werden, sollen die Tatbestände der Urkundendelikte durch das Verbot von Verfälschungen die Funktionsfähigkeit, also die Sicherheit des Beweisverkehrs bewahren. Konkrete materielle Beeinträchtigungen, die ein Geschädigter durch einen unrichtigen Prozeßausgang, durch eine rechtswidrige Verwaltungshandlimg oder durch eine verfälschte Beweislage erleiden kann, sind in der hier behandelten zweiten Fallgruppe durchaus möglich, aber regelmäßig durch andere Delikte strafrechtlich erfaßt, beispielsweise durch § 263 StGB als ProzeßbeSiehe S. 31 ff. sowie Fußnoten 20 und 28. den bereits oben S. 83 f. gemachten Einschränkungen. 238 Die hier angesprochenen Rechtsgüter des 8., 23. und 30. Abschnitts sind insofern die bedeutendsten, weil sie die meisten Verurteilungszahlen aufweisen. Sie werden daher im weiteren als Beispiele verwendet. 236
237Nach
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trug. 239 Eine Urkundenfälschung bedeutet dann eine Verletzung des Vermögens eines Opfers, wenn gleichzeitig beispielsweise wiederum ein Betrug verwirklicht ist. Die Wiedergutmachung dieses Schadens hat dann aber bei der strafrechtlichen Aufarbeitung des betreffenden, Individualrechtsgüter schützenden Delikts zu geschehen. 240 Bei der Bestimmung möglicher Wiedergutmachungs leistungen des Täters zum Ausgleich der Verletzungen von Rechtsgütern, die dem Schutz gesellschaftlicher Systeme dienen, ist - im Gegensatz zur 1. Gruppe - ein Rückgriff auf hinter diesen Universalrechtsgütern stehende Güter nicht möglich, weil diese Delikte nicht solche Güter schützen wollen, sondern das System an sich. Das wird bei einem Vergleich mit der "Sicherheit des Straßenverkehrs" deutlich. Dieses Rechtsgut ist allein kein gesellschaftlicher Wert, der absolute Bedeutung innerhalb einer Gesellschaft erlangt, sondern er bedeutet die Abwesenheit von Gefahren fiir besonders wichtige materielle Individualrechtsgüter. Daher muß das tatbestandsmäßige Verhalten entweder konkret gefährdend sein fiir die zu schützenden Individualrechtsgüter - siehe § 315 c StGB - oder das Verhalten muß abstrakt in höchstem Maße potentiell gefährdend und unkontrollierbar sein, so daß es wahrscheinlich ist, daß ein Schaden fiir ein Individualrechtsgut auftritt, siehe § 316 StGB. Eine solche erhöhte Gefährlichkeit des Täterverhaltens fiir Individualrechtsgüter ist bei den Aussagedelikten, bei den Urkunden- und Amtsdelikten nicht notwendig. Möglicherweise betroffene Individualrechtsgüter werden regelmäßig durch andere Delikte geschützt, etwa durch § 263 StGB. Daran wird ersichtlich, daß z. B. das immaterielle Universalrechtsgut "Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechts- und Beweisverkehrs" gerade nicht der Vorverlagerung des Schutzes von Individualrechtsgütern dient. Vielmehr ist die Sicherheit des Rechts- und Beweisverkehrs, genauso wie die Sicherheit der Rechtspflege, der Sachlichkeit der Amtsfiihrung etc. Selbstzweck der einschlägigen Tatbestände. Solche gesellschaftlichen Systeme werden in ihrer Funktionsfähigkeit alleine schon als Werte betrachtet, die es zu schützen gilt.
cc) Schutz der Systeme als Ganze Die universalen (Sicherheits-)Rechtsgüter zum Schutz gesellschaftlicher Systeme sind stets denkbar weit gefaßt. Nach der Fassung der einschlägigen Gesetze ist die Rechtsgutsbeeinträchtigung als Folge eines vollendeten Aussagedelikts theoretisch eine Gefährdung der Sicherheit der gesamten Rechtspfle239Siehe z. B. BGHR StGB 4 § 52, Abs. 1 Handlung, dieselbe 12, Prozeßbetrug. 24Oyg\. dazu auch unten S. 123 ff.
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ge, eine vollendete Bestechung bedeutet eine Gefährdung der sachlichen Amtsführung der gesamten öffentlichen Verwaltung und eine Urkundenfälschung gefährdet theoretisch die Sicherheit und Zuverlässigkeit des gesamten Rechtsund Beweisverkehrs. Eine andere Folge einer solchen Straftat ist in der aktuellen Ausgestaltung dieser Straftatbestände theoretisch nicht denkbar. Ginge es dagegen primär um den Schutz der einzelnen Teilhandlungen, z. B. bei den Rechtspflegedelikten um den korrekten Ausgang des betreffenden Prozesses, wäre die Gefährdung des konkreten Verfahrensausganges bzw. der konkreten Beweislage, (zumindest als Qualifikationstatbestand) gesondert zu schützen. Das geschieht aber nur ausnahmsweise wie etwa bei der Bestechung im Vergleich zur Vorteilsgewährung. Im Regelfall sind die hier behandelten Delikte als Tätigkeits- bzw. abstrakte Gefährdungsdelikte ausgestaltet, so daß der Schutz der einzelnen Teilhandlung höchstens als Reflex gewährleistet wird. Im Vordergrund steht also nicht der Schutz dieser Teilhandlung, sondern die Sicherheit des gesamten Systems. Eine andere Fassung dieser Delikte wäre theoretisch möglich. Es wäre durchaus denkbar, beispielsweise bei den Aussagedelikten den konkreten richtigen Prozeßausgang zum geschützten Rechtsgut zu erklären. Die einzelnen Tatbestände müßten als Erfolgsdelikte beschrieben sein. Falschaussagen, die keine konkreten Auswirkungen haben, also die konkrete Rechts- oder Beweislage nicht tatsächlich beeinflussen, wären dann nur Versuchstaten. Dagegen sprechen wichtige kriminalpolitische Gründe. So wäre es weitaus schwieriger, bei der einzelnen Tat Vollendung und Versuch voneinander abzugrenzen, denn dies könnte nicht geschehen ohne eine Beurteilung des gesamten Falles, in den die strafbare Handlung eingebettet ist. Ein Strafgericht müßte stets auch den Rahmenfall entscheiden, um herauszufmden, ob die Falschaussage den konkreten Verfahrensausgang tatsächlich im einzelnen Fall beeinflussen konnte. Nur so ließe sich überhaupt beurteilen, ob die Straftat lediglich versucht oder aber vollendet ist. Darüber hinaus müßte die Strafbarkeit mancher Handlungen völlig entfallen, wie etwa Vorteilsannahme und -gewährung, die ja gerade kein rechtswidriges Verwaltungshandeln erfordern. Es ist also durchaus nachvollziehbar, daß zugunsten einer einfachen Handhabung und eines umfassenden strafrechtlichen Schutzes die krirninalpolitische Entscheidung für eine Ausgestaltung dieser Tatbestände als Tätigkeitsdelikte bzw. abstrakte Gefährdungsdelikte gefallen ist. Damit hat sich der Gesetzgeber aber gleichzeitig für eine sehr weite Fassung des Rechtsguts entschieden. Für die Folgenseite bedeutet dies: Da das Schutzobjekt der hier zusammengefaßten Tatbestände stets nur das jeweilige System in seiner Gesamtheit ist, ist als Tatfolge auch regelmäßig lediglich eine (nur theoretische) Gefährdung des System möglich. Eine Aussage kann in einem noch so wichtigen Prozeß noch so wahrheitswidrig und gleichzeitig entscheidend für den - daher falschen Prozeßausgang sein, die staatliche Rechtspflege in ihrer Gesamtheit als Schutz-
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objekt des einschlägigen Aussagedelikts wird durch das Verhalten des Täters nicht entscheidend beeinträchtigt, sondern dennoch weiter funktionieren. Gleiches gilt bei einer Bestechung: die einzelne Verwaltungshandlung mag noch so grob rechtswidrig sein, eine Beeinträchtigung der Sachlichkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung vermag die einzelne Bestechung nicht zu bewirken. Es wird bei einer Falschaussage also nicht eine Beeinträchtigung der Rechtspflege in ihrer konkreten Ausprägung verlangt, d.h. eine Beeinträchtigung des Prozesses, in dem die Aussage gemacht wurde. Darüber hinaus wird aber nicht einmal eine konkrete Gefahrdung des einzelnen Prozesses gefordert, sondern es wird angenommen, daß Falschaussagen, ganz abstrakt und theoretisch gesehen, die Rechtspflege als Ganzes gefahrden (können). Daraus resultiert andererseits auf der Folgenseite der jeweiligen einzelnen, vollendeten Straftat zwar zwingend die Beeinträchtigung dieses sehr weiten (Sicherheits-)Rechtsguts, die sich aber aufgrund dieser Weite als eine nicht einmal abstrakte, sondern nur (im Zusammenwirken mit zahlreichen weiteren Deliktsbegehungen) denkmögliche Gefahrdung des geschützten Systems darstellen kann.
dd) Folgenlosigkeit im Einzelfall Es fallt schwer, unter diesen Voraussetzungen für das einzelne begangene Delikt eine Tatfolge zu konkretisieren. Diese Konkretisierung wäre aber notwendig, um eine mögliche Leistung des Täters zum Ausgleich der Tatfolge im Einzelfall zu bestimmen. Als Tathandlung genügt bei dieser Gruppe von Delikten regelmäßig schon ein abstrakt gefahrdendes Verhalten. Somit ließe sich als Folge der Straftat in diesem Bereich nur feststellen, daß das Funktionieren eines gesellschaftlichen Systems als solches, also Rechtspflege, Beweisverkehr, öffentliche Verwaltung etc. durch das Verhalten des Täters gefahrdet wurde. Aber bereits das ist schon zu viel gesagt, denn oben wurde festgestellt, daß eine echte Gefahrdung, auf den konkreten Einzelfall bezogen, gar nicht denkbar ist. Doch auf den Einzelfall kommt es gerade an. Hieran wird das Dilemma ersichtlich. Es geht und kann bei sinnvoller strafrechtlicher Wiedergutmachung stets nur um den Ausgleich der Folgen einer einzelnen Tat gehen. Die hier behandelte 2. Gruppe immaterieller Universalrechtsgüter bezeichnet aber den Schutzzweck einer Deliktskategorie, bei der es dem Gesetzgeber erkennbar nicht primär um die Verhinderung von Folgen einer einzelnen Tat geht, sondern um die Verhinderung von Folgen, die erst eine Vielzahl von Taten, die einer annähernden Normalität der Deliktsbegehung gleichkäme, auslösen könnte. Von einer echten Beeinträchtigung der Funkti-
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onsfähigkeit des Systems "Rechtspflege" ist erst dann auszugehen, wenn falsch aussagende Zeugen so zahlreich geworden sind, daß bei einer Zeugenvernehmung eine wahre Aussage nicht mehr zu erwarten ist. Von einer echten Beeinträchtigung des Beweisverkehrs ist erst dann auszugehen, wenn es üblich ist, verfälschte Urkunden vorzulegen. Erst unter solchen Bedingungen wäre das System in seiner Gesamtheit gefährdet. 241 Und das System in seiner Gesamtheit ist, wie oben dargelegt wurde, Schutzobjekt der hier behandelten Vorschriften. Voraussetzung für eine echte Gefährdung der Funktionsfähigkeit des gesamten Systems wäre somit eine massenhafte, sich der sozialen Üblichkeit annähernde Begehung der einschlägigen Delikte. Durch eine einzelne Tat ist also nur eine abstrakte Gefährdung des Systems denkbar. Diese Gefährdung ist aber bezogen auf das System in seiner Gesamtheit in so hohem Maße abstrakt und damit verdünnt, daß diese einzelne Tat eine wirkliche Gefährdung gar nicht bewirken kann. Zur Bestimmung von Wiedergutrnachungsleistungen müssen aber die Folgen der einzelnen Tat defmiert werden. In der (Un-)Möglichkeit der Gefährdung des Rechtsgutes durch die einzelne Deliktsbegehung liegt auch ein entscheidender Unterschied zu der 1. Gruppe der immateriellen Rechtsgüter der Allgemeinheit, also solchen, die der Vorverlagerung des Schutzes von Individuairechtsgütern dienen. Hierbei muß durch die einzelne Tat ein Rechtsgut entweder konkret gefährdet sein oder ein Verhalten muß so gefährlich oder unkontrollierbar sein, daß eine Verletzung von Rechtsgütern im Einzelfall nur zufällig ausgeblieben ist. Dagegen ist in der 2. Gruppe bei der Diskrepanz zwischen der Stärke der geschützten Systeme Rechtspflege, Beweisverkehr, öffentliche Verwaltung etc. - und der Machtlosigkeit des Einzelnen bezüglich einer echten Erschütterung dieses Systems durch eine einzelne Tat eine echte Gefährdung nicht einmal denkbar. Zusammenfassend kann man somit sagen: Die 2. Gruppe der immateriellen Universairechtsgüter will gesellschaftliche Systeme schützen. Es sollen diese Systeme in ihrer Gesamtheit geschützt werden, nicht primär die Stimmigkeit einer einzelnen Teilhandlung, z. B. der korrekte Ausgang eines konkreten Prozesses. Diese immateriellen Rechtsgüter der Allgemeinheit dienen nicht dem vorverlagerten Schutz von Individuairechtsgütern; dieser Schutz wird durch andere Delikte gewährleistet. Schutzobjekt ist daher das System in seiner Gesamtheit. Eine Beeinträchtigung der Funktion dieser Systeme ist durch eine massenhafte Begehung der einschlägigen Delikte theoretisch möglich, daher beziehen diese Universal241 Ein Zustand, der - bisher - nicht einmal durch das viel diskutierte Phänomen der Korruption in der öffentlichen Verwaltung erreicht ist. Siehe dazu die Darstellung bei Dölling, Gutachten, S. 13 ff.
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rechts güter auch ihre strafrechtliche Schutzwürdigkeit. Eine echte Beeinträchtigung ist bezogen auf eine einzelne Tat nicht denkbar. Die Bestimmung der Straftatfolgen muß aber zur Festsetzung von Wiedergutrnachungsleistungen anband der einzelnen Tat geschehen.
ee) Konkretisierung von Leistungen Daher läßt sich die Folge der einzelnen Tat über die Feststellung hinaus, es sei ein universales immaterielles (Sicherheits-)Rechtsgut beeinträchtigt, nicht weiter konkretisieren. Der Täter hat nur eine Handlung gesetzt, die abstrakt tauglich ist, das entsprechende System in seiner Funktionsfähigkeit zu gefährden. Dies ist aber naturgemäß nicht die Umschreibung einer Tatfolge, sondern der Tathandlung und des Grundes ihrer Strafbarkeit. Die Handlung kann aber als Angriff auf das jeweils geschützte System gesehen werden. So ist eine Falschaussage als ein Angriff auf das System "Rechtspflege" zu interpretieren. Der Täter offenbart damit eine gewisse Geringschätzung, die er dem System entgegenbringt. Man könnte nun in einem ersten Ansatz auf die Idee kommen, dem Täter entsprechend der allgemein üblichen Umschreibung der symbolischen Wiedergutmachung - die Möglichkeit zu eröffnen, gemeinnützige Arbeiten zu leisten oder Geld zu zahlen an eine gemeinnützige Einrichtung. Um die angestrebte Rechtsgutsverdeutlichung nicht aus den Augen zu verlieren, könnte der Täter gerade innerhalb desjenigen Systems gemeinnützige Arbeit erbringen, das der von ihm erfüllte Tatbestand schützen will. Genauer gesagt: Der Täter könnte Arbeiten erbringen für die das jeweilige System repräsentierenden Institutionen. So könnte derjenige, der sich wegen einer Falschaussage strafbar gemacht hat, bei einem Organ der Rechtspflege arbeiten, derjenige, der wegen einer Bestechung strafbar ist, dementsprechend bei der öffentlichen Verwaltung. Beim Täter einer Urkundenfälschung wird das schon schwieriger, denn der Beweisverkehr ist nur zum Teil institutionalisiert. Manche der durch immaterielle Universalrechtsgüter geschützten Systeme sind überhaupt nicht institutionalisiert, wie beispielsweise der öffentliche Frieden ( 7. Abschnitt). Bereits hierbei zeigen sich schon schwerwiegende praktische Probleme. Genauer besehen hätten solche Angebote an den Täter mit strafrechtlicher Wiedergutmachung nicht mehr viel gemeinsam, sie hätten deren Vorteile gerade nicht, weil eine tatbezogene Rechtsgutsverdeutlichung nicht möglich ist. Dies soll im folgenden noch vertieft werden.
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ff) Willkür Eine Konkretisierung der Folgen einer Einzeltat über die Feststellung einer (abstrakten) Verletzung eines universalen immateriellen (Sicherheits-)Rechtsguts hinaus, ist bei der zuletzt behandelten Gruppe von Delikten nicht möglich. Es fällt schwer mangels einer konkreten Folge, eine ausgleichende Leistung des Täters zu definieren. Dies ist bei der Verletzung materieller Rechtsgüter einfacher, denn dazu genügt die Umschreibung der materiellen Verletzung des Rechtsgutsobjekts, die einen Vermögenswert hat,242 und dessen entsprechender Ersetzung durch den Täter. Bei der Verletzung immaterieller Universalrechtsgüter ist dies nicht möglich. Tathandlung ist aber der Angriff auf ein geschütztes System. Als Ausgangspunkt könnte daher bei der Bestimmung einer Leistung das Ausmaß des Angriffs dienen. Dieses Ausmaß kann sich nur bestimmen aus erstens der abstrakten Bedeutung des einzelnen Delikts - abzulesen am Strafrahmen - und zweitens aus der Schuld des Täters, entsprechend § 46 I 1 StGB. Damit könnte eine Bewertung der einzelnen Tat vorgenommen werden nach den gleichen Kriterien wie bei der Strafzumessung. In beiden Fällen - Strafzumessung und Bestimmung einer positiven Leistung nach der Beeinträchtigung immaterieller Universalrechtsgüter - ginge es somit um die Umrechnung der Einzeltat in eine konkrete Reaktion. Es ist bei der Strafzumessung schon äußerst schwierig, das Unrecht einer Tat zu quantifizieren, d.h. in Zeiteinheiten für Freiheitsstrafe oder in Tagessätzen zu bemessen. Es müssen dabei qualitative Merkmale - die Strafzumessungsgründe - in quantitative Einheiten umgelegt werden. 243 Schon aufgrund dieser methodischen Schwierigkeiten lassen sich Ungleichbehandlungen kaum vermeiden, wie empirisch festgestellte Unterschiede in der Strafzumessung, beispie1sweise244 im regionalen Vergleich24s oder gar zwischen verschiedenen Spruchkörpern innerhalb eines Gerichts,246 belegen. Zusätzlich zu den zahlreichen strittigen Einzelpunkten, die bei der Strafzumessung für weitere Intransparenz sorgen, wie der Frage nach dem angemessenen Schuldverständnis247 oder der Orientierung an präventiven Erfordernissen bei der Sanktionszumes242Gegebenenfalls nach der entsprechenden Kommerzialisierung. 243Siehe dazu Wagner, Das absurde System, S. 1 ff., insbesondere S. 6 f. 244Zusammenfassend Streng, Strafrechtliche Sanktionen, IX 1. 24SMögliche Gründe dafür siehe PfeifferiSavelsberg, S. 40. 246Siehe die Darstellungen der Untersuchungen bei Streng, Strafzumessung und relative Gerechtigkeit, S. 9. 247Siehe zusammenfassend Streng, Strafrechtliche Sanktionen, IX 2 b. 7 Laue
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sung,248 ergeben sich aber bei der Definition bestimmter Leistungen noch zusätzliche Unsicherheitsfaktoren. Während die Aufgabe der richtigen Strafzumessung bereits als kaum lösbare Gleichung mit mindestens drei Unbekannten bezeichnet wird,249 kommen bei der Bestimmung einer positiven Leistung noch zahlreiche Unbekannte hinzu. Um das Ziel der Rechtsgutsverdeutlichung zu verwirklichen, müßte der Richter zunächst die abstrakte Art der Leistung definieren, die das verletzte Rechtsgut am besten verdeutlicht. Das ist, wie oben bereits festgestellt wurde, bei der Beeinträchtigung mancher immaterieller Universalrechtsgüter noch denkbar, nicht aber bei anderen, namentlich den nicht institutionalisierten Systemen, wie beispielsweise "öffentlicher Frieden". Wohl wäre nach einer Falschaussage durch eine Hilfstätigkeit des Täters bei Gericht das entsprechende Rechtsgut verdeutlicht, aber das ist eben nur bei einem (geringen) Teil der hier behandelten Delikte möglich und bedingt bereits dadurch nicht zu umgehende Ungleichbehandlungen innerhalb dieser Deliktsgruppe. Ein Richter müßte darüber hinaus dem konkreten Delikt entsprechend die Art der Leistung des Täters bestimmen. Er müßte versuchen, das Delikt des Täters in der Leistung abzubilden, und das heißt, er wäre gezwungen, Delikt und Leistung zunächst qualitativ einzuordnen. Es fehlt dabei ein vorgegebenes Muster an Reaktionen, wie es bei der Strafzumessung die Freiheits- oder Geldstrafe anbietet. Innerhalb dieser Reaktionsmuster muß der Richter das zu beurteilende Delikt nur noch quantitativ einordnen, d.h. das richtige Maß der Freiheits- oder Geldstrafe bestimmen. Bei der Defmition von Wiedergutrnachungsleistungen muß aber zuvor die angemessene Reaktion noch qualitativ bestimmt, und das heißt die Frage beantwortet werden, welche abstrakte Leistung des Täters die Rechtsgutsverdeutlichung gewährleistet. Notgedrungen wäre ein Richter dabei mangels defmierter, pauschaler Standards allein auf seine Einschätzung und Phantasie angewiesen. Wohin das führt, zeigt ein Blick auf die heute befremdlich anmutenden Bemühungen des Richters Holzschuh in den 50er und 60er Jahren. 2SO Konkret müßte er zusätzlich noch auf die Vorausset-
248Roxin, Festschrift Bruns, 1978, S. 183. 249Horstkotte. Individualprävention und Strafzumessung, S. 152. 2SOHo izschuh in SchaffsteinlMiehe (Hrsg.), S. 166. Zwar bestehen Unterschiede zwischen der Suche nach spiegelnden Weisungen durch Richter Holzschuh und dem Erfinden rechtsgutsverdeutlichender Arbeiten, wie sie im hier behandelten Zusammenhang notwendig wären. Denn Holzschuh ging es um eine auf den jugendlichen Täter bezogene, erzieherisch motivierte Talion (siehe Ebert, Festschrift Lackner, S. 412, 418), während hier eine Leistung zur Wiedergutmachung der Folgen einer Straftat gefunden werden müßte und die Schwierigkeit gerade darin liegt, den durch die Tat angerichteten "Schaden" zu definieren und diesen dann unter Verdeutlichung des beeinträchtigten Rechtsgutes in einer Leistung abzubilden. In beiden Fällen muß demjenigen, der die Leistung definiert, eine (zu) große Freiheit eingeräumt werden, die in Willkür auszuar-
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zungen und Möglichkeiten innerhalb seines Gerichtsbezirks Rücksicht nehmen. Wo es entsprechende Arbeitsangebote gibt, ließe sich diese Strategie verfolgen, wo nicht, muß auf Bestrafung zurückgegriffen werden. Die konkreten Arbeitsmöglichkeiten haben naturgemäß wechselwirkend wiederum einen Einfluß auf die Bestimmung der Leistungen. Eine solche Situation wäre nicht tragbar. Bereits die Notwendigkeit der qualitativen Bewertung eines Delikts bewirkt unvermeidbare Ungleichbehandlungen und Willkür. Es bestehen gegenüber dem jetzigen System von Geldund Freiheitsstrafe ganz konkrete Nachteile. Das pauschale und schablonenhafte System von Tagessätzen und Zeiteinheiten bei der Strafzumessung bietet durch den Strafrahmen immerhin fiir die erste Bewertung der Tat eine Vorgabe, die bei der Leistungsbestirnmung fehlt. Dazu kämen noch die Schwierigkeiten einer quantitativen Bewertung, die bei Arbeitsleistungen erschwert ist durch die Unvergleichbarkeit der einzelnen Einheiten. Dies ist gegenüber der Strafe ein weiterer schwerwiegender Nachteil. Eine Woche gemeinnütziger Arbeit mit der Tätigkeit A ist - auch unabhängig von subjektiver Strafempfmdlichkeit - nicht vergleichbar mit einer Woche gemeinnütziger Arbeit mit der Tätigkeit B. Zehn Tagessätze bleiben dagegen objektiv zehn Tagessätze und ein Monat Freiheitsstrafe ist ein Monat Freiheitsstrafe. Gerade die Schablonenhaftigkeit der Strafe und die Vergleichbarkeit ihrer einzelnen Einheiten macht diese zu einem theoretisch und vor allem im Vergleich zur wiedergutmachungsorientierten Bestimmung von Täterleistungen einfachen Instrumentarium. Was bei ihr im Gegensatz zur materiellen Wiedergutmachung nicht möglich ist, ist die Rechtsgutsverdeutlichung. Diese ist aber bei den hier behandelten Delikten nicht simulierbar, ohne willkürliche Ergebnisse in Kauf zu nehmen. Der noch verbleibende Vorteil der gemeinnützigen Arbeit, der diese gegenüber der Strafe so attraktiv macht, besteht somit darin, daß gemeinnützige Arbeit eben keine Strafe, also keine Übelszufiigung darstellt. Der Täter könnte aktiv und konstruktiv etwas leisten und müßte daher nicht bestraft werden. Mit der Betonung dieses Vorteils ist das Thema der strafrechtlichen Wiedergutmachung aber bereits verlassen. Man betritt damit ein anderes sanktionspolitisches Gebiet: das der "Gemeinnützigen Arbeit als eigenständige strafrechtliche Sanktion".2S1 Denn das Charakteristikum strafrechtlicher Wiedergutmachung und Grund für deren präventive EffIzienz ist die Rechtsgutsverdeutlichung. Wo ten droht, wenn bei der Leistungsdefinition einzig individuelle Wertungen und Neigungen als Kriterien dienen. 2sISiehe dazu ausführlich Pfoh/, insbes. S. 149 ff., 169 ff. 7'
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Zweites Kapitel: Begriff der symbolischen Wiedergutmachung
sie nicht zu ermöglichen ist, kann man nur von einer alternativen Strafreaktion sprechen, nicht mehr von strafrechtlicher Wiedergutmachung.
Drittes Kapitel
Freiwilligkeit A. Einleitung I. Wiedergutmachung und Freiwilligkeit
Wiedergutmachung nimmt als Reaktion auf Unrecht - auch außerhalb des Strafrechts - ihre Überzeugungskraft aus einer gemeinverständlichen Natürlichkeit. I Es ist auch in einer Gesellschaft und einer Kultur wie unserer ein natürlicher und angemessener - wenn auch tatsächlich idealistischel - Vorgang, daß derjenige, der einem anderen Schaden oder Unrecht zugerugt hat, Wiedergutmachung leistet. 3 Dabei ist der Maßstab der Wiedergutmachung vorgegeben durch das Ausmaß des zugerugten Unrechts. Dieses wird ausgeglichen durch Leistungen des Täters, die - zumindest nach Kräften - die durch das Unrecht verursachten Schäden ersetzen sollen, zusätzlich aber auch durch eine annäIDiese Natürlichkeit der Wiedergutmachung nachzuweisen, ist wohl Sinn der in der Literatur über strafrechtliche Wiedergutmachung zahlreichen, sehr breit angelegten Darstellungen rechtsethnologischer Erkenntnisse (siehe insbes. Hartmann, Schlichten, S. 4 ff.) und der rechtshistorischen Entwicklung (insbes. Frühauf, Wiedergutmachung, S. 8 ff.; Frehsee, Schadenswiedergutmachung, S. 12 ff.; A. Hartmann, Schlichten, S. 41 ff.).Die Rechtsethnologie lehrt uns dabei, daß Schlichtung zwischen Konfliktparteien mit dem regelmäßigen Ziel der Wiedergutmachung (A. Hartmann, a.a.O., S. 33) eine weltweit verbreitete, besonders in "einfachen" Gesellschaften regelmäßig auftretende und allgemein übliche Reaktion auf SchadenszufUgungen darstellt (Frehsee, a.a.O., S. 13). Die Rechtshistorie legt dar, welch lange Entwicklung notwendig war, um von diesem "Urzustand" zu der fast völligen Verdrängung restitutiver Elemente im modemen Strafrecht zu gelangen. Vgl. auch Rössner, BM] 1991, S. 211: Wiedergutmachung sei die normale Form strafrechtlicher Kontrolle, die übelvergeltende, repressive Sanktion eher die Alternative. 2Siehe dazu und zu den zahlreichen anderen Strategien der Konfliktverarbeitung die Untersuchung von HanakiStehriSteinert, Ärgernisse, insbes. S. 115 ff. 3Individualpsychologisch wird das Bedürfnis nach Wiedergutmachung aus der Reue hergeleitet. Diese sei die personale, regenerative Reaktion auf anerkannte Schuld, sie fUhre zu einem zentralen Willensakt, der in einer doppelten Gerichtetheit auf die Vergangenheit und die Zukunft ziele. In seiner Zukunftsgerichtetheit äußere sich dieser Akt in einer Demutsgebärde wie u.a. Wiedergutmachung, in der ein Wiederherstellungswille entgegenkommende Vergebung anstrebe, so Wiek, Psychologie der Reue, S. 4 f. Rössner vermutet darüber hinaus - abgeleitet aus der Primatenforschung - sogar ein biologisches Erbe, das "die Versöhnung mit dern Aggressionsopfer durch Schadensaufhebung" fördere, siehe dens., Festschrift Baumann, S. 276.
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Drittes Kapitel: Freiwilligkeit
hernde Auseinandersetzung zwischen Täter und Opfer, die ihren Abschluß fmdet in einer Entschuldigung oder Zusatzleistung. All dies ist vom Täter möglichst freiwillig zu erbringen. Eine solche Abwicklung eines Konflikts ist gesellschaftlich angemessen. Der Täter weiß, was er dem Verletzten anzubieten hat - Entschuldigung und Entschädigung -, so daß dieser sich moralisch verpflichtet fühlen kann, darauf einzugehen. 4 Es ist zu vermuten, daß bei Konflikten, die strafrechtlich nicht relevant sind, aber auch im Bereich des strafrechtlichen Dunkelfelds, dieses Idealbild der Konflikterledigung häufig funktioniert. s Diesem Idealbild folgt auch das Modell der strafrechtlichen Wiedergutmachung. Optimal würde diese geleistet, bevor den Strafverfolgungsbehörden die Tat überhaupt bekannt wird, also durch ein freiwilliges Zugehen des Täters auf sein Opfer mit dem Vorschlag der Wiedergutmachung. Die institutionalisierten Formen der Wiedergutmachung, etwa in Form des Täter-Opfer-Ausgleichs, bilden einen Kompromiß zwischen diesem Idealbild einerseits und dem Zwangscharakter des Strafrechts, dem Erfordernis der Rechtsstaatlichkeit6 und dem staatlichen Strafanspruch andererseits. Eine spontane Konflikterledigung zwischen den Beteiligten, möglichst bereits vor der Kenntnisnahme durch die Strafverfolgungsorgane, hätte auch fiir die Erreichung der kriminalrechtlichen Zwecke die größte Wirkung. So ist ein Absehen von Strafe aus general- und spezialpräventiven Zwecken dann am ehesten zu vertreten, wenn die Tatfolgen bereits ausgeglichen sind und der persönliche Konflikt beigelegt ist, bevor eine Tat vom Dunkel- ins Hellfeld gebracht wurde. Der Idealfall besteht diesbezüglich, wenn neben den Strafverfolgungsbehörden auch der Geschädigte selbst von der Tat noch nichts wüßte. Der Grund fiir dieses "je früher, desto verdienstvoller" liegt darin, daß je früher Ausgleichsbemühungen des Täters einsetzen, diese um so freiwilliger erscheinen. Und je freiwilliger sie erscheinen, als desto geringer werden die präventiven Notwendigkeiten einer strafrechtlichen Reaktion angesehen. Die meisten Versuche, strafrechtliche Wiedergutmachung in das Strafverfolgungssystem zu integrieren, laufen auf einen Ausgleich in einem möglichst frühen Verfahrensstadium hinaus. Es soll damit erreicht werden, daß strafrechtliche Wiedergutmachung sich nicht zu sehr entfernt vom Idealbild eines vom Täter gänzlich freiwillig angestrebten Ausgleichs mit dem Opfer. Die größtmögliche - zeitliche und situative - Nähe der Ausgleichsbemühungen des Täters zu diesem Idealbild bedeutet deren größtmöglichen kriminalpräventiven Wert, eine .größere Entfernung senkt diesen Wert.
4ygl. Rössner, a.a.O. sFrehsee, Schadenswiedergutmachung, S. 96. Vgl. auch Schüler-Springorum, Kriminalpolitik, S. 254. 6Siehe dazu A. Hartmann, Schlichten, S. 125 ff.
A. Einleitung
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Etwas vergröbert gesagt ist das generalpräventive Optimum dementsprechend dann erreicht, wenn die Öffentlichkeit erst von einer Straftat erfahrt, nachdem deren Folgen vom Täter bereits vollständig ausgeglichen sind und auch ein gelungener ideeller Ausgleich mit dem Opfer abgeschlossen ist. Auch die spezialpräventive Notwendigkeit einer Reaktion dürfte in einem solchen Fall geringer sein, weil das "Zurückkehren zum Recht" freiwilliger erscheint. Dagegen erscheinen Ausgleichsbemühungen, die ein Täter knapp vor seiner Verurteilung nach einern zu seinen Ungunsten verlaufenen Strafprozeß anbietet, kriminalpolitisch wenig wert. Sie können in einern solchen Verfahrensstadium in der Regel nicht mehr als freiwilliger Ausdruck von Sühne angesehen werden, sondern eher als eine clevere Finte desjenigen, der im Bemühen um Strafverrneidung zum letzten Strohhalm greift. Ein solches Verhalten wird vom urteilenden Richter kaum mehr prämiert werden, und zwar mit dem Argument, das Angebot zur Wiedergutmachung sei nicht freiwillig vorgebracht. Die Freiwilligkeit der Leistungserbringung wird dementsprechend fast durchgehend als ein unverzichtbares Element der strafrechtlichen Wiedergutmachung betrachtet. 7 Vorschläge, die auf eine gerichtlich angeordnete und damit nicht freiwillig erbrachte Schadenswiedergutmachung hinauslaufen,8 werden überwiegend abgelehnt. 9 Aber auch bei grundsätzlicher Akzeptanz des Prinzips der Freiwilligkeit steht noch nicht fest, welche Anforderungen an diese zu stellen sind. So reflektiert Hirsch über Freiwilligkeit im Sinne der Rücktrittsregelungen, mit der Folge, daß, sobald der Täter sich entdeckt glaubt, nicht mehr von einern Handeln aus autonomen Motiven ausgegangen werden könne. 10 Die Regelung des § 167 öStGB läßt bei Eigenturns- und Verrnögensdelikten den staatlichen Strafanspruch entfallen, wenn der Täter, "wenn auch auf Andringen des Verletzten, so doch ohne hiezu gezwungen zu sein", den entstandenen Schaden wiedergutmacht, "bevor die Behörde vorn Verschulden des Täters erfahren hat". Ausreichend ist dabei hinreichender Tatverdacht. 11 Der AE-Wgrn läßt auch nach der Entdeckung der Tat eine "unter dem Druck des Strafverfahrens zustande gekornmene freiwillige Entscheidung" genügen. 12 Es sei keine ethisch motivierte, autonome Entscheidung des Täters notwendig. Es gehe, so Rössner, bei dem
7AE_Wgrn, S. 40 f.; Schöch, Gutachten, S. 68 f.; Roxin Festschrift Baumann, S. 250 f. Vgl. auch Lüderssen, Abschaffen, S. 156. BSO die Bundesvereinigung für StrafIälligenhilfe, BM] (Hrsg.) 1988, S. 34 f1; 40 f.; siehe auch Schmidt-Hieber. NJW 1992, S. 2001, 2002 f.; Kunz, Bagatellprinzip, S. 289 f. 9AE-Wgm, S. 40; Schöch in: Ständige Deputation, S. 86 f. 10Hirseh, ZStW 102 (1990), S. 549. IIKienap[el, Grundriß des österr. Strafrechts BT 11, § 167 Rn. 50. 12AE-W gm, S. 40.
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Drittes Kapitel: Freiwilligkeit
vom Strafgesetz ausgehenden absoluten Nonnzwang nur darum, wie der Täter diesen Zwang erfülle, ob durch Verantwortungsauferlegung oder durch freiwillige Verantwortungsübernahme durch einen sozialkonstruktiven Beitrag des Täters zur Normerfüllung. 13 Schüler-Springorum schließlich hält in diesem Zusammenhang den Begriff der Freiwilligkeit überhaupt für fragwürdig, weil bei Nichterbringung der Leistung stets die Drohung im Raum stehe, es werde ein schlimmeres Übel folgen. Daher sei einzig entscheidend, daß der Täter überhaupt eine Wahl habe, sich für das kleinere Übel zu entscheiden: 4 Bereits bei dieser kleinen, ganz unvollständigen Meinungsübersicht wird deutlich, daß Freiwilligkeit an mehreren Maßstäben bemessen werden kann. Bei der Beurteilung der Freiwilligkeit wird einerseits argumentiert innerhalb eines Spektrums zeitlicher oder situativer Abstufungen - von der Phase vor Entdeckung der Tat bis unmittelbar vor Verhängung einer Strafe. Andererseits bewegt man sich in einem Spektrum motivationaler Abstufungen - von dem Verlangen einer autonomen Entscheidung für die Schadensabwendung bis zur bloßen Vermeidung eines angedrohten noch schwereren Übels wird der Begriff der Freiwilligkeit naturgemäß mehr und mehr verdünnt. Die motivationale Abstufung bezeichnet dabei primär den Grad, in dem sich der Druck des Strafverfahrens bzw. der Bestrafung für den Täter konkretisiert und verdeutlicht hat. Eine Rolle spielt aber auch das Kriterium des Zwangs, der notwendig ist, um die Leistungserbringung durchzusetzen, so etwa anklingend bei § 167 öStGB, oder - am Ende des Spektrums - bei allen Modellen, die von einer gerichtlich angeordneten und mit Vollstreckungsmaßnahmen durchgesetzten Wiedergutmachung ausgehen. Insgesamt kann man somit die Freiwilligkeit der Erbringung von Wiedergutmachungsleistungen innerhalb zweier Abstufungssysteme (zeitlich/situativ oder aber motivational) mit insgesamt drei Kriterien beurteilen. 15 Dabei gibt es aber Überschneidungen. So indiziert die Entdeckung der Tat oder die Kenntnis der Strafverfolgungsbehörde von der Verantwortung des Täters, daß dieser nur noch handle aus dem Motiv der Strafvermeidung. Eine wenn auch späte, so doch durchaus autonome Entscheidung des Täters für Wiedergutmachung, etwa weil er Reue empfmdet, wird nur noch im Ausnahmefall für glaubwürdig 13Rössner,
NStZ 1992, S. 411. 14Schüler-Springorum, Festschrift Maihofer, S. 513. 15Auch Brauns unterscheidet zwischen dem Zeitfaktor der Wiedergutmachung (siehe dens., S. 177 ff.) und der Freiwilligkeit als unterschiedliche Grade ethischer Motivation oder Autonomie, die aber auch abhängig ist von dem Verfahrensstadium, in dem die Wiedergutmachung erbracht wird, siehe a.a.O., S. 218 .. Nach seiner Konzeption der strafrechtlichen Wiedergutmachung spielt der Zeitfaktor nur eine Rolle bei der Bemessung des Erfolgswertes der Wiedergutmachung, die situationsabhängige motivationale Freiwilligkeit der Leistung beeinflußt dagegen den Handlungswert der Wiedergutmachung.
A. Einleitung
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erachtet. Dies entspricht einem allgemeinen Erfahrungswissen. Dennoch erscheint eine eindimensionale Einschätzung der Freiwilligkeit nicht ausreichend. Erst die Differenzierung nach dem Zeitpunkt der Leistungserbringung und dem dahinter stehenden Motiv erlaubt eine Beurteilung der Leistungsfähigkeit der einzelnen Wiedergutmachungs arten am Maßstab der verschiedenen Strafrechtszwecke.
11. Verschiedene kriminalpolitische Ziele Daß das oben erwähnte Spektrum so breit sein kann, daß Wiedergutmachung also sinnvoll vorstellbar ist unter sehr strengen genauso wie unter sehr gelockerten Freiwilligkeitsanforderungen, liegt an der Verknüpfung der Idee der strafrechtlichen Wiedergutmachung mit verschiedensten krüninalpolitisehen Zielsetzungen, die jeweils mit einem höheren oder geringeren Maß an Freiwilligkeit erreichbar erscheinen. So ist auch die zwangsweise, vom Gericht angeordnete Erbringung von Wiedergutmachung sinnvoll, wenn bei strafrechtlicher Wiedergutmachung der Opfergedanke im Sinne einer stärkeren Berücksichtigung von Geschädigteninteressen im Strafverfahren im Vordergrund steht. Wer das Hauptverdienst der strafrechtlichen Wiedergutmachung darin sieht, daß Straftatopfer schneller zu ihrem Geld kommen, daß ihre Ausgleichsansprüche schon im Strafverfahren berücksichtigt werden, der wird nicht zögern, auch gerichtlich angeordnete Schadenswiedergutmachung als ausreichend anzusehen. 16 Damit ist dem Opfer schnell und unmittelbar geholfen. Diese Strategie scheint auch den Bedürfnissen der Opfer zu entsprechen, die nach einschlägigen empirischen Untersuchungen sich die Berücksichtigung vor allem ihrer materiellen Interessen im Strafprozeß wünschen. 17 Wer dagegen den durch die Erbringung einer Wiedergutmachungsleistung verdienbaren völligen Wegfall des staatlichen Strafanspruchs bzw. dessen obligatorische Minderung als beherrschenden Gedanken der Wiedergutmachung sieht, wird - entsprechend § 167 öStGB - ein möglichst frühes Tätigwerden des Täters verlangen, um die Nähe zu den Rücktrittsregelungen zu bewahren. De~ vor der Entdeckung der Tat bzw. des Täters ist die generalpräventive Notwendigkeit einer (formellen) Reaktion naturgemäß am geringsten. Erst nach der Entdeckung der Tat müssen präventive Wirkungen bei der Allgemeinheit erzeugt werden.
Schmidt-Hieber, NJW 1992, S. 200 I. 17P/eiffer, Festschrift Schüler-Springorum, S. 53,79; Hertle, Schadenswiedergutmachung, S. 232 f.; Kilchling, Opferinteressen, S. 682; Ute I. Hartmann, Staatsanwaltschaft, S. 30. 16Siehe
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Drittes Kapitel: Freiwilligkeit
Wer in der strafrechtlichen Wiedergutmachung eine Möglichkeit der Konfliktregelung "alternativ" zur justizförmlichen Entscheidung über den staatlichen Strafanspruch sieht, wird von Täter und Opfer mehr "echte" Freiwilligkeit fordern - auf Täterseite im Sinne einer Teilnahme unter möglichst geringem Bestrafungsdruck l8 -, weil die Neugestaltung einer zerrütteten Beziehung zwischen Menschen einen ernstgemeinten interaktiven Prozeß der Beteiligten erfordert. Und wer schließlich bei der strafrechtlichen Wiedergutmachung den Gedanken der Diversion betont, also die Möglichkeit einer Beendigung der Strafverfolgung ohne förmliche Sanktionierung, wird einerseits ein späteres Beginnen mit Wiedergutmachungsbemühungen genügen lassen, weil Diversion per Defmition erst ab Kenntnis der Strafverfolgungsorgane von der Tat möglich ist. 19 Andererseits kann aber auf ein gewisses Maß an freiwilliger Mitwirkung nicht verzichten werden, weil nur damit eine Aufarbeitung der Tat durch den Täter indiziert ist, die unter dem Blickwinkel der Spezialprävention den formellen Sanktionsverzicht ermöglicht. Dennoch kann sich aber der Druck der Strafandrohung bei Diversionsmaßnahmen bereits in hohem Maße konkretisiert haben. Der AE-Wgm verlangt, gemessen an den oben aufgestellten zeitlichen und motivationalen Kriterien, ein eher geringes Maß an Freiwilligkeit. Ein Absehen von Strafe ist gemäß § 6 AE-Wgm möglich, wenn der Täter vor der Eröffnung des Hauptverfahrens Wiedergutmachung leistet. Nur bis dahin sei dem Verletzten durch die Wiedergutmachung gedient. 20 Aber das heißt: auch noch mit der Zustellung der Anklageschrift, also einer bereits sehr konkretisierten Drohung mit Bestrafung, kann und soll der Täter auf die Möglichkeit der Erbringung von Wiedergutmachungs leistungen hingewiesen werden (§ 15 AE-Wgm), und zusätzlich ist das Verfahren danach noch längstens 6 Monate zu unterbrechen, um dem Täter die Möglichkeit zu gewähren, Leistungen zu erbringen (§ 16 AE-Wgm). Eine zwangsweise Durchsetzung von Leistungen lehnt der AEWgm allerdings ab. Er will unter diesen Maßgaben am Prinzip der Freiwilligkeit festhalten, denn sie sei ein gewichtiges Indiz für die konstruktive Tatverarbeitung durch den Täter. 21
B. Die einzelnen Wiedergutmachungsarten Allerdings wird in der Diskussion über die Freiwilligkeitsanforderungen bei strafrechtlicher Wiedergutmachung kein Unterschied gemacht zwischen den 18Weigend, Freiwilligkeit, S. 153 f. Dö lling, Diversion, S. 275.
19
20AE _Wgm ,
2I AE _Wgm,
S. 55. S. 40.
B. Die einzelnen Wiedergutmachungsarten
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einzelnen Arten der Wiedergutmachung. Auch der AE-Wgm differenziert nicht weiter, welche Leistungen des Katalogs in § 2 AE-Wgm zu welchem Zeitpunkt unter welchen Voraussetzungen erbracht werden müssen, um die angestrebten kriminalpolitischen Ziele zu erreichen. Alle Wiedergutmachungsleistungen werden diesbezüglich gleich behandelt. Wie oben angedeutet wurde, ist eine Differenzierung sowohl nach den Straftatfolgen als auch nach den Leistungsarten und den Zielen strafrechtlicher Wiedergutmachung aber durchaus angebracht, weil bereits verschiedene Ziele (Opferberücksichtigung, Konfliktregelung, Strafverzicht) jeweils verschiedene Anforderungen an die Freiwilligkeit der Leistungserbringung stellen. Mit der im zweiten Kapitel erarbeiteten Differenzierung von Straftatfolgen und Leistungsarten lassen sich jeweils entsprechende Anforderungen an die Freiwilligkeit bestimmen. Dies soll im folgenden versucht werden.
I. Materielle Wiedergutmachung Materielle Wiedergutmachung ist Ausgleich der vermögenswerten Einbußen des Geschädigten durch Leistungen des Täters. Der überwiegende Einsatzbereich der materiellen Wiedergutmachung liegt im Ausgleich der Verletzungen materieller Rechtsgüter wie Eigentum, Vermögen, aber auch kommerzialisierter Rechtsgüter wie körperliche Unversehrtheit oder Ehre. So bestehen etwa nach einer Körperverletzung die Rechtsgutsverletzungen aus Gesundheitsbeschädigungen und/oder Schmerzen. Viktimisierungsfolgen, also Folgen der Straftat für das individuelle Opfer, die keine Rechtsgutsverletzungen sind, können psychische Schäden sein. Wenn diese therapierbar sind und dafür Kosten entstehen, sind auch diese Kosten im Zuge materieller Wiedergutmachung zu ersetzen.
1. Bewirkung der unmittelbaren Leistung Das unmittelbare Ziel der materiellen Wiedergutmachung ist der Ausgleich dieser vermögenswerten Einbußen. Die Ersetzung der soeben aufgezählten Kosten verlangt keine Freiwilligkeit. Dem Geschädigten ist dabei - und das heißt nur in bezug auf den Ersatz dieser vermögenswerten Einbußen - genauso gedient, wenn der Täter Heilungs- oder Therapiekosten bzw. Schmerzensgeld freiwillig bezahlt, wie bei einer Anordnung durch das Gericht. Eine solche gerichtliche Anordnung wäre, da sie am Ende des Strafverfahrens steht und auch gegen den Willen des Täters ergehen und durchgesetzt werden könnte, nach den oben gewählten Kriterien der Freiwilligkeit die denkbar unfreiwilligste Wiedergutmachung. Sie unterschiede sich in nichts von einer zivilrechtlichen Verurteilung, wie sie etwa im Adhäsionsverfahren erfolgen könnte. Damit wäre dem Geschädigten zwar unmittelbar und schnell geholfen, und diese Service-
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Drittes Kapitel: Freiwilligkeit
funktion des Strafverfahrens ist durchaus wünschenswert. Es drängt sich aber die Frage auf, worin bei einer solchen unfreiwilligen Wiedergutmachung der Unterschied zum Zivilrecht bestünde, wie damit die spezifischen Zwecke des Strafrechts erreicht werden könnten und schließlich, warum damit der staatliche Strafanspruch wenigstens zum Teil erlöschen sollte.
2. Wirkungen im strafrechtlich relevanten Verhältnis
Es erscheint hilfreich, bei der Beantwortung dieser Fragen auf die bereits oben dargelegte Unterscheidung zwischen Verhaltens- und Sanktionsnorrnen zuriickzugreifen. 22 Die Verknüpfung des Verbotes, einen anderen am Körper zu verletzen, mit einer zivilrechtlichen Schadensersatznorrn als Sanktionsnorrn soll den Ausgleich des durch die Körperverletzung entstandenen Schadens gewähren. Die Verknüpfung derselben Verhaltensnorrn mit einer strafrechtlichen Sanktionsnorrn soll dagegen (weitere) Verletzungen dieser Verhaltensnorrn verhindern. Strafrechtliche Wiedergutmachung ist dabei (wie die Strafe) nur Mittel zum Zweck, nämlich zur Erreichung der präventiven Ziele des Strafrechts. Es müßte daher möglich sein abzuschätzen, ähnlich wie dies bei der Evaluationsbeurteilung von Strafen gemacht wird, wie ein Tatfolgenausgleich durch materielle Wiedergutmachung diese Ziele erreichen kann. Krirninalpolitische Vorteile oder zumindest die kriminalpolitische Gleichwertigkeit der Wiedergutmachung im Vergleich zur Bestrafung des Täters wurden schon oben skizziert;23 hier und in diesem Zusammenhang bleibt nur noch zu beurteilen, welches Maß an Freiwilligkeit bei der Leistungserbringung zur Erreichung der Strafrechtszwecke notwendig ist. Bereits festgehalten wurde, daß der materielle Tatfolgenausgleich allein, und das heißt nur zum Ausgleich der verrnögenswerten Einbußen durch die Tat durchaus unfreiwillig geschehen und zwangsweise durchgesetzt werden kann. Eine solche zwangsweise Durchsetzung der Wiedergutmachungsleistung wäre für den Täter zunächst einmal eine Übelsauferlegung 24 und könnte als solche spezial- und generalpräventiv, d.h. strafrechtlich relevant wirken. Die Beurteilung dieser Wirkungen entspräche dann etwa derjenigen von Geldstrafen, deren Erlös dem Geschädigten zugute käme. 25 Damit wäre das präventiv wirksame Element der Wiedergutmachung deren Übelscharakter. Wiedergutmachung und Strafe wären in ihrer präventiven Wirkung nicht mehr zu unterscheiden. 26 22Siehe dazu oben S. 61 ff. 23Siehe oben S. 74 ff. 24Vgl. See/mann, Evang. Ethik 1984, S. 52. 25S0 die Regelung des Art. 60 SchwStGB, siehe dazu K/ey-Struller, S. 73 ff. 26ygl. dazu Hirsch, ZStW 102 (1990), S. 538.
B. Die einzelnen Wiedergutmachungsarten
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Andererseits betrifft der reine, auf das individuelle Opfer bezogene Tatfolgenausgleich nach dem Vorbild des Zivilrechts wie dieses unmittelbar nur das Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem. Er kann daher auf den ersten Blick keine Wirkungen im Strafrecht entfalten, dem es ja um die kollektiven Interessen der Gemeinschaft geht. Wie kann also eine nur auf das Verhältnis zwischen Täter und Opfer bezogene Erbringung von Wiedergutmachungsleistungen Auswirkungen auf die Allgemeinheit haben? Diese Frage wurde oben27 schon beantwortet mit der sog. Tilgungswirkung der materiellen Wiedergutmachung. Das daran Wesentliche sei nochmals kurz zusammengefaßt: Indem der Täter das durch die Verhaltensnorm geschützte und durch seine eigene Handlung verletzte Rechtsgut wiederherstellt, bestätigt er dessen Wert und damit auch die Geltung des Verbots, dieses Rechtsgut zu verletzen. Er zeigt mit der Wiedergutmachung, daß er entgegen seiner Tathandlung sowohl das Rechtsgut als auch die Verhaltensnorm akzeptiert. Darum geht es der Gemeinschaft, der Geltungsverlust der Norm ist das, was die Gemeinschaft bei der Straftat unmittelbar betrifft. Diese Betroffenheit wurde als überindividuelle Störung bezeichnet. Es wird jetzt klar, daß ein nach außen sichtbares Akzeptieren der Norm nur möglich ist durch eine freiwillig erbrachte Wiedergutmachungsleistung. Normakzeptanz kann der Täter nicht durch aufgezwungenes Befolgen der Norm oder gar durch ihre zwangsweise Durchsetzung beweisen. Nur durch eine freiwillige Handlung kann der Täter eine solche Normakzeptanz demonstrieren, daß sich die Rechtsgemeinschaft über den Normbruch beruhigt, also die überindividuelle Störung beseitigt wird. Man muß also weiter differenzieren: Eine vollendete einfache Körperverletzung hat mindestens zwei unterschiedliche Tatfolgen: zum einen die Gesundheitsbeschädigung des Opfers als Rechtsgutsverletzung - diese betrifft das Verhältnis zwischen Täter und Opfer -, zum anderen im Verhältnis zwischen Täter und Allgemeinheit die überindividuelle Störung. Der Ausgleich der überindividuellen Störung, also des Verlustes an Normvertrauen in der Bevölkerung, besteht - als Ausgleich eines immateriellen Gemeinschaftsschadens - grundsätzlich in symbolischer Wiedergutmachung. Dementsprechend muß die alle Tatfolgen ausgleichende Wiedergutmachungsleistung des Täters auch aus zwei verschiedenen Arten von Wiedergutmachungsleistungen bestehen, nämlich einerseits aus - auf den Rechtsgutsträger bezogener - materieller und andererseits aus - auf die Rechtsgemeinschaft bezogener - symbolischer Wiedergutmachung. Unter der sog. Tilgungswirkung ist zu verstehen, daß die Erbringung von materiellen Wiedergutmachungsleistungen die an sich daneben notwendige symbolische Wiedergutmachung mitumfaßt. Dies geschieht durch die Wieder27Siehe S. 72 ff.
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Drittes Kapitel: Freiwilligkeit
herstellung des verletzten Rechtsguts, die gleichzeitig auch eine Wiederherstellung der verletzten Norm bedeutet. 28 Eine solche Wiederherstellung durch den Täter ist aber nur dann möglich, wenn dieser die Leistung freiwillig erbringt. Dadurch wird gleichzeitig das Normvertrauen der Bevölkerung wiederhergestellt Im einzelnen sieht die Gemeinschaft, daß der Täter die Geltung der Norm akzeptiert und kann darauf vertrauen, daß er sie in Zukunft einhalten wird (Normakzeptanz des Täters). Sie sieht weiter, daß die Norm letztendlich sich als stärker erwiesen hat als die gegen sie gerichtete Handlung des Täters (Normstabilisierung). Detaillierter soll dies sogleich unten geschildert werden. Denn da es sich bei diesen beiden Effekten als Ausgleich der überindividuellen Störung um symbolische Wiedergutmachung handelt, soll die Bestimmung des notwendigen Grades an Freiwilligkeit erst bei der Behandlung der symbolischen Wiedergutmachung erfolgen. Wichtig erscheint zunächst festzuhalten - als erste Folgerung aus der Tilgungswirkung der materiellen Wiedergutmachung - , daß man auch bei der Beurteilung einer freiwillig erbrachten Wiedergutmachungsleistung, der eine strafaufhebende oder strafmindemde Wirkung zugebilligt wird, differenzieren muß zwischen zwei darin enthaltenen verschiedenen Wiedergutmachungsleistungen, die verschiedene Adressaten und verschiedene Wirkungen haben. Das bedeutet, daß der materielle Tatfolgenausgleich nach einem Delikt wie Körperverletzung zwar unmittelbar nur aus materieller Wiedergutmachung besteht, die aber, wenn sie freiwillig geleistet wird, gleichzeitig auch eine symbolische Wiedergutmachungs leistung darstellt. Nur die dabei konkludent erbrachte symbolische Wiedergutmachung ist umnittelbar strafrechtlich relevant, weil nur sie das Verhältnis zwischen Täter und Rechtsgemeinschaft betrifft, also die Beteiligten am spezifisch strafrechtlichen Konflikt. Zusammenfassend läßt sich also feststellen: materielle Wiedergutmachung losgelöst betrachtet - betrifft nur das Verhältnis zwischen Täter und Geschädigtem. Es geht dabei nur um den Ausgleich der vermögenswerten Einbußen des Verletzten. Dieses direkte Ziel ist ohne jede Freiwilligkeit des Täters zu erreichen. Es ist dies aber kein unmittelbar strafrechtliches Problem. Strafrechtlich wirksam kann eine solche materielle Wiedergutmachung mittelbar nur werden, wenn sie freiwillig erbracht wird, weil sie nur dann strafrechtlich relevante Ziele erreichen kann. Diese Ziele sind zunächst Normakzeptanz des Täters und Norrnstabilisierung. Dagegen ist das Verhältnis Täter - Geschädigter nicht von originär strafrechtlicher Relevanz. Es kommt dem Strafverfahren zugute, erhöht dessen Akzeptanz, wenn darin die Belange des Opfers stärker berücksichtigt werden. Eine Verpflichtung des Täters zu materieller Wiedergutmachung ist aber nicht mehr als eine Serviceleistung des Strafverfahrens, eine prozessua28 S0
auch Rössner in Marks/Rössner, S. 32.
B. Die einzelnen Wiedergutmachungsarten
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le (Teil-)Aufhebung einer dem Bürger nicht immer einleuchtenden Trennung verschiedener Rechtsgebiete. Somit bewirkt erst die Freiwilligkeit einer materiellen Wiedergutmachungsleistung etwas für die strafrechtliche Beurteilung Relevantes. Die Freiwilligkeit der Leistungserbringung ist also das entscheidende Element, das bei der materiellen Wiedergutmachung aus einem rein zivilrechtlichen Vorgang eine auch strafrechtlich bedeutsame Handlung macht. Durch die Freiwilligkeit bekommt die materielle Wiedergutmachung ihr symbolisches Element. Dies bedeutet für den hier behandelten Zusammenhang, daß die losgelöst betrachtete materielle Wiedergutmachung nicht freiwillig erbracht werden muß, daß sie aber - als nur das Verhältnis zwischen Täter und Geschädigtem betreffend - für sich genommen auch keine unmittelbare strafrechtliche Bedeutung im Sinne einer Erreichung strafrechtlicher Ziele hat. 11. Symbolische Wiedergutmachung
Symbolische Wiedergutmachung ist der Ausgleich immaterieller Gemeinschaftsschäden nach einer Straftat. Diese Schäden können in zweifacher Ausprägung auftreten: erstens als überindividuelle Störung und zweitens durch die Beeinträchtigung immaterieller Gemeinschaftsrechtsgüter. Bei der Beurteilung des notwendigen Grades an Freiwilligkeit bei der Leistungserbringung ist zwischen diesen nach Ausgleichszielen verschiedenen Arten symbolischer Wiedergutmachung zu unterscheiden. 1. Überindividuelle Störung
Die überindividuelle Störung ist ein immaterieller Gemeinschaftsschaden und damit defmitionsgemäß nur durch symbolische Wiedergutmachung auszugleichen. Dieser Ausgleich ist, so wurde dargelegt, im Regelfall zu erreichen durch freiwillig erbrachte materielle Wiedergutmachung oder, anders gewendet: wird materielle Wiedergutmachung freiwillig geleistet, dann kann sie auch als symbolische Wiedergutmachung der überindividuellen Störung gedeutet werden. Für die Bestimmung des notwendigen Maßes an Freiwilligkeit ist diese Wirkung im folgenden näher zu betrachten und dabei mit den präventiven Wirkungen der Strafe zu vergleichen. a) Norrnakzeptanz und Norrnstabilisierung Der immaterielle Gemeinschaftsschaden durch den Geltungsverlust der Norm kann bei einer dem Täter zwangsweise auferlegten Sanktion zwar an ihm, aber nicht von ihm ausgeglichen werden. Die Bestrafung des Täters oder
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Drittes Kapitel: Freiwilligkeit
die als Übel auferlegte und mit Zwang durchgesetzte Wiedergutmachung dient in Verbindung mit dem sozialethischen Unwerturteil dazu, die Verhaltensnorm zu bekräftigen, zu stabilisieren. So wird am Täter, und das heißt mit ihm als Objekt, die Verhaltensnorm nach außen in ihrer Geltung bestätigt. Der Täter ist dabei zur Passivität verurteilt, er kann selbst in diesen Vorgang nur sehr eingeschränkt eingreifen. Das Recht kann dabei seine Stärke, seine Macht demonstrieren. Es ist dies der Weg der Verantwortungsauferlegung. 29 Ganz anders funktioniert der Ausgleich der überindividuellen Störung bei freiwillig erbrachter materieller Wiedergutmachung. Der Täter bewirkt bei Erbringung materieller Wiedergutmachungsleistungen mehr als nur den unmittelbaren Ausgleich der Tatfolgen für den Rechtsgutsträger. Er setzt dann, wenn er diese Leistungen freiwillig erbringt, auch ein deutliches Signal für die Rechtsgerneinschaft. Wenn der Täter die Folgen seiner Straftat freiwillig ausgleicht, bekennt er sich zu diesen Folgen bzw. zur Notwendigkeit ihres Ausgleichs. Das bedeutet, daß er sich auch zur Norm bekennt, die gesetzt wurde, um diese Folgen gar nicht eintreten zu lassen. Der Täter demonstriert mit dem freiwilligen Wiederherstellen des Zustands, den die Norm bewahren sollte, seine Akzeptanz der Norm. 3o Diese Akzeptanz bewirkt als Folge auch eine Stabilisierung der Norm. Diese ist notwendig geworden, weil die Straftat die Geltung der Norm angegriffen hat. Freiwillig erbrachte Wiedergutmachung mit der darin enthaltenen Demonstration der Normakzeptanz bedeutet die Aufhebung der gegen die Geltung gerichteten Handlung des Täters. Derjenige, der die überindividuelle Störung verursacht hat, ist durch den actus contrarius des freiwilligen Tatausgleichs in der Lage, diese Störung wieder zu beseitigen. Dem Ausmaß des durch die Tathandlung verursachten Geltungsangriffs entspricht das Ausmaß der zum Tatfolgenausgleich notwendigen Wiedergutmachungsleistung. Es ist dies die unmittelbarste und für die Allgemeinheit offensichtlichste Möglichkeit, die Normgeltung wiederherzustellen. Dieser freiwillige Ausgleich der Tatfolgen durch den Täter ist daher auch in bezug auf die Normstabilisierung wirksamer als eine zwangsweise auferlegte Sanktion. Der Vergleich, wie K.riminalstrafe einerseits und strafrechtliche Wiedergutmachung andererseits diese Stabilisierung bewirken können, macht die Vorteile der Wiedergutmachung deutlich: K.riminalstrafe besteht aus Übel und Unwerturteil, strafrechtliche Wiedergutmachung besteht aus Tatfolgenausgleich und dem Element der Freiwilligkeit. Der Ausgleich der Tatfolgen zwischen Täter und Opfer kann dann strafrechtlich bedeutsam werden, wenn er vom Täter freiwillig geleistet wird. Damit kann der Täter selbst das zur Norm29Rössner, 30 S0
NStZ 1992, S. 411. auch Frisch, ZStW 99 (1987), S. 781.
B. Die einzelnen Wiedergutmachungsarten
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stabilisierung notwendige Unwerturteil über seine eigene Straftat sprechen. Dies geschieht aber nicht destruktiv durch Übelsauferlegung und öffentlich anprangernd, sondern im Gegenteil konstruktiv durch eigenverantwortliches Einstehen für die Tatfolgen, das heißt durch Verantwortungsübernahme. Während sich die Strafe und die gerichtlich angeordnete Wiedergutmachung als Machtdemonstration des Rechts und durch die Übelszufügung als tendenziell destruktiv erweisen, kann freiwillige Wiedergutmachung die Sinnhaftigkeit der Verhaltensnorm und die Konstruktivität der strafrechtlichen Sanktionsnorm belegen. Das Recht beruft sich damit eben nicht nur auf seine Autorität. Der Täter bekommt statt dessen die Chance, von sich aus seine rechtsfeindliche Haltung zu revidieren, und wenn er dies tut, also ihm die aus der Normverletzung entspringenden Folgen nicht nur auferlegt werden, dann werden der Geltungsanspruch der Verhaltensnorm und des Rechtsguts eher erhöht. Es wird der Konflikt des Täters mit der Gemeinschaft dadurch endgültig aus der Welt geschafft. Dagegen kann die regelmäßig destruktive Übelsauferlegung den Konflikt zwischen dem Täter und der Gemeinschaft sogar noch verschärfen. Auch diese Konfliktverschärfung kann für die Gemeinschaft den Geltungsanspruch der Norm erschüttern, sie kann zumindest Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Norm aufkommen lassen. Denn ein Recht, das sich mit Zwang Geltung verschaffen muß, kann grundsätzlich nur weniger Akzeptanz seiner Unterworfenen erwarten als ein Recht, das freiwillig befolgt wird. Diese Gefahr droht bei der Wiedergutmachung nicht, denn die freiwillige Übernahme der Folgen des Normbruchs durch den Täter ist durchaus geeignet, die überindividuelle Störung wirklich und nachhaltig zu beheben. b) Wiedergutmachung und Strafrechtszwecke Auch eine Beurteilung der Wiedergutmachung am Maßstab der Strafrechtszwecke ergibt im Vergleich zur Strafe keine ungünstigeren Ergebnisse. Aus dem Blickwinkel der Spezialprävention offenbart der Täter durch seine gegen die Norm gerichtete Handlung, daß er diese Norm nicht genügend ernst nimmt, daß er ihre Geltung für sich nicht akzeptiert. Auch das betrifft die Rechtsgemeinschaft, weil sie erwarten kann, daß der Täter aufgrund seiner Nichtakzeptanz der Norm diese auch in Zukunft verletzen werde. Wenn er nun durch seine Wiedergutmachungsleistung nach außen hin zeigt, daß er die Geltung der Norm akzeptiert, so kann die Gemeinschaft andererseits erwarten, daß er sie nicht mehr verletzen werde. Diese Normakzeptanz kann der Täter durch seine freiwillige Wiedergutmachungsleistung als Umkehrung seiner verantwortlich begangenen Tat demonstrieren. Diese Argumentation ist in zweierlei Richtungen naturgemäß verkürzt. Sie erfaßt einerseits nicht diejenigen Täter, bei denen eine längere spezialpräventi8 Laue
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Drittes Kapitel: Freiwilligkeit
ve Einwirkung wirklich notwendig wäre, weil sich die Straftat beispielsweise als ein Symptom fiir ein schwerwiegendes soziales Defizit erweist. Dies gilt in einer ersten Annäherung und pauschalierenden Betrachtung fiir den Bereich der Schwerkriminalität. Abgesehen von der weit verbreiteten Skepsis, die der resozialisierenden Wirkung von Strafen entgegengebracht wird,31 ist nicht zu leugnen, daß man bei den spezialpräventiven Einwirkungsmöglichkeiten auf Grenzen der Wiedergutmachung stößt, die unten genauer dargelegt werden sollen. 32 Dies gilt auch fiir Täter, bei denen die Tat Ausdruck eines psychischpathologischen oder eines Suchtzustandes ist. Auch hier ist im Regelfall eine tiefergehende (therapeutische) Einwirkung auf den Täter notwendig. Aber die Betrachtung soll sich hier auch nur auf den Vergleich mit der Bestrafung des Täters beschränken, also einer Übelsauferlegung mit dem Ausspruch eines sozialethischen Unwerturteils. In diesem Zusammenhang erscheint es aber andererseits offensichtlich, daß es zahlreiche Delikte und Taten gibt - namentlich im Bereich der Klein- und mittleren Kriminalität -, bei denen die resozialisierende Einwirkung durch Strafe auf den Täter unangemessen erscheint, weil der Täter gar nicht resozialisierungsbedÜTftig ist, und bei denen die Chance zur Demonstration von Normakzeptanz durch Wiedergutmachung befriedigendere Ergebnisse verspricht, weil dies den Täter mehr schont. Was die negative Generalprävention betrifft, also die Abschreckung der Allgemeinheit, ist zunächst zu sagen, daß deren Bedeutung als Strafrechtszweck gering geworden ist/ 3 weil eine abschreckende Wirkung weniger von den verhängten Sanktionen beeinflußbar erscheint als von der Intensität der polizeilichen Verfolgung. 34 Dennoch ist in diesem Zusammenhang das Argument naheliegend, daß der (wohlhabende) Täter es sich leisten könne, Delikte zu begehen, und, falls er entdeckt werde, einfach den entstandenen Schaden auszugleichen. 3s Auch wenn dieses Denken kaum der überwiegend anzutreffenden Tatmotivation entsprechen wird, so ist es doch nicht ausgeschlossen. Entscheidend ist auch hierbei eine Beurteilung des Einzelfalls. Die Wiedergutmachungsleistung, genauer die symbolische, soll die überindividuelle Störung ausgleichen. Dies geschieht nach der Tilgungswirkung der materiellen Wiedergutmachung im Regelfall durch den Ausgleich der Tatfolgen beim geschädigten Opfer. Dies gilt allerdings nur fiir den Regelfall. Es sind daneben leicht Fälle vorstellbar, bei denen die Erbringung von materiellen Wiedergutmachungsleistungen durch die darin mitgeleistete symbolische Wiedergutmachung nicht ausreicht, die 31Sie"e dazu nur Lüderssen, Krise des Resozialisierungsgedankens im Strafrecht?,
JA 1991, S. 222.
32Siehe unten Viertes Kapitel B 11. 33Roxin, Festschrift Lerche, S. 303 f.; Vgl. Frehsee, TOA-Bonner Symposium, S. 51; 34Siehe dazu Dölling, ZStW 102 (1990), S. 3 mit Nachweisen. 3sHirsch, ZStW 1990, S. 545 f.; Loos, ZRP 1993, S. 51, 54.
B. Die einzelnen Wiedergutmachungsarten
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überindividuelle Störung, also den Geltungsverlust der Norm in der Allgemeinheit, auszugleichen. Denkbar ist allgemein, daß die Folgen einer Tat (zufällig) sehr gering ausfallen, das Handlungsunrecht und die Schuld aber dennoch beträchtlich sind. Die Normgeltung hat also unverhältnismäßig mehr Schaden genommen als das Tatopfer. Auf der anderen Seite kann es Konstellationen geben, in denen es dem (wohlhabenden oder versicherten) Täter unverhältnismäßig leichtfällt, den entstandenen Schaden auszugleichen. In beiden Fällen reicht die symbolische Wiedergutmachung, die in der erbrachten materiellen Wiedergutmachungsleistung umfaßt ist, allein nicht aus, um die überindividuelle Störung zu beheben. Dann sind zusätzliche symbolische Wiedergutmachungsleistungen vom Täter zu fordern. Dieser Problemkreis soll später näher diskutiert werden. 36 Die positive Generalprävention betrifft unmittelbar den Aspekt der Normstabilisierung. Roxin spricht in diesem Zusammenhang von einem "Vertrauenseffekt, der erzielt wird, wenn die Bevölkerung sieht, daß das Recht sich durchsetzt", und von einem "Befriedungseffekt, der sich ergibt, wenn die Allgemeinheit die durch die Straftat herbeigeführte soziale Störung als beseitigt empfmdet.,,37 Es ist also weiter zu differenzieren. Der Vertrauenseffekt bezeichnet wohl genau das, was hier als Ausgleich der überindividuellen Störung bezeichnet wurde, und dies ist das Feld der symbolischen Wiedergutmachung. Um allerdings zu zeigen, daß das Recht sich schließlich durchsetzt, daß es stärker ist als die gegen das Recht gerichtete Handlung des Täters, ist Freiwilligkeit nicht notwendig. Der Vertrauenseffekt kann sich auch einstellen, wenn dem Täter die Sanktion auferlegt, aufgezwungen wird, also aus einer Machtdemonstration des Rechts. Ein freiwilliges aktives Mitwirken des Täters scheint dabei nicht notwendig. Oben38 wurde aber bereits gezeigt, daß der Ausgleich der überindividuellen Störung durch freiwillige Wiedergutmachung im Vergleich zur Bestrafung des Täters zumindest gleich wirksam erfolgen kann. Freiwillige Wiedergutmachung ist darüber hinaus regelmäßig aber sogar wirksamer, weil sie die Normakzeptanz des Täters urnfaßt, die der Normstabilisierung durch den Zwang der Strafe fehlt. Die Normstabilisierung durch freiwillige Verantwortungsübernahme ist darüber hinaus der konstruktivere und schonendere Weg. Bei der näheren Umschreibung des Befriedungseffekts meint Roxin, die soziale Störung sei erst dann vollständig behoben, wenn auch das Opfer der Straftat so weit wie möglich in seine Rechte wiedereingesetzt sei. 39 Dies bezeichnet offensichtlich einen weiteren Begriff der Störung als die hier um36Siehe unten Viertes Kapitel C. IV. 37Roxin, Festschrift Lerche, S. 304. 38Siehe S. 74 ff. 39Roxin, Festschrift Lerche, S. 304. 8'
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Drittes Kapitel: Freiwilligkeit
schriebene überindividuelle. Die Friedensstiftung zwischen Täter und Opfer durch materielle oder ideelle Wiedergutmachung erhöht ohne Zweifel die Akzeptanz des Strafverfahrens, ist aber nicht originäre Aufgabe des Strafrechts, sondern des Rechts allgemein. Ein einheitliches rechtliches Verfahren, nach dessen Abschluß alle Interessen der Beteiligten berücksichtigt und alle Konflikte gelöst sind, kann eine hohe Zufriedenheit der Parteien und größte Akzeptanz der Allgemeinheit erwarten. Dieses Ziel zu erreichen, ist strafrechtliche Wiedergutmachung grundsätzlich geeignet, weil sie durch Einbeziehung materieller und ideeller Wiedergutmachung auch außerstrafrechtliche, sogar außerrechtliche Interessen der Beteiligten in das Strafverfahren zu integrieren imstande ist. Behandelt werden sollen aber hier nur die spezifisch strafrechtlichen Wirkungen, also die Wirkungen zwischen Täter und Rechtsgemeinschaft. Deren spezifisch strafrechtlicher Konflikt reduziert sich auf die überindividuelle Störung. Es geht also hier unmittelbar nur um die Auswirkungen des Konflikts zwischen Täter und Rechtsgemeinschaft aus Anlaß der Straftat und den dadurch verursachten Geltungsverlust der Norm. Zwar kann der Allgemeinheit auch autoritär demonstriert werden, daß das Recht stärker ist als die gegen das Recht gerichtete Handlung. Dies kann durch Auferlegung von Zwang geschehen. Freiwilligkeit wäre somit nicht vonnöten, das Recht kann gegen den Willen des Täters durchgesetzt werden. Die freiwillige Akzeptanz der Norm durch den Täter hat aber in zahlreichen Fällen eine stärkere normstabilisierende Wirkung und ist daher mindestens ebensogut geeignet, die Strafrechtszwecke zu erreichen.
c) Anforderungen an die Freiwilligkeit Die Freiwilligkeit der Leistungserbringung stellt sich somit als Bedingung der strafrechtlichen Wirksamkeit der Wiedergutmachung dar. Es ist daher im weiteren zu untersuchen, welche Anforderungen an diese Freiwilligkeit zu stellen sind, so daß die Handlung des Täters die überindividuelle Störung ausgleichen und damit das Normvertrauen wiederherstellen kann. Es geht nun um den Grad an Freiwilligkeit, der dem gesamten Tatfolgenausgleich zueigen sein muß, also nicht nur der hier direkt behandelten symbolischen, sondern auch der mittelbar erfaßten materiellen Wiedergutmachung. Über diese wurde zwar gesagt, daß sie auch unfreiwillig erbracht werden könne, um ihr unmittelbares Ziel - den Ausgleich zwischen Täter und Rechtsgutsträger - zu erreichen. Sie muß aber freiwillig erbracht werden, um das strafrechtlich bedeutsame Verhältnis zwischen Täter und Rechtsgemeinschaft zu berühren. Die materielle Wiedergutmachung bekommt also, das sei nochmals betont, dann eine symbolische Bedeutung, wenn sie freiwillig erbracht wird. Das Maß dieser Freiwilligkeit ist näher zu bestimmen.
B. Die einzelnen Wiedergutmachungsarten
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Die symbolische Wirkung des Tatfolgenausgleichs besteht, so wurde oben festgestellt, zunächst in der durch die Leistungserbringung demonstrierten Normakzeptanz des Täters. Auf den allerersten Blick gibt es in bezug auf die zeitliche Komponente der Freiwilligkeit dafiir kein Limit. Normakzeptanz kann vom Täter auch erst im Laufe eines Strafverfahrens gewonnen werden, es ist sogar theoretisch denkbar, daß der Täter erst nach Verhängung einer Strafe die Sinnhaftigkeit der von ihm verletzten Norm einsieht. Es steht ja im Regelfall fest, daß der Täter im Zeitpunkt der Begehung der Tat die Geltung der Norm fiir sich nicht akzeptiert hat; ein diesbezüglicher Lerneffekt im Zuge einer Auseinandersetzung mit dem Opfer bzw. mit den Auswirkungen der Tat ist durchaus wünschenswert. Allerdings ist die Normakzeptanz des Täters nicht so isoliert zu betrachten. Es geht in diesem Zusammenhang eben nicht nur um die Person des Täters. Seine Normakzeptanz stellt ja nur einen Zwischenschritt dar auf dem Weg zum Ziel der symbolischen Wiedergutmachung, nämlich dem Ausgleich der überindividuellen Störung, letztlich also der Normbestätigung. Diese Normbestätigung soll in der Allgemeinheit bewirkt werden, die somit Adressat der symbolischen Wiedergutmachung ist. Daher muß im Vordergrund stehen, wann die Normakzeptanz des Täters noch die erwünschten Wirkungen in der Allgemeinheit haben kann, wann also die Allgemeinheit die durch eine positive Leistung des Täters geäußerte Verantwortungsübernahme fiir sein Handeln noch als Bestätigung der Normgeltung ansehen kann. Eine irgendwann entwickelte und vom Täter geäußerte Normakzeptanz erreicht dieses Ziel regelmäßig nicht. Deutlicher wird dies unter dem Blickwinkel des motivationalen Aspekts der Freiwilligkeit. Es wurde bereits betont, daß eine gegen den Willen des Täters mit Zwang durchgesetzte Wiedergutmachung keine Normakzeptanz indiziert. Akzeptanz der Norm ist zwar ein inneres Phänomen, das aber seine Wirkungen nach außen entfalten muß, denn Adressat dieser "Leistung" ist die Allgemeinheit. Letztlich wäre dafiir nur die Gewißheit ausreichend, daß der Täter sein Umecht einsieht und Reue darüber empfmdet. Weil es aber praktisch unmöglich ist, die innere Einstellung des Täters zu erkennen, muß sich das Strafrecht darauf beschränken, die äußeren Handlungen des Wiedergutmachung Leistenden zu beurteilen. Einerseits könnte man nun meinen, es müsse ausreichen, daß der Täter sich angesichts einer konkretisierten Strafdrohung fiir den Weg der Wiedergutmachung entscheidet, so wie es ausreicht, daß ein potentieller Straftäter von der Begehung einer Tat aus Angst vor Strafe absieht. Es muß dem Strafrecht grundsätzlich gleichgültig sein, warum der Bürger sich fiir die Einhaltung der Rechtsnormen entscheidet, dies kann auch aus Furcht vor Strafe geschehen. Natürlich ist dies in bezug auf die Normakzeptanz und die dadurch bewirkte
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Drittes Kapitel: Freiwilligkeit
Normstabilisierung weniger befriedigend als ein Bürger, der aus Überzeugung von der Richtigkeit und Unverzichtbarkeit der Norm diese befolgt. Aber eine solche rechtstreue Gesinnung kann das Strafrecht nicht fordern 40 und vor allem nicht überprüfen. Dies legt es nahe, die Anforderungen an die Freiwilligkeit der Wiedergutmachungs leistung nicht allzu hoch anzusetzen, sie insbesondere dann noch als ausreichend anzusehen, wenn sich die Möglichkeit einer Bestrafung für den Täter schon konkret abzeichnet. Andererseits aber sind an einen Täter, der die strafrechtlich bewehrte Norm bereits gebrochen und ihre Geltung damit gefährdet hat, höhere Anforderungen zu stellen als an den bisher völlig unauffälligen Bürger. Vom Straftäter kann und muß man deswegen wohl durchaus mehr verlangen, nämlich ein Verhalten, das tatsächlich eine Beruhigung in der Gemeinschaft begründen kann. Dies ist am ehesten zu erwarten bei einer sehr frühzeitigen und überwiegend vom Motiv der Reue getragenen Wiedergutmachung. Diese Gegensätzlichkeit von einerseits Restriktionen, denen das Strafrecht unterworfen ist, und andererseits der optimalen strafrechtlichen Wirkung einer möglichst frühzeitig und autonom erbrachten Leistung des Täters, macht eine pauschale Bestimmung der notwendigen Freiwilligkeit sehr schwierig. Dazu kommen noch weitere Probleme. Für den Täter kann es bei komplizierter Sach- oder Rechtslage oftmals nur schwer oder gar nicht erkennbar sein, ob er sich überhaupt und in welchem Umfang strafbar gemacht hat. Allein deshalb kann das Idealbild einer möglichst frühzeitigen freiwilligen Wiedergutmachung nicht realisierbar sein, etwa bei Fahrlässigkeitsdelikten oder weil der Täter sich in einem Verbotsirrtum befmdet. 41 Alle hier beschriebenen Unwägbarkeiten legen prima facie einen Verzicht auf eine feste Grenze für die Annahme ausreichender Freiwilligkeit nahe. Es müßte danach dem Richter (gegebenenfalls dem Staatsanwalt) im Einzelfall überlassen bleiben, in welchem Umfang die Erbringung von Wiedergutmachungsleistungen strafersetzend oder strafmildernd zu berücksichtigen wäre. So könnte eine sehr frühzeitige Leistung des Täters, etwa ganz zu Beginn eines Ermittlungsverfahrens, ein Absehen von Strafe rechtfertigen oder zumindest in hohem Maße strafmildernd wirken, eine in einem späteren Verfahrensstadium erbrachte oder angebotene Wiedergutmachungsleistung könnte nach und nach weniger Strafmilderung bewirken bis hin zu dem im letzten Wort des Angeklagten vorgebrachten Wiedergutmachungsangebot, das keine oder allenfalls geringfügige Auswirkungen auf den Strafausspruch haben sollte. Eine solche Praxis wäre vergleichbar mit der Berücksichtigung eines Geständnisses im Sinne eines Schuldbekenntnisses des Täters. Als Grund für die Minderung des 4Oygl. Rössner, Festschrift Baumann, S. 275. 41Beispiele von AE-Wgm, S. 56.
B. Die einzelnen Wiedergutmachungsarten
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Sanktionsbedürfnisses wird ja auch hier die Anerkennung der strafrechtlich bewehrten Norm angesehen42 und die Praxis honoriert ein frühzeitiges Geständnis mehr als dasjenige, das am Ende des Verfahrens abgelegt wird, wenn die Beweiskette bereits lückenlos ist. Eine solche Lösung, die es also der Praxis zu beurteilen überließe, in welchem Maße die Erbringung oder das Angebot von Wiedergutmachungsleistungen sich auf die Strafe auswirke, läge nahe angesichts der Schwierigkeiten, eine pauschale Grenze festzulegen für die Anerkennung einer Wiedergutmachungsleistung als freiwillig. Aber auch bei einer solchen Verlagerung auf die Ebene des Einzelfalls fehlten noch immer Kriterien, in welchem Maße Richter oder Staatsanwälte Wiedergutmachungsleistungen des Täters strafmildernd oder strafersetzend berücksichtigen sollten. Das Problem wäre nur abgeschoben, aber nicht gelöst. Darüber hinaus kann ein Geständnis nur das Strafmaß beeinflussen. Symbolische Wiedergutmachung dagegen soll als Teil einer "Großen Lösung" im Sinne des AE-W gm43 dazu dienen, Strafe möglichst weitgehend zu ersetzen. Demnach soll für große Bereiche der Kriminalität Wiedergutmachung die Hauptreaktion an Stelle der Strafe darstellen. Deswegen muß die Wiedergutmachung auch prinzipiell darauf ausgerichtet sein, die gesamten Tatfolgen ausgleichen zu können, und das heißt in diesem Zusammenhang, die Wiedergutmachung muß ein solches Maß an Normbestätigung bewirken, daß sich die Allgemeinheit über den Normbruch vollständig beruhigt. Dabei soll gerade nicht die Bestrafung des Täters als Auffangnetz dienen, bei der, wie beim Geständnis, eine graduelle Beurteilung der Normakzeptanz des Täters möglich ist, sondern es soll die Wiedergutmachung im Regelfall eine so wirksame Normbestätigung darstellen, daß die Strafe überflüssig wird. Unter diesem Aspekt wird klar, daß die Leistung des Täters eines nicht unbeträchtlichen Maßes an Freiwilligkeit bedarf. Vor allem ist der Eindruck zu vermeiden, der Täter greife in einer auswegslosen Verfahrenssituation zum letzten Mittel zur Vermeidung der Strafe, eben dem Angebot der Wiedergutmachung. Die Allgemeinheit kann darin wohl kaum eine freiwillig geäußerte Anerkennung der Norm erkennen. Auf den Blickwinkel der Allgemeinheit kommt es aber gerade an, denn sie ist Adressat der Leistung. Nach alledem muß ein relativ frühzeitiges Angebot des Täters, Wiedergutmachung zu leisten, gefordert werden. Nach dem AE-W gm bildet grundsätzlich die Eröffnung des Hauptverfahrens die zeitliche Grenze für die Erbringung der Wiedergutmachungsleistung (§ 6 I AE_Wgm).44 Unter all den hier erörterten Gesichtpunkten erscheint diese Regelung angemessen. Zwar stehen für den AE-Wgm bei der Festlegung des rele42Frisch, ZStW 99 (1987), S. 781 f.; Dencker, ZStW 102 (1990), S. 66; Schäfer, Strafzumessung, Rn. 296. 43Siehe oben S. 21 ff.; vgJ. auch AE-Wgm, S. 42. 44Siehe oben S. 106.
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Drittes Kapitel: Freiwilligkeit
vanten Zeitpunktes die Interessen des Verletzten im Vordergrund, 45 aber diese Regelung deckt sich auch mit den hier behandelten Kriterien. Mit der Zustellung der Anklageschrift weiß der Angeschuldigte spätestens, welcher strafrechtliche Vorwurf ihm gemacht wird. Dann kann er entscheiden, wie er darauf reagieren will. Das Zwischenverfahren hätte damit die Funktion, diejenigen Tatsachen zu sammeln, die darüber entscheiden, ob das Hauptverfahren eröffnet werden soll. Zu diesen Tatsachen gehört auch die Erbringung von Wiedergutmachungsleistungen. Dadurch ist der Täter unter gewissen Druck gesetzt. Er muß sich klar machen, ob er die Leistung erbringen will, die als Umkehrung seiner Tat die Normbestätigung bewirkt oder nicht. Es besteht dabei der Druck, überhaupt bestraft werden zu können. Dieser Druck ist aber im Zwischenverfahren noch nicht so konkretisiert, daß der Täter abwägen kann, ob sich das Risiko des Strafverfahrens für ihn eher auszahlt als die Leistung von Wiedergutmachung. Eine solche Kosten-Nutzen-Analyse - die wohl manches Geständnis in der Hauptverhandlung motiviert - dürfte die Wirkungen der Wiedergutmachungsleistung in der Allgemeinheit in besondeFem Maße beeinträchtigen, und ihre Möglichkeit ist daher weitgehend auszuschließen. Allerdings sollte die Eröffnung der Hauptverhandlung nur die regelmäßige zeitliche Grenze für die verbindliche Zusage der Leistungserbringung darstellen, nicht für deren Erbringung selbst. Es sind zu viele Umstände denkbar, die dem Täter eine zeitpunktgenaue Bewirkung der Leistung unmöglich machen. Genannt seien nur die bereits oben erwähnte komplizierte Sach- oder Rechtslage, dazu Schwierigkeiten bei der Feststellung des zu ersetzenden Schadens oder eine nur zögerliche Kooperation des Geschädigten. Die notwendige Außenwirkung der symbolischen Wiedergutmachung auf die Allgemeinheit macht zwar eine gewisse Straffung der Leistungserbringung notwendig, das kann aber angesichts der zahllosen möglichen Delikts- und Verfahrensverläufe nur regelmäßig gelten, nicht ausnahmslos. Darüber hinaus besteht die normbestätigende Wirkung bereits im wesentlichen in der verbindlichen Zusage der Leistung, die das Anerkennen der verletzten Norm bedeutet. Eine Absicherung dagegen, daß der Täter die Leistung verbindlich zusagt, dann aber doch nicht erbringt, könnte dadurch gewährleistet werden, daß er - einem Vorschlag Brauns' folgend46 - zumindest bis zum Beginn der Hauptverhandlung konkrete Anstrengungen unternommen und nachgewiesen hat, die Leistung zu erbringen. Durch die Festlegung der Eröffnung des Hauptverfahrens als Grenze für die Berücksichtigung von Wiedergutmachungsleistungen ist aber andererseits nicht
45 AE _Wgm, S. 55. 46Siehe Brauns, Wiedergutmachung, S. 233 fT., der als maßgeblichen Zeitpunkt allgemein den Beginn der Hauptverhandlung gelten lassen will.
B. Die einzelnen Wiedergutmachungsarten
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gesagt, daß der Täter stets straffrei bleiben muß. Die Leistung kann seine Strafe im konkreten Fall auch nur mildern. Insofern muß noch Spielraum bleiben fiir eine einzelfallbezogene Beurteilung durch Staatsanwalt und Richter. Kriterien hierfiir dürften sein: der Nutzen und Wert der Wiedergutmachung fiir den Geschädigten, die mit der Wiedergutmachung verbundene Belastung fiir den Leistenden und insbesondere, weil daraus die Normbestätigung resultiert, das Maß der Freiwilligkeit der Leistungserbringung, also deren Zeitpunkt und die dahinter stehende Motivation des Leistenden. 47
2. Ausgleich von Beeinträchtigungen immaterieller Universalrechtsgüter
Ganz anders ist symbolische Wiedergutmachung als Ausgleich von Verletzungen immaterieller Universalrechtsgüter zu beurteilen. Hierbei ist unmittelbarer Ausgleichsgegenstand nicht die überindividuelle Störung, sondern die Verletzung bzw. Gefährdung des universalen (Sicherheits-)Rechtsguts. Daher ist diese Konstellation eher mit der materiellen Wiedergutmachung zu vergleichen als mit der symbolischen Wiedergutmachung zum Ausgleich der überindividuellen Störung.
a) 1. Gruppe von Universalrechtsgütern Oben wurde zwischen zwei nach ihrem Schutzzweck grundsätzlich verschiedenen Arten immaterieller Universalrechtsgüter unterschieden: zum einen Universalrechtsgüter, die der Vorverlagerung des Schutzes von Individualrechtsgütern dienen, zum anderen Universalrechtsgüter zum Schutz gesellschaftlicher Systeme. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß die Rechtsgüter der ersten Gruppe so beschaffen sind, daß Wiedergutmachungsleistungen, die eine präventiv wirksame Rechtsgutsverdeutlichung zulassen, grundsätzlich vorstellbar sind. So kann man beispielsweise die Sicherheit des Straßenverkehrs in Institutionen wie Unfallkrankenhäusern oder dem Technischen Hilfswerk verkörpert sehen. Institutionen also, innerhalb deren Organisation gemeinnützige Arbeiten denkbar sind, die der Erhaltung des Rechtsguts dienen und eine Verletzung des Rechtsguts - wenn auch nicht real, sondern symbolisch - auszugleichen geeignet sind. Konkret kann der Täter z.B. einer Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) Dienste in einem Unfallkrankenhaus leisten. Die Rechtsgutsverdeutlichung ist damit gewährleistet.
47Yg1 die von Brauns, Wiedergutmachung, S. 177 ff., 204 ff., entwickelten Wertungskriterien des Erfolgs- und des Handlungswertes der Wiedergutmachungsleistung.
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Drittes Kapitel: Freiwilligkeit
Wie freiwillig diese Leistungserbringung erfolgen soll, richtet sich dabei allerdings nach der durch die Tilgungswirkung mitzuleistenden symbolischen Wiedergutmachung zum Ausgleich der überindividuellen Störung. Insofern ist auf das oben dazu Ausgeführte zu verweisen. Der Täter muß also die Erbringung der Wiedergutmachungs leistungen in der Regel vor der Eröffnung des Hauptverfahrens verbindlich anbieten oder zusagen.
b) 2. Gruppe von Universalrechtsgütern Sehr viel schwieriger ist die Situation bei der zweiten Gruppe immaterieller Universalrechtsgüter, weil, wie oben48 gezeigt wurde, ihre Schutzobjekte wie etwa "Sicherheit des Beweisverkehr" oder "öffentlicher Frieden" selten bis gar nicht so institutionalisiert sind, daß sinnvolle Ausgleichsleistungen vorstellbar sind. Auch wurde gezeigt, daß bereits die einzelne strafbare Handlung, etwa eine Urkundenfälschung, eine nur denkbare konkrete Gefährdung des Rechtsguts nicht bewirken kann, und damit gar keine konkrete Folge der Tat vorstellbar ist. Unter diesen Umständen erscheint es schwierig, der materiellen Wiedergutmachung vergleichbare Wiedergutmachungsleistungen zu defmieren. Am Anfang dieses Kapitels wurde dargestellt, daß (außerstrafrechtliche) Wiedergutmachung als Ausgleich der Folgen einer Unrechtshandlung einem gewissen gesellschaftlich anerkannten Idealbild folgt. Dabei ist diese ideale Wiedergutmachung der Ausgleich zwischen Täter und Opfer, der vom Täter ausgeht - möglichst vor der Entdeckung der Tat und mit dem Motiv der Reue. Diese Wiedergutmachung ist so weit gesellschaftlich anerkannt, daß ihr allgemein zugebilligt wird, das Unrecht aus der Welt zu schaffen. Diesem Modell einer freiwilligen Wiedergutmachung kann die strafrechtliche materielle Wiedergutmachung durch einen Straftäter nahekommen, sie kann als Vorbild für ihre strafrechtliche Wirksamkeit dienen. Im weiteren soll gezeigt werden, daß bei der Wiedergutmachung von Beeinträchtigungen irnrnaterieller Universalrechtsgüter, die gesellschaftliche Systeme schützen, ein Idealbild, wie es bei der materiellen Wiedergutmachung möglich erscheint, gar nicht denkbar ist. Damit fehlt aber bereits das abstrakte Vorbild und somit der Maßstab, an dem die Erbringung von Leistungen in einem konkreten Einzelfall gemessen werden kann. Ohne ein solches Vorbild ist es nicht möglich abzuschätzen, in welchem Ausmaß krirninalpräventive Zwecke durch die Täterleistungen erreicht wurden und somit ein Absehen von Strafe rechtfertigen.
48Siehe S. 96 f.
B. Die einzelnen Wiedergutmachungsarten
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Zur Verdeutlichung dessen kann man sich vorstellen, daß ein Täter eine Urkunde fälscht um damit einen Betrug zu begehen. Es ist ja möglich, daß in der Folge einer Urkundenfälschung ein personales Opfer geschädigt wird. Dies ist aber ein Fall der materiellen Wiedergutmachung und die Schädigung ist in deren Rahmen auszugleichen. Sollte der Täter also mit der gefälschten Urkunde einen Betrug begangen haben, dann kann er sich, wenn ihn die Tat reut, um einen Ausgleich mit dem am Vermögen Geschädigten bemühen. Er kann den angerichteten Vermögens schaden des Opfers ausgleichen und sich bei diesem entschuldigen. Angenommen, all dies geschieht und der Betrug bleibt im Dunkeifeid, weil auch der Verletzte keine weitere Verfolgung der Tat mehr wünscht, so ändert sich doch an der materiellen Strafbarkeit sowohl wegen Betrugs als auch wegen Urkundenfälschung nichts. Immerhin konnte der Täter aber in bezug auf den Betrug alle Wiedergutmachung leisten, die von ihm erwartet werden konnte. Diese hat, so soll angenommen werden, zu einer befriedigenden Konflikterledigung mit dem Opfer geführt und der Täter kann daher auch einer Entdeckung der Tat durch Strafverfolgungsbehörden relativ gelassen entgegensehen, denn etwa nach dem Konzept des AE-Wgm ist mit einem Absehen von Strafe zu rechnen (§ 4 AE-Wgm). Anders ist es hingegen bei der Urkundenfälschung. Hier ist es ungleich schwerer für den Täter von sich aus die Folgen der Tat wiedergutzumachen. Mit der Tat wurde theoretisch die Zuverlässigkeit und Sicherheit des Rechtsund Beweisverkehrs beeinträchtigt. 49 Weil dies ein immaterielles Universalrechtsgut ist, müßte der Täter zum Ausgleich der Tatfolgen symbolische Wiedergutmachung leisten, um den Status des § 4 AE-Wgm zu erreichen, also darauf vertrauen zu können, daß auch bezüglich der Urkundenfälschung von Strafe abzusehen wäre. so Aber was kann er konkret tun? Die Schwierigkeiten bei der Beantwortung dieser Frage scheinen unüberwindlich. - Dem Täter kann es zunächst schon nicht gelingen, überhaupt den durch seine Tat angerichteten Schaden zu bestimmen. Wie oben bereits festgestellt wurde, gibt es eine konkrete Tatfolge der einzelnen Urkundenfälschung, bezogen auf deren Rechtsgut, nicht. Die Täuschung des konkret durch den Betrug oben S. 31 f. dargelegten Sinne. sOlm vom AE-Wgm vorgebrachten Beispiel eines Widerstands gegen Vollstrekkungsbeamte (§ 113 StGB) stellen die Autoren den Ausgleich des Täters mit dem Beamten in den Vordergrund, siehe AE-Wgm, S. 29. Dessen strafrechtliche Grundlage ist aber wohl eher eine Nötigung, die - das macht die Besonderheit dieses Delikts aus nach h. M. im Wege der Spezialität von § 113 StGB verdrängt wird (s. Tröndle, StGB § 113 Rn. I; a.M. Schmid JZ 1980, S. 58), oder einer Körperverletzung. Für den gesamten Ausgleich der Folgen des - ein immaterielles Universalrechtsgut (Ungestörte Durchsetzung staatlicher Vollstreckungsakte, Tröndle, StGB § 113 Rn. I) schützenden - § 113 StGB sieht der AE aber die Notwendigkeit, "einen weiteren symbolischen Akt" zu erbringen. Nur dieser - das sei verdeutlicht - stellt die zu § 113 StGB notwendige symbolische Wiedergutmachung dar. 491m
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Drittes Kapitel: Freiwilligkeit
Geschädigten ist tatbestandlich Teil des Betruges und somit von der materiellen Wiedergutmachung gegenüber dem Verletzten zu erfassen. Die Täuschung gehört aber auch zum Tatbestand der Urkundenfälschung und betrifft daher auch die Beeinträchtigung des Rechtsguts "Sicherheit des Beweisverkehrs", deren Konkretisierung dem Täter aber - jetzt auf das Universalrechtsgut bezogen nicht gelingen kann. Dies kann, wie oben51 gezeigt wurde, nicht einmal dem Richter gelingen. Es ist dem Täter somit bereits unmöglich, zu bestimmen, welchen Schaden am Rechtsgut der Urkundenfälschung er wiedergutzumachen hat. - Er kann auch nicht bestimmen, wemgegenüber Wiedergutmachung zu leisten ist. Durch die Gefährdung des Beweisverkehrs ist die Allgemeinheit verletzt. Eine Leistung gegenüber der Allgemeinheit ist ihm im Normalfall nicht möglich. Es ist ihm aber auch nicht die Auswahl einer die Allgemeinheit symbolisierenden Gruppe oder Institution möglich. Denn welche Gruppe von Menschen oder Institution repräsentiert den Beweisverkehr? - Wenn der Täter nicht bestimmen kann, welche Tatfolge wemgegenüber wiedergutzumachen ist, kann er auch keine entsprechende konkrete Leistung defmieren. Es ist ihm auch nicht geholfen mit der üblichen Umschreibung des Inhalts symbolischer Wiedergutmachung als gemeinnütziger Arbeit oder Geldzahlung an gemeinnützige Einrichtungen, denn was sollte er von sich aus sinnvollerweise tun? Es wäre ein absurdes Szenario, ginge der vom schlechten Gewissen geplagte Täter in einen Park, sammelte dort den Müll auf, um ihn dem Staatsanwalt mit dem Geständnis der Urkundenfälschung vorzulegen. Die Möglichkeit einer sinnvollen, und das heißt das Rechtsgut verdeutlichenden Wiedergutmachungsleistung bleibt dem Täter verschlossen. - Zuletzt dürfte es dem Täter im Normalfall auch schwerfallen, den verletzten Tatbestand und dessen Bedeutung überhaupt zu erkennen. In unserem Fall wäre es sehr erstaunlich, hätte der Täter nach dem Ausgleich mit dem Betrugsopfer nicht auch den gesamten Fall als erledigt angesehen. Es ist nicht zu erwarten, daß ein Täter, der die Urkundenfälschung zur Begehung eines Betruges instrumentalisiert, erkennt, daß über den Ausgleich mit dem Betrugsopfer hinaus noch weitere Rechtsgüter der Allgemeinheit beeinträchtigt sind, die es ebenfalls auszugleichen gilt. Für eine solche Erwartung liegen in vielen Fällen die Tatbestände, die immaterielle Universalrechtsgüter schützen, zu fern von der Vorstellung über die Reichweite des Strafrechts, die allgemein vorausgesetzt werden kann. Aus all diesen beschriebenen Problemen muß der Schluß gezogen werden, daß eine Wiedergutmachung, wie sie bei der Verletzung materieller Individualrechtsgüter möglich ist, bei der Beeinträchtigung immaterieller Universal51 S .
97 ff.
B. Die einzelnen Wiedergutmachungsarten
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rechts güter, zumindest der 2. Gruppe, nicht denkbar erscheint. Es ist dem Täter nicht möglich, seine freiwillige Wiedergutmachungsbereitschaft zu zeigen und dementsprechend von sich aus zu handeln. Somit kann der Täter nach der Begehung einer immaterielle Universalrechtsgüter verletzenden Straftat nur eine zweite, das heißt tiefere Stufe zur Leistung von Wiedergutmachung betreten. Er müßte seine Tat selbst anzeigen und gleichzeitig seine Bereitschaft zur Erbringung positiver Leistungen zum Ausgleich der Folgen seiner Tat bekunden. So entfernt ist dies der Situation beim oben beschriebenen Idealbild der materiellen Wiedergutmachung allerdings nicht. Auch dabei muß der Täter in der Regel seine Täterschaft gegenüber dem Opfer bekennen und mit diesem Leistungen entsprechend seiner Fähigkeiten und entsprechend der Bedürfnisse des Geschädigten bestimmen. Dort - also bei der Wiedergutmachung materieller Individualrechtsgüter - wird sich der Täter an den Geschädigten wenden, hier nach der Beeinträchtigung immaterieller Universalrechtsgüter - an Strafverfolgungsbehörden im weiteren Sinne, also Polizei, Staatsanwaltschaft oder Richter. Die beiden Situationen unterscheiden sich aber in zwei Punkten wesentlich. Die Unterschiede bestehen darin, daß hier erstens der Täter nichts wiedergutmachen kann, und daß er zweitens nichts wiedergutmachen will. Daß er nichts wiedergutmachen kann, wurde bereits ausfiihrlich beschrieben. Weder er noch Staatsanwalt oder Richter sind in der Lage die Folgen der konkreten Tat zu umschreiben und dementsprechend eine Leistung zu deren Ausgleich zu bestimmen. Es kann daher auch keine Verhandlungen geben zwischen dem Täter und der Strafmstanz, innerhalb deren sich die jeweiligen Vorstellungen der Beteiligten über die Folgen der Tat annähern könnten. Sollten sich demgegenüber beim oben erwähnten Betrug und also im Rahmen der materiellen Wiedergutmachung Diskrepanzen zwischen Täter und Opfer über die Folgen des Betruges ergeben, so können diese zur Sprache gebracht und durch Verhandlungen ausgeräumt werden. Denn da die Wiedergutmachung von Verletzungen materiellerIndividualrechtsgüter eine natürliche, weil in unserer Gesellschaft etablierte Verfahrensform zur Konfliktbeilegung ist, hat jeder der Beteiligten gleichsam natürliche Vorstellungen über deren Ausgestaltung. Dies ist bei der Beeinträchtigung immaterieller Universalrechtsgüter anders, denn darüber kann keiner der Beteiligten feste Vorstellungen haben. Verhandlungen sind damit bereits theoretisch nicht möglich. Daraus folgt als weitere Konsequenz, daß ein echter "Ausgleich" zwischen den Beteiligten ohne die theoretische Möglichkeit von Verhandlungen nicht möglich ist. Dies fUhrt zum zweiten wesentlichen Unterschied. Der Täter will gar nichts wiedergutmachen, sondern erstens möglicherweise sein Gewissen entlasten und - das erscheint wesentlicher - zweitens Strafe vermeiden. Die einzig "natürliche" Wiedergutmachung einer Urkundenfälschung wäre - nach dem
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Drittes Kapitel: Freiwilligkeit
Ausgleich mit dem durch den begleitenden Betrug individuell Geschädigten die Vernichtung der falschen Urkunde. 52 Sollte der Täter danach seine Tat dennoch gestehen, so wäre die Beeinträchtigung der Sicherheit des Beweisverkehrs, die ja im gewählten Fall in der Gebrauchmachung der gefälschten Urkunde .lag, zwar noch nicht strafrechtlich wiedergutgemacht. Dies, also eine "echte" Wiedergutmachung der einmal eingetretenen Beeinträchtigung des Rechtsgutes ist dem Täter nicht möglich. 53 Aber darauf kann es dem Täter wohl nicht ankommen. Es geht ihm in dieser Situation um die Vermeidung von Strafe. Für den Staatsanwalt oder Richter steht dagegen die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs im Vordergrund, bzw. der allfällige Verzicht darauf. In der Bestimmung einer Täterleistung und dabei möglichen Verhandlungen geht es somit nicht um die Bestimmung einer Täterleistung zum Ausgleich der Folgen einer Tat, sondern um Strafe oder deren Ersatz. Die Erbringung von Leistungen durch den Täter dient daher nicht dem Ausgleich der Tatfolgen, sondern der Vermeidung von Strafe. Als strafrechtliche Wiedergutmachung, die ja vom AE-Wgm als "Ausgleich der Folgen der Tat durch freiwillige Leistungen des Täters" defmiert wurde, kann man eine solche Leistung nur bezeichnen, wenn man die Strafwürdigkeit als eine Folge der Tat ansieht. Somit wären wir wieder an dem Punkt angelangt, den wir schon oben (am Ende des Zweiten Kapitels) erreicht haben: Bei der Verletzung immaterieller Universalrechtsgüter, die gesellschaftliche Systeme schützen, kann symbolische Wiedergutmachung echte Wiedergutmachung nicht sein, weil ein echter Tatfolgenausgleich nicht möglich ist. Dies gilt uneingeschränkt für die Universalrechtsgüter der 2. Gruppe, in der es beim Angebot der Erbringung positiver Leistungen nur um die Vermeidung von Strafe gehen kann, nicht um einen echten Ausgleich der Tatfolgen. Eingeschränkt gilt dies auch für die immateriellen Universalrechtsgüter der 1. Gruppe. Dort allerdings, bei der Vorverlegung des Schutzes von Individualrechtsgütern, ist durch den Bezug zu diesen Individualrechtsgütern und durch den möglichen Rückgriff auf deren Schutz repräsentierende Institutionen die Defmition von angemessenen Leistungen aber wenigstens denkbar. Diese Lei-
52 Bzw. bei einer Falschaussage deren Berichtigung, was - wie aus § 158 StOB deutlich wird - nur dann zumindest strafmildernd zu berücksichtigen ist, wenn dies rechtzeitig, und das heißt ohne nur theoretische Möglichkeit einer Rechtsgutsbeeinträchtigung in dem oben (S. 31 f.) dargelegten Sinne geschieht. Es handelt sich also nicht um die Wiedergutmachung einer eingetretenen Straftatfolge, sondern um die Verhinderung ihres Eintritts. 53 Zwar ist auch eine einmal eingetretene Körper- oder Eigentumsverletzung in einem engen Sinne nicht mehr gut, und das heißt rückgängig zu machen. Aber der Unterschied zu der hier behandelten Situation liegt darin, daß das Recht für Körper- und Eigentumsverletzungen - im wesentlichen mit den Instrumenten des zivilrechtlichen Schadensersatzrechtes - adäquate Regelungsmechanismen geschaffen hat.
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stungen kann man zumindest als fingierten - oder "symbolischen" - Tatfolgenausgleich bezeichnen. Immerhin besteht die Möglichkeit der Rechtsgutsverdeutlichung und dies ist das - aus strafrechtlicher Sicht - entscheidende Charakteristikum der Wiedergutmachung. Damit erscheinen die kriminalpolitischen Vorteile der strafrechtlichen Wiedergutmachung in der 1. Gruppe erreichbar. In der 2. Gruppe allerdings ist eine Rechtsgutsverdeutlichung sinnvoll nicht realisierbar und damit auch keine "echte" Wiedergutmachung. Der Täter kann daher freiwillig keine Wiedergutmachung leisten. Er kann zwar seine Tat gestehen und durch das Angebot gemeinnütziger Arbeit möglicherweise Strafe vermeiden. Damit hat man aber das Thema der strafrechtlichen Wiedergutmachung verlassen. Solche vom Täter erbrachten Arbeiten dienen nur der Vermeidung von Strafe. Der Begriff der "Wiedergutmachung" ist daher im Zusammenhang mit der Beeinträchtigung von immateriellen Universalrechtsgütern auch nur in einer insofern eingeschränkten Bedeutung zu verstehen. Mit den Kategorien von Brauns gesprochen, fehlt der Wiedergutmachung von Beeinträchtigungen immaterieller Universalrechtsgüter der Erfolgswert, denn durch die Leistung des Täters können die Auswirkungen der Tat nicht gemindert oder beseitigt werden. 54 Dennoch erscheint eine symbolische Wiedergutmachungsleistung durch den Täter nicht sinnlos. Sie hat allerdings nur den Sinn, den Täter vor Strafe zu bewahren. Was in befriedigendem und der materiellen Wiedergutmachung vergleichbarem Maße nicht erreicht werden kann, ist die Rechtsgutsverdeutlichung. Dennoch kann der Täter durch die freiwillige Erbringung einer Leistung dasjenige wiedergutmachen, was in der strafrechtlichen Sichtweise im Vordergrund steht, nämlich die überindividuelle Störung. Auch nach der Begehung einer immaterielle Universalrechtsgüter beeinträchtigenden Straftat kann der Täter durch eine freiwillige Leistung Normakzeptanz zeigen und dadurch zur Norrnstabilisierung beitragen. Dadurch daß diese Leistung die Rechtsgutsbeeinträchtigung nicht wiedergutmachen kann, handelt es sich nicht um "echte" Wiedergutmachung. Die Leistung kann auch nicht in dem Maße nach außen hin dokumentieren, welche Verhaltensnorm verletzt wurde. Deswegen hat eine solche Leistung auch nicht alle der oben beschriebenen Wirkungen einer materiellen Wiedergutmachungsleistung. Aber trotz dieser eingeschränkten Wirkungen ist diese (im besten Sinne) "symbolische" Wiedergutmachungsleistung nicht sinnlos. Sie hilft dem Täter zumindest, seine Strafe zu vermeiden oder nur zu mildern. Ob dies gewünscht ist, ist eine rechtspolitische Frage und abhängig von dem kriminalpolitischen Konzept, dem man anhängt. Dies soll im letzten Kapitel vertieft werden. Wenn man den (ausschließlichen) Sinn der Strafvermeidung bei der Erbringung symbolischer Wiedergutmachungsleistungen nach der Beeinträchtigung immaterieller Universalrechtsgüter der 2. Gruppe - akzeptiert, sind nur noch die 54Siehe dazu Brauns, Wiedergutmachung, S. 178, 181 ff.
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Drittes Kapitel: Freiwilligkeit
Defmition des Leistungsinhalts und des Zeitpunktes der Leistung als Ausmaß der Freiwilligkeit zu bestimmen. Als Leistungsinhalt ist ein Akt der IdentifIkation, wie er oben55 zur Wiedergutmachung der überindividuellen Störung, um die allein es hier ja nur noch geht, beschrieben wurde, zu verlangen. Da eine Rechtsgutsverdeutlichung aus den hier dargelegten Gründen in der Regel nicht zu erreichen ist, muß man sich, der bisher üblichen Umschreibung symbolischer Wiedergutmachung folgend, mit gemeinnütziger Arbeit oder einer Zahlung an eine gemeinnützige Einrichtung begnügen. Wenn im Einzelfall eine Rechtsgutsverdeutlichung möglich ist, so ist diese anzustreben, etwa nach einer Falschaussage durch Hilfsdienste bei der Justiz. Allerdings birgt dies unter Umständen die Gefahr unangebrachten erzieherischen Eifers und damit der Willkür. Zurückhaltung ist also geboten. Das Ausmaß der Freiwilligkeit läßt sich wie bei der Wiedergutmachung der überindividuellen Störung durch ein Abstellen auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Hauptverfahrens bestimmen. 56 Im hier vorgebrachten Falle des Betruges durch eine Urkundenfälschung müßte der Täter somit neben dem materiellen (und ideellen) Ausgleich mit dem Betrugsopfer noch zusätzlich gemeinnützige Arbeiten oder eine Zahlung an eine gemeinnützige Einrichtung leisten, um die gesamte, durch seine Straftat verursachte überindividuelle Störung zu beseitigen.
III. Ideelle Wiedergutmachung
Ideelle Wiedergutmachung ist der Ausgleich immaterieller, nicht kommerzialisierter Beeinträchtigungen des Opfers einer Straftat. Da an sich immaterielle Rechtsgutsverletzungen wie Schmerzen, Ehrverletzungen überwiegend kommerzialisiert sind, bleibt im wesentlichen für diese Art der Wiedergutmachung nur der Ausgleich von Viktimisierungsfolgen, also der Beeinträchtigungen rur das Straftatopfer, die nicht von der Rechtsgutsverletzung urnfaßt sind. Nicht Gegenstand der ideellen Wiedergutmachung sind dagegen die Viktimisierungsfolgen, deren Ausgleich vom Täter durch Einsatz von Geld zu bewirken ist, etwa durch Übernahme der Kosten einer Therapie. Denn dies ist materielle Wiedergutmachung. Übrig bleiben daher die rein immateriellen Beeinträchtigungen des Opfers durch die Straftat. Diese Folgen sind individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt. So können die Bewohner einer Wohnung, in die eingebrochen wurde, dieses Ereignis ganz unterschiedlich aufnehmen und verkraften. Wenn diese Folgen auftreten, sind sie darüber hinaus auch schwer faßbar. Es handelt sich S5Siehe S. 70, 79. 56Siehe dazu oben S. 119 fT.
B. Die einzelnen Wiedergutmachungsarten
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oft um Gefiih1e wie Angst, Mißtrauen, Scham, Mitschuld, Verlust an Lebensfreude oder ein zerrüttetes Verhältnis zum Täter oder seinem Umfeld. Ein Teil dieser Schäden ist überhaupt nicht, ein anderer nicht durch den Täter ausgleichbar. 57 Was dann noch übrig bleibt, vor allem das zerrüttete Verhältnis zum Täter, kann zum Teil zusammengefaßt werden als der Konflikt zwischen Täter und Opfer. Die "Konfliktsicht" des Strafrechts 58 ist eine der wichtigsten Wurzeln der Idee des Täter-Opfer-Ausgleichs. 59 Das Ziel, den Konflikt zwischen Täter und Opfer bereits in der strafrechtlichen Behandlung einer Tat zu bereinigen, war eines der Hauptmotive fiir die Hinwendung zum Täter-Opfer-Ausgleich, zu mediativen Verfahren allgemein und schließlich zu dem Konzept umfassender strafrechtlicher Wiedergutmachung, wie es etwa vom AE-Wgm vertreten wird. Die Straftat kann dabei Auslöser dieses Konflikts sein. Sie kann aber auch das nach außen tretende Symptom eines länger schwelenden Konflikts sein. Bei letzterem ist strenggenommen der Konflikt zwischen Täter und Opfer nicht Folge der Straftat, sondern unter Umständen ihre Ursache. Aber auch in diesem Fall kann zumindest von einer Konfliktverschärfung durch die Straftat ausgegangen werden, so daß Folge ein tieferer, komplizierterer Konflikt ist. Darauf wurde oben bereits eingegangen. 60 Es geht hier nur noch darum, herauszuarbeiten, welches Maß an Freiwilligkeit zur ideellen Wiedergutmachung, und das heißt zunächst zur Bereinigung des Konflikts zwischen Täter und Opfer notwendig ist. Da der Begriff des Konflikts in der hier vorgenommenen Darstellung der Straftatfolgen keine eigenständige Bedeutung hat,61 ist wiederum zwischen verschiedenen Arten von Konflikten zu unterscheiden. Erstens kann erst durch die Straftat ein materieller Konflikt entstehen, also etwa nach einer Körperverletzung Ansprüche auf Bezahlung von Heilungskosten oder Schmerzensgeld. Diese Art des Konflikts ist hier nicht zu behandeln, denn bei seiner Bereinigung handelt es sich um materielle Wiedergutmachung, die, wie oben festgestellt wurde, der Freiwilligkeit unmittelbar, und das heißt nur zum Ausgleich der vermögenswerten Einbußen durch die Tat, nicht bedarf. Zweitens kann die Straftat Auslöser oder Symptom eines ideellen Konflikts sein. Hier, bei der Behandlung der ideellen Wiedergutmachung geht es allein um die Bereinigung des ideellen Konflikts zwischen Täter und Opfer und damit um die Behandlung von Gefiihlen zwischen Täter
57ZU den Konsequenzen siehe unten Viertes Kapitel B. III. 58Siehe nur Naucke, Sozialphilosophie, S. 14 ff. 59Schüler-Springorum, Kriminalpolitik, S. 229 f. 60Siehe S. 43 f. 61 Siehe oben S. 44.
9 Laue
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Drittes Kapitel: Freiwilligkeit
und Opfer, wie Angst, Mißtrauen, Ablehnung bzw. allgemein eine Zerrüttung im Verhältnis zwischen den Beteiligten. In den theoretischen Konzepten und in der Praxis der Ausgleichsprojekte können die Grenzen zwischen materieller und ideeller Wiedergutmachung fließend sein. So gibt es Ausgleichs- und Verfahrenskonzepte, deren Ziel der Abschluß einer Vereinbarung über Schadensersatz ist. 62 Nach einer weitergehenden Auffassung soll der unmittelbar nur auf das Aushandeln einer angemessenen Schadenswiedergutmachung gerichtete Kontakt zwischen Täter und Geschädigtem mittelbar zur Entwicklung einer positiven Täter-Opfer-Beziehung führen, wodurch "konstruktive strafrechtliche Schadenswiedergutmachung ihren höchsten Wert ( ... ) erreicht".63 Die hier behandelte ideelle Wiedergutmachung ist dabei erwünschter und durchaus angestrebter Nebeneffekt der Verhandlungen über materielle Wiedergutmachung. Kontakt und Erfahrungsaustausch zwischen Täter und Geschädigtem könnten, so wird vermutet, für das Opfer das Geschehen begreifbar und nachvollziehbar machen und ihm helfen, diffuse Ängste zu bewältigen, das Viktimisierungserlebnis zu verarbeiten und das Gefühl der Kontrolle über das eigene Leben zurückzugewinnen. 64 Ideelle Wiedergutmachung wird also in der kommunikativen Auseinandersetzung zwischen Täter und Opfer erwartet, auch begrüßt, aber sie ist eine willkommene Randerscheinung, es wird nicht gezielt darauf hingearbeitet. Letzteres, nämlich Konzentration auf die emotionale Aussöhnung zwischen Täter und Opfer versucht ein drittes idealtypisches Modell, bei dem ideelle Wiedergutmachung allein im Vordergrund steht. Dieser Ausgleich ist - im Gegensatz zu materieller Wiedergutmachung - grundsätzlich zukunfts orientiert und zielt auch auf die Aussöhnung des Täters mit sich selbst. 65 Sein Ziel ist das Aushandeln eines konfliktfreien Zustands für die Beteiligten. Bereits diese kurze Charakterisierung eines ganz auf zukunftsgerichtete Konfliktbereinigung ausgerichteten TOA-Modells deutet an, wie schwierig und umfassend die Bereinigung eines in einer Straftat eskalierten Konflikts sein kann. Von den Beteiligten wird bei ihrer Mitwirkung dabei höchste Freiwilligkeit verlangt. Eine echte Konfliktbereinigung nur unter dem Motiv der Strafvermeidung erscheint nicht denkbar. Während keine zeitliche Grenze festzumachen ist für das Gelingen ideeller Wiedergutmachung, steht hier wohl das Motiv für die Täterbemühungen eindeutig im Vordergrund. Und nur ein Motiv scheint dabei in Frage zu kommen: ernsthaftes Bemühen um echte Konfliktbereinigung.
NStZ 1984, S. 390 f. Frehsee, Schadenswiedergutmachung, S. 135. 64Frehsee, Schadenswiedergutmachung, S. 136. 65 Siehe als Beispiel Nini in Marks I Rössner, S. 259 f.
62Schöch, 63
B. Die einzelnen Wiedergutmachungsarten
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Wenn man ideelle Wiedergutmachung aber nicht nur auf Konfliktbereinigung zwischen Täter und Opfer reduziert, sondern auch den Ausgleich von immateriellen Beeinträchtigungen derjenigen Straftatopfer berücksichtigt, die nicht mit dem Täter in einer näheren Beziehung stehen, dann muß man feststellen, daß solche Tatfolgen - abgesehen von der Finanzierung einer Therapie entweder gar nicht vom Täter ausgleichbar sind oder nur mit dem höchsten Grad an Freiwilligkeit. Als Beispiele dienen etwa der Verlust an Wohlbefmden und Angstgeruhle in der eigenen Wohnung beim Opfer eines Einbruchs oder die Unsicherheit auf der Straße beim Opfer eines Handtaschemaubes. Nicht ausgleichbar sind diese Folgen, weil es sich wohl im wesentlichen um Gefiihle oder Ängste handelt, auf die der Täter keinen Einfluß nehmen kann. Er ist unter Umständen dazu am wenigsten in der Lage, auch wenn er es ehrlich wollte. Es ist unschwer vorstellbar, daß ein Viktimisierungserlebnis so schwerwiegend ist, daß beim Opfer das Trauma der Tat beim entferntesten Kontakt mit dem Täter unwillkürlich wieder in Erinnerung gerufen oder gar verstärkt wird. Andererseits ist davon auszugehen, daß ideelle Wiedergutmachung dann, wenn sie vom Täter geleistet werden kann, nicht nur zur Strafvermeidung erbracht werden kann, sondern allein mit dem Motiv, die Beeinträchtigung beim Opfer abzubauen. Geruhle und Ängste können nicht vorhersehbar beeinflußt werden. Es müssen also mehrere Bedingungen erfiillt sein. Die Viktirnisierungsfolge muß zunächst überhaupt beeinflußbar sein, sie muß potentiell vom Täter beeinflußbar sein und schließlich ist wohl in den seltensten Fällen zu einer positiven Beeinflussung ein anderes Motiv möglich als der Wille des Täters, dem Opfer zu helfen. All dies scheint die Beurteilung der Freiwilligkeit bei der ideellen Wiedergutmachung den Kriterien völlig zu entziehen, die bei der materiellen und symbolischen Wiedergutmachung angelegt wurden. Der Ausgleich ist von so vielen Zufallen und Unwägbarkeiten abhängig, daß er fiir die Aufnahme in ein (strafrechtliches) Rechtsfolgensystem ungeeignet erscheint. Unter dem Blickwinkel des Strafrechts erscheint die Wiedergutmachung dieser Viktirnisierungsfolgen nicht erreichbar. Sie kann erst dann angestrebt werden, wenn sich das Strafrecht - etwa im Verfahren des Täter-Opfer-Ausgleichs auch fiir andere Mittel öffnet, etwa fiir sozialpsychologische oder psychotherapeutische Hilfestellung und Vermittlung.
Viertes Kapitel
Konzepte, Grenzen und Anwendungen strafrechtlicher Wiedergutmachung A. Kriminalpolitische Konzepte Auf den zurückliegenden Seiten wurden sowohl die Straftat als auch die entsprechende Wiedergutmachung in zahlreiche einzelne Geschehnisse, Folgen und Leistungen zerlegt und analysiert. Eine Körperverletzung beispielsweise stellt sich im Verhältnis zwischen Täter und Geschädigtem dar als Rechtsgutsverletzung (Gesundheitsbeschädigung, Zufiigung von Schmerzen) und als Viktirnisierung des Verletzten (Zufiigung von psychischen Beeinträchtigungen), im Verhältnis zur Rechtsgemeinschaft steht der Bruch der Norm im Vordergrund, der eine überindividuelle Störung hervorruft. Die entsprechende Wiedergutmachung des Täters, etwa durch die Teilnahme an einem Täter-Opfer-Ausgleich mit den sich daran anschließenden Leistungen an den Verletzten, betrifft wiederum zum einen das Verhältnis zwischen Täter und Geschädigtem, zum anderen aber auch das Verhältnis zwischen Täter und Rechtsgemeinschaft. Im Verhältnis zwischen Täter und Opfer werden durch das Aushandeln von Wiedergutmachungsleistungen und deren Erbringung direkt die Rechtsgutsverletzung ausgeglichen und diejenigen Folgen der Viktirnisierung, die durch materielle Wiedergutmachung ausgleichbar sind. Im günstigen Fall kann ein solches Ausgleichsgespräch, das Kennenlemen der Beteiligten oder eine gelungene Konfliktbereinigung weitere Viktirnisierungsfolgen beim Opfer abbauen (helfen). Im Verhältnis zwischen Täter und Rechtsgemeinschaft kann durch die freiwillige Teilnahme des Täters am Ausgleichsgespräch und durch die freiwillige Erbringung von Wiedergutmachungsleistungen auch die überindividuelle Störung ausgeglichen werden. Die Rechtsgemeinschaft kann sich über den Bruch der Norm beruhigen, kann wieder in deren Geltung vertrauen. So einheitlich erscheinende Vorgänge und Handlungen wie eine Straftat oder die entsprechenden Wiedergutmachungs leistungen sind also jeweils relativ vielschichtig, wobei verschiedene Rechtsgebiete (Zivilrecht, Strafrecht), aber auch vom Recht nicht erfaßte Folgen berührt sein können. Es ergibt sich nun die Möglichkeit, die aufgegliederten Einzelkomponenten der strafrechtlichen Wiedergutmachung jeweils zusammenzufassen und den zahlreichen verschiedenen kriminalpolitischen Konzepten, die mit der Idee der Wiedergutmachung im Strafrecht verbunden werden, zuzuordnen. Dabei soll nicht versucht werden, die kriminalpolitische Entwicklung der strafrechtlichen Wiedergutma-
A. Kriminalpolitische Konzepte
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chung in ihrer gesamten Komplexität und in der historischen Chronologie nachzuzeichnen. 1 Es sollen nur punktuell einzelne Entwicklungssprünge, einzelne konzeptuelle Bestandteile der Gesamterscheinung strafrechtlicher Wiedergutmachung betrachtet werden, um zu zeigen, wie sich strafrechtliche Wiedergutmachung im Lichte der in dieser Arbeit angestellten Überlegungen entwickelt und von dem "klassischen" Modell des modernen Strafrechts entfernt hat.
I. Das "reine" Strafrecht Es hat sich gezeigt, daß der strafrechtliche Kern bei der Straftat und somit konsequenterweise auch bei der strafrechtlichen Wiedergutmachung das Verhältnis zwischen Täter und Rechtsgemeinschaft darstellt. Das "reine" Strafrecht betrifft nur dieses Verhältnis, nicht das zwischen Täter und Geschädigtem. Das spezifisch Strafrechtliche an einer Körperverletzung ist der Normbruch, der einen Angriff auf eine für die Gemeinschaft wesentliche Regel darstellt. Deswegen steht diese Tat unter Strafe. Oben wurde versucht, dies ausführlich darzulegen. 2 Dementsprechend tritt im Strafverfahren dem Täter auch ein öffentlicher Ankläger gegenüber, und Zweck des Verfahrens ist die Entscheidung über den staatlichen Strafanspruch. Der Verletzte spielt in diesem Verfahren - im Regelmodell - keine andere Rolle als die eines Zeugen. Gerade daran, an dem Ausschluß des Opfers aus dem Strafverfahren, regte sich das Unbehagen; diese Situation wurde als unbefriedigend angesehen. Die Notwendigkeit wurde erkannt, den Geschädigten wieder stärker in das Verfahren zu reintegrieren; eine Idee, die zu Bemühungen um besseren Schutz des Opfers als Zeugen im Verfahren führte, zu mehr Rechten und in der Folge zum Täter-Opfer-Ausgleich und damit zur strafrechtlichen Wiedergutmachung. Jetzt und hier geht es aber zunächst darum festzuhalten, daß das ursprüngliche Verständnis von Strafrecht und das Urmodell des modemen Strafverfahrens sich auf das Verhältnis zwischen Täter und Rechtsgemeinschaft beschränkt. Ein Strafverfahren wird durchgeführt, und der Täter wird bestraft, weil sein Verhalten die kollektiven Interessen der Gemeinschaft berührt. Die Regelung des Verhältnisses zwischen Täter und Geschädigtem obliegt dagegen primär anderen rechtlichen Verfahren und.anderen Rechtsgebieten. Über dieses Verhältnis hinaus auch strafrechtlich erfaßt und bewertet wird das Verhalten ISiehe dazu die Darstellungen bei Frehsee, Schadenswiedergutmachung, S. 12 fI., S. 47 fI., S. 120 fI.; Frühauf, Wiedergutmachung, S. 52 fI., S 59 ff.; Weigend, Deliktsopfer, 223 fI.; A. Hartmann, Schlichten, S. 96 fI. 2Siehe oben Drittes Kapitel B. I. 2.
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Viertes Kapitel: Strafrechtliche Wiedergutmachung
des Täters deswegen, weil seine Tat auch Folgen für die Gemeinschaft hat. Diese wurden hier als überindividuelle Störung bezeichnet. Im reinen, von anderen Rechtsgebieten und von Außerrechtlichem losgelösten strafrechtlichen Konzept steht allein deren Behebung im Mittelpunkt. Es geht unmittelbar nur um die strafrechtliche Norm, an deren Geltung die Gemeinschaft ein fundamentales Interesse hat. Es wird gestraft, damit die Norm nicht in der Allgemeinheit an Geltung verliert. Dieser Geltungsverlust droht durch den Täter, dessen Verhalten einen Angriff auf die Norm darstellt, also eine überindividuelle Störung auslöst. Nur durch symbolische Wiedergutmachung kann diese Störung ausgeglichen werden. Daher erscheint es nicht verfehlt zu behaupten, daß symbolische Wiedergutmachung, also der Ausgleich dieses immateriellen Gemeinschaftsschadens, die einzig unmittelbar relevante strafrechtliche Wiedergutmachungsart ist. Denn nur sie ist imstande, die reinen strafrechtlichen Folgen einer Straftat auszugleichen. 3
ll. Prozessuale Zusammenführungen Dagegen bezeichnen materielle und ideelle Wiedergutmachung den Ausgleich der Folgen für den individuellen Geschädigten der Straftat. Dieses Verhältnis zwischen Täter und Opfer ist für das Strafrecht nicht unmittelbar relevant. Insofern mag es überraschend sein, daß ein Wiedergutmachungskonzept, das der materiellen Wiedergutmachung den breitesten Platz einräumt, ja sich sogar bei manchen Vertretern nur darauf beschränken will, große, wenn nicht im Sinne eines Mindestmodells sogar ungeteilte Zustimmung erfährt. 4 Die dahinter stehende Überlegung sieht das soeben skizzierte reine, das Opfer der Tat kaum zur Kenntnis nehmende Modell des Strafrechts als unbefriedigend an. Die Reduktion des Geschädigten auf die bloße Zeugenrolle im Verfahren,s die Schwierigkeiten, die dem Opfer bei der Geltendmachung seiner Ansprüche gegenüber dem Täter entstehen, gerade weil der staatliche Strafanspruch den Vorrang genießt, 6 wurden als DefIzite des Strafverfahrens erkannt, die die Akzeptanz des Verfahrens in der Öffentlichkeit schmälern. Deswegen sollen dem Op3Bereits im vorigen Jahrhundert wurde auch die Bestrafung des Täters als symbolische Wiedergutmachung bezeichnet, so von Welcker, siehe dazu oben S. 16 f. 4 Auch Skeptiker oder Kritiker weitergehender strafrechtlicher Wiedergutmachungskonzepte sehen die Notwendigkeit, zumindest die vorhandenen Möglichkeiten der materiellen (Schadens-)Wiedergutmachung besser zu nutzen. Vgl. Hirsch, ZStW 102 (1990), S. 534, insbes. S. 544 ff.; Schmidt-Hieber, NJW 1992,2001. Diese Notwendigkeit erfährt ungeteilte Zustimmung. sSiehe Berckhauer / Steinhilper, Opferschutz, S. 86 f.; Rössner / Wulf, Opferbezogene Strafrechtspflege, S. 8lf.; Weigend, ZStW 96 (1984), S. 766; Kube, DRiZ 1986, S. 122. 6Rieß• Gutachten, Rn. 46; Roxin, Festschrift Lerche, S. 301.
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fer im Strafverfahren mehr Rechte und besserer Schutz gewährt werden, und der Geschädigte soll seine Wiedergutmachungsinteressen geltend machen können. Eingebaut wurde daher zunächst materielle (Schadens-)Wiedergutmachung, die in der frühesten Form dem Geschädigten im Rahmen des Adhäsionsverfahrens vom Richter zugesprochen werden konnte. Der Einbau (unfreiwilliger) materieller Wiedergutmachung ist somit die erste Stufe7 einer Berücksichtigung des Wiedergutmachungsgedanken im modemen Strafrecht. Kriminalpolitischer Leitgedanke ist dabei, daß das Verhalten des Täters nicht ausschließlich das strafrechtlich relevante Verhältnis zwischen Täter und Rechtsgemeinschaft berührt, sondern daß der totale Vorrang der Gemeinschaftsinteressen vor den Interessen der Opfer diese unbefriedigt zurückläßt und neue Belastungen fördert. Das Strafverfahren als Instrument nur zum Schutz von Normen statt von Menschen, von Rechtsgütern statt deren Trägem erscheint formal und sinnlos, 8 und ist dann untragbar, wenn es die Situation der Opfer noch zusätzlich verschlechtert. 9 Nach diesem (Mindest-)Konzept einer Wiedergutmachung im Strafrecht genügt die Gewährung von besseren Möglichkeiten für die Opfer, ihre Interessen zu wahren und ihre Ansprüche im Verfahren geltend zu machen. Dies geschieht - in der hier zugrunde gelegten Terminologie - durch den Einbau materieller Wiedergutmachung, die nicht freiwillig erbracht werden muß. Die rein strafrechtliche Seite, also der staatliche Strafanspruch, ist durch diese Wiedergutmachungsleistung allerdings nicht berührt. Der Strafanspruch ist nach diesem Konzept immer noch nur durch Strafe zu befriedigen. Der Einbau unfreiwilliger materieller Wiedergutmachung hat keine Wirkung auf das materielle Strafrecht. Die Änderung erschöpft sich in einer Zusammenfassung auf der Verfahrensebene. Die unterschiedliche Behandlung eines einheitlichen Geschehens wie einer Körperverletzung durch zwei verschiedene Rechtsgebiete Zivilrecht, Strafrecht - und zwei verschiedene Verfahren - Zivilprozeß, Strafprozeß - wird nur auf der Verfahrensseite vereinheitlicht. Das Opfer kann nach diesem Konzept, das als "Wiedergutmachung im Strafverfahren" bezeichnet werden kann, seine Entschädigungsansprüche in einem Prozeß geltend machen, der an sich der Entscheidung über den staatlichen Strafanspruch dient. Die betroffenen Rechtsgebiete bleiben allerdings autonom und haben keinen Einfluß aufeinander. In einem Verfahren, dessen "Parteien" nur Täter und RechtsgeIn einem funktionalen Sinne, nicht notwendig auch in einem zeitlichen. / Wulf, Opferbezogene Strafrechtspflege, S. 4 f. 90ie Sensibilisierung rur den notwendigen Schutz von Opfern als Zeugen im Strafverfahren, vor allem von Kindern und Opfern von Sexualdelikten, trägt Züge der ideellen Wiedergutmachung. Es geht dabei zwar nicht um den Ausgleich der Viktimisierungsfolgen, aber wenigstens darum, diese Folgen nicht weiter zu vertiefen und neue Viktimisierungen zu verhindern. 7
8Rössner
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Viertes Kapitel: Strafrechtliche Wiedergutmachung
meinschaft sind, wird zusätzlich auch für die Regelung des Verhältnisses zwischen Täter und Geschädigtem Raum geschaffen. Die Regelung dieses Verhältnisses bleibt allerdings ein Fremdkörper im staatlichen Strafverfahren, was auch die geringe Akzeptanz des Adhäsionverfahrens belegt. 1o
Irr. Materieller Einfluß der Wiedergutmachung auf den Strafanspruch Eine das Strafrecht unmittelbar betreffende Erweiterung ergibt sich erst dadurch, daß man dem Täter die Möglichkeit gibt, durch die Wiedergutmachung des Schadens direkt den staatlichen Strafanspruch zu beeinflussen. Die im Erwachsenenstrafrecht früheste Möglichkeit bot der § 153 a StPO, nach dem durch diverse Leistungen, darunter auch die Wiedergutmachung des Schadens, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung erlischt und das Verfahren eingestellt werden kann. Rechtspolitisch stand dabei aber das Bemühen um einfachere Behandlung der Kleinkriminalität sowie die Straffung und Beschleunigung des Strafverfahrens im Vordergrund. 11 Der Täter konnte zwar erstmals durch die Leistung von Wiedergutmachung Strafe vermeiden, diese Leistung war aber nur eine von vier möglichen Auflagen des § 153 a StPO, noch dazu eine in der Praxis kaum genutzte Option. 12 Diese kriminalpolitische Neuerung hatte ihren Schwerpunkt also keineswegs in der Etablierung der Wiedergutmachung im Strafrecht, dies war eher eine Randerscheinung. Weiterfuhrend war aber die Erkenntnis, daß eine Leistung des Täters dann, wenn sie freiwillig erbracht wird - § 153 a StPO: "Mit Zustimmung des ( .. ) Beschuldigten ... ,,13 -, auch in Fällen, die nicht nur reine Bagatellkriminalität darstellen, einen Einfluß auf den staatlichen Strafanspruch haben kann. Diese Neuerung ist allerdings sowohl rechtlich als auch in ihren praktischen Auswirkungen noch von wenig Bedeutung für die Entwicklung der strafrechtlichen Wiedergutmachung. Im Zusammenhang mit dieser Arbeit ist aber wichtig, daß Wiedergutmachung, wenn sie freiwillig erbracht wird, die Grenzen zwischen den vorher so strikt getrennten Rechtsgebieten Zivilrecht und Strafrecht durchbrechen kann: die - freiwillig geleistete - Erfüllung einer zivilrechtlichen Schadensersatzpflicht beeinflußt den staatlichen Strafanspruch. Oder anders gewen-
IOZU den möglichen Gründen Rieß, Gutachten, Rn. 43. Drs. 7 / 551, S. 44. 12Siehe Schöch, Gutachten, S. 57. 13 BT_Drs. 7/ 1261, S. 28: Die Auflagen und Weisungen haben keinen Strafcharakter, weil der Beschuldigte sie freiwillig erfüllen muß. Dies ist allerdings auch im Zusammenhang mit dem Vorwurf zu sehen, § 153 a StPO verstoße gegen die Unschuldsvennutung. Dencker, ZStW 102 (1990), S. 66, kann in der Zustimmung allerdings keine Freiwilligkeit erblicken. II BT
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det: Leistungen des Täters im Verhältnis zu seinem Opfer haben auch Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Täter und Rechtsgemeinschaft. Es steht dahinter ein im Vergleich zur "Wiedergutmachung im Strafverfahren" weitergehendes kriminalpolitisches Konzept. Damit ist erstmals eine Querverbindung zwischen Zivil- und Strafrecht nicht nur auf der Verfahrensebene, sondern auch auf der Ebene des materiellen Rechts geschaffen. Das Bindeglied ist, so scheint es, die Freiwilligkeit der Leistungserbringung. Dies läßt sich an § 153 aI Nr. 1 StPO schon andeutungsweise erkennen, obwohl diese Neuerung noch sehr marginal ist und einen Einbau des Gedankens der Wiedergutmachung in das Strafrecht nicht primär zum Ziel hatte.
IV. Moderne Erweiterungen Die Einflüsse, die in der Folge strafrechtliche Wiedergutmachung zum zeitweise beherrschenden kriminalpolitischen Thema gemacht haben, sollen hier nicht detailliert nachgezeichnet werden. 14 Bei den Weiterentwicklungen handelt es sich - wie die Analyse zeigt - zum Teil um nur quantitative Erweiterungen, zum Teil aber auch um qualitativ neue Konzepte. Vom bisher Dargestellten nur quantitativ verschieden ist die Erweiterung der Schadenswiedergutmachung zur alternativen Reaktion auf Straftaten. Die dabei leitende kriminalpolitische Idee ist schon bei § 153 a I Nr. 1 StPO erkennbar: Wiedergutmachung der Straftatfolgen mindert die Notwendigkeit der Bestrafung des Täters oder hebt sie gar ganz auf. Entscheidend ist also noch immer, daß Handlungen des Täters im Verhältnis zum Geschädigten auch das strafrechtlich relevante Verhältnis zur Rechtsgemeinschaft, verkörpert durch den strafenden Staat, beeinflussen. Die Erweiterung besteht darin, daß der Anwendungsbereich der Wiedergutmachung ausgedehnt wird bis hin zur Wiedergutmachung als regelmäßiger Reaktion auf strafbares Verhalten, zumindest im Bereich der leichten bis mittelschweren Kriminalität. ls Dies läßt sich auf verschiedene Wurzeln zurückfUhren, vor allem auf die sogenannte "Opferperspektive", unter der das Strafrecht betrachtet wurde und die die bereits soeben kurz skizzierten Deflzite sichtbar gemacht hat. 16 ZurückzufUhren ist dieses Konzept der Wiedergutmachung aber auch - unter dem Stichwort der "Krise der Kriminalpolitik" - auf die anscheinend beschränkten Möglichkeiten der üb-
14Siehe dazu die Darstellungen bei Rössner in Marks/Rössner, S. 7 fI.; Bannenberg, Wiedergutmachung, S. 30ff.; A. Hartmann, Schlichten, S. 96 ff.; Schüler-Springorum, Kriminalpolitik, S. 218 ff. IS AE-Wgm, S. 24,29. 16Siehe dazu Schüler-Springorum, Kriminalpolitik, S. 218 ff., S. 230: "Aufwertung des Individuums als Letztzweck allen kriminalpolitischen Mitteleinsatzes" .
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Viertes Kapitel: Strafrechtliche Wiedergutmachung
lichen Strafen, die Strafrechtszwecke zu erreichen. 17 Letzteres stellt die Legitimität von eingriffsintensiven Sanktionen, wie es die Bestrafung des Täters ist, in Frage, und belebt die Suche nach milderen Reaktionen wie eben Wiedergutmachung. Es vermengen sich in dieser Erweiterung also opferorientierte Reformbestrebungen mit täterzentrierten. Strafrechtliche Wiedergutmachung scheint sich als optimaler Lösungsweg bei beiden Reformvorhaben anzubieten. Eine zusätzliche - qualitative - Ausweitung besteht im Verlassen der "natürlichen" Wiedergutmachungskonstellation zwischen Täter und Opfer und in der Eröffnung neuer Deliktsbereiche, vor allem der Einbeziehung von Straftaten, die keine Individuen, sondern die Allgemeinheit als Opfer haben. Deswegen, so wird gesagt, müsse die Möglichkeit von symbolischer Wiedergutmachung als Wiedergutmachung gegenüber der Allgemeinheit geboten werden. 18 Dies wäre also symbolische Wiedergutmachung als Ausgleich von Beeinträchtigungen immaterieller Universalrechtsgüter. Hierbei kann nur in einem abgewandelten Sinne davon gesprochen werden, daß eine Leistung im Verhältnis des Täters zum Opfer Auswirkungen auf ein anderes Beteiligtenverhältnis hat, denn die Beteiligten sind - allerdings in abweichenden Rollen - diesselben: Täter und Allgemeinheit bzw. die Rechtsgemeinschaft. Mit dem Gedanken, daß der Täter auch bei der Beeinträchtigung von Universalrechtsgütern die Chance erhalten soll, durch Leistungen den Strafanspruch zu beeinflussen, ist das kriminalpolitische Konzept bereits entscheidend erweitert, und es ergeben sich erste Brüche und Inkompatibilitäten. Eine Opferorientierung kann nicht mehr das Motiv rur diese Art der Wiedergutmachung sein. Symbolische Wiedergutmachung erscheint in diesem Sinne als reine Wohltat rur den Täter, dem die Chance gegeben wird, Strafe und also eine formelle Sanktion zu vermeiden. Es tritt der Gedanke der Diversion in den Vordergrund. Damit ist das dahinter stehende kriminalpolitische Konzept bereits ein ganz anderes, denn die Ermöglichung der symbolischen Wiedergutmachung als Ausgleich von Beeinträchtigungen immaterieller Universalrechtsgüter ist und kann nur sein eine Reform ausschließlich zugunsten des Täters. Zur zuletzt beschriebenen Tendenz nahezu gegenläufig ist die Konzentration auf die Straftat als Konflikt. Dieser Gedanke hat seine Wurzeln in einem allgemein stärker betonten konflikttheoretischen Ansatz in der Rechtssoziologie l9 und verband sich mit der Suche nach Alternativen zum förmlichen Strafverfahren. 20 Dahinter steht die Erkenntnis, daß ein Strafverfahren nicht geeignet ist, die hinter vielen Straftaten stehenden persönlichen Konflikte zwischen Täter 17Siehe dazu Frehsee, Schadenswiedergutrnachung, S. 3 ff.; A. Hartmann, Schlichten, S. 99 ff. IB AE _Wgm, S. 28 f. 19Siehe Röhl, Rechtssoziologie, S. 443 ff. 2°Siehe zum folgenden auch oben S. 42 ff.
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und Opfer hinreichend zu würdigen oder gar beizulegen. 21 Dieses DefIzit sehen manche Autoren als den entscheidenden Grund für die Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs. 22 Auch die "Altemativen-Bewegung,,23 versuchte neue Verfahrens formen zu fInden, deren Ziel die unmittelbare Vermittlung und Aussöhnung zwischen Täter und Opfer als Konfliktparteien sein sollte. Die Motive für diese Bemühungen waren vielfältig, und Anstöße hierzu gingen von ganz verschiedenen Beobachtungen und Wissenschaftzweigen aus. 24 Dabei spielten auch rechtssoziologische Beschreibungen der DefIZite des Strafverfahrens eine Rolle, unter anderem die Zugangsbarrieren zu Gericht,25 die dem Opfer einer Straftat gerade das Strafverfahren als wenig attraktiv erscheinen lassen. 26 Darüber hinaus gewann die Überzeugung an Boden, daß das Strafverfahren bereits strukturell gar nicht in der Lage sei, bei einem persönlichen Konflikt zwischen Täter und Opfer eine befriedigende Lösung zu fmden. So wurde bemängelt, daß das auf eine Entscheidung über die Strafbarkeit des Beschuldigten ausgerichtete Verfahren den individuellen, aber auch komplexen Konflikt zwischen den Beteiligten transformieren muß zu einer Rechtsgutsverletzung, also zu einem Konflikt mit der Rechtsordnung. 27 Damit wird der Konflikt einerseits verschoben auf die Ebene Beschuldigter - Staat/ 8 andererseits reduziert auf die Tatsache einer Rechtsgutsverletzung. Die möglicherweise langfristige Beziehung zwischen den Beteiligten wird so zu einem punktuellen Vorkommnis komprimiert, das nicht einmal typisch für die Beziehung sein muß, jedenfalls aber in der Vergangenheit liegt. 29 Dieses Ereignis wird lediglich am Maßstab Recht-Unrecht beurteilt30 und auf eine Alles-oder-Nichts-Entscheidung hingeführt. 31 Andere Aspekte der Beziehung als spezifIsch strafrechtliche kommen
2lBalog, KonfliktregeIung im Strafrecht, Krimsoz. Bibliographie 7 (1980), S. 48, 60 f. 22Siehe Kuhn u.a.: "Tat-Sachen" als Konflikt, S. 46 ff., passim. 23S0 die Bezeichnung von Weigend für die Modelle, Vorschläge und Experimente in der Nachfolge der in den USA geführten Diskussion um "alternatives to justice", siehe dazu dens., Deliktsopfer, S. 223 fI. 24Ausführliche Darstellungen bei Weigend, DeIiktsopfer, S. 220 fI.; Kuhn, S .. 46 fI.; A. Hartmann, Schlichten, S. 111 fI. 2SRöhl, Rechtssoziologie, S. 493 f., unterscheidet zwischen objektiven Zugangsbarrieren wie dem Kostenrisiko und Defiziten als mehr subjektiven Hindernissen (Schwellenangst, Darstellungs- und Verhaltensproblemen etc.). 26Weigend, Deliktsopfer, S. 224. 27Dassel. Täter-Opfer-Ausgleich, S. 277. 28Christie, British Journal ofCriminology 1977, S. 1. 29Weigend, Deliktsopfer, S. 225. 30Siehe Luhmann, Kommunikation über Recht, S. 101 f. 31 Weigend, DeIiktsopfer, S. 225.
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Viertes Kapitel: Strafrechtliche Wiedergutmachung
kaum zur Sprache und werden allenfalls ebenso nach rechtlichen Relevanzkriterien beurteilt. 32 Der konflikttheoretische Ansatz traf somit auf eine - die AlternativenBewegung charakterisierende - Skepsis gegenüber dem Recht allgemein bzw. seiner Verfahren. Die Konsequenz daraus war die Suche nach informellen Verfahren außerhalb des Rechtssystems, in denen die Beteiligten unbeeinflußt von rechtlichen Bewertungen ihre Konflikte lösen konnten. Auch im deutschsprachigen Raum ftihrte dies zur Gründung von Mediations- und Täter-OpferAusgleichsprojekten, die vor allem im Bereich des Jugendstrafrechts außerhalb der justiziellen Behandlung Konflikte von Jugendlichen zu lösen versuchen. 33 Diese Projektarbeit wurde später auch auf den Erwachsenenbereich ausgeweitet und zielt, neben der Konfliktbereinigung, vor allem auf die Einstellung des strafgerichtlichen Verfahrens. Es werden damit also mehrere Ziele gleichzeitig verfolgt. Dieses kriminalpolitische Konzept ist von dem zu Anfang skizzierten "reinen" Strafrechtsmodell am weitesten entfernt. Das Verhältnis zwischen Täter und Rechtsgemeinschaft ist gegenüber dem Verhältnis zwischen Täter und Opfer völlig in den Hintergrund getreten, und damit auch der staatliche Strafanspruch. Er wird als ungeeignet betrachtet, das Geschehen zu erfassen. 34 In der Konsequenz spielt symbolische Wiedergutmachung als Ausgleich der überindividuellen Störung zwischen Täter und Allgemeinheit keine Rolle mehr, sondern es dominiert der Ausgleich zwischen Täter und Opfer. Dabei steht überdies nicht die materielle' Wiedergutmachung im Vordergrund,3s sondern der immaterielle Ausgleich, die Konfliktbereinigung zwischen den Beteiligten. Es wird somit häufig ein Schwerpunkt auf die immaterielle Wiedergutmachung gelegt. 36 Dieses kriminalpolitische Konzept läßt also von der strafrechtlichen Erfassung eines Verhaltens nicht mehr viel übrig, scheint sich dagegen fast zu wehren. Es wird versucht, den Konflikt zwischen den Beteiligten möglichst frühzeitig aus dem Justizsystem auszugliedern und ihn nicht mehr dahinein gelangen zu lassen.
32Brinkmann, Soziale Weit 24 (1973), S. 89. 33Vgl. die DarstelJung der einzelnen - und unterschiedlichen - deutschen, österreichischen und schweizerischen Projekte in Marks/Rössner, S. 59-393. 34Nini in Marks/Rössner, S. 261 ff. 3sSiehe nur Delattre in Marks / Rössner, S. 192 f.: reine Schadensersatzverhandlungen sind die Ausnahme. 36Bannenberg in Hering / Rössner, S. 208.
B. Grenzen der strafrechtlichen Wiedergutmachung
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B. Grenzen der strafrechtlichen Wiedergutmachung Die bisherige Darstellung ist häufig an Grenzen der strafrechtlichen, insbesondere der symbolischen Wiedergutmachung gestoßen. Diese Grenzen konnten jeweils nur angedeutet oder kurz berührt werden. Im weiteren soll eine nähere Beschreibung und Systematisierung erfolgen. Dabei kann bei dieser Schilderung keine Vollständigkeit angestrebt werden, es geht nur darum, die in der bisherigen Darstellung erreichten Grenzen der Wiedergutmachung zusammenhängend zu behandeln.
I. Unmöglichkeit des Ausgleichs der Rechtsgutsverletzung An eine Grenze stößt jedes Konzept strafrechtlicher Wiedergutmachung dort, wo ein befriedigender Ausgleich der Tatfolgen für niemanden möglich ist. Dies ist am augenfälligsten bei Delikten, durch deren Begehung das Rechtsgut "Leben" verletzt und das heißt menschliches Leben zerstört wird. Hier ist Wiedergutmachung ausgeschlossen, weil die Wiederherstellung zerstörten Lebens nicht möglich ist. Dies erscheint unbestreitbar und banal und, soweit ersichtlich, wurde noch nie vorgeschlagen, auch bei Mord Wiedergutmachungsleistungen des Täters - welcher Art auch immer - strafrechtlich genügen zu las37 sen. Aber auch in Bereichen nicht so schwerer Kriminalität stößt Wiedergutmachung an Grenzen, weil eine Wiederherstellung des Zerstörten ausgeschlossen ist. Das gilt beispielsweise für Umweltdelikte. Zahlreiche Umweltzerstörungen sind irreparabel, Wiedergutmachung daher ausgeschlossen. Sie ist auch ausgeschlossen bei der Zerstörung unersetzbarer Kunstwerke, und sie kann zumindest nur unzureichend ausfallen bei der Zerstörung von Sachen, an denen das Opfer ein besonderes Affektionsinteresse hat. Letzteres Beispiel führt weg von der rein physischen Unmöglichkeit der Wiederherstellung, bei der materielle Wiedergutmachung von vornherein ausgeschlossen ist, zum schwierigeren Bereich der unzureichenden rechtlichen Ersatzleistungen. Materielle Wiedergutmachung wurde ja auch bei den Rechtsgutsverletzungen zugesprochen, bei denen zwar ein immaterieller Schaden entstanden ist, der aber von der Rechtsord37 Es ist zwar augenscheinlich, daß bei TötungsdeIikten ein ausgleichsberechtigter Rechtsgutsträger nicht mehr vorhanden ist. Völlig undenkbar ist Restitution bei Tötungsdelikten aber nicht, wie manche Rechtsordnungen, z.B. der meisten USamerikanischen Staaten zeigen, die gemäß der Wrongful Death Acts bei der Tötung von Menschen den Angehörigen zumindest Schadensersatzansprüche aus der Tötung selbst also weit über die Ansprüche des § 844 BGB hinaus - zusprechen, s. dazu D. B. Dobbs: Handbook on the Law of Remedies - Damages - Equity - Restitution, St. Paul, Minn. 1973, S. 551 ff. Man sieht daraus, daß die Entscheidung gegen Wiedergutmachung bei Tötungsdelikten auch eine normative Entscheidung ist.
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Viertes Kapitel: Strafrechtliche Wiedergutmachung
nung kommerzialisiert wird. 38 Als Beispiele dienen das Schmerzensgeld oder die Persönlichkeitsverletzung bei den Beleidigungsdelikten der §§ 185 ff. StGB, also einem für den Täter-Opfer-Ausgleich nicht ganz unwichtigen praktischen Anwendungsgebiet. 39 Auch dabei ist die zugefügte Rechtsgutsverletzung nicht mehr aus der Welt zu schaffen, es wird aber eine ersatzweise Kompensation - in der Regel in Geld - zugelassen. Es ist unschwer nachvollziehbar, daß Geldzahlungen als Wiedergutmachung fur immaterielle Schäden häufig vom Opfer als unbefriedigend empfunden werden können. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich für bestimmte immaterielle Schäden in der Rechtsprechung feste Geldsummen als Kompensation etabliert haben, so wie es bei Schmerzensgeldansprüchen der Fall ist, und damit auf die individuelle Situation des Opfers, aber auch des Täters nicht mehr eingegangen wird. Ein umfassendes strafrechtliches Wiedergutmachungskonzept, dessen Entwicklung hier versucht wurde, gerät damit in ein Dilemma. Denn einerseits ist es angewiesen auf feste Maßstäbe für die Bewertung der Tatfolgen, und zwar, um nicht von vornherein Stückwerk zu bleiben, für die Bewertung aller Tatfolgen, andererseits ist die Unmöglichkeit eines solchen Vorhabens evident, soll nicht nur ein pauschales und damit (allzu) grobes Raster erstellt werden. Zusammenfassend lassen sich also bereits zwei Arten der Unmöglichkeit der Wiedergutmachung beschreiben: einmal die rein physische Unmöglichkeit, eine Rechtsgutsverletzung auszugleichen, zum zweiten die Untauglichkeit der von der Rechtsordnung zur Wiedergutmachung zugelassenen Ersatzansprüche.
11. Schwerkriminalität
Überwiegend wird bei schwerer oder schwerster Kriminalität Wiedergutmachung allein als untauglich für eine endgültige strafrechtliche Lösung erachtet. Dies bedeutet nicht, daß bestimmte Deliktsbereiche aus strafrechtlichen Wiedergutmachungs- bzw. TOA-Konzepten ausgeklammert werden sollen. Durchaus sind etwa Gewaltdelikte durch das Verfahren des Täter-Opfer-Ausgleichs befriedigend zu behandeln. 40 Es erscheint aber so, daß ab einem bestimmten Schweregrad die Aufarbeitung einer Straftat nur durch strafrechtliche Wiedergutmachung nicht als ausreichend angesehen werden kann.
38Siehe dazu oben S. 50 f., 52 f. 39in der Untersuchung von Bannenberg erscheint Beleidigung als die viertwichtigste Deliktsgruppe im Erwachsenenbereich (nach Körperverletzung, Betrug und Diebstahl) mit immerhin 7,8 % der Fälle; Bannenberg, Wiedergutmachung, S. 216f.; nach der Bundesweiten TOA-Statistik beträgt der Anteil der Delikte gemäß §§ 185 ff. StGB sogar 9,6 %, siehe A. Hartmann / Stroezel, S. 161 Tab. 13. 40 Siehe dazu eingehend Ute 1. Hartmann, Staatsanwaltschaft, S. 72 ff.
B. Grenzen der strafrechtlichen Wiedergutmachung
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Für den AE-W gm ist zwar die Schwere des Delikts kein generell geeignetes Ausschlußkriterium für Wiedergutmachungsbemühungen,41 er sieht aber um so mehr Raum für Wiedergutmachungslösungen, je leichter die Kriminalität ist, und um so mehr Notwendigkeit der Strafe, je schwerer das Delikt ist. 42 Auch sonst wird in der Literatur der Anwendungsbereich der Wiedergutmachung auf Delikte leichter bis mittlerer Kriminalität beschränkt. 43 Es mutet so selbstverständlich an, daß bei Delikten schwerster Kriminalität Wiedergutmachung als alleinige strafrechtliche Reaktion nicht ausreicht, daß darüber Worte zu verlieren überflüssig erscheint. Trotzdem muß hier zur Vollständigkeit die Frage gestellt werden, warum bei Tötungsdelikten, sexuellem Mißbrauch von Kindern, Vergewaltigung, Entführung, schweren Betäubungsmittel- und Raubdelikten etc. - unabhängig von der realen Möglichkeit der Wiedergutmachung - allein wegen der Schwere der Delikte reine Wiedergutmachungslösungen allgemein abgelehnt werden. 44 Die Antwort kann nur lauten: weil Wiedergutmachung allein in diesen Fällen nicht ausreichend ist, die spezial- und generalpräventiven Ziele des Strafrechts zu erreichen. 45 Bei der Spezialprävention erschiene dies sofort dann einsichtig, wenn schwere Delikte als stark abweichendes Verhalten nur von stark von der Norm abweichenden Tätern begangen würden. Dies machte eine längerfristige und das heißt stationäre Einwirkung auf den Delinquenten notwendig. Damit dreht sich aber die Argumentation im Kreise. Dennoch ist unleugbar, daß die positiven Wirkungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs verbunden mit der Verschonung vor den desozialisierenden Wirkungen der Bestrafung46 als Kurzintervention47 spezialpräventiv nur beim gar nicht oder nur wenig resozialisierungsbedürftigen Täter ausreichend sind. Auch wenn dieser Befund für die große Mehrheit aller Straftäter zutrifft, bleibt dennoch ein Rest, bei dem eine tiefere spezialpräventive Einwirkung notwendig ist. Diese kann Wiedergutmachung in aller Regel nicht leisten,48 und daher liegt darin eine Grenze für die Anwendung der Wiedergutmachung. Dies allerdings ist kein pauschales Argument für die Ausklammerung der Schwerkriminalität an sich, sondern nur für die Ausklammerung der erheblich resozialisierungsbedürftigen Täter. Deren Taten können der Schwerkriminalität angehören, müssen es aber nicht. 4IAE_Wgrn, S. 29; siehe auch Pieplow in: BMJ 1991, S. 189. 42AE_ Wgrn, Abbildung aufS. 30. 43Völling, JZ 1992, S. 499. 44Stratenwerth, Strafrecht AT I, § 1 Rn. 6. 4sSiehe dazu auch AE-Wgrn, S. 29 f. 46Roxin, Festschrift Lerche, S. 303. 47 Siehe Ute I. Hartmann, Staatsanwaltschaft, S. 35.
4BWoraus nicht zu folgern ist, daß die Bestrafung des Täters notwendig eine spezialpräventive Einwirkung leisten kann.
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Viertes Kapitel: Strafrechtliche Wiedergutmachung
Wichtige Einschränkungen ergeben sich aber auf dem Gebiet der Generalprävention. Die nach dem Geltungsangriff auf die Strafnorm notwendige Normstabilisierung geschieht, so wurde es oben beschrieben, durch die vom Täter freiwillig erbrachte und damit Normakzeptanz beweisende Wiedergutmachungsleistung. Eine derartige Wiederherstellung der Norm ist zusammen mit der Befriedigung der Opferbedürfnisse für eine umfassende Beruhigung der Allgemeinheit ausreichend, sofern das Delikt nicht allzu schwer ist. Dies wird durch Untersuchungen über die Einstellung der Bevölkerung unterstrichen, die bei leichten Delikten Wiedergutmachung als ausreichende strafrechtliche Reaktion genügen läßt, bei schwereren Delikten aber zunehmend die Bestrafung des Täters vorzieht. 49 Mit der Normstabilisierung durch Normakzeptanz des Täters ist gerade der Einsatzbereich der symbolischen Wiedergutmachung als Ausgleich der überindividuellen Störung bezeichnet. Symbolische Wiedergutmachung funktioniert somit im Bereich der eher leichten Kriminalität, wird aber mit zunehmender Schwere des Delikts weniger hinreichend zum Tatfolgenausgleich. Im Bereich der schweren Kriminalität erscheint die Bestrafung des Täters unersetzlich. Wenn man diese Tendenz unter dem Aspekt der Übelszufügung betrachtet und Wiedergutmachung als eine Reaktion ohne Strafübel50 ansieht, so wird deutlich, daß die überindividuelle Störung nur bis zu einem gewissen Schweregrad der Kriminalität ohne Übelszufügung ausgeglichen werden kann. Wenn dieser Schweregrad aber überschritten ist, kann die Wiederherstellung des Normvertrauens in der Bevölkerung nur noch durch die Zufügung eines Strafübels bewirkt werden. Da es sich aber bei der überindividuellen Störung, beim erschütterten Normvertrauen der Allgemeinheit und - als deren empirisch meßbare Erscheinungsform - bei der restitutiven oder punitiven Einstellung der Bevölkerung um kollektivpsychologische Phänomene handelt, sind Hindernisse einer Ausweitung der strafrechtlichen Wiedergutmachung auf bestimmte Delikte allein wegen deren Schweregrad auch allein mit der kollektiven Einstellung der Bevölkerung zu erklären. Zwar sind mit zunehmendem Schweregrad des Delikts im allgemeinen größere Probleme bei der tatsächlichen Bewirkung der Wiedergutmachung zu erwarten, etwa weil höhere Strafrahmen sich auch an der "Unersetzbarkeit" der geschützten Rechtsgüter bemessen. Aber daneben gibt es eine Grenze, die allein an der Schwere der Straftat festgemacht wird und jenseits dieser Wiedergutmachung nicht mehr in Frage kommt. Diese Grenze hat ihren Ursprung nicht in den realen (Un-)Möglichkeiten eines Tatfolgenausgleichs, sie ist auch nicht rechtlich, vor allem verfassungsrechtlich VOf-
49Siehe beispielsweise die Tendenz bei Sessar, Wiedergutmachen, S. 111 Schaub. 6I, S. 112 ff. 50Rössner, NStZ 1992, S. 409, Lüderssen, Abschaffen, S. 156; einen Rest von Strafcharakter sieht aber Sessar, Festschrift Leferenz, S. 153.
B. Grenzen der strafrechtlichen Wiedergutmachung
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gegeben, sondern sie wird vennutet in der Einstellung der Allgemeinheit als Adressaten der präventiven Wirkungen der (positiven) Generalprävention. Ab einem gewissen Schweregrad des Delikts verlangt die Wiederherstellung des Nonnvertrauens in der Bevölkerung, daß dem Täter ein Übel zugefügt bzw. daß er mit einem sozialethischen Tadel belegt werde. Begründet wird dies unter anderem mit der kollektiv-tiefenpsychologischen Notwendigkeit einer entsprechenden Schuldzuweisung an den Täter für den psychischen Haushalt der Gemeinschaftsmitglieder. Schuldzuweisung und Strafe seien Ausdruck von Selbststabilisierungsbedürfnissen der mit der Tat konfrontierten Mitbürger. s1 Solche Strafbedürfnisse der Bevölkerung seien stärker bei vorsätzlichen Verstößen gegen allgemein anerkannte, hochwertige Rechtsgüter als bei Verstößen gegen weniger wichtige Rechtsgüter. S2 Diese Ansicht kann man teilen oder auch bedauern, man muß sie aber jedenfalls respektieren. Setzte man sich über sie hinweg, hieße dies eine der zentralen Aufgaben des Strafrechts zu gefährden, nämlich das Nonnvertrauen der Allgemeinheit zu stabilisieren. Eine weitere Grenze der Wiedergutmachung liegt somit in der Einstellung der Allgemeinheit. Als Alternative bleibt daher auch hier nur die Bestrafung des Täters.
III. Nicht ausgleichbare andere Beeinträchtigungen Bei der bisherigen Darstellung der Grenzen der Wiedergutmachung wurden im wesentlichen nur die Rechtsgutsverletzungen behandelt. Es gibt aber auch zahlreiche Delikte, bei denen die Rechtsgutsverletzung relativ gering wiegt im Vergleich zu den anderen, dem Opfer zugefügten Beeinträchtigungen. Beispiele sind vor allem Sexualdelikte, bei denen die schwersten Beeinträchtigungen der Opfer weniger aus der Rechtsgutsverletzung, dem Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung,S3 resultieren als aus den daneben zugefügten Viktimisierungsfolgen. Diese Folgen der Straftat wirken lang, teilweise lebenslang,S4 jedenfalls noch dann, wenn die fonnale sexuelle Selbstbestimmung längst wieder gegeben ist. Auch bei vergleichsweise hannlosen Delikten wie dem Ein-
SIStreng, ZStW 101 (1989), S. 288 f., siehe dazu auch HajJke, Tiefenpsychologie, S.
162 tT.
S2Streng, ZStW 92 (1980), S. 650.
S3 Der nach dem Vorbild des zivilrechtlichen Schadensersatzes gemäß § 847 II BGB zumindest regelmäßig in Geld auszugleichen ist. Ein Blick auf diese Vorschrift und ihre Umsetzung zeigt schon, daß der RechtsgutseingritT bei den meisten Sexualdelikten verhältnismäßig wenig wiegt im Vergleich zu den (oftmals sehr langanhaltenden) Viktimisierungsfolgen für das Opfer. 54Rössner, BewHi 1994, S. 20. 10 Laue
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Viertes Kapitel: Strafrechtliche Wiedergutmachung
bruchsdiebstahl wirkt der Eingriff in das Eigentum in vielen Fällen weit weniger schwer als die vom Rechtsgut nicht erfaßte Verletzung der Privatsphäre. ss Diese Viktimisierungsfolgen sind grundsätzlich im wesentlichen auszugleichen durch ideelle Wiedergutmachung. Das Strafrecht, das wurde oben schon dargelegt,s6 kann diesen Ausgleich aber nur sehr bedingt ermöglichen. Er ist genaugenommen gar nicht Ziel eines reinen Strafrechts. Nur ein erweitertes Strafrechtsverständnis bezieht diese Opferbelange mit ein. Aber auch dann sind dem Ausgleich dieser Viktimisierungsfolgen enge Grenzen gesetzt. Das Strafrecht muß im wesentlichen sogar darauf bedacht sein, diese Folgen nicht weiter zu verstärken oder gar erst entstehen zu lassen. Ein echter Ausgleich dieser Folgen ist wohl nur im günstigen Einzelfall möglich, in der Mehrheit der Fälle dagegen aber nicht. Auch hier stößt ein umfassendes strafrechtliches Wiedergutmachungskonzept an seine Grenzen. Es kann nichts erzwingen, nur danach trachten, Bedingungen zu schaffen, die einen Ausgleich auch der Viktimisierungsfolgen - neben dem der Rechtsgüterverletzungen - nicht von vornherein unmöglich machen.
IV. Beeinträchtigungen von Universalrechtsgütern Die Schwierigkeiten beim Ausgleich der Beeinträchtigungen von Universalrechtsgütern wurden schon ausführlich dargelegt. Dieser Ausgleich ist möglich durch materielle Wiedergutmachung, etwa bei Wirtschaftsdelikten oder einer Sachbeschädigung an einem öffentlichen Gebäude, aber auch bei Umweltdelikten, sofern der beschädigte Teil der Umwelt wiederherstellbar ist. Häufiger wird aber die Beeinträchtigung von immateriellen Universalrechtsgütern vorkommen, wobei oben grundsätzlich zwei Gruppen von Gemeinschaftsrechtsgütern gebildet wurden. Besonders bei der 2. Gruppe, also Universalrechtsgütern, die ein gesellschaftliches System schützen, haben sich große Schwierigkeiten ergeben, die zu dem Schluß führten, daß von einer echten Wiedergutmachung nicht gesprochen werden kann. Stattdessen steht die Vermeidung von Strafe im Vordergrund, wenn man dem Täter ermöglicht, bei der Verletzung dieser Rechtsgüter gemeinnützige Leistungen zu erbringen. Das kann zwar als kriminalpolitisch wünschenswert angesehen werden, die Strafvermeidung betrim aber nur einen Teilaspekt der strafrechtlichen Wiedergutmachung. Auch bei der Gruppe der Gemeinschaftsrechtsgüter, die der Vorverlagerung des Schutzes von Individualrechtsgütem dienen, ist echte Wiedergutmachung nicht in dem Maße möglich wie bei materieller Wiedergutmachung .. Es sind aber ersatzweise Arbeiten denkbar und auch praktisch durchführbar, so daß 'SVgl. dazu die Ausfilhrungen oben S. 39 f. 560 ben S. S3 ff., 138 fT.
c. Anwendungsgebiete der symbolischen Wiedergutmachung
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dem Aspekt der Rechtsgutsverdeutlichung genügt werden und der Täter die Bestrafung vermeiden kann. S7
c. Anwendungsgebiete der symbolischen Wiedergutmachung Symbolische Wiedergutmachung ist Ausgleich der immateriellen Gemeinschaftsschäden nach einer Straftat durch freiwillige Leistungen des Täters. Die Anwendung dieses Befundes, dieser Defmition, hat bei der Abgleichung mit den strafrechtlichen Anforderungen ergeben, daß solche immaterielle Gemeinschaftsschäden in zweifacher Ausprägung vorkommen können. Zum einen bei jeder Straftat als überindividuelle Störung, zum anderen als Beeinträchtigung immaterieller Gemeinschaftsrechtsgüter. In der zurückliegenden Darstellung wurden die theoretischen und praktischen Möglichkeiten und Schwierigkeiten der Anwendung symbolischer Wiedergutmachung zu beschreiben versucht. Dabei haben beim Ausgleich von Beeinträchtigungen immaterieller Universalrechtsgüter die Schwierigkeiten deutlich überwogen, beim Ausgleich der überindividuellen Störung ergab sich, daß jede materielle Wiedergutmachung deswegen erst strafrechtlich relevant werden - das heißt Strafe ersetzen oder mildem - kann, weil in der freiwillig erbrachten materiellen Wiedergutmachung Elemente einer symbolischen Wiedergutmachung enthalten sind. Das symbolische Element in der Wiedergutmachung bewirkt einen Ausgleich der überindividuellen Störung, auch wenn es nicht deutlich nach außen tritt. Dagegen kann symbolische Wiedergutmachung zum Ausgleich von Beeinträchtigungen von immateriellen Gemeinschaftsrechtsgütern nur unter großen Abstrichen Wirkungen entfalten, und diese Wirkungen beschränken sich auf die mögliche Vermeidung von Strafe fiir den Täter. Diese Ergebnisse sollen nun im folgenden auf die Einsatzgebiete der symbolischen Wiedergutmachung angewendet werden, wie sie in der bisherigen kriminalpolitischen Diskussion umschrieben wurden und fiir die der Gedanke der symbolischen Wiedergutmachung erst entwickelt wurde. Bei dem Versuch, strafrechtliche Wiedergutmachung, und das hieß zunächst den Täter-Opfer-Ausgleich zu etablieren, taten sich schon nach kürzerer Überlegung schwerwiegende, vor allem die Gleichbehandlung von Tätern betreffende Schwierigkeiten auf. S8 Die konkreten Probleme, die mit symbolischer Wiedergutmachung gelöst werden sollen, sind.; Teilnahmeverweigerung des Verletzten beim Täter-Opfer-Ausgleich, Delikte ohne personales Opfer, Versuchstaten und Diskrepanz zwischen Schwere der Tat und Wiedergutmachungsleistung.
S7Siehe dazu ausführlich Drittes Kapitel B. H. 2. a). s8Siehe dazu oben S. 22 f. 10'
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I. Teilnahmeverweigerung des Opfers Schon bei der Beurteilung eines in der Diskussion vorgeschlagenen,59 verselbständigten Sühneverfahrens analog § 380 StPO stellte sich das Problem der Teilnahmeverweigerung des Verletzten. Die Teilnahmebereitschaft des Geschädigten sollte nicht erzwungen werden, andererseits dürfe es nicht allein von seinem Willen abhängen, ob ein Strafverfahren gegen den Beschuldigten durchgefiihrt werde oder nicht. 60 Diese Abhängigkeit von der Willkür des Verletzten berühre die Grundanforderungen der Rechtsstaatlichkeit. 61 Ganz ähnlich stellt sich die Problematik beim Täter-Opfer-Ausgleich. Auch hier macht man, wenn die Entscheidung über die Bestrafung des Täters vom Zustandekomrnen einer Ausgleichsvereinbarung abhängig ist, diese Entscheidung abhängig von der Teilnahmebereitschaft des Verletzten. Er hat es damit letztlich in der Hand, ob der Täter bestraft wird oder nicht. Über diesen schwersten Eingriff in die Rechte einer Person, der dem Recht zur Verfiigung steht, darf das Opfer aber nicht endgültig entscheiden können. Damit wäre in der Tat die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens nicht mehr gewahrt. Ganz generell bedingt die Abhängigkeit von der Teilnahmebereitschaft des Verletzten aber jedenfalls im Verfahren des Täter-Opfer-Ausgleichs ein Machtgefälle zwischen den Beteiligten. Der Verletzte wird unter Umständen in die Lage versetzt, die Bedingungen für den Ausgleich einseitig zu diktieren. 62 Andererseits darf das Opfer aber auch nicht nur annähernd gezwungen werden, bei der Strafvermeidung "seines" Täters mitzuwirken. 63 Die Idee des Täter-Opfer-Ausgleichs, der ja auch geschaffen wurde, um dem Opfer eine gewichtige SubjektsteIlung bei der strafrechtlichen Behandlung der Tat zu geben, würde damit mißbraucht und in ihr Gegenteil verkehrt. Eine rechtliche Verpflichtung des Opfers zur Mitwirkung besteht nicht. 64 Das Opfer würde dadurch weitgehend instrumentalisiert. Darüber hinaus ist aber auch eine nicht ohne weiteres nachvollziehbare Verweigerung des Opfers grundsätzlich zu respektieren. Der Beitrag des Opfers zum Zusammentreffen von Täter und Opfer ist im Regelfall geringer als der des Täters. Der Täter hatte regelmäßig die Handlungsherrschaft, konnte sich sein Opfer aussuchen und die Tat an ihm begehen. Komplikationen oder Abweichungen vom Idealbild der Abwicklung des Geschehens durch Wiedergutmachung muß der Täter in weit höherem Maße
~9Siehe Rieß, Gutachten, Rn. 129 ff. 6OSchöch, NStZ 1984, S. 390. 61 Weigend, Deliktsopfer, S. 289. 62&hüler-Springorum, Kriminalpolitik, S. 234 63 Diese Gefahr aus der Verknüpfung zwischen TOA und Diversion sieht Schädler, ZRP 1990, S. 152. ~azu Weigend, Deliktsopfer, S. 287 f.
C. Anwendungsgebiete der symbolischen Wiedergutmachung
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vertreten als das Opfer. Diesem ist daher ein sehr viel größerer Spielraum zuzubilligen. Zu diesem Spielraum muß auch gehören, nicht zu allem bereit sein zu müssen, was dem Täter nützt, bzw. nach der individuell erfahrenen Viktimisierung auch mit der dem Opfer eigenen, individuellen Sensibilität darauf reagieren zu dürfen. Dem Täter ist ein Tragen dieser Zufälligkeiten weit eher zuzumuten. Diese Polarität von jedenfalls zu respektierender Verweigerungsmöglichkeit des Verletzten einerseits und den dadurch verursachten, aus Beschuldigtensicht unter Umständen willkürlich erscheinenden Einschränkungen der Verteidigungsmöglichkeiten andererseits, legt es nahe, dem Beschuldigten eine ersatzweise Möglichkeit zu gewähren, seine Ausgleichsbereitschaft durch die Erbringung von Leistungen unter Beweis zu stellen und so der Bestrafung zu entgehen. Als Adressat bleibt sinnvollerweise nur noch die Gemeinschaft. Allerdings ist zunächst auf die Unterschiede zwischen dem Täter-OpferAusgleich und der materiellen Wiedergutmachung in der hier skizzierten Form hinzuweisen. Bei der materiellen Wiedergutmachung erscheinen die Schwierigkeiten weniger gravierend. Materielle Wiedergutmachung beschreibt im Gegensatz zum Täter-Opfer-Ausgleich nicht ein Verfahren, sondern allgemein den Ausgleich der vermögenswerten Tatfolgen, wobei es von sekundärer Bedeutung ist, ob der Verletzte mitwirkt oder nicht. Die Mitwirkung des Verletzten ist dabei naturgemäß die weitaus bessere Option, denn nur dadurch ist ein umfassender Tatfolgenausgleich möglich, der auch die ideelle Wiedergutmachung der Viktimisierungsfolgen mitumfaßt. Wenn dem Geschädigten daher zwar an materieller Wiedergutmachung gelegen ist, er aber nicht mit dem Täter konfrontiert werden will, so ist zwar nur eine reduzierte Variante eines TäterOpfer-Ausgleichs möglich, aber die Leistung der materiellen Wiedergutmachung ist zumindest nach der Einschaltung eines Vermittlers nicht gefährdet. Materielle Wiedergutmachung bedeutet eben nicht zwingend die Durchführung eines kommunikativen Verfahrens zwischen Täter und Opfer. Ein solches Verfahren ist aber das Idealbild, weil damit die größten präventiven Wirkungen erzielt werden6s und die Voraussetzungen fiir eine ideelle Wiedergutmachung geschaffen werden können. Aber es sind auch Fälle denkbar, in denen bereits das freiwillige Bemühen des Täters um materielle Wiedergutmachung, das lediglich wegen der Verweigerung des Verletzten endgültig nicht realisiert werden kann, ausreicht, um eine fiir den Ausgleich der überindividuellen Störung notwendige symbolische Wiedergutmachung zu demonstrieren. Ein Täter, der sich ernsthaft bemüht, die Folgen seiner Tat beim Verletzten auszugleichen, von diesem aber aus objektiv nicht nachvollziehbaren Gründen daran gehindert wird, beweist unter besonde6SSiehe dazu oben S. 74 fT.
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Viertes Kapitel: Strafrechtliche Wiedergutmachung
ren Umständen allein durch sein Bemühen schon die zum Ausgleich der überindividuellen Störung notwendige Normakzeptanz, die ausreicht, daß sich die Gemeinschaft über den Geltungsangriff auf die Norm beruhigt. Wiedergutmachung ist zwar auch als Wohltat für das Opfer gedacht, wenn dieses Opfer aber aus objektiv willkürlichen Motiven diese Wohltat verweigert, dann darf dies auf die Position des Beschuldigten keine Auswirkungen haben. Dies ist von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig und in aller Regel wohl auf Fälle leichterer Kriminalität beschränkt, aber solche Konstellationen sind jedenfalls denkbar. Dennoch sollte strafrechtliche Wiedergutmachung im ganz überwiegenden Regelfall nicht ohne die Mitwirkung des Verletzten geschehen. Nur so läßt sich ein für alle Beteiligten befriedigender Tatfolgenausgleich realisieren. Daher ist auch bei der materiellen Wiedergutmachung die Verweigerung des Opfers regelmäßig zu respektieren und hinzunehmen. Darüber hinaus ist Wiedergutmachung ohne die Mitwirkung des Opfers in vielen Fällen gar nicht möglich, weil sich ohne den Verletzten die individuellen Tatfolgen nicht bestimmen lassen. Also stellt sich auch hier bei der Verweigerung des Verletzten die Frage, was zu tun ist. Die Ausgangslage stellt sich wie folgt dar: Der Täter ist bereit, Wiedergutmachung zu leisten. Seine materielle Wiedergutmachung ist zwar im Versuch steckengeblieben, die freiwillige Bereitschaft zum Ausgleich der Rechtsgutsverletzung hat er aber bereits bekundet. Die tatsächliche Erbringung der Leistung wird ihm allerdings verwehrt, auch die Leistung ideeller Wiedergutmachung. Die freiwillige Bereitschaft, eine tatausgleichende Leistung zu erbringen ist aber, wie oben66 dargelegt wurde, genau das Element, das über die Tilgungswirkung als symbolische Komponente der materiellen Wiedergutmachung den Ausgleich der überindividuellen Störung bewirkt. Der Bedeutungsgehalt der Freiwilligkeit ist daher an die Gemeinschaft gerichtet. Die Freiwilligkeit der Leistung betrifft somit primär das Verhältnis zwischen Täter und Rechtsgemeinschaft, auch wenn der unmittelbare Adressat der materiellen Leistung der Geschädigte ist. Der Geschädigte ist aber durch seine Verweigerung nach seinem Willen aus dem Wiedergutmachungsprozeß ausgeschieden. Der Täter kann nun nur noch in seinem Verhältnis zur Rechtsgemeinschaft leisten und nur noch auf einen Teilaspekt des ursprünglich umfassenden Tatfolgenausgleichs hin, namentlich zum Ausgleich der überindividuellen Störung, zur Wiederherstellung des Normvertrauens. Das Verhältnis zum Opfer muß anderweitig geregelt werden - etwa durch zivilrechtlichen Ausgleich -; es entzieht sich jedenfalls der strafrechtlichen Abwicklung. 66Siehe S. 72 ff., 110 ff.
C. Anwendungsgebiete der symbolischen Wiedergutmachung
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Die umfassenden Straftatfolgen sind reduziert auf die überindividuelle Störung, die noch durch eine Leistung des Täters auszugleichen ist. Dadurch wird aber das durch den Gedanken der Wiedergutmachung um die Mitbehandlung des Täter-Opfer-Verhältnisses erweiterte Strafrecht67 wieder reduziert auf das in einem "reinen" Strafrecht einzig relevante Verhältnis zwischen Täter und Rechtsgemeinschaft. Dort blieb vor dem Einbau von Elementen der Wiedergutmachung zum Ausgleich der überindividuellen Störung nur die Bestrafung des Täters. Wenn ihm nun ermöglicht wird, durch eine aktive Leistung diese Bestrafung zu vermeiden, dann reduziert sich das komplexe Motivbündel, das hinter dem Konzept vollständiger strafrechtlicher Wiedergutmachung steht, auf diese Strafvermeidung, also im wesentlichen auf den Gedanken der Diversion. Dabei noch von echter Wiedergutmachung zu sprechen, entbehrt nicht einer gewissen Künstlichkeit. Es zeigt sich aber, daß symbolische Wiedergutmachung zum Ausgleich der überindividuellen Störung eine Ersatzhandlung zur Strafe darstellt, sie dient also primär der Strafvermeidung. Eine wesentliche Voraussetzung zum Ausgleich der überindividuellen Störung ist die Freiwilligkeit dieses Ausgleichs. Diese Freiwilligkeit hat der Täter durch seine Bereitschaft zur Leistung materieller oder ideeller Wiedergutmachung bereits bekundet. Es bleibt jetzt nur noch, dem Täter zu ermöglichen, die Demonstration seiner Freiwilligkeit durch eine aktive Leistung unter Beweis zu stellen. Welche Leistungen der Täter konkret erbringen soll, erscheint dabei nicht von vordringlicher Wichtigkeit. Sie sollen jedenfalls der Gemeinschaft nützen, der Täter soll ja damit Normakzeptanz beweisen, und das heißt Akzeptanz der grundlegenden Regeln der Gemeinschaft. Also kommen, wie in der Literatur vorgebracht, gemeinnützige Arbeiten in Frage, Arbeiten, die von der Gemeinschaft erbracht werden müssen, um das Zusammenleben zu gewährleisten. Eine größere Nähe zur Wiedergutmachung wäre allerdings dann hergestellt, wenn diese Arbeiten das durch die Straftat verletzte Rechtsgut verdeutlichen könnten, denn die Rechtsgutsverdeutlichung wird als das große präventive Plus der strafrechtlichen Wiedergutmachung im Vergleich zur pauschalen Bestrafung des Täters angesehen. 68 Allerdings ist die Umsetzung der Verletzung eines Individualrechtsgutes in eine die Tat spiegelnde gemeinnützige Arbeit mit Schwierigkeiten verbunden und läuft Gefahr, willkürlich auszufallen. Die Schwierigkeiten sind ähnlich wie bei der DefInition von Leistungen zum Ausgleich der Verletzungen von Universalrechtsgütem der 2. Gruppe. 69
67Siehe dazu oben S. 137 ff. 68Siehe oben S. 74 ff. 69Siehe dazu die ausfilhrIiche Schilderung dieser Schwierigkeiten oben S. 90 ff.
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Auf die Rechtsgutsverdeutlichung kommt es aber in dieser Konstellation gar nicht entscheidend an. Oben70 wurde bereits herausgestellt, daß zum Ausgleich der überindividuellen Störung vom Täter primär ein Akt der IdentifIkation mit der Gemeinschaft verlangt werden muß. Dies deswegen, weil er eine Regel verletzt hat, die für das Zusammenleben in der Gemeinschaft besonders wichtig ist. Aus dieser Wichtigkeit resultiert die überindividuelle Störung. Die Leistung des Täters zielt also nicht auf den Ausgleich einer Rechtsgutsverletzung, sondern sie soll die Unverzichtbarkeit der verletzten Regel zeigen. Die Akzeptanz des Rechtsguts hat der Täter daneben schon durch seine Bereitschaft bekundet, dem Opfer materielle oder ideelle Wiedergutmachung zu leisten. Er muß die Bedeutung des verletzten Rechtsgutes also nicht mehr primär unter Beweis stellen. Somit ist das Wesentliche, das vom Täter verlangt werden muß, der Akt der IdentifIkation, nicht die Rechtsgutsverdeutlichung. Sollte diese allerdings in einer gemeinnützigen Arbeit verwirklichbar sein, dann ist diese Möglichkeit zu nutzen, denn von einer rechtsgutsverdeutlichenden Leistung des Täters sind allemal bessere präventive Wirkungen zu erwarten. Allerdings dürfte das in zahlreichen Fällen schwierig sein und - ähnlich der Leistungsbestimmung bei der 2. Gruppe immaterieller Universalrechtsgüter willkürliche Leistungsbestimmungen herausfordern. In solchen Fällen ist daher besser darauf zu verzichten.
n. Delikte ohne personales Opfer Bei Delikten ohne personales Opfer wird wegen der Unmöglichkeit, einen Täter-Opfer-Ausgleich durchzuführen, häufIg gefordert, Wiedergutmachung gegenüber der Allgemeinheit zuzulassen, die dann als symbolische Wiedergutmachung bezeichnet wird. 71 In diesem Sinne wäre also jede Wiedergutmachung gegenüber der Allgemeinheit symbolische Wiedergutmachung. Dies entspricht aber nicht den hier verwendeten Begriffsbestimmungen und Defmitionen. Es ist auch denkbar, daß gegenüber der Allgemeinheit materielle Wiedergutmachung zu erbringen ist, nämlich immer dann, wenn die Leistung auf den Ausgleich vermögenswerter Einbußen zielt. So ist beim von Schöch genannten Beispiel einer umweltgefährdenden Abfallbeseitigung (§ 326 StGB)72 die Annahme von materieller Wiedergutmachung naheliegender, denn die Notwendigkeit der endgültigen Entsorgung der rechtswidrig vom Täter beseitigten Abfälle beansprucht fmanzielle Aufwendungen und ist daher eine vermögenswerte
7°Siehe S. 70 f., 83. 7lFrühauf, S. 195; Rössner in Marks / Rössner, S. 17; Schöch, Gutachten, S. 74; Dölling, JZ 1992, S. 499. 72Schöch a.a.O.
C. Anwendungsgebiete der symbolischen Wiedergutmachung
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Folge der Tat. Symbolische Wiedergutmachung ist dagegen einzig der Ausgleich immaterieller Schäden der Gemeinschaft aus der Straftat. Der Wiedergutmachung bei Delikten ohne personales Opfer entspricht dabei die symbolische Wiedergutmachung zum Ausgleich von Beeinträchtigungen immaterieller Gemeinschaftsrechtsgüter. 73 Die Analyse der Möglichkeiten dieses Ausgleichs und die Beschreibung der Schwierigkeiten dabei bildeten einen Schwerpunkt dieser Arbeit. Darauf sei an dieser Stelle nur verwiesen. 74
III. Versuch
Ein weiterer Anwendungsbereich für Wiedergutmachung gegenüber der Allgemeinheit wird im nur versuchten Delikt gesehen. Beim Zusammenspiel von Wiedergutmachung und strafbarem Versuch springt die Gleichheitsproblematik ins Auge. Während der Täter eines vollendeten Delikts durch die Wiedergutmachung des von ihm verursachten Schadens seine Strafe vermeiden oder mildem kann, ist diese Möglichkeit dem Versuchstäter mangels eingetretenen Schadens verwehrt. Er müßte bestraft werden. Da aber der strafbare Versuch bloßes Handlungsunrecht darstellt, also durch das Fehlen des Erfolgsunwertes weniger Unrecht bedeutet und somit grundsätzlich weniger schwer wiegt als das Handlungs- und Erfolgsunrecht verwirklichende vollendete Delikt, müßte er auch tendenziell eine weniger schwere krirninalrechtliche Sanktion nach sich ziehen. Durch die Unmöglichkeit einer Schadenswiedergutmachung ist aber das Gegenteil der Fall: der Versuchstäter müßte bestraft werden, der Vollendungstäter kann durch Wiedergutmachung seine Strafe vermeiden oder wenigstens mildem. Die Ungerechtigkeit dieses Zustands ist offenkundig. Daher soll dem Versuchstäter durch Leistungen an die Allgemeinheit ebenfalls die Möglichkeit eröffnet werden, seine Strafe zu vermeiden oder zu verrin7S gern. Beim strafbaren Versuch ist keine Rechtsgutsverletzung eingetreten. 76 Abgesehen von Viktirnisierungsfolgen beim Opfer, die trotz fehlender Rechtsgutsverletzung bedeutend sein können,77 reduziert sich die Bedeutung der Straftat auf das Verhältnis zwischen Täter und Rechtsgemeinschaft. Der in der Versuchstat liegende Normbruch hat eine überindividuelle Störung verursacht oder 73 Dies entspricht wohl der von Schöch als "Verletzung abstrakter Belange der Allgemeinheit" bezeichneten weiteren Kategorie von Straftaten, Schöch a.a.O. 74Siehe oben S. 80 ff, 121 ff. 7sSchöch Gutachten, S. 74. 7~ie Rede ist nur vom einfachen Versuch bzw. beim qualifizierten Versuch nur von den versucht gebliebenen Delikten. Die beim qualifizierten Versuch mitverwirklichten vollendeten Delikte sind naturgemäß als solche gesondert zu beurteilen. 77Siehe dazu sogleich unten.
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- in den Worten der die Versuchs strafbarkeit begründenden Eindruckstheorie einen rechtserschütternden Eindruck. Die überindividuelle Störung muß ausgeglichen werden. Diese Konstellation bei der Versuchstat ist dem Fall der unter 1. beschriebenen Teilnahmeverweigerung durch den Geschädigten nicht unähnlich. Hier wie dort ist ein Ausgleich der Rechtsgutsverletzung nicht möglich: hier, weil gar kein Rechtsgut verletzt ist, dort, weil das Opfer seine Mitwirkung beim Ausgleich der Rechtsgutsverletzung verweigert und ihn somit unmöglich macht. In beiden Fällen reduziert sich die noch mögliche Wiedergutmachung auf den Ausgleich der überindividuellen Störung, also auf das Verhältnis zwischen Täter und Rechtsgemeinschaft. Aufgrund dieser Parallelität der Konstellationen fallen die Schlußfolgerungen daher sehr ähnlich aus. Die Reduktion auf das Verhältnis zwischen Täter und Rechtsgemeinschaft fUhrt wiederum zurück zur Ausgangsposition des "reinen" Strafrechts, wie es sich vor dem Einbau der Wiedergutmachung darstellte. Dabei stand als Reaktion auf Versuchstaten einzig die Bestrafung des Täters zur Verfügung, nur mit Strafe konnte die überindividuelle Störung ausgeglichen werden. Dies erscheint aber nach der Erweiterung dieses Strafrechts um Elemente der Wiedergutmachung als ungerecht angesichts der Möglichkeit fUr den Vollendungstäter, durch den Ausgleich der Rechtsgutsverletzung die ÜbelszufUgung zu vermeiden. Also ist es aus Gleichheitsgründen notwendig, auch dem Versuchstäter den Weg zu bahnen, mittels aktiver Leistungen Strafe zu vermeiden. Dies wäre - zumindest nach einer Etablierung der Wiedergutmachung als regelmäßiger strafrechtlicher Reaktion statt Strafe - ein verfassungsrechtliches Gebot aus Art. 3 GG. Als Motiv steht also auch bei dieser Anwendung der symbolischen Wiedergutmachung die nun sogar verfassungsrechtlich gebotene Strafvermeidung im Vordergrund. Insofern gilt das oben zur Teilnahmeverweigerung des Geschädigten Gesagte auch hier. Es müssen vom Täter Leistungen erbracht werden, die seine IdentifIkation mit den grundlegenden Regeln des Zusammenlebens in der Gemeinschaft erweisen. Dabei wäre wiederum eine Rechtsgutsverdeutlichung präventiv vorteilhaft, birgt aber die Gefahr der Willkür. Bei der Versuchstat eröffnet sich aber theoretisch noch eine zweite Möglichkeit. Bei versuchten Delikten ist nicht nur das Verhältnis zwischen Täter und Rechtsgemeinschaft berührt, sondern diese Tat kann auch bedeutende Auswirkungen im Verhältnis zwischen Täter und Opfer haben. So kann das Erleben des gescheiterten Angriffs auf seine Person beim Opfer schwerwiegende Viktirnisierungsfolgen auslösen. Sind diese Folgen vermögenswert, etwa bei einer Therapiebedürftigkeit des Opfers, so ist trotz fehlender Rechtsgutsverletzung materielle Wiedergutmachung möglich. Aber auch rein ideelle Wiedergutmachung ist nicht undenkbar, trotz aller grundsätzlicher Zurückhaltung über die Realisierbarkeit dieser Wiedergutrnachungsform. Es ist schließlich auch ein Täter-Opfer-Ausgleich möglich, der dann unter Umständen auf die rein immaterielle Versöhnung zwischen den Beteiligten beschränkt bleibt. Ein erfolgrei-
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eher Abschluß dieses Ausgleichs kann durchaus - ähnlich wie erbrachte materielle Wiedergutmachung - eine Tilgungswirkung in bezug auf die überindividuelle Störung entfalten und so unter Umständen eine symbolische Wiedergutmachung verringern oder ganz ersetzen. Der weite Begriff des Ausgleichs zwischen Täter und Opfer umfaßt zahlreiche Folgenbeseitigungen, nicht nur die einer Rechtsgutsverletzung. Hier ist eine auf den Einzelfall angepaßte Reaktion möglich und vonnöten. Es wird aber deutlich, daß nicht in allen Fällen des strafbaren Versuchs nur die Erbringung von gemeinnütziger Arbeit die Tatfolgen ausgleichen kann.
IV. Diskrepanz zwischen Schwere der Tat und Umfang der Wiedergutmachungsleistung Da sich die Schwere der Straftat nicht nur nach dem Umfang des entstandenen Schadens bemißt, sind vielfaltige Konstellationen denkbar, in denen sich eine Diskrepanz zwischen der angemessenen strafrechtlichen Reaktion und dem Ausmaß des notwendigen Schadensausgleichs ergeben kann. Diese Diskrepanz kann in beiden Richtungen entstehen: einerseits kann der Schaden höher ausfallen als das strafrechtliche Unrecht, etwa bei leichter Fahrlässigkeit, die einen großen Schaden verursacht. Andererseits kann aber der entstandene Schaden nur gering wiegen im Vergleich zum strafrechtlichen Unrecht bzw. zur Schuld des Täters. In der ersten Kategorie ist symbolische Wiedergutmachung nicht berührt. Der Täter, der durch leichte Fahrlässigkeit großen Schaden verursacht hat, ist zivilrechtlieh ohnehin zum Ersatz dieses Schadens verpflichtet. Wenn die Strafwürdigkeit seiner Tat dagegen aber nur gering ausfällt, dann ist es problemlos möglich, bereits bei einer Teilleistung die Strafe als durch Wiedergutmachung abgegolten anzusehen. Ähnlich ist die Lage bei einem mit verminderter Schuldfahigkeit handelnden Täter. All diese Konstellationen einer im Vergleich zum entstandenen Schaden geringeren Strafwürdigkeit des Täters betreffen nur die materielle Wiedergutmachung bzw. die Frage, welches Ausmaß einer Leistung ausreicht, um die Strafbarkeit des Täters abzugelten. Raum fiir einen neben der materiellen Wiedergutmachung notwendigen Ausgleich der überindividuellen Störung durch symbolische Wiedergutmachung ist dadurch nicht eröffnet. Eine in einem Punkt verwandte, ansonsten aber zu unterscheidende Problematik betrifft die Forderung nach symbolischer Wiedergutmachung durch den nicht liquiden Täter,78 dessen Leistungsfahigkeit nicht ausreicht, den gesamten
78Diesen Zusanunenhang stellt Jung, Sanktionensysteme, S. 161, her.
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Viertes Kapitel: Strafrechtliche Wiedergutmachung
Schaden auszugleichen. Bereits oben79 wurde dargelegt, daß es sich bei möglichen Arbeitsleistungen ftir den Geschädigten lediglich um eine Modifikation der Leistungserbringung bei der materiellen Wiedergutmachung handelt. Das Thema der symbolischen Wiedergutmachung ist also nicht berührt. Die zweite Kategorie, also Fälle eines im Vergleich zum strafrechtlichen Unrecht geringeren Schadens, bietet dagegen Gelegenheit zur Leistung symbolischer Wiedergutmachung. Das Problem besteht allgemein darin, daß die materielle Wiedergutmachung nicht ausreicht, um die Strafwürdigkeit der Tat vollständig abzugelten. Das Extrembeispiel dieser Kategorie ist der soeben behandelte strafbare Versuch. Dabei ist überhaupt kein Schaden entstanden, zumindest nicht aus einer Rechtsgutsverletzung. Allgemein sind darüber hinaus aber Fälle denkbar und nicht unwahrscheinlich, in denen die mit der materiellen (oder ideellen) Wiedergutmachung über die Tilgungswirkung gleichzeitig erbrachte symbolische Wiedergutmachung nicht ausreicht, um das durch den Geltungsangriff auf die Norm beeinträchtigte Normvertrauen der Allgemeinheit wiederherzustellen. Die Gründe daftir können in der Tat, im Täter oder im Geschädigten liegen. Gründe in der Tat sind beispielsweise ein angesichts der potentiellen Gefahrlichkeit der Tathandlung zufallig ausbleibender Schaden, also eine dem versuchten Delikt sehr ähnliche Konstellation. Als Beispiel diene eine gefahrliche Körperverletzung mittels eines Messers, aus der nur zufallig oder aufgrund der besonderen Kunst der behandelnden Ärzte lediglich eine geringftigige Gesundheitsbeschädigung resultiert. Auch aus Gründen in der Person des Täters kann dessen materielle Wiedergutmachung nicht ausreichen, um die überindividuelle Störung auszugleichen, etwa wenn dem Täter wegen besonderen Wohlstands der Ausgleich des Schadens unverhältnismäßig leicht fallt. Schließlich können aber auch besondere Eigenschaften des Verletzten den ftir den Täter auszugleichenden Schaden besonders gering halten, etwa weil der Geschädigte einen Schaden aus subjektiven Gründen als besonders gering empfmdet oder weil er gegen den eingetretenen Schaden versichert ist und kein Regreßanspruch der Versicherung gegen den Täter besteht. 80 Wo auch immer die Gründe liegen, die Konstellation ist stets diesselbe: die zu erbringende materielle Wiedergutmachung reicht nicht aus, um die Strafwürdigkeit der Tat vollends auszugleichen. Nachdem der materielle Schaden behoben ist, bleibt als noch nicht vollständig ausgeglichene Tatfolge (neben möglichen Viktirnisierungsfolgen) in der Regel die überindividuelle Störung. Die Allgemeinheit sieht die Leistung des Täters als nicht ausreichend an, um sich über den strafrechtlichen Normverstoß wieder zu beruhigen. Oder, in der 79Siehe S. 47. 8°Siehe dazu AE-Wgrn, S. 45 f.
C. Anwendungsgebiete der symbolischen Wiedergutmachung
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hier gewählten Terminologie: die Tilgungswirkung der materiellen Wiedergutmachung reicht nicht aus, auch die überindividuelle Störung zu beheben. Daher muß der Täter eine zusätzliche Leistung erbringen, die diese überindividuelle Störung ausgleichen kann. Wiederum ist nur noch das Verhältnis zwischen Täter und Rechtsgemeinschaft betroffen, in diesem Verhältnis sind noch Leistungen zu erbringen. Es gilt das oben zur Teilnahmeverweigerung des Geschädigten bzw. zum versuchten Delikt über die Gemeinnützigkeit der Arbeiten und eine mögliche Rechtsgutsverdeutlichung Gesagte. Darauf kann hier verwiesen werden, denn die Ausgangslagen sind weitgehend identisch. Als Alternative bliebe auch hier nur die Bestrafung des Täters. Auch in dieser Fallgruppe erweist es sich also, daß symbolische Wiedergutmachung der Strafvermeidung dient. Dies gilt stets fiir die defensive Funktion der symbolischen Wiedergutmachung, also dann, wenn symbolische Wiedergutmachung Ungleichbehandlungen vermeiden soll. Die Ungleichbehandlung wird ja gerade darin gesehen, daß rur manchen Täter in bestimmten Konstellationen nur noch die Strafe bleibt, also eine im Vergleich zur Wiedergutmachung eingriffsintensivere Reaktion. Von materieller oder ideeller Wiedergutmachung unabhängig erbrachte symbolische Wiedergutmachung - das wird spätestens jetzt deutlich - ist weniger ein Instrument "echter" strafrechtlicher Wiedergutmachung. Dazu ist die rur die Wiedergutmachung wesenseigene Rechtsgutsverdeutlichung entweder zu schwierig zu realisieren oder aber - wie in allen zuletzt beschriebenen Fallgruppen - verzichtbar. Symbolische Wiedergutmachung ist primär ein Instrument der Strafvermeidung.
Schluß betrachtung Das vielleicht überraschendste Ergebnis dieser Untersuchung ist wohl die Tatsache, daß symbolische Wiedergutmachung so fremd und systemfern gar nicht ist. In jeder erbrachten Wiedergutmachungsleistung, in jedem gelungenen Täter-Opfer-Ausgleich ist auch eine symbolische Wiedergutmachungsleistung enthalten. Es ist diese symbolische Wiedergutmachungsleistung, die Wirkungen auf den staatlichen Strafanspruch entfaltet. In diesem Sinne ist symbolische Wiedergutmachung die einzig strafrechtliche Wiedergutmachung. Fremd mutet (noch) der Ausgleich immaterieller Universalrechtsgüterbeeinträchtigungen an. Die Schwierigkeiten, die sich dabei gezeigt haben, erscheinen groß. Die beiden charakteristischen Elemente strafrechtlicher Wiedergutmachung - Freiwilligkeit und Rechtsgutsverdeutlichung - lassen sich bei dieser Form der symbolischen Wiedergutmachung nicht leicht verwirklichen. Sie sind allerdings unverzichtbar. Ohne Freiwilligkeit läßt sich bei der Erbringung gemeinnütziger Arbeiten nicht mehr von Wiedergutmachung sprechen, sondern nur noch von einer alternativen Form der Bestrafung. Ohne Rechtsgutsverdeutlichung büßt strafrechtliche Wiedergutmachung einen erheblichen Teil ihrer präventiven Wirkung ein. Symbolische Wiedergutmachung kann nur auf einen Teil der Wurzeln strafrechtlicher Restitution zurückgeführt werden, und sie kann sich daher nur auf einen Teil ihrer Vorteile berufen. So fällt die "Opferperspektive" naturgemäß weg. Die restlichen kriminalpolitischen, vor allem präventiven Vorteile strafrechtlicher Wiedergutmachung lassen sich aber möglicherweise weitgehend verwirklichen. Es bedarf dazu der Defmition angemessener Leistungen, die sich tatsächlich realisieren lassen. Dies scheint das schwierigste Problem, das sich allerdings nur in einer praktischen Erprobung lösen läßt. Noch wurde das aber nicht versucht. Ein Pioniergeist, wie er in den 80er Jahren zu der Gründung von TOA-Projekten gefiihrt hat, scheint heute zu fehlen. Etwas ähnliches heute zu probieren, bedarf aber nur eines geringen Aufwands und birgt nur ein geringes Risiko. So könnten die etablierten TOAAnbieter durchaus einem ausgleichswilligen Täter - etwa bei der Teilnahmeverweigerung des Geschädigten - die Erbringung gemeinnütziger Arbeiten anbieten und organisieren. Staatsanwälte und Richter müßten diese Leistungen genauso anerkennen wie einen Ausgleich mit dem Geschädigten. Durch die § 153 a I 1 Nr. 1 und Nr. 2 StPO liegt diese Möglichkeit nahe. Genau wie in der "Gründerzeit" des TOA könnten praktische Erfahrungen gesammelt und die Anwendungsgebiete der symbolischen Wiedergutmachung
Schlußbetrachtung
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erkundet werden. Aus diesen Erfahrungen wären die Möglichkeiten einer tatsächlichen Umsetzung der "großen Lösung", also die Realisierung auch der symbolischen Wiedergutmachung zum Ausgleich immaterieller Universalrechtsgüter, besser abzuschätzen. Es bedarf wohl nicht allzu viel, um aus der Theorie eine erste Praxis zu machen.
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Sachwortverzeichnis Arabische Zahlen bezeichnen die Seitenzahlen, römische Ziffern verweisen auf die Kapitelnummern. Abschreckung 114 Allgemeinheit
Eindruckstheorie 35 f., 39, 60 f., - Erschütterung der Allgemeinheit 35 ff.
- als Adressat der symbolischen Wiedergutmachung 119, 145
Entkriminalisierung 30, 61 f.
- als Leistungsempfänger 48
Entschuldigung 25, 54
- punitive Einstellung 144 f. Alternativentwurf Wiedergutmachung (AE-Wgm) 13 f., 18, 19, 21, 26, 73 f., 89, 103 f., 106 f., 119 f., 123, 129
Eröffnung der Hauptverhandlung 120 Erwartungen, kognitiv-normativ 37 f.
Folgen der Tat 26 ff., 94 ff., 122 ff.
Auflage 27 f.
- Quantifizierung 97 ff., 124
Ausgleich 27
- Schaden 46 ff.
Bagatellkriminalität 65 f.
Folgenlosigkeit 94 ff., 124
der
einzelnen
Freiwilligkeit 26, 101 ff.
Befriedungseffekt 115 f.
- Anforderungen 103
Bestechung 94
- Quantifizierung 103 ff.
Betäubungsmitteldelikte 88 f.
- Kriterien 104 f.
Betrug 91 f.
Tat
- Motivation 104 f., 117 f.
Bewährungsauflage 27 f. Beziehungstaten 56 f.
Gefahrerfolg 31, 11 Fn. 225 GefährdungsdeIikte 31 ff., 86 ff., 93 ff.
Defensive Funktion 17 ff., 80
Gefährlichkeitsdelikte 31 ff. - Rechtsgut 31 f.
Diversion 106, 136ff., 151
Geldbuße 66
Deutscher Juristentag 1992 14 f., 22 f.
GeIdfälschung 89
Drogenkriminalität 89
Geitungsveriust der Norm 38 f., 68, 72
Sachwortverzeichnis
171
Gemeinnützige Arbeit 17 f., 47, 84, 88 f.
Kommerzialisierung von Rechtsgütern 51
Gemeinnützige Leistungen 71, 84, 152
Konflikt 36 f., 129, ff., 138 ff.
Gemeinschaftsbezogene 80 f.
Leistungen
- Arten 40 - Bewältigung 76, 102 - Enteignung 43, 139 f.
Gemeinschaftsschaden
- Re-Privatisierung 43
- immaterieller 58 ff.
- sozialer 36 f.
- intellektueller 17
- Täter-Opfer 43 f.
Generalprävention 110 ff.; siehe auch Abschreckung; positive Generalprävention
Konfliktregelung 106
Geständnis 118 f.
Kriminalisierung 30
Gesellschaftliche 122 ff.
Systeme
89
ff.,
Gewaltdelikte 56 f., 142 f. Gewässerverunreinigung (§ 324 StGB) 50 Gleichbehandlung 22, 153 "Große Lösung" 21 ff., 80, 83,119
Konkursstraftaten 89
Kriminalpolitische Ziele 74 ff., 105 f., 108f., 132 ff. Kriminalstrafe 64, 66, 112 f.
Leistungen des Täters 26 f., 45 ff., 69 ff., 122 ff. Legitimität des Strafrechts 32 f., 67 f.
Materielle Rechtsgüter 50 f. Ideelle Wiedergutmachung 52 ff., 78, 128 ff. Identifikationsakt 70 f., 83,152 Immaterielle Schäden 52 ff., 128ff. Indirekte Wiedergutmachung 11 Fn. 88 Individualrechtsgüter 35 f., 46 - immaterielle, 49 ff.
Materielle Wiedergutmachung 45 ff., 81, 107 ff. - gegenüber der Allgemeinheit 50, 85f. - Definition 47 f., 52 - Freiwilligkeit 107 ff. - Präventive Wirkungen 108ff. - Strafverfahren 135
Integrationsprävention 36
Mediation 43
Intellektueller Verbrechensschaden 17
Meineid (§ 154 StGB) 32 Moralwidrigkeit 31
Kembereich des Strafrechts 65
Neutralisierung 75, 11 Fn. 194,83,85
Körperverletzung (§§ 223 ff. StGB) 39 f., 51, 62,84,129,156.
Normakzeptanz 109 ff., 117, 119, 127, 144, 150 f.
172
Sachwortverzeichnis
Normbestätigung 75, 78, 117, 119 ff Normgeltung 38 f, 72, 112, 115, 117
- Kommerzialisierung 50 f.
Normstabilisierung 110 ff., 115, 118, 127, 144
- Leben 31, 33 f., 51 f., 86 f, 89, 141 - Rechtspflegedelikte, 32, 90 ff, 96
Normtheorie 61 f
Österreichisches StGB 103 ff Offensive Funktion 21, 23 f., 80, 85 Opfer - Allgemeinheit 48 - Angehörige 48 - Berücksichtigung im Strafverfahren 105, 110, 134 f - nicht-personal 48 f Opferlose Delikte 22 f, 152 f Opferperspektive 137 f, 158 Opferschutz 39 ff. Ordnungswidrigkeitenrecht 64 ff.
- Verletzung, 30 ff., 36, 44 Rechtsgutsverdeutlichung 75 ff, 79, 83 ff, 88 ff, 96, 98 f., 121, 127 f, 147f., 151 f., 154, 157 f Rechtsgüterschutz 31 ff, 74 ff Rechtsstaatlichkeit 148 Resozialisierung 19, 114, 143 f. Restitutionstheorie 17
Sanktionsnormen 61 ff., 66 ff., 76 f., 108, 113 Schaden 47 f. - bei Dritten, 48 - materiell, 45 f - mittelbarer, 48
Personen bezogene Leistungen 73 f Positive Generalprävention 36 ff., 59 ff., 63, 68 f., 71 f., 75, 115 f, 145 f - Befriedungseffekt 36, 115 - Soziale Störung 36 f. Präventionsstrafrecht 63 ff. Psychische Beeinträchtigungen 40 f., 53 ff., 129 ff. Punitive Bedürfnisse 56 f., 144
- zivilrechtlieh, 27 f Schadensersatz 27 ff., 33 f., 46 Schadensersatzrecht 46 f Schadenswiedergutmachung 27 f, 46 f, 135 - nur eines Teils des Schadens 18f., 155 - Nichtausreichen 156 f. Schmerzensgeld 28 f, 48, 107, 129, 142 Schuldprinzip 71, 77
Rechtsgut 30 f. - der Allgemeinheit 21 f, 25 - Beeinträchtigung 32 f, 11 Fn. 20 - Gefährdungsdelikte 31 ff.
Schwerkriminalität 142 ff. Sexualdelikte 41, 51, 89, 143 ff., IV Fn. 9, IV Fn. 53
Sachwortverzeichnis
173
Sicherheit des Straßenverkehrs 32 ff., 81,86 ff., 92, 121,11 Fn. 20,11 Fn. 30
- Kritik 14,22
"Sicherheits-Rechtsgut" 31 ff., 44, 82, 86 ff., 92, 94, 96 f., 117 ff., 121,11 Fn. 20, 11 Fn. 28, 11 Fn. 214, 11 Fn. 225
- Negative Umschreibung 20, 24 f.
Sozialethisches Unwerturteil 64 ff., 74, 77,112ff.
- Leistungen 20, 24 f., 85, 88 f., 96 ff., 121 ff. - Subsidiarität 19 ff., 58, 73 f., 78 f. - Teilweise Schadenswiedergutmachung 18 f. - beim Versuch 20, 22, 153 ff.
Spezialprävention 75 f., 80, 83, 102 f., 106,113 f., 143 f.
Symmetrische Interaktion 54
Strafe als symbolische Wiedergutmachung 16 f.
Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) 20, 22 ff., 42, 48 ff., 54 ff., 74, 83, 102, 129 f., 132 f., 139 f., 142 f., 147 ff., 152,155,158 - Konzepte, 130
Strafrechtliche Folgen der Tat 27 ff. - Vorrang 29 f. Strafrechtliche Wiedergutmachung 26 f., 42, 45, 74 ff. - Kriminalpolitische Konzepte 132 ff. - Präventive Wirkungen 74 ff. Strafrechtszwecke 74 ff., 113 ff. Strafvermeidung 127 ff., 146 f., 151, 157 Strafzumessung 84, 97 ff. Subsidiaritätsprinzip 63 f., 66, 68 Symbolische Wiedergutmachung 13 ff., 16 ff., 26 f., 47, 49, 57 ff., 67, 72 ff., 76, 78 ff., 96, \09 f., 111 ff., 121 ff., 126 ff., 131, 134, 140 f., 144, 147 ff.
Talion 16 f. Teilnahmeverweigerung des 20 f., 148 ff.
Opfers
Therapiekosten 48,57, 107, 128, 131, 155 Tilgungswirkung 72 ff., 109 ff. Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) 31 f., 81 f., 86, 92,121 Übe\szufügung 62, 68 f., 74 f., 83, 99, 108, 111 ff., 144 f., 154
- Anwendungsgebiete 14 f., 19 ff., 147 ff.
Überindividuelle Störung 34 ff., 44, 46 f., 59 ff., 63 ff., 77 f., 109 ff., 111 ff., 121 f., 127 f., 132, 134, 140, 144, 147, 150 ff. - Quantifizierung 71 f.
- Begriff 19 f., 26 f., 57 f.
ultima ratio 67
- Definition 58 - Freiwilligkeit 111 ff. - Funktion 21 ff. - Gemeinnützige Arbeit 17 f. - Konkretisierung von Leistungen 88 f. 92 f., 96 ff., 121 ff.
Umweltdelikte 25, 50 f., 85, 89, 141, 146,11 Fn. 20 I Umweltgefährdende Abfallbeseitigung (§ 326 StGB) 25, 50, 152 f. Umweltstrafrecht
174
Sachwortverzeichnis
- Rechtsgut 25,51,89 - Wiedergutmachung 50, II Fn. 92, II Fn. 96 Universalrechtsgüter 34, 51, 59, 80 ff. 86 ff., 89 ff., 121 f., 125 ff., 138, 146 ff., 158 - Ausgleich 121 ff. - immaterielle 80 ff., 86 ff., 89 ff.
Viktimisation - primäre / sekundäre 40 Viktimisierung 43 ff. Viktimisierungsfolgen 39 ff., 51 ff., 73, 107, 128 ff., 132, 145 f., 149, 153 - Ausgleich 53 ff., 130 f.
Unwertgehalt 65 f.
- Grenzen 56 f., 145 f.
Unwerturteil, siehe sozialethisches Unwerturteil
- Definition 41 f.
Urkundenfälschung (§ 267 StGB) 32, 82,90 ff., 95 f., 122 ff., 128 - Rechtsgut, 90 ff.
Vorverlagerung des Rechtsgüterschutzes 31 f., 34, 67, 86 ff., 121, 146
Verantwortungsauferlegung 69 f., 104, 112 Verantwortungsübernahme 55, 69 f., 104, 113, 115 ff. Verhaltensnormen 61 ff., 66 ff., 76 ff., 10Sf., 112f., 127 Verletzung von Rechtsgütern 30 ff., I Fn.20 Einbuße
- materielle Schäden 46 - Langzeitschäden 40 f. - Vergewaltigung 40
- Wiedergutmachung, 123 ff.
Vermögenswerte 107 ff.
- Einbruchsdiebstahl 40
47
ff.,
Versicherung 49
Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB)21, 42 Wiedergutmachung, siehe auch Schadenswiedergutmachung, strafrechtliche Wiedergutmachung, symbolische Wiedergutmachung, Täter-Opfer-Ausgleich, Universalrechtsgüter - Ausgleich, Viktimisierungsfolgen - Ausgleich - Definition 26
Versuch 34 ff., 153 ff.
- Grenzen 141 ff. - Idealbild 10 1 f.
- Rücktritt 103 ff.
- Konzepte 132 ff.
- Theorien 35 - Viktimisierungsfolgen 154 f. Vertrauensverlust der Allgemeinheit 35 f., 60 f., 68 f., 72, 109, 144, 156 Verwaltungsrecht 62
Wiederherstellung des Rechtsfriedens 37
Zivilrecht 27 ff., 33 f., 39, 45 f., 52 f.