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German Pages [280] Year 2009
Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Herausgegeben von Jan Christian Gertz, Dietrich-Alex Koch, Hermut Löhr, Matthias Köckert, Steven McKenzie, Joachim Schaper und Christopher Tuckett
Band 229
Vandenhoeck & Ruprecht
Gerhard Sellin
Studien zu Paulus und zum Epheserbrief Herausgegeben von Dieter Sänger
Vandenhoeck & Ruprecht
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-53093-1
© 2009, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Druck und Bindung: b Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
Inhalt
Vorwort ..................................................................................................
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Paulus Das „Geheimnis“ der Weisheit und das Rätsel der „Christuspartei“ (zu 1Kor 14) .........................................................................................
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„Die Auferstehung ist schon geschehen“. Zur Spiritualisierung apokalyptischer Terminologie .............................
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1Kor 56 und der „Vorbrief“ nach Korinth. Indizien für eine Mehrschichtigkeit von Kommunikation im Ersten Korintherbrief .............................................................................
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Mythologeme und mystische Züge in der paulinischen Theologie .......
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Die religionsgeschichtlichen Hintergründe der paulinischen „Christusmystik“ ....................................................................................
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Hagar und Sara. Religionsgeschichtliche Hintergründe der Schriftallegorese Gal 4,2131 ............................................................................................ 116 Leiblichkeit als Grundkategorie paulinischer Ethik ............................... 138 Ästhetische Aspekte der Sprache in den Briefen des Paulus ................. 148 Epheserbrief Adresse und Intention des Epheserbriefes ............................................. 164 Die Paränese des Epheserbriefes ............................................................ 180 Monotheismus im Epheserbrief jenseits von Theokratie und Ekklesiokratie ......................................................................................... 199
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Inhalt
Über einige ungewöhnliche Genitive im Epheserbrief .......................... 217 Imitatio Dei. Traditions- und religionsgeschichtliche Hintergründe von Eph 5,12 ........................................................................................ 239 Konsolidierungs- und Differenzierungsprozesse im „Paulinismus“ (Kol und Eph) ......................................................................................... 255 Nachweis der Erstveröffentlichungen .................................................... 270 Stellenregister (Auswahl) ....................................................................... 272
Vorwort
Der vorliegende Band enthält vierzehn Aufsätze zur paulinischen Theologie und zum Epheserbrief, die Gerhard Sellin in den Jahren 1982–2006 veröffentlicht hat. Für den Wiederabdruck wurden sie noch einmal durchgesehen. Ihre Neuaufnahme bot die Möglichkeit, offensichtliche Fehler zu berichtigen, die Orthographie den neuen Richtlinien anzupassen und die Zitationsweise zu vereinheitlichen. In der Regel richtet sie sich nach dem Abkürzungsverzeichnis der TRE, Berlin/New York 21994. Ansonsten sind die Beiträge unverändert geblieben. Die thematische Konzentration auf Paulus und den Epheserbrief reflektiert zwei Schwerpunkte der wissenschaftlichen Arbeit Gerhard Sellins. Neben der inzwischen als Standardwerk geltenden monographischen Studie zur religionsgeschichtlichen und theologischen Profilierung der Auferstehungsleugner in Korinth („Der Streit um die Auferstehung der Toten“, FRLANT 138, Göttingen 1986), hat er eine Reihe gewichtiger Aufsätze vorgelegt, in denen das texthermeneutische Potenzial unterschiedlicher methodischer Analyseverfahren und Interpretationsansätze für die Paulusexegese fruchtbar gemacht wird. Der 2008 erschienene Kommentar zum Epheserbrief markiert den vorläufigen Abschluss seiner jahrelangen Beschäftigung mit einem der anspruchsvollsten und – gerade auch in ökumenischer Perspektive – theologisch umstrittensten Texte des Neuen Testaments. Schon bald nach der Habilitation wurde Gerhard Sellin auf eine Professur für Bibelwissenschaften an der Universität Oldenburg berufen. Seit 1992 hat er den Lehrstuhl für Neues Testament und Spätantike Religionsgeschichte im Fachbereich Evangelische Theologie der Universität Hamburg inne. Mit Ablauf des Wintersemesters 2008/09 tritt er in den Ruhestand. Dieses Datum ist ein willkommener Anlass, dem Kollegen, Freund und geschätzten akademischen Lehrer, der unzählige Studierende in das Neue Testament eingeführt und es ihnen nahegebracht hat, zum Abschied aus dem aktiven Dienst diesen Sammelband zu überreichen. Viele haben zur Realisierung des Projekts beigetragen. Jörg Persch, Leiter der Abteilung Theologie und Religion, hat sich spontan bereit erklärt, den Band in das Verlagsprogramm aufzunehmen. Der verantwortliche Herausgeber der FRLANT, Herr Kollege Dietrich-Alex Koch, hat nicht gezögert, die von ihm betreute Reihe zur Verfügung zu stellen. Beiden gilt mein herzlicher Dank. Prof. Dr. Christfried Böttrich (Greifswald), Dr. Klaus-Mi-
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Vorwort
chael Bull (Rostock) und Dr. Ralph Brucker (Hamburg) haben mir die elektronische Fassung einiger Beiträge zugänglich gemacht. Dafür möchte ich Ihnen ebenso danken wie den Verlagen, die freundlicherweise die Genehmigung zum Wiederabdruck erteilt haben. Besonderen Dank schulde ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Institut für Neutestamentliche Wissenschaft und Judaistik: Irmelin Felde, Stephanie Haibach, Dr. Matthias Hoffmann, Felix John, Wiebke Schulz. Sie haben mich bei der Vorbereitung des Bandes tatkräftig unterstützt und alles getan, damit das Manuskript rechtzeitig fertiggestellt werden konnte. Kiel, den 26. November 2008
Dieter Sänger
Das „Geheimnis“ der Weisheit und das Rätsel der „Christuspartei“ (zu 1Kor 1–4)
Es macht den Exegeten bis heute große Schwierigkeiten, hinter 1Kor 1–4, dem ersten in sich geschlossenen Hauptteil des 1Kor, einen einheitlichen Gedankengang zu erkennen. Ohne Zweifel ist der Anlass für Kap. 1–4 der in 1,10–12 mitgeteilte Gemeindezwist. Aber wie sich zu diesem Thema die komplizierten Ausführungen des Paulus, vor allem die über Weisheit und Torheit verhalten, konnte bisher kaum schlüssig geklärt werden. Das hängt zugleich mit der ungeklärten Frage der vier genannten „Parteien“ selber zusammen. Was die Zuordnung von paulinischer Argumentation und den vier genannten „Parteien“ (als Anlass) betrifft, gibt es grundsätzlich drei Möglichkeiten: (l) Entweder argumentiert Paulus gegen das Parteien-Unwesen überhaupt, oder (2) Paulus wendet sich gegen mehrere Fronten abwechselnd, etwa in einigen Partien gegen die Petriner, in anderen gegen Gnostiker (seien das nun die Pauliner, die Apollos-Leute oder die Christus-Leute), oder (3) Paulus meint in seinen ganzen Ausführungen überhaupt nur eine der genannten Gruppen. Bei der ersten Hypothese käme es gar nicht auf die Frage an, welches Profil die einzelnen Gruppen tatsächlich oder nach Meinung des Paulus gehabt hätten. Für sie spricht, dass Paulus auch seine Anhänger nicht schont und auf den ersten Blick die Tatsache des Streites überhaupt kritisiert. Nur müsste man bei dieser Annahme erklären können, wieso er solchen Streit als Phänomen von „Weisheit“ denunzieren kann und inwiefern er durch ihn die theologia crucis gefährdet sieht1. Eher schon müsste man umgekehrt annehmen, dass in Korinth ein Anspruch, „Weisheit“ zu haben, die Gemeinde zu spalten drohte. Dann aber hätte Paulus die Ursache (die von einer Gruppe ausginge) und nicht das Symptom der Uneinigkeit mit seiner Weisheitspolemik im Visier gehabt – was nun eine Aufhebung der ersten Hypothese bedeutet. Die zweite Hypothese (zwei oder mehrere Stoßrichtungen) hat auf den ersten Blick für sich, dass man mit ihr die disparat anmutenden Partien in der Argumentation nebeneinander bestehen lassen | könnte. So lässt sich ja kaum bestreiten, dass neben den 1 WILCKENS, ULRICH, Weisheit und Torheit. Eine exegetisch-religionsgeschichtliche Untersuchung zu 1. Kor 1 und 2, BHTh 26, Tübingen 1959, 16, meint, das Wort vom Kreuz habe für Paulus einigende Funktion. Das sagt Paulus nirgends. Der lo,goj tou/ staurou/ ist im Gegenteil ska,ndalon und mwri,a (1,23).
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Paulus
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Apostel-Parolen die Christus-Parole völlig aus dem Rahmen fällt. Will man diese nicht eliminieren (s.u.), dann bietet es sich ja geradezu an, Paulus in doppelter Richtung argumentieren zu sehen: gegen solche, die sich auf Menschen berufen, und solche, die Christus-unmittelbar sein wollen. Nur ist die Argumentation selber auf diesen Streit erkennbar nicht ausgerichtet. Nirgends polemisiert Paulus gegen eine Richtung, die die Apostel überhaupt verachtet. Gerade am Ende des Teiles, der noch am ehesten gegen eine Christus-unmittelbare Gnosis gerichtet sein könnte (2,6–3,4), argumentiert Paulus mit den Apostel-Parolen (3,4). Und nicht Verachtung der Apostel, sondern deren Hochschätzung spielt in 4,9–13 eine Rolle, eine Hochschätzung, aus der Paulus selber aber offenbar ausgenommen ist2. – So wird überwiegend die dritte Hypothese bevorzugt: Paulus meine in Wahrheit nur oder überwiegend eine der vier genannten Gruppen. Die Frage ist dann, welche das sei. Alle drei möglichen Antworten wurden vertreten: Während es Ferdinand Ch. Baur im Zuge seines Geschichtsbildes auf die Kephas-Partei ankam3, dachte schon Lütgert an die zentrale Rolle der Christuspartei, was dann Schmithals ausführlich zu begründen versuchte4. Darüber geriet die ältere Hypothese von der Dominanz der Apollos-Gruppe ins Vergessen. Sie gewinnt jedoch heute wieder zunehmend an Boden5. | 2 Das setzt freilich voraus, dass 4,9ff polemisch ausgerichtet ist (vgl. die polemische Funktion der Peristasenkataloge in 2Kor 4,7ff; 6,4ff; 11,23ff; 12,10). 3 BAUR, FERDINAND CH., Die Christuspartei in der korinthischen Gemeinde, der Gegensatz des petrinischen und paulinischen Christentums in der alten Kirche, der Apostel Petrus in Rom, TZTh 2, 1830/31, 61–206. Wissentlich oder unwissentlich stehen unter seinem Einfluss all jene, die 3,10ff auf die Petrusgruppe beziehen und darin die maßgebliche Opposition sehen: HEINRICI, GEORG, Der erste Brief an die Korinther, KEK 5, Göttingen 8(3)1896, 14ff; WEISS, JOHANNES, Der erste Korintherbrief, KEK 5, Göttingen 10(2)1925, XXXIIff.24. In neuerer Zeit aber auch VIELHAUER, PHILIPP, Oikodome. Das Bild vom Bau in der christlichen Literatur vom Neuen Testament bis Clemens Alexandrinus, in: G. Klein (Hg.), Oikodome. Aufs. zum Neuen Testament. Bd. 2, TB 65, München 1979, 1–168: 80 Anm. 6; DERS., Paulus und die Kephaspartei in Korinth, in: Oikodome, 169–182. 4 LÜTGERT, WILHELM, Freiheitspredigt und Schwarmgeister in Korinth. Ein Beitrag zur Charakteristik der Christuspartei, BFChTh 12,3, Gütersloh 1908, 94ff; SCHMITHALS, WALTER, Die Gnosis in Korinth. Eine Untersuchung zu den Korintherbriefen, FRLANT 66, Göttingen 31969, 188ff. 5 RÜCKERT, LEOPOLD I., Die Briefe Pauli an die Korinther, Erster Teil: Der erste Brief, Leipzig 1836, 17. – EVANS, ERNEST, The Epistles of Paul the Apostle to the Corinthians, Oxford 1930, 66; GRANT, ROBERT M., The Wisdom of the Corinthians, in: S.E. Johnsen (Hg.), The Joy of Study (FS F.C. Grant), New York 1951, 51–55; BULTMANN, RUDOLF, Ein Neues Paulusverständnis? Besprechung von J. Munck, Paulus und die Heilsgeschichte, ThLZ 84, 1959, 481–486: 484; KÄSEMANN, ERNST, Einführung, in: K. Scholder, Ausgewählte Werke von F.Ch. Baur. Ausgewählte Werke in Einzelausgaben. Bd. 1: Historisch-kritische Untersuchungen zum Neuen Testament, Stuttgart/Bad Canstatt 1963, VIII–XXV: X; KÖSTER, HELMUT, Besprechung von U. Wilckens: Weisheit und Torheit, Gnomon 33, 1961, 590–595: 591; PEARSON, BIRGER A., The Pneumatikos – Psychikos Terminology in 1 Corinthians. A Study in the Theology of the Corinthian Opponents of Paul and its Relation to Gnosticism, SBL.DS 12, Missoula, Mont. 1973, 18.96f; DERS., Hellenistic-Jewish Wisdom Speculation and Paul, in: R.L. Wilken (Hg.), Aspects
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Das „Geheimis“ der Weisheit und das Rätsel der „Christuspartei“
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Bei nahezu allen Hypothesen spielt die religionsgeschichtliche Frage eine große Rolle. Sowohl die Vertreter der Hypothese von der ChristusPartei wie die meisten der Apollos-Hypothese rechnen mit einer korinthischen Gnosis, die die eigentliche Ursache für den Konflikt sei. Leider nur ist der Begriff Gnosis bis heute derart unpräzise, dass damit allenfalls eine sehr allgemeine Kennzeichnung der korinthischen Anschauung angedeutet werden kann. Vor allem fehlt es an gnostischen Texten, die vor- oder gleichzeitig mit den Korintherbriefen sind und aus denen man die spezifische korinthische Religiosität, soweit sie aus den paulinischen Ausführungen überhaupt zu erheben ist, ableiten kann. Erst in jüngster Zeit hat man sich in dieser Frage wieder den relativ reichlich vorhandenen Zeugnissen hellenistisch-jüdischer Theologie (vor allem Philo von Alexandrien und Sapientia Salomonis) zugewendet, ohne mit dem ungeklärten Gnosis-Begriff zu operieren6. Für das Phänomen der korinthischen Weisheit, das in 1 Kor 1–4 im Hintergrund steht, bietet sich die Ableitung aus der hellenistisch-jüdischen Weisheitstheologie ja wie von selber an. Im Zuge dieser religionsgeschichtlichen Ableitung tritt dann auch die Gestalt des Apollos in den Vordergrund7, ist dieser doch nach Act 18 ein Alexandriner und Pneumatiker (s.u.). Im Folgenden will ich versuchen, im Zuge dieser soeben skizzierten Tendenz die hinter 1Kor 1–4 erkennbaren Phänomene korinthischer Religiosität von dem in erster Linie aus Philos Schriften erhebbaren alexandrinisch-jüdischen Pneumatikertum herzuleiten. Ich hoffe, die weitreichenden Ergebnisse vor allem von Brandenburger, Pearson und Horsley noch ein Stück weiterführen zu können. |
of Wisdom in Judaism and Early Christianity, University of Notre Dame Center for the Study of Judaism and Christianity in Antiquity 1, Notre Dame, Ind. 1975, 46ff.59; HORSLEY, RICHARD A., Wisdom of Word and Words of Wisdom in Corinth, CBQ 39, 1977, 224–239: 231f.237f; WILCKENS, ULRICH, Zu 1 Kor 2,1–16, in: C. Andresen/G. Klein (Hg.), Theologia Crucis – Signum Crucis (FS E. Dinkler), Tübingen 1979, 501–537: 518f. 6 Z.B. BRANDENBURGER, EGON, Fleisch und Geist. Paulus und die dualistische Weisheit, WMANT 29, Neukirchen-Vluyn 1968; ARAI, SASAGU, Die Gegner des Paulus im I. Korintherbrief und das Problem der Gnosis, NTS 19, 1972/73, 430–437; PEARSON, Pneumatikos; HORSLEY, Wisdom; DERS., Pneumatikos vs. Psychikos. Distinctions of Spiritual Status among the Corinthians, HThR 69, 1976, 269–288; DERS., „How Can some of You Say that there is no Resurrection of the Dead?“ Spiritual Elitism in Corinth, NT 20, 1978, 203–231; SCHWEIZER, EDUARD, Art. coi?ko,j, ThWNT 9, 1973, 460–468: DERS., Art. yuch, ktl) 2. Judentum, ebd. 662; 3. Neues Testament, ebd. 662–664. Im Gefolge der Religionsgeschichtlichen Schule wurde Philo zuvor überwiegend nur als Tradent und indirekter Zeuge einer älteren Gnosis angesehen. 7 S.o. Anm. 5.
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Paulus
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1. Der Aufbau von 1Kor 1–4 (1) 1Kor 1–4 bildet eine in sich geschlossene Einheit ohne Verklammerungen zu den übrigen Teilen des 1 Kor. Es gibt einige Gründe, die dafür sprechen, 1Kor 1–4 als einen eigenständigen Brief anzusehen8: (a) 4,16ff ist ein Briefschluss, (b) 5,1 bildet keinen Anschluss, (c) Kap. 16 passt mit Kap. 1–4 nicht in denselben Brief: 16,5–9 plant Paulus ein Kommen nach Korinth, das sich nach 4,18–21 aber schon verzögert hat. Die Sendung des Timotheus wird in 4,17 mit ganz anderer Akzentuierung als in 16,10f angekündigt: Geht es in Kap. 16 um eine Autoritätsstärkung des Timotheus, so in Kap. 4 um eine Zeugnisfunktion des Timotheus für Paulus selbst. Nach 16,17 sind Stephanas, Fortunatus und Achaikus bei Paulus. Die Kunde von den „Parteien“ hat er aber nicht von ihnen, sondern von den „Leuten der Chloe“ (1,11). Das alles zwingt zu der Annahme, dass der Brief Kap. 1–4 noch nach dem Themenbrief geschrieben wurde9. Dafür spricht auch die Tatsache, dass 1Kor 1–4 thematisch an die Apologetik und Polemik des 2 Kor heranreicht. Für die Frage nach der Rolle, die Apollos in Kap. 1–4 spielt, ist das nicht ohne Bedeutung. (2) Eine Gliederung von Kap. 1–4 ist sehr schwierig. Ausgehen kann man von einer Beobachtung Hans Conzelmanns, der in 1,18–3,23 eine „ringförmige Komposition“ erblickte, in der sich Anfang (1,18–25) und Schluss (3,18–23) thematisch entsprechen10. Man muss freilich eine weitere Beobachtung ergänzen: In 3,22f tauchen die Namen der 1,12 genannten Parteihäupter wieder auf. Damit ist der Bogen auch zu 1,10–17 zurückgeschlagen. Überlagert wird dieses zyklische Kompositionsprinzip von einem thematischen: 3,5–4,13 geht es um die Funktion der Apostel – konkret um Paulus und Apollos und ihre Relation zur Gemeinde11. In 1,18–3,4 steht dagegen das Thema von Weisheits- und Kreuzespredigt im Vordergrund. Hier wird schon in 3,4 der Bogen zu 1,10ff zurückgeschlagen. Dabei fällt ein weiteres Kompositionsprinzip auf, das Paulus auch sonst gerne verwendet: Den thetischen Ausführungen von 1,18–25 folgen zwei Konkretionen: am Beispiel der Gemeinde (1,26–30) und am Beispiel des Paulus (2,1–5)12. 2,6–3,4 ist ähnlich aufgebaut, nur dass in 3,1–4 beide | Konkretionen zu8 So z.B. auch SCHENK, WOLFGANG, Der 1. Korintherbrief als Briefsammlung, ZNW 60, 1969, 219–243: 235ff; SCHMITHALS, Die Korintherbriefe als Briefsammlung, ZNW 64, 1973, 263–288: 265ff; MARXSEN, WILLI, Einleitung in das Neue Testament. Eine Einführung in ihre Probleme, Gütersloh 41978, 88.93. 9 Der 1Kor besteht m.E. aus drei Briefen: dem 5,9 erwähnten Vorbrief (der aus 11,2–34; 5,1– 8; 6,12–20; 9,24–10,22; 6,1–11 bestand), dem Themenbrief, der sich auf Anfragen zum Vorbrief bezog, und dem Schreiben 1Kor 1–4. 10 CONZELMANN, HANS, Der erste Brief an die Korinther, KEK 5, Göttingen 11(1)1969, 53. 11 3,18–22 fällt dabei nicht heraus, wie wir noch sehen werden (s.u. 34f). 12 Vgl. 1Thess 1,2ff und 2,1ff; 1Kor 15,14–17; 15,29 und 15,30–32.
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Das „Geheimis“ der Weisheit und das Rätsel der „Christuspartei“
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sammenfallen. – Zum Thema „Spaltungen“ (1,10–17) haben wir also zwei Hauptteile: 1,18–34 (Weisheits- und Kreuzespredigt); 3,5–4,13 (die Funktion der Apostel). Auch im zweiten Teil (Funktion der Apostel) begegnet das Weisheitsthema (3,18–23; 4,10). Beides ist nicht zu trennen. Das Thema der „Parteien“ hält sich durch (1,11f; 3,4, 3,22f; 4,6).
2. Die „Parteien“ In 1,12 nennt Paulus vier Parolen: evgw. me,n eivmi Pau,lou( evgw. de. VApollw/( evgw. de. Khfa/( evgw. de. Cristou/. Danach hat es den Anschein, in Korinth existierten vier Gruppen („Parteien“), die diese Namen auf ihre Fahnen geschrieben hätten. Im Folgenden werden die Namen nicht mehr vollständig erwähnt: 3,22 nennt nur noch Paulus, Apollos und Kephas, 3,4 und 4,6 nur noch Paulus und Apollos. Der Eindruck, dass es in Wahrheit nur um eine Rivalität der Paulus- und der Apollos-Anhänger geht, drängt sich auf. Eine Bemerkung ist aber noch nachzutragen: Die gelegentlich aufgestellte Behauptung, die „Christus-Partei“ werde überhaupt nicht mehr erwähnt, ist nicht ganz richtig: in 3,23 klingt sie wieder an. (1) Die schwierigste und am meisten umstrittene Frage ist die nach der Bedeutung der Christus-Parole. Sie macht den Exegeten so viele Schwierigkeiten, dass man sie entweder (a) für eine in den Text geratene Randglosse hielt13, oder (b) als paulinische Antithese zu den drei übrigen verstand14, oder (c) an eine ironische Zuspitzung durch Paulus denkt15 – also die Existenz einer „Partei“ mit dieser Parole bestreitet. Für (a) gibt es jedoch kein textkritisches Indiz; (b) ist aus syntaktischen Gründen ausgeschlossen (es müsste sonst dreimal me,n und einmal de, stehen16); zu (c) schließlich ist zu sagen, dass von Ironie nichts zu erkennen ist (zumal Paulus die gleiche Formulierung in 3,23 selber ernsthaft gebraucht). So muss man davon ausgehen, dass diese Parole nach Meinung des Paulus tatsächlich aufgestellt wurde. | (2) Eher schon ließe sich die Existenz einer Kephas-Gruppe bestreiten. Petrus hat, soweit man wissen kann, nirgends eine Beziehung zu Korinth 13 So noch WILCKENS, Weisheit, 17, Anm. 2 (widersprüchlich dazu aber ebd. 211), im Anschluss an WEISS, Korintherbrief, XXXVIff.18. 14 So z.B. RÄBIGER, JULIUS F., Kritische Untersuchungen über den Inhalt der beiden Briefe des Apostels Paulus an die korinthische Gemeinde mit Rücksicht auf die in ihr herrschenden Streitigkeiten, Breslau 21886, 74f. 15 So z.B. KÄSEMANN, Einleitung, X; VIELHAUER, PHILIPP, Geschichte der urchristlichen Literatur. Einleitung in das Neue Testament, die Apokryphen und die Apostolischen Väter, Berlin/New York 1985, 136; MARXSEN, Einleitung, 94. 16 Vgl. bereits HEINRICI, Brief, 56.
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gehabt17. Möglich ist deshalb die Annahme, dass Paulus Kephas nur deshalb nennt, weil dieser Apostelsenior und prominentester Apostel ist. Damit hätte Paulus das heikle Problem einer Rivalität zwischen sich und Apollos ein wenig entpersonalisiert18. Für 3,22 könnte man paraphrasieren: Selbst der Apostelsenior könnte nicht über euch stehen. Erkennbar ist ja in der Aufzählung eine Steigerung. Andererseits ist es möglich, dass einige in Korinth in einem besonderen Verhältnis zu Petrus standen. Es müsste sich dann aber wohl um Zugewanderte aus petrinischen Gemeinden gehandelt haben, denn die sich im Genitiv ausdrückende Beziehung zu einem „Parteihaupt“ bedeutet mehr als die beliebige Wahl einer für irgendein theologisches Programm stehenden Figur: Es geht – das muss vorweggenommen werden – um eine Bindung an soteriologische Mittlergestalten. Das wird deutlicher werden, wenn wir uns an späterer Stelle dem religionsgeschichtlichen Hintergrund der Christus-Parole zuwenden. – Auf jeden Fall spielt die Petrus-Parole im ganzen Zusammenhang die geringste Rolle. Aktuell ist vielmehr die Rivalität zwischen den beiden übrigen Gruppen: der PaulusGruppe und der Apollos-Gruppe. (3) Eine spezifische Kritik an der Paulus-Gruppe ist nicht erkennbar. Dass es sich etwa um in Libertinismus und Enthusiasmus verfallene Hyperpauliner handele, ist ausgeschlossen. Da, wo Paulus den Zwist als solchen kritisiert, muss er seine Anhänger mit kritisieren. Es gehört auch zur Rhetorik, dass er in 1,13ff sich selbst als Beispiel wählt: „Ist etwa Paulus für euch gekreuzigt, oder seid ihr auf den Namen des Paulus getauft?“ Nicht im Entferntesten darf man daraus folgern, seine Anhänger in Korinth hätten so etwas behauptet. (4) Da, wo Paulus auf die Ursachen des Streites zu sprechen kommt, steht ganz klar nur eine Gruppe in der Schusslinie: die „Schüler“ des Apollos. Durch den Einfluss des Apollos, der zeitlich nach Paulus in Korinth wirkte, ist es zum „Parteien“-Streit gekommen, ja, mehr noch: Paulus selber wird in die Situation gedrängt, sein Apostelamt verteidigen zu müssen. Er muss in Erinnerung rufen, dass er der „Vater“ der Gemeinde ist. Bei dieser Apologie vermeidet er es freilich, offen gegen die von der „Gegenpartei“ ausgerufene Autorität Stellung zu beziehen: seinen Rivalen Apollos. |
17 Dass Petrus selbst in Korinth gewesen sei, behaupten neuerdings BARRETT, CHARLES K., Cephas and Corinth, in: O. Betz/M. Hengel (Hg.), Abraham unser Vater. Juden und Christen im Gespräch über die Bibel (FS O. Michel), Leiden/Köln 1963, 1–12: 5ff, und VIELHAUER, Kephaspartei. Dagegen vgl. bereits LÜTGERT, Freiheitspredigt, 94, und MARXSEN, Einleitung, 94. Zur petrinischen Deutung von 3,10ff bei Vielhauer s.u. 15f. 18 So MARXSEN, Einleitung, 94.
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3. Paulus und Apollos (1) Dass es in Wahrheit nur um den Streit dieser beiden Gruppen geht, setzt 4,6 Ende mit aller Deutlichkeit voraus. So dunkel der Sinn des ersten i[naSatzes, insbesondere des to. mh. u`pe.r a] ge,graptai auch sein mag19 – das Nebeneinander der u`pe,r- und der kata,-Wendung im zweiten i[na-Satz lässt sich doch nur so verstehen, dass man sich „aufbläht“ „für den einen“ und „gegen den anderen“. Nach V. 6a sind das aber Paulus und Apollos. Häufig wird 4,6a so verstanden, als rede Paulus von sich und Apollos als Beispielen für ein einträchtiges Verhalten20. Dazu passt aber weder V. 6 Ende noch der vorhergehende Kontext 4,1–5, auf den sich tau/ta beziehen muss. Dort geht es eindeutig um eine Apologie des Paulus: Man hat ihn in Korinth „beurteilt“ (avnakri,nein), ihn „abgeurteilt“ (kri,nein)21. Das aber geschah nicht nur allgemein, sondern im Vergleich zu Apollos, was Paulus nun in 4,6 mitteilt: Dies sage ich in Hinsicht auf mich und Apollos, damit nicht einer von uns beiden gegen den anderen ausgespielt wird. (2) Merkwürdigerweise wird in der exegetischen Literatur auch der Abschnitt 3,5–17 fast immer entschärft. Hier wendet sich Paulus sogar gegen Apollos selber, wenn auch indirekt. Diese eigentlich selbstverständliche Deutung hat man sich im Zuge des Interesses an der Hauptrolle der Kephaspartei und später dann der Christuspartei verbaut, indem man willkürlich annahm, ab 3,10 ginge es nicht mehr um Apollos22. Dagegen | spricht 19 Ich weiß keine bessere Erklärung als die auf BALJON, JOHANNES M.S., NT Graece, Groningen 1898, zurückgehende Hypothese, es handele sich um eine schon früh versehentlich in den Text geratene Kopistenanmerkung (so auch SCHMITHALS, Gnosis, 115, Anm. 1: das mh, sei über das a von i[na geschrieben). 20 Z.B. SCHMITHALS, Gnosis, 191. 21 Um die Einschätzung (logi,zesqai) des Apostels (4,l) geht es auch im 2Kor: 10,2; 11,5; 12,6. Ebenso um ein sugkri,nein: 10,12f; vgl. 1Kor 2,13. Zum apologetischen Charakter von 1Kor 1–4 vgl. DAHL, NILS A., Paul and the Church at Corinth according to 1 Corinthians 1–4, in: W.R. Farmer (Hg.), Christian History and Interpretation (FS J. Knox), Cambridge 1967, 313–353: 317.321f; FUNK, ROBERT W., Language, Hermeneutic, and Word of God, New York 1966, 277ff; PEARSON, Wisdom-Speculation, 45f; HORSLEY, Wisdom, 238, Anm. 30. 22 Nach WEISS, Korintherbrief, XXXIVf, richtet sich 3,10ff gegen die Kephaspartei. Da 3,18ff aber wieder das Thema „Weisheit“ von 1,18ff anklingt, das er (zu Recht) mit der Apollosgruppe in Verbindung sah, vermutete er eine Kumpanei zwischen beiden Gruppen. Neuerdings hat VIELHAUER, Kephaspartei, der Petrusgruppe wieder die Schlüsselrolle in Korinth zuschreiben wollen. Aber aus 1,18–4,21 konnten ihm für diese These nur argumenta e silentio dienen. Die Partien, die sich auf Apollos beziehen, legte er im Sinne der Einigkeit des Paulus mit Apollos aus (so vor allem aufgrund von 4,6). Petrus werde dabei aber „vielsagend“ verschwiegen (176). 3,10ff bezog er auf „andere – wieder ungenannte – Lehrer“ (ebd.). Ein positives Indiz wollte er dagegen in 3,11 (qeme,lion) finden. Diese Stelle bezöge sich auf den Petrusprimat (177ff; vgl. DERS., Oikodome, 74ff). Das aber ist vom Kontext her verfehlt: Dort geht es um das evpoikodomei/n, das vom Bild her dem poti,zein des Apollos (3,6) entspricht. SCHMITHALS, Gnosis, 193, bezieht 3,10ff auf die Gnostiker der Christuspartei.
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nun ganz entscheidend, dass sich – sozusagen bildsemantisch – die Aussage von 3,6 durchhält. Hier liegt alles auf einer semantischen Isotopie: Dem evfu,teusa von 3,6 entspricht nun in 3,10 das qeme,lion e;qhka, dem evpo,tisen das evpoikodomei/23. Hierbei kann es sich nur um Apollos handeln, der nach Paulus in Korinth wirkte. Das Fundament-Legen meint nichts anderes als das Pflanzen, das Darauf-weiter-Bauen nichts anderes als das Begießen. Das Bild vom evpoikodomein/ wird nun aber in dem sehr kritischen Passus V. 12ff durchgehalten. V. 11 macht überdies deutlich, dass das zeitliche Nacheinander der beiden Apostel (V. 6) auch eine sachliche Rangfolge impliziert. Schließlich bleibt auch V. 16f auf dieser bildsemantischen Ebene: Das Bild von Fundament und Aufbau wird gesteigert zum Bild von der Gemeinde als Tempel, wobei das zunächst noch relativ wertfreie evpoikodomei/n zur Möglichkeit des fqei,rein verschärft wird. – Neben V. 6 findet sich aber auch das in V. 8b anklingende Motiv (Verantwortung und Lohn) in V. 10ff wieder: Mit einem kritischen und polemischen Satz (e[kastoj de. blepe,tw pw/j evpoikodomei/) werden eine Reihe von Gerichtsaussagen eingeleitet, die nur einen Sinn haben, wenn sie indirekt auf Apollos selbst zu beziehen sind. Wie verhalten, vorsichtig und zwischen Werk und Person differenzierend Paulus hier aber vorgeht, zeigt der auffällige V. 15: „Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden, selbst aber gerettet werden wie durch das Feuer hindurch“. Die in V. 6 und V. 8b zunächst allgemein klingenden Aussagen erhalten von V. 10ff her eine durchaus kritische und sogar polemische Zuspitzung24. Merkwürdig ist dabei der den Zusammenhang störende Abschnitt 3,18–23. Er gehört ja auf den ersten Blick gar nicht in diesen Teil 3,5ff, der von den Parteihäuptern handelt, hinein. Wir werden auf das Problem unten bei der Frage nach der „Christuspartei“ zurückkommen. (3) Nach dem bisher Festgestellten liegt es nahe, dass die ApollosGruppe Wert legt auf den lo,goj sofi,aj. Schon 2,1–5, vor allem aber 2,6– 3,4 setzen voraus, dass man in Korinth (auch) von Paulus eine Verkündigung wie zu Pneumatikern erwartete (3,1). Paulus führt seinen lo,goj tou/ staurou/ in diesem Schreiben nicht erst ein, er muss ihn vielmehr verteidigen. Dass Paulus in 2,6ff selber eine sofi,a- und PneumatikerTheorie vorbringt (die aber, wie wir noch sehen werden, für ihn letztlich nichts anderes als die Meta-Theorie des lo,goj tou/ staurou/ ist), erklärt sich nur durch einen solchen Erwartungszwang. Eine solche Meta-Theorie | konnte Paulus damals bei seinem Gründungsaufenthalt den Korinthern noch nicht bieten (3,1f). Damals wurde sie offenbar auch nicht erwartet (vgl. 23
Die Bilder von Pflanzung und Bau gehören semantisch schon traditionell zusammen, z.B. Philo, Cher 100ff. 24 So bereits HAENCHEN, ERNST, Die Apostelgeschichte, KEK 3, Göttingen 16(7)1977, 532f.
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1,26ff). Wenn Paulus nun in 3,2b–4 sagt, auch jetzt seien die Korinther nicht „reif“, dann ist das polemisch gerichtet gegen einen Anspruch, pneumatiko,j und te,leioj, „Pneumatiker“ zu sein. Woher dieser Anspruch kommt, was er inhaltlich bedeutet, werden wir im nächsten Abschnitt zu untersuchen haben. Doch so viel ist deutlich: Wenn Paulus bei seiner Polemik, in der er den Parteienzwist als Merkmal für den sarkischen Status der Gemeinde anführt, nur den Gegensatz von Apollos-Gruppe und PaulusGruppe nennt, dann verrät das deutlich genug, wer in Korinth den Anspruch, Pneumatiker zu sein, erhebt: die Apollos-Gruppe. Offenbar hat Apollos in Korinth auf das „schlichte“ Evangelium des Paulus etwas Höheres „aufgebaut“ (3,10ff). Was Apollos gelehrt hat, wissen wir nicht. Immerhin gibt es aber einen Hinweis, wie seine Verkündigung ausgesehen haben könnte: Act 18,24–28. (4) Nach Act 18,24ff ist Apollos ein Jude, gebürtig aus Alexandrien, ein avnh.r lo,gioj … dunato.j w'n evn tai/j grafai/j … ze,wn tw/| pneu,mati … Das passt nicht nur zur sofi,a lo,gou, zu der nach Philo durchaus das Moment der Eloquenz gehört25, sondern gerade auch zum korinthischen Pneumatikertum. Dass Lukas diese Charakterisierung aus 1Kor 1–4 erschlossen haben könnte, ist so gut wie ausgeschlossen. Vielmehr lassen einige Spannungen zu sonstigen Aussagen der Act eher an eine überlieferte Information denken26. Nun verrät Act 18,24–28 aber noch mehr: Der Hinweis auf die Schriftbeherrschung könnte zwar sehr gut auf die alexandrinische SchriftAllegorese anspielen – ob das jedoch etwas mit der rätselhaften Wendung to. mh. u`pe.r a] ge,graptai in 1Kor 4,6 zu tun hat, ist zweifelhaft27. Auch der Hinweis auf die Johannes-Taufe in Act 18,25 dürfte kaum unmittelbar etwas mit dem Taufverständnis hinter 1Kor 1,12–17 zu tun haben28. Wichtiger schon ist die Erwähnung eines Empfehlungsschreibens, das Apollos von Ephesus ausgestellt wird (Act 18,27), was kaum ohne Beziehung zu der 2Kor 3,1 erwähnten Sitte sein wird29. Apollos ist bereits einer vom Schlage der Pneumatiker-Apostel, mit denen Paulus sich im 2Kor auseinandersetzt. Eine Einzelheit aus Act 18 ist bisher, soweit ich sehe, nicht bemerkt worden: In Achaia (= Korinth) half Apollos „viel denen, die [schon] gläubig
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Vgl. HORSLEY, Wisdom, 225ff. Vgl. HAENCHEN, Apostelgeschichte, 531ff. 27 S.o. Anm. 19. 28 Gegen HORSLEY, Wisdom, 232. Vgl. dagegen HAENCHEN, Apostelgeschichte, 532ff: Erst Lukas lässt Apollos, der ein eigenständiges Christentum vertrat, durch Mitarbeiter des Paulus zum Voll-Christen werden. 29 Vgl. HAENCHEN, Apostelgeschichte, 528f. Nach LOISY, ALFRED, Les Actes des Apôtres, Paris 1920 (= Frankfurt/M. 1973), 715, spielt Paulus in 2Kor 3,1 auf eben dieses Schreiben für Apollos an. 26
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geworden waren, durch die | Gnade“30. Während ca,rij in Act zumeist im verblassten Sinne verwendet wird (Gunst), steht das Wort Act 6,8 und 14,3 im Zusammenhang mit übernatürlicher Wunderkraft, ebenso in Act 7,10, dort neben sofi,a. Bei Philo ist ca,rij der Inbegriff der pneumatischen Begabung, die zugleich eine Inspiration von Weisheit = Pneuma darstellt31. Entsprechend zählt Paulus in 1Kor 12–14 zu den cari,smata = pneumatika, (die einem pneumatiko,j durch das pneu/ma zukommen: 12,1.4) u.a. lo,goj sofi,aj, lo,goj gnw,sewj, Wundertaten, Prophetie und „Zungenreden“32. Die Krafterweise der Super-Apostel von 2Kor 10 unterscheiden sich von diesen ekstatischen Phänomenen nicht prinzipiell. Der Vorwurf, den Paulus diesen Aposteln macht, dass sie sich in fremde Mission einmischen und sich fremder Arbeit rühmen (2Kor 10,12ff), gilt eigentlich schon für Apollos. Auch das hat Act 18,27 bewahrt: in der Perfektform pepisteuko,sin. Und dass Paulus den Vorwurf des Rühmens fremder Arbeit tatsächlich schon in 1Kor 1–4 erhebt, werden wir weiter unten zeigen. (5) Eine Rivalität zwischen Paulus und Apollos hat man immer wieder bestritten unter Hinweis auf 1Kor 16,12, wo Paulus Apollos avdelfo,j nennt. Daraus darf man jedoch nicht zu viel herleiten. avdelfo,j ist jeder Mitchrist (vgl. Gal 2,4). So klingen in 1Kor 16,12 auch kritische Untertöne mit: Apollos kommt erst, wenn es ihm passt! Vor allem aber ist 1Kor 16 als Teil des Themenbriefes zu einem früheren Zeitpunkt als 1Kor 1–4 geschrieben (s.o. 1.), als der Konflikt sich noch nicht zu einem Gruppenstreit zugespitzt und personalisiert hatte. Die Probleme waren freilich schon zur Zeit des Themenbriefes, ja schon zur Zeit des Vorbriefes virulent. Das Wirken des Apollos in Korinth ist ja unmittelbar nach dem Weggang des Paulus aus Korinth anzusetzen. Alle Probleme von 1Kor | 5–15 hängen schon mit dem 30
dia. th/j ca,ritoj ist auf das Helfen des Apollos zu beziehen, nicht auf die gläubig Geworde-
nen. 31
Z.B. All 3,78.163; Cher 122f; Sacr 10; Post 145; Imm 5; Agr 168; Ebr 145; Migr 46.53. 73.183; Congr 38.127ff; Mut 70; Virt 165 usw. Die göttliche ca,rij enthebt den Menschen dem Irdischen, dem Menschlichen: „denn ohne göttliche Gnade ist es unmöglich, die Reihen des Sterblichen zu verlassen oder im Reiche des Unvergänglichen immer zu verharren“ (Ebr 145). Die ca,rij macht die Seele „verzückt“ und „trunken“ (Ebr 146), sie wirkt wie das prophetische Pneuma. Das größte Geschenk an den Vollkommenen ist die „Erleuchtung“ (Migr 46ff). Der beispielhafte Charismatiker ist im alexandrinischen Judentum Mose; vgl. auch Act 7,20ff (dazu SAITO, TADASHI, Die Mosevorstellungen im Neuen Testament, EHS.T 100, Bern u.a. 1977, 80–90: alexandrinisch-jüdische a;nqrwpoj-qeou/-Motivik). 32 „Zungenrede“ ist der gottesdienstliche Lobgesang der Engel (1Kor 13,1; 14,2) und Geister, der dem Begnadeten, dem Pneumatiker und Charismatiker schon hier durch Inspiration ermöglicht wird. Religionsgeschichtliche Belege gibt es wieder in erster Linie (wenn nicht nur) in Zeugnissen ägyptischen Judentums: TestHiob 48–50. Vgl. auch REITZENSTEIN, RICHARD, Poimandres. Studien zur griechisch-ägyptischen und frühchristlichen Literatur, Leipzig 1904 (= Darmstadt 1966), 55–59.362.366. Dazu gehört das Zeugnis Philos über die Therapeuten (VitCont). Vgl. auch 2Kor 12,4.
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hellenistisch-jüdischen Pneumatikertum zusammen33. Der Unterschied ist nur der, dass Paulus jetzt (beim Anlass von 1Kor 1–4) zum ersten Mal direkt angegriffen wird und sein „schwaches“ Evangelium verteidigen muss. „Apologie“ und „Tränenbrief“ des 2Kor setzen diesen Kampf offener unmittelbar fort, wobei Apollos eventuell schon durch andere Apostel seines Schlages Verstärkung erfuhr oder aber bereits von vielleicht radikaleren Nachfolgern abgelöst worden war.
4. Die Weisheit Gottes und die Weisheit der korinthischen Pneumatiker (1Kor 2,6–3,4) Nicht nur die biographische Angabe über Apollos in Act 18,24 weist uns nach Alexandrien, sondern auch die aus 1Kor 1–4 erkennbare Eigenart der korinthischen Weisheitstheologie, die in den Schriften Philos von Alexandrien ihre deutlichsten Parallelen hat34. Eine Schwierigkeit besteht nun darin, aus den komplizierten Ausführungen des Paulus, vor allem in 1Kor 1,18–3,4, Hinweise auf die korinthische Theologie herauszufinden. Das ist schon deshalb so schwer, weil Paulus unter der Hand Begriffe semantisch umfunktioniert und mit seinem Sinn füllt. Das gilt vor allem für den sofi,aBegriff in 1Kor 2,6ff.
a) Die Funktion von 2,6–16 im Kontext Nachdem Paulus in 1,18–2,5 die Weisheitsverkündigung durch die Kreuzesverkündigung destruiert hat, redet er in 2,6ff plötzlich selber von Weisheit in positivem Sinne. Wie ist dieser scheinbare Widerspruch zu erklären? (1) Man versteht die Weisheitsverkündigung der Korinther als menschliche Weisheit, als Philosophie, der Paulus ein esoterisch-inspira- | torisches, theologisches Weisheitsverständnis von sich aus in 2,6ff gegenüberstelle35. 33 Dass Apollos dabei eine Rolle spielt, lässt sich freilich nicht belegen. Vieles könnte sich auch schon aus der synagogalen Vergangenheit der korinthischen Gemeinde erklären. 34 Es ist darauf hinzuweisen, dass es nicht so sehr um die Person Philos selber geht. Philo bezeugt und vertritt nur eine besondere Theologie, eine Art „Schule“. Fast alle seine entscheidenden Gedanken, die durch Schriftallegorese gewonnen werden, gehen schon auf ältere Theologen zurück. Das Grundmodell, dem die Allegorese dient, ist der stark neupythagoreisch eingefärbte alexandrinische Mittelplatonismus. Gerade dem Pythagoreischen hat sich das alexandrinische Judentum schon vor Philo geöffnet (Aristobul). In diesem pythagoreischen Judentum liegen nun auch die Wurzeln des späteren Gnostizismus. Neben Philo, der unser ausführlichster Zeuge ist, stehen als Zeugnisse dieses alexandrinischen Judentums Weis, Aristobul, JosAs, TestHiob, OrJoseph, OdSal 11, Traditionen bei Clemens Alexandrinus, Justin und Origenes. 35 So MUNCK, JOHANNES, Paulus und die Heilsgeschichte, AJut 26/1. Teologisk Serie 6, Ko-
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Aber dass die korinthische Weisheit „menschlich“, „weltlich“ sei, ist doch schon paulinische Polemik. Paulus kann ja nicht mehr eine Weisheit, die er destruieren will, „Weisheit Gottes“ nennen. Wo im jüdischen und christlichen Umkreis dieser Zeit von Weisheit die Rede ist, handelt es sich immer um esoterische, inspirierte Weisheit Gottes (vgl. Weish 6ff). (2) Die Mehrzahl der Exegeten setzt dann auch für 2,6ff eine polemische Anknüpfung an ein esoterisches Weisheitsverständnis in Korinth voraus36. Schmithals geht (zu Recht) davon aus, Paulus müsse sich gegen den Vorwurf verteidigen, er sei kein Pneumatiker. Paulus reagiere darauf doppelt: einmal durch den Nachweis, dass solche Weisheit neben dem Wort vom Kreuz nicht zähle, zugleich aber auch dadurch, dass er zeige, er wäre zur Weisheitsverkündigung wohl in der Lage. Sie sei letztlich Adiaphoron37. Diese Erklärung ist unbefriedigend. Nebeneinander können der paulinische lo,goj tou/ staurou/ und die sofi,a lo,gou für Paulus nicht gelten (1,19f; 3,18–20). (3) So bleibt nur die Möglichkeit, dass die „Weisheit für Vollkommene“ von 2,6ff im Sinne des Paulus identisch ist mit Gottes Weisheit, dem lo,goj tou/ staurou/38. In der Tat hält sich die Gegenüberstellung von menschlicher und göttlicher Weisheit, wie sie in 1,18ff angelegt ist, in 2,6ff durch. Nur wird die göttliche Weisheit nun als verborgene, nicht allgemein zugängliche Weisheit geschildert: mitteilbar nur evn musthri,w|, zugänglich nur den te,leioi. So ist vor allem 2,6–9 eine Begründung dafür, dass die Kreuzespredigt den „Weisen“ als Torheit erscheint. Das gilt aber auch für | die Korinther (3,18). In 3,1–4 argumentiert Paulus freilich andersherum. Man würde eigentlich erwarten: Weil ihr die Kreuzespredigt als Torheit abtut, gehört ihr nicht zu den te,leioi. Aber 3,1 charakterisiert Paulus seine Anpenhagen 1954, 145–147 (dazu BULTMANN, Paulusverständnis, 481–486), und neuerdings WILCKENS (in diametraler Gegenposition zu seinem Buch „Weisheit und Torheit“), Zu 1Kor 2,1– 16, 520: „Es ist ein methodisches prw/ton yeu/doj, in 1Kor 2,6–16 eine polemische Aufnahme korinthischer Weisheitslehre zu sehen, statt, wie der Text klar und eindeutig lautet, die Entfaltung der Gegenthese des Paulus gegen die Menschen- und Weltweisheit der Korinther.“ Folglich muss Wilckens die korinthische Weisheit streng von den ekstatischen Phänomenen nach 1Kor 12–14 abheben. 36 BULTMANN, RUDOLF, Karl Barth, „Die Auferstehung der Toten“, in: DERS., Glauben und Verstehen. GAufs. 1, Tübingen 61966, 38–64: 42ff; DERS., Theologie des Neuen Testaments, durchgesehen und erg.v. O. Merk, Tübingen 91984, 184; SCHMITHALS, Gnosis, 142ff; LÜHRMANN, DIETER, Das Offenbarungsverständnis bei Paulus und in paulinischen Gemeinden, WMANT 16, Neukirchen-Vluyn, 1965, 143ff, u.a. Ins Extrem dieser Richtung geht die gewaltsame Deutung von WIDMANN, MARTIN, 1 Kor 2,6–16: Ein Einspruch gegen Paulus, ZNW 70, 1979, 44–53: Der Abschnitt sei (wie der verwandte 1Kor 15,44b–48: 53 Anm. 21) ein Abschnitt aus der Antwort der korinthischen Pneumatiker. 37 SCHMITHALS, Gnosis, 144f. 38 So z.B. SCHOTTROFF, LUISE, Der Glaubende und die feindliche Welt. Beobachtungen zum gnostischen Dualismus und seiner Bedeutung für Paulus und das Johannesevangelium, WMANT 37, Neukirchen-Vluyn, 1970, 217ff.
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fangspredigt im Sinne der Verkündigung für Unvollkommene, so dass man eigentlich folgern müsste, er hätte den Korinthern gar nicht den lo,goj tou/ staurou/ geboten (denn der ist nach 2,6ff ja gerade die Weisheit für die te,leioi). Das kann Paulus natürlich nicht meinen. Folglich meint Luise Schottroff, die Sachkritik, die Bultmann39 in Hinsicht auf 2,6–16 forderte, müsste sich stattdessen gegen 3,1ff richten40. Sie erklärt den überraschenden Rückgriff des Paulus auf ein zweistufiges Christentum (nh,pioi – te,leioi) damit, dass Paulus die Polemik abmildern wollte, um den Korinthern nicht das Christsein abzusprechen. Das hieße, dass der Gegensatz von nh,pioi und te,leioi ein anderer (nämlich nur im Graduellen bestehender) wäre als der Gegensatz der beiden Weisheiten bzw. ihrer jeweiligen Empfänger. Aber auch diese Erklärung befriedigt nicht. Es bleibt ja dabei, dass Paulus in 3,1 seine eigene Anfangsverkündigung als „Säuglingsnahrung“ charakterisiert. Ist er damit nicht doch im Bemühen, sich zu verteidigen, auf das Feld der korinthischen Weisheit geraten? (4) Man muss deshalb mit einer dialektischen Verschiebung der Antithese in 2,6ff rechnen. Zwar bleibt der Inhalt der sofi,a, von der Paulus 2,6ff redet, bestehen im lo,goj tou/ staurou/. Jedoch ist die Ebene nun eine andere geworden. Als Verkündigung ist der lo,goj tou/ staurou/ an sich keine Weisheit. Als Weisheit lässt er sich erst auf der theologischen Ebene verstehen: Man muss theologisch nun auch von Weisheit reden, weil ja nur von Gottes Weisheit her sich menschliche Weisheit als töricht erkennen lässt. Von dieser göttlichen Weisheit lässt sich aber nur evn musthri,w| (2,7) reden41, weil sie Menschen nicht verfügbar ist. Sie ist daher als Weisheit nicht Mittel oder Gegenstand der Verkündigung. Es geht hier durchaus um so etwas wie eine theologische Erkenntnistheorie: Verkündigt werden kann nur der lo,goj tou/ staurou/. Allein er ist das „Demonstrierbare“, „Überzeugende“, Glauben Bewirkende. Erst in einem zweiten, einem Reflexionsschritt, darf nun von Weisheit geredet werden. Sie ist sozusagen die MetaSprache der Kreuzesverkündigung, ein Postulat auf der Ebene der Theologie. Nur deshalb kommt sie den te,leioi zu42. | 2,6ff will also begründen, wieso gerade der lo,goj tou/ staurou/. die Weisheit Gottes ist. 39
Auferstehung der Toten, 42–44. SCHOTTROFF, Glaubende, 218f. 41 evn musthri,w| ist also zu lalou/men zu ziehen; vgl. die Parallelaussage in 2,6: sofi,an de. lalou/men evn toi/j telei,oij. 42 Damit ist natürlich nicht gemeint, dass hier Theologen und Laien voneinander abgestuft würden. Paulus sagt nur: Wenn man schon christlich von Weisheit reden will, dann geht das nur auf der Ebene jener Reflexion, die davor bewahrt, dass Weisheitsverkündigung getrieben wird – was hieße: als Theologie am gekreuzigten Christus vorbei; vgl. KÄSEMANN, ERNST, 1Korinther 2,6–16, Exegetische Versuche und Besinnungen. Bd.1, Göttingen 51967, 267–276, und SCROGGS, ROBIN, Paul: Sofo,j and Pneumatiko,j, NTS 14, 1967, 33–55, der dabei zwischen Kerygma und Theologie differenziert. 40
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(5) 3,3f argumentiert Paulus jedoch nicht mehr dialektisch. Er gibt einen empirischen Grund dafür an, warum die Korinther keine Pneumatiker sein können. Die Frage ouvk a;nqrwpoi, evste setzt notwendig voraus, dass man in Korinth beansprucht, mehr zu sein als a;nqrwpoi43. Die Frage ist, wer diesen Anspruch erhoben hat. Da Paulus als Begründung den Streit zwischen seinen und den Apollos-Schülern nennt, kann es dabei nicht ausschließlich um die Christuspartei gehen, die z.B. Schmithals mit den (seiner Meinung nach gnostischen) Pneumatikern identifiziert. Also muss man schließen, dass es sich bei den Pneumatikern um die Apollos-Schüler handelt. Der Hinweis auf den Streit hat nun noch einen besonderen Hintergrund: Im dualistischen Denken Philos ist gerade die Zweiheit (Entzweiung) Merkmal des abgewerteten Irdischen, Sarkischen, während die Einheit Merkmal des Geistigen ist44. Damit schlägt Paulus die Pneumatiker mit ihren eigenen Mitteln. – Von 3,4 her gewinnt der Satz sofi,an de. lalou/men evn toi/j telei,oij (2,6) nun seinen polemischen Charakter. te,leioj, pneumatiko,j zu sein, war korinthischer Anspruch. Dem Pneumatiker allein kommt Weisheit zu. Paulus lässt sich darauf ein, verschiebt jedoch in 2,7ff unter der Hand den sofi,aBegriff auf eine Weise, die dazu führt, dass die sofi,a, von der er redet, sachlich identisch wird mit dem Kreuzesgeschehen. Der wahre lo,goj sofi,aj ist nun der lo,goj tou/ staurou/45. Damit hat Paulus (neben dem Hinweis auf den Streit 3,3f) ein zweites Argument gegen die korinthischen Pneumatiker: Weil ihr den lo,goj tou/ staurou/ nicht als die Weisheit erkennt, seid ihr auch jetzt noch keine te,leioi. Diese Begriffsverschiebung gewinnt Paulus in 2,6–10a durch den Rückgriff auf eine Esoterik, die religionsgeschichtlich woanders beheimatet ist als die te,leioj- bzw. pneumatiko,j-Esoterik. Entstammt diese, die in Korinth vertreten wird, der alexandrinischen dualistischen Weisheit (s.u. 29ff), so jene von Paulus in 2,6–9 aufgeführte der Apokalyptik. |
43 Die te,leioj-, pneumatiko,j- und sofi,a-Begrifflichkeit greift Paulus also nicht von sich aus auf. Inwiefern a;nqrwpoj und pneumatiko,j sich ausschließende Gegensätze sein können, dazu s.u. 29ff. 44 Das hängt mit pythagoreischer Zahlenspekulation zusammen. 45 Das gleiche dialektische Verfahren wendet Paulus in 2Kor 11,16ff an: Er lässt sich auf das Rühmen ein und gerät scheinbar auf das Feld seiner Gegner, freilich unter dem Vorzeichen a;frwn (vgl. 1Kor 1,18ff). Aber schon in 11,23 zeigt sich, in welche Richtung Paulus in Wahrheit intendiert: Die Narrenrede ist nur scheinbar Narrenrede, denn Paulus rühmt sich in Wahrheit seiner Schwachheiten – und damit rühmt er sich letztlich der Gnade des Herrn, der Stärke Christi. Freilich, wie Paulus weiß, halten dies die Korinther (zumindest jene, die den Überaposteln nachlaufen) für Torheit.
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b) Das Geheimnis der verborgenen Weisheit (2,6–10a) (1) Die andere „Weisheit“, die Paulus für angemessen hält, ist der verborgene, von Gott beschlossene Heilsplan. Zu diesem apokalyptischen Motiv gehört ebenfalls eine Esoterik: Nur wenigen Würdigen ist das Geheimnis offenbart, von den übrigen wird es verkannt46. Allerdings wird in der Apokalyptik der Gegenstand der Verborgenheit zumeist OWUVJTKQP genannt. Hier bei Paulus rückt UQHKC an die Stelle jenes Begriffes, während OWUVJTKQP nun als adverbiale Bestimmung danebengestellt wird47. UQHKC ist hier also Gottes Heilsplan (dessen Inhalt in der Kreuzigung des Herrn der Herrlichkeit besteht, dazu gleich). Die Terminologie (UQHKC) ist hellenistisch-jüdisch, der Inhalt apokalyptisch (sachlich: OWUVJTKQP). Ähnliches gilt noch einmal von 2,10: VCDCSJVQWSGQW. Der Kontext ist (wie weiter unten noch zu zeigen sein wird) hellenistisch-jüdisch (GXTGWPCP des PQWL, die ganze Pneuma-Auffassung). Die Wendung selber hat aber apokalyptischen Gehalt. Im Hintergrund steht die Wendung vom DCSQL MCTFKCL, das „unerforschlich“ ist (Jdt 8,14). Die engste Parallele zu 1Kor 2,10 ist Apk 2,24: VCDCSGCVQWUCVCPC, womit die Pläne Satans gemeint sind. Entsprechend sind die „Tiefen Gottes“ im Sinne des Paulus wiederum Gottes Heilsplan (das Christus-Geschehen, speziell die Kreuzigung)48. Ebenfalls ein sprachliches Indiz für die Differenzierung von weisheitlich-pneumatischer (Korinth) und apokalyptischer Motivik (Paulus) ist eine Beobachtung zum Begriff OWUVJTKQP. Paulus selbst gebraucht ihn an wichtigen Stellen im apokalyptischen Sinne, und zwar im sing. | (1Kor 2,7, 15,51, Röm 11,25)49. Der plur. VCOWUVJTKC erscheint dagegen nur in polemischen Partien des 46
Zur apokalyptischen Esoterik vgl. BORNKAMM, GÜNTHER, Art. OWUVJTKQP, ThWNT 4, 1942, 809–834: 821f; SELLIN, GERHARD, Allegorie und „Gleichnis“. Zur Formenlehre der synoptischen Gleichnisse, ZThK 75, 1978, 281–335: 304–306. 47 Das Motiv von der entschwundenen Weisheit (äthHen 42; 93,8; 94,5f; 4Esr 5,9f; syrBar 48,36) steht nur entfernt im Hintergrund. Dass es sich bei diesem Motiv um einen gnostischen Mythos handelte, wie WILCKENS, Weisheit, 160ff, annahm, ist völlig abwegig. Eine wirkliche Parallele zu 1Kor 2,7 ist lediglich syrBar 14,9 („Aber wer, o Herr mein Gott, versteht dein Gericht, oder wer erforscht die Tiefe deines Weges, ... wer vermag nachzudenken über deinen unerlässlichen Ratschluss, oder wer hat jemals von den Geborenen Anfang und Ende deiner Weisheit gefunden?“). Meistens aber steht OWUVJTKQP in diesen Zusammenhängen und nicht UQHKC. 48 Das DCSQL-Motiv begegnet aber auch in der alexandrinischen Weisheit: Justin, Dial 121,2 greift das Motiv vom DCSQL MCTFKCLauf, kombiniert es aber mit der Wendung von den DCSJVQWSGQW (vgl. Clemens Alexandrinus, Protr 68,4). Diese Wendung gehört bei Clemens und Justin in den Zusammenhang inspiratorischer Erleuchtung: Der Logos ist die Sonne und das Licht, das in die Tiefen des Nous dringt und so überirdische Erkenntnis ermöglicht. Das aber führt zurück auf die alexandrinische Inspirationstheologie Philos, vgl. WLOSOK, ANTONIE, Laktanz und die philosophische Gnosis. Untersuchungen zu Geschichte und Terminologie der gnostischen Erlösungsvorstellung, AHAW. PH 1960/2, Heidelberg 1960, 87f. 49 Dieser singularische Gebrauch hat sich durchgesetzt in den Deuteropaulinen (Röm 16,25; Kol, Eph, vgl. aber auch Mk 4,11).
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1Kor, wo die hellenistisch-jüdische Motivik von Ekstase und Inspiration im Hintergrund steht: 1Kor 13,2, 14,2 und 4,1. Sonst begegnet der Plural (sieht man von Mt 13,2/Lk 8,10 gegen Mk 4,11 ab) im NT nie, dagegen aber durchgehend bei Philo50. (2) Die Spitze der Aussagen ist V. 8: Gottes Plan kannten die Archonten dieses Äons nicht. J=Pbezieht sich auf UQHKC, womit aber nicht eine personifizierte Weisheitsgestalt gemeint ist51, sondern eben der Plan Gottes. Damit entfällt aber die ganze Theorie vom gnostischen Mythos, der hier angeblich im Hintergrund stehe: als habe sich der Urmensch-Erlöser verkleidet durch die Sphären der mythischen Archonten zu den Seinen geschlichen52. Der Plan Gottes bestand aber nun gerade darin, dass der MWTKQLVJLFQZJL von den Archonten der Welt gekreuzigt wurde. Die Herrscher dieses Äons sind so in ihrer Unwissenheit zu Erfüllungsgehilfen des weisen Ratschlusses Gottes geworden, der darin bestand, dass der „Herr der Herrlichkeit“ gekreuzigt werden musste. Es handelt sich um eine Art Verstockungsmotiv mit kompliziertem Gedankengang: In ihrer Unwissenheit richten sie sich gegen den „Herrn der Herrlichkeit“ (ein in der Apokalyptik gebrauchtes Gottesprädikat53), verwirken sich damit den Zugang zum Heil, begründen aber zugleich damit Gottes umgekehrten Heilsweg. Weil die Welt mit ihrer Weisheit keinen Einblick in Gottes Weisheit haben konnte, musste sie den „Herrn der Herrlichkeit“ kreuzigen. Damit ist – im Sinne der paulinischen Kreuzestheologie – der gekreuzigte Christus notwendige Folge aus dem Wesen der Welt, zugleich aber auch – rückblickend von der Offenbarung der Weisheit Gottes – ihre radikale Bloßstellung. Im Wort vom Kreuz kann die Welt sich so selbst erkennen. So ist die Kreuzigung des „Herrn der Herrlichkeit“ zugleich Tragik (Irrtum der Welt und Ratschluss Gottes) und einzige Heilsmöglichkeit der Welt. Mit den „Herrschern dieses Äons“ sind nicht, wie man zumeist im Interesse an einer gnostisch-mythischen Auslegung meinte, Dämonen oder gar die gnostischen Archonten der gefallenen |
50 Immer im Zusammenhang mit Mysterientenninologie, besonders bei VGNGKQL, VGNGKP usw., aber auch bei UQHKC (z.B. All 3,2f). VCOWUVJTKC sind vor allem die Phänomene, die der Nous beim ekstatischen Seelenflug im Himmel schaut. 51 Das war der Irrtum der Auslegung von WILCKENS, Weisheit, vgl. PEARSON, Wisdom-Speculation, 57. 52 So WILCKENS, Weisheit, 71ff. Am schärfsten dagegen heute WILCKENS, Zu 1Kor 2,1–16, 509 mit Anm. 20. Ebenso SCHOTTROFF, Glaubende, 222f (die nun aber V. 8b als anti-gnostische Spitze versteht). 53 äthHen 22,14; 25,3; 27,3.5; 36,4; 40,3; 63,2; 83,3; vgl. PEARSON, Pneumatikos, 32ff.104 Anm. 1.
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Welt gemeint54, sondern die für die Kreuzigung Jesu verantwortlichen politischen und religiösen Führer55. (3) Apokalyptischer Herkunft ist auch das Zitat in V. 9, was vor allem im h`toi,masen zum Ausdruck kommt. Nach Origenes entstammt es einer apokryphen Elia-Apokalypse56. Es ist zugleich überliefert bei Clemens Alexandrinus, Protr X 94 457, dort aber relativisch angeschlossen an do,xan. Das Stichwort do,xa (aus ku,rioj th/j do,xhj) gehört demnach in den ursprünglichen Zusammenhang, der apokalyptisch geprägt ist58. Bei V. 6–9 handelt es sich also um einen geschlossenen Komplex apokalyptischer Provenienz, mit dessen Hilfe Paulus den korinthischen Pneumatikern59 gegenüber den lo,goj tou/ staurou/ als Inhalt der wahren | Weis54 So im Anschluss an EVERLING, OTTO, Die paulinische Angelologie und Dämonologie, Göttingen 1888, und DIBELIUS, MARTIN, Die Geisterwelt im Glauben des Paulus, Göttingen 1909, z.B. WILCKENS, Weisheit, 70ff. 55 So im Anschluss an SCHNIEWIND, JULIUS, Die Archonten dieses Äons, 1Kor 2,6–8, in: E. Kähler (Hg.), Nachgelassene Reden und Aufsätze, Berlin 1952, 104–109, z.B. CARR, WESLEY, The Rulers of this Age – I Corinthians II. 6–8, NTS 23, 1977, 20–35 (dort weitere Lit.!) und WILCKENS, Zu 1Kor 2,1–16, 508ff. Es ergibt sich aus der Synonymität von „Weisheit dieses Äons“ (2,6) und „Weisheit der Menschen“ (2,5), dass die Herrscher dieses Äons (als Vertreter der Weisheit dieses Äons) Menschen sind. Allerdings erhalten die politischen Herrscher dieses Äons in der Apokalyptik häufig dämonische Züge. Entsprechend werden im Joh die Juden (als Vertreter der „Welt“) sogar „Kinder des Teufels“ genannt (dabei geht es nicht um einen Antijudaismus – sondern um den johanneischen Kosmos-Begriff). 56 Dazu BERGER, KLAUS, Zur Diskussion über die Herkunft von I Kor. II 9, NTS 24, 1978, 271–283. 57 Text bei DENIS, ALBERT-MARIE, Apocalypsis Eliae, in: DERS., Fragmenta Pseudepigraphorum Quae Supersunt Graeca, PVTG 3, Leiden 1970, 103. Vgl. dazu SCHÜRER, EMIL, Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi. Bd. 3: Das Judentum in der Zerstreuung und die jüdische Literatur, Leipzig 41909, 361ff, bes. 365. 58 Der Titel ku,rioj th/j do,xhj gehört also nicht zur Sprache der Korinther, die völlig unapokalyptisch ist (gegen PEARSON, Pneumatikos, 32ff; DERS., Wisdom-Speculation, 57; wie PEARSON bereits WEISS, Korintherbrief, 56; WILCKENS, Weisheit, 73f; SCHOTTROFF, Glaubende, 222 Anm. 1). Der Titel steht ja in Korrespondenz zu eivj do,xan h`mw/n entstammt also der erst von Paulus eingebrachten apokalyptischen Motivik. Gleiches gilt vom Zitat V. 9. o[sa (oder mit p46 u.a.: a[) h`toi,masen … gehört wahrscheinlich zum Zitat. Auf keinen Fall hat Paulus diese Wendung im Interesse einer futurischen Pointe (das Heil sei erst für die Zukunft bereitet) angefügt (gegen PEARSON, Pneumatikos, 35 mit Anm. 66–69): Was Gott den Seinen bereitet hat, ist ja gerade das Christus-Geschehen, das es nun (2,10ff) durch das Pneuma zu begreifen gilt. 59 Eine Gegenüberstellung von Apokalyptik und hellenistisch-jüdischer (dualistischer, esoterischer) Weisheit ist trotz gelegentlicher terminologischer Überschneidungen durchgängig zutreffend, wie neuerdings FISCHER, ULRICH, Eschatologie und Jenseitserwartung im hellenistischen Diasporajudentum, BZNW 44, Berlin/New York 1978 (vgl. die Zusammenfassung 255ff), wieder gezeigt hat. Sie ist gerade bei Philo ohne Ausnahme noch zutreffend. Die zeitliche Trennung von Äonen fehlt hier ganz. Eine weitere Frage ist es dann, ob die korinthische Weisheit (als Art der philonischen) apokalyptische Elemente subsumiert haben könnte. Diese Frage kann aber dann entschieden verneint werden, wenn man davon ausgehen darf, dass die korinthische Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12) dualistischer Anthropologie entspringt. Was dann aus apokalyptischer Tradition allenfalls verbleibt, ist der Gedanke einer Vernichtung von ko,smoj und sw/ma (sowie der Ungerechten) bei der Parusie. Die Äonen sind aber nicht mehr zeitlich getrennt.
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heit behaupten kann. Nachdem so die entscheidenden Weichen gestellt sind, kann Paulus sich nun (2,10ff) auf die Terminologie der Pneumatiker (die freilich in 2,6 schon voransteht) näher einlassen60.
c) Eine pneumatische Erkenntnistheorie (2,10b–16) dia. tou/ pneu,matoj ist das entscheidende Stichwort, um das es im Folgenden geht. Die in 2,6–9 gewonnene Voraussetzung wird als Kriterium in den neuen Zusammenhang übertragen. Nachdem Paulus den Inhalt seiner sofi,a mitgeteilt hat, begibt er sich auf das Feld der Weisheitsverkündigung der korinthischen Pneumatiker. Dabei geht es um die Angemessenheit (sugkri,nein) von Inhalt, Erkenntnis und Verkündigung. (1) Der Abschnitt besteht aus zwei Komplexen: dem Grundsatz (V. 10b– 11) und der Anwendung (V. 12–16). Der erste Komplex stellt thetisch den Grundsatz der pneumatischen Erkenntnis voran. Er besteht aus drei Elementen: Obersatz: Analogie: Anwendung:
Der Geist „erforscht“ alles – sogar Gottes geheimen Plan. Wie den Menschen nur der „Geist“ im Menschen61 begreift … … „so“ kann „auch“62 nur Gottes Geist das Göttliche begreifen.
Diese Auffassung vom Pneuma entspricht ganz dem hellenistisch-jüdischen Geistverständnis, wie es am deutlichsten bei Philo anzutreffen ist. Danach sind Welt und Mensch einerseits und Gottes Sphäre (Reich der Ideen, des Pneuma, der Unvergänglichkeit, der Körperlosigkeit usw.) andererseits absolute Gegensätze. Zurück geht es auf die alexandrinische | Weisheit. Weish 6ff sind sofi,a und pneu/ma identisch (7,7, 9,17) und stehen dem Menschen gegenüber. Dieses pneu/ma sofi,aj kommt aus der Transzendenz in manche Menschen (die Weisen). Es geht also um Inspiration von Weisheit bzw. Pneuma. Dieses verleiht nicht nur Unsterblichkeit, sondern übernatürliche Erkenntnis, die dem natürlichen Menschen nicht zugänglich ist. Erlösung besteht in Erkenntnis, Schau, Überschreitung der materiellen Welt. Das ist das alles beherrschende Thema bei Philo. Der Mensch bleibt bei dieser pneumatischen Erkenntnis passiv, ja sein Nous kann gar nichts Transzen60 Genau so verfährt Paulus in 1Kor 15: Erst nachdem er seine Intention, nämlich die Verbindung von Kerygma und Auferstehungshoffnung, herausgearbeitet hat (15,1–34), geht er nun auf die Frage der Leiblichkeit, das eigentliche Problem der Pneumatiker, näher ein (15,35ff). 61 Das ist der nou/j. Wie pneu/ma sozusagen Gottes nou/j ist, so kann der menschliche nou/j auch pneu/ma des Menschen genannt werden. Christi nou/j ist identisch mit dem pneu/ma (V. 16). 62 ou[twj kai, bringt immer die Anwendung aus einer Analogiebildung: 1Kor 15,42; 1Thess 4,14.
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dentes erkennen, da er irdisch ist. Vielmehr ist es das Pneuma selbst, das in den Menschen kommt und nun als himmlischer Nous den irdischen Nous vertritt und in einer reflexiven Bewegung sozusagen sich selbst erkennt. Pneumatische Erkenntnis ist deshalb ein reflexiver Akt des erkennenden Pneuma selber, an dem der Mensch nun Anteil hat. Der so begnadete Pneumatiker ist kein „Mensch“ mehr, sondern selber ein pneumatisches Wesen, auf gleicher Stufe wie der Logos. Im Zusammenhang mit dieser pneumatischen Erkenntnis begegnet auffallend häufig das Stichwort evreuna/n (All 3,84; Mut 7; Fug 164f; Praem 46). Eine der wichtigsten Stellen ist Migr 39f: Mit den Augen der Seele kann der Weise das göttliche Licht schauen. Nach dem Prinzip der analogischen Erkenntnis (Gig 9: „Gleiches wird durch Gleiches geschaut“, vgl. Mut 3ff.56; SpecLeg 1,41ff)63 wird durch Weisheit das Weise erkannt. Die Sophia ist dabei aber eine große Ausnahme: Sie ist – anders als der natürliche menschliche nou/j (Mut 10; Som 1,30f) – das einzige, das sich selbst erkennen kann. Von daher wird verständlich, wie Paulus vom Pneuma (Weisheit und Urlicht Gottes) die Fähigkeit reflexiver Erkenntnis aussagen kann. Dieses göttliche Pneuma kann nicht mit Sterblichem zusammenbleiben (Gig 27f). Das wird besonders deutlich bei einem Motiv, das gelegentlich bei Philo auftaucht und den Dualismus von Mensch und Pneuma am radikalsten zum Ausdruck bringt, dem Motiv der Ekstase. Her 264f: Der menschliche Nous zieht für eine Weile aus der Seele, dafür zieht das göttliche Pneuma ein als göttlicher Nous (vgl. 1Kor 2,16). Abgesehen von diesem Pneuma, diesseits von Inspiration und Ekstase, wird der Nous wieder „Mensch“ (Som 2,232f: a;nqrwpoj gi,netai, toi/j avnqrwpi,noij evntucw,n). Von diesem Motiv her hat erstmals Egon Brandenburger 1Kor 3,4 („Wenn der eine sagt: ich bin des Paulus, und der andere: ich bin des Apollos – seid ihr dann nicht Menschen?“) über- | zeugend erklärt: Der Pneumatiker erhebt den Anspruch, kein Mensch mehr zu sein64. (2) Die Schlussfolgerung daraus ist: Geistbegabung ist erforderlich, um das Göttliche zu begreifen. Ziel der Erkenntnis ist aber nach Paulus der Plan Gottes (ta. ba,qh), das Kreuzesgeschehen. Das ist, wie wir sahen, kein Vorstellungselement der korinthischen Pneumatiker mehr, sondern paulinische Umakzentuierung. Im Folgenden wendet Paulus die pneumatische Erkenntnistheorie in diesem Sinne an (V. 12–16): 63 Dazu vgl.: SCHNEIDER, ARTUR, Der Gedanke der Erkenntnis des Gleichen durch Gleiches in antiker und patristischer Zeit, in: F. Ehrle (Hg.), Abhandlungen zur Geschichte und Philosophie des Mittelalters (FS C. Baeumker), Münster 1923, 65–76; LEISEGANG, HANS, Der Heilige Geist. Das Wesen und Werden der mystisch-intuitiven Erkenntnis in der Philosophie und Religion der Griechen. Bd. 1, Teil 1: Die vorchristlichen Anschauungen und Lehren vom PNEUMA und der mystisch-intuitiven Erkenntnis, Leipzig/Berlin 1919, 221ff; WLOSOK, Laktanz, 85f. 64 BRANDENBURGER, Fleisch, 136.
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(a) Diesen Gottesgeist haben „wir“ empfangen, damit wir das uns von Gott Geschenkte „sehen“ können. (b) Deshalb ist unsere Verkündigung davon (d.h. vom Geschenk) geistlich, d.h. dem geistlichen Inhalt angemessen. (a) Der natürliche Mensch nimmt nicht die Gaben des Geistes an; er versteht sie nicht, weil sie geistlich beurteilt werden müssen. (b) Der Pneumatiker kann alles beurteilen, er selber wird aber von niemandem beurteilt. (a) Abschließendes Zitat: „Wer erkennt den nou/j des Herrn …?“ (b) Antwort: „Wir“ – denn wir haben den nou/j Christi.
Der Schlusssatz (IIIb) entspricht dem Anfang in V. 12 (Ia). Die Aussage dieses zweiten (aktuellen) Komplexes ist recht kompliziert. V. 12b zeigt bereits, dass es um zwei Dinge geht: die Geistbegabung und ta. u`po. tou/ qeou/ carisqe,nta h`mi/n. Auf dieses Zweite bezieht sich die Verkündigung (a[ in V. 13). So erst gewinnt V. 13b seinen Sinn: … indem wir Pneumatisches (bezieht sich auf ta. … carisqe,nta h`mi/n) pneumatisch (bezieht sich auf den Geist als Erkenntnismittel), und das heißt: angemessen „deuten“65. sugkri,nein hat die Grundbedeutung „vergleichen“, oder noch formaler: „in Beziehung bringen“. Es drückt schon den Gedanken der angemessenen Beziehung von Objekt und Instrument aus. Beide stammen von Gott, sind also transzendent, was durch „pneumatisch“ ausgedrückt wird. Der Grundsatz dieser Erkenntnistheorie (V. 10b–11) wird durchgehalten: Gleiches wird nur durch Gleiches erkannt. Göttliches kann nur durch Göttliches erkannt werden. Pneuma ist hier formal das, was fähig zur Reflexion ist, also der göttliche nou/j. Das Pneuma ist nicht nur Mittel der Erkenntnis, sondern lehrt auch die angemessenen Worte. Hier bringt Paulus den Gedanken der rechten Verkündigung ein. Dem Objekt der Erkenntnis muss also auch die Verkündigung angemessen sein. Es fällt auf, dass Paulus sofi,a hier nur noch negativ (avnqrwpi,nh) gebraucht. Maßstab | ist aber auch nicht das Pneuma, sondern letztlich der „Gegenstand“: ta. u`po. tou/ qeou/ carisqe,nta h`mi/n. Diesem Gegenstand angemessen will die paulinische Verkündigung sein. (3) Die Frage ist nun, was mit dem Objekt der pneumatischen Erkenntnis und dem Gegenstand der Verkündigung inhaltlich gemeint ist. Die Verben, die sich auf dieses Objekt beziehen, sind evreuna/n, ivdei/n, lalei/n, de,cesqai, avnakri,nein. Dazu gehören aber auch (mit Gott als Subjekt) cari,zesqai und in V. 9–10a e`toima,zein und avpokalu,ptein. ivdei/n in V. 12b bezieht sich auf ei=den im Zitat V. 9. Der Gedanke in V. 12b wird klar, wenn man von einer 65 In sugkri,nein steckt der Gedanke der Ebenen-Beziehung: Vergleichbar ist, was auf gleicher Ebene liegt (so Philo, Agr 155; Ebr 43.45; Post 105). Was auf gleicher Ebene liegt, lässt sich zusammenfügen (daher die Grundbedeutung: „zusammenfügen“), ist einander angemessen. – Für Paulus gilt dabei aber gerade nicht, dass Erkenntnismittel und Erkenntnisinhalt identisch sind (gegen CONZELMANN, Korinther, 77 mit Anm. 30).
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für die apokalyptische Esoterik typischen doppelten Verborgenheit66 ausgeht: Das Geheimnis ist einerseits für einen Kreis Auserwählter bereitet (e`toima,zein, cari,zesqai); zusätzlich aber müssen den Erwählten die Augen geöffnet werden, damit sie es begreifen können. Was nun das „Bereitete“, „Geschenkte“ ist, um dessen Verstehen und angemessenes Verkündigen es geht, wird deutlicher aus V. 14f: ta. tou/ pneu,matoj tou/ qeou/ das der natürliche Mensch nicht „annimmt“, ist nicht der verliehene Geist (der Psychiker ist ja gerade einer, der den Geist definitionsgemäß nicht hat), sondern ebenfalls das „Bereitete“, „Geschenkte“. Dies aber ist dem Psychiker mwri,a. Nun ist klar, was gemeint ist: Gottes Weisheit, die darin besteht, dass der Kyrios gekreuzigt wurde. Daher ist der lo,goj tou/ staurou/ die einzig angemessene Verkündigung. Wer diese Art der Verkündigung ablehnt, sie für Torheit hält, sie also nicht versteht, hat nicht den Geist, ist Psychiker. Damit hat Paulus die Esoterik der Pneumatiker in seinem Sinne umakzentuiert. (4) Auffällig ist die Verschiebung von sugkri,nein (V. 13: die Angemessenheit von Gegenstand und Mittel der Erkenntnis) zu avnakri,nein (beurteilen). Wer ausgerüstet ist mit dem angemessenen Erkenntnismittel, kommt auch zu einem dem Gegenstand angemessenen Urteil. Er ist kompetent. Da das Pneuma aber das für die „Tiefen Gottes“, d.h. seine verborgenen Pläne (= das Geheimnis der Kreuzigung), angemessene Erkenntnismittel ist, ist der Pneumatiker kompetent und selber keinem menschlichen Urteil mehr unterworfen. Dieser Gedanke ist nur zu verstehen als Antikritik: 4,1ff setzt voraus, dass Paulus in Korinth einem ihn herabsetzenden Urteil unterworfen wurde. Entsprechend begegnet dort avnakri,nein67. 2,6ff gipfelt also in einer polemisch-apologetischen Bemerkung. Das gilt sogar vom Schlusssatz: „Wir haben den nou/j Christi“. Genau das ist Paulus direkt oder indirekt bestritten worden. Er behauptet aber nun nicht bloß das Gegenteil, sondern er weist auch nach, warum | seine Verkündigung die angemessene ist: weil sie ihrem Inhalt angemessen, also sachgemäß ist. Das Kriterium besteht in ihrem Charakter als lo,goj tou/ staurou/ Wer dies als mwri,a empfindet, ist kein Pneumatiker. Paulus destruiert mit dieser erkenntnistheoretischen Variante seiner Rechtfertigungstheologie den Anspruch der Weisen, göttliche Geheimnisse erhalten zu haben, als menschliche Weisheit, als sofi,a tou/ ko,smou tou,tou (3,19). Der Weise fühlt sich in die höheren Sphären eingeweiht und meint, die Welt hinter sich gelassen zu haben – während Gott gerade im Tiefsten des Irdischen zu finden ist, am Kreuz68. Dabei wird 66 Dazu vgl. DAUTZENBERG, GERHARD, Urchristliche Prophetie. Ihre Erforschung, ihre Voraussetzungen im Judentum und ihre Struktur im ersten Korintherbrief, BWANT 104, Stuttgart 1975, 118f.122ff und passim; SELLIN, Allegorie, 305. 67 Wie Paulus in 2,10ff vom sugkri,nein zum avnakri,nein übergeht, so in 4,7 vom avnakri,nein zum diakri,nein. 68 Vgl. SCHOTTROFF, Glaubende, 178f, 182; ähnlich KÖSTER, Besprechung, 592.
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Gottes Majestät dadurch gewahrt, dass er den Menschen in seiner größten Schwäche, in seiner Menschlichkeit aufsucht (den Sünder). Diese Umwertung des menschlichen Maßstabes von Torheit und Weisheit ist so Gottes wahre Weisheit. Von Gottes Weisheit lässt sich aber nur auf dem Umweg über den gekreuzigten Christus reden, und darum nur als „Geheimnis“. „Geheimnis“ heißt in diesem Fall: Dem, der Gottes Weisheit woanders sucht, etwa in seiner eigenen religiösen Begabung, bleibt sie verborgen. Das „Tragische“ der Weltarchonten ist, dass sie im Ausblick auf Weisheit die Weisheit Gottes derart verkannten, dass sie den „Herrn der Herrlichkeit“ kreuzigten (2,8). Das heißt nun aber: Das „Kreuz“ ist für Paulus nicht ein unhinterfragbares kontingentes Axiom. Es ist selber Folge des Sündencharakters der Welt (und hat damit deutende Funktion). Zugleich aber wird es zum Grund der Entlarvung und geschenkten Selbsterkenntnis der Welt und damit zum Grund der Erlösung in Gestalt des „Wortes vom Kreuz“.
d) Die korinthischen Pneumatiker und der philonische „Mensch Gottes“ Aus 1Kor 2,6–3,4 geht hervor, dass in Korinth (und zwar unter den Apollos-Anhängern) „Weisheit“ betrieben wird. Die Prädikate sofo,j, te,leioj und pneumatiko,j kennzeichnen die Selbsteinschätzung dieser Korinther. Die Terminologie geht letztlich zurück auf die alexandrinisch-jüdische Weisheit, wie sie uns am ausführlichsten in den Schriften Philos begegnet: Der Weise ist der durch das Pneuma dem Irdisch-Menschlichen bereits Enthobene, der Vollkommene, der Logos-hafte, ebenbildliche, himmlische Mensch. Zwar begegnet bei Philo nicht yuciko,j als ein negativer Gegensatz zu pneumatiko,j69, wohl aber ein Dualismus von yuch, und | pneu/ma70. Dieser weisheitliche Dualismus ist an sich ungriechisch. Erst das Pneuma macht durch Inspiration die sterbliche Seele unsterblich. Nur diese durch Inspiration des Pneuma unsterblich gewordene Seele wird bezeichnet als himmlischer a;nqrwpoj, als himmlischer nou/j, als te,leioj, der im Unterschied zum 69 Negatives yuciko,j ist vor Paulus nirgends belegt (gegen SANDELIN, KARL-GUSTAV, Die Auseinandersetzung mit der Weisheit in 1. Korinther 15, Meddelanden från Stiftelsens för Åbo Akademi Forskningsinstitut 12, Åbo 1976, 202 Anm. 724). Dennoch ist die Antithese nicht (erst) im Gnostizismus entstanden: gegen REITZENSTEIN, RICHARD, Die hellenistischen Mysterienreligionen nach ihren Grundgedanken und Wirkungen, Leipzig 31927 (= Darmstadt 1966), 70ff; JONAS, HANS, Gnosis und spätantiker Geist. Bd. 1: Die mythologische Gnosis, FRLANT 51, Göttingen 31964, 145f.179f.185f; BULTMANN, RUDOLF, Gnosis, JThSt N.S. 3, 1952, 10–26: 14–16; WILCKENS, Weisheit, 89ff; SCHOTTROFF, Glaubende, 141 Anm. 4; WINTER, MARTIN, Pneumatiker und Psychiker in Korinth. Zum religionsgeschichtlichen Hintergrund von 1. Kor. 2,6–3,4, MThSt 12, Marburg 1975, 230f und passim. 70 Dieser Gegensatz durchzieht den ganzen Allegorischen Kommentar, besonders All 1,31ff: Adam ist als ganzer der irdische nou/j (All 1,33).
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„Asketen“, dem Menschen einer untergeordneten Stufe, keiner Säuglingsnahrung bedarf71. Wir haben hier bis in die Terminologie hinein das Modell von 1Kor 2,6: sofi,an de. lalou/men evn toi/j telei,oij. An späterer Stelle bezeichnet Philo den vom Weisheitspneuma Inspirierten als a;nqrwpoj qeou/72. Dieser ist kein Mensch (im irdischen Sinne) mehr, sondern eine geistige Größe, ein spirituelles Wesen. Hier findet so etwas wie ein Identitätswechsel statt, was Philo durch die Vorstellung der Ekstase ausdrückt: In der Ekstase schwindet der menschliche nou/j, und der Logos geht statt seiner auf73. Der nou/j wird durch das Pneuma ersetzt. Ja, Philo identifiziert nun diesen „Menschen“ sogar mit dem Logos, welcher der „Sohn Gottes“ ist74. Damit ist der Pneumatiker hierarchisch emporgehoben auf die Seinsstufe unmittelbar unter Gott75. Der Weise ist „Sohn Gottes“ wie der Logos. Was auf gleicher Seinsstufe steht, ist im Sinne einer Ideenlehre identisch. Dem Pneumatiker wiederum hierarchisch untergeordnet sind die „Söhne des Logos“ (als Söhne des Logos „Israel“ das Volk). Der Pneumatiker ist nun sogar (wie der Logos überhaupt) eine Heilsmittlergestalt für die ihm hierarchisch Untergeordneten. Entsprechend fungiert er als Hoherpriester76. Der so vom Pneuma Ergriffene ist zugleich eine geistige Größe und ein Mensch, eine Idee und eine aktive Erlösungspotenz77. | Dieser Motivkomplex der soteriologischen Hierarchie bildet, wie nun zu zeigen ist, den Hintergrund für das Verständnis sowohl der korinthischen Christologie wie des Apostelverständnisses. Dabei kommt das hierarchische 71 Vgl. Migr 29.46; Agr 8f; Prob 160; Congr 19; Som 2,10f.234–236 und dazu PEARSON, Pneumatikos, 27f; DERS., Wisdom-Speculation, 52; HORSLEY, Pneumatikos, 280f; DERS., Wisdom, 227; DERS., Elitism, 207 ff. 72 Von Gig 60 an. 73 Som 1,118f. Vgl. Her 263–265 und Som 2,228–236. 74 Conf. 41.62.146–148. 75 Migr 174f: „Solange er [Abraham] nämlich nicht zur vollkommenen Reife gelangt ist, braucht er als Führer des Weges den göttlichen Logos … Sobald er aber zum Gipfel der Weisheit gelangt ist, kann er in angestrengtem Laufe Schritt mit dem früheren Wegführer halten; denn beide werden auf diese Weise Begleiter des allführenden Gottes.“ 76 Som 2,228–236; Mut 45. 77 Diese Vorstellung vom charismatischen Gottesmenschen, der eine aktive soteriologische Rolle übernimmt, findet sich auch in anderen Zeugnissen alexandrinisch-jüdischer Theologie, so in Joseph und Aseneth (dazu: SÄNGER, DIETER, Antikes Judentum und die Mysterien. Religionsgeschichtliche Untersuchungen zu Joseph und Aseneth, WUNT II/5, Tübingen 1980, 199ff) und in dem pseudepigraphischen Fragment „Gebet des Joseph“ (dazu SMITH, JONATHAN Z., The Prayer of Joseph, in: J. Neusner (Hg.), Religions in Antiquity. Essays in Memory of E.R. Goodenough, SHR 14, Leiden 1970, 253–294). Zum ganzen vgl. HENGEL, MARTIN, Der Sohn Gottes. Die Entstehung der Christologie und die jüdisch-hellenistische Religionsgeschichte, Tübingen 1975. Auch in Act 7,17ff wird Mose nach dem Muster dieser a;nqrwpoj-qeou/-Vorstellung geschildert (SAITO, Mosevorstellungen, 80–90). Diese, und nicht eine qei/oj-avnh,r-Theologie, ist auch das theologische Modell der Gegner des 2Kor (gegen GEORGI, DIETER, Die Gegner des Paulus im 2. Korintherbrief. Studien zur religiösen Propaganda in der Spätantike, WMANT 11, Neukirchen-Vluyn 1964).
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Verhältnis durch die Genitiv-Beziehung (evgw. de. [tou/] N.N.) zum Ausdruck78.
5. Das Rätsel der „Christuspartei“ Bei der Übersicht über die vier genannten „Parteien“ kamen wir zu dem Ergebnis, dass die Parole evgw. de. Cristou/ nach Meinung des Paulus in Korinth geäußert worden sein muss (s.o. 12f). Merkwürdig ist dann aber die Tatsache, dass Paulus in 3,23 ein u`mei/j de. Cristou/ in einem positiven Sinne gebraucht. (1) Wenn Paulus in 3,21–23 den Korinthern einschärft, „alles ist euer, sei es Paulus, sei es Apollos, sei es Kephas … u`mei/j de. Cristou/ …“, dann finden wir hier alle vier Parolen von 1,12 wieder, freilich in einer Umkehrung der Genitiv-Beziehung, was die drei Apostel betrifft. Eine Hierarchie von Apostel und Gemeinde wird genau umgekehrt, so dass die Apostel ihren hierarchischen Rang verlieren und lediglich noch funktionale Bedeutung für die Gemeinde behalten (vgl. 4,1f). 3,23 sagt dann im Gegenüber zu 1,12: Ihr alle seid Christi. evgw. de. Cristou/ in 1,12 verrät dann aber einen exklusiven Anspruch, der die Apostelparolen überbietet. Diese Vermutung wird bestätigt durch 2Kor 10,7, eine Stelle, die Walter Schmithals zu Recht in diesem Zusammenhang anführt79. Da Paulus dort seine apostolische evxousi,a verteidigt, muss es um den Anspruch der | Gegenapostel (vgl. 2Kor 11,5) gehen80. Das heißt aber, evgw. de. Cristou/ drückt einen exklusiven Anspruch aus, den z.B. Leute wie die Hyper-Apostel von 2Kor 10–13 – wenn auch zu späterer Zeit – erheben. Auf jeden Fall ist ja evgw. de. Cristou/ in 1,12 tadelnd gemeint. (2) Die Genitive in 1,12 werden zumeist im Sinne von Partei-Zugehörigkeiten und Gruppenbildungen verstanden. Merkwürdig hochgegriffen wirkt aber dann die paulinische Argumentation in V. 13: „Ist etwa Paulus für euch gekreuzigt? Oder seid ihr auf den Namen des Paulus getauft?“ Schlagartig verständlich wird das, wenn man der Genitiv-Beziehung eine tiefergehende Bedeutung beimisst. Wir sahen, dass der Pneumatiker Philos zu einer Logos-Gestalt, zu einem Führer für andere wird. Der a;nqrwpoj qeou/ wird anderen zum Logos, denen er das Heil vermittelt. Wir sahen auch, wie bei 78 Für die Schilderung des hellenistisch-jüdischen Pneumatikers nach Philo musste ich mich im Rahmen dieses Aufsatzes auf knappe Andeutungen beschränken. Ich verweise aber auf meine Studie: Der Streit um die Auferstehung der Toten. Eine religionsgeschichtliche und exegetische Untersuchung von 1. Korinther 15, FRLANT 138, Göttingen 1985, wo ich die diesbezüglichen Lehren Philos ausführlich dargestellt habe. 79 SCHMITHALS, Gnosis, 186.188. 80 So zu Recht GEORGI, Gegner, 228 Anm. 1, gegen SCHMITHALS, Gnosis, 187f.
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Philo diese soteriologische Abhängigkeit in Hierarchienbildungen ausgedrückt wird, vor allem mit Hilfe der Vater-Sohn-Relation, aber auch mit einer Relation von Myste und Mystagoge (Hierophant)81. Genau dieses Verständnis von soteriologischer Mittlerschaft kommt in den Genitiven von 1,12 zum Ausdruck. Der jeweilige Apostel ist Heilsmittlergestalt seiner „Schüler“, seiner „Söhne“. Die Parteihäupter sind nicht nur theologische Wortführer, ja nicht einmal nur Mystagogen, sondern selber überirdische Heilsmittler, im philonischen Sinne Logoi wie Mose, Israel und andere. Dann aber überrascht noch mehr die Christus-Parole. Wie kommt es zu einer solchen Parole neben den anderen? (3) Helmut Köster hat das Problem dadurch einer Lösung nähergeführt, dass er mit einer besonderen Christologie der Korinther rechnete: Christus sei im Sinne eines Mystagogen, eines Führers zur Weisheit, eines Weisheitslehrers verstanden worden82. Köster geht von der als Einwand gegen Wilckens vorgebrachten Beobachtung aus, dass es erst Paulus ist, der Christus mit der Sophia identifiziert (1,24.30), in Korinth also eine solche Identifizierung nicht vorgelegen habe. Diese Vermutung erklärt jedoch nur die eine Seite des Problems: dass man sich auf Christus berufen konnte wie auf einen Apostel. Eine vollständige Lösung der Schwierigkeit ergibt sich erst, wenn wir uns an die merkwürdige Identifizierung von a;nqrwpoj qeou/ (als te,leioj, sofo,j) und lo,goj qeou/ in Philos Schriften erinnern (s.o. 30f). Wir sahen, dass in dieser hellenistisch-jüdischen Theologie der Weise als vollkommener Mensch das Menschliche hinter sich gelassen hat und selber zu einer Heilsmittler-Gestalt geworden ist. Dieses Motiv steht nun aber auch am Anfang der hellenistischen Christologie, wie 1Kor | 15,45 indirekt voraussetzt, wo Christus als ein a;nqrwpoj zugleich ein pneu/ma zw|opoiou/n, eine soteriologische Gestalt, ist83. Dass Christus wie ein Mystagoge im Sinne des Mose verstanden wurde, ist also nur die eine Hälfte des Motivs. Das bedeutet nämlich nicht, dass Christus „nur als Mensch“ verstanden worden wäre – denn der Weise ist ja kein (irdischer) Mensch mehr. Vielmehr ist er zu einer du,namij Gottes (vgl. 1Kor 1,24) geworden (zu einem Logos). (4) Umgekehrt zeigt der Anspruch einiger Korinther, te,leioi und Pneumatiker zu sein, dass dies nicht nur auf die Christologie beschränkt blieb, sondern dass – ganz im Sinne der alexandrinisch-jüdischen Vorstellung vom Weisen als prw/toj = te,leioj a;nqrwpoj – jeder Weise zum Heilsvermittler werden konnte. Dies wird nun in erster Linie von den Aposteln – nach ihrer Einschätzung durch die Korinther – gegolten haben. So kommt 81 Z.B. Cher 42ff; Sacr 62; All 2,99. Wie Gottes-Mensch und Logos-Sohn verhalten sich die großen Mysterienweihen zu den kleinen Weihen. 82 KÖSTER, Besprechung, 590; vgl. 594, und HORSLEY, Elitism, 229f. Bereits BULTMANN, Auferstehung, 40. 83 Ich habe das in SELLIN, Streit, zu zeigen versucht.
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es dazu, dass Paulus darauf hinweisen muss, dass nicht ein Apostel gekreuzigt wurde (wobei er aus Gründen des Taktes sich selbst als Beispiel nimmt) und dass die Korinther nicht auf den Namen eines Apostels getauft worden sind. Von den uns bei Philo begegnenden ontologischen Hierarchien her lassen sich also einleuchtend die Genitive der evgw,-Aussagen in 1Kor 1,12 erklären. Hier geht es nicht einfach nur um willkürliche Parteinahme, sondern tatsächlich um so etwas wie eine soteriologische Abhängigkeit. Erst jetzt wird verständlich, inwiefern die Parteibildung zu einer Gefährdung der Einheit des Christusleibes werden kann (V. 13a: meme,ristai o` Cristo,j). Für Paulus gehören Christus und Gemeinde unmittelbar zusammen (3,23). Wenn sich jedoch verschiedene Mittlergestalten nebeneinander dazwischenschalten, zerfällt die Einheit. Dies gilt zumal, wenn sich nur einige in direkter Christusabhängigkeit wähnen. (5) Ungeklärt ist aber nun immer noch das Verhältnis von Christus-Parole zu den Apostel-Parolen (lediglich die Tatsache, dass Christus in der Reihe der Apostel genannt wird, wurde erklärt). Im Sinne Kösters müsste man annehmen, dass die Apostel gleichberechtigte Heilsmittler neben Christus gewesen wären. In der Hierarchie, wie wir sie bei Philo kennenlernten, stünden sie ontologisch neben Christus auf der gleichen Stufe unmittelbar unter Gott. Dann wäre es in der Tat berechtigt, sich auf Apollos statt auf Christus zu berufen. Näher liegt jedoch die Annahme, dass auch in Korinth Christus in der Hierarchie eine Stelle über den Aposteln und Weisen eingenommen hat. Dann aber legt sich die Vermutung nahe, dass die Christus-Parole einem exklusiven Kreis zukam, der sich selber Christusunmittelbar einschätzte. So könnte es sich um die Parole der Weisen, Vollkommenen handeln. Die Apostel-Parolen bezögen sich dann auf den Kreis der Christen auf einer niederen Stufe. Dass | in Korinth solche Hierarchien eine Rolle spielten, legt ja auch 1Kor 8,7ff („schwache“ Brüder) nahe. Möglich wäre etwa folgende Hierarchie: Gott – Christus – Weise – „Schwache“ (letztere entsprächen dann etwa Philos „Asketen“ oder „Fortschreitenden“). Freilich auch diese Erklärung bleibt noch unbefriedigend, wenn man bedenkt, dass Paulus im Folgenden auf die Christus-Parole überhaupt nicht mehr eingeht. Sollte dies wirklich die Parole der Pneumatiker in Korinth gewesen sein, dann bleibt es unverständlich, wieso Paulus das Problem verdeckt unter dem Thema „Paulus und Apollos“ angeht. (6) Die Lösung des Problems steckt in dem Abschnitt 3,18–23. In 3,23 wird der Gemeinde das „ihr aber seid Christi“ ausdrücklich zugesprochen, was auf den ersten Blick völlig im Widerspruch zur kritisierten Parole evgw. de. Cristou/ steht. Zugleich werden die drei genannten Apostel (in einer Umkehrung der Genitiv-Relation von 1,12) der Gemeinde untergeordnet. 3,22f ist dabei ganz deutlich eine Korrespondenz zu 1,12. Bedenkt man fer-
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Das „Geheimis“ der Weisheit und das Rätsel der „Christuspartei“
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ner, dass nach 2Kor 10,7 das Cristou/ ei=nai das hierarchische Christusverhältnis von Aposteln ausdrückt, dann ergibt sich die überraschende Lösung: Die Christus-Parole ist die Parole eines Apostels, der sich selber als Mittler zwischen den Seinen und Christus versteht. Sie drückt das Selbstverständnis des Apollos aus. Paulus dreht die Hierarchie funktional um: Die Gemeinde selber ist Christus-unmittelbar, und die Apostel sind funktional der Gemeinde untergeordnet. Sie sind „Diener, durch die ihr zum Glauben kamt“ (3,5 – eine Funktionsangabe, vgl. 4,1f). (7) Dass diese These, die auf den ersten Blick willkürlich anmutet, zutrifft, geht nun aus einer genauen Betrachtung von 3,18–23 zwingend hervor. Zunächst fällt ja auf, dass dieser Abschnitt, der das Weisheitsthema von 1,18–25 wieder aufnimmt, im Hauptteil über die Parteihäupter Paulus und Apollos (3,5–4,13) auftaucht. Seine Funktion in diesem Zusammenhang hat m.E. noch kein Ausleger erklären können. Sodann ist auffällig der Stil im Imperativ der 3. Pers. sing. (vgl. 3,10b!). Die Gemeinde würde Paulus anders anreden. Auffällig und aufschlussreich ist dann V. 21, vor allem der Anschluss von V. 21b an V. 21a. Was will V. 21b mit ga,r in V. 21 begründen? Wären hier die Korinther angesprochen, wie man gemeinhin annimmt, ergäbe sich geradezu ein Widerspruch: Rühmt euch nicht – denn alles ist euer (das wäre doch eher Begründung für ein Rühmen). Völlige Klarheit schafft dann aber der Sinn von V. 21a selber. kauca/sqai evn avnqrw,poij meint auf keinen Fall ein Rühmen nach Menschenart oder ein Rühmen im Kreise von Menschen (als Publikum), evn bezeichnet bei kauca/sqai immer den Gegenstand und Grund des Rühmens84: „Niemand rühme sich wegen Menschen“. Was aber kann damit gemeint sein? Die engste Parallele ist Gal 6,13: ... i[na evn th/| u`mete,ra| sarki. kauch,swntai. Dort geht es um das Rühmen von Gegenmissio- | naren, die sich der von ihnen dem Paulus abspenstig gemachten Galater (als daraufhin Beschnittener) rühmen. Und schließlich macht 2Kor 10,15–17 unmissverständlich deutlich, worum es geht: Das Rühmen evn avnqrw,poij kann sich nur auf den Erfolg eines Missionars (Apostels) beziehen. In 3,18–21a ist Apollos gemeint. Aber – so sagt Paulus: alle Apostel sind euer – ihr selber seid Christi. 3,23 ist so die Antithese zur Christusparole von 1,12. Diese aber gibt das hierarchische Apostelverständnis des Apollos wieder, der sich – im Sinne der alexandrinisch-jüdischen a;nqrwpoj-qeou/-Vorstellung – als Heilsmittler zwischen Christus und Gemeinde versteht. Gilt bei Philo die Hierarchie Gott – Logos (= a;nqrwpoj qeou/) – „Sohn des Logos“ (= Hörender, Asket, Angehöriger des Volkes Israel), so im davon abhängigen Christentum des Apollos: Gott – Christus – Apostel – Personalgemeinde des Apostels. Aus diesem hierarchischen Denken erklärt sich schließlich auch, warum Paulus in 84
Röm 2,23; 5,3; 2Kor 5,12; 10,15.16.17; 11,12; 12,9; Gal 6,13; Phil 3,3; Jak 1,9.
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3,23 die Linie weiter zieht: Cristo.j de. qeou/. Das ist keine bedeutungslose Plerophorie, sondern zeigt an, dass Paulus sich mit Apollos bzw. seinen Schülern auf dem Felde der ontologischen Hierarchienlehre alexandrinischjüdischer Art auseinandersetzt. (8) Die ontologisch-hierarchische a;nqrwpoj-qeou/-Vorstellung erklärt zugleich aber auch die Entstehung der hellenistischen Christologie. Wie der Weise, der Pneumatiker, zugleich ein Logos, ein metaphysisches Mittlerwesen ist, ja (wie Mose: VitMos 2,288) nach seinem Tode zu einem reinen Pneuma-Wesen wird und in seiner soteriologischen Funktion weiterwirkt, so ist Christus vom a;nqrwpoj zu einem zwischen Gott und Menschenwelt vermittelnden Pneuma-Wesen, einem Logos (Joh 1,1) geworden. Nicht eine qei/oj-avnh,r-Vorstellung, nicht eine Sophia-Personifizierung, nicht eine Wort-Hypostasierung allein kann die Entstehung dieser Christologie zureichend erklären. Stellen wie 1Kor 8,6; 15,45; Kol 1,15; Joh 1,1ff und viele andere85, aber auch viele Partien im Hebr lassen sich am besten von dieser ontologisch-soteriologischen a;nqrwpoj-qeou/-Vorstellung her verständlich machen86. In Analogie zu Mose, dem ekstatisch-prophetischen Weisen, der nach seiner endgültigen Vergeistigung in seinem Gesetz pneumatisch weiterlebt und als Heilsmittler fungiert, ist Christus für diese Gruppe von zu Christen gewordenen hellenistischen Juden der erlösende Geist, pneu/ma zw|opoiou/n (1Kor 15,45), geworden. Der Alexandriner Apollos ist ein Vertreter dieser in ihrer Bedeutung kaum zu überschätzenden Spielart des neutestamentlichen Christentums.
85 Vgl. auch 1Kor 1,18.24: du,namij qeou/. du,namij ist bei Philo (wie lo,goj) Oberbegriff der Mittlerwesen, die zugleich Eigenschaften und Kräfte Gottes sind. Sie sind Engel und pneu,mata, wozu vor allem auch die vergeistigten Menschen gehören: teils schon zu Lebzeiten, teils (und endgültig) nach der Befreiung vom hinderlichen Leibe. 86 Dazu gehört dann auch der Titel ui`oj. qeou/ (s.o. Anm. 77).
„Die Auferstehung ist schon geschehen“
Zur Spiritualisierung apokalyptischer Terminologie im Neuen Testament Es ist heute nahezu einmütige Meinung in der neutestamentlichen Wissenschaft, dass es bereits vor Paulus im hellenistischen Christentum eine Anschauung gegeben habe, wonach der Christ schon zu Lebzeiten vom Tode auferstanden wäre. Man nennt diese Anschauung Enthusiasmus, und man versteht darunter eine sakramentalistische oder spiritualistische Umdeutung der apokalyptischen Auferstehungshoffnung, veranlasst durch gnostische oder mysterienhafte Einflüsse im vorpaulinischen hellenistischen Christentum.1 | Eine bestimmte Reihe von neutestamentlichen Texten scheint diese These vom vorpaulinischen Enthusiasmus zwingend nahezulegen. Der Ausgangspunkt ist 2Tim 2,18, wo die Lehre des Hymenäus und des Philetus, die behaupteten, „daß die Auferstehung schon geschehen sei“, als häretisch zurückgewiesen wird. Von hier aus lässt sich nun eine Linie zurückverfolgen über Kol 2 zu Röm 6. Kol 2,12 heißt es: „Mit ihm wurdet ihr begraben durch die Taufe, und mit ihm seid ihr auch auferstanden ...“. Dies wird zu1
Z.B. KÄSEMANN, ERNST, Zum Thema urchristlicher Apokalyptik, in: DERS., Exegetische Versuche und Besinnungen Bd. 2, Göttingen 1970, 105–131: 120f; DERS., Neutestamentliche Fragen von heute, ebd. 11–31: 27–29; DERS., An die Römer, HNT8a, Tübingen 31974, 152–154.158; DERS., Jesu letzter Wille nach Johannes 17, Tübingen 31971, 38f; LOHSE, EDUARD, Taufe und Rechtfertigung bei Paulus, in: DERS., Die Einheit des Neuen Testaments. Exegetische Studien zur Theologie des Neuen Testaments, Göttingen 1973, 228–244: 234.237; BECKER, JÜRGEN, Auferstehung der Toten im Urchristentum, SBS 82, Stuttgart 1976, 55ff; SCHILLE, GOTTFRIED, Osterglaube, AzTh 51, Stuttgart 1973, 11f. Speziell zu 1Kor 15: SCHNIEWIND, JULIUS, Die Leugner der Auferstehung in Korinth, in: DERS., Nachgelassene Reden und Aufsätze, hg.v. E. Kähler, Monographien und Studienbücher, Gießen 1987, 110–139; LIETZMANN, HANS, An die Korinther 1/2, HNT 9, Tübingen 51969, 192 (Anhang); BRANDENBURGER, EGON, Adam und Christus. Exegetisch-religionsgeschichtliche Untersuchung zu Römer 5,12–21 (1. Kor. 15), WMANT 7, Neukirchen-Vluyn 1962, 70ff; GÜTTGEMANNS, ERHAHRDT, Der leidende Apostel und sein Herr. Studien zur paulinischen Christologie, FRLANT 90, Göttingen 1966, 67ff; J.M. Robinson in: KÖSTER, HELMUT/ROBINSON, JAMES M., Entwicklungslinien durch die Welt des frühen Christentums, Tübingen 1971, 32; WILSON, JACK H., The Corinthians who say there is no resurrection of the dead, ZNW 59, 1968, 90–107: 95ff; THISELTON, ANTHONY C., Realized Eschatology at Corinth, NTS 24, 1977/78, 510–526. – Gegen diese Deutung von 1Kor 15: SELLIN, GERHARD, Der Streit um die Auferstehung der Toten. Eine exegetische und religionsgeschichtliche Untersuchung von 1 Korinther 15, FRLANT 138, Göttingen 1986, 13–17.
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meist als Rückgriff auf eine vorpaulinische Tradition angesehen, die bereits Paulus in Röm 6,4 aufgegriffen, jedoch in der Auferstehungsaussage entscheidend umformuliert habe. Röm 6,4: „Durch die Taufe wurden wir mit ihm begraben in den Tod, damit, wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters auferweckt wurde aus Toten, so auch wir in neuem Leben wandeln.“ Wie in Kol 2,12 sei es in der Vorlage aber um eine vollständige Parallelität von (aoristisch formuliertem) Begraben-werden und (aoristisch formulierter) Auferweckung der Christen im Taufakt gegangen. Paulus selber habe bewusst die enthusiastische Konsequenz vermeiden wollen und die Aussage aus polemischen Gründen umformuliert. Diese hier in ihren Grundzügen skizzierte Sicht scheitert, wie ich im Folgenden nachweisen möchte, an den genannten Texten und beruht auf falschen religionsgeschichtlichen Voraussetzungen. In einem ersten Teil möchte ich terminologische und religionsgeschichtliche Vorfragen klären. In einem zweiten Teil beschäftige ich mich mit den beiden zentralen Texten Röm 6 und Kol 2. Es geht dabei um die Frage, ob diese Texte den Schluss auf die soeben skizzierte These von einem vorpaulinischen Enthusiasmus überhaupt zulassen. In einem dritten Teil gehe ich dann auf die Weiterentwicklung der apokalyptischen Problematik in der paulinischen Schultradition ein.
1. Es ist in der neutestamentlichen Wissenschaft üblich geworden, den Begriff „Enthusiasmus“ eschatologisch aufzufassen: Enthusiasten (zumeist werden sie auch noch wie selbstverständlich als Gnostiker charakterisiert) seien Christen, die auf die Endvollendung nicht mehr warteten, sondern behaupteten, sie sei schon eingetreten. Ja gelegentlich wird unter diesen Begriff sogar die extreme Naherwartung der Parusie gefasst. Das ist jedoch ein Missbrauch | des Begriffs, denn Enthusiasmus hat mit Eschatologie ursprünglich nichts zu tun. Enthusiasmus ist ein uneschatologisches, ja geradezu zeit-abstinentes Phänomen. Wo uns in der Umgebung des Urchristentums Worte wie e;nqouj, evnqousia,zein, evnqousia/n usw. begegnen, bezeichnen sie ausnahmslos uneschatologische ekstatische Phänomene.2 Im hellenistischen Judentum geht es dabei um die Gegenwart und die Wirkungen des Geistes. Dieser Geist ist aber nirgends der erwartete Geist der Endzeit, sondern im2 Plato, Aristoteles, Philo, Josephus, Plutarch, Sibyll. Orakel, Zauberpapyri (weitere Belege bei LIDDELL, HENRY G./SCOTT, ROBERT, A Greek-English Lexicon, Oxford 1996, 566f; ferner DIELS, HERMANN, Die Fragmente der Vorsokratiker, 3 Bd., hg.v. W. Kranz, Berlin 1996–1998 (=51951f), I 5,33; 13,19; 26,15; 30,13; II 146,15; 226,5; 285,14; 290,26. In LXX, NT und Apost. Vätern begegnen Worte vom Stamm e;nqeoj (fast) überhaupt nicht.
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mer der Geist der zeitlos ewigen Transzendenz. Zu Recht kann man zum Beispiel das korinthische Christentum als Enthusiasmus bezeichnen, wenn man etwa an die ekstatischen Phänomene wie Zungenrede, Entrückungen, Weisheit, Gnosis, Schau usw. denkt. Zwar trifft es zu, dass bei all diesen Phänomenen etwas vorweggenommen wird, was den Erlösten nach dem Tode des Leibes endgültig zukommen wird. Nur wird dabei nicht zeitlich gedacht, sondern ontologisch: Geist und Welt stehen sich dualistisch gegenüber wie das Sein und die Vergänglichkeit. Enthusiasmus ist folglich Ausdruck eines immer möglichen Durchstoßens der Vergänglichkeit in den ewigen, zeitlosen Bereich des Seins. Das Pneuma ist jenseitige Gabe, die den Menschen entweltlicht. „Ewiges Leben“ – nicht „Auferstehung“ ist Ausdruck dieses Weltverständnisses. Dieses hellenistische Denken ist dabei nicht erst Uminterpretation eines vorausliegenden zeitlich denkenden, apokalyptischen Weltbildes, sondern steht auf eigenen Füßen. Es hat seine eigene Sprache. Hier haben apokalyptische Begriffe wie „Auferstehung“ und „Parusie“ ursprünglich nichts zu suchen.3 Sowohl bei Paulus selbst wie bei seinen hellenistisch |-jüdisch und enthusiastisch denkenden Gesprächspartnern in Korinth wird die Auferstehung der Toten ganz selbstverständlich im apokalyptischen Sinne sowohl zukünftig wie leiblich verstanden. Das ist ja auch der Grund dafür, dass man Auferstehung der Toten in Korinth überhaupt ablehnt (1Kor 15,12). Die anfangs skizzierte Hypothese von einer vorpaulinischen enthusiastischen Uminterpretation der apokalyptischen Auferstehungsvorstellung (wie sie vor allem von Ernst Käsemann vertreten wird) scheitert nicht nur an den paulinischen Texten (was ich nachher an Röm 6 zeigen möchte), sondern auch schon an der Fragwürdigkeit der religionsgeschichtlichen Voraussetzungen, die bei der skizzierten Hypothese 3 Wie vollständig uneschatologisch das gesamte Schrifttum Philos ist, hat vor kurzem FISCHER, ULRICH, Eschatologie und Jenseitserwartung im hellenistischen Diasporajudentum, BZNW 44, Berlin/New York 1978, 184ff gezeigt. Dies gilt generell für das griechische Judentum: „... für fast alle von uns untersuchten Zeugnisse des hellenistischen Diasporajudentums hat sich gerade das gänzliche Fehlen apokalyptisch-kosmologischer Zukunftserwartungen und das Dominieren eines individualistisch geprägten Jenseitsglaubens als charakteristisch erwiesen“ (255f). „Nirgends in den von uns untersuchten Zeugnissen des hellenistischen Diasporajudentums war auch nur die geringste Spur einer eschatologischen Naherwartung zu finden“ (259). FISCHER, Eschatologie, 125–183 (vgl. 256), meint aber, dass im Rahmen dieser individuellen Unsterblichkeitshoffnung dennoch ein Auferstehungsglaube vorkomme, und zwar in SapSal, JosAs, 4Makk, bei Ps-Phok. und Josephus. Das trifft aber kaum zu: In diesen Schriften wird (mit Ausnahme der Sibyllinen und von 4Makk 18,17–19) von niemanden eine Hoffnung auf leibliche Auferstehung vertreten. Nirgendwo sind avna,stasij und evgei,rein (falls die Wörter überhaupt vorkommen) von der Auferweckung nach dem Tode gebraucht. Das gilt insbesondere für LXX, Philo, Josephus und JosAs. Richtig ist freilich, dass gelegentlich eine naive postmortale Leiblichkeit vorausgesetzt wird, wo es um Vergeltung und Strafe nach dem Tode geht, die zumeist körperlich ausfällt (vgl. Lk 16,19ff). Aber wenn darüber überhaupt etwas ausgesagt wird, liegt das Modell der Entrückung (wobei dann meist doch wieder von „Seele“ gesprochen wird) statt das der Auferweckung aus dem Tode vor.
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eine Rolle spielen. Es gibt drei religionsgeschichtliche Modelle, von denen ein solcher angeblicher Auferstehungs-Enthusiasmus hergeleitet wird: 1.) Überwiegend verweist man auf den Gnostizismus.4 Abgesehen einmal von der Frage, ob es einen solchen Gnostizismus schon in vorpaulinischer Zeit gab, ist demgegenüber auf folgendes hinzuweisen: Eine spiritualistische Deutung der apokalyptischen Auferstehungsterminologie begegnet zwar in vielen gnostischen Texten,5 jedoch gehört diese Adaption apokalyptischer Sprache zu späteren Überlagerungsschichten des Gnostizismus. Ja es ist so, dass gerade an den Stellen, wo solche Adaption in gnostischen Texten geschieht, spätere christliche Einflüsse am greifbarsten sind.6 So sind denn auch alle diese gnostischen Belege relativ späten Datums, | und keiner führt hinter die nachpaulinischen Belege aus Kol, Eph und 2Tim zurück. 2.) Gewichtiger ist die Argumentation mit einer hellenistischen Mysterientheologie, insofern Röm 6 und Kol 2 im Zusammenhang mit dem Taufmotiv mysterientheologische Gedanken ohne Zweifel voraussetzen. Das religionsgeschichtliche Problem von Röm 6 konzentriert sich auf die Frage, ob der Zusammenhang von Tod und Auferstehung Christi einerseits und Mitsterben und neuem Leben des Christen andererseits von einem Mysteriengeschehen her zu verstehen sind, in welchem der Myste am kultischen Sterben und Auferstehen einer Gottheit Anteil gewinnt. Wir wollen jetzt noch nicht fragen, ob Röm 6 eine solche Interpretation erlaubt. Jetzt geht es nur darum, ob es für einen solchen postulierten Gedanken religionsgeschichtliche Belege gibt. Wenn hierfür überhaupt eine Mysterienreligion in Frage kommt, dann das hellenistische Isis-Mysterium, und zwar in der Gestalt, wie es aus den Metamorphosen des Apuleius von Madaura zu erheben ist. In diesem Mysterium erlebt der Myste in einer Vorwegnahme seines Todes eine Seelenreise in die Unterwelt, aus der er zurückkehrt und anschließend durch die Elemente fährt, um schließlich die Götter im himmlischen Licht zu schauen. Von dieser Seelenreise kehrt der Myste quasi vergottet zurück.7 Aber hier fehlt der entscheidende Gedanke, dass der Myste das Schicksal der Gottheit miterlebt. Von einem Sterben und Wiederaufle4
So z.B. SCHNIEWIND, Leugner; LIETZMANN, Korinther, BRANDENBURGER, Adam, GÜTTGEApostel. 5 Vgl. GÜTTGEMANNS, Apostel, 68–70; SCHENKE, HANS-MARTIN, Auferstehungsglaube und Gnosis, ZNW 59, 1968, 123–126; PEEL, MALCOLM L., Gnosis und Auferstehung. Der Brief an Rheginos von Nag Hammadi, Neukirchen-Vluyn 1974, 147ff; DERS., Gnostic Eschatology and the New Testament, NT 12, 1970, 141–165; PAGELS, ELAINE H., „The Mystery of the Resurrection“. A Gnostic Reading of 1 Corinthians 15, JBL 93, 1974, 276–288. 6 Vgl. PEEL, Gnosis und Auferstehung, 149f; RUDOLPH, KURT, Gnosis und Gnostizismus. Ein Forschungsbericht, ThR 34, 1969, 121–175.181–231.358–361: 361. 7 Met. XI 21; 23f. Vgl. dazu DIBELIUS, MARTIN, Die Isisweihe bei Apuleius und verwandte Initiations-Riten, in: DERS., Botschaft und Geschichte, GAufs. Bd. 2: Zum Urchristentum und zur hellenistischen Religionsgeschichte, hg.v. G. Bornkamm, Tübingen 1956, 30–79: 30–34.40.49. MANNS,
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ben eines Gottes ist dabei nirgends erkennbar die Rede. Man könnte allenfalls indirekt damit rechnen, dass in diesem Isis-Kult der alte ägyptische Mythos von Osiris (welcher stirbt und wieder auflebt) eine Rolle gespielt hätte. Doch jeder Hinweis auf eine Verbindung des Schicksals des Mysten mit dem Schicksal des Osiris fehlt. Allenfalls Apuleius XI 24,4 könnte ein vages Anzeichen dafür sein. Hier erscheint der Geweihte ausstaffiert wie der Sonnengott (ad instar Solis exornatus).8 Aber ob das auf die Wiederbelebung des Osiris anspielen soll, ist mehr als vage. | Niklaus Gäumann, der das religionsgeschichtliche Material kritisch sondiert hat, muss, um an der These vom mysterientheologischen Motiv eines sterbenden und auferstehenden Gottes hinter Röm 6 festhalten zu können, das Isis-Mysterium aus Apuleius mit einem späten Beleg aus dem 4. Jahrhundert verbinden: Firmicus Maternus, De errore profanarum religionum 22,1f.9 Hier ist die Rede von einem Mysterienkult, bei dem der Priester den Mysten im entscheidenden Moment zuflüstert: „Seid zuversichtlich, ihr Geweihten des erretteten Gottes, aus Pein wird euch Rettung erstehen“ (SCTTGKVGOWUVCKVQWSGQWUGUYUOGPQWGUVCKICTWBOKPGXMRQPYPUYVJTKC).10 Hier spielt wahrscheinlich der Mythos von der Wiederbelebung des Osiris eine Rolle. Ob der Myste jedoch im kultischen Akt Anteil an Tod und Wiederbelebung des Gottes erhält, lässt sich der Schrift nicht entnehmen. Ja, Firmicus deutet den Bezug zu Tod und Auferstehung nicht einmal an.11 Auch hier ist nur soviel sicher, dass das in der Mysterienweihe erworbene Heil eine diesseitige Option auf das erwartete postmortale Seelenheil bedeutet.12 Selbst wenn man annimmt, dass Hadesfahrt und Himmelsreise 8 Darauf verweist WENGST, KLAUS, Christologische Formeln und Lieder des Urchristentums, StNT 7, Bonn 21972, 40. Schon DIBELIUS, Isisweihe, 49, bestritt das: „[N]irgends ist davon die Rede, daß der Myste etwa dasselbe Schicksal erleide wie Osiris“. Gegen die Deutung von Apuleius, Metamorphosen XI 24,4, im Sinne von Wengst auch NILSSON, MARTIN P., Geschichte der griechischen Religion Bd. 2 Die hellenistische und römische Zeit, HAW 5/2, München 41988, 662. 9 GÄUMANN, NIKLAUS, Taufe und Ethik. Studien zu Römer 6, BEvTh 47, München 1967, 40–46, bes. 45f. 10 Bei NILSSON, Geschichte, 612. 11 Dazu ebd. 656: „Hier würde man eine Erörterung über Tod und Auferstehung erwarten, wenn der Ritus sich darauf bezöge. Diesen Gedanken tut aber Firmicus sehr kurz mit der Versicherung ab, daß er den nach moderner Auffassung wesentlichen Punkt, dass der Gott tot und nicht wie Christus auferstanden sei ... So viel scheint sicher, daß die Auferstehung des Gottes ein Vorbild für die Auferstehung seiner Gläubigen sei, nicht klar erfaßt hat, oder dieser ist von uns hineingelegt.“ 12 Vgl. Apuleius, Met. XI 21,7: „Die Weihenerteilung begehe man unter dem Bild eines freiwilligen Todes und einer Erlösung aus Gnade. Denn wenn nach vollbrachter Lebenszeit das Dasein ein Ende habe und man unmittelbar auf seiner Schwelle stehe, pflege die Göttin die zu berufen, denen etwa die großen Glaubensgeheimnisse sicher anvertraut werden könnten, und pflege die durch ihre Obhut gleichsam Wiedergeborenen nochmals in einen neuen Lebenslauf einzusetzen.“ NILSSON, Geschichte, 609ff, deutet das Isis-Mysterium (u.a. in Bezug auf diese Stelle) jedoch nicht im Sinne des Unsterblichkeitsgedankens, sondern im Sinne einer neuen diesseitigen Exis-
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der Seele mit Tod und Wiederbelebung des Osiris gleichzusetzen seien, was aber selbst bei Apuleius nie ausgesprochen wird, so würde sich daraus noch keineswegs eine Aussage von Sterben und vollzogener Aufer- | stehung des Mysten ergeben. Die Schau der Geheimnisse in Unterwelt und Himmel verbürgt ja lediglich die Gewissheit eines ewigen Lebens der Seele nach dem physischen Tod. Kurz: Der Gedanke der Auferstehung ist den Mysterien fremd.13 3.) Auf ein drittes religionsgeschichtliches Feld, auf dem sich möglicherweise motivliche und terminologische Voraussetzungen für die Anschauung von der realisierten Auferweckung der Christen finden, hat Egon Brandenburger hingewiesen: In der hellenistisch-jüdischen Schrift Joseph und Aseneth wird der Akt der Bekehrung als Schritt vom Tod ins Leben, als Lebendigmachung (avnazwopoi,hsij) verstanden. Dabei finden sich alexandrinischweisheitliche Motive: Die Lebendigmachung ist präsentische Gabe des Pneuma, Inspiration. Tod und Leben sind metaphorisch verstanden: Das Dasein vor der Bekehrung ist Tod, die Verleihung des Geistes erst ist die geistliche Menschenschöpfung, die Wiedergeburt, eine geistliche Erweckung.14 Diese weisheitlich-alexandrinische Tradition ist tatsächlich bei den Korinthern nachweisbar. Sie bildet dann auch – da hat Brandenburger recht – den religionsgeschichtlichen Wurzelboden der späteren Rede von der realisierten Auferstehung. Nur – und das ist nun wesentlich: In dieser weisheitlichen Tradition selbst ist die Rede von einer Auferstehung (avna,stasij( evgei,rein) ursprünglich noch nicht möglich, weil diese genuin einen leiblichen, realen, zukünftigen Akt meint. „Leben“ ist in der alexandrinischen Tradition aber rein spiritual gedacht. Von diesen Voraussetzungen her tenz. In der Tat bedeutet der symbolische Tod des Mysten einen bereits diesseitigen Neuanfang des Lebens. Aber weder wird dieser als Auferstehung bezeichnet oder verstanden, noch ist damit die postmortale seelische Existenz aus dem Blick geraten. Die Diesseitsorientierung des Apuleius ist überdies eine Sonderheit dieses Romans, die keineswegs typisch für die Mysterien ist. 13 Gegen WENGST, Christologische Formeln, 39f; KÄSEMANN, Römer, 152ff; GÄUMANN, Taufe, 45f, und viele andere. In diesem Punkt scheint mir daher WAGNER, GÜNTER, Das religionsgeschichtliche Problem von Römer 6,1–11, AThANT 39, Zürich 1962, 98ff (vgl. die Zusammenfassung ebd. 280), recht zu haben, der aber zu weit geht, wenn er jeden mysterientheologischen Einfluss hinter Röm 6 bestreitet. Allein schon das Taufmotiv im Kontext der Tod-Leben-Metaphorik ist ohne mysterientheologischen Einfluss nicht denkbar (vgl. 1Kor 15,29: die stellvertretende Taufe für Verstorbene – dazu: REITZENSTEIN, Die hellenistischen Mysterienreligionen nach ihren Grundgedanken und Wirkungen, Leipzig 31927 [= Darmstadt 1966], 233). Ich bestreite nur, dass die paulinische Analogisierung von Christi Auferstehung und Auferstehung der Christen auf Mysterienmotive zurückgeht, und vor allem, dass irgendwo im Bereich der Mysterien die Aussage möglich war, der Myste sei im Kultakt „auferstanden“. 14 JosAs 8,9; 15,4; 16,16; 18,9; 20,7. BRANDENBURGER, EGON, Die Auferstehung der Glaubenden als historisches und theologisches Problem, in: DERS., Studien zur Geschichte und Theologie des Urchristentums, SBAB 15, Stuttgart 1993, 133–155.
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schließen sich „Leben“ und „Auferstehung“ geradezu aus. Nur so erklärt sich überhaupt die hinter 1Kor 15 erkennbare Auseinandersetzung: In Korinth lehnt man Auferstehung deshalb ab, weil man | ganz von den Voraussetzungen jener dualistischen, weisheitlichen Auffassung von Leben her denkt.
2. Wichtiger als das Problem der religionsgeschichtlichen Herleitung ist nun die Frage, ob die beiden Schlüsseltexte Röm 6 und Kol 2 die oben skizzierte Hypothese vom enthusiastischen Verständnis apokalyptischer Auferstehungs-Terminologie zulassen.15
a) Röm 6,1–14 In Röm 6 verbindet Paulus nicht zum ersten Mal das christologische Kerygma mit einer analogen soteriologischen Aussage. Erstmalig geschieht das bereits im ältesten erhaltenen Paulus-Brief, in 1Thess 4,14. Dort geht es um die Frage nach der Teilhabe der verstorbenen Christen an der Parusie: „Wenn wir glauben: Christus starb und auferstand – so wird auch Gott die Verstorbenen wegen dieses Christusgeschehens mit Christus entrücken.“ Die hier von Paulus erstmals im Ansatz entwickelte Analogie-Aussage verbindet das Christuskerygma mit dem zukünftigen Heil der Christen.16 Streng genommen bezieht sich die Analogie nur auf das Sterben. Aber eine Analogisierung von Auferstehung Christi und Auferstehung der Christen ist impliziert, insofern die Teilnahme der Entschlafenen an der Entrückung deren vorherige Auferweckung voraussetzt. Der Tod der entschlafenen Chris15
Neben Röm 6 wäre auch 1Kor 15 zu prüfen. Wie ich in meiner Anm.1 genannten Studie zu zeigen versucht habe (SELLIN, Streit), muss dieser Text für die These von einer vorpaulinischen Anschauung bereits realisierter Auferstehung der Christen ausscheiden: Die ganze aufwendige Argumentation des Paulus gegen die These von 15,12 („Es gibt keine Auferstehung Toter“) setzt voraus, dass es auch keine in der Taufe oder sonstwie schon geschehene Auferstehung der Christen gibt. Unmöglich hätte Paulus sonst aus dieser These folgern können, dann sei auch Christus nicht auferstanden. Hat er aber in diesem Punkt die Korinther falsch verstanden? Dagegen spricht nicht nur seine ausführliche und religionsgeschichtlich alles andere als ahnungslose Argumentation im zweiten Teil des Kapitels, sondern auch die Tatsache, dass V. 12b durch o[ti-rezitativum als Zitat erscheint. Dieser Satz lässt aber auch eine These etwa des Inhalts „Wir sind schon als Lebende auferstanden“ (so z.B. GÜTTGEMANNS, Apostel, 67ff), nicht zu, denn auch die geistliche Auferweckung ist ja eine Erweckung „Toter“. 16 Vgl. dazu MARXSEN, WILLI, Auslegung von 1Thess 4,13–18, ZThK 66, 1969, 22–37; DERS., Der erste Brief an die Thessalonicher, ZBK NT 11/1, Zürich 1979, 67.
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ten wird mit Christi Sterben verbunden. Sein Sterben war aber kein endgültiges Sterben. Hier stammt alles Vorstellungsmaterial aus der Apokalyptik – | kein Gedanke an ein hellenistisches Mysterium. Die zweite Stelle ist 1Kor 6,14: „Gott hat den Herrn auferweckt und wird uns auferwecken durch seine Macht.“ Hier ist die Analogisierung von Christi Auferweckung und Auferweckung der Christen voll durchgeführt. Aber die Auferweckung der Christen ist selbstverständlich zukünftig. Im Zusammenhang geht es ja gerade um den Leib. In 1Kor 15 entfaltet Paulus dann diese Analogie von Kerygma und Soteriologie in voller Breite – durchgehend unter dem Gesichtspunkt einer zukünftigen Auferweckung der Christen. Das heißt aber: Röm 6 gehört in diese Entwicklungslinie der Analogieaussagen von 1Thess 4,14; 1Kor 6,14 und 1Kor 15 hinein. Wir finden denn auch in Röm 6,5 und V. 8 ganz selbstverständlich die Aussage über die Auferstehung der Christen futurisch distanziert von der christologischen Aussage: „Denn wenn wir mit der Gleichheit seines Todes verbunden worden sind, werden wir es aber auch mit seiner Auferstehung werden“ (V. 5).17 „Wenn wir mit Christus gestorben sind, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden.“ (V. 8). Aber Paulus geht nun einen entscheidenden Schritt weiter. Im ganzen Zusammenhang geht es ihm um den Gedanken: Der Christ ist schon jetzt nicht mehr unter der Macht der Sünde. Er ist der Sünde gestorben. Gerade das „Schon“ (und nicht ein polemisches „Noch nicht“) ist die Pointe. Zum Ausdruck kommt das in der Taufe. Nun deutet Paulus das christologische Kerygma vom Taufgedanken her aus. Dabei schwebt ihm die kerygmatische Formel von 1Kor 15,3f vor. Hier kann er nun sogar das Element „er wurde begraben“ soteriologisch auswerten: „Wir wurden mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod“ (Röm 6,4a). Schließlich geht Paulus von sich aus noch einen Schritt weiter und deutet auch die Auferweckungsaussage auf das Taufgeschehen. Das ergibt sich aus der Komplementarität zur Sterbensaussage: Der Sünde gegenüber tot sein bedeutet Leben für Gott (V. 10). Dieses Leben ist für Paulus neuer Wandel (das heißt: gottgefälliges Handeln im leiblichen Leben: V. 4 Ende). An dieser Stelle greift Paulus auf die hellenistisch-jüdische zwh,-Metaphorik zurück. Danach geschieht | Erlösung als Inspiration des Pneuma in einem Bekehrungsakt. Der Besitz des Pneuma aber bedeutet ewiges Leben über den Tod hinaus. Dieser Motivkreis ist für die paulinische Aussage entscheidend, da sich hiermit der Gedanke „der Sünde sind wir schon gestorben“ am besten zum Ausdruck bringen lässt. 17 eiv ga,r ... avlla. kai, hebt nicht den Gegensatz der Tempora hervor, sondern hat die Bedeutung „wenn nämlich ... dann aber auch“ (zu avlla. kai, vgl. vor allem Phil 1,18), wobei der Unterschied der Tempora nicht Zielpunkt der Aussage ist. Es ist der gleiche Gedankengang wie in 1Kor 15,29, nur dass es dort um den Spezialfall nachträglich Getaufter geht: Wenn die Taufe Gestorbener deren Sterben nachträglich zu einem „Sterben in Christus“ macht, dann verlangt das auch eine Anteilhabe dieser Gestorbenen an der Auferweckung Christi.
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Da Paulus den Gedanken von der Gegenwart des Lebens ebenfalls aus der kerygmatischen Formel herleitet, wird er selber zum „Enthusiasten“, der nun erstmalig im Ansatz das Motiv von der an sich apokalyptisch gedachten zukünftigen Auferstehung vom Tode präsentisch umdeutet. Das wird ausgesprochen in V. 13: „Stellt euch Gott zur Verfügung als solche, die aus den Toten zum Leben gekommen sind“ (w`sei. evk nekrw/n zw/ntaj). Selbst wenn das w`sei, einschränkenden, abmildernden Sinn haben sollte, wie Käsemann meint,18 kann man hier in keiner Weise von einem eschatologischen Vorbehalt reden. Ich halte es für ausgeschlossen, dass Paulus in Röm 6 überhaupt an Leute denkt, die das Auferstehungsleben enthusiastisch vorwegnehmen wollten, denen er also ein bremsendes „Noch nicht“ zu sagen hätte.19 Im Gegenteil: Er selber durchbricht hier (allerdings nur im Ansatz) erstmalig die Trennung zwischen hellenistisch-jüdischer und apokalyptischer Terminologie und Vorstellungswelt. Wir werden sehen, wie die spätere Paulusschule in der Frage der Eschatologie gerade an Röm 6 anknüpft. Allerdings: Daneben bleibt für Paulus die alte Basisaussage bestehen, nach der aus der geschehenen Auferstehung Christi eine zukünftige leibliche Auferstehung der Christen (im apokalyptischen Sinne) abgeleitet wird: V. 5 und V. 8. VAna,stasij und evgei,rein bleiben für Paulus ausschließlich apokalyptisch gefüllte Begriffe. So kommt er zu einer | Art doppelter Eschatologie: Gegenwärtig ist das neue Leben seit der Taufe. Zukunft hingegen bleibt die avna,stasij der Christen. „Auferstehung der Leiber“ wird nun zu einem zweiten Akt nach der Verleihung von Leben, nach der Gabe des Geistes. Hellenistisch-jüdischer Spiritualismus (Leben als Geistempfang bei der Taufe) und Apokalyptik (Auferweckung der Leiber bei der Parusie) bleiben bei Paulus selbst also nebeneinander und sich ergänzend bestehen. Dieses Nebeneinander konnte später, nach der Zeit des Paulus, nicht mehr durchgehalten werden. In einer Zeit, – so meine These – in der der apokalyptische Aspekt der paulinischen Theologie in eine Krise geriet, kam es zur
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KÄSEMANN, Römer, 169. Die überwiegende Zahl der Exegeten deutet Röm 6,1ff in diesem Sinne. Als Beispiel für viele (und neben den o. in Anm. 1 genannten): BRANDENBURGER, Auferstehung, 164f; SIEBER, PETER, Mit Christus leben. Eine Studie zur paulinischen Auferstehungshoffnung, AThANT 61, Zürich 1972, 200ff. Dagegen ist CONZELMANN, HANS, Paulus und die Weisheit, in: DERS., Theologie als Schriftauslegung. Aufs. zum Neuen Testament, BEvTh 65, München 1974, 177–90: 180, im Recht, wenn er Röm 6 als vom Credo her gebildet versteht; ebenso LINDEMANN, ANDREAS, Die Aufhebung der Zeit. Geschichtsverständnis und Eschatologie im Epheserbrief, StNT 12, Gütersloh 1975, 30f.141. Gegen die These einer hellenistischen Vorstellung einer perfekten Auferstehung hinter Röm 6 auch HALTER, HANS, Taufe und Ethos. Paulinische Kriterien für das Proprium christlicher Moral, FThSt 106, Freiburg 1977, 49.51; HAHN, FERDINAND, Die Taufe im Neuen Testament, in: H. Barié (Hg.), Calwer Predigthilfen – Taufe, Stuttgart 1976, 9–28: 18–21; DERS., Das Verständnis der Taufe nach Römer 6, in: Prot. Landeskirchenrat der Pfalz (Hg.), Bewahren und Erneuern (FS Th. Schaller), Speyer 1980, 135–153: 140. 19
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vollständigen semantischen Verschiebung der Rede von Auferstehung, die nun selbst völlig spiritualistisch gefüllt wurde.
b) Kol 2,11–13 Dieser Text ist in Anlehnung an Röm 6 formuliert. Auffällig sind einige Eigentümlichkeiten, die sich am besten als Elemente paulinischer Schultradition in nachpaulinischer Zeit verstehen lassen. So ist das Tot-sein (nekro,j) nicht mehr generell metaphorisch auf das natürliche, pneumalose Leben des Menschen überhaupt bezogen (so in Röm 6,11, wo Paulus zeitlos präsentisch formuliert), sondern schematisch auf die biographische Epoche der vorchristlichen Vergangenheit der Adressaten. Dazu kommt, dass statt wie bei Paulus von Sünde nun von den Übertretungen (paraptw,mata) die Rede ist. Was Paulus anthropologisch ausdrückte, wird nun ethisch gesagt. Entsprechend besteht die zwopoi,hsij in der Vergebung aller vorchristlichen Verfehlungen. Die Formulierung suntafe,ntej auvtw/| evn tw/| baptismw/| geht auf Röm 6,4 selber zurück.20 Andernfalls müsste man annehmen, dass die kerygmatische Formel von 1Kor 15,3–5, wo das Motiv herkommt, selber schon tauftheologisch und dann womöglich enthusiastisch- | mysterienhaft ausgedeutet worden wäre, wofür es in 1Kor 15 keinerlei Anzeichen gibt.21 20 So auch CONZELMANN, Paulus, und LINDEMANN, Aufhebung; vgl. DERS., Paulus im ältesten Christentum. Das Bild des Apostels und die Rezeption der paulinischen Theologie in der frühchristlichen Literatur bis Marcion, BHTh 58, Tübingen 1979, 115f. Dass es sich bei Kol 2,11ff (sowie Eph 2,4ff; 5,14) um „liturgisch geprägte Tradition“ handele (SCHILLE, GOTTFRIED, Frühchristliche Hymnen, Berlin 1965, 53ff; KÄSEMANN, Römer, 153f.158; vgl. auch SIEBER, Mit Christus leben, 200ff), ist unbegründet (vgl. dazu LINDEMANN, Aufhebung, 116ff.141). 21 Dass die Auferweckungsaussage von 1Kor 15,3 in Korinth schon mysterientheologisch verstanden worden wäre, wie WENGST, Christologische Formeln, 44, meint, ist ausgeschlossen, wenn man 1Kor 15,12b als zitierte Aussage der Korinther verstehen darf. Wengst behauptet, die vier Stellen 1Kor 15,15; 2Kor 4,14; Röm 8,11 und 1Kor 6,14 verrieten noch einen mysterientheologischen Hintergrund der Verbindung von Christi Auferstehung und Auferstehung der Christen (ebd. 36ff). Aber diese Verbindung ist ganz im Gegenteil erst Produkt paulinischen Theologisierens: 1Kor 15,15 ist keine Formel, sondern zentrales Stück paulinischer Argumentation; der Gedanke wird in 1Kor 15,12ff von Paulus mühsam entwickelt, keineswegs aber greift Paulus auf ihn zurück. 2Kor 4,14 und Röm 8,11 sind schon späteres Ergebnis dieser Gedankenarbeit. Als Hauptbeleg für eine frühe heidenchristliche Abwandlung der alten aramäischen Auferstehungsformel im mysterientheologischen Sinn führt Wengst dann ausgerechnet 1Thess 4,14 an (ebd. 45f). Begründung: (1) Statt Gott (wie in den evgei,rein-Aussagen) ist Jesus Subjekt (avne,sth). (2) „Das MysterienDenkschema von der Verbindung des Schicksals des Gottes mit dem des Gläubigen liegt vor“ (ebd. 46). Paulus selbst hätte das dann allerdings im Kontext eschatologisch ausgerichtet. – Das stellt den Sachverhalt auf den Kopf: Von Paulus intendierte Aussage ist doch gerade die Auferweckung der verstorbenen Christen. Diese Aussage ist aber für die Thessalonicher neu. Was sie schon kennen, ist die Parusieaussage (vgl. 1Thess 1,9f). Paulinische „Ausrichtung“ ist dabei gerade die Herstellung der Analogie von kerygmatischer Formel und futurischer (!) Heilsaussage.
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Es gibt aber noch ein stärkeres Argument für die Annahme einer direkten Abhängigkeit von Röm 6. Dem Verfasser kommt es in erster Linie auf die Aussage der Erweckung aus dem toten Leben der vorchristlichen Vergangenheit an. So gesehen ist die Taufe „Bekehrung“, „Erweckung“ im spirituellen Sinne. Das Motiv vom Mit-Begraben-Werden in der Taufe, das bei Paulus dazu diente, das Ende der Sündenherrschaft zum Ausdruck zu bringen, hat nun keine Funktion mehr (wie entsprechend ja auch die Aussage vom Mitsterben fehlt). Ja, es ist sogar widersinnig, wenn der Christ doch gerade schon vor der Taufe „tot“ (nekro,j) war, wie V. 13 sagt. Dass der Verfasser das Mit-begraben-werden überhaupt erwähnt, erklärt sich nur aus seiner Abhängigkeit von Röm 6. Nur dort hat es im Kontext einen Sinn. Die Dialektik von Röm 6, wo Paulus mit | den Begriffen Tod und Leben spielt (tot für die Sünde – lebend für Gott), ist in Kol verloren gegangen. Dem Verfasser des Kol kommt es in erster Linie auf das „Mit-auferweckt-worden-sein“ an. Das aber erklärt sich ganz aus der Intention seines Schreibens: Gegen die kolossische „Philosophie“ mit ihrer Beachtung kosmischer Mächte (Verehrung der Elemente) betont er die bereits geschehene Vernichtung der Kosmos-Mächte durch den inthronisierten Christus. An dieser Überwindung der Mächte haben die Christen Anteil: In der Taufe sind sie von diesen Mächten befreit. Eine noch ausstehende Unterwerfung der Mächte (etwa des Todes als des letzten Feindes) wie bei Paulus (1Kor 15,20–28) kann es allein aus diesem Grund nicht geben. Überhaupt sind in Kol wie im Eph endzeitliche Auferweckung der sterblichen Leiber und Parusie (abgesehen von der traditionellen Wendung in 3,4) völlig aus dem Blickhorizont entschwunden.22 Das aber kann man mit dem Hinweis auf (Vgl. zu 1Thess 4,14 LÜDEMANN, GERD, Paulus, der Heidenapostel Bd. 1: Studien zur Chronologie, FRLANT 123, Göttingen 1980, 233ff. Kurz: Vor und neben Paulus gibt es keine hellenistischmysterientheologische Abwandlung der Auferstehungsaussage des christologischen Kerygmas. – Die Vermutung, hinter Röm 6,1–11 spiele Paulus auf ein hellenistisches Pendant zu 1Kor 15,3–5 an (so KRAMER, WERNER, Christos Kyrios Gottessohn. Untersuchungen zu Gebrauch und Bedeutung der christologischen Bezeichnungen bei Paulus und den vorpaulinischen Gemeinden, AThANT 44, Berlin 1969, 24), ist ebenfalls unbegründet, 1Kor 15,3–5 enthält bezeichnenderwiese keine zur christologischen Aussage analoge Heilsaussage (die Heilsaussage ist überdies gerade an die Sterbensaussage gekoppelt). Die Analogie muss Paulus erst mühsam in V. 12ff herstellen. Es gibt also keinen Beleg für eine vorpaulinische mysterientheologische Umdeutung der kerygmatischen Formel. 22 Kol 3,4 darf man nicht überbewerten, wie es m.E. ALAND, KURT, Das Ende der Zeiten. Über die Naherwartung im Neuen Testament und in der Alten Kirche, in: DERS., Neutestamentliche Entwürfe, TB 63, München 1979, 124–182: 137f, tut. Im Kontext geht es um den Gegensatz von „oben“ und „irdisch“, der dann durch die Antithetik von „verborgen“ und „offenbar“ mit der traditionellen fanerou/sqai-Formulierung einen zeitlichen Aspekt erhält (vgl. dazu BORNKAMM, GÜNTER, Die Hoffnung im Kolosserbrief, in: DERS., Geschichte und Glaube, GAufs. Bd. 4, BEvTh 53, München 1971, 206–213: 210f). Aber: „Mit künftiger Totenauferstehung im Sinne spätjüdisch-apokalyptischer, aber auch urchristlich-paulinischer Erwartung hat das alles nichts mehr gemein“ (ebd. 211).
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eine alte enthusiastische Taufdeutung nicht mehr erklären. Es ist vielmehr Merkmal einer nachpaulinischen Epoche, für die das Heil, in der Vergangenheit beschlossen, zeitlos präsent und nur räumlich von der Erde geschieden bleibt. Damit kommt zwar das ontologisch-dualistische Denken, wie wir es aus Korinth kennen (also der echte, zeitlose Enthusiasmus), wieder zum Zuge, nun aber mit dem Unterschied, dass bestimmte paulinische Topoi (wie die Wertschätzung des sw/ma-Begriffs und die von Paulus mit dem christologischen Kerygma begründete Auferweckung der Toten) nicht mehr zu umgehen sind. Auferstehung der Toten kann nicht mehr abgelehnt werden wie in Korinth – man hätte dann ja Paulus gegen sich. Wohl aber lässt sich der Topos spiritualistisch umdeuten. Dazu hat Paulus selber in Röm 6 Entscheidendes bereitgelegt. Für den Verfasser des Kol fällt jedoch der nach Paulus noch ausstehende zweite Akt, die künftige Erweckung der toten Leiber, stillschweigend dahin. Dies hat seinen Grund m.E. in einer Krise des apokalyptischen Denkens in nachpaulinischer Zeit. |
3. In nachpaulinischer Zeit hat es – soweit aus den neutestamentlichen Schriften erkennbar – in der Frage der Eschatologie zwei einander ablösende Phasen gegeben: (1) Eine Phase der Spiritualisierung, in der die apokalyptische Begrifflichkeit, die durch Paulus im hellenistischen Christentum verankert worden war, vollständig umgedeutet wurde, und (2) – daran anschließend – eine Phase der Reapokalyptisierung. Die erste Phase, die etwa zwischen den Jahren 60 und 80 anzusetzen ist, wird belegt durch Kol und Eph sowie durch die in 2Tim 2,18 und 2Thess 2,2 angegriffenen Falschlehrer. Außerhalb der paulinischen Schultradition finden wir sie am deutlichsten im Johannes-Evangelium – und zwar auf der Stufe des noch nicht kirchlich redigierten Werkes des sogenannten Evangelisten –, dann aber auch im Markus-Evangelium und im Hebräerbrief. Die Reapokalyptisierung, die etwa ab 80 anzusetzen ist, wird repräsentiert von den Pastoralbriefen, vom 2Thess, von der kirchlichen Redaktion des Johannes-Evangeliums, vom MatthäusEvangelium und dem 2Petr.23 Ich möchte mich im folgenden auf eine Betrachtung der paulinischen Tradition beschränken. Es soll nun um die beiden Stellen 2Tim 2,18 und 2Thess 2,2 gehen.
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ALAND, Ende, 127f.137 und passim, sieht die Entwicklung zu einlinig. Vor allem impliziert futurische Eschatologie keineswegs immer Naherwartung. Das gilt besonders deutlich für Lk/Apg und die Pastoralbriefe.
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a) 2Tim 2,18 Der Verfasser zitiert in 2,11–13 einen Spruch, dessen erste Zeile lautet: „Wenn wir mit-gestorben sind, werden wir auch mit-leben“ (Eiv ... sunapeqa,nomen( kai. suzh,somen). Das ist ein Anklang an Röm 6,8,24 wo Paulus die futurische Analogieformel bringt. (Im Kol wurde dagegen Röm 6,4 aufgegriffen). Im Zusammenhang des 2Tim geht es dabei um die Entsprechung von gegenwärtiger Bedrückung und zukünftiger Vergeltung, wobei der gefangene Paulus als ein Vorbild für hoffnungsvolles Erdulden dient. Diese Ausführungen sind polemisch ausgerichtet gegen Leute, die „um Worte streiten“ (logomacei/n) und dabei Begriffe entleeren, was im Vorwurf der kenofwni,a anklingt. Als Beispiele werden dann Hymenäus | und Philetus genannt, die behaupten, die Auferstehung sei schon geschehen (avna,stasin h;dh gegone,nai), und dadurch den Glauben einiger Christen zerstören. Es ist deutlich, dass es hier um eine semantische Umfüllung eines Begriffs geht (daher logomacei/n und kenofwni,a). Was die Falschlehrer meinen, ist das, was der Verfasser des Kol in 2,12f formuliert hat (bezeichnenderweise im Anschluss an Röm 6). Warum die angeblichen Falschlehrer das sagten, kann man nur vermuten: Nach dem Tod des Paulus trat der apokalyptische Aspekt der paulinischen Theologie in den Hintergrund. Das hellenistisch geprägte Denken, wie es in Korinth erstmalig im Christentum auftrat, setzte sich wieder durch, wobei nun jedoch die apokalyptische Begrifflichkeit beibehalten wurde. Man konnte sich dabei auf Paulus berufen, der in Röm 6,4 beinahe so etwas gesagt hatte, und der in Röm 6,13 sogar explizit das gegenwärtige Leben der Christen als „Leben aus Toten“ (w`sei. evk nekrw/n zw/ntaj) bezeichnet hatte. Ich vermute, dass dabei eine Krise der apokalyptischen Zukunftserwartung in der Zeit nach dem Tod des Paulus eine Rolle spielte. – Nicht auf Vermutung angewiesen sind wir, was die Motive des Verfassers des 2Tim betrifft: Er erkennt die Entleerung des apokalyptischen Gehaltes dieses Begriffs. Der Grund, warum er gegen die Spiritualisierung polemisiert, ist aus dem weiteren Kontext erkennbar. Nach seiner und der Leute Meinung, deren Glaube dadurch zerstört werde, geht mit der apokalyptischen Dimension der Trost zukünftiger Vergeltung für gegenwärtiges Leiden verloren. Während Hymenäus und Philetus dem Problem der weiterlaufenden Zeit grundsätzlich begegnen wollen, indem sie ganz auf das ontologisch-spiritualistische Denken ausweichen, steht der Verfasser des 2Tim vor einem anderen Aspekt des Zeit-Problems: Ihm geht es um das Durchhalten und die Bewährung des Christen in der Mächtigkeit des weltlichen Alltags. Das Bewusstsein in der Taufe geschenkten gegenwärtigen Heils 24 So auch LINDEMANN, Paulus, 139. Lindemann erwägt dort auch, ob der Verfasser hiermit direkt gegen Kol (und Eph) polemisiert.
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reicht ihm dafür nicht aus. Dies ist ein Merkmal der dritten Generation. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass um diese Zeit das Römische Reich erstmalig auch im Osten zum Angriff gegen das Christentum antritt. Die Reapokalyptisierung hinge dann mit dem Aufkommen von Verfolgung zusammen.
b) 2Thess 2,2 Dass es in der paulinischen Tradition tatsächlich um eine Auseinandersetzung um die apokalyptische Dimension der paulinischen | Theologie ging, zeigt der 2Thess. Hier steht nicht der Begriff „Auferstehung“ im Mittelpunkt, sondern der Begriff „Tag des Herrn“. Und hier ist nicht Röm 6 der Anknüpfungspunkt, sondern der 1Thess. Um den merkwürdigen Charakter dieses Schreibens zu verdeutlichen, muss ich etwas ausholen. William Wrede25 hatte 1903 nachgewiesen, dass der 2Thess sich bis in die Einzelformulierungen hinein an den 1Thess anlehnt. Willi Marxsen26 hat das aufgegriffen und ausführlich gezeigt, dass der ganze Brief ein Konkurrenzschreiben zum 1Thess darstellt und diesen verdrängen wollte. Der Verfasser des 2Thess kopiert das ältere Schreiben. Nur eine Passage enthält keine Anklänge an die Vorlage: 2Thess 2,1–12. Hier wird das Anliegen des Verfassers am deutlichsten: Er will den 1Thess verdrängen, ja sogar für unecht und häretisch erklären, weil sich einige Leute mit ihrer Falschlehre auf diesen Brief des Paulus berufen. Das geht aus 2Thess 2,2 hervor: Die Adressaten werden davor gewarnt, sich verunsichern zu lassen, sei es durch einen vom Geist inspirierten Prophetenspruch (dia. pneu,matoj), sei es durch ein (mündliches Paulus-) Wort (dia. lo,gou), oder durch einen „Brief wie von uns“ (diV evpistolh/j w`j diV h`mw/n) „etwa des Inhalts: der Tag des Herrn ist da“ (w`j o[ti evne,sthken h` h`me,ra tou/ kuri,ou). Im folgenden „apokalyptischen Fahrplan“ wird dann vom Verfasser dargelegt, dass erst noch viele Ereignisse eintreten müssen, der „Tag des Herrn“ also noch lange nicht „da“ ist. Nun wird allerdings die Wendung evne,sthken h` h`me,ra tou/ kuri,ou fast immer in dem Sinne gedeutet, dass der „Tag des Herrn“, also die Parusie, unmittelbar bevorstehe.27 evne,sthken bedeutet aber unbezweifelbar „ist 25 WREDE, WILLIAM, Die Echtheit des zweiten Thessalonicherbriefes untersucht, TU 24/2, Leipzig 1903. 26 MARXSEN, WILLI, Der 2. Thessalonicherbrief, ZBK NT 11/2, Zürich 1982. Vgl. auch LINDEMANN, ANDREAS, Zum Abfassungszweck des Zweiten Thessalonicherbriefes, in: DERS., Paulus, Apostel und Lehrer der Kirche. Studien zu Paulus und zum frühen Paulusverständnis, Tübingen 1999, 228–240. 27 So z.B. VIELHAUER, PHILIPP, Geschichte der urchristlichen Literatur. Einleitung in das Neue Testament, die Apokryphen und die Apostolischen Väter, Berlin 41985, 93f; LINDEMANN,
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[schon] da“. Keiner der für die Bedeutung „steht nahe bevor“ in der Literatur angeführten Belege hält einer kritischen Überprüfung stand.28 Aus drei Gründen wird aber dennoch | die präsentische Deutung in der Forschung überwiegend abgelehnt. Der erste Grund: Es gebe keinen weiteren Beleg für eine präsentisch-spiritualistische Umdeutung des apokalyptischen Begriffs „Tag des Herrn“ (im Unterschied zu „Auferstehung“).29 Dazu ist zu sagen: Für die Gnosis trifft das zu. Ich verweise aber auf Mk 1,14, wo der verwandte, sonst ebenfalls futurische Begriff „Gottesreich“ präsentisch gedeutet wird. Zu erinnern ist auch an die Aussage des Joh-Evangeliums, wonach das „Gericht“ schon jetzt geschieht. Der „Tag des Herrn“ ist aber in 2Thess definiert als „Tag des Gerichts“ (1,3ff). Dass 2Thess 2,2 in seiner Aussage über die Gegenwart der Parusie, was die Terminologie betrifft, singulär ist, hängt – wie noch zu zeigen ist – mit seiner Bezugnahme auf den 1Thess zusammen. Der zweite Grund: Im Kontext (2,3ff) gehe es um eine Widerlegung der Nähe, nicht aber der Gegenwart der Parusie.30 Dazu ist zu sagen: Das stimmt nicht, wenn man den vorhergehenden Abschnitt 1,3–12 hinzuzieht. 2,1–12 lässt sich auch so verstehen, dass der Tag des Herrn nicht Gegenwart sein kann, weil die apokalyptischen Vor-Ereignisse bisher nicht eingetreten sind. Ein solches Verständnis legt sich wegen des vorhergehenden Kontextes 1,3–12 nahe: Wie im 2Tim geht es um Geduld in Bedrängnis (V. 4) und das Vergeltungsgericht Gottes mit dem „Gottesreich“, „für das ihr leidet“ (V. 5). Das ist „die Offenbarung des Herrn Jesus vom Himmel“ (V. 7). Das geschieht „an jenem Tag“ (V. 10). Damit ist der Begriff „Tag des Herrn“, um den es in Kap. 2 geht, eingeführt. Die Intention ist: Der „Tag des Herrn“ kann nicht schon eingetreten sein, weil er der Gerichtstag ist. Das Gericht muss aber noch kommen. Der dritte Grund: 2Thess 3 warnt der Verfasser vor Müßiggängern, die nicht arbeiten. Man versteht das gewöhnlich im montanistischen Sinne: Abfassungszweck, 41. Dagegen: MARXSEN, WILLI, Einleitung in das Neue Testament. Eine Einführung in ihre Probleme, Gütersloh 41978, 52f; SCHMITHALS, WALTER, Die historische Situation der Thessalonicherbriefe, in: DERS., Paulus und die Gnostiker. Untersuchungen zu den kleinen Paulusbriefen, ThF 35, Hamburg 1965, 89–157: 146ff. 28 1Kor 7,26 bezieht sich die evnestw/sa avna,gkh auf die Zeit der qli/yij vor dem Ende. Diese qli/yij ist für Paulus aber schon Gegenwart (vgl. 1Kor 10,11: auf „uns“ ist das Ende der Welt gekommen, die Zeit des peirasmo,j. Paulus denkt 1Kor 7 an die Gefahren seiner Aposteltätigkeit. In 1Makk 8,24 hat der Aorist Konjunktiv evnsth/| keine Vergangenheitsbedeutung, sondern ist durch die Konstruktion bedingt (indefiniter Bedingungssatz der Zukunft). 1Makk 12,44 (pole,mou mh. evnesthko,toj h`mi/n) ist zu übersetzen: „obwohl zwischen uns (gegenwärtig) kein Krieg herrscht“. 3Makk 3,24 ist evnsta,shj (Partizip des Aorist) sogar vorzeitig gemeint („wenn ein Aufstand eingetreten ist“), ebenso Josephus, Ant 4,209. 29 So z.B. VIELHAUER, Geschichte, 94; LINDEMANN, Abfassungszweck, 234. 30 So TRILLING, WOLFGANG, Untersuchungen zum 2. Thessalonicherbrief, EThSt 27, Leipzig 1972, 125f; LINDEMANN, Abfassungszweck, 234f.
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Weil „morgen“ die Parusie komme, | habe man „heute“ Wichtigeres zu tun, als zu arbeiten.31 Dagegen ist zu sagen: Der Vorwurf, dass jene Nichtstuer „unnütze Dinge treiben“ (3,11) und sich freihalten lassen, passt nicht zu einer montanistischen Haltung, sondern eher zu Pneumatikern, die sich in Bezug auf die biwtika, von der Gemeinde aushalten lassen – so wie es die pneumatischen Apostel in Korinth taten (2Kor). Es gibt nun auch einen positiven Grund dafür, dass die Meinung der attackierten Gegner in 2Thess 2,2 war, der Tag des Herrn sei Gegenwart. Es geht dabei um eine Bezugnahme auf den 1Thess. Andreas Lindemann nimmt an, dass 1Thess 4,13–18 (Schicksal der Toten angesichts der Parusie) als Belegstelle der Falschlehrer gegolten habe, die damit die Nähe der Parusie begründet hätten.32 Der Terminus „Tag des Herrn“ taucht innerhalb des 1Thess aber erst im folgenden Teil 5,1–11 auf. Dort sagt Paulus: Ihr seid „Söhne des Tages“ (5,5); wir gehören „dem Tag“ an. Paulus selber metaphorisiert den Begriff „Tag des Herrn“, um damit die Gegenwart des Heils auszusagen.33 Das ist der Beleg für die Pneumatiker geworden, die Parusie präsentisch und spiritualistisch umzudeuten. Der Verfasser des 2Thess wiederum bekämpft diese Meinung aus den gleichen Gründen wie der Verfasser des 2Tim: im Interesse einer Vergeltung am Gerichtstag, der noch aussteht. Beide sind so zwar Apokalyptiker, doch vertreten sie keine Naherwartung mehr. Beide Phasen innerhalb der paulinischen Tradition (zunächst die spiritualisierende, dann – etwas später einsetzend und die erstgenannte zeitlich überlagernd – die reapokalyptisierende) vereinseitigen jeweils eine der beiden Linien paulinischer Eschatologie und zeigen so indirekt an, wie schwierig es war, die spannungsreiche Eschatologie des Paulus durchzuhalten.34
31 TRILLING, Untersuchungen, 125f. Dass 2Thess 2,2 im Montanismus apokalyptisch verstanden wurde, besagt nichts über den ursprünglichen Sinn der Parole. Hippolyt, Daniel-Kommentar IV 19,3ff, zitiert wörtlich aus 2Thess 2,2. 32 LINDEMANN, Abfassungszweck, 231f; DERS., Paulus, 133f. 33 Dazu MARXSEN, Der erste Brief an die Thessalonicher, 68f. 34 Vgl. DERS., Der 2. Thessalonicherbrief, 52.
1Kor 5–6 und der „Vorbrief“ nach Korinth
Indizien für eine Mehrschichtigkeit von Kommunikationsakten im ersten Korintherbrief1 Literarkritische Briefteilungshypothesen sind zur Zeit nicht sehr beliebt. Zunehmend setzt sich die Einsicht durch, dass die Gestalt des textkritisch gewonnenen Textes gegenüber allen auch noch so plausibel erscheinenden Zerlegungen und Umstellungen einen Vorrang hat. Doch kann dieser Vorrang keineswegs ein absoluter sein, da die Möglichkeit, dass mehrere an denselben Adressaten gerichtete Paulus-Briefe im Zeitraum zwischen ihrer Erstrezeption und der handschriftlichen Vervielfältigung im Rahmen eines überregionalen Corpus Paulinum redaktionell zu einer Briefeinheit kombiniert wurden, nicht generell von der Hand zu weisen ist, wie der immer noch bestehende große Konsens in der gegenwärtigen Einschätzung des 2Kor eindrücklich belegt.2 Doch zunehmend entbehrlich erscheint den meisten Exegeten heute jegliche Teilung des 1Kor (der – in der Rezeption des bahnbrechenden Versuchs von Johannes Weiß3 – noch vor zehn bis zwanzig Jahren ein großer Tummelplatz solcher literarkritischen Hypothesen | war4), so dass sich hier ein neuer Konsens anbahnt, der 1984 seinen 1
In den Anmerkungen leicht überarbeitete Vorlage in der SNTS-Seminargruppe über den 1. Korintherbrief, vorgelegt am 25. Juli 1989 bei der Tagung in Dublin. Ich danke den Teilnehmern des Seminars für ihre freundliche, anregende und bedenkenswerte Kritik, insbesondere Prof. Dr. J.C. Hurd, der eine Antwort vortrug. 2 Doch auch der 2Kor bleibt vom Trend zur Reduzierung von „Schnitten“ nicht ausgenommen: z.B. KLAUCK, HANS-JOSEF, 2. Korintherbrief, in: R: Schnackenburg (Hg.), Die Neue EchterBibel, Band 18, Würzburg 1968; LANG, FRIEDRICH, Die Briefe an die Korinther, NTD 7, Göttingen 1986, 12ff; FURNISH, VICTOR P., II Corinthians, AncB 32A, Garden City/New York 1984, 35ff; und DAUTZENBERG, GERHARD, Der Zweite Korintherbrief als Briefsammlung, ANRW II 25/4, Berlin/New York 1987, 3045–3066. Vgl. dagegen die „klassische“ Teilung bei: BORNKAMM, GÜNTHER, Die Vorgeschichte des sogenannten Zweiten Korintherbriefes, in: DERS., Geschichte und Glaube II, Ges.Aufs. Bd. 4, München 1971, 162–194; GEORGI, DIETER, Die Gegner des Paulus im 2. Korintherbrief. Studien zur religiösen Propaganda in der Spätantike, WMANT 11, Neukirchen-VIuyn 1964, 16ff; SCHMITHALS, WALTER, Die Gnosis in Korinth. Eine Untersuchung zu den Korintherbriefen, FRLANT 66, Göttingen 31969, 90ff. 3 WEISS, JOHANNES, Der erste Korintherbrie, KEK 5, Göttingen 1970 (=91919), XXXIX– XLIII. 4 Z.B. DINKLER, ERICH, Art. Korintherbriefe, RGG4 3, 31960, 17–23, bes. 18; SCHMITHALS, Gnosis, 84ff; DERS., Die Korintherbriefe als Briefsammlung, ZNW 64, 1973, 262–288; SCHENK, WOLFGANG, Der 1. Korintherbrief als Briefsammlung, ZNW 60, 1969, 219–243; JEWETT,
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Ausdruck in Helmut Merkleins Aufsatz zur „Einheitlichkeit des ersten Korintherbriefes“ fand.5 Unter anderem an Merkleins methodologischen Kriterien und seiner Kritik der bisher vorgebrachten Argumente wird sich die weitere Argumentation für eine Teilung bewähren müssen. Ich bin nun der Meinung, dass eine solche Argumentation bei Respektierung dieser Kritik durchaus möglich ist. Ich konzentriere mich dabei vorwiegend auf die Kapitel 5 und 6, weil ich dort die überzeugendsten Argumente gegen eine ursprüngliche Einheit gefunden habe. Freilich erfordert eine Teilungshypothese auch eine Vollständigkeit, d.h. alle Textpartien des Gesamttextes müssen auf die unterschiedlichen Kommunikationsakte (und damit die postulierten ursprünglichen Gesamttexte) vollständig aufgeteilt werden können.6 Hierbei genügt es, wenn die Argumente die Möglichkeit der Differenzierung begründen. Ebenso müssen unterschiedliche Kommunikations- | Situationen für die ursprünglichen Briefe als historisch möglich nachgewiesen werden. Schließlich sind die neue redaktionelle Anordnung und vor allem die Intention des Redaktors zu erklären. Bevor ich mich schwerpunktmäßig der literarkritischen Analyse von Kap. 5–7 zuwende (2. und 3.), möchte ich zunächst die dem Gesamttext entnehmbaren Angaben zur Geschichte der Kommunikation zwischen Paulus und den Korinthern zusammenstellen (1.). Den Schluss sollen dann ROBERT, Paul’s Anthropological Terms, AGJU 10, Leiden 1971, 23ff; SUHL, ALFRED, Paulus und seine Briefe. Ein Beitrag zur paulinischen Chronologie, StNT 11, Gütersloh 1975, 203ff; SENFT, CHRISTOPHE, La première Épître de Saint Paul aux Corinthiens, CNT II/7, Neuchâtel/Paris 1979; SCHENKE, HANS-MARTIN/FISCHER, KARL M., Die Briefe des Paulus und Schriften des Paulinismus, Einleitung in die Schriften des Neuen Testaments 1, Gütersloh 1978, 92ff. – Heute werden (gemäßigte) Teilungstheorien z.B. auch von KLAUCK, HANS-JOSEF, Herrenmahl und hellenistischer Kult. Eine religionsgeschichtliche Untersuchung zum ersten Korintherbrief, NTA NF 15, Münster 1982, 241ff, und SELLIN, GERHARD, Hauptprobleme des Ersten Korintherbriefes, ANRW II 25/4, Berlin/New York 1987, 2940–3044, bes. 2964ff, vertreten. Für methodisch nicht genug kontrolliert halte ich die Teilungsversuche von SCHMITHALS, WALTER, Die Briefe des Paulus in ihrer ursprünglichen Form, Zürcher Werkkommentar zur Bibel, Zürich 1984, 19–85, und WIDMANN, MARTIN, 1 Kor 2,6–16: Ein Einspruch gegen Paulus, ZNW 70, 1979, 44–53, bes. 51 Anm. 18. In beiden Versuchen werden Teile des 2Kor in die herausgeschälten Teilbriefe des 1Kor mit einbezogen, was aus methodischen Gründen nicht zulässig ist. – Übersichten über die gängigen Teilungshypothesen geben HURD, JOHN C., The Origin of I Corinthians, Macon, GA 1983, 45; SCHENKE/FISCHER, Einleitung, 99; MERKLEIN, HELMUT, Die Einheitlichkeit des ersten Korintherbriefes, in: DERS., Studien zu Jesus und Paulus, WUNT 43, Tübingen 1987, 345–375: 346–348, und SELLIN, Hauptprobleme, 2965–2968. Zu älteren Teilungen (vor WEISS): CLEMEN, CARL, Die Einheitlichkeit der paulinischen Briefe an der Hand der bisher mit bezug auf sie aufgestellten Interpolations- und Compilationshypothesen, Göttingen 1894, 19–68. 5 MERKLEIN, Einheitlichkeit, 345–375. Im Anschluss daran hat LÜHRMANN, DIETER, Freundschaftsbrief trotz Spannungen. Zu Gattung und Aufbau des Ersten Korintherbriefes, in: W. Schrage (Hg.), Studien zum Text und zur Ethik des Neuen Testaments (FS H. Greeven), BZNW 47, Berlin/New York 1986, 298–314, versucht, die Kohärenz des ganzen Briefes aufzuzeigen. 6 Davon auszunehmen sind Präskripte, Schlussgrüße und Danksagungen, die im redaktionellen Produkt nicht doppelt vorkommen dürfen.
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eine vervollständigte Rekonstruktion der Briefe und ihrer historischen Einordnung (4.), Überlegungen zur Redaktion des Gesamttextes 1Kor (5.) sowie methodologische Konsequenzen (6.) bilden. 1. Die unterscheidbaren Kommunikationsschritte Der Aufbau des Briefkorpus von 1Kor ist unter den genuinen Paulus-Briefen singulär. Nacheinander behandelt Paulus bestimmte die Korinther betreffende Themen, die ihm vorgelegt wurden, sei es durch einen schriftlichen Kommunikationsakt der Korinther (den 7,1 erwähnten Brief), sei es durch mündliche Information (1,11; 5,1; 11,18). Eine 7,1 (RGTKFGYPGXITC[CVG) entsprechende Wendung mit RGTK findet sich auch 7,25; 8,1; 12,1; 16,1; 16,12, so dass sich die Annahme aufdrängt, alle diese Themen oder „Probleme“ seien Paulus im 7,1 erwähnten Brief vorgelegt worden.7 Nun wird in 5,9.11 auf einen früheren Brief des Paulus Bezug genommen,8 der in | Korinth Missverständnisse oder Widerspruch hervorgerufen hat. Die Frage ist zunächst, durch welchen Kommunikationsakt Paulus dazu veranlasst wurde, auf dies durch seinen „Vorbrief verursachte Problem einzugehen. Im vorliegenden Text müsste der Anlass von 5,9–13 im Q=NYL CXMQWGVCK(5,1) begründet sein. Diese Annahme bringt jedoch einige Schwierigkeiten mit sich: Die „Kunde“ bezieht sich in 5,1 auf den Fall des 7 BAASLAND, ERNST, Die RGTK-Formel und die Argumentation(ssituation) des Paulus, StTh 42, 1988, 69–87, sieht Funktion und „Sitz im Leben“ der RGTK-Formel in der Angabe von Topoi in der Schuldiskussion. Dem ist durchaus zuzustimmen, nur handelt es sich bei den RGTK-FG-Abschnitten des 1Kor nicht um Etüden, sondern um eine brieflich geführte echte Diskussion über konkrete Themen. Zumindest in 1Kor geht die RGTK-Formel durchgängig auf bestimmte Anfragen der Gemeinde ein (gegen BAASLAND, RGTK-Formel, 81f). Dass Paulus (abgesehen von 7,1) die Topoi von sich aus eingeführt hätte, ist eine abwegige Annahme (auch gegen MITCHELL, MARGARET M., Concerning RGTKFG in 1 Corinthians, NT 31, 1989, 229–256). 8 Es steht wohl fest, dass sich 5,9 nicht auf den vorliegenden 1Kor beziehen kann (vgl. HURD, Origin, 50f). Dagegen wird GITC[C5,11 gelegentlich als Aorist des Briefstils und das PWPFG rein zeitlich verstanden: „(Damals) in dem Brief schrieb ich Euch … jetzt aber schreibe ich Euch …“; so z.B. LIETZMANN, HANS, An die Korinther 1/2, HNT 9, Tübingen 51969, 25; ZAAS, PETER, Catalogues and Context: 1 Corinthians 5 and 6, NTS 34, 1988, 622–629, bes. 626; FEE, GORDON D., The First Epistle to the Corinthians, NIC, Grand Rapids 1988, 222 Anm. 12; VON DEHSEN, CHRISTIAN D., Sexual Relationships and the Church. An Exegetical Study of 1 Corinthians 5–7, Diss. Union Theological Seminary, New York 1987, 76. Doch ist das ausgeschlossen. V. 11 ist eindeutig eine präzisierende Interpretation von V. 9, wobei der Akzent auf dem Einzelfall des Mitchristen liegt (GXCPVKLCXFGNHQLQXPQOC\QOGPQL…). Das aber hatte Paulus damals schon gemeint. (ITC[C in V. 11 hat also die gleiche Funktion wie in V. 9 (wofür auch der gleiche Infinitiv OJUWPCPCOKIPWUSCK spricht); und PWPFG hat nicht zeitliche, sondern logische Bedeutung; zahlreiche Belege für ein solches PWPFG bei BAUER, WALTER/ALAND, KURT, Wörterbuch zum Neuen Testament, Berlin/New York 61988, 1104; vgl. auch CONZELMANN, HANS, Der erste Brief an die Korinther, KEK 5, Göttingen 111969, 124; SUHL, Paulus, 209–210.
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„Blutschänders“, den Paulus bis 5,8 regelt. Was aber hat die 5,9 erwähnte Reaktion auf den Vorbrief damit zu tun? Man müsste entweder annehmen, es ginge ab 5,9 um ein neues Problem, das Paulus außerdem gehört habe, oder aber die Reaktion auf den Vorbrief hinge mit der Duldung des „Blutschänders“ zusammen. Beide Annahmen sind sehr unbefriedigend. Die determinierende und sehr detailliert referierende Bezugnahme auf den eigenen Brief und auf die korinthische Reaktion auf ihn lässt m.E. die Annahme nicht zu, Paulus habe über diese Vorgänge der gestörten Kommunikation nur durch Dritte gehört. 5,9–13 setzt eher einen direkten Einwand oder eine direkte Nachfrage der Kommunikationspartner selbst voraus. Dann aber liegt es nahe, dass Paulus zur Abfassung von 5,9–13 durch den 7,1 erwähnten Brief der Korinther und nicht durch die 5,1 erwähnte mündliche Information veranlasst wurde.9 Wenn wir so 5,1 (1,11; 11,18); 7,1 (7,25; 8,1; 12,1; 16,1.12) und 5,9 berücksichtigen, lassen sich vorläufig folgende Kommunikationsakte erkennen:10 | (1) der Gründungsaufenthalt (< - - - >) (2) irgendeine Nachricht aus Korinth, die den 5,9 erwähnten Vorbrief veranlasste (< - - -) (3) der 5,9 erwähnte Vorbrief = Brief A ( –>) (4a) mündliche Information als Veranlassung des 1Kor (< - - - ) (4b) der 7,1 erwähnte Brief der Korinther an Paulus als Veranlassung des 1Kor ( ).
Ein Problem besteht in dem Nebeneinander von mündlicher und schriftlicher Veranlassung des 1Kor (4a und 4b). Hinzu kommt das Nebeneinander von zwei (mündlichen) Informanten: die (Leute) der Chloë (1,11) und Stephanas mit seinen Begleitern (16,17). Zwar könnte man dem Stephanas so9
So auch HURD, Origin, 149ff. Es ist keineswegs zwingend, dass Paulus nur dort auf schriftliche Anfragen eingehe, wo er die referenzielle Formel peri. de, … gebraucht. So setzt z.B. Kap. 15 eine detaillierte Kenntnis des expliziten Widerspruchs der Korinther gegen die Annahme einer leiblichen Auferstehung Toter voraus, ja 15,12a ist wörtliches Zitat. Kap. 15 ist m.E. Antwort auf einen direkten Widerspruch der Korinther, vgl. SELLIN, GERHARD, Der Streit um die Auferstehung der Toten. Eine religionsgeschichtliche und exegetische Untersuchung von 1. Korinther 15, FRLANT 138, Göttingen 1986, 16.50–51; auch HURD, Origin, 91–92.195–200, sieht Kap. 15 durch den 7,1 erwähnten Brief veranlasst. Dabei will ich nicht unbedingt darauf beharren, dass dieser Widerspruch sich gegen 6,14 (aus dem Vorbrief) gerichtet habe. Auf mein in Streit, 49, vorgetragenes Argument, Kap. 15 und 6,14 könnten nicht im selben Brief gestanden haben (das – wie ich bisher leider übersehen habe – bereits WEISS, Korintherbrief, XLII, vorgebracht hatte), will ich hier bewusst verzichten, um nicht in zirkuläre Argumentation zu verfallen. 10 Dazu: HURD, Origin, passim; Hurd’s Analyse der Kommunikationsschritte als solche findet volle Zustimmung bei FEE, Epistle, 6–7.220ff; vgl. auch SELLIN, Hauptprobleme, 2964–2965. Zur Erklärung der Pfeile: = wechselseitige mündliche Kommunikation zwischen Paulus und den Korinthern bei persönlicher Anwesenheit; –> = Brief des Paulus nach Korinth;