Struktur und Analyse der abstrakten Schadensberechnung im Kauf- und Mietrecht. [1 ed.] 3428189892, 9783428189892

Der Begriff der »abstrakten Schadensberechnung« beschäftigt seit dem 19. Jahrhundert Rechtsprechung und Literatur. Im Mi

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German Pages 350 [351] Year 2023

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Struktur und Analyse der abstrakten Schadensberechnung im Kauf- und Mietrecht. [1 ed.]
 3428189892, 9783428189892

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 568

Struktur und Analyse der abstrakten Schadensberechnung im Kauf- und Mietrecht

Von

Fritz Stenger

Duncker & Humblot · Berlin

FRITZ STENGER

Struktur und Analyse der abstrakten Schadensberechnung im Kauf- und Mietrecht

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 568

Struktur und Analyse der abstrakten Schadensberechnung im Kauf- und Mietrecht

Von

Fritz Stenger

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg hat diese Arbeit im Jahre 2023 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2024 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-18989-2 (Print) ISBN 978-3-428-58989-0 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Mutter

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2023 von der Juristischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur wurden im Wesentlichen bis Mitte 2022 berücksichtigt. Die Arbeit befasst sich mit grundlegenden schadensrechtlichen Fragen rund um den vielfältig verwendeten Begriff der „abstrakten Schadensberechnung“. Dabei werden die für den Kaufvertrag gewonnenen Erkenntnisse auf den Mietvertrag übertragen und beide Vertragstypen im Lichte einer ökonomischen Analyse betrachtet. Allen voran möchte ich meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Wolfram Buchwitz danken, dass er mich an seinem Lehrstuhl aufgenommen und mich die letzten Jahre stets gefördert und unterstützt hat. Ihm und dem gesamten Lehrstuhlteam danke ich für viele schöne Erinnerungen. Weiterhin möchte ich auch Frau Prof. Dr. Inge Scherer für die überaus rasche Erstellung des Zweitgutachtens danken. Ein ganz besonderer Dank gebührt meinen geschätzten Kollegen Erik Schlereth und Katharina Starz für den scharfsinnigen, fachlichen Austausch, der meine Arbeit an vielen Stellen bereichert hat. Ebenso danke ich meiner Lebensgefährtin Lena Markert für die liebevolle Unterstützung. Auch danke ich meiner guten Freundin Tamara Mundorff für das Korrekturlesen und die vielen wertvollen Hinweise. Abschließend möchte ich meiner Familie, insbesondere meiner Mutter Andrea Stenger, meinem Großvater Dr. Heinrich Stenger, der den Abschluss des Promotionsverfahrens leider nicht mehr erleben konnte, sowie meiner Großmutter Gisela Stenger für die unermüdliche Unterstützung danken, die sie mir in jeder Lebenslage entgegengebracht haben. Würzburg, im Juli 2023

Fritz Stenger

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Forschungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einführung in die Thematik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Begriff der „abstrakten“ Schadensberechnung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die zugrunde liegenden Fragestellungen im Überblick  . . . . . . . . . . . a) Der Kaufvertrag  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Mietvertrag  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19 19 20 20 24 24 27

1. Kapitel

Der abstrakt berechnete Käuferschaden  

A. Der abstrakt berechnete Käuferschaden in seinen Anfängen  . . . . . . . . . . . . . I. Die Rechtslage vor der Einführung des ADHGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Rechtslage zwischen 1861 und 1900 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der abstrakt berechnete Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung . . I. Die Entstehung und Entwicklung der Weiterveräußerungsthese . . . . . . . II. Die Rechtsnatur des § 252 S. 2 BGB und deren Auswirkungen . . . . . . . III. Die Unvereinbarkeit einer abstrakten Schadensberechnung mit § 252 S. 2 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Berechnungsparameter  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der maßgebliche Marktpreis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Bestimmung des Marktpreises  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Markteinkaufs- oder Marktverkaufspreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die ökonomische und schadensrechtliche Bedeutung von Marktstufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Marktpreis bei einem entgangenen Gewinn  . . . . . . . . . . c) Waren ohne Markt- oder Börsenpreis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der maßgebliche Zeitpunkt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Wahlrecht des Käufers und die damit verbundene ­Spekulationsgefahr  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Definitionsversuch  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Bewertung des Wahlrechtes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der maßgebliche Zeitpunkt für die Bestimmung des Markt­ preises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der maßgebliche Ort  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29 29 29 32 35 35 40 46 48 49 49 52 52 56 58 62 62 63 67 68 76

10 Inhaltsverzeichnis 4. Weitere Berechnungsmodalitäten bei der Nicht- und Schlecht­ leistung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 a) Nichtleistung des Verkäufers  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 b) Schlechtleistung des Verkäufers   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 5. Zusammenfassung der Ergebnisse   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 V. Der personelle Anwendungsbereich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 1. Die „Militärfiskusfälle“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2. Die „Eigenbedarfsfälle“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 3. Die Voraussetzungen eines typischen Geschehensablaufes . . . . . . . . . 92 VI. Einschränkende Faktoren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 1. Verstoß gegen gesetzliche Verbote und die guten Sitten  . . . . . . . . . . 96 a) Grundsatz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 b) Preisverordnungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 aa) Ökonomischer Ausgangspunkt und die Folgen staatlichen Eingreifens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 bb) Begrenzung des entgangenen Gewinnes  . . . . . . . . . . . . . . . . 101 cc) Weitere Einschränkungsmöglichkeiten bei Marktpreis­ bewegungen   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 2. Auswirkungen eines getätigten oder unterlassenen Deckungskaufes  . 107 a) Auswirkungen eines tatsächlich vorgenommenen Deckungs­ kaufes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 b) Auswirkungen eines unterlassenen Deckungskaufes . . . . . . . . . . . 112 3. Ausschluss der Weiterveräußerungsvermutung bei Weiter­ verarbeitung der Ware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 4. Zusammenfassung der Ergebnisse   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 VII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 C. Der abstrakt berechnete Käuferschaden als stets zu ersetzender Mindestschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 I. Die objektivierende Lehre und deren Parallelen zum „allgemeinen“ Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 II. Bedenken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 III. Bewertung und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 D. Der abstrakt berechnete Käuferschaden als nicht zugeflossener Vertragswert . 131 I. Die abstrakte Schadensberechnung bei Nichtleistung  . . . . . . . . . . . . . . . 131 1. Die Ermittlung des Verkehrswertes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 a) Der Verkehrswert vertretbarer Waren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 b) Der Verkehrswert von Unikaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 2. Schadensrechtliche Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 a) Der Verkehrswert als Ergebnis eines typischen Geschehens­ ablaufes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 b) Der Verkehrswert als Teil des positiven Interesses . . . . . . . . . . . . 141 3. Die „Abschöpfung“ des Mehrwertes als Ergebnis spekulativen Handelns  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

Inhaltsverzeichnis11 4. Die Parameter der abstrakten Schadensberechnung „im weiteren Sinne“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 a) Der maßgebliche Zeitpunkt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 b) Der maßgebliche Ort  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 5. Einschränkende Faktoren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 a) Auswirkungen eines tatsächlichen Deckungsgeschäftes  . . . . . . . . 152 b) Auswirkungen eines unterlassenen Deckungsgeschäftes  . . . . . . . 153 6. Zusammenfassung der Ergebnisse   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 II. Die abstrakte Schadensberechnung bei nicht vertragsgemäßer Leistung   157 1. Der mangelbedingte Minderwert  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 2. Die fiktiven Mangelbeseitigungskosten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 a) Ausgangslage und Entwicklung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 b) Die Bedeutung des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 c) Allgemeine schadensrechtliche Erwägungen   . . . . . . . . . . . . . . . . 163 d) Der Vorschussanspruch als Differenzierungskriterium  . . . . . . . . . 166 3. Der merkantile Minderwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 4. Die abstrakte Schadensberechnung im Lichte des „großen“ ­Schadensersatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 5. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 E. Der abstrakt berechnete Käuferschaden nach § 376 Abs. 2 HGB . . . . . . . . . . 177 I. § 376 Abs. 2 HGB in seiner direkten Anwendung  . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 II. Kein Handelsgeschäft aufseiten des Käufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 III. Erweiterung des Anwendungsbereiches als Produkt der Rechts­ fortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 1. Vorliegen einer Gesetzeslücke innerhalb des Handelsverkehres  . . . . 184 a) Der gesetzgeberische Wille als Ausgangspunkt  . . . . . . . . . . . . . . 185 b) Objektive teleologische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 c) Schlussfolgerungen   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 2. Vorliegen einer Gesetzeslücke außerhalb des Handelsverkehres  . . . . 198 IV. Zusammenfassung der Ergebnisse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 2. Kapitel

Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden 

A. Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden in seinen Anfängen . . . . . . . . . . . . B. Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden als entgangener Gewinn . . . . . . . . I. Der entgangene Gewinn als Ausdruck des gewöhnlichen Verlaufes der Dinge  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Parameter des Differenzanspruches  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Weitere Berechnungsmodalitäten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Der personelle Anwendungsbereich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Einschränkende Faktoren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

201 201 204 204 207 209 212 214

12 Inhaltsverzeichnis 1. Die Widerlegbarkeit der Typizität  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anforderungen an die Beschaffenheit der Ersatzware  . . . . . . . . . b) Anforderungen an den Preis und die Verfügbarkeit der Ersatzware  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Unterlassen eines Deckungsverkaufes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Sachbesitz des Verkäufers und dessen Auswirkung  . . . . . . . . . . VI. Zusammenfassung der Ergebnisse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden als nicht zugeflossener Vertragswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Grundlage des Differenzanspruches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Parameter des Differenzanspruches  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einschränkende Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung der Ergebnisse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Der abstrakte Verkäuferschaden als stets zu ersetzender Mindestschaden . . . .

214 214 218 220 222 224 225 225 227 231 234 235

3. Kapitel

Der abstrakt berechnete Mieterschaden 

238

A. Der abstrakte Mieterschaden als entgangener Gewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 I. Gewinneinnahmen als Ergebnis eines typischen Geschehensablaufes   . 240 1. Untervermietungseinnahmen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 2. Gewerberaumüberlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 II. Parameter  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 III. Einschränkende Faktoren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 1. Die tatsächlich durchgeführte Ersatzanmietung  . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 2. Die Schadensminderungsobliegenheit des Mieters nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 IV. Zusammenfassung der Ergebnisse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 B. Der abstrakt berechnete Mieterschaden als nicht zugeflossener Vertragswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 I. Die schadensrechtliche Grundlage  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 1. Die Grundlage im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung  . 258 2. Die Grundlage im Rahmen des Verzugsschadens   . . . . . . . . . . . . . . . 262 II. Parameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 1. Die Ermittlung des geschuldeten Leistungswertes  . . . . . . . . . . . . . . . 267 a) Der Verkehrswert im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 b) Die vermögensrechtlichen Elemente einer verspäteten ­Überlassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 2. Die Bestimmung des maßgeblichen Zeitraumes und des ­maßgeblichen Ortes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 III. Einschränkende Faktoren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 1. Auswirkungen einer Ersatzanmietung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278

Inhaltsverzeichnis13 2. Mitwirkendes Verschulden nach § 254 Abs. 1 BGB  . . . . . . . . . . . . . 3. Auswirkungen einer unterlassenen Ersatzanmietung  . . . . . . . . . . . . . IV. Die fiktive Schadensberechnung des Mieters  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung der Ergebnisse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

280 282 284 286

4. Kapitel

Der abstrakt berechnete Vermieterschaden  

A. Die abstrakte Schadensberechnung des Vermieters als Mietausfallschaden . . I. Der Kündigungsfolgeschaden bei ordnungsgemäßer Rückgabe des Mietobjektes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Höhe des Mietausfallschadens  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einschränkende Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Mietausfallschaden bei Nicht- und Schlechterfüllung der Rückgabepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Nutzungsentschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB  . . . . . . . . . . . a) Rechtsnatur des § 546a Abs. 1 BGB und deren Auswirkungen  . . b) Die Bestimmung der ortsüblichen Miete  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Einfluss des Rücknahmewillens auf die Entschädigungshöhe  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Berechnung des Mietausfallschadens nach § 252 S. 2 Alt. 1 BGB bei Nicht- und Schlechterfüllung der Rückgabepflicht . . . . . . . a) Anwendungsbereich und Verhältnis zu § 546a Abs. 1 BGB   . . . . b) Die Weitervermietung als typischer Geschehensablauf  . . . . . . . . c) Schadensmindernde Faktoren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Weitervermietungsobliegenheit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Begrenzung des Schadensersatzanspruches nach § 571 Abs. 1 S. 2 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung der Ergebnisse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der abstrakt berechnete Vermieterschaden als nicht zugeflossener Vertragswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Anwendungsbereich neben dem Kündigungsfolgeschaden  . . . . . . . II. Eigenständige Bedeutung aufgrund eines „abstrakt-normativen“ Elementes?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die fiktive Schadensberechnung des Vermieters  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung der Ergebnisse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

289 289 289 290 292 295 296 296 300 301 306 306 308 311 312 314 316 318 318 320 322 325

Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 Literaturverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349

Abkürzungsverzeichnis a. A. andere Ansicht Abs. Absatz AcP Archiv für die civilistische Praxis ADHGB Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch AG Amtsgericht AktG Aktiengesetz Anh. Anhang Anm.  Anmerkung ArchBürgR Archiv für Bürgerliches Recht Aufl. Auflage BAG Bundesarbeitsgericht BAGE Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichtes BauGB Baugesetzbuch BayObLG Bayerisches Oberstes Landesgericht BB Betriebs-Berater BeckOGK beck-online.Grosskommentar BeckOK Beck’scher Online-Kommentar BeckRS Beck-Rechtsprechung Begr. Begründer Bek. Bekanntmachung BewG Bewertungsgesetz BFH Bundesfinanzhof BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl.  Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BOHG Bundesoberhandelsgericht BOHGE Entscheidungen des Bundesoberhandelsgerichts (ab dem dritten Band: „Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts“) Bolze Die Praxis des Reichsgerichts in Zivilsachen BRVO Bundesratsverordnung BT Besonderer Teil  BT-Drucks. Drucksache des Deutschen Bundestages BtMG Betäubungsmittelgesetz

Abkürzungsverzeichnis15 BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes

bzw. beziehungsweise CISG

United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods

DAR

Deutsches Autorecht

DB

Der Betrieb

DJZ

Deutsche Juristenzeitung

DM

Deutsche Mark

DRiZ

Deutsche Richterzeitung

DStRE

Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst

DWW

Deutsche Wohnungswirtschaft

Einl. Einleitung EL Ergänzungslieferung Erg. Ergebnis f. folgender ff. folgende fl.

Gulden (florin)

Fn. 

Fußnote

fr.

Franken

FS

Festschrift

GmbHG

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung

Gruchot

Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts

HansGZ

Hanseatische Gerichtszeitung (Hauptblatt)

HansRGZ

Hanseatische Rechts- und Gerichtszeitschrift

HGB

Handelsgesetzbuch

Hk

Handkommentar

Holdheim

Monatsschrift für Handelsrecht und Bankwesen, Steuer und Stempelfragen (Begründet von Paul Holdheim)

HRR

Höchstrichterliche Rechtsprechung

Hrsg. Herausgeber Hs.

Halbsatz

i. e. S. 

im engeren Sinne

ImmoWertV Immobilienwertermittlungsverordnung insb. insbesondere i. w. S.

im weiteren Sinne

JA

Juristische Arbeitsblätter

JherJb

Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts

16 Abkürzungsverzeichnis jM juris – Die Monatszeitschrift JR Juristische Rundschau Jr. Junior JuS Juristische Schulung JW Juristische Wochenschrift JZ Juristenzeitung Kap. Kapitel KG Kammergericht LZ Leipziger Zeitschrift für Handels- Konkurs- und Versicherungsrecht (ab 1914: „Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht“) MDR Monatsschrift für Deutsches Recht MünchKomm Münchener Kommentar m. w. N. mit weiteren Nachweisen NJW Neue Juristische Wochenschrift NJWE-MietR NJW-Entscheidungsdienst Mietrecht No. number NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NZA Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZBau Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht NZM Neue Zeitschrift für Wohn- und Mietrecht NZV Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht OAG Oberappellationsgericht ÖBA Österreichisches Bankarchiv OLG Oberlandesgericht OLGE Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiet des Zivilrechts (1900–1928) PK Praxiskommentar pr. principium Recht Das Recht; Juristisches Zentralblatt für Praktiker (begründet von Soergel) RG Reichsgericht RGRK Reichsgerichtsrätekommentar RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen ROHG Reichsoberlandesgericht ROHGE Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts (vor dem dritten Band: „Entscheidungen des Bundesoberhandelsgerichts“) RR Rechtsprechungsreport r+s recht und schaden S. Seite

Abkürzungsverzeichnis17 Sab. Sabinus SeuffA Seuffert’s Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten sog. sogenannten u. a. unter anderem Ulp. Ulpian UStG Umsatzsteuergesetz Urt. Urteil v. vom Var. Variante VersR Versicherungsrecht Vor Vorbemerkung WarnR Die Rechtsprechung des Reichsgerichts auf dem Gebiete des Zivilrechts soweit sie nicht in der Sammlung des Reichsgerichts abgedruckt ist; herausgegeben von Otto Warneyer WertV Wertermittlungsverordnung WM Wertpapier-Mitteilungen WuM Wohnungswirtschaft und Mietrecht z. B. zum Beispiel ZfIR Zeitschrift für Immobilienrecht ZfS Zeitschrift für Schadensrecht ZGS Zeitschrift für das gesamte Schuldrecht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

Einleitung I. Forschungsgegenstand Wie kann die Höhe des zu ersetzenden Schadens berechnet werden? Eine Frage, die für das Schadensrecht kaum fundamentaler sein könnte. Zur Ermittlung der Schadenshöhe bieten sich zwei Berechnungsmethoden an: Die konkrete und die abstrakte Schadensberechnung. Letztere beschäftigt seit über 150 Jahren sowohl die Gerichte als auch die Wissenschaft und reicht dabei sogar in die Zeit des Römischen Rechts zurück. Trotz unzähliger Gerichtsentscheidungen sowie einer Fülle an wissenschaftlichen Beiträgen, bestehen auch heute noch immer wiederkehrende Unklarheiten, die im Zusammenhang mit der abstrakten Berechnungsmethode auftreten. Daher nimmt sich die vorliegende Arbeit zum Ziel, den Themenkreis rund um diese Schadensberechnung zu beleuchten, einen umfassenden Überblick über die damit zusammenhängenden Fragen zu gewährleisten und vor allem Lösungsansätze für die Problemstellungen zu entwickeln, die im Zuge der abstrakten Schadensbemessung auftreten. So soll neben den verschiedenen Erscheinungsformen der abstrakten Berechnungsmethode auch die schadensrechtliche Grundlage erforscht und die Berechnungsparameter eines entsprechenden Schadensersatzanspruches ergründet werden. Die dabei zu Tage tretenden Fragestellungen und Erkenntnisse werden aufzeigen, dass sich die abstrakte Schadensbemessung wie ein roter Faden durch einen Großteil des Schadensrechtes zieht und bis in das „Herz“ dieses Rechtsgebietes, dem Schadensbegriff, vordringt. Neben diesen juristischen Faktoren sollen auch die ökonomischen Hintergründe, die einer abstrakten Schadensberechnung zugrunde liegen, dargestellt und deren Bedeutung für diese Berechnungsmethode skizziert werden. Basis der nachfolgenden Untersuchungen werden der Kauf- und der Mietvertrag bilden. Die Bedeutung des erstgenannten Vertragstypus erklärt sich damit, dass die abstrakte Schadensberechnung maßgeblich im Rahmen von Handelsgeschäften entwickelt und auch dort – gemessen an der Vielzahl der Gerichtsentscheidungen – am häufigsten angewandt wurde. Der Mietvertrag soll in der vorliegenden Arbeit als Repräsentant der Dauerschuldverhältnisse dienen. Hierbei wird zu klären sein, inwieweit die für den Kaufvertrag entwickelten Grundsätze zu übertragen sind und welche Besonderheiten – aufgrund des dem Mietvertrag immanenten Zeitelementes – in der Schadensbe-

20 Einleitung

rechnung zu berücksichtigen sind. Des Weiteren wird sich die folgende Untersuchung primär auf die Rechtsfolgenseite des Schadensersatzanspruches fokussieren. Fragestellungen, die sich auf Tatbestandsseite stellen, werden nur insoweit tangiert, als sie für die Berechnung der Schadenshöhe relevant sind.

II. Einführung in die Thematik Bevor eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den Problemkreisen der abstrakten Schadensberechnung erfolgt, sollen zunächst die der Diskussion zugrunde liegenden Ausgangspunkte, insbesondere terminologische Aspekte, erläutert werden. 1. Der Begriff der „abstrakten“ Schadensberechnung Die ersten Schwierigkeiten stellen sich bereits bei der naheliegenden Frage: Was ist unter einer „abstrakten“ Schadensberechnung zu verstehen? Der Terminus der „abstrakten“ Schadensberechnung wird seit jeher in unterschiedlichster Form von Rechtsprechung und Literatur verwendet. Diese uneinheitliche Praxis erschwert bis heute die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dieser Thematik. Im Wesentlichen lassen sich drei Kategorien der abstrakten Schadensbemessung unterscheiden: Die erste Gruppe kann als „abstrakte Schadensberechnung im engeren Sinne“ bezeichnet werden.1 Das Kernelement dieser Kategorie stellt die völlige Abstrahierung des konkreten Einzelfalles dar, sodass bei der Schadensermittlung bewusst von den individuellen Verhältnissen des Geschädigten abgesehen wird. In welcher Höhe dem Schadensersatzgläubiger tatsächlich ein Schaden entstanden ist, spielt hier keine Rolle.2 Ein Gegenbeweis, dass der Anspruchsgläubiger doch keinen Schaden erlitten hat, ist nicht möglich.3 Diese Form der Schadensberechnung bedient sich wertender respektive schadensobjektivierender Elemente. Daher ließe sich diese erste Gruppe auch als „abstrakt-objektive“ beziehungsweise „abstrakt-normative“4 1  MünchKomm/Emmerich,

9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 25. BGB, 2021, § 252 Rn. 19; MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 45; Grüneberg/Grüneberg, 82. Aufl., 2023, § 288 Rn. 4. 3  Huber, Reformgutachten, Band 1, 1981, S.  647 (848); Hopt/Leyens, HGB, 42. Aufl., 2023, § 376 Rn. 13. 4  So die Bezeichnung von: Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht, 1967, S. 76 Fn. 76. Der formlose Begriff des „normativen“ Schadens wird als Sammelbegriff für all diejenigen Fälle verwendet, in denen aus Wertungsgründen von dem starren Gesamtvermögensvergleich im Rahmen der Differenzhypo2  Staudinger/Höpfner,

Einleitung21

Schadensermittlung bezeichnen. Das primäre Ziel dieses Berechnungsmodus liegt damit in der Nichtanrechnung schadensmindernder Faktoren. Daher verwundert es nicht, dass Kritiker dieser Schadensbemessungsform eine Unvereinbarkeit mit der Differenzhypothese und tragenden schadensrechtlichen Grundsätzen diagnostizieren.5 Für die im Zuge dieser Arbeit zu untersuchenden Vertragstypen findet man im deutschen Privatrecht eine ausdrückliche Normierung dieses Berechnungsmodus lediglich bei § 376 Abs. 2 HGB. Diese, auf Handelsgeschäfte beschränkte, Vorschrift gewährt dem Käufer oder dem Verkäufer im Falle einer Nichtleistung einen Differenzanspruch zwischen Vertragspreis und Marktpreis zur Zeit und am Ort der geschuldeten Leistung, sofern der Kaufvertrag einen Fixcharakter aufweist.6 Dadurch soll dem Gläubiger der Verkehrswert der ausgebliebenen Leistung durch die Zahlung des Differenzbetrages ersetzt werden, wobei schadensmindernde Einwendungen des Schuldners ausgeschlossen sind.7 Außerhalb des § 376 Abs. 2 HGB fand diese Berechnungsweise vor allem bei Vertretern des objektiven Schadens Anklang.8 So könne – bezogen auf den Kaufvertrag – der nicht belieferte Käufer bei Anwendung dieses Schadensbegriffes stets den objektiven Wert der geschuldeten Sache verlangen, sodass ihm in jedem Fall die Differenz zwischen Vertragspreis und höherem Verkehrswert der nicht gelieferten Sache unabhängig davon zu ersetzen sei, ob ein Vorteilsausgleich oder ein schuldhafter Verstoß gegen die in § 254 Abs. 2 S. 1 BGB normierte Schadensminderungsobliegenheit vorlag.9 Weitere Formen einer abstrakten Schadensberechnung im engeren Sinne findet man im deutschen Privatrecht bei § 288 Abs. 1, Abs. 2 BGB, der für bestimmte Fälle these abzusehen ist (exemplarisch: Magnus, Schaden und Ersatz, 1987, S. 288 f.; Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, Vor § 249 Rn. 41). Da aber letztlich jeder Schadensbegriff auf der Anwendung von Gesetzesnormen basiert, ist jeder Schaden zwangsläufig als „normativ“ zu bezeichnen (Spickhoff, JZ 2002, 970 (973); MünchKomm/ Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 249 Rn. 23 m. w. N.). Insofern erscheint der Terminus „wertende“ Schadensberechnung überzeugender. 5  Siehe hier nur: MünchKomm/Emmerich, 9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 25. Dazu unter: 1. Kap. C. II. 6  Siehe zur Frage, ob tatsächlich eine Fixkomponente nötig ist, unter: 1. Kap. B. V. 3. 7  Exemplarisch: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Achilles, HGB, 4.  Aufl., 2020, § 376 Rn. 37. 8  So beispielsweise: Neuner, AcP 133 (1931), 277 (293 f., 302); Wilburg, JherJb 1932, 51 (125 ff., 144 f.). 9  Zur Nichtbeachtung eines Vorteilsausgleiches: Lange/Schiemann/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl., 2003, § 9 III 6, S. 498; Soergel/Ekkenga/Kuntz, BGB, 2014, 13. Aufl., Vor § 249 Rn. 293; zum schuldhaften Verstoß gegen eine mögliche Schadensminderungsobliegenheit nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB: Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl., 1982, § 376 Rn. 24; Soergel/Wiedemann, BGB, 11. Aufl., 1986, § 325 Rn. 43.

22 Einleitung

gesetzlich festgelegte Zinssätze anordnet.10 Der Entschädigungsanspruch des § 546a Abs. 1 BGB führt zwar im Ergebnis ebenfalls zu einer abstrakten Schadensbemessung, allerdings handelt es sich bei dieser Anspruchsgrundlage um keinen Schadensersatzanspruch, sondern um einen vertraglichen Anspruch eigener Art.11 Die zweite Kategorie, die in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter an Bedeutung gewann, kann als eine abgeschwächte Form der abstrakt-objektivierenden Schadensbemessung verstanden werden. Der Ansatzpunkt ist die Vorstellung, dass dem Gläubiger die Differenz zwischen Vertragspreis und Verkehrswert der geschuldeten Leistung als Teil seines positiven Interesses zusteht.12 Übersteigt der Wert der geschuldeten Leistung den Wert der vom Gläubiger zu erbringenden Leistung, kann die sich daraus ergebende Differenz („Mehrwert“) dem Schadensersatzgläubiger über dessen Schadensersatzanspruch zufließen. Insoweit unterscheidet sich diese abgeschwächte Form zunächst nicht von der Funktion der abstrakten Schadensberechnung im engeren Sinne. Allerdings greift diese zweite Kategorie der abstrakten Schadensberechnung auf keine schadensobjektivierenden Einflüsse zurück, sodass auch schadensmindernde Faktoren zu berücksichtigen sind.13 Dadurch wird eine Symbiose mit den tragenden schadensrechtlichen Grundprinzipien, wie dem Ausgleichsprinzip und dem schadensrechtlichen Bereicherungsverbot erreicht. Da auch Gegenbeweise, dass in Wahrheit ein kleinerer oder sogar überhaupt kein Schaden entstanden sei, möglich sind, bietet es sich an, diese Kategorie als „abstrakte Schadensberechnung im weiteren Sinne“ zu bezeichnen. Im Gegensatz zur konkreten Schadensberechnung stellen diese beiden abstrakten Berechnungsmodi kein konkretes Drittgeschäft, wie etwa einen teureren Deckungskauf oder eine spezielle gewinnbringende Weiterveräußerungsmöglichkeit, in die Schadensberechnung ein. Vielmehr wird – vom Standpunkt des nicht belieferten Käufers betrachtet – der Verkehrswert der ausgebliebenen Leistung abstrakt, meist anhand des Marktpreises, bestimmt. 10  Zum schadensrechtlichen Charakter dieser Vorschrift siehe: Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, 1. Band, Allgemeiner Teil, 1987, § 29 III, S. 512; Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 252 Rn. 19; MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 45. 11  Dazu unter: 4. Kap. A. II. 1. 12  Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 93–122; Flume, AcP 215 (2015), 282 (320); so wohl auch: Staudinger/Schwarze, 2019, § 280 Rn. E77; MünchKomm/Emmerich, BGB, 9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 34. 13  Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 119; MünchKomm/Emmerich, BGB, 9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 34; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl., 2023, § 281 Rn. 32; vgl. auch: Staudinger/Schwarze, 2019, § 280 Rn. E77.

Einleitung23

Daraus entspringt das „abstrakte“ Element der hier in Rede stehenden Berechnungsmethoden.14 In der Konsequenz ist die Vorstellung, eine abstrakte Schadensberechnung sei untrennbar mit der Geltendmachung eines stets zu ersetzenden Mindestschadens verbunden, abzulehnen.15 Dieses Begriffsverständnis orientiert sich zu stark an dem zugrunde liegenden Schadensbegriff und nicht an der eigentlichen Funktion dieser beiden Berechnungsmethoden: Den Verkehrswert einer Leistung abstrakt zu ermitteln.16 Der ersten und zweiten Kategorie steht § 252 S. 2 Alt. 1 BGB gegenüber. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts begreift die überwiegende Rechtsprechung diese Norm als Beweiserleichterung, die das Zentrum der abstrakten Schadensberechnung bilden soll.17 Nach dieser Vorschrift gilt ein Gewinn als entgangen, der nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten war. Ob es sich dabei tatsächlich um eine abstrakte Schadensberechnung handelt, scheint indes zweifelhaft.18 Während sowohl die erste als auch die zweite Kategorie unmittelbar am Verkehrswert einer Leistung ansetzen, stellt § 252 S. 2 Alt. 1 BGB auf die Typisierung der Geschehensabläufe ab.19 Die dadurch erzielte Abstrahierung soll eine vereinfachte Geltendmachung des entgangenen Gewinnes ermöglichen, wobei es dem Schadensersatzschuldner unbenommen bleibt, den gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu widerlegen.20 Insbesondere für Kaufleute soll durch § 252 S. 2 Alt. 1 BGB das Tor zur abstrakten Schadensberechnung im Handelsverkehr eröffnet werden.21 Dieser Anknüpfungspunkt hebt sich deutlich von den beiden erstgenannten Kategorien ab. Ob letztlich der abstrakte oder konkrete 14  Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl., 1982, § 376 Rn. 24; Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadens, 1989, S. 100; Bardo zustimmend: Atamer, in: FS für Magnus, 2014, 145 (153). 15  So aber: Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht, 1967, S. 76 Fn. 76; Alternativkommentar/Rüßmann, BGB, 1980, Vor § 249 Rn. 43; Steffen, VersR 1985, 605 (608); Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, 1. Band, Allgemeiner Teil, 1987, § 29 III, S. 513. 16  Dazu näher unter: 1. Kap. D. I. 2. b). 17  Siehe zur Bedeutung dieser Norm in der Rechtsprechung: 1. Kap. B. I. 1. a) bb). 18  Vgl. v. Caemmerer, Das Problem der überholenden Kausalität im Schadensersatzrecht, 1962, S. 8; Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht, 1967, S. 76 Fn. 76; Knobbe-Keuk, VersR, 1976, 401 (404); Lange, Schadensersatz, 1979, § 6 XI, S. 223; Alternativkommentar/Rüßmann, BGB, 1980, Vor § 249 Rn. 43; Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 252 Rn. 19; MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 45. 19  Statt vieler: Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 252 Rn. 19. 20  Exemplarisch: BGH, 17.12.1963, V ZR 186/61, NJW 1964, 661 (662); BGH, 02.03.1988, VIII ZR 380/86, NJW 1988, 2234 (2236 f.); dazu auch: Prütting/Wegen/ Weinrich/Luckey, BGB, 2022, 17. Aufl., § 252 Rn. 8. 21  Dazu unter: 1. Kap. B. I. 1. a) bb).

24 Einleitung

Charakter des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB überwiegt, ist im weiteren Verlauf zu erforschen.22 Diese Dreiteilung bildet das Fundament der nachfolgenden Arbeit. Zwar wurde vereinzelt darauf verwiesen, dass die Diskussion um die richtige Terminologie kaum von praktischer Relevanz sei.23 Jedoch ist eine inhaltliche sowie begriffliche Trennung der verschiedenen Berechnungsmodi unablässig, um eine tiefgreifende dogmatische Auseinandersetzung zu gewährleisten, und darüber hinaus handbare Kategoriegen für die praktische Rechtsanwendung schaffen zu können. Das Verwischen einer trennscharfen Abgrenzung steht diesem Vorhaben diametral entgegen. 2. Die zugrunde liegenden Fragestellungen im Überblick Die praktischen Unterschiede der vorbezeichneten Berechnungsmodi sowie die Folgefragen, sollen im Folgenden anhand zweier Beispielsfälle auf dem Gebiet des Käufer- und Mieterschadens skizziert werden: a) Der Kaufvertrag Kaufmann K erwirbt am 01.02. bei V eine Tonne Kupfer zum Preis von 5000,– Euro. Die Lieferung soll am 31.05. erfolgen. Als die Lieferung an diesem Tag und auch noch nach erfolglosem Ablauf einer angemessenen Nachfrist seitens des K nicht erfolgt, erklärt dieser am 15.06. gegenüber V den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangt Schadensersatz für die ausgebliebene Lieferung. Seit Ende Mai liegt der Marktpreis auf dem Beschaffungsmarkt des K bei 5.500,– Euro pro Tonne.24

Macht der Gläubiger nun einen Schadensersatz statt der Leistung geltend, so erlischt dadurch sein Anspruch auf die Primärleistung nach § 281 Abs. 4 BGB und er erhält einen auf das positive Interesse gerichteten Sekundäranspruch. Dieser auf Geld gerichtete Anspruch tritt an die Stelle des Erfüllungsanspruches.25 Es soll demnach für den Gläubiger keinen Unterschied machen, ob der Schuldner den Vertrag in Natur erfüllt oder dem Gläubiger das dem Vertrag zugrunde liegende Geldinteresse ersetzt wird.26 Dies hat zur Folge, 22  Dazu

unter: 1. Kap. B. III. BGB, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 45; ähnlich: Schlechtriem/Schmidt-Kessel, 6. Aufl., 2005, S. 144, Rn. 281, der darauf verweist, dass es in der Regel nur zu einer Verschleifung der Begründung und nicht des Ergebnisses kommt. 24  Siehe für ein vergleichbares Beispiel: Flume, AcP 215 (2015), 282 (285). 25  Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 109; Flume, AcP 215 (2015), 282 (284). 26  Flume, AcP 215 (2015), 282 (284). 23  MünchKomm/Oetker,

Einleitung25

dass es zu einer Erfüllung in Form einer Geldzahlung kommt.27 Um die Höhe dieser Geldsumme zu bestimmen, kommen für den Gläubiger die konkrete und die abstrakte Schadensberechnung in Betracht. Angenommen die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruches nach §§ 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 S. 1 BGB lägen hier vor: Wie wäre nun ein solcher vermeintlich einfacher Fall rechtlich zu würdigen? Möchte der Käufer hier seinen Schaden konkret berechnen, kämen als typische Ersatzposten die Mehrkosten eines tatsächlich durchgeführten Deckungsgeschäftes oder der entgangene Gewinn aus einer konkreten Weiterveräußerungsmöglichkeit in Betracht. Schwieriger gestaltet sich die Frage, auf welche Weise K seinen Schaden abstrakt berechnen könnte. Unter Miteinbeziehung des Verständnisses der Rechtsprechung kommen für den Käufer drei „abstrakte“ Berechnungsweisen in Betracht. Zunächst ist an die abstrakte Schadensbemessung i. e. S. zu denken. Dabei fällt der Blick auf die gesetzlich normierte Berechnungsmethode des § 376 Abs. 2 HGB. V könnte dadurch die Differenz zwischen Vertragspreis und Marktpreis zu Zeit und Ort der geschuldeten Leistung verlangen, ohne dass ihm schadensmindernde Faktoren entgegengehalten werden könnten. Voraussetzungen dafür wären ein Handelskauf, dem eine Fixkomponente zugrunde liegt.28 Von Erstgenanntem ist hier auszugehen,29 jedoch mangelt es an der nötigen Fixkomponente. Das Erfordernis eines solchen Fixelementes ließe sich nur mittels einer Rechtsfortbildung überwinden.30 Weiterhin ließe sich im obigen Beispiel eine abstrakte Berechnung i. e. S. unter Anwendung des objektiven Schadensbegriffes ermöglichen. Dabei könnte der Käufer stets den objektiven Warenwert als Mindestschaden in seine Schadensberechnung einstellen.31 Doch existiert überhaupt ein objektiver Wert und wie könnte er bestimmt werden? Neben diesen praktischen Fragen scheint eine generelle Anwendung dieses Schadensbegriffes auch mit tragenden schadensrechtlichen Prinzipien, wie dem Ausgleichsprinzip nur schwer in Einklang gebracht werden zu können.32 Als Alternative verbleibt dem Käufer die Möglichkeit, über die abstrakte Schadensberechnung i. w. S. den Unterschied zwischen seinem Kaufpreis und dem entgangenen Vermögenszuwachs zu verlangen, der aufgrund der ausgebliebenen Warenlieferung nicht eingetreten ist. Dabei gilt es das schadensrechtliche Fundament dieser Möglichkeit zu ergründen und der Frage nachAcP 202 (2002), 555 (556); Flume, AcP 215 (2015), 282 (284). darf es sich freilich um kein „absolutes“ Fixgeschäft handeln. Dazu statt aller: MünchKomm/Grunewald, HGB, 4. Aufl., 2018, § 376 Rn. 11. 29  Zur Frage, ob auch einseitige Handelsgeschäft erfasst sind: 1. Kap. E. II. 30  Dazu unter: 1. Kap. E. III. 31  Dazu unter: 1. Kap. C. I. 32  Dazu unter: 1. Kap. C. II. 27  Knütel, 28  Dabei

26 Einleitung

zugehen, ob eine Vermögensminderung, so wie es in der Vergangenheit teilweise vertreten wurde,33 konstitutiv für einen ersatzfähigen Schaden ist.34 Des Weiteren besteht Klärungsbedarf inwieweit der in Rede stehende Vermögenszuwachs abstrakt bemessen werden kann.35 Freilich fällt dabei der Blick zunächst auf den Marktpreis, sodass dem Käufer im vorliegenden Fall möglicherweise ein Differenzanspruch zwischen Kaufpreis und höherem Marktpreis zusteht. Jedoch ist „Marktpreis“ nicht gleich „Marktpreis“. Es muss zwischen dem Beschaffungs- und dem Absatzmarkt der Ware differenziert und der Bedeutung von Handelsstufen Rechnung getragen werden. Zudem hängt die Höhe des Verkehrswertes maßgeblich von dem Ort und dem Moment ab, an dem dieser Wert ermittelt wird. So kämen für die Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunktes neben der Fälligkeit unter anderem auch das Erlöschen des Erfüllungsanspruches sowie das Ende einer etwaigen Nachfristsetzung in Betracht. Eventuell ließe sich dabei sogar an ein Wahlrecht des Käufers denken, welchen Moment er für die Verkehrswertermittlung ansetzen will. Diese Problematik wird um eine weitere Dimension erweitert, wenn sich kein entsprechender Marktpreis ermitteln lässt. Da sich des Weiteren dieser Berechnungsmodus keiner schadensobjektivierenden oder sonstigen wertenden Einflüsse bedient, wird der Käufer im Rahmen des ihm Zumutbaren nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB gehalten sein, den Schaden möglichst gering zu halten. Im obigen Fall ließe sich dies womöglich durch eine günstige Ersatzbeschaffung erzielen, wobei es zu untersuchen sein wird, wie groß das Ausmaß der Bemühungen sein muss, eine entsprechende Eindeckungsmöglichkeit ausfindig zu machen und welche weiteren Faktoren an eine derartige Obliegenheit geknüpft sind.36 Neben diese beiden überwiegend im Schrifttum Anklang findenden abstrakten Berechnungsansätze tritt die überwiegende Vorstellung des Reichsgerichtes37 und Bundesgerichtshofes38: Wird ein Kaufmann mit marktgängigen Waren beliefert, kann nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge (§ 252 S. 2 Alt. 1 BGB) widerlegbar vermutet werden, dass er die ausgebliebene Ware jederzeit zum Marktpreis hätte absetzen können und dies auch getan hätte. 33  RG, 30.04.1920, II 1/20, RGZ 46 (48 f.); RG, 08.02.1921, II 353/20, Gruchot 65 (1921), 476 Nr. 57 (477). 34  Dazu unter: 1. Kap. D. I. 2. b). 35  Dazu unter: 1. Kap. D. I. 1. 36  Dazu unter: 1. Kap. D. I. 5. 37  RG, 05.06.1917, II 606/16, RGZ 90, 305 (306); RG, 27.09.1917, II 100/17, RGZ 90, 423 (425); RG, 30.10.1917, II 241/17, RGZ 91, 99 (103); RG, 30.04.1920, II 1/20, RGZ 99, 46 (49). 38  BGH, 16.03.1959, III ZR 20/58, BGHZ 29, 393 (399); BGH, 17.12.1963, V ZR 186/61, NJW 1964, 661 (662); BGH, 02.03.1988, VIII ZR 380/86, NJW 1988, 2234 (2237 f.); BGH, 30.05.2001, VIII ZR 70/00, NJW-RR 2001, 1542.

Einleitung27

Die Rechtsprechung verstand die abstrakte Schadensberechnung demnach als eine widerlegbare Weiterveräußerungsvermutung zugunsten des Kaufmannes. Der Käufer könnte damit die Differenz zwischen dem Vertragspreis und seinem Marktverkaufspreis als entgangenen Gewinn verlangen, da eine Weiterveräußerung der Typizität der Geschehensabläufe entsprochen hätte. Läge der Marktpreis auf dem Absatzmarkt des K bei 6.500,– Euro, könnte er einen entgangenen Gewinn in Höhe von 1.500,– Euro geltend machen, ohne einen konkreten Abnehmer nachweisen zu müssen.39 Doch welche Anforderungen sind an den Käufer zu stellen, damit er auf eine derartige Vermutung rekurrieren kann? Ist der starre Blick auf die Kaufmannseigenschaft wirklich geboten40 und kann jede nicht gelieferte Sache von dieser Weiterveräußerungsvermutung erfasst werden?41 Neben dieser unmittelbar an die Weiterveräußerungsvermutung anknüpfende Fragestellung wird es auch im Zuge dieses Berechnungsmodus maßgeblich auf den Zeitpunkt und den Ort ankommen,42 an dem der Marktpreis zu bestimmen ist. Besorgt sich der Käufer die Ware anderweitig – womöglich sogar zu einem günstigeren Preis – wird zu klären sein, inwieweit dies einem Gewinnentgang entgegensteht.43 b) Der Mietvertrag Der zweite Teil der Arbeit soll die Frage beantworten, inwieweit die für den Kaufvertrag gewonnen Erkenntnisse auf Mieter und Vermieter zu übertragen sind. Auch hier erscheint der Einstiegsfall zunächst keine besonderen Schwierigkeiten zu bereiten: M mietet von V ein Ladengeschäft an. Das Mietverhältnis soll am 01.01. beginnen und ist auf fünf Jahre befristet. Die Nettokaltmiete beträgt 1.500,– Euro monatlich, wobei diese nach der aktuellen Marktsituation für vergleichbare Objekte sogar bei 2.000,– Euro monatlich liegt. V verweigert allerdings am vorbezeichneten Datum ernsthaft und endgültig die Überlassung des Ladens. M verlangt Schadensersatz.

Überträgt man nun die oben skizzierten Schadensbemessungsmethoden auf den dargestellten Fall, ergibt sich folgendes Bild: Die Weiterveräußerungsvermutung eines nicht belieferten Käufers lässt sich auf den beschriebenen Fall nicht übertragen, da nicht der Gewinn einer hypothetischen Weiterveräußerung beansprucht wird. Der Mieter wird hingegen den Gewinn ver39  Zur „abstrakten“ Schadensberechnung nach § 252 S. 2 BGB im Rahmen von Darlehensverträgen: Emmerich, JuS 1974, 590 (590 f.); Derleder, JZ 1989, 165 (173). 40  Dazu unter: 1. Kap. B. V. 41  Dazu unter: 1. Kap. B. IV. 1. c). 42  Dazu unter: 1. Kap. B. IV. 2. b) und 1. Kap. B. IV. 3. 43  Dazu unter: 1. Kap. B. VI. 2.

28 Einleitung

langen, der ihm durch die ausgebliebene Überlassung des Ladens entgeht. Im Zuge dessen wird er allerdings meist keine konkreten Geschäfte (§ 252 S. 2 Alt. 2 BGB) nachweisen können, sodass er nur den Gewinn geltend machen kann, den er nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erzielt hätte (§ 252 S. 2 Alt. 1 BGB). Es ist demnach im Rahmen einer typisierenden Betrachtung zu fragen, wie sich die Einnahmen des Mieters im weiteren Verlauf der Mietzeit entwickelt hätten.44 Eine besondere Bedeutung wird dabei den Maßnahmen zu Teil werden, die der Mieter ergreifen muss, um den Schaden möglichst gering zu halten. Einer Eingrenzung der Schadensersatzpflicht wird ebenfalls dann nötig sein, wenn die Mietzeit nicht befristet war.45 Bei Betrachtung dieser Aspekte wird schnell klar, dass die Ermittlung der Schadenshöhe mit teils schwerwiegenden Unsicherheiten einhergehen wird. Die Berechnung des Gewinnes wird daher eine Gratwanderung zwischen den Interessen des Mieters an einer angemessenen Entschädigung und der Vermeidung einer möglichen Überkompensation. Anstelle eines entgangenen Gewinnes könnte auch das in dem Mietvertrag verbriefte monetäre Interesse in Blick genommen werden. Insofern müsste der bloßen Überlassung bereits ein vermögensrechtlicher Charakter zukommen. Sicherlich könnte der Mieter im obigen Beispiel einen anderen Laden anmieten und vorbehaltlich des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB die Mehrkosten in seine Schadensberechnung einstellen. Doch könnte der Mieter auch auf eine Ersatzanmietung verzichten und ähnlich einem Käufer, dem der Wert der nicht gelieferten Sache nicht zufließt, einen Schadensersatzanspruch geltend machen, durch den er sein abstraktes pekuniäres Interesse an der Überlassung abschöpft? Dieser Berechnungsmodus wäre vor allem dann von großer praktischer Relevanz, wenn es an der tatsächlichen Möglichkeit einer Ersatzanmietung mangelt oder die Mietsache nicht zum Zwecke der Gewinnerzielung angemietet wurde. Diese beiden Fälle lassen bereits erkennen, dass ein pauschaler Verweis auf § 252 S. 2 BGB und einen entgangenen Weiterveräußerungsgewinn – so wie es die Rechtsprechung vornehmlich in der Zeit des Reichsgerichtes zu tun pflegte – nicht zufriedenstellend ist.46 Das vornehmliche Ziel der nachfolgenden Untersuchung wird daher sein, die dogmatischen und praxisrelevanten Aspekte, die mit den „Spielarten“ der abstrakten Schadensberechnung im Wege des Kauf- und Mietvertrages einhergehen, im Lichte allgemeiner schadensrechtlicher Grundsätze zu analysieren und einen umfassenden Einund Überblick in dieses Themenfeld zu gewährleisten. 44  Dazu

unter: 3. Kap. A. I. 2. unter: 3. Kap. A. II. 46  So auch zutreffend: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadens, 1989, S. 72. 45  Dazu

1. Kapitel

Der abstrakt berechnete Käuferschaden Der heutige § 376 Abs. 2 HGB ist auf den nahezu gleichlautenden Art. 357 Abs. 3 ADHGB zurückzuführen, der wiederum aus dem Gemeinen Recht hervorgegangen ist.1 Somit reicht die Möglichkeit einen Schaden abstrakt zu berechnen, bereits vor den Erlass des ADHGB im Jahre 1861 zurück. Im ersten Kapitel dieser Arbeit sollen die historische Entwicklung dieser Berechnungsmethode umrissen sowie der aktuelle Streitstand durchleuchtet und bewertet werden.

A. Der abstrakt berechnete Käuferschaden in seinen Anfängen Der Streitstand rund um die abstrakte Schadensberechnung lässt sich bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts zurückführen. Die dort aufgeworfenen Fragen beschäftigen Judikatur und Literatur bis heute.

I. Die Rechtslage vor der Einführung des ADHGB2 Schon vor der Schaffung des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches (ADHGB) im Jahre 1861 war es im Fall der Nichterfüllung eines gegenseitigen Vertrages für den Käufer im Gemeinen Recht möglich, einen Schaden abstrakt zu berechnen. Dabei sah das Schrifttum den Warenwert als ersatzfähigen Schaden an.3 So schrieb Büff bereits im Jahre 1850, dass „der Verkäufer im Fall einer verschuldeten Nichtlieferung das gesamte Interesse des Käufers zu ersetzen habe.“4 Weiterhin führte er an, dass das Vermögen des Käufers um den Wert der Ware zum Zeitpunkt der verabredeten Erfüllung Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 19. eine umfassende Auflistung der Rechtsprechung des ROHG zum abstrakten Käuferschaden siehe: Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 114 (insb. Fn. 14); Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 21–27. 3  Bender, Verkehr mit Staatspapieren, 1830, S. 415; Büff, AcP 33 (1850), 101 (115); Thöl, Handelsrecht, 1876, Erster Band, Zweite Abteilung, 5. Aufl., § 282, S. 365; Adler, ArchBürgR, 1900, 132 (137). 4  Büff, AcP 33 (1850), 101 (115). 1  Bardo, 2  Für

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

erhöht worden wäre und deshalb diese Differenz zu ersetzen sei.5 Der Schaden des Käufers läge demnach in der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem höheren Sachwert.6 Diese Berechnungsmethode lässt sich nach der Ansicht Benders7 sogar schon auf den römischen Juristen Paulus zurückführen. Dieser schrieb: „si kalendis Stichum non dederis, decem dare spondes?“8 Übersetzt bedeutet dies so viel wie: Für den Fall, dass du mir am Monatsanfang den Stichus nicht gegeben haben wirst, versprichst du mir dann zehn zu geben?9 Bender sah darin nichts anderes als den Anspruch auf die Kursdifferenz zwischen Vertragspreis und Marktpreis für den Fall, dass an dem vorbestimmten Tage nicht erfüllt wurde.10 Jedoch ist diese Interpretation Benders fragwürdig. Paulus beschreibt vielmehr ein Vertragsstrafeversprechen als einen abstrakten Schaden zwischen Vertrags- und höherem Marktpreis.11 Ob diese Autoren eine Schadensobjektivierung und damit eine abstrakte Schadensbemessung i. e. S., wie sie in späteren Jahren vor allem von Neuner12 und Steindorff13 praktiziert wurde, zulassen wollten, bleibt indes unklar. Erkennbar ist hingegen eine klare Unterscheidung zwischen Warenwert und entgangenem Gewinn.14 Letztgenannter war an den Nachweis einer konkreten Absatzmöglichkeit gebunden.15 Demnach ist die vom damaligen Schrifttum entwickelte abstrakte Berechnungsform nach der hier verwendeten Terminologie zumindest als abstrakte Schadensberechnung i. w. S. zu bezeichnen. Jedoch schränkte das Gemeine Recht den Anspruch auf den Warenwert in der Weise ein, dass der Anspruchsgläubiger nach Eintritt des Verzuges ein besonderes Interesse darlegen musste, dass eine Vertragserfüllung für ihn nicht mehr in Frage kam.16 Diese Voraussetzung lag insbesondere dann vor, wenn 5  Büff, AcP 33 (1850), 101 (115); so auch: Thöl, Handelsrecht, 1876, Erster Band, Zweite Abteilung, 5. Aufl., § 282, S. 365; Bender, Verkehr mit Staatspapieren, 1830, S. 415. 6  Thöl, Handelsrecht, 1876, Erster Band, Zweite Abteilung, 5. Aufl., § 282, S. 365; Bender, Verkehr mit Staatspapieren, 1830, S. 415. 7  Bender, Verkehr mit Staatspapieren, 1830, S. 415. 8  Paul. 2 ad Sab., D. 45, 1, 8. 9  Vgl. Otto/Schilling/Sintenis (Hrsg.), Corpus Juris Civilis, Vierter Band, 1832, S. 603. 10  Bender, Verkehr mit Staatspapieren, 1830, S. 415. 11  Vgl. zu dieser Einordnung: Knütel, Stipulatio poenae, 1976, S. 93. 12  Neuner, AcP 133 (1931), 277 (302). 13  Steindorff, JZ 1961, 12 (13). 14  Büff, AcP 33 (1850), 101 (115). 15  Treitschke, Der Kaufcontract, 1838, S. 140 f.; ROHG, 06.09.1871, II 344/71, ROHGE 3, 94 (96 f.). 16  Siehe dazu: Thöl, Handelsrecht, 1876, Erster Band, Zweite Abteilung, 5. Aufl., § 282, S. 365.



A. Der abstrakt berechnete Käuferschaden in seinen Anfängen 31

der Käufer kein Interesse mehr am Erhalt der Ware hatte.17 An dieser Stelle zeigt sich bereits eine gewisse Parallele zu dem heute in § 376 Abs. 1 S. 1 HGB normierten relativen Fixgeschäft und der darauf aufbauenden Möglichkeit, den Schaden abstrakt nach § 376 Abs. 2 HGB berechnen zu können.18 Neben dem Schrifttum befassten sich auch schon die Gerichte zu dieser Zeit mit der abstrakten Schadensbemessung. Eine der frühesten höchstrichterlichen Entscheidung stammt aus dem Jahre 1871:19 Der Verkäufer verpflichtete sich am 04. April 1854, 2000 Zentner Braunstein zu 80 % zum Preis von 2 fl. 30 fr. pro Zentner und 2000 Zentner Braunstein zu 70 % zum Preis von 1 fl. 36 fr. pro Zentner zu liefern. Die Lieferung blieb jedoch aus und der Verkäufer wurde im Jahr 1867 dazu verurteilt, die 4000 Zentner zu den vereinbarten Konditionen zu leisten. Da auch nach dem Urteil keine Lieferung erfolgte, verlangte der Käufer nun Schadensersatz.

Der Käufer verlangte, dass ihm der höchste Betrag zu ersetzen sei, den der Markt für Braunstein in dem Zeitraum zwischen Beginn des Verzugs bis zum Urteil im Jahre 1867 auswies. Darüber hinaus wies er daraufhin, dass ihm ein gewinnbringender Weiterverkauf ohne weiteres möglich gewesen wäre, ohne dabei jedoch eine konkrete Absatzmöglichkeit zu benennen. Das Reichsoberhandelsgericht folgte dem Kläger in seiner Argumentation jedoch nicht, sondern verwies auf die Möglichkeit, die Differenz zwischen Kaufpreis und dem höheren Markteinkaufspreis zum Zeitpunkt des vertraglichen Erfüllungstermins einzufordern. Das Reichsoberhandelsgericht machte zudem deutlich, dass der konkrete Nachweis einer Absatzmöglichkeit zu den vom Kläger genannten Konditionen nötig wäre, um einen Anspruch bezüglich eines entgangenen Gewinnes bejahen zu können.20 Sowohl die Rechtsprechung der 1870er Jahre als auch die Literatur seit den 1830er Jahren waren grundsätzlich willens, eine abstrakte Schadensberechnung zuzulassen. Dies wurde als ein allgemeiner Grundsatz verstanden und fand vor allem bei Massenprodukten wie Öl, Wein, Kaffee, Zucker, Getreide, Baumwolle und sogar Staatspapieren Anwendung.21 Dieser Berechnungsmodus erfasste jedoch nur den Warenwert und war scharf von der Ersatzfähigkeit des entgangenen Gewinnes zu trennen. Eine explizite Einschränkung auf Fixgeschäfte, wie sie vor allem in der Rechtsprechung des 17  Dazu musste er jedoch seine Geschäftsverhältnisse und seine Beweggründe offenlegen, weshalb die Lieferung der Ware nun nicht mehr seinen Zwecken entsprach. 18  Dazu näher unter: 1. Kap. E. I. 19  ROHG, 06.09.1871, II 344/71, ROHGE, 3, 94 (95). 20  ROHG, 06.09.1871, II 344/71, ROHGE, 3, 94 (97); ferner auch: Treitschke, Der Kaufcontract, 1838, S. 140 f. 21  Bender, Verkehr mit Staatspapieren, 1830, S. 414 f.; siehe ferner auch: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 21 f.

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

späten 20. Jahrhunderts gefordert wurde,22 unterblieb. Daher bleibt festzuhalten, dass eine abstrakte Schadensberechnung in Form eines entgangenen Gewinnes – soweit ersichtlich – sowohl der Rechtsprechung als auch dem Schrifttum vor der Einführung des ADHGB fremd war. Dies ist mit Blick auf das 20. Jahrhundert insoweit überraschend, da sich neben weiten Teilen der Literatur vor allem auch die Judikatur in die diametral gegenüberstehende Richtung wandten und die abstrakte Berechnungsweise immer stärker mit dem Ersatz eines nicht erzielten Gewinnes gleichsetzten.

II. Die Rechtslage zwischen 1861 und 1900 Schon seit dem frühen 19. Jahrhundert bestand innerhalb des Deutschen Bundes der Wunsch nach Rechtseinheit.23 Diese Bestrebungen führten zum Entwurf des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches, das von der Mehrheit der Mitgliedsstaaten im Zeitraum von 1861 bis 1866 eingeführt wurde.24 Nach der Auflösung des Deutschen Bundes und der Gründung des Norddeutschen Bundes wurde das ADHGB zum Bundesgesetz erklärt. Mit der Reichsgründung von 1871 wurde es schließlich für das gesamte Deutsche Reich übernommen, sodass im deutschen Raum erstmals ein einheitliches Handelsgesetzbuch bestand.25 Mit Inkrafttreten des ADHGB wurde auch die abstrakte Schadensberechnung erstmals in Art. 357 Abs. 3 ADHGB, der im Kern auf den preußischen Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches zurückging,26 ausdrücklich normiert: „Wenn der Käufer statt der Erfüllung Schadensersatz wegen Nichterfüllung fordert, so besteht, im Falle die Waare einen Markt- oder Börsenpreis hat, der Betrag des von dem Verkäufer zu leistenden Schadensersatzes in der Differenz zwischen dem Kaufpreise und dem Markt- und Börsenpreise zur Zeit und am Orte der geschuldeten Lieferung, unbeschadet des Rechts des Käufers, einen erweislich höheren Schaden geltend zu machen.“

Allerdings erfolgte diese Normierung nur auf dem Gebiet des Handelsrechtes und erfasste lediglich Liefergeschäfte. Diese Geschäfte können als Vorgänger der heutigen Fixgeschäfte verstanden werden und unterscheiden 22  Vgl.

etwa: BGH, 02.12.1994, V ZR 193/93 NJW 1995, 587 (588). Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2016, S. 95 Rn. 143. 24  SchmoeckelMaetschke, Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2016, S. 99 Rn. 150; Hopt/Merkt, HGB, 41. Aufl., 2022, Einl. vor § 1 Rn. 9. 25  Zur Geschichte des ADHGB: Thöl, Handelsrecht, 1875, Erster Band, 5. Aufl., § 2, S. 56–72; Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 23; MünchKomm/Schmidt, HGB, 2021, 5. Aufl., vor § 1 Rn. 21. 26  Preußischer Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, 1857, S. 51. Zur Bedeutung des österreichischen Entwurfs auf die Endfassung des ADHGB: Staub/Brüggemann, HGB, Großkommentar, 1995, Einl. Rn. 18. 23  SchmoeckelMaetschke,



A. Der abstrakt berechnete Käuferschaden in seinen Anfängen 33

sich von diesen nur in ihrer Bezeichnung.27 Darüber hinaus bezog sich die in Art. 357 Abs. 3 ADHGB normierte Differenzrechnung nur auf Waren, für die sich auch ein Markt- oder Börsenpreis ermitteln ließ. Durch diese restriktive Positivierung verfolgte der historische Gesetzgeber das Ziel, die abstrakte Schadensberechnung zu begrenzen, da nach seiner Vorstellung lediglich Kaufverträge mit einem festen Erfüllungszeitpunkt diesem Berechnungsmodus zugänglich gemacht werden konnten.28 Jedoch sprach unter der Geltung des ADHGB das Reichsoberhandelsgericht dem Käufer auch außerhalb von Liefergeschäften einen Anspruch zwischen Kaufpreis und Marktpreis zu.29 Die ausdrückliche Normierung bei Art. 357 Abs. 3 ADHGB sei nur der Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes.30 Gleichzeitig kristallisierten sich auch innerhalb der Judikative divergierende Sichtweisen in Bezug auf den abstrakten Berechnungsmodus heraus, sodass die Diskussion rund um diese Schadensbemessungsform zunehmend an Fahrt aufnahm. Schon die Frage, worin der Schaden des Käufers bestand, bereitete Schwierigkeiten. Zum einen wurde vom Reichsoberhandelsgericht vertreten, dass der Nichterfüllungsschaden in der Entbehrung oder Entziehung des Wertes liege, den der Käufer bei ordnungsgemäßer Erfüllung in seinem Vermögen gehabt hätte.31 Der Schadensersatz wäre somit ein Surrogat der Nichterfüllung und solle den Nachteil ausgleichen, der dadurch entstanden sei, dass der Verkäufer nicht zum vertraglich vorgesehenen Zeitpunkt erfüllt hat.32 In der Folge sei dem Käufer bei markgängigen Waren die Differenz zwischen Vertragspreis und seinem höheren Markteinkaufspreis zu ersetzen.33 Die Darlegung eines konkret entstandenen Schadens sei nicht erforderDie „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 23. Protokolle zum ADHGB, 9. Teil, 1861, S. 4602. 29  Vgl. etwa: ROHG, 07.05.1873, II 13/73, ROHGE 9, 311 (316  f.); ROHG, 30.10.1872, II 394/72, ROHGE 7, 376 (377); ROHG, 18.10.1873, II 683/73, ROHGE 11, 103 (104). 30  ROHG, 30.10.1872, II 394/72, ROHGE 7, 376 (377); ROHG, 07.05.1873, II 13/73, ROHGE 9, 311 (316 f.); ROHG, 22.01.1873, II 731/72, ROHGE 10, 169 (170); ROHG, 18.10.1873, II 683/73, ROHGE 11, 103 (104); ROHG, 27.06.1874, II. 408/74, ROHGE 14, 6 (7); ROHG, 03.09.1874, II 958/74, ROHGE 14, 140 (142); ROHG, 05.05.1875, II 516/75, ROHGE 17, 255 (257). 31  ROHG, 22.01.1873, II 731/72, ROHGE 10, 169 (171); ROHG, 27.06.1874, II. 408/74, ROHGE 14, 6 (8); ROHG, 14.11.1876, I 1009/76, ROHGE 21, 247 (249); ROHG, 18.06.1878, I 699/78, ROHGE 24, 153 (154). 32  ROHG, 28.05.1872, I 113/72, ROHGE 6, 182 (194); ROHG, 22.01.1873, II 731/72, ROHGE 10, 169 (170 f.). 33  ROHG, 04.06.1872, I 262/72, ROHGE 6, 225 (226); ROHG, 22.01.1873, II 731/72, ROHGE 10, 169 (170 f.); ROHG, 11.10.1873, II 784/73, ROHGE 11, 182 (183); ROHG, 03.09.1874, II 958/74, ROHGE 14, 140 (142); ROHG, 05.05.1875, II 516/75, ROHGE 17, 255 (259 f.); ROHG, 21.10.1875, III 867/75, ROHGE 18, 215. Dazu auch: Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 114 Fn. 14 m. w. N. 27  Bardo, 28  Lutz,

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

lich.34 Diese Sichtweise greift damit das Verständnis auf, dass auch schon vor der Einführung des ADHGB bestand. Zum anderen sah das Reichsoberhandelsgericht den Schaden in dem Wert, den der Käufer durch den Weiterverkauf der Ware hätte erwirtschaften können, sofern der Verkäufer vertragsmäßig geliefert hätte.35 Diese Ansicht bewegt sich demnach in die Richtung eines entgangenen Gewinnes. Allerdings wurde diesem Ansatz in anderen Entscheidungen entgegengehalten, dass ein Gewinn durch die Beschaffung von Ersatzware nach wie vor erzielt werden könnte.36 Der Schaden läge dann in den Mehrkosten eines Deckungsgeschäftes, das der Käufer aufgrund der Nichterfüllung des Verkäufers tätigen müsste.37 Bereits in der Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichtes zu Art. 357 Abs. 3 ADHGB können die zentralen Strömungen beobachtet werden, die als gedankliche Grundlagen für den abstrakten Käuferschaden in den nachfolgenden Jahrzehnten herangezogen wurden: Auf der einen Seite stand der Anspruch des nicht belieferten Käufers auf den Verkehrswert der Ware, wobei zumindest vereinzelt auch schadensobjektivierende Einflüsse in die Rechtsprechung Zugang fanden,38 auf der anderen Seite der Anspruch auf einen potenziell entgangenen Gewinn. Dabei flossen beide Strömungen unmittelbar aus Art. 357 Abs. 3 ADHGB. Die Geltendmachung eines konkreten Schadens verlangte Art. 357 Abs. 3 ADHGB dabei gerade nicht.39 Bis heute bilden diese Anknüpfungspunkte die Zentren der Diskussion, wenn die Frage nach der schadensrechtlichen Grundlage der abstrakten Schadensberechnung aufgeworfen wird. Zur Zeit des Reichsoberhandelsgerichtes wurden diese Strömungen nur oberflächlich tangiert. Nach wie vor fehlte es an einer tiefergehenden, dogmatischen Auseinandersetzung mit der Grundlage dieser Berechnungsmethode. Dies sollte sich jedoch mit der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahre 1900 ändern.

34  ROHG, 03.09.1874, II 958/74, ROHGE 14, 140 (142); ROHG, 18.06.1878, I 699/78, ROHGE 24, 153 (155); RG, 19.11.1881, V 725/81, RGZ 6, 58 (59). 35  ROHG, 18.10.1873, II 683/73, ROHGE 11, 103 (104). 36  ROHG, 21.10.1875, III 867/75, ROHGE 18, 215. 37  ROHG, 21.10.1875, III 867/75, ROHGE 18, 215. 38  Vgl. ROHG, 18.06.1878, I 699/78, ROHGE 24, 153 (154), wonach die Preisdifferenz das Minimum des Käuferschadens darstellte; ähnlich auch: ROHG, 01.02.1876, I 1244/75, ROHGE 20, 223 (224). 39  ROHG, 03.09.1874, II 958/74, ROHGE 14, 140 (142); ROHG, 18.06.1878, I 699/78, ROHGE 24, 153 (155); RG, 19.11.1881, V 725/81, RGZ 6, 58 (59).



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung35

B. Der abstrakt berechnete Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts begreift der ganz überwiegende Teil der Rechtsprechung die abstrakte Berechnungsmethode des Käufers als eine widerlegbare Weiterveräußerungsvermutung. Diese Konzeption ist bis heute tief in der Judikative verwurzelt und wurde seitdem – soweit ersichtlich – weder vom Reichsgericht noch vom Bundesgerichtshof ausdrücklich in Frage gestellt. Daher soll im nachfolgenden Teil dieser Ansatz auf den Prüfstand gestellt und insbesondere der Frage nachgegangen werden, ob eine Weiterveräußerungsvermutung überhaupt eine abstrakte Schadensberechnung begründen kann.

I. Die Entstehung und Entwicklung der Weiterveräußerungsthese40 Es schien zunächst unter der Rechtsprechung des Reichsgerichtes zu einer Fortführung der vom Reichsoberhandelsgericht überwiegend vertretenen Auffassung zu kommen, der nicht belieferte Käufer könne im Zuge der abstrakten Schadensberechnung einen Differenzbetrag zwischen dem Vertragspreis und dem höheren Markteinkaufspreis fordern.41 Auch nach Inkrafttreten des Handelsgesetzbuches und des Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahr 1900 blieb des Reichsgericht dieser Vorstellung zunächst treu.42 Dies änderte sich jedoch mit dem richtungsweisenden Urteil vom 23. April 1907:43 Die Klägerin schloss mit der Beklagten einen Kaufvertrag über 50.000 Glühlampen zum Preis von je 30 Pfennig. Als die Beklagte jedoch auch nach erfolgloser Fristsetzung nur 5.080 Glühlampen lieferte, verlangte die Klägerin für die restlichen 44.920 Stück Schadensersatz. Dabei machte sie die Differenz zwischen Vertragspreis und höherem Marktpreis geltend. Der Marktpreis belief sich auf 42,5 Pfennige beziehungsweise auf 35 oder 37,5 Pfennige pro Glühbirne, sofern mehr als 25.000 Stück abgenommen wurden.

Das Reichsgericht sprach der Klägerin die Differenz zwischen dem Vertragspreis und dem Marktpreis in Höhe von 42,5 Pfennig zu. Argumentiert 40  Siehe für eine umfangreiche Auflistung der Reichsgerichtsrechtsprechung und früherer Literatur zur Weiterveräußerungsvermutung: Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 179–186; Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 28–44; Huber, Leistungsstörungen, Band 2, 1999, S. 245 f. 41  RG, 19.11.1881, V 725/81, RGZ 6, 58 f. 42  RG, 14.06.1904, II 477/03, RGZ 58, 326 (327). 43  RG, 23.04.1907, II 453/06, LZ 1907 Nr. 9 Spalte 501 = Holdheim 1908, 17 (17 f.).

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

wurde, dass die Glühbirnen zu diesem Preis für die Klägerin verkäuflich gewesen wären. Die günstigeren Sonderpreise müssten dabei nicht berücksichtigt werden, da es auf den „allgemeinen“ Marktpreis ankäme. In diesem Urteil stellte das Reichsgericht erstmals auf den Weiterverkaufspreis und damit auf den Absatzmarkt des nicht belieferten Käufers ab, wobei ein ausdrücklicher Verweis auf § 252 S. 2 BGB unterblieb. Wurde vom Reichsgericht während der Geltungszeit des ADHGB noch Art. 357 Abs. 3 ADHGB als Ausgangsnorm für die abstrakte Schadensberechnung verstanden,44 fand kein Verweis mehr auf die Nachfolgenorm des § 376 Abs. 2 HGB und den darin enthaltenen allgemeinen Grundsatz statt.45 Es ist des Weiteren, wie auch bereits in der Literatur richtigerweise kritisiert wurde,46 nicht ersichtlich, wie das Reichsgericht durch seine Begründung zu diesem Ergebnis kam. Die in der Entscheidung angeführten Urteile, die das Heranziehen des Absatzmarktes stützen sollten, verwiesen entweder auf den Markteinkaufspreis47 oder es wurde ein abstrakter Schaden mangels Marktpreis ausgeschlossen, sodass der Käufer einen konkreten Schaden geltend machen musste.48 Darüber hinaus schien dem Gericht die Bedeutung von Marktstufen und die damit verbundenen Preisunterschiede bei den verschiedenen Markteilnehmern nicht geläufig gewesen zu sein, da der Markteinkaufspreis und der Marktverkaufspreis der Klägerin offensichtlich gleichgesetzt wurden.49 All dies legt die Vermutung nahe, dass die ständige Rechtsprechung zumindest partiell auf eine fehlerhafte Auswertung vorangegangener Entscheidungen, missverständliche Formulierungen und ein unzureichendes ökonomisches Grundverständnis zurückzuführen ist. In den darauffolgenden Jahren formte die Rechtsprechung die Weiterveräußerungsvermutung im Rahmen der abstrakten Schadensberechnung weiter aus. Ausgangspunkt hierbei war die Annahme, dass ein Kaufmann im Handelsverkehr die Ware jederzeit50 zum Marktverkaufspreis hätte absetzen können und dies auch getan hätte, wenn diese rechtzeitig geliefert worden 44  RG, 30.01.1880, III 486/79, RGZ 1, 241; RG, 10.01.1882, III 506/81, RGZ 6, 26; RG, 19.11.1881, V 725/81, RGZ 6, 58 (59). 45  Eine Ausnahme findet sich – soweit ersichtlich – nur bei: RG, 24.11.1908, II 270/08, LZ 1909 Nr. 3 Spalte 320 (321), wobei auch hier auf den entgangenen Gewinn abgestellt wird. 46  Kritisch zu diesem Urteil auch: Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 114 Fn. 14; Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 57; vgl. auch: Knütel, AcP 202 (2002), 555 (570 Fn. 75). 47  RG, 14.06.1904, II 477/03, RGZ 58, 326 (327). 48  RG, 09.07.1890, I 106/90, Bolze 10 Nr. 813 (S. 380). 49  Vgl. auch: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 57; siehe zur Bedeutung von Marktstufen unter: 1. Kap. B. IV. 1. b) aa). 50  RG, 30.04.1920, II 1/20, RGZ 99, 46 (49).



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung37

wäre.51 Diese Gewinnerzielung entspräche im kaufmännischen Verkehr dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge.52 Zur Begründung dieser These wurde § 252 S. 2 BGB herangezogen,53 der als Beweiserleichterung verstanden wurde.54 Dabei hielt das Reichsgericht dem Verkäufer den Gegenbeweis ausdrücklich offen, die Vermutung zu entkräften.55 Gleichwohl erfuhr die Vorstellung einer möglichen Weiterveräußerung in Teilen der Rechtsprechung eine derart weite Ausdehnung, dass der widerlegliche Charakter dieser Vermutung weitgehend unterminiert wurde.56 Darüber hinaus schloss sich ein erheblicher Teil des damaligen Schrifttums der Rechtsprechung in entscheidenden Punkten an. Im Bereich des Handelsverkehres wäre der Käufer jederzeit in der Lage, die nicht gelieferte Ware gewinnbringend zu seinem Marktverkaufspreis57 weiterzuveräußern.58 Auch hier stand der gewöhnliche Verlauf der Dinge nach § 252 S. 2 BGB im Vordergrund,59 wobei die Literatur diese Norm teils als Beweiserleichterung,60 51  RG, 05.06.1917, II 606/16, RGZ 90, 305 (306); RG, 27.09.1917, II 100/17, RGZ 90, 423 (425); RG, 30.10.1917, II 241/17, RGZ 91, 99 (103); RG, 30.04.1920, II 1/20, RGZ 99, 46 (49). 52  RG, 20.03.1908, VII 268/07, RGZ 68, 163 (165); RG, 24.11.1908, II 270/08, LZ 1909 Nr. 3 Spalte 320 (321); OLG Rostock, 23.03.1917, OLGE 36 (1918), 2. 53  RG, 20.03.1908, VII 268/07, RGZ 68, 163 (165). 54  RG, 22.10.1907, III 74/07, JW 1907, 828 Nr. 4 (829); RG, 22.01.1931, IV 397/30, JW 1931, 3088 Nr. 11 (3089); RG, 20.03.1908, VII 268/07, RGZ 68, 163 (165); RG, 27.09.1917, II 100/17, RGZ 90, 423 (425); RG, 31.05.1932, 462/1931, HansRGZ, 1932B, Spalte 563 (564). Allerdings verzichtete die Rechtsprechung in eigenen Fällen sogar darauf, sich zur Begründung der Vermutung eines gesetzlichen Anknüpfungspunktes zu bedienen. Siehe dazu: RG, 05.06.1917, II 606/16, RGZ 90, 305 (306); RG, 27.09.1917, II 100/17, RGZ 90, 423 (425); vgl. auch: RG, 30.10.1917, II 241/17, RGZ 91, 99 (103). 55  RG, 27.09.1917, II 100/17, RGZ 90, 423 (425). 56  Zu den sog. Fiskusfällen des Reichsgerichtes: RG, 15.01.1921, I 288/20, RGZ 101, 217 (219 f.); RG, 24.10.1922, II 786/21, RGZ 105, 285 (286); RG, 09.01.1920, II 307/19, LZ 1920 Nr. 1 Spalte 610 (610 f.); zur extensiven Ausdehnung durch die Oberlandesgerichte: OLG Hamburg, 17.01.1917, OLGE 36 (1918), 26 (27): Gemeinde; OLG Hamburg, OLGE 39 (1919), 132: Militärfiskus; die Vermutung ablehnend: OLG Rostock, 23.03.1917, OLGE 36 (1918), 2: Landwirt, der Ware zum Eigenverbrauch erwirbt. 57  Frankenburger, JW 1925, 546 (556). 58  Gutsche, Rechtsverhältnisse des Handelns, 1905, S. 128; Frankenburger, JW 1925, 546 (556); Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl., 1926, Band 3, Anh. zu § 374, Anm. 60. 59  Im Umkehrschluss: Oertmann, JW 1921, 333; Düringer/Hachenburg/Werner, HGB, 3. Aufl., 1932, Band IV, Anm. 361; vgl. auch: Baur, Entwicklung und Reform des Schadensersatzrechts, 1935, S. 56 f. 60  Oertmann, BGB, Recht der Schuldverhältnisse, 1928, 5. Aufl., § 252 S. 75; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, 6. Aufl., S. 211 Rn. 625.

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

teils als materiell-rechtliche Beschränkung61 verstand. Während manche Autoren die Weiterveräußerungsvermutung sehr großzügig auslegten und diese selbst bei Kaufleuten, die Ware zum Selbstgebrauch erwarben, bejahten,62 wurde an anderer Stelle im Schrifttum in diesem Fall eine Grenze gezogen.63 Weiterhin galten alle Waren als verkäuflich, die den Gegenstand von Handelsgeschäften bilden konnten, unabhängig davon, ob diese einen Marktpreis hatten oder nicht.64 Auch in der Zeit der Bundesrepublik kam es zunächst zu keinen wesent­ lichen Veränderungen in der Rechtsprechung. Außerhalb des § 376 Abs. 2 HGB wurde die abstrakte Schadensberechnung weiterhin aus der Beweiserleichterung65 des § 252 S. 2 BGB und damit aus dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge abgeleitet. Dieser typische Geschehensablauf rechtfertige eine widerlegbare Weiterveräußerungsvermutung im kaufmännischen Verkehr.66 Dabei wurde der potenziellen Widerlegbarkeit dieser Vermutung stärkere Beachtung entgegengebracht, als dies in der Zeit des Reichsgerichtes der Fall war.67 Gleichwohl müsse keine absolute Gewissheit vorliegen, dass der Gewinn erzielt worden wäre, sodass nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit genüge.68 Der Käufer wäre dann von dem Nachweis befreit, dass er die Ware tatsächlich hätte absetzen können.69 61  Baur, Entwicklung und Reform des Schadensersatzrechts, 1935, S. 52, der jedoch auf S. 56 den abstrakt berechneten Gewinn für Kaufleute über eine Beweis­ erleichterung ersetzen will. 62  Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl., 1926, Band 3, Anh. zu § 374, Anm. 60, wobei etwas anderes nur gelten sollte, wenn der Staat zwecks Eigengebrauch Waren erworben hatte. 63  Makower, HGB, 1904, S. 1113. 64  Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl., 1926, Band 3, Anh. zu § 374, Anm. 60a. 65  BGH, 17.12.1963, V ZR 186/61, NJW 1964, 661 (662). 66  BGH, 16.03.1959, III ZR 20/58, BGHZ 29, 393 (399); BGH, 17.12.1963, V ZR 186/61, NJW 1964, 661 (662); BGH, 02.03.1988, VIII ZR 380/86, NJW 1988, 2234 (2236 f.); BGH, 30.05.2001, VIII ZR 70/00, NJW-RR 2001, 1542; BGH, 27.10.2010, XII ZR 128/09, BeckRS 2010, 27763; BGH, 16.07.2015, IX ZR 197/14, NJW 2015, 3447 Rn. 49; OLG Stuttgart, 13.12.1956, 2 U 140/56, JR 1957, 343; OLG Düsseldorf, 11.12.1952, 6 U 245/52, BB 1953, 129; OLG Frankfurt, 27. 4. 1976, 5 U 3/74, NJW 1977, 1015 (1016); anders hingegen: OLG Düsseldorf, 11.06.1987, 6 U 46/86, NJW 1988, 1382 (1383), wonach eine abstrakte Schadensberechnung nur nach dem Vorbild des § 376 Abs. 2 HGB zulässig sei, da § 254 Abs. 2 S. 1 BGB grundsätzlich zu einem Deckungsgeschäft verpflichte, der den Gewinnentgang entfallen ließe. 67  BGH, 17.12.1963, V ZR 186/61, NJW 1964, 661 (662); BGH, 02.03.1988, VIII ZR 380/86, NJW 1988, 2234 (2236 f.); dazu auch: Prütting/Wegen/Weinrich/Luckey, BGB, 2022, 17. Aufl., § 252 Rn. 8. 68  BGH, 05.05.1970, VI ZR 212/68, BGHZ 54, 45 (56); BGH, 30.05.2001, VIII ZR 70/00, NJW-RR 2001, 1542. 69  BGH, 17.12.1963, V ZR 186/61, NJW 1964, 661 (662).



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung39

Daneben entwickelte sich in der Literatur jedoch ein zunehmend differenziertes Meinungsbild, das zum einen am Schadensbegriff selbst anknüpfte und zum anderen immer stärker einen hypothetischen Deckungskauf in das Zentrum der abstrakten Berechnungsmethode rückte.70 Obgleich die Diskussion rund um die abstrakte Schadensbemessung zur Zeit der Jahrtausendwende abflachte, entbrannte diese ab dem Jahre 2012 erneut, als der Bundesgerichtshof die bis dato von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze – wohl unwissentlich – aufgab und sich auf die Wurzeln der abstrakten Schadensberechnung zurückbesann. Dabei wurde in zwei Fällen einem nicht belieferten Käufer die Differenz zwischen Kaufpreis und dem höheren Wert des jeweiligen Vertragsobjektes zugesprochen, ohne auf die Weiterveräußerungsvermutung des § 252 S. 2. Alt. 1 BGB zurückzugreifen.71 Somit kam es für die abstrakte Schadensbemessung nicht etwa auf einen gewöhnlichen Geschehensablauf, sondern einzig auf den Wert der nicht gelieferten Gegenstände an.72 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Judikatur mit nur wenigen Abweichungen ab dem 20. Jahrhundert die Grundlage des abstrakten Käuferschadens einheitlich aus einer aus § 252 S. 2 BGB fließenden Weiterveräußerungsvermutung ableitete.73 Es ist erstaunlich, dass aufseiten der Rechtsprechung eine kritische Auseinandersetzung mit dem Urteil aus dem Jahre 1907, das den Grundstein dieser jahrzehntelangen Rechtsprechungspraxis legen sollte, ausblieb. In den unmittelbar nachfolgenden Entscheidungen des Reichsgerichtes zum abstrakten Käuferschaden wurde der abstrakte Schadensersatzanspruch des Käufers geradezu selbstverständlich und ohne nähere Begründung anhand des Marktverkaufspreises berechnet.74 Zumindest in der Literatur erfuhr die abstrakte Schadensberechnung vor allem ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts neue Impulse. Zwar wurde diese Berechnungsmethode zum Teil noch immer als Ausfluss des § 252 S. 2

70  Exemplarisch: Steindorff, JZ 1961, 12 (13 f.); Blomeyer, Allgemeines Schuldrecht, 4. Aufl., 1969, S. 192 f.; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl., 1982, § 376 Rn. 24; Huber, Leistungsstörungen, Band 2, 1999, S. 249; Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 111 f.; Knütel, AcP 202 (2002), 555 (583, 590). Näher unter: 1. Kap. C. I. 71  BGH, 28.03.2012, VIII ZR 244/10, NJW 2012, 2723; BGH, 12.11.2014, VIII ZR 42/14, NJW 2015, 548; siehe zur Abkehr des Bundesgerichtshofes auch: Flume, AcP 215 (2015), 282 (285 f.). 72  Dazu näher unter: 1. Kap. D. I. 2. b). 73  Wohlgemerkt außerhalb des direkten Anwendungsbereiches des § 376 Abs. 2 HGB. 74  RG, 20.03.1908, VII 268/07, RGZ 68, 163 (165); RG, 24.11.1908, II 270/08, LZ 1909 Nr. 3 Spalte 320 (321).

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

BGB betrachtet, sodass der Käufer über diese Beweiserleichterung75 Ersatz für den entgangenen Weiterveräußerungsgewinn verlangen konnte,76 jedoch brachen immer mehr Autoren mit der Rechtsprechung des Reichsgerichtes und des Bundesgerichtshofes. Stattdessen bildete sich in der Literatur nun eine neue herrschende Meinung heraus, die ein hypothetisches Deckungsgeschäft in das Zentrum des abstrakten Käuferschadens stellte.77

II. Die Rechtsnatur des § 252 S. 2 BGB und deren Auswirkungen Begreift man die abstrakte Schadensberechnung des Käufers als entgangenen Gewinn, so darf der Schadensersatzgläubiger den Unterschied zwischen Vertragspreis und höherem Marktverkaufspreis fordern, ohne eine konkrete Absatzmöglichkeit nachweisen zu müssen.78 Normativer Anknüpfungspunkt ist dabei der gewöhnliche Verlauf der Dinge des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB. Ob diese Vorschrift tatsächlich als Fundament der von der Rechtsprechung entwickelten Weiterveräußerungsvermutung dienen kann,79 beurteilt sich maßgeblich anhand der Rechtsnatur dieser Norm. So wurde zum Teil die Auffassung vertreten, dass § 252 S. 2 BGB als materiell-rechtliche Beschränkung des § 252 S. 1 BGB80 zu verstehen sei. So könne der entgangene Gewinn nur unter den gesetzlichen – materiellen – 75  Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, 1. Band, Allgemeiner Teil, 4. Aufl., 1960, S. 135; Dauner-Lieb/Langen/Spallino, BGB, 4. Aufl., 2021, § 252 Rn. 16; MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 45. 76  So etwa: Staudinger/Otto, BGB, 1995, § 325 Rn. 61 f., der jedoch die Abrechnung auf Basis eines hypothetischen Deckungskaufes präferierte; Prütting/Wegen/ Weinrich/Luckey, BGB, 2022, 17. Aufl., § 252 Rn. 8. 77  Rabel, Das Recht des Warenkaufs, 1. Band, 1936, S. 171, 451, 459; Steindorff, JZ 1961, 12 (13 f.); v. Caemmerer, Das Problem der überholenden Kausalität, 1962, S. 8; Blomeyer, Allgemeines Schuldrecht, 4. Aufl., 1969, S. 192 f.; Schlegelberger/ Hefermehl, HGB, 5. Aufl., 1982, § 376 Rn. 24; Soergel/Wiedemann, BGB, 11. Aufl., 1986, § 325 Rn. 43; Huber, Leistungsstörungen, Band 2, 1999, S. 249; Lange, Schadensersatz, 1979, S. 216 f.; Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, 2003, S. 217. 78  BGH, 17.12.1963, V ZR 186/61, NJW 1964, 661 (662). 79  Exemplarisch: RG, 12.10.1920, II 157/20, RGZ 100, 112 (113); RG, 31.05.1932, 462/1931, HansRGZ, 1932B, Spalte 563 (564); BGH, 19.06.1951, I ZR 118/50, BGHZ, 2, 310 (314); BGH, V ZR 186/61, NJW 1964, 661 (662); BGH, 05.05.1970, VI ZR 212/68, NJW 1970, 1411 (1413); BGH, 30.05.2001, VIII ZR 70/00, NJW-RR 2001, 1542. 80  Nach § 252 S. 1 BGB erfasst der zu ersetzende Schaden auch den entgangenen Gewinn. Damit geht § 252 S. 1 BGB nicht über § 249 Abs. 1 BGB hinaus und hat somit nur einen reinen deklaratorischen Charakter. Statt aller: Soergel/Ekkenga/Kuntz, 13. Aufl., 2014, § 252 Rn. 1 m. w. N.



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung41

Voraussetzungen ersetzt werden.81 Dies wäre der Fall, wenn der Gewinn bei objektiver und vernünftiger Betrachtung zu erwarten war.82 Spricht man hingegen § 252 S. 2 im Einklang mit der überwiegenden Rechtsprechung83 und dem Großteil der Literatur84 eine prozessuale Natur zu, würde § 252 S. 2 BGB neben der Beweiserleichterung des § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO leer laufen.85 Andererseits spräche der vergangenheitsbezogene Wortlaut des § 252 S. 2 BGB („erwartet werden konnte“) gegen einen prozessrechtlichen Ansatz.86 Allerdings fand die materiell einschränkende Auffassung in der Rechtsprechung nur vereinzelt Anklang.87 Auch in der Literatur blieb das materielle Verständnis eine nur sporadisch vertretene Vorstellung, konnte dort aber insgesamt stärkeren Zuspruch als in der Judikatur verzeichnen.88 Überzeugender erscheint hingegen eine prozessuale Sichtweise, die § 252 S. 2 BGB als Beweiserleichterung89 in Form einer widerlegbaren Vermutung begreift.90 Dabei wird teilweise mit dem Wortlaut des § 252 S. 2 BGB argumentiert. So würde die Formulierung „als entgangen gilt“ eher für eine Begünstigung als für eine Einschränkung sprechen.91

81  Baur, Entwicklung und Reform des Schadensersatzrechts, 1935, S. 53; Steindorff, AcP 158 (1959/1960), 431 (462 f.); Staudinger/Werner, BGB, 1967, 10./11. Aufl., § 252 Rn. 14, 19, Giesen, VersR 1979, 389 (392); BeckOK/Flume, BGB, 64. Edition, Stand: 01.05.2022, § 252 Rn. 13–17. 82  RG, 07.01.1928, V 235/27, JW 1928, 961 Nr. 2 (962). 83  RG, 22.10.1907, III 74/07, JW 1907, 828 Nr. 4 (829); RG, 22.01.1931, IV 397/30, JW 1931, 3088 Nr. 11 (3089); RG, 31.05.1932, 462/1931, HansRGZ, 1932B, Spalte 563 (564); RG, 20.03.1908, VII 268/07, RGZ 68, 163 (165); BGH, 16. 03.1959, III ZR 20/58, BGHZ 29, 393 (397 ff.); BGH, 28.02.1996, XII ZR 186/94, NJW-RR 1996, 1077 (1078); BGH, 30.05.2001, VIII ZR 70/00, NJW-RR 2001, 1542; BGH, 28.06.2016, VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 Rn. 34. 84  Bruske, Beweiswürdigung und Beweislast, 1994, S.  76; Soergel/Ekkenga/ Kuntz, BGB, 13. Aufl., 2014, § 252 Rn. 38; Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 252 Rn. 16; MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 31 m. w. N. 85  Steindorff, AcP, 158 (1959/1960), 431 (462); Staudinger/Werner, BGB, 1967, 10./11. Aufl., § 252 Rn. 18. 86  Staudinger/Werner, BGB, 1967, 10./11. Aufl., § 252 Rn. 14. 87  RG, 07.01.1928, V 235/27, JW 1928, 961 Nr. 2 (962). 88  Zum Meinungsstand im frühen 20. Jahrhundert: Oertmann, BGB, Recht der Schuldverhältnisse, 5. Aufl., 1928, § 252 S. 75. 89  Oertmann, BGB, Recht der Schuldverhältnisse, 1928, 5. Aufl., § 252 S. 75; Soer­gel/Ekkenga/Kuntz, BGB, 13. Aufl., 2014, § 252 Rn. 38; Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 252 Rn. 16; MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 31 m. w. N. 90  BGH, 13.10.2016, IX ZR 149/15, NJW 2017, 1600 Rn. 19; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, 6. Aufl., S. 211 Rn. 625; MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 31. 91  Oertmann, BGB, Recht der Schuldverhältnisse, 1928, 5. Aufl., § 252 S. 75.

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

Zwar hat § 252 S. 2 BGB einen prozessualen Charakter, gleichwohl kann der Wortlaut dieser Vorschrift weder für die eine, noch für die andere Ansicht eine gesicherte Basis bieten. So ließe sich vielmehr die Formulierung „als entgangen gilt“ auch als Fiktion und damit als materiell-rechtliche Vorschrift deuten.92 Zum anderen könnte das Argument des vergangenheitsbezogenen Wortlautes auf ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers zurückzuführen sein,93 das nur berichtigend ausgelegt werden müsse.94 Als Gegenargument ließe sich anführen, dass andere Beweiserleichterungen des Bürgerlichen Gesetzbuches – beispielsweise § 477 Abs. 1 S. 1 BGB95 und § 891 BGB96 – deutlich von der Formulierungsweise des § 252 S. 2 BGB abweichen, da in diesen Normen ausdrücklich von „so wird vermutet“ die Rede ist. Um § 252 S. 2 BGB dennoch einen prozessrechtlichen Charakter attestieren zu können, muss die Funktion des § 252 S. 2 BGB in den Blick genommen werden. Der historische Gesetzgeber wies mit dem damaligen § 218 Abs. 2 Entwurf I von der I. Kommission (= heutiger § 252 S. 2 BGB) auf die Möglichkeit hin, das freie Ermessen des Richters, das über § 260 CPO (= heutiger § 287 ZPO) gewährt wurde, einzuschränken. Einerseits sei volle Gewissheit, dass ein Gewinn gezogen würde, nicht nötig. Andererseits sei die bloße Möglichkeit eines Gewinnes unzureichend, sodass es einer gewissen Wahrscheinlichkeit bedürfe.97 Dieser Legislativwille weist daher nicht auf eine materielle Beschränkung hin, sondern auf einen mit § 287 ZPO verwobenen prozessualen Ansatz.98 Dieser Vorstellung ist auch heute noch Rechnung zu tragen. Die Aussage, § 252 S. 2 BGB wäre aufgrund des § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO überflüssig,99 wird dem Zusammenspiel beider Normen 92  Staudinger/Werner,

BGB, 1967, 10./11. Aufl., § 252 Rn. 14. Grundriß des Schuldrechts, 1929, § 12 Nr. 10 (S. 44 f.), der von einer „sprachliche[n] Entgleisung“ spricht. 94  Lange/Schiemann/Schiemann, Schadensersatz, 2003, 3. Aufl., § 6 X 3, S. 342; vgl. ferner auch: Halfpap, Der entgangene Gewinn, 1999, S. 106. 95  MünchKomm/S.Lorenz, BGB, 8. Aufl., 2019, § 477 Rn. 1. 96  MünchKomm/H.Schäfer, BGB, 9. Aufl., 2023, § 891 Rn. 1. 97  Zum Ganzen: Mugdan, Die gesammten Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB, Band 2, 1899, S. 10 = Motive, S. 18. 98  Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 167–169; Halfpap, Der entgangene Gewinn, 1999, S. 117  f.; Soergel/Ekkenga/Kuntz, 13. Aufl., 2014, § 252 Rn. 38; Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 252 Rn. 5; MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 31; mit der Entstehungsgeschichte den materiellen Ansatz präferierend: Lange/Schiemann/Schiemann, Schadensersatz, Band 1, 3. Aufl., 2003, § 6 X 1, S. 341; Staudinger/Schiemann, BGB, 2017, § 252 Rn. 5; siehe zur ergänzenden Wirkung des § 252 S. 2 BGB auch: BGH, 16.07.2015, IX ZR 197/14, NJW 2015, 3447 Rn. 49. 99  Steindorff, AcP, 158 (1959/1960), 431 (462); Staudinger/Werner, BGB, 1967, 10./11. Aufl., § 252 Rn. 18. 93  Heck,



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung43

nicht gerecht. Zwar ist es zutreffend, dass die Rechtsprechung die meisten ihrer Entscheidungen auch mit § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO hätte begründen können, jedoch bewirkt diese Norm lediglich eine Beweismaßreduzierung auf die überwiegende Wahrscheinlichkeit.100 § 252 S. 2 BGB verengt insofern § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO im Bereich des entgangenen Gewinnes, da dessen Eintritt eines höheren Grades der richterlichen Überzeugung bedarf.101 Dies ergibt sich aus der Systematik des § 252 S. 2 BGB, der entweder von dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen Umständen ausgeht.102 Daher spricht insbesondere die Entstehungsgeschichte des § 252 S. 2 BGB für eine prozessuale Natur.103 § 252 S. 2 BGB stärkt damit auf prozessualer Ebene die materiellen Rechte des Gläubigers mithilfe einer Beweiserleichterung und ermöglicht damit eine wirkmächtige Rechtsdurchsetzung. Die Klassifizierung des § 252 S. 2 BGB als Beweiserleichterung ist die Grundvoraussetzung, um von einer Typisierung der Geschehensabläufe ausgehen zu können. Würde § 252 S. 2 BGB als materiell-rechtliche Begrenzung verstanden, könnte der Gewinn auch bei der Erbringung des Vollbeweises nicht ersetzt werden, wenn er im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses nicht als wahrscheinlich anzunehmen war.104 Durch den prozessualen Ansatz kann hingegen auch ein unwahrscheinlicher Gewinn bis zur Grenze der Adäquanz geltend gemacht werden, sofern dem Anspruchsgläubiger der Nachweis gelingt.105 Dazu kommt, dass für den wahrscheinlichen Gewinn (§ 252 S. 2 BGB) ein erleichterter Beweis genügen soll.106 Diese erleichterte Beweisführung mündet in die von der Rechtsprechung entwickelte widerlegbare Weiterveräußerungsvermutung. Der materielle Ansatz entzieht der Schadensberechnung hingegen das abstrahierende Element des gewöhnlichen Verlaufes der Dinge, sodass die Annahme, § 252 S. 2 BGB sei als Beschränkung zu 100  Exemplarisch: Musielak/Voit/Foerste, ZPO, 19. Aufl., 2022, § 287 Rn. 7; Prütting/Gehrlein/Laumen, ZPO, 14. Aufl., 2022, § 287 Rn. 8. 101  Halfpap, Der entgangene Gewinn, 1999, S. 126; vgl. auch: v. HoyningenHuene/Boemke, NJW 1994, 1757 (1761), die von einer partiellen Subsidiarität des § 287 Abs. 1 ZPO ausgehen. 102  Halfpap, Der entgangene Gewinn, 1999, S. 126. 103  Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 167–169; Soergel/Ekkenga/ Kuntz, 13. Aufl., 2014, § 252 Rn. 38; MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 30; mit der Entstehungsgeschichte den materiellen Ansatz begründend: Lange/Schiemann/Schiemann, Schadensersatz, Band 1, 3. Aufl., 2003, § 6 X 1, S. 341; Staudinger/Schiemann, BGB, 2017, § 252 Rn. 5; siehe zur ergänzenden Wirkung des § 252 S. 2 BGB ferner: BGH, 16.07.2015, IX ZR 197/14, NJW 2015, 3447 Rn. 49. 104  RGRK/Alff, BGB, 12. Aufl., 1976, § 252 Rn. 6; Soergel/Ekkenga/Kuntz, BGB, 13. Aufl., 2014, § 252 Rn. 38. 105  Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 252 Rn. 4. 106  Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 252 Rn. 4.

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

verstehen, diametral zu der Auffassung steht, dass diese Norm das Zentrum der abstrakten Schadensberechnung bilden könnte.107 Allerdings existieren auch innerhalb des prozessualen Ansatzes divergierende Auffassungen. So sehen einige Autoren in § 252 S. 2 BGB die gesetzliche Normierung eines prima-facie-Beweises (=  Anscheinsbeweises).108 109 Durch diese – allgemein anerkannte  – Rechtsfigur wird bei der freien Beweiswürdigung auf allgemeine Lebenserfahrungen im Bereich der Überzeugungsbildung zurückgegriffen.110 Der Anscheinsbeweis beruht somit auf Erfahrungssätzen111 und setzt einen typischen Geschehensablauf voraus.112 Der Hauptanwendungsbereich des prima-facie-Beweises liegt in der Frage, ob Kausalität und Verschulden vorliegen.113 Danach kann im Falle eines typischen und gleichförmigen Vorganges auf den Nachweis bestimmter Einzelumstände verzichtet werden.114 Für den Geschädigten hat dies zur Folge, dass fehlende konkrete Indizien sowie etwaige Informationslücken bei Tatsachenfeststellungen überwunden werden können.115 Die Weiterveräußerung nicht gelieferter, marktgängiger Waren ließe sich im Handelsverkehr folglich nach § 252 S. 2 BGB prima-facie vermuten.116 Gegen die Klassifizierung dieser Norm als Anscheinsbeweis spricht bereits deren Systematik. Während der gewöhnliche Verlauf der Dinge i. S. d. § 252 107  Vgl. Steindorff, AcP, 158 (1959/1960), 431 (462), der darauf verweist, dass § 252 S. 2 BGB als Grundlage für die abstrakte Schadensberechnung ausscheiden muss, wenn diese Norm als materielle Einschränkung und nicht als Beweiserleichterung verstanden wird; siehe ferner auch: Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, 1. Band, Allgemeiner Teil, 14. Aufl., 1987, § 29 II, S. 493; Lange/Schiemann/Schiemann, Schadensersatz, 2003, 3. Aufl., § 6 X 5, S. 343; vgl. auch: Baur, Entwicklung und Reform des Schadensersatzrechts, 1935, S. 57, der die Weiterveräußerungsvermutung aus handelsrechtlichem Gewohnheitsrecht ableiten will, um dadurch auch unter der materiellen Ansicht einen abstrakt berechneten Gewinn zu gewährleisten. 108  Prölss, Beweiserleichterungen im Schadensersatzprozeß, 1966, S. 41; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, 1. Band, Allgemeiner Teil, 14. Aufl., 1987, § 29 III, S. 512; Jauernig/Teichmann, BGB, 18. Aufl., 2021, Vor §§ 249–253 Rn. 59. 109  Vgl. zur allgemeinen Bedeutung: MünchKomm/Prütting, ZPO, 6. Aufl., 2020, § 286 Rn. 50. 110  Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO, 18. Aufl., 2018, § 114 Rn. 16; Stein/Jonas/ Thole, ZPO, 23. Aufl., 2018, § 286 Rn. 214. 111  Prölss, Beweiserleichterungen im Schadensersatzprozeß, 1966, S. 41. 112  MünchKomm/Prütting, ZPO, 6. Aufl., 2020, § 286 Rn. 50; Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 43. Aufl., 2022, § 286 Rn. 12. 113  Stein/Jonas/Thole, ZPO 23. Aufl., 2018, § 286 Rn. 217. 114  MünchKomm/Prütting, ZPO, 6. Aufl., 2020, § 286 Rn. 50. 115  Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO, 18. Aufl., 2018, § 114 Rn. 17. 116  Prölss, Beweiserleichterungen im Schadensersatzprozeß, 1966, S. 41; Jauernig/ Teichmann, BGB, 18. Aufl., 2021, Vor §§ 249–253 Rn. 59.



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung45

S. 2 Alt. 1 BGB als gesetzliche Normierung des Anscheinsbeweises verstanden werden könnte, lassen sich die von § 252 S. 2 Alt. 2 BGB geforderten besonderen Umstände nicht mit dem Wesen des Anscheinsbeweises, das gerade einen typischen Geschehensablauf erfordert, vereinbaren. Somit könnte nur die erste Altnative des § 252 S. 2 BGB als Anscheinsbeweis bewertet werden. Dieser Umstand spricht insgesamt gegen einen gesetzlichen normierten prima-facie-Beweises.117 Zudem würde zur Entkräftung eines solchen Beweises die ernsthafte Möglichkeit ausreichen, dass der Gewinn nicht erzielt worden wäre.118 Im Rahmen des gewöhnlichen Verlaufes der Dinge genügt dies hingegen nicht.119 Der Käufer muss mithilfe der allgemeinen Beweismittel beweisen, dass es nicht zu dem vom Schädiger behaupteten Gewinn gekommen wäre, wobei er sich auf die Beweiserleichterung des § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO stützen kann.120 Der Anscheinsbeweis ist demnach deutlich leichter zu erschüttern als die aus § 252 S. 2 Alt. 1 BGB fließende Weiterveräußerungsvermutung zu widerlegen ist,121 sodass auch dieser Aspekt gegen die Klassifizierung als Anscheinsbeweis spricht.122 Nach all dem bleibt festzuhalten, dass das Reichsgericht sowie der Bundesgerichtshof das vormals materiell-rechtliche Zentrum der abstrakten Schadensberechnung in das Prozessrecht verlagerten. Die Weiterveräußerungsvermutung löste nun den allgemeinen Grundsatz des Handelsverkehrs ab, der dem nicht belieferten Käufer auch außerhalb handelsrechtlicher Fixgeschäfte (Art. 357 Abs. 3 ADHGB) einen Anspruch auf die Differenz zwischen Vertragspreis und höherem Marktpreis zusicherte.123 Diese Abkehr sollte die Rechtsprechung noch vor große Herausforderungen stellen.124

117  So

auch: Halfpap, Der entgangene Gewinn, 1999, S. 104 f. 13. Aufl., 2014, § 252 Rn. 42; Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 252 Rn. 16; MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 40. 119  Soergel/Ekkenga/Kuntz, 13.  Aufl., 2014, § 252 Rn. 42; Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 252 Rn. 16; MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 40. 120  BAG, 26.09.2012, 10 AZRn370/10, BAGE 143, 165 Rn. 20; BeckOGK/Brand, BGB, Stand: 01.03.2022, § 252 Rn. 69. 121  Halfpap, Der entgangene Gewinn, 1999, S. 105. 122  Halfpap, Der entgangene Gewinn, 1999, S. 105; Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 252 Rn. 16; MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 40. 123  ROHG, 30.10.1872, II 394/72, ROHGE 7, 376 (377); ROHG, 07.05.1873, II 13/73, ROHGE 9, 311 (316 f.); ROHG, 22.01.1873, II 731/72, ROHGE 10, 169 (170); ROHG, 18.10.1873, II 683/73, ROHGE 11, 103 (104); ROHG, 27.06.1874, II 408/74, ROHGE 14, 6 (7); ROHG, 03.09.1874, II 958/74, ROHGE 14, 140 (142); ROHG, 05.05.1875, II 516/75, ROHGE 17, 255 (257). 124  Siehe zur extensiven Auslegung der Weiterveräußerungsvermutung unter: 1. Kap. V. 118  Soergel/Ekkenga/Kuntz,

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

III. Die Unvereinbarkeit einer abstrakten Schadensberechnung mit § 252 S. 2 BGB Sowohl die abstrakte Schadensberechnung im engeren Sinne, die einen stets zu ersetzenden Mindestschaden ermöglicht als auch die abstrakte Schadensberechnung im weiteren Sinne, die schadensmindernde Faktoren zulässt, setzen unmittelbar am Wert der ausgebliebenen Leistung an. Dieser Wert fließt dem Käufer im Falle einer ordnungsgemäßen Erfüllung unabhängig davon zu, ob er Privatmann oder Kaufmann ist, sodass sich insofern von einem „Jedermannsschaden“ sprechen lässt. Beide Methoden zielen darauf ab, den Leistungswert zu bestimmen.125 Erst in einem zweiten Schritt werden dem berechneten Wert unterschiedliche Schadensbegriffe zugrunde gelegt, die dazu führen, dass schadensmindernde Faktoren entweder zu berücksichtigen sind oder ausgeklammert werden.126 Diesen beiden Kategorisierungen steht die widerlegbare Weiterveräußerungsvermutung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB gegenüber. Diese Form der Schadensberechnung hebt sich dabei deutlich von den zuvor skizzierten Berechnungsmodi ab. So ist die Schadensberechnung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB nicht für jedermann zugänglich, da ein Gewinnentgang nicht zwingend auch dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge entsprechen wird. Eine Angleichung der Berechnungsansätze ließe sich lediglich mit einer extensiven Auslegung der Weiterveräußerungsvermutung erreichen. Nur auf diese Weise könnte eine hinreichende Abstrahierung der Wirklichkeit erzielt werden, sodass im Falle einer ordnungsgemäßen Lieferung stets von einer Gewinnerzielung ausgegangen werden könnte. Eben dieses Winkelzuges bediente sich das Reichsgericht, um den Ansatz der Weiterveräußerungsvermutung den gewünschten Ergebnissen zuzuführen. So wurde sowohl im Rahmen der Militärfiskusfälle, bei denen der Staat Waren zur Heeresversorgung erwarb,127 als auch in Fällen des betrieblichen 125  Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl., 1982, § 376 Rn. 24; Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 100; Bardo zustimmend: Atamer, in: FS für Magnus, 2014, 145 (153). 126  Zum Ausschluss schadensmindernder Faktoren bei der abstrakten Schadensberechnung im engeren Sinne: v. Caemmerer, Das Problem der überholenden Kausalität im Schadensersatzrecht, 1962, S. 9; Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht, 1967, S. 76 Fn. 76; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl., 1982, § 376 Rn. 24; Soergel/Wiedemann, BGB, 11. Aufl., 1986, § 325 Rn. 43; Lange/ Schiemann/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl., 2003, § 9 III 6, S. 498; Soergel/Ekkenga/Kuntz, BGB, 2014, 13. Aufl., Vor § 249 Rn. 293. 127  RG, 15.01.1921, I 288/20, RGZ 101, 217: Erbsen; RG, 24.10.1922, II 786/21, RGZ 105, 285: „Schinken“; RG, 24.10.1922, II 767/21, RGZ 105, 293: „Leder“; RG, 09.01.1920, II 307/19, LZ 1920 Nr. 1 Spalte 610 (610 f.): „Lammfleisch“.



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung47

Eigenbedarfes,128 die Weiterveräußerungsvermutung bis zum Zerreißen gespannt.129 Beiden Fallgruppen war gemein, dass die ausgebliebene Ware nicht zur Weiterveräußerung bestimmt war, wobei es dem Staat noch zusätzlich an der Kaufmannseigenschaft mangelte. Eine gewinnbringende Weiterveräußerung war folglich nach einem typischen Geschehensablauf nicht zu erwarten. Dennoch sprach das Reichsgericht dem Käufer in der Mehrzahl dieser Fälle einen Anspruch auf Ersatz des entgangenen Weiterveräußerungsgewinnes zu. Legt man die in diesen Entscheidungen zum Ausdruck kommende Abstrahierung der Weiterveräußerungsvermutung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB zugrunde, ließe sich der entgangene Gewinn des nicht belieferten Käufers ebenfalls als „Jedermannsschaden“ klassifizieren, sodass der Ansatz der Rechtsprechung sich letztlich doch der abstrakten Schadensberechnung im engeren und im weiteren Sinne annähern würde. Allerdings muss dem Umstand, dass es sich bei § 252 S. 2 Alt. 1 BGB lediglich um eine widerlegbare Vermutung handelt, ausreichend Rechnung getragen werden.130 Daher muss dem Verkäufer der Gegenbeweis offen bleiben, dass eine Weiterveräußerung nicht dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge entsprochen hätte. Dass dabei ein entsprechender Gegenbeweis gegenüber einem Kaufmann schwieriger zu führen ist, bedeutet keine Abstraktion von der Wirklichkeit, sondern entspricht eben dieser.131 Es bleibt somit festzuhalten, dass der Weiterveräußerungsvermutung, die aus dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge fließt, Grenzen zu setzen sind und damit keinesfalls von einem „Jedermanns­ schaden“ die Rede sein kann.132 Die größte Divergenz zwischen § 252 S. 2 Alt. 1 BGB und den beiden anderen Berechnungsmodi liegt in den unterschiedlichen Anknüpfungspunkten. Während die abstrakte Schadensberechnung sowohl im engeren als auch im weiteren Sinne unmittelbar am Wert der Leistung ansetzt, stellt die Weiterveräußerungsvermutung auf einen hypothetischen Geschehensablauf ab. Wäre danach die Lieferung marktgängiger Waren ordnungsgemäß erfolgt, hätte ein nicht belieferter Kaufmann diese auf seinem Absatzmarkt zumindest zum Marktpreis weiterveräußert. Bleibt die Leistung aus, entgeht dem 128  Zum Eigengebrauch des Kaufmannes siehe RG, 12.03.1921, I 297/20, RGZ 101, 421 (423). Nach der Begründung des Reichsgerichtes hätte es zu kurzfristigen Marktschwankungen kommen können, sodass ein Weiterverkauf für den Käufer plötzlich attraktiv wird. 129  Dazu auch: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 57–60. 130  So die allgemeine Ansicht. Siehe dazu nur: Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 252 Rn. 16. 131  So schon zutreffend: Staudinger/Medicus, 12. Aufl., 1983, § 252 Rn. 25. 132  Siehe zur extensiven Auslegung der Weiterveräußerungsvermutung und dem personellen Anwendungsbereich unter: 1. Kap. B. V.

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

Schadensersatzgläubiger die erwartete Weiterveräußerungsmöglichkeit. Dieser Vorgang beschreibt gerade keinen abstrakten, sondern vielmehr einen konkreten Schaden. Es wird auf der Grundlage des gewöhnlichen Verlaufes der Dinge vermutet, dass der Käufer einen konkreten Abnehmer gefunden hätte. Den Nachweis einer solchen tatsächlichen Absatzmöglichkeit muss er aufgrund der Beweiserleichterung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB allerdings nicht führen. Es wird insofern der Eintritt eines konkreten Schadens in Form einer entgangenen Weiterveräußerungsmöglichkeit zum Marktpreis widerlegbar angenommen. In diesem Zusammenhang von einer abstrakten Schadensberechnung zu sprechen, ist schlichtweg irreführend.133 Daher ist die Bezeichnung konkrettypisierend zu bevorzugen.134 Dieser Terminus leitet sich aus der typisierenden Betrachtungsweise des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB und aus der Tatsache, dass es sich um die erleichterte Geltendmachung eines konkreten Schadens handelt, ab.

IV. Die Berechnungsparameter Auch wenn § 252 S. 2 Alt. 1 BGB nach der hier vertretenen Ansicht keine abstrakte Schadensberechnung, sondern lediglich eine konkrete Schadensermittlung ermöglicht,135 wird von einem ausdrücklichen Abrücken des Bundesgerichtshofes von dieser missverständlichen Terminologie nicht zu rechnen sein.136 Daher soll ebenso die Schadensbemessungsform nach § 252 S. 2 Alt. 1 BGB einer genaueren Untersuchung unterzogen werden, da auch bei dieser Form der Schadensermittlung letztlich dieselben sachlichen Fragen der Schadensberechnung inmitten stehen, wie bei der abstrakten Schadensermittlung im engeren und im weiteren Sinne. Dies gilt, obwohl die beiden letztgenannten Formen unmittelbar am Wert der nichterbrachten Leistung anknüpfen, wohingegen § 252 S. 2 Alt. 1 BGB auf einen typischen Geschehensablauf verweist. Die für die Ermittlung der Schadenshöhe notwendigen Kernelemente sind hierbei die Berechnungsparameter, die es im nachfolgenden Teil der Arbeit zu bestimmen gilt.

133  Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, 1. Band, Allgemeiner Teil, 14. Aufl., 1987, § 29 III, S. 512. 134  Ebenso: Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, 1. Band, Allgemeiner Teil, 14. Aufl., 1987, § 29 III, S. 513. 135  Dazu bereits unter: 1. Kap. B. III. 136  So bereits schon: Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im Bürger­ lichen Recht, 1967, S. 76 Fn. 76.



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung49

1. Der maßgebliche Marktpreis Verlangt der nicht belieferte Käufer die Differenz zwischen dem Vertragspreis und seinem anhand des Marktpreises bestimmten durchschnittlichen Gewinn, gilt es zu ergründen, wie ein Marktpreis zu ermitteln ist, welche ökonomischen Grundlagen zu beachten sind und ob der Markteinkaufs- oder der Marktverkaufspreis heranzuziehen ist. a) Die Bestimmung des Marktpreises Der Marktpreis stellt das zentrale Glied für die Bestimmung der Schadenshöhe dar. Hierbei kann der nicht belieferte Käufer auch den Börsenpreis ansetzen. Dieser erfasst alle Preise, die nach § 24 Abs. 1 S. 1 BörsG während der Börsenzeit an einer Börse festgestellt werden.137 Der Börsenpreis ist somit als eine Unterart des Marktpreises zu verstehen.138 Doch wie ist der Marktpreis zu bestimmen, wenn kein entsprechender Börsenpreis vorliegt? Dazu wurde vorgeschlagen, auf den Preis abzustellen, der für eine Ware einer bestimmten Gattung und Art bei einer gewöhnlichen Marktlage an dem Handelsplatz, an dem die Ware einen Markt hat, zu einer gewissen Zeit im Durchschnitt erzielt wird.139 Dieser Definitionsversuch sah sich jedoch zurecht Kritik ausgesetzt, da der einfache Verweis auf den allgemeinen Durchschnittspreis keine hinreichende Abgrenzung zum laufenden Preis ermöglicht. Dieser Preis wird als Durchschnittswert verstanden, den eine Ware an einem bestimmten Tag oder Ort tatsächlich erzielt hat,140 wobei Angaben über Angebot und Nachfrage nicht ausreichend sind.141 Der laufende Preis wird zudem durch die Besonderheit geprägt, dass starke Preisausschläge nach „oben“ oder „unten“ nicht berücksichtigt werden.142

137  Siehe für nähere Ausführungen zum Börsenpreis: Schwark/Zimmer/Kumpan, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl., 2020, § 24 BörsG Rn. 6 f. 138  Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 4. Aufl., 1965, § 373 Rn. 25; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Müller, HGB, 3. Aufl., 2015, § 373 Rn. 33. 139  BOHG, 13.04.1871, 130/71, BOHGE 2, 194 (196); ROHG, 27.11.1872, II 684/72, ROHGE 8, 98 (100); BGH, 24. 01. 1979, VIII ZR 16/78, NJW 1979, 758 (759); Oetker/Koch, HGB, 7. Aufl., 2021, § 374 Rn. 44; Hopt/Leyens, 42. Aufl., 2023, § 374 Rn. 12. 140  MünchKomm/Grunewald, HGB, 5. Aufl., 2021, § 374 Rn. 34; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Achilles, HGB, 4. Aufl., 2020, § 373 Rn. 31. 141  Statt aller: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Achilles, HGB, 4. Aufl., 2020, § 373 Rn.  31 m. w. N. 142  Staub/Koller, HGB, Großkommentar, Band 9, 5. Aufl., 2013, § 374 Rn. 42; MünchKomm/Grunewald, HGB, 5. Aufl., 2021, § 374 Rn. 34.

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

Das Gleichsetzen beider Preisarten wird dem Umstand nicht gerecht, dass es für die Ermittlung des Marktpreises vorrangig auf den amtlich festgestellten Preis ankommt,143 der im Wege einer fortlaufenden Preisnotierung ermittelt wurde.144 Im 19. Jahrhundert wurde sogar vereinzelt diskutiert, ob amtliche Preisfeststellungen das einzige probate Mittel wären, um den Marktpreis bestimmen zu können.145 Dieses Erfordernis konnte jedoch schon aus Praktikabilitätsgründen nicht überzeugen, da es vielerorts an entsprechenden amtlichen Einrichtungen fehlte, sodass diese Anforderung richtigerweise von der Rechtsprechung abgelehnt wurde.146 Daher ist es auch unbestritten, dass private Einrichtungen entsprechende Preisfestsetzungen vornehmen können, sofern sie mit staatlichen Einrichtungen in puncto Ansehen und Zuverlässigkeit vergleichbar sind.147 Der Marktpreis stellt den Durchschnittswert dieser von amtlicher oder privater Seite vorgenommenen Preisnotierungen dar. Um die „gewöhnliche“ Marktlage besser darzustellen, sind in Anlehnung an den laufenden Preis starke punktuelle preisliche Ausreißer nicht in den Durchschnittswert miteinzubeziehen. Dies dient dem Schutz der Marktteilnehmer vor zufälligen, vereinzelten Ausschlägen, die in keiner Weise der aktuellen Marktlage entsprechen.148 Erst wenn sich aufgrund einer fehlenden amtlichen oder privaten Preisnotierung kein Marktpreis ermitteln lässt, kann subsidiär auf einen allgemeinen Durchschnittspreis abgestellt werden, der dann als Marktpreis für den Schadensersatzanspruch heranzuziehen ist.149 Ein Rückgriff auf diesen Durch143  Als Beispiel für eine solche amtliche Preisnotierung kann auf die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft bei Schlachtvieh gem. der 1. Fleischgesetz-Durchführungsverordnung verwiesen werden. Bei Börsen gibt es seit der Einführung des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes im Jahre 2002 keine amtliche Kursfeststellung mehr. Vgl. BGBl. I S. 2010. 144  Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Müller, HGB, 3. Aufl., 2015, § 373 Rn. 33. 145  BOHG, 13.04.1871, 130/71, BOHGE 2, 194 (195). 146  BOHG, 13.04.1871, 130/71, BOHGE 2, 194 (195). 147  Siehe dazu bereits: Staub, ADHGB, 3. und 4.  Aufl., 1896, Art. 353 § 3a (S. 886); Düringer/Hachenburg/Hoeniger, HGB, 3. Aufl., 1932 Band V, 1 Einl. Anm. 14 b); vgl. auch: RG, 23.01.1895, I 345/94, RGZ 34, 117 (121); Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl., 1982, § 373 Rn. 25; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Achilles, HGB, 4. Aufl., 2020, § 373 Rn. 19. Als Beispiel für solche privaten Einrichtungen können landwirtschaftliche Genossenschaften angeführt werden. 148  Vgl. hierzu schon: Staub, ADHGB, 3. und 4.  Aufl., 1896, Art. 353 § 3a (S. 886). 149  RG, 23.01.1895, I 345/94, RGZ 34, 117 (121); Heymann/Emmerich/Hoffmann, HGB, 2. Aufl., 2005, §§ 373, 374 Rn. 18; Staub/Koller, HGB, Großkommentar, Band 9, 5. Aufl., 2013, § 374 Rn. 40. Ein Rückgriff auf die subsidiäre Ermittlungs­ methode ist ferner zulässig, wenn sich der von den amtlichen oder privaten Einrichtungen festgestellte Marktpreis als unrichtig herausstellt. Siehe dazu: Staub, ADHGB, 3. und 4. Aufl., 1896, Art. 353 § 3a, S. 886.



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung51

schnittswert steht jedoch unter der Prämisse, dass die Ware an dem maßgeblichen Ort und zu der maßgeblichen Zeit in ausreichendem Maße gehandelt wurde.150 Dabei sind nur die tatsächlich erzielten Preise in den allgemeinen Durchschnittspreis miteinzubeziehen.151 Zudem sollen auch in diesem Fall preisliche Ausreißer keine Berücksichtigung finden, sodass der Marktpreis aus dem laufenden Preis zu entwickeln ist.152 Diese Auffassung kam bereits in Art. 353 ADHGB153 zum Ausdruck, der den laufenden Preis sowohl im Rahmen der festgestellten Preise als auch bei der Bestimmung des allgemeinen Durchschnittswertes heranzog. Durch diese stufenweise Marktpreis­ ermittlung wird der Schutz der Marktteilnehmer bezweckt, die auf eine neutrale Bestimmung des Marktpreises angewiesen sind.154 Dafür bieten sich idealerweise amtliche oder private Preisfestsetzungen an. Liegen diese nicht vor, kann sich ein vergleichbarer Schutz anhand des allgemeinen Durchschnittspreises ergeben. Durch die Vielzahl der in diesen Preis einfließenden Werte wird ebenfalls ein hohes Maß an Objektivität gewährleistet.155 Im Umkehrschluss zu den obigen Ausführungen können Listenpreise daher nicht als Marktpreise qualifiziert werden. Listenpreise zeichnen sich dadurch aus, dass der Verkäufer die Ware zu diesem Preis zu veräußern pflegt und sich dieser Preis aus einer Preisliste – beispielsweise einem Katalog – ergibt. Im Gegensatz zum Marktpreis ist der Listenpreis daher einseitig vom Verkäufer festgelegt, während sich der Marktpreis aus der von Verkäufer- und Käuferseite gemeinsam gebildeten Bewertung ergibt. Markt- und Listenpreis dürfen daher nicht gleichgesetzt werden.156 150  Zu den Voraussetzungen dieses Vorgehens: RG, 01.12.1900, I 272/00, RGZ 47, 104 (113); Heymann/Emmerich/Hoffmann, HGB, 2. Aufl., 2005, §§ 373, 374 Rn. 18; Staub/Koller, HGB, Großkommentar, Band 9, 5. Aufl., 2013, § 374 Rn. 40. 151  RG, 23.01.1895, I 345/94, RGZ 34, 117 (121 f.); siehe auch: Schlegelberger/ Hefermehl, HGB, 5. Aufl., 1982, § 373 Rn. 26. 152  Ebenso, jedoch ohne Begründung: Staub/Würdinger/Röhricht, HGB, Großkommentar, 3. Aufl., 1970, Vor § 373 Anm. 55. 153  Art. 353 ADHGB lautete: „Ist im Vertrage der Marktpreis oder der Börsenpreis als Kaufpreis bestimmt, so ist im Zweifel hierunter der laufende Preis, welcher zur Zeit und an dem Orte der Erfüllung oder an dem für letzteren maaßgebenden Handelsplatze nach den dafür bestehenden örtlichen Einrichtungen festgestellt ist, in Ermangelung einer solchen Feststellung oder bei nachgewiesener Unrichtigkeit derselben, der mittlere Preis zu verstehen, welcher sich aus der Vergleichung der zur Zeit und am Orte der Erfüllung geschlossenen Kaufverträge ergiebt.“ 154  Vgl. MünchKomm/Grunewald, HGB, 5. Aufl., 2021, § 374 Rn. 31. 155  MünchKomm/Grunewald, HGB, 5. Aufl., 2021, § 374 Rn. 31. 156  So auch: BGH, 01.02.1984, VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69 (72); siehe ferner zur Bedeutung von Listenpreisen: Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., 1991, § 453 Rn. 4; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Müller, HGB, 3. Aufl., 2015, § 373 Rn. 34; MünchKomm/Grunewald, HGB, 5. Aufl., 2021, § 374 Rn. 31.

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

Des Weiteren lässt sich kein Marktpreis für unvertretbare Waren ermitteln. Anders als vertretbare Waren im Sinne des § 91 BGB lassen sich diese beweglichen Sachen gerade nicht nach Zahl, Maß oder Gewicht bestimmen. Lediglich für Objekte, die dem Markt an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit in hypothetisch „beliebiger“ Menge zur Verfügung stünden,157 lässt sich ein Durchschnittswert bilden. Etwas anderes könnte beispielsweise bei Immobilien gelten, wenn es sich um identische Wohnungen in einem Wohnhaus handeln würde.158 Auch bei Gebrauchtwagen müssten die verschiedenen Modelle in ihrer Beschaffenheit faktisch identisch sein.159 Dass sich in der Folge für solche Objekte in der Regel nach den oben bezeichneten Wegen kein Marktpreis ermitteln lässt, schließt sie jedoch nicht zwangsläufig von der konkret-typisierenden Schadensberechnung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB aus, da anstelle des Marktpreises auch gegebenenfalls andere Werte in den Schadensersatzanspruch eingestellt werden können.160 b) Markteinkaufs- oder Marktverkaufspreis Die Höhe des Schadensersatzanspruches ist maßgeblich vom jeweiligen Marktpreis abhängig, der in die Schadensberechnung eingestellt wird. Für den nicht belieferten Käufer kommen hier zwei Ansatzpunkte in Betracht: Der Marktpreis auf seinem Beschaffungsmarkt (= Markteinkaufspreis) oder der Marktpreis auf seinem Absatzmarkt (= Marktverkaufspreis). Beide Märkte werden durch eine Marktstufe voneinander getrennt. aa) Die ökonomische und schadensrechtliche Bedeutung von Marktstufen161 Marktstufen entstehen, wenn Waren über eine Handelskette gehandelt werden. Die Anzahl der Glieder dieser Ketten kann variieren. So kann der Landwirt, der seine Ware selbst anbaut, diese direkt an den Konsumenten weiter157  RG, 29.01.1909, II 299/08, LZ 1909, Spalte 478 Nr. 4; BGH, 02.12.1994, V ZR 193/93 NJW 1995, 587 (588); Knütel, AcP 202 (2002), 555 (564). 158  BGH, 02.12.1994, V ZR 193/93 NJW 1995, 587 (588). 159  Vgl. zur Absatzfähigkeit von Gebrauchtwagen: BGH, 08.10.1969, VIII ZR 20/68, NJW 1970, 29 (32 f.); BGH, 29.06.1994, VIII ZR 317/93, BGHZ 126, 305 (308–313). 160  Hier ist insbesondere an den Verkäuflichkeitspreis zu denken. Dazu unter: 1. Kap. B. IV. 1 c). 161  Ausführlich und mit vielen Nachweisen dazu: Flume, AcP 215 (2015), 282 (312 f.); ders., Marktaustausch, 2019, S. 74–77; aus der ökonomischen Literatur: Seyffert, Wirtschaftslehre des Handels, 5. Aufl., 1972, S. 634–645; vgl. auch: Freiling/Reckenfelderbäumer, Markt und Unternehmung, 3. Aufl., 2010, S. 191.



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung53

veräußern. Diese sehr kurzen Handelsketten, die auch Direktketten genannt werden,162 sind gerade in der Landwirtschaft nicht unüblich. Allerdings entspricht diese Form der Direktvermarktung auch nicht immer die Regel. So durchlaufen die Erzeugnisse häufig mehrere Stufen bis sie schließlich beim Endverbraucher ankommen. So werden beispielsweise Waren vom Produzenten an Großhändler geliefert, die diese wiederum an Einzelhändler liefern. Von dort aus erreichen die Waren schließlich den Konsumenten.163 Diese Absatzketten beschreiben demnach den Warenweg eines Produktes, das in seinem stoffgleichen Charakter unverändert bleibt. Anfang und Ende jeder Kette sind Erzeuger und Verwender. Der Landwirt ist hier als (Ur-)Erzeuger zu klassifizieren, während der Konsument als Verwender zu verstehen ist. Zwischenhändler stellen dabei weitere Glieder der Kette dar.164 Diesen Händlern kommen in einer Handelskette vor allem distributive und kollektivierende Aufgaben zu.165 Die einzelnen Kettenglieder sind durch die jeweiligen Markstufen voneinander getrennt. Diese Stufen resultieren aus dem Grundsatz, dass der Nettoverkaufspreis über dem Nettoeinkaufspreis liegen soll, sodass der Veräußerer zulasten des nachfolgenden Kettengliedes einen Gewinn erwirtschaftet.166 Aufgrund dieser Abstufungen ergeben sich für die jeweiligen Marktstufen unterschiedliche Marktpreise. In einer modellhaften Handelskette können dabei drei verschiedene Märkte beobachtet werden. Jeder dieser Märkte bildet eine eigene Marktstufe. So besteht ein eigener Markt zwischen dem Produzenten und dem Großhändler, dem Großhändler und dem Einzelhändler und zwischen dem Einzelhändler und dem Verbraucher.167 Innerhalb derselben Marktstufe ist der Markteinkaufspreis des Käufers mit dem Marktverkaufspreis des Verkäufers identisch. Daher existiert für Waren kein allgemein gültiger, objektiver Wert, der für jedermann identisch ist.168 Häufig durchläuft eine Ware jedoch nicht nur eine einzelne Handelskette, sondern mehrere Ketten hintereinander (Kettenfolgen). Dabei ist der VerwenWirtschaftslehre des Handels, 5. Aufl., 1972, S. 634. zu den verschiedenen Formen der Handelsketten: Seyffert, Wirtschaftslehre des Handels, 5. Aufl., 1972, S. 634 f. 164  Zum Ganzen: Seyffert, Wirtschaftslehre des Handels, 5. Aufl., 1972, S. 634. 165  Vgl. Seyffert, Wirtschaftslehre des Handels, 5. Aufl., 1972, S. 634; Flume, Marktaustausch, 2019, S. 76. 166  Flume, AcP 215 (2015), 282 (312). 167  Flume, AcP 215 (2015), 282 (312 f.); ders., Marktaustausch, 2019, S. 75; vgl. zur Entstehung von Marktstufen auch: Singer, JZ 2001, 195 (196); zu marktbedingten Preisdifferenzen bei Krediten siehe: Zwanzig, BB 1980, 1282 (1283). 168  So schon: Goldschmidt, Handbuch des Handelsrechts. 2. Aufl., Zweiter Band, 1883, § 64a, S. 95; Flume, AcP 215 (2015), 282 (312 f.); ders., Marktaustausch, 2019, S. 75. 162  Seyffert,

163  Umfassend

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

der der vorangegangenen Kette auch gleichzeitig der Erzeuger und damit der Beginn einer neuen Kette. So erzeugt der Landwirt in seinem Betrieb Milch, die dann wiederum an eine Molkerei geliefert wird. Diese stellt daraus Milchprodukte wie Käse und Butter her. Der Landwirt ist demnach (Ur-)Erzeuger und die Molkerei ist sowohl Verwender und damit das Ende der einen Handelskette als auch gleichzeitig Erzeuger (der Milchprodukte) und damit der Beginn einer neuen Kette.169 Die mit der Verarbeitung verbundene Wertsteigerung (= Wertschöpfung170) unterscheidet die Erzeuger von reinen Zwischenhändlern, für die die Ware lediglich einen „Durchgangsposten“ darstellt. Diese Händler sind einzig an dem hinter dem Warenerwerb stehenden Geldäquivalent interessiert, das mittels gewinnbringenden Weiterverkaufs abgeschöpft werden soll.171 Handelt es sich bei der nicht gelieferten Ware gerade um einen solchen „durchlaufenden“ Posten, hat dies Auswirkungen auf den Marktpreis, der für die Schadensberechnung zu ermitteln ist. Dabei kann nicht einfach auf einen beliebigen Markt verwiesen werden, da die Marktteilnehmer in der Regel nur Zugang zu einem bestimmten Marktsegment haben werden und die Ware innerhalb dieses Bereiches erwerben oder absetzen können. Neben sach­lichen Kriterien (welche Leistung wird angeboten) über zeitliche Komponenten (ganzjährige oder saisonale Produktion/Distribution) sowie räumliche Aspekte (welche Regionen umfasst der Markt) kommt es entscheidend darauf an, auf welcher Marktstufe der Anbieter seine Waren absetzt.172 So kommen für den Zwischenhändler in der Regel die Einzelhändler und gerade nicht die Konsumenten als Abnehmer in Betracht. Diese verschiedenen Aspekte grenzen den Markt für die Anbieter ein. Der für die Marktteilnehmer zugängliche Marktbereich wird als relevanter Markt bezeichnet.173 Auf diesem relevanten Markt „treffen“ sich schließlich die Vertragsparteien.174 Zwar wurde die grundlegende Bedeutung von Marktstufen bereits unter dem Geltungsbereich des ADHGB von der Rechtsprechung erkannt,175 je169  Dazu ausführlich: Seyffert, Wirtschaftslehre des Handels, 5. Aufl., 1972, S. 634 f.,

638 f.

Wirtschaftslexikon, 10. Aufl., 2008, S. 815 (Stichwort: „Wertschöpfung“). dazu: Goldschmidt, Handbuch des Handelsrechts. 2. Aufl., Zweiter Band, 1883, § 64, S. 87. 172  Umfassend zu den einzelnen Kriterien: Freiling/Reckenfelderbäumer, Markt und Unternehmung, 3. Aufl., 2010, S. 95 f. 173  Freiling/Reckenfelderbäumer, Markt und Unternehmung, 3. Aufl., 2010, S. 95. 174  Zu dem Begriff des „sich treffens“ sowie zum Ganzen: Flume, Marktaustausch, 2019, S. 76. 175  Auf den Einkaufspreis abstellend: ROHG, 18.10.1873, II 683/73, ROHGE 11, 103 (104); ROHG, 11.10.1873, II 784/73, ROHGE 11, 182 (183); ROHG, 03.09.1874, II 958/74, ROHGE 14, 140 (142); ROHG, 21.10.1875, III 867/75, ROHGE 18, 215; 170  Woll, 171  Vgl.



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung55

doch traten zur Zeit des Reichsgerichtes immer noch Unsicherheiten und ein fehlendes Bewusstsein bezüglich der ökonomischen Grundlagen zu Tage. So wurde etwa der Betrag, den der Käufer für eine Ersatzbeschaffung der ausgebliebenen Waren hätte aufwenden müssen, mit dem Marktpreis auf seinem Absatzmarkt gleichgesetzt.176 Während sich das Reichsoberhandelsgericht meist dazu entschied, den Einkaufspreis des nicht belieferten Käufers in die abstrakte Schadensberechnung einzustellen,177 kann diese Tendenz ab der Zeit des Reichsgerichtes nicht mehr festgestellt werden.178 Auch rückten im Zuge der im Jahre 1907 vollzogenen Rechtsprechungsänderung die Auswirkungen der jeweiligen Marktstufen immer weiter in das Bewusstsein des Schrifttums.179 Nur noch vereinzelt wurde der Markteinkaufspreis mit dem Marktverkaufspreis des Käufers gleichgesetzt.180 Die Marktstufen sind unablässig für die Ermittlung des für die Schadensberechnung maßgeblichen Marktpreises. So ist die Stellung des nicht belieferten Käufers innerhalb der Handelskette zu ermitteln und im Anschluss zu untersuchen, ob der von ihm geforderte Schadensposten anhand seines Beschaffungs- oder Absatzmarktes zu bestimmen ist. Nur auf diese Weise kann der Schaden zutreffend ermittelt werden. Wird ein Zwischenhändler nicht beliefert, ist dessen entgangener Gewinn nicht automatisch gleichzusetzen mit dem eines Einzelhändlers oder gar eines Verbrauchers, dem regelmäßig durch die ausgebliebene Lieferung überhaupt kein Gewinn entgehen wird. Eine Durchbrechung der verschiedenen Markstufen könnte somit diametral zu dem schadensrechtlichen Ausgleichsprinzip stehen, das als tragende Säule des Schadensrechtes dem Geschädigten einen Ersatz für die erlittenen Nachteile gewähren will.181 Eine Missachtung der jeweiligen Marktstufe könnte auf den Verkaufspreis Bezug nehmend: BOHG, 13.04.1871, 130/71, BOHGE 2, 194 (197 f.). 176  RG, 12.03.1921, I 297/20, RGZ 101, 421 (423); dazu auch: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 18. 177  Siehe dazu die Nachweise in ROHG, 04.06.1872, I 262/72, ROHGE 6, 225 (226); ROHG, 22.01.1873, II 731/72, ROHGE 10, 169 (170 f.); ROHG, 11.10.1873, II 784/73, ROHGE 11, 182 (183); ROHG, 03.09.1874, II 958/74, ROHGE 14, 140 (142); ROHG, 05.05.1875, II 516/75, ROHGE 17, 255 (259 f.); ROHG, 21.10.1875, III 867/75, ROHGE 18, 215. 178  Noch unter der Geltung des ADHGB: RG, 04.12.1880, I 131/79, RGZ 4, 1 (4 f.). 179  Lesser, JW 1916, 1328; Frankenburger, JW 1925, 546 (556); Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl., 1926, Band 3, Anh. zu § 374 Anm. 60. 180  So aber: Philippe, Der Schuldnerverzug beim gewöhnlichen Handelskauf, 1911, S. 64. 181  Soergel/Ekkenga/Kuntz, BGB 13. Aufl., 2014, Vor § 249 Rn. 26; Erman/Ebert, BGB, Band 1, 16. Aufl., 2020, Vor § 249 Rn. 1; MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 249 Rn. 8 m. w. N.; dazu auch unter: 1. Kap. C. II.

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

folglich dazu führen, dass dem Käufer ein zu geringer oder sogar ein zu großer Schaden ersetzt wird. bb) Der Marktpreis bei einem entgangenen Gewinn Verlangt der Käufer die Differenz zwischen Vertragspreis und dem Marktpreis zu dem er die nicht gelieferte Ware nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge hätte veräußern können, ist der Marktpreis seines Absatzmarktes (= Marktverkaufspreis) für die Schadensberechnung entscheidend. Der Schadensposten ist dabei der entgangene Gewinn des Käufers. Folgt man hingegen der überwiegenden Literaturansicht, die den abstrakten Schadensersatz des Käufers anhand eines von ihm hypothetisch durchgeführten Deckungsgeschäftes berechnet, so sind die Kosten dieses Geschäftes auf dem Beschaffungsmarkt des Käufers zu bestimmen (= Markteinkaufspreis).182 Hierbei wird als Schadensposten auf den ausgebliebenen Warenwert abgestellt.183 Beide Ansatzpunkte knüpfen an unterschiedliche Märkte an, die aufgrund einer Marktstufe voneinander getrennt sind. Diese Grenze sollte in einer vielbeachteten Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahre 1997 in Frage gestellt werden:184 Die Klägerin verkaufte der Beklagten 80 bis 100 Tonnen Himbeeren und 60 Tonnen Himbeergrieß. Allerdings blieb die Lieferung von 54 Tonnen Himbeeren auch nach mehrmaligen Aufforderungen durch die Beklagte aus. Der Vertragspreis betrug 2,13 DM pro kg Heimbeeren. Die Klägerin verlangte nun u. a. Zahlung des Kaufpreises. Die Beklagte erklärte die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch wegen der nicht gelieferten Teilmenge mit dem Hinweis, dass der Marktpreis auf ihrem Beschaffungsmarkt mittlerweile bei 4,30 DM pro Kilogramm läge und sie den Schaden aufgrund der teilweisen Nichterfüllung durch die Klägerin „abstrakt“ berechnen wolle.

Der Bundesgerichtshof bejahte den anhand des Markteinkaufspreises berechneten Schadensersatzanspruch der Beklagten, sodass es zu einem Bruch mit der 90 Jahre lang bestehenden Rechtsprechung kam, die die abstrakte Schadensberechnung des Käufers als entgangenen Gewinn verstand.185 An182  Rabel, Das Rechte des Warenkaufs, 1. Band, 1936, S. 457; Steindorff, AcP, 158 (1959/60), 431 (463); Soergel/Wiedemann, BGB, 11. Aufl., 1986, § 325 Rn. 46; Huber, Leistungsstörungen, Band 2, 1999, § 38 III 3, S. 248; MünchKomm/Emmerich, 9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 34. 183  Rabel, Das Recht des Warenkaufs, 1. Band, 1936, S. 451; Huber, Leistungsstörungen, Band 2, 1999, S. 249. 184  BGH, 19.11.1997, VIII ZR 33/36, WM 1998, 931 (931 f.); zu den Besonderheiten dieser Entscheidung auch schon: Huber, Leistungsstörungen, Band 2, 1999, 246 f. 185  RG, 23.04.1907, II 453/06, LZ 1907 Nr. 9 Spalte 501 = Holdheim 1908, 17 (17 f.); BGH, 16.03.1959, III ZR 20/58, BGHZ 29, 393 (399); BGH, 17.12.1963, V ZR 186/61, NJW 1964, 661 (662); BGH, 02.03.1988, VIII ZR 380/86, NJW 1988,



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung57

statt jedoch diese Ansicht mit materiell-rechtlichen Erwägungen zu begründen, bediente sich der VIII. Zivilsenat auch in diesem Fall der Beweiserleichterung des § 252 S. 2 BGB.186 Durch die widerlegbare Vermutung, dass ein Weiterverkauf durch einen Kaufmann dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge entspricht, sollte es diesem möglich sein, den Schaden anhand des Markteinkaufspreises oder des Marktverkaufspreises „abstrakt“ zu berechnen. Die Berechnung auf Basis des Markteinkaufspreises sei dabei Teil des gewöhnlichen Geschehensablaufes, da der Käufer diese Kosten typischerweise aufgewendet hätte, um die Verpflichtung aus dem Absatzgeschäft zu erfüllen.187 Hinter dieser Entscheidung standen wohl insbesondere praktische Erwägungen. Sollte ein Marktverkaufspreis vom Schadensersatzgläubiger nicht nachgewiesen werden können, verbliebe ihm noch immer der Rückgriff auf seinen eigenen Beschaffungsmarkt.188 Zwar ist dieser Beweggrund nachvollziehbar, jedoch verfängt die zugrunde liegende Begründung nicht. Der entgangene Gewinn knüpft ausschließlich am Absatzmarkt des nicht belieferten Käufers an. Rekurriert der Bundesgerichtshof über die Beweiserleichterung des § 252 S. 2 BGB auf den Beschaffungsmarkt, verschwimmen die Grenzen der verschiedenen und voneinander getrennten Märkte.189 Durch den Verweis auf den Markteinkaufspreis betreibt der VIII. Zivilsenat über die Beweiserleichterung des § 252 S. 2 BGB somit im Ergebnis keine konkret-typisierende Schadensbemessung, sondern vielmehr eine abstrakte Schadensberechnung im engeren oder zumindest im weiteren Sinne.190 Diese beiden Berechnungsmodi rücken den Verkehrswert der nicht gelieferten Ware, der grundsätzlich anhand des Beschaffungspreises ermittelt wird,191 in den Fokus der Schadensberechnung. Wie allerdings noch zu zeigen sein wird, haben diese Formen der Schadensberechnung materiell-rechtliche Wurzeln und lassen sich nicht mit der Beweiserleichterung des § 252 S. 2 BGB erklären.192 Anstatt sich also auf die Anfänge der abstrakten Schadensberechnung zurückzubesinnen und einen Anspruch des Käufers zwischen Vertrags2234 (2236 f.); BGH, 30.05.2001, VIII ZR 70/00, NJW-RR 2001, 1542; BGH, 27.10.2010, XII ZR 128/09, BeckRS 2010, 27763. 186  BGH, 19.11.1997, VIII ZR 33/36, WM 1998, 931. 187  BGH, 19.11.1997, VIII ZR 33/36, WM 1998, 931. 188  Huber, Leistungsstörungen, Band 2, 1999, S. 247. 189  Zu den Folgen bereits unter: 1. Kap. B. IV. 1. b). 190  Dazu bereits unter: Einl. B. I. 191  Dazu unter: 1. Kap. D I. 1. und 1. Kap. E. I. 192  Zur abstrakten Schadensberechnung im engeren Sinne insbesondere unter: 1. Kap. C. I.; zur abstrakten Schadensberechnung im weiteren Sinne unter: 1. Kap. D. I. 2.

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

preis und Markteinkaufspreis als allgemeinen Grundsatz anzuerkennen,193 blieb die Beweiserleichterung des § 252 S. 2 BGB, auch unter Zugrundelegung des Beschaffungsmarktes, das Zentrum der abstrakten Berechnungsmethode. c) Waren ohne Markt- oder Börsenpreis Zielt der nach § 252 S. 2 Alt. 1 BGB berechnete Schadensersatzanspruch auf die Differenz zwischen Vertragspreis und höherem Marktverkaufspreis ab, stellt sich zwangsläufig die Frage, ob die Ermittlung eines Marktpreises konstitutiv für diese Berechnungsmethode ist oder ob eine konkret-typisierende Schadensberechnung auch bei Waren möglich ist, für die sich kein entsprechender Marktverkaufspreis bestimmen lässt. Die Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichtes194 sowie des Reichsgerichtes195 und die damalige überwiegende Literaturansicht196 gestatteten dem Käufer auch, den Verkäuflichkeitspreis anstelle des Marktpreises in die Schadensberechnung einzustellen. Darunter ist der Preis zu verstehen, zu dem der Käufer die Ware zu verkaufen pflegt,197 beziehungsweise der Preis, zu dem allgemein derartige Waren verkäuflich waren.198 Dieser großzügige Ansatz wurde in jüngerer Vergangenheit nicht mehr verfolgt. Vielmehr sei die Schadensberechnung des Käufers nach § 252 S. 2 Alt. 1 BGB an das Vorliegen eines Marktpreises gebunden.199 Dieses Erfordernis ist zum einen auf die durch den Marktpreis verbriefte Absatzfähigkeit der Ware zurückzuführen. Regelmäßig wird sich ein Marktpreis nur ermitteln lassen, wenn das Objekt auch in ausreichendem Umfang gehandelt wird. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass der Käufer die Ware im Falle einer ordnungsgemäßen Erfüllung tatsächlich hätte absetzen können. Zum anderen spiegelt der Marktpreis die tatsächliche 193  Für den Bereich der Handelsgeschäfte: ROHG, 04.06.1872, I 262/72, ROHGE 6, 225 (226); ROHG, 22.01.1873, II 731/72, ROHGE 10, 169 (170 f.); ROHG, 11.10.1873, II 784/73, ROHGE 11, 182 (183); ROHG, 03.09.1874, II 958/74, ROHGE 14, 140 (142); ROHG, 05.05.1875, II 516/75, ROHGE 17, 255 (259 f.); ROHG, 21.10.1875, III 867/75, ROHGE 18, 215. 194  ROHG, 11.10.1873, II 784/73, ROHGE 11, 182 (183). 195  RG, 04.12.1880, I 131/79, RGZ 4, 1 (5); RG, 20.03.1908, VII 268/07, RGZ 68, 163 (166); RG, 12.03.1921, I 297/20, RGZ 101, 421 (423); vgl. auch: RG, 09.01.1920, II 307/19, LZ 1920 Nr. 1 Spalte 610 (610 f.). 196  Makower, HGB, 1904, S. 1113; Düringer/Hachenburg/Werner, HGB, 3. Aufl., 1932, Band IV, Einl. Anm. 362; Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl., 1926, Band 3, Anh. zu § 374 Anm. 60b. 197  Diesen Begriff prägend: ROHG, 11.10.1873, II 784/73, ROHGE 11, 182 (183). 198  Makower, HGB, 1904, S. 1113. 199  BGH, 02.12.1994, V ZR 193/93 NJW 1995, 587 (588); Knütel, AcP 202 (2002), 555 (564).



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung59

Marktsituation wider und verkörpert damit Neutralität und Sicherheit in Bezug auf die Schadensersatzhöhe.200 Jedoch scheint das Erfordernis eines Marktpreises nicht in jedem Fall gerechtfertigt. So müssen insbesondere zwei Fallgruppen, in denen sich kein solcher Preis ermitteln lässt, unterschieden werden: Zunächst ist die Gruppe der vertretbaren Sachen zu betrachten. Vertretbar sind bewegliche Sachen nach § 91 BGB, wenn sie im Verkehr nach Zahl, Maß oder Gewicht bestimmt zu werden pflegen. Dies ist in aller Regel die Grundvoraussetzung, um einen Marktpreis bestimmen zu können. Ist die ausgebliebene Ware als vertretbar im Sinne des § 91 BGB zu klassifizieren, bedeutet dies allerdings noch nicht, dass sich auch ein Marktpreis tatsächlich ermitteln lässt. Gerade für neu erschienene Ware lässt sich ein solcher Preis häufig (noch) nicht ermitteln, da es an einer ausreichenden Zahl an Absatzgeschäften fehlen wird, aus denen ein gefestigter Durchschnittspreis gebildet werden kann. Auch entsprechende Preisnotierungen werden in aller Regel nicht vorhanden sein. Das Reichsgericht ging in diesem Fall jedoch von der grundsätzlichen Verkäuflichkeit einer neuen, serienmäßig produzierten Sache aus. Dafür spreche bereits die Tatsache, dass der nicht belieferte Käufer eben diese gekauft habe.201 Gleichwohl muss die Ansicht des Reichsgerichtes in diesem Punkt eingeschränkt werden. Die Weiterveräußerungsvermutung des § 252 S. 2 S. 1 BGB entspringt der Vorstellung, dass der Käufer die Ware im Falle einer ordnungsgemäßen Lieferung jederzeit hätte absetzen können. Damit diese Vermutung jedoch ihre Wirkung entfalten kann, muss der Weiterverkauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn eine ausreichende Anzahl an Absatzgeschäften nachgewiesen wird, sodass auf die Absatzfähigkeit der Ware geschlossen werden kann. In diesem Fall entspricht ein Weiterverkauf dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge. Allerdings ist dem Reichsgericht dahingehend Recht zu geben, dass nicht jede Ware, die neu auf dem Markt erscheint, von der hier in Rede stehenden Berechnungsmethode ausgeschlossen werden darf.202 Andernfalls wäre jedes Produkt, das es in genau dieser Form noch nicht gab, der Weiterveräußerungsvermutung unzugänglich. Daher kommt es darauf an, ob sich für vergleichbare Waren auf der jeweiligen Marktstufe ein Marktpreis ermitteln lässt. Ist dies der Fall, kann davon ausgegangen werden, dass auch die neu produzierte Ware ausreichend Abnehmer finden wird.

200  Vgl.

allgemein: MünchKomm/Grunewald, HGB, 5. Aufl., 2021, § 374 Rn. 31. 20.03.1908, VII 268/07, RGZ 68, 163 (166). 202  RG, 20.03.1908, VII 268/07, RGZ 68, 163 (166). 201  RG,

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

Anknüpfungspunkt der Schadensberechnung ist dann der Marktpreis der Vergleichsware, wobei eine etwaige höhere oder niedrigere Wertigkeit der neu hergestellten Ware zu berücksichtigen ist. So können bei Elektronik­ waren wie beispielsweise bei Smartphones oder Laptops die verarbeiteten Materialien, die Rechenleistung, Batteriedauer und die Energieeffizienz den Verkäuflichkeitspreis beeinflussen. Der auf diese Weise ermittelte Wert kann als Verkäuflichkeitspreis in die Schadensberechnung eingestellt werden. Lässt sich jedoch kein Marktpreis ermitteln, obwohl die nicht gelieferte Ware schon seit einer beträchtlichen Zeit am Markt erhältlich ist, kann keine hinreichende Nachfrage angenommen werden, sodass eine Weiterveräußerung auch nicht dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge entsprochen hätte. Neben vertretbaren Waren nach § 91 BGB sind auch unvertretbare Objekte, also bewegliche Sachen, die gerade nicht im Verkehr nach Zahl, Maß oder Gewicht bestimmt zu werden pflegen, wie Kunst und Gebrauchtwaren, in Blick zu nehmen.203 Erwirbt beispielsweise ein Antiquitätenhändler Kunstwerke, die ihm sodann nicht vom Verkäufer überlassen werden, stellt sich die Frage, ob auch Unikate von der Weiterveräußerungsvermutung erfasst sein können. Ein Marktpreis wird sich – mangels amtlicher Preisnotierung – regelmäßig nur für Objekte ermitteln lassen, die dem Markt an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit in hypothetisch „beliebiger“ Menge zur Verfügung stünden.204 Daher wird es bei unvertretbaren Sachen meist auf den Verkäuflichkeitspreis ankommen. Ein erfahrener Kunst- oder Antiquitätenhändler kann dabei durchaus den Nachweis führen, dass er Geschäfte über vergleichbare Gegenstände stets mit einer bestimmten Gewinnspanne abschließt.205 Auch der Bundesgerichtshof verwies bei der Beurteilung des Wertes von Sammlermünzen auf den Verkaufspreis, der bei einem vergleichbaren Geschäft zwischen einem Händler und privaten Sammlern seitens des Händlers gefordert würde.206 Somit ließe sich auch für unvertretbare Sachen ein entsprechender Verkäuflichkeitspreis bestimmen. Allerdings ist die bloße Möglichkeit, einen solchen Preis ermitteln zu können, nicht ausreichend, um den Anwendungsbereich der Weiterveräußerungsvermutung zu eröffnen. 203  Zu diesen und vielen weiteren Beispielen für „unvertretbare Sachen“: MünchKomm/Stresemann, 9. Aufl., 2021, § 91 Rn. 4. 204  RG, 29.01.1909, II 299/08, LZ 1909, Spalte 478 Nr. 4; BGH, 02.12.1994, V ZR 193/93 NJW 1995, 587 (588); Knütel, AcP 202 (2002), 555 (564). Dazu bereits unter: 1. Kap. B. IV. 1. b) bb). 205  Flume, AcP 215 (2015), 282 (319). 206  BGH, 22.12.1999, VIII ZR 111/99, NJW 2000, 1254 (1255); für die Wertbestimmung auf dem Absatzmarkt auch: OLG Brandenburg, 28.01.2014, 6 W 148/13, NJW 2014, 794; vgl. ferner auch: Finkenauer, in: FS für H. P. Westermann, 2008, S.  183 (196 f.).



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung61

Im Zuge des gewöhnlichen Verlaufes der Dinge wird der Käufer von dem Nachweis befreit, einen konkreten Abnehmer gefunden zu haben, da vermutet wird, dass die nicht gelieferte Ware problemlos zum Marktpreis absetzbar gewesen wäre. Die Möglichkeit, Ware jederzeit absetzen zu können, lässt sich auf eine gesteigerte Fluktuation am Markt zurückführen. So werden vertretbare Waren regelmäßig an verschiedenen Orten in großer Menge gehandelt. Sie werden im kaufmännischen Verkehr ständig abgesetzt und neu erworben. Bei unvertretbaren Waren kann von so einer gesteigerten Warenfluktuation meist in nicht gleicher Weise ausgegangen werden. Zwar lässt sich jede Antiquität wohl früher oder später mit einer bestimmten Gewinnspanne verkaufen, jedoch reicht die bloße Möglichkeit der Weiterveräußerung nicht aus, um von einem gewöhnlichen Verlauf der Dinge ausgehen zu können.207 Die für §  252 S.  2 BGB notwendige „gewisse Wahrscheinlichkeit“,208 erschöpft sich gerade nicht in der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO, sondern erfordert einen noch höheren Grad richter­ licher Überzeugung,209 der grundsätzlich nur bei vertretbaren Waren, für die sich ein Marktpreis bestimmen lässt, angenommen werden kann. Allerdings können auch Sachen, die nicht unter § 91 BGB fallen, von der Weiterveräußerungsvermutung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB erfasst sein. So ist bei unvertretbaren Waren eine Weiterveräußerung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, wenn vergleichbare Ersatzobjekte auf dem Absatzmarkt des Käufers in großem Umfang veräußert werden und das in Rede stehende Objekt nicht durch besondere Eigenschaften gekennzeichnet ist, die den potenziellen Abnehmerkreis einschränken.210 Dann ist der Durchschnittspreis, der für die Vergleichsobjektive auf dem Absatzmarkt des Käufers erzielt wird, als Verkäuflichkeitspreis in die Schadensberechnung einzustellen. Demnach können prinzipiell auch Gebrauchtwagen von der Weiterveräußerungsvermutung umfasst sein. Grundstücke, für die sich kein Marktpreis ermitteln lässt, werden hingegen meist nicht unter den Anwendungsbereich des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB fallen, da sie durch besondere Eigenschaften (vor allem Lage und Größe) geprägt sein werden, die den potenziellen Abnehmerkreis stark beeinflussen. Zwar fallen diese Objekte nicht unter den Anwendungsbereich der konkret-typisierenden Schadensberechnung des § 252 S. 2 207  Mugdan, Die gesammten Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB, Band 2, 1899, S. 10 = Motive, S. 18. 208  BGH, 30.05.2001, VIII ZR 70/00, NJW-RR 2001, 1542; Mugdan, Die gesammten Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB, Band 2, 1899, S. 10 = Motive, S. 18. 209  Halfpap, Der entgangene Gewinn, 1999, S. 126. 210  Jeweils zur Marktgängigkeit von Gebrauchtwagen: BGH, 08.10.1969, VIII ZR 20/68, NJW 1970, 29 (32 f.); BGH, 29.06.1994, VIII ZR 317/93, BGHZ 126, 305 (308–311).

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

Alt. 1 BGB, jedoch verkörpern sie in jedem Fall einen Vermögenswert, der im Zuge der abstrakten Schadensberechnung i. w. S. gefordert werden kann.211 2. Der maßgebliche Zeitpunkt Soll der entgangene Gewinn des Käufers auf der Grundlage des Marktverkaufspreises berechnet werden, muss dieser Preis zu einem bestimmten Moment fixiert werden, da er aufgrund des Marktgeschehens fortlaufenden Schwankungen unterliegt. Die Suche nach diesem maßgeblichen Moment entpuppte sich als die „Gretchenfrage“ der abstrakten Schadensberechnung. Kaum ein Teilaspekt wurde intensiver diskutiert als die Frage des für die Marktpreisbestimmung entscheidenden Zeitpunktes. Der Dreh- und Angelpunkt des Diskurses liegt dabei in der Befürchtung, der Käufer könne zulasten des säumigen Verkäufers spekulieren.212 Der maßgebliche Zeitpunkt muss demnach sowohl dem Interesse des Käufers, der nach dem gewöhn­ lichen Verlauf der Dinge einen Gewinn erzielt hätte, als auch dem Schutz des Verkäufers gerecht werden. a) Das Wahlrecht des Käufers und die damit verbundene Spekulationsgefahr Ursprung der Spekulationsdebatte war die auf breiter Linie vertretene Ansicht, der Käufer könne zwischen verschiedenen Zeitpunkten, an denen der Marktpreis für die Schadensberechnung zu bestimmen sei, frei wählen.213 So sprachen das Reichsoberhandelsgericht und vereinzelte Stimmen aus der Literatur214 dem nicht belieferten Käufer ein Wahlrecht zwischen dem Zeitpunkt der vertragsmäßigen Erfüllung und dem Nachfristende zu.215 Spätere Entscheidungen gingen, im Einklang mit einem großen Teil der Literatur,216 211  Dazu

unter: 1. Kap. D. I. 2. 27.09.1917, II 100/17, RGZ 90, 423 (425); Blomeyer, Allgemeines Schuldrecht, 4. Aufl., 1969, S. 193; Soergel/Wiedemann, BGB, 11. Aufl., 1986, § 325 Rn. 49; Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, 5. Aufl., 2003, S. 218; Soergel/ Ekkenga/Kuntz, BGB, 13. Aufl., 2014, § 252 Rn. 68. 213  Mit vielen Nachweisen zum „alten“ Schuldrecht: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 100; Flume, AcP 215 (2015), 282 (340). 214  Soweit ersichtlich nur: Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 132 f. 215  ROHG, 11.10.1873, II 784/73, ROHGE 11, 182 (183 f.). 216  Für das Wahlrecht zwischen Verzugsbeginn und Nachfristende: Frankenburger, JW 1925, 546 (556); Locher, JW 1926, 2676; Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl., 1926, Band 3, Anh. zu § 374 Anm. 62a; Staub/Würdinger/Röhricht, HGB, Großkommentar, 3. Aufl., 1970, Vor § 373 Anm. 372; RGRK/Alff, BGB, 12. Aufl., 1976, § 252 Rn. 12; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, 1. Band, Allgemeiner Teil, 14. Aufl., 212  RG,



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung63

von einer Wahlmöglichkeit zwischen dem Zeitpunkt des Verzugsbeginnes und dem Ende der Nachfrist aus,217 wobei auch der Eintritt der Unmöglichkeit als maßgeblicher Zeitpunkt akzeptiert wurde.218 Das Wahlrecht wurde jedoch überwiegend nur unter der Prämisse gewährt, dass ein solches nicht gegen Treu und Glauben verstieße.219 Ob sich das Wahlrecht allerdings tatsächlich den Spekulationsvorwurf gefallen lassen muss,220 hängt davon ab, wie der Begriff „Spekulation“ zu verstehen ist und ob der Verkäufer vor einer etwaigen Spekulationsgefahr geschützt werden muss. aa) Definitionsversuch Sowohl in der juristischen als auch in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur gibt es in Bezug auf den Spekulationsbegriff eine Vielzahl von Ansätzen.221 Dabei reichen die verschiedenen Definitionsversuche von einem restriktiven Verständnis bis hin zu einer sehr weiten Auslegung. Erstgenannte Strömung bejaht ein spekulatives Element, wenn durch den Kauf von Waren, Devisen oder sonstigen Gütern, die Absicht verfolgt wird, diese zu einem späteren Zeitpunkt wieder zu veräußern. Es soll aus dem Besitz an sich kein eigener Nutzen gezogen werden, sondern der Erwerb respektive der Verkauf wird einzig in der Erwartung einer Preisänderung vorgenommen.222 Dieser Ansatz schränkt den Begriff der Spekulation zu weit ein, da lediglich der Kauf und Verkauf von Waren in den Fokus rückt. Die Ausübung eines Wahl1987, § 23 II, S. 357; Lange/Schiemann/Schiemann, Schadensersatz, 2003, 3. Aufl., § 6 X 6, S. 349; Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 252 Rn. 23; für das Wahlrecht zwischen Fälligkeit und Nachfristende soweit ersichtlich nur: Schätzel, LZ 1919, 1063. 217  RG, 27.09.1917, II 100/17, RGZ 90, 423 (425); RG, 22.06.1917, II 30/17, RGZ 91, 30 (31); RG, 24.06.1919, II 53/19, RGZ 96, 158 (160); RG, 05.03.1920, II 428/19, RGZ 98, 213 (214). 218  RG, 22.06.1917, II 30/17, RGZ 91, 30 (31); RG, 30.10.1917, II 241/17, RGZ 91, 99 (102). Darunter fiel aber nicht der Übergang des Käufers vom Erfüllungs- zum Schadensersatzanspruch bei ernster und endgültiger Erfüllungsverweigerung des Verkäufers. Dazu auch: RG, 22.06.1917, II 30/17, RGZ 91, 30 (31). 219  OLG Hamburg HansGZ 1920, 203 Nr. 100 (204); OLG Stuttgart, 13.12.1956, 2 U 140/56, JR 1957, 343 (344); Frankenburger, JW 1925, 546 (556); Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl., 1926, Band 3, Anh. zu § 374 Anm. 62a. 220  Das Wahlrecht aufgrund von Spekulationsmöglichkeiten ablehnend: Rabel, Das Recht des Warenkaufs, 1. Band, 1936, S. 464 f.; Blomeyer, Allgemeines Schuldrecht, 4. Aufl., 1969, S. 193; Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 101; Soergel/Ekkenga/Kuntz, BGB, 13. Aufl., 2014, § 252 Rn. 6. 221  Umfassend im Überblick bei: Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, 1994, S. 286–292. 222  Steinmann, Theorie der Spekulation, 1970, S. 3 f.; ferner: Kaldor, 7 The Review of Economic Studies, Cambridge [1939], 1.

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

rechtes ließe sich hingegen nicht unter diese Definition fassen. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass ein Händler die nicht gelieferte Ware auch dann erworben hätte, wenn keine Marktbewegungen auf seinem Beschaffungs- oder Absatzmarkt zu erwarten gewesen wären, da er zumindest seine übliche Gewinnspanne auf seine Selbstkosten aufgeschlagen hätte. Somit lässt sich die hier in Rede stehende Ausgangslage nicht mit diesem restriktiven Ansatz in Einklang bringen. Die extensive Interpretation definiert Spekulation als jedes gegenwärtige Verhalten, das in der Erwartung einer zukünftigen Entwicklung vorgenommen wird.223 Nach dieser weiten Auffassung unterfällt die Wahlmöglichkeit zwischen Verzugsbeginn respektive vertraglich vereinbartem Lieferzeitpunkt und dem Ende der Nachfrist dem Spekulationsbegriff, da der nicht belieferte Käufer die Länge der Nachfrist in der Hoffnung, eine für ihn positive Marktpreisentwicklung abpassen zu können, beeinflussen kann. Das spekulative Element wurzelt hier nicht in dem Wahlrecht als solchem, sondern in dem Bezugspunkt des Nachfristendes. Dieser Definitionsversuch entwertet jedoch den Spekulationsvorwurf, da dadurch jeder Mensch zum Spekulanten wird.224 Der Vorwurf der Spekulation wäre für nahezu jeden Lebensbereich unumgänglich. Zwar hat der Gesetzgeber im Bereich des Zivilrechtes auf eine Begriffsbestimmung verzichtet, allerdings gibt er im Rahmen des § 283 Abs. 1 Nr. 2 StGB225 eine klare Definition für Spekulationsgeschäfte vor. Darunter fallen alle Geschäfte „bei denen ein besonders großes Risiko eingegangen wird in der Hoffnung, einen größeren Gewinn als den sonst üblichen zu erzielen, und um den Preis, möglicherweise einen größeren Verlust hinzunehmen.“226 Überträgt man diese prägenden Elemente auf das Wahlrecht des Käufers ergibt sich folgendes Bild: Hätte der Käufer die Ware bei ordnungsgemäßer Lieferung umgehend abgesetzt und nicht die steigende Marktpreisentwicklung abgewartet, kann er durch das Wahlrecht das Ende der Nachfrist und damit womöglich auch den mittlerweile gestiegenen Marktpreis in die Scha223  Ross, Speculation, Stock Prieles and Industrial Fluctuation, 1938, S. 4: „When one anticipates or expects something to happen in the future all degrees of rationality and confidence in the judgment are possible, but in all cases there is some liability to error, some risk. Every action performed today which is influenced by expectations of the morrow is speculation – and everyone is a speculator.“ 224  Kritisch auch: Steinmann, Theorie der Spekulation, S. 3. 225  In § 283 Abs. 1 Nr. 2 StGB heißt es: „Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise […] Spekulationsgeschäfte […] mit Waren oder Wertpapieren eingeht […].“ 226  BT-Drucks. 7/3441, S. 35; SK-StGB/Hoyer, 9. Aufl., 2019, § 283 Rn. 46.



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung65

densberechnung einstellen. Insofern wäre der geforderte Gewinn höher als der üblicherweise zu erwartende. Allerdings ist das Wahlrecht mit keinerlei Risiko für den Käufer verbunden. Entwickelt sich der Marktpreis in eine unerwünschte Richtung, kann er auf den früheren Zeitpunkt zurückgreifen und damit sein Risiko minimieren.227 Zudem ist die strafrechtliche Definition bewusst restriktiv gehalten, um sie auf besonders schwerwiegende Fälle zu begrenzen.228 Insofern lässt sich dieser Ansatz nicht ohne weiteres auf das Zivilrecht übertragen. Ebenfalls im strafrechtlichen Kontext steht das Verständnis des Spekulationsgeschäftes bei §§ 26, 49 BörsG. Durch diese Normen wird es unter Strafe gestellt, gewerbsmäßig andere unter Ausnutzung ihrer Unerfahrenheit in Bezug auf Börsenspekulationsgeschäfte zu eben diesen oder zur unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung an diesen Geschäften zu verleiten. Nach § 26 Abs. 2 BörsG ist insbesondere dann von Börsenspekulationsgeschäften auszugehen, wenn es sich um An- oder Verkaufsgeschäfte mit aufgeschobener Lieferzeit handelt, die darauf gerichtet sind, aus dem Unterschied zwischen dem für die Lieferzeit festgelegten Preis und dem zur Lieferzeit vorhandenen Börsen- oder Marktpreis einen Gewinn zu erzielen (Nr. 1). Zudem sind auch Optionen auf solche Geschäfte erfasst (Nr. 2).229 Dieser Definitionsversuch rückt das Gewinnstreben und den fehlenden Warenaustausch als Kernelemente in das Zentrum des Spekulationsbegriffes.230 Allerdings hilft auch dieser Ansatz im Bereich des Wahlrechtes nicht weiter. So ist diese Definition speziell auf Börsengeschäfte zugeschnitten. Zudem stellt sich die Frage nach einer Wahlmöglichkeit auch dann, wenn keine aufgeschobene Lieferzeit vorliegt. Des Weiteren erscheint das Abgrenzungskriterium des Warenaustausches nicht mehr zeitgemäß.231 Der Gesetzgeber orientierte sich bei dieser Definition an dem mittlerweile aufgehobenen § 764 BGB a. F., der das Differenzgeschäft als Spiel und damit als unvollkommene 227  Dies soll sogar dann gelten, wenn er sich der Käufer bereits für einen Zeitpunkt entschieden hat. Siehe dazu: RG, 27.04.1920, II 520/19, WarnR 1920, 188 Nr. 153. 228  Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, 1994, S. 287. 229  Wie man an der Formulierung „insbesondere“ erkennen kann, liegt hier weiterhin keine abschließende Definition vor. Es handelt sich vielmehr um ein offenes Tatbestandsmerkmal. Siehe dazu: MünchKomm/Bröker, StGB, Nebenstrafrecht II, 3. Aufl., 2019, § 49 BörsG Rn. 9. 230  Zu § 89 BörsG a. F.: BT-Drucks. 10/318, S. 46; siehe auch: Schwark/Zimmer/ Kumpan, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl., 2020, § 26 BörsG Rn. 2; Assmann/Schütze/Buck-Heeb/Worms, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 5. Aufl., 2020, § 26 BörsG Rn. 6 f. 231  Zutreffend: MünchKomm/Bröker, StGB, Nebenstrafrecht II, 3. Aufl., 2019, § 49 BörsG Rn. 9.

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

Verbindlichkeit qualifizierte.232 Als Differenzgeschäfte werden diejenigen Geschäfte bezeichnet, die trotz einem auf Lieferung lautenden Vertrag lediglich eine Differenzzahlung zwischen dem Vertragspreis und dem Marktpreis zur Lieferzeit zum Ziel haben.233 Eine Gleichsetzung eines solchen Geschäftes mit einem Spekulationsgeschäft würde dazu führen, dass alle bedingten Termingeschäfte automatisch als Spekulationsgeschäfte einzustufen wären.234 Bei der Betrachtung dieser Definitionsversuche wird deutlich, dass eine allgemein gültige Definition des Spekulationsbegriffes aufgrund des umfangreichen Erscheinungsspektrums kaum möglich ist. In Übereinstimmung mit Henssler235 und Hauser236 scheint die vermittelnde Definition der deutschen Börsenenquêtekommission aus dem Jahre 1894 noch am überzeugendsten. Spekulation ist dabei jede „geistige Tätigkeit, welche aus der Erfahrung der Vergangenheit und der Beobachtung der Gegenwart einen Schluss auf die Zukunft zieht und aufgrund eines solchen Schlusses eine wirtschaftliche Handlung vornimmt, in der Absicht, durch diese einen Vermögensvorteil zu erlangen.“237 Inwieweit sich eine Handlung tatsächlich den Spekulationsvorwurf gefallen lassen muss, bleibt eine Frage des Einzelfalles. Dabei sind neben objektiven auch subjektive Kriterien zu berücksichtigen.238 Es liegt nur in der Natur der Sache, dass jedes Rechtsgebiet eigene Anforderungen an den Spekulationsbegriff stellt.239 Diesem Begriff liegt eine gewisse Dynamik zugrunde, die sich nicht in eine universale Definition zwingen lässt,240 wobei die Begriffsbestimmung durch die deutsche Börsenenquêtekommission ein gewisses Fundament bilden kann. Vordergründig müssen für jede Konstellation die spekulativen Elemente gesondert bestimmt und herausgearbeitet werden, wobei das Streben nach einem Vermögensvorteil und das Element der bewussten Ungewissheit tragende Indizien darstellen.

232  BT-Drucks. 10/318, S. 47 (zu § 89 BörsG a. F.); siehe dazu: MünchKomm/ Bröker, StGB, Nebenstrafrecht II, 3. Aufl., 2019, § 49 BörsG Rn. 9. 233  Staudinger/Engel, BGB, 2008, § 764 Rn. 1. 234  Staudinger/Engel, BGB, 1996, § 764 Rn. 15. 235  Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, 1994, S. 290. 236  Hauser, Spekulative Warentermingeschäfte, 1987, S. 124. 237  Zitiert nach: Hauser, Spekulative Warentermingeschäfte, 1987, S. 124. 238  Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, 1994, S. 290; in diese Richtung gehend auch: MünchKomm/Bröker, StGB, Nebenstrafrecht II, 3. Aufl., 2019, § 49 BörsG Rn. 10. 239  So muss im Strafrecht im Lichte des Art. 103 Abs. 2 GG eine eher restriktive Auslegung herangezogen werden, wohingegen dem Zivilrecht ein größerer Spielraum bei der Bestimmung dieses Begriffes zur Verfügung steht. 240  So auch: Bischoff, Vertragsrisiko und clausula rebus sic stantibus, 1983, S. 213.



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung67

bb) Die Bewertung des Wahlrechtes Das spekulative Element eines potenziellen Wahlrechtes entspringt aus der Möglichkeit des Käufers, Einfluss auf die für die Schadensberechnung maßgeblichen Zeitpunkte zu nehmen. Kommen als maßgebliche Momente die vertragsmäßige Lieferzeit und das Ende einer Nachfristsetzung in Betracht, könnte der Gläubiger durch das bewusste Herauszögern der Fristsetzung241 sowie durch die Länge der Frist Einfluss auf das Nachfristende und somit auch auf die Höhe des Schadensersatzanspruches nehmen. Dieses Vorgehen ist von Unsicherheit geprägt, da die Marktpreisentwicklung vom Käufer nicht mit Sicherheit prognostiziert werden kann. Zudem ist er dabei von dem Wunsch getrieben, eine für ihn positive Preisentwicklung auf seinem Absatzmarkt abzupassen, um einen zusätzlichen Vermögensvorteil über die Schadensberechnung abschöpfen zu können. Durch die Möglichkeit bei einer ungünstigeren Entwicklung schlichtweg auf einen früheren Zeitpunkt verweisen zu können, wird die Höhe des Schadensersatzes letztlich dem Willen des Käufers unterworfen. In diesem Zusammenhang wurde dem Käufer sogar die Möglichkeit eröffnet, zwischen den einzelnen Zeitpunkten zu wechseln, wenn er sich bereits zuvor festgelegt hatte.242 In Anbetracht dieser Möglichkeiten scheint es für den Käufer geradezu einladend, den Versuch zu unternehmen, eine für ihn günstige Preisentwicklung abzupassen. Das daraus resultierende spekulative Element ist somit nicht vornehmlich in der Wahlmöglichkeit selbst zu sehen, sondern in den Einflussmöglichkeiten des Käufers auf die Anknüpfungspunkte dieses Rechtes. Auch abseits des Spekulationsvorwurfes ist das Wahlrecht des Käufers abzulehnen. Die Argumente, die für eine solche Entscheidungsfreiheit vorgebracht werden, verfangen nicht. So wurde darauf verwiesen, dass der Käufer die Ware bis zum Ende der Nachfrist annehmen müsse,243 und sich der Verkäufer vor der Spekulationsgefahr durch die Leistung an seinen Gläubiger schützen könne.244 Daher könne der Gläubiger auch den Marktwert bei Ablauf der Nachfrist anlegen.245 Allerdings vermögen diese Erwägungen nicht zu erklären, weshalb dem Käufer ein Wahlrecht zustehen soll. Durch die nachträgliche Entscheidungsmöglichkeit, welcher Zeitpunkt in die SchadensDas Recht des Warenkaufs, 1. Band, 1936, S. 465. 27.04.1920, II 520/19, WarnR 1920, 188 Nr. 153. 243  ROHG, 11.10.1873, II 784/73, ROHGE 11, 182 (184). Dies sollte nach Ansicht des ROHG als Argument für das Wahlrecht ausreichen. 244  Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl., 1926, Band 3, Anh. zu § 374 Anm. 62a; Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 133. 245  ROHG, 11.10.1873, II 784/73, ROHGE 11, 182 (184); Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl., 1926, Band 3, Anh. zu § 374 Anm. 62a; Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 133. 241  Rabel, 242  RG,

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

berechnung einzusetzen ist, stünde der Schadensersatzgläubiger mitunter besser als im Falle einer ordnungsmäßigen Erfüllung. Insbesondere im kaufmännischen Verkehr ist von einem schnellen Warenabsatz auszugehen, sodass der belieferte Käufer die Ware in der Regel nicht zurückbehalten hätte, um etwaige Preissteigerungen abzupassen.246 Folglich muss der Verkäufer die Wahlmöglichkeit des Käufers nicht einfach „aushalten“, sondern muss in diesem Bereich trotz seines Lieferverzuges geschützt werden. Die praktische Bedeutung des Wahlrechtes steigt parallel zu der Zeitspanne, die zwischen den zu wählenden Zeitpunkten liegt.247 Liegen zwischen den in Frage kommenden Momenten keine Preisschwankungen vor oder sind diese nur von unwesentlicher Natur, kommt dem Wahlrecht regelmäßig keine oder nur eine untergeordnete Bedeutung zu.248 Allerdings zeigt der Eintritt unerwarteter Ereignisse oder wirtschaftlicher Krisen, dass bereits kurze Zeitspannen ausreichen, um starke Marktbewegungen beobachten zu können. Schon zur Zeit des Ersten Weltkrieges trat die der Wahlmöglichkeit zugrunde liegende Spekulationsgefahr besonders deutlich zu Tage.249 Es muss daher oberste Priorität sein, Spekulationsrisiken zu minimieren.250 Der Verweis auf Treu und Glauben251 kann indes nicht ausreichen, um dieser Gefahr in hinreichendem Maße Einhalt zu gebieten, da nur offensichtliche Fälle von diesem Schutzmechanismus erfasst werden.252 Es wäre mit zu großen praktischen Schwierigkeiten verbunden, festzustellen, ob eine Fristsetzung bewusst so gesetzt wurde, um Marktpreisbewegungen abzupassen. Ein zeitliches Wahlrecht des Käufers zwischen Verzugseintritt beziehungsweise vertraglicher Erfüllungszeit sowie dem Ende einer Nachfrist ist damit abzulehnen. b) Der maßgebliche Zeitpunkt für die Bestimmung des Marktpreises Losgelöst von der Frage, ob für die abstrakte Schadensberechnung der Marktverkaufspreis (entgangener Gewinn) oder der Markteinkaufspreis (hypothetischer Deckungskauf) in den Schadensersatzanspruch einzustellen ist, 246  So auch: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 131. 247  Grünberg, LZ 1918, Spalte 190 (191). 248  BGH, 07.05.1998, VIII ZR 362/96, NJW 1998, 2901 (2903). 249  Reinhard, LZ 1917, 361 (363). 250  Ebenso: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 102. 251  OLG Hamburg HansGZ 1920, 203 Nr. 100 (204); OLG, 13.12.1956, 2 U 140/56, JR 1957, 343 (344); Frankenburger, JW 1925, 546 (556); Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl., 1926, Band 3, Anh. zu § 374 Anm. 62a. 252  So auch: Rabel, Das Recht des Warenkaufs, 1. Band, 1936, S. 464; Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 102.



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung69

wurde eine Vielzahl an möglichen Zeitpunkten vorgebracht, die für die Ermittlung des jeweiligen Marktpreises maßgeblich sein sollten. So fasste J. W. Flume den nunmehr sehr unübersichtlichen Meinungsstand treffend mit den Worten „everything goes“253 zusammen. Neben dem Zeitpunkt der vertragsgemäßen Erfüllung254 wurde der Moment des Verzugseintritts,255 das Ende der Nachfrist,256 die Entstehung des Schadensersatzanspruches257 oder das Erlöschen des Erfüllungsanspruches258 als maßgeblich für die Marktpreisbestimmung erachtet. Wie bereits im Zuge des Wahlrechtes festgestellt, kann das Nachfristende keinen tauglichen Zeitpunkt bilden. Durch das potenzielle Herauszögern der Fristsetzung sowie die Länge der Frist birgt dieser Zeitpunkt, auch ohne ein dazugehöriges Wahlrecht, ein ausgeprägtes spekulatives Element. Ob dies auch für die Momente gilt, an denen der Schadensersatzanspruch entsteht oder der Erfüllungszeitpunkt erlischt, wird im Folgenden zu ergründen sein. Dabei ist die Ansicht, die auf das Erlöschen des Erfüllungsanspruches abstellt, aus heutiger Sicht als „Kind ihrer Zeit“ zu verstehen. Vor der Schuldrechtsmodernisierung im Jahre 2002 erlosch der Erfüllungsanspruch im Zuge des Nichterfüllungsschadens nach § 326 Abs. 1 BGB a. F. automatisch nach dem Ablauf der Nachfrist.259 Seit der Schuldrechtsreform und der EinfühMarktaustausch, 2019, S. 179. 28.05.1872, I 113/72, ROHGE 6, 182 (194); ROHG, 04.06.1872, I 262/72, ROHGE 6, 225 (226); ROHG, 30.10.1872, II 394/72, ROHGE 7, 376 (376 f.); ROHG, 11.11.1872, II 696/72, ROHGE 8, 14 (20); ROHG, 15.03.1873, II 88/73, ROHGE 9, 340 (348); ausdrücklich zum Marktverkaufspreis: Reinhard, LZ 1917, 361 (364); ausdrücklich zum Markteinkaufspreis: Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 1982, 5. Aufl., § 376 Rn. 24. 255  Für die Berechnung anhand des Marktverkaufspreises: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 131; Huber, Leistungsstörungen, Band 2, 1999, § 38 III 4, S. 253. 256  Zur Berechnung anhand des Markteinkaufspreises: ROHG, 30.10.1872, II, 680/72, ROHGE 7, 383 (394); ROHG, 22.01.1873, II 731/72, ROHGE 10, 169 (171); ähnlich: Huber, Leistungsstörungen, Band 2, 1999, § 38 III 3, S. 250, der auf den ersten Tag nach Ablauf der Nachfrist abstellt. 257  Zur Berechnung anhand des Markteinkaufspreises: Soergel/Wiedemann, BGB, 11. Aufl., 1986, § 325 Rn. 49; Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, 5. Aufl., 2003, S. 217 f.; MünchKomm/Emmerich, 9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 38. 258  Für die Berechnung anhand des Markteinkaufspreises: Rabel, Das Recht des Warenkaufs, 1. Band, 1936, S. 464; Blomeyer, Allgemeines Schuldrecht, 4. Aufl., 1969, S. 193; Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 102; Knütel, AcP 202 (2002), 555 (585); Flume, AcP 215 (2015), 282 (340). 259  Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, 1. Band, Allgemeiner Teil, 14. Aufl., 1987, § 23 II, S. 356. Die Fristsetzung musste jedoch vor der Schuldrechtsmodernisierung im Jahre 2002 mit einer Ablehnungsandrohung des Käufers versehen sein. Er musste dem Verkäufer also deutlich gemacht haben, nach dem Ende der Frist die Leistung nicht mehr annehmen zu wollen. Der automatische Wegfall der Leistungspflicht hatte 253  Flume,

254  ROHG,

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

rung des § 281 Abs. 4 BGB erlischt der Anspruch auf die Leistung jedoch erst, wenn der Schadensersatzgläubiger sein Schadensersatzverlangen dem Schuldner gegenüber erklärt hat. Dabei wird das Verlangen erst wirksam, wenn die Nachfrist erfolglos abgelaufen, beziehungsweise entbehrlich war.260 Ist diese Prämisse erfüllt, hat der Käufer es selbst in der Hand, wann er sein Schadensersatzverlangen erklärt.261 Der maßgebliche Zeitpunkt wäre somit dem Willen des Schadensersatzgläubigers unterworfen, da der Käufer nach erfolglosem Ablauf der Nachfrist nicht daran gehindert wäre, sein Schadensersatzverlangen zeitlich hinauszuzögern, um eine für ihn positive Marktpreisentwicklung abzupassen. Hier treten spekulative Elemente zum Vorschein, die es in der Schadensberechnung zu unterbinden gilt. Um Missbrauchsmöglichkeiten des Schadensersatzgläubigers zu verhindern, wurde der Versuch unternommen, den zeitlichen Rahmen für die Erklärung des Schadensersatzverlangens einzuschränken.262 Aufbauend auf dem Ausschluss des Erfüllungsanspruches und der damit einhergehenden rechtsgestaltenden Wirkung des § 281 Abs. 4 BGB263 wurde vorgeschlagen, die Grundsätze des einseitigen Verzichtes beziehungsweise der Verwirkung auf das Schadensersatzverlangen zu übertragen.264 So nahm das Reichsgericht im Zuge des Rücktrittes an, dass bei einem Zeitraum von mehreren Monaten ein Verzicht vorläge.265 Zwar spricht für diese Ansicht, dass ein einseitiger Verzicht auch durch schlüssiges Verhalten erklärt werden kann,266 jedoch darf hierbei nicht verkannt werden, dass Schweigen in der Regel als recht­ liches Nullum zu werten ist.267 Auch eine Verwirkung, die als Ausfluss von

zur Folge, dass der Zeitpunkt der Schadensersatzentstehung regelmäßig mit dem Moment übereinstimmte, an dem der Erfüllungsanspruch erlosch. 260  Vgl. MünchKomm/Ernst, BGB, 9. Aufl., 2022, § 281 Rn. 111; BeckOK/­Lorenz, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 281 Rn. 55. 261  Bei dem Schadensersatzverlangen handelt es sich um eine einseitige, empfangsbedürftige, rechtsgeschäftsähnliche Erklärung. Siehe dazu: Soergel/Benicke/ Hellwig, 13. Aufl., 2014, § 281 Rn. 202; MünchKomm/Ernst, BGB, 9. Aufl., 2022, § 281 Rn. 107. 262  MünchKomm/Ernst, BGB, 9. Aufl., 2022, § 281 Rn. 112. 263  BT-Drucks. 14/6040, S. 140; MünchKomm/Ernst, BGB, 9. Aufl., 2022, § 281 Rn. 107. 264  MünchKomm/Ernst, BGB, 9. Aufl., 2022, § 281 Rn. 115 (Fn. 131). 265  Zum Rücktritt: RGZ 88, 143 (146); 106, 107 (109 f.); vgl. ferner m. w. N.: Staudinger/Kaiser, BGB, 2012, § 349 Rn. 57. 266  Staudinger/Kaiser, BGB, 2012, §  349 Rn. 57; MünchKomm/Gaier, BGB, 9. Aufl., 2022, § 349 Rn. 7. Dabei muss beachtet werden, dass § 397 BGB keine Anwendung findet. 267  Ablehnend i.  R.  d. Rücktritts auch: Staudinger/Kaiser, BGB, 2012, § 349 Rn. 57.



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung71

Treu und Glauben zu verstehen ist,268 kann jedenfalls bei dem Ablauf einiger Wochen nicht angenommen werden, da kein dahingehender allgemeiner Grundsatz besteht.269 Verstreichen hingegen viele Monate, ist eine Verwirkung im Einzelfall allenfalls dann zu bejahen, wenn sich der Schadensersatzschuldner bei objektiver Beurteilung darauf einrichten durfte und sich auch darauf eingestellt hat, dass der Käufer ihm gegenüber kein Schadensersatzverlangen mehr erklären wird.270 Dies wird jedoch nur selten der Fall sein. Daher sind die skizzierten Grundsätze regelmäßig nicht im Stande, dem Schadensersatzverlangen des Gläubigers Grenzen zu setzen. Um den zeitlichen Spielraum des Käufers restringieren zu können, wäre womöglich eine dem § 350 BGB vergleichbare Norm nötig.271 Wird keine Frist für die Ausübung eines vertraglichen Rücktrittsrechts vereinbart, kann der Rücktrittsgegner dem Rücktrittsberechtigten nach dieser Vorschrift eine angemessene Frist für die Ausübung des Rücktrittes setzen. Wird der Rücktritt daraufhin nicht vor Ablauf dieser Frist erklärt, erlischt das vertragliche Rücktrittsrecht. Allerdings dürfte § 350 BGB einer Rechtsfortbildung nicht ohne weiteres zugänglich sein.272 Im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung hat sich der Gesetzgeber dahingehend positioniert, dass der Anwendungsbereich ausschließlich auf vertragliche Rücktrittsrechte beschränkt ist, da dem Schuldner bei gesetzlichen Rücktrittsrechten ein hinnehmbares Maß an Ungewissheit zuzumuten sei.273 Somit erscheint eine Übertragung des § 350 BGB auf § 281 Abs. 4 BGB zumindest zweifelhaft, da das Schadensersatzverlangen ebenso wenig wie gesetzliche Rücktrittsrechte nicht auf einer vertraglichen Vereinbarung beruht. Mithin liegt wohl ein fortwährend Geltungsanspruch erhebender Legislativwille vor, welcher mangels Aktuali­ sierungsbedürftigkeit in einer parlamentarischen Demokratie aufgrund des Art. 20 Abs. 3 GG zu respektieren ist.274 Der Untergang des Erfüllungsanspruches stellt daher keinen tauglichen Anknüpfungspunkt dar. 268  Statt

aller: Jauernig/Mansel, BGB, 18. Aufl., 2021, § 242 Rn. 53–55. den Rücktritt: BGH, 18.10.2001, I ZR 91/99, NJW 2002, 669 (670). 270  Für den Rücktritt: BGH, 29.09.1960, VIII ZR 135/59, NJW 1960, 2331; BGH, 18.10.2001, I ZR 91/99, NJW 2002, 669 (670); siehe auch: Staudinger/Kaiser, BGB, 2012, § 349 Rn. 58 m. w. N.; für Schadensersatz wegen Nichterfüllung im „alten Recht“: RG, 04.06.1937, VII 321/36, RGZ 155, 148 (152). 271  Angeschnitten, aber offengelassen: Flume, AcP 215 (2015), 282 (345). 272  Vgl. auch: Gsell, in: FS für Huber, 2006, 299 (301); wohl a. A.: Staudinger/ Schwarze, BGB, 2019, § 281 Rn. D6. 273  BT-Drucks. 14/6040, S. 185; zum Ganzen: MünchKomm/Gaier, 9. Aufl., 2022, § 350 Rn. 2. 274  Statt vieler: Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack/Looschelders, 4. Aufl., 2021, Anh. zu § 133 Rn. 9. Eine andere Lage kann sich insbesondere bei älteren Gesetzen ergeben. Siehe dazu: Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack/Looschelders, 4. Aufl., 2021, Anh. zu 269  Für

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

Soll stattdessen der Marktpreis anhand des Momentes bestimmt werden, an dem der Schadensersatzanspruch entsteht, stellt sich die naheliegende Frage, wann dies bei dem Anspruch nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 S. 1 BGB überhaupt der Fall ist. Nach wohl überwiegender Auffassung ist für die Entstehung der Ablauf der Nachfrist entscheidend.275 Die Gegenansicht verweist hingegen auf den Zugang des wirksamen Schadensersatzverlangens.276 Für letztgenannte Ansicht ließe sich der gestaltungsrechtsähnliche Charakter des § 281 Abs. 4 BGB anführen.277 Misst man diesem Element eine besonders gewichtige Bedeutung zu, dürfte der Schadensersatzanspruch nicht anders zu behandeln sein, als der Rücktritt oder die Minderung. Jedoch wurde in diesem Zusammenhang die Befürchtung laut, der Käufer könnte den Zeitpunkt des Verjährungsbeginnes beliebig herauszögern.278 Dieser Eindruck erhärtet sich, da es im Bereich des Schadensersatzverlangens an einer dem § 218 Abs. 1 S. 1 BGB vergleichbaren Norm fehlt.279 Nach dieser Vorschrift ist der Rücktritt ausgeschlossen, wenn der Erfüllungs- beziehungsweise der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist und der Schuldner sich hierauf beruft. Allerdings setzt § 281 Abs. 1 S. 1 BGB einen fälligen und einredefreien Leistungsanspruch voraus.280 Aufgrund dieses Erfordernisses lässt sich das skizzierte Risiko eines endlosen Herauszögerns zumindest partiell entkräften, da die Einredefreiheit – parallel zu § 218 Abs. 1 S. 1 BGB – zu dem Zeitpunkt vorliegen muss, an dem das Schadensersatzverlangen erklärt wird.281 Die zeitliche Möglichkeit des Käufers, sein Schadensersatzverlangen äußern zu können, wird somit durch die Verjährung des Erfüllungsanspruches begrenzt.282 § 133 Rn. 6; weiterführend zu den Voraussetzungen einer Rechtsfortbildung: 1. Kap. E. III. 275  MünchKomm/Ernst, BGB, 9.  Aufl., 2022, § 281 Rn. 80; BeckOK/Lorenz, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 281 Rn. 53. 276  Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, § 281 Rn. D17. 277  Zum Charakter des § 281 Abs. 4 BGB: MünchKomm/Ernst, BGB, 9. Aufl., 2022, § 281 Rn. 107. 278  So befürchtet von: MünchKomm/Ernst, BGB, 9. Aufl., 2022, § 281 Rn. 185. 279  Dazu auch: MünchKomm/Ernst, BGB, 9. Aufl., 2022, § 281 Rn. 185. 280  BT-Drucks. 14/6857, S. 47. 281  Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, § 281 Rn. G1. Es wurde auch vereinzelt vorgeschlagen § 218 Abs. 1 BGB auf § 281 Abs. 4 BGB zu übertragen. Siehe dazu: Wolffskeel v. Reichenberg, NJW 2015, 2833 (2836 f.); MünchKomm/Ernst, BGB, 9. Aufl., 2022, § 281 Rn. 112. Nach dem hier vertreten Lösungsansatz bedarf es einer derartigen Rechtsfortbildung jedoch nicht. Ferner wurde auch zur Zeit des „alten“ Schuldrechtes erwogen, die Verjährung des Schadensersatzes an die Verjährung des Erfüllungsanspruches zu koppeln. Siehe dazu: Keuk, Vermögensschaden und Inte­ resse, 1972, S. 151 f. 282  Vgl. Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, § 281 Rn. G1.



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung73

Dennoch sprechen die besseren Gründe für den Moment des Fristendes. Ansprüche, die durch eine Erklärung des Berechtigten entstehen, kennt das Gesetz nur im Bereich bestimmter Gestaltungsrechte. Zwar lässt sich § 281 Abs. 4 BGB eine gewisse rechtsgestaltende Wirkung nicht absprechen, jedoch ist die Ausgangslage des Schadensersatzverlangens nicht auf die Erklärung eines Gestaltungsrechtes übertragbar. So entsteht der Zahlungsanspruch des Rücktritts- oder Widerrufsberechtigten erst, wenn dieser die vertraglichen Beziehungen durch Erklärung in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt hat. Diese auf Vertragsebene stattfindende Metamorphose bildet das Fundament des Rückzahlungsanspruches. Im Bereich des § 281 Abs. 4 BGB fehlt es gerade an einer solchen Umwandlung. Das Schadensersatzverlangen hindert den Käufer lediglich daran, weiterhin Erfüllung zu verlangen. Daher besteht ein struktureller Unterschied zwischen dem Schadensersatz statt der Leistung und einem aus dem Rückgewährschuldverhältnis fließenden Zahlungsanspruch. Die Entstehung des Schadensersatzanspruches nunmehr von der Erklärung des Käufers abhängig zu machen, würde § 281 Abs. 4 BGB einem Gestaltungsrecht gleichstellen und somit die gesetzesimmanente Systematik missachten. Überdies verbleibt dem Käufer eine gewisse Einflussnahme auf den schadensrechtlichen Verjährungsbeginn, da er sein Schadensersatzverlangen zumindest bis zum Verjährungsende des vertraglichen Erfüllungsanspruches hinauszögern könnte.283 Allerdings kann der Zeitpunkt der Schadensersatzentstehung generell nicht als tauglicher Zeitpunkt für die Ermittlung des Marktpreises dienen. Wird das Schadensersatzverlangen als maßgeblich erachtet, stellen sich die gleichen Probleme, die auch schon bei dem Erlöschen des Erfüllungsanspruches auftraten. Auch das Ende der Nachfrist führt zu Einwirkungsmöglichkeiten des Käufers auf den Marktpreis. Somit ist bei beiden Varianten das Spekulationsrisiko zu groß. Um einen passenden Zeitpunkt für die Bestimmung des Marktpreises ermitteln zu können, ist die Ausgangslage des Käufers in Blick zu nehmen. Im Zuge der konkret-typisierenden („abstrakten“) Schadensberechnung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB wird vermutet, dass der Käufer jederzeit im Stande gewesen wäre, die Ware im Falle einer ordnungsgemäßen Lieferung zu veräußern.284 Doch wann wäre mit einer tatsächlichen Weiterveräußerung zu 283  Würde der nunmehr ausgeschlossene Erfüllungsanspruch nach Erklärung des Schadensverlangens verjähren, hätte dies für die Durchsetzbarkeit des Anspruches aus § 281 keine Bedeutung mehr. Siehe dazu: MünchKomm/Ernst, BGB, 9. Aufl., 2022, § 281 Rn. 103; vgl. auch: Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, § 281 Rn. G1. 284  RG, 30.04.1920, II 1/20, RGZ 99, 46 (49): „Jederzeit“; ferner zur Weiterveräußerungsvermutung: RG, 05.06.1917, II 606/16, RGZ 90, 305 (306); RG, 27.09.1917, II 100/17, RGZ 90, 423 (425); BGH, 17.12.1963, V ZR 186/61, NJW 1964, 661 (662).

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

rechnen gewesen? Der Käufer könnte in diesem Zusammenhang einwenden, Waren regelmäßig zurückzuhalten, um auf Preisentwicklungen zu spekulieren. Allerdings wird ein solches Verhalten keineswegs dem typischen Geschehensablauf entsprechen. Vielmehr wird ein Händler versuchen, seine Ware alsbald abzusetzen.285 Diese Vorstellung erhärtet sich mit Blick auf die Kostenrechnung des Käufers. Der Gewinn des Händlers berechnet sich nach seinem Erlös286 abzüglich der angefallenen Kosten. Die Kosten unterteilen sich in zwei Hauptkategorien: Fixe und variable. Addiert man diese Posten und dividiert man die sich daraus ergebende Summe durch die produzierte respektive erworbene Warenmenge, ergeben sich daraus die Selbstkosten pro Stück.287 Diese Stückkosten legt der Käufer seiner eigenen Preiskalkulation zugrunde, wenn er die Ware auf seinem Absatzmarkt (zuzüglich einer entsprechenden Gewinnspanne, einkalkuliertem Rabatt und Skonto) anbietet. Während unter die variablen Kosten des Händlers vor allem die Anschaffungskosten der Ware fallen, sind Lagerungskosten (z. B. Miete, Strom und Heizkosten) zu den (absolut)288 fixen Kosten des Unternehmers zu zählen. Diese entstehen unabhängig davon, wie viele Waren der Käufer in seinem Lager vorrätig gehalten hat.289 Um seine Stückkosten insgesamt gering zu halten, wird der Käufer bestrebt sein, die fest anfallenden Kosten auf eine große Warenmenge zu verteilen. Legt man die Prämisse zugrunde, dass die variablen Kosten des Käufers linear zu der erworbenen Warenmenge steigen,290 so nähern sich die Stückkosten (= variable Kosten zuzüglich fixe Kosten) bei fortlaufendem Warenerwerb asymptotisch an die variablen Kosten an, da die fixen Kosten auf eine immer größer werdende Menge an Waren umgelegt werden.291 Das Optimum der Selbstkosten wäre damit bei der maximalen Auslastung erreicht.292 Je schneller und reibungsloser der an An- und Ver285  Vgl. auch: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 131. 286  Der Erlös entspricht dem Absatzpreis multipliziert mit der abgesetzten Menge. Siehe dazu: Steger, Kosten- und Leistungsrechnung, 2. Aufl., 1999, S. 121. 287  Vgl. Steger, Kosten- und Leistungsrechnung, 2. Aufl., 1999, S. 101. 288  Siehe zu den sprungfixe Kosten unter: 1. Kap. B. IV. 4. a). 289  Steger, Kosten- und Leistungsrechnung, 2. Aufl., 1999, S. 108 f. 290  Von einem nicht linearen Verlauf wäre etwa dann auszugehen, wenn zusätzliche Nacht- oder Feiertagsschichten angesetzt werden müssten, die für den Unternehmer teurer sind als die gewöhnlichen Arbeitsstunden. Auch Mengenrabatt und damit verbundene günstigere Einkaufspreise können Abweichungen von einem linearen Verlauf bewirken. Vgl. Steger, Kosten- und Leistungsrechnung, 2. Aufl., 1999, S. 114 f. 291  Steger, Kosten- und Leistungsrechnung, 2. Aufl., 1999, S. 124. 292  Vgl. Steger, Kosten- und Leistungsrechnung, 2. Aufl., 1999, S. 124; vgl. ferner auch: Busse v. Colbe/Hammann/Laßmann, Betriebswirtschaftstheorie, Band 2, 4. Aufl., 1992, S. 223.



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung75

kauf von Waren vonstattengeht, desto stärker reduzieren sich die Stückkosten. Dies hat den Vorteil, dass der Käufer billiger am Markt anbieten und damit einem größeren Kreis an Nachfragern gegenübersteht oder seinen Gewinn pro Stück erhöhen kann. Ein schnell angestrebter Warenabsatz entspricht somit einem typischen Geschehensablauf. Freilich ist dabei eine entsprechende Nachfrage zu unterstellen, da ein Gewinn bei fortlaufendem Wareneinkauf nur bis zu dem Punkt erzielt werden kann, an dem die Kosten die Erlöse übersteigen.293 Das Bedürfnis nach einem beschleunigten Warenfluss tritt zudem auch durch die weit verbreiteten Just-in-Time-Verträge zu Tage. Im Zuge dieser Verträge sprechen sich Anbieter und Abnehmer dahingehend ab, dass der Abnehmer die Ware ohne Zwischenlagerung direkt weiterveräußern kann. Die Vorstellung, der Käufer würde Ware zurückhalten, entspricht somit nicht dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge, sondern besonderen Umständen des Einzelfalles. Als ausschlaggebender Zeitpunkt wäre folglich der Moment heranzuziehen, an dem der Käufer die Ware nach dem vertragsgemäßen Erhalt erstmals hätte absetzen können. In der Konsequenz wäre dies der Zeitpunkt, an dem der Gläubiger üblicherweise mit der Lieferung hätte rechnen können. Dabei könnten zwar Erfahrungswerte vergangener oder vergleichbarer Lieferungen herangezogen werden, jedoch erweist sich dieser Lösungsansatz als nicht praktikabel. So kann es zu Beweisschwierigkeiten kommen, an welchem Tag die Lieferung genau zu erwarten war. Insbesondere in Zeiten stark schwankender Preise ist ein zweifelsfrei zu ermittelnder Zeitpunkt notwendig. Somit erscheint einzig die Fälligkeit der geschuldeten Leistung als maßgeblicher Moment überzeugend. Der Käufer hätte frühestens ab diesem Moment mit der Lieferung rechnen können. Ferner ist davon auszugehen, dass der Käufer bei pünktlicher Lieferung sich umgehend um eine Weiterveräußerung bemüht hätte.294 Abschließend bleibt festzuhalten, dass eine absolut zufriedenstellende Lösung, die alle Aspekte berücksichtigt, kaum möglich sein wird.295 Es muss aber die oberste Maxime sein, Spekulationsanreize zu verhindern.296 Um diesem Ansinnen ausreichend Rechnung tragen zu können, muss dem Käufer jegliche einseitige Einflussnahme auf den Zeitpunkt verwehrt werden. Zwar 293  Vgl.

Steger, Kosten- und Leistungsrechnung, 2. Aufl., 1999, S. 125. auch: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 131, die den Zeitpunkt des Verzugseintritts bevorzugt und wohl nur subsidiär auf den Moment der Fälligkeit zurückgreifen will. 295  So bereits: Soergel/Wiedemann, BGB, 11. Aufl., 1986, § 325 Rn. 49. 296  Zutreffend: Soergel/Wiedemann, BGB, 11. Aufl., 1986, § 325 Rn. 49. 294  Ähnlich

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

kann der Käufer sicherlich auch auf den Moment der Fälligkeit bei Vertragsschluss einwirken, jedoch ist ihm dies nur in Kooperation mit dem Verkäufer möglich. 3. Der maßgebliche Ort Aufgrund regionaler Preisunterschiede ist auch der Ort, an dem der Marktpreis zu bestimmen ist, von zentraler Bedeutung. Dabei sind – ähnlich wie beim maßgeblichen Zeitpunkt – zwei Leitlinien zu berücksichtigen: Zum einen soll der nicht belieferte Käufer so gestellt werden, wie er im Falle einer ordnungsgemäßen Lieferung gestanden hätte. Zum anderen ist die Gefahr einer einseitigen Einflussnahme auf die Parameter zu unterbinden. Sowohl die frühe Rechtsprechung als auch einige Stimmen aus der Literatur sahen den sogenannten Ablieferungsort297 als ausschlaggebend für die abstrakte Schadensberechnung an.298 Darunter war der Ort zu verstehen, an dem die Ware tatsächlich abgeliefert, also vom Käufer in Empfang genommen worden wäre.299 Nach heutigem Verständnis würde man diesen Ort als Erfolgsort bezeichnen. Daneben wurde auch der sogenannte Bestimmungsort vorgeschlagen.300 Dies war der Ort, an dem die Ware ihrem bestimmungsgemäßen Zweck zugeführt wurde. Fälschlicherweise wurden beide Orte jedoch zum Teil miteinander gleichgesetzt.301 So wird der Käufer im Falle einer Holschuld die Ware erst in Empfang nehmen, bevor er sie anschließend an ihren Bestimmungsort bringt. Ebenso fallen diese Orte auseinander, wenn der Verkäufer die Ware im Falle einer Bringschuld zunächst an ein zentrales Lager liefern soll, das als „Umschlagplatz“ dient.302

297  ROHG, 14.11.1876, I 1009/76, ROHGE 21, 247 (248 f.); RG, 10.01.1882, III 506/81, RGZ 6, 26 (27); Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl., 1926, Band 3, Anh. zu § 374 Anm. 64; Düringer/Hachenburg/Werner, HGB, 3. Aufl., 1932, Band IV, Einl. Anm. 364; Knütel, AcP 202 (2002), 555 (584). 298  Für die Berechnung anhand des Markteinkaufspreises: Knütel, AcP 202 (2002), 555 (584); Huber, Leistungsstörungen, Band 2, 1999, § 38 III 3, S. 251; für die Berechnung anhand des Marktverkaufspreises: Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl., 1926, Band 3, Anh. zu § 374 Anm. 64; Düringer/Hachenburg/Werner, HGB, 3. Aufl., 1932, Band IV, Einl. Anm. 364. 299  Vgl. auch: Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 129. 300  RG, 12.03.1890, I 302/89 Bolze 9 Nr. 410 (S. 180 f.); Makower, HGB, 1904, S. 1114; Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 129 (Fn. 65). 301  RG, 10.01.1882, III 506/81, RGZ 6, 26 (27); Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl., 1926, Band 3, Anh. zu § 374 Anm. 364; Düringer/Hachenburg/Werner, HGB, 3. Aufl., 1932, Band IV, Einl. Anm. 364. 302  Vgl. Makower, HGB, 1904, S. 1114, der jedoch davon ausgeht, dass beide Orte regelmäßig übereinstimmen.



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung77

Beruft sich der Käufer im Wege seiner Schadensberechnung auf den gewöhnlichen Verlauf der Dinge, ist zu fragen, an welchem Ort der Käufer die Ware typischerweise veräußert hätte. Kommt dabei nur ein Platz in Frage, muss dieser als Bestimmungsort der Schadensberechnung zugrunde gelegt werden,303 da sich dort der Gewinn des Schadensersatzgläubigers realisiert hätte. Dabei sind etwaige Transportkosten, die bei der Beförderung der Ware vom Ablieferungsort zum maßgeblichen Ort angefallen wären, in der Schadenshöhe entsprechend zu berücksichtigen.304 Dadurch wird dem Gedanken Rechnung getragen, dass der Käufer so behandelt wird, als hätte er die Ware tatsächlich an diesem Platz abgesetzt. Lässt sich an dem maßgeblichen Ort und zu dem entscheidenden Zeitpunkt kein Marktpreis ermitteln, ist auf den nächstgelegenen Ort, an dem sich ein solcher Preis feststellen lässt, abzustellen.305 Da der Käufer auch in diesem Fall so gestellt wird, als ob er die Ware an diesem Platz veräußert hätte, muss er sich die entsprechenden Transportkosten von dem Ablieferungsort zu diesem nächstgelegenen Markt anrechnen lassen.306 Kommen verschiedene Standorte (z. B. mehrere Filialen) gleichermaßen als Bestimmungsorte in Frage, bestünde die Gefahr, dass der Schadensersatzgläubiger den Ort in seine Schadensberechnung einstellt, der für ihn in diesem Fall am günstigsten ist. Dabei wird es kaum möglich sein, nachzuweisen, dass die Ware in Wahrheit für einen anderen Standort bestimmt war, wenn diese an mehreren oder sogar an allen Standorten angeboten wird. Selbst eine Umverteilung der Darlegungslast307 wird dann in der Regel nichts an dieser Ausgangslage ändern können. Der Käufer, der mit seiner eigenen Geschäfts- und Absatzstruktur bestens vertraut ist, wird meist ausreichend Gründe darlegen können, weshalb die ausgebliebene Ware gerade an jenen vorteilhaften Marktort geliefert und folglich abgesetzt worden wäre. Um dem Käufer einseitige Einflussmöglichkeiten auf die Schadenshöhe zu nehmen, erscheint daher ein Durchschnittswert aller in Frage kommenden Marktorte sachgerecht. Dabei sind auch die durchschnittlich anfallenden Transportkosten zu berücksichtigen, die bei der Beförderung der Ware vom Ablieferungsort zu den jeweiligen Bestimmungsorten angefallen wären. 303  So auch: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 132. 304  ROHG, 18.01.1879, II 1507/78, ROHGE 24, 327 (332); Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl., 1926, Band 3, Anh. zu § 374 Anm. 64, S. 1101. 305  Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl., 1926, Band 3, Anh. zu § 374 Anm. 64. 306  Ebenfalls für eine Anrechnung: ROHG, 03.09.1874, II 958/74, ROHGE 14, 140 (141). 307  So: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 132.

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

Kann an einem der Standorte kein Marktpreis ermittelt werden, ist ebenfalls auf den nächstgelegenen Marktort abzustellen. 4. Weitere Berechnungsmodalitäten bei der Nicht- und Schlechtleistung Neben den bereits dargestellten Parametern sind noch weitere Faktoren in der Schadensberechnung zu berücksichtigen. Diese Modalitäten entspringen dabei insbesondere dem schadensrechtlichen Bereicherungsverbot und kommen sowohl im Bereich einer Nicht- als auch einer Schlechtleistung des Verkäufers zum Tragen. a) Nichtleistung des Verkäufers Um den Käufer aufgrund des Schadensersatzanspruches nicht besser zu stellen als im Falle einer ordnungsgemäßen Erfüllung, sind ersparte Aufwendungen mit dem entgangenen Gewinn zu verrechnen. Im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit ist dabei zwischen den Spezial- und den Generalunkosten zu differenzieren. Unter erstgenanntem Posten sind die Aufwendungen zu verstehen, die unmittelbar mit der ausgebliebenen Ware verbunden sind. Wie bereits festgestellt, sind ersparte Transportkosten, aber auch etwaige Verpackungskosten in Abzug zu bringen, um eine Überkompensation zu verhindern.308 Generalkosten sind hingegen die Fixkosten des Unternehmers. Darunter fallen etwa Aufwendungen für das Gebäude, Verwaltung, Personalkosten und Maschinen.309 Da diese Kosten unabhängig von der ordnungsgemäßen Lieferung des Verkäufers anfallen, können diese nicht erspart werden.310 Allerdings gilt dieser Grundsatz nur im Bereich der absoluten Fixkosten, da diese vom Beschäftigungsgrad des Unternehmens gänzlich losgelöst sind.311 308  ROHG, 18.01.1879, II 1507/78, ROHGE 24, 327 (332); BGH, 01.03.2001, III ZR 361/99, NJW-RR 2001, 985 (986); OLG Stuttgart, 13.12.1956, 2 U 140/56, JR 1957, 343 (344); Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl., 1926, Band 3, Anh. zu § 374 Anm. 64; MünchKomm/Oetker, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 46. 309  Zu diesen und weiteren Beispielen für General- und Spezialunkosten siehe: OLG Stuttgart, 13.12.1956, 2 U 140/56, JR 1957, 343 (344); ferner auch: Steger, Kosten- und Leistungsrechnung, 2. Aufl., 1999, S. 108. 310  RG, 15.10.1935, III 31/35, JW 797 Nr. 4 (797 f.); BGH, 22.02.1989, VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 (69); BGH, 01.03.2001, III ZR 361/99, NJW-RR 2001, 985 (986); OLG Stuttgart, 13.12.1956, 2 U 140/56, JR 1957, 343 (344); MünchKomm/ Oetker, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 46. 311  Steger, Kosten- und Leistungsrechnung, 2. Aufl., 1999, S. 109.



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung79

Sprunghafte fixe Kosten können hingegen vom nicht belieferten Käufer erspart werden. Diese Kosten verändern sich innerhalb eines Beschäftigungs­ intervalls nicht und steigen bei Überschreitung eines bestimmten Beschäftigungsgrades sprunghaft an.312 Hätte der Käufer bei ordnungsgemäßer Lieferung des Verkäufers daher neues Personal einstellen müssen, hätte er sich auch diese Kosten erspart.313 Wurde nun die Differenz zwischen dem Vertragspreis und dem Marktverkaufs- respektive dem Verkäuflichkeitspreis ermittelt, steht dadurch noch immer nicht die Höhe des zu zahlenden Schadensersatzanspruches fest. Der Grund dafür liegt in der entweder noch offenen oder bereits erbrachten Gegenleistung (Kaufpreiszahlung) des Käufers. Nach der Surrogationstheorie kommt es zu einem realen Austausch der Leistungen, wobei das Interesse des Gläubigers an der ausgebliebenen Leistung in Geld ersetzt wird.314 Der Käufer müsste demnach noch immer den Kaufpreis zahlen, könnte aber im Gegenzug seinen Marktverkaufspreis in voller Höhe in die Schadensberechnung einstellen. Die Differenztheorie stellt hingegen nur auf den Unterschied zwischen der Gegenleistung und dem monetären Interesse an der Leistung ab.315 In diesem Fall könnte der Käufer nur die Differenz zwischen dem Vertragspreis und seinem höheren Marktverkaufspreis geltend machen. Die ganz überwiegende Ansicht gewährt dem nicht belieferten Käufer hierbei ein Wahlrecht zwischen beiden Ansätzen.316 Allerdings ist dieses Wahlrecht durch den Rücktritt des Käufers zu begrenzen. So ist eine Berechnung anhand der Differenzmethode nur möglich, wenn der Käufer den Rücktritt (konkludent) erklärt hat.317 Hintergrund ist die Reichweite des § 281 Abs. 4 BGB. Dieser bewirkt den Ausschluss des Erfüllungsanspruches des Käufers, lässt aber dessen Gegenleistungspflicht unberührt.318 Zwar wurde Kosten- und Leistungsrechnung, 2. Aufl., 1999, S. 109. diese Richtung gehend auch: BGH, 22.02.1989, VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 (69); BGH, 01.03.2001, III ZR 361/99, NJW-RR 2001, 985 (986). 314  Statt aller: Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, § 280 Rn. E41; MünchKomm/ Emmerich, 9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 13. 315  Statt aller: Soergel/Benicke/Hellwig, BGB, 13. Aufl., 2014, § 281 Rn. 245; Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, § 280 Rn. E41. 316  Exemplarisch: Soergel/Benicke/Hellwig, BGB, 13. Aufl., 2014, § 281 Rn. 247; Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, § 280 Rn. E48; MünchKomm/Emmerich, 9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 17; BeckOK/Lorenz, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 281 Rn. 38. 317  Soergel/Benicke/Hellwig, BGB, 13. Aufl., 2014, § 281 Rn. 257; BeckOK/Lorenz, BGB, 62. Edition, Stand: 01.05.2022, § 281 Rn. 37. 318  Faust, in: FS für Huber, 2006, 239 (242); Mehring, ZGS 2009, 310 (315); Soergel/Benicke/Hellwig, BGB, 13. Aufl., 2014, § 281 Rn. 210; BeckOK/Lorenz, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 281 Rn. 36. 312  Steger, 313  In

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

angeführt, dass zwischen Leistung und Gegenleistung ein enger Zusammenhang besteht,319 jedoch ist dabei die integrative Systematik des im Jahre 2002 reformierten Schuldrechtes zu berücksichtigen. Durch den automatischen Entfall der Gegenleistungspflicht wird der Schadensersatz statt der Leistung zu nahe an die Wirkung des Rücktrittes herangeführt. Würde nun das Schadensersatzverlangen auch die Gegenleistungspflicht entfallen lassen, würde die Rücktrittswirkung faktisch im Schadensersatz statt der Leistung aufgehen.320 Dadurch würde die Entscheidungsmöglichkeit des Gläubigers, entweder Schadensersatz geltend zu machen, den Rücktritt zu erklären oder nach § 325 BGB beide Rechtsinstitute miteinander zu kombinieren, teilweise unterminiert. Nach der gesetzesimmanenten Systematik ist der Rücktritt der Mechanismus, durch den der nicht belieferte Käufer sich im Falle der Nichtleistung von seiner eigenen Leistungspflicht befreien kann. Gleichzeitig ist im Falle des Rücktrittes ein Rückgriff auf die Surrogationsmethode nicht mehr möglich, da der Käufer dadurch zum Ausdruck bringt, die Gegenleistung zurückzuverlangen oder sie gar nicht erst erbringen zu wollen. Folglich wird signalisiert, dass der Vertrag auch in Bezug auf die Gegenleistungspflicht nicht durchgeführt werden soll.321 In aller Regel wird der Diskurs rund um die Notwendigkeit eines Rücktritts jedoch keine praktische Rolle spielen. Berechnet der Käufer seinen Schaden anhand der Differenz zwischen Vertragspreis und seinem Marktverkaufspreis, gibt er zu erkennen, dass er selbst seine Gegenleistung zurückverlangt beziehungsweise nicht mehr erbringen will, sodass in der Folge von einer konkludenten Rücktrittserklärung auszugehen ist.322 Zudem werden in der hier zugrunde liegenden Ausgangssituation sowohl die Differenz- als auch die Surrogationsmethode in aller Regel zu wirtschaftlich identischen Ergebnissen führen. Daher verwundert es nicht, wenn die Diskussion rund um das Schicksal der Gegenleistungspflicht als „Scheinproblem“ deklariert wird.323

319  Grüneberg/Grüneberg,

BGB, 82. Aufl., 2023, § 281 Rn. 52. Soergel/Benicke/Hellwig, BGB, 13. Aufl., 2014, § 281 Rn. 210. 321  Soergel/Benicke/Hellwig, BGB, 13. Aufl., 2014, § 281 Rn. 251; Staudinger/ Schwarze, BGB, 2019, § 280 Rn. E49; vgl. auch: Arnold, ZGS 2003, 427 (431); Faust, in: FS für Huber, 2006, 239 (241 f.). 322  Gsell, JZ 2004, 643 (647); Soergel/Benicke/Hellwig, BGB, 13. Aufl., 2014, § 281 Rn. 211; BeckOK/Lorenz, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 281 Rn. 36. 323  MünchKomm/Emmerich, 9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 18; vgl. auch: Soergel/ Benicke/Hellwig, BGB, 13. Aufl., 2014, § 281 Rn. 256. 320  Vgl.



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung81

b) Schlechtleistung des Verkäufers Während die vorangegangenen Ausführungen den Fall in Blick nehmen, in dem die Leistung des Verkäufers in Gänze ausbleibt, ist die „abstrakte“ Schadensberechnung des § 252 S. 2 Alt. 2 BGB auch im Lichte der mangelhaften Lieferung zu betrachten. Zur Veranschaulichung der schadensrechtlichen Besonderheiten soll folgender Fall dienen: Kaufmann K erwirbt zum Zwecke der Weiterveräußerung bei Großhändler V 5.000 Fischkonserven zu einem Preis von 4,– Euro pro Stück. Die Ware wird am 01.04. vereinbarungsgemäß geliefert und unverzüglich von K stichprobenartig überprüft. Dabei stellt K fest, dass der Fisch bereits verdorben ist. Dies teilt er auch ohne weiteres Zögern dem V mit. Trotz einer angemessenen Fristsetzung seitens des K lehnt V eine Nacherfüllung entschieden und endgültig ab. K verlangt daraufhin seinen entgangenen Gewinn. Am 01.04. lag der Marktverkaufspreis für diese Art der Fischkonserve auf dem Absatzmarkt des V bei 6,– Euro pro Konserve.

Der Käufer verlangt im vorliegenden Beispiel so gestellt zu werden, als ob er die Ware weiterverkauft hätte. Er will die mangelhaften Konserven folglich nicht behalten, weshalb ein „kleiner“ Schadensersatz in Form des mangelbedingten Minderwertes ausscheidet. Es verbleibt der „große“ Schadensersatz statt der ganzen Leistung nach §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 S. 1, 3 BGB. Demnach kann der Käufer den gesamten Schaden ersetzt verlangen, der ihm durch die Nichterfüllung des Vertrages entstanden ist.324 Dafür darf die Pflichtverletzung jedoch nicht unerheblich sein (§ 281 Abs. 1 S. 3 BGB).325 Allerdings ist der Käufer im Falle des Schadensersatzes statt der ganzen Leistung dazu verpflichtet, die mangelhafte Ware nach § 281 Abs. 5 BGB herauszugeben. Das durch die Erklärung des „großen“ Schadensersatzverlangens entstandene Rückgewährschuldverhältnis (§§ 346–348 BGB) trägt dabei dem schadensrechtlichen Bereicherungsverbot Rechnung, da die mangelhafte Ware einen bestimmten Restwert aufweisen kann. Könnte 324  Erman/Ulber, BGB, 16.  Aufl., 2020, § 281 Rn. 79; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl., 2023, § 281 Rn. 46; zum „alten“ Schuldrecht: BGH, 23.06.1989, V ZR 40/88, BGHZ 108, 156 (159). 325  Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruches sind nicht Kernbestandteil dieser Untersuchung, weshalb sie hier nur kurz gestreift werden sollen: Die Pflichtverletzung ist die mangelhafte Lieferung des Verkäufers (Lorenz, NJW 2006, 1925 (1926); Soergel/Benicke/Hellwig, BGB, 13. Aufl., 2014, § 281 Rn. 312; MünchKomm/Ernst, BGB, 9. Aufl., 2022, § 281 Rn. 162). Bei behebbaren Mängeln soll nach Ansicht des BGH eine Unerheblichkeit in der Regel nicht mehr angenommen werden, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand 5 % des Kaufpreises übersteigt (BGH, 28.05.2014, VIII ZR 94/13, BGHZ 201, 290 Rn. 12). Diese recht niedrige Prozentgrenze überzeugt, da durch § 281 Abs. 1 S. 3 BGB lediglich Bagatellmängel ausgeschlossen werden sollen (BT-Drucks. 14/6040 S. 222 f.). Bei unbehebbaren Mängeln kommt es hingegen richtigerweise auf das Ausmaß der Beeinträchtigung an (BGH, 29.06.2011, VIII ZR 202/10, NJW 2011, 2872 (2874)).

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

der Käufer diesen Wert behalten, würde er besser stehen als bei der ordnungsgemäßen Lieferung des Verkäufers, da er im Falle einer vertragsgemäßen Leistung die Ware weiterverkauft hätte. Problematisch gestaltet sich jedoch der Fall, in dem die herauszugebende mangelhafte Sache vom Käufer dennoch weiterveräußert wurde. In diesem Fall wäre er dem Verkäufer zum Wertersatz nach § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Var. 2 BGB326 und zum Schadensersatz nach § 346 Abs. 4 BGB i. V. m. §§  280 ff. BGB327 verpflichtet. Wie ist der Fall aber zu beurteilen, wenn es dem Käufer möglich war, die mangelhafte Ware zu einem Preis zu veräußern, der den von ihm zu leistenden Wert- respektive Schadensersatz328 übersteigt? Im Rahmen des Schadensersatzes ließe sich hier an einen Vorteilsausgleich denken, durch den der Käufer seinen Erlös aus der Weiterveräußerung auf seinen entgangenen Gewinn anrechnen lassen müsste. Ein solcher Ausgleich soll Vorteile ausgleichen, die adäquat kausal auf der Schädigung beruhen, wenn die Anrechnung mit dem Zweck des jeweiligen Ersatzanspruches übereinstimmt. Zudem muss die Anrechnung für den Geschädigten zumutbar sein und der Schädiger durch die Anrechnung nicht unangemessen entlastet werden.329 Der Vorteil kann dabei auch durch eigene Handlungen des Käufers herbeiführt werden.330 Allerdings ist eine Anrechnung in diesen Fällen nur unter der Prämisse möglich, dass der Geschädigte im Rahmen seiner Schadensminderungsobliegenheit nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB zur Vornahme dieser Handlung gehalten war.331

326  Bei einer mangelhaften Leistung ist nicht die volle Gegenleistung als Wert­ ersatz geschuldet. Vielmehr bestimmt sich der zu leistende Ersatz durch eine analoge Anwendung des § 441 Abs. 3 BGB bzw. § 638 Abs. 3 BGB. Siehe dazu: BGH, 14.07.2011, VII ZR 113/10, NJW 2011, 3085 Rn. 11; Erman/Röthel/Metzger, BGB, 16. Aufl., 2020, § 346 Rn. 15; MünchKomm/Gaier, BGB, 9. Aufl., 2022, § 346 Rn. 107 mit jeweils weiteren Nachweisen. 327  Zum Schadensersatz bei Nichterfüllung des Rückgewährschuldverhältnisses: Staudinger/Kaiser, BGB, 2012, § 346 Rn. 284; MünchKomm/Gaier, BGB, 9. Aufl., 2022, § 346 Rn. 127. 328  Hier kann der Verkäufer regelmäßig nach § 251 Abs. 1 BGB nur Kompensation in Geld verlangen. Der Schadensersatz wird dabei zumeist auf den „objektiven“ Wert der Sache in mangelhaftem Zustand gerichtet sein. Siehe dazu: Staudinger/Kaiser, BGB, 2012, § 346 Rn. 285. 329  Prägnant zu den Voraussetzungen des Vorteilsausgleiches: Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 249 Rn. 140. 330  Exemplarisch: MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 249 Rn. 273. 331  BGH, 16.02. 1971, VI ZR 147/69, BGHZ 58, 14 (18); BGH, 28.06.2011, KZR 75/10, BGHZ 190, 145 Rn. 65 Lange/Schiemann/Lange, Schadensersatz, 3. Aufl., 2003, § 9 V 2, S. 511; Soergel/Ekkenga/Kuntz, BGB, 13. Aufl., 2014, Vor § 249 Rn. 298, 314; MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 249 Rn. 273.



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung83

Aufgrund dieser Obliegenheit soll der Käufer zumutbare Anstrengungen unternehmen, die von einem sorgfältigen und vernünftigen Menschen zu erwarten sind, um dazu beizutragen, dass sich ein Schaden nicht in abwendbarer Weise vergrößert.332 Vorteile, die auf darüber hinausgehende Anstrengungen zurückzuführen sind, muss sich der Gläubiger hingegen nicht anrechnen lassen.333 Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen trifft den Käufer keine Obliegenheit, die mangelhafte Sache anderweitig abzusetzen,334 da er bereits nach §§ 281 Abs. 5, 346 Abs. 1 BGB zur Rückgabe der Sache verpflichtet ist. Ihm zusätzlich aufzuerlegen, die mangelhafte Ware gewinnbringend weiterzuveräußern, würde seine Verpflichtung aus dem Rückgewährschuldverhältnis unterminieren. Der Schadensersatzgläubiger konnte und durfte sich im Zuge seines „großen“ Schadensersatzverlangens darauf einstellen, die Sache zurückzugeben. Folglich kommt es zu keiner Vorteilsanrechnung im Falle einer Weiterveräußerung. Allerdings könnte der Verkäufer dennoch den von dritter Seite an den Käufer gezahlten Kaufpreis im Zuge des Rücktrittes verlangen, wenn § 285 Abs. 1 BGB auf das Rückgewährschuldverhältnis Anwendung findet. Dies hätte zur Folge, dass der Käufer den erzielten Kaufpreis anstelle des Wertersatzes herausgeben müsste.335 Gegen eine solche Anwendbarkeit wurde vorgebracht, dass der Rücktritt und das ihm immanente Rückgewährschuldverhältnis ein in sich geschlossenes System darstellt. Weder der Wertersatz nach § 346 Abs. 2 BGB noch der Schadensersatz nach § 346 Abs. 4 i. V. m. §§ 280 bis 283 BGB sähen eine Anwendbarkeit des § 285 BGB vor.336 Jedoch kann aus der bloßen Inexistenz eines solchen Verweises keine legislatorische Wert­ entscheidung abgeleitet werden. Diese Annahme erhärtet sich mit Blick in die Gesetzesmaterialien. Der Gesetzgeber der Schuldrechtsform geht ausdrücklich von der weiterhin bestehenden Anwendbarkeit des § 285 BGB im Bereich des Rückgewährschuldverhältnisses aus.337 Die fehlende ausdrückliche Normierung kann somit für sich alleine keinen tauglichen Ansatzpunkt 332  Siehe dazu nur: Thiele, AcP 167 (1967), 193 (236); BeckOK/Lorenz, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 254 Rn. 30. 333  Thiele, AcP 167 (1967), 193 (236); Stürner, JZ 1984, 461 (467); MünchKomm/ Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 254 Rn. 77. 334  Im Erg. auch: Müller-Laube, JZ 1991, 162 (166). 335  Befürwortend: Staudinger/Kaiser, BGB, 2012, § 346 Rn. 221; Lorenz, NJW 2015, 1725 (1727); MünchKomm/Gaier, BGB, 9. Aufl., 2022, § 346 Rn. 111; ablehnend: Soergel/Benicke/Grebe, BGB, 13. Aufl., 2014, § 285 Rn. 21; Kaiser, JZ 2016, 151 (153); Staudinger/Caspers, BGB, 2019, § 285 Rn. 13; differenzierend: Linardatos/Russmann, Jura 2013, 861 (869–872); offengelassen: BGH, 25.03.2015, VIII ZR 38/14, NJW 2015, 1748 Rn. 21. 336  Staudinger/Caspers, BGB, 2019 § 285 Rn. 13. 337  BT-Drucks. 14/6040, S. 194; dazu auch: Lorenz, NJW 2015, 1725 (1727).

84

1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

bieten. Des Weiteren spricht auch der lediglich deklaratorische Charakter des § 346 Abs. 4 BGB338 gegen die Vorstellung, dass ein positionierter Verweis auf § 285 Abs. 1 BGB erforderlich sei.339 Des Weiteren würden durch die fehlende Anwendbarkeit von § 285 Abs. 1 BGB spekulative Anreize geschaffen.340 Hat der Schadensersatzgläubiger Kenntnis von dem entstandenen Schadensersatzanspruch (statt der ganzen Leistung) oder wurde das Schadensersatzverlangen bereits erklärt, könnte der Käufer den Versuch unternehmen, die Sache zu einem den Wert- beziehungsweise den Schadensersatzanspruch übersteigenden Betrag zu veräußern, um sich dadurch im Zuge des Rückgewährschuldverhältnisses einen Vorteil zu sichern.341 Dieser Gefahr tritt § 285 Abs. 1 BGB wirkmächtig entgegen. Zudem spielt es für die Anwendbarkeit dieser Vorschrift keine Rolle, ob die Weiterveräußerung vor oder nach dem „großen“ Schadensersatzverlangen erklärt wird.342 Allerdings muss sich der Verkäufer den vom Käufer erzielten Kaufpreis auf seinen Schadensersatzanspruch (§§ 346 Abs. 4, 280 ff. BGB) oder seinen Wertersatzanspruch (§ 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB) nach § 285 Abs. 2 BGB (analog)343 anrechnen lassen. Im obigen Fischkonservenfall steht dem Kaufmann K grundsätzlich ein Anspruch auf entgangenen Gewinn in Höhe von 2,– Euro pro mangelhaft gelieferter Fischkonserve zu, da er diese zu einem Preis von 4,– Euro pro Stück erworben hat und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge auf seinem Absatzmarkt für 6,– Euro abgesetzt hätte (§ 252 S. 2 Alt. 1 BGB). Würde K nun, da der Fisch nicht verzehrbar und damit nicht absetzbar wäre, die Konserven an einen Aluminiumhändler veräußern, könnte er seiner Rückgabeverpflichtung aus dem Rückgewährschuldverhältnis nach §§ 281 Abs. 5, 346 Abs. 1 BGB nicht mehr nachkommen. Daher müsste er nach § 285 Abs. 1 BGB den Erlös, den er durch den Verkauf der mangelhaften Fischkonserven erwirtschaftet hat, an V herausgeben. Allerdings ist hierbei zu beachten, dass auch V wiederum nicht überkompensiert werden darf, sodass der Erlös nach § 285 Abs. 2 BGB im Rahmen der Wert- und Schadensersatzansprüche des V anzurechnen ist. 338  BeckOK/H.Schmidt,

BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 346 Rn. 71. auch: Lorenz, NJW 2015, 1725 (1727). 340  Linardatos/Russmann, Jura 2013, 861 (870). 341  Linardatos/Russmann, Jura 2013, 861 (870). 342  Lorenz, NJW 2015, 1725 (1728); hiervon geht offenbar auch der Gesetzgeber selbst aus, wenn er die anfängliche Unmöglichkeit ausdrücklich in den Anwendungsbereich des § 285 Abs. 1 BGB aufnimmt. Vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 164 f. 343  Auf den Wertersatzanspruch des § 346 Abs. 2 BGB findet § 285 Abs. 2 BGB analog Anwendung. Siehe dazu: jurisPK/Faust, BGB, Band 2, 9. Aufl., 2020, § 346 Rn. 134; BeckOK/H.Schmidt, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 346 Rn. 77. 339  So



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung85

Die bereits für die Nichtleistung entwickelten Berechnungsparameter lassen sich auf die mangelhaft gelieferte Ware übertragen. Auch im Zuge einer Schlechtleistung kann der Käufer den Gewinn erzielen, den er bei ordnungsgemäßer Erfüllung nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge erwirtschaften könnte. Für die zeitliche Bestimmung des Marktverkaufspreises kommt es auch bei der mangelhaften Leistung auf den Moment an, an dem die originäre Leistungspflicht des Verkäufers fällig wurde. Die Fälligkeit eines etwaigen Nacherfüllungsanspruches des Käufers spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, da sich die Fälligkeit eines solchen Anspruches nach der Erklärung des Schadensersatzverlangens richtet344 und durch die Berücksichtigung des Zeitpunktes dieses Verlangens dem Käufer zu große Einwirkungsmöglichkeiten gegeben würde. Der „große“ Schadensersatz kann ebenfalls nach der Differenz- oder der Surrogationsmethode berechnet werden. Wurde zuvor bereits der Rücktritt erklärt, kommt jedoch nur noch die Differenzmethode in Betracht.345 5. Zusammenfassung der Ergebnisse Bei der Berechnung des entgangenen Gewinnes nach § 252 S. 2 Alt. 1 BGB sind in Bezug auf die Bestimmung des Marktverkaufspreises insbesondere die Marktstufe, auf der sich der nicht belieferte Käufer mit seinen Abnehmern „trifft“, der Zeitpunkt, an dem der Marktpreis für die Schadensberechnung fixiert wird, und der Ort, an dem der Marktpreis bestimmt wird, für die Höhe des entgangenen Gewinnes von Relevanz. Die aus dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge fließende Weiterveräußerungsvermutung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB knüpft dabei an den Marktverkaufs- beziehungsweise an den Verkäuflichkeitspreis an. Diese Vermutung ist nicht geeignet, die Differenz zwischen dem Vertragspreis und dem höheren Markteinkaufspreis der Ware auf dem Beschaffungsmarkt des Käufers zu ersetzen.346 Einzig der Absatzmarkt des Käufers kommt als Berechnungsfaktor in Betracht. In diesem Zusammenhang darf nicht schlicht auf „den“ Marktpreis verwiesen werden, da in einer modellhaften Absatzkette verschiedene Absatzmärkte mit unterschiedlichen Preisen in Betracht kommen. Lediglich der Markt, auf dem der Verkäufer die Ware nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge angeboten hätte, kann in die Schadensberechnung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB eingestellt werden. Für die Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunktes muss auf den Zeitpunkt der Fälligkeit abgestellt werden. 344  Statt

aller: BeckOK/Faust, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 439 Rn. 10. bereits unter: 1. Kap. B. IV. 4. a). 346  So aber: BGH, 19.11.1997, VIII ZR 33/36, WM 1998, 931; BGH, 07.05.1998, VIII ZR 362/96, NJW 1998, 2901 (2902). 345  Dazu

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

Die anderen vorgeschlagenen Zeitpunkte würden dem Schadensersatzgläubiger die Möglichkeit eröffnen, einseitig auf die Schadenshöhe Einfluss zu nehmen. Insbesondere ist eine Wahlmöglichkeit des Käufers zwischen verschiedenen Momenten abzulehnen. Der Marktpreis ist an dem Bestimmungsort zu ermitteln. Dabei handelt es sich um den Ort, an dem die Ware verkauft worden wäre. Kommen mehrere dieser Plätze gleichermaßen in Betracht, ist ein Durchschnittswert zu bilden. Zudem sind ersparte Spezial- und Generalunkosten in Abzug zu bringen. Letztere können nur insofern als erspart angesehen werden, als dass sie bei einer ordnungsgemäßen Lieferung tatsächlich hätten erhöht werden müssen.347 Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Ermittlung der Schadenshöhe von zwei Maximen geprägt ist: Zum einen muss jedwede einseitige Einflussnahme des Käufers auf die Bestimmung des Marktpreises unterbunden werden und zum anderen darf der Schadensersatzgläubiger durch den Schadensersatzanspruch nicht besser stehen, als im Falle einer ordnungsgemäßen Lieferung.

V. Der personelle Anwendungsbereich Die konkret-typisierende Schadensberechnung des §  252 S.  2 Alt.  1 BGB348 ist eng mit der Frage verwoben, welche Personengruppen sich überhaupt dieser Berechnungsmethode bedienen können. Den Ausgangspunkt bildet hierbei die aus § 252 S. 2 Alt. 1 BGB fließende Weiterveräußerungsvermutung. Um die Tragweite und die Grenzen dieser Vermutung ermitteln zu können, gilt es zu klären, welche Anknüpfungstatsachen349 der Käufer darlegen und ggf. beweisen muss, um sich auf eine solche Weiterveräußerungsvermutung überhaupt berufen zu können. Spiegelbildlich ist die Möglichkeit des Verkäufers zu eruieren, eine solche Weiterveräußerungsvermutung zu entkräften. So führen zuhohe Anforderungen an die Widerlegbarkeit respektive niedrige Voraussetzungen im Bereich der notwendigen Anknüpfungstatsachen zu einer Expansion dieses Berechnungsmodus. Eine regelrechte Entgrenzung widerfuhr der konkret-typisierenden Schadensberechnung zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Schon damals galt die 347  Vgl, BGH, 22.02.1989, VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 (69); BGH, 01.03.2001, III ZR 361/99, NJW-RR 2001, 985 (986). 348  Nach der Diktion des Bundesgerichtshofes handelt es sich hierbei um eine abstrakte Schadensberechnung. 349  Siehe dazu nur: BGH, 05.05.1970, VI ZR 212/68, BGHZ 54, 45 (55); MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 37 m. w. N.



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung87

Kaufmannseigenschaft des Schadensersatzgläubigers als maßgebliches Kriterium, um auf die Weiterveräußerungsvermutung rekurrieren zu können. Bei dieser Personengruppe entspräche der Absatz marktgängiger Waren dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge, sodass mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ein Gewinn entgangen wäre.350 Jedoch weitete das Reichsgericht den Anwendungsbereich auch auf andere Gruppen aus.351 Zusätzlich wurden die Anforderungen an die Widerlegbarkeit der Weiterveräußerungsvermutung derart hoch angesetzt, dass sie sich faktisch zu einer unwiderlegbaren Vermutung wandelte. 1. Die „Militärfiskusfälle“ Die Auffassung, dass von einer Weiterveräußerungsvermutung nach § 252 S. 2 Alt. 1 BGB nur ausgegangen werden könne, wenn es sich bei dem nicht belieferten Käufer um einen Kaufmann handele, führte das Reichsgericht zu Beginn des 20. Jahrhunderts in eine prekäre Situation: Durch den Beginn des ersten Weltkrieges kaufte der Staat in großen Mengen Waren zur Versorgung des Heeres ein. Konnte der Lieferant seiner vertraglichen Verpflichtung nicht nachkommen, klagte der Fiskus auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Dieser Schaden sollte sodann „abstrakt“ berechnet werden. Allerdings führte diese Ausgangslage das neu entwickelte Verständnis der „abstrakten“ Schadensberechnung an ihre Grenzen und offenbarte ihre Schwächen. Dies wird besonders mit Blick auf die erste Entscheidung zu den sogenannten Militärfiskusfällen deutlich:352 Der Militärfiskus erwarb am 02.02.1916 140.000 Liter Jamaikarum-Verschnitt zur Versorgung des Heeres zum Preis von 1,90 Mark pro Liter. Als das Unternehmen nicht vollständig lieferte, machte der Staat – nach dem erfolglosen Ablauf einer Nachfrist – einen Differenzanspruch zwischen dem Vertragspreis und dem nun teureren Marktpreis (13,50 Mark pro Liter) für den ausgebliebenen Teil der Lieferung geltend.

Hier stellten sich für das Reichsgericht nun zwei Probleme in den Weg. Zum einen mangelte es dem Staat an der Kaufmannseigenschaft und zum anderen wurde die ausgebliebene Ware nicht zum Zwecke der Weiterveräußerung erworben, sodass eine Weiterveräußerung nicht dem gewöhnlichen

350  RG, 30.04.1920, II 1/20, RGZ 99, 46 (49); BGH, 16. 03.1959, III ZR 20/58, BGHZ 29, 393 (399); BGH, 12.07.1962, III ZR 203/61, DRiZ 63, 25; BGH, 17.12.1963, V ZR 186/61, NJW 1964, 661 (662); BGH, 01.02.1974, IV ZR 2/72, BGHZ 62, 103 (105); BGH, 18.01.1980, V ZR 110/76, NJW 1980, 1742 (1743): „in der Regel“; BGH, 30.05.2001, VIII ZR 70/00, NJW-RR 2001, 1542. 351  Hier sind vor allem die „Militärfiskus-“ und „Eigenbedarfsfälle“ zu nennen. 352  RG, 30.04.1920, II 1/20, RGZ 99, 46.

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

Verlauf der Dinge entsprochen hätte.353 In der Folge sah sich das Reichsgericht gezwungen, die Klage abzuweisen. Des Weiteren könne kein Schaden durch das bloße Nichterhalten der Ware angenommen werden. Dies gelte selbst dann, wenn deren Wert den Kaufpreis überstiege.354 Zwar erkannte das Reichsgericht in dieser Entscheidung, dass der Weg des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB versperrt war, jedoch wurde die Chance versäumt, sich auf die Zeit des ADHGB zurückzubesinnen355 und die zur damaligen Zeit allgemein anerkannten Grundsätze weiterzuentwickeln. So hätte das Reichsgericht den vom Reichsoberhandelsgericht anerkannten Anspruch auf den „Mehrwert“ der Leistung,356 der sich durch die Differenz zwischen Vertragspreis und höherem Markteinkaufspreis bestimmen ließe,357 auch außerhalb des kaufmännischen Verkehrs bejahen können. Stattdessen wurde dieser Ansatzpunkt durch die Vorstellung überlagert, dass sich die abstrakte Schadensberechnung außerhalb der gesetzlich normierten Fälle ausschließlich in der Forderung eines entgangenen Gewinnes erschöpfe. Die Rechtsprechung begegnete in nachfolgenden Militärfiskusentscheidungen diesem Dilemma mit einer extensiven Auslegung der Weiterveräußerungsvermutung.358 Trotz fehlender Weiterveräußerungsabsicht konnte der Militärfiskus auf diese Weise seinen Schaden auf der Basis eines vermuteten Weiterveräußerungsgewinnes „abstrakt“ ersetzen, da es als ausreichend erachtet wurde, dass sich der Militärfiskus jederzeit noch hätte entscheiden können, die für das Heer vorgesehenen Waren doch weiterzuveräußern.359 Anhaltspunkte dafür sah das Reichsgericht in der Möglichkeit des Staates, 353  RG,

30.04.1920, II 1/20, RGZ 99, 46 (48 f.). 30.04.1920, II 1/20, RGZ 99, 46 (49); RG, 08.02.1921, II 353/20, Gruchot 65 (1921), 476 Nr. 57 (477). 355  So geschehen bei: OLG Hamburg, 06.03.1919, OLGE 39 (1921), 132; OLG Hamburg HansGZ 1920, 203 Nr. 100 (203 f.), die auf den Sachwert der Waren rekurrieren. 356  ROHG, 28.05.1872, I 113/72, ROHGE 6, 182 (194); ROHG, 22.01.1873, II 731/72, ROHGE 10, 169 (170 f.). 357  ROHG, 04.06.1872, I 262/72, ROHGE 6, 225 (226); ROHG, 22.01.1873, II 731/72, ROHGE 10, 169 (170 f.); ROHG, 11.10.1873, II 784/73, ROHGE 11, 182 (183); ROHG, 03.09.1874, II 958/74, ROHGE 14, 140 (142); ROHG, 05.05.1875, II 516/75, ROHGE 17, 255 (259 f.); ROHG, 21.10.1875, III 867/75, ROHGE 18, 215; ferner auch: Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 114 Fn. 14 m. w. N. 358  RG, 12.03.1921, I 297/20, RGZ 101, 217: „Erbsen“; RG, 24.10.1922, II 786/21, RGZ 105, 285 „Schinken“; RG, 24.10.1922, II 767/21, RGZ 105, 293: „Leder“; RG, 09.01.1920, II 307/19, LZ 1920, Spalte 610 Nr. 1 (610 f.): „Lammfleisch“; zu den sog. Militärfiskusfällen ausführlich: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 57–59. 359  RG, 12.03.1921, I 297/20, RGZ 101, 217 (219 f.); RG, 24.10.1922, II 786/21, RGZ 105, 285 (286 f.); RG, 09.01.1920, II 307/19, LZ 1920, Spalte 610 Nr. 1 (610 f.). 354  RG,



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung89

sich nach der hypothetischen Veräußerung der nicht gelieferten Waren billiger als zuvor einzudecken.360 Durch die besondere Stellung des Staates wäre eine Wesensähnlichkeit mit der Kaufmannseigenschaft gegeben, da auch der Staat einem Geschäftstrieb unterläge, der ihn im Einzelfall geradezu nötige, eingekaufte Waren gewinnbringend zu veräußern.361 Diese Argumentation überspannte die Weiterveräußerungsvermutung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB erheblich und war wohl auf das Bedürfnis zurückzuführen, den Militärfiskus nicht allein auf die konkrete Schadensberechnung verweisen zu müssen.362 Zwar mag dem Staat in gewissen Situationen eine kaufmannsähnliche Stellung nicht abzusprechen sein,363 jedoch sollte dem Staat hier der Rückgriff auf den Berechnungsmodus des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB verwehrt bleiben.364 In Kriegszeiten war der Militärfiskus primär an der Versorgung der Truppen interessiert, sodass er keine gewinnorientierten Zwecke mit der ausgebliebenen Lieferung verfolgte. Jedenfalls vom Standpunkt einer typisierenden Betrachtungsweise wäre mit einer Weiterveräußerung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu rechnen gewesen, da gerade kein dahingehender Erfahrungssatz bestand und gegenwärtig besteht, dass der Fiskus mit dem Ankauf von Waren Gewinnerzielungsabsichten verfolgt.365 Die bloße Möglichkeit einer Weiterveräußerung reicht hingegen nicht aus.366 Daran ändert auch eine etwaige Gleichstellung des Staates mit einem Kaufmann nichts. Die Oberlandesgerichte erweiterten darüber hinaus den personellen Anwendungsbereich der Weiterveräußerungsvermutung sogar noch auf Landwirte367 und Gemeinden,368 wobei eine nähergehende Begründung unterblieb. Nur vereinzelt wurde Nichtkaufleuten ein konkret-typisierender Gewinn mit einem Verweis auf § 252 S. 2 BGB verwehrt.369 360  RG,

12.03.1921, I 297/20, RGZ 101, 217 (220). 24.10.1922, II 786/21, RGZ 105, 285 (286). 362  Die Hintergründe, die das Reichsgericht zu so einer Argumentation veranlasst haben, bleiben unklar. Nicht auszuschließen ist jedoch eine politische Motivation. 363  So auch: RG, 30.04.1920, II 1/20, RGZ 99, 46 (49). 364  So auch: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S.  127 f. 365  Besonders kurios ist dabei der Umstand, dass die hier beschriebene Entscheidung zum „Jamaikarum-Verschnitt“ vereinzelt aufgegriffen, aber deren Richtigkeit nie in Frage gestellt wurde. Siehe: RG, 12.03.1921, I 297/20, RGZ 101, 217 (219); RG, 08.02.1921, II 353/20, Gruchot 65 (1921), 476 Nr. 57 (477). 366  Vgl. Mugdan, Die gesammten Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB, Band 2, 1899, S. 10 = Motive, S. 18. 367  OLG München, 10.05.1921, III 1270/20. JW 1923, 1050 Nr. 23. 368  OLG Hamburg, 17.01.1917, OLGE 36 (1918), 26 (27). 369  OLG Rostock, 23.03.1917, OLGE 36 (1918), 2. 361  RG,

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

2. Die „Eigenbedarfsfälle“ Während das Reichsgericht durch die extensive Auslegung der Weiterveräußerungsvermutung im Rahmen der „Militärfiskusfälle“ sowohl die fehlende Kaufmannseigenschaft als auch die nicht vorhandene Weiterveräußerungsabsicht umgehen musste, gestaltete sich im Bereich der „Eigenbedarfsfälle“ lediglich letztgenanntes Element als problematisch. Der Umgang der Judikatur mit dieser Fallgruppe lässt sich anhand einer Entscheidung aus dem Jahre 1921 veranschaulichen:370 Die Klägerin erwarb von der Beklagten sechs Kesselwagen Heizöl. Dieses Öl sollte für Treib- und Heizzwecke im Betrieb der Klägerin verwendet werden. Als die Beklagte nicht lieferte, verlangte die Klägerin zunächst Erfüllung, forderte später jedoch einen Schadensersatzanspruch in der Differenz zwischen dem damaligen Vertrags- und Marktpreis.

Zentrum der Schadensberechnung ist auch hier die Vorstellung, dass ein Gewinn nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten war. Sicherlich ist ein potenzieller Weiterverkauf bei einem Kaufmann wahrscheinlicher als bei einem Privatmann. Allerdings entspricht es auch bei Kaufleuten nicht der Regel, Waren, die für die eigene Güterproduktion nötig sind, weiterzuveräußern.371 Das Reichsgericht begegnete diesen Bedenken im obigen Fall mit der Auffassung, dass kurzfristige Marktschwankungen geeignet wären, den Käufer zum Umdenken zu bewegen. Er hätte dann bei steigenden Marktpreisen die Ware in der Hoffnung weiterveräußert, sich diese bei sinkenden Preisen wieder billiger beschaffen zu können.372 Versteht man die Kaufmannseigenschaft als das tragende Element des gewöhnlichen Geschehensablaufes,373 wäre im oben beschriebenen Beispiel zunächst widerlegbar von einer entsprechenden Weiterveräußerung auszuge370  RG,

12.03.1921, I 297/20, RGZ 101, 421. Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 59. 372  RG, 15.01.1921, I 288/20, RGZ 101, 217 (219); im Erg. auch: RG, 24.11.1908, II 270/08, LZ 1909, Nr. 3 Spalte 320 (321); vgl. auch: RG, 15.04.1914, 11 U 1678/17, JW 1919, 738 Nr. 2. In der damaligen Literatur wurde zum Teil eine ähnliche Sichtweise vertreten. Danach schied die Weiterveräußerung nur dann aus, wenn der Warenabsatz völlig ausgeschlossen erschien. Siehe dazu: Staub/Koenige, HGB, ­ 12./13. Aufl., 1926, Band 3, Anh. zu 374, Anm. 60; Oertmann, JW 1921, 333; ders., JW 1921, 1313; Locher, JW 1926, 2676 (2677); Loewenwarter, Lehrkommentar zum BGB, 1928, § 326 (S. 184); differenzierender: Düringer/Hachenburg/Werner, HGB, 3. Aufl., 1932, Band IV Einl. Anm. 362, S. 308 f., der die abstrakte Schadensberechnung für den Fall ablehnte, dass sich ein Kaufmann Ware zum privaten Gebrauch anschaffte, wobei die Anschaffung zu betriebsinternen Gründen toleriert wurde. 373  RG, 30.04.1920, II 1/20, RGZ 99, 46 (49); BGH, 16.03.1959, III ZR 20/58, BGHZ 29, 393 (399); BGH, 12.07.1962, III ZR 203/61, DRiZ 63, 25; BGH, 17.12.1963, V ZR 186/61, NJW 1964, 661 (662); BGH, 01.02.1974, IV ZR 2/72, 371  Vgl.



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung91

hen, da der Käufer eben dieses Erfordernis erfüllt.374 Allerdings ist der Klägerin der Ersatz eines entgangenen Gewinnes in Bezug auf ein mögliches Absatzgeschäft der nicht gelieferten Waren zu versagen. Zwar wäre eine Weiterveräußerung nicht von vornherein ausgeschlossen, jedoch entspricht auch in dieser Fallkonstellation eine derartige Weiterveräußerung nicht dem typischen Geschehensablauf. Das vom Reichsgericht beschriebene Vorgehen wäre aus ökonomischer Sicht in aller Regel unrentabel, riskant und in manchen Fällen sogar geeignet, die betriebliche Existenz zu gefährden.375 Kaum ein vernünftig denkender Kaufmann würde in Erwägung ziehen, Teile der Produktion stillzulegen, um für die Herstellung essenzielle Materialien zu Gewinnerzielungszwecken zu veräußern. Auch die Vorstellung, der Käufer könnte sich anschließend wieder günstiger eindecken, überzeugt nicht, da der Kaufmann die nachfolgende Preisentwicklung nicht mit Sicherheit abschätzen kann. Die Weiterveräußerung betriebsinterner Ware ist somit nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Davon zu trennen ist jedoch die Möglichkeit des nicht belieferten Käufers, einen entgangenen Gewinn für mögliche Produktionsausfälle zu fordern, die im Zuge der ausgebliebenen Lieferung eintreten. Auch hier ist eine typisierende Betrachtung nach § 252 S. 2 Alt. 1 BGB möglich, wenn der Betrieb durch die ausgefallene Lieferung insgesamt weniger Ware produzieren und damit auch weniger absetzen konnte. Fallen die hergestellten Waren unter den Anwendungsbereich der konkret-typisierenden Schadensberechnung, was insbesondere dann anzunehmen sein wird, wenn sich für diese ein Marktpreis ermitteln lässt,376 wird vermutet, dass sie einen Abnehmer gefunden hätten. Dabei wird der Produzent über § 252 S. 2 Alt. 1 BGB von dem Nachweis befreit, konkrete Absatzmöglichkeiten für die Ware, die aufgrund des Produktionsrückganges nicht hergestellt werden konnte, vorzuweisen.377 Das Reichsgericht verpasste demnach auch im Bereich der „Eigenbedarfsfälle“ die Gelegenheit, den seit dem Jahre 1907378 eingeschlagenen Pfad zu verlassen. Anstatt das vormalige Verständnis des Reichsoberhandelsgerichtes wieder aufleben zu lassen – oder zumindest im Rahmen des entgangenen BGHZ 62, 103 (105); BGH, 18.01.1980, V ZR 110/76, NJW 1980, 1742 (1743): „in der Regel“; BGH, 30.05.2001, VIII ZR 70/00, NJW-RR 2001, 1542. 374  Dies gilt freilich grundsätzlich nur für Waren, für die sich ein Marktpreis ermitteln lässt oder für die ausnahmsweise der Verkäuflichkeitspreis heranzuziehen ist. Siehe dazu bereits unter: 1. Kap. B. IV. 1. c). 375  Vgl. Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 59. 376  Dazu bereits unter: 1. Kap. B. IV. 1. a) und c). 377  Weiterführend im Bereich der Weiterverarbeitung unter: 1. Kap. B. VI. 3. 378  RG, 23.04.1907, II 453/06, LZ 1907 Nr. 9 Spalte 501 = Holdheim 1908, 17 (17 f.).

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

Gewinnes auf die betriebliche (Produktions-)Leistung in ihrer Gesamtheit abzustellen – bildete nach wie vor die hypothetische Weiterveräußerung der ausgebliebenen Waren das Zentrum der abstrakten Schadensbemessung. Nur ein einziges Mal379 besann sich das Reichsgericht auf die vormals herrschende Auffassung zurück und beschrieb die abstrakte Schadensberechnung als das, was sie tatsächlich heute noch ist: Eine Methode, den ausgebliebenen Verkehrswert zu bestimmen, der dem Gläubiger bei ordnungsgemäßer Lieferung zugeflossen wäre. Dabei spielt es bei der abstrakten Schadensbemessung keine Rolle, welche Pläne der Käufer im Einzelfall mit der ausgebliebenen Lieferung hatte.380 3. Die Voraussetzungen eines typischen Geschehensablaufes Doch welche Voraussetzungen muss der Käufer nun im Einzelnen erfüllen, um sich im Rahmen der Weiterveräußerungsvermutung auf den gewöhnlichen Verlauf der Dinge berufen zu können? Den Ausgangspunkt bildet die Kaufmannseigenschaft. Gleichwohl ist ein pauschaler Verweis auf dieses Element zu unbestimmt, um daraus Erfahrungssätze im Wege einer typisierenden Betrachtung (§ 252 S. 2 Alt. 1 BGB) fruchtbar machen zu können. Schon der Blick auf die zentrale Norm des § 1 HGB zeigt, dass es sich bei Kaufleuten um eine heterogene Gruppe handelt. Nach § 1 Abs. 1 HGB ist derjenige als Kaufmann zu klassifizieren, der ein Handelsgewerbe betreibt. Unter einem Handelsgewerbe ist jeder Gewerbebetrieb zu verstehen, der nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, vgl. § 1 Abs. 2 HGB. Es bedarf somit einer selbstständigen Tätigkeit,381 die entgeltlich382 nach außen erkennbar am Markt angeboten wird.383 Diese Tätigkeit muss planmäßig betrieben384 und durch Abschluss von Rechtsgeschäften ausgeübt werden,385 wobei künstlerische, 379  Soweit

dies zumindest ersichtlich ist. 15.04.1914, 11 U 1678/17, JW 1919, 738 Nr. 2. 381  Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Kindler, HGB, 4. Aufl., 2020, § 1 Rn. 21. 382  Canaris, Handelsrecht, 24. Aufl., 2006, § 2 I Rn. 7; Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Kindler, HGB, 4. Aufl., 2020, § 1 Rn. 27. Zum wohl überholten Erfordernis der Gewinnerzielungsabsicht: MünchKomm/Schmidt, HGB, 5. Aufl., 2021, § 1 Rn. 31 m. w. N.; noch auf die Gewinnerzielungsabsicht bestehend: BGH, 02.07.1985, X ZR 77/84, BGHZ 95, 155 (157); abrückende Tendenz erkennbar bei: BGH, 24.06.2003, XI ZR 100/02, BGHZ 155, 240 (246.). 383  Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Kindler, HGB, 4. Aufl., 2020, § 1 Rn. 22. 384  Dies setzt eine gewisse Dauer voraus. Dazu: Canaris, Handelsrecht, 24. Aufl., 2006, § 2 I Rn. 6; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Kindler, HGB, 4. Aufl., 2020, § 1 Rn. 23. 385  Canaris, Handelsrecht, 24. Aufl., 2006, § 2 I Rn. 4; MünchKomm/Schmidt, HGB, 5. Aufl., 2021, § 1 Rn. 29. 380  RG,



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung93

wissenschaftliche oder freiberufliche Tätigkeiten nicht erfasst sind.386 Zusätzlich ist eine gewisse Mindestgröße erforderlich, die das Handelsgewerbe vom Kleingewerbe abgrenzt.387 Diese Voraussetzungen zeigen, dass die reflexartige Annahme, eine Weiterveräußerung sei bei Kaufleuten insgesamt eher zu erwarten, zu kurz greift. Schon die verschiedenen potenziellen Erscheinungsformen von Handelsgewerben sprechen gegen eine solche Pauschalisierung. So wird es unstreitig Kaufleute geben, die Ware zu Weiterveräußerungszwecken erwerben. Dieser Gruppe steht jedoch eine Vielzahl anderer Handelsgewerbetreibender gegenüber, deren Tätigkeit gerade nicht auf Warenverkauf gerichtet sein wird, sodass es in vielen Fällen an der hinreichenden Wahrscheinlichkeit des § 252 S. 2 BGB mangeln wird. Gegen einen starren Blick auf die Kaufmannseigenschaften spricht auch die freiwillige Möglichkeit eines Kleingewerbetreibenden, die Kaufmanns­ eigenschaft durch eine Eintragung ins Handelsregister nach § 2, 5 HGB zu erlangen. So vermittelt eine solche Eintragung zwar eine gewisse Ernsthaftigkeit in Bezug auf das Bestreben, dauerhaft am Markt tätig sein zu wollen. Jedoch ist es nicht zu erklären, weshalb die bloße Eintragung ins Handelsregister die Weiterveräußerung nicht gelieferter Waren wahrscheinlicher macht. Des Weiteren kann die Abgrenzung zwischen einem Istkaufmann im Sinne des § 1 Abs. 1 HGB und einem Kleingewerbetreibenden, dessen Unternehmen die erforderliche Mindestgröße nicht erfüllt, fließend sein. Die Kaufmannseigenschaft gewährleistet daher keine hinreichende Grundlage, um auf den gewöhnlichen Verlauf der Dinge schließen zu können. Eher muss der Schadensersatzgläubiger als Händler zu klassifizieren sein.388 Dafür muss der Käufer Produkte eines rechtlich unabhängigen Herstellers oder Verkäufers auf eigene Rechnung erwerben und nahezu unverändert wieder auf eigene Rechnung und eigenes Risiko weiterveräußern.389 Nur bei dieser Personengruppe besteht ein ausreichender Erfahrungssatz, der als Fundament eines typischen Geschehensablaufes schließen kann. Dabei ist die Händlereigenschaft nicht zwingend an die Kaufmannseigenschaft gebunden. Auch ein Unternehmer (§ 14 Abs. 1 BGB) kann dieses Erfordernis erfüllen.390 Des Weiteren muss der Käufer bei Abschluss des Rechtsgeschäftes in 386  MünchKomm/Schmidt,

HGB, 5. Aufl., 2021, § 1 Rn. 32. HGB, 4. Aufl., 2020, § 1 Rn. 9. 388  Ähnlich auch schon: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 127, die jedoch nur von Kaufleuten ausgeht. 389  Vgl. dazu: Wirtschfaltslexikon24 (Stichwort: „Händler“; abrufbar unter: https:// bit.ly/3CZccuq; zuletzt abgerufen am: 27.02.2023). 390  Vgl. auch: MünchKomm/Oetker, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 47; BeckOK/Lorenz, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 281 Rn. 46, die auch Kleingewerbetreibende in den personellen Anwendungsbereich aufnehmen. 387  Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Kindler,

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit handeln (§ 14 Abs. 1 Alt. 1 BGB). Dies setzt auch bei Kleingewerbetreibenden ein selbstständiges, planmäßiges und entgeltliches Anbieten einer Leistung am Markt voraus. Diese Tätigkeit muss auf eine gewisse Dauer angelegt sein und ihr muss ein bestimmtes Maß an organisatorischem Aufwand zugrunde liegen.391 Unabhängig von der Kaufmanns- oder Unternehmereigenschaft muss der Warenfluss das Gesamtbild der gewerblichen Tätigkeit prägen. Allerdings muss sich die betriebliche Tätigkeit nicht gänzlich in dem An- und Verkauf von Waren erschöpfen. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist ein Weiterverkauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Sowohl Privatpersonen als auch der Staat werden hingegen in aller Regel Waren nur zu Eigenbedarfszwecken erwerben, ohne dabei weitere wirtschaftliche Pläne zu verfolgen. Auch bei Freiberuflern wie Ärzten, Anwälten oder Steuerberatern wird diese Berechnungsmethode zu versagen sein, da die Haupttätigkeit dieser Gruppen nicht auf den An- und Verkauf von Waren gerichtet ist. Dies gilt auch für Kaufleute, die nicht als Händler zu klassifizieren sind. Es besteht im Übrigen auch keine Not, den Personenkreis rund um § 252 S. 2 Alt. 1 BGB zu erweitern. Übersteigt der Verkehrswert der ausgebliebenen Lieferung den Vertragspreis, kann der Schaden (zumindest) durch die abstrakte Schadensberechnung im weiteren Sinne berechnet werden.392 Darüber hinaus verbleibt immer noch die konkrete Schadensberechnung. Damit der nicht belieferte Käufer seinen entgangenen Gewinn konkret-typisierend („abstrakt“) nach § 252 S. 2 Alt. 1 BGB berechnen kann, muss er die Anknüpfungstatsachen auf denen die Gewinnprognosen beruhen, darlegen und ggf. beweisen.393 So muss er zunächst seine Händlereigenschaft nachweisen. Darüber hinaus trifft den Schadensersatzgläubiger auch die Darlegungsund Beweislast für den Marktpreis auf dessen Absatzmarkt. An die Stelle des Marktpreises kann auch der Verkäuflichkeitspreis treten. Dafür muss sich bei vertretbaren Objekten ein Marktpreis für vergleichbare Produkte etabliert haben und für unvertretbare Sachen müssen gleichartige Ersatzobjekte in großem Umfang auf dem Markt abgesetzt werden. Dabei darf die in Rede stehende Kaufsache nicht durch besondere Eigenschaften gekennzeichnet sein, die den potenziellen Abnehmerkreis einschränken könnte.394 Gelingen dem nicht be391  Zu diesen Voraussetzungen: BGH, 29 03.2006, VIII ZR 173/05, BGHZ 167, 44 Rn. 14; MünchKomm/Micklitz, 9. Aufl., 2021, § 14 Rn. 19; eingehend auch: BeckOK/ Martens, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 14 Rn. 26–34. 392  Dazu unter: 1. Kap. D. I. 1. 393  Siehe dazu nur: BGH, 05.05.1970, VI ZR 212/68, BGHZ 54, 45 (55); MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 37 m. w. N. 394  Jeweils zur Marktgängigkeit von Gebrauchtwagen: BGH, 08.10.1969, VIII ZR 20/68, NJW 1970, 29 (32 f.); BGH, 29.06.1994, VIII ZR 317/93, BGHZ 126, 305 (308–311). Dazu bereits unter 1. Kap. B. IV. 1. c).



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung95

lieferten Käufer diese Nachweise, kann (widerlegbar) von einer Weiterveräußerung zu seinem Marktverkaufspreis ausgegangen werden. Die aus § 252 S. 2 Alt. 1 BGB fließende Vermutung, dass der Käufer die Ware zum Marktverkaufspreis abgesetzt hätte, kann durch den Schadensersatzschuldner widerlegt werden.395 Berechnet der Käufer demnach seinen entgangenen Gewinn nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge, bleibt es dem Verkäufer unbenommen, zu beweisen,396 dass der Gewinn im weiteren Verlauf dennoch nicht erzielt worden wäre.397 So könnte der Verkäufer nachweisen, dass der Händler die Ware zu Eigenbedarfs- und nicht zu Weiterveräußerungszwecken erworben hat, oder dass er die Ware nicht zum Marktpreis abgesetzt hätte.398 Dabei dürfen jedoch keine zu strengen Anforderungen an dessen Darlegungs- und Beweislast gestellt werden, da sich andernfalls die widerlegbare Vermutung des § 252 S. 2 BGB zu einer unwiderlegbaren wandeln würde.399

VI. Einschränkende Faktoren Da es sich bei der Schadensberechnung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB gerade um keine abstrakte Schadensberechnung im engeren Sinne handelt, bleibt es dem Schuldner unbenommen, einen Gegenbeweis dahin zu führen, dass in Wahrheit kein oder lediglich ein geringerer Schaden entstanden ist.400 Neben der bereits aufgezeigten Notwendigkeit, ersparte Spezial- und Generalunkosten in Abzug zu bringen,401 und der Möglichkeit, die vermutete Weiterveräu395  BGH, 13.10.2016, IX ZR 149/15, NJW 2017, 1600 Rn.  19; Staudinger/ Schwarze, BGB, 2019, § 280 Rn. 80 f.; Erman/Ebert, BGB, 16. Aufl., 2020, § 252 Rn. 12; Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 252 Rn. 16; MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 31. 396  Insofern trägt der Verkäufer für die Widerlegung die volle Beweislast. Siehe dazu: BGH, 13.10.2016, IX ZR 149/15, NJW 2017, 1600 Rn. 19; BGH, 30.05.2001, VIII ZR 70/00, NJW-RR 2001, 1542; Erman/Ebert, BGB, 16. Aufl., 2020, § 252 Rn. 10. 397  BGH, 13.10.2016, IX ZR 149/15, NJW 2017, 1600 Rn. 19. 398  Zur letzteren Möglichkeit: RG, 05.06.1917, II 606/16, RGZ 90, 305 (306); Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 128; Staudinger/ Schwarze, BGB, 2019, § 280 Rn. 81. War nicht der Marktverkaufspreis des Käufers, sondern ein niedrigerer Weiterverkaufspreis zu erwarten, steht es dem Schadens­ ersatzgläubiger frei, diesen Betrag in die Schadensberechnung einzustellen. 399  BGH, 05.05.1970, VI ZR 212/68, BGHZ 54, 45 (56); BGH, 30.05.2001, VIII ZR 70/00, NJW-RR 2001, 1542. 400  Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, § 280 Rn. 81; zur abstrakten Schadensberechnung i. e. S.: Huber, Reformgutachten, Band 1, 1981, S. 647 (848); Hopt/Leyens, HGB, 42. Aufl., 2023, § 376 Rn. 13. 401  Siehe dazu: 1. Kap. B. IV. 4. a).

96

1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

ßerung zum Marktverkaufspreis zu widerlegen,402 ließe sich an eine vollständige Versagung des entgangenen Gewinnes denken, wenn der Käufer bei der Weiterveräußerung der Ware gegen Verbotsgesetze (§ 134 BGB) oder die guten Sitten verstoßen hätte (§ 138 Abs. 1 BGB). Auch ein tatsächlich durchgeführter, respektive schuldhaft unterlassener, Deckungskauf könnte geeignet sein, die geforderte Schadenssumme zu mindern. 1. Verstoß gegen gesetzliche Verbote und die guten Sitten Bereits vor der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches galt der Grundsatz, dass niemand gehört werden solle, der sich auf seine eigene Verworfenheit beruft.403 Diese Vorstellung teilte offenbar auch der historische Gesetzgeber, der lediglich den Gewinn für ersatzfähig hielt, der ohne „Unehrenhaftigkeit“ erzielt wurde.404 Ob der Gewinn jedoch in jedem Fall vollständig auszuschließen ist, erscheint insbesondere mit Blick auf Preisvorschriften fraglich. a) Grundsatz Gewinne, die durch einen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) erzielt werden, sind grundsätzlich nicht ersatzfähig.405 Nach § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig, soweit sich aus diesem Gesetz nicht etwas anders ergibt. Für die konkrettypisierende Schadensberechnung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB hat dies zur Folge, dass ein Käufer sich nicht auf den gewöhnlichen Verlauf der Dinge berufen kann, wenn das zu erwartende Absatzgeschäft aufgrund des § 134 BGB nichtig wäre.406 Um eine solche Rechtsfolge jedoch annehmen zu können, bedarf es zweierlei Voraussetzungen:

402  Zur Widerlegbarkeit der Weiterveräußerung selbst: Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, § 280 Rn. 80; Erman/Ebert, BGB, 16. Aufl., 2020, § 252 Rn. 12; Staudinger/ Höpfner, BGB, 2021, § 252 Rn. 16; MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 31; zur Widerlegbarkeit der Weiterveräußerung zum Marktverkaufspreis: RG, 05.06.1917, II 606/16, RGZ 90, 305 (306); Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 128; Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, § 280 Rn. 81. 403  Vgl. Codex Iustinianus 7, 8, 5 und 8, 55, 4; Siehe dazu: Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 252 Rn. 10; BeckOGK/Brand, BGB, Stand: 01.03.2022, § 252 Rn. 15. 404  Mugdan, Die gesammten Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB, Band 2, 1899, S. 10 = Motive, S. 18. 405  Statt aller: MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 7 m. w. N. 406  RG, 05.06.1917, II 606/16, RGZ 90, 305 (306).



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung97

Zunächst muss es sich bei der verletzten Vorschrift um ein Verbotsgesetz und nicht lediglich um eine Ordnungsvorschrift handeln.407 Im letztgenannten Fall wäre der Gewinn weiterhin ersatzfähig, da lediglich Verbotsgesetze unter den Anwendungsbereich des § 134 BGB fallen.408 Um welche Art von Gesetz es sich bei der verletzten Vorschrift handelt, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln,409 wobei insbesondere dem Sinn und Zweck der jeweiligen Vorschrift besondere Bedeutung zukommt.410 In einem weiteren Schritt ist zu ermitteln, ob ein Verstoß gegen das Verbotsgesetz tatsächlich die vollständige Nichtigkeit zur Folge hat oder ob sich nach der Auslegung des Gesetzes „ein anderes ergibt“ (§ 134 a. E. BGB).411 Wäre das Absatzgeschäft des nicht belieferten Käufers tatsächlich nach § 134 BGB ex tunc nichtig, ist ihm der Gewinn zu versagen. Ein anderes Ergebnis würde dazu führen, dass der Käufer durch das Schadensersatzrecht einen Vermögensvorteil abschöpfen kann, der ihm von der übrigen Rechtsordnung verwehrt wird.412 Als Beispiel ließe sich hier an entgangene Gewinne aus dem Rauschgifthandel denken. So stellt § 29 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 BtMG das Handeln mit Betäubungsmittel unter Strafe, sodass es gerade auch dem Zweck dieser Vorschrift entspricht, die zivilrechtliche Wirksamkeit derartiger Geschäfte zu unterbinden.413 Ein entgangener Gewinn aus solchen Geschäften kann daher nicht gefordert werden. Diese Überlegungen müssen konsequenter Weise auch auf den Bereich der Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) übertragen werden. Auch die Tatsache, dass ein unter Verstoß gegen die guten Sitten erworbener Gewinn regelmäßig

407  MünchKomm/Armbrüster, BGB, 9. Aufl., 2021, § 134 Rn. 58 f.; Staudinger/ Fischinger/Hengstberger, BGB, 2021, §  134 Rn.  48; BeckOGK/Vossler, BGB, Stand: 01.12.2022, § 134 Rn. 51 f. 408  MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 7. 409  Staudinger/Fischinger/Hengstberger, BGB, 2021, § 134 Rn. 49. 410  BGH, 23.09.1982, VII ZR 183/80, NJW 1983, 109; BGH, 10.07.1991, VIII ZR 296/90, NJW 1991, 2955 (2956) m. w. N.; MünchKomm/Armbrüster, BGB, 9. Aufl., 2021, § 134 Rn. 58. 411  Auch hierbei ist insbesondere dem Telos der Vorschrift Rechnung zu tragen: BGH, 12.05.2011, III ZR 107/10, NJW-RR 2011, 1426 Rn. 12; MünchKomm/Armbrüster, BGB, 9. Aufl., 2021, § 134 Rn. 177. 412  RG, 05.06.1917, II 606/16, RGZ 90, 305 (306); BGH, 30.11.1979, V ZR 214/77, BGHZ 75, 366 (388); so auch schon: Lehmann, JW 1917, 901; Lange/Schiemann/Schiemann, Schadensersatz, Band 1, 3. Aufl., 2003, § 6 X 7, S. 350; vgl. auch: BGH, 13.03.2014, IX ZR 23/10, NJW-RR 2014, 1015, wonach einem Geschädigten im Wege des Schadensersatzes nichts zugesprochen werden kann, was der Rechtsordnung widerspricht. 413  Vgl. Weber/Kornprobst/Maier/Weber, BtMG, 6. Aufl., 2021, § 29 Rn. 20.

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

weder vindiziert414 noch kondiziert415 werden kann, ändert nichts an diesem Ergebnis.416 Das Schadensersatzrecht dient nicht dazu, dem Käufer die Erzielung von Gewinn zu ermöglichen, welcher von der übrigen Rechtsordnung missbilligt wird.417 Ein Rechtsgeschäft, das gegen § 138 Abs. 1418 oder Abs. 2419 BGB verstößt, ist grundsätzlich vollständig ex tunc420 nichtig. Beispielsweise wäre der Gewinn aus Wuchergeschäften nicht ersatzfähig. Käme der Weiterveräußerungsgewinn unter Ausnutzung einer Zwangslage und bei einem auffälligen Leistungsmissverhältnis zustande, wäre der entsprechende Schadensersatzanspruch folglich zu verneinen. b) Preisverordnungen Bei der Untersuchung des § 134 BGB sind auch staatliche Preisvorgaben in Blick zu nehmen.421 Diese Vorschriften stellen sowohl aus juristischer als auch aus ökonomischer Sicht gravierende Eingriffe dar. Zum einen wird die Vertragsfreiheit der Parteien beschnitten und zum anderen wird direkt in die Preisbildung am Markt eingegriffen. Inwieweit derartige Einschnitte aus wirtschaftlicher Perspektive sinnvoll sind und welche Folgen Preisreglementierungen im Lichte des § 134 BGB für die Schadensberechnung des Käufers haben, gilt es im Nachfolgenden zu ergründen.

414  Ein Herausgabeanspruch nach § 985 BGB scheitert i. d. R. daran, dass nur das Verpflichtungsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein wird. Das Verfügungsgeschäft wird indes meist wirksam bleiben. Siehe dazu: MünchKomm/Oetker, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 10. 415  Einer Kondiktion steht § 817 S. 2 BGB entgegen. Siehe dazu: Bydlinski, FS für Deutsch, 1999, 63 (79 f.); MünchKomm/Oetker, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 10. 416  Soergel/Ekkenga/Kuntz, BGB, 13. Aufl., 2014, § 252 Rn. 10; MünchKomm/ Oetker, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 11; BeckOGK/Brand, BGB, Stand: 01.03.2022, § 252 Rn. 15. 417  Zutreffend: MünchKomm/Oetker, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 11. 418  BGH, 21.09.2005, XII ZR 256/03, NJW-RR 2006, 16 (18); BeckOK/Wendtland, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 138 Rn. 29; BeckOGK/Jakl, BGB, Stand: 01.02.2023, § 138 Rn. 650. 419  BeckOK/Wendtland, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, §  138 Rn. 58; MünchKomm/Armbrüster, BGB, 9. Aufl., 2021, § 138 Rn. 284; a. A.: Staudinger/­ Fischinger, BGB, 2021, § 138 Rn. 294, der für eine geltungserhaltende Reduktion plädiert. 420  Ausnahmen finden sich hier vor allem im Bereich bereits vollzogener Arbeitsund Gesellschaftsverträge. Siehe dazu: BeckOK/Wendtland, BGB, 64.  Edition, Stand: 01.11.2022, § 138 Rn. 29. 421  Bekanntestes Beispiel staatlicher Preisregulierung dürfte der Mindestlohn sein.



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung99

aa) Ökonomischer Ausgangspunkt und die Folgen staatlichen Eingreifens Durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage können starke Marktbewegungen entstehen, die große Auswirkungen auf die Preisbildung haben können. Daher verwundert es nicht, wenn in diesem Zusammenhang nicht selten die Forderung nach staatlichen Preisregulierungen erhoben wird, um die Preisentwicklung in bestimmten Grenzen zu kontrollieren. Dabei gilt der Grundsatz, dass Konsumenten bereit sind, mehr zu kaufen, wenn die Preise für ein Gut niedrig sind, wohingegen Produzenten bei steigenden Preisen mehr produzieren können und verkaufen wollen.422 Steigende Preise führen mittelbar dazu, dass neue Produzenten angelockt werden, wodurch sich die angebotene Menge vergrößert.423 Das Angebot wird dabei – neben dem Preis – maßgeblich von den Produktionskosten (insbesondere Löhne und Material) mitbestimmt.424 Für die Nachfrage ist hingegen neben dem Einkommen der Konsumenten auch der Preis von maßgeblicher Bedeutung.425 Angebot und Nachfrage stehen jedoch in aller Regel in einem Ungleichgewicht zueinander. Das bedeutet, dass entweder mehr Waren angeboten als nachgefragt werden (= Angebotsüberhang) oder aber mehr Waren nachgefragt als angeboten werden (= Nachfrageüberhang). Diese Dissonanz übt Druck auf den Marktpreis aus. Im erstgenannten Fall sinkt dieser, im letztgenannten Fall steigt der Marktpreis wiederum.426 Können beispielsweise Produzenten nicht die Menge absetzen, die sie gerne veräußern möchten, werden sie sich gezwungen sehen, die Preise zu senken, um mehr Ware absetzen zu können. In der Folge sinkt der Marktpreis und die nachgefragte Menge steigt. Übersteigt hingegen die Nachfrage die angebotene Menge, können die Konsumenten sich nicht in dem von ihnen gewünschten Umfang eindecken. Dadurch entsteht ein preislicher Aufwärtsdruck.427 Dieses Phänomen ist auf den Marktmechanismus zurückzuführen, der auf einem freien Markt dafür sorgt, dass sich die Preise so lange anpassen, bis die angebotene und nachgefragte Menge übereinstimmen und der Markt somit „leergeräumt“ wird.428 Der Preis wird somit in eine Richtung „getrieben“, bis ein preisliches Niveau Mikroökonomie, 8. Aufl., 2015, S. 52. Mikroökonomie, 8. Aufl., 2015, S. 52. 424  Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie, 8. Aufl., 2015, S. 52. 425  Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie, 8. Aufl., 2015, S. 53; Besanko/Braeutigam, Mikroökonomie, 2020, S. 62. 426  Klump, Wirtschaftspolitik, 4. Aufl., 2021, S. 61. 427  Umfassend zum Angebots- und Nachfrageüberhang: Besanko/Braeutigam, Mikroökonomie, 2020, S. 62. 428  Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie, 8. Aufl., 2015, S. 55. 422  Pindyck/Rubinfeld, 423  Pindyck/Rubinfeld,

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

erreicht ist, zu dem alle Produzenten, die dies wünschen, verkaufen können und alle Konsumenten, die Ware erwerben wollen, kaufen können. Dieser Preis wird als Gleichgewichtspreis bezeichnet.429. Ist der Gleichgewichtspreis nach der Ansicht des Staates jedoch zu hoch, stehen ihm Instrumente zur Verfügung, um Einfluss auf die Preisbildung zu nehmen. Dabei kommen für den Staat Mittel aus zwei Kategorien in Frage: Zum einen indirekte Maßnahmen, die auf das Angebot und die Nachfrage am Markt einwirken, ohne direkte Auswirkungen auf den Preis zu nehmen. Als Beispiele kann dabei auf die Außenhandelspolitik (z. B. Zölle) oder die Zahlung von Subventionen verwiesen werden.430 Daneben stehen dem Staat auch direkte Maßnahmen zur Verfügung. Diese Maßnehmen greifen unmittelbar in den Marktpreis ein (z. B. durch Höchst- oder Mindestpreise).431 Dabei gilt es zu beachten, dass direkte Eingriffe in die Preisbildung durchaus kritisch zu betrachten sind. Wird beispielsweise ein Höchstpreis für ein Produkt festgesetzt, der unterhalb des Gleichgewichtspreises liegt, so steigt die Nachfrage häufig rapide an, sodass es zu einem Nachfrageüberhang kommt. Gleichzeitig verlassen Produzenten den Markt, da für sie die Produktion nicht länger rentabel ist. In der Folge verkleinert sich die insgesamt angebotene Menge.432 Die damit unter Umständen einhergehende Knappheit kann in der Folge auch auf andere Branchen übergreifen, sodass beispielsweise eine Rohstoffknappheit zu einem zeitweiligen Produktionsstopp in bestimmten Industriezweigen führen kann.433 Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die Produzenten die Preisregulierungen mit legalen Mitteln umgehen. So können beispielsweise durch geringe Produktvariationen „neue“ Produkte entstehen oder zusätzliche (Neben-)Leistungen hinzukommen (z. B. Garantien, Kundendienste), die nicht von den Preisvorgaben erfasst sind.434 Zwar wird ein kleiner Konsumentenkreis von den niedrigeren Preisen profitieren, jedoch wird für einen Großteil der potenziellen Konsumenten nicht selten überhaupt keine Möglichkeit bestehen, das jeweilige 429  Zum Ganzen: Neck/Schneider, Wirtschaftspolitik, 2013, S. 56; Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie, 8. Aufl., 2015, S. 55; Besanko/Braeutigam, Mikroökonomie, 2020, S. 61. Freilich ist die wichtigste Voraussetzung für diesen Mechanismus, dass ausreichend Nachfrager und Anbieter in Konkurrenz zueinander treten und die Marktmacht des Einzelnen gering ist. Siehe dazu: Klump, Wirtschaftspolitik, 4. Aufl., 2021, S. 58. 430  Hartmann, Preisbildung und Preispolitik, 1963, S. 74. 431  Ausführlich zu staatlichen Festpreisen: Klump, Wirtschaftspolitik, 4. Aufl., 2021, S.  69 ff. 432  Zur Auswirkung von Preisfestsetzungen: Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie, 8. Aufl., 2015, S. 438 ff. 433  Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie, 8. Aufl., 2015, S. 438. 434  Hartmann, Preisbildung und Preispolitik, 1963, S. 75.



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung101

Gut erwerben zu können.435 Staatliche Preisfestsetzungen sind somit mit dem Risiko behaftet, mehr „Verlierer“ als „Gewinner“ zu schaffen.436 In der Folge sind langfristig angelegte Maßnahmen des Staates (Kreditpolitik, Steuern, Subventionen) direkten Eingriffen grundsätzlich vorzuziehen, da nur diese Mittel langfristige Rahmenbedingungen für eine stabile Preisbildung schaffen können. Dennoch werden staatliche Preisreglementierungen in einigen Fällen nahezu unumgänglich sein. So benötigen indirekte Maßnahmen zumeist eine gewisse Vorlaufzeit, um ihre stabilisierende Wirkung entfalten zu können. Kommt es jedoch etwa zu unvorhergesehenen Ereignissen, die zu einer schlagartigen und rapiden Preissteigerung führen, kommt ein direktes Eingreifen bis zur Wirkung der indirekten Maßnahmen in Betracht, wenn dafür eine dringende gesellschaftliche Notwendigkeit besteht.437 Auch andere Umstände, die gegen die (zeitnahe) Wirksamkeit indirekter Maßnahmen sprechen, können direkte Eingriffe rechtfertigen. So sah sich beispielsweise der Staat zur Zeit des Ersten Weltkrieges gezwungen, die Erzielung übermäßiger Gewinne im Bereich der Gegenstände des täglichen Bedarfes unter Strafe zu stellen, um damit dem „Kriegswucher“ entgegenzutreten.438 Es bleibt festzuhalten, dass Preisvorschriften kein ökonomisches „Allheilmittel“ sind. Jedoch kann dieses Instrument in bestimmten Fällen eingesetzt werden, um die Zeit bis zur stabilisierenden Wirkung indirekter Maßnahmen zu überbrücken,439 sofern dafür eine dringende gesellschaftliche Notwendigkeit besteht. bb) Begrenzung des entgangenen Gewinnes Im Bereich der konkret-typisierenden („abstrakten“) Schadensberechnung kommt Preisvorschriften eine besondere Rolle zu. Hätte der nicht belieferte Käufer die Ware nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge (§ 252 S. 2 Alt. 1 Mikroökonomie, 8. Aufl., 2015, S. 93. auch: Oertmann, in: Ehrenberg (Hrsg.), Handbuch des gesamten Handelsrechts, vierter Band, zweite Abteilung, 1918, S. 390; Vogt, JW 1920, 426 (426 f.). 437  Vgl. Klump, Wirtschaftspolitik, 4. Aufl., 2021, S. 70. 438  § 5 Nr. 1 BVRO, die am 23. Juli 1915 in Kraft trat, lautete: „Mit Gefängnis bis zu einem Jahr und mit Geldstrafe bis zu zehntausend Mark oder mit einer dieser Strafen wird bestraft: 1. wer für Gegenstände des täglichen Bedarfs […] Preise fordert, die unter Berücksichtigung der gesamten Verhältnisse, insbesondere der Marktlage, einen übermäßigen Gewinn enthalten, oder solche Preise sich oder einem anderen gewähren oder versprechen läßt.“ Zu dieser Verordnung auch: Hohendorf, Das Individualwucherstrafrecht, 1982, 52 f. 439  Zur Bedeutung der Dauer der direkten Maßnahmen: Klump, Wirtschaftspolitik, 4. Aufl., 2021, S. 70. 435  Pindyck/Rubinfeld, 436  Kritisch

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

BGB) zu einem Preis abgesetzt, der gegen eine als Verbotsgesetz zu klassifizierende Preisreglementierung verstoßen hätte, könnte an die Gesamtnichtigkeit des zu erwartenden Vertrages gedacht werden. In der Folge wäre dem nicht belieferten Käufer die Geltendmachung eines entgangenen Gewinnes zu versagen. An der Richtigkeit dieser Konsequenz ließe sich womöglich schon deshalb zweifeln, da sich Preisvorschriften meist nur an eine Vertragspartei richten.440 So entspricht es bereits der Vorstellung des historischen Gesetzgebers, dass bei zweiseitigen Rechtsgeschäften in aller Regel nur dann von der Nichtigkeit nach § 134 BGB auszugehen sei, wenn beide Vertragsteile Adressaten der Verbotsnorm wären. Nimmt das verletzte Gesetz – so wie bei Preisverordnungen üblich – hingegen nur eine Vertragspartei in Blick, könne meist von der Wirksamkeit ausgegangen werden.441 Allerdings ist dieses „Dogma“442 keineswegs überzeugend.443 Einzig die Auslegung der Vorschrift, die das Telos der jeweiligen Norm in den Mittelpunkt stellt, vermag zu klären, ob es sich bei der in Rede stehenden Vorschrift um ein Verbotsgesetz handelt, dessen Verletzung die Nichtigkeit des Vertrages zur Folge hat.444 Andernfalls wäre gerade dem Sinn etwaiger Preisvorschriften, die unter anderem auch die Erzielung übermäßiger Gewinne verhindern sollen,445 in 440  So beispielsweise die Preissteigerungsverordnung vom 23. Juli 1915. Allerdings bestand Uneinigkeit darin, ob § 5 Nr. 1 BVRO tatsächlich als Verbotsgesetz zu klassifizieren sei (dafür: Kipp, DJZ 1916, Spalte 466 (467 f.)). Teilweise wurde argumentiert, dass der Maßstab der guten Sitten durch diese Verordnung zu modifizieren (Hachenburg, DJZ 1916 Spalte 852 (855)) oder schlicht eine Deckung des Gewinnes auf eine angemessene Höhe notwendig sei (Menner, JW 1917, 32; so wohl auch: Lesser, JW 1916, 1328; Hueck DJZ 1917, Spalte 642 (643)). Nach Auslegung des Telos muss § 5 Nr. 1 BVRO als Verbotsgesetz bewertet werden, dessen Verstoß die (Teil-)Nichtigkeit des Vertrages zur Folge hat. Andernfalls müsste der Verkäufer die strafrechtlichen Folgen fürchten, könnte jedoch gleichwohl den Gewinn im Wege eines Zivilprozesses einfordern. Insofern wurde durch diese Vorschrift auch gerade die zivilrechtliche Wirkung des Vertrages missbilligt. Kritisch zur Wirkung dieser Verordnung: Vogt, JW 1920, 426 (426 f.); zur Gegenkritik: Lesser, JW 1916, 1328 f.; Plum, JW 1917, 238; Lehmann, JW 1917, 901 (902). 441  Mugdan, Die gesammten Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB, Band 1, 1899, S. 468 = Motive, S. 210. 442  So die Bezeichnung bei: MünchKomm/Armbrüster, BGB, 2021, 9. Aufl., § 134 Rn.  64 f. 443  Kritisch auch: MünchKomm/Armbrüster, BGB, 2021, 9. Aufl., § 134 Rn. 64 f.; Staudinger/Fischinger/Hengstberger, BGB, 2021, § 134 Rn. 52. 444  So auch von der Rechtsprechung anerkannt: RG, 17.03.1905, V 213/03, RGZ 60, 273 (276 f.); BGH, 01.06.1966, VII ZR 65/64, BGHZ 46, 24 (26); BGH, 10.07.1991, VIII ZR 296/90, NJW 1991, 2955 (2956); MünchKomm/Armbrüster, BGB, 2021, 9. Aufl., § 134 Rn. 66. 445  RG, 19.05.1916, II 100/16, RGZ 88, 250 (251); RG, 30.01.1941, V 99/40, RGZ 166, 89 (96).



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung103

weiten Teilen der Boden entzogen. Für die hier in Rede stehende Konstellation hätte dies zur Folge, dass der nicht belieferte Käufer anhand des Schadensersatzanspruches einen Gewinn erzielen könnte, dessen Erwirtschaftung die Rechtsordnung durch die Preisreglementierung gerade verhindern will. Insoweit kann der mitgeteilte Legislativwille keinen fortwährenden Geltungsanspruch erheben. Ob das Absatzgeschäft des nicht belieferten Käufers jedoch vollständig nichtig gewesen wäre, hängt davon ab, ob sich nicht aus dem Sinn und Zweck der verletzten preisrechtlichen Verbotsvorschrift „ein anderes“ ergibt (§ 134 a. E. BGB). Zwar wird im Falle des § 134 BGB im Zweifel von einer Gesamtnichtigkeit des Rechtsgeschäfts auszugehen sein,446 jedoch sind dabei die besonderen Aufgaben der Preisreglementierungen und die Interessen des gesetzestreuen Vertragspartners zu berücksichtigen. So müsste der Abnehmer der überteuerten Waren diese im Falle der Gesamtnichtigkeit zurückgeben, da er seinen vertraglichen Anspruch verlieren würde. In der Folge wird im Bereich der Preisverordnungen richtigerweise von ganz überwiegender Ansicht eine Teilnichtigkeit befürwortet.447 Dieser Ansicht ist mit Blick auf die zwei Hauptfunktionen derartiger Vorschriften zuzustimmen. So dienen Preisreglementierungen nicht nur zur Verhinderung übermäßiger Gewinne, sondern auch der Versorgung der breiten Bevölkerung mit Waren des täglichen Bedarfs.448 Inwieweit letztgenannter Zweck aus ökonomischer Sicht tatsächlich erzielt werden kann, mag in einigen Fällen zweifelhaft sein,449 jedoch kann dieses Ziel generell nur im Falle einer Teilnichtigkeit erreicht werden, weshalb sich im Rahmen des § 134 a. E. BGB tatsächlich „ein anderes“ ergibt. Überträgt man dieses Ergebnis nun auf die Schadensberechnung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB, darf dem nicht belieferten Käufer der entgangene Gewinn nicht gänzlich versagt werden, da das vermutete Absatzgeschäft grundsätzlich nicht vollständig unwirksam wäre. Die Erkenntnis, dass der Vertrag nicht in Gänze nichtig wäre, sagt jedoch noch nichts über die Höhe des Schadensersatzanspruches aus. Im Rahmen 446  BGH, 27.06.1973, IV ZR 117/71, MDR 1973, 1010; MünchKomm/Armbrüster, BGB, 9. Aufl., 2021, § 134 Rn. 124. 447  BGH, 07.10.2014, EnZR 86/13, NVwZ 2015, 459 Rn. 40 m.  w. N. aus der Rechtsprechung; BeckOGK/Vossler, BGB, Stand: 01.12.2022, § 134 Rn. 89; MünchKomm/Armbrüster, BGB, 9. Aufl., 2021, § 134 Rn. 184. 448  RG, 19.05.1916, II 100/16, RGZ 88, 250 (251); RG, 30.01.1941, V 99/40, RGZ 166, 89 (96); RG, 03.02.1942, VII 37/41, RGZ 168, 307 (313); Klump, Wirtschaftspolitik, 4. Aufl., 2021, S. 70; zum Ganzen: Staudinger/Sack/Seibl, BGB, 2017, § 134 Rn. 269. 449  Dazu bereits unter: 1. Kap. B. VI. 1. b) aa).

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

von Preisvorschriften käme im Zuge der Teilnichtigkeit zum einen eine geltungsherhaltende Reduktion450 auf das marktübliche Niveau451 und zum anderen auf ein gerade noch zulässiges Maß in Betracht.452 Für eine Begrenzung auf die letztgenannte Stufe spricht, dass die Teilnichtigkeit nicht weiterreichen kann als das Verbot selbst.453 Weiterhin hilft der Verweis auf den marktüblichen Preis nicht weiter, wenn der Marktpreis selbst über dem noch gestatten Preisniveau liegt. Es müsste dann ein früherer Marktpreis herangezogen werden, wobei unklar sein wird, auf welchen Zeitpunkt hierbei abzustellen ist. Darüber hinaus entspricht eine Begrenzung auf die Schwelle des gerade noch zulässigen Niveaus auch der Vorschrift des § 556g Abs. 1 S. 2 BGB, die im Bereich des Mietrechtes eben eine solche Begrenzung vorsieht. Für die Deckelung auf einen marktüblichen Betrag lässt sich hingegen anführen, dass nur auf diese Weise spekulative Anreize unterbunden werden können. Die Reduzierung auf eine gerade noch zulässige Schwelle würde das wirtschaftliche Risiko des Verkäufers minimieren, sodass er aus zivilrecht­ licher Sicht gefahrlos überteuerte Preise verlangen könnte.454 Im Bereich der typisierenden Schadensberechnung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB kann das durchaus überzeugende Spekulationsargument jedoch keine Wirkung entfalten. Liegt das nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu erwartende Absatzgeschäft oberhalb der zulässigen Preisreglementierung, kann dies dem nicht belieferten Käufer nicht zum Nachteil gereicht werden. Der Schadensersatzgläubiger hätte in diesem Fall überhaupt keine Möglichkeit gehabt, einen übermäßigen Gewinn fordern zu können. Werden auf dem Markt aufgrund der starken Nachfrage noch immer Preise erzielt, die von der Rechtsordnung missbilligt werden, kann davon ausgegangen werden, dass der nicht belieferte Käufer die Ware bei einer derart starken Nachfrage zu dem gerade noch zulässigen Preis erfolgreich hätte absetzen können. Der

450  Staudinger/Sack/Seibl,

BGB, 2017, § 134 Rn. 269. NJW 1982, 2803 (2806); Hager, JuS 1985, 264 (270); BeckOGK/Vossler, BGB, Stand: 01.12.2022, § 134 Rn. 90; MünchKomm/Armbrüster, BGB, 9. Aufl., 2021, § 134 Rn. 185; in diese Richtung gehend auch: Staudinger/Fischinger/Hengstberger, BGB, 2021, § 134 Rn. 125. 452  BGH, 11.01.1984, VIII ARZ 13/83, BGHZ 89, 316, 321; BGH, 11.10.2007, VII ZR 25/06, NJW 2008, 55: Architektenhonorar bei den Höchstsatz überschreitender Vereinbarung; Staudinger/Sack/Seibl, BGB, 2017, § 134 Rn. 269; Erman/Arnold, BGB, 16. Aufl., 2020, § 134 Rn. 50.  453  BGH, 11.01.1984, VIII ARZ 13/83, BGHZ 89, 316, 321; Staudinger/Sack/ Seibl, BGB, 2017, § 134 Rn. 269. 454  Kohte, NJW 1982, 2803 (2806); BeckOGK/Vossler, BGB, Stand: 01.12.2022, § 134 Rn. 90; MünchKomm/Armbrüster, BGB, 9. Aufl., 2021, § 134 Rn. 185; vgl. auch: Staudinger/Fischinger/Hengstberger, BGB, 2021, § 134 Rn. 125, die auf den Präventionsgedanken abstellen. 451  Kohte,



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung105

Schadensersatz ist somit nicht auf ein marktübliches, sondern auf ein gerade noch zulässiges Niveau zu beschränken.455 cc) Weitere Einschränkungsmöglichkeiten bei Marktpreisbewegungen Liegt zwischen der Zeit des Vertragsabschlusses und der Fälligkeit456 der Lieferung eine Zeitspanne, in der es zu extremen Marktschwankungen kam, muss der nach § 252 S. 2 Alt. 1 BGB berechnete Gewinn des nicht belieferten Käufers womöglich auch vor Inkrafttreten etwaiger Preisreglementierungen begrenzt werden. Außerhalb des zeitlichen Anwendungsbereiches von Preisverordnungen griffen zur Zeit des Ersten Weltkrieges Rechtsprechung457 und Literatur458 auf § 138 Abs. 1 BGB zurück, um die Erzielung „übermäßiger“ Gewinne zu unterbinden. Begründet wurde dies mit einem kriegsbedingt gestiegenen sittlichen Empfinden, sodass die Schwelle des § 138 Abs. 1 BGB schneller überschritten wurde459 und mit der besonderen Verwerflichkeit der durch den Krieg geschaffenen Mangellage sowie des Zurücktretens kaufmännischer Interessen vor der kriegsbedingten Warenknappheit.460 Ob ein möglicher Verstoß des nach § 252 S. 2 Alt. 1 BGB vermuteten Absatzgeschäftes gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB) oder des Wuchertatbestandes (§ 138 Abs. 2 BGB) geeignet ist, den zu erwartenden Gewinn des nicht belieferten Käufers zu beschränken, scheint jedoch fraglich. Diese Zweifel wurzeln nicht in der Rechtsfolge derartiger Verstöße, da diese regelmäßig zur Nichtigkeit des Vertrages führen werden.461 Es erscheint vielmehr fraglich, ob die Tatbestandsvoraussetzungen der § 138 Abs. 1, Abs. 2 455  Neben einer Einschränkung aus § 134 BGB käme auch eine Anspruchsreduzierung nach § 242 BGB in Betracht (Erman/Böttcher, BGB, 16. Aufl., 2020, § 242 Rn. 101; MünchKomm/Schubert, BGB, 9. Aufl., 2022, § 242 Rn. 165). Allerdings steht § 242 BGB gegenüber § 134 BGB in einem Subsidiaritätsverhältnis (exemplarisch: MünchKomm/Schubert, BGB, 9. Aufl., 2022, § 242 Rn. 85) und ist nur von Relevanz, wenn kein hinreichender Schutz durch § 134 BGB gewährleistet werden kann (Erman/Böttcher, BGB, 16. Aufl., 2020, § 242 Rn. 22). Dies ist hier jedoch nicht der Fall, weshalb es eines Rückgriffes auf § 242 BGB nicht bedarf. 456  Die Fälligkeit ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Bestimmung des Marktpreises i. R. d. § 252 S. 2 Alt. 1 BGB. Dazu bereits unter: 1. Kap. B. IV. 2. b). 457  RG, 09.11.1915, II 250/15, JW 1916, 114 (115). 458  Hachenburg, DJZ 1915, Spalte 582 (585); ders., DJZ 1915, Spalte 782 (787); ders., DJZ 1915, Spalte 852 (855 f.); Knipschaar, DJZ 1915, Spalte 1087 (1089 f.); Hachenburg, JW 1916, 114. 459  Hachenburg, DJZ 1915, Spalte 782 (787). 460  Hachenburg, DJZ 1915, Spalte 852 (855 f.). 461  Zu § 138 Abs. 1: BGH, 21.09.2005, XII ZR 256/03, NJW-RR 2006, 16 (18); BeckOK/Wendtland, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 138 Rn. 29; BeckOGK/ Jakl, BGB, Stand: 01.02.2023, § 138 Rn. 650; zu § 138 Abs. 2: MünchKomm/Arm-

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

BGB für einen nach § 252 S. 2 Alt. 1 BGB berechneten Gewinn vorliegen werden. Damit das vermutete Absatzgeschäft gegen den Wuchertatbestand des § 138 Abs. 2 BGB verstoßen würde, müsste ein auffälliges Missverhältnis im Rahmen dieses Austauschgeschäftes vorliegen. Zusätzlich müssten Umstände vorliegen, die eine rationale, wirtschaftliche Entscheidung erschweren. Diese Ausgangslage müsste sodann vom Wucherer zumindest bedingt vorsätzlich ausgebeutet werden.462 Im Falle der konkret-typisierenden Schadensberechnung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB wird es bereits an einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung fehlen, da eine derartige Diskrepanz anhand des Verkehrswertes der Ware zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses,463 zu bestimmen ist.464 Der vereinbarte Preis müsste folglich den Warenwert deutlich übersteigen. Da § 252 S. 2 Alt. 1 BGB jedoch gerade an den Marktverkaufspreis der Ware anknüpft, scheidet ein solches Missverhältnis aus. Der Marktpreis auf dem Absatzmarkt des nicht belieferten Käufers entspricht dem durchschnittlichen Preis, zu dem er die Ware hätte absetzen können. Der nach dem typischen Geschehensablauf zu erwartende Gewinn entspräche insofern einem marktüblichen Niveau.465 Auch ein Verstoß gegen § 138 Abs. 1 BGB erscheint zur Beschränkung des Schadensersatzanspruches zweifelhaft. Zwar unterliegen die „guten Sitten“ stetigem Wandel,466 sodass gravierende gesellschaftliche oder politische Ereignisse sich auch auf das Anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden Menschen auswirken können.467 Gleichwohl kann eine bloße Preissteigerung als solche keinen derartigen Verstoß gegen die guten Sitten begründen. Das allgemeine Preisniveau ist Produkt von Angebot und Nachfrage. Somit ist das Verlangen des gegenwärtigen Marktpreises nicht ohne weiteres brüster, BGB, 9. Aufl., 2021, § 138 Rn. 284; BeckOK/Wendtland, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 138 Rn. 58. 462  Zu den gesamten Voraussetzungen: MünchKomm/Armbrüster, BGB, 9. Aufl., 2021, § 138 Rn. 267; zur Voraussetzung der Ausbeutung siehe: BGH, 01.06.2017, VII ZR 95/16, BGHZ 215, 306 Rn. 13; Staudinger/Fischinger, BGB, 2021, § 134 Rn. 286. 463  BGH, 30.06.1983, III ZR 114/82, NJW 1983, 2692 (2693); BGH, 22.12.1999, VIII ZR 111/99, NJW 2000, 1254 (1255); Staudinger/Fischinger, BGB, 2021, § 134 Rn. 251. 464  So die ganz herrschende Ansicht: BGH NJW 1979, 758; BGH NJW-RR 1993, 198 (199); Staudinger/Fischinger, BGB, 2021, § 134 Rn. 242 m. w. N. 465  Diese Überlegungen gelten auch für das wucherähnliche Geschäft nach § 138 Abs. 1. 466  BGH, 30.06.1983, III ZR 114/82, NJW 1983, 2692 (2693); MünchKomm/Armbrüster, BGB, 9. Aufl., 2021, § 138 Rn. 38; Staudinger/Fischinger, BGB, 2021, § 134 Rn. 129. 467  Zu dieser Formel und deren Kritik: MünchKomm/Armbrüster, BGB, 9. Aufl., 2021, § 138 Rn. 26.



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung107

mit einem Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden Menschen gleichzusetzen. § 138 Abs. 1 BGB ist insofern kein sozialstaatliches Preisregulierungsinstrument. Es verbleibt damit faktisch nur noch ein Rückgriff auf Treu und Glauben (§ 242 BGB), um einer Entgleisung des Schadensersatzanspruches entgegenzuwirken. Die Rechtsbegrenzung des § 242 BGB ist von dem Gedanken getragen, dass jedem Recht eine Schranke immanent ist. Hierbei ist im Sinne eines offenen und elastischen Komplexes468 dem Einzelfall Rechnung zu tragen. So bedarf es ausnahmsweise einer Begrenzung des Schadensersatzanspruches, wenn die Dimension der Preisentwicklung derart außergewöhnlich ist, dass sie für einen vernünftigen Marktteilnehmer unvorhersehbar war. In der Folge ist der Gewinn zumindest auf den Markteinkaufspreis des nicht belieferten Käufers zu reduzieren. Dadurch wird der Schadensersatzschuldner entlastet, da er nicht die Gewinnspanne des Käufers ersetzen muss. Gleichzeitig wird der Käufer in die Lage versetzt, sich die ausgebliebene Ware erneut beschaffen zu können. 2. Auswirkungen eines getätigten oder unterlassenen Deckungskaufes Mit dem Ausbleiben der Ware eröffnen sich dem nicht belieferten Käufer zwei Optionen: Er kann entweder versuchen, entsprechende Ersatzware zu beschaffen, oder dahingehende Anstrengungen unterlassen. Beschafft sich der Käufer die ausgebliebene Lieferung von dritter Seite, scheidet womöglich ein entgangener Gewinn aus, da er den drohenden Erlösausfall durch die neue Ware überbrücken könnte. Unterlässt der Käufer hingegen den Versuch, sich die ausgebliebene Ware anderweitig zu beschaffen, verstößt er unter Umständen gegen seine Schadensminderungsobliegenheit aus § 254 Abs. 2 S. 1 BGB. Die tatsächliche Vornahme respektive das Unterlassen von Ersatzbeschaffungen könnten daher einer Gewinnforderung des Käufers entgegenstehen. a) Auswirkungen eines tatsächlich vorgenommenen Deckungskaufes Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entsprach es der überwiegenden Auffassung, dass die Vornahme eines Deckungskaufes keinerlei Auswirkungen auf den nach § 252 S. 2 Alt. 1 BGB berechneten Gewinn des nicht belieferten Käufers hatte.469 Diese Schlussfolgerung entsprang der Vorstellung, dass es 468  Soergel/Teichmann,

BGB, 12. Aufl., 1990, § 242 Rn. 280. 15.04.1910, II 381/98, JW 1910, 613 Nr. 4 (614); RG, 21.06.1921, III 7/21, JW 1921, 1313 Nr. 8; OLG Braunschweig, 12.04.1912, OLGE 25, 6 (6 f.); Staub, DJZ 1901, 160 (161); Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl., 1926, Band 3, Anh. 469  RG,

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

sich bei § 252 S. 2 Alt. 1 BGB um eine Form der abstrakten Schadensberechnung im engeren Sinne470 handelte und es gerade dem Wesen einer solchen Schadensbemessung entspräche, schadensmindernde Faktoren des jeweiligen Einzelfalles nicht zu berücksichtigen.471 Da es sich jedoch bei der typisierenden Betrachtung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB richtigerweise lediglich um eine vereinfachte Form der konkreten Schadensberechnung handelt,472 müssen auch Elemente, die gegen einen ersatzfähigen Schaden sprechen, in der Schadensermittlung berücksichtigt werden.473 Überwiegend wurde jedoch die Unschädlichkeit einer etwaigen Neubeschaffung für die Schadensberechnung damit begründet, dass die neue Ware zusätzlich hätte abgesetzt werden können und damit der Gewinn gesteigert worden wäre.474 Dieser Ansatz weist zwar bereits in die richtige Richtung, bedarf jedoch einer genaueren Differenzierung. Ob die neu beschaffte Ware einen Gewinnentgang verhindern kann, beurteilt sich danach, ob die Neueindeckung tatsächlich als Deckungskauf zu klassifizieren ist. Von einem solchen kann nur dann die Rede sein, wenn die ursprünglich geschuldete Lieferung endgültig durch eine andere, vergleichbare Ware475 ersetzt wird.476 Davon ist nicht auszugehen, wenn sich der Käufer im Falle einer ordnungsgemäßen Lieferung durch den Verkäufer sowieso die neue Ware beschafft hätte, und sowohl die ausgebliebene Lieferung als auch die neue Lieferung weiterveräußert hätte. Hätten beide Warenposten Abnehmer gefunden, stünde das hinzutretende Geschäft der Schadensbemeszu § 374, Anm. 60; später auch: OLG Düsseldorf, 11.12.1952, 6 U 245/52, BB 1953, 129; OLG Stuttgart, 13.12.1956, 2 U 140/56, JR 1957, 343 (344). 470  Bei dieser Form der Schadensberechnung werden keinerlei schadensmindernde Faktoren zugelassen. 471  RG, 15.04.1910, II 381/98, JW 1910, 613 Nr.  4 (614); OLG Stuttgart, 13.12.1956, 2 U 140/56, JR 1957, 343 (344); Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl., 1926, Band 3, Anh. zu § 374, Anm. 60. 472  Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, 1. Band, Allgemeiner Teil, 14. Aufl., 1987, § 29 III, S. 513. 473  Vgl. OLG Düsseldorf, 11.06.1987, 6 U 46/86, NJW-RR 1988, 1382 (1383). 474  OLG Hamburg, 18.03.1911, OLGE 23, 9 (10): Verkäuferschaden; Staub, DJZ 1901, 160 (161); Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl., 1926, Band 3, Anh. zu § 374 Anm. 60; Soergel/Wiedemann, BGB, 11. Aufl., 1986, § 325 Rn. 44. 475  Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadens, 1989, S. 140; Grigoleit/ Riehm, AcP 203 (2003), 727 (736), die davon ausgehen, dass nach dem Deckungskauf der geschuldete Gegenstand im Vermögen des Gläubigers vorhanden ist; vgl. ferner: BGH, 03.07.2013, VIII ZR 169/12, NJW 2013, 2959 Rn. 25, der mittelbar auf diese Anforderung Bezug nimmt. 476  Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 140; vgl. auch: BGH, 03.07.2013, VIII ZR 169/12, BGHZ 197, 357 Rn. 27 f.; Staudinger/Otto, BGB, 2009, § 280 E 39.



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sung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB nicht entgegen, da es sich nur um eine zusätzliche Absatzmöglichkeit des Schadensersatzgläubigers gehandelt hätte. Tritt hingegen die von einem Dritten beschaffte Ersatzware an die Stelle der ausgebliebenen Lieferung, wird gerade das Ausbleiben der Leistung des säumigen Schuldners kompensiert.477 Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der nicht belieferte Käufer keine anderen Abnehmer für die Ware gefunden hätte oder sein Lager über keine weiteren Kapazitäten für zusätzliche Waren verfügt. Demnach kann das Argument der „zusätzlichen Absatzmöglichkeit“ nur eingreifen, wenn der nicht belieferte Käufer tatsächlich im Stande gewesen wäre, beide Posten abzusetzen. Dieser Lösungsansatz birgt allerdings prozessuale Schwierigkeiten im Bereich der Beweislastverteilung. Der Ausgangspunkt der Problematik liegt in dem Grundsatz, dass jede Partei die Voraussetzungen der Rechtsnormen zu behaupten und zu beweisen hat, die für sie günstig sind.478 So trifft den Käufer auf der einen Seite die Darlegungs- und Beweislast für die Anknüpfungstatsachen des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB479 und den Verkäufer auf der anderen Seite die Last, nachweisen zu müssen, dass die neu beschaffte Ware tatsächlich an die Stelle der ausgebliebenen Lieferung getreten ist, also ein „echter“ Deckungskauf stattgefunden hat. Allerdings wäre der Nachweis, dass die vom Käufer zusätzlich erworbene Ware nicht zusätzlich mit der ausgebliebenen Lieferung gewinnbringend absetzbar gewesen wäre, für den säumigen Verkäufer faktisch unmöglich zu führen, da ihm der notwendige Einblick in die Geschäftsinterna des Käufers fehlt.480 Dieser Umstand könnte nun mit dem Argument hingenommen werden, dass die typisierende Betrachtung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB gerade davon ausgeht, dass der Käufer im Stande gewesen wäre, die entsprechende Ware noch einmal abzusetzen.481 Jedoch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der erfolgreiche Warenabsatz im Falle einer ordnungsgemäßen Lieferung kein Automatismus ist. Insoweit ist auch die Weiterveräußerungsvermutung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB widerlegbar.482 477  Ausführlich:

Bardo, Die „abstrakte“ Schadensersatzes, 1989, S. 135–137. 13.11.1998, V ZR 386/97, NJW 1999, 352 (353); Rosenberg, Die Beweislast, 5. Aufl., 1965, S. 98; MünchKomm/Prütting, ZPO, 6. Aufl., 2020, § 286 Rn. 114; Methner/Mikosch, DAR 2019, 379 (380). 479  Im Falle der hier in Rede stehende Berechnungsmethode müsste er seine Händlereigenschaft und den Markt- beziehungsweise Verkäuflichkeitspreis nachweisen. 480  Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 141; im Erg. auch: Soergel/Wiedemann, BGB 11. Aufl., 1986, § 325 Rn. 43; Huber, in: FS für Karten Schmidt, 2009, 725 (743). 481  Im Erg.: RG, 18.12.1913, II 529/13, LZ 1914, Spalte 475 Nr. 4, jedoch ohne Begründung. 482  Statt aller: MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 31. 478  BGH,

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

Um zu verhindern, dass der berechnete Gewinn nicht auf prozessualem Wege zu einer normativen Schadensberechnung transzendiert, bedarf es möglicherweise einer Beweislastumkehr. Dann müsste der Käufer darlegen und beweisen, dass es sich bei der neuen Ware um kein tatsächliches Deckungsgeschäft gehandelt hat.483 Allerdings käme es dann zu einer Abweichung der gesetzlichen Grundregel, weshalb auf das Instrument der Beweislastumkehr außerhalb der gesetzlich normierten Fälle nur in Ausnahmefällen zurückgegriffen werden darf.484 Bloße Billigkeitserwägungen können dabei einen derartigen Sonderfall nicht rechtfertigen.485 Um dieses beweislastrechtliche Dilemma zu lösen, scheint ein Rückgriff auf die Grundsätze der sekundären Darlegungslast sachgerecht.486 Grundsätzlich gilt, dass keine Partei verpflichtet ist, dem Gegner für seinen Prozesssieg die Informationen zu verschaffen, über die er nicht schon von sich aus verfügt.487 Jedoch kann es in bestimmten Situationen ausnahmsweise notwendig sein, dass der Prozessgegner im Rahmen seiner Erklärungslast nach § 138 Abs. 2 ZPO dem Beweispflichtigen nähere Angaben zu seinen Verhältnissen ermöglicht.488 Für eine solche sekundäre Darlegungslast muss bei der beweisbelasteten Partei ein Informationsmangel vorliegen, der von der Gegenseite ohne weiteres aufgeklärt werden könnte. Die Möglichkeit der nicht beweisbelasteten Partei, sich die nötigen Informationen zu beschaffen, ist dabei ausreichend.489 Zuletzt muss die jeweilige Informationsweitergabe dem Prozessgegner auch zumutbar sein.490 Bei der Frage, ob es für den nicht belieferten Käufer möglich ist, sowohl die ausgebliebene Ware als auch die zusätzlich erworbene Ware zu veräußern, handelt es sich um einen Aspekt, der gänzlich in die Sphäre des nicht belieferten Käufers fällt und sich dadurch dem Einblick des Schadensersatzschuld483  So wohl: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 141. 484  MünchKomm/Prütting, ZPO, 6. Aufl., 2020, § 286 Rn. 126. 485  MünchKomm/Prütting, ZPO, 6. Aufl., 2020, § 286 Rn. 126. 486  Diese wird auch als „Erklärungsobliegenheit“ (BGH, 09.11.1995, III ZR 226/94, NJW 1996, 315 (317)), „substantiiertes Bestreiten“ (BGH, 07.12. 1998, II ZR 266/97, BGHZ 140, 156 (158)) oder „sekundärer Behauptungslast“ bezeichnet. Zu den einzelnen Bezeichnungen: Laumen, MDR, 2019, 193 (194). 487  BGH, 11.06.1990, II ZR 159/89, NJW 1990, 3151; vgl. BGH, 14.06.2005, VI ZR 179/04, BGHZ 163, 209 (215). 488  Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., 2020, Vor § 284 Rn. 34. 489  Laumen, MDR, 2019, 193 (196); vgl. auch: BGH, 14.06.2005, VI ZR 179/04, NJW 2005, 2614 (2616): „kennen muss“. 490  Zu den Voraussetzungen: BGH, 19.02.2014, I ZR 230/12, NJW 2014, 3033 Rn. 14; Laumen, MDR, 2019, 193 (194 ff.); Methner/Mikosch, DAR 2019, 379 (380), jeweils m. w. N.



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung111

ners entzieht, sodass ein Informationsdefizit vorliegt. Dieser informationelle Mangel kann durch einen Blick auf vergangene Absatzzahlen des Händlers für das jeweilige oder ein zumindest vergleichbares Produkt ausgeräumt werden, da sich dadurch auf eine entsprechende Nachfrage auf dem Absatzmarkt des Käufers schließen ließe. Darüber hinaus gilt es zu bedenken, dass den Käufer im Zuge der sekundären Darlegungslast auch eine Nachforschungsobliegenheit trifft.491 Folglich kann er im Einzelfall dazu gehalten sein, seinen Absatzmarkt nach potenziellen Abnehmern zu sondieren. Im Bereich der Zumutbarkeit gilt es, die Interessen des Schadensersatzschuldners und des Gläubigers einander gegenüberzustellen.492 Dabei wird es für den Käufer häufig unzumutbar sein, tiefe Einblicke in seine Geschäfts­ interna gewähren zu müssen,493 wie es regelmäßig bei der Offenlegung von Kostenkalkulationen oder Kundendatenbanken der Fall sein dürfte.494 In der hier in Rede stehenden Konstellation dürfte es dem Käufer jedoch meist zuzumuten sein, entweder vergangene Absatzzahlen offenzulegen oder die entsprechende Nachfrage auf seinem Absatzmarkt darzulegen. Andernfalls bestünde für den Verkäufer das Risiko, einen Gewinn ersetzen zu müssen, der in Wahrheit nicht entgangen ist. Etwas anderes gilt insbesondere dann, wenn aufseiten des Käufers ein Interesse an der Geheimhaltung der entsprechenden Informationen besteht. Dafür müsste der nicht belieferte Käufer Anhaltspunkte darlegen, dass der Verkäufer die ihm offenbarten Tatsachen über den Rechtsstreit hinaus in einer Weise nutzt, die die wirtschaftlichen Interessen des Schadensersatzgläubigers gefährden.495 Allerdings ist in diesem Fall zu bedenken, dass der Käufer die Informationen auch nur gegenüber dem Gericht, respektive einem Sachverständigen, darlegen kann.496 Liegen die Voraussetzungen der sekundären Darlegungslast vor, darf der säumige Verkäufer jedoch nicht einfach „ins Blaue hinein“497 behaupten, dass es sich um ein Deckungsgeschäft handelte, das auch einen entgangenen Gewinn verhindert hätte. Es bedarf vielmehr einer „gewissen Wahrscheinlich­ keit“.498 Der säumige Verkäufer kann in diesem Zusammenhang beispiels491  BGH, 13.01.2011, I ZR 188/18, NJW 2011, 1181 Rn. 16; BGH, 08.01.2014, I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 Rn. 18. 492  BGH, 03.12.1992, I ZR 276/90, BGHZ 120, 320 (327 f.); BGH, 27.01.1994, I ZR 326/91, NJW 1994, 2289 (2292); Laumen, MDR, 2019, 193 (196). 493  Pfeiffer, ZIP 2017, 2077 (2082); Laumen, MDR, 2019, 193 (196). 494  Zu Kostenkalkulationen: BGH, 12.11.1991, KZR 18/90, NJW 1992, 1817 (1818); Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl., 2020, Vor § 284 Rn. 34 b. 495  BGH, 10.08.2005, XII ZB 63/05, BGHZ 164, 63 (67). 496  Vgl. BGH, 19.02.2014, I ZR 230/12, NJW 2014, 3033 Rn. 27. 497  So die treffende Formulierung bei: Laumen, MDR, 2019, 193 (196). 498  BGH, 13.01.2011, I ZR 188/08, NJW-RR 2011, 1181 Rn. 15; BGH, 13.06.2012, I ZR 87/1, NJW 2012, 3774 Rn. 17.

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

weise auf fehlende Lagerkapazitäten des Käufers verweisen, die dem Einkauf von zusätzlicher Ware entgegengestanden hätten. Auch ein Angebotsüberhang auf dem Absatzmarkt des nicht belieferten Käufers kann hierbei angeführt werden. Insgesamt dürfen die Voraussetzungen an die „gewisse Wahrscheinlichkeit“ nicht zu hoch angesetzt werden. Ist der Käufer nicht im Stande, seiner sekundären Darlegungslast nachzukommen, gilt nach § 138 Abs. 3 ZPO die Behauptung des eigentlich beweisbelasteten Verkäufers als zugestanden,499 dass die ersatzweise beschaffte Ware an die Stelle der von ihm nicht gelieferten Ware getreten ist und somit den Gewinnentgang verhindert hat. Auf diese Weise wird ein systemwidriger Eingriff in die Beweislastverteilung vermieden500 und der Gedanke, dass eine Weiterveräußerung durch den Händler einem typischen Geschehensablauf (§ 252 S. 2 Alt. 1 BGB) entspricht, hinreichend berücksichtigt. b) Auswirkungen eines unterlassenen Deckungskaufes Beschafft sich der Käufer die ausgebliebene Ware nicht noch einmal und unterlässt er auch dahingehende Anstrengungen, kann dieses Untätigbleiben zu einer Anspruchskürzung nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB führen.501 Allerdings kommt eine solche Anspruchsreduzierung nur in Betracht, wenn der Käufer kein zusätzliches, sondern ein Deckungsgeschäft schuldhaft unterlassen hat. Nur in diesem Fall wäre die neue Ware geeignet, den Gewinnentgang zu verhindern.502 Im Rahmen dieser Schadensminderungsobliegenheit kann ihm Vorsatz und Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden („Verschulden gegen sich selbst“),503 wobei die Judikatur des frühen 20. Jahrhunderts die Obliegenheit des Käufers, einen Deckungskauf vorzunehmen, betont restriktiv auslegte.504 499  BGH, 18.01.2018, I ZR 150/15, NJW 2018, 2412 Rn. 30 m. w. N.; Methner/ Mikosch, DAR 2019, 379 (380). 500  BGH, 10.02.2015, VI ZR 343/13, NJW-RR 2015, 1279 Rn. 11; Methner/Mikosch, DAR 2019, 379 (380). 501  Mit umfassenden Nachweisen: Huber, Leistungsstörungen, Band 2, 1999, § 38 III 4, S. 254 (Fn. 103); MünchKomm/Emmerich, BGB, 9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 34 (Fn. 102). 502  Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 139 f. 503  Statt aller: MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 254 Rn. 3. 504  RG, 23.04.1907, II 453/06, LZ 1907, Spalte 501 Nr. 9; RG, 13.11.1908, II 198/08, JW 1908, Spalte 143 Nr. 19: RG, 22.12.1908, II 254/08, LZ 1909, Spalte 321 Nr. 4 (322); RG, 18.12.1913, II 529/13, LZ 1914, Spalte 475 Nr. 4; RG, 15.04.1910, II 381/98, JW 1910, 613 Nr. 4; OLG Braunschweig, 12.04.1912, OLGE 25, 6 (6 f.); OLG Hamburg, 03.05.1913, OLGE 28, 56 (56 f.); KG, 10.06.1915, 23 U 2235/15, Spalte 1539 Nr. 9; OLG Hamburg, 20.03.1905, SeuffA 60 (1905), 345 Nr. 183 (346).



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung113

Nur wenn die im kaufmännischen Verkehr erforderliche Sorgfalt dringend darauf hinwies, einem Schaden vorzubeugen,505 oder die Ablehnung eines Deckungsgeschäftes ohne jeden Grund erfolgte,506 käme eine Anspruchskürzung aus diesem Grund in Frage. Auch in späteren Entscheidungen blieb die Rechtsprechung dieser Ansicht überwiegend treu.507 Parallel entwickelten sich im Schrifttum divergierende Ansätze. Auf der einen Seite erfuhr die Rechtsprechung dabei uneingeschränkte Zustimmung,508 auf der anderen Seite wurde zwischen den Grundlagen der abstrakten Schadensberechnung differenziert.509 Danach könne eine abstrakte Schadensberechnung im engeren Sinne von keinen schadensmindernden Faktoren abhängig gemacht werden, da dies gerade dem Wesen dieser Berechnungsmethode zuwiderlaufen würde. Verlangt der Käufer hingegen einen entgangenen Gewinn über die konkret-typisierende Schadensberechnung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB, wäre die Möglichkeit, sich mit entsprechender Deckungsware einzudecken, stets zu berücksichtigen.510

505  RG, 13.11.1908, II 198/08, JW 1908, Spalte 143 Nr. 19; RG, 22.12.1908, II 254/08, LZ 1909, Spalte 321 Nr. 4 (322). 506  RG, 18.12.1913, II 529/13, LZ 1914, Spalte 475 Nr.  4; OLG Rostock, 14.04.1915, OLGE 32, 158 (160); dabei spielte es keine Rolle, ob es sich um ein Angebot eines Dritten oder um ein Angebot des Verkäufers handelt. Siehe dazu: OLG München, 03.12.1917, I L 92/17 Ia, LZ 1918, Spalte 290 Nr. 2 (290 f.); kritisch: RG, 15.04.1910, II 381/98, JW 1910, 613 Nr. 4 (614); Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 139. 507  BGH, 01.02.1974, IV ZR 2/72, BGHZ 62, 103 (106  f.): „ausnahmsweise“; BGH, 26.05.1988, III ZR 42/87, NJW 1989, 290 (291): „nicht stets gehalten“; ebenso: BGH, 30.11.1989, III ZR 197/88, NJW-RR 1990, 432 (434); OLG Stuttgart, 13.12.1956, 2 U 140/56, JR 1957, 343 (344); OLG München, 28.08.1958, 6 U 931/58, MDR 1959, 300; OLG Frankfurt, 27.04.1976, 5 U 3/74, NJW 1977, 1015 (1016); OLG Nürnberg, 06.12.2000, 12 U 2953/00, NJW-RR 2002, 47 (48); Ausnahmefälle wären etwa fortlaufend steigende Preise oder wenn der Verkäufer nachweist, dass der Käufer sich günstig hätte eindecken können. Siehe dazu: OLG Stuttgart, 13.12.1956, 2 U 140/56, JR 1957, 343 (344); OLG Nürnberg, 06.12.2000, 12 U 2953/00, NJWRR 2002, 47 (48). 508  Staub, DJZ 1901, 160 (161); Locher, JW 1926, 2676 (2677). 509  Zur Differenzierung nach den Grundlagen des abstrakten Schadens: Rabel, Das Rechte des Warenkaufs, 1. Band, 1936, S. 172 f., Steindorff, AcP, 158 (1959/60), 431 (463); Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 111, 186; Huber, Reformgutachten, Band 1, 1981, S. 647 (848); Soergel/Wiedemann, BGB, 11. Aufl., 1986, § 325 Rn. 43, 46; Huber, Leistungsstörungen, Band 2, 1999, § 38 III 3, 4, S. 249, 254. 510  Zu diesen differenzierenden Stimmen: Soergel/Ekkenga/Kuntz, BGB, 13. Aufl., 2014, § 252 Rn. 50; Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 252 Rn. 21; MünchKomm/ Emmerich, 9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 34, wobei jedoch der Markteinkaufspreis als Berechnungsbasis herangezogen wird.

114

1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

Wie bereits festgestellt, handelt es sich bei § 252 S. 2 Alt. 1 BGB lediglich um eine vereinfachte Geltendmachung eines konkreten Schadens.511 Daher ist grundsätzlich immer auch eine Anspruchskürzung nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB möglich. In der Folge ist der Käufer dazu gehalten, zumutbare Anstrengungen zu unternehmen, die von einem sorgfältigen und vernünftigen Menschen zu erwarten sind, um dazu beizutragen, dass sich ein Schaden nicht in abwendbarer Weise vergrößert.512 Andernfalls ist sein Schaden auf den Betrag zu reduzieren, der bei Durchführung des unterlassenen Geschäftes in die (konkrete) Schadensberechnung eingestellt worden wäre. Der Dreh- und Angelpunkt der vorliegenden Problematik liegt somit in den Anforderungen, die an den Schadensersatzgläubiger zu stellen sind, damit dieser seiner Obliegenheit, den Schaden gering zu halten, gerecht wird.513 Um zu bestimmen, wann ein schuldhafter Verstoß gegen die Schadensminderungsobliegenheit des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB vorliegt, sind Faktoren wie die Zugänglichkeit der Ware und die Marktlage zu berücksichtigen. Zunächst ist jedoch klärungsbedürftig, ab welchem Zeitpunkt der Käufer zur Vornahme eines Deckungsgeschäftes gehalten sein kann. So ließe sich an das Erlöschen des Erfüllungsanspruches nach § 281 Abs. 4 BGB denken, da ab diesem Zeitpunkt der Schadensersatzanspruch an die Stelle des Erfüllungsanspruches tritt.514 Allerdings hätte es der Käufer dann selbst in der Hand, wann ihn eine entsprechende Obliegenheit trifft. Daher erscheint es sinnvoll, ab dem Moment von einer Schadensminderungsobliegenheit auszugehen, an dem der Käufer den Erfüllungsanspruch durch die Erklärung seines Schadensersatzverlangens zum Erlöschen bringen könnte. Mithin kommt es auf die Entstehung des Schadensersatzanspruches an.515 Aus der Möglichkeit des Käufers, jederzeit den Anspruch auf Erfüllung ausschließen zu können, resultiert Planungssicherheit in Bezug auf das weitere Schicksal der Vertragsbeziehung. Dieses Wissen fehlt dem Verkäufer, sodass eine gewisse Disparität zwischen den Vertragsparteien entsteht. Daher muss der Käufer schon ab diesem Moment die Interessen des Verkäufers in Blick nehmen. Anders liegt der Fall hingegen, wenn der Verkäufer dem Käufer auch nach Ablauf der Nachfrist die Leistungswilligkeit signalisiert, sodass der Schadensersatzgläubiger in begründeter Weise noch mit der Lieferung rechnen durfte. Dann ist der zeitliche Anwendungsbereich des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB erst mit dem Übergang auf den Schadensersatzanspruch (§ 281 Abs. 4 BGB) eröffnet. 511  Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, 1. Band, Allgemeiner Teil, 14. Aufl., 1987, § 29 III, S. 513. 512  Siehe dazu nur: Thiele, AcP 167 (1967), 193 (236); BeckOK/Lorenz, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 254 Rn. 30. 513  Schumacher, LZ 1916, 141 (143). 514  Vgl. Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, Rn. 280 Rn. E101. 515  Vgl. Huber, Leistungsstörungen, Band 2, 1999, § 38 III 5, S. 256.



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung115

Kann sich nun ein Händler die ausgebliebene Ware ohne größeren Aufwand jederzeit am Markt neu beschaffen, obliegt es ihm auch, einen entsprechenden Deckungskauf vorzunehmen.516 Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich bei der unterlassenen Ersatzeindeckung um ein besonders günstiges Deckungsgeschäft gehandelt hätte.517 Übersteigen die Kosten des Ersatzgeschäftes den mit dem säumigen Verkäufer vereinbarten Kaufpreis, können die Mehrkosten im Wege der konkreten Schadensberechnung geltend gemacht werden. Dabei muss der nicht belieferte Käufer den Deckungskauf mit der notwendigen Sorgfalt tätigen, um nicht im Zuge der konkreten Schadensberechnung schuldhaft gegen seine Schadensminderungsobliegenheit zu verstoßen.518 Steigen die Preise ab der Entstehung des Schadensersatzanspruches, kann dies gesteigerte Anforderungen an die Schadensminderungsobliegenheit des Käufers zur Folge haben.519 Der Deckungskauf soll den Gewinnentgang verhindern und den zum Schadensersatz verpflichteten Verkäufer in sachgerechten Grenzen entlasten. Preissteigerungen werden einer Entlastung des säumigen Verkäufers regelmäßig entgegenstehen. Es besteht in diesen Fällen das Risiko, dass die Kosten eines Deckungsgeschäftes (zum Marktpreis) über dem Niveau des nach § 252 S. 2 Alt. 1 BGB berechneten Gewinnes liegen.520 Abhängig vom Ausmaß der Preissteigerungen muss der Käufer nach der Entstehung seiner Schadensminderungsobliegenheit auch über seine bereits bestehenden Beschaffungsstrukturen hinaus versuchen, sich mit entsprechender Ersatzware einzudecken. Insgesamt werden sich Händler, die als Kaufleute zu klassifizieren sind, im Bereich der Schadensminderungsobliegenheit schneller einem Fahrlässigkeitsvorwurf ausgesetzt sehen als Schadensersatzgläubiger, die lediglich die Schwelle des § 14 Abs. 1 Alt. 1 BGB überschreiten.521 Nach § 276 Abs. 2 BGB handelt derjenige fahrlässig, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Zwar ist § 276 BGB im Bereich des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB nicht unmittelbar anwendbar, jedoch entspricht es der ganz überwiegenden 516  OLG Stuttgart, 13.12.1956, 2 U 140/56, JR 1957, 343 (344); Soergel/Ekkenga/ Kuntz, BGB, 13. Aufl., 2014, § 252 Rn. 50; Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, § 280 Rn. 82. 517  Vgl. OLG Stuttgart, 13.12.1956, 2 U 140/56, JR 1957, 343 (344); OLG Nürnberg, 06.12.2000, 12 U 2953/00, NJW-RR 2002, 47 (48). 518  Statt aller: Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, § 280 Rn. 101. 519  Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, Rn. 280 Rn. E101; MünchKomm/Emmerich, BGB, 9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 34. 520  Der Marktverkaufspreis ist im Zuge des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB im Moment der Fälligkeit zu ermitteln. Spätere Preisentwicklungen auf dem Absatzmarkt des Käufers bleiben dabei außer Betracht. 521  MünchKomm/Maultzsch, HGB, 5. Aufl., 2021, § 347 Rn. 16.

116

1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

und zutreffenden Auffassung, den objektiven Fahrlässigkeitsmaßstab des § 276 Abs. 2 BGB auch auf § 254 Abs. 2 S. 1 BGB zu übertragen.522 Hierbei ist zu beachten, dass die jeweiligen Anforderungen gruppenbezogen sind.523 Dies lässt auch der insofern deklaratorische524 § 347 Abs. 1 HGB erkennen, der im Bereich der Handelsgeschäfte auf den Sorgfaltsmaßstab eines ordentlichen Kaufmannes verweist. Dieses Ergebnis erscheint auch sachgerecht, da Kaufleute regelmäßig über eine weitreichendere Vernetzung und damit auch über einen besseren Marktzugang als Kleingewerbetreibende verfügen. Somit steht ihnen regelmäßig eine umfangreichere Menge an potenziellen Bezugsquellen zur Verfügung. Hat der Käufer schuldhaft die Vornahme eines Deckungsgeschäftes unterlassen, ist die Ersatzfähigkeit seines entgangenen Gewinnes auf das Niveau zu beschränken, das bestünde, wenn der Deckungskauf tatsächlich vorgenommen worden wäre. Somit wäre der Schadensersatzanspruch auf die Höhe etwaiger Mehrkosten, die mit der Vornahme des Ersatzgeschäftes einhergingen, zu reduzieren. Gelingt es dem Käufer, einen besonders guten Deckungskauf durch über­ obligatorische Bemühungen abzuschließen, so schließt dieses Ersatzgeschäft den entgangenen Gewinn nach den allgemein anerkannten Grundsätzen allerdings nicht aus.525 Gleichwohl darf der Schadensersatzgläubiger in diesen Fällen nicht kumulativ die etwaigen Mehrkosten des Deckungsgeschäftes und die Differenz zwischen Vertragspreis und Marktverkaufspreis fordern. Vielmehr kann er dann zwischen dem Gewinn oder den Mehrkosten frei wählen. Die Darlegungs- und Beweislast trifft den säumigen Verkäufer insgesamt in zweierlei Hinsicht: Zum einen muss er nachweisen, dass es sich bei dem unterlassenen Geschäft tatsächlich um einen Deckungskauf gehandelt hätte, und zum anderen, dass der nicht belieferte Käufer dieses schuldhaft unterlassen hat.526 Erstgenanntes wird dem Verkäufer kaum möglich sein, weshalb auch hier die Grundsätze der sekundären Darlegungslast heranzuziehen sind. 522  Siehe dazu nur: Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 254 Rn. 37; MünchKomm/ Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 254 Rn. 35. 523  BeckOK/Lorenz, BGB 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 276 Rn. 22. Die Sorgfaltsanforderungen können auch aufgrund besonderer Kenntnis und Fähigkeiten erhöht sein. Dazu: Deutsch, NJW, 1987, 1480 (1481), der auf medizinische Spezialkenntnisse verweist. 524  Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Fest, HGB, 4.  Aufl., 2020, §  347 Rn.  1; MünchKomm/Maultzsch, HGB, 5. Aufl., 2021, § 347 Rn. 16. 525  Statt aller: BeckOK/Lorenz, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, §  254 Rn. 27. 526  Statt aller: MünchKomm/Oetker, 9. Aufl., 2022, § 254 Rn. 145; speziell für das Deckungsgeschäft i. R. d. § 252 S. 2 BGB: OLG Stuttgart, 13.12.1956, 2 U 140/56, JR 1957, 343 (344).



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung117

Auch im Bereich der zumutbaren, unterlassenen Anstrengungen wird ein Rückgriff auf diese Rechtsfigur nicht immer zu vermeiden sein, da sich die konkreten Bemühungen des Käufers außerhalb der Kenntnissphäre des Verkäufers bewegen.527 Allerdings wird es dem Verkäufer bei einer stabilen Markt- und Versorgungslage meist ohne größere Schwierigkeiten möglich sein, die problemlose Möglichkeit einer Ersatzbeschaffung nachzuweisen. 3. Ausschluss der Weiterveräußerungsvermutung bei Weiterverarbeitung der Ware Aufgrund der widerlegbaren Weiterveräußerungsvermutung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB wird der Käufer von dem Nachweis befreit, einen konkreten Abnehmer für die nicht gelieferte Ware gefunden zu haben. Diese typisierende Betrachtung bezieht sich zunächst nur auf die tatsächlich ausgebliebene Warenlieferung. Doch wie ist der Fall zu beurteilen, wenn die ausgebliebene Lieferung zur Produktion weiterer Ware benötigt wird? Diese Frage beschäftigte schon das Reichsgericht im Jahre 1921:528 Der Kläger verkaufte dem Beklagten 65 Kühe und Bullen als Schlachtvieh und verlangte daraufhin Kaufpreiszahlung. Dieser erklärte die Aufrechnung mit einem Schadensersatz wegen Nichterfüllung, da der Kläger nur 38 Stück Vieh lieferte. Der Schaden des Beklagten sollte dabei „abstrakt“ berechnet werden, wobei er die Differenz zwischen dem Vertragspreis und dem Marktpreis der „Schlachtausbeute“ verlangte.

Das Reichsgericht entschied, dass die Weiterveräußerungsvermutung auch dann anwendbar ist, wenn die nicht gelieferte Ware weiterverarbeitet wurde.529 Dabei versäumte das Reichsgericht jedoch, hinreichend zwischen der Weiterveräußerung der nicht gelieferten Ware und dem verarbeiteten Produkt zu differenzieren. In Bezug auf die Weiterveräußerung des nicht gelieferten Schlachtviehs kann von keinem typischen Geschehensablauf ausgegangen werden, da dieses zu betriebsinternen Zwecken verwendet werden sollte und somit ein Weiterverkauf nicht zu erwarten war.530 Allerdings könnte der Käufer einen entgangenen Gewinn bezüglich des Endproduktes geltend machen. Liefert der Verkäufer einen für die Herstellung notwendigen Bestandteil nicht, kann dies aufseiten des Käufers zu einem Produktionsstopp und damit zu einem Gewinnentgang führen. Die Weiterveräußerung des Endproduktes 527  BGH, 05.12.1995, VI ZR 398/94, NJW 1996, 652 (653); BeckOK/Lorenz, 64. Edition, 01.11.2022, § 254 Rn. 70. 528  RG, 25.01.1921, II 290/20, RGZ, 101, 240 (241 f.). 529  RG, 25.01.1921, II 290/20, RGZ, 101, 240 (241 f.). 530  Siehe dazu: 1. Kap. B. V. 2.; vgl. auch: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 127 f.

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

durch einen Produzenten kann dabei ebenso dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge entsprechen, wie die Weiterveräußerung der ausgebliebenen Ware durch einen Händler. In beiden Fällen gehört der gewinnorientierte Warenabsatz zum Kernbestand der gewerblichen Tätigkeit. Daher kann es keinen Unterschied machen, ob der Käufer das Endprodukt zu Weiterveräußerungszwecken erwirbt und es ihm nicht geliefert wird oder ob er es selbst herstellt. Gleichwohl muss der Käufer auch in diesem Fall die entsprechenden Anknüpfungstatsachen darlegen und beweisen, auf denen der gewöhnliche Verlauf der Dinge des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB beruht. Dafür ist der Nachweis nötig, dass die gewerbliche Tätigkeit des Käufers im Kern darauf ausgelegt ist, produzierte Waren am Markt zu veräußern, und dass sich für diese Güter ein Marktpreis respektive Verkäuflichkeitspreis531 ermitteln lässt. Der entgangene Gewinn des Produzenten berechnet sich dann anhand der Differenz zwischen den Stückselbstkosten und dem Marktverkaufspreis respektive dem Verkäuflichkeitspreis. Weiterhin trägt der Geschädigte die Darlegungs- und Beweislast für den Umfang des Produktionsrückganges. Beschafft sich der Käufer die für die Produktion notwendige Ware von dritter Seite, kommt es wiederum darauf an, ob diese an die Stelle der geschuldeten Leistung tritt, oder ob der Schadensersatzgläubiger sich diese zusätzlich beschafft hätte.532 Im letztgenannten Falle würden die neu beschafften Materialien nur zur Fertigung zusätzlicher Endprodukte dienen, sodass diese den Gewinnentgang nicht hätten verhindern können. Unterlässt der Schadensersatzgläubiger hingegen schuldhaft einen Deckungskauf, kann dies zu einer Anspruchskürzung führen (§ 254 Abs. 2 S. 1 BGB). Daher muss auch der Produzent zumutbare Anstrengungen unternehmen, die von einem sorgfältigen und vernünftigen Menschen zu erwarten sind.533 Allerdings wird der Käufer nur dazu gehalten sein, Ersatzmaterialien zu beschaffen, die die Qualität des Endproduktes nicht gefährden. 4. Zusammenfassung der Ergebnisse Der nach § 252 S. 2 Alt. 1 BGB berechnete Gewinn sieht sich gleich mehreren einschränkenden Faktoren ausgesetzt. So kann der entgangene Gewinn durch Preisvorschriften eingeschränkt werden, die zugleich tiefgreifende Einschnitte in die Marktpreisbildung darstellen. Regelmäßig werden diese 531  Dazu

bereits unter: 1. Kap. B. IV. 1. c). Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 140; vgl. auch: BGH, 03.07.2013, VIII ZR 169/12, BGHZ 197, 357 Rn. 27 f.; Staudinger/Otto, BGB, 2009, § 280 E 39. 533  Siehe dazu nur: Thiele, AcP 167 (1967), 193 (236); BeckOK/Lorenz, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 254 Rn. 30. 532  Bardo,



B. Abstrakt berechneter Käuferschaden als Weiterveräußerungsvermutung119

Maßnahmen dann unumgänglich sein, wenn langfristig angelegte und weniger invasive Bemühungen keinen zeitnahen Erfolg versprechen und eine dringende gesellschaftliche Notwendigkeit in Bezug auf eine rasche Preissenkung vonnöten ist. Liegt der nach dem gewöhnlichen Geschehensablauf zu erwartende Gewinn über dem gerade noch gesetzlich gestatteten Niveau, muss eine entsprechende Deckelung auf das gerade noch zulässige Maß erfolgen. Dies ist allerdings nur der besonderen Fallkonstellation geschuldet. Der Käufer, der den Weg der konkret-typisierenden Schadensberechnung beschreitet, wird von dem Nachweis befreit, einen konkreten Abnehmer für die nicht gelieferte Ware gefunden zu haben. In der Folge eröffnet sich dem Schadensersatzgläubiger überhaupt keine Möglichkeit, einen überhöhten Gewinn mit der ausgebliebenen Ware am Markt fordern zu können. Würde der Gewinn auf das marktübliche Maß beschränkt werden, würde man dem Schadensersatzgläubiger mittelbar unterstellen, er hätte die Ware im Falle einer ordnungsgemäßen Lieferung zu einem von der Rechtsordnung untersagten Gewinn abgesetzt. Im Falle extremer Marktpreisschwankungen ist außerhalb des Anwendungsbereiches von Preisreglementierungen eine Gewinnreduzierung nur in Ausnahmefällen nach § 242 BGB möglich. Beschafft sich der nicht belieferte Käufer entsprechende Ersatzware, kann diese den Gewinnentgang nicht verhindern, wenn es dem Schadensersatzgläubiger möglich gewesen wäre, sowohl die neu erworbene Ware als auch die nicht gelieferte Ware abzusetzen.534 In diesem Fall handelt es sich bei der neuen Lieferung lediglich um eine zusätzliche Absatzmöglichkeit, die neben die ausgebliebene Warenlieferung tritt. Unterlässt der Käufer hingegen schuldhaft ein Geschäft, das geeignet wäre, den entgangenen Gewinn zu verhindern, ist sein Schadensersatzanspruch nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB auf den Betrag zu reduzieren, der bei Durchführung des Geschäftes in die (konkrete) Schadensberechnung eingestellt worden wäre. Um dem entgegenzuwirken, ist der Käufer dazu gehalten, zumutbare Anstrengungen zu unternehmen, die von einem sorgfältigen und vernünftigen Menschen zu erwarten sind, um dazu beizutragen, dass sich ein Schaden nicht in abwendbarer Weise vergrößert. Dabei können Preissteigerungen und die Sorgfalt, die von einem ordentlichen Kaufmann zu erwarten ist, die Anforderungen an die für den Käufer zumutbaren Anstrengungen erhöhen. Des Weiteren kann sich auch ein Produzent der typisierenden Schadensberechnung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB bedienen. Aufgrund der beabsichtigten Weiterverarbeitung lässt sich zwar nicht die direkte Weiterveräußerung der ausgebliebenen Ware vermuten, jedoch kann sich die Absatzvermutung des 534  Bardo,

Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 135.

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

§ 252 S. 2 Alt. 1 BGB auch auf das Endprodukt erstrecken. Kann dieses aufgrund des Lieferverzuges nicht oder nur in einem geringeren Ausmaß produziert werden, kommt es nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu einem entgangenen Gewinn. Dabei obliegt es auch in diesem Fall dem Produzenten, seinen Schaden mit zumutbaren Mitteln zu minimieren (§ 254 Abs. 2 S. 1 BGB), wobei er jedoch keine Ersatzmaterialien erwerben muss, die nicht der angestrebten Qualität des Endproduktes entsprechen.

VII. Fazit Bei der Weiterveräußerungsvermutung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB handelt es sich nach der hier vertretenen Auffassung um keine Form der abstrakten Schadensberechnung. Vielmehr wird durch den gewöhnlichen Verlauf der Dinge lediglich die prozessuale Durchsetzung eines konkreten Schadens erleichtert. Das Verständnis des Reichsgerichtes, dass der Verkehrswert einer nicht gelieferten Sache keinen ersatzfähigen Schaden begründe, musste durch die extensive Auslegung der in § 252 S. 2 Alt. 1 BGB verankerten Typisierung, kompensiert werden. Dabei verengt diese Norm die freie richterliche Überzeugung im Bereich des entgangenen Gewinnes. Unter den Anwendungsbereich der hier in Rede stehenden Schadensbemessung fallen alle Waren, für die sich ein Marktpreis ermitteln lässt. Kann sich für eine vertretbare Ware (§ 91 BGB) noch kein Marktpreis ermitteln lassen, weil sie erst seit kurzer Zeit am Markt erhältlich ist, können die Marktpreise vergleichbarer Produkte als Anhaltspunkte herangezogen werden. Handelt es sich bei der nicht gelieferten Ware um eine unvertretbare Sache, kommt es darauf an, ob vergleichbare Ersatzobjekte auf dem Markt in großem Umfang abgesetzt werden und das in Rede stehende Objekt nicht durch besondere Eigenschaften gekennzeichnet ist, die den potenziellen Abnehmerkreis einschränken könnten. Die Höhe des berechneten Gewinnes richtet sich nach dem Marktverkaufspreis zum Zeitpunkt der Fälligkeit. Ein Wahlrecht zwischen verschiedenen Zeitpunkten existiert nicht. Entscheidender Marktort ist der Ort, an dem die Ware weiterverkauft worden wäre. Der nicht belieferte Käufer kann seine Schadensberechnung nur auf § 252 S. 2 Alt. 1 BGB stützen, wenn er Händler oder Produzent ist. Ein getätigter Deckungskauf verhindert keinen Gewinnentgang, wenn der Käufer sowohl die ausgebliebene als auch die neubeschaffte Ware hätte absetzen können. Unterlässt er einen Deckungskauf, verstößt er gegen seine Schadensminderungsobliegenheit nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB, wenn er zumutbare Anstrengungen nicht anstellt. Liegt der nach § 252 S. 2 Alt. 1 BGB berechnete Gewinn oberhalb eines gesetzlich gestatte-



C. Abstrakt berechneter Käuferschaden als zu ersetzender Mindestschaden121

ten Rahmens, ist die Schadenssumme auf das gerade noch zulässige Maß zu begrenzen.

C. Der abstrakt berechnete Käuferschaden als stets zu ersetzender Mindestschaden Vielfach wurde die abstrakte Schadensberechnung mit der Geltendmachung eines stets zu ersetzenden Mindestschadens gleichgesetzt.535 Diese Vorstellung greift dabei insbesondere auf den „objektiven“ Schadensbegriff zurück, der schadensmindernde Faktoren ausklammert. Allerdings wurden in jüngerer Vergangenheit auch jenseits schadensbegrifflicher Ansätze, Versuche unternommen, dem nicht belieferten Käufer einen vom Einzelfall unabhängigen Ersatzanspruch zuzubilligen. Inwieweit eine derartige abstrakte Schadensbemessung im engeren Sinne außerhalb der gesetzlich normierten Fälle zulässig ist, gilt es im Nachfolgenden zu ergründen.

I. Die objektivierende Lehre und deren Parallelen zum „allgemeinen“ Interesse Die Lehre des „objektiven“ Schadens geht maßgeblich auf Neuner536 und Wilburg537 zurück, die den objektiven Warenwert, den der Käufer durch die abstrakte Schadensberechnung geltend machen könnte, in das Zentrum ihrer Überlegungen stellten.538 Dabei skizzierte Neuner als einer der ersten Autoren die Vorstellung der abstrakten Schadensberechnung als Objektivierung präziser, indem er zwischen dem objektiven Wert und subjektiven Interesse unterschied. Diese Differenzierung stellt den zentralen Ausgangspunkt der objektivierenden Ansicht dar.539 Dabei wird der objektive Wert als ein stets zu ersetzender Mindestschaden verstanden, dem nicht entgegengehalten werden kann, dass kein oder nur ein geringerer Schaden entstanden ist.540 Los535  So aber: Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht, 1967, S. 76 Fn. 76; Alternativkommentar/Rüßmann, BGB, 1980, Vor § 249 Rn. 43; Steffen, VersR 1985, 605 (608); Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, 1. Band, Allgemeiner Teil, 1987, § 29 III, S. 513. 536  Zur Ansicht dieses Autors insgesamt: Neuner, AcP 133 (1931), 277 (293 f., 302). 537  Zur Ansicht dieses Autors insgesamt: Wilburg, JherJb 1932, 51 (125 ff., 144 f.). 538  Ähnlich auch: Adler, ArchBürgR, 1900, 132 (137). 539  Neuner, AcP, 133 (1931), 277 (302); Steindorff, JZ 1961, 12 (13); v. Caemmerer, Das Problem der überholenden Kausalität im Schadensrecht, 1962, S. 8. 540  Wilburg, JherJb 1932, 51 (145): „Anders wie der Interesseanspruch schließt der Anspruch auf [objektiven] Wertersatz eine Berücksichtigung der besonderen Vermö-

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

gelöst von dem individuellen Vermögensinteresse des Anspruchsgläubigers, kann somit ein objektiver Schaden verlangt werden, der sich durch die Rechtsverletzung ergibt.541 Wird hingegen das subjektive Interesse gefordert, kann dies nur über den Ersatz eines konkreten Schadens geschehen.542 Fordert der Käufer den objektiven Wert, berechnet er seinen Schaden folglich abstrakt. Der Berechnungsmodus des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB kann danach nur im Rahmen des subjektiven Interesses eine Rolle spielen, da hier ein Gegenbeweis zulässig ist.543 Offen bleibt jedoch, wie der objektive Wert einer Sache zu bestimmen ist. Neuner stellte dabei auf den Aufwand ab, der für die entsprechende Ware angemessen erschien. Existiert ein Marktpreis, so sei dieser mit dem besagten Aufwand identisch.544 Dies legt die Vermutung nahe, dass Neuner sich hier auf den Markteinkaufspreis bezog.545 Diese Interpretation würde sich auch in die weitere Entwicklung der objektivierenden Ansicht einfügen, da in der darauffolgenden Zeit der objektive Wert regelmäßig mit dem Markteinkaufspreis gleichgesetzt wurde. Als Gegenentwurf zur Rechtsprechung des Reichsgerichtes, die ab 1907 fast ausnahmslos auf den entgangenen Weiterveräußerungsgewinn abstellte,546 zog Ernst Rabel als einer der ersten Autoren ein hypothetisches Deckungsgeschäft zum Markteinkaufspreis als Grundlage für die abstrakte Schadensberechnung heran. Dabei solle dem nicht belieferten Käufer die Differenz zwischen Vertragspreis und höherem Markteinkaufspreis ersetzt werden, da dieser Wert den objektiven Warenwert repräsentiere547 und somit das Mindeste darstelle, das in jedem Fall zu ersetzen sei.548 Darauf aufbauend schlossen sich zahlreiche weitere Autoren Rabels Auffassung an, sodass die abstrakte Schadensbemessung zunehmend als hypothetischer Deckungskauf verstanden wurde,

gensverhältnisse des Gläubigers aus.“; Steindorff, JZ 1961, 12 (13 f.); Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 67. 541  Gebauer, Hypothetische Kausalität und Haftungsgrund, 2007, S. 12. 542  v. Caemmerer, Das Problem der überholenden Kausalität im Schadensrecht, 1962, S. 8; Steindorff, JZ 1961, 12 (14). 543  Neuner, AcP, 133 (1931), 277 (302). § 252 BGB wurde dabei sogar als „Herabwürdigung“ der abstrakten Berechnungsmethode bezeichnet. Siehe dazu: Wilburg, JherJb 1932, 51 (144). 544  Neuner, AcP, 133 (1931), 277 (302); spätere Vertreter: Honsell, JuS 1973, 69 (74); Jahr, AcP 183 (1983), 725 (733). 545  Neuner, AcP 133 (1931), 277 (307); diese Vermutung teilend: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 41. 546  Siehe dazu bereits unter: 1. Kap. B. I. 547  Rabel, Das Recht des Warenkaufs, 1. Band, 1936, S. 451. 548  Rabel, Das Recht des Warenkaufs, 1. Band, 1936, S. 171, 451, 459.



C. Abstrakt berechneter Käuferschaden als zu ersetzender Mindestschaden123

durch den der nicht belieferte Käufer den objektiven Warenwert erhält.549 Begreift man demnach die Berechnung anhand eines hypothetischen Deckungskaufes als Schadensobjektivierung, nähert man sich im Ergebnis den gesetzlich normierten Fällen des § 376 Abs. 2 HGB und womöglich auch des Art. 76 Abs. 1 S. 1 CISG an. Im Rahmen des internationalen Warenkaufs gewährt Art. 76 Abs. 1 S. 1 CISG dem Käufer für den Fall, dass der Vertrag aufgehoben wurde und kein Deckungskauf stattgefunden hat, einen Anspruch auf die Differenz zwischen Vertragspreis und Marktpreis. Dabei ist Art. 76 Abs. 1 CISG im Kontext des Art. 75 CISG zu betrachten. Dieser ersetzt den konkreten Schaden, der durch ein Deckungsgeschäft entstanden ist. Um zu verhindern, dass der Käufer im Zuge der konkreten Schadensberechnung Geschäftsinterna offenlegen muss, wurde Art. 76 CISG konzipiert. sodass der Anspruchsgläubiger seinen Schaden auch abstrakt, anhand eines hypothetischen Deckungsgeschäftes berechnen kann.550 Die Grundkonzeption des Art. 76 Abs. 1 CISG geht dabei davon aus, dass der Gläubiger jederzeit das Recht hat, ein Deckungsgeschäft zum Marktpreis vorzunehmen.551 Der Schuldner soll nicht dadurch begünstigt werden, dass von der tatsächlichen Vornahme eines solchen Geschäftes abgesehen wurde.552 Somit bezeichnet der Begriff „Marktpreis“ in Art. 76 Abs. 1 CISG den Markteinkaufspreis, den der Käufer durch ein hypothetisches Deckungsgeschäft zugrunde legt.553 Zwar soll Art. 76 Abs. 1 S. 1 CISG dem Schadensersatzgläubiger einen Mindestschaden sichern,554 jedoch ist hierbei auch die Schadensminderungsobliegenheit des Art. 77 CISG zu berücksichtigen, sodass auch schadensmindernde Faktoren in dieser Schadensberechnung zu berücksichtigen sind. Nach der hier verwendeten Terminologie handelt es sich daher um keine abstrakte Schadensberechnung im engeren Sinne. Lediglich § 376 Abs. 2 549  Steindorff, JZ 1961, 12 (13 f.); v. Caemmerer, Das Problem der überholenden Kausalität, 1962, S. 8: „Mindestschaden, der auf jeden Fall verlangt werden kann“; Blomeyer, Allgemeines Schuldrecht, 4. Aufl., 1969, S. 192 f.; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl., 1982, § 376 Rn. 24; im Erg. auch: Soergel/Wiedemann, BGB, 11. Aufl., 1986, § 325 Rn. 43: „pauschalisierter Mindestschaden“; Huber, Leistungsstörungen, Band 2, 1999, S. 249; ähnlich: Lange, Schadensersatz, 1979, S. 216 f.; wohl auch: Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, 2003, S. 217. 550  MünchKomm/Mankowski, HGB, 5. Aufl., 2021, Art. 76 CISG Rn. 1. 551  Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schwenzer, CISG, 7.  Aufl., 2019, Art. 76 Rn. 1. 552  Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schwenzer, CISG, 7.  Aufl., 2019, Art. 76 Rn. 1. 553  Brunner/Schmidt-Ahrendts/Czarnecki, UN-Kaufrecht, CISG, 2014, Art.  76 Rn. 3; Huber, in: FS für Karsten Schmidt, 2009, 725 (734). 554  Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schwenzer, CISG, 7.  Aufl., 2019, Art. 76 Rn. 1; Staudinger/Magnus, BGB, 2018, Art. 76 CISG Rn. 7.

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

HGB lässt eine solche abstrakte Schadensbemessung zu.555 Dabei wird dem Gläubiger die Differenz zwischen Vertragspreis und höherem Markteinkaufspreis ersetzt, wobei dem Anspruchsgegner die Möglichkeit eines Gegenbeweises, dass in Wahrheit kein oder ein niedrigerer Schaden entstanden ist, vollständig abgeschnitten wird.556 Die Schadensberechnung unter Zugrundelegung des objektiven Schadensbegriffs verläuft daher im Wesentlichen parallel zu der Vorschrift des § 376 Abs. 2 HGB. Des Weiteren wurde der Versuch unternommen, aus dem Interesse des Käufers am Erhalt der Ware einen stets zu ersetzenden Ersatzanspruch zu konstruieren. Es ist allgemein anerkannt, dass der Schadensersatzgläubiger im Zuge des Schadensersatzes statt der Leistung sein positives Interesse geltend machen kann. In der Folge ist der nicht belieferte Käufer so zu stellen, als hätte der Verkäufer ordnungsgemäß geleistet.557 Als Äquivalent für die ausgebliebene Lieferung kann der Schadensersatzgläubiger demnach verlangen, dass ihm sein Leistungsinteresse in Geld ersetzt wird.558 Dieses Interesse wurde von (Knobbe-)Keuk in Bezug auf den Warenwert mit schadensobjektivierenden Elementen „aufgeladen“, sodass stets der Wert des geschuldeten Gegenstandes zu ersetzen ist.559 Während diese Autorin das stets zu ersetzende Interesse als Mindestschaden begriff, löste Christian Knütel den Interessensersatz teilweise aus dem schadensrechtlichen Regime der §§ 249 ff. BGB heraus. Fordere der Käufer die Differenz zwischen Vertragspreis und dem höheren Markteinkaufspreis, mache er keinen Schaden, sondern sein „allgemeines Interesse“ geltend.560 Die Aufteilung in eine konkrete respektive abstrakte Schadensberechnung sei demnach verfehlt, da der Käufer stets sein positives Interesse verlange, weshalb es für denselben Posten keine zwei unterschiedlichen Berechnungsmethoden geben könne. Der Anspruch auf die Wertdifferenz sei somit eine an § 376 Abs. 2 HGB orientierte abstrakte Berechnung des allgemeinen Interesses.561 Dieses sei stets zu ersetzen, sodass insbesondere § 254 BGB keine Anwendung finden könne. Das „allgemeine“ Interesse sei dabei vom „besonderen“ Interesse zu unterscheiden. Nur bei Letzterem bedürfe es ei555  Zur

Terminologie bereits unter: Einleitung II. 1. HGB, 4. Aufl., 2020, § 376 Rn. 37; MünchKomm/Grunewald, HGB, 5. Aufl., 2021, § 376 Rn. 25 m. w. N. 557  Statt aller: MünchKomm/Emmerich, BGB, 9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 3. 558  Knütel, AcP 202 (2002), 555 (583, 590). 559  Zum Ganzen: Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 111 f.; KnobbeKeuk, VersR 1976, 401 (405). 560  Zum „allgemeinen“ Interesse als Mindestersatz: Knütel, AcP 202 (2002), 555 (571 ff., insbesondere 575). 561  Knütel, AcP 202 (2002), 555 (582). 556  Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Achilles,



C. Abstrakt berechneter Käuferschaden als zu ersetzender Mindestschaden125

ner Anwendung der §§ 249 ff. BGB. Die Geltendmachung des „allgemeinen“ Interesses setze hingegen keinen tatsächlich eingetretenen Schaden voraus, sondern erfordere lediglich die Tatbestandsseite des Schadensersatzanspruches.562 Insgesamt zeigen sich vom Standpunkt eines nicht belieferten Käufers deutliche Parallelen zwischen den von (Knobbe-)Keuk und Knütel vertretenen Ansichten und der Lehre des „objektiven“ Schadens. In beiden Fällen wird die Differenz zwischen Vertragspreis und Markteinkaufspreis unabhängig von etwaigen anspruchsmindernden Umständen ersetzt. Knütel geht dabei noch einen Schritt weiter und löst das „allgemeine“ Interesse aus dem System des Schadensrechtes vollständig heraus.

II. Bedenken Bereits die Vorstellung, es existiere ein „objektiver“ Sachwert, erscheint zweifelhaft.563 Die Bezeichnung „objektiv“ impliziert, dass Waren einen bestimmten Wert haben, der unabhängig von der Person des Eigentümers oder sonstigen Einzelfallfaktoren besteht. Dabei wird jedoch verkannt, dass jedem Wert ein gewisses subjektives Element innewohnt, das insbesondere im Bereich von Absatzketten zum Vorschein tritt.564 Der Wert von Objekten wird regelmäßig durch die Marktstufe, auf der sich Erwerber und Veräußerer „treffen“565, determiniert. Wie bereits gezeigt,566 gelten auf dem Absatzmarkt des Produzenten andere Marktpreise als auf dem Absatzmarkt des Einzelhändlers. Dies ist auf die unterschiedlichen Marktstufen zurückzuführen, die aus dem Grundsatz resultieren, dass in einer Handelskette der Nettoverkaufspreis über dem Netto­einkaufspreis liegen soll, sodass der Veräußerer zulasten des nachfolgenden Kettengliedes einen Gewinn erwirtschaftet.567 Dadurch divergieren die Preise, abhängig von der Position des Käufers, innerhalb der Absatzkette. Somit bleibt festzuhalten, dass ein universeller und einzelfallunabhängiger „objektiver“ Wert in dieser Form nicht existiert.

AcP 202 (2002), 555 (583). Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 66; Großerichter, Hypothetischer Geschehensverlauf und Schadensfeststellung, 2001, S. 33; Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 249 Rn. 132. 564  Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 249 Rn. 132. 565  Flume, Marktaustausch, 2019, S. 76. 566  Dazu bereits unter: 1. Kap. B. IV. 1. a) aa). 567  Flume, AcP 215 (2015), 282 (312). 562  Knütel,

563  Zutreffend:

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

Zwar kristallisierte sich im Schrifttum die Ansicht heraus, der „objektive“ Wert sei anhand eines hypothetischen Deckungskaufes zu bestimmen,568 sodass sich zumindest ein dynamischer Anknüpfungspunkt für diesen Wert annehmen ließe, der auch Marktstufen berücksichtigt. Allerdings bleibt es unklar, weshalb ausgerechnet ein hypothetisches Deckungsgeschäft geeignet sein soll, den „objektiven“ Warenwert zu repräsentieren. Gerade im Handelsverkehr ließe sich argumentieren, dass sich der Wert einer Sache durch die Monetarisierung des Objektes abbilden ließe, sodass auf den Marktpreis einer nachgelagerten Markstufe abzustellen sei.569 Dieselben Erwägungen gelten auch für das „allgemeine“ Interesse, das ebenfalls anhand des Anschaffungspreises zu bestimmen sei.570 Dieses Interesse sei das Geldäquivalent des vertraglichen Erfüllungsanspruches und stelle für den Käufer den Vorteil dar, der mit dem Erhalten der Ware einhergehe.571 Jedoch ließe sich auch hier argumentieren, dass sich das „allgemeine“ Interesse des Käufers gerade durch eine Monetarisierung realisiere. Zudem lassen sich die Lehre des „objektiven“ Schadens und des „allgemeinen“ Interesses kaum mit dem schadensrechtlichen Ausgleichsprinzip und dem Bereicherungsverbot vereinbaren, die als tragende Grundpfeiler des Schadensrechtes den §§ 249 ff. BGB zugrunde liegen. Die Hauptfunktion des Schadensrechtes besteht darin, dem Geschädigten einen Ausgleich für die erlittenen Nachteile zu gewähren.572 Die Ausgleichshöhe wird dabei durch das schadensrechtliche Bereicherungsverbot begrenzt.573 Danach darf der Geschädigte durch das schädigende Ereignis nicht bessergestellt werden, als er ohne die Schädigung stehen würde.574 Wird nun unabhängig von 568  Rabel, Das Recht des Warenkaufs, 1. Band, 1936, S. 171, 451, 459; Steindorff, JZ 1961, 12 (13 f.); v. Caemmerer, Das Problem der überholenden Kausalität, 1962, S. 8: „Mindestschaden, der auf jeden Fall verlangt werden kann“; Blomeyer, Allgemeines Schuldrecht, 4.  Aufl., 1969, S.  192  f.; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl., 1982, § 376 Rn. 24; im Erg. auch: Soergel/Wiedemann, BGB, 11. Aufl., 1986, § 325 Rn. 43: „pauschalisierter Mindestschaden“; Huber, Leistungsstörungen, Band 2, 1999, S. 249; ähnlich: Lange, Schadensersatz, 1979, S. 216 f.; wohl auch: Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, 2003, S. 217. 569  Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, 1. Band, Allgemeiner Teil, 14. Aufl., 1987, § 29 I b), S. 483; Picker, Die Naturalrestitution durch den Geschädigten, 2003, S. 124 Fn. 66, die generell auf die Ungeeignetheit des hypothetischen Deckungskaufes als Ausgangspunkt der abstrakten Schadensberechnung verweist; zum „objektiven“ Wert: Huber, in: FS für Karsten Schmidt, 2009, 725 (740). 570  Knütel, AcP 202 (2002), 555 (575). 571  Knütel, AcP 202 (2002), 555 (573, 575). 572  Soergel/Ekkenga/Kuntz, BGB 13. Aufl., 2014, Vor § 249 Rn. 26; Erman/Ebert, BGB, Band 1, 16. Aufl., 2020, Vor § 249 Rn. 1; MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 249 Rn. 8 m. w. N. 573  Soergel/Ekkenga/Kuntz, BGB 13. Aufl., 2014, Vor § 249 Rn. 26. 574  Soergel/Ekkenga/Kuntz, BGB 13. Aufl., 2014, Vor § 249 Rn. 26.



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weiteren Umständen des Einzelfalles Ersatz geleistet, können Faktoren wie ein schuldhafter Verstoß gegen die Schadensminderungsobliegenheit (§ 254 Abs. 2 S. 1 BGB) oder das Außerachtlassen eines Vorteilsausgleiches575 nicht berücksichtigt werden. Demnach besteht die Gefahr, einen Schadensersatz ohne Schaden zu gewähren. Dieses Ergebnis wird von Gedanken getragen, dass dem Schadensrecht neben der Ausgleichsfunktion auch eine Sanktionsfunktion zukommt.576 Dieses Verständnis ist jedoch nach heutigen Maßstäben überholt, da dem Schadensrecht keine Straffunktion zugrunde liegt.577 Allerdings könnte womöglich die Präventionswirkung der §§ 249 ff. BGB eine Schadensobjektivierung rechtfertigen. So ist die Aussicht, den objektiven Warenwert unabhängig von etwaigen Einzelfallfaktoren gewähren zu müssen, für den Verkäufer Anreiz ordnungsgemäß zu erfüllen. Dabei ist die Präventionsfunktion streng von der Straffunktion zu trennen, da durch die Prävention alle potenziellen Schädiger getroffen werden sollen.578 Allerdings herrscht bereits Uneinigkeit darüber, ob und inwieweit dem Schadensrecht überhaupt eine derartige Präventionswirkung zuzusprechen ist.579 Gleichwohl wird dem Schadensrecht eine gewisse Präventionsfunktion nicht abzusprechen sein, da rigide Schadensersatzpflichten für einen Verkäufer durchaus abschreckenden Charakter entfalten können. Trotzdem kann der Präven­ tionsaspekt hier nicht weiterhelfen. Die Präventionsfunktion tritt nur als wünschenswertes „Nebenprodukt“580 neben die Ausgleichsfunktion des Schadensrechtes. Das tragende Prinzip bleibt das Ausgleichsprinzip, durch das der Geschädigte einen Ersatz für den erlittenen Schaden erhalten soll.581

575  Zur Nichtbeachtung eines Vorteilsausgleiches: Lange/Schiemann/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl., 2003, § 9 III 6, S. 498; Soergel/Ekkenga/Kuntz, BGB, 2014, 13. Aufl., Vor § 249 Rn. 293. 576  Neuner, AcP 133 (1931), 277 (291); siehe auch: Bydlinski, Probleme der Schadensverursachung, 1964, S. 29, der in der abstrakten Schadensberechnung sogar nur die Sanktionierung eines verletzten Rechts oder eines Rechtsgutes erblickt. 577  Soergel/Ekkenga/Kuntz, BGB, 13.  Aufl., 2014, Vor § 249 Rn. 31; MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 249 Rn. 8 m. w. N. 578  Soergel/Ekkenga/Kuntz, BGB, 13. Aufl., 2014, Vor § 249 Rn. 31. Zur präventiven Wirkung des Deliktsrechtes auch: MünchKomm/Wagner, BGB, 8. Aufl., 2020, Vor § 823 Rn. 45–48. 579  Lange/Schiemann/Lange, Schadensersatz, 3. Aufl., 2003, Einl. III 2c, S. 11; MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 249 Rn. 9. 580  Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, 1. Band, Allgemeiner Teil, 14. Aufl., 1987, § 27 I, S. 424; dazu ferner auch: MünchKomm/Wagner, BGB, 8. Aufl., 2020, Vor § 823 Rn. 45. 581  Zum Ganzen: Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, 1. Band, Allgemeiner Teil, 14. Aufl., 1987, § 27 I, S. 423 f.

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

Die Präventionsfunktion kann daher keinen eigenständigen Schadensersatzanspruch begründen, wenn es an einem ersatzfähigen Schaden fehlt.582 Diese Aspekte lassen sich auch auf das „allgemeine“ Interesse übertragen. Zwar sind die anerkannten Regeln der §§ 249 ff. BGB nach Knütels Dafürhalten nicht auf diese Erscheinungsform des Interesses anwendbar,583 jedoch mündet diese Ansicht im Ergebnis ebenfalls in der Gewährung eines „objektiven“ Schadens. So vermag das Argument, es handele sich bei dem „allgemeinen Interesse“ um eine Form der Vertragserfüllung, das nicht unter den Anwendungsbereich der §§ 249 ff. BGB falle,584 nicht zu überzeugen. So ist es gerade die Aufgabe des Schadensersatzanspruches statt der Leistung an die Stelle des Erfüllungsanspruches zu treten.585 Dieser ist dem Regime der §§ 249 ff. BGB unterworfen und soll das aus dem Vertragsverhältnis entspringende Geldinteresse des Gläubigers ersetzen.586 Der Versuch, abseits des Schadensrechtes eine neue Form des Ersatzanspruches zu entwickeln, führt zu einer Untergrabung schadensrechtlicher Grundsätze. Insofern lässt sich der Schadensersatz statt der Leistung nicht von den §§ 249 ff. BGB „abkoppeln“. Ferner kann auch der Gedanke der Rechtsverfolgung und der Rechtsfortsetzung keine hinreichende Grundlage für die Lehre des objektiven Schadens bilden.587 Diese maßgeblich auf Neuner588 zurückgehende Überlegung besagt, dass sich das vom Schuldner verletzte Recht beziehungsweise der nicht mehr erfüllbare Anspruch im Schadensersatzanspruch fortsetze.589 Danach 582  BGH, 06.12.2005, VI ZR 265/0, BGHZ 165, 203 (207); dazu ferner auch: MünchKomm/Wagner, BGB, 8. Aufl., 2020, Vor § 823 Rn. 45 m. w. N. 583  Knütel, AcP 202 (2002), 555 (582). 584  Knütel, AcP 202 (2002), 555 (575 f.). 585  Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 109; Flume, AcP 215 (2015), 282 (284). 586  Flume, AcP 215 (2015), 282 (284). 587  Grundlegend: Neuner, AcP 133 (1931), 277 (291); darauf aufbauend: Wilburg, JherJb 1932, 51 (125  ff.); umfassend dazu auch: Soergel/Ekkenga/Kuntz, BGB, 13. Aufl., 2014, Vor § 249 Rn. 29 f., 58; Dauner-Lieb/Langen/Magnus, BGB, 2021, 4. Aufl., Vor §§ 249–255 Rn. 13; Hk-BGB/Schulze, 11. Aufl., 2022, Vor §§ 249–253 Rn. 2. Ursprünglich wurde von einer „rechtsverfolgenden“ Funktion von Schadensersatzansprüchen gesprochen. Dieser Begriff warf jedoch einige Unklarheiten auf, weshalb man heute überwiegend von einer Rechtsfortsetzung bzw. einem Rechtsfortsetzungsgedanken spricht. Zur Entwicklung dieser Terminologie: Gebauer, Hypothetische Kausalität und Haftungsgrund, 2007, S. 256. 588  Neuner, AcP 133 (1931), 277 (291). 589  Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, 1. Band, Allgemeiner Teil, 14. Aufl., 1987, § 27 I, S. 423; Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 66; Lange/Schiemann/Lange, Schadensersatz, 3. Aufl., 2003, Einl. III 2c, S. 12; Hk-BGB/ Schulze, 2021, 11. Aufl., Vor §§ 249–253 Rn. 2.



C. Abstrakt berechneter Käuferschaden als zu ersetzender Mindestschaden129

sei es aufgrund der rechtsverfolgenden Natur des Schadensersatzanspruches stets gerechtfertigt, im Rahmen eines Schadensersatzanspruches wegen Nichterfüllung den objektiven Wert der Ware zu verlangen, da der Schadensersatzanspruch zur Sanktion der Rechtsverletzung an die Stelle oder neben den rechtsverfolgenden Anspruch träte.590 Somit ergebe sich bereits durch die Rechtsverletzung eine von den konkreten Verhältnissen unabhängige Objektivierung, die einen Schadensersatzanspruch ermögliche.591 Diesem Ansatz muss jedoch mit Skepsis begegnet werden:592 Zum einen kann durch die Fortsetzungsfunktion nichts über den Inhalt des Schadensersatzanspruches ausgesagt werden.593 Die Verletzung eines Rechtes und die eventuell daraus resultierende Schadensberechnung müssen getrennt voneinander betrachtet werden.594 Liegt daher eine Rechtsverletzung vor, so kann dadurch nicht automatisch auf einen Schadensersatzanspruch geschlossen werden, da auch ein ersatzfähiger Schaden beim Anspruchsgläubiger vorhanden sein muss.595 Der Rechtsfortsetzungsgedanke beantwortet die Frage nach dem Schaden jedoch nicht, sondern weicht dieser aus, indem er alleine die Rechtsverletzung in das Zentrum des Schadensersatzanspruches stellt.596 Die Rechtsverletzung stellt aber nur den „Anlass“ dar zu überprüfen, ob tatsächlich ein Schaden eingetreten ist.597 Andernfalls könnten Einzelfallfaktoren, wie Vorteilsausgleichungen oder Schadensminderungsobliegenheiten, keine Berücksichtigung finden. Somit könnte unter Zugrundelegung des Rechtsverfolgungs- oder des Rechtsfortsetzungsgedankens ein Schadensersatz „ohne Schaden“ ermöglicht werden, der gerade nicht mit den tragenden Pfeilern des Schadensrechtes vereinbar ist.598 Sowohl dem Rechtsverfolgungs- als auch dem Rechtsfortsetzungsgedanken gelingt es daher nicht, eine hinreichende Begründung zu bieten, einen stets zu ersetzenden Mindestschaden zu gewähren, da andernfalls tragende Prinzipien des Schadensrechtes, wie das Ausgleichsprinzip und das Bereicherungsverbot, unterlaufen werden könnten. 590  Neuner, AcP 133 (1931), 277 (291). Neuner gewährt diesen Mindestschaden bei „allen Ansprüchen, die unmittelbar aus einem Recht erwachsen und es selbst unmittelbar schützen“. Darunter fällt auch ausdrücklich der Erfüllungsanspruch. Dazu: Neuner, AcP 133 (1931), 277 (291 Fn. 51); siehe auch: Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 44. 591  Gebauer, Hypothetische Kausalität und Haftungsgrund, 2007, S. 12. 592  Dazu ausführlich: Roussos, Schaden und Folgeschaden, 1992, S. 176–178. 593  Lange/Schiemann/Lange, Schadensersatz, 3. Aufl., 2003, Einl. III 2c, S. 12, § 5 I 2, S. 213; Soergel/Ekkenga/Kuntz, BGB, 13. Aufl., 2014, Vor § 249 Rn. 30. 594  Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 249 Rn. 132. 595  Lange/Schiemann/Lange, Schadensersatz, 3. Aufl., 2003, Einl. III 2c, S. 12. 596  Roussos, Schaden und Folgeschaden, 1992, S. 176. 597  Soergel/Ekkenga/Kuntz, BGB, 13. Aufl., 2014, Vor § 249 Rn. 30. 598  Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 66.

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

III. Bewertung und Fazit Sowohl die Lehre des objektiven Schadens als auch die Lehre des „allgemeinen“ Interesses stoßen auf tiefgreifende Bedenken. Ein „objektiver“ Warenwert existiert nicht, da das nicht gelieferte Objekt für jedermann den gleichen Sachwert aufweisen müsste. Dem „objektiven“ Wert wohnt allerdings stets ein subjektives Momentum inne, sodass sich ein pauschaler Verweis auf den einzelfallunabhängigen Wert verbietet.599 Des Weiteren vermag die Vorstellung, dass der „objektive“ Schaden auf dem Rechtsverfolgungsbeziehungsweise dem Rechtsfortsetzungsgedanken beruht, nicht zu überzeugen. Zwar wirkt der ursprüngliche Anspruch im Rahmen des Schadensersatzanspruches in gewissem Maße fort,600 sodass durchaus auch von einem Rechtsfortsetzungsgedanken die Rede sein kann,601 jedoch kommt diesem Gedanken keine eigenständige Bedeutung zu. Vielmehr ist er als Bestandteil des Ausgleichsgedankens zu betrachten.602 Wenn der Rechtsverfolgungs- respektive Rechtsfortsetzungsgedanke hingegen konstatiert, dass die reine Rechtsgutverletzung ausreichend ist, um einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, könnte es zu einer Untergrabung des schadensrechtlichen Bereicherungsverbotes kommen und das Schadensrecht würde weitreichenden, pönalen Einflüssen offenstehen. Somit bedarf es grundsätzlich eines ersatzfähigen Schadens aufseiten des Schadensersatzgläubigers.603 Eine über die Ausgleichsfunktion hinausgehende Bestrafung des Anspruchsschuldners ist dabei nicht vorgesehen.604 Abschließend kann festgehalten werden, dass eine abstrakte Schadensberechnung im engeren Sinne, wie sie durch die Schadensobjektivierung und im Ergebnis auch durch das „allgemeine“ Interesse ermöglicht wird, nicht auf den gesamten rechtsgeschäftlichen Verkehr anwendbar ist. Das Spannungsverhältnis zwischen dem Ausgleichsprinzip sowie dem Bereicherungs599  Dies gesteht Neuner sogar selbst ein. Siehe dazu: Neuner, AcP 133 (1931), 277 (306); zutreffend: Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht, 1967, S. 72. 600  Diese Vorstellung hat auch der Gesetzgeber, da er bei § 311a Abs. 2 S. 1 Alt. 1 und den §§ 281–283 BGB vom Schadensersatz statt der Leistung spricht. 601  Lange/Schiemann/Lange, Schadensersatz, 3. Aufl., 2003, Einl. III 2c, S. 12. 602  Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, 1. Band, Allgemeiner Teil, 14. Aufl., 1987, § 27 I, S. 425. 603  Wäre hingegen das Vorliegen eines Schadens beim Anspruchsgläubiger nicht nötig, würde es zu obskuren Ergebnissen kommen. Beispielsweise könnte der Eigentümer eines privaten Durchgangs Schadensersatz von denjenigen verlangen, die diesen ohne seinen Willen betreten würden. Siehe dazu: Lange/Schiemann/Lange, Schadensersatz, 3. Aufl., 2003, Einl. III 2c, S. 12. 604  Erman/Ebert, BGB, 16. Aufl., 2020, Vor § 249 Rn. 1; MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 249 Rn. 8 m. w. N.

D. Abstrakt berechneter Käuferschaden als nicht zugeflossener Vertragswert131

verbot und dieser Form der Schadensberechnung kann nur in besonderen Fällen und in fest abgegrenzten Bereichen durch gewichtige Gründe aufgewogen werden. Wie im weiteren Verlauf dieser Untersuchung zu zeigen sein wird, ist das Bedürfnis nach Vereinfachung und Beschleunigung im kaufmännischen Verkehr partiell geeignet, eine solche Rechtfertigung im Bereich des § 376 Abs. 2 HGB zu bieten.605

D. Der abstrakt berechnete Käuferschaden als nicht zugeflossener Vertragswert Liefert der Verkäufer die geschuldete Kaufsache nicht oder nicht vertragsgemäß, entbehrt das Vermögen des Käufers den, durch den Kaufvertrag verbrieften, monetären Leistungswert. Der nachfolgende Schadensersatzanspruch statt der Leistung zielt darauf ab, dieses Leistungsdefizit auszugleichen. Das Ziel des hier zu untersuchenden Berechnungsmodus liegt in der abstrakten Ermittlung dieses Leistungsdefizits.606 Dabei wird zunächst die abstrakte Schadensberechnung bei der Nichtleistung in Blick zu nehmen sein. Anschließend sollen die Besonderheiten der abstrakten Schadensbemessung bei der mangelhaften Lieferung herausgearbeitet und sachgerechten Lösungen zugeführt werden.

I. Die abstrakte Schadensberechnung bei Nichtleistung Während die abstrakte Schadensberechnung im engeren Sinne keinerlei schadensmindernde Faktoren zulässt, operiert die Schadensberechnung im weiteren Sinne bei ausgebliebener Lieferung mit der Differenzhypothese. Demnach wird der zu ersetzende Schaden im Wege eines Gesamtvermögensvergleiches bestimmt. Im Zuge dessen wird die Vermögenslage des Käufers, die durch die ausgebliebene Lieferung besteht, mit der hypothetischen Vermögenslage verglichen, die bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung des Verkäufers bestünde.607 Hierbei gilt es zu klären, auf welchem schadensrechtli605  Siehe

dazu unter: 1. Kap. E. III. 1. b). diesem Wesensgehalt der abstrakten Schadensberechnung: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 99 f.; Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 114 f.; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl., 1982, § 376 Rn. 24; Atamer, in: FS für Magnus, 2014, 145 (153); Flume, AcP 215 (2015), 282 (320). 607  Statt aller: Soergel/Benicke/Hellwig, BGB, 13. Aufl., 2014, § 281 Rn. 240. Zur Bedeutung der Differenzhypothese im Bereich der abstrakten Schadensberechnung i. w. S.: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 83. 606  Zu

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

chen Anknüpfungspunkt der Schadensersatzanspruch des Käufers beruht und auf welcher Berechnungsbasis der Verkehrswert zu ermitteln ist. Dabei werden auch schadensmindernde Faktoren zu berücksichtigen sein.608 Diese Ausgangslage kann anhand eines kurzen Beispielsfalles verdeutlicht werden. Kaufmann K benötigt für die Buchhaltung seines Unternehmens zehn Computer, die er von Elektronikhändler V zu einem „Freundschaftspreis“ von 400,– Euro pro Stück erwirbt. Die Lieferung des V bleibt jedoch auch nach erfolglosem Ablauf einer angemessenen Fristsetzung aus. Auf dem Beschaffungsmarkt des K kosten entsprechende Geräte 600,– Euro. K erklärt gegenüber V den Rücktritt und verlangt Schadensersatz aufgrund der ausgebliebenen Lieferung in Höhe von 2.000,– Euro (200,– Euro × 10).

Bei diesem Einstiegsfall handelt es sich um den „Grundfall“ der abstrakten Schadensberechnung. Durch den Schadensersatz statt der Leistung kann dem nicht belieferten Käufer hier kein entgangener Gewinn nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge ersetzt werden, da die Weiterveräußerungsvermutung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB widerlegt wäre. Dem Schadensersatzgläubiger soll vielmehr der (Mehr-)Wert der ausgebliebenen Ware zugesprochen werden, der bei ordnungsgemäßer Erfüllung in sein Vermögen geflossen wäre. Dem Schadensersatzschuldner bleibt es dabei unbenommen, den Nachweis zu führen, dass in Wahrheit nur ein kleinerer oder sogar überhaupt kein Schaden entstanden ist. So ließe sich auch hier an ersparte Aufwendungen denken, wenn K beispielsweise die Kosten des Transportes hätte tragen müssen. Lässt K sehenden Auges die Möglichkeit verstreichen, die gleichen Modelle zu einem Preis von je 500,– Euro von einem anderen Lieferanten zu erwerben, ließe sich ferner auch an eine Anspruchskürzung nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB denken. Deshalb ist dieser Berechnungsmodus als abstrakte Schadensberechnung im weiteren Sinne zu bezeichnen. 1. Die Ermittlung des Verkehrswertes Inmitten der abstrakten Schadensberechnung im weiteren Sinne steht die Frage, auf welcher Berechnungsbasis der nicht zugeflossene Verkehrswert überhaupt zu ermitteln ist. Hierbei muss zwischen vertretbaren Waren (§ 91 BGB) auf der einen Seite und Unikaten auf der anderen Seite differenziert werden.

608  Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 119; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl., 2023, § 281 Rn. 32; MünchKomm/Emmerich, BGB, 9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 34; vgl. auch: Staudinger/Schwarze, 2019, § 280 Rn. E77.

D. Abstrakt berechneter Käuferschaden als nicht zugeflossener Vertragswert133

a) Der Verkehrswert vertretbarer Waren Für die Bemessung des Verkehrswertes vertretbarer Sachen (§ 91 BGB) kommt zum einem eine Berechnung anhand eines hypothetischen Deckungsgeschäftes (= Markteinkaufspreis)609 oder zum anderen die Ermittlung mittels eines fingierten Absatzgeschäftes (= Marktverkaufspreis) in Betracht.610 Gegen den erstgenannten und für den letztgenannten Anknüpfungspunkt wurde vorgebracht, dass ein Objekt für den Käufer gerade den Wert widerspiegelt, der durch einen möglichen Weiterverkauf erzielt werden könnte. Dieser Wert sei daher auch beim Schadensersatz statt der Leistung zu ersetzen, wenn der Schaden abstrakt zu berechnen sei.611 Dieser Überlegung wird man im Bereich des Handelsverkehrs einen berechtigten Kern nicht absprechen können, jedoch sprechen die besseren Gründe für die Berechnung des Verkehrswertes auf der Grundlage eines hypothetischen Deckungsgeschäftes. Ist der nicht belieferte Käufer Verbraucher, wäre er gegenüber einem Händler allerdings deutlich benachteiligt, da ein Privatmann nur selten in der Lage sein wird, von ihm erworbene Ware über seinem eigenen Einkaufspreis abzusetzen. Dieser Umstand ist insbesondere auf einen ungünstigeren Marktzugang des Verbrauchers zurückzuführen. So wird dem Verbraucher in der Regel nur der Privatmarkt offen stehen.612 Nur wenn der Käufer die Ware zu einem sehr günstigen Preis erworben hätte, wäre ein positiver Saldo zwischen Vertragspreis und Absatzerlös denkbar. Entspricht der Vertragspreis allerdings in etwa dem Markteinkaufspreis, wird es regelmäßig schlicht an der Bereitschaft potenzieller Abnehmer fehlen, für eine de facto weitere Marktstufe des Verbrauchers aufzukommen, wenn der Abnehmerkreis auf dem Privatmarkt problemlos auf die gleiche Marktstufe zugreifen kann, auf der sich der nicht belieferte Käufer eindeckt. Insbesondere wenn es zu keinen Produktions- oder Lieferengpässen kommt und die Ware daher jederzeit bei dem Unternehmer selbst erworben werden kann, erscheint die Möglichkeit des Verbrauchers, Ware über dem jeweiligen Markteinkaufspreis absetzen zu können, als nahezu ausgeschlossen.613 Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 94–98. Die Naturalrestitution durch den Geschädigten, 2003, S. 124 Fn. 66. 611  Picker, Die Naturalrestitution durch den Geschädigten, 2003, S. 124 Fn. 66; zum „objektiven Wert“ auch: Huber, in: FS für Karsten Schmidt, 2009, 725 (740). 612  Darunter ist der Markt zu verstehen, auf dem Privatleute untereinander Handel treiben. Siehe dazu: Flume, Marktaustausch, 2019, S. 76. 613  Siehe dazu auch: Picker, Die Naturalrestitution durch den Geschädigten, 2003, S. 124. Natürlich gibt es auch hier Ausnahmen. Gerade bei neu erschienen Waren werden bei Produktionsengpässen oder einer sehr hohen Nachfrage auf dem Privatmarkt horrende Preise verlangt. Diese Fälle bleiben jedoch Ausnahmen. 609  Bardo,

610  Picker,

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

Erwirbt der Verbraucher die Ware zu einem günstigeren Preis als zu seinem Markteinkaufspreis, erscheint es sogar bei einer entspannten Markt- und Versorgungslage unwahrscheinlich, dass er die Ware zu seinem Markteinkaufspreis absetzen könnte, da ein Händler für die potenziellen Abnehmer einen attraktiveren Vertragspartner darstellt als ein anderer Verbraucher. Dies resultiert bereits aus dem zusätzlichen Schutz des Vertragspartners durch die Vorschriften des Verbrauchsgüterkaufes.614 Diesen Nachteil wird ein privater Verkäufer regelmäßig nur durch einen günstigeren Preis ausgleichen können, sodass der Weiterverkaufswert der Ware meist unterhalb seines eigenen Markteinkaufspreises liegen wird. Für einen Händler ist die Ausgangslage jedoch eine völlig andere. Bleibt die geschuldete Lieferung aus, ist dies regelmäßig mit einem entgangenen Weiterveräußerungsgewinn verbunden. In diesem Fall verkörpert die Ware für einen Händler mehr als nur die bloßen Anschaffungskosten. Durch den entsprechenden Marktzugang und die Platzierung des Händlers innerhalb der Absatzkette, wird der Preis, den er auf seinem Absatzmarkt für die nicht gelieferte Ware erzielt hätte, regelmäßig seinen Beschaffungspreis übersteigen. Wird der Verkehrswert der Ware somit auf der Grundlage eines hypothetischen Absatzgeschäftes ermittelt, wird ein Händler häufig einen entgangenen Gewinn geltend machen können, ohne sich dabei der widerlegbaren615 Vermutung des § 252 S. 2 BGB unterwerfen zu müssen. Im Ergebnis wären Verbraucher in den überwiegenden Fällen von der abstrakten Schadensberechnung ausgeschlossen, wohingegen Händler über den nicht zugeflossenen Verkehrswert sogar mittelbar einen entgangenen Gewinn einfordern könnten. Des Weiteren ist der Gläubiger im Zuge des Schadensersatzes statt der Leistung so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung stünde.616 Kann der Käufer hierbei eine konkret entgangene Weiterveräußerungsmöglichkeit nachweisen, ist diese grundsätzlich auch ersatzfähig. Kann er aber seiner Schadensberechnung keine konkrete Absatzmöglichkeit zugrunde legen und wird eine solche auch nicht nach § 252 S. 2 Alt. 1 BGB vermutet, wäre zunächst nur die Ware selbst in sein Vermögen geflossen. Eine Absatzmöglichkeit hätte sich dann erst im weiteren Verlauf finden müssen. Der Käufer wäre daher nur so zu stellen, dass er sich die ausgebliebene Leistung erneut beschaffen könnte.617 614  Beispielsweise

BGB.

615  Statt

durch § 476 Abs. 1 BGB und die Beweislastumkehr des § 477

aller: MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 31. aller: MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 31. 617  Huber, Leistungsstörungen, Band 2, 1999, § 38 III 3, S. 248: „Für den Käufer ist die nicht geliefert Sache zumindest das wert, was er aufwenden muß, um gleichwertigen Ersatz zu beschaffen“. 616  Statt

D. Abstrakt berechneter Käuferschaden als nicht zugeflossener Vertragswert135

Zudem ist eine Überschneidung des Verkehrswertes mit § 252 S. 2 BGB zu vermeiden, da andernfalls eine Untergrabung der widerlegbaren Weiterveräußerungsvermutung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB droht.618 Würde sich der nicht zugeflossene Verkehrswert nach dem Marktverkaufspreis richten, käme dies einem entgangenen Gewinn gleich. Der Käufer müsste in diesem Fall weder die Anknüpfungstatsachen des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB darlegen, noch bestünde für ihn die Gefahr, dass die aus dem gewöhnlichen Geschehensverlauf fließende Weiterveräußerungsvermutung widerlegt werden könnte. Die typisierende Betrachtung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB wäre dann obsolet. Daher bestimmt sich der Verkehrswert der ausgebliebenen Ware nach den durchschnittlichen Anschaffungskosten auf dem Beschaffungsmarkt des nicht belieferten Käufers (= hypothetischer Deckungskauf). Lässt sich ein Marktpreis auf dem Beschaffungsmarkt des Käufers ermitteln, ist dieser in die Schadensberechnung einzustellen. Fehlt es an einem solchen Preis, sind die durchschnittlichen Anschaffungskosten auf dem Beschaffungsmarkt des Käufers heranzuziehen. b) Der Verkehrswert von Unikaten Lässt sich für die nicht gelieferte Ware ein Markteinkaufspreis ermitteln, kann dieser als Berechnungsgrundlage des Verkehrswertes herangezogen werden. Doch inwiefern lässt sich der Verkehrswert von Objekten bestimmen, die einmalig sind? Im Gegensatz zu vertretbaren Waren können in diesen Fällen nicht die durchschnittlichen Anschaffungskosten identischer Ersatzobjekte herangezogen werden. Um den Wert von Unikaten ermitteln zu können, ist im Wesentlichen auf das sogenannte Vergleichswertverfahren zurückzugreifen.619 Dabei werden zeitnahe Verkäufe vergleichbarer Objekte für die Verkehrswertermittlung herangezogen.620 So beurteilte das Oberlandesgericht Brandenburg den Wert von Kunst maßgeblich daran, welcher Preis durch einen Weiterverkauf vergleichbarer Objekte erzielbar gewesen wäre.621 Die Vergleichbarkeit ergibt sich dabei anhand der wertbildenden Faktoren. Zu diesen zählen unter anderem der Künstler, die Qualität, der Erhaltungszustand, die Entstehungszeit, 618  Zutreffend:

S. 96.

619  Umfassend:

Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989,

Heuer, NJW 2008, 689 (696 f.). 06.06.2001, II R 7/98, DStRE 2002, 460 (461): Steuerrechtliche Bewertung des „gemeinen Wertes“ nach § 9 Abs. 2 BewG; Heuer, NJW 2008, 689 (696). 621  OLG Brandenburg, 28.01.2014, 6 W 148/13, NJW 2014, 794; so auch: BFH, 06.06. 2001, II R 7/98, DStRE 2002, 460 (461), wobei der „gemeinen Wertes“ nach § 9 Abs. 2 BewG ermittelt werden sollte; vgl. auch: Heuer, NJW 2008, 689 (696). 620  BFH,

136

1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

sowie Maß und Motiv.622 Würde der nicht belieferte Käufer ein möglichst vergleichbares Werk erstehen wollen, entspräche der durch das Vergleichswertverfahren ermittelte Durchschnittspreis in etwa seinem Einkaufspreis. Dabei darf jedoch nicht die Bedeutung der Marktstufen verkannt werden.623 In den Vergleich ist daher auch miteinzubeziehen, ob es sich um einen Verkauf von Händlern an Privatpersonen handelt, oder ob die Kunstwerke selbst von Händlern zwecks Weiterveräußerung erworben wurden. Zur Veranschaulichung kann hier ein Beispielsfall herangezogen werden: Kunsthändler H erwirbt von der Privatperson V ein Gemälde des bekannten Malers X zu einem Preis von 4.000,– Euro. V verweigert auch nach Ablauf angemessener Fristsetzung die Lieferung des Gemäldes. H erklärt daraufhin den Rücktritt und verlangt von V Schadensersatz bezüglich der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem höheren Verkehrswert des Gemäldes. Eine konkrete Absatzmöglichkeit kann H nicht nachweisen. Vergleichbare Gemälde dieses Malers werden von Kunsthändlern zu einem durchschnittlichen Preis von 6.000,– Euro abgesetzt.

Der Verkehrswert ist kein allgemein gültiger „objektiver“ Wert, sondern bestimmt sich maßgeblich nach der Position des Käufers innerhalb der Absatzkette. Verlangt ein Händler den Verkehrswert eines nicht gelieferten Kunstwerkes, ist die Position des Händlers innerhalb der Handelskette zu berücksichtigen. Lassen sich beispielsweise nur vergleichbare Verkäufe von Händlern an Privatleute nachweisen, muss die übliche Händlerspanne ab­ gezogen werden, um die Auswirkungen der verschiedenen Marktstufen zu ­berücksichtigen. Mangels konkreter Absatzmöglichkeit könnte H im obigen Fall nur den nicht zugeflossenen Verkehrswert geltend machen. Ein Rückgriff auf die konkret-typisierende Schadensberechnung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB scheidet im Bereich von Kunstwerken zumeist aus. Dies ist auf die Reichweite der Weiterveräußerungsvermutung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB zurückzuführen, die grundsätzlich nur auf vertretbare Sachen, also bewegliche Objekte, die im Verkehr nach Zahl, Maß oder Gewicht bestimmt zu werden pflegen (§ 91 BGB), anwendbar ist. Unikate sind hingegen nur dann in den Anwendungsbereich der Weiterveräußerungsvermutung mit einzubeziehen, wenn vergleichbare Ersatzobjekte auf dem Absatzmarkt des Käufers in großem Umfang veräußert werden und das in Rede stehende Objekt nicht durch besondere Eigenschaften gekennzeichnet ist, die den potenziellen Abnehmerkreis einschränken.624 Dies kann etwa auf Gebrauchtwagen zutreffen, wird jedoch bei Kunstwerken in der Regel zu verneinen sein.

622  Umfassend:

Heuer, NJW 2008, 689 (694–696). Finkenauer, in: FS für H. P. Westermann, 2008, 183 (196 f.). 624  Jeweils zur Marktgängigkeit von Gebrauchtwagen: BGH, 08.10.1969, VIII ZR 20/68, NJW 1970, 29 (32 f.); BGH, 29.06.1994, VIII ZR 317/93, BGHZ 126, 305 (308–311). Dazu bereits unter: 1. Kap. B. IV. 1. c). 623  Ebenso:

D. Abstrakt berechneter Käuferschaden als nicht zugeflossener Vertragswert137

Da im obigen Beispielsfall somit kein entgangener Gewinn, sondern nur der Verkehrswert verlangt werden kann, müsste die übliche Gewinnspanne, die den Absatzgeschäften der Händler zugrunde liegt, ermittelt und sub­ trahiert werden. Läge diese beispielsweise bei 20 Prozent, ergäbe sich für das Gemälde ein Verkehrswert von 5.000,– Euro. Könnte der Händler 6.000,– Euro als Schadensersatz verlangen, würde er durch die „Hintertür“ einen entgangenen Weiterveräußerungsgewinn geltend machen können, ohne dabei den Einschränkungen des § 252 S. 2 BGB unterworfen zu sein. Es ist daher zu fragen, welchen durchschnittlichen Betrag der Händler für die entsprechenden Kunstgegenstände auf seinem Beschaffungsmarkt hätte aufbringen müssen. Je nach Anzahl der diesem Verfahren zugrunde gelegten Verkäufen, können auch hier in Anlehnung an den laufenden Preis625 preisliche Ausreißer nach „oben“ oder „unten“ ausgeklammert werden, um einen möglichst „bereinigten“ Durchschnittspreis zu ermitteln. Im Zuge dieses „Wertfeststellungsverfahrens“ wird regelmäßig ein Sachverständigengutachten einzuholen sein.626 Allerdings wird es auch mit Hilfe eines Sachverständigen kaum möglich sein, den „wirklichen“ Wert exakt zu bestimmen. Jedoch kann durch das beschriebene Verfahren und die Ermittlung der wertbildenden Faktoren eine Grundlage für eine Schadensschätzung nach § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO geschaffen werden. Es ist demnach möglich, zumindest einen Teil des Schadens zu schätzen, sodass dem Gläubiger ein gewisser „Mindestschaden“ zugesprochen werden kann.627 Nur wenn es an jeglicher greifbaren Grundlage fehlt, ist eine Schätzung ausgeschlossen.628 Für die Wertermittlung eines Grundstückes ist auf die Immobilienwertermittlungsverordnung zurückzugreifen. Diese enthält allgemein anerkannte Grundsätze für die Verkehrswertermittlung von Grundstücken.629 So kommen zum Zwecke der Wertfeststellung drei verschiedene Verfahren in Betracht: Das bereits oben dargelegte Vergleichswertverfahren (§§ 24–26 ImmoWertV), das Ertragswertverfahren (§§ 27–34 ImmoWertV) sowie das Sachwertverfahren (§§ 35–39 ImmoWertV). Dabei ließe sich im Zuge des Vergleichswertverfahrens abermals an eine Berücksichtigung etwaiger Markstufen denken. Allerdings besteht bei nähe625  Dazu

bereits unter: 1. Kap. B. IV. 1. a). BFH, 06.06. 2001, II R 7/98, DStRE 2002, 460 (461). 627  BGH, 16.12.1963, III ZR 47/63, NJW 1964, 589 (590). 628  BGH, 16.12.1963, III ZR 47/63, NJW 1964, 589 (590); BGH, 26.11.1986, VIII ZR 260/85, NJW 1987, 909 (910); vgl. ferner: MünchKomm/Prütting, ZPO, 6. Aufl., 2020, § 287 Rn. 14. 629  Noch zur Vorgängerverordnung (WertV 1988): BGH, 12.01.2001, V ZR 420/99, NJW 2001, 732; ebenso: BGH, 02.07.2004, V ZR 213/03, NJW 2004, 2671 (2672): Bestimmung des Grundstückswert i. R. eines wucherähnlichen Geschäftes. 626  Vgl.

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

rer Betrachtung eine solche Notwendigkeit bei Grundstücken nicht. So werden Grundstücke regelmäßig nicht über klassische Absatzketten gehandelt. Dies ist insbesondere auf den von privaten Käufen und Verkäufen dominierten Grundstücksmarkt zurückzuführen. Auch die in der Natur der Sache liegende örtliche Gebundenheit von Grundstücken steht einer Handelskette typischerweise entgegen.630 Erwirbt zum Beispiel ein Immobilienunternehmen ein Grundstück zu einem üblichen Marktpreis, wird eine gewinnbringende Weiterveräußerung meist nur möglich sein, wenn entsprechende bauliche Veränderungen vorgenommen werden. Das Grundstück im identischen Zustand gewinnbringend abzusetzen, wird meist nur möglich sein, wenn sich die Marktlage verschärft und es zu einem Nachfrageüberhang kommt. Dies führt jedoch zu einer generellen Preissteigerung am Markt, die unabhängig davon eintritt, ob das Grundstück von einem Gewerbetreibenden oder einer Privatperson veräußert wird. Die gewinnbringende Weiterveräußerung ist daher nicht das Resultat einer „klassischen“ Absatzkette, sondern entspringt den allgemeinen Gesetzen von Angebot und Nachfrage. Allerdings sind preisliche Ausreißer nach § 9 Abs. 2 ImmoWertV nicht zu berücksichtigen, sodass vor allem Liebhaber- und Gefälligkeitspreise ausgeschlossen werden.631 Die gesetzgeberische Intention liegt auch hier in der Ermittlung eines möglichst „bereinigten“ Betrages. Insoweit kommen die gleichen Gedanken zum Tragen, die auch schon dem laufenden Preis zugrunde liegen. Im Wege des Vergleichswertverfahrens ist es bei Grundstücken somit ausreichend, Verkäufe vergleichbarer Grundstücke zu untersuchen, die in zeitlich hinreichender Nähe zum Wertermittlungsstichtag stehen (§ 25 ImmoWertV). Eine Differenzierung nach Marktstufen ist nicht erforderlich. Im Zuge des Ertragswertverfahrens wird der Ertragswert auf der Grundlage marktüblich erzielbarer Erträge ermittelt (§ 27 Abs. 1 ImmoWertV). Daher kommt diese Methode vornehmlich dann zur Anwendung, wenn der dauerhaft erzielbare Ertrag des Grundstückes für die Wertermittlung vorrangig ist.632 Das Sachwertverfahren (§ 35 Abs. 1 ImmoWertV) wird insbesondere bei Grundstücken verwendet, die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach ihrem in der Bausubstanz verkörperten Wert, gehandelt werden. Die Erwirtschaftung von

630  Zur Verkehrsfähigkeit von Grundstücken auch: BGH, 02.12.1994, V ZR 193/93 NJW 1995, 587 (588). 631  Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Kleiber, BauGB, 147. EL, August 2022, § 15 Rn. 28 ImmoWertV. 632  Dies wird beispielsweise bei einem Wohnhaus mit mehreren Mietwohnungen oder einem vermieteten Bürogebäude der Fall sein. Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Kleiber, BauGB, 147. EL, August 2022, § 8 Rn. 54 f. ImmoWertV.

D. Abstrakt berechneter Käuferschaden als nicht zugeflossener Vertragswert139

Erträgen darf dabei nicht angestrebt werden.633 Zudem können im Zuge dieser Wertermittlungsverfahren Besonderheiten des Einzelfalles, wie Baumängel, Bauschäden oder besondere Ertragsverhältnisse, über § 8 Abs. 3 ImmoWertV durch marktübliche Zu- oder Abschläge berücksichtigt werden. Diese Verfahren bilden für den Tatrichter respektive den Sachverständigen eine taugliche Grundlage, um den Verkehrswert eines Grundstückes ermitteln zu können.634 Den Wert mit „mathematischer Genauigkeit“ bestimmen zu können, kann dabei nicht erwartet werden. Jedoch kann zumindest die Grundlage für eine Schadensschätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO gelegt werden. 2. Schadensrechtliche Grundlage Des Weiteren gilt es, die Grundlage dieses Verkehrswertes zu ergründen. Diese Frage nach dem dogmatischen Fundament eines solchen Schadens bereitete der Judikatur viele Jahrzehnte große Schwierigkeiten. So stand bereits das Reichsgericht der generellen Ersatzfähigkeit des Verkehrswertes ablehnend gegenüber.635 Der Bundesgerichtshof unternahm unterdessen den Versuch, den Verkehrswert in seine Rechtsprechung zur konkret-typisierenden Schadensberechnung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB zu integrieren,636 nur um diese Anstrengungen Jahre später wohl unbewusst zu revidieren.637 a) Der Verkehrswert als Ergebnis eines typischen Geschehensablaufes Der Bundesgerichtshof sprach in zwei Entscheidungen aus den Jahren 1997638 und 1998639 dem nicht belieferten Käufer den ausgebliebenen Verkehrswert vertretbarer Waren zu, indem er den Schaden des Käufers jeweils

633  Siehe nur: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Kleiber, BauGB, 147. EL, August 2022, § 8 Rn. 65 f. ImmoWertV. Dazu zählen beispielsweise selbstgenutzte Einfamilienhäuser. 634  Nach § 6 Abs. 1 S. 2 ImmoWertV kommt es bei der Auswahl der Verkehrswertverfahren auf die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten und nachrangig auf die sonstigen Umstände des Einzelfalls an. 635  RG, 22.06.1917, II 30/17, RGZ 91, 30 (34); RG, 30.04.1920, II 1/20, RGZ 99, 46 (48); RG, 08.02.1921, II 353/20, Gruchot 65 (1921), 476 Nr. 57 (477); siehe dazu auch: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 73. 636  BGH, 02.12.1994, V ZR 193/93 NJW 1995, 587 (588); BGH, 19.11.1997, VIII ZR 33/36, WM 1998, 931 (931). 637  BGH, 28. 03.2012, VIII ZR 244/10, NJW 2012, 2723; BGH, 12.11.2014, VIII ZR 42/14, NJW 2015, 548. 638  BGH, 19.11.1997, VIII ZR 33/36, WM 1998, 931 (931 f.). 639  BGH, 07.05.1998, VIII ZR 362/96, NJW 1998, 2901 (2902).

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

auf der Basis eines hypothetischen Deckungskaufes berechnete.640 Die Grundlage dieser Berechnungsmethode bildete hierbei die Beweiserleichterung des § 252 S. 2 BGB.641 Danach könne ein Kaufmann seinen Schaden (auch) anhand des Markeinkaufspreises berechnen, da er sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu diesem Preis Ersatzware besorgt hätte, um seine vertraglichen Pflichten aus dem nach § 252 S. 2 Alt. 1 BGB vermuteten Weiterveräußerungsgeschäft zu erfüllen.642 Könnte der säumige Verkäufer dabei die widerlegbare Weiterveräußerungsvermutung entkräften, wäre auch eine Berechnung anhand eines hypothetischen Deckungskaufes unzulässig.643 Der Bundesgerichtshof knüpft somit die Ersatzfähigkeit des Verkehrswertes an die gleichen Regeln wie die Ersatzfähigkeit eines „abstrakt“ berechneten Gewinnes.644 Es stellt sich daher die Frage, ob der gewöhnliche Geschehensablauf des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB tatsächlich als Grundlage für die Ersatzfähigkeit des nicht zugeflossenen Verkehrswertes dienen kann. Dies ist mit Blick auf zwei Aspekte zu verneinen. Zum einen verkennt der Bundesgerichtshof, dass die Beweiserleichterung des § 252 S. 2 BGB nur die Differenz zwischen Vertragspreis und Marktverkaufspreis erfasst.645 Zum anderen muss der Verkehrswert strikt von der Ersatzfähigkeit eines vermuteten Gewinnes getrennt werden. Bleibt die Lieferung aus, entgeht dem Käufer der Verkehrswert unabhängig davon, ob er die Ware im weiteren Verlauf verkaufen, verschenken oder zu eigenen Zwecken nutzen wollte. Auch die Kaufmannseigenschaft spielt hierbei keine Rolle.646 Legt man jedoch die Vorstellung des Bundesgerichtshofes dem oben skizzierten Beispielsfall zugrunde, ist die Weiterveräußerungsvermutung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB widerlegt. In der Folge kann der Käufer weder einen entgangenen Gewinn noch die Differenz zwischen Vertragspreis und höherem Markteinkaufspreis fordern. Darüber hinaus wäre der Verkehrswert nur ersatzfähig, wenn der Käu-

640  Dazu bereits unter: 1. Kap. B. IV. 1. b) bb); zuvor nur angedeutet bei: BGH, 18.01.1980, V ZR 110/76, NJW 1980, 1742 (1743); BGH, 02.12.1994, V ZR 193/93 NJW 1995, 587 (588); ferner auch: Huber/Faust/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, 2002, S.  150 f. 641  BGH, 19.11.1997, VIII ZR 33/36, WM 1998, 931 (931); im Erg. auch: BGH, 07.05.1998, VIII ZR 362/96, NJW 1998, 2901 (2902). 642  BGH, 19.11.1997, VIII ZR 33/36, WM 1998, 931; vgl. auch: BGH, 07.05.1998, VIII ZR 362/96, NJW 1998, 2901 (2902). 643  BGH, 19.11.1997, VIII ZR 33/36, WM 1998, 931 (932). 644  BGH, 19.11.1997, VIII ZR 33/36, WM 1998, 931. 645  Dazu bereits unter: 1. Kap. B. IV. 1. b) bb). 646  Im Erg. auch: Staudinger/Schwarze, 2019, § 280 Rn. E77.

D. Abstrakt berechneter Käuferschaden als nicht zugeflossener Vertragswert141

fer Kaufmann647 und die nicht gelieferte Sache von der Weiterveräußerungsvermutung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB umfasst wäre.648 Zwar wurde der Versuch unternommen, die Typizität des Deckungskaufes auch auf den privaten Sektor auszudehnen, da ein Deckungskauf eines Verbrauchers im Wesentlichen genauso wahrscheinlich wäre wie die Ersatzbeschaffung eines Gewerbetreibenden.649 Jedoch verfängt auch dieser Vorstoß nicht. Zum einen bliebe die Vermutung, auf der die Ersatzbeschaffung beruht, auch in diesem Fall widerlegbar und zum anderen ist die Wahrscheinlichkeit eines Deckungskaufes auf Verbraucherseite geringer als bei einem gewerblichen Käufer. Zwar ist eine Ersatzbeschaffung auch bei einem privaten Käufer durchaus üblich, jedoch wird die Dringlichkeit und damit auch die Motivation, einen Deckungskauf vorzunehmen, für Privatleute häufig geringer ausfallen als für einen Gewerbetreibenden, der die Ware zu betriebsinternen Zwecken benötigt.650 Auch Faktoren wie Verdruss können bei Verbrauchern dazu führen, zumindest zeitweilig von einer Ersatzbeschaffung abzusehen, wohingegen Kaufleute schwerwiegende wirtschaftliche Einbußen befürchten müssen, sollte es an betriebsnotwendiger Ware fehlen.651 Die Ersatzfähigkeit des nicht zugeflossenen Verkehrswertes ist daher nicht in der (widerlegbaren) Typizität von Geschehensabläufen zu suchen. Insbesondere § 252 S. 2 Alt. 1 BGB bietet keinen tauglichen Ansatzpunkt. b) Der Verkehrswert als Teil des positiven Interesses Bleibt die Warenlieferung trotz angemessener Nachfrist aus und macht der Gläubiger daraufhin Schadensersatz statt der Leistung geltend, verlangt er so gestellt zu werden, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung stünde (= positives Interesse).652 In der Folge wird dem Gläubiger ein Ausgleich in Geld 647  BGH,

19.11.1997, VIII ZR 33/36, WM 1998, 931. fielen vor allem Unikate. Dazu bereits unter: 1. Kap. B. IV. 1. c); vgl. auch: BGH, 02.12.1994, V ZR 193/93 NJW 1995, 587 (588): „Eigentumswohnung“. 649  Staudinger/Schwarze, 2019, § 280 Rn. E77. 650  Vgl. zur Dringlichkeit und Motivation: Pepels, Käuferverhalten, 3. Aufl., 2018, S.  78 f. 651  Vgl. zu den emotionalen Leitlinien des Kaufverhaltens: Benesch, Wirtschaftspsychologie, 1962, S. 28. 652  Statt aller: Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, 1. Band, Allgemeiner Teil, 14. Aufl., 1987, § 29 II b), S. 430 f.; MünchKomm/Emmerich, 9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 3. Diese „Formel“ wird seit der Zeit des Reichsgerichtes von der Rechtsprechung zugrunde gelegt: RG, 22.06.1917, II 30/17, RGZ 91, 30 (33); RG, 19.03.1930, I 248/29, RGZ 245 (248); BGH, 19.06.1951, I ZR 118/50, BGHZ 2, 310 (313); BGH, 18.01.1980, V ZR 110/76, NJW 1980, 1742 (1743); BGH, 11.02.2009, VIII ZR 328/07, BeckRS 2009, 6498; BGH, 07.05.1998, VIII ZR 362/96, NJW 1998, 2901. 648  Darunter

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

gewährt, der an die Stelle der Leistung tritt.653 Nach heutigem Verständnis fällt unter das Erfüllungsinteresse zweifellos auch der „Mehrwert“ der Ware, mithin die Differenz zwischen Vertragspreis und höherem Verkehrswert, der bei ordnungsgemäßer Erfüllung dem Vermögen des Käufers zugeflossen wäre.654 Da diese Erkenntnis sogar schon in die Zeit des römischen Juristen Ulpian zurückreicht,655 erscheint es umso erstaunlicher, dass das Reichs­ gericht die Ersatzfähigkeit des ausgebliebenen Verkehrswertes ausdrücklich verneinte.656 Dabei verkannte die Judikatur, dass durch den im Zuge der Differenzhypothese anzustellenden Vermögensvergleich657 eine Vermögensmehrung bei einer hypothetisch erfolgten Warenlieferung festzustellen war. Diese Mehrung beruht nicht auf einem entgangenen Gewinn, sondern auf dem Verkehrswert des nicht gelieferten Objektes. Dass der Verkehrswert der Ware den vom Käufer zu entrichtenden Kaufpreis übersteigt, kann – wie im eingangs beschriebenen Beispiel – auf eine besonders günstige Eindeckungsmöglichkeit zurückzuführen sein oder auf ein zeitliches Auseinanderfallen von Vertragsschluss und Lieferzeitpunkt. Durch einen hinausgeschobenen Erfüllungszeitpunkt wandelt sich der Verkehrswert zu einer dynamischen Größe, der fortwährenden Schwankungen unterliegt.658 Ob ein Geschäft letztlich für eine der Parteien als „gut“ oder „schlecht“ zu bewerten ist, lässt sich an kaum überprüfbaren subjektiven 653  Statt aller: Staudinger/Schwarze, 2019, § 280 Rn. E35 f.; MünchKomm/Emmerich, 9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 3. 654  Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 161: „Das Erfüllungsinteresse des Gläubigers bezieht sich darauf, daß […] sein bisheriges Vermögen um den geschuldeten Gegenstand erweitert wird.“ Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, 1. Band, Allgemeiner Teil, 14. Aufl., 1987, § 29 II b), S. 430: „objektiver Wert der ausgebliebenen Lieferung“. 655  Ulp. 28 ad Sab., D. 19, 1, 1 pr. Nach dieser Quelle steht dem Käufer nicht nur der Verkehrswert der nicht gelieferten Sache zu. Sein Interesse am Erhalt der Ware kann vielmehr auch einen weitergehenden (konkreten) Ersatz umfassen. Zu denken wäre dabei etwa an eine konkrete Weiterveräußerungsmöglichkeit, die dem Käufer entgangen ist. 656  RG, 22.06.1917, II 30/17, RGZ 91, 30 (34); RG, 30.04.1920, II 1/20, RGZ 99, 46 (48); RG, 08.02.1921, II 353/20, Gruchot 65 (1921), 476 Nr. 57 (477); siehe dazu auch: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 73. 657  Vgl. MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 249 Rn. 18. 658  Diese Arten von Geschäften werden als Termingeschäfte bezeichnet. Siehe dazu: Atamer, in: FS für Magnus, 2014, 145 (151 f.): umfassend zur Erscheinungsform des bedingten Termingeschäftes: Langenbucher/Bliesener/Spindler/Binder, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl., 2020, 37. Kap. Rn. 15; Brauneis/Mestel, ÖBA 2014, S. 894; umfassend zur Erscheinungsform des unbedingten Termingeschäftes: Rudolph/Schäfer, Derivative Finanzmarktinstrumente, 2. Aufl., 2010, S. 21  ff.; Hull, Options, Futures, and Other Derivatives, 10. Aufl., 2018., S. 6–8; Langenbucher/ Bliesener/Spindler/Binder, Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl., 2020, 37. Kap. Rn. 22.

D. Abstrakt berechneter Käuferschaden als nicht zugeflossener Vertragswert143

Faktoren (Liebhaber- oder Affektionsinteresse659) beurteilen oder an dem objektiv überprüfbaren Verhältnis des Vertragspreises zum Verkehrswert im Zeitpunkt der Vertragserfüllung.660 Steigt der für die Ermittlung des Verkehrswertes zugrunde liegende Marktpreis über den Vertragspreis, kann der nicht belieferte Käufer diesen „Mehrwert“, der auch als „payoff“-Betrag bezeichnet wird,661 als Schadensersatz statt der Leistung geltend machen. Der im Zuge der Differenzhypothese angestellte Gesamtvermögensvergleich erfasst nicht nur ein durch den Schuldner verursachtes „Minus“, wie etwa im Fall einer Substanzbeschädigung, sondern auch ein nicht zugeflossenes „Plus“, wobei es sich nicht zwingenderweise um einen entgangenen Gewinn handeln muss. Der Verkehrswert entgeht somit unabhängig von Verwendungszweck, Kaufmannseigenschaft oder der Art der nicht gelieferten Ware.662 Insofern lässt sich bei diesem Schadensposten von einem Jedermannsschaden sprechen. Der Verkehrswert ist anhand der Differenzhypothese zu ermitteln und als Bestandteil des positiven Interesses zu ersetzen. An dieser Stelle offenbart sich auch das tatsächliche Kernelement der abstrakten Schadensberechnung. Anders als ihr Name vermuten lässt, wird durch die abstrakte Bemessungsmethode selbst kein Schaden ersetzt. Vielmehr steht die abstrakte Ermittlung des ausgebliebenen Vertragswertes im Vordergrund.663 Ob die Differenz zwischen Vertragspreis und höherem Vertragswert als stets zu ersetzender Mindestschaden zu klassifizieren ist, oder ob auch schadensmindernde Faktoren zu berücksichtigen sind, ist maßgeblich vom jeweiligen Schadensbegriff abhängig, der der jeweiligen Schadensbemessung zugrunde gelegt wird. Der letztlich ermittelte Schadensersatzanspruch lässt sich nach der Differenz- oder Surrogationsmethode berechnen. Wurde jedoch bereits der Rücktritt erklärt oder ist die Verpflichtung des Käufers zur Kaufpreiszahlung auf andere Weise erloschen, verbleibt nur noch die Differenzmethode. Fordert der Käufer die Differenz zwischen Vertragspreis und höherem Verkehrswert, wird dabei regelmäßig auch schon von einer konkludenten Rücktrittserklä659  BeckOK/Flume,

BGB, 64. Edition, Stand: 01.05.2022, § 249 Rn. 87. in: Zerey, Finanzderivate, 4. Aufl., 2016, S. 53 f.; Flume, AcP 215 (2015), 282 (288); ders., Marktaustausch, 2019, 115 f. 661  Flume, AcP 215 (2015), 282 (288); ders., Marktaustausch, 2019, 115. 662  Als selbstverständlich vorausgesetzt in: BGH, 28.03.2012, VIII ZR 244/10, NJW 2012, 2723; ebenso: BGH, 12.11.2014, VIII ZR 42/14, NJW 2015, 548; Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes,1989, S. 98; Flume, AcP 215 (2015), 282 (319); Staudinger/Schwarze, 2019, § 280 Rn. E78. 663  Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl., 1982, § 376 Rn. 24; Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 100; zustimmend: Atamer, in: FS für Magnus, 2014, 145 (153). 660  Schüwer,

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

rung auszugehen sein.664 Auch sind ersparte Spezialunkosten vom Schadensersatzanspruch abzuziehen.665 Darunter sind die Kosten zu verstehen, die unmittelbar mit der ausgebliebenen Ware verbunden sind (z. B. Transportkosten). Generalunkosten (fixe Kosten) fallen hingegen unabhängig von der ordnungsgemäßen Lieferung des Verkäufers an und können daher grundsätzlich nicht erspart werden.666 Etwas anderes gilt nur, wenn diese im Falle einer ordnungsgemäßen Lieferung hätten erhöht werden müssen.667 3. Die „Abschöpfung“ des Mehrwertes als Ergebnis spekulativen Handelns Schon im 19. Jahrhundert sah sich die abstrakte Schadensberechnung dem Vorwurf ausgesetzt, Spekulationsanreize zu schaffen.668 Da es sich bei dem nicht zugeflossenen Verkehrswert um einen grundsätzlich ersatzfähigen Schadensposten handelt, ist zu klären, inwieweit diese Kritik tatsächlich begründet ist und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Um die Spekulationsgefahr im Rahmen der abstrakten Schadensberechnung bestimmen zu können, ist zunächst das ursprüngliche Austauschgeschäft zwischen Käufer und Verkäufer zu betrachten. Liegen der Vertragsabschluss und der vereinbarte Erfüllungszeitpunkt zeitlich auseinander, wird es innerhalb dieser Zeitspanne regelmäßig zu Marktpreisschwankungen kommen. Die damit verbundene Unsicherheit spiegelt sich auch bei der Festlegung des Vertragspreises wider. Durch den Vertragspreis bestimmen die Vertrags­ partner den Wert der Kaufsache im Rahmen der jeweiligen Geschäftsbe­ ziehung.669 Es kommt dabei zu einer vermögensmäßigen Bewertung der Kaufsache,670 bei der auch die zukünftige Preisentwicklung der Kaufsache 664  Gsell, JZ 2004, 643 (647); Soergel/Benicke/Hellwig, BGB, 13. Aufl., 2014, § 281 Rn. 211; BeckOK/Lorenz, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 281 Rn. 36. 665  ROHG, 18.01.1879, II 1507/78, ROHGE 24, 327 (332); BGH, 01.03.2001, III ZR 361/99, NJW-RR 2001, 985 (986); OLG Stuttgart, 13.12.1956, 2 U 140/56, JR 1957, 343 (344); Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl., 1926, Band 3, Anh. zu § 374 Anm. 64; MünchKomm/Oetker, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 46. 666  RG, 15.10.1935, III 31/35, JW 797 Nr. 4 (797 f.); BGH, 22.02.1989, VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 (69); BGH, 01.03.2001, III ZR 361/99, NJW-RR 2001, 985 (986); OLG Stuttgart, 13.12.1956, 2 U 140/56, JR 1957, 343 (344); MünchKomm/ Oetker, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 46. 667  In diese Richtung gehend auch: BGH, 22.02.1989, VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 (69); BGH, 01.03.2001, III ZR 361/99, NJW-RR 2001, 985 (986). Dazu bereits unter: 1. Kap. B. IV. 4. a). 668  Dazu bereits: Lutz, Protokolle zum ADHGB, Band 2, 1858, S. 673, 677. 669  Zum Ganzen: Ernst, in: FS für Eduard Picker, 2010, 139 (140); siehe ferner auch: Flume, AcP 215 (2015), 282 (287). 670  Ernst, in: FS für Eduard Picker, 2010, 139 (140).

D. Abstrakt berechneter Käuferschaden als nicht zugeflossener Vertragswert145

zu berücksichtigen ist.671 Hierbei kommt auch der Zeitspanne zwischen Vertragsschluss und ordnungsgemäßer Lieferung eine gewichtige Rolle zu. Je größer der zeitliche Abstand, desto schwieriger kann eine Abschätzung vorgenommen werden. Daher drängt sich die Frage nach der wirtschaftlichen Intention auf, die die Parteien veranlasst, den Erfüllungszeitpunkt gezielt in die Zukunft zu verlegen. Auf den ersten Blick ließe sich an spekulative Anreize denken.672 Unter dem Begriff der Spekulation versteht man nach der Definition der deutschen Börsenenquêtekommission aus dem Jahre 1894 die „geistige Tätigkeit, welche aus der Erfahrung der Vergangenheit und der Beobachtung der Gegenwart einen Schluss auf die Zukunft zieht und aufgrund eines solchen Schlusses eine wirtschaftliche Handlung vornimmt, in der Absicht, durch diese einen Vermögensvorteil zu erlangen.“673 Überträgt man diese Definition auf einen Kaufvertrag, bei dem der Vertragsschluss und der Lieferzeitpunkt auseinanderfallen, wird sich ein gewisses spekulatives Element nicht negieren lassen, da die zukünftige Verkehrswertentwicklung für die Vertragsparteien kaum absehbar sein wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Verkehrswert anhand des Marktpreises ermittelt wird. Dieser unterliegt den Gesetzen von Angebot und Nachfrage. Besteht ein Überangebot an Waren, werden Unternehmer nicht umhinkommen, die Preise zu senken. Umgekehrt werden sich steigende Preise nicht vermeiden lassen, solange ein Nachfrageüberhang besteht, also mehr Waren nachgefragt als angeboten werden.674 Die Entwicklung von Angebot und Nachfrage lässt sich für die Vertragsparteien nicht eindeutig abschätzen, sodass beide ein gewisses Risiko tragen, in welche Richtung sich die Preise entwickeln. Pointiert formuliert stellt der Kaufvertrag in diesem Fall nichts anderes dar als eine Wette in Bezug auf die weitere Marktpreisentwicklung.675 Dennoch wäre es verfehlt, dem spekulativen Element des Austauschgeschäftes hierbei eine tragende Bedeutung beizumessen. Das zeitliche Auseinanderfallen von Vertragsschluss und Erfüllungszeitpunkt ist in den meisten Fällen nicht auf Spekulationsanreize, sondern auf die Schutzfunktion des Kaufpreises zurückzuführen (sog. price hedging676). Wäre der Käufer nur an der Warenlieferung interessiert, wären etwaige Markpreisentwicklungen für ihn uninteressant und er würde sich ohne weiteres bereit erklären, den MarktAcP 215 (2015), 282 (289). bereits: 1. Kap. B. IV. 2. a) aa). 673  Zitiert nach: Hauser, Spekulative Warentermingeschäfte, 1987, S. 124. Zu dieser Definition bereits unter: 1. Kap. B. IV. 2. a) aa). 674  Bartling/Luzius, Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 17. Aufl., 2014, S. 62 f. 675  Simon/Novack, 92 Harvard Law Review [1979], 1395 (1436); Atamer, in: FS für Magnus, 2014, 145 (153); kritisch dazu: Flume, AcP 215 (2015), 282 (289). 676  Umfassend zum Begriff des price hedging: Flume, AcP 215 (2015), 282 (289). 671  Flume, 672  Dazu

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

preis zur Zeit des Liefertermins zu bezahlen.677 Auf der anderen Seite wäre der Verkäufer lediglich daran interessiert, seine Waren ungeachtet des aktuell geltenden Marktpreises abzusetzen. Durch die Fixierung des Vertragspreises für die Zukunft wird das Risiko des Käufers, dass die Marktpreise weiter ansteigen, begrenzt. Gleichzeitig wird er der Gefahr ausgesetzt, dass die Marktpreise unter den Kaufpreis fallen. Spiegelbildlich gilt dies auch für den Verkäufer. Zum einen wird er vor fallenden Preisen geschützt und zum anderen läuft er Gefahr, dass der Marktpreis zum Zeitpunkt der Erfüllung über den Vertragspreis gestiegen ist.678 Unsicherheiten in Bezug auf die zukünftige Preisentwicklung sind jedem Kaufvertrag in unterschiedlichen Abstufungen immanent. Dies wird insbesondere bei Händlern deutlich, deren gesamte Geschäftstätigkeit im Wesentlichen auf Gewinnerzielung unter Einsatz eines gewissen Risikos ausgerichtet ist.679 Fallen nun Vertragsschluss und Lieferzeitpunkt zeitlich auseinander, ist die daraus resultierende Unsicherheit nur als ein Nebenprodukt des price hedging zu verstehen. Dies wird auch mit Blick auf §§ 26 Abs. 1, 49 BörsG deutlich. Nach diesen Vorschriften steht es unter Strafe, andere gewerbsmäßig unter Ausnutzung ihrer Unerfahrenheit in Börsenspekulationsgeschäften zu solchen Geschäften oder zur unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung an solchen Geschäften zu verleiten. Der Gesetzgeber stellt dabei jedoch klar, dass Hedge-Geschäfte davon nicht erfasst sein sollen, da diese Geschäfte vordergründig der Verhinderung von Verlusten und nicht der Erzielung von Gewinnen dienen.680 Bleibt die Warenlieferung nun aus und verlangt der Käufer den Verkehrswert über den Schadensersatz statt der Leistung, wird deutlich, dass der abstrakten Schadensberechnung selbst kein ausgeprägtes Spekulationselement zugrunde liegt. Es wird lediglich der Mehrwert abgeschöpft, der im Falle einer ordnungsgemäßen Lieferung zugeflossen wäre. Der Schadensersatz statt der Leistung gewährt damit eine „Vertragserfüllung in Geld“.681 Kann daher schon dem originären Erfüllungsanspruch kein besonderer Spekulationsvorwurf gemacht werden, muss dies auch für den an die Stelle des Erfüllungsanspruches tretenden Schadenersatzanspruch gelten. Allerdings wird zu 677  Horwitz, 87 Harvard Law Review [1974], 917 (941); Scott, 57 University of Chicago Law Review [1990], 1155 (1174); siehe ferner: Atamer, in: FS für Magnus, 2014, 145 (152). 678  Zum Ganzen: Atamer, in: FS für Magnus, 2014, 145 (152); Flume, AcP 215 (2015), 282 (290). 679  So auch schon: Reichel, Vertragsrücktritt wegen veränderter Umstände, 1933, S. 23. 680  Zum früheren § 89 BörsG: BT-Drucks. 10/318, S. 47. 681  Knütel, AcP 202 (2002), 555 (556); Flume, AcP 215 (2015), 282 (284).

D. Abstrakt berechneter Käuferschaden als nicht zugeflossener Vertragswert147

klären sein, inwieweit spekulative Anreize durch die Ausgestaltung der Berechnungsparameter dieses Schadensersatzanspruches gesetzt werden. 4. Die Parameter der abstrakten Schadensberechnung „im weiteren Sinne“ Neben der Frage, wie der Verkehrswert generell zu bestimmen ist, treten auch im Rahmen der abstrakten Schadensberechnung im weiteren Sinne zusätzliche Berechnungsparameter auf den Plan, die für die Ermittlung der Schadenshöhe unerlässlich sind. a) Der maßgebliche Zeitpunkt Die für die Schadensermittlung bedeutendste Variable stellt der Zeitpunkt dar, der für die Bestimmung des Verkehrswertes heranzuziehen ist. Der Verkehrswert eines Objektes ist keine statische Größe, sondern unterliegt fortwährenden Schwankungen.682 Zum einen wird durch den jeweiligen Zeitpunkt die Schadenshöhe determiniert und zum anderen gilt es, potenzielle, einseitige Einwirkungsmöglichkeiten des Schadensersatzgläubigers auf den zu ersetzenden Verkehrswert zu unterbinden.683 Verlangt der nicht belieferte Käufer über den Schadensersatz statt der Leistung den „Mehrwert“ der ausgebliebenen Lieferung, bedarf es eines tauglichen Zeitpunktes, der für die Ermittlung des entsprechenden Markteinkaufspreises oder des Schätzwertes maßgeblich sein soll. Richtigerweise wird man im Zuge der abstrakten Schadensberechnung i. w. S. auf den Zeitpunkt abstellen müssen, an dem der Erfüllungsanspruch erlischt (§ 281 Abs. 4 BGB).684 Schon das Wesen des Schadensersatzes statt der Leistung deutet bereits in diese Richtung.685 Durch die Zahlung eines Geldbetrages soll beim Schadensersatzgläubiger der vermögensrechtliche Zustand erreicht werden, der bei ordnungsgemäßer Lieferung bestünde.686 Der originäre Erfüllungsanspruch des Käufers besteht dabei bis zu dem Moment des § 281 Abs. 4 BGB. Durch das Schadensersatzverlangen tritt der Schadensersatzan-

682  Dazu

bereits unter: 1. Kap. D. I. 3. bereits unter: 1. Kap. B. IV. 2. b). 684  Für die Zeit vor der Schuldrechtsmodernisierung: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 101 f.; für die Zeit nach der Schuldrechtsmodernisierung: Knütel, AcP 202 (2002), 555 (584), im Erg. auch: Giesen, in: FS für Huber, 2006, S. 263 (281–283); Flume, AcP 215 (2015), 282 (344). 685  Knütel, AcP 202 (2002), 555 (584). 686  Knütel, AcP 202 (2002), 555 (556); Flume, AcP 215 (2015), 282 (284). 683  Dazu

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

spruch an die Stelle der geschuldeten Leistung.687 Bis zu diesem Moment kann der Schadensersatzgläubiger Übergabe und Übereignung nach § 433 Abs. 1 S. 1 BGB verlangen. Wäre es hypothetisch eine Sekunde vor dem Moment des § 281 Abs. 4 BGB zur Erfüllung gekommen, hätte der Käufer von einer bis dato stattgefundenen Wertsteigerung profitiert. Dies muss auch für den Schadensersatz statt der Leistung gelten, der dem Käufer den Verkehrswert der nicht erbrachten Leistung ersetzen soll.688 Gegen diese Auffassung könnte jedoch sprechen, dass der Käufer einseitig und spekulativ auf den maßgeblichen Zeitpunkt einwirken könnte. Allerdings verfangen die im Rahmen der konkret-typisierenden („abstrakten“) Schadensberechnung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB aufgezeigten Befürchtungen vorliegend nicht. Die abstrakte Schadensberechnung stellt auf den Verkehrswert der nicht zugeflossenen Waren ab. Dieser entgeht unabhängig von einer etwaigen Weiterveräußerungsabsicht oder einer entsprechenden Kaufmannseigenschaft. Während die Schadensberechnung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB von der Typizität händlerischer Absatzgeschäfte geprägt ist, steht bei der abstrakten Berechnungsmethode häufig der Eigengebrauch für private oder betriebliche Zwecke im Vordergrund. Aufgrund dieser Ausgangslage wird man daher insbesondere im Privatverkehr von geringeren Spekulationsanreizen ausgehen müssen, da die Kaufsache von vornherein nicht mit einer entsprechenden Gewinnerzielungsabsicht erworben wurde. Zudem kann sich der Schadensersatzschuldner vor der entsprechenden Spekulation schützen, indem er rechtzeitig seiner vertraglichen Verpflichtung nachkommt.689 Neben dem Moment des § 281 Abs. 4 BGB ließe sich noch an den Zeitpunkt denken, an dem die Lieferung hätte erfolgen soll.690 Für diesen Zeitpunkt wird vorgebracht, dass dem Gläubiger in diesem Moment der Warenwert zugeflossen wäre und auch eine Nachfristsetzung nichts an dem ursprünglichen Liefertermin ändere. Der Schuldner habe sich lediglich verpflichtet, den Wert zu diesem Zeitpunkt zu liefern.691 Allerdings spricht gegen diese Ansicht, dass das Erfüllungsinteresse des Gläubigers bis zum Erlöschen des Erfüllungsanspruches weiterhin besteht. Es ist zwar korrekt, dass der Schuldner sich „nur“ verpflichtet, die Ware und den von ihr verkörperten Wert zum Zeitpunkt der vertragsgemäßen Erfüllung zu liefern. Bleibt die Lieferung jedoch aus, verbleibt dem säumigen Verkäufer in der Regel die 687  Statt

aller: MünchKomm/Ernst, BGB, 9. Aufl., 2022, § 281 Rn. 1. Knütel, AcP 202 (2002), 555 (585); Giesen, in: FS für Huber, 2006, S. 263 (281). 689  Knütel, AcP 202 (2002), 555 (584); Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 133; Flume, AcP 215 (2015), 282 (345). 690  Siehe dazu bereits unter: 1. Kap. B. IV. 2. b). 691  Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 131. 688  Zutreffend:

D. Abstrakt berechneter Käuferschaden als nicht zugeflossener Vertragswert149

Möglichkeit, auch innerhalb einer angemessenen Nachfrist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Hat der Verkäufer die geschuldete Kaufsache nicht vorrätig, müsste der Verkäufer bei steigenden Marktpreisen sogar die entsprechende Ware zu den gestiegenen Preisen erwerben, um seiner vertraglichen Verpflichtung gegenüber dem Käufer nachkommen zu können. Ist die Leistungspflicht des Verkäufers aufgrund der § 275 Abs. 1–3 BGB ausgeschlossen, vermag allerdings ein pauschaler Verweis auf den Eintritt der Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB oder die Erhebung der Einreden nach § 275 Abs. 2, Abs. 3 BGB nicht zu überzeugen.692 Vielmehr gilt es zu bedenken, dass der Gläubiger so zu stellen ist, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung stünde. Tritt daher das Leistungshindernis vor der vereinbarten Lieferzeit ein, so ist für die Bestimmung des Verkehrswertes auf den Moment abzustellen, an dem der Schuldner hätte liefern müssen.693 Tritt das Leistungshindernis jedoch nach der Fälligkeit der Leistungspflicht ein, ist der Moment für die Schadensbemessung entscheidend, an dem das Leistungshindernis eintritt. Bis zu diesem Moment besteht der Erfüllungsanspruch, dessen monetärer Gehalt sich im nachfolgenden Schadensersatzanspruch fortsetzt.694 Zwar ließe sich hier an eine gewisse Einwirkungsmöglichkeit des Verkäufers auf den für die Schadensberechnung maßgeblichen Zeitpunkt denken, jedoch kann der Käufer diesem Risiko durch § 281 Abs. 4 BGB entgegenwirken. Zögert der Verkäufer die Erhebung der Einrede hinaus, kann der Käufer eine entsprechende Frist setzen und nach deren erfolglosem Ablauf auf den Schadensersatzanspruch übergehen.695 Dadurch kann der Schadensersatzgläubiger den für die Schadensberechnung maßgeblichen Moment in einem akzeptablen Maß mitbestimmen. Spekulationsmöglichkeiten des Verkäufers auf einen möglichen Preisverfall werden dadurch minimiert.

692  So aber: BeckOK/Lorenz, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 283 Rn. 6; Erman/Ulber, BGB, 16. Aufl., 2020, § 283 Rn. 9; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl., 2023, § 283 Rn. 6; in diese Richtung gehend auch: Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, § 280 Rn. E137. 693  Zutreffend: Soergel/Benicke/Hellwig, BGB, 13. Aufl., 2014, § 280 Rn. 345; ebenso, aber ohne Begründung: Knütel, AcP 202 (2002), 555 (584); ähnlich: MünchKomm/Ernst, BGB, 9. Aufl., 2022, § 283 Rn. 11. 694  Insofern kommen hier die gleichen Erwägungen zum Tragen, die auch schon bei § 281 Abs. 4 BGB von Relevanz sind. 695  Bis die Einreden des § 275 Abs. 2, Abs. 3 BGB erhoben wurden, bleibt § 281 BGB anwendbar. Siehe dazu: Soergel/Benicke/Hellwig, BGB, 13. Aufl., 2014, § 281 Rn. 41.

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

b) Der maßgebliche Ort Aufgrund regionaler Preisunterschiede ist der Verkehrswert eines Objektes nicht selten ein Resultat der örtlichen Marktlage. Um den für die Schadensberechnung maßgeblichen Marktort bestimmen zu können, ist als gedanklicher Ausgangspunkt abermals die Frage aufzuwerfen, wie der Käufer im Falle einer ordnungsgemäßen Leistung durch den Verkäufer stünde. Dabei realisiert sich der Verkehrswert für den Käufer frühestens, wenn er die Ware tatsächlich in Händen hält.696 Ein pauschaler Verweis auf den Leistungsort des Verkäufers, also den Ort, an dem er die Leistungshandlung vorzunehmen hat, erscheint daher nicht überzeugend. Zwar wäre dadurch ein Gleichlauf mit Art. 76 Abs. 2 CISG gewonnen, der nach Art. 31 CISG den Leistungsort697 für die abstrakte Schadensberechnung als maßgeblich erachtet.698 Jedoch erhöht sich das Vermögen des Käufers im Rahmen der Schickschuld nicht durch das bloße Absenden der Ware.699 Als ausschlaggebender Ort für die Bestimmung des Verkehrswertes bietet sich daher der Ablieferungs- oder der Bestimmungsort an. Unter dem Ablieferungsort ist der Ort zu verstehen, an dem der Käufer die Ware tatsächlich in Empfang genommen hätte (Erfolgsort).700 Der Bestimmungsort beschreibt hingegen den Ort, an dem die Ware ihrem bestimmungsgemäßen Zweck zugeführt werden sollte.701 Für den letztgenannten Ort spricht, dass der Käufer dort tatsächlich von der Ware profitiert. Erst hier realisiert sich die Leistung des Verkäufers für ihn.702 Allerdings muss der Schadensersatzgläubiger darlegen und beweisen, wo der Bestimmungsort für die Ware tatsächlich gelegen hätte. Andernfalls stünde dem Schadensersatzgläubiger hier unter Umständen eine zu große Einwirkungsmöglichkeit auf die Parameter des Schadensersatzanspruches zu. Gelingt es ihm nicht, einen speziellen Bestimmungsort nachzuweisen oder kommen mehrere Bestimmungsorte gleichermaßen in Betracht, ist subsidiär auf den Ablieferungsort zurückzugreifen. Auch dieser Ort erscheint nicht ungeeignet, da er einfach zu bestimmen ist und dem Käufer an diesem Ort die Möglichkeit eröffnet wird, über die Ware 696  Vgl.

Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 104. CISG erfasst nur den Ort, an dem die Lieferhandlung vorzunehmen ist. Daher ist nur der Leistungsort, jedoch nicht der Erfolgsort Gegenstand dieser Vorschrift. Statt aller: MünchKomm/Gruber, BGB, 8. Aufl., 2019, Art. 31 CISG Rn. 1. 698  MünchKomm/Gruber, BGB, 8. Aufl., 2019, Art. 31 CISG Rn. 7 m. w. N. 699  Für das Abstellen auf den Leistungsort: Rabel, Das Recht des Warenkaufs, 1. Band, 1936, S. 466; MünchKomm/Emmerich, BGB, 9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 38; Flume, AcP 215 (2015), 282 (346). 700  Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 129. 701  Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 129 (Fn. 65). 702  So im Erg.: Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 129. 697  Art. 31

D. Abstrakt berechneter Käuferschaden als nicht zugeflossener Vertragswert151

zu verfügen. Hätte der Käufer die nicht gelieferte Ware erst vom Ablieferungsort zum Bestimmungsort transportieren müssen, muss er sich die ersparten Transportkosten auf den Schadensersatzanspruch anrechnen lassen.703 Lässt sich am Bestimmungs- oder am subsidiären Ablieferungsort kein Verkehrswert ermitteln, ist auf den nächstgelegenen Ort, an dem sich ein solcher Wert nachweisen lässt, zu verweisen. Wird der Verkehrswert an einem Ersatzort bestimmt, muss sich der Käufer auch etwaige, höhere Transportkosten auf seinen Schadensersatzanspruch anrechnen lassen. Dadurch wird er so gestellt, als ob er den Verkehrswert auch auf diesem Markt tatsächlich „abgeschöpft“ hätte.704 5. Einschränkende Faktoren Im Zuge der hier in Rede stehenden Berechnungsmethode bleibt es dem Käufer unbenommen, den Nachweis zu führen, dass in Wahrheit kein oder nur ein geringerer Schaden entstanden ist.705 Zunächst ist jedoch zu bedenken, dass die abstrakte Schadensberechnung in einem Ausschlussverhältnis zur konkret-typisierenden Schadensberechnung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB steht.706 Durch den Schadensersatz statt der Leistung nach § 280 Abs. 1, 3 BGB i. V. m. § 281 BGB oder § 283 BGB soll der Gläubiger so gestellt werden, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung stünde (= positives Interesse). Verlangt er den Unterschied zwischen Vertragspreis und dem höheren Verkehrswert, wird sein Interesse an der Erfüllung befriedigt, da ihm durch den Schadensersatz statt der Leistung das Leistungsdefizit des Verkäufers ausgeglichen wird.707 Die Schadensberechnung nach § 252 S. 2 Alt. 1 BGB geht noch einen Schritt weiter und stellt den Käufer bereits so, als ob er die Ware im Falle einer ordnungsgemäßen Lieferung gewinnbringend weiterveräußert hätte. Auch durch diesen Berechnungsmodus wird der Schadensersatzgläubiger in die Vermögenslage versetzt, die im Fall einer ordnungsgemäßen Lieferung bestanden hätte, da vermutet wird, dass er die Ware zum Marktver703  Dazu

bereits unter: 1. Kap. B. IV. 3. dazu auch die Regelung des Art. 76 Abs. 2 CISG: „Als Marktpreis […] ist maßgebend der Marktpreis, der an dem Ort gilt, an dem die Lieferung der Ware hätte erfolgen sollen, oder, wenn dort ein Marktpreis nicht besteht, der an einem angemessenen Ersatzort geltende Marktpreis; dabei sind Unterschiede in den Kosten der Beförderung der Ware zu berücksichtigen“. 705  Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 119; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl., 2023, § 281 Rn. 32; MünchKomm/Emmerich, BGB, 9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 34; vgl. auch: Staudinger/Schwarze, 2019, § 280 Rn. E77. 706  Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 184; Flume, AcP 215 (2015), 282 (316). 707  Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 184. 704  Vgl.

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

kaufspreis weiterveräußert hätte. Um zu verhindern, dass der Käufer sein positives Interesse mehrfach ersetzt verlangen kann, können beide Berechnungsmodi nicht nebeneinander geltend gemacht werden. a) Auswirkungen eines tatsächlichen Deckungsgeschäftes Ob der Schadensersatzanspruch in Bezug auf den nicht zugeflossenen Verkehrswert durch die Beschaffung einer neuen Sache ersetzt werden kann, beurteilt sich maßgeblich daran, ob das neue Objekt an die Stelle der ausgebliebenen Leistung tritt und dadurch die geschuldete Kaufsache endgültig durch ein anderes, vergleichbares Objekt708 ersetzt wird.709 Es bedarf daher einer gleichartigen Ersatzware, um das Interesse des Käufers an der Lieferung befriedigen zu können.710 In Bezug auf die Wertigkeit ist zu differenzieren: Weist die neue Kaufsache eine wesentlich geringere Qualität auf als die geschuldete Leistung, kann das Interesse des Schadensersatzgläubigers an der ausgebliebenen Lieferung durch den Ersatzkauf nicht befriedigt werden. In der Folge hat der Kauf keine Auswirkungen auf die abstrakte Schadensberechnung. Weist die neue Kaufsache eine höhere Wertigkeit auf, so ist davon auszugehen, dass dieses Objekt erst recht dazu geeignet ist, das Interesse des Käufers an der ursprünglichen Leistung zu ersetzen. Allerdings gilt es zu bedenken, dass der Käufer sorgfältig die Marktlage betrachten und entsprechende Preise vergleichen muss,711 um nicht gegen seine Schadensminderungsobliegenheit zu verstoßen.712 Wird das Interesse des Käufers durch die Beschaffung einer Ersatzsache befriedigt, so ist für den Ersatz des ausgebliebenen Verkehrswertes kein Platz mehr, da der Schadensersatzgläubiger nun das Deckungsobjekt in sein Vermögen überführt hat. Dieses Objekt tritt an die Stelle der vormals geschuldeten Leistung. Folglich ist im Wege des Deckungskaufes der Ver708  Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 140; Grigoleit/Riehm, AcP 203 (2003), 727 (736), die davon ausgehen, dass nach dem Deckungskauf der geschuldete Gegenstand im Vermögen des Gläubigers vorhanden ist; vgl. ferner: BGH, 03.07.2013, VIII ZR 169/12, NJW 2013, 2959 Rn. 25, der mittelbar auf diese Anforderung Bezug nimmt. 709  Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 140; vgl. auch: BGH, 03.07.2013, VIII ZR 169/12, BGHZ 197, 357 Rn. 27 f.; Staudinger/Otto, BGB, 2009, § 280 E 39. 710  BT-Drucks. 14/6040, S. 89: Nachlieferung einer Stückschuld. 711  Allgemein: MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 254 Rn. 76; auf den Deckungskauf bezogen: Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, § 280 Rn. 101. 712  Zur Schadensminderungsobliegenheit bei der Vornahme eines Deckungskaufes: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 109 f.; Staudinger/ Schwarze, BGB, 2019, § 280 Rn. 101.

D. Abstrakt berechneter Käuferschaden als nicht zugeflossener Vertragswert153

kehrswert der ausgebliebenen Lieferung in das Vermögen des Käufers geflossen, sodass dieser Wert keinen ersatzfähigen Schaden mehr darstellt und die abstrakte Schadensberechnung nicht mehr zur Anwendung gelangen kann. In diesem Fall ist der Käufer auf die konkrete Schadensberechnung zu beschränken. Die mit dem Deckungsgeschäft möglicherweise einhergehenden Mehrkosten kann er als Schadensersatz statt der Leistung geltend machen. Die häufig beschworene Vorstellung, der Käufer könne frei zwischen abstrakter und konkreter Schadensberechnung wählen713 und sogar von der einen zur anderen Methode nach Belieben hin und her wechseln,714 ist damit aufzugeben. b) Auswirkungen eines unterlassenen Deckungsgeschäftes Unterlässt es der Schadensersatzgläubiger im Rahmen von § 254 Abs. 2 S. 1 BGB einen Deckungskauf vorzunehmen, verstößt er unter Umständen gegen eine ihm auferlegte Obliegenheit715 („Verschulden gegen sich selbst“), wobei ihm Vorsatz und Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann.716 Dieser Vorwurf muss nach objektiven Maßstäben beurteilt werden.717 Nichtsdestotrotz sind die hier zu stellenden Anforderungen gruppenbezogen.718 Bei Kaufleuten wird dies regelmäßig zu gesteigerten Sorgfaltsanforderungen führen (vgl. § 347 HGB).719 Um den Anwendungsbereich einer derartigen „Pflicht“ jedoch überhaupt eröffnen zu können, müsste die nicht erworbene Ware tatsächlich als Deckungsware zu bewerten sein.720 Folglich scheidet die Obliegenheit, eine Ersatzbeschaffung vorzunehmen, aus, wenn keine gleichartige Ersatzsache existiert. Zudem kann die „Pflicht“, ein Deckungsgeschäft vorzunehmen, nur dann eingreifen, wenn es für den Käufer mit zumutbaren Mitteln erkennbar ist, dass ein derartiges Geschäft geeignet ist, den Schadensersatzanspruch in Bezug auf den ausgebliebenen 713  RGZ 100, 112 (113); Soergel/Wiedemann, BGB, 11. Aufl., 1986, § 325 Rn. 60; Dauner-Lieb/Langen/Dauner-Lieb, BGB, 4. Aufl., 2021, § 281 Rn. 60. 714  RG, 09.01.1926, I 248/25, Recht 1926, 93 Nr. 239; Oertmann, in: Ehrenberg (Hrsg.), Handbuch des gesamten Handelsrechts, 1918, Band IV, 2 § 64 S. 446; Düringer/Hachenburg/Werner, HGB, 3. Aufl., 1932, Band IV, Einl. Anm. 351, S. 297. 715  Vgl. BeckOK/Lorenz, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 254 Rn. 27. 716  Statt aller: MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 254 Rn. 3. 717  Statt aller: Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 254 Rn. 37 m. w. N. 718  BeckOK/Lorenz, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 276 Rn. 22; die Sorgfaltsanforderungen können auch aufgrund besonderer Kenntnis und Fähigkeiten erhöht sein. Siehe dazu: Deutsch, NJW, 1987, 1480 (1481). 719  MünchKomm/Maultzsch, HGB, 5. Aufl., 2021, § 347 Rn. 16; dazu bereits unter: 1. Kap, B. VI. 2. b). 720  Zu den Anforderungen bereits unter: 1. Kap. D. I. 5. a).

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

Verkehrswert gering zu halten. Der Verkehrswert, der der Schadensberechnung zugrunde gelegt wird, ist zu dem Zeitpunkt zu ermitteln, an dem die Leistungspflicht des Verkäufers erlischt.721 Die Kosten eines Deckungsgeschäftes müssten daher für den Käufer erkennbar unterhalb dieses Wertes liegen. Bei einer stabilen Markt- und Versorgungslage wird es jedenfalls bei Privatleuten meist an einer entsprechenden Obliegenheit fehlen, da die Kosten eines Deckungsgeschäftes mit dem ausgebliebenen Verkehrswert zwar in aller Regel nicht exakt, aber zumindest in etwa übereinstimmen werden. Eine Privatperson müsste somit den der Schadensberechnung zugrunde liegenden Verkehrswert ermitteln und mit den Preisen auf seinem Beschaffungsmarkt vergleichen. Derartige Anstrengungen sind bei Verbrauchern jedoch im Bereich der überobligatorischen Bemühungen anzusiedeln, die keine mindernden Auswirkungen auf die Schadenshöhe haben und über das dem Käufer zumutbare Maß hinausgehen.722 Bei Kaufleuten können hingegen solche Bemühungen im Einzelfall erwartet werden, wenn sie sich ohne größere Anstrengungen ein Bild über den Durchschnittspreis auf ihrem Beschaffungsmarkt machen können. Dazu hätte ein ordentlicher Kaufmann erkennen müssen, dass die Eindeckungsmöglichkeit preislich unterhalb des Markteinkaufspreises liegen würde. Ein anderes Bild ergibt sich hingegen, wenn sich dem Käufer eine besonders günstige Eindeckungsmöglichkeit bietet.723 Dann existiert sowohl für Privatpersonen als auch für Kaufleute kein sachlicher Grund, diese Möglichkeit auszuschlagen. Eine Ausnahme wird jedoch für den Fall zu machen sein, in dem der säumige Verkäufer selbst anbietet, entsprechende Ersatzware bereit zu stellen. Dann wäre der Käufer trotz der vergangenen schlechten Erfahrungen gezwungen, sich erneut auf den säumigen Verkäufer verlassen zu müssen. Verweist der Verkäufer jedoch auf günstige Ersatzware seiner Konkurrenz, ist es dem Käufer grundsätzlich zuzumuten, sich entsprechend zu informieren. Kaufleuten wird man dabei ebenfalls zumuten müssen, die aktuellen Preise innerhalb ihrer bereits bestehenden Beschaffungsstruktur im Auge zu behalten. Preissteigerungen können die Sorgfaltsanforderungen im Rahmen des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB erhöhen.724 Zögert der Käufer mit der Vornahme eines 721  Dazu

bereits unter: 1. Kap. D. I. 5. a). hierzu: BGH, 25.09.1973, VI ZR 97/71, NJW 1974, 602 (603 f.): Schadensersatzanspruch einer durch einen Verkehrsunfall verletzten Ärztin; BGH, 11.01.2005, X ZR 118/03, BGHZ 161, 389 (396): Entschädigungsanspruch bei Überbuchung des Urlaubsorts; MünchKomm/Oetker, BGB. 9. Aufl., 2022, § 249 Rn. 273; jurisPK/Rüßmann, BGB, 10. Aufl., 2023, § 249 Rn. 58. 723  Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl., 2023, § 281 Rn. 32. 724  OLG Stuttgart, 13.12.1956, 2 U 140/56, JR 1957, 343 (344); OLG Frankfurt, 27.04.1976, 5 U 3/74, NJW 1977, 1015 (1016); OLG Nürnberg, 06.12.2000, 12 U 722  Vgl.

D. Abstrakt berechneter Käuferschaden als nicht zugeflossener Vertragswert155

Deckungsgeschäftes, obgleich eine fortwährende Preissteigerung zu erwarten ist, kann dies zu einer Anspruchskürzung im Rahmen der konkreten Schadensberechnung führen, wenn er die tatsächlich angefallenen Mehrkosten in die Schadensberechnung einstellen will.725 Im Bereich der hier in Rede stehenden Form der abstrakten Schadensberechnung kann ihm ebenfalls eine Anspruchskürzung drohen, sollte er auf einen Deckungskauf verzichtet haben. Dies gilt jedoch nicht für unterlassene Deckungsgeschäfte nach dem Übergang auf den Schadensersatz. Der Zeitpunkt des § 281 Abs. 4 BGB determiniert die Höhe des abstrakt berechneten Schadensersatzanspruches, da dieser Moment für die Ermittlung des Verkehrswertes maßgeblich ist. Steigen die Preise fortwährend an, wird dies auch denknotwendiger Weise für etwaige Ersatzware gelten. Die mit dem Deckungskauf verbundenen Mehrkosten stellen für den Schadensersatzschuldner nach der Fixierung der abstrakt ermittelten Schadenshöhe somit meist keinen kostengünstigeren Schadensposten dar. Da nach der hier vertretenen Ansicht die Schadensminderungsobliegenheit des Käufers jedoch schon mit der Entstehung des Schadensersatzanspruches korreliert, kann der Käufer bereits zur Vornahme eines Deckungsgeschäftes gehalten sein, bevor er auf den Schadensersatz übergeht.726 Durch die gesteigerten Anforderungen wird von einem Kaufmann – je nach Ausmaß der Preissteigerung – zu verlangen sein, sich auch jenseits seiner bereits bestehenden Beschaffungsstrukturen um Ersatzware zu bemühen. Diesen gesteigerten Anforderungen kann sich der Käufer entledigen, wenn er zeitnah auf den Schadensersatz übergeht. Dadurch wird er den Moment des § 281 Abs. 4 BGB nicht herauszögern, um auf eine entsprechende Preisentwicklung im Bereich der abstrakten Schadensberechnung zu spekulieren, da ihn während dieser Zeit eine gesteigerte Schadensminderungsobliegenheit trifft. Dies führt im Ergebnis zu einem sachgerechten Ausgleich der Interessen.727 Die Darlegungs- und Beweislast für die Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit trifft hier nach allgemeinen Grundsätzen den schadensersatzpflichtigen Verkäufer.728 Allerdings liegen die jeweiligen Anstrengungen, die der Käufer zur Verminderung des Schadens unternommen hat, außerhalb der Sphäre des Schadensersatzschuldners.729 Daher bedarf es auch hier einer 2953/00, NJW-RR 2002, 47 (48); Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl., 2023, § 281 Rn. 32. 725  MünchKomm/Emmerich, BGB, 9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 46 f. 726  Dazu bereits unter: 1. Kap. B. I. 2. b). 727  Allerdings gilt das Vorgesagte zu den einschränkenden Faktoren nur, wenn der Anwendungsbereich des § 376 Abs. 2 HGB nicht mittels Rechtsfortbildung auch auf Handelsgeschäfte ohne Fixgeschäfte ausgeweitet wird. Dazu unter: 1. Kap. E. III. 728  Statt aller: MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 254 Rn. 146 m. w. N. 729  Dazu bereits unter: 1. Kap. B. VI. 2. a).

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

sekundären Darlegungslast, um die jeweils zu stellenden Anforderungen an den Schadensersatzgläubiger nicht prozessual auszuhebeln. Für Faktoren wie steigende Preise, die die Anforderungen an die Sorgfaltsanforderungen erhöhen, gilt dies allerdings nicht. Hier bleibt es bei der Anwendung der allgemeinen Grundsätze. 6. Zusammenfassung der Ergebnisse Die abstrakte Schadensberechnung im weiteren Sinne dient dazu, den Verkehrswert der geschuldeten Ware zu ermitteln. Dieser Wert ist bei vertretbaren Waren anhand des Marktpreises auf dem Beschaffungsmarkt des Käufers zu bestimmen. Bei Unikaten wie Kunst wird zu fragen sein, wie hoch der Erlös vergleichbarer Objekte in der Vergangenheit ausfiel. Dabei gilt es jedoch auch die entsprechenden Marktstufen zu berücksichtigen, auf denen die Preise ermittelt werden. So wird der Schadensersatz eines Händlers regelmäßig um die marktübliche Händlerspanne zu reduzieren sein, wenn sich lediglich Absatzgeschäfte zwischen Händlern und Privatleuten nachweisen lassen. Grundstücke können über das Vergleichswertverfahren, das Sachwertverfahren und das Ertragswertverfahren bestimmt werden. Durch den ausgeprägten Privatmarkt existieren keine klassischen Absatzketten in diesem Bereich, sodass es auch nicht zur Berücksichtigung etwaiger Marktstufen kommt. Der zu ersetzende Verkehrswert ist Teil des positiven Interesses. Die Vorstellung, der Käufer könne die Differenz zwischen Vertragspreis und Markteinkaufspreis verlangen, da ein hypothetisches Deckungsgeschäft mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten war, ist abzulehnen. Ein solcher Deckungskauf dient bei vertretbaren Sachen lediglich als Berechnungsbasis des Verkehrswertes.730 Der Wert des ursprünglichen Erfüllungsanspruches setzt sich im Schadensersatzanspruch fort. Die Parteien können sich bei Vertragsschluss ein zeitliches Element zunutze machen, um sich vor Preisschwankungen zu schützen. Dazu vereinbaren sie, dass die Vertragserfüllung erst eine gewisse Zeit nach Vertragsschluss stattfinden soll (price hedging). Spekulationsanreize spielen dabei zumeist nur eine untergeordnete Rolle. Für den darauffolgenden Schadensersatzanspruch, der an die Stelle des Erfüllungsanspruches tritt, gilt nichts anderes. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Bestimmung des Verkehrswertes ist grundsätzlich der Moment, in dem der Verkäufer von seiner Leistungspflicht befreit wird. Ausnahmsweise kommt es auf den Moment der Fälligkeit an, 730  Ebenso: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 104.

D. Abstrakt berechneter Käuferschaden als nicht zugeflossener Vertragswert157

wenn der Verkäufer bereits vor diesem Moment von seiner Leistungspflicht befreit wurde. Der Verkehrswert wird vorrangig am Bestimmungsort ermittelt. Darunter ist der Ort zu verstehen, an dem die Ware ihrem bestimmungsgemäßen Zweck zugeführt wird. Lässt sich ein derartiger Ort nicht feststellen oder kommen mehrere Bestimmungsorte gleichermaßen in Betracht, ist auf den Ort abzustellen, an dem der Käufer die Ware in Empfang genommen hätte. Nimmt der Käufer einen Deckungskauf vor, tritt dieser an die Stelle der geschuldeten Leistung. Dadurch verbleibt kein Platz mehr für die abstrakte Schadensberechnung im weiteren Sinne. Unterlässt der Käufer schuldhaft einen Deckungskauf, kann dies zu einer Anspruchskürzung nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB führen. Dafür muss es für ihn in zumutbarer Weise erkennbar gewesen sein, dass die Ersatzeindeckung günstiger ausfällt als der abstrakt berechnete Schadensersatzanspruch. Preissteigerungen erhöhen vor dem Übergang auf den abstrakten Schadensersatz (§ 281 Abs. 4 BGB) die Sorgfaltsanforderungen, die an den Käufer zu stellen sind.

II. Die abstrakte Schadensberechnung bei nicht vertragsgemäßer Leistung Durch eine mangelhafte Lieferung fließt dem Käufer nur ein Teil des geschuldeten Vertragswertes zu. Das daraus resultierende Leistungsdefizit lässt sich in unterschiedlichen Varianten abstrakt bemessen. Entscheidet sich der Käufer im Zuge der abstrakten Schadensbemessung dazu, die mangelhafte Sache zu behalten, kann er sich des sogenannten „kleinen“ Schadensersatzes bedienen. In der Folge wird lediglich der mangelhafte Teil der Leistung kompensiert. In diesem Zusammenhang werden der mangelbedingte sowie der merkantile Minderwert sowie die Abrechnung anhand fiktiver Mangelbeseitigungskosten zu untersuchen sein. Entscheidet sich der Schadensersatzgläubiger hingegen für den „großen“ Schadensersatz, kann der Verkäufer die Sache nach § 281 Abs. 5 BGB über die Rücktrittsregeln der §§ 346–348 BGB herausverlangen und der Käufer kann im Gegenzug sein positives Interesse an der ganzen Leistung fordern. 1. Der mangelbedingte Minderwert Die Differenz zwischen dem Wert der Sache im mangelfreien und mangelhaften Zustand bildet den mangelbedingten Minderwert.731 Der Anspruch auf 731  Statt aller: BGH, 22.11.1985, V ZR 237/84, BGHZ 96, 283 (287); BeckOK/ Lorenz, BGB. 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 281 Rn. 71.

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

diesen Wert stellt das mängelrechtliche Pendant zum abstrakt berechneten Schadensersatzanspruch bei vollständiger Nichtleistung des Verkäufers dar. In beiden Fällen soll durch die Zahlung eines Geldbetrages der vermögensrechtliche Zustand erreicht werden, der bei ordnungsgemäßer Lieferung bestünde.732 Die auf die Nichtleistung des Verkäufers zugeschnittenen Parameter der abstrakten Schadensberechnung im weiteren Sinne lassen sich auf die Berechnung des mangelbedingten Minderwertes übertragen.733 Der Wert der Sache im mangelfreien Zustand ist daher für den Moment zu ermitteln, in dem der Käufer auf den Schadensersatz übergeht oder der Verkäufer durch die § 275 Abs. 1 bis Abs. 3 BGB von seiner Nacherfüllungspflicht befreit wird.734 Die Nacherfüllung soll als modifizierter Erfüllungsanspruch735 den geschuldeten Zustand herstellen. Hätte der Verkäufer im Zuge der Nacherfüllung eine neue Sache geliefert, wäre das Vermögen des Käufers auch um den Wert angewachsen, den die Ersatzlieferung zu dieser Zeit hatte. Tritt nun der Schadensersatzanspruch an die Stelle des Nacherfüllungsanspruches sind Preisentwicklungen, die bis zu diesem Moment stattgefunden haben, ebenfalls für die Höhe des Schadensersatzanspruches zu berücksichtigen. Die Wertermittlung ist am Bestimmungsort vorzunehmen. Darunter ist der Ort zu verstehen, an dem der Käufer die mangelfreie Ware zu seinen Zwecken eingesetzt hätte.736 Kann dieser Ort nicht bestimmt werden oder kommen mehrere Bestimmungsorte gleichermaßen in Betracht, kann alternativ auch auf den Ablieferungsort abgestellt werden. Ferner ist auch beim mangelbedingten Minderwert die Bedeutung der verschiedenen Marktstufen zu berücksichtigen.737 Der Verkehrswert der Sache im mangelfreien Zustand hängt somit auch maßgeblich davon ab, auf welcher Marktstufe der Vertrag zwischen Käufer und Verkäufer zustande gekom732  Soergel/Benicke/Hellwig, BGB, 13. Aufl., 2014, § 281 Rn. 271; vgl. Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, § 280 Rn. E77, E83. Gegebenenfalls stehen dem Käufer bei einer mangelhaften Leistung noch die Instrumente des Teilrücktritts oder Minderung zur Verfügung. Handelt es sich aber für ihn um ein besonders günstiges Geschäft, wird die Forderung des mangelbedingten Minderwertes für ihn rechnerisch vorzugswürdiger sein. Zu den verschiedenen Möglichkeiten des Käufers und den vermögensrechtlichen Auswirkungen: Soergel/Benicke/Hellwig, BGB, 13.  Aufl., 2014, § 281 Rn. 271. 733  Siehe für den maßgeblichen Zeitpunkt bereits unter: 1. Kap. D. I. 4. a) sowie für den maßgeblichen Ort unter: 1. Kap. D. I. 4. b). 734  Ist die Nacherfüllung anfänglich unmöglich, richtet sich der Zeitpunkt nach dem Vertragsschluss. 735  Statt aller: Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, 2013, § 439 Rn. 1. 736  Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 129 (Fn. 65). 737  Zur schadensrechtlichen und ökonomischen Bedeutung bereits unter: 1. Kap. B. IV. 1. b) aa).

D. Abstrakt berechneter Käuferschaden als nicht zugeflossener Vertragswert159

men ist. Erwirbt ein Einzelhändler mangelhafte Ware, ist deren Verkehrswert in mangelfreien Zustand nach dessen Markteinkaufspreis zu bestimmen. Würde für den mangelbedingten Minderwert der Markteinkaufspreis des Verbrauchers herangezogen, könnte der Händler auf diese Weise seinen Gewinn geltend machen, da der Markteinkaufspreis des Verbrauchers dem Marktverkaufspreis des Händlers entspricht, wenn sich beide auf derselben Marktstufe „treffen“.738 Dies würde zu einer Unterminierung der in § 252 S. 2 BGB entwickelten Grundsätze führen.739 Weiterhin ist zu beachten, dass eine Berechnung nur anhand der Surrogationsmethode möglich ist. Zwar deutet ein Differenzbetrag auf die Anwendung der Differenzmethode und einen zumindest konkludent erklärten Rücktritt hin, jedoch will der Käufer die mangelhafte Sache behalten. Durch die Erklärung des Rücktrittes müsste er die empfangene Leistung jedoch wieder herausgeben (§ 346 Abs. 1 BGB). Somit schließen sich der Rücktritt und der „kleine“ Schadensersatz gegenseitig aus.740 In der Folge kommt nur eine Berechnung nach der Surrogationsmethode in Betracht. Dadurch erhält der Verkäufer den vollen Kaufpreis. Im Gegenzug behält der Käufer die mangelhafte Lieferung und zudem die Differenz zwischen mangelhaftem und mangelfreiem Verkehrswert.741 Demnach wird der Käufer so gestellt, als ob es zu einem vollständigen Leistungsaustausch gekommen wäre. 2. Die fiktiven Mangelbeseitigungskosten742 Ist der Käufer zur Geltendmachung des „kleinen“ Schadensersatzes berechtigt, darf er nach allgemeiner Auffassung die tatsächlich angefallenen Reparaturkosten verlangen, die er aufbringen musste, um die Sache in den vertragsgemäßen Zustand zu versetzen.743 Dieser Berechnungsmethode wohnt ein abstrahierendes Element inne, wenn der Käufer die Reparatur Marktaustausch, 2019, S. 76. bereits unter: 1. Kap. D. I. 1. a). 740  Vgl. BGH, 09.05.2018, VIII ZR 26/17, BGHZ 218, 320 Rn. 37; Erman/Ulber, BGB, 16. Aufl., 2020, § 281 Rn. 81. 741  Vgl. dazu auch schon: Soergel/Benicke/Hellwig, BGB, 13. Aufl., 2014, § 281 Rn. 272, wenn die Gegenleistung bereits erbracht wurde. 742  Die nachfolgenden Ausführungen gehen im Wesentlichen auf den Beitrag von Schlereth/Stenger, r+s 2022, 380 (380–384) zurück. 743  Exemplarisch: BGH, 22.02.2018, VII ZR 46/17, BGHZ 218, 1 Rn. 46; Janz, Die Rechte des Käufers bei eigener Mängelbeseitigung, 2008, S. 100; Soergel/Benicke/Hellwig, BGB, 13. Aufl., 2014, § 281 Rn. 274; MünchKomm/Ernst, 9. Aufl., 2022, § 281 Rn. 145. Die Ersatzfähigkeit steht jedoch unter der Prämisse, dass die Reparaturkosten nicht unverhältnismäßig sind (vgl. § 251 Abs. 2 S. 1 BGB). Siehe dazu: MünchKomm/Ernst, 9. Aufl., 2022, § 281 Rn. 147. 738  Flume, 739  Dazu

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

nicht durchführen lassen muss, sondern die Kosten geltend machen kann, die im Falle einer Mangelbeseitigung angefallen wären. a) Ausgangslage und Entwicklung Die Möglichkeit, die fiktiv angefallenen Reparaturkosten in die Schadensberechnung einstellen zu können, wurde vom Bundesgerichtshof vor der Schuldrechtsmodernisierung im Jahre 2002 als probates Mittel anerkannt, den mangelbedingten Minderwert zu bestimmen.744 Aufgrund der damaligen Inexistenz eines Nacherfüllungsanspruches war der Verkäufer nicht zur Mangelbeseitigung verpflichtet,745 sodass dem Gesetz ein eigenständiger Anspruch auf den Ersatz der getätigten Selbstvornahmekosten fremd war. In der Folge verblieb dem Schadensersatzgläubiger im Wege des „kleinen“ Schadensersatzes lediglich die Möglichkeit, nach § 463 S. 1 BGB a. F. den mangelbedingten Minderwert einzufordern.746 Dies änderte sich jedoch unter dem Regelungskonzept des modernisierten Schuldrechtes. Unter den Voraussetzungen der §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 BGB747 war es dem Schadensersatzgläubiger gestattet, Ersatz für die tatsächlich angefallenen Mangelbeseitigungskosten zu fordern. Allerdings blieb dabei die Frage unbeantwortet, inwieweit dem Käufer die Möglichkeit einer fiktiven Abrechnung zusteht. Zwar ging der Bundesgerichtshof davon aus, dass sich der mangelbedingte Minderwert an die Selbstvornahmekosten annähert,748 jedoch werden die Reparaturkosten nicht selten den Minderwert übersteigen.749 Daher wird der Käufer regelmäßig daran interessiert sein, auf der Grundlage fiktiver Mangelbeseitigungskosten abzurechen. Während nach der Schuldrechtsmodernisierung in der Rechtsprechung zunächst Einigkeit darüber bestand, dass eine solche Schadensbemessung sowohl im Kauf- als auch im Werkvertragsrecht zulässig sei, erfuhr der Dis744  BGH, 23.06.1989, V ZR 40/88, BGHZ 108, 156 (160); BGH, 10.06.1998, V ZR 324/97, NJW 1998, 2905; BGH, 16.11.2007, V ZR 45/07, NJW 2008, 436 Rn. 12. Dies ist auch heute im Grundsatz noch anerkannt: BeckOK/Lorenz, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 281 Rn. 71; Soergel/Buchwitz, 13. Aufl., 2022, § 634 Rn. 73; Grüneberg/Grüneberg, 82. Aufl., 2023, § 281 Rn. 45. 745  BGH, 16.11.2007, V ZR 45/07, NJW 2008, 436 Rn. 12; Janz, Die Rechte des Käufers bei eigener Mängelbeseitigung, 2008, S. 100; ausführlich: Soergel/Benicke/ Hellwig, BGB, 13. Aufl., 2014, § 281 Rn. 275. 746  BGH, 23.06.1989, V ZR 40/88, BGH, 23.06.1989, V ZR 40/88, BGHZ 108, 156 (159); BGH, 10.06.1998, V ZR 324/97, NJW 1998, 2905; BGH, 16.11.2007, V ZR 45/07, NJW 2008, 436 Rn. 12. 747  Janz, Die Rechte des Käufers bei eigener Mängelbeseitigung, 2008, S. 100. 748  BGH, 16.11.2007, V ZR 45/07, NJW 2008, 436 Rn. 12. 749  Soergel/Benicke/Hellwig, BGB, 13. Aufl., 2014, § 281 Rn. 274.

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kurs durch eine vielbeachtete Entscheidung des Bundesgerichtshofes neue Impulse. Am 22.02.2018 verweigerte der VII. Zivilsenat die Abrechnung auf Basis fiktiver Mängelbeseitigungskosten im Werkmängelrecht,750 sodass der bis dato bestehende Gleichlauf zwischen den beiden Vertragstypen aufgegeben wurde. Da die fiktive Schadensbemessung jedoch nach wie vor im Rahmen des Kaufrechtes als zulässig erachtet wurde,751 führte diese Divergenz zu einer Anfrage (§ 132 Abs. 3 GVG) des für Kaufrecht zuständigen V. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes, ob der VII. Zivilsenat auch weiterhin an dieser Rechtsauffassung festhalten wolle. Der angefragte Senat gab unmissverständlich zu erkennen, dass eine Rückkehr zu der vormals bestehenden Rechtspraxis ausgeschlossen sei. Gleichzeitig zeigte er jedoch eine für beide Seiten gesichtswahrende Lösung auf, indem er seine Entscheidung auf werkvertragsspezifische Besonderheiten zurückführte.752 Letztlich folgte der V. Zivilsenat der Argumentation des VII. Zivilsenates, sodass eine Vorlage an den Großen Zivilsenat unterblieb.753 Die Differenzierung nach Vertragstypus erweist sich bei näherer Betrachtung sowohl aus rechtspolitischer als auch aus dogmatischer Sicht als überaus unbefriedigend. Es wird daher zu klären sein, weshalb die fiktive Schadensbemessung für einen Käufer zulässig sein soll, während einem Besteller dieser Berechnungsmodus verwehrt wird. Ferner ist zu ergründen, wie sich eine Abrechnung auf fiktiver Reparaturkostenbasis in das schadensrechtliche System einfügt. b) Die Bedeutung des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB Wird eine Person verletzt oder eine Sache beschädigt, sieht § 249 Abs. 2 S. 1 BGB vor, dass der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen kann. Zwar betonte der Gesetzgeber, dass § 249 Abs. 2 S. 1 BGB nicht entnommen werden könne, ob der „erforderliche Geldbetrag“ für eine hypothetische oder tatsächlich durchgeführte Reparatur

750  BGH, 22.02.2018, VII ZR 46/17, BGHZ 218, 1 Rn. 46; bestätigt durch: BGH, 21.06.2018, VII ZR 173/16, NJW-RR 2018, 1038 (1039); zuvor noch im Rahmen des Werkvertrages bejahend: BGH, 25.04.1996, VII ZR 157/94, NJW-RR 1996, 1044 (1045); BGH, 22.07.2004, VII ZR 275/03, NJW-RR 2004, 1462 (1463). 751  BGH, 15.06.2012, V ZR 198/11, BGHZ 193, 326 Rn. 31; BGH, 04.04.2014, V ZR 275/12, BGHZ 200, 350 Rn. 33; BGH, 29.04.2015, VIII ZR 104/14, NJW 2015, 2244 Rn. 12; BGH, 09.02.2018, V ZR 274/16, NJW 2018, 1954 Rn. 29. 752  BGH, 08.10.2020, VII ARZ 1/20, NJW 2021, 53. 753  BGH, 12.3.2021, V ZR 33/19, BGHZ 229, 115; zur Entwicklung: Schlereth/ Stenger, r+s 2022, 380; vgl. ferner auch: Deppenkemper, jM 2018, 222 (222 f.); Preussner, NZBau 2021, 11.

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

zu zahlen sei,754 jedoch erkannte er die Dispositionsfreiheit des Geschädigten zumindest im Rahmen von Sachschäden grundsätzlich an.755 Somit kann der Geschädigte den für die Herstellung erforderlichen Betrag verlangen, ohne dabei die Reparatur tatsächlich durchführen lassen zu müssen.756 Allerdings ist für den Bereich der Mangelbeseitigungskosten zu bedenken, dass § 249 Abs. 2 S. 1 BGB in dem Fall, in welchem der Käufer oder der Besteller fiktiv abrechnen will, nicht anwendbar ist, da diese Norm auf der Naturalrestitution des § 249 Abs. 1 BGB aufbaut. Nach diesem Grundsatz ist der Zustand herzustellen, der ohne das schädigende Ereignis bestünde.757 Verlangt der Käufer die Mangelbeseitigungskosten als Schadensersatz statt der Leistung758 wird dadurch sein Anspruch auf Nacherfüllung durch § 281 Abs. 4 BGB ausgeschlossen, sodass der in § 249 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB beschriebene Zustand nicht mehr erreicht werden kann.759 In der Folge ist ein direkter Rückgriff auf § 249 Abs. 2 S. 1 BGB nicht mehr möglich und der Gläubiger ist nach § 251 Abs. 1 Alt. 1 BGB in Geld zu kompensieren. Es lässt sich auch nicht mit letzter Sicherheit klären, wie der Gesetzgeber allgemein zu der Möglichkeit stand, auf der Grundlage fiktiver Reparaturkosten abzurechnen. Daran ändert auch die Einführung des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB nichts.760 Nach dieser Norm ist die Umsatzsteuer nur in den Schadensersatzanspruch einzustellen, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist. Da sich diese Norm jedoch unmittelbar auf § 249 Abs. 2 S. 1 BGB bezieht, setzt auch der unmittelbare Anwendungsbereich des Satzes 2 voraus, dass eine Herstellung noch möglich ist. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB gibt somit selbst keinen hinreichenden Anhaltspunkt, ob eine fiktive Abrechnung auch im Bereich der Mangelbeseitigung zulässig ist.

754  BT-Drucks.

14/7752, S. 13. 14/7752, S. 23; dazu auch: Soergel/Ekkenga/Kuntz, BGB, 13. Aufl., 2014, § 249 Rn. 70. 756  Dies entspricht im Bereich des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB in Bezug auf Sachschäden auch der ganz herrschenden Ansicht. Exemplarisch dazu: BGH, 25.10.1996, V ZR 158/95, NJW 1997, 520; Soergel/Ekkenga/Kuntz, BGB, 13. Aufl., 2014, § 249 Rn. 68; MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 249 Rn. 378; einschränkend: BGH, 03.12.2013, VI ZR 24/13, NJW 2014, 535 Rn. 11, wonach der erforderliche Betrag nicht verlangt werden kann, wenn die Reparatur bereits günstiger durchgeführt wurde. 757  Statt aller: MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 249 Rn. 320. 758  Die Mangelbeseitigungskosten treten aus phänomenologischer Sicht an die Stelle der geschuldeten Nacherfüllung. Daher handelt es sich um einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung. Siehe dazu: Grigoleit/Riehm, AcP 203 (2003), 727 (735); Looschelders, Schuldrecht AT, 20. Aufl., 2022, § 24 Rn. 17. 759  Zum Ganzen: Schlereth/Stenger, r+s 2022, 380. 760  BGBl. 2001 I S. 3138. 755  BT-Drucks.

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c) Allgemeine schadensrechtliche Erwägungen Möchte der Käufer auf der Grundlage fiktiver Reparaturkosten abrechnen, muss diese Berechnungsmethode auch im Lichte des allgemeinen Schadensrechtes betrachtet werden.761 Daher ist die Vereinbarkeit der fiktiven Schadensbemessung mit den tragenden Grundprinzipien der §§ 249 ff. BGB zu erforschen. Durch das Schadensrecht soll eine Beeinträchtigung ausgeglichen werden, die ohne das schädigende Ereignis nicht bestünde.762 Darauf aufbauend dient die auf Friedrich Mommsen zurückzuführende Differenzhypothese zur Feststellung des Vermögensschadens.763 Dabei werden die Vermögenslagen vor und nach dem haftungsbegründenden Ereignis verglichen.764 Ergibt sich ein für den Gläubiger nachteiliger Saldo, ist ein Vermögensschaden zu bejahen. Wendet man diese Rechenoperation nun auf die fiktive Schadensermittlung an, wird man regelmäßig keinen ersatzfähigen Schaden feststellen können, da die Reparaturkosten sich noch nicht nachteilig im Vermögen des Käufers niedergeschlagen haben. Ebenso stellt der Mangel an sich keinen ersatzfähigen Schaden dar, der über die fiktive Reparaturkostenabrechnung ausgeglichen werden könnte.765 Um die Beseitigungskosten verlangen zu können, muss sich der Mangel als Leistungsdefizit auch in einer Vermögens­ einbuße, also der tatsächlichen Durchführung der Reparatur niederschlagen.766 Andernfalls verbleibt nur ein Rückgriff auf den mangelbedingten Minderwert. Zwar wird die Differenzhypothese auch heute noch als tradiertes Mittel zur Schadensfeststellung verstanden,767 allerdings darf daraus noch nicht der Schluss gezogen werden, dass eine fiktive Abrechnung unzulässig sei. So ist der Vergleich zweier Vermögenslagen kein schadensrechtliches „Allheilmit761  Umfassend

zum Ganzen auch schon: Schlereth/Stenger, r+s 2022, 380 (381 f.). 13. Aufl., 2014, Vor § 249 Rn. 26. 763  Grundlegend: Mommsen, Zur Lehre von dem Interesse, S. 3; BeckOK/Flume, BGB, 64. Edition, Stand: 01.05.2022, § 249 Rn. 37; MünchKomm/Oetker, 9. Aufl., 2022, § 249 Rn. 18. 764  BGH, 05.02.2015, IX ZR 167/13, NJW 2015, 1373 Rn. 7. 765  Knütel, BauR, 2004, 591 (593 f.); Lotz, JuS 2019, 749 (750); zustimmend auch: BGH, 22.02.2018, VII ZR 46/17, BGHZ 218, 1 Rn. 33; a. A.: BGH, 27. 06.2002, VII ZR 238/0, NJW-RR 2002, 1596; BGH, 10.04.2003, VII ZR 251/02, NJW-RR 2003, 878 (879). 766  Vgl. BGH, 22.02.2018, VII ZR 46/17, BGHZ 218, 1 Rn. 24, 32; Knütel, BauR 2004, 591 (592 f.); Lotz, JuS 2019, 749 (750). 767  Exemplarisch: Soergel/Ekkenga/Kuntz, BGB, 13. Aufl., 2014, Vor § 249 Rn. 43; Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 249 Rn. 7; MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 249 Rn. 22. 762  Soergel/Ekkenga/Kuntz,

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

tel“. Die Differenzhypothese kann zwar einen Ausgangspunkt bilden, gleichwohl muss das Schadensrecht wertenden Betrachtungen offen stehen.768 Erkennt nun sogar der Gesetzgeber die Dispositionsfreiheit des Geschädigten im Rahmen des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB im Bereich von Sachschäden an,769 erscheint es nur folgerichtig, die fiktiv angefallenen Mangelbeseitigungskosten ebenfalls von der Differenzhypothese zu emanzipieren, da der erforder­ liche Geldbetrag auch nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB vor der tatsächlichen Reparatur gefordert werden kann. Somit sind auch die fiktiven Mängelbeseitigungskosten einer wertenden Korrektur zugänglich.770 Eine weitere tragende Säule des Schadensrechtes stellt das schadensrechtliche Bereicherungsverbot dar. Dieses Prinzip soll verhindern, dass der Schadensersatzgläubiger durch den zu erbringenden Schadensersatz bessergestellt wird, als er ohne das schädigende Ereignis stünde.771 Dabei wurde im Zuge der fiktiven Schadensbemessung die Befürchtung laut, der Schadensersatzgläubiger könne in unberechtigter Weise von diesem Berechnungsmodus finanziell profitieren; mithin überkompensiert werden.772 Bei genauerer Analyse bestehen diese Bedenken jedoch sowohl für den Kauf- als auch für den Werkvertrag nicht. Zwar wird die fiktive Schadensberechnung sicherlich nicht ohne Grund als „dritte Finanzierungssäule“ des Bauvorhabens bezeichnet,773 jedoch dürfen dabei nicht die schadensrechtlichen Schutzmechanismen übersehen werden, die einer potenziellen Überkompensation entgegenstehen. Danach ist insbesondere das aus § 251 Abs. 2 S. 1 BGB fließende Gebot der Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen.774 Danach sind die Mangelbeseitigungskosten nicht unbegrenzt ersatzfähig, sondern nur innerhalb verhältnismäßiger Grenzen.775 Das in § 251 Abs. 2 S. 1 BGB zum Vorschein tretende Wirtschaftlichkeitspostulat stellt somit ein wirkmächtiges Instrument dar, den Schadensersatzschuldner zu schützen. 768  Statt vieler: Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, Vor § 249 Rn. 42; MünchKomm/ Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 249 Rn. 22 m. w. N. 769  BT-Drucks. 14/7752, S. 23. 770  Zum Ganzen: Schlereth/Stenger, r+s 2022, 380 (381). 771  Exemplarisch: Soergel/Ekkenga/Kuntz, BGB, 13. Aufl., 2014, Vor § 249 Rn. 26; BeckOGK/Riehm, BGB, Stand: 01.07.2022, § 280 Rn. 207. Aus diesem Grundsatz wurde letztlich auch § 249 Abs. 2 S. 2 BGB geboren. Siehe dazu: BT-Drucks. 14/7752, S. 13. 772  BGH, 22.02.2018, VII ZR 46/17, BGHZ 218, 1 Rn. 34; Soergel/Buchwitz, BGB, 13. Aufl., 2022, § 634 Rn. 72 jeweils zum Werkvertragsrecht. 773  So: Voit, NJW 2018, 2166. Die anderen beiden „Säulen“ stellen das Eigenkapital und entsprechende Bankkredite dar. 774  Mohr, JZ 2019, 917 (921, 923); Riehm, NJW 2021, 27 Rn. 21; Staudinger/ Höpfner, BGB, 2021, § 249 Rn. 232. 775  Riehm, NJW 2021, 27 Rn. 21.

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Dieser restringierende Faktor enthält einen gewissen Wertungsspielraum, wie es schon durch die Formulierung „unverhältnismäßige Kosten“ bei § 251 Abs. 2 S. 1 BGB deutlich wird.776 Durch diesen ausfüllungsbedürftigen Begriff ist eine Betrachtung möglich, die den vertragsspezifischen Besonderheiten hinreichend Rechnung trägt.777 Überträgt man zudem den Rechtsgedanken des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB auch auf die Mangelbeseitigungskosten, kann diese Form der Schadensbemessung für den Schadensersatzschuldner sogar eine günstigere Alternative darstellen, da er für die Umsatzsteuer nicht aufkommen muss.778 Ein weiterer Aspekt, der gegen die Ersatzfähigkeit fiktiver Mangelbeseitigungskosten sprechen könnte, ist das Telos des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Diese Norm wurde mit der Intention geschaffen, den Geschädigten davor zu bewahren, das beschädigte Rechtsgut dem Schädiger zum Zwecke der in § 249 Abs. 1 BGB angeordneten Herstellung anvertrauen zu müssen.779 Macht der Schadensersatzgläubiger jedoch einen Schadensersatz statt der Leistung geltend, kann diese Zielsetzung nicht Platz greifen, da durch den Ausschluss des Nacherfüllungsanspruches der vormalige Zustand nicht mehr hergestellt werden kann. In der Folge besteht auch für den Schadensersatzgläubiger keine Gefahr mehr, die mangelhafte Sache dem Anspruchsgegner überlassen zu müssen.780 Allerdings erschöpft sich die Zwecksetzung des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB nicht allein in dieser gesetzgeberischen Vorstellung. Durch die Möglichkeit, sich der fiktiven Abrechnung bedienen zu können, wird ein Vereinfachungseffekt erzielt, der es ermöglicht, den zu ersetzenden Schadensposten schneller bestimmen zu können781 und weitergehende Schadensermittlungskosten zu vermeiden.782 So machte sich bereits der Bundesgerichtshof die fiktive Berechnungsmethode mittelbar zunutze, um den mangelbedingten Minderwert zu ermitteln.783 Dieses Vereinfachungsbedürf776  Staudinger/Höpfner,

BGB, 2021, § 249 Rn. 232. BGB, 2021, § 249 Rn. 232. 778  Dazu sowie zum Ganzen: Schlereth/Stenger, r+s 2022, 380 (382). 779  Mugdan, Die gesammten Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB, Band 2, 1899, S. 1235 = Denkschrift, S. 45: „Ist jedoch wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Ersatz zu leisten, so kann dem Geschädigten billigerweise nicht zugemutet werden, zum Zwecke der Herstellung eine in ihrem Erfolge oft zweifelhafte Einwirkung auf seine Person oder auf die Sache dem Ersatzpflichtigen ohne Weiteres zu gestatten.“ 780  Schlereth/Stenger, r+s 2022, 380 (382). 781  Riehm, NZM 2019, 273 (280); Schlereth/Stenger, r+s 2022, 380 (382); Soergel/ Buchwitz, BGB, 13. Aufl., 2022, § 634 Rn. 73. 782  Riehm, NZM 2019, 273 (280). 783  BGH, 23.06.1989, V ZR 40/88, BGHZ 108, 156 (160); BGH, 10.06.1998, V ZR 324/97, NJW 1998, 2905; BGH, 16.11.2007, V ZR 45/07, NJW 2008, 436 Rn. 12. 777  Staudinger/Höpfner,

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

nis besteht sowohl im direkten Anwendungsbereich des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als auch beim Schadensersatz statt der Leistung.784 Es bleibt im Ergebnis festzuhalten, dass allgemeine schadensrechtliche Befürchtungen nicht verfangen. So kann die fiktive Schadensberechnung neben der Differenzhypothese koexistieren und kann darüber hinaus mit einer beschleunigten und vereinfachten Schadensregulierung aufwarten. Zudem bietet der in § 251 Abs. 2 S. 1 BGB zum Ausdruck kommende Gedanke hinreichend Schutz vor potenzieller Überkompensation. d) Der Vorschussanspruch als Differenzierungskriterium Die Divergenz in der Judikatur wird maßgeblich auf das Vorfinanzierungsrisiko des Schadensersatzgläubigers gestützt.785 So bestünde im Werkvertragsrecht auch nach Erklärung des Schadensersatzverlangens ein Vorschussanspruch nach § 637 Abs. 3 BGB, an dem es im Kaufrecht mangele.786 In der Folge müsse dem Vorfinanzierungsrisiko des Käufers mit der fiktiven Schadensbemessung begegnet werden,787 wohingegen es für diese Schadensbemessungsform im Werkvertragsrecht keinen Platz gäbe.788 Käme man nun zu dem Schluss, dass der für den Werkvertrag entwickelte Vorschussanspruch auch dem Käufer zustünde, wäre nach der Argumentation des Bundesgerichtshofes die fiktive Schadensberechnung auch im Kaufrecht nicht mehr ohne weiteres anwendbar. Umgekehrt entfiele ein gewichtiger Grund, die fiktive Schadensbemessung im Werkvertragsrecht zu negieren, wenn sich ein entsprechender Vorschussanspruch dort nicht begründen ließe. Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes sprach dem Besteller einen solchen Anspruch auch nach Erklärung des Schadensersatzverlangens mit der Begründung zu, dass § 281 Abs. 4 BGB bereits grammatisch nicht entgegenstehe und aus dem Telos des gesetzlich normierten Vorschussanspruches des §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 3 BGB, der dem Gläubiger das Vorfinanzierungsrisiko abnehmen solle, die zwingende Notwendigkeit eines solchen Vorschussanspruches abzuleiten sei.789

r+s 2022, 380 (382). 08.10.2020, VII ARZ 1/20, NJW 2021, 53 Rn. 19. 786  BGH, 12.3.2021, V ZR 33/19, BGHZ 229, 115 Rn. 11. 787  BGH, 12.3.2021, V ZR 33/19, BGHZ 229, 115 Rn. 12. 788  BGH, 08.10.2020, VII ARZ 1/20, NJW 2021, 53 Rn. 32; BGH, 12.3.2021, V ZR 33/19, BGHZ 229, 115 Rn. 21; vgl. ferner auch schon: BGH, 22.02.2018, VII ZR 46/17, BGHZ 218, 1 Rn. 48–51. 789  BGH, 22.02.2018, VII ZR 46/17, BGHZ 218, 1 Rn. 51. 784  Schlereth/Stenger, 785  BGH,

D. Abstrakt berechneter Käuferschaden als nicht zugeflossener Vertragswert167

Mit Blick auf diese Begründung ist zunächst festzuhalten, dass der Vorschussanspruch des Bestellers nach §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 3 BGB nicht unmittelbar auf den Fall der fiktiven Mangelbeseitigungskosten anwendbar ist, da § 637 Abs. 3 BGB das Bestehen eines Selbstvornahmerechtes voraussetzt (§ 637 Abs. 1 BGB).790 Dieses Recht steht dem Besteller grundsätzlich nach erfolglosem Ablauf der Nachfrist zu. Allerdings wird in § 637 Abs. 1 Hs. 2 BGB deutlich, dass ein Selbstvornahmerecht nicht in Betracht kommt, wenn der Unternehmer die Nacherfüllung zu Recht verweigert. Daraus wird gefolgert, dass der Nacherfüllungsanspruch konstitutiv für das Selbstvornahmerecht ist, auf dem der Vorschussanspruch beruht.791 Ist der Nacherfüllungsanspruch des Bestellers aufgrund seines Schadensersatzverlangens nach § 281 Abs. 4 BGB erloschen, verbleibt auch kein Raum mehr für das Selbst­vor­ nahmerecht,792 sodass es unter stringenter Gesetzsubsumtion an den Voraussetzungen eines Vorschussanspruches des Bestellers nach dem Übergang auf den Schadensersatzanspruch mangelt. Wenn der Bundesgerichtshof den Vorschussanspruch über die Wortlautgrenze hinaus mit teleologischen Gesichtspunkten rechtfertigt, begibt er sich auf die Ebene der Rechtsfortbildung,793 da der Wortsinn die Grenze der Auslegung markiert.794 Für diesen Schritt wäre zunächst das Vorliegen einer Gesetzeslücke notwendig, die gemeinhin als „planwidrige Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechts […] gemessen am Maßstab der gesamten geltenden Rechtsordnung“795 verstanden wird. Kann hierbei ein konträrer Legislativwille festgestellt werden, der nicht korrekturbedürftig ist, also fortwährenden Geltungsanspruch erheben kann, so steht dieser Wille dem Element der Planwidrigkeit entgegen.796 Dabei schweigen jedoch die Materialien zur Entstehungsgeschichte des § 637 Abs. 3 BGB darüber, ob ein wirksamer Nacherfüllungsanspruch tatsächlich konstitutiv für das Selbstvornahmerecht ist, sodass sich kein aus-

790  Siehe

nur: Grüneberg/Retzlaff, BGB, 82. Aufl., 2023, § 637 Rn. 1. noch: Palandt/Sprau, BGB, 77. Aufl., 2018, § 637 Rn. 1; Staudinger/Peters, BGB, 2019, § 634 Rn. 78; Erman/Schwenker/Rodemann, BGB, 16. Aufl., 2020, § 637 Rn. 2; Messerschmidt/Voit/Moufang/Koos, Privates Baurecht, 4. Aufl., 2022, § 637 Rn.  7 f.; MünchKomm/Busche, BGB, 9. Aufl., 2023, § 637 Rn. 2. 792  Messerschmidt/Voit/Moufang/Koos, Privates Baurecht, 4. Aufl., 2022, § 637 Rn.  7 f. 793  Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1995, 3. Aufl., S. 143. 794  BVerfG, 23.10.1985, 1 BvR 1053/82, BVerfGE 71, 108 (115); BVerfG, 20.10.1992, 1 BvR 698/89, BVerfGE 87, 209 (224). 795  Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl., 1983, S. 39. 796  Jocham, Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, 2020, S. 187; dazu sowie zum Ganzen: Schlereth/Stenger, r+s 2022, 380 (383). 791  So

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

drücklicher Wille ermitteln lässt.797 Allerdings lässt sich ein entsprechender Wille mittelbar aus dem Umstand ableiten, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 637 Abs. 3 BGB eine Angleichung an die damals herrschende Auffassung erstrebte, die den Vorschussanspruch mit der Durchführung der Nacherfüllung verband.798 Im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung im Jahre 2002 bestrebte der Gesetzgeber nicht nur die bloße textliche Positivierung eines in der Rechtsprechung anerkannten Vorschussanspruches,799 sondern auch eine Übernahme des damit verbundenen Regelungsgehalts. Verknüpfte der Bundesgerichtshof daher den Vorschuss mit der Existenz des Nacherfüllungsanspruches,800 deutet dies daraufhin, dass sich auch der Gesetzgeber diese Voraussetzung zu eigen machen wollte. Diese Vorstellung ist dabei keineswegs aus der Luft gegriffen. Im Rahmen der Schuldrechtsreform befasste sich der Gesetzgeber an zahlreichen Stellen ausführlich mit dem Meinungs- und Streitstand in der Literatur und der Rechtsprechung und ließ die dort gewonnen Erkenntnisse in die Gesetzesbegründung einfließen.801 Diese Vorstellung spiegelt auch die gesetzesimmanente Teleologie wider:802 § 637 Abs. 3 BGB soll dem Besteller die Möglichkeit geben, sein reales Leistungsinteresse selbst zu erfüllen, indem über den Vorschussanspruch das Vorfinanzierungsrisiko minimiert wird und der Gläubiger somit den Nacherfüllungsanspruch gefahrlos selbst in die Hand nehmen kann.803 Scheidet der Nacherfüllungsanspruch durch § 281 Abs. 4 BGB aus, ist die Erfüllung des originären Leistungsinteresses nicht länger möglich, sodass der Schadensersatzgläubiger in Geld zu kompensieren ist (§ 251 Abs. 1 BGB). Der Nacherfüllungsanspruch als modifizierter Erfüllungsanspruch markiert daher die Grenze zwischen dem Interesse an der ursprünglichen Vertragserfüllung und dem Schadensersatz statt der Leistung.804 Die Linie zwischen Primär- und Sekundärrechten wird daher in systemwidriger Weise verwischt, wenn der Vorschussanspruch – als Mittel zur Verwirklichung des originären Leistungsinteresses – auch dann gewährt wird, wenn dieses Interesse nicht mehr befriedigt werden kann.805 Ist folglich eine planwidrige Unvollständigkeit zu verneinen, kann kein Vorschussanspruch mittels Rechtsfortbildung gewonnen 797  BT-Drucks. 798  BT-Drucks.

14/6040, S. 266. 14/6040, S. 266; BGH, 05.05.1977, VII ZR 36/76, BGHZ 68, 372

(377–379). 799  So etwa bei: BGH, 05.05.1977, VII ZR 36/76, BGHZ 68, 372 (377 f.). 800  BGH, 05.05.1977, VII ZR 36/76, BGHZ 68, 372 (377–379). 801  So beispielsweise bei: BT-Drucks. 14/6040, S. 122 f., 191–197, 220, 266. 802  Schlereth/Stenger, r+s 2022, 380 (383). 803  Siehe nur: MünchKomm/Busche, BGB, 9. Aufl., 2023, § 637 Rn. 19. 804  Schlereth/Stenger, r+s 2022, 380 (383). 805  Schlereth/Stenger, r+s 2022, 380 (383).

D. Abstrakt berechneter Käuferschaden als nicht zugeflossener Vertragswert169

werden. Jedoch ließe sich ein entsprechender Vorschussanspruch möglicherweise auch aus allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen gewinnen.806 Im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, den von der damalig vorherrschenden Auffassung anerkannten Vorschussanspruch zu positiveren.807 Dieser Anspruch wurde jedoch vom Bundesgerichtshof nur deshalb gewährt, um dem Vorfinanzierungsrisiko des Bestellers im Rahmen der Mängelbeseitigung wirkmächtig entgegenzutreten, sodass in der Konsequenz dem Besteller ein Vorschussanspruch im Wege des Schadensersatzanspruches nach § 635 BGB a. F. verwehrt wurde.808 Wenn nun der Gesetzgeber diese, zur Zeit der Schuldrechtsmodernisierung herrschende, Auffassung kodifizieren wollte und gleichzeitig den Vorschussanspruch nur mit der Selbstvornahme in Verbindung setzte,809 spricht dies gegen einen allgemeinen schadensrechtlichen Vorschussanspruch. Andernfalls wäre die ausdrückliche Positivierung des Vorschussanspruches im Rahmen des § 637 Abs. 3 BGB überflüssig gewesen.810 Obschon ein Rückgriff auf einen aus dem Schadensersatzrecht abzuleitenden Vorschussanspruch zur Beseitigung des Vorfinanzierungsrisikos geeignet scheint, bedarf es keines Rekurses auf diese nicht zweifelsfreie811 Konstruktion. Hierbei ist zu bedenken, dass zwischen einem Vorschuss- und Schadensersatzanspruch grundsätzliche Unterschiede bestehen. So ist ersterer zweckgebunden, wohingegen letzterer der Dispositionsfreiheit des Geschädigten unterliegt.812 Wenn aber das Wesen des Schadensrechtes gerade in der fehlenden Zweckgebundenheit liegt, wird die Dispositionsfreiheit in unzulässiger Weise eingeschränkt, wenn sich der Schadensersatz den Regeln des Vorschusses unterwerfen muss. Zudem stellt das bloße Vorfinanzierungsrisiko keinen ersatzfähigen Schaden i. S. d. §§ 249 ff. BGB dar. Im Gegensatz dazu kann die Abrechnung auf Basis der fiktiven Mängelbeseitigungskosten im Einklang mit den Vorgaben der §§ 249 ff. BGB813 erfolgen und erweist sich daher als gesetzesnäher. So wird die Dispositionsfreiheit umfassend gewahrt und der Schadensersatz kann nach Wahl des Geschädigten zur Beseitigung des Vorfinanzierungsrisikos eingesetzt werden. Die allge806  Picker, Die Naturalrestitution durch den Geschädigten, S. 230–234; dies., JZ 2018, 376 (379), die zu diesem Ergebnis unter Verweis auf § 249 Abs. 2 BGB gelangt; Halfmeier, BauR, 2013, 320 (324); Lotz, JuS 2019, 749 (752 f.). 807  BT-Drucks. 14/6040, S. 266. 808  BGH, 24.05.1973, VII ZR 92/71, BGHZ 61, 28. 809  BT-Drucks. 14/6040, S. 266. 810  Schlereth/Stenger, r+s 2022, 380 (383). 811  MünchKomm/Ernst, BGB, 9 Aufl., 2022, § 281 Rn. 146. 812  BGH, 13.03.2020, V ZR 33/19, NZBau 2021, 40 Rn. 44. 813  Vgl. Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 249 Rn. 230.

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

meingültige Konstruktion eines Vorschussanspruches stünde des Weiteren im Widerspruch zu der Vorstellung des Gesetzgebers, der bewusst davon abgesehen hat, ein Selbstvornahmerecht nebst Vorschussanspruch in das Kaufrecht aufzunehmen.814 Es bleibt daher festzuhalten, dass sich der vom VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes entwickelte Vorschussanspruch nicht rechtsdogmatisch begründen lässt. Ferner steht auch dem Käufer ein derartiger Anspruch nicht zu.815 Zwar kennt das Kaufrecht den Vorschussanspruch des § 439 Abs. 2 i. V. m. § 475 Abs. 4 BGB, jedoch erfasst dieser Anspruch lediglich Aufwendungen, die zum Zwecke der Nacherfüllung getätigt werden und nicht die genuinen Kosten der Nacherfüllung selbst.816 Somit trifft sowohl den Käufer als auch den Besteller ein Vorfinanzierungsrisiko. Zur Abfederung dieses Risikos bedarf es daher einer Abrechnung auf Basis der fiktiven Mängelbeseitigungskosten. Da weder allgemeine schadensrechtliche Bedenken bestehen und dem Vorfinanzierungsrisiko auch nicht mittels eines generellen Vorschussanspruches begegnet werden kann, ist die fiktive Schadensbemessung sowohl beim Kauf- als auch beim Werkvertrag zulässig.817 3. Der merkantile Minderwert Lässt der Käufer den Mangel erfolgreich beseitigen, besteht weiterhin die Gefahr, dass ein gewisser Restminderwert verbleibt. Dieser Malus, der als merkantiler Minderwert bezeichnet wird, lässt sich im Bereich von Unfallwagen unmittelbar auf eine zumindest gedanklich nicht auszuschließende, erhöhte Schadensanfälligkeit in Folge einer nicht fachgerechten Reparatur und der Sorge vor weiteren, unentdeckten Schäden zurückführen.818 Die Vorstellung, der Minderwert sei nur ersatzfähig, wenn der Schadensersatzgläubiger die re814  BGH, 23.02. 2005, VIII ZR 100/04, BGHZ 162, 219 (225 f.); BGH, 13.03.2020, V ZR 33/19, NZBau 2021, 40 Rn. 44. 815  BGH, 13.03.2020, V ZR 33/19, NZBau 2021, 40 Rn. 44. 816  Siehe dazu: BeckOK/Faust, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, §  439 Rn. 91; Schlereth/Stenger, r+s 2022, 380 (382); vgl. auch: MünchKomm/Westermann, BGB, 8. Aufl., 2019, § 439 Rn. 22. 817  Kritisch zur Differenzierung zwischen Kauf- und Werkvertrag: Seibel, MDR 2021, 78 Rn. 44. 818  Jeweils zu Unfallwägen: BGH, 03.10.1961, VI ZR 238/60, BGHZ 35, 396 (398); BGH, 23.11.2004, VI ZR 357/03, BGHZ 161, 151 (159). v. Gerlach, DAR 2003, 49 (53); a. A.: Frank, MDR 1985, 720 (722), der den Schaden in einer tatsächlich erhöhten Schadensanfälligkeit des Unfallwagens erblicken will; so auch: Riecker, VersR 1981, 517. Dagegen spricht jedoch, dass nicht jeder Unfall automatisch mit einer erhöhten Schadensanfälligkeit einhergehen muss. Es ist vordergründig die Sorge vor einer derartigen Schadensanfälligkeit, die zu einer niedrigeren Marktpreisbewertung führt.

D. Abstrakt berechneter Käuferschaden als nicht zugeflossener Vertragswert171

parierte Sache weiterverkaufen wolle,819 ist abzulehnen.820 Vielmehr ist dieser Schadensposten bei Unfallwagen darauf zurückzuführen, dass der Zustand der „Unfallfreiheit“ durch die Beschädigung nie mehr erreicht werden kann.821 In der Folge hat der Schädiger nach § 251 Abs. 1 Alt. 2 BGB822 Ersatz für dieses „Manko“ zu leisten. Hier zeigt sich der psychologische Kern des merkantilen Minderwertes.823 Die negative Bewertung am Markt lässt sich im Wesentlichen auf die Sorge vor möglichen Folgekosten im Falle eines Kaufes zurückführen. Im Ergebnis ist dem Bundesgerichtshof daher zuzustimmen, wenn er den merkantilen Minderwert bei Kraftfahrzeugunfällen als unmittelbaren aus der Beschädigung resultierenden Vermögensschaden begreift.824 Freilich lassen sich diese Überlegungen nicht exakt auf den Schadensersatz statt der Leistung bei der Lieferung einer mangelhaften Ware übertragen. Im Gegensatz zu beschädigten Kraftfahrzeugen hat der Käufer nie eine mangelfreie Sache erworben, sodass auch nicht sein Integritätsinteresse betroffen ist. Gleichwohl lässt sich der für die Beschädigung von Kraftfahrzeugen ausgesprochene Grundgedanke, dass der Zustand der „Unfallfreiheit“ nicht mehr erreicht werden kann, auch auf die Schlechtleistung übertragen. Wird die Mangelhaftigkeit der Sache durch eine Reparatur behoben, bestehen die gleichen Bedenken wie bei einer Sachbeschädigung. Der „Makel“ einer vormals bestehenden Reparaturbedürftigkeit und die damit zumindest gedanklich existierende Gefahr einer nicht fachgerechten Mangelbehebung sowie der möglicherweise noch nicht zu Tage getretenen verdeckten Mängel lässt sich auch in diesem Fall nicht beseitigen. Damit ist der herrschenden Ansicht Recht zu geben, wenn sie den merkantilen Minderwert nicht nur bei der Beschädigung von Kraftfahrzeugen,825 sondern auch bei der Lieferung von mangelhaften Sachen anerkennt.826 819  LG Berlin, 05.10.1954, 2 S 38/54, VersR, 1955, 95; LG Berlin, 25.01.1957, 2 O 409/54, VersR, 1957, 485 (486). 820  So auch: v. Gerlach, DAR 2003, 49 (53). 821  BGH, 29.04.1958, VI ZR 82/57, BGHZ 27, 181 (182). 822  Notthoff, VersR 1995, 1399 (1402). 823  Ebenso: Notthoff, VersR 1995, 1399 (1402). 824  BGH, 29.04.1958, VI ZR 82/57, BGHZ 27, 181 (182); BGH, 23.11.2004, VI ZR 357/03, BGHZ 161, 151 (159): „unmittelbarer Sachschaden“. 825  Exemplarisch für Kraftfahrzeuge: BGH, 03.10.1961, VI ZR 238/60, BGHZ 35, 396 (397); BGH, 18.09.1979, VI ZR 16/79, NJW 1980, 281; BGH, 23.11.2004, VI ZR 357/03, BGHZ 161, 151. 826  BGH, 06.12.2012, VII ZR 84/10, NJW 2013, 525 Rn. 7: Mängelbeseitigung bei einem Gebäude; zu § 635 BGB a. F.: BGH, 11.07.1991, VII ZR 301/90, NJW-RR 1991, 1429; Soergel/Benicke/Hellwig, BGB, 13. Aufl., 2014, § 281 Rn. 278; Erman/ Westermann, BGB, 15. Aufl., 2017, § 281; Rn. 31 („[…] nach den anerkannten Grundsätzen des Ersatzes eines merkantilen Minderwerts […]“); MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 281 Rn. 139.

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

Nichtsdestotrotz wurden auch kritische Stimmen laut, die die Ersatzfähigkeit des merkantilen Minderwertes anzweifeln.827 So wurde vor allem auf die verbesserten Reparaturmöglichkeiten und die mittlerweile veränderte Marktstruktur verwiesen, sodass bei Unfallfahrzeugen vielfach nur noch mit einem geringen Preisabschlag zu rechnen sei.828 Dagegen wurde vorgebracht, dass durch die zunehmende Verwendung von elektronischen Bauteilen selbst bei „kleinen“ Auffahrunfällen nicht nur Blech und Kunststoff beschädigt werden könnten.829 Beide Auffassungen haben einen validen Kern. Mit Blick auf die Lieferung einer mangelhaften Sache ist an den Grundsätzen des merkantilen Minderwertes festzuhalten.830 Aufgrund verbesserter Reparaturmöglichkeiten besteht zwar die Chance, eine mangelhafte Sache asymptotisch an den Zustand heranzuführen, der bestünde, wenn die Kaufsache nie mangelhaft gewesen wäre. Gleichwohl kann die Mangelbeseitigung sogar in diesen Fällen nicht immer das marktgegebene „Manko“ beseitigen, das einer vormals reparaturbedürftigen Sache anhaftet. Somit muss die jeweilige Reparaturqualität und die damit korrelierende Sorge vor weiteren versteckten Mängeln und nicht fachgerechter Ausführung über die Schadensschätzung des § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO berücksichtigt werden.831 Der merkantile Minderwert wird im Bereich von Kraftfahrzeugunfällen durch die Differenz zwischen dem erzielbaren Verkaufspreis vor und nach dem Unfall ermittelt.832 Diese Auffassung mag bei beschädigten Kraftfahrzeugen durchaus überzeugen, da Gebrauchtwagen in der Regel leicht absetzbar sind.833 Allerdings lässt sich diese Lösung nicht ohne weiteres auf die Lieferung mangelhafter Sachen übertragen. Dagegen spricht, dass gebrauchte Sachen nicht immer problemlos absetzbar sind und insbesondere Privatleute nur über einen beschränkten Marktzugang verfügen. Vor allem leuchtet es aber nicht ein, auf den Absatzmarkt des Käufers für die Schadensberechnung zu verweisen, wenn dieser niemals vorhatte, die Sache zu veräußern. Auf diese Weise würde ein Schaden ersetzt, der womöglich niemals angefallen

827  Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 251 Rn. 35: „Ob […] ein Ersatz für den merkantilen Minderwert angemessen ist, darf man bezweifeln.“ 828  Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 251 Rn. 35. 829  Eggert, VersR 2004, 280 (282). 830  So auch für Unfallwägen: BGH, 23.11.2004, VI ZR 357/03, BGHZ 161, 151 (159): „trotz aller Fortschritte der Reparaturtechnik“. 831  Erman/Ebert, BGB, 16. Aufl., 2020, § 251 Rn. 9. 832  Eggert, VersR 2004, 280 (286); Hufnagel, NZV 2010, 235; Geigel/Knerr, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., 2011, S. 80 Rn. 56. 833  Vgl. Eggert, VersR 2004, 280 (285 f.), wonach die Inzahlunggabe bei einem Händler ausschlaggebend sein soll.

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wäre. Zudem bestünde die Gefahr, die Regelung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB zu unterlaufen.834 Mit dem merkantilen Minderwert geht eine ablehnende Haltung der Marktteilnehmer einher, die in einer niedrigeren Bewertung des Kaufobjektes am Markt resultiert.835 Versucht nun der Käufer tatsächlich das Objekt auf seinem Absatzmarkt zu veräußern, kann er einen etwaigen Mindererlös in seine konkrete Schadensberechnung einstellen. Berechnet er hingegen seinen Schaden abstrakt, ist der Verkehrswert der Kaufsache in Blick zu nehmen. Hätte der Verkäufer ordnungsgemäß geliefert, wäre das Vermögen des Käufers um den Betrag gewachsen, den die Kaufsache im mangelfreien Zustand wert ist. Die Wertminderung muss daher auf der Marktstufe berechnet werden, auf der sich der mangelhaft liefernde Verkäufer und der Schadensersatzgläubiger treffen.836 Es wird dadurch kein entgangener Gewinn ersetzt, sondern der monetäre Wert, der einer ordnungsgemäßen Erfüllung zugrunde liegt. Der Begriff „merkantil“ darf insofern nicht falsch verstanden werden, da aus diesem Terminus nicht zwangsläufig auf ein entsprechendes Absatzgeschäft des Käufers geschlossen werden kann.837 Der merkantile Minderwert bestimmt sich daher nach der Differenz zwischen dem Verkehrswert der Sache, nach der durchgeführten Reparatur und dem Verkehrswert einer von Beginn an mangelfreien Sache. Dabei ist der Minderwert für den Moment zu ermitteln, an dem der Mangel behoben wird,838 da sich zu diesem Zeitpunkt die potenzielle Wertdiskrepanz realisiert. Um die Höhe des merkantilen Minderwertes präziser bestimmen zu können, wurden in der Vergangenheit eine Vielzahl von Berechnungsmethoden entwickelt.839 Dabei wird dieser Malus anhand leicht festzustellender fester Bezugsgrößen determiniert.840 So hat sich in der Rechtsprechung unter anderem die Berechnungsmethode von Ruhrkopf/Sahm durchsetzen können. Hierbei wird ein nach Zulassungsjahr gestaffelter Prozentsatz aus der Summe der Reparaturkosten und des Zeitwertes als taugliche Bezugsgröße ermit-

834  Dazu

bereits unter: 1. Kap. D. I. 1. a). v. Gerlach, DAR 2003, 49 (53) (Fn. 45): „Das preisbestimmende Misstrauen des Kaufkunden ist lediglich eine unselbstständige Folge […].“ 836  Dazu bereits unter: 1. Kap. D. I. 837  Kritisch gegenüber dem Begriff des „merkantilen“ Minderwertes: v. Gerlach, DAR 2003, 49 (53) (Fn. 45). 838  Ebenso: BGH, 02.12.1966, VI ZR 72/65, NJW 1967, 552 (553); Soergel/Ekkenga/Kuntz, BGB, 13. Aufl., 2014, § 249 Rn. 144. 839  Siehe nur: BGH, 18.09.1979, VI ZR 16/79, NJW 1980, 281 (282); MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 249 Rn. 57. 840  So z. B. die Berechnungsmethode von Ruhkopf/Sahm, DAR 1962, 593 (596). 835  A. A.:

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

telt.841 Diese Formeln wurden jedoch speziell auf Kraftfahrzeuge zugeschnitten.842 Allerdings wurde sogar bei diesem eingegrenzten Anwendungsbereich Kritik laut, dass für die Bestimmung des merkantilen Minderwertes die Besonderheiten des Einzelfalles nicht hinreichend genug gewürdigt würden.843 Es erscheint daher kaum möglich, diese vom Bundesgerichtshof gebilligten Berechnungsansätze auf die Lieferung mangelhafter Sachen zu übertragen. Des Weiteren sind verallgemeinernde Formeln zumindest bei der mangelhaften Lieferung von Waren nicht geeignet, um die Höhe des merkantilen Minderwertes bestimmen zu können. Die Vielfalt an möglichen Mängeln und betroffenen Waren erscheint zu groß, um typisierende Betrachtungen anstellen zu können, da diese Form des Minderwertes nicht nur bei Kraftfahrzeugen auftreten kann. Sicherlich werden aber Faktoren wie der Umfang des Mangels sowie die Komplexität, der mit der Mangelhaftigkeit einhergehenden Reparatur, zu berücksichtigen sein. Ein Sachverständigengutachten wird jedoch kaum zu umgehen sein, um die Höhe des Minderwertes bestimmen zu können.844 Selbstverständlich kann nicht jeder Mangel einen merkantilen Minderwert auslösen. Dies wurde bereits für beschädigte Kraftfahrzeuge zutreffend festgestellt.845 Geringfügige Mängel sind somit auszunehmen. Zur Ermittlung derartiger Bagatellmängel können feste Prozentgrenzen, die wiederum an bestimmten Bezugsgrößen zu ermitteln sind,846 keine gesicherte Grundlage 841  BGH, 18.09.1979, VI ZR 16/79, NJW 1980, 281 (282); OLG Stuttgart, 31.07.1968, 13 U 45/68, VersR 838; dazu auch: Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 251 Rn. 36; m. w. N. aus der Rechtsprechung: Lange/Schiemann/Schiemann, Schadensersatz, Band 1, 3. Aufl., 2003, § 6 VI 3, S. 269 Fn. 127; ebenfalls vom BGH anerkannt: Halbgewachs, Der merkantile Minderwert, 9. Aufl., 1979, S. 25–28; siehe dazu: BGH, 18.09.1979, VI ZR 16/79, NJW 1980, 281 (282); daneben werden die Reparaturkosten als alleiniges Kriterium zur Bestimmung des merkantilen Minderwertes als zu schematisch abgelehnt: OLG Frankfurt, 09.02.1978, 1 U 47/77, VersR 1978, 1044; Notthoff, VersR 1995, 1399 (1402). 842  Vgl. Ruhkopf/Sahm, DAR 1962, 593 (596), wenn diese ihre Formel „aufgrund jahrelanger Erfahrungen und Überprüfung von Tausenden von Schadensfällen unter besonderer Beobachtung des Marktgeschehens“ entwickelt haben; siehe ferner auch: Halbgewachs, Der merkantile Minderwert, 9. Aufl., 1979, S. 15, 25 f., der explizit Faktoren wie Listenpreis, Fahrzeugalter, Lackierungskosten für die Berechnung voraussetzt und Nutzfahrzeugen einen merkantilen Minderwert in der Regel abspricht. 843  AG Braunschweig r+s 1999, 508 (509); Hörl, ZfS 1991, 145. 844  So auch: Vuia, NJW 2012, 3057 (3060). 845  Statt vieler: MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 249 Rn. 55 m. w. N. 846  LG Köln, 06.05.1980, 3 O 611/78, VersR 1981, 45; AG Rastatt, 30.05.1996, 1 C 123/96, VersR 1998, 650; AG Karlsruhe, 10.10.1997, 8 C 253/97, ZfS 1998, 13; siehe für diese und weitere Nachweise auch: Erman/Ebert, BGB, 16. Aufl., 2020, § 251 Rn. 8.

D. Abstrakt berechneter Käuferschaden als nicht zugeflossener Vertragswert175

bieten.847 Lediglich durch die Verkehrsanschauung lässt sich bestimmen, ob ein Mangel als Bagatelle zu bewerten ist.848 Schematische Berechnungen können dem Umstand nicht ausreichend Rechnung tragen, dass sogar die Behebung kleiner Mängel Einfluss auf den Wert haben kann. Dies gilt insbesondere bei Sammlerobjekten wie Oldtimern, bei denen der möglichst original erhaltene Zustand eine besonders hohe Bedeutung hat.849 Dass für die mangelhaft gelieferte Sache ein (Gebraucht-)Markt existiert, wie dies vereinzelt gefordert wird,850 ist nicht notwendig.851 Es kommt einzig darauf an, dass aufgrund der Mangelhaftigkeit und der damit einhergehenden Sorge vor einer nicht fachgerecht ausgeführten Reparatur oder weiteren versteckten Mängeln, ein durchschnittlicher Käufer diesem „Manko“ mit einem Preisabschlag begegnen würde. In der daraus resultierenden Verkehrswertsminderung wäre ein ersatzfähiger merkantiler Minderwert zu erblicken. 4. Die abstrakte Schadensberechnung im Lichte des „großen“ Schadensersatzes Dem Käufer steht es daneben noch frei, sich dafür zu entscheiden, die Sache nicht mehr zu behalten und daher Schadensersatz statt der ganzen Leistung zu verlangen, sofern die Pflichtverletzung nach § 281 Abs. 1 S. 3 BGB nicht unerheblich war. Dabei verlangt er, so gestellt zu werden, als hätte der Verkäufer wie im Falle des § 281 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB nicht geleistet. Im Gegenzug kann der Verkäufer die Kaufsache nach § 281 Abs. 5 BGB über die Rücktrittsregeln der §§ 346–348 BGB herausverlangen. Dabei ist wiederum eine Berechnung nach der Differenz- oder Surrogationsmethode möglich.852 Nach der Surrogationsmethode kommt es zu einem realen Austausch der Leistungen, wobei das Interesse des Gläubigers an der ausgebliebenen Leistung in Geld ersetzt wird.853 Der Käufer müsste demnach zwar den Kaufpreis zahlen, könnte aber gleichzeitig den Verkehrswert der Sache im mangelfreien Zustand in die Schadensberechnung einstellen. Die Differenztheorie stellt hingegen nur auf den Unterschied zwischen der GegenleisVersR 1995, 1399 (1402). BGB, 9. Aufl., 2022, § 249 Rn. 55. 849  OLG Düsseldorf, 30.11.2010, 1 U 107/08, NJW-RR 2011, 898 (899 f.); zum Ganzen: MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2019, § 249 Rn. 55. 850  Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl., 2023, § 251 Rn. 15. 851  v. Gerlach, DAR 2003, 49 (54); Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 251 Rn. 36 m. w. N. 852  Siehe dazu bereits: 1. Kap. B. IV. 4. a). 853  Statt aller: Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, § 280 Rn. E41; MünchKomm/ Emmerich, 9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 13. 847  Notthoff,

848  MünchKomm/Oetker,

176

1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

tung und dem monetären Interesse der Leistung ab.854 In diesem Fall könnte der Käufer nur die Differenz zwischen Vertragspreis und seinem höheren Verkehrswert geltend machen. Wurde bereits der Rücktritt erklärt, kommt jedoch nur eine Berechnung nach der Differenzmethode in Betracht.855 5. Zusammenfassung der Ergebnisse Der mangelbedingte Minderwert stellt das mängelrechtliche Pendant zur abstrakten Schadensberechnung bei Nichtleistung dar. Durch die Zahlung eines Geldbetrages soll der vertragsmäßig geschuldete Verkehrswert dem Vermögen des Käufers zugeführt werden. Der mangelbedingte Minderwert ist dabei an dem Bestimmungsort für den Moment zu ermitteln, an dem die Leistungspflicht des Verkäufers ausgeschlossen wird. Der Verkehrswert der Sache in mangelfreiem Zustand ist dabei auf dem Beschaffungsmarkt des Schadensersatzgläubigers zu bestimmen. Die Abrechnung auf fiktiver Reparaturkostenbasis ist sowohl im Kauf- als auch im Werkvertragsrecht zulässig. Die im Wesentlichen auf der Existenz eines Vorschussanspruches aufbauende Differenzierung zwischen den beiden Vertragstypen verfängt nicht. Der Nacherfüllungsanspruch ist konstitutiv für das Selbstvornahmerecht des § 637 Abs. 1 BGB, der einen Vorschussanspruch nach § 637 Abs. 3 BGB überhaupt erst ermöglicht. Geht der Besteller jedoch auf den kleinen Schadensersatz über, wird der Nacherfüllungsanspruch von der Ausschlusswirkung des § 281 Abs. 4 BGB erfasst, sodass die Phase der (Nach-)Erfüllung beendet wurde. In der Folge trifft den Besteller ein Vorfinanzierungsrisiko. Dieses Risiko trifft auch den Käufer, da es im Kaufrecht ebenfalls an einem entsprechenden Vorschussanspruch fehlt. Auch aus allgemeinen, schadensrechtlichen Grundsätzen lässt sich ein entsprechender Anspruch nicht gewinnen. Weiterhin wird die Gefahr einer Überkompensation durch das Wirtschaftlichkeitspostulat des § 251 Abs. 2 S. 1 BGB aufgefangen und es wird eine vereinfachte und beschleunigte Möglichkeit der Schadensregulierung geschaffen. Nach tatsächlich durchgeführter Mangelbeseitigung verbleibt jedoch womöglich ein merkantiler Minderwert, der als unmittelbarer Sachschaden zu klassifizieren ist. Dieser Schadensposten resultiert aus der Befürchtung, dass sich noch weitere Mängel verbergen und die Schadensanfälligkeit in Folge einer nicht sachgerechten Reparatur erhöht wurde. Zu ersetzen ist die Differenz zwischen dem Verkehrswert der Sache nach erfolgter Reparatur und 854  Statt aller: Soergel/Benicke/Hellwig, BGB, 13. Aufl., 2014, § 281 Rn. 245; Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, § 280 Rn. E41. 855  Siehe dazu bereits: 1. Kap. B. IV. 4. a).



E. Der abstrakt berechnete Käuferschaden nach § 376 Abs. 2 HGB177

dem Verkehrswert im Fall einer von Anfang an mangelfreien Lieferung. Feste Prozentgrenzen, um den merkantilen Minderwert ermitteln zu können, werden dem jeweiligen Einzelfall nicht gerecht, sodass die individuellen Umstände über die Schadenschätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO zu berücksichtigen sind.

E. Der abstrakt berechnete Käuferschaden nach § 376 Abs. 2 HGB Will der Käufer seinen Schaden abstrakt berechnen, ist auch die Vorsicht des § 376 Abs. 2 HGB in den Fokus zu rücken: „Wird Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt und hat die Ware einen Börsen- oder Marktpreis, so kann der Unterschied des Kaufpreises und des Börsenoder Marktpreises zur Zeit und am Orte der geschuldeten Leistung gefordert werden.“

Als einzige Norm des deutschen Privatrechtes ordnet § 376 Abs. 2 HGB in seiner direkten Anwendung eine abstrakte Schadensberechnung für den Käufer und den Verkäufer ausdrücklich an, wenn ein Handelsgeschäft mit einer Fixkomponente vorliegt. Jedoch wird neben den allgemeinen Berechnungsparametern insbesondere zu klären sein, inwieweit diese Vorschrift mittels Rechtsfortbildung über ihren Wortlaut hinaus Platz greifen kann.

I. § 376 Abs. 2 HGB in seiner direkten Anwendung Die in § 376 Abs. 2 HGB normierte Berechnungsmethode soll dem nicht belieferten Käufer den Verkehrswert der Ware im Falle einer Nichtleistung des Verkäufers gewähren.856 Dieser Wert ist allerdings keineswegs mit einem gegenüber jedermann gültigen objektiven Wert gleichzusetzen, da ein solcher universal gültiger Wert nicht existiert.857 § 376 Abs. 2 HGB ersetzt stattdessen den sich unter Zugrundelegung der jeweiligen Marktstufe ergebenden Wertzuwachs, der bei ordnungsgemäßer Lieferung zur Lieferzeit und am Lieferort eingetreten wäre. Diese Vermögenssteigerung wird dem Käufer aufgrund der Nichterfüllung des Verkäufers vorenthalten.858 Insofern überschneiden sich die abstrakte Schadensberechnung im weiteren Sinne und

856  Huber, in: FS für Karten Schmidt, 2009, 725 (740); Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Achilles, HGB, 4. Aufl., 2020, § 376 Rn. 36; vgl. auch: Rabel, Das Recht des Warenkaufs, 1. Band, 1936, S. 455. 857  Siehe dazu bereits: 1. Kap. C. II. 858  Ähnlich: Huber, in: FS für Karsten Schmidt, 2009, 725 (740).

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

§ 376 Abs. 2 HGB inhaltlich, da in beiden Fällen der Verkehrswert der Ware abstrakt ermittelt wird.859 Allerdings ordnet § 376 Abs. 2 HGB einen gesetzlich normierten Mindestschaden an.860 In der Folge kommt es nicht darauf an, wie sich das Vermögen des Anspruchsgläubigers tatsächlich verändert hat, sodass diese Berechnungsform als abstrakte Schadensberechnung im engeren Sinne zu klassifizieren ist.861 In der Folge kann der Käufer diesen Schaden unabhängig von einigen Einzelfallfaktoren geltend machen, sodass insbesondere eine Schadensminderungsobliegenheit nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB durch einen unterlassenen Deckungskauf von vornherein ausscheidet.862 Im Gegensatz zur Berechnungsmethode des Art. 76 Abs. 1 CISG, die im Kontext des Art. 75 CISG, den Markteinkaufspreis als Berechnungsbasis heranzieht,863 schweigt das Gesetz darüber, ob sich der Begriff des Marktpreises in § 376 Abs. 2 HGB an dem Markteinkaufspreis oder dem Marktverkaufspreis orientiert. Zwar wurden bereits beide Möglichkeiten sowohl von der Rechtsprechung als auch vom Schrifttum als maßgeblich erachtet,864 allerdings vermag nur der Markteinkaufspreis als tauglicher Ansatzpunkt zu überzeugen. Die zum Teil in der Literatur vertretene Ansicht,865 der Begriff

859  Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl., 1982, § 376 Rn. 24; Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 100; Bardo zustimmend: Atamer, in: FS für Magnus, 2014, 145 (153). 860  Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5.  Aufl., 1982, § 376 Rn. 21; Dölle/Weitnauer, Kommentar zum Einheitlichen Kaufrecht, 1976, Art. 84 Rn. 3, die jeweils auf einen „normativen“ Schaden verweisen. 861  Siehe zur hier verwendeten Terminologie unter: Einleitung II. 2. 862  Statt vieler: v. Rechenberg/Ludwig/Büchel, Kölner Handbuch Handels- und Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., 2017, 4. Kap. Rn. 214; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Achilles, HGB, 4. Aufl., 2020, § 376 Rn. 37 m. w. N. 863  Art. 75 CISG ersetzt den konkreten Schaden, der durch ein Deckungsgeschäft entstanden ist. Um zu verhindern, dass der Käufer dabei Geschäftsinterna offenlegen muss, wurde Art. 76 CISG konzipiert, sodass der Schadensersatzgläubiger seiner Schadensberechnung auch einen hypothetischen Deckungskauf zugrunde legen kann (MünchKomm/Mankowski, HGB, 5. Aufl., 2021, Art. 76 CISG Rn. 1). Somit beschreibt der Begriff „Marktpreis“ in Art. 76 Abs. 1 CISG den Markteinkaufspreis. Siehe dazu: Brunner/Schmidt-Ahrendts/Czarnecki, UN-Kaufrecht, CISG, 2014, Art. 76 Rn. 3; Huber, in: FS für Karsten Schmidt, 2009, 725 (734). 864  Für den Marktverkaufspreis: RG, 22.12.1908, II 254/08, LZ 1909, Spalte 321 Nr. 4 (322); Huber, in: FS für Karten Schmidt, 2009, 725 (740); für den Markteinkaufspreis: OLG Düsseldorf, 11.06.1987, 6 U 46/86, NJW 1988, 1382 (1383); Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 113 f.; Knobbe-Keuk, VersR 1976, 401 (405); MünchKomm/Grunewald, HGB, 5. Aufl., 2021, § 376 Rn. 23. 865  Häublein/Hoffmann-Theinert, HGB, 2017, § 376 Rn. 14; Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Achilles, HGB, 4. Aufl., 2020, § 376 Rn. 36; siehe dazu auch schon die



E. Der abstrakt berechnete Käuferschaden nach § 376 Abs. 2 HGB179

des Marktpreises ließe sich sowohl auf dem Absatzmarkt als auch auf dem Beschaffungsmarkt bestimmen, verfängt nicht. Verweist man auf den Absatzmarkt des nicht belieferten Käufers wird damit auch dessen Händlerspanne erfasst, sodass mittelbar ein entgangener Gewinn ersetzt wird. Insofern ist Hubers Überlegung zu widersprechen, wenn dieser davon ausgeht, dass der Marktpreis für „Einkauf“ und „Verkauf“ bei marktgängigen Waren identisch wäre.866 Der Markteinkaufs- und der Marktverkaufspreis sind grundsätzlich nur dann identisch, wenn sich Anbieter und Nachfrager auf einer Marktstufe „treffen“. In diesen Fällen entspricht der Einkaufspreis des Käufers dem Verkaufspreis des Verkäufers.867 Der Marktpreis der Ware ist daher anhand des Markteinkaufspreises zu bestimmen, da nur auf diese Weise die verschiedenen Marktstufen ausreichend Berücksichtigung finden und die zu § 252 S. 2 Alt. 1 BGB entwickelten Grundsätze nicht unterlaufen werden. Jedoch stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob ein Markt- oder Börsenpreis tatsächlich für die Schadensberechnung des § 376 Abs. 2 HGB konstitutiv ist. Während der Wortlaut dieser Vorschrift ausdrücklich derartige Preise voraussetzt, ließe sich unter Zugrundelegung der Zielsetzung der abstrakten Schadensberechnung auch ein anderes Ergebnis annehmen. So dient diese Berechnungsmethode in erster Linie dazu, den Verkehrswert der geschuldeten Leistung zu ermitteln. Wie bereits im Zuge der abstrakten Schadensberechnung im weiteren Sinne gezeigt, entgeht dieser Wert unabhängig davon, ob sich ein Markt- oder Börsenpreis ermitteln lässt.868 Dennoch ist in dieser Frage an dem Wortlaut des § 376 Abs. 2 HGB festzuhalten. Andernfalls bestünde die Sorge, dass durch die aufwendige Ermittlung des Verkehrswertes die mit dieser Vorschrift intendierte beschleunigte Abwicklung gestörter Verträge verloren ginge.869 In Bezug auf die restlichen Berechnungsparameter ordnet § 376 Abs. 2 HGB an, dass der Börsen- oder Marktpreis zur Zeit und am Ort der geschuldeten Leistung gefordert werden kann. Bei näherer Analyse erscheint eine andere Sichtweise jedoch sinnvoller: von Müller vertretenen Ansicht in der Vorauflage: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Müller, HGB, 3. Aufl., 2015, § 376 Rn. 51. 866  Huber, in: FS für Karten Schmidt, 2009, 725 (740). 867  Siehe zu den Markstufen bereits unter: 1. Kap. B. IV. 1. b) aa). 868  Dazu bereits unter: 1. Kap. I. 1. b). 869  Zur Ratio des § 376 Abs. 1 HGB: Oetker/Koch, HGB, 7. Aufl., 2021, § 376 Rn. 2; Staub/Koller, HGB, Großkommentar, Band 9, 5. Aufl., 2013, § 376 Rn. 1; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Achilles, HGB, 4. Aufl., 2020, § 376 Rn. 4; zur Unanwendbarkeit des § 376 Abs. 2 HGB: Hopt/Leyens, HGB, 42. Aufl., 2023, § 376 Rn. 14.

180

1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

So wurde bereits vorgeschlagen, anstelle der Leistungszeit auf den Moment abzustellen, an dem der Erfüllungsanspruch nach § 376 Abs. 1 S. 2 HGB erlischt.870 Im Gegensatz zum bürgerlichen Recht geht der Erfüllungsanspruch des Schadensersatzgläubigers nach § 376 Abs. 1 S. 2 HGB automatisch unter, wenn dieser nicht „sofort“ nach der vereinbarten Leistungszeit auf Erfüllung besteht. Dadurch fallen das Erlöschen des originären Erfüllungsanspruches und der Moment der vertraglich vereinbarten Leistungszeit auseinander, da sie durch den unbestimmten Zeitraum der sofortigen Anzeige getrennt werden. Für den Wortlaut des § 376 Abs. 2 HGB ließe sich anführen, dass der Käufer sich den Warenwert zu genau diesem Zeitpunkt sichern wollte871 und der Begriff „sofort“ mit einem gewissen Unsicherheitsfaktor einhergeht, da der genaue Moment nicht exakt bestimmt werden könnte. Jedoch spricht für den Moment des § 376 Abs. 1 S. 2 HGB der Gleichlauf zu § 281 Abs. 4 BGB und der abstrakten Schadensberechnung im weiteren Sinne. Wird der Verkehrswert abstrakt berechnet, kommt es auf den Moment des Anspruchsunterganges an. Erst jetzt tritt der Schadensersatz statt der Leistung an die Stelle des originären Erfüllungsanspruches. Dass dem zugrunde liegenden Vertrag eine Fixkomponente innewohnt, stellt kein hinreichendes Abgrenzungskriterium dar. Zudem sind auch keine Unsicherheitsfaktoren in Bezug auf den Begriff „sofort“ zu befürchten, da der Käufer durch diese Formulierung zur höchsten Eile und zum schnellstmöglichen Handeln aufgefordert wird.872 Zudem lässt sich ein bestimmtes Maß an Ungenauigkeit auch bei der vertraglich vereinbarten Lieferzeit nicht umgehen. Einigen sich Käufer und Verkäufer darauf, dass die Lieferung im Laufe eines bestimmten Tages erfolgen soll, ohne dies auf einen noch genaueren Zeitraum zu konkretisieren, können auch in diesem Fall Schwierigkeiten in Hinsicht auf die Marktpreisermittlung auftreten, wenn es an diesem Tag innerhalb weniger Stunden zu starken Marktbewegungen kommt.873 In Bezug auf den maßgeblichen Ort kommt es nach dem Wortlaut des § 376 Abs. 2 HGB auf den Erfüllungsort an.874 Während dieser Ort bei der Hol- und Bringschuld noch akzeptabel erscheint, wird diese Auffassung der 870  So:

Flume, AcP 215 (2015), 282 (343). Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 102. 872  Vgl. BGH, 10.03.1998, X ZR 7/96, NJW 1998, 1489 (1490); Schlegelberger/ Hefermehl, HGB, 5. Aufl., 1982, § 376 Rn. 16; Staub/Koller, HGB, Großkommentar, Band 9, 5. Aufl., 2013, § 376 Rn. 27. 873  Nichtsdestotrotz wird es auf praktischer Ebene nur selten einen Unterschied machen, ob auf die vereinbarte Lieferzeit oder den Moment des § 376 Abs. 1 S. 2 HGB abzustellen ist. 874  Lessmann, JA 1990, 143 (148). 871  Bardo,



E. Der abstrakt berechnete Käuferschaden nach § 376 Abs. 2 HGB181

Funktion der abstrakten Schadensberechnung im Zuge der Schickschuld nicht gerecht. So fließt dem Käufer der Verkehrswert der geschuldeten Lieferung nicht mit der Übergabe an die Transportperson zu. De lege ferenda erscheint insgesamt ein Gleichlauf mit der abstrakten Schadensberechnung im weiteren Sinne überzeugender, sodass in jedem Fall auf den Bestimmungs- oder den subsidiär zu ermittelnden Ablieferungsort abzustellen ist.875 Lässt sich am besagten Ort kein Marktpreis ermitteln, kann auf den nächstgelegenen Ort, an dem sich ein Marktpreis ermitteln lässt, verwiesen werden.876 Eine Anrechnung etwaiger Transportkosten unterbleibt, da dies wiederum dem Beschleunigungszweck entgegenstehen würde und § 376 Abs. 2 HGB einen gesetzlichen Mindestschaden anordnet. Des Weiteren handelt es sich bei § 376 Abs. 2 HGB um einen gesetzlich geregelten Fall der Differenzmethode,877 da durch das Erlöschen des Erfüllungsanspruches nach § 376 Abs. 1 S. 2 HGB die Surrogationsmethode ausscheidet. Die hier präferierten Wortlautabweichungen lassen sich aus methodischer Sicht nicht auf die Auslegung des § 376 Abs. 2 HGB stützen, da dessen Grenze durch den Wortlaut der Norm markiert wird.878 Um jedoch der objektiven Teleologie des § 376 Abs. 2 HGB Rechnung tragen zu können, die gerade die abstrakte Schadensberechnung und damit die abstrakte Ermittlung des ausgebliebenen Verkehrswertes für sich beansprucht, erscheint eine teleologische Modifikation dieser Vorschrift angezeigt.879 Denn es geht nicht singulär um die Ausweitung oder Einschränkung des Wortlautes, sondern entsprechend dem modus operandi der teleologischen Modifikation um eine Einschränkung des Wortlautes bei gleichzeitiger Extension des Sinngehaltes. Mit anderen Worten: Es kommt nicht auf den Zeitpunkt und den Ort der geschuldeten Leistung an, sondern § 376 Abs. 2 HGB ist vielmehr so zu verstehen, dass sich der maßgebliche Zeitpunkt an dem Moment des § 376 Abs. 1 S. 2 HGB orientiert und der entscheidende Ort der Bestimmungsoder der subsidiär zu ermittelnden Ablieferungsorte ist.

875  Dazu

bereits unter: 1. Kap. D. I. 4. b). JA 1990, 143 (148). 877  BeckOK/Lorenz, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 281 Rn. 37. 878  BVerfG, 23.10.1985, 1 BvR 1053/82, BVerfGE 71, 108 (115); BVerfG, 20.10.1992, 1 BvR 698/89, BVerfGE 87, 209 (224); Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack/ Looschelders, BGB, 4. Aufl., 2021, Anh. zu § 133 Rn. 12. 879  Zur Rechtsfigur der teleologischen Modifikation: Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack/Looschelders, BGB, 4. Aufl., 2021, Anh. zu § 133 Rn. 48 f. 876  Lessmann,

182

1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

II. Kein Handelsgeschäft aufseiten des Käufers Nach § 345 HGB kommen die Vorschriften über Handelsgeschäfte für beide Parteien zum Tragen, wenn es sich um ein einseitiges Handelsgeschäft handelt und sich aus der jeweiligen Norm nichts anderes ergibt. Ein Handelsgeschäft liegt vor, wenn ein Kaufmann ein Geschäft abschließt, das zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehört (§ 343 HGB). Einseitig ist das Handelsgeschäft dann, wenn nur einer der Vertragspartner diese Voraussetzung erfüllt. Einige Normen, wie beispielsweise §§ 352 f., 369, 377 HGB,880 ordnen dabei ausdrücklich an, dass sie nur bei beiderseitigen Handelsgeschäften anwendbar sind. Insofern ergibt sich mit Blick auf § 345 HGB bereits durch den Wortlaut dieser Vorschriften „ein anderes“, sodass sie nicht bei einseitigen Handelsgeschäften zum Tragen kommen. Im Umkehrschluss wird von Teilen des Schrifttums die Auffassung vertreten, dass § 345 HGB bereits dann Anwendung findet, wenn eine der Vertragsparteien die Kaufmannseigenschaft erfüllt und der Wortlaut, der in Rede stehenden Vorschrift, nicht ausdrücklich ein beiderseitiges Handelsgeschäft voraussetzt.881 Bei diesem statischen Verständnis wird jedoch dem jeweiligen Normzweck und den Auswirkungen der handelsrechtlichen Normen auf die Partei, für die das Geschäft kein Handelsgeschäft darstellt, nicht hinreichend gewürdigt.882 Ist das Geschäft für den nicht belieferten Käufer, der seinen Schaden nach § 376 Abs. 2 HGB abstrakt berechnen will, kein Handelsgeschäft, steht § 345 HGB zumindest dem Wortlaut des § 376 HGB nicht entgegen. Auch entspricht die Anwendung des § 345 HGB auf die Regelungen des § 376 HGB der wohl überwiegenden Auffassung im Schrifttum.883 Bei genauerer Analyse erscheint die widerspruchslose Erweiterung des § 376 HGB auf Nichtkaufleute aus verschiedenen Gründen bedenklich: Berechnet beispielsweise ein Privatmann seinen Schaden abstrakt nach § 376 Abs. 2 HGB i. V. m. § 345 HGB, sieht er sich einer erheblich verschlechterten Rechtsstellung ausgesetzt, da ihn die zusätzlichen Anforderungen des Anzeigeerfordernisses nach § 376 Abs. 1 S. 2 HGB und die Voraussetzungen der konkreten Schadensberechnung nach § 376 Abs. 3 HGB tref-

880  Zur

Aufzählung: Canaris, Handelsrecht, 24. Aufl., 2006, § 20 III Rn. 12. Handelsrecht, 12. Aufl., 2019, 9. Kap. Rn. 10; Koller/Kindler/Roth/ Drüen/Roth, HGB, 9. Aufl., 2019, § 345 Rn. 1. 882  Herresthal, ZIP 2006, 883 (884); Canaris, Handelsrecht, 24. Aufl., 2006, § 20 III Rn. 12; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Fest, HGB, 4. Aufl., 2020, § 345 Rn. 17. 883  Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth, HGB, 9.  Aufl., 2019, § 345 Rn. 1; Hopt/ Leyens, HGB, 42. Aufl., 2023, § 345 Rn. 1; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Achilles, HGB, 4. Aufl., 2020, § 376 Rn. 1. 881  Jung,



E. Der abstrakt berechnete Käuferschaden nach § 376 Abs. 2 HGB183

fen.884 Es wird versucht, dieser Folge mit dem Argument beizukommen, dass es für Nichtkaufleute nicht üblich sei, Fixgeschäfte im Sinne des § 376 Abs. 1 HGB abzuschließen, und des Weiteren keine Fälle bekannt seien, in denen es zu untertragbaren Benachteiligungen eines Nichtkaufmannes gekommen sei.885 Durch diese Erwägungen wird die drohende, verschlechterte Rechtsstellung jedoch nicht aus der Welt geschaffen. Besonders deutlich zeigt sich dies, wenn § 376 Abs. 2 HGB als Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes verstanden und mittels Rechtsfortbildung auf Handelsgeschäfte ohne Fixgeschäfte erweitert wird.886 In der Folge müssten auch die Anforderungen an die konkrete Schadensberechnung und das automatische Erlöschen des Erfüllungsanspruches auf Geschäfte ohne Fixkomponente ausgeweitet werden, um einer Privilegierung des Schadensersatzgläubigers vorzubeugen.887 Darüber hinaus kann in der Gesamtschau die Möglichkeit einer abstrakten Schadensberechnung im engeren Sinne nicht die Nachteile aufwiegen, die das Anzeigeerfordernis und die zusätzlichen Voraussetzungen des konkreten Schadens nach § 376 Abs. 3 HGB für den Nichtkaufmann mit sich bringen. Auch der Vorschlag, §  376 HGB in unpassenden Fällen konkludent abzubedingen,888 vermag nicht zu überzeugen, da Nichtkaufleute dadurch vor den Folgen des § 376 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 HGB geschützt werden, gleichzeitig aber bei beiderseitigen Handelsgeschäften regelmäßig von keiner konkludenten Abbedingung auszugehen sein wird. Zuletzt spricht gegen die uneingeschränkte Anwendung des § 345 HGB, dass sich auch Privatleute den zusätzlichen Anforderungen des § 376 HGB ausgesetzt sehen werden. In Anbetracht des durch die §§ 474 ff. BGB bestrebten Verbraucherschutzes, erscheint es daher widersprüchlich, die Anforderungen an Verbraucher über § 376 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 HGB anheben zu wollen.889

884  MünchKomm/Grunewald,

HGB, 5. Aufl., 2021, § 376 Rn. 4. HGB, 3. Aufl., 2015, § 376 Rn. 11. 886  So z. B.: Müller, WM 2013, 1 (7), der zunächst auf die Seltenheit relativer Fixgeschäfte von Nichtkaufleuten verweist, um in der Folge für eine Analogie des § 376 Abs. 2 HGB auf (einseitige) Handelsgeschäfte ohne Fixkomponente zu plädieren. Vgl. ferner: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Müller, HGB, 3. Aufl., 2015, § 376 Rn. 11, 70 f. Dazu näher unter: 1. Kap. E. III. 1. 887  Dazu unter: 1. Kap. E. III. 1. c). 888  MünchKomm/Grunewald, HGB, 5. Aufl., 2021, § 376 Rn. 4. 889  Vgl. Herresthal, ZIP 2006, 883 (889 f.). 885  Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Müller,

184

1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

Zusammenfassend muss daher festgehalten werden, dass § 376 HGB nicht anwendbar ist, wenn aufseiten des Käufers kein Handelsgeschäft vorliegt. Insofern ergibt sich nach § 345 HGB hier „ein anderes“.890 Ist das Geschäft jedoch für den Käufer ein Handelsgeschäft und fehlt es dem Verkäufer an der Kaufmannseigenschaft, greifen die Bedenken in Bezug auf das Anzeigeerfordernis und die konkrete Schadensberechnung nicht ein. Der Umstand, dass sich der Nichtkaufmann einer abstrakten Schadensberechnung im engeren Sinne ausgesetzt sieht, ist nicht ausreichend, um ein anderes Ergebnis zu begründen. Als säumiger Vertragsteil hatte er es selbst in der Hand, rechtzeitig zu liefern.

III. Erweiterung des Anwendungsbereiches als Produkt der Rechtsfortbildung In jüngerer Vergangenheit wurde vorgeschlagen, sich auf die Ursprünge der abstrakten Berechnung des Käuferschadens zurückzubesinnen.891 Ausgangspunkt dieser Bestrebung ist die Vorstellung, dass die in § 376 Abs. 2 HGB verankerte Schadensberechnung Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes sei und daher der Anwendungsbereich dieser Norm mittels Analogie zu erweitern sei.892 Zum einen wurde eine Erweiterung auf Handelsgeschäfte ohne Fixkomponente befürwortet,893 zum anderen sogar eine generelle Erweiterung, die sich auch auf den Privatverkehr erstreckt.894 1. Vorliegen einer Gesetzeslücke innerhalb des Handelsverkehres Zentrales Element einer Analogie ist die Feststellung einer Gesetzeslücke. Eine Lücke ist dabei als „planwidrige Unvollständigkeit […] gemessen am Maßstab der gesamten Rechtsordnung“895 zu verstehen. Um eine Aussage über diese Voraussetzung treffen zu können, ist der Wertungsplan des Geset890  Zutreffend: Herresthal, ZIP 2006, 883 (890); Canaris, in: FS für Konzen, 2006, 343 (348). 891  Grundlegend: Huber, in: FS für Karsten Schmidt, 2009, 725 (742); weiterführend: Müller, WM 2013, 1 (6–8). 892  Müller, WM 2013, 1 (6–8). 893  Müller, WM 2013, 1 (6–8); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Müller, HGB, 3. Aufl., 2015, § 376 Rn. 70 f. 894  Huber, in: FS für Karsten Schmidt, 2009, 725 (742). 895  Grundlegend: Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 1983, 2. Aufl., S. 39; aus der Rechtsprechung: BGH, 04.05.1988, VIII ZR 196/87, NJW 1988, 2109 (2110); siehe ferner: Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl., 1995, S. 194; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl., 2011,



E. Der abstrakt berechnete Käuferschaden nach § 376 Abs. 2 HGB185

zes zu ermitteln.896 Hierbei darf die Rechtsordnung jedoch nicht allein auf ihre Normen reduziert werden. Auch die hinter dem Gesetz stehenden Wertungen und Zwecke sind für die Ermittlung dieses Planes von entscheidender Bedeutung.897 Insofern müssen historische, systematische sowie teleologische Erwägungen Berücksichtigung finden.898 Es ist demnach die gesetzesimmanente Teleologie zu erforschen899 und der Grundsatz, dass Gleichartiges gleich zu behandeln ist, zu berücksichtigen.900 a) Der gesetzgeberische Wille als Ausgangspunkt Um den Wertungsplan ermitteln zu können, gilt es zunächst den mitgeteilten Legislativwillen zu ermitteln. Dessen Bedeutung resultiert zum einen aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz und zum anderen aus dem Demokratieprinzip.901 Die rechtsprechende Gewalt darf sich nicht aus der Position des Rechtsanwenders in die des Rechtssetzers begeben und damit in den Zuständigkeitsbereich der legislativen Gewalt eingreifen.902 Des Weiteren ist die demokratische Legitimation des Gesetzgebers zu berücksichtigen, der im Gegensatz zur rechtsprechenden Gewalt direkt vom Volk legitimiert wird. Daher kommt dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich eine stärkere Bedeutung zu als dem Willen des Rechtsanwenders.903 Der gesetzgeberische

S. 473;

Schwacke, Juristische Methodik, 5. Aufl., 2011, S. 125; Wenzel, Analoge Anwendung der Verordnung über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel auf Medizinprodukte, 2017, S. 81; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit Juristischer Methodenlehre, 12.  Aufl., 2022, Rn. 832; Zippelius, Juristische Methodenlehre, 12. Aufl., 2021, S. 53–56. 896  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit Juristischer Methodenlehre, 12. Aufl., 2022, Rn. 833. 897  Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 1983, 2. Aufl., S. 56. 898  Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl., 1995, S. 194; vgl. dazu auch Luther, Jura, 2013, 449 (451). 899  Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl., 1995, S. 195; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl., 2011, S. 473. 900  Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl., 1995, S. 195. 901  Grundlegend: Sondervotum des Richters Voßkuhle, der Richterin Osterloh und des Richters Di Fabio, in: BVerfG, 15.01.2009, 2 BvR 2044/07, BVerfGE 122, 248, 282; ebenfalls die Bedeutung dieser Prinzipien betonend: Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 2. Aufl., 2001, S. 614: Reimer, Juristische Methodenlehre, 2. Aufl., 2020, Rn. 255. 902  BVerfG, 25.01.2011, 1 BvR 918/10, BVerfGE 128, 193 (210). 903  Sondervotum des Richters Voßkuhle, der Richterin Osterloh und des Richters Di Fabio, in: BVerfG, 15.01.2009, 2 BvR 2044/07, BVerfGE 122, 248 (282); Jocham, Die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung im Privatrecht, 2021, S. 137.

186

1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

Wille bildet nach diesem „subjektiven Ansatz“904 die Grenze einer zulässigen Rechtsfortbildung. Wird der gesetzgeberischen Vorstellung nicht ausreichend Rechnung getragen, ist die Schwelle zur unzulässigen Rechtsfortbildung überschritten.905 Es ist demnach zu untersuchen, ob § 376 Abs. 2 HGB vom Standpunkt der gesetzgeberischen Vorstellung betrachtet als ein Berechnungsmodus zu verstehen ist, der ausschließlich bei handelsrechtlichen Fixgeschäften anwendbar sein soll. Aus der Denkschrift des Handelsgesetzbuches geht hervor, dass die abstrakte Schadensberechnung keineswegs als Besonderheit von Fixgeschäften verstanden wurde. Eine ausdrückliche Normierung der abstrakten Berechnungsmethode in diesem eingegrenzten Bereich sei allerdings geboten, da diesem Berechnungsmodus im Rahmen von Fixgeschäften eine besondere Wichtigkeit zukommt. Dies müsse auch im Handelsgesetzbuch zum Ausdruck gebracht werden.906 Diese spezielle Bedeutung lasse sich auf das „spekulative Element“ zurückführen, welches jedem Fixgeschäft durch die nach hinten verlagerte Lieferzeit in unterschiedlicher Intensität immanent sei.907 Dabei nahm die Beratungskommission des Handelsgesetzbuches auf Art. 357 Abs. 3 ADHGB Bezug, der die nahezu inhaltsgleiche Vorgängernorm des § 376 Abs. 2 HGB darstellte und inhaltlich lautete wie folgt: „Wenn der Käufer statt der Erfüllung Schadensersatz wegen Nichterfüllung fordert, so besteht, im Falle die Waare einen Markt- oder Börsenpreis hat, der Betrag des von dem Verkäufer zu leistenden Schadensersatzes in der Differenz zwischen dem Kaufpreise und dem Markt- und Börsenpreise zur Zeit und am Orte der geschuldeten Lieferung […].“

904  „Subjektiv“, da es nach dieser Auffassung auf den Willen des Gesetzgebers und nicht auf den „objektiven Willen“ des Gesetzes ankommt. Zur Unterscheidung der „subjektiven“ und „objektiven“ Theorie: Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 2. Aufl., 2001, S. 37 f.; Meier/Jocham, JuS 2016, 392 (396); zur historischen Entwicklung beider Ansätze: Raisch, Juristische Methoden, 1995, S. 117–119, 145–147; kritisch zu dieser Unterteilung: Jocham, Die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, 2020, S. 137 f., der darauf hinweist, dass das „[…] vermeintlich Objektive sogar subjektiver [ist] als das vermeintlich Subjektive […].“ 905  BVerfG, 25.01.2011, 1 BvR 918/10, BVerfGE 128, 193 (210); Looschelders/ Roth, Juristische Methodik im Prozeß der Rechtsanwendung, 1996, S. 288; Jocham, Die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung im Privatrecht, 2020, S. 139; ebenfalls für die „subjektive“ Theorie: BVerfG, 19.03.2013, 2 BvR 2628/10, 2883/10, 2155/11, BVerfGE 133, 168 (205); noch die „objektive“ Theorie präferierend: BVerfG, 17.05.1960, 2 BvL 11/59, 11/60, BVerfGE 11, 126 (130). 906  Zum Ganzen: Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, 6. Band, Materialien zum Handelsgesetzbuch, 1897, S. 375 = Denkschrift zum HGB, S. 222. 907  Statt aller: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Müller, HGB, 3. Aufl., 2015, § 376 Rn. 71.



E. Der abstrakt berechnete Käuferschaden nach § 376 Abs. 2 HGB187

Offensichtlich sollten die zu Art. 357 Abs. 3 ADHGB entwickelten Grundsätze auch unter dem Geltungsbereich des Handelsgesetzbuches weiterhin Bestand haben. Besonders bemerkenswert ist hierbei allerdings die Diskrepanz, die in den unterschiedlichen Vorstellungen der Schöpfer des ADHGB einerseits und des Handelsgesetzbuches andererseits in Bezug auf den abstrakten Berechnungsmodus zum Ausdruck kommt. So wurde eine Ausweitung der abstrakten Schadensberechnung von der Beratungskommission des ADHGB auf Geschäfte ohne Fixkomponente mehrheitlich abgelehnt, da diese Berechnungsmethode stets eines konkreten Erfüllungszeitpunktes bedürfe.908 Die Vorstellung, dass die in Art. 357 Abs. 3 ADHGB normierte Schadensberechnung Ausfluss eines allgemeinen Grundsatzes des Handelsverkehrs und daher gerade keine Eigenheit von Fixgeschäften sei, wurde somit erst vom Reichsoberhandelsgericht begründet.909 Zudem rückte die damalige Judikatur auch den abstrakt-normativen Charakter des Art. 357 Abs. 3 ADHGB stärker in den Fokus.910 Zwar war diese Besonderheit bereits in dem Wortlaut der Norm angelegt, der ausdrücklich eine Berechnung anhand der Differenz zwischen Vertrags- und Börsen- respektive Marktpreis anordnete, jedoch wurde dieser Aspekt nur oberflächlich von der Kommission diskutiert.911 Beziehen sich die Schöpfer des Handelsgesetzbuches auf Art. 357 Abs. 3 ADHGB, ist davon auszugehen, dass sie sich vor allem an der Vorstellung der Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichtes und weniger an der gesetzgeberischen Vorstellung, die Art. 357 Abs. 3 ADHGB zugrunde lag, orientierten. Es bleibt daher festzuhalten, dass nach Vorstellung des historischen Gesetzgebers § 376 Abs. 2 HGB Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes des Handelsverkehrs ist. Augenscheinlich sollte dabei die zu Art. 357 Abs. 3 ADHGB entwickelte Rechtsprechung in das Gesetz Einzug finden.

Protokolle zum ADHGB, 9. Teil, 1861, S. 4602. 30.10.1872, II 394/72, ROHGE 7, 376 (377); ROHG, 07.05.1873, II 13/73, ROHGE 9, 311 (316 f.); ROHG, 03.09.1874, II 958/74, ROHGE 14, 140 (142); ROHG, 14.01.1875, III 1226/74, ROHGE 15, 334 (336); ROHG, 05.05.1875, II 516/75, ROHGE 17, 255 (257); ebenfalls aufgeschlossen: Gareis/Fuchsberger, Das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch, 1891, Art. 357 Rn. 254. 910  ROHG, 03.09.1874, II 958/74, ROHGE 14, 140 (142); ROHG, 18.06.1878, I 699/78, ROHGE 25, 153 (155); weitergeführt vom Reichsgericht: RG, 19.11.1881, V 725/81, RGZ 6, 58 (59); RG, 05.12.1887, I 288/87, RGZ 20, 52 (62). 911  Soweit ersichtlich nur bei: Lutz, Protokolle zum ADHGB, 2. Teil, 1858, S.  676 f. 908  Lutz,

909  ROHG,

188

1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

b) Objektive teleologische Erwägungen In einem nächsten Schritt ist zu fragen, ob die objektive Gesetzesteleologie für oder gegen eine Regelungslücke spricht. Hierbei stellen die Vorschriften, die neben § 376 Abs. 2 HGB einen gesetzlich angeordneten Mindestschaden ersetzen, sowie die Normen, die ausdrücklich auf den Unterschied zwischen Vertrags- und Marktpreis Rekurs nehmen, einen Ansatzpunkt dar, um den Wertungsplan des Gesetzes ermitteln zu können. So gewährt § 288 Abs. 1, Abs. 2 BGB dem Schadensersatzgläubiger einen gesetzlich festgeschriebenen Mindestschaden im Bereich der Verzugszinsen.912 Eine mit § 376 Abs. 2 HGB vergleichbare Schadensberechnung ist an anderer Stelle im UN-Kaufrecht positiviert. Nach Art. 76 Abs. 1 S. 1 CISG kann der Schadensersatzgläubiger seinen Schaden ebenfalls nach der Differenz zwischen Vertragspreis und Marktpreis berechnen. Hierbei handelt es sich um einen Mindestschaden, sodass es keine Rolle spielt, ob der Käufer diesen Schaden tatsächlich erlitten hat.913 Allerdings sieht Art. 77 CISG vor, dass der Schadensersatzgläubiger grundsätzlich zur Schadensminderung gehalten ist, sodass der nach Art. 76 Abs. 1 S. 1 CISG berechnete Schaden auch in gewissem Umfang schadensmindernden Faktoren zugänglich ist.914 Um nun ermitteln zu können, ob die zugrunde liegenden Wertungen dieser Normen auf eine Gesetzeslücke im Bereich des § 376 Abs. 2 HGB deuten, sind die teleologischen Schnittmengen dieser Vorschriften zu ergründen. Während § 376 Abs. 1 HGB durch den Mechanismus des S. 2 vor allem Spekulationsmöglichkeiten des Gläubigers verhindern soll,915 dient der gesetzlich angeordnete Mindestschaden des Abs. 2 vordergründig der beschleunigten Schadensregulierung.916 Dadurch wird dem Bedürfnis nach einer raschen Abwicklung des (gestörten) Vertrages Rechnung getragen, das eine 912  Staudinger/Feldmann, BGB, 2019, § 288 Rn. 1; zur Qualifikation des § 288 Abs. 1, Abs. 2 BGB als „objektiver Mindestschaden“: BGH, 20.07.2011, IV ZR 75/09, NJW 2011, 3648 Rn. 16; Erman/Hager, 16. Aufl., 2020, § 288 Rn. 5; Grüneberg/Grüneberg, 82. Aufl., 2023, § 288 Rn. 4. 913  Staudinger/Magnus, BGB, 2018, Art 76 CSIG Rn. 7; MünchKomm/Huber, BGB, 8. Aufl., 2019, Art. 76 CISG Rn. 1. 914  Staudinger/Magnus, BGB, 2018, Art 76 CSIG Rn. 26; MünchKomm/Huber, BGB, 8.  Aufl., 2019, Art.  76 CISG Rn.  12; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/ Schwenzer, CISG, 7. Aufl., 2019, Art. 76 Rn. 2. 915  Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, 6. Band, Materialien zum Handelsgesetzbuch, 1897, S. 374 f. = Denkschrift zum Entwurf eines HGB, S. 222. 916  Oetker/Koch, HGB, 7. Aufl., 2021, § 376 Rn. 2; Staub/Koller, HGB, Großkommentar, Band 9, 5. Aufl., 2013, § 376 Rn. 1; Hopt/Leyens, HGB, 42. Aufl., 2023, § 376 Rn. 41; zur Ratio des § 376 Abs. 1 HGB: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Achilles, HGB, 4. Aufl., 2020, § 376 Rn. 4.



E. Der abstrakt berechnete Käuferschaden nach § 376 Abs. 2 HGB189

zentrale Komponente handelsgeschäftlicher Beziehungen darstellt.917 Der abstrakt-normative Charakter des § 288 Abs. 1, Abs. 2 BGB verfolgt in der Hauptsache den Zweck, die Zahlungsdisziplin zu verbessern.918 Art. 76 Abs. 1 CISG dient, neben der Vereinfachung919 und damit ebenfalls einer beschleunigten Abwicklung, auch dem Schutz der Geschäftsinterna des Käufers.920 Allerdings steht vor allem das Bedürfnis im Vordergrund, den Verkäufer nicht durch das Unterlassen eines Deckungskaufes profitieren zu lassen, obwohl der Käufer zu einem solchen berechtigt gewesen wäre.921 So unterschiedlich diese Normen auf den ersten Blick sein mögen, gleichen sich § 288 Abs. 1, Abs. 2 BGB sowie § 376 Abs. 2 HGB und Art. 76 Abs. 1 CISG in ihrer Zielsetzung in einem Punkt: Durch sie soll die Abschöpfung eines durch die Nichterfüllung ausgebliebenen Vermögenswertes gesichert werden. Während der Schadensersatzgläubiger über § 376 Abs. 2 HGB und Art. 76 Abs. 1 S. 1 CISG den Verkehrswert der ausgebliebenen Lieferung abschöpfen kann,922 spricht § 288 Abs. 1, Abs. 2 BGB dem Gläubiger einen Ausgleich für den Zeitwert des vorenthaltenen Kapitals zu.923 Gleichwohl wird dieser Schnittmenge im Bereich des Käuferschadens bereits durch die abstrakte Schadensberechnung im weiteren Sinne Rechnung getragen. Diese mit der Differenzhypothese operierende Schadensermittlungsmethode sichert dem nicht belieferten Käufer auch außerhalb des § 376 Abs. 2 HGB den Verkehrswert der ausgebliebenen Leistung als Teil des positiven Interesses. Liefert der Verkäufer nicht, steht dem Käufer der Unterschied zwischen dem Vertragspreis und seinem höheren Markteinkaufspreis zu, da 917  Zu diesem zentralen Bedürfnis: BGH, 13.05.1987, VIII ZR 137/86, BGHZ 101, 49 (53); Staub/Koller, HGB, Großkommentar, Band 9, 5. Aufl., 2013, Vor § 373 Rn. 2; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Müller, HGB, 3. Aufl., 2015, Vor §§ 373–381 Rn. 2. 918  Staudinger/Feldmann, BGB, 2019, § 288 Rn. 1; zu dem Zweck und der Historie der Norm: MünchKomm/Ernst, BGB, 9. Aufl., 2022, § 288 Rn. 3; vgl. ferner auch: Verse, ZIP 2014, 1809 (1809; 1815). 919  BeckOGK/Bach, CISG, Stand: 01.10.2022, Art. 76 Rn. 2. 920  Schmidt-Ahrendts, Das Verhältnis von Erfüllung, Schadensersatz und Vertragsaufhebung im CISG, 2007, S. 101. 921  MünchKomm/Huber, BGB, 8. Aufl., 2019, Art. 76 CISG Rn. 1; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter/Schwenzer, CISG, 7. Aufl., 2019, Art. 76 Rn. 1. Insoweit ist jedoch auch die Schadensminderungsobliegenheit des Art. 77 CISG zu beachten, die unter Umständen zu einer Anspruchskürzung führen kann, wenn der Schadensersatzgläubiger ein Deckungsgeschäft unterließ. 922  Zu § 376 Abs. 2 HGB: Huber, in: FS für Karten Schmidt, 2009, 725 (740); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Achilles, HGB, 4.  Aufl., 2020, § 376 Rn. 36; zu Art. 76 Abs. 1 CISG: Staudinger/Magnus, BGB, 2018, Art 76 CSIG Rn. 26; MünchKomm/Huber, BGB, 8. Aufl., 2019, Art. 76 CISG Rn. 1. 923  Staudinger/Feldmann, BGB, 2019, § 288 Rn. 1.

190

1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

der im Zuge der Differenzhypothese angestellte Gesamtvermögensvergleich auch ein nicht zugeflossenes „Plus“ erfasst.924 Des Weiteren könnte auch die Regelung des § 347 Abs. 1 HGB gegen eine Gesetzeslücke sprechen. Diese Vorschrift knüpft an den Sorgfaltsmaßstab des § 276 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB an925 und stellt klar,926 dass der Kaufmann zur Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes verpflichtet ist.927 Dabei kommt es in der Regel zu einer Steigerung des Sorgfaltsmaßstabes im Vergleich zu Nichtkaufleuten.928 Diese gesteigerte Sorgfaltspflicht gilt auch im Rahmen etwaiger Schadensminderungsobliegenheiten.929 Würde nun der gesetzlich festgeschriebene Mindestschaden des 376 Abs. 2 HGB auf Geschäfte ohne Fixkomponente ausgeweitet, würden Nichtkaufleute nach wie vor Gefahr laufen, eine Anspruchskürzung oder sogar einen Anspruchsausschluss zu riskieren, wenn sie im Wege der abstrakten Schadensberechnung im weiteren Sinne schuldhaft gegen ihre Schadensminderungsobliegenheit aus § 254 Abs. 2 S. 1 S. 1 BGB verstoßen. Kaufleute müssten hingegen keinerlei Konsequenzen befürchten, wenn sie sehenden Auges eine günstigere Ersatzeindeckung unterließen, da sie auf die Berechnungsmethode des § 376 Abs. 2 HGB zurückgreifen könnten, bei der der Vorwurf eines schuldhaft unterlassenen Deckungsgeschäftes nicht verfängt.930 Insoweit ist jedoch zu bedenken, dass zur Ermittlung des gesetzlichen Wertungsplanes auch die dem Handelskauf zugrunde liegenden Wertungen miteinzubeziehen sind. Im Mittelpunkt steht dabei das Bedürfnis nach einer beschleunigten und vereinfachten Vertragsabwicklung.931 Diesem Leitmotiv wird durch eine verbesserte Stellung von Käufer respektive Verkäufer im Vergleich zu den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches Rechnung ge-

924  Dazu

bereits unter: 1. Kap. D. I. 2. b). HGB, 5. Aufl., 2021, § 347 Rn. 1. 926  Die klarstellende Funktion ergibt sich daraus, dass der Sorgfaltsmaßstab des § 276 Abs. 2 BGB bereits anhand der Verkehrssitten bestimmt wird. Siehe dazu: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Fest, HGB, 4. Aufl., 2020, § 347 Rn. 1; vgl. ferner auch: Canaris, Handelsrecht, 24. Aufl., 2006, § 26 I Rn. 1: „Selbstverständlichkeit“. 927  MünchKomm/Maultzsch, HGB, 5. Aufl., 2021, § 347 Rn. 1. 928  BGH, 05.11.1980, VIII ZR 280/79, NJW 1981, 577 (578); MünchKomm/ Maultzsch, HGB, 5. Aufl., 2021, § 347 Rn. 2. 929  Dazu bereits unter: 1. Kap. D. I. 5. b). 930  Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Achilles, HGB, 4. Aufl., 2020, § 376 Rn. 37; MünchKomm/Grunewald, HGB, 5. Aufl., 2021, § 376 Rn. 25. 931  Exemplarisch: BGH, 13.05.1987, VIII ZR 137/86, BGHZ 101, 49 (53); Staub/ Koller, HGB, Großkommentar, Band 9, 5. Aufl., 2013, Vor § 373 Rn. 2; Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Müller, HGB, 3. Aufl., 2015, Vor §§ 373–381 Rn. 2. 925  MünchKomm/Maultzsch,



E. Der abstrakt berechnete Käuferschaden nach § 376 Abs. 2 HGB191

tragen.932 Im Falle des § 376 Abs. 2 HGB wird dieser Zweck durch einen gesetzlich angeordneten Mindestschaden erreicht, welchem schadensmindernde Faktoren nicht entgegengehalten werden können. Eine Ausweitung des § 376 Abs. 2 HGB auf Handelsgeschäfte ohne Fixkomponente würde somit zu einer signifikanten Beschleunigung und Vereinfachung der Schadensregulierung führen. Jedoch wäre diese Rechtsfortbildung mit einem gravierenden Einschnitt für die schadensersatzpflichtige Partei verbunden. Dabei ist zu sehen, dass dem Handelsgesetz tiefgreifende Eingriffe zugunsten einer raschen Vertragsabwicklung keineswegs fremd sind. So läuft der Käufer nach § 377 Abs. 2, Abs. 3 HGB Gefahr, seine kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte zu verlieren, wenn er die Mangelhaftigkeit der Lieferung zu spät anzeigt. Nicht zuletzt tritt die starke Gewichtung, der in dieser Vorschrift bezweckten Beschleunigungswirkung,933 durch den Umstand zu Tage, dass die Präklusion der Gewährleistungsrechte selbst dann eintritt, wenn der Verkäufer die Lieferung der mangelhaften Sache zu vertreten hat.934 Gerade hier wird deutlich, dass das Gesetz eine gewisse „Rücksichtslosigkeit“935 akzeptiert, um eine rasche Abwicklung gewährleisten zu können. Ein weiteres Beispiel findet sich im Rahmen des Handelskaufes bei § 375 Abs. 2 HGB.936 Nach § 375 Abs. 1 HGB ist der Käufer verpflichtet, ein ihm zustehendes Bestimmungsrecht über Form, Maß oder ähnliche Verhältnisse der Kaufsache auszuüben. Hierbei wird die Pflicht zur Spezifikation zu einer nachfristfähigen Hauptpflicht erhoben.937 Kommt der Käufer daher mit der Ausübung des Bestimmungsrechtes in Verzug, steht dem Verkäufer nach § 375 Abs. 2 HGB die Möglichkeit zu, selbst die Spezifikation vorzunehmen oder darauf zu verzichten und Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB zu verlangen beziehungsweise nach der Maßgabe des § 323 Abs. 1 BGB vom Vertrag zurückzutreten. Diese Verzichtsmöglichkeit dient dem Ziel einer zügigen Vertragsabwicklung, da sich der Verkäufer

932  Schmidt, Handelsrecht, Unternehmensrecht I, 6. Aufl., 2014, § 1 IV Rn. 73; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Müller, HGB, 3. Aufl., 2015, Vor §§ 373–381 Rn. 2. 933  Zum Beschleunigungszweck des § 377 HGB: Mock, Der Ausschluss von Käuferrechten gemäß § 377 HGB, 2010, S. 21. 934  Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Müller, HGB, 3. Aufl., 2015, Vor §§ 373–381 Rn. 3. 935  So treffend: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Müller, HGB, 3. Aufl., 2015, Vor §§ 373–381 Rn. 2. 936  Canaris, Handelsrecht, 24. Aufl., 2006, § 29 III Rn. 23; Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Müller, HGB, 3. Aufl., 2015, §§ 375 Rn. 5; MünchKomm/Grunewald, HGB, 5. Aufl., 2021, § 375 Rn. 2. 937  Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Müller, HGB, 3. Aufl., 2015, § 375 Rn. 5.

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

bereits ab diesem Punkt Sekundärrechten bedienen kann.938 Dadurch wird er vor der Gefahr geschützt, dass der Käufer, der bereits mit der Ausübung der Spezifikation in Verzug geraten ist, im Nachgang die Ware womöglich nicht bezahlt oder die Abnahme unterlässt.939 Auch im Rahmen des § 350 HGB lässt sich das Bestreben nach einer vereinfachten und beschleunigten Vertragsabwicklung beobachten.940 Aufgrund dieser Vorschrift kommen für die kaufmännische Bürgschaft, das kaufmännische Schuldversprechen und das kaufmännische Schuldanerkenntnis die bürgerlich-rechtlichen Formerfordernisse der § 766 S. 1, S. 2, § 780 und § 781 S. 1, S. 2 BGB nicht zum Tragen. Das Handelsrecht wendet sich an dieser Stelle wieder dem Grundsatz der Formfreiheit zu, um den Handelsverkehr mit Formvorschriften nicht zu behindern.941 Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die in § 376 Abs. 2 HGB normierte Schadensbemessungsform ihre Zielsetzung nur dann wirkmächtig erfüllen kann, wenn sie auch außerhalb von Fixgeschäften Anwendung findet. Zwar hat das Bedürfnis nach einer beschleunigten und vereinfachten Vertragsabwicklung im Bereich von Fixgeschäften eine besondere Relevanz, gleichwohl ist eine solche Einschränkung mit der Gesetzesteleologie nicht vereinbar, die den Beschleunigungseffekt ja auch gerade außerhalb handelsrechtlicher Fixgeschäfte anstrebt. c) Schlussfolgerungen Der „subjektive“ gesetzgeberische Wille stellt aufgrund der demokratischen Legitimation sowie dem Prinzip der Gewaltenteilung den Ausgangspunkt dar, an dem eine Gesetzeslücke zu bemessen ist.942 Die Vorstellung des Gesetzgebers kann dabei aber nicht der einzige Gradmesser sein.943 Vielmehr ist entscheidend, ob der mitgeteilte Legislativwille fortwährenden Geltungsanspruch erheben kann,944 namentlich nicht aktualisierungsbedürftig 938  Canaris, Handelsrecht, 24. Aufl., 2006, § 29 III Rn. 23; vgl. auch: Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Müller, HGB, 3. Aufl., 2015, § 375 Rn. 5. 939  Canaris, Handelsrecht, 24. Aufl., 2006, § 29 III Rn. 23. 940  BGH, 08.12.1992, XI ZR 96/92, BGHZ 121, 1 (5); Schmidt, Handelsrecht, Unternehmensrecht I, 6. Aufl., 2014, § 1 Rn. 73; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas/ Steimle/Dornieden, HGB, 5.  Aufl., 2019, § 350 Rn. 2; Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Hakenberg, HGB, 4. Aufl., 2020, § 375 Rn. 1. 941  Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hakenberg, HGB, 4. Aufl., 2020, § 375 Rn. 1. 942  Canaris, JZ 2011, 879 (887); Möllers, Juristische Methodenlehre, 4. Aufl., 2021, § 13 Rn. 37. 943  Funke, in: Gesetzgeber und Rechtsanwendung, 2013, 175 (183). 944  Jocham, Die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung im Privatrecht, 2020, S. 187.



E. Der abstrakt berechnete Käuferschaden nach § 376 Abs. 2 HGB193

ist.945 Sich immer wandelnde Rechtsvorstellungen und Rechtsprobleme gebieten, dass auch „objektive“ Erwägungen, also Aspekte, die dem Gesetzgeber selbst nicht unbedingt bewusst gewesen sein müssen, in den Wertungsplan einfließen können.946 Dies gilt umso mehr, wenn sich der „subjektive“ Wille des Gesetzgebers entweder nicht hinreichend ermitteln lässt, gewandelte Lebensverhältnisse eine Rechtsfortbildung notwendig erscheinen lassen947 oder seit der Äußerung der legislativen Vorstellung bereits eine lange Zeit vergangen ist.948 Daher muss die gesetzgeberische Vorstellung – sofern eine solche vorhanden ist – mit den „objektiven“ Gesetzeszwecken kombiniert und somit ergänzt werden.949 Das Gesetz kann klüger sein als sein Schöpfer.950 Insofern sind „subjektive“ und „objektive“ Elemente zu einer „Misch- oder Kombinationstheorie“951 zu vereinen. Soll nun die eingangs aufgeworfene Frage nach dem „Plan“ des Gesetzes beantwortet werden, ergibt sich folgendes Bild: Der Gesetzgeber ging bei der in § 376 Abs. 2 HGB normierten Schadensberechnung von einem allgemeinen Grundsatz des Handelsverkehrs aus.952 Dieser Grundsatz erschöpft sich nicht in der bloßen Anwendung der Differenzhypothese, durch die der Schadensersatzgläubiger die Differenz zwischen Vertragspreis und höherem Verkehrswert als Teil seines positiven Interesses einfordern kann.953 Der insoweit klare Wortlaut des § 376 Abs. 2 HGB ordnet eine abstrakte Schadensberechnung im engeren Sinne an, bei der etwaige schadensmindernde Faktoren 945  Vgl. Jocham, Die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung im Privatrecht, 2020, S. 195–198; Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack/Looschelders, BGB, 4. Aufl., 2021, Anh. zu § 133 Rn. 9. 946  Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl., 1995, S. 139, 195; vgl. auch: Baldus, in: „Gesetzgeber“ und Rechtsanwendung, 5 (26). 947  Wank, Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, 1978, S. 66; Hirsch, ZRP 2012, 205 (208), der unter anderem auch auf den technischen Fortschritt verweist; darauf eingehend auch: Würdinger, JuS 2016, 1 (5); Funke, in: Gesetzgeber und Rechts­ anwendung, 2013, 175 (183); Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Aufl., 2015, S.  33 f.; Möllers, Juristische Methodenlehre, 4. Aufl., 2021, § 13 Rn. 44. 948  Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack/Looschelders, BGB, 4.  Aufl., 2021, Anh. zu § 133 Rn. 6. 949  Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl., 1995, S. 139; Canaris, JZ 2011, 879 (887); Möllers, Juristische Methodenlehre, 4. Aufl., 2021, § 13 Rn. 37; sowohl die „subjektive“ als auch die „objektive“ Betrachtungsweise ablehnend: Müller/Christensen, Juristische Methodik, Band I, 11. Aufl., 2013, Rn. 442– 444. 950  BVerfG, 29.01.1974, 2 BvN 1/69, BVerfGE 36, 342 (362). 951  So ausdrücklich: Canaris, JZ 2011, 879 (887). 952  Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, 6. Band, Materialien zum Handelsgesetzbuch, 1897, S. 375 = Denkschrift zum Entwurf eines HGB, S. 222. 953  Dazu bereits unter: 1. Kap. D. I. 2. b).

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

keinen Platz haben. Dies war auch schon dem Reichsoberhandelsgericht bekannt, an dem sich die Beratungskommission des Handelsgesetzbuches maßgeblich orientierte.954 Einer „objektiven“ Korrektur dieses Ergebnisses bedarf es ebenfalls nicht. Im Gegenteil: Durch eng aufeinander abgestimmte Produktionsverfahren und dem Bestreben nach einer optimalen Ausnutzung der vorhandenen Lagerund Herstellungskapazitäten gewann das Bedürfnis nach einer beschleunigten und vereinfachten Vertragsabwicklung in den letzten Jahrzehnten immer weiter an Bedeutung. Insofern ist der mitgeteilte Legislativwille nicht aktualisierungsbedürftig und es liegt eine planwidrige Unvollständigkeit innerhalb des Handelsverkehrs vor. Doch wie ist mit dieser Lücke zu verfahren? Im Ausgangspunkt ist hier auf den Gleichheitssatz zu verweisen. Danach ist Gleichartiges gleich zu behandeln.955 Der geregelte und der nicht geregelte Tatbestand müssen somit bestimmte Parallelen aufweisen, dürfen aber inhaltlich nicht kongruent sein. Sie müssen vielmehr in den entscheidenden zugrunde liegenden Wertungen übereinstimmen.956 Daher muss die Lücke mit Hilfe einer Angleichung beider Fälle geschlossen werden, wenn von der entsprechenden Gleichartigkeit beider Varianten auszugehen ist. Dies ist bei Handelsgeschäften mit und ohne Fixkomponente der Fall. Zum einen werden beide Fallgruppen von dem Bedürfnis nach Beschleunigung und Vereinfachung getragen und zum anderen begriff auch der historische Gesetzgeber die in § 376 Abs. 2 HGB normierte Schadensberechnung als Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes, der nur aus klarstellenden Gründen im Rahmen von Fixgeschäften ausdrücklich normiert wurde.957 Demnach ist § 376 Abs. 2 HGB mittels einer Analogie auch für Handelsgeschäfte ohne Fixkomponente anzuwenden. Nach § 345 HGB werden einseitige Handelsgeschäfte jedoch nur erfasst, wenn aufseiten des Käufers ein Handelsgeschäft vorliegt.958 Im nächsten Schritt gilt es zu klären, welche Auswirkungen diese Rechtsfortbildung mit Blick auf die integrative Systematik des § 376 HGB hat. Bei einer singulären Anwendung des § 376 Abs. 2 HGB auf Handelsgeschäfte 954  Zum Charakter des Art. 357 Abs. 3 ADHGB als Mindestschaden: ROHG, 03.09.1874, II 958/74, ROHGE 14, 140 (142); ROHG, 18.06.1878, I 699/78, ROHGE 25, 153 (155); weitergeführt vom Reichsgericht: RG, 19.11.1881, V 725/81, RGZ 6, 58 (59); RG, 05.12.1887, I 288/87, RGZ 20, 52 (62). 955  Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 1983, 2. Aufl., S. 148. 956  Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl., 1995, S. 202. 957  Zum Ganzen: Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, 6. Band, Materialien zum Handelsgesetzbuch, 1897, S. 375 = Denkschrift zum Entwurf eines HGB, S. 222. 958  Dazu bereits unter: E. II.



E. Der abstrakt berechnete Käuferschaden nach § 376 Abs. 2 HGB195

ohne Fixkomponente würde der Käufer im Falle eines handelsrechtlichen Fixgeschäftes schlechter stehen als bei einem gewöhnlichen Handelskauf, da er sich im erstgenannten Fall nach wie vor dem Mechanismus des § 376 Abs. 1 S. 2 HGB und den besonderen Anforderungen der konkreten Schadensberechnung nach § 376 Abs. 3 HGB ausgesetzt sehen würde. Es ist daher zu ergründen, inwieweit auch die für den Käufer negativen Aspekte des § 376 HGB einer Analogie auf Handelsgeschäfte ohne Fixkomponente zugänglich gemacht werden müssen, um ein Ungleichgewicht zwischen Geschäften mit und ohne Fixkomponente zu verhindern. Der Mechanismus des § 376 Abs. 1 S. 2 HGB, der den Anspruch auf Erfüllung ausschließt, sofern der Käufer nicht „sofort“ nach Ablauf der vereinbarten Zeit auf Erfüllung besteht, dient nach der Vorstellung des historischen Gesetzgebers vordergründig dem Zweck, Spekulationen zulasten des Verkäufers zu verhindern, indem dem Anspruchsgläubiger die Möglichkeit genommen wird, weitere Preisentwicklungen abzuwarten.959 Das Bedürfnis nach einer solchen Regelung war nach der Vorstellung des damaligen Normsetzers besonders stark bei handelsrechtlichen Fixgeschäften ausgeprägt, da eine verspätete Lieferung meist nicht mehr dem Interesse der Vertragsparteien entspräche.960 Allerdings ging der historische Gesetzgeber auch bei § 376 Abs. 1 S. 2 HGB nicht von einer Besonderheit der Fixgeschäfte aus. Er verwies generell darauf, dass keine hinreichenden Regelungen existierten, um die Spekulationsgefahr bei Handelskäufen zu begrenzen.961 Zwar bediente sich hier der Gesetzgeber nicht der gleichen Deutlichkeit, die er im Zuge der abstrakten Schadensberechnung an den Tag legte, jedoch wird ersichtlich, dass der Ausschlussmechanismus des § 376 Abs. 1 S. 2 HGB aus der Sicht des damaligen Normsetzers nicht auf der Eigentümlichkeit von Fixgeschäften beruhte. Dieses Verständnis wird durch die Überlegung bekräftigt, dass jedem Handelsgeschäft ein gewisses Maß an Spekulation innewohnt, das nicht zwangsläufig aus der Fixkomponente resultiert.962 Darüber hinaus dient auch die zeitliche Eingrenzung („sofort“) letztlich einer beschleunigten Abwicklung des gestörten Vertrages. 959  Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, 6. Band, Materialien zum Handelsgesetzbuch, 1897, S. 375 = Denkschrift zum Entwurf eines HGB, S. 222. 960  Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, 6. Band, Materialien zum Handelsgesetzbuch, 1897, S. 374 = Denkschrift zum Entwurf eines HGB, S. 222. 961  Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, 6. Band, Materialien zum Handelsgesetzbuch, 1897, S. 374 = Denkschrift zum Entwurf eins HGB, S. 222. 962  Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Müller, HGB, 3. Aufl., 2015, § 376 Rn. 71.

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1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

Doch wie könnte eine entsprechende Rechtsfortbildung überhaupt aussehen, wenn keine Fixkomponente und damit kein vertraglich festgelegter Lieferzeitpunkt existiert? Dazu ist zunächst § 376 Abs. 1 S. 1 HGB zu betrachten. Diese Norm gewährt dem Gläubiger die Möglichkeit, nach Ablauf der vertraglich festgelegten Zeit direkt vom Vertrag zurückzutreten oder Schadensersatz zu verlangen, ohne dem säumigen Vertragspartner eine entsprechende Nachfrist setzen zu müssen. Außerhalb des handelsrechtlichen Fixgeschäftes erlischt der Erfüllungsanspruch nicht automatisch, sondern in der Regel erst mit der Erklärung des Rücktrittes oder mit dem Zugang des Schadensersatzverlangens nach § 281 Abs. 4 BGB. Soll der Käufer in der Möglichkeit beschnitten werden, das Erlöschen seines Erfüllungsanspruches hinauszuzögern, um etwaige Preisentwicklungen abpassen zu können, muss der Mechanismus des § 376 Abs. 1 S. 2 HGB auf den Zeitpunkt übertragen werden, an dem der Gläubiger jederzeit den Erfüllungsanspruch zum Erlöschen bringen könnte. Ab diesem Moment hat der Schadensersatzgläubiger es in der Hand sich zu entscheiden, ob er weiterhin auf Erfüllung besteht oder Sekundärrechte geltend macht. Dieser Zeitpunkt wird regelmäßig das Ende der Nachfrist darstellen. Verstreicht diese daher erfolglos, muss sich der Gläubiger „sofort“ entscheiden, ob er weiterhin auf Erfüllung besteht. Auf diese Weise wird eine Privilegierung des Käufers bei Handelsgeschäften ohne Fixkomponente verhindert, Spekulationsrisiken begegnet und eine rasche Abwicklung befördert. Neben dem automatischen Erlöschen des Erfüllungsanspruches werden an den Gläubiger im Rahmen des § 376 Abs. 3 HGB besondere Anforderungen gestellt, wenn dieser seinen Schaden konkret berechnen will. Möchte der Gläubiger einen tatsächlich vorgenommenen Deckungskauf oder Verkauf in die Schadensberechnung einstellen, muss dieser „sofort“ nach Ablauf der bedungenen Leistungszeit oder Leistungsfrist bewirkt werden (§ 376 Abs. 3 S. 1 HGB). Im Zuge dessen muss der Kauf respektive Verkauf in öffentlicher Versteigerung stattfinden oder durch einen zu solchen Rechtsgeschäften öffentlich ermächtigten Handelsmakler beziehungsweise eine zur öffentlichen Versteigerung autorisierten Person zum laufenden Preis erfolgen (§ 376 Abs. 3 S. 2 HGB). Diese Sonderregeln erschweren es dem Gläubiger, seinen Schaden konkret zu berechnen. Daher wurde die Forderung erhoben, diese Vorschrift ebenfalls in den Analogieschluss des § 376 Abs. 2 HGB einzubeziehen, um eine Besserstellung des Gläubigers außerhalb von Handelsgeschäften ohne Fixkomponente zu verhindern.963 Im Gegensatz zur abstrakten Schadensberechnung des § 376 Abs. 2 HGB und dem Erlöschensmechanismus des § 376 Abs. 1 S. 2 HGB bleibt die Vorstellung des Gesetzgebers über 963  Müller, WM 2013, 1 (7); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Müller, HGB, 3. Aufl., 2015, § 376 Rn. 71.



E. Der abstrakt berechnete Käuferschaden nach § 376 Abs. 2 HGB197

die Dimension des § 376 Abs. 3 HGB unklar.964 Allerdings tritt auch in dieser Norm durch die enge zeitliche Bindung des Deckungsgeschäftes an die verstrichene Leistungszeit („sofort“) das Bestreben nach einer raschen Vertragsabwicklung zum Vorschein. Durch die in § 376 Abs. 3 HGB verankerte zeitliche Restriktion wird zudem auch spekulativen Elementen begegnet, da dem Schadensersatzgläubiger die Möglichkeit genommen wird, etwaige Preisentwicklungen abzupassen.965 Somit ist § 376 Abs. 3 HGB auch auf den gewöhnlichen Handelskauf anzuwenden. Ein Außerachtlassen dieser Vorschrift zöge andernfalls eine nicht zu rechtfertigende Schlechterstellung des Schadensersatzgläubigers im Bereich handelsrechtlicher Fixgeschäfte nach sich. Im Einklang mit § 376 Abs. 1 S. 2 HGB analog ist der maßgebliche Zeitpunkt, ab dem das Ersatzgeschäft „sofort“ bewirkt werden muss, der Zeitpunkt, an dem der Schadensersatzanspruch entsteht. Um den, dem § 376 HGB immanenten Zielsetzungen, namentlich die beschleunigte Vertragsabwicklung und die Unterbindung spekulativer Anreize, ausreichend Rechnung tragen zu können, muss § 376 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 HGB ebenfalls in den Analogieschluss miteinbezogen werden. Dadurch wird ein Gleichlauf zwischen „einfachen“ Handelsgeschäften und Geschäften mit Fixkomponenten gewährleistet. Freilich ist dabei zu bedenken, dass § 376 HGB (analog) nur dann Anwendung findet, wenn aufseiten des Käufers ein Handelsgeschäft vorliegt. Andernfalls würden insbesondere an Verbraucher zu hohe Anforderungen gestellt werden; hier ergibt sich „ein anderes“ im Sinne des § 345 HGB. Zuletzt sind die Parameter des durch die Rechtsfortbildung gewonnenen Berechnungsmodus zu ermitteln. Hierbei ist der Marktpreis zu dem Zeitpunkt zu bestimmen, an dem der Erfüllungsanspruch des Käufers erlischt (§ 376 Abs. 1 S. 2 HGB analog). Der maßgebliche Ort ist der Bestimmungsort beziehungsweise der subsidiär heranzuziehende Ablieferungsort der Ware. Insofern kommt es zu einem Gleichlauf mit der abstrakten Schadensberechnung im weiteren Sinne.966

964  Vgl. Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, 6. Band, Materialien zum Handelsgesetzbuch, 1897, S. 375 = Denkschrift zum Entwurf eines HGB, S. 222. 965  Oetker/Koch, HGB, 7. Aufl., 2021, § 376 Rn. 43; MünchKomm/Grunewald, HGB, 5. Aufl., 2021, § 376 Rn. 24. Die spekulativen Elemente sind jedoch in der Regel als Begleiterscheinungen des price hedgings zu verstehen. Dazu bereits unter: 1. Kap. D. I. 3. 966  Dazu bereits unter: 1. Kap. D. I. 4. a), b).

198

1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

2. Vorliegen einer Gesetzeslücke außerhalb des Handelsverkehres Teilweise wurde die Forderung erhoben, dass § 376 Abs. 2 HGB auch unter Nichtkaufleuten Anwendung finden müsse.967 Diese Auffassung wurde von der Erwägung getragen, dass auch dem Nichtkaufmann der Verkehrswert einer ausgebliebenen Lieferung in gleichem Maße entgehe, wie einem nicht belieferten Kaufmann.968 Doch ist eine Rechtsfortbildung tatsächlich notwendig, um diese Forderung zu erfüllen, oder besteht auch außerhalb des Handelsverkehrs eine Gesetzeslücke? Die Frage nach einer möglichen Rechtsfortbildung ließe sich womöglich schon deshalb verneinen, da eine Ausdehnung von Ausnahmevorschriften und Sonderrechten nach einer älteren Auffassung generell nicht möglich sei.969 Handelsrechtliche Normen sind hierbei sowohl als Ausnahmevorschriften zu charakterisieren, da sie von den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches abweichen, und zugleich auch als Sonderrechte zu verstehen, da eine Kaufmannsbeteiligung vorausgesetzt wird.970 In der Folge wäre § 376 Abs. 2 HGB schon per se nicht analogiefähig, wenn das Geschäft für keine der Parteien ein Handelsgeschäft darstellt. Allerdings wird diese Vorstellung seit langem zu Recht kritisiert.971 Die Tatsache, dass bestimmte Vorschriften nur in bestimmten Bereichen geschaffen wurden oder in ihrer Form kein zweites Mal im Gesetz existieren, lässt keinen automatischen Rückschluss auf deren Analogiefähigkeit zu. Es ist vielmehr entscheidend, ob sich die Rechtfertigung für die Existenz handelsrechtlicher Normen gerade aus der Kaufmannseigenschaft ergibt.972 Dafür muss abermals der Wertungsplan des Gesetzes ermittelt werden, in den insbesondere historische und teleologische Erwägungen einfließen. Es ist daher eine konkrete Einzelanalyse erforderlich.973 in: FS für Karsten Schmidt, 2009, 725 (742). in: FS für Karsten Schmidt, 2009, 725 (742). 969  So: Thibaut, Theorie der logischen Auslegung des römischen Rechts, 2. Aufl., 1806, S. 85; mit dem historischen Hintergrund: Raisch, in: FS für Walter Stimpel, 1985, 29 (34). 970  Pisko, Handelsgesetze als Quelle des bürgerlichen Rechtes, 1935, S. 9 f.; auf Pisko Bezug nehmend: Raisch, in: FS für Walter Stimpel, 1985, S. 35. 971  Umfassend: Pisko, Handelsgesetze als Quelle des bürgerlichen Rechtes, 1935, S.  9 f., 24–34; Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Erster Band, 15. Aufl., 1959, S. 297; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., 1991, S. 355 f.; Müller/Christensen, Juristische Methodik, Band I, 11. Aufl., 2013, Rn. 373; Engisch, Einführung in das juristische Denken, 12. Aufl., 2018, S. 211 m. w. N. 972  Raisch, in: FS für Walter Stimpel, 1985, 29 (45). 973  Zutreffend: Raisch, in: FS für Walter Stimpel, 1985, 29 (45). 967  Huber, 968  Huber,



E. Der abstrakt berechnete Käuferschaden nach § 376 Abs. 2 HGB199

Ausgangspunkt ist die Vorstellung des historischen Gesetzgebers in Bezug auf die abstrakte Schadensberechnung des § 376 Abs. 2 HGB. So betonte der Normsetzer in den Materialien zum Handelsgesetzbuch nicht explizit, dass die abstrakte Schadensberechnung des § 376 Abs. 2 HGB ausschließlich auf Handelsgeschäfte Anwendung finden solle.974 Zwar ging das Reichsoberhandelsgericht im Rahmen des Art. 357 Abs. 3 ADHGB davon aus, dass es sich bei der dort normierten Schadensberechnung lediglich um einen allgemeinen Grundsatz des Handelsverkehrs handelt.975 Jedoch kann daraus nicht zweifelsfrei geschlossen werden, dass der Normsetzer sich diese Auffassung auch zueigen machen wollte, als er § 376 Abs. 2 HGB schuf. Gleichwohl verfangen diese Zweifel mit Blick auf § 323 Abs. 2 BGB nicht. Als der Gesetzgeber im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung im Jahr 2002 das relative Fixgeschäft im Bürgerlichen Recht in dieser Vorschrift regelte, verzichtete er gerade auf eine dem § 376 Abs. 2 HGB vergleichbare Positivierung und das, obwohl er sich ausdrücklich an § 376 HGB orientierte.976 Gewiss handelte es sich bei dem am 01.01.2002 in Kraft getretenen Schuldrechtsmodernisierungsgesetz sowohl um ein eiliges als auch um ein lückenhaftes Gesetzgebungsverfahren,977 jedoch ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bewusst auf eine dem § 376 Abs. 2 HGB vergleichbare Regelung verzichtete und kein „Redaktionsversehen“ vorlag.978 Auch die gesetzesimmanente Teleologie spricht gegen eine Regelungslücke außerhalb von Handelsgeschäften. So tritt das Bedürfnis nach einer beschleunigten und vereinfachten Vertragsabwicklung hier nicht hinreichend stark zum Vorschein, da es insbesondere an Normen, wie § 377 Abs. 1, Abs, 2 HGB, fehlt, aus denen eine solche Wertung gewonnen werden könnte. Des Weiteren wird der eingangs beschriebenen Forderung, auch Nichtkaufleuten den Verkehrswert der ausgebliebenen Ware zuzusprechen, bereits über die Differenzhypothese im Zusammenspiel mit der abstrakten Schadensberechnung im weiteren Sinne Rechnung getragen. Der nicht zugeflossene Verkehrswert stellt auch hier einen ersatzfähigen Schaden dar. Eine abstrakte Schadensberechnung im engeren Sinne, wie sie § 376 Abs. 2 HGB anordnet, bedarf es hierfür nicht. Eine Regelungslücke ist somit zu verneinen.

974  Soweit

dies zumindest ersichtlich ist. 07.05.1873, II 13/73, ROHGE 9, 311 (317); ROHG, 03.09.1874, II 958/74, ROHGE 14, 140 (142). Die Zuständigkeit des Reichsoberhandelsgerichtes beschränkte sich hauptsächlich auf den Handelsverkehr. Siehe dazu: Thöl, Handelsrecht, 1875, Erster Band, 5. Aufl., § 23, S. 78–80. 976  BT-Drucks. 14/6040, S. 185. 977  Altmeppen/Reichard, in: FS für Ulrich Huber, 2006, S. 73 (81) m. w. N.; Müller, WM 2013, 1 (7 f.). 978  Ebenso: Müller, WM 2013, 1 (8). 975  ROHG,

200

1. Kap.: Der abstrakt berechnete Käuferschaden

IV. Zusammenfassung der Ergebnisse Die in § 376 Abs. 2 HGB beschriebene Schadensbemessungsmethode ordnet einen gesetzlichen Mindestschaden an. Für die Berechnung dieses Schadens erscheint es entgegen dem Wortlaut aus teleologischen Gesichtspunkten überzeugender, den Markt- oder Börsenpreis in dem Moment zu fixieren, in dem der Erfüllungsanspruch erlischt (§ 376 Abs. 1 S. 2 HGB). Ebenso sind diese Preise richtigerweise am Bestimmungsort oder an dem subsidiär heranzuziehenden Ablieferungsort zu ermitteln. Grundsätzlich findet § 376 Abs. 2 HGB auch im Bereich von einseitigen Handelsgeschäften Anwendung. Allerdings gilt dies nur, wenn das Geschäft für den Käufer zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehört. Fehlt es an dieser Komponente, ergibt sich „ein anderes“ nach § 345 HGB. Auf die Kaufmannseigenschaft des Verkäufers kommt es hingegen nicht an. Des Weiteren handelt es sich bei § 376 Abs. 2 HGB um einen allgemeinen Grundsatz des Handelsverkehrs. Dieses Verständnis entspricht zum einen der Vorstellung des historischen Gesetzgebers und zum anderen dem Bedürfnis nach einer raschen und vereinfachten Vertragsabwicklung. Allerdings muss in der Konsequenz auch die gesamte Systematik des § 376 HGB berücksichtigt werden, um dafür Sorge zu tragen, dass der Käufer außerhalb handelsrechtlicher Fixgeschäfte nicht besser steht als bei Geschäften, die eine solche Fixkomponente aufweisen. Eine Anwendung des § 376 HGB auf Geschäfte ohne Kaufmannsbeteiligung ist dagegen nicht möglich. Weder die Vorstellung des historischen Gesetzgebers noch die gesetzesimmanente Teleologie sprechen für eine Regelungslücke.

2. Kapitel

Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden Die abstrakte Schadensberechnung des Verkäufers weist deutliche Parallelen zu der abstrakten Schadensbemessung des Käufers auf. Ist der Verkäufer zum Schadensersatz statt der Leistung berechtigt, weil der Käufer die Ware weder bezahlt noch abgenommen hat, kommen für ihn ein entgangener Gewinn sowie der nicht zugeflossene Vertragswert als Schadensposten in Betracht. Erstgenannter bestimmt sich nach der Differenz zwischen dem Selbstkostenpreis des Verkäufers und dem vereinbarten Vertragspreis. Dabei wird zu fragen sein, inwieweit abstrakte beziehungsweise konkret-typisierende Elemente in die Berechnung des entgangenen Gewinnes einfließen. Insbesondere der Umstand, dass der Verkäufer die nicht abgenommene Ware noch immer in Händen hält und gegebenenfalls sogar zu besseren Konditionen hätte absetzen können, wird maßgeblich zu berücksichtigen sein. Alternativ steht dem Verkäufer ein Anspruch auf den Vertragswert zu. Dieser Wert wird durch die Differenz zwischen dem Verkehrswert der veräußerten Ware und dem höheren Verkaufspreis determiniert. Bei der Betrachtung dieses Berechnungsmodus fällt auf, dass sich – genau wie bei der abstrakten Berechnung des Käuferschadens1 – die Schadenshöhe maßgeblich an dem Verkehrswert der Ware bemisst. Es ist daher zu fragen, wie der Warenwert zu ermitteln ist und welche besonderen Faktoren dabei zu berücksichtigen sind. Insofern weisen diese beiden Berechnungsmodi eine unübersehbare Schnittmenge zu der Schadensberechnung des Käufers auf. Jedoch offenbaren sich bei genauerer Betrachtung auch signifikante Unterschiede, die es im Folgenden zu untersuchen gilt.

A. Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden in seinen Anfängen Sowohl die Rechtsprechung als auch die Literatur des 19. Jahrhunderts waren bestrebt, dem nicht belieferten Käufer eine Preisdifferenz zwischen Vertragspreis und höherem Marktpreis zuzugestehen.2 Diese Möglichkeiten 1  Dazu 2  Dazu

bereits unter: 1. Kap. D. I. 2. b). bereits unter: 1. Kap. A. I., II.

202

2. Kap.: Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden

wurden aufseiten des Verkäufers jedoch deutlich restriktiver gehandhabt.3 Kam der Käufer seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nach, wurde der Verkäufer bestenfalls auf die konkrete Schadensberechnung verwiesen. Dabei konnte er die Differenz zwischen dem Vertragspreis und dem tatsächlich erzielten Mindererlös verlangen, wenn er die nicht abgenommene Ware an einen Dritten veräußerte.4 Die Judikatur ging zum Teil noch einen Schritt weiter und verweigerte dem Verkäufer sogar diese Form der Schadensbemessung, sodass lediglich die Unkosten, die durch die Aufbewahrung der nicht abgenommenen Ware entstanden, ersatzfähig waren.5 Diese sehr strenge Handhabung wurde auf den Gedanken zurückgeführt, dass dem Käufer die nicht abgenommene Ware immer noch zustehen würde.6 Partiell spiegelte sich dieses Verständnis in der damaligen Literatur wider. Der Verkäufer konnte nach der Ansicht Treitschkes7 lediglich etwaige Verzugszinsen geltend machen, sofern die Ware nicht bezahlt wurde. Nur vereinzelt gab es erste Überlegungen, dem Verkäufer eine abstrakte Schadensberechnung zuzugestehen. So schlug Thöl8 vor, dem Verkäufer die Differenz zwischen höherem Vertragspreis und niedrigerem Markt(verkaufs)preis zuzusprechen, sofern ein Fixgeschäft vorlag. Dieser Auffassung Thöls sollte allerdings mit dem Inkrafttreten des ADHGB im Jahre 1861 der Boden entzogen werden. Durch den neu geschaffenen Art. 357 Abs. 2 ADHGB positivierte der Gesetzgeber die bis dato vorherrschende Ansicht, dass dem Verkäufer nur die Möglichkeit eines Selbsthilfeverkaufes zustand: „Will der Verkäufer statt der Erfüllung für Rechnung des säumigen Käufers verkaufen, so muß er, im Falle die Waare einen Markt- oder Börsenpreis hat, den Verkauf unverzüglich nach Ablauf der Zeit oder der Frist vornehmen. Ein späterer Verkauf gilt nicht als für Rechnung des Käufers geschehen […].“

Einen Anspruch auf die Differenz zwischen Vertragspreis und niedrigerem Marktpreis stand dem Verkäufer demnach selbst dann nicht zu, wenn es sich 3  Für viele Nachweise aus der Rechtsprechung und Literatur sowie umfassend zur Entwicklung des Verkäuferschadens: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 22, 45–47; für weitere Nachweise aus Rechtsprechung und Literatur: Knütel, AcP 202 (2002), 555 (594 f.). 4  OAG Lübeck, 30.04.1851, SeuffA 5 (1852), 195 Nr. 156 (196); OAG Lübeck, 27.09.1845, SeuffA 8 (1855), 457 Nr. 351 (458); Adler, Holdheim 6 (1897), 106 (107); ders., ArchBürgR, 1900, 132 (137). 5  OAG Dresden, SeuffA 11 (1857), 204 Nr. 11 (205). 6  OAG Dresden, SeuffA 11 (1857), 204 Nr. 11 (205). 7  Treitschke, Der Kaufcontract, 1838, S. 175 f. 8  Zur rechtlichen Situation vor dem Inkrafttreten des ADHGB: Thöl, Handelsrecht I, 1876, Erster Band, Zweite Abteilung, 5. Aufl., § 282, S. 359.



A. Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden in seinen Anfängen203

um ein Fixgeschäft handelte.9 An einer dem Art. 357 Abs. 3 ADHGB vergleichbaren Norm fehlte es:10 „Wenn der Käufer statt der Erfüllung Schadensersatz wegen Nichterfüllung fordert, so besteht, im Falle die Waare einen Markt- oder Börsenpreis hat, der Betrag des von dem Verkäufer zu leistenden Schadensersatzes in der Differenz zwischen dem Kaufpreise und dem Markt- und Börsenpreise zur Zeit und am Orte der geschuldeten Lieferung […].“

Aufgrund dieser legislativen Rahmenbedingungen kam der abstrakten Schadensberechnung aufseiten des Verkäufers bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts nur eine untergeordnete Rolle zu. Mit der Einführung des Bürgerlichen und des Handelsgesetzbuches sollte es allerdings im Jahre 1900 zu einem Paradigmenwechsel kommen. Durch die Einführung des § 326 Abs. 1 S. 2 BGB a. F. wurde der Anspruch auf Erfüllung ausgeschlossen: „Nach dem Ablaufe der Frist ist [der Gläubiger] berechtigt, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen oder von dem Vertrage zurückzutreten, wenn nicht die Leistung rechtzeitig erfolgt ist; der Anspruch auf Erfüllung ist ausgeschlossen […].“

Dieser Umstand führte im Zusammenspiel mit dem Wegfall des Art. 357 Abs. 2 ADHGB dazu, dass auch dem Verkäufer nach Ansicht der Rechtsprechung grundsätzlich jede Form der Schadensberechnung zustehen sollte.11 Diese Zäsur eröffnete dem Verkäufer zwei Möglichkeiten, seinen Schaden „abstrakt“ zu berechnen, die eine gewisse „Spiegelbildlichkeit“ zur Berechnung des Käuferschadens aufweisen. Zum einen konnte er die Differenz zwischen Selbstkostenpreis und Vertragspreis, also einen entgangenen Gewinn geltend machen, zum anderen die Differenz zwischen Marktverkaufspreis und Vertragspreis. Diese „Waffengleichheit“ von Käufer und Verkäufer wurde hingegen in der Literatur anfangs kritisch betrachtet,12 da man spekulative Anreize befürchtete.13

9  Staub/Pisko, ADHGB, Österreich, II. Band, 3.  Aufl., 1938, Art. 357 § 16, S. 719. 10  Zu Art. 357 Abs. 3 ADHGB bereits unter: 1. Kap. A. II. 11  RG, 04.04.1904, II 336/04, RGZ 60, 346 (347); zur Bedeutung des § 326 Abs. 1 S. 2 BGB a. F.: RG, 11.04.1902, II 407/01, RGZ 50, 255 (264). 12  So bereits: Adler, Holdheim 6 (1897), 106 (107); Oertmann, in: Ehrenberg, Handbuch des gesamten Handelsrechts, vierter Band, zweite Abteilung, 1918, S. 443. 13  Adler, Holdheim 6 (1897), 106 (107 f.).

204

2. Kap.: Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden

B. Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden als entgangener Gewinn Der Bundesgerichtshof14 begreift – dem Verständnis des Reichsgerichtes15 folgend – die abstrakte Schadensberechnung des Verkäufers als Ersatz für dessen entgangenen Gewinn. Demnach verläuft die abstrakte Schadensbemessung des Käufers und die des Verkäufers in der Frage, welcher Posten dem Anspruchsgläubiger zu ersetzen ist, nach Ansicht der Rechtsprechung parallel, da in beiden Fällen ein nicht vollzogenes Absatzgeschäft inmitten der abstrakten Schadensberechnung steht. Es verwundert daher nicht, dass im Zuge der abstrakten Berechnungsmethode des Verkäufers ähnliche Problemkreise zu Tage treten, die auch schon auf Käuferseite relevant wurden. So wird auch hier der Frage nachzugehen sein, ob es sich um eine abstrakte oder doch um eine konkrete Schadensberechnung handelt und welche Parameter für diese Berechnungsmethode heranzuziehen sind. Während jedoch die Diskussion aufseiten des Käufers von der Befürchtung dominiert wurde, dass dieser zulasten des Verkäufers spekulieren könnte, wurde die Ersatzfähigkeit des entgangenen Gewinnes aufseiten des Verkäufers zusätzlich von der Sorge überschattet, dieser könnte zweimal an der Sache verdienen, da er die nichtabgenommene Ware immer noch in Händen halten würde.16

I. Der entgangene Gewinn als Ausdruck des gewöhnlichen Verlaufes der Dinge Der Bundesgerichtshof spricht dem Verkäufer die Differenz zwischen Selbstkosten und Vertragspreis zu und ersetzt ihm dadurch seinen entgangenen Gewinn. Ausgangspunkt dieser Ansicht ist der gewöhnliche Verlauf der Dinge im kaufmännischen Verkehr.17 In diesem Zusammenhang stellt sich allerdings die naheliegende Frage, wie die Typizität des kaufmännischen Verkehrs in diese Form der Schadensberechnung überhaupt Einzug halten soll, wenn die Differenz zwischen den Selbstkosten und dem Vertragspreis 14  BGH, 03.05.1960, VIII ZR 88/59, JZ 1961, 27 (28); BGH, 22.02.1989, VIII ZR 45/88, BGH, 22.02.1989, VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 (69); BGH, 29.06.1994, VIII ZR 317/93, BGHZ 126, 305 (308). 15  RG, 04.04.1904, II 336/04, RGZ 60, 346 (347); RG, 05.07.1918, III 117/18, WarnR 1918, 271 Nr. 184 (272); RG, 15.10.1935, III 31/35, JW 797 Nr. 4; OLG Hamburg, 08.10.1901, OLGE 4, 16 (19); OLG Darmstadt, 13.12.1901, OLGE 4, 224. OLG Hamburg, 18.03.1911, OLGE 23, 9. 16  Sehr kritisch: Flume, AcP 215 (2015), 282 (336–338). 17  BGH, 03.05.1960, VIII ZR 88/59, JZ 1961, 27 (28); BGH, 29.06.1994, VIII ZR 317/93, BGHZ 126, 305 (308).



B. Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden als entgangener Gewinn205

anhand der konkreten Gegebenheiten des Falles bestimmt wird. Dazu ein kurzer Beispielsfall: Kaufmann V verkauft 10 Tonnen Aluminium an Kaufmann K zu einem Preis von 2.000,– Euro pro Tonne. Sie vereinbaren, dass die Lieferung am 01.07. erfolgen und ab diesem Tag auch der Anspruch auf Kaufpreiszahlung fällig werden soll. Allerdings verweigert K am besagten Datum die Abnahme und zahlt in der Folgezeit auch nicht den Kaufpreis. V setzt dem K daraufhin eine angemessene Frist, die erfolglos verstreicht. Im weiteren Verlauf veräußert V das Aluminium zum gleichen Preis an D. Allerdings verlangt V von K dennoch Schadensersatz bezüglich seines entgangenen Gewinnes. K wendet ein, dass V die Ware bereits anderweitig veräußert habe und ihm demnach kein Gewinn entgangen sei. V erwarb das Aluminium zuvor zu einem Preis von 1.500,– Euro pro Tonne.

Der Bundesgerichtshof würde dem Verkäufer in diesem Fall einen entgangenen Gewinn in Höhe von 5.000,– Euro abzüglich ersparter Kosten auf der Grundlage des gewöhnlichen Verlaufs der Dinge zusprechen. Doch auf welche typischen Geschehensabläufe stützt sich die Judikatur? Die Höhe des Einkaufspreises und des Vertragspreises wird im obigen Beispiel durch die besonderen Umstände des Falles bestimmt (§ 252 S. 2 Alt. 2 BGB) und gerade nicht, wie bei der Berechnung des Käuferschadens, anhand des gewöhnlichen Verlaufs der Dinge (§ 252 S. 2 Alt. 1 BGB). Dennoch existieren zwei „Einfallstore“, durch die der Verkäufer auf die Typizität der Geschehensabläufe verweisen kann: Der erste Anknüpfungspunkt setzt an den Beschaffungskosten des Verkäufers an. Diese Kosten bilden gemeinsam mit den Spezial- und den sprunghaften Fixkosten, die Selbstkosten, die der Ermittlung des entgangenen Gewinnes zugrunde gelegt werden.18 Alternativ steht es dem Verkäufer frei, anstelle der tatsächlich angefallenen Beschaffungskosten (§ 252 S. 2 Alt. 2 BGB) auch den Marktpreis auf seinem Beschaffungsmarkt für die Berechnung seines entgangenen Gewinnes zugrunde zu legen (§ 252 S. 2 Alt. 1 BGB).19 Die Möglichkeit einer solchen Gewinnermittlung entspringt dem Bedürfnis, die Geschäftsinterna des Verkäufers zu schützen. Müsste der Schadensersatzgläubiger stets seine tatsächlichen Anschaffungskosten in die Schadensermittlung einstellen, wäre er als Geschädigter dazu gezwungen, Teile seiner Kostenkalkulation offen zu legen.20 Diese Berechnungsalterna18  Zu den Spezial- und Fixkosten: 2. Kap. B. III.; vgl. auch: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 167. 19  RG, 22.06.1911, II 33/11, LZ 1911, Spalte 850 Nr. 3 (851); RG, 05.07.1918, III 117/18, WarnR 1918, 271 Nr. 184 (272); RG, 15.10.1935, III 31/35, JW 1936, 797 Nr. 4 = RG, 15.10.1935, III 31/35, HRR 1936, Nr. 326; Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 167. 20  Zur Bedeutung der Kostenkalkulation: BGH, 12.11.1991, KZR 18/90, NJW 1992, 1817 (1818); Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl., 2022, Vor § 284 Rn. 34 b.

206

2. Kap.: Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden

tive steht jedoch unter der Prämisse, dass der Verkäufer nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge die Differenz zwischen Markteinkaufspreis und Vertragspreis verdient hätte. Mit anderen Worten: Veräußert der Verkäufer Waren an den Käufer, muss es der Typizität der Geschehensabläufe entsprechen, dass der Veräußerer die Waren zu seinem Markteinkaufspreis besorgt hätte, um seine Verpflichtung aus dem Kaufvertrag zu erfüllen.21 Dies wird regelmäßig bei Händlern der Fall sein, die mit dieser Ware Handel treiben. Sie erwerben die entsprechende Ware, um sie zu einem höheren Vertragspreis abzusetzen. Müsste sich ein solcher Händler mit der von ihm geschuldeten Ware eindecken, um seiner vertraglichen Verpflichtung nachkommen zu können, würde er dafür nach dem typischen Geschehensablauf den Marktpreis auf seinem Beschaffungsmarkt aufbringen. Bei Verbrauchern oder Gewerbetreibenden, die (mit dieser Ware) keinen Handel treiben, gilt dies jedoch nicht. Veräußert beispielsweise ein Rohstoffhändler nicht mehr benötigte Büroeinrichtung, würde es gerade nicht der Typizität der Geschehensabläufe entsprechen, dass dieser die Büroeinrichtung (weder im neuwertigen noch im gebrauchten Zustand) auf seinem Beschaffungsmarkt erwirbt, um sie anschließend abzusetzen.22 Auch der Warenproduzent kann seinen tatsächlichen Selbstkostenpreis in die Schadensberechnung einstellen oder alternativ den Betrag, den er nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge hätte aufwenden müssen, um die Ware herzustellen.23 Hierbei steht ihm auch eine „gemischte“ Form der Selbstkostenermittlung zu. So kann der Verkäufer bestimmte Kosten wie Löhne „konkret“ und andere Kostenpunkte wie Rohstoffpreise „abstrakt“ anhand des Markteinkaufspreises ermitteln.24 Um Geschäftsinterna jedoch hinreichend zu schützen und die Ermittlung der Selbstkosten weiter zu vereinfachen und zu beschleunigen, kann der Produzent den Marktpreis auf seinem Absatzmarkt nachweisen und eine branchenübliche Gewinnspanne subtrahieren. Der auf diese Weise ermittelte Preis nähert sich den durchschnittlich zu erwartenden Selbstkosten des Produzenten an, die er nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge aufwenden müsste, um die in Rede stehende Sache produzieren zu können. 21  RG, 22.06.1911, II 33/11, LZ 1911, Spalte 850 Nr. 3 (851); RG, 15.10.1935, III 31/35, JW 1936, 797 Nr. 4 = RG, 15.10.1935, III 31/35, HRR 1936, Nr. 326; Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 167; vgl. ferner: Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl., 1982, § 376 Rn. 33. 22  Ebenso sowie zum Ganzen: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 167. 23  RG, 22.06.1911, II 33/11, LZ 1911, Spalte 850 Nr. 3 (851); RG, 18.02.1918, IV 426/17, WarnR 1918, 108 Nr. 73 (109). 24  RG, 22.06.1911, II 33/11, LZ 1911, Spalte 850 Nr. 3 (851); zum Ganzen auch zutreffend: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 168 f.



B. Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden als entgangener Gewinn207

Das zweite typisierende Element hält über die widerlegbare Vermutung Einzug, dass sich ein Händler marktgängige Waren bei Vertragstreue des Käufers noch einmal hätte beschaffen und auch erfolgreich absetzen können.25 Dies hat zur Folge, dass der Käufer dem Verkäufer nicht entgegenhalten kann, dass er die Ware anderweitig an einen Dritten veräußert, eine Absatzmöglichkeit unterlassen oder die Ware schlichtweg behalten hat.26 Aus dieser typisierenden Betrachtungsweise zog der Bundesgerichtshof den zweifelhaften Schluss, dass dem Verkäufer der Gewinn aus dem Zweitgeschäft entgeht, wenn er die nicht abgenommenen Waren an einen Dritten weiterveräußert.27 Dem ist entgegenzuhalten, dass das Zweitgeschäft tatsächlich durchgeführt wird und dem Verkäufer der jeweilige Gewinn tatsächlich zufließt. Vielmehr ist es der Gewinn aus dem Erstgeschäft, mithin die Differenz zwischen Selbstkosten und Vertragspreis, die dem Verkäufer entgeht.28 In früheren Entscheidungen herrschte teilweise Unklarheit darüber, ob das zweite typisierende Element ausreicht, um von einer „abstrakten“ Schadensberechnung ausgehen zu können.29 Nach der hier verwendeten Terminologie handelt es sich bei dieser Schadensberechnung weder um eine abstrakte Schadensberechnung im engeren Sinne noch im weiteren Sinne.30 Durch die Typisierung der Geschehensabläufe kommt es lediglich im Bereich der konkreten Schadensberechnung zu den beschriebenen Modifikationen.

II. Die Parameter des Differenzanspruches Legt der Verkäufer anstelle der tatsächlich angefallenen Beschaffungsoder Herstellungskosten einen Marktpreis zugrunde, ist zunächst zu klären, zu welchem Zeitpunkt dieser Preis zu bestimmen ist. Im Gegensatz zur 25  BGH, 03.05.1960, VIII ZR 88/59, JZ 1961, 27 (28); BGH, 08.10.1969, VIII ZR 20/68, NJW 1970, 29 (30); BGH, 29.06.1994, VIII ZR 317/93, BGHZ 126, 305 (308); BGH, 15.11.2011, VI ZR 4/11, NJW 2012, 601 Rn. 11; Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl., 1926, Band 3, Anh. zu § 374 Anm. 29 f.; Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, § 280 Rn. E87; MünchKomm/Emmerich, BGB, 9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 31. 26  Zu den einzelnen Ausschlussgründen sogleich unter: 2. Kap. B. V.; vgl. ferner: Hager, Rechtsbehelfe des Verkäufers, 1975, S. 164; Frank/Werner, DB 1977, 2171 (2175), der darauf hinweist, dass keine „Vorteilsausgleichung“ stattfindet. 27  BGH, 29.06.1994, VIII ZR 317/93, BGHZ 126, 305 (308). 28  Dazu schon: Huber, Leistungsstörung, Band 2, 1999, § 38 II 3, S. 240 (Fn. 32); kritisch auch: Knütel, AcP 202 (2002), 555 (596) (Fn. 176). 29  Verneinend: RG, 19.12.1916, II 463/16, RGZ 89, 282 (283); bejahend: BGH, 29.06.1994, VIII ZR 317/93, BGHZ 126, 305 (308); offengelassen: OLG Hamburg, 08.10.1901, OLGE 4, 16 (19); RG, 17.12.1918, II 374/18, LZ 1919, Spalte 530 Nr. 5 (531); vgl. ferner auch: Plum, JW 1919, 445. 30  Zu der hier vertretenen Terminologie bereits unter: Einleitung II. 1.

208

2. Kap.: Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden

konkret-typisierenden Schadensberechnung des Käufers wurde dem Verkäufer nur aufseiten der Literatur ein Wahlrecht zwischen dem Eintritt des Schuldnerverzuges aufseiten des Käufers und dem Ende der Nachfrist zugestanden.31 Eine solche Möglichkeit ist jedoch nicht nur dem Käufer, sondern auch dem Verkäufer zu verwehren. So könnte der Verkäufer beispielsweise durch die Länge der Nachfrist auf eine für ihn günstige Preisentwicklung spekulieren und im Falle einer negativen Marktbewegung auf den früheren Zeitpunkt des Verzugseintritts abstellen. Wie bereits im Rahmen des Käuferschadens gezeigt,32 sind spekulative Anreize bei der Ermittlung des entgangenen Gewinnes zu unterbinden. Insbesondere darf dem Verkäufer nicht die Möglichkeit eröffnet werden, einseitig auf die Schadenshöhe Einfluss zu nehmen. Demnach können auch das Ende der Nachfrist33 oder der Moment des § 281 Abs. 4 BGB34 nicht als taugliche Zeitpunkte dienen. Um den maßgeblichen Zeitpunkt ermitteln zu können, muss der Verkäufer so gestellt werden, als wäre der Käufer seinen Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag ordnungsgemäß nachgekommen. Legt man hingegen das Nachfristende oder den Moment des § 281 Abs. 4 BGB zugrunde, könnte der Verkäufer bei einer vorteilhaften Preisentwicklung sogar besser stehen und dadurch durch das vertragswidrige Verhalten des Käufers profitieren.35 Um dies zu verhindern, kann es nur auf den Zeitpunkt der Fälligkeit ankommen.36 Dabei stellt sich jedoch die Frage, welcher Anspruch tatsächlich fällig sein muss. Wenn es zu einer ordnungsgemäßen Vertragsabwicklung zwischen den Parteien gekommen wäre, ist der Verkäufer spätestens bei Fälligkeit des Lieferungsanspruches dazu angehalten, sich die entsprechende Ware zu beschaffen.37 In dem Moment, in dem er die Anschaffungs- oder Herstellungskosten tatsächlich tätigt, determiniert er die Höhe seiner Gewinnspanne. Es 31  Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl., 1926, Band 3, Anh. zu § 374 Anm. 29b (S. 1061); Hager, Rechtsbehelfe des Verkäufers, 1975, S. 164; Staub/Würdinger/Röhricht, HGB, Großkommentar 4. Band, 3. Aufl., 1970, Vor § 373 Anm. 358; Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 252 Rn. 23. 32  Dazu bereits unter: 1. Kap. B. IV. 2. b). 33  RG, 04.04.1904, II 336/04, RGZ 60, 346 (347); RG, 28.04.1905, II 381/04, Holdheim 1905, 218 (219); MünchKomm/Emmerich, BGB, 9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 33. 34  Huber/Faust/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, 2002, S. 152; für den Falle der Erfüllungsverweigerung: MünchKomm/Emmerich, BGB, 9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 33; Flume, AcP 215 (2015), 282 (343 f.). 35  Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 170. 36  Ähnlich: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 170; kritisch: Flume, AcP 215 (2015), 282 (343 f.). 37  So auch: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 170.



B. Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden als entgangener Gewinn209

kommt daher maßgeblich darauf an, wann der Anspruch des Käufers auf Übergabe und Übereignung der Ware tatsächlich fällig wird. Auch in Bezug auf den maßgeblichen Ort gilt der Grundsatz, dass der Verkäufer so zu stellen ist, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung stünde. Würde der Käufer seinen vertraglichen Verpflichtungen nachkommen, müsste sich der Verkäufer die Ware selbst beschaffen. Es ist daher zu fragen, wo sich der schadensersatzberechtigte Verkäufer üblicherweise eingedeckt hätte. Dahingehend trifft den Schadensersatzgläubiger die Darlegungs- und Beweislast. Existiert an dem maßgeblichen Ort kein Marktpreis, ist der nächstgelegene Ort, an dem ein Marktpreis existiert, ausschlaggebend.38 Dabei sind möglicherweise höhere oder niedrigere Transportkosten in der Schadenshöhe zu berücksichtigen. Kommen mehrere dieser Orte gleichermaßen in Betracht, würde sich subsidiär der Ablieferungsort, also der Ort, an dem der Verkäufer die Ware in Empfang nimmt, anbieten.39 Allerdings wird sich ein solcher Ort im Bereich der Holschuld nicht ermitteln lassen, wenn sich bereits der typische Eindeckungsort nicht feststellen lässt. Kommen mehrere potenzielle Eindeckungsorte in Betracht, ist auch hier ein Durchschnittswert zu bilden.40 Dadurch werden Spekulationsmöglichkeiten unterbunden und eine sachgerechte Lösung gewährleistet.

III. Weitere Berechnungsmodalitäten Für die Ermittlung des entgangenen Gewinnes sind auch die eingesparten Kosten des Schadensersatzgläubigers zu berücksichtigen. Spezialunkosten, die angefallen wären, wenn der Verkäufer ordnungsgemäß erfüllt hätte (beispielsweise Transport und Verpackung der Ware), sind dabei in jedem Fall vom Schadensersatzanspruch abzuziehen.41 Im Gegensatz zu diesen variablen Kosten fallen Generalunkosten unabhängig davon an, ob die Ware abgenommen wird oder nicht. Daher sind diese Kosten auch nicht 38  Zutreffend: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 170. 39  Ähnlich: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 170. 40  Siehe dazu bereits aufseiten des Käufers unter: 1. Kap. B. IV. 3. 41  BGH, 01.03.2001, III ZR 361/99, NJW-RR 2001, 985 (987); RG, 15.10.1935, III 31/35, JW 797 Nr. 4 (798); Bitz, DB 1979, 2409 (2409 f.); Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 169; Lange/Schiemann/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl., 2003, § 6 X 7, S. 349 f.; Baumgärtel/Laumen/Prütting/Helling, Handbuch der Beweislast, 3. Aufl., 2007, § 252 Rn. 28; Soergel/Ekkenga/Kuntz, BGB, 13. Aufl., 2014, § 252 Rn. 46.

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2. Kap.: Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden

abzugsfähig.42 Eine Ausnahme ist jedoch im Bereich der sprunghaften Fixkosten zu machen.43 Diese Kosten verändern sich innerhalb eines Beschäftigungsintervalls nicht und steigen bei Überschreitung eines bestimmten Beschäftigungsgrades sprunghaft an.44 Hätte der Verkäufer bei Durchführung des Kaufvertrages neues Personal einstellen oder Lagerräume anmieten müssen, hat er sich diese Kosten nun erspart.45 Die Darlegungs- und Beweislast für eine etwaige Anrechnung trifft nach allgemeinen Regeln den schadensersatzpflichtigen Käufer.46 Allerdings entzieht sich die Notwendigkeit etwaiger Investitionen im Bereich der Generalunkosten regelmäßig dem Einblick des Schadensersatzschuldners, sodass dem Verkäufer in diesem Bereich eine sekundäre Darlegungslast auferlegt werden muss. In der Folge muss der Verkäufer in substantiierter Weise darlegen, dass entsprechende Investitionen nicht notwendig gewesen wären. Des Weiteren steht es dem Schadensersatzgläubiger grundsätzlich frei, ob er seinen Schadensersatz nach der Differenz- oder Surrogationsmethode berechnen möchte. Allerdings beschränkt ein Teil des Schrifttums die Schadensberechnung des Verkäufers auf die Surrogationsmethode, da andernfalls die Gefahr einer Überkompensation drohen könnte. Die Befürchtung entspringt dem Gedanken, dass der Gläubiger nach der Forderung des Schadensersatzes nicht daran gehindert wäre, die Sache weiterzuveräußern.47 Im Rahmen der Surrogationsmethode kommt es zu einem realen Austausch der Leistungen, wobei das Interesse des Gläubigers an der ausgebliebenen Leistung in Geld ersetzt wird.48 In der Folge muss der Schadensersatzgläubiger dem Käufer die Ware in Annahmeverzug begründender Weise anbieten. Nur mittels Rücktritt (§ 346 Abs. 1 BGB), Hinterlegung (§ 372 BGB, § 378 42  RG, 15.10.1935, III 31/35, JW 797 Nr. 4 (798); Hager, Rechtsbehelfe des Verkäufers, 1975, S. 168 f.; Baumgärtel/Laumen/Prütting/Helling, Handbuch der Beweislast, 3. Aufl., 2007, § 252 Rn. 28; Staub/Koller, HGB, Großkommentar, 5. Aufl., 2013, § 376 Rn. 42. 43  RG, 15.10.1935, III 31/35, JW 797 Nr. 4 (798); BGH, 22.02.1989, VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 (69); Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 169; Soergel/Ekkenga/Kuntz, BGB, 13. Aufl., 2014, § 252 Rn. 46. 44  Steger, Kosten- und Leistungsrechnung, 2. Aufl., 1999, S. 109. 45  In diese Richtung gehend auch: BGH, 22.02.1989, VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 (69); BGH, 01.03.2001, III ZR 361/99, NJW-RR 2001, 985 (986). 46  BGH, 22.02.1989, VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 (69); BGH, 01.03.2001, III ZR 361/99, NJW-RR 2001, 985 (987); Baumgärtel/Laumen/Prütting/Helling, Handbuch der Beweislast, 3. Aufl., 2007, § 252 Rn. 28. 47  Adler, Holdheim 6 (1897), 106 (108); v. Tuhr, DJZ 1904, 759 (762); Oertmann, in: Ehrenberg, Handbuch des gesamten Handelsrechts, vierter Band, zweite Abteilung, 1918, S. 443. 48  Statt aller: Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, § 280 Rn. E41; MünchKomm/ Emmerich, 9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 13.



B. Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden als entgangener Gewinn211

BGB) oder einem Selbsthilfeverkauf (§ 373 Abs. 2–5 HGB, § 383 BGB, § 385 BGB) könnte sich der Verkäufer von seiner Leistungspflicht aus dem Kaufvertrag befreien.49 Diese Auffassung nähert sich der Rechtslage an, die bereits vor der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches und dem Wegfall des Art. 357 Abs. 2 ADHGB bestand.50 Verweigert der Käufer demnach die Erfüllung, würde dem Verkäufer nur der Selbsthilfeverkauf verbleiben. Bei der vorliegenden konkret-typisierenden Berechnungsmethode möchte der Verkäufer jedoch die Ware behalten, sodass nur die Anwendung der Differenzmethode in Betracht kommt. Dieser Berechnungsmodus geht in der Regel mit der (konkludenten) Erklärung des Rücktritts einher, da sich der Verkäufer auf diese Weise von seinen vertraglichen Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag befreien kann.51 Die aufseiten des Schrifttums aufgeworfenen Bedenken können an dieser Stelle nicht geteilt werden. Zwar würde der Verkäufer bei ordnungsgemäßer Vertragsabwicklung auch den Besitz und das Eigentum an der Kaufsache verlieren,52 jedoch ist diesem Umstand mit der Typizität des Handelsverkehrs zu begegnen. So dient der gewöhnliche Verlauf der Dinge dem Zweck, die Vermögenslage herzustellen, die im Falle einer ordnungsgemäßen Abnahme bestünde. Wäre dem Händler die Ware abgenommen worden, kann widerlegbar davon ausgegangen werden, dass er sich diese abermals beschaffen und anschließend weiterveräußern könnte. Dieser ständige Warenan- und verkauf zeichnet einen Händler letztlich aus. Dass der Verkäufer die Ware im Falle einer Nichtabnahme immer noch in Händen hält, kann daher noch nicht zwingend dazu führen, dass ihm der entgangene Gewinn zu versagen ist. Im Ergebnis tritt lediglich der Zustand ein, der bestünde, wenn sich der Verkäufer die Ware erneut beschafft hätte. Bereits das Reichsgericht erkannte bestimmte Muster des kaufmännischen Verkehrs, aus denen schließlich die konkret-typisierende Schadensberechnung des Käufers entwickelt wurde.53 Kommt diese Typizität zum Tragen, wenn der Käufer Händler ist, muss sie in konsequenter Anwendung auch Bedeutung erlangen, wenn der Verkäufer diese Eigenschaft aufweist. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die Ware nur aufgrund des vertragswidrigen 49  Durch die Hinterlegung nach § 373 Abs. 1 HGB tritt grundsätzlich keine Erfüllungswirkung ein. Dazu: BeckOK/Schwartze, HGB, 39. Edition, Stand: 15.01.2023, § 373 Rn. 13. 50  Flume, AcP 215 (2015), 282 (329). Zu Art. 357 Abs. 2 ADHGB bereits unter: 2.  Kap. A. 51  Soergel/Benicke/Hellwig, BGB, 13. Aufl., 2014, § 281 Rn. 257; BeckOK/Lorenz, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 281 Rn. 37. 52  Flume, AcP 215 (2015), 282 (337). 53  Exemplarisch: RG, 05.06.1917, II 606/16, RGZ 90, 305 (306); RG, 27.09.1917, II 100/17, RGZ 90, 423 (425); RG, 30.10.1917, II 241/17, RGZ 91, 99 (103); RG, 30.04.1920, II 1/20, RGZ 99, 46 (49). Dazu bereits unter: 1. Kap. B. I. 1.

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2. Kap.: Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden

Käuferverhaltens noch immer in den Händen des Verkäufers liegt. Dieser Umstand darf dem Verkäufer, der dem Käufer eine erfolglos verstrichene, angemessene Frist gesetzt hat, nicht zum Nachteil gereicht werden. Zuletzt ist auch die Lösung anhand der Surrogationsmethode zu kritisieren. So wird der Verkäufer durch diesen Berechnungsmodus in den Selbsthilfeverkauf gedrängt. Dabei besteht die Gefahr, dass die Ware deutlich unterhalb ihres tatsächlichen Wertes veräußert wird. Der Verkäufer könnte dann sogar die Differenz zwischen dem sehr niedrigen Erlös und dem höheren Vertragspreis vom Käufer verlangen.54 Des Weiteren zwingt die Surrogationsmethode den Schadensersatzgläubiger dazu, sich die Ware tatsächlich besorgen zu müssen, um sie dann im Wege des Selbsthilfeverkaufes wieder abzusetzen.55 Der Verkäufer kann seinen Schadensersatz daher richtigerweise auch nach der Differenzmethode berechnen. Insbesondere bestehen keine fundierten Anhaltspunkte, die generell auf eine erhöhte Überkompensationsgefahr schließen lassen.

IV. Der personelle Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich der konkret-typisierenden Schadensberechnung stellt auf die Typizität von Geschehensabläufen ab. Die Einfallstore dieser typisierenden Betrachtungen liegen zum einen in der widerlegbaren Vermutung, dass sich der Verkäufer marktgängige Waren bei Vertragstreue des Käufers noch einmal hätte beschaffen und erfolgreich absetzen können.56 Zum anderen kann der Verkäufer auch seinen Markteinkaufspreis in seine Schadensberechnung einstellen.57 Diese Berechnungsvarianten kommen für den Verkäufer allerdings nur dann in Betracht, wenn es dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge entsprochen hätte, dass der Verkäufer die Differenz zwischen Einkaufspreis und Vertragspreis auch verdient hätte.58 54  RG, 27.01.1925, VI 378/24, RGZ 110, 127 (130); Hopt/Leyens, 42. Aufl., 2023, § 374 Rn. 24. 55  Flume, AcP 215 (2015), 282 (328 f.). 56  BGH, 03.05.1960, VIII ZR 88/59, JZ 1961, 27 (28); BGH, 08.10.1969, VIII ZR 20/68, NJW 1970, 29 (30); BGH, 29.06.1994, VIII ZR 317/93, BGHZ 126, 305 (308); BGH, 15.11.2011, VI ZR 4/11, NJW 2012, 601 Rn. 11; Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl., 1926, Band 3, Anh. zu § 374 Anm. 29 f.; Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, § 280 Rn. E87; MünchKomm/Emmerich, BGB, 9. Aufl., 2022, Vor § 280 Rn. 31. 57  Zu den weiteren Berechnungsmöglichkeiten bereits unter: 2. Kap. B. I. 58  RG, 22.06.1911, II 33/11, LZ 1911, Spalte 850 Nr. 3 (851); RG, 15.10.1935, III 31/35, JW 1936, 797 Nr. 4 = RG, 15.10.1935, III 31/35, HRR 1936, Nr. 326; Bardo,



B. Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden als entgangener Gewinn213

Ein Rückgriff auf diese gewöhnlichen Geschehensabläufe ist daher nur bestimmten Personenkreisen vorbehalten. So liegt der Ursprung dieser Typizität in einem regelmäßigen Warenfluss. Privatleute können nicht von dem gewöhnlichen Geschehensablauf profitieren, da sie grundsätzlich nicht mit Weiterveräußerungsabsicht, sondern zum Zwecke des Eigengebrauches erwerben. Daher lässt sich nach überwiegender Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum diese Typizität nur im kaufmännischen Verkehr annehmen.59 Im Einklang mit der konkret-typisierenden Berechnung des Käuferschadens ist dabei zu bedenken, dass die Kaufmannseigenschaft als solche noch keinen gefestigten Boden für den gewöhnlichen Verlauf der Dinge darstellen kann.60 Vielmehr kommt es darauf an, dass der Verkäufer gewerbsmäßig Waren zum Zwecke der Weiterveräußerung erwirbt oder gewerbsmäßig produziert. Er muss demnach als Händler oder Produzent zu klassifizieren sein.61 Nur bei diesen Personengruppen kann von einem hinreichenden Warenfluss ausgegangen werden, wobei zumindest die Schwelle des § 14 Abs. 1 Alt. 1 BGB überschritten sein muss. Daher ist die Händler- oder Produzenteneigenschaft nicht zwingend an die Kaufmannseigenschaft gekoppelt.62 Kleingewerbetreibende können diese Anforderungen ebenfalls erfüllen, wenn sie die Ware in Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit zum Verkauf anbieten. Unabhängig von der Kaufmanns- oder Unternehmereigenschaft muss der Warenabsatz aber das Gesamtbild der gewerblichen Tätigkeit prägen. Gleichwohl muss sich die betriebliche Tätigkeit nicht vollständig in dem Verkauf von Waren erschöpfen. Durch die Ausweitung des Anwendungsbereiches auf Produzenten wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Verkäufer die Ware nicht zwingend von einem Dritten erwerben muss, um sich diese noch einmal zu beschaffen.

Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 167; vgl. ferner: Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl., 1982, § 376 Rn. 33. 59  Zum ersten „Einfallstor“: BGH, 03.05.1960, VIII ZR 88/59, JZ 1961, 27 (28); BGH, 29.06.1994, VIII ZR 317/93, BGHZ 126, 305 (308); BGH, 15.11.2011, VI ZR 4/11, NJW 2012, 601 Rn. 11; vgl. auch: BGH, 08.10.1969, VIII ZR 20/68, NJW 1970, 29 (30): „gewerbsmäßige Veräußerung“. Zum zweiten „Einfallstor“: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 167. 60  Dazu bereits unter: 1. Kap. B. V. 3. 61  Ähnlich auch: BGH, 03.05.1960, VIII ZR 88/59, JZ 1961, 27 (28): „[…] Kaufmann, der mit Ware handelt […]“. 62  So auch schon aufseiten des Käufers. Siehe dazu bereits unter: 1. Kap. B. V. 3.

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2. Kap.: Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden

V. Einschränkende Faktoren Da es sich bei der hier vorliegenden Berechnungsmethode um keine ab­ strakte Schadensberechnung im engeren Sinne handelt, sind auch schadensmindernde respektive schadenausschließende Faktoren zu berücksichtigen. Die Widerlegbarkeit des gewöhnlichen Geschehensablaufes, das Unterlassen eines Deckungsverkaufs sowie der Verbleib der Ware beim Verkäufer, bilden dabei die wichtigsten Fallgruppen. 1. Die Widerlegbarkeit der Typizität Die von der Judikatur entwickelte Vermutung, der Verkäufer könnte sich die nicht abgenommene Ware bei ordnungsgemäßer Vertragsdurchführung noch einmal beschaffen und anschließend weiterveräußern, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.63 Allerdings muss hierbei der Widerlegbarkeit dieser Vermutung besonders Rechnung getragen werden, da andernfalls eine tatsächliche Überkompensation des Händlers oder Produzenten drohen kann. Setzt etwa der Verkäufer die nicht abgenommene Ware an eine andere Person im Rahmen eines Zweitgeschäftes ab, so darf dieses Geschäft nicht an die Stelle des nicht vollzogenen Erstgeschäftes treten. In diesem Fall könnte der Verkäufer höchstens einen konkreten Schaden in Form eines Mindererlöses geltend machen, da er den Gewinn aus der unterbliebenen Weiterveräußerung nun zumindest teilweise abschöpfen konnte. Es ist demnach zu fordern, dass der Verkäufer das Zweitgeschäft nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zusätzlich vorgenommen hätte, wenn der Käufer die Ware bezahlt und ordnungsgemäß abgenommen hätte.64 a) Anforderungen an die Beschaffenheit der Ersatzware Ein solches zusätzliches Geschäft kann nur unter der Prämisse angenommen werden, dass der Verkäufer imstande ist, sich mit entsprechender Ersatzware überhaupt einzudecken. Bei vertretbaren Waren (§ 91 BGB) dürfte dies grundsätzlich möglich sein. So entspricht es dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge, dass ein Getreidehändler sich auf seinem Beschaffungsmarkt erneut eingedeckt und anschließend das dort erworbene Getreide an den Zweitkäufer abgesetzt hätte.65 Diese Betrachtungsweise wird durch die bestehende Nachfrage auf dem Weltmarkt für Getreide als Massenprodukt sowie dem 63  Sehr

kritisch: Flume, AcP 215 (2015), 282 (336–338). Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 173. 65  Zur Weiterveräußerungsvermutung bereits unter: 1. Kap. B. V. 3. 64  Ebenso:



B. Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden als entgangener Gewinn215

händlerischen Grundgedanken, Ware über dem eigenen Beschaffungspreis abzusetzen, gestützt. Die aus der Typizität der Geschehensabläufe fließende Vermutung findet jedoch im Bereich von unvertretbaren Waren ihre Grenzen. Gleichwohl sind im Zuge dessen vorschnelle und verallgemeinernde Schlussfolgerungen im Bereich von Waren, die nicht unter § 91 BGB fallen, mit Vorsicht zu betrachten.66 So ging bereits der Bundesgerichtshof im Rahmen des Gebrauchtwagenhandels davon aus, dass der Verkäufer in der Lage gewesen wäre, dem Zweitkäufer ein vergleichbares Gebrauchtwagenmodell zu veräußern, sofern es sich bei dem tatsächlich an ihn veräußerten Wagen um ein Modell handelt, das in großer Stückzahl hergestellt wurde und das keine Eigenschaften aufweist, die den Abnehmerkreis eingrenzen können.67 Es stellt sich daher die Frage, ob und wann das Interesse des Zweitkäufers am Erhalt der geschuldeten, unvertretbaren Ware auch durch die Lieferung einer anderen Sache befriedigt wäre. Es ist zu bedenken, dass die individuellen Charakteristika für einen Käufer nicht immer im Vordergrund stehen, sodass es prinzipiell möglich erscheint, auch eine andere Sache als die Geschuldete zu liefern. Diese Vorstellung kommt auch in der Entwurfsbegründung zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz zum Ausdruck. Danach kann das Interesse des Käufers am Erhalt einer mangelfreien Sache auch bei einer Stückschuld in den meisten Fällen durch die Nachlieferung einer gleichartigen Sache erfüllt werden.68 Überträgt man diesen Gedanken auf die vorliegende Vermutung, ist die Eigenschaft einer vertretbaren Ware i. S. d. § 91 BGB nicht zwingend konstitutiv für die Annahme eines typischen Geschehensablaufes. Allerdings bildet dabei der Wille des Zweitkäufers den zentralen und zugleich problematischen Mittelpunkt. Mit diesem steht und fällt die Vorstellung, dass es sich bei dem Zweitgeschäft um ein zusätzliches Geschäft oder um einen Deckungsverkauf gehandelt hat.69 Erstgenanntes ist anzunehmen, wenn der Zweitkäufer auch eine Ersatzsache akzeptiert hätte und der Verkäufer im Stande gewesen wäre, eine solche Sache zu liefern. Hingegen tritt das Zweitgeschäft an die Stelle des nicht durchgeführten Erstgeschäftes, wenn der Zweitkäufer keine andere als die tatsächlich an ihn gelieferte Ware ak66  Vgl. Hager, Rechtsbehelfe des Verkäufers, 1975, S. 168; kritisch: Flume, AcP 215 (2015), 282 (335 f.); gänzlich ablehnend: MünchKomm/Emmerich, BGB, 9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 31. 67  BGH, 08.10.1969, VIII ZR 20/68, NJW 1970, 29 (32 f.); BGH, 29.06.1994, VIII ZR 317/93, BGHZ 126, 305 (308–311). 68  BT-Drucks. 14/6040, S. 89. 69  Flume, AcP 215 (2015), 282 (335).

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2. Kap.: Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden

zeptiert hätte. Die entscheidende Frage lautet daher: War die Ware für den Zweitkäufer ohne weiteres austauschbar?70 Steht die Nachlieferung einer Stückschuld in Rede, ermittelt der Bundesgerichtshof die Substituierbarkeit der Sache auf der Grundlage des mittels Auslegung zu ermittelnden Parteiwillens.71 Im Zuge dessen sei von einer Austauschbarkeit nicht auszugehen, wenn die Kaufentscheidung auch aufgrund persönlicher Eindrücke des Käufers getroffen worden ist.72 Allerdings wird eine auf der subjektiven Vorstellung des Zweitkäufers basierende Lösung meist mehr Probleme schaffen als lösen, da damit regelmäßig ein gesteigertes Maß an Unsicherheit einhergeht.73 Zwar werden unvertretbare Sachen sehr häufig wegen eines persönlichen Eindruckes erworben, jedoch schließt das nicht per se die Möglichkeit aus, dass der Zweitkäufer auch eine andere Ware akzeptiert hätte. Insofern darf von keinem Automatismus ausgegangen werden. Um zu bestimmen, ob das Zweitgeschäft nun tatsächlich an die Stelle des nicht durchgeführten Geschäftes tritt, ist der Blick nach hier vertretener Ansicht stärker auf objektive Kriterien zu richten. In Anlehnung an einen Fall des Oberlandesgerichtes Köln aus dem Jahre 2000 kann hier folgendes Beispiel zu Veranschaulichungszwecken herangezogen werden:74 K erwirbt bei V eine serienmäßig hergestellte Einbauküche, die schon seit einigen Monaten im Laden des V als Ausstellungsstück dient. Trotz leichter Gebrauchsspuren beläuft sich der Preis dieser Küche auf 15.800,– Euro, sodass dieser Preis nur 200,– Euro unter einem neuwertigen Modell dieser Serie liegt. Allerdings verweigert K in der Folge die Abnahme sowie die Kaufpreiszahlung. Daraufhin veräußert V die Küche zum selben Preis an den D. V argumentiert, dass er dem D auch ohne weiteres eine neue Küche aus dieser serienmäßig hergestellten Baureihe hätte veräußern können, weshalb es sich hier für ihn um ein zusätzliches Geschäft gehandelt hätte.

Das Oberlandesgericht sah hier den gewöhnlichen Verlauf der Dinge als nicht widerlegt an, da es sich bei diesem Ausstellungsstück um eine vertretbare Sache handele. Dies ist allerdings zweifelhaft, da sich die Abgrenzung zwischen vertretbaren und unvertretbaren Sachen nach der Verkehrsanschau70  Ebenso: OLG Köln, 29.02.2000, 15 U 156/99, juris Rn. 19; Baumgärtel/Laumen/Prütting/Helling, Handbuch der Beweislast, 3. Aufl., 2007, § 252 Rn. 27; vgl. ferner zur Nachlieferung einer Stückschuld: BGH, 07.06.2006, VIII ZR 209/05, BGHZ 168, 64 Rn. 6, 23. 71  BGH, 07.06.2006, VIII ZR 209/05, BGHZ 168, 64 Rn. 6, 23. 72  BGH, 07.06.2006, VIII ZR 209/05, BGHZ 168, 64 Rn. 6. 73  Ebenso: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 175; vgl. auch: BGH, 07.06.2006, VIII ZR 209/05, BGHZ 168, 64 Rn. 6, der die Austauschbarkeit auch von den persönlichen Eindrücken des Käufers abhängig macht. 74  In Anlehnung an: OLG Köln, 29.02.2000, 15 U 156/99, juris.



B. Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden als entgangener Gewinn217

ung beurteilt. Dabei sind gebrauchte Gegenstände grundsätzlich zur letztgenannten Gruppe zu zählen.75 Dies gilt auch für Ausstellungsstücke, die womöglich jahrelang von potenziellen Käufern in Augenschein genommen und ausgetestet wurden. In der Folge muss diese Ausstellungsküche als unvertretbare Sache klassifiziert werden, sodass sich die Folgefrage stellt, inwieweit diese Küche durch eine Neuwertige aus der gleichen Serie hätte ersetzt werden können. Die Substituierbarkeit setzt voraus, dass eine gleichartige Ersatzware existiert, die sich der Verkäufer rechtzeitig am Markt hätte beschaffen können.76 Dabei dürfen die individuellen Charakteristika der ursprünglich gelieferten Ware nach der Verkehrsanschauung keinen wesentlichen Einfluss auf die Kaufentscheidung des Zweitkäufers gehabt haben. Zudem muss die hypothetische Ersatzware zumindest den Qualitätsstandard der tatsächlich an den Zweitkäufer abgesetzten Ware aufweisen. Eine höhere Wertigkeitsstufe steht der Austauschbarkeit jedoch nicht per se entgegen. Wäre das Interesse des Zweitkäufers durch die Lieferung einer geringwertigen Sache befriedigt worden, kann erst recht davon ausgegangen werden, dass auch eine höherwertige Ware dazu im Stande gewesen wäre, solange die ursprüngliche und die Ersatzware nach der Verkehrsanschauung noch immer als gleichartig zu bewerten wären. Bezieht man diese Anforderungen auf das obige Beispiel, wird man von einer Substituierbarkeit ausgehen müssen, da die leichten Gebrauchsspuren nach der Verkehrsanschauung die Kaufentscheidungen nicht in nennenswerter Weise beeinflusst haben und eine gleichartige, wenngleich neuwertige Ersatzküche geliefert werden kann, die sich der Verkäufer wohl auch hätte beschaffen können. Insofern lässt sich anhand objektiver Kriterien auf eine Austauschbarkeit schließen. Allerdings könnten dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge womöglich die höheren Kosten der neuwertigen Einbauküche entgegenstehen.77 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Verkäufer sich auch im Bereich von unvertretbaren Waren auf den gewöhnlichen Geschehensablauf berufen kann. In der Folge greift für ihn die widerlegbare Vermutung ein, dass zunächst von einem zusätzlichen Geschäft auszugehen ist, wenn er die nicht abgenommene Ware im Wege eines Zweitgeschäftes absetzt.78 Dazu 75  Zum Ganzen und statt aller: MünchKomm/Stresemann, BGB, 9. Aufl., 2021, § 91 Rn. 1, 4. 76  Vgl. BGH, 07.06.2006, VIII ZR 209/05, BGHZ 168, 64 Rn. 6, 23, der zusätzlich noch eine gleichwertige Sache voraussetzt. 77  Dazu sogleich unter: 2. Kap. B. V. 1. b). 78  Vgl. OLG Köln, 29.02.2000, 15 U 156/99, juris Rn. 18; Baumgärtel/Laumen/ Prütting/Helling, Handbuch der Beweislast, 3. Aufl., 2007, § 252 Rn. 27.

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2. Kap.: Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden

muss er lediglich nachweisen, dass er unter den Anwendungsbereich der konkret-typisierenden Berechnungsmethode fällt.79 Der Schadensersatzschuldner (Erstkäufer) kann diese Vermutung entkräften, in dem er darlegt und ggf. beweist, dass der Verkäufer dem Zweitkäufer keine andere Sache hätte verkaufen können.80 Dafür muss er den Nachweis führen, dass keine gleichartige Ersatzsache existiert, sich der Verkäufer eine solche auch nicht rechtzeitig hätte beschaffen können oder der Zweitkäufer die erworbene Ware gerade auch wegen ihrer individuellen Charakteristika erworben hat. Da sich diese Aspekte jedoch kaum vom Schadensersatzschuldner nachweisen lassen, muss dem Verkäufer auch hier eine sekundäre Darlegungslast auferlegt werden.81 Somit trifft ihn eine gesteigerte Substantiierungslast, dass eine gleichartige Ersatzware beschafft werden könnte und diese im Wesentlichen kongruent mit der tatsächlich an den Zweitkäufer gelieferten Sache ist, sodass nach der Verkehrsanschauung nicht anzunehmen ist, dass die Alleinstellungsmerkmale für den Kauf von wesentlicher Bedeutung waren.82 Dann kann davon ausgegangen werden, dass die Ersatzware geeignet ist, sich in die zwischen Verkäufer und Zweitkäufer bestehende vertragliche Äquivalenz einzufügen; mithin austauschbar ist.83 b) Anforderungen an den Preis und die Verfügbarkeit der Ersatzware Des Weiteren können auch Preisunterschiede und Marktbewegungen dem typischen Geschehensablauf und damit der Annahme, dass ein zusätzliches Geschäft vorläge, entgegenstehen. So kommen Preisunterschiede zwischen der an den Zweitkäufer abgesetzten Ware und der hypothetischen Substitutsware insbesondere in zwei Fallgruppen in Betracht: Zum einen werden häufig bei unvertretbaren Waren Preisunterschiede auftreten. Wie im oben angeführten „Einbauküchenbeispiel“ werden Ausstellungsstücke mit einem geringeren Verkehrswert bewertet als neuwertige Objekte. Hätte der zweite Käufer daher den höheren Preis einer neu fabrizierten Einbauküche des gleichen Modelles nicht akzeptiert, stünde dies der Annahme, dass es sich um ein zusätzliches Geschäft handelte, entgegen. Jedoch können Preisunterschiede nicht nur bei unvertretbaren, sondern auch bei vertretbaren Waren auftreten. Hätte der Verkäufer sich die Ware bei ordnungsgemäßer Vertragsdurchführung noch einmal am Markt beschaffen 79  Dazu

bereits unter: 2. Kap. B. IV. NJW 1995, 3169 (3170). 81  Ähnlich: BGH, 29.06.1994, VIII ZR 317/93, BGHZ 126, 305 (311). 82  Vgl. BGH, 29.06.1994, VIII ZR 317/93, BGHZ 126, 305 (311 f.). 83  Zum Begriff der Äquivalenz: Flume Markaustausch, 2019, S. 108. 80  Pohlmann,



B. Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden als entgangener Gewinn219

müssen, um das Geschäft mit dem Zweitkäufer eingehen zu können, bestünde die Möglichkeit, dass der Marktpreis zwischenzeitlich gestiegen ist oder er sich die Ware teurer an anderer Stelle hätte beschaffen müssen.84 Die höheren Beschaffungs- oder auch Produktionskosten85 werden anschließend vom Verkäufer auf seinen Abnehmer „abgewälzt“, um weiterhin die betriebliche Tätigkeit profitabel zu halten.86 In der Folge stellt sich daher die Frage, bis zu welchem Grad der Zweitkäufer bereit gewesen wäre, einen höheren Kaufpreis zu zahlen. Freilich würde es wohl zu weit reichen, den gewöhnlichen Verlauf der Dinge schon bei minimaler Preisdifferenz als widerlegt anzusehen.87 So wäre es beispielsweise nur schwer anzuzweifeln, dass ein Käufer eines Neuwagenmodelles dieses nicht erworben hätte, wenn das besagte Modell um nur wenige Euro teurer gewesen wäre. Allerdings können die Preisdifferenzen im Bereich von unvertretbaren Waren und die durch Marktbewegungen ausgelösten Preisschwankungen deutlich gravierender ausfallen. Gleichwohl erscheint es zweifelhaft, inwieweit die vermeintliche, subjektive Bereitschaft des Zweitkäufers mit Blick auf die Rechtsklarheit in der Lage ist, eine gefestigte Grundlage zu bieten. In der konkreten Situation können Dringlichkeit, Marktangebot und nicht greifbare subjektive Faktoren, wie freundschaftliche Beziehungen zum Verkäufer, die Bereitschaft des Zweitkäufers auch höhere Preise zu zahlen beeinflussen. Daher scheint auch in diesem Fall die Verkehrsanschauung einen geeigneten Ausgangspunkt zu bieten. Somit ließe sich grundsätzlich von einem unwesentlichen Preisunterschied ausgehen, sofern die preisliche Abweichung nicht von vornherein zur Beeinflussung der Kaufentscheidung geeignet wäre. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob sich der zweite Käufer diese oder eine vergleichbare Ware ohne weiteres günstiger bei einem anderen Marktteilnehmer hätte beschaffen können. Daneben muss auch der Verwendungszweck Beachtung finden. Ist der Zweitkäufer etwa auf die Ware für seine eigenen gewerblichen Tätigkeiten angewiesen, muss sich dies im Rahmen der Verkehrsanschauung widerspiegeln. So erscheinen je nach Einzelfall preisliche Abweichungen zwischen fünf und zehn Prozentpunkten als noch angemessen und somit vom gewöhnlichen Verlauf der Dinge gedeckt.

84  Dazu bereits: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 176. 85  Etwa wenn die Preise für die notwendigen Produktionsmittel zwischenzeitlich gestiegen sind. 86  Ebenso: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S.  176 f. 87  So aber: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 177.

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2. Kap.: Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden

Nicht nur bei unvertretbaren Sachen kann sich die (rechtzeitige) Beschaffung von Ersatzware als problematisch erweisen. Auch vertretbare Waren (§ 91 BGB) sind nicht immer ohne weiteres am Markt zu erlangen. Ist die Ware aufgrund von Lieferengpässen generell nicht am Markt oder zumindest nur zu einem deutlich höheren Preis erhältlich, steht dies der Annahme eines Zweitgeschäftes entgegen.88 Um den gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu widerlegen, muss der Schadensersatzschuldner entweder die preislichen Unterschiede oder die fehlende Möglichkeit des Verkäufers nachweisen, sich (rechtzeitig) am Markt eindecken zu können. Da es dem Erstkäufer jedoch an dem entsprechenden Einblick in die Beschaffungsmöglichkeiten und Lagerbestände des Verkäufers fehlen wird, muss der Schadensersatzgläubiger in substantiierter Weise darlegen, dass er sich am Markt rechtzeitig zu einem Preis hätte eindecken können, den auch der Zweitkäufer nach der Verkehrsanschauung akzeptiert hätte. 2. Das Unterlassen eines Deckungsverkaufes Bietet sich für den Schadensersatzgläubiger die Möglichkeit, die nicht abgenommene Ware an eine dritte Person zu veräußern, kann der Verkäufer den Gewinn, den er im Verhältnis zum Erstkäufer „verloren“ hat, wiedergutmachen. Legt er hingegen die Hände in den Schoß und lässt eine solche Absatzmöglichkeit ungenutzt verstreichen, verstößt er womöglich schuldhaft gegen die ihm auferlegte Schadensminderungsobliegenheit aus § 254 Abs. 2 S. 1 BGB. Dabei kann ihm Vorsatz und Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden („Verschulden gegen sich selbst“).89 Der zeitliche Anwendungsbereich dieser Obliegenheit beginnt mit der Entstehung des Schadensersatzanspruches.90 Auf den tatsächlichen Ausschluss der Leistungspflicht kommt es auch aufseiten des Verkäufers nicht an, da es der Schadensersatzgläubiger andernfalls selbst in der Hand hätte, ab wann er zur Vornahme eines Deckungsverkaufes „verpflichtet“ wäre.91 Darüber hinaus kann nur dann von einem Deckungsverkauf ausgegangen werden, wenn die unterlassene Absatzmöglichkeit an die Stelle des nicht abgewickelten Erstgeschäftes tritt. Nur in diesem Fall kann der entgangene Gewinn des Erstgeschäftes ersetzt werden.92 88  Vgl. OLG Dresden, 11.04.1916, OLGE 34, 18; Hager, Rechtsbehelfe des Verkäufers, 1975, S. 164. 89  Statt aller: MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 254 Rn. 3. 90  Vgl. Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, § 280 E89, E108. 91  Dazu bereits unter: 1. Kap. B. VI. 2. b). 92  Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 179.



B. Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden als entgangener Gewinn221

Welche Anforderungen an den schadensersatzberechtigten Verkäufer zu stellen sind, damit er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt wahrt, entzieht sich schematischen Betrachtungen. Allerdings sind an das vom Verkäufer zu erwartende Verhalten keine zu niedrigen Maßstäbe zu stellen.93 Bietet sich dem Verkäufer daher eine Absatzgelegenheit, erscheint es zumutbar, ihm die Obliegenheit aufzuerlegen, diesem Ersatzgeschäft nachzukommen, wenn er dadurch den entgangenen Gewinn zumindest partiell auffangen kann. So darf der Verkäufer insbesondere nicht entsprechende Angebote ohne triftigen Grund ablehnen. Müsste er jedoch beispielsweise mit einem Käufer kontrahieren, der in früheren Geschäftsbeziehungen seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, wäre für ihn ein derartiger Deckungsverkauf unzumutbar. Ebenso kann vom Schadensersatzgläubiger nicht verlangt werden, aktiv auf jeden potenziellen Abnehmer innerhalb seiner bestehenden Beschaffungsstruktur zuzugehen. Dies käme überobligatorischen Bemühungen gleich, die nach allgemeiner Auffassung nicht von § 254 Abs. 2 S. 1 BGB erfasst sind und von denen der Schadensersatzschuldner in nicht zu rechtfertigender Weise profitieren würde.94 Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Verkäufer im Vorfeld Interessenten abweisen musste, da er bereits den Vertrag mit dem Erstkäufer geschlossen hat und daher das Geschäft von dritter Seite nicht wahrnehmen konnte. Dann ist es dem Verkäufer zumutbar, auf diese potenziellen Vertragspartner zuzugehen, um in Erfahrung zu bringen, ob noch eine entsprechende Nachfrage besteht. Das Gleiche gilt, wenn er durch Zufall von einer potenziellen Weiterveräußerungsmöglichkeit erfährt. Hier kann von ihm der erste Schritt, der zu einem potenziellen Vertragsabschluss führen könnte, erwartet werden. Des Weiteren sind auch Preisschwankungen geeignet, die Sorgfaltsanforderungen des Verkäufers zu erhöhen. Jedoch tritt diese Konsequenz nicht mit jeder noch so geringen Marktpreisabsenkung ein, da der Marktpreis fortwährenden Schwankungen unterliegt. Es kommt vielmehr darauf an, dass es ab Entstehung der Schadensminderungsobliegenheit zu einem signifikanten Preisverfall kam oder ein solcher Preisverfall aus der Sicht eines besonnenen und gewissenhaften Händlers oder Produzenten zu diesem Moment mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten war. Je nach Produkt und den gewöhnlich zu erwartenden Preisschwankungen erscheint ein Preisverfall von 10 Prozent93  Ähnlich auch: MünchKomm/Emmerich, BGB, 9.  Aufl., 2019, Vor §  281 Rn. 32; vgl. auch: Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, § 280 E89. So verzichtete sogar die Rechtsprechung des frühen 20. Jahrhunderts schon auf den nahezu obligatorischen Hinweis, dass das Unterlassen des Deckungsgeschäftes nur ausnahmsweise einen Verstoß gegen § 254 Abs. 2 BGB darstellen würde. Siehe dazu exemplarisch: RG, 23.02.1904, II 298/03, RGZ 57, 106 (107); OLG Dresden, 11.04.1916, OLGE 34, 18. 94  Zu überobligatorischen Bemühungen: BeckOK/Lorenz, BGB, 64.  Edition, Stand: 01.11.2022, § 254 Rn. 27.

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2. Kap.: Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden

punkten in den meisten Fällen geeignet, um die Sorgfaltsanforderungen des Verkäufers zu erhöhen. Auch werden sich Händler oder Produzenten, die als Kaufleute zu klassifizieren sind, schneller einem Fahrlässigkeitsvorwurf ausgesetzt sehen als Schadensersatzgläubiger, die lediglich die Schwelle des § 14 Abs. 1 Alt. 1 BGB überschreiten.95 Einen etwaigen Mindererlös kann der Verkäufer im Wege der konkreten Schadensberechnung geltend machen. Den Deckungsverkauf muss der Verkäufer jedoch mit der notwendigen Sorgfalt tätigen, wenn mehrere Absatzgeschäfte zu unterschiedlichen Konditionen für ihn in Betracht kommen. Andernfalls wäre ihm im Bereich der konkreten Schadensberechnung ein schuldhafter Verstoß gegen seine Schadensminderungsobliegenheit vorzuwerfen. Die Beweislast trifft nach allgemeinen Grundsätzen den schadensersatzpflichtigen Erstkäufer.96 Er muss dabei darlegen und ggf. beweisen, dass es sich bei dem unterlassenen Geschäft um einen Deckungsverkauf handelte und dass fallweise gesteigerte Anforderungen an den Verkäufer zu stellen waren. Die tatsächlich unternommenen Anstrengungen des Verkäufers, seiner Obliegenheit nachzukommen, wird der Schadensersatzschuldner nicht überprüfen können, da sie außerhalb seiner Sphäre liegen. Daher ist dem Verkäufer diesbezüglich eine sekundäre Darlegungslast aufzuerlegen.97 3. Der Sachbesitz des Verkäufers und dessen Auswirkung Verbleibt der Besitz der nicht abgenommenen Ware beim Verkäufer, besteht die Befürchtung, dass der Verkäufer durch den Besitz der Ware überkompensiert wird, da er zum einen den Gewinn erhält, den er bei ordnungsgemäßer Abnahme des Erstkäufers erzielt hätte und zum anderen weder Eigentum noch Besitz an der Ware verliert, sodass er diese etwa noch immer zu eigenen betrieblichen Zwecken einsetzen könnte.98 Verstößt der Verkäufer im weiteren Verlauf auch nicht gegen § 254 Abs. 2 S. 1 BGB, indem er einen möglichen Deckungsverkauf schuldhaft unterlässt, stünde er besser als wenn er die Sache tatsächlich im Wege eines Deckungsverkaufes veräußert hätte. Dies gilt es aber gerade zu verhindern. Dem Verkäufer droht daher eine Anrechnung des Sachwertes auf seinen Schadensersatzanspruch, wenn er die nicht abgenommene Ware behält. 95  Dazu

bereits unter: 1. Kap. B. VI. 2. b). aller: MünchKomm/Oetker, 9. Aufl., 2022, § 254 Rn. 145. 97  Im Ergebnis auch: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 181. 98  RG, 05.07.1918, III 117/18, WarnR 1918, 271 Nr. 184 (272); RG, 03.02.1925, VI 274/24, RGZ 110, 155 (159); Flume, AcP 215 (2015), 282 (336–339). 96  Statt



B. Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden als entgangener Gewinn223

Die überwiegende und auch zutreffende Ansicht verweist für die Lösung des Problems auf die bereits aufgeworfenen Ausschlussgründe. Um der Typizität der Geschehensabläufe Rechnung zu tragen und die Gefahr einer Unterminierung der zuvor entwickelten Grundsätze zu verhindern, muss der Sachbesitz im Kontext eines tatsächlich durchgeführten Deckungsverkaufes betrachtet werden.99 Demnach scheidet die Forderung des entgangenen Gewinnes aus, wenn eine hypothetische Weiterveräußerung geeignet wäre, den Gewinnentgang durch eine Veräußerung der Sache an einen Dritten aufzufangen. Auf diese Weise wird ein Gleichlauf zwischen den Ausschlussgründen geschaffen.100 Wäre daher ein hypothetisches Absatzgeschäft mit einem Dritten an die Stelle des nicht durchgeführten Erstgeschäftes getreten, kann der Schadensersatzgläubiger lediglich die Differenz zwischen dem Sachwert (= Marktverkaufspreis101) und dem höheren Vertragspreis geltend machen. Für diese kommt es auf monetärer Ebene zu einer Annäherung zwischen der tatsächlichen Durchführung des Deckungsverkaufes und der ggf. anschließenden Liquidierung des konkreten Mindererlöses und der Anrechnung des Sachwertes.102 Weiterhin verfängt die Befürchtung nicht, es komme in Hinblick auf eine etwaige „Eindeckungspflicht“ des Schadensersatzgläubigers zu einer Privilegierung des Verkäufers.103 Sowohl Käufer als auch Verkäufer treffen eine vergleichbare Schadensminderungsobliegenheit nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB, wenn sie schuldhaft ein Deckungsgeschäft unterlassen haben. Im Rahmen der Darlegungs- und Beweislast treffen den Käufer die gleichen Anforderungen, die auch schon bei der Vornahme eines tatsächlichen Deckungsverkaufes zum Tragen kommen. Der Erstkäufer muss demnach den Nachweis führen, dass kein zusätzliches Geschäft möglich gewesen wäre.104

99  Staub/Würdinger/Röhricht, HGB, Großkommentar, 4. Band, 3. Aufl., 1970, Vor § 373 Anm. 356; mit ausführlicher Begründung: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 184; vgl. ferner: Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl., 1982, § 376 Rn. 33; Huber, Leistungsstörung, Band 2, 1999, § 38 II 3, S. 240. 100  Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 185. 101  Dazu unter: 2. Kap. C. II. 102  Zum Ganzen: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 186. 103  Flume, Marktaustausch, 2019, S. 188. 104  Dazu auch schon: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 186.

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2. Kap.: Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden

VI. Zusammenfassung der Ergebnisse Der Verkäufer kann als Schadensersatz statt der Leistung die Differenz zwischen seinem Beschaffungs- oder Herstellungspreis zuzüglich seiner sonstigen ersparten Kosten (= Selbstkosten) und dem (höheren) Vertragspreis fordern. Dabei kann er sich den gewöhnlichen Verlauf der Dinge in zwei Varianten zunutze machen: Entspricht es dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge, dass der Verkäufer seinen Markteinkaufspreis aufgewendet hätte, um seine Verpflichtung aus dem Kaufvertrag zu erfüllen, so kann er diesen Preis anstelle der tatsächlich angefallenen Beschaffungskosten in seine Schadensberechnung einstellen. Das Gleiche gilt für den Produzenten, der die zu erwartenden Herstellungskosten für seine Schadensermittlung heranziehen kann. Zum anderen hält der gewöhnliche Verlauf der Dinge Einzug über die Vorstellung, dass der Verkäufer die Ware im Falle einer ordnungsgemäßen Abnahme durch den Käufer noch einmal hätte beschaffen und erfolgreich absetzen können. Veräußert der Verkäufer die nicht abgenommene Ware daher an einen Dritten, wird zunächst widerleglich vermutet, dass es sich um ein zusätzliches Geschäft handelt, das keine Auswirkungen auf den Schadensersatzanspruch gegen den vertragsbrüchigen Käufer hat. Diese Vermutung greift sowohl bei vertretbaren als auch bei unvertretbaren Waren ein. Bei Letzteren kann hingegen nur dann von einer Substituierbarkeit ausgegangen werden, wenn gleichwertige Ersatzware existiert, die der Verkäufer rechtzeitig am Markt hätte beschaffen können. Die individuelle Beschaffenheit dieser Ware darf nach der Verkehrsanschauung keinen wesentlichen Einfluss auf die Kaufentscheidung des Zweitkäufers gehabt haben und der Qualitätsstandard der Ersatzware muss mindestens der tatsächlich an den Zweitkäufer gelieferten Ware entsprochen haben. Auch Preisunterschiede zwischen der hypothetischen Ersatzware und der Vertragsware können den typischen Geschehensablauf widerlegen, wobei nicht jede noch so kleine Abweichung diese Konsequenz nach sich ziehen wird. Je nach Verwendungszweck, Marktlage und Dringlichkeit erscheint eine Divergenz von fünf bis zehn Prozentpunkten als noch angemessen. Unterlässt der Verkäufer in zumutbarer Weise einen Deckungsverkauf, droht ihm eine Anspruchskürzung nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB. Des Weiteren ist die Kategorie der schadensmindernden Faktoren um die Dimension der Sachwertanrechnung für den Fall zu erweitern, dass ein hypothetischer Deckungsverkauf geeignet wäre, den Gewinnentgang zumindest partiell zu verhindern. Dann kann der Verkäufer nur noch die Differenz zwischen dem Sachwert (Marktverkaufspreis) und dem Vertragspreis verlangen.



C. Abstrakter Verkäuferschaden als nicht zugeflossener Vertragswert225

C. Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden als nicht zugeflossener Vertragswert Während sich die Rechtsprechung zunehmend auf den Ersatz des entgangenen Gewinnes fokussierte, beschritten weite Teile des Schrifttums nach der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches und dem Wegfall des Art. 357 Abs. 2 ADHGB105 im Bereich der abstrakten Schadensberechnung auch neue Wege. So konnte der Verkäufer als Alternative zum Ersatz seines entgangenen Gewinnes auch die Differenz zwischen dem Vertragspreis und dem niedrigeren Marktverkaufspreis geltend machen.106 Der Unterschied zu dem zuvor dargestellten Gewinnentgang lässt sich an folgendem Beispielsfall veranschaulichen: V veräußert seinen gebrauchten Laptop, den er zwei Jahre zuvor für 1.000,– Euro erworben hatte, für 600,– Euro an seinen Bekannten K. Dieser verweigert jedoch auch nach Ablauf einer angemessenen Nachfrist Zahlung und Abnahme des Gerätes. V tritt daraufhin vom Kaufvertrag zurück und verlangt Schadensersatz statt der Leistung. Der Laptop hat nach den zwei Jahren noch einen Verkehrswert von 400,– Euro.

Dieser einfache Sachverhalt zeigt bereits, dass die Berechnungsmethode „Vertragspreis minus Beschaffungskosten“ hier nicht weiterhilft, da diese Rechenoperation im aufgeführten Beispiel zu einem negativen Saldo führt. Der V kann seinen Schaden jedoch auch abstrakt berechnen, indem er die Differenz zwischen Vertragspreis und niedrigerem Marktpreis ansetzt. Im Zuge dieser Schadensregulierungsform stellen sich die bereits bekannten Fragen, die es auch schon aufseiten des Käufers zu klären galt. So werden insbesondere die schadensrechtliche Grundlage, die Parameter der Schadensberechnung sowie die einschränkenden Faktoren zu eruieren sein.

I. Die Grundlage des Differenzanspruches Macht der Verkäufer die Differenz zwischen Vertragspreis und niedrigerem Marktpreis geltend, wird er im Ergebnis so gestellt, als hätte er die Ware in Folge der ausbleibenden Erfüllung durch den Käufer tatsächlich an einen Drit105  Siehe

zum Inhalt dieser Vorschrift bereits unter: 2. Kap. A. HGB, 12./13. Aufl., 1926, Band 3, Anh. zu § 374 Anm. 29 f. (S.  1059 f.); Düringer/Hachenburg/Hoeniger, HGB, 3. Aufl., 1932, Band V, 1 Einl. Anm. 145 (S. 132 f.); Steindorff, JZ 1961, 12 (13). Diese Berechnungsmethode wird auch in der neueren Literatur noch immer anerkannt: Soergel/Wiedemann, BGB, 11. Aufl., 1986, § 325 Rn. 45; Huber, Leistungsstörungen, Band 2, 1999, § 38 II 2, S. 236; Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, § 280 Rn. E86 f.; MünchKomm/Emmerich, BGB, 9. Aufl., 2022, Vor § 280 Rn. 31. 106  Staub/Koenige,

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2. Kap.: Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden

ten zum Marktpreis weiterveräußert, um anschließend von seinem ursprünglichen Vertragspartner den Mindererlös zu fordern. Diese Berechnungsmethode, die auch als Marktpreisregel bezeichnet wird,107 geht daher von einem hypothetischen Deckungsverkauf des Verkäufers zum Marktpreis aus.108 Übersteigt der Vertragspreis den Marktpreis, ließe sich zunächst erneut an einen entgangenen Gewinn des Verkäufers denken. Liegen die Selbstkosten des Händlers beispielsweise bei 100,– Euro, sein Marktverkaufspreis bei 130,– Euro und der Vertragspreis bei 150,– Euro, fällt die Differenz zwischen dem Marktverkaufspreis des Verkäufers und dessen Vertragspreis in dessen Gewinnspanne (= Unterschied zwischen Selbstkostenpreis und Vertragspreis). Allerdings handelt es sich bei der Marktpreisregel nur um einen Teilausschnitt der Gewinnspanne, sodass es sich um keinen originären Gewinnersatz handelt. Wie der eingangs beschriebene Fall zeigt, bedarf es eines vom entgangenen Gewinn losgelösten Ansatzes, da die „klassische“ Rechenoperation „Vertragspreis minus Selbstkosten“ auf Händler und Produzenten zugeschnitten ist.109 Ausgangspunkt einer solchen Berechnungsmethode bildet abermals das positive Interesse des Verkäufers und die damit verbundene Frage, wie der Verkäufer im Falle einer ordnungsgemäßen Erfüllung stünde. Bezogen auf das obige Beispiel würde der Käufer Eigentum und Besitz am Laptop (Wert 400,– Euro) erhalten und der Verkäufer den Kaufpreis (600,– Euro). Die Differenz zwischen dem niedrigeren Verkehrswert und dem höheren Vertragspreis ist der Mehrwert, der dem Verkäufer im Falle einer ordnungsgemäßen Erfüllung zugeflossen wäre.110 Im Einklang zu den für den abstrakten Käuferschaden entwickelten Grundsätzen111 entgeht dem Verkäufer dieser Mehrwert unabhängig davon, ob er als Privatperson oder als Kaufmann auftritt. Auch einem Privatmann ist es möglich, auf dem Privatmarkt Objekte zu einem Preis anzubieten, der über dem eigentlichen Verkehrswert liegt. Es 107  Hager, Rechtsbehelfe des Verkäufers, 1975, S. 154; Huber, Leistungsstörungen, Band 2, 1999, § 38 II 2, S. 236; Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, § 280 Rn. 86. 108  v. Caemmerer, Das Problem der überholenden Kausalität im Schadensersatzrecht, 1962, S. 8; Hager, Rechtsbehelfe des Verkäufers, 1975, S. 154; Soergel/Wiedemann, BGB, 11. Aufl., 1986, § 325 Rn. 45; Huber, Leistungsstörungen, Band 2, 1999, § 38 II 3, S. 236; Huber/Faust/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, 2002, S. 151; Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, § 280 Rn. 86. 109  Zu der Notwendigkeit eines vom entgangenen Gewinn losgelösten Ansatzes auch schon: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 146– 148. 110  Oertmann, in: Ehrenberg, Handbuch des gesamten Handelsrechts, vierter Band, zweite Abteilung, 1918, S. 443; Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 139; Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 149. 111  Siehe dazu: 1. Kap. D. I. 2. b).



C. Abstrakter Verkäuferschaden als nicht zugeflossener Vertragswert227

handelt sich demnach auch aufseiten des Verkäufers bei dem entgangenen Mehrwert um einen Jedermannsschaden.112 Zum Teil wird dieser Schadensersatzanspruch mit der Vermutung begründet, dass der Verkäufer jederzeit in der Lage gewesen wäre, die Ware zum Marktverkaufspreis abzusetzen.113 Diese Annahme setzt demnach die ständige Möglichkeit eines Deckungsverkaufes voraus. Stünde dem Käufer im Zuge dessen die Möglichkeit offen, einen Gegenbeweis zu führen, dass ein derartiger Deckungsverkauf für den Schadensersatzgläubiger nicht in Betracht käme, wäre dem Anspruch auf den nichtzugeflossenen Vertragspreis der Boden entzogen. Jedoch würde dabei verkannt, dass der im Zuge der Differenzhypothese angestellte Gesamtvermögensvergleich auch den höheren Vertragswert erfasst.114 Es ist lediglich in einem zweiten Schritt zu fragen, ob ein schuldhafter Verstoß gegen § 254 Abs. 2 S. 1 BGB oder andere schadensmindernde Faktoren vorliegt.115 Im Zuge der hier in Rede stehenden Schadensbemessungsmethode wird der Verkehrswert abstrakt bestimmt und sodann als Anknüpfungspunkt in den Schadensersatzanspruch eingesetzt. Die Anspruchshöhe wird auf der Grundlage der Differenzhypothese determiniert und entspringt dem positiven Interesse des Verkäufers an der Vertragserfüllung. Ob ein Deckungsverkauf tatsächlich möglich gewesen wäre, spielt hier keine Rolle.116 Daher ist die vorliegende Berechnungsmethode als abstrakte Schadensberechnung im weiteren Sinne zu verstehen.117

II. Die Parameter des Differenzanspruches Verlangt der Verkäufer im Zuge der abstrakten Schadensberechnung im weiteren Sinne die Differenz zwischen dem niedrigeren Verkehrswert und dem höheren Vertragswert sind auch hier zwei Leitlinien zu berücksichtigen: Zum einen ist der Verkäufer so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung stünde und zum anderen sind nicht tragbare Spekulationsanreize zu unterbinden. 112  Ebenso:

Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 139. Das Recht der Leistungsstörungen, 5. Aufl., 2003, S. 216; MünchKomm/Emmerich, BGB, 9.  Aufl., 2022, Vor §  281 Rn.  31; vgl. auch: BGH, 28.11.1994, II ZR 11/94, NJW 1995, 587 (588): Hypothetischer Deckungskauf einer Eigentumswohnung. 114  Dazu bereits unter: 1. Kap. D. I. 2. b). 115  Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, § 280 Rn. 86; a. A.: v. Caemmerer, Das Problem der überholenden Kausalität im Schadensersatzrecht, 1962, S. 8; Soergel/Wiedemann, BGB, 11. Aufl., 1986, § 325 Rn. 45; Huber, Leistungsstörungen, Band 2, 1999, § 38 II 2, S. 236. 116  Dazu sogleich noch einmal unter: 2. Kap. C. II. 117  Zur Terminologie bereits unter: Einleitung II. 1. 113  Emmerich,

228

2. Kap.: Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden

Um den Verkehrswert der nicht abgenommenen Ware bestimmen zu können, kommt abermals der Marktpreis des Verkäufers in Betracht. Allerdings verbietet es sich in diesem Zusammenhang schlicht auf „den“ Marktpreis abzustellen. Wird Ware über eine Handelskette gehandelt, hängen die Marktpreise maßgeblich von der entsprechenden Handelsstufe ab, auf der sich die jeweiligen Marktteilnehmer treffen.118 Aus der Sicht des Verkäufers kommen dessen Markteinkaufspreis sowie dessen Marktverkaufspreis in Betracht. Dabei wurde vereinzelt auf die Differenz zwischen Markteinkaufspreis des Schadensersatzgläubigers und dessen Vertragspreis abgestellt, um dem Verkäufer den ausgebliebenen Verkehrswert zu ersetzen.119 Richtigerweise ist aber auf den Unterschied zwischen Marktverkaufspreis und Vertragspreis abzustellen.120 So wie sich für den Käufer der Verkehrswert der Ware in dessen Markteinkaufspreis im Zuge eines hypothetischen Deckungskaufes widerspiegelt, so realisiert sich der Verkehrswert für den Verkäufer durch den Weiterverkauf. Dies wird durch die Vorstellung gestützt, dass der Verkäufer die Ware jederzeit zumindest zu seinem Marktverkaufspreis absetzen könnte. Gelingt es ihm hierbei, einen höheren Vertragspreis zu vereinbaren, manifestiert sich im Vertrag ein über den Verkehrswert hinausgehendes monetäres Interesse. Die Leistung des Käufers übersteigt in diesem Fall wertmäßig die Leistung des Verkäufers. Dieses „Mehr“ an Leistung kann mit Hilfe der Differenzhypothese ermittelt werden. Der Verkehrswert ist wiederum auf dem Absatzmarkt des Verkäufers zu ermitteln, da kein entgangener Gewinn in Rede steht, sondern der monetäre Unterschied zwischen Leistung und Gegenleistung. Des Weiteren ist die abstrakte Schadensberechnung im weiteren Sinne nicht an die Existenz eines Marktpreises gebunden.121 Diese Voraussetzungen zögen eine nicht zu erklärende Einschränkung im Bereich von Unikaten 118  Dazu bereits unter: 1. Kap. B. IV. 1. b) aa); Flume, Marktaustausch, 2019, S.  75 f. 119  Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 139; Knütel, AcP 202 (2002), 555 (598). 120  So auch: RG, 29.01.1909, II 299/08, LZ 1909, Spalte 478 Nr.  4; RG, 17.12.1918, II 374/18, LZ 1919 Spalte 530 Nr. 5; wohl auch RG, 11.04.1902, II 407/01, RGZ 50, 255 (262); Staub/Würdinger/Röhricht, HGB, Großkommentar, 4. Band, 3. Aufl., 1970, Vor § 373 Anm. 357; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl., 1982, § 376 Rn. 32; Soergel/Wiedemann, BGB, 11. Aufl., 1986, § 325 Rn. 45; Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 150–152; Huber, Leistungsstörungen, Band 2, 1999, § 38 II 2, S. 236; Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, § 280 Rn. E86; MünchKomm/Emmerich, BGB, 9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 31. 121  Wohl einen Marktpreis voraussetzend: Huber, Leistungsstörungen, Band 2, 1999, § 38 II 2, S. 237; MünchKomm/Emmerich, BGB, 9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 31.



C. Abstrakter Verkäuferschaden als nicht zugeflossener Vertragswert229

und vertretbaren Waren, für die sich noch kein Marktpreis etablieren konnte, nach sich. Der Vertragswert kann dem Verkäufer auch bei Unikaten wie Kunstwerken oder gebrauchten Kraftfahrzeugen entgehen. Daher ist Vorsicht geboten, wenn man die abstrakte Schadensberechnung im weiteren Sinne als hypothetischen Deckungsverkauf zum Marktverkaufspreis versteht. Ein solcher Deckungsverkauf stellt bei marktgängigen Waren lediglich die Berechnungsbasis dar. Die Möglichkeit eines solchen Verkaufes ist jedoch nicht konstitutiv, um von einem entgangenen „Mehr“ an Gegenleistung ausgehen zu können. Es muss sich lediglich nach den tradierten Modi ein Verkehrswert ermitteln lassen. Für Kunstwerke wird regelmäßig das Vergleichswertverfahren einen geeigneten Anhaltspunkt bieten.122 Bei Grundstücken kann ergänzend auf das Ertrags- und das Sachwertverfahren verwiesen werden. Daneben muss der Frage nachgegangen werden, welcher Zeitpunkt für die Bestimmung des Verkehrswertes notwendig ist. So gewährten sowohl das Reichsgericht123 als auch Teile der Literatur dem Verkäufer ein Wahlrecht. Er könne zwischen dem Zeitpunkt des Verzugseintrittes und dem Zeitpunkt des Nachfristendes als maßgebliche Momente für die Schadensberechnung wählen.124 Allerdings stellen sich dabei dieselben Bedenken in den Weg, die auch schon bei den zuvor erörterten Berechnungsmodi auftreten. Zum einen wird dem Verkäufer damit eine einseitige Einflussnahme auf die Schadenshöhe ermöglicht. Zum anderen ist es nicht zu erklären, weshalb dem Verkäufer generell ein derartiges Wahlrecht zustehen soll.125 Daher ist ein Wahlrecht in jedem Fall abzulehnen.126 Ferner wurden neben dem Erfüllungszeitpunkt127 auch das Ende der Nachfrist128 sowie der Ausschluss des Erfüllungsanspruches des Käufers (§ 433 Abs. 1 S. 1 BGB) als maßgeblich erachtet.129 Ob es sich zudem für den Verkäufer um ein „gutes“ oder „schlechtes“ Geschäft handelt, entscheidet sich 122  Dazu

bereits unter: 1. Kap. D. I. 1. b). 28.04.1905, II 381/04, Holdheim 1905, 218 (219). 124  Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl., 1926, Band 3, Anh. zu § 374 Anm. 29 b) (S. 1061); Staub/Würdinger/Röhricht, HGB, Großkommentar, 4. Band, 3. Aufl., 1970, Vor § 373 Anm. 358. 125  Dazu bereits unter: 2. Kap. B. IV. 2. a) bb). 126  Ebenso: Soergel/Wiedemann, BGB, 11. Aufl., 1986, § 325 Rn. 49; Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 153. 127  Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 139. 128  v. Caemmerer, Das Problem der überholenden Kausalität im Schadensersatzrecht, 1962, S. 8; Soergel/Wiedemann, BGB, 11. Aufl., 1986, § 325 Rn. 45; ähnlich: MünchKomm/Emmerich, BGB, 9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 31. 129  Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 154; Knütel, AcP 202 (2002), 555 (600); generell auf den Zugang des Schadensersatzverlan123  RG,

230

2. Kap.: Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden

an dem Zeitpunkt, in dem er die Sache tatsächlich aus der Hand gibt. Ist der Marktpreis seit der Zeit des Vertragsschlusses gestiegen, kommt dies dem Käufer zugute; ist der Marktpreis hingegen gefallen, profitiert davon der Verkäufer. Solange der Erfüllungszeitpunkt somit noch nicht eingetreten ist, unterliegt der monetäre Anspruchswert des Käufers auf Übergabe und Übereignung Schwankungen. Entledigt sich der Verkäufer im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung nun seiner Erfüllungsverpflichtung, tritt an deren Stelle der bis dato bestehende, monetäre Anspruchswert. Dieser Wert ist der Verkehrswert der nicht abgenommenen Ware. Darüber hinaus steht erst ab diesem Zeitpunkt fest, dass der Verkäufer die Ware nicht liefern muss.130 In der Folge könnte nun der Verkäufer die Ware im Wege eines Deckungsverkaufes zum niedrigeren Marktverkaufspreis absetzen und den daraus resultierenden Mindererlös im Wege der konkreten Schadensberechnung geltend machen.131 Zwar besteht die Obliegenheit, einen Deckungsverkauf vorzunehmen (§ 254 Abs. 2 S. 1 BGB) nach der hier vertretenen Ansicht bereits ab der Entstehung des Schadensersatzanspruches, jedoch wird der Verkäufer sich zuvor von seiner eigenen Leistungsverpflichtung befreien, um sich vor Regressansprüchen des Käufers zu schützen. Der Mindererlös realisiert sich daher frühestens an dem Zeitpunkt, zu dem der Anspruch des Schadensersatzschuldners auf Übergabe und Übereignung untergeht. Somit kommt es für die Bestimmung des Verkehrswertes auf den Zeitpunkt an, in dem der Verkäufer nicht mehr leisten muss. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass das Schadensersatzverlangen des Verkäufers nach § 281 Abs. 4 BGB nur den Anspruch auf die Leistung, nicht jedoch auf die Gegenleistung ausschließt. Das bedeutet, dass der Verkäufer sich von seiner Verpflichtung, die Ware weiterhin liefern zu müssen, nicht durch die Erklärung des Schadensersatzverlangens befreien kann.132 In der Folge ist der Verkäufer gezwungen, sich zusätzlich noch von seiner eigenen vertraglichen Verpflichtung zu befreien. Dies wird durch eine (zumindest konkludente) Erklärung des Rücktrittes erreicht. Der Unterschied zwischen Verkehrswert und höherem Vertragswert lässt sich daher nur auf der Grundlage der Differenzmethode berechnen. Diese Berechnungsvariante geht grundsätzlich mit der Erklärung des Rücktritts einher, da im Wege der Surrogationsmethode das gens abstellend: Flume, AcP 215 (2015), 282 (343 f.); ders., Marktaustausch, 2019, S. 180. 130  Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 154; Knütel, AcP 202 (2002), 555 (600). 131  Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 154. 132  Faust, in: FS für Huber, 2006, 239 (242); Mehring, ZGS 2009, 310 (315); Soergel/Benicke/Hellwig, BGB, 13. Aufl., 2014, § 281 Rn. 210; BeckOK/Lorenz, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 281 Rn. 36. Dazu bereits unter: 1. Kap. B. IV. 4. a).



C. Abstrakter Verkäuferschaden als nicht zugeflossener Vertragswert231

Synallagma nicht berührt wird und der Verkäufer folglich nach wie vor seine Leistung erbringen müsste.133 Der Marktverkaufspreis beziehungsweise der Verkehrswert muss an dem Ort bestimmt werden, an dem sich der Mehrwert tatsächlich für den Verkäufer realisiert hätte. Während dem Käufer der Vertragswert erst dann zufließt, wenn er die Ware tatsächlich in Händen hält, kommt es für den Verkäufer darauf an, an welchem Ort er die Ware aus den Händen gibt. Es kommt demnach auf den Erfüllungsort des Verkäufers an. Dies gilt auch im Falle einer Schickschuld. Der Ort, an dem der Verkäufer die Ware tatsächlich in Empfang nimmt, spielt für den Schadensersatzgläubiger keine Rolle. Dafür spricht aufseiten des Verkäufers auch die Regelung des § 376 Abs. 2 HGB.134 Lässt sich an dem besagten Ort kein entsprechender Preis oder Wert ermitteln, ist auf den nächstgelegenen Ort abzustellen. Entsprechend höhere oder niedrigere Transportkosten sind dabei in der Schadenshöhe zu berücksichtigen.

III. Einschränkende Faktoren Spezialunkosten, wie ersparte Transport- und Verpackungskosten, sind schadensmindernd zu berücksichtigen. Generalunkosten sind hingegen nur dann in Abzug zu bringen, wenn sie bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung hätten erhöht werden müssen.135 Des Weiteren schließen sich die Geltendmachung des entgangenen Gewinnes und des Mehrwertes gegenseitig aus. Der Verkäufer kann beides zwar alternativ, nicht aber kumulativ verlangen, da sein Interesse an der Vertragserfüllung durch beide Berechnungsmodi befriedigt wird.136 Nimmt der Verkäufer einen Deckungsverkauf vor, ist dieses Geschäft grundsätzlich geeignet, schadensmindernden Einfluss zu entfalten. Das Interesse des Verkäufers an der ursprünglichen Vertragserfüllung wird zumindest partiell durch das Drittgeschäft befriedigt. Eine Vermutung, dass es sich bei diesem Geschäft um eine zusätzliche Absatzmöglichkeit handelt, existiert innerhalb dieser Berechnungsmethode nicht.137 Die abstrakte Schadensbe133  Statt aller: Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, § 280 Rn. E41; MünchKomm/ Emmerich, 9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 13. Dazu bereits unter: 1. Kap. B. IV. 4. a). 134  Hager, Rechtsbehelfe des Verkäufers, 1975, S. 155; a.  A.: Knütel, AcP 202 (2002), 555 (600), der auf den Ort verweist, an dem sich der Verkäufer die Ware üblicherweise beschafft hätte. 135  Vgl. auch: BGH, 22.02.1989, VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 (69); BGH, 01.03.2001, III ZR 361/99, NJW-RR 2001, 985 (986). 136  Dazu bereits unter: 1. Kap. D. I. 5. 137  A. A.: Staub/Würdinger/Röhricht, HGB, Großkommentar, 4. Band, 3. Aufl., 1970, Vor § 373 Anm. 357.

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2. Kap.: Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden

rechnung i. w. S. setzt vielmehr unmittelbar an der Sache selbst an und besteht unabhängig von der Person, die sich auf diesen Berechnungsmodus beruft, sodass nur noch ein Fall der konkreten Schadensberechnung in Betracht kommt, wenn die Ware unterhalb des ursprünglichen Vertragspreises abgesetzt wird. Gelingt es dem Verkäufer hingegen, die Ware sogar über den ursprünglichen Vertragspreis abzusetzen, steht dies der Geltendmachung des Vertragswertes entgegen, sofern das Absatzgeschäft nicht auf überobligatorischen Bemühungen beruht.138 Zur Veranschaulichung des hier skizzierten Problemkreises soll ein kurzer Beispielsfall dienen: V veräußert sein Auto an K zu einem Kaufpreis von 15.000,– Euro. Der Verkehrswert des Wagens liegt bei 10.000,– Euro. Allerdings kommt K auch nach Ablauf einer angemessenen Frist seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nach. Daraufhin veräußert V das Auto für 12.000,– Euro an seinen Bekannten B. In der Folge tritt er nun vom Vertrag mit K zurück und verlangt Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen Verkehrswert und Vertragspreis (5.000,– Euro).

Erzielt der Verkäufer im Wege eines Deckungsverkaufes einen Preis, der über dem Verkehrswert liegt, muss er sich diesen Betrag auf seinen Schadensersatzanspruch anrechnen lassen. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass er in doppelter Hinsicht an der Ware verdient, da der Verkäufer bei ordnungsgemäßer Vertragsdurchführung Eigentum und Besitz an dem Auto verloren hätte. Könnte der Schadensersatzgläubiger daher sein monetäres Interesse an der Vertragserfüllung abschöpfen und gleichzeitig das Automobil behalten, stünde er besser als bei ordnungsgemäßer Erfüllung von Seiten des Käufers. In diesem Zusammenhang stellt sich allerdings die Frage, wie die Lage zu beurteilen ist, wenn V zunächst den nicht zugeflossenen Vertragswert geltend macht und erst nach erfolgter Schadensregulierung das Auto für 12.000,– Euro absetzt. Hier offenbart sich nun eine paradoxe Situation, da eine Anrechnung auf den Schadensersatzanspruch nun nicht mehr erfolgen kann. Diesem Dilemma kann durch eine konsequente Anwendung des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB beigekommen werden. Unterlässt der Verkäufer schuldhaft ein Absatzgeschäft, droht ihm in der Folge eine Anspruchskürzung. Dabei wird der Anspruch auf das monetäre Niveau beschränkt, das bestünde, wenn der Verkäufer das Deckungsgeschäft durchgeführt und in der Folge einen etwaigen Mindererlös geltend gemacht hätte. Da nach der hier vertretenen Ansicht den Schadensersatzgläubiger eine solche Obliegenheit schon mit der Entstehung des Schadensersatzanspruches trifft,139 ist es nicht notwendig, 138  Siehe zu den überobligatorischen Bemühungen nur: BeckOK/Lorenz, BGB, 64. Edition, Stand: 01.05.2022, § 254 Rn. 27. 139  Dazu bereits unter: 1. Kap. B. IV. 4. a).



C. Abstrakter Verkäuferschaden als nicht zugeflossener Vertragswert233

dass der Verkäufer bereits nach § 281 Abs. 4 BGB sein Schadensersatzverlangen erklärt hat, um einen solchen Verstoß annehmen zu können. Ein schuldhafter Verstoß liegt vor, wenn der Verkäufer vorsätzlich oder fahrlässig einen Deckungsverkauf unterlassen hat.140 Jedoch sind voreilige und schematische Schlüsse bezüglich eines solchen schuldhaften Verhaltens zu vermeiden. Sieht sich der Schadensersatzgläubiger einem Fahrlässigkeitsvorwurf ausgesetzt, ist zunächst zu klären, welche Sorgfaltsanforderungen an ihn zu stellen sind. Hierbei gelten für Händler und Produzenten die bereits an anderer Stelle vorgezeichneten Richtlinien.141 Ergänzend zur typisierenden Schadensberechnung können sich auch Privatpersonen auf den hier in Rede stehenden Berechnungsmodus berufen. Wie bereits festgestellt,142 werden insbesondere an Kaufleute regelmäßig höhere Anforderungen zu stellen sein als an Privatpersonen.143 Weist der vertragsbrüchige Käufer den Verkäufer auf eine geeignete Absatzmöglichkeit hin, werden sowohl Privat- als auch Kaufleute diese nur mit einem triftigen Grund ablehnen können. Komplexer gestaltet sich die Frage, ob es dem Verbraucher zugemutet werden kann, sich aktiv um geeignete Absatzmöglichkeiten zu bemühen. Dafür sprechen vor allem neue, vielfältige Absatzwege, die Privatpersonen offen stehen. Gerade durch das Angebot und die Nachfrage auf diversen Internetplattformen konnte sich in den vergangenen Jahren ein umfangreicher Privatmarkt für eine Vielfalt an Gütern etablieren. Allerdings darf nicht außer Acht gelassen werden, dass ein erneuter Absatz(versuch) für den Verkäufer auch immer mit einem gewissen Maß an Aufwand verbunden sein wird. Ob ein aktiver Absatzversuch aufseiten des Verkäufers geboten war, kann daher nicht pauschal beantwortet werden. Als Indizien können jedoch die Marktgängigkeit und der damit einhergehende Aufwand dienen. Kam der nicht durchgeführte Vertrag beispielsweise auf einer gängigen Internetplattform zustande, wird es für den Verkäufer ein Leichtes sein, die nicht abgenommene Ware dort erneut zum Verkauf anzubieten. Dies gilt vor allem dann, wenn für ihn keine zusätzlichen Kosten anfallen. Ist der erneute Absatzversuch jedoch mit höheren Ausgaben für den Verkäufer verbunden, da er beispielsweise auf eigene Rechnung einen Makler beauftragen müsste, kann es weder einem Kaufmann noch einem Verbraucher zugemutet werden, diese Kosten in der Hoffnung auf einen schadensmindernden Deckungsverkauf erneut auf sich zu nehmen. Hierbei ist zu beachten, dass es insbesondere Verbrauchern in der Regel nicht auferlegt 140  Statt

aller: MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 254 Rn. 3. bereits unter: 2. Kap. B. II. 2. und 1. Kap. D. I. 5. b). 142  Dazu bereits unter: 1. Kap. B. VI. 2. b). 143  MünchKomm/Maultzsch, HGB, 5. Aufl., 2021, § 347 Rn. 16. 141  Dazu

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2. Kap.: Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden

werden darf, neue, für sie unbekannte oder nicht vertraute Absatzwege, die mit einem gewissen Aufwand einhergehen würden, zu beschreiten. Dies würde überobligatorischen Bemühungen gleichkommen, die keine schadensmindernden Auswirkungen hätten.144 Die Obliegenheit, einen Deckungsverkauf vorzunehmen, kann jedoch nur dann bestehen, wenn ein solches Geschäft tatsächlich geeignet wäre, den Schaden gering zu halten. Verlangt der Verkäufer die Differenz zwischen Verkehrswert und Vertragspreis, geht dies mit der (konkludenten) Erklärung des Rücktrittes einher. Dieser Moment ist für die Bestimmung des Verkehrswertes und damit für die Höhe des abstrakt berechneten Schadens entscheidend. Sinkt der Verkehrswert der nicht abgenommenen Ware nach diesem Moment, würde ein Deckungsverkauf zum Marktverkaufspreis einen konkreten Mindererlös zur Folge haben, der den abstrakt berechneten Schaden sogar übersteigen würde. Daher könnte in Bezug auf den abstrakt berechneten Schaden von keinerlei schadensmindernder Funktion ausgegangen werden.145 Fallen die Preise nach Entstehung des Schadensersatzanspruches fortwährend oder droht aus der Sicht eines besonnenen Verkäufers ein solcher Preisverfall, sind die Anforderungen an die zu erwartende Sorgfalt im Rahmen der Schadensminderungsobliegenheit entsprechend zu erhöhen.146 Da abstrakte Schadensberechnung im weiteren Sinne unmittelbar an der Sache selbst ansetzt, muss auch der Sachwert (= Verkehrswert) in Abzug gebracht werden. Allerdings knüpft diese Schadensbemessungsform, anders als bei der Berechnung des entgangenen Gewinnes, gerade an eben diesen Wert an. Daher kann der Umstand, dass der Verkäufer weiterhin im Besitz der Sache ist, keine schadensmindernde Wirkung entfalten. In Bezug auf die Darlegungs- und Beweislast gelten die bereits zur abstrakten Schadensberechnung des Käufers dargestellten Ausführungen.147

IV. Zusammenfassung der Ergebnisse Bedient sich der Verkäufer der abstrakten Schadensberechnung im weiteren Sinne, verlangt er unter Anwendung der Differenzhypothese den Unterschied zwischen dem niedrigeren Verkehrswert der Ware und dem höheren Vertragspreis. Der erstgenannte Wert ist dabei auf dem Absatzmarkt des Verkäufers zu ermitteln, da sich der Wert der Leistung des Verkäufers durch 144  Statt Rn. 27. 145  Dazu 146  Dazu 147  Dazu

aller: BeckOK/Lorenz, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 254 aufseiten des Käufers bereits unter: 1. Kap. D. I. 5. b). aufseiten des Käufers bereits unter: 1. Kap. D. I. 5. b). bereits unter: 1. Kap. D. I. 5. b).



D. Der abstrakte Verkäuferschaden als stets zu ersetzender Mindestschaden235

die Überlassung der Sache an den Käufer realisiert. Der Wert der Leistung des Käufers liegt wiederum in der Höhe des geschuldeten Kaufpreises. Diese Differenzrechnung steht dabei jedem Personenkreis zur Verfügung. Der Verkehrswert der Ware ist für den Moment zu ermitteln, an dem der Verkäufer von seiner Leistungspflicht befreit wird. Der maßgebliche Ort richtet sich nach dem Erfüllungsort des Verkäufers, da er die Ware dort aus der Hand gibt. Im Gegensatz zur Berechnung des entgangenen Gewinnes können sich auch Händler und Produzenten innerhalb dieser Schadensbemessungsform keine Typizität der Geschehensabläufe zunutze machen. Daher wird das Interesse des Verkäufers an dem erfolgreichen Warenabsatz zumindest partiell durch einen Deckungsverkauf befriedigt, sodass in der Folge nur noch ein konkreter Mindererlös gefordert werden kann. Ob ein Deckungsverkauf schuldhaft unterlassen wurde, entzieht sich einer schematischen Betrachtung. So kann der Verkäufer je nach Marktgängigkeit und Aufwand, auch dazu gehalten sein, aktiv nach einer Weiterveräußerungsmöglichkeit Ausschau zu halten. Eine Anrechnung des Sachwertes hat bei der abstrakten Schadensberechnung keine schadensmindernde Funktion.

D. Der abstrakte Verkäuferschaden als stets zu ersetzender Mindestschaden Neben den bereits beschriebenen Ansätzen hielten ab dem 20. Jahrhundert auch Einflüsse Einzug, die eine abstrakte Schadensberechnung im engeren Sinne favorisierten. So wurde vorgebracht, dass dem Anspruch des Verkäufers auf die Differenz zwischen Marktverkaufspreis und höherem Vertragspreis keine schadensmindernden Faktoren entgegengehalten werden könnten.148 Vereinzelt wurde dem Verkäufer sogar ein stets zu ersetzender Mindestschaden in Höhe der Differenz zwischen Vertragspreis und Selbstkostenpreis zugesprochen.149 Außerhalb der gesetzlich normierten Fälle sowie der im Nachfolgenden dargestellten analogen Anwendung des § 376 Abs. 2 HGB, ist diese Form der Schadensbemessung jedoch mit Vorsicht zu betrachten, da andernfalls eine 148  Rabel, Das Recht des Warenkaufs, 2. Band, 1958, S. 61; v. Caemmerer, Das Problem der überholenden Kausalität im Schadensersatzrecht, 1962, S. 8; Soergel/ Wiedemann, BGB, 11. Aufl., 1986, § 325 Rn. 45: Pauschalisierter Mindestschaden; Huber, Leistungsstörungen, Band 2, 1999, § 38 II 2, S. 238: „abstrakt-pauschalisierend“. 149  Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 139; im Erg. auch: Knütel, AcP 202 (2002), 555 (598).

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2. Kap.: Der abstrakt berechnete Verkäuferschaden

weitreichende Unterminierung schadensrechtlicher Grundsätze droht. So besteht insbesondere die Gefahr einen Schaden zu ersetzen, der überhaupt nicht entstanden ist. Deshalb steht ein derartiger Mindestschaden diametral zur Hauptfunktion des Schadensrechtes, das dem Geschädigten einen Ausgleich für die erlittenen Nachteile gewähren soll.150 Zugleich besteht ein Konflikt mit dem schadensrechtlichen Bereicherungsverbot, wonach der Geschädigte durch das schädigende Ereignis nicht bessergestellt werden darf, als er ohne die Schädigung stünde.151 Diese Bedenken bestehen unabhängig davon, ob der objektive Schadensbegriff152 oder eine besondere Form des Interesses153 als Grundlagen herangezogen werden. Insoweit sind auf die Ausführungen im Rahmen des Käuferschadens zu verweisen.154 Der Marktpreis im Rahmen des § 376 Abs. 2 HGB richtet sich nach dem Marktverkaufspreis. § 376 Abs. 2 HGB sichert dem Verkäufer sein monetäres Erfüllungsinteresse zu. Ein Verweis auf den Markteinkaufspreis würde hingegen zum Ersatz eines entgangenen Gewinnes führen. De lege ferenda ist der Markt- oder Börsenpreis für den Moment zu ermitteln, an dem der Erfüllungsanspruch des Käufers erlischt. Für den passenden Marktort bleibt es bei dem in § 376 Abs. 2 HGB vorgeschriebenen Leistungsort. Des Weiteren ist auch aufseiten des Verkäufers eine Rechtsfortbildung in Form einer analogen Anwendung des § 376 Abs. 2 HGB auf Handelsgeschäfte ohne Fixkomponente möglich. Durch die Einführung des Handelsgesetzbuches und den Wegfall des Zwangs zum Selbsthilfeverkauf, stand auch dem Verkäufer die Möglichkeit der abstrakten Schadensberechnung offen. Der historische Gesetzgeber ging bei der Berechnungsmethode des § 376 Abs. 2 HGB davon aus, dass es sich um einen allgemeinen Grundsatz des Handelsverkehrs handele. Eine Einschränkung auf den Käufer ließ sich dabei gerade nicht erkennen.155 Diese legislative Vorstellung bedarf auch aus „objektiver“ Sicht keiner Korrektur. Die mit der hier beschriebenen Rechtsfortbildung einhergehende Beschleunigungs- und Vereinfachungswirkung stellt ein zentrales Bedürfnis der Handelskäufe dar.156 Eine analoge Anwendung 150  Soergel/Ekkenga/Kuntz, BGB, 13. Aufl., 2014, Vor § 249 Rn. 26; Erman/Ebert, BGB, Band 1, 16. Aufl., 2020, Vor § 249 Rn. 1; MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 249 Rn. 8 m. w. N. 151  Soergel/Ekkenga/Kuntz, BGB, 13. Aufl., 2014, Vor § 249 Rn. 26. 152  Steindorff, JZ 1961, 12 (13). 153  Knütel, AcP 202 (2002), 555 (599), der von einem allgemeinen Interesse spricht. 154  Dazu bereits unter: 1. Kap. C. II. 155  Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, 6. Band, Materialien zum Handelsgesetzbuch, 1897, S. 375 = Denkschrift zum HGB, S. 222. 156  Dazu bereits unter: 1. Kap. E. III. 1. b).



D. Der abstrakte Verkäuferschaden als stets zu ersetzender Mindestschaden237

des § 376 Abs. 2 HGB auf Handelsgeschäfte ohne Fixkomponente trägt diesem Verlangen Rechnung. Um den Verkäufer dabei nicht ungebührlich zu privilegieren, muss die gesamte Systematik des § 376 HGB auf Handelsgeschäfte ohne Fixkomponente übertragen werden. Insbesondere die zusätzlichen Voraussetzungen der konkreten Schadensberechnung nach § 376 Abs. 3 HGB sind dabei für den Verkäufer von Relevanz. Hier muss der Deckungsverkauf „sofort“ nach der Entstehung des Schadensersatzanspruches vorgenommen werden.157 Die Parameter, des durch die Rechtsfortbildung geschaffenen Schadensersatzanspruches, orientieren sich an der abstrakten Schadensberechnung im weiteren Sinne. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Bestimmung des Markt(verkaufs)preises respektive des Börsenpreises ist der Moment, an dem der Verkäufer von seiner Leistungspflicht befreit wird. Der maßgebliche Ort ist der Erfüllungsort des Verkäufers. Ist das Geschäft für den schadensersatzberechtigten Verkäufer kein Handelsgeschäft, ergibt sich „ein anderes“ im Sinne des § 345 HGB, sodass § 376 HGB keine Anwendung findet.158

157  Zu

der Parallelproblematik aufseiten des Käufers bereits unter: 1. Kap. E. III. aufseiten des Käufers bereits unter: 1. Kap. E. II.

158  Dazu

3. Kapitel

Der abstrakt berechnete Mieterschaden Der Problemkreis rund um die abstrakte Schadensberechnung wird nahezu in den meisten Fällen mit dem nicht belieferten Käufer assoziiert. Dieser gedankliche Konnex ist keineswegs überraschend, zumal die abstrakte Berechnungsmethode im Zuge des Kaufvertrages entwickelt wurde und gemessen an der vorhandenen Rechtsprechung dort am häufigsten zur Anwendung kam. So existierten auch einige umfangreiche wissenschaftliche Werke, die allesamt die abstrakte Schadensbemessung thematisieren, allerdings fokussieren sich die Autoren dabei im Wesentlichen nur auf die Rechtsstellung des Käufers und des Verkäufers.1 Um das Wesen der abstrakten Schadensbemessung jedoch fundiert analysieren zu können, ist über den „Tellerrand“ des Kaufvertrages hinauszublicken: Daher sind neben den „punktuellen“2 Schuldverhältnissen auch Dauerschuldverhältnisse in Blick zu nehmen, da eine abstrakte Schadensberechnung ebenso bei Darlehens- oder Mietverträgen denkbar ist. Wird beispielsweise einem Mieter der angemietete Wohnraum nicht überlassen, lässt sich der dem Mietvertrag immanente Wert, der für den Mieter in der Überlassung der angemieteten Räume liegt, ebenfalls abstrakt anhand des Mietmarktes ermitteln. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass sich die für den Kaufvertrag entwickelten Parameter nicht eins zu eins auf Dauerschuldverhältnisse übertragen lassen, sondern einiger Modifikationen bedürfen. Dies lässt sich auf das Zeit­ element zurückführen, das Dauerschuldverhältnissen zugrunde liegt und sie gerade von dem Kauf- oder dem Werkvertrag unterscheidet.3 Im Gegensatz zu „einfachen“ Schuldverhältnissen entstehen während der Laufzeit von Dauerschuldverhältnissen die Leistungspflichten fortwährend neu,4 weshalb 1  So etwa: Kollpack, Die abstrakte Schadensberechnung, 1960; Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadens, 1989; Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 109–161; Knütel, AcP 202 (2002), 555–606; Flume, AcP 215 (2015), 282– 350. 2  So die Bezeichnung bei: MünchKomm/Gaier, BGB, 9. Aufl., 2022, § 314 Rn. 10. 3  Michalski, JA 1979, 401 (402); Oetker, Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung, 1994, S. 144; MünchKomm/Gaier, BGB, 9. Aufl., 2022, § 314 Rn. 9; BeckOK/Sutschet, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 241 Rn. 27. 4  MünchKomm/Gaier, BGB, 9. Aufl., 2022, § 314 Rn. 10.



A. Der abstrakte Mieterschaden als entgangener Gewinn239

die zeitliche Komponente die zentrale Eigenschaft im Bereich der Dauerschuldverhältnisse darstellt.5 Als wohl wichtigster Vertreter der Dauerschuldverhältnisse soll im nachfolgenden Teil die abstrakte Schadensberechnung im Bereich des Mietvertrages einer tiefgreifenden Untersuchung unterzogen werden. Deshalb soll im dritten Kapitel – spiegelbildlich zur Schadensbemessung des Käufers – insbesondere die Grundlage einer abstrakten Schadensberechnung des Mieters ermittelt werden, die verschiedenen in Betracht kommenden Fallgestaltungen dargestellt, und die Bedeutung der zeitlichen Komponente, die das Dauerschuldverhältnis prägt, untersucht werden. Hierbei sind neue Wege zu beschreiten, die zeigen, dass die Differenzhypothese auch im mietvertraglichen Bereich den Mittelpunkt der abstrakten Schadensberechnung markiert. Parallel zum nicht belieferten Käufer kommen auch für den Mieter zwei verschiedene „abstrakte“ Berechnungsmethoden in Betracht: Die Berechnung des entgangenen Gewinnes anhand des gewöhnlichen Verlaufes der Dinge (§ 252 S. 2 Alt. 1 BGB) und eine Berechnung des nicht zugeschlossenen Vertragswertes.

A. Der abstrakte Mieterschaden als entgangener Gewinn Wie in den vorangegangenen Kapiteln gezeigt,6 begreift die Rechtsprechung des Reichsgerichtes und des Bundesgerichtshofes die abstrakte Schadensberechnung als eine Form des entgangenen (Weiterveräußerungs-)Gewinnes, der nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten war (§ 252 S. 2 Alt. 1 BGB). Dieser gewöhnliche Verlauf wurzelt in der Vorstellung, dass marktgängige Waren jederzeit absetzbar sind und Kaufleute entsprechende Weiterveräußerungsmöglichkeiten auch wahrgenommen hätten.7 Wird dem Mieter die Mietsache nicht oder nur mangelhaft überlassen, kann er im Wege des Schadensersatzanspruches entgangenen Gewinn geltend machen und sich dabei auch auf die Beweiserleichterung des § 252 S. 2 BGB berufen, die nach dem Verständnis der Rechtsprechung das Einfallstor für die konkret-typisierende („abstrakte“) Schadensberech5  Michalski, JA 1979, 401 (402); Oetker, Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung, 1994, S. 144; MünchKomm/Gaier, BGB, 9. Aufl., 2022, § 314 Rn. 9; BeckOK/Sutschet, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 241 Rn. 27. 6  Dazu bereits unter: 1. Kap. B. I. 7  RG, 05.06.1917, II 606/16, RGZ 90, 305 (306); RG, 27.09.1917, II 100/17, RGZ 90, 423 (425); RG, 30.10.1917, II 241/17, RGZ 91, 99 (103); RG, 30.04.1920, II 1/20, RGZ 99, 46 (49).

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3. Kap.: Der abstrakt berechnete Mieterschaden

nung darstellt.8 Es gilt daher zu klären, ob und auf welche Weise das von der Rechtsprechung entwickelte Verständnis zur „abstrakten“ Berechnungsmethode auf den Mieter übertragen werden kann.

I. Gewinneinnahmen als Ergebnis eines typischen Geschehensablaufes Um die von der Rechtsprechung praktizierten Grundsätze auf den Mieter übertragen zu können, muss mit der vertragsgemäßen Überlassung der Mietsache eine Gewinnerzielung nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein (§ 252 S. 2 Alt. 1 BGB). Doch auf welche Weise würde sich ein Gewinn überhaupt realisieren lassen und welche Voraussetzungen sind nötig, um eine Typizität der Geschehensabläufe annehmen zu können? Zunächst ist danach zu differenzieren, wie die Mietsache vom Mieter eingesetzt werden soll. Zum einen könnte das Mietobjekt zur Weitervermietung genutzt werden. Zum anderen könnte die Sache die Grundlage für eine gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit darstellen, sodass durch die ordnungsgemäße Überlassung mittelbar ein Gewinn erwirtschaftet werden könnte, wie es beispielsweise bei einem Ladengeschäft der Fall wäre. 1. Untervermietungseinnahmen Wird ein Objekt zum Zwecke der Weitervermietung angemietet, könnte der Mieter bei erfolgreicher Untervermietung einen Gewinn erwirtschaften. Um sich jedoch in diesem Fall auf die Typizität der Geschehensabläufe berufen zu können, müsste ein entsprechender Erfahrungssatz bestehen, wonach eine Weitervermietung gerade dem typischen Verlauf der Dinge entspricht (§ 252 S. 2 Alt. 1 BGB). Dann müsste der Mieter nur noch die entsprechenden Anknüpfungstatsachen nachweisen, um sich auf eine widerlegbare Vermutung in Bezug auf entgangene Untervermietungseinnahmen berufen zu können. In Anlehnung an eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes ist hier folgender Beispielsfall zu beleuchten:9 8  Zur Anwendung des § 252 S. 2 BGB bei Nichtüberlassung einer gepachteten Gaststätte: BGH, 28.02.1996, XII ZR 186/94, NJW-RR 1996, 1077 (1078); zur Anwendung des § 252 S. BGB bei Mangelhaftigkeit der Mietsache: BGH, 05.07.1991, V ZR 115/90, NJW 1991, 3277 (3278); KG, 23.02.2015, 8 U 52/14, juris Rn. 40; MünchKomm/Häublein, BGB, 8. Aufl., 2020, § 536a Rn. 16; vgl. auch: Looschelders, Schuldrecht BT, 17. Aufl., 2022, § 22 Rn. 21. 9  In Anlehnung an: BGH, 10.05.2006, XII ZR 124/02, BGHZ 167, 312. Den Ausgangspunkt dieses Falles bildet die ausgebliebene Überlassung der Mietsache an den Mieter. Allerdings gelten die nachfolgenden Erwägungen ebenso bei einer unberechtigten Kündigung des Vermieters oder bei der Überlassung einer mangelhaften



A. Der abstrakte Mieterschaden als entgangener Gewinn241 E ist Eigentümer eines Grundstückes, das als Parkplatz für Lastkraftwagenfahrer genutzt werden darf. Er vermietet das komplette Grundstück für die Dauer eines Jahres an den M. Dieser bekommt von E die Erlaubnis, es entsprechend weiterzuvermieten. Dabei bietet das Grundstück Platz für bis zu 50 Lastkraftwagen gleichzeitig. Der Mietvertrag wird am 15.01. geschlossen und für den Beginn der Mietzeit wird der 01.02. vereinbart. Am besagten Datum verweigert der E allerdings ernsthaft und endgültig die Überlassung des Grundstückes. M verlangt daraufhin Schadensersatz in Form seines entgangenen Gewinnes.

Eine konkrete Berechnung des entgangenen Gewinnes nach den besonderen Umständen gemäß § 252 S. 2 Alt. 2 BGB wird für den Mieter in derart gelagerten Fällen regelmäßig nicht in Betracht kommen. Dies ist auf die zumeist fehlende Möglichkeit des Mieters zurückzuführen, nachzuweisen, über welchen Zeitraum und mit welcher Kapazität der Parkplatz im Einzelnen ausgelastet gewesen wären.10 Der Schadensersatzgläubiger wird vielmehr daher versuchen, seinen Gewinn nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu berechnen (§ 252 S. 2 Alt. 1 BGB), da Tatsachen, die unter diese Typizität der Geschehensabläufe fallen, nicht bewiesen werden müssen.11 Wie bereits im Rahmen des Kaufvertrages dargelegt, geht nicht jedes Geschäft mit der widerlegbaren Vermutung eines entgangenen Gewinnes einher.12 Daher steht es außer Frage, dass eine Anmietung nicht auch automatisch zu einer Untervermietung führt. Es müssen Anknüpfungspunkte dargelegt und ggf. bewiesen werden, auf denen der gewöhnliche Verlauf der Dinge beruhen kann.13 Um den entsprechenden Grundstein für die Beweiserleichterung nach § 252 S. 2 Alt. 1 BGB schaffen zu können, bietet sich ein Vergleich mit dem Kaufvertrag an. Dort muss der nicht belieferte Käufer lediglich seine Händlereigenschaft sowie den Marktpreis auf seinem Absatzmarkt oder in bestimmten Fällen den Verkäuflichkeitspreis nachweisen,14 um seinen entgangenen Gewinn „abstrakt“ nach § 252 S. 2 Alt. 1 BGB berechnen zu können.15 Die Händlereigenschaft ist notwendig, um von einem regelmäßigen An- und Verkauf ausgehen zu können. Der Marktverkaufs- sowie der Verkäuflichkeitspreis lassen wiederum auf die Absatzfähigkeit der ausgebliebeSache, wenn aufgrund des Mangels eine gewinnbringende Weitervermietung durch den Mieter ausgeschlossen ist. Für den entgangenen Gewinn als Mangelfolgeschaden siehe nur: Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 536a Rn. 80; Staudinger/V.Emmerich, BGB, 2021, § 536a Rn. 19. 10  Zu den Beweisanforderungen: Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 252 Rn. 18. 11  BGH, 17.12.1963, V ZR 186/61, NJW 1964, 661 (663); Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 252 Rn. 18. 12  Dazu bereits unter: 1. Kap. B. V. 3. 13  BGH, 05.05.1970, VI ZR 212/68, BGHZ 54, 45 (55); MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 37 m. w. N. 14  Dazu bereits unter: 1. Kap. B. IV. 1. c). 15  Dazu bereits unter: 1. Kap. B. V. 3.

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3. Kap.: Der abstrakt berechnete Mieterschaden

nen Ware schließen. Beide Aspekte bilden zusammen die Grundlage eines typischen Geschehensablaufes. Überträgt man dieses Bild nun auf den Mietvertrag, muss der Mieter zumindest als gewerblicher Unternehmer nach § 14 Abs. 1 Alt. 1 BGB zu klassifizieren sein. Diese Voraussetzung wurzelt in dem Umstand, dass eine gewinnbringende Untervermietung durch Privatpersonen nicht dem typischen Geschehensablauf entspricht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Verbraucher Objekte in aller Regel nur anmieten, um ihren persönlichen Bedarf zu befriedigen. Daher besteht kein dahingehender Erfahrungssatz, auf dem ein typischer Geschehensablauf aufbauen kann. Des Weiteren muss es sich um eine Sache handeln, die regelmäßig und typischerweise nach Art ihrer Beschaffenheit im Geschäftsverkehr Gegenstand von Mietverträgen ist.16 Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn sich ein Durchschnittsmietpreis aufgrund einer gefestigten Datenlage für ein entsprechendes oder ein zumindest gleichartiges Mietobjekt ermitteln lässt. Auf Basis dieser Anforderung lässt sich ein konsistenter Nachfragekern annehmen, sodass eine Weitervermietung nicht ausgeschlossen erscheint. Beträgt der Mietzins im obigen Parkplatzfall beispielsweise 20.000,– Euro monatlich und entsprechen die durchschnittlichen Mietkosten eines Stellplatzes 20,– Euro pro Tag, könnte bei einem dreißigtägigen Monat und 50 vorhandenen Stellplätzen ein Gewinn von bis zu 10.000,– Euro widerlegbar vermutet werden (30.000,– Euro minus 20.000,– Euro). Da es sich bei § 252 S. 2 Alt. 1 BGB nur um eine widerlegbare Vermutung handelt,17 die weder eine abstrakte Schadensberechnung im engeren noch im weiteren Sinne ermöglicht,18 kann die Weitervermietungsvermutung entkräftet werden. So ist der gewöhnliche Verlauf der Dinge zumindest teilweise widerlegt, wenn der Vermieter darlegt, dass eine gewinnbringende Weitervermietung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten war. In diesem Zusammenhang erscheint es überaus zweifelhaft, dass im obigen Parkplatzfall sämtliche Stellplätze tagtäglich zu jeder Tages- und Nachtzeit vollständig belegt wären, obwohl dies zunächst widerlegbar zu vermuten ist. Daher geht dieses extensive Verständnis mit der Gefahr einer möglichen Überkompensation des Mieters einher. Um dem entgegenzutreten, bleibt es dem Vermieter unbenommen, auf der Grundlage vergangener Jahre oder der Auslastungskapazität anderer vergleichbarer Parkplätze darzulegen, 16  Diese Anforderungen sind das spiegelbildliche Pendant zum Marktverkaufspreis im Rahmen des Kaufvertrages. 17  BGH, 13.10.2016, IX ZR 149/15, NJW 2017, 1600 Rn. 19; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, 6. Aufl., S. 211 Rn. 625; MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 31. 18  Dazu bereits unter: Einleitung II. 1.



A. Der abstrakte Mieterschaden als entgangener Gewinn243

dass eine vollständige Auslastung am maßgeblichen Ort über den entsprechenden Zeitraum19 nicht zu erwarten war, sodass dieser Umstand in der Schadensschätzung (§ 287 Abs. 1 S. 1 ZPO i. V. m. § 252 S. 2 Alt. 1 BGB) mittels Abschlags zu berücksichtigen ist.20 Hierbei sind keine zu hohen Anforderungen an den Vermieter zu stellen, um nicht Gefahr zu laufen, die widerlegbare Vermutung in eine faktisch unwiderlegbare zu verwandeln.21 Zudem kann der Vermieter den Nachweis führen, dass generell keine Erlaubnis zur Weitergabe der Sache an Dritte vorlag oder sich die erteilte Erlaubnis nicht auf die gewerbliche Nutzung der Sache erstreckte. Nach § 540 Abs. 1 S. 1 BGB ist der Mieter ohne die Erlaubnis des Vermieters nicht berechtigt, die Sache Dritten zu überlassen. Ein Anspruch auf Erlaubnis besteht dabei grundsätzlich nicht, sodass der Vermieter in den Grenzen des § 242 BGB eine Erlaubniserteilung ablehnen darf.22 Ein gewöhnlicher Verlauf der Dinge scheidet in diesem Fall aus, da der Vermieter das Mietverhältnis in diesem Fall nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB fristlos kündigen könnte, wenn der Mieter die Sache unbefugt an Dritte weitergegeben hätte. Es ist nicht anzunehmen, dass der Mieter sich für gewöhnlich einem solchen Risiko aussetzen will. Allerdings könnte angeführt werden, dass zumindest im Bereich der Wohnraummiete ein Anspruch des Mieters auf Erlaubniserteilung nach § 553 Abs. 1 S. 1 BGB besteht, wenn für diesen nach Abschluss des Mietvertrages ein berechtigtes Interesse daran entsteht, den Wohnraum teilweise Dritten zu überlassen. Allerdings hat diese Norm keine Auswirkungen auf die hier beschriebene Schadensberechnung. Schon die Tatbestandsvoraussetzungen werden meist nicht erfüllt sein. § 553 Abs. 1 S. 1 BGB setzt voraus, dass das notwendige, berechtigte Interesse des Mieters erst nach dem Abschluss des Mietvertrages entsteht.23 Die Gewinnerzielungsabsicht wird jedoch in den meisten Fällen bereits im Vorfeld bestanden haben. Zudem steht auch die Systematik des § 553 Abs. 1 S. 1 BGB einem vermuteten Weitervermietungsgewinn entgegen, wie folgende Überlegung zeigt: 19  Zu

den Parametern sogleich unter: 3. Kap. A. II. Möglichkeit eines Abschlages bei der Schadensschätzung des Mieters: BGH, 17.02.1998, VI ZR 342/96, NJW 1998, 1633 (1643); BGH, 06.02.2001, VI ZR 339/99, NJW 2001, 1640 (1641). 21  BGH, 05.05.1970, VI ZR 212/68, BGHZ 54, 45 (56); BGH, 30.05.2001, VIII ZR 70/00, NJW-RR 2001, 1542. 22  Schmid/Harz/Riecke, Mietrecht, 6. Aufl., 2020, § 540 Rn. 34; Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., 2020, § 540 Rn. 1; MünchKomm/Bieber, BGB, 8 Aufl., 2020, § 540 Rn. 13. 23  Zu § 549 Abs. 2 S. 1 BGB a. F.: BGH, 03.10.1984, VIII ARZ 2/84, BGHZ 92, 213 (217); MünchKomm/Bieber, BGB, 8. Aufl., 2020, § 553 Rn. 7; BeckOGK/Emmerich, BGB, Stand: 01.01.2023, § 553 Rn. 13. 20  Zur

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3. Kap.: Der abstrakt berechnete Mieterschaden

Wurde im Mietvertrag zwischen Hauptmieter und Hauptvermieter eine (gemischte) gewerbliche Nutzung in der Form vereinbart, dass die Sache gegen Entgelt ganz oder teilweise Dritten überlassen werden darf, kann eine Weitervermietung dem gewöhnlichen Geschehensablauf entsprechen. Wurde jedoch ein Wohnraummietverhältnis zwischen Hauptvermieter und Hauptmieter vereinbart, würde eine Erlaubniserteilung zur gewerblichen Nutzung auf der Grundlage des § 553 Abs. 1 S. 1 BGB dem vertraglich vereinbarten Verwendungszweck diametral entgegenstehen. Der entgangene Gewinn wäre folglich mit einer vertragswidrigen Nutzung der Wohnung durch den Hauptmieter verbunden, sodass auch hier von keinem gewöhnlichen Verlauf der Dinge auszugehen ist. Des Weiteren bleibt dem Mieter ein Rückgriff auf den gewöhnlichen Verlauf der Dinge verwehrt, wenn er die Ware zu privaten oder eigenen betrieblichen Zwecken angemietet hat. Als Teil des gewöhnlichen Verlaufes der Dinge wird jedoch die Absicht, die Sache weitervermieten zu wollen, widerlegbar vermutet.24 Den Mieter trifft bezüglich der Anknüpfungstatsachen die Darlegungsund Beweislast.25 In der Folge muss der Mieter den marktüblichen Durchschnittsmietzins, für den er das Objekt weitervermietet hätte sowie seine Unternehmereigenschaft nach § 14 Abs. 1 Alt. 1 BGB nachweisen. Darüber hinaus muss der Mieter in hinreichendem Maße den Umstand darlegen, dass es sich bei dem Mietobjekt um eine Sache handelt, die regelmäßig und typischerweise nach Art ihrer Beschaffenheit Gegenstand von Mietverträgen ist. Diese Anforderung ist jedenfalls dann erfüllt, wenn er einen entsprechenden Durchschnittsmietpreis auf Basis einer gefestigten Datenlage nachgewiesen hat. Dem Vermieter obliegt es wiederum, entsprechende Gegenbeweise zu führen, um die Typizität der Geschehensabläufe zu widerlegen. So muss er darlegen und ggf. beweisen, dass keine Erlaubnis vorliegt, die den Mieter berechtigt, das Mietobjekt in gewerblicher Weise Dritten zu überlassen. Des Weiteren muss er den Nachweis führen, dass der Mieter die Sache zu privaten oder zumindest eigenen betrieblichen Zwecken nutzen wollte. Auch dürfen in diesem Zusammenhang die beweisrechtlichen Anforderungen an den Schadensersatzschuldner nicht überstrapaziert werden. Um die vermutete vollständige Kapazitätsauslastung des Mietobjekts widerlegen zu können, reicht es aus, dass der Vermieter hinreichend darlegt, dass eine solche Auslastung nach dem gewöhnlichen Geschehensablauf nicht zu erwarten war. 24  Vgl. zum entgangenen Gewinn des Käufers: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 127; ferner auch: Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 252 Rn. 18. 25  Statt aller: MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 37 m. w. N.



A. Der abstrakte Mieterschaden als entgangener Gewinn245

2. Gewerberaumüberlassung Neben der Möglichkeit, das Mietobjekt gewinnbringend weiterzuvermieten, kann der Mieter die Mietsache – wie etwa bei der Gewerberaummiete – auch als Grundstein für seine gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit nutzen. Ist das Mietobjekt mangelhaft oder kommt es zu einer ausgebliebenen respektive verspäteten Überlassung der Mietsache beziehungsweise einer unberechtigten Kündigung durch den Vermieter, wird der vom Mieter geforderte Gewinn dann nicht in der entgangenen Weitervermietungsmöglichkeit des Mietobjektes bestehen. Vielmehr wird der Mieter aufgrund der vermieterischen Pflichtverletzung seiner gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit nicht mehr nachkommen können, sodass ihm nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge ein Gewinn entgeht. So stellt sich erneut die Frage, welche Anforderungen an den Grundstein für eine widerlegbare Gewinnvermutung gestellt werden müssen, wenn der Mieter beispielsweise Gewerberaum nicht zum Zwecke der Gewinnerzielung nutzen kann. Hierzu ein kurzer Beispielsfall: M mietet von V Gewerberaum an, um ein Ladengeschäft für neuwertige Elektronik zu eröffnen. Die Mietzeit soll am 01.02. beginnen, wobei das Mietverhältnis auf fünf Jahre befristet wird. Am vereinbarten Datum verweigert der V ernsthaft und endgültig die Überlassung des Gewerberaums. M verlangt Schadensersatz für seinen entgangenen Gewinn.

In diesem Fall wird eine gewinnbringende Untervermietung durch den Mieter aufgrund der fehlenden Erlaubnis des Vermieters und der geplanten Eigennutzung nicht in Betracht kommen. Auch eine konkrete Schadensberechnung nach den besonderen Umständen (§ 252 S. 2 Alt. 2 BGB) wird für den Mieter in dieser Fallkonstellation ausscheiden, da ihm der Nachweis bestimmter Absatzgeschäfte meist nicht möglich sein wird.26 Allerdings bleibt es dem Mieter im obigen Beispiel unbenommen, sich auf den gewöhnlichen Verlauf der Dinge (§ 252 S. 2 Alt. 1 BGB) zu berufen. So entspricht es gerade der Typizität der Geschehensabläufe, dass ein Elektronikfachhandel Elektronikware gewinnbringend absetzt. Daher ist widerlegbar zu vermuten, dass bei ordnungsgemäßer Überlassung des Ladengeschäftes ein Gewinn erwirtschaftet worden wäre. Konkret entgangene Absatzgeschäfte muss der Mieter dabei nicht nachweisen. Um sich auf die Beweiserleichterung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB im Rahmen von Gewerberaummieten berufen zu können, muss der Mieter seine Eigenschaft als Unternehmer nachweisen, die entweder aus einer gewerb­ lichen (§ 14 Abs. 1 Alt. 1 BGB) oder einer freiberuflichen (§ 14 Abs. 1 Alt. 2 BGB) Tätigkeit abzuleiten ist. Auf eine Unterscheidung zwischen 26  Vgl. zur Beweislast des § 252 S. 2 Alt. 2 BGB: Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 252 Rn. 18.

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3. Kap.: Der abstrakt berechnete Mieterschaden

Alt. 1 und Alt. 2 kommt es hier nicht an, da sowohl eine freiberufliche als auch eine gewerbliche Tätigkeit den Grundstein für einen typischen Geschehensablauf bilden können. Werden etwa einem Rechtsanwalt die Räumlichkeiten seiner neuen Kanzlei nicht überlassen, ist in gleicher Weise wie bei einem Händler davon auszugehen, dass Einnahmen nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten waren. Darüber hinaus muss der Mieter nachweisen, dass es sich bei den von ihm angemieteten Räumen um Gewerberaum handelt, den er im Zuge seiner unternehmerischen Tätigkeit nutzen wollte. Diese beiden Komponenten bilden die Grundlage eines typischen Geschehensablaufes, der in einer widerlegbaren27 Gewinnerzielungsvermutung mündet. Doch aus diesen Anknüpfungstatsachen allein können noch keine Aussagen über die tatsächliche Schadenshöhe getroffen werden. Es bedarf zusätzlich greifbarer Tatsachen, die Anhaltspunkte darüber geben, wie sich die Gewinnerzielung entwickelt hätte.28 So kommt für die Schadensschätzung (§ 287 Abs. 1 S. 1 ZPO i. V. m. § 252 S. 2 Alt. 1 BGB) insbesondere der durchschnittliche Gewinn der vergangenen Jahre29 in Betracht. Auch die Marktpreise der angebotenen Waren oder die marktüblichen Preise der entsprechenden Dienstleistungen können Anhaltspunkte darüber geben, wie sich der Gewinn entwickelt hätte. Diese Grundlagen können durch Hinzuziehen eines Sachverständigengutachters geeignet sein, zumindest einen gewissen „Schadenskern“ zu ermitteln.30 Hier gilt es zu bedenken, die Anforderungen an die nachzuweisenden Tatsachen nicht zu hoch anzusetzen.31 Dies gilt insbesondere dann, wenn der Mieter am Beginn seiner beruflichen Tätigkeit steht und es ihm daher schwer fallen wird, konkrete Anhaltspunkte für die Schadensentwicklung nachweisen zu können.32 Andernfalls droht eine nicht zu rechtfertigende Entlastung des Vermieters. Etwaige Unsicherheitsfaktoren können in der Schadensschätzung mittels Abschlags berücksichtigt werden und etwaige Mietpreisentwick27  BGH, 13.10.2016, IX ZR 149/15, NJW 2017, 1600 Rn. 19; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, 6. Aufl., S. 211 Rn. 625; MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 31. 28  BGH, 05.05.1970, VI ZR 212/68, BGHZ 54, 45 (55); BGH, 15.03.1988, VI ZR 81/87, NJW 1988, 3016 (3017). 29  BGH, 06.02.2001, VI ZR 339/99, NJW 2001, 1640 (1641); BGH, 27.10.2010, XII ZR 128/09, juris Rn. 5. 30  BGH, 05.07.1991, V ZR 115/90, NJW 1991, 3277 (3278). 31  So die ständige Rechtsprechung: BGH, 05.07.1991, V ZR 115/90, NJW 1991, 3277 (3278); BGH, 17.02.1998, VI ZR 342/96, NJW 1998, 1633 (1643); BGH, 26.07.2005, X ZR 134/04, NJW 2005, 3348; siehe ferner: MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 252 Rn. 38. 32  BGH, 17.02.1998, VI ZR 342/96, NJW 1998, 1633 (1643).



A. Der abstrakte Mieterschaden als entgangener Gewinn247

lungen in der Schadensermittlung sind zu berücksichtigen. Auf diese Weise kann einer Überkompensation des Mieters präventiv begegnet werden.33 Die Darlegungs- und Beweislast bezüglich der jeweiligen Anknüpfungstatsachen trifft den schadensersatzberechtigten Mieter.34 Die entsprechenden Gegenbeweise zu führen, obliegt dementsprechend dem Vermieter.

II. Parameter Auch für den Mieter hängt die Höhe des zu ersetzenden Gewinnes maßgeblich von den zugrunde liegenden Berechnungsparametern ab. Die größte Bedeutung spielt dabei der Zeitraum, für den der Schadensatz geltend gemacht werden soll. Dabei ist zwischen zwei verschiedenen Ausgangslagen zu differenzieren: In der ersten Variante verlangt der Mieter einen entgangenen Gewinn für einen zeitweiligen Nutzungsausfall. Wurde der Beginn des Mietverhältnisses kalendarisch festgelegt und bleibt die Überlassung zur vereinbarten Zeit aus, kann diese vom Vermieter nach § 535 Abs. 1 BGB geschuldete Dauerleistung nicht nachgeholt werden.35 Es kommt daher zu einem Fall der (Teil-)Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 Alt. 2 BGB).36 Diese Teilunmöglichkeit hat in der Regel keine Auswirkungen auf den Vertrag insgesamt, sodass sich der Schadensersatzanspruch (statt der Leistung) nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB nur auf diesen Teil der Vertragsdauer erstreckt.37 Wurde hingegen der Mietbeginn an die Überlassung gekoppelt, ziehen auch etwaige Verzögerungen zunächst keine Auswirkungen auf die Leistungspflicht des Vermieters nach sich.38 Der Schadenersatz nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB erfasst dann den Zeitraum zwischen Verzugseintritt und tatsächlicher Überlassung.39 33  BGH, 17.02.1998, VI ZR 342/96, NJW 1998, 1633 (1643); BGH, 06.02.2001, VI ZR 339/99, NJW 2001, 1640 (1641). 34  Siehe nur: BGH, 15.03.1988, VI ZR 81/87, NJW 1988, 3016 (3017). 35  Bub/Treier/Kraemer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., 2019, III. Rn. 2829. 36  BGH, 16.09.1987, IVb ZR 27/86, NJW 1988, 251 (252); BGH, 14.11.1990, VIII ZR 13/90, NJW-RR 1991, 267 (268); Bub/Treier/Kraemer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., 2019, III. Rn. 2829. 37  Bub/Treier/Kraemer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., 2019, III. Rn. 2832. 38  Bub/Treier/Kraemer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., 2014, III. Rn. 2829; vgl. auch: MünchKomm/Häublein, 8. Aufl., 2020, Vor § 536 Rn. 24, wenn der Vertragsbeginn an die Fertigstellung des Mietobjektes gekoppelt ist. 39  Zur Abgrenzung von (Teil-)Unmöglichkeit und Verzug: BGH, 23.09.1992, XII ZR 44/91, NJW 1992, 3226 (3227 f.); Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen

248

3. Kap.: Der abstrakt berechnete Mieterschaden

Kann das Mietobjekt aufgrund eines Mangels nicht zu Gewinnerzielungszwecken eingesetzt werden, so erstreckt sich der für den Schadensersatzanspruch maßgebliche Zeitraum bei einem bereits bei Vertragsschluss vorhandenen Mangel (§ 536a Abs. 1 Var. 1 BGB) vom Beginn des Mietverhältnisses bis zur Mangelbeseitigung. Bei einem erst nach Vertragsschluss entstandenen Mangel (§ 536 Abs. 1 Var. 2 BGB) erstreckt sich der Zeitraum von dem Moment der Mangelentstehung und bis zu dessen Behebung. Entsteht der Mangel zwar erst nach Vertragsschluss, hat die Überlassung aber noch nicht begonnen, ist Schadensersatz vom Beginn der Überlassung bis zur Beseitigung des Mangels zu zahlen, da der Mieter die Mietsache vorher nicht zu Gewinnerzielungszwecken nutzen konnte. Wesentlich komplexer gestaltet sich der Fall, in dem der Mieter entgangenen Gewinn für die komplette (restliche) Vertragsdauer verlangt. Ein solcher Anspruch kommt für den Mieter in verschiedenen Szenarien in Betracht.40 So kann auch ein Fall der Teilunmöglichkeit zum Ausschluss der vermieterischen Leistungspflicht insgesamt führen, wenn eine spätere Überlassung der Mietsache für den Mieter überhaupt keine restliche Erfüllung mehr darstellt und somit eine nachträgliche Überlassung sinnlos wäre.41 Unabhängig davon, ob das Mietverhältnis bereits begonnen hat oder der Vermieter lediglich in Verzug ist, kann der Mieter bei Verzögerungen auch über §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB vorgehen, um Schadensersatz für die gesamte (noch erbringbare) Vertragsdauer zu verlangen.42 Ein Fall der sogenannten Doppelvermietung, in dem das Mietobjekt an mehrere Mieter gleichzeitig vermietet wird, kann nach § 536a Abs. 1 i. V. m. § 536 Abs. 3 BGB ebenfalls einen solchen Schadensersatzanspruch für den nicht besitzenden Mieter begründen.43 Das Gleiche gilt, wenn der Mieter durch das Verhalten des Vermieters zu einer berechtigten Kündigung veranlasst wird.44 Der nachfolgende Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 10. Aufl., 2009, Rn. 241; Bub/Treier/Kraemer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., 2019, III. Rn. 2829. 40  Vgl. dazu auch: Eckert, ZfIR 2003, 617 (623); Bub/Treier/Kraemer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., 2019, III. Rn. 2828, 2832, 2855. Da die Tatbestandsseite des Schadensersatzanspruches nicht zum Kernbereich der vorliegenden Untersuchung zählt, werden die verschiedenen Anspruchsgrundlagen und Fallvarianten nur exemplarisch angeschnitten. 41  Bub/Treier/Kraemer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., 2019, III. Rn. 2832. 42  Bub/Treier/Kraemer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., 2019, III. Rn. 2829, 2832; vgl. ferner: Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, § 283 Rn. 76. 43  BGH, 10.05.2006, XII ZR 124/02, BGHZ 167, 312 Rn. 10; MünchKomm/ Häublein, BGB, 8. Aufl., 2020, § 536 Rn. 30. 44  BGH, 21.03. 2007, XII ZR 255/04, NZM 2007, 401 Rn. 28–30; Bub/Treier/ Kraemer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., 2019, III. Rn. 2855.



A. Der abstrakte Mieterschaden als entgangener Gewinn249

Kündigungsfolgeschaden erfasst dann die noch ausstehende Mietzeit.45 Wird dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen, ist er nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB zur außerordentlichen Kündigung berechtigt. Dieser Kündigungsgrund erfasst nicht nur die mangelhafte Überlassung, sondern auch die gänzlich ausgebliebene Gebrauchsgewährung.46 Insofern ist § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB auch vor der Überlassung des Mietobjektes neben dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht anwendbar.47 Verlangt der Mieter in diesen Fällen Schadensersatz für die gesamte (restliche) Vertragsdauer, sind für die Schadensberechnung wiederum zwei weitere Szenarien zu unterscheiden: In der ersten Variante ist der Mietvertrag, wie dies vor allem im Gewerberaummietrecht üblich ist, befristet. Auch wenn der Gewinnentgang sich auf einen noch in der Zukunft liegenden Zeitraum erstreckt, bezieht sich der Schadensersatzanspruch bereits auf die gesamte Vertragsdauer.48 Diese Sichtweise dient in erster Linie der Rechtsklarheit und der beschleunigten Abwicklung des gestörten Vertrages.49 Zudem deutet auch der Grundsatz der Schadenseinheit in diese Richtung. Dieser besagt, dass der gesamte Schaden, der auf einem einheitlichen Verhalten beruht, mit dem erstmaligen Schadens­ eintritt als insgesamt eingetreten gilt. Solange die weiteren Schadensposten demnach als eine bloße Weiterentwicklung des ursprünglichen Schädigerverhaltens anzusehen sind, kommt dem Zeitpunkt, an dem diese tatsächlich eintreten, für die Verjährung keine Bedeutung zu.50 Diese Vorstellung lässt 45  Dieser kündigungsbedingte Schadensersatz steht dabei nicht auf dem Fundament des § 281 BGB, sondern wird auf der Grundlage des § 280 Abs. 1 BGB ersetzt. Es spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, ob der Vermieter durch sein Verhalten Leistungspflichten oder Nebenpflichten verletzt hat. Lediglich § 536a Abs. 1 BGB ist bei einer Mangelhaftigkeit der Mietsache vorrangig. Zur Bestimmung der Anspruchsgrundlage des Kündigungsfolgeschadens: BGH, 02.11.2016, XII ZR 153/15, NJW 2017, 1104 Rn. 11; OLG München, 22.11.2018, 32 U 1376/18, juris Rn. 27; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 542 Rn. 103 f.; Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., 2020, § 540 Rn. 126; vgl. ferner auch: BGH, 13.06.2007, VIII ZR 281/06, NJW 2007, 2474. 46  MünchKomm/Bieber, BGB, 8.  Aufl., 2020, § 543 Rn. 20; Schmidt-Futterer/ Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 543 Rn. 290. 47  Staudinger/V.Emmerich, BGB, 2021, § 543 Rn. 22. 48  KG, 23.02.2015, 8 U 52/14, juris Rn. 57. 49  KG, 23.02.2015, 8 U 52/14, juris Rn. 58. 50  Zu dieser ständigen Rechtsprechung des BGH siehe nur: BGH, 14.03.1968, VII ZR 77/65, BGHZ 50, 21 (24); BGH, 07.03.2019, III ZR 117/18, BGHZ 221, 253 Rn. 33; aus der Literatur: BeckOK/Spindler, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 199 Rn. 33; MünchKomm/Grothe, BGB, 9. Aufl., 2021, § 199 Rn. 9 mit jeweils weiteren Nachweisen.

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3. Kap.: Der abstrakt berechnete Mieterschaden

sich auch auf die Schadenshöhe übertragen. Durch die vermieterische Pflichtverletzung kann der Mieter den Gewerberaum nicht für seine Zwecke nutzen, sodass ihm Absatzmöglichkeiten entgehen. Die damit verbundenen Gewinneinbußen treten jedoch lediglich zeitlich verzögert auf und lassen sich allesamt auf die ursprüngliche Pflichtverletzung des Vermieters zurückführen, weshalb der entgangene Gewinn des Mieters als einheitlicher Schadensposten zu betrachten ist. Dem Mieter steht daher zunächst einmal der entgangene Gewinn für die gesamte Vertragsdauer zu. Die Höhe des Gewinnes ist für die entsprechende Zeit zu schätzen.51 Da der Mieter auf diese Weise auch Schadensersatz für einen in der Zukunft liegenden Gewinn erhält, muss der Ersatz entsprechend abgezinst werden, um eine Überkompensation zu verhindern. In der zweiten Variante wurde der Mietvertrag nicht befristet. Daraus lässt sich nun freilich nicht der Schluss ziehen, dass der Gewinn für eine unbegrenzte Zeit entgangen ist. Es bedarf hier einer zeitlichen Eingrenzung, um einer unkontrollierten Expansion des Schadensersatzes vorzubeugen. Eine solche Restriktion lässt sich mit dem Gedanken begründen, dass ein Vermieter nicht grenzenlos an einen unbefristeten Gewerberaummietvertrag gebunden ist. In diesem Lichte ist auch der hier in Rede stehende Gewinnersatz zu betrachten. So beruht der Schadensersatz gerade auf der Verpflichtung des Vermieters, dem Mieter die Mietsache im vertragsgemäßen Zustand überlassen zu müssen. Befreit sich der Vermieter von dieser Verpflichtung, kann der Mieter für die darauffolgende Zeit keinen Schadensersatz verlangen. Der Anspruch des Schadensersatzgläubigers ist daher auf den Zeitraum zu beschränken, in dem der Vermieter zur vertragsgemäßen Leistungserbringung verpflichtet war respektive gewesen wäre.52 Die zeitliche Grenze des Schadensersatzanspruches liegt somit in der hypothetisch frühesten Kündigungsmöglichkeit des Vermieters.53 Aufgrund dieser zeitlichen Eingrenzung muss auch die (hypothetische) Kündigungsfrist der (unterstellten) vermieterischen Kündigung berücksichtigt werden. Hat der Vermieter die Kündigung noch nicht selbst erklärt, ist das Wirksamwerden einer entsprechenden (ordentlichen) Kündigung für den Moment zu unterstellen, an dem die Kündigung des Mieters, die er aufgrund der vermieterischen Pflichtverletzung ausspricht, wirksam wird, beziehungsweise der Mieter sein Schadensersatzverlangen (§ 281 Abs. 4 BGB) gegenüber dem Vermieter erklärt. 51  Dazu

bereits unter: 3. Kap. A. I. 1. und 2. 12.01.1972, VIII ZR 26/71, juris Rn. 17. 53  BGH, 12.01.1972, VIII ZR 26/71, juris Rn. 17; BGH, 18.01.1995, XII ZR 30/93, NJW-RR 1995, 715 (716); Soergel/Heintzmann, BGB, 13. Aufl., 2007, § 536a Rn. 16; MünchKomm/Häublein, BGB, 8. Aufl., 2020, § 536a Rn. 20. 52  BGH,



A. Der abstrakte Mieterschaden als entgangener Gewinn251

Für diesen Zeitpunkt spricht zum einen, dass der Vermieter seine Schadensersatzpflicht möglichst gering halten will und bei entsprechender Rechtskenntnis umgehend die Kündigungsfrist – als den Schadensersatz limitierenden Faktor – durch die Erklärung der Kündigung in Gang gesetzt hätte. Zum anderen werden auch Unwägbarkeiten, wann mit einer entsprechenden Kündigung zu rechnen gewesen wäre, vermieden. Berechnet der Mieter seinen entgangenen Gewinn auf der Grundlage einer vermuteten Weitervermietung, ist ferner zu differenzieren, ob es sich um ein bewegliches oder unbewegliches Mietobjekt handelt. Im Falle einer beweglichen Mietsache ist der (durchschnittliche) Mietpreis für dieses oder ein vergleichbares Mietobjekt an dem Ort zu bestimmen, an dem das Mietobjekt weitervermietet worden wäre. Kommen dafür verschiedene Plätze gleichermaßen in Betracht, ist auch im Bereich des Mietvertrags ein Durchschnittswert zu bilden.54 Es kommen in diesem Zusammenhang die gleichen Erwägungen zum Tragen, die auch schon für die Bestimmung des maßgeblichen Ortes aufseiten des Käufers relevant wurden.55 So darf der Hauptmieter nicht in die Lage versetzt werden, nachträglich den für ihn günstigeren Ort seiner Schadensberechnung zugrunde zu legen. Bei unbeweglichen Mietobjekten kommt es einzig auf den tatsächlichen Standort an. Dies gilt auch, wenn dem Mieter Gewerberaum nicht (vertragsgemäß) überlassen wurde und er daher an der Ausübung seiner gewerblichen Tätigkeit gehindert wurde.

III. Einschränkende Faktoren Neben der Widerlegung der aus § 252 S. 2 Alt. 1 BGB fließenden Vermutung existieren noch weitere Faktoren, die geeignet sind, sich mindernd auf die Schadenshöhe auszuwirken. So sind neben ersparten Kosten56 auch eine tatsächlich durchgeführte Ersatzanmietung sowie ein schuldhafter Verstoß gegen Schadensminderungsobliegenheiten zu berücksichtigen.57

54  So

B. II.

bereits bei Käufer und Verkäufer. Siehe dazu: 1. Kap. B. IV. 3. und 2. Kap.

55  Dazu

bereits aufseiten des Käufers: 1. Kap. B. IV. 3. bereits aufseiten des Käufers: 1. Kap. B. IV. 4. a). 57  Weiterhin käme ein mitwirkendes Verschulden nach § 254 Abs. 1 BGB in Betracht, wenn die Kündigung des Vermieters (materiell) unwirksam ist, der Mieter diese jedoch widerstandslos akzeptiert. Dieser Aspekt wird vor allem im Bereich der Wohnraummiete relevant. Dazu unter: 3. Kap. B. III. 2. 56  Dazu

252

3. Kap.: Der abstrakt berechnete Mieterschaden

1. Die tatsächlich durchgeführte Ersatzanmietung Mietet der Schadensersatzgläubiger eine Ersatzsache zu Gewinnerzielungszwecken an, kann der auf diese Weise generierte Gewinn nur dann eine schadensreduzierende Wirkung entfalten, wenn er an die Stelle der ausgebliebenen Einnahmen tritt.58 An dieser Stelle treten abermals die Parallelen zum nicht belieferten Käufer zum Vorschein. Wären die Gewinne bei ordnungsgemäßer Leistung des Vermieters ebenfalls erzielt worden, handelt es sich um zusätzliche Einnahmen, die den Schaden nicht verhindern können.59 Es ist dabei nicht zwingend notwendig, dass das ursprüngliche Mietobjekt und die ersatzweise angemietete Sache identisch sind. Die Gewinneinnahmen müssen sogar nicht einmal zwingend auf einer Ersatzanmietung beruhen, sondern können auch auf andere Tätigkeiten zurückgeführt werden.60 Entscheidend ist nur, dass die erzielten Gewinne kausale Folge der ausgebliebenen respektive mangelhaften Überlassung sind und somit gerade den dort entgangenen Gewinn kompensieren. Liegt diese Ausgangslage vor, ist der tatsächlich erzielte Gewinn auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen, sofern er in der Zeitspanne erzielt wurde, in der der schadensersatzpflichtige Vermieter einseitig am Vertrag festgehalten werden konnte. Allerdings sind die Gewinne, die auf einer überobligatorischen Bemühung des Mieters beruhen, nicht zu berücksichtigen.61 Ein zusätzliches Problem stellt die Zeitspanne dar, für die Schadensersatz zu leisten ist. So müssen Gewinne im Wege der Schadensschätzung nach § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO i. V. m. § 252 S. 2 BGB Berücksichtigung finden, die am Ende der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung durch die Weitervermietung etwaiger Ersatzobjekte oder durch ersatzweise vorgenommene Tätigkeiten noch nicht erzielt werden konnten, von denen aber anzunehmen ist, dass sie eben noch in die besagte Zeitspanne fallen werden. 2. Die Schadensminderungsobliegenheit des Mieters nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB Die Kehrseite eines tatsächlich erzielten Gewinnes stellt das Unterlassen einer gewinnbringenden Tätigkeit dar. Verletzt der Schadensersatzgläubiger schuldhaft seine Schadensminderungsobliegenheit (§ 254 Abs. 2 S. 1 BGB), 58  Dazu

bereits unter: 1. Kap. B. VI. 2. a). Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., 2019, III. Rn. 2856. 60  Dazu sogleich unter: 3. Kap. A. III. 2. 61  Statt aller: BeckOK/Lorenz, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 254 Rn. 27. 59  Bub/Treier/Kraemer,



A. Der abstrakte Mieterschaden als entgangener Gewinn253

droht ihm eine Anspruchskürzung.62 Im Einklang mit den bereits entwickelten Grundsätzen kann eine solche Wirkung jedoch nur dann eintreten, wenn die unterlassenen Geschäfte keinen zusätzlichen Gewinn generiert hätten. Entscheidend ist daher, ob die unterlassene Tätigkeit geeignet gewesen wäre, den Gewinnentgang zu verhindern.63 Der Mieter muss dann dieser Obliegenheit ausreichend Rechnung tragen, indem er zumutbare Maßnahmen unternimmt, um den Schaden möglichst gering zu halten.64 Im Falle einer gewerblichen Weitervermietung kann der Schadensersatzgläubiger somit dazu gehalten sein, sich ein entsprechendes Ersatzobjekt zu beschaffen, sofern dies nicht mit überobligatorischen Bemühungen verbunden ist. Dies gilt auch bei einem Gewerberaum, der nicht oder lediglich mangelhaft überlassen wurde und deswegen nicht zur Gewinnerzielung genutzt werden kann. Darüber hinaus kann vom Schadensersatzgläubiger erwartet werden, seine freigewordene Arbeitskraft in einem anderen, für ihn zumutbaren Beruf einzusetzen, um dadurch den Schaden für den Vermieter gering zu halten.65 Dem Merkmal der Zumutbarkeit kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Die Entwicklung allgemein gültiger Formeln ist angesichts der potenziellen Vielfältigkeit der in Frage kommenden Fälle nicht möglich. Es bedarf daher einer Einzelfallbetrachtung im Zuge derer Bildungsgrad, Alter und Berufserfahrung wichtige Indizien darstellen.66 Die Frage nach zu stellenden Anforderungen bildet jedoch nur einen Teilaspekt des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB ab. Des Weiteren gilt es, den Zeitpunkt zu ermitteln, ab dem die beschriebenen Anforderungen an den Schadensersatzgläubiger zu stellen sind. Je nach Fallkonstellation kommen der Verzugseintritt, die Entstehung des Schadensersatzanspruches statt der Leistung oder das Erlöschen der gesamten vertraglichen Leistungspflicht des Vermieters in Betracht. Wurde der Beginn des Mietverhältnisses kalendarisch terminiert, folgt aus der verspäteten Überlassung der Mietsache in der Regel nur ein Fall der Teilunmöglichkeit. Die Leistungspflicht des Vermieters besteht für die restli62  Ein solcher Ausschluss ist selbst bei einer Garantiehaftung des Vermieters möglich. Siehe dazu: BGH, 04.04.1977, VIII ZR 143/75, BGHZ 68, 281 (288); Soergel/ Heintzmann, BGB, 13. Aufl., 2007, § 536a Rn. 12. 63  So zum Kaufvertrag: Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 135. 64  MünchKomm/Oetker, BGB, 9.  Aufl., 2022, § 254 Rn. 77; BeckOK/Lorenz, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 254 Rn. 32. 65  BGH, 09.10.1990, VI ZR 291/89, NJW 1991, 1412 (1413); BGH, 28.02.1996, XII ZR 186/94, NJW-RR 1996, 1077 (1079). 66  Lange/Schiemann/Lange, Schadensersatz, 3. Aufl., 2003, § 10 X 3, S. 580; Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 254 Rn. 83; MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 254 Rn. 85.

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3. Kap.: Der abstrakt berechnete Mieterschaden

che Vertragsdauer hingegen fort. Besteht lediglich ein Fall des Verzuges, bleibt sogar die gesamte Leistungspflicht unberührt.67 Könnte der Mieter die Leistungspflicht des Vermieters nun nicht einseitig ausschließen, wäre es in den meisten Fällen unklar, wann und ob der Vermieter seiner vertraglichen Leistungspflicht noch nachkommen wird. Dem Schadensersatzgläubiger obliegt somit erst dann die Anmietung einer Ersatzsache nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB, wenn er einseitig die Leistungspflicht des Vermieters vollständig zum Erlöschen bringen könnte, um in der Folge Schadensersatz für die gesamte (restliche) Mietzeit zu beanspruchen. Dafür spricht, dass der Mieter sich ab diesem Moment Klarheit über das Schicksal der vermieterischen Leistungspflicht verschaffen kann, da es jetzt in seiner Hand liegt, ob die vertragliche Überlassungspflicht weiterbestehen oder erlöschen soll. Dies verbessert die Planungssicherheit des Gläubigers und gibt ihm die Möglichkeit, seine Ressourcen neu zu verteilen. Aufgrund dieser Disparität ist er nicht nur im Bereich des Kaufvertrages, sondern auch bei einem Mieterverhältnis angehalten, die Interessen des Vermieters an einem möglichst geringen Schadensersatz in den Blick zu nehmen.68 Nimmt der Mieter sodann eine Ersatzanmietung vor, kann er das synallagmatische Verhältnis mit dem Schadensersatzschuldner auflösen, sodass die Ersatzsache tatsächlich an die Stelle der ausgebliebenen Leistung treten kann. Da es für den Mieter jedoch nicht immer eindeutig sein wird, ab wann er die Leistungspflicht des Vermieters zum Erlöschen bringen kann, ist dieser Umstand im Rahmen der Sorgfaltsanforderungen schadensmindernd zu berücksichtigen. Auch die Vornahme sonstiger angemessener beruflicher Tätigkeiten obliegt dem Mieter erst ab dem Moment, an dem er die Leistungspflicht des Vermieters endgültig zum Erlöschen bringen könnte. Bis zu diesem Zeitpunkt kann er sich keine Planungssicherheit verschaffen und daher auch nicht ohne weiteres frei über seine Arbeitskapazitäten verfügen. Des Weiteren muss auch die Mietdauer besondere Berücksichtigung finden. Wurde der Mietvertrag beispielsweise für eine Dauer von fünf Jahren geschlossen und findet der Schadensersatzprozess innerhalb dieses Zeitraumes statt, werden sich schuldhafte Verstöße in Bezug auf die Schadensminderungsobliegenheit nur für die bereits vergangene Zeit feststellen lassen. Das zukünftige Mieterverhalten für die (hypothetisch) noch verbleibende Mietzeit wird sich hingegen nicht mit Sicherheit prognostizieren lassen. Dieser Ausgangslage kann aber mit folgender Überlegung begegnet werden:

67  Siehe nur: Bub/Treier/Kraemer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., 2019, III. Rn. 2829, 2832. 68  Zur Entstehung der Schadensminderungsobliegenheit des Käufers bereits unter: 1. Kap. B. VI. 2. b).



A. Der abstrakte Mieterschaden als entgangener Gewinn255

Sowohl der erzielte Gewinn, der durch eine Ersatzanmietung oder sonstige berufliche Tätigkeiten erwirtschaftet wird, als auch ein schuldhaftes Unterlassen, führen zur Schmälerung des Schadensersatzanspruches. Es bedarf daher eines Blickes auf die Marktlage und die Möglichkeit des Mieters, sich zukünftig entsprechende Ersatzobjekte anmieten zu können. Bezüglich einer entsprechenden beruflichen Ersatztätigkeit muss anhand der Arbeitsmarktlage und der bereits angeführten Zumutbarkeitsindizien geschätzt werden, welche Tätigkeiten typischerweise für den Mieter in Betracht kommen würden, wobei der vorherige berufliche Werdegang besonders zu berücksichtigen ist. Diese Schätzungen werden dabei häufig nicht vollständig frei von möglichen Fehleinschätzungen sein, jedoch können Unsicherheiten auch in diesem Fall durch einen möglichen Abschlag in der Schadensschätzung berücksichtigt werden.69 Wird es dem Mieter nach der zu erwartenden Marktentwicklung problemlos möglich sein, sich ein vergleichbares Mietobjekt mit zumutbarem Aufwand zu sichern oder wird alternativ die Ausübung einer bestimmten beruflichen Tätigkeit zu erwarten sein, so muss diese Prognose in der Schadensschätzung nach § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO i. V. m. § 252 S. 2 BGB berücksichtigt werden. Des Weiteren droht eine Anspruchskürzung, wenn der Mieter den Schaden mitverursacht hat (§ 254 Abs. 1 BGB). Davon ist beispielsweise dann auszugehen, wenn Reparaturtermine vom Mieter nicht eingehalten worden sind.70 Die Darlegungs- und Beweislast in Bezug auf die Auswirkungen eines tatsächlich vorgenommenen Geschäftes verläuft im Wesentlichen parallel zum unterlassenen Geschäft. In beiden Fällen muss der Vermieter darlegen und ggf. beweisen, dass die in Rede stehende Ersatzanmietung oder die ersatzweise berufliche Tätigkeit, sei sie vorgenommen oder unterlassen worden, an die Stelle der nicht ordnungsgemäß überlassenen Mietsache getreten ist beziehungsweise wäre.71 Ob dies tatsächlich der Fall ist, wird sich für den Schadensersatzgläubiger regelmäßig kaum feststellen lassen, da er keinen Einblick in die unternehmerischen Vorhaben des Mieters haben wird. Deswegen müssen die bereits zum Kaufvertrag entwickelten Grundsätze auch im Bereich des Mietverhältnisses Anwendung finden.72 Den Mieter trifft folglich eine sekundäre Darlegungslast, dass er den Gewinn durch die Weitervermietung des neu angemieteten Objektes sowieso und losgelöst von der ausge69  BGH, 17.02.1998, VI ZR 342/96, NJW 1998, 1633 (1634); BGH, 06.02.2001, VI ZR 339/99, NJW 2001, 1640 (1641). 70  Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 536a Rn. 96. 71  Zu den allgemeinen beweisrechtlichen Regeln: BGH, 13.11.1998, V ZR 386/97, NJW 1999, 352 (353); Rosenberg, Die Beweislast, 5. Aufl., 1965, S. 98; MünchKomm/Prütting, ZPO, 6. Aufl., 2020, § 286 Rn. 114; Methner/Mikosch, DAR 2019, 379 (380). 72  Dazu bereits unter: 1. Kap. B. VI. 2. a).

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3. Kap.: Der abstrakt berechnete Mieterschaden

bliebenen Erfüllung des schadensersatzpflichtigen Vermieters erzielt hätte. Dies gilt auch für die Einnahmen, die der Mieter aus anderen beruflichen Quellen erwirtschaftet hat. Er muss dann in substantiierter Weise darlegen, dass er diesen Tätigkeiten auch dann in diesem Umfang nachgekommen wäre, wenn der Gewerberaum ordnungsgemäß an ihn überlassen worden wäre. Andenfalls drohen die materiellen Grundsätze auf prozessualem Wege ausgehebelt zu werden, sodass die Gefahr einer Überkompensation des Mieters entsteht. Des Weiteren wird der Mieter darlegen müssen, welche Anstrengungen er unternommen hat, um den Schaden für den Vermieter gering zu halten.

IV. Zusammenfassung der Ergebnisse Auch der Mieter kann seinen entgangenen Gewinn konkret-typisierend nach § 252 S. 2 Alt. 1 BGB berechnen. Dabei kommen zwei Ausgangslagen in Betracht: Zum einen der entgangene Gewinn, der ihm aufgrund einer unterbliebenen Weitervermietung entgeht, und zum anderen ausgebliebene Einnahmen, die unter Nutzung der Mietsache im Rahmen einer gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit erwirtschaftet worden wären. Der gewöhnliche Verlauf der Dinge basiert im ersten Fall auf der gewerblichen Tätigkeit des Mieters und dem Umstand, dass es sich bei dem Mietobjekt um eine Sache handelt, die nach Art ihrer Beschaffenheit typischerweise Gegenstand von Mietverträgen ist. Zudem muss sich für das Mietobjekt ein – auf einer gefestigten Datenlage ermittelter – Mietzins ermitteln lassen. Die zweite Fallgruppe setzt neben der Unternehmereigenschaft des Mieters nur den Nachweis voraus, dass es sich bei dem Mietobjekt um eine Sache handelt, die die Grundlage einer gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit darstellt. Das wichtigste Beispiel dafür stellt der Gewerberaum dar. Für die Schadensschätzung dürfen dabei keine zu hohen Anforderungen gestellt werden, jedoch müssen greifbare Tatsachen wie etwa der vergangene Gewinn vorliegen, damit eine Schätzung nicht gänzlich „aus der Luft gegriffen“ ist. Maßgeblich für die Schadenshöhe ist der Zeitraum, für den der entgangene Gewinn geltend gemacht werden soll. Dabei kommt für den Mieter Schadensersatz für eine zeitweilige Nichtüberlassung beziehungsweise nicht vertragsgemäße Überlassung der Mietsache oder sogar für die gesamte (rest­ liche) Vertragsdauer in Betracht. Entgehen dem Hauptmieter Untermieteinnahmen sind diese an dem Ort zu bestimmen, an dem er das Mietobjekt weitervermietet hätte. Wird der Schadensersatzgläubiger in Folge eines nicht oder nicht vertragsgemäß überlassenen Gewerberaumes daran gehindert, seiner gewerblichen beziehungsweise freiberuflichen Tätigkeit nachzugehen, ist der damit verbundene Verdienstausfall am Standort des Gewerberaumes zu



B. Abstrakter Mieterschaden als nicht zugeflossener Vertragswert257

bestimmen. Lassen sich an diesen Orten die entsprechenden Werte nicht ermitteln, ist auf den nächstgelegenen Ort abzustellen, der die für die Schadensberechnung notwendigen Anforderungen erfüllt. Tatsächlich erzielte oder schuldhaft unterlassene Gewinneinnahmen können sich schadensmindernd auswirken. Ist zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht abzusehen, ob diese gewinnmindernden Aspekte in der Zeit, für die der Vermieter zum Schadensersatz verpflichtet wäre, zum Tragen kommen, ist anhand der Umstände des Einzelfalles abzuwägen, ob der Mieter sich ein entsprechendes Ersatzmietobjekt beschaffen könnte oder ob er den Schaden aufgrund seiner nun freigewordenen Arbeitskraftkapazitäten anderweitig gering halten könnte. Das Ergebnis dieser Prognose muss sich dann in der Schadensschätzung niederschlagen.

B. Der abstrakt berechnete Mieterschaden als nicht zugeflossener Vertragswert In vielen Fällen wird dem Mieter, dem das Mietobjekt nicht oder nicht vertragsgemäß überlassen wurde, überhaupt kein Gewinn entgehen, da die Mietsache zu privaten Zwecken verwendet werden sollte. Dennoch verkörpert das Mietobjekt für den Mieter einen Vermögenswert, der ihm entgehen kann. Zur Veranschaulichung der Ausgangslage soll folgender Einstiegsfall dienen: M mietet eine 100 Quadratmeter große Wohnung von V, die M mit seiner Familie beziehen möchte. Die Parteien vereinbaren, dass das Mietverhältnis am 01.05. beginnen soll. An dem besagten Datum verweigert V ernsthaft und endgültig die Überlassung der Wohnung. Der ortsübliche Nettokaltmietpreis73 beträgt dabei 12,– Euro pro Quadratmeter. Der Quadratmeterpreis für die nicht überlassene Wohnung lag bei 10,– Euro. Anstatt jedoch eine Ersatzwohnung anzumieten, kommt die Familie des M vorläufig in einer leerstehenden 70 Quadratmeter Wohnung unter, die den Eltern des M gehört und in der sie für ein geringes monatliches Entgelt wohnen können. M verlangt Schadensersatz aufgrund der ausgebliebenen Überlassung der Wohnung.

Zur Lösung dieses Falles sind die bereits bekannten Problemkreise zu erforschen: Aus welcher schadensrechtlichen Grundlage entspringt ein potenzieller Schadensersatzanspruch? Auf welche Weise lässt sich seine Höhe bestimmen und welche einschränkenden Faktoren sind zu berücksichtigen? Diese Aspekte sollen nun im Einzelnen erforscht werden. 73  Darunter ist der Betrag zu verstehen, der dem Vermieter nur für die Überlassung der Wohnung gezahlt wird. Es sind hierbei keinerlei Nebenkosten enthalten. Siehe dazu: BeckOGK/Drager, BGB, 01.07.2021, § 556 Rn. 16; Rössler/Troll/Eisele, BewG, Werkstand: 34. EL Januar 2022, § 254 Rn. 7.

258

3. Kap.: Der abstrakt berechnete Mieterschaden

I. Die schadensrechtliche Grundlage Bei der Analyse der schadensrechtlichen Grundlage ist zunächst der Frage nachzugehen, ob überhaupt ein Vermögensschaden vorliegt. Die Bedeutung dieses Aspektes kommt in § 253 Abs. 1 BGB zum Ausdruck. Dort ist festgelegt, dass ein immaterieller Schaden nur in gesetzlich vorgeschriebenen Fällen ersetzt werden kann. In der Folge steht und fällt im obigen Beispiel der Schadensersatzanspruch des Mieters mit der Vermögensschadensqualität. Doch lässt sich ein solcher Schaden tatsächlich annehmen, wenn keine konkreten Vermögensopfer aufseiten des Mieters vorliegen? 1. Die Grundlage im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung Dabei fällt der Blick auf die vielbeachteten und kontrovers diskutierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes zur schadensrechtlichen Charakterisierung abstrakter Nutzungsmöglichkeiten.74 Bereits in den 1960er Jahren entschieden der III. und der VI. Zivilsenat, dass im Rahmen von Kfz-Unfällen auch dann ein ersatzfähiger Schaden vorläge, wenn der Anspruchsgläubiger keinen Ersatzwagen anmietet.75 Diese Entscheidungen stellten den „Startschuss“ für eine Reihe weiterer Entscheidungen auf dem Gebiet der abstrakten Nutzungsmöglichkeiten dar.76 Dabei wurde der für den Schadensersatz notwendige Vermögensschaden zum Teil auf den sogenannten „Kommerzialisierungsgedanken“ gestützt,77 der besagt, dass bei Gütern, die durch Vermögensaufwendungen „erkauft“ zu werden pflegen, ein Vermögensschaden 74  Mit umfassenden Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur: BGH, 09.07.1986, GSZ 1/86, BGHZ 98, 212 (213–216); MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 249 Rn. 60–82. 75  BGH, 30.09.1963, III ZR 137/62, BGHZ 40, 345; BGH, 15.04.1966, VI ZR 271/64, BGHZ 45, 212. 76  Den Nutzungsersatz bejahend (exemplarisch): BGH, 14.06.1967, VIII ZR 268/64, NJW 1967, 1803: „Haus“; BGH, 24.01.2013, III ZR 98/12, BGHZ 196, 101 Rn. 9: „Internetzugang“; BGH, 23.01.2018, VI ZR 57/17, BGHZ 217, 218 Rn. 7 f.: „Kfz“; KG, 16.07.1993, 18 U 1276/92, NJW 1993, 1438: „Fahrrad“; den Nutzungsersatz verneinend (exemplarisch): BGH, 12.02.1975, VIII ZR 131/73, BGHZ 63, 393 (398): „Pelzmantel“; BGH, 05.03.1993, V ZR 87/91, NJW 1993, 1793 (1794); BGH, 10.06. 2008, VI ZR 248/07, NJW-RR 2008, 1198 Rn. 7; mit vielen weiteren Beispielen: MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 249 Rn. 62 f. 77  Grundlegend zum Kommerzialisierungsgedanken: BGH, 07.05.1956, III ZR 243/54, NJW 1956, 1234 (1235): „Seereise“; zum Kommerzialisierungsgedanken i. R. d. Nutzungsersatzes: BGH, 30.09.1963, III ZR 137/62, BGHZ 40, 345 (349 f.): „Kfz-Unfall“; BGH, 12.02.1975, VIII ZR 131/73, BGHZ 63, 393 (397); „Pelzmantel“; BGH, 28.02.1980, VII ZR 183/79, BGHZ 76, 179 (184 f.): „Schwimmbad“.



B. Abstrakter Mieterschaden als nicht zugeflossener Vertragswert259

zu bejahen ist, wenn dieser dem Anspruchsgläubiger gänzlich oder teilweise entzogen werden.78 Um einer Entgrenzung vorzubeugen, sollte ein Vermögensschaden allerdings nur dann bejaht werden, wenn die Verkehrsanschauung dem „erkauften“ Gut einen eigenständigen Vermögenswert zumisst.79 Allerdings herrschte schon bald zwischen den einzelnen Senaten des Bundesgerichtshofes Uneinigkeit darüber, an welche Voraussetzungen ein solcher abstrakter Nutzungsersatz im Einzelnen zu knüpfen sei,80 sodass die Anrufung des Großen Zivilsenates die einzig logische Konsequenz war, um einen juristischen „Flickenteppich“ zu verhindern. Der Große Senat zeigte sich durchaus gewillt, einen Nutzungsersatz auch dann zu gewähren, wenn eine konkrete Vermögensminderung, beispielsweise in Form einer Ersatzanmietung, ausblieb. Voraussetzung für einen entsprechenden Vermögensschaden sei aber, dass es sich um ein Wirtschaftsgut handele, das für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung von zentraler Bedeutung sei und dessen (teilweiser) Entzug für den Schadensersatzgläubiger spürbare Einschränkungen in der eigenen Wirtschaftsführung mit sich bringe, da er auf die ständige Verfügbarkeit typischerweise angewiesen sei. Die Sache wäre demnach vom Geschädigten entsprechend genutzt worden.81 Doch kann der Ansatz des Großen Senates auch im oben beschriebenen Mietfall überzeugen? Überträgt man die vom Großen Zivilsenat aufgestellten Voraussetzungen auf das dargestellte Wohnraumbeispiel, kommt man nicht umhin, die einzelnen Voraussetzungen als erfüllt anzusehen. Die gemietete Wohnung stellt ein zentrales Gut dar, das für die eigenwirtschaftliche Lebensführung unabdingbar ist, da diese mit der Familie tatsächlich bewohnt werden soll und ihr daher zentrale Bedeutung zukommt. Auch ist der Mieter auf die ständige Verfügbarkeit angewiesen, sodass ein Entzug für ihn defini78  BGH,

28.02.1980, VII ZR 183/79, BGHZ 76, 179 (185). 28.02.1980, VII ZR 183/79, BGHZ 76, 179 (185); BGH, 15.12.1982, VIII ZR 315/80, BGHZ 86, 128 (131). 80  Sehr kritisch zum Kommerzialisierungsgedanken und dem Korrektiv der Verkehrsanschauung: BGH, 22.11.1985, V ZR 237/84, NJW 1986, 2037 (2040); ebenfalls skeptisch zur Kommerzialisierung als Abgrenzungsfaktor für Vermögens- und Nichtvermögensschäden: BGH, 30.11.1979, V ZR 214/77, BGHZ 75, 366 (373); BGH, 15.12.1982, VIII ZR 315/80, BGHZ 86, 128 (132); Hagen, JZ 1983, 833 (836); befürwortend hingegen: Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 253 Rn. 15. 81  BGH, 09.07.1986, GSZ 1/86, BGHZ 98, 212 (216 f.). Diesen Voraussetzungen wurden auch in den darauffolgenden Jahren maßgebliche Bedeutung in der Rechtsprechung zugemessen. Vgl. exemplarisch: BGH, 05.03.1993, V ZR 87/91, NJW 1993, 1793 (1794): „Garage“; BGH, 24.01.2013, III ZR 98/12, BGHZ 196, 101 Rn. 9: „Internetzugang“; BGH, 23.01.2018, VI ZR 57/17, BGHZ 217, 218 Rn. 7 f.: „Kfz“; KG, 16.07.1993, 18 U 1276/92, NJW 1993, 1438: „Fahrrad“; umfassend zur Entwicklung der Rechtsprechung im Bereich des abstrakten Nutzungsersatzes: Zwirlein, JuS 2013, 487 (488 f.); Pauly, MDR 2014, 873 (874–876). 79  BGH,

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3. Kap.: Der abstrakt berechnete Mieterschaden

tiv spürbar wäre. Allerdings stellt sich diese Schlussfolgerung bei genauerer Betrachtung als trügerisch heraus: Die vom Großen Senat entwickelten Grundsätze sowie die überwiegende Zahl der vorangegangenen Entscheidungen der einzelnen Senate gehen in ihrer Argumentation von der Prämisse aus, dass der Schadensersatzgläubiger Eigentümer eines Wirtschaftsgutes ist, das ihm aufgrund einer deliktischen Handlung entzogen wird.82 Die Möglichkeit, einen ersatzfähigen Schaden anhand der Differenzhypothese abzuleiten, wurde – soweit zumindest ersichtlich – von den einzelnen Senaten des Bundesgerichtshofes kaum diskutiert.83 Es scheint, als ginge man davon aus, dass nach Wiederherstellung des Substanzwertes keine ersatzfähige Differenz verbliebe, die einen Vermögensschaden begründen könnte.84 Bestrebt, eine interessengerechte Lösung zu finden, sah die Rechtsprechung keine andere Möglichkeit, als den Schadensbegriff durch einen regelrechten „Drahtseilakt“ zu erweitern, indem der abstrakten Nutzungsmöglichkeit des (zukünftigen) Eigentümers unter den oben genannten Voraussetzungen ein eigener Vermögenswert und damit Vermögensschadensqualität zugesprochen wurde.85 Es bleibt allerdings fraglich, ob ein solches Gedankenkonstrukt tatsächlich nötig ist, um einen Vermögensschaden annehmen zu können. Der Mieter, dem das Mietobjekt nicht respektive, nicht vertragsgemäß überlassen wurde, leitet seinen Schadensersatzanspruch nicht aus einer deliktischen Handlung eines Dritten ab, sondern aufgrund eines vertraglichen Anspruches auf ordnungsgemäße Überlassung. Ist der Mieter aufgrund der vermieterischen Pflichtverletzung berechtigt, Schadensersatz statt der Leistung für eine vorübergehende Zeitspanne oder sogar für die komplette (restliche) Vertragsdauer zu fordern, verlangt er, so gestellt zu werden, wie er bei einer ordnungsge-

82  Anders bei: BGH, 14.05.1976, V ZR 157/74, NJW 1630: Verzögerte Gebrauchsüberlassung eines Wohnhauses wegen verspäteter Fertigstellung; BGH, 28.02.1980, VII ZR 183/79, NJW 1980, 1386: „Schwimmbad“; BGH, 16.09.1987, IVb ZR 27/86, BGHZ 101, 325: Vorenthaltung eines gemieteten Ferienhauses; BGH, 20.02.2014, VII ZR 172/13, BGHZ 200, 203: Verzug des Bauträgers und daraus folgende verzögerte Überlassung der herzustellenden Eigentumswohnung. 83  Zumindest angeschnitten bei: BGH, 30.09.1963, III ZR 137/62, BGHZ 40, 345 (348); BGH, 15.04.1966, VI ZR 271/64, BGHZ 45, 212 (218). 84  Abgesehen von einem merkantilen Minderwert. 85  So ausdrücklich: BGH, 09.07.1986, GSZ 1/86, BGHZ 98, 212 (220), der von „unbefriedigenden Ergebnissen“ spricht. Hier zeige sich nach Ansicht mancher Autoren ein Schwachpunkt der Differenzhypothese, die nur dauerhafte Vermögensänderungen erfassen könne. Siehe dazu: Ott/Schäfer, ZIP 1986, 613 (623): „Der ‚Blinde Fleck‘ der Differenzhypothese“; Steffen, NJW 1995, 2057 (2058): „Schwarze Löcher“; zur Schließung dieser „Lücken“ i. R. d. Kaufvertrages: Bitter, AcP 205 (2015), 743 (777 f.).



B. Abstrakter Mieterschaden als nicht zugeflossener Vertragswert261

mäßen Erfüllung durch den Vermieter stünde.86 Der Schadensersatz statt der Leistung soll dabei als Vertragserfüllungssurrogat fungieren und somit das Gläubigerinteresse an der vertraglichen Leistung durch eine Geldzahlung ersetzen.87 Der Anspruch des Mieters auf ordnungsgemäße Erfüllung ist daher in Geld umzurechnen.88 Übersteigt der Wert des Anspruches auf ordnungsgemäße Überlassung den vereinbarten Mietzins, würde sich das Vermögen des Mieters eben um diese Differenz erweitern.89 Diese Überlegung ist der gedankliche Schlüssel für einen Vermögensschaden nach der Differenzhypothese: Aufgrund des Mietvertrages wird dem Mieter ein bestimmtes Objekt vorübergehend zum Gebrauch überlassen. Der damit verbundenen privaten oder wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeit kommt ein monetärer Wert zu, den der Mieter durch die Zahlung eines Mietzinses aufwiegt. Ob der zu entrichtende Mietzins für den Mieter „teuer“ oder „günstig“ ist, beurteilt sich an dem Wert der Gebrauchsüberlassung am Markt. Liegt der durchschnittliche Mietzins für vergleichbare Objekte über dem vereinbarten Mietpreis, ist das Geschäft für den Mieter positiv, und im umgekehrten Fall als negativ zu bewerten. Fließt nun der durch die Gebrauchsüberlassung verkörperte Vertragswert dem Mieter nicht zu, kann sich aus der Differenz zwischen Anspruchswert und Mietpreis ein Vermögensschaden ergeben, wenn der Vertrag für den Mieter „günstig“ war. Ein Vermögensschaden setzt dabei gerade keine Vermögensminderung voraus, sondern kann – wie im Zuge des Kaufvertrages bereits gezeigt90 – auch in einem entgangenen Vermögenszuwachs liegen. Der entgangene Vertragswert ist daher genauso zu ersetzen wie die Folgen einer etwaigen deliktischen Schädigung. Hintergrund ist der endgültig nicht nachholbare, ausgebliebene Vertragswert, der mit der Überlassung der Mietsache einhergegangen wäre. Dieser aus dem Mietvertrag entspringende Wertzufluss ist im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung endgültig verloren und wird auch nicht durch die anschließende Gebrauchsüberlassung behoben. Insofern dürfen 86  Zum Ersatz des positiven Interesses bei Mangelhaftigkeit des Mietobjekts: BeckOGK/Bieder, BGB, Stand: 01.07.2022, § 536a Rn. 22; BeckOK/Wiederhold, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 536a Rn. 25. Es spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, ob der Schadensersatzanspruch auf §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB, auf §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB oder auf § 536a Abs. 1 BGB beruht. Der Begriff „Schadensersatz“ in § 536a Abs. 1 BGB erfasst auch den Schadensersatz statt der Leistung. Siehe dazu: Emmerich, in: FS für Blank zum 65. Geburtstag, 2006, 145 (147); Staudinger/V.Emmerich, BGB, 2021, § 536a Rn. 17. 87  Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 109; Huber, AcP 210 (2010), 319 (335); Flume, AcP 215 (2015), 282 (284). 88  Flume, AcP 215 (2015), 282 (284). 89  Vgl. bereits die Ausführung bei: 1. Kap. D. I. 2. b). 90  Dazu aufseiten des Käufers bereits unter: 1. Kap. D. I. 2. b).

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3. Kap.: Der abstrakt berechnete Mieterschaden

Kauf- und Mietvertrag nicht unterschiedlich behandelt werden. In beiden Fällen handelt es sich um synallagmatische Verträge, bei denen Leistung und Gegenleistung in einem Äquivalenzverhältnis zueinanderstehen. Die Tatsache, dass der Mietvertrag als Dauerschuldverhältnis zu klassifizieren ist, stellt keinen hinreichenden Abgrenzungsgrund dar. Dieser Umstand ist lediglich im Bereich der Berechnungsparameter zu berücksichtigen. Die Vorstellung, dass einer vertraglich eingeräumten Gebrauchsüberlassung ein vermögensrechtlicher Charakter zukommt, ist dabei keinesfalls neu. So wurde bereits mehrfach im Schrifttum91 und sogar vom Bundesgerichtshof92 selbst die Auffassung vertreten, dass ein Nutzungsrecht vom Eigentum „abgespalten“ werden könnte und diesem daher eine eigenständige Vermögensqualität zukäme, sofern dieses Recht auf einem vertraglichen Anspruch beruhe. In allen übrigen Fällen käme eine derartige Trennung nicht in Betracht, da das Nutzungsrecht des Eigentümers zeitlich unbegrenzt und somit jederzeit nachholbar sei.93 Stellt man daher auf den für die Differenzhypothese obligatorischen Gesamtvermögensvergleich ab, lässt sich anhand des nicht zugeflossenen Vertragswertes eine vermögensrechtliche Divergenz feststellen.94 2. Die Grundlage im Rahmen des Verzugsschadens Ein anderes Bild ergibt sich hingegen bei einem bloßen Leistungsverzug, der keinen Schadensersatz statt der Leistung, sondern nur einen Anspruch nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB begründet. In diesem Fall lassen sich 91  Larenz, in: FS für Nipperdey, Band I, 1965, 498 (500, 502); Küppers, Verdorbene Genüsse und vereitelte Aufwendungen im Schadensersatzrecht, 1976, S. 102 f.; Ströfer, Schadensersatz und Kommerzialisierung, 1982, S. 70; im Umkehrschluss auch: Esser/Schmidt, Schuldrecht, Band I, Allgemeiner Teil, Teilband 2, 8. Aufl., 2000, S. 192 f.: „Wer […] eine Kompensation für Nutzungsentgang gewähren will, muß auch jenseits terminlich definitiv fixierter Überlassungsabsprachen eine generelle Zeitgebundenheit von Nutzungen unterstellen, die schon ökonomisch kaum haltbar sein dürfte […].“ 92  BGH, 16.09.1987, IVb ZR 27/86, BGHZ 101, 325 (332). 93  Löwe, VersR 1963, 307 (309); Larenz, VersR 1963, 312; ders., in: FS für Nipperdey, Band I, 1965, 498 (499, 502); Bötticher, VersR 1966, S. 301 (311); Tolk, Der Frustrationsgedanke und die Kommerzialisierung immaterieller Schäden, 1975, S. 95, der Bezug auf die Argumente Löwes und Larenz’ nimmt; Esser/Schmidt, Schuldrecht, Band I, Allgemeiner Teil, Teilband 2, 8. Aufl., 2000, S. 192. Die Anzahl der kritischen Stimmen flachte jedoch mit der Stellungnahme des Großen Zivilsenates deutlich ab. So wurde nur noch vereinzelt grundsätzliche Kritik laut. Siehe dazu: Bitter, AcP 205 (2005), 743 (769 ff.), der die Einschränkung des Nutzungsersatzes durch den BGH für verfehlt hält. 94  Zur Ermittlung der Schadenshöhe sogleich unter: 3. Kap. B. II.



B. Abstrakter Mieterschaden als nicht zugeflossener Vertragswert263

die zuvor aufgestellten Überlegungen bezüglich des nicht zugeflossenen Vertragswertes nicht ohne weiteres übertragen, da der Anspruch auf Überlassung tatsächlich noch besteht und auch – wenngleich verspätet – erfüllt wird. Möglicherweise ließe sich auf die bereits für den Schadensersatz statt der Leistung entwickelte Argumentation zurückgreifen. Allerdings basieren die obigen Ausführungen auf der Annahme, dass dem Mieter der Vertragswert nicht mehr vollständig zufließen kann, da die verlorene Mietzeit nicht mehr nachholbar ist.95 Im Falle des Verzuges ist dies jedoch gerade nicht der Fall. Daher ist dieser Erklärungsansatz nicht auf den Verzugsschaden übertragbar.96 Doch schlägt deshalb hier nun wirklich die Stunde des Großen Zivilsenates? Der aus Sicht des Bundesgerichtshofes ausschließlich von Gerechtigkeitserwägungen getragene Nutzungsersatz97 ist auf den ersten Blick nicht auf den Verzug im Bereich des Mietrechtes übertragbar, da der Anspruchsgläubiger weder (zukünftiger) Eigentümer ist, noch das Wirtschaftsgut durch eine deliktische Handlung entzogen wurde. Jedoch wäre es insoweit aufseiten der Rechtsprechung inkonsequent, die entwickelten Grundsätze nicht auch grundsätzlich98 auf vertragliche Beziehungen auszuweiten.99 Erkennt man die vom Großen Senat aufgestellten Anforderungen im Wesentlichen an, ist eine Übertragung auf den vertraglichen Verzug nur eine logische Schlussfolgerung, denn es macht für den Mieter keinerlei Unterschied, ob ihm ein zentrales Wirtschaftsgut aufgrund einer deliktischen Handlung entzogen wurde oder ob er das Mietobjekt aufgrund einer verzögerten Überlassung entbehren muss. Um mit den Worten des Großen Zivilsenates zu sprechen: In beiden Fällen erleidet er einen „fühlbaren“ Schaden, wenn er die Sache tatsächlich nutzen wollte und es sich um ein zentrales Wirtschaftsgut handelt.100 95  Vgl. dazu auch: BGH, 16.09.1987, IVb ZR 27/86, BGHZ 101, 325; Larenz, in: FS für Nipperdey, Band I, 1965, 498 (500–502); im Erg. auch: Küppers, Verdorbene Genüsse und vereitelte Aufwendungen im Schadensersatzrecht, 1976, S. 109, der die zeitliche Begrenzung der Nutzungsmöglichkeit besonders betont. 96  So wohl auch schon: Esser/Schmidt, Schuldrecht, Band I, Allgemeiner Teil, Teilband 2, 8. Aufl., 2000, S. 193. 97  Vgl. BGH, 09.07.1986, GSZ 1/86, BGHZ 98, 212 (220): „unbefriedigende […] Ergebnisse […]“. 98  Vgl. Geigel/Knerr, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., 2011, S. 98 Rn. 100, der eine Übertragung vom Zweck des jeweiligen Haftungsgrundes abhängig machen will; dem zustimmend: MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 249 Rn. 82. 99  Dies bereits bejahend: BGH, 21.02.1992, V ZR 268/90, BGHZ 117, 260 (262): Mangelbedingte Unbenutzbarkeit einer Eigentumswohnung; BGH, 20.02.2014, VII ZR 172/13, BGHZ 200, 203 Rn. 12 m. w. N.: Verzug bei Fertigstellung einer Eigentumswohnung; Flessner, JZ 1987, 271 (281); Schiemann, JuS 1988, 20 (25); Medicus, NJW 1989, 1889 (1894), der im „Regelfall“ eine Anwendbarkeit auf vertragliche Beziehungen fordert; MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 249 Rn. 82. 100  BGH, 09.07.1986, GSZ 1/86, BGHZ 98, 212 (213).

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3. Kap.: Der abstrakt berechnete Mieterschaden

Eines Rückgriffes auf diese von der Rechtsprechung befürwortete Ausdehnung des Schadensbegriffes bedarf es allerdings im Bereich des hier in Rede stehenden mietvertraglichen Verzugsschadens nicht, wenn bereits die Differenzhypothese selbst eine taugliche Grundlage zur Schadensfeststellung darstellt. Dafür müsste der aus dem Mietvertrag abgeleiteten Gebrauchsüberlassung Vermögensqualität zukommen, die dem Vermögen des Mieters vorenthalten wird. Zunächst muss die Vorstellung, dass die Differenzhypothese in der vorliegenden Verzugskonstellation versagt, beiseite geräumt werden. Die „blinde[n] Flecke[n]“101 und die „schwarzen Löcher“,102 die angeblich im Rahmen des Vermögensvergleiches bestünden, sind – wie bereits von Grunsky103 und Bitter104 in zutreffender Weise festgestellt wurde – Ergebnis des falschen Zeitpunktes, der für den Gesamtvermögensvergleich angesetzt wird. So erachtet der Bundesgerichtshof offensichtlich den Moment, in welchem der Gläubiger die Sache wieder in Händen hält, oder den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung als ausschlaggebend.105 Dies hat für den Mieter zur Folge, dass sich keine ersatzfähige Differenz feststellen lässt, wenn ihm die Sache schließlich doch noch überlassen wird, da die Mietzeit noch nicht begonnen hat und daher vollständig nachgeholt werden kann. Aus diesem zeitlichen Faktor entspringt die vom Bundesgerichtshof praktizierte Gratwanderung des „fühlbaren“ Schadens. Wird hingegen der Moment des Verzugseintrittes fixiert, entbehrt das Vermögen des Mieters die mietvertraglich eingeräumte Nutzungsmöglichkeit.106 Eine Verschiebung des maßgeblichen Zeitpunktes ist dabei keineswegs unüblich. So kommt es bei der unwiederbringlichen Zerstörung einer Sache für den Vermögensvergleich auf den Zeitpunkt an, in dem die Leistung nach § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen wird.107 Dass dieser Zeitpunkt bei der ZIP 1986, 613 (623). NJW 1995, 2057 (2058). 103  Grunsky, Aktuelle Probleme zum Begriff des Vermögensschadens, 1968, S. 28–30. 104  Bitter, AcP 205 (2005), 743 (771–773). 105  So wohl auch: BGH, 09.07.1986, GSZ 1/86, BGHZ 98, 212 (217 f.); BGH, 30.11.1979, V ZR 214/77, BGHZ 75, 366 (371). Nach der Ansicht Mommsens, der gemeinhin als Begründer der Differenzhypothese gilt, sollte auch der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ausschlagend für den Vermögensvergleich sein. Siehe dazu: Mommsen, Beträge zum Obligationenrecht, Zweite Abteilung, 1855, S. 3; vgl. ferner auch: Bitter, AcP 205 (2015), 743 (772). 106  Vgl. Grunsky, Aktuelle Probleme zum Begriff des Vermögensschadens, 1968, S. 28, der ebenfalls für eine Verlagerung des Zeitpunktes i. R. d. deliktischen Schädigung plädiert; dem zustimmend: Bitter, AcP 205 (2005), 743 (772). 107  Bitter, AcP 205 (2005), 743 (772). 101  Ott/Schäfer, 102  Steffen,



B. Abstrakter Mieterschaden als nicht zugeflossener Vertragswert265

vollständigen Zerstörung einer Sache auch der Richtige ist, zeigt sich insbesondere bei verderblichen oder schnelllebigen Wirtschaftsgütern wie Saisonartikeln.108 Würde in diesen Fällen nicht auf den Moment des schädigenden Ereignisses abgestellt, sondern würde der Zeitwert für den Moment der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung bestimmt, käme es für den Schadensersatzschuldner einem „Geschenk des Himmels“ gleich, wenn sich der Prozess in die Länge ziehen würde, da saisonale und verderbliche Güter entsprechend schnell mit fortschreitender Zeit an Wert verlieren.109 Auf der Grundlage dieser modifizierten Differenzhypothese lässt sich daher ein „Minus“ in Form einer ausgebliebenen Nutzungsüberlassung feststellen. Fraglich ist jedoch, ob der temporär ausgebliebenen, vertraglich jedoch geschuldeten Nutzungsmöglichkeit Vermögensqualität zu Teil wird. Dagegen spricht womöglich, dass der Mieter lediglich den „Genuss“, den die Überlassung des Mietobjektes mit sich bringt, während der Verzugszeit entbehrt. Jedoch wird die vermögensrechtliche Komponente einer rechtzeitigen Nutzungsüberlassung durch zwei Elemente sichtbar: Zum einen tritt der vermögensrechtliche Charakter durch den zugrunde liegenden, monetären Wert des mietvertraglichen Anspruches zu Tage. Der durch den Mietvertrag verbriefte Anspruch auf Überlassung ist in seiner monetären Wertigkeit nicht statisch, sondern unterliegt Marktschwankungen. Befindet sich der Vermieter mit der Erfüllung dieses Anspruches in Verzug, kann der Anspruchswert durch eine Veränderung der Marktlage an Wert verlieren oder dazu gewinnen. In der Folge kann es auch zu einer „Entwertung“ des monetären Anspruchswertes auf Überlassung kommen.110 Zum anderen wird die Gebrauchsüberlassung nicht selten durch Vorhaltekosten, namentlich gebrauchsunabhängige Generalunkosten111 des Mieters flankiert, die aufgrund der Verzögerung ihre Zielsetzung verfehlen. Die verzögerte Überlassung beinhaltet somit ein vermögensrechtliches Element und stellt nicht lediglich fest, wie lange der Mieter auf die mit der Überlassung verbundene „Bequemlichkeit“ verzichten musste. Die Differenzhypothese ist daher im Zuge einer verzögerten, mietvertraglich geschuldeten Gebrauchsüberlassung zumindest geeignet, ein generelles vermögensrechtliches „Minus“ festzustellen.112 AcP 205 (2005), 743 (772 f.). AcP 205 (2005), 743 (772). 110  Vgl. zum Kaufvertrag: Lange/Schiemann/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl., 2003, § 6 X 6, S. 349. 111  MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 249 Rn. 79. 112  Ob auch die Schadenshöhe in der vorliegenden Ausgangslage lediglich mit Hilfe der Differenzhypothese determiniert werden kann, gilt es im weiteren Verlauf zu ergründen. Dazu sogleich unter: 3. Kap. B. II. 1. 108  Bitter, 109  Bitter,

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3. Kap.: Der abstrakt berechnete Mieterschaden

Nach dem hier beschrittenen Weg ist nicht zwischen einer unternehmerischen oder privaten Nutzung zu differenzieren.113 Möchte man jedoch an den Grundsätzen des „fühlbaren“ Schadens festhalten, ist diese Abkehr auch dann geboten, wenn das in Rede stehende Objekt nicht unmittelbar zur Gewinnerzielung eingesetzt wird.114 In diesem Fall kann das Argument, dass der Unternehmer einen entgangenen Gewinn fordern kann und daher kein Bedürfnis für einen abstrakten Nutzungsersatz besteht,115 nicht Platz greifen. Eine Differenzierung würde in diesen Fällen zu Ergebnissen führen, die wohl auch vom Großen Zivilsenat als „unbefriedigend“116 bezeichnet worden wären.117 Zuletzt ist zu beachten, dass eine Naturalrestitution nicht mehr möglich ist, wenn der Mieter die Sache tatsächlich erhalten hat oder der Verzug anderweitig beendet wurde. Letzteres wird regelmäßig auf die Erklärung des Schadensersatzverlangens nach § 281 Abs. 4 BGB zurückzuführen sein. Dem Vermieter wird dadurch die Möglichkeit genommen, die geschuldete Überlassung durch das Bereitstellen einer gleichwertigen Ersatzsache zu überbrücken, sodass nur noch eine Geldentschädigung in Betracht kommt.118

II. Parameter Im Bereich der Parameter offenbaren sich bei der vorliegenden Berechnungsmethode zwei Besonderheiten: Zum einen gilt im Bereich des Wohnraummietrechtes ein besonderer Schutz des Mieters, der sich bei der Bestimmung der maßgeblichen Zeitspanne niederschlägt. Zum anderen ist unklar, wie der Verkehrswert des nicht überlassenen Wohnraumes zu bestimmen ist. Diese Aspekte sollen im nachfolgenden Teil gemeinsam mit den schon bekannten Fragen, die mit der Bestimmung der Parameter einhergehen, beantwortet werden. 113  So beispielsweise bei: BGH, 09.07.1986, GSZ 1/86, BGHZ 98, 212 (218 f.); anders jedoch: BGH, 10.01.1978, VI ZR 164/75, BGHZ 70, 199 (203): „Linienbus“; BGH, 26.03.1985, VI ZR 267/83, NJW 1985, 2471; OLG, 16.10.1992, 9 U 54/91, NZV 1993, 65 (66): „Krankentransportfahrzeug“; OLG Stuttgart, 12.07.2006, 3 U 62/06, DAR 2007, 33 (34): „Gemischt-gewerblich genutzten Pkw“; offengelassen: Im Erg. offengelassen: BGH, 04.12.2007, VI ZR 241/06, NJW 2008, 913 Rn. 9 f., wobei die Anwendbarkeit auf gewerblich genutzte Wirtschaftsgüter im Falle einer Entscheidung wohl präferiert worden wäre; BGH, 21.01.2014, VI ZR 366/13, DAR 2014, 144 Rn. 5; siehe ferner auch: Wenker, VersR 2000, 1082 m. w. N. 114  Fielenbach, NZV 2013, 265 (268); Jaeger, VersR 2020, 257 (267). 115  Vgl. BGH, 06.12. 2018, VII ZR 285/17, BGHZ 220, 270 Rn. 24. 116  BGH, 09.07.1986, GSZ 1/86, BGHZ 98, 212 (220). 117  Ähnlich auch: Jaeger, VersR 2020, 257 (267). 118  Ebenso: BGH, 15.04.1966, VI ZR 271/64, BGHZ 45, 212 (221).



B. Abstrakter Mieterschaden als nicht zugeflossener Vertragswert267

1. Die Ermittlung des geschuldeten Leistungswertes Die abstrakte Schadensberechnung zielt auch im Bereich des Mietvertrages darauf ab, den Wert einer geschuldeten Leistung zu bestimmen. Während der Schadensersatz statt der Leistung den Vertragswert in Geld ersetzt, besteht im Rahmen des Verzugsschadens nach wie vor der Erfüllungsanspruch des Mieters. Es ist daher der Wert zu quantifizieren, der dem Mieter dadurch entgeht, dass die Sache im Rahmen des Verzuges verspätet überlassen wird. a) Der Verkehrswert im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung Durch den Schadensersatz statt der Leistung soll die geschuldete Leistung in Geld ersetzt werden, sprich, ein Erfüllungssurrogat darstellen.119 Daher ist in diesem Fall der Vertragswert, der in das Vermögen des Mieters bei ordnungsgemäßer Überlassung geflossen wäre, für die Schadensberechnung maßgeblich. Dieser Wert ist anhand des (Miet-)Marktes zu bestimmen. Dort treffen Angebot und Nachfrage aufeinander, sodass sich der tatsächliche Überlassungswert des Mietobjektes dort realisiert. Es ist demnach zu fragen, welchen durchschnittlichen Mietzins der Mieter als Nachfrager auf seinem Markt für dieses oder ein vergleichbares Mietobjekt durchschnittlich am maßgeblichen Ort für den entsprechenden Zeitraum hätte aufbringen müssen (= Marktmiete).120 Dieser Betrag wäre notwendig, um den Vertragswert in das Vermögen des Mieters zu überführen. Alternativ ließe sich an die in § 558 Abs. 1 BGB für Wohnraummietverhältnisse genannte, ortsübliche Vergleichsmiete denken. Bei der ortsüblichen Vergleichsmiete handelt es sich um eine marktorientierte Durchschnittsmiete.121 Diese wird dahingehend modifiziert, dass lediglich die Bestandsmieten der letzten sechs Jahre miteinbezogen werden dürfen.122 Die ortsübliche Vergleichsmiete stellt dabei einen „repräsentative[n] Querschnitt“123 nahezu aller vereinbarten oder geänderten üblichen Entgelte im Hinblick auf Wohn119  Statt aller: Staudinger/Schwarze, 2019, § 280 Rn. E35 f.; MünchKomm/Emmerich, 9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 3. 120  Zum Begriff der Marktmiete: Fleindl, NZM 2018, 57 (62). 121  Börstinghaus/Clar, NZM 2014, 889 (891); MünchKomm/Arzt, BGB, 8. Aufl., 2020, § 558 Rn. 7; BeckOK/Schüller, BGB, 64. Edition, 01.11.2022, § 558 Rn. 25; Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 558 Rn. 44; vgl. auch: P. Huber, ZMR 1992, 469 (475), der eine marktorientierte „Repräsentativität“ fordert. 122  Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 558 Rn. 44. 123  BGH, 20.04.2005, VIII ZR 110/04, NJW 2005, 2074; BGH, 03.07.2013, VIII ZR 354/12, BGHZ 197, 366 Rn. 20; BayObLG, 19.03.1981, NJW 1981, 1219 (1220); Bub/Treier/Schultz, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., 2019,

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3. Kap.: Der abstrakt berechnete Mieterschaden

raummietverhältnisse einer Gemeinde in dem besagten Zeitraum dar.124 Daraus resultiert jedoch meist keine punktgenaue Vergleichsmiete, sondern eine bestimmte „Rahmengröße“125 beziehungsweise eine „Bandbreite“126 oder auch ein „Korridor“127 an üblichen Mietentgelten, die für vergleichbaren128 Wohnraum in einer Gemeinde gezahlt werden. Diese Berechnungsgrundlage mag im Bereich von Mieterhöhungen eine Mietpreisangleichung in Bezug auf gleichwertigen Wohnraum in einer Gemeinde gewährleisten.129 Um den monetären Vertragswert zu ermitteln, ist die ortsübliche Vergleichsmiete jedoch nicht geeignet. Vielmehr ist das pekuniäre Interesse des Mieters auf der Basis des aktuellen Marktgeschehens zu bemessen. Dies wird mit einem Blick auf den Kaufvertrag deutlich: Würden einem Käufer die für seine Produktion notwendigen Rohstoffe nicht geliefert, wäre der Verkehrswert ebenfalls an einem bestimmten Stichtag zu ermitteln. Ein Verweis auf die Marktentwicklung der letzten Jahre würde im Falle kurzfristiger, extremer Preissteigerungen zu Anreizen aufseiten des Verkäufers führen, seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachzukommen und die Ware zu den nunmehr teureren Preisen an Dritte zu veräußern. Könnte der nicht belieferte Käufer daraufhin keinen konkreten Schaden nachweisen, ließe sich mithilfe der abstrakten Schadensberechnung nicht einmal ein Schaden berechnen, der es dem Schadensersatzgläubiger hypothetisch erlauben würde, sich eine entsprechende Ersatzware zum (nun gestiegenen) Marktpreis zu beschaffen. Um zu verhindern, dass der Vertragswert zu einem „zahnlosen Tiger“ wird, und um dem monetären Interesse des Käufers oder Mieters an der Vertragserfüllung ausreichend Rechnung zu tragen, ist der Anspruchswert daher anhand der aktuellen Marktlage zu determinieren. Demnach ist für die Bestimmung des Vertragswertes nicht die ortsübliche Vergleichsmiete und der aus ihr resultierende Mietspiegel (§§ 558c, 558d III. Rn. 1338; Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 15.  Aufl., 2021, § 558 Rn. 45. 124  Nach dem Wortlaut des § 558 Abs. 2 S. 1 BGB sind dabei Änderungen nach § 560 BGB nicht zu berücksichtigen. Ferner ist nach § 558 Abs. 2 S. 2 BGB der Wohnraum nicht erfasst, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzulage festgelegt worden ist. 125  Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 558 Rn. 45. 126  BGH, 21.10.2009, VIII ZR 30/09, NJW 2010, 149 Rn. 14; BGH, 24.04.2019, VIII ZR 62/18, NJW 2019, 3142 Rn. 56. 127  Bünnemeyer/Hebecker/Werling, ZMR 2016, 96 (97). 128  Dabei kommt es nach § 558 Abs. 2 S. 1 BGB für die Vergleichbarkeit ausschließlich auf die Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage einschließlich der energetischen Ausstattung und Beschaffenheit des Wohnraumes an. Andere Kriterien dürfen dabei nicht berücksichtigt werden. Siehe dazu: Blank, ZMR 2013, 170 (171). 129  BVerfG, 10.10.1978, 1 BvR 180/77, BVerfGE 49, 244 (248).



B. Abstrakter Mieterschaden als nicht zugeflossener Vertragswert269

BGB) maßgeblich, sondern die Marktmiete. Das „Credo“ muss daher lauten: Entscheidend ist die Miete, die bei einer Neuvermietung von Mietobjekten der gleichen Art über den maßgeblichen Zeitraum auf dem Markt am maßgeblichen Ort130 erzielbar gewesen wäre.131 In Anlehnung an die zum Kaufvertrag entwickelten Grundsätze können auch hier Ausreißer nach „oben“ oder „unten“ ausgeklammert werden.132 Dadurch lässt sich ein Wert ermitteln, der dem laufenden Preis entspricht.133 In diesem Zusammenhang würde sich womöglich ein Rückgriff auf das sogenannte „Zweidrittelverfahren“134 anbieten, das zum Teil für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete herangezogen wird.135 Im Wege dieses Verfahrens wird sowohl das obere als auch das untere Sechstel für die Ermittlung der Ortsüblichkeit in der Regel ausgeklammert.136 Eine simple Übertragung dieses Grundsatzes auf den Bereich des Verkehrswertes erscheint jedoch nicht geboten, da die Marktmiete grundsätzlich frei von normativen Faktoren zu betrachten ist. Andernfalls bestünde die Gefahr, das tatsächliche Marktgeschehen nicht realitätsgetreu abbilden zu können. Lediglich im Bereich von Mieten, deren Erzielung am Markt gänzlich unüblich und die regelmäßig auf subjektive Faktoren, wie beispielsweise „Freundschaftspreise“ zurückzuführen sind, ist ein Ausschluss gerechtfertigt. Abhängig von der jeweiligen Marktsituation sollte eine Ausklammerung der „unteren“ und „oberen“ fünf bis zehn Prozent jedoch nicht überschritten werden, um das Bild der tatsächlichen Marktsituation nicht zu verfälschen. Diese „normative“ Korrektur gilt dabei für alle Mietpreise am Markt und ist nicht lediglich auf Wohnraummietverhältnisse zu beschränken.

130  Dazu

sogleich unter: 3. Kap. B. II. 2. Begriff der Marktmiete: BGH, 01.10.1997, XII ZR 269/9, NZM 1998, 196 (197); Rupp, DWW 1979, 279; Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 558 Rn. 42. 132  Diese Ausklammerung sieht der Gesetzgeber i. R. d. § 558 BGB sogar ausdrücklich vor, wenn er von „ortsüblichen“ Mieten spricht. Dazu auch: BGH, 24.04.2019, VIII ZR 62/18, NJW 2019, 3142 Rn. 61; Staudinger/V.Emmerich, BGB, 2021, § 558 Rn. 24. 133  Zum laufenden Preis bereits unter: 1. Kap. B. IV. 1. a). 134  Staudinger/V.Emmerich, BGB, 2021, § 558 Rn. 24. 135  Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 558 Rn. 134. 136  Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 15.  Aufl., 2021, § 558 Rn. 132; Staudinger/V.Emmerich, BGB, 2021, § 558 Rn. 24. 131  Zum

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3. Kap.: Der abstrakt berechnete Mieterschaden

b) Die vermögensrechtlichen Elemente einer verspäteten Überlassung Neben einem möglichen Schadensersatz statt der Leistung wird für den Mieter regelmäßig auch ein Verzugsschaden in Betracht kommen.137 Dabei ist zu berücksichtigen, dass die soeben aufgestellten Erwägungen nicht auf die verspätete Gebrauchsüberlassung zu übertragen sind. Dies ist den verschiedenen Anknüpfungspunkten der jeweiligen Schadensersatzansprüche geschuldet. Während sich die obigen Ausführungen auf den Fall beziehen, an dem ein Teil der vertraglich geschuldeten Leistung endgültig durch eine Geldzahlung ersetzt werden soll, besteht im Rahmen des Verzugsschadens der vollständige Überlassungsanspruch fort. Es ist daher nicht der monetäre Wert des Erfüllungsanspruches als solcher in Blick zu nehmen, sondern das vermögensrechtliche Interesse des Mieters an einer rechtzeitigen Gebrauchsüberlassung. Zur Quantifizierung dieses Wertes eröffnen sich zwei Berechnungswege, die beide vom Bundesgerichtshof im Rahmen deliktischer Nutzungsentziehungen praktiziert wurden: Zum einen kommt eine Berechnung „von oben herunter“138 in Betracht. Im Zuge dieses Ansatzes sind die Mietkosten als Orientierungshilfe heranzuziehen, die für derartige Mietobjekte regelmäßig verlangt werden.139 Dabei soll jedoch nicht einfach die Marktmiete, sondern eine von allen erwerbswirtschaftlichen Faktoren bereinigte Miete angesetzt werden.140 Der daraus resultierende Betrag entspricht etwa 35–40 % der am Markt anfallenden Mietkosten.141 Um eine „Bereinigung“ zu erzielen, müssen neben der Gewinnspanne des gewerblichen Vermieters auch die bei einer privaten Nutzung regelmäßig niedrigeren Versicherungsprämien sowie eine etwaige geringere Abnutzung der Sache in Abzug gebracht werden.142 Das Gleiche gilt für Verwaltungskosten und möglicherweise anfallende Vermittlungsprovisionen, die sich bei der gewerblichen Nutzung des Objektes im Mietpreis niederschlagen können.143 Das Gegenstück dazu bildet auf der anderen Seite die 137  Zur Abgrenzung zwischen dem Schadensersatz statt und neben der Leistung im Mietrecht unter: 3. Kap. A. II. 138  So die Bezeichnung bei: BGH, 22.11.1985, V ZR 237/84, NJW 1986, 2037 (2039); Bitter, AcP 205 (2005), 743 (785). 139  BGH, 30.09.1963, III ZR 137/62, NJW 1964, 542 (544 f.); BGH, 15.04.1966, VI ZR 271/64, BGHZ 45, 212 (220). 140  Insoweit wird auch vom „Netto-Nutzen“ gesprochen. Dazu: Brinkmann, BB 1987, 1828 (1832). 141  BGH, 23.11.2004, VI ZR 357/03, BGHZ 161, 151 (155). 142  BGH, 23.11.2004, VI ZR 357/03, BGHZ 161, 151 (155). 143  BGH, 23.11.2004, VI ZR 357/03, BGHZ 161, 151 (155); Born, NVZ 1993, 1 (5); vgl. auch: BGH, 09.07.1986, GSZ 1/86, BGHZ 98, 212 (225 f.); BGH, 15.04.1966, VI ZR 271/64, BGHZ 45, 212 (220); MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 249 Rn. 79.



B. Abstrakter Mieterschaden als nicht zugeflossener Vertragswert271

Berechnungsart „von unten herauf“,144 bei der die Vorhaltekosten, sprich die gebrauchsunabhängigen Generalunkosten145 zu ermitteln und gegebenenfalls um einen „maßvollen Aufschlag“ zu erhöhen sind.146 Soll nun der vermögensrechtliche Wert, der dem Mieter durch die verspätete Gebrauchsüberlassung entgeht, quantifiziert werden, kommen nach der hier vertretenen Lösung einzig die Vorhaltekosten147 sowie der gegebenenfalls geminderte Wert des Überlassungsanspruches als gesicherte Grundlage in Betracht. Die Vorhaltekosten werden für den Mieter allerdings meist niedriger ausfallen als für den Eigentümer. So wird der Mieter häufig keine Versicherungen oder Steuern zahlen müssen, da diese bereits vom Eigentümer beglichen beziehungsweise abgeschlossen und die damit verbundenen Kosten auf den Mietzins umgelegt wurden. Dennoch können auch den Mieter für die Verzugszeit fixe Kosten treffen. Zu denken wäre beispielsweise im Bereich der Wohnraummiete an eine eigens abgeschlossene Hausratversicherung oder einen bereits bestellten und kostenpflichtigen Internetzugang. Im gewerblichen Bereich kämen etwa angemietete Lagerräumlichkeiten in Betracht, in denen die gemieteten, aber noch nicht gelieferten Produktionsmaschinen untergebracht werden sollen. Die Mietkosten der Sache selbst zählen allerdings nicht dazu.148 Der anschließende „maßvolle“ Aufschlag soll einen pauschalisierten Ausgleich für zusätzliche Aufwendungen darstellen, die mit der Entbehrung der Sache einhergehen.149 Freilich dient diese Pauschalisierung einer gewissen Vereinfachung, jedoch bleibt unklar, weshalb der Schadensersatzgläubiger ausgerechnet im Bereich des abstrakten Nutzungsersatzes von einer solchen Pauschalisierung profitieren sollte. Der Mieter ist vielmehr nach den allgemeinen Regeln dazu gehalten, greifbare Anhaltspunkte nachzuweisen, die eine Schadensschätzung ermöglichen. Diesem restriktiven Verständnis ließe sich entgegnen, dass der Vermögenswert, der einer rechtzeitigen Gebrauchsüberlassung zugrunde liegt, nicht nur vermögensmindernde Posten ausglei144  So

die Bezeichnung bei: Bitter, AcP 205 (2005), 743 (785). BGB, 9. Aufl., 2022, § 249 Rn. 79. 146  BGH, 09.07.1986, GSZ 1/86, BGHZ 98, 212 (226); BGH, 18.05.1971, VI ZR 52/70, BGHZ 56, 214 (220 f.); ablehnend hingegen: BGH, 22.11.1985, V ZR 237/84, NJW 1986, 2037 (2043); restriktiv auch: Stoll, JuS 1968, 504 (507), der die „Verzinsung“ und die „Absicherung“ des Anlagekapitales nicht in die Vorhaltekosten einstellen will. 147  Bitter, AcP 205 (2005), 743 (777–781). 148  Hat der Mieter die Miete noch nicht gezahlt, kommt auch kein Zinsschaden für ihn in Betracht, da er das für die Miete vorrätig gehaltene Kapitel nach wie vor anlegen könnte. 149  BGH, 09.07.1986, GSZ 1/86, BGHZ 98, 212 (226); Huber, Leistungsstörungen, Band 2, 1999, § 32 II 1, S. 88–90; Bitter, AcP 205 (2005), 743 (787). 145  MünchKomm/Oetker,

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3. Kap.: Der abstrakt berechnete Mieterschaden

chen soll. Es ließe sich darüber hinaus auch an einen immateriellen Ausgleich denken.150 Spräche man jedoch dem Mieter einen Ersatz für die entgangene Bequemlichkeit zu, die er während des Verzuges erdulden musste, würde es unter dem Deckmantel des Vermögensschadens zu einer Abkehr des in § 253 Abs. 1 BGB vorgezeichneten Weges kommen. Nach dieser Vorschrift sind Schadensposten, die sich aufgrund ihres immateriellen Wesens einer objektiven Quantifizierung entziehen, nur in den gesetzlich normierten Fällen zu ersetzen.151 Zwar kann den frustrierten Aufwendungen des Mieters ebenfalls eine immaterielle Komponente innewohnen,152 jedoch spiegeln sich diese Aufwendungen zumindest in seinem Vermögen wider. Es bleibt festzuhalten, dass sich mithilfe der (modifizierten) Differenzhypothese ein generelles vermögensrechtliches „Minus“ in Form einer ausgebliebenen Nutzungsmöglichkeit im Vermögen des Mieters nachweisen lässt. Die Schadenshöhe ist dabei im Wege einer wertenden Betrachtung153 anhand der Vorhaltekosten154 und der monetären „Anspruchsentwertung“ zu bemessen. Diese Posten bilden die vermögensrechtliche Basis, auf der eine rechtzeitige Gebrauchsüberlassung beruht. Eine solche „normative“ Komponente ist notwendig, da die Vorhaltekosten als frustrierte Aufwendungen grundsätzlich keinen ersatzfähigen Schaden darstellen. Dies beruht auf der fehlenden Kausalität zwischen Pflichtverletzung (Leistungsverzögerung)155 und Schaden.156 Ein anderes Ergebnis lässt sich auch nicht auf der Grundlage der Rentabilitätsvermutung begründen.157 Nach dieser Vermutung kann die Rentabilität bestimmter Aufwendungen vermutet werden, sodass diese im Zuge

150  Befürwortend:

Magnus, Schaden und Ersatz, 1987, S. 180. BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 253 Rn. 1; Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 253 Rn. 15. 152  MünchKomm/Ernst, BGB, 9. Aufl., 2022, § 284 Rn. 7. 153  Zu den Vorhaltekosten als „normative[r] Schaden“: Rauscher, NJW 1986, 2011 (2018). 154  BGH, 09.07.1986, GSZ 1/86, BGHZ 98, 212 (225 f.). 155  Der Schadensersatzgläubiger ist im Rahmen des Verzugsschadens so zu stellen, wie er bei rechtzeitiger Leistung des Schadensersatzschuldners stünde. Insofern bedarf es auch hier einer Kausalität zwischen Leistungsverzögerung und Schaden. Statt aller: MünchKomm/Ernst, BGB, 9 Aufl., 2022, § 286 Rn. 149 f. 156  Exemplarisch: BGH, 10.12.1986, VIII ZR 349/85, BGHZ 99, 182 (201); Weitemeyer, AcP 205 (2005), 275; a. A.: Müller-Laube, JZ 1995, 538 (542–545), der auch frustrierte Aufwendungen grundsätzlich als ersatzfähigen Schadensposten betrachtet. 157  Nach der überwiegenden Ansicht ist die Rentabilitätsvermutung ohnehin nur im Zuge des Schadensersatzes statt der Leistung anwendbar. Dazu: Stoll, JZ 1978, 797 (798); Soergel/Ekkenga/Kuntz, BGB, 13. Aufl., 2014, Vor § 249 Rn. 83; Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 249 Rn. 128; anders: BGH, 21.04.1978, V ZR 235/77, BGHZ 71, 234 (239). 151  BeckOK/Spindler,



B. Abstrakter Mieterschaden als nicht zugeflossener Vertragswert273

des Schadensersatzes ersetzbar wären.158 Auf diese Vermutung kommt es hier indes nicht an, da hier ein allgemeiner, vermögensrechtlicher Kern inmitten steht, der einer Gebrauchsüberlassung generell zugrunde liegt. Im Übrigen ließe sich die Rentabilitätsvermutung häufig widerlegen,159 sodass in diesem Falle das vermögensrechtliche Element einer rechtzeitigen Überlassung nicht zur Geltung gelangt. Die regelmäßig vom Bundesgerichtshof praktizierte Berechnung von „oben herunter“, bei der die bereinigten Mietkosten als maßgeblich erachtet werden, kann keinen geeigneten Anhaltspunkt bilden, um den entgangenen Vermögenswert, der in der rechtzeitigen Überlassung lag, zu bestimmen.160 Selbst der Bundesgerichtshof erkannte dies kurzzeitig an, sodass zeitweilig auf die Berechnung von „oben herauf“ abgestellt wurde.161 Diese Abkehr war jedoch nur von vorübergehender Natur. Aufgrund der zunehmenden Divergenz „bereinigter“, anteiliger Mietkosten und den deutlich niedrigeren Vorhaltekosten sah der VI. Zivilsenat sich wohl aus ergebnis­ orientierten Gründen gezwungen, zu der vormals praktizierten Berechnungsmethode zurückzukehren und somit den Fokus erneut auf die Marktmiete zu legen. Hier offenbart sich bereits die Schwäche des Mietkostenansatzes. Wäre eine zuverlässige Bereinigung der Mietkosten von allen erwerbswirtschaftlichen Faktoren möglich, verblieben lediglich die Vorhaltekosten, die mit einer privaten Nutzung einhergingen. Deshalb überrascht die Aussage des VI. Zivilsenates, wenn die im Laufe der Jahre rapide angestiegene Divergenz zwischen Vorhaltekosten und höherem „bereinigten“ Mietpreis162 auf den starken Anstieg des Letztgenannten zurückzuführen sei.163 Könnten die Mietkosten tatsächlich zuverlässig bereinigt werden, dürfte es zu einer derartigen Diskrepanz überhaupt nicht kommen.164 Darüber hinaus ist zwischen der Funktion des Verzugsschadens und des Schadensersatzes statt der Leistung zu differenzieren. Während Erstgenannter den vermögensrechtlichen Vorteil ausgleichen soll, der mit der rechtzeitigen Überlassung des Mietobjektes einhergeht, zielt Letztgenannter auf den 158  Dazu und weiterführend: BGH, 19.04.1991, V ZR 22/90, BGHZ 114, 193 (200); Soergel/Ekkenga/Kuntz, BGB, 13. Aufl., 2014, Vor § 249 Rn. 83; Staudinger/ Höpfner, BGB, 2021, § 249 Rn. 127. 159  Statt aller: Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 249 Rn. 128. 160  So auch: Bitter, AcP 205 (2005), 743 (784). 161  BGH, 18.05.1971, VI ZR 52/70, NJW 1971, 1692 (1694). 162  Die Vorhaltekosten betragen 200–400 % der „bereinigten“ anteiligen Mietkosten. Siehe dazu: BGH, 23.11.2004, VI ZR 357/03, BGHZ 161, 151 (155). 163  BGH, 23.11.2004, VI ZR 357/03, BGHZ 161, 151 (155). 164  Bitter, AcP 205 (2005), 743 (787).

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3. Kap.: Der abstrakt berechnete Mieterschaden

Vertragswert in Geld ab (= Erfüllungssurrogat).165 Können nun im Rahmen des Verzugsschadens die Mietkosten nicht hinreichend „bereinigt“ werden, verschmelzen beide Posten miteinander. Dem Mieter würde auf diese Weise ein Teil der Marktmiete zufließen. Wie bereits gezeigt,166 dient die Marktmiete dazu, das pekuniäre Interesse an der Vertragserfüllung im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung zu bestimmen. Dem Schadensersatzgläubiger würde im Falle einer unzureichenden Mietkostenbereinigung ein Teil dieses Erfüllungsinteresses über den Verzugsschaden zufließen, ohne dass es zu einem Verlust des Überlassungsanspruches kommt. Freilich kann ebendieses Interesse auch zumindest teilweise über den Verzugsschaden ersetzt werden, wenn es in Folge sinkender Marktpreise während des Verzuges zu einer monetären „Entwertung“ des Anspruches auf Überlassung kommt. Sinkt die Marktmiete jedoch während des Verzuges nicht, würde im Falle unzureichender Mietkostenbereinigung ein Teil des Vertragswertes von der nach wie vor geschuldeten Überlassung auf den Mieter übergehen, sodass in der Folge eine Überkompensation nicht mehr auszuschließen wäre. 2. Die Bestimmung des maßgeblichen Zeitraumes und des maßgeblichen Ortes Auch bei der hier in Rede stehenden Schadensberechnung muss der Zeitraum ermittelt werden, für den der Schadensersatz zu leisten ist. Dabei gelten im Wesentlichen die gleichen Grundsätze, die auch schon für die Berechnung des entgangenen Gewinnes zum Tragen kamen.167 Im Rahmen des Verzugsschadens erstreckt sich der Zeitraum vom Verzugseintritt bis zu dessen Ende. Verlangt der Mieter hingegen Schadensersatz statt der Leistung, ist zwischen der bereits verstrichenen Mietzeit und der kompletten (restlichen) Mietdauer zu differenzieren. Wurde der Mietvertrag befristet, markiert das Ende der Mietzeit auch die zeitliche Grenze der Schadensersatzpflicht. Haben sich die Parteien auf ein unbefristetes Mietverhältnis geeinigt, kommt es auf die erste Möglichkeit des Vermieters an, sich einseitig vom Vertrag zu lösen.168 Allerdings versagt dieser Ansatz in der Fallgruppe des Wohnraummietverhältnisses. Während dem Mieter grundsätzlich jederzeit ein ordentliches Kündigungsrecht zusteht (§ 542 Abs. 1 BGB),169 kann der Vermieter ein unbefristetes Wohnraummietverhältnis nur dann ordentlich kündigen, wenn 165  Vgl. Staudinger/Schwarze, 2019, § 280 Rn. E35  f.; MünchKomm/Emmerich, 9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 3. 166  Dazu bereits unter: 3. Kap. B. II. 1. a). 167  Dazu bereits unter: 3. Kap. II. 168  Zum entgangenen Gewinn: BGH, 12.01.1972, VIII ZR 26/71, juris Rn. 17. 169  Dies gilt freilich nicht für befristete Mietverträge.



B. Abstrakter Mieterschaden als nicht zugeflossener Vertragswert275

er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat (§ 573 Abs. 1 BGB). Ob ein solches Interesse zukünftig mit Sicherheit vorgelegen hätte, wird in der Regel nicht feststellbar sein. Auch die Zeitspanne, wie lange der Mieter die Wohnung tatsächlich bewohnt hätte, bleibt ungewiss. Aufgrund dieser Unsicherheitsfaktoren wurde gefolgert, dass es einer von vornherein festgelegten, zeitlich-statischen Begrenzung bedürfe.170 Allerdings ist es zu bezweifeln, dass derartige „Faustregeln“ geeignet sind, die Interessenlage von Mieter und Vermieter im jeweiligen Einzelfall hinreichend abzubilden.171 Mietet beispielsweise ein Ehepaar mit Kindern zu einem günstigen Preis ein Einfamilienhaus unbefristet an, so entbehrt es jeglicher greifbarer Grundlage, eine von vornherein festgelegte Mietzeit zu unterstellen. Umgekehrt wäre es für den Mieter von Vorteil, wenn diese pauschalisierte Zeitspanne die tatsächliche Mietdauer deutlich überstiegen hätte. Zwar besteht ein starkes Bedürfnis nach Vereinfachung, jedoch können diese statischen Grenzen keinen zufriedenstellenden Lösungsansatz gewährleisten. Darüber hinaus verkennen diese Deckelungsversuche die besondere Stellung des Wohnraummieters im Hinblick auf die Kündigungsmöglichkeiten des Vermieters. Käme es zu einer pauschalen Beschränkung, würde das vom Gesetzgeber entwickelte Kündigungskonstrukt im Zuge des Schadensersatzes statt der Leistung, der gerade ein Erfüllungssurrogat darstellen soll,172 unterlaufen werden. Der Schaden muss daher für den konkreten Fall nach § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO geschätzt werden.173 Entscheidend für diese Schätzung sind greifbare Tatsachen, durch die auf die (restliche) Dauer des Mietverhältnisses geschlossen werden könnte. So können beispielsweise Tatsachen vorgebracht werden, die eine zukünftige Eigenbedarfskündigung des Vermieters wahrscheinlich erscheinen lassen. Ferner kann die Dauer des Mietverhältnisses maßgeblich von der beruflichen oder privaten Lebensplanung des Mieters abhängen.174 170  Vgl. LG Darmstadt, 08.10.1993, 6 T 20/93, juris Rn. 22: „Objektivierbare Zeitgrenze“ für die Schadensberechnung bei vorgetäuschter Eigenbedarfskündigung anhand der Verjährungsregeln; vgl. ferner: LG Hamburg, 06.11.2008, 307 S 72/08, juris Rn. 63: Schadensersatz für den Zeitraum von dreieinhalb Jahren in Anlehnung an § 9 ZPO bei unberechtigter Eigenbedarfskündigung; ebenso: AG Coesfeld, 01.10.2019, 4 C 156/19, WuM 2019, 712 (713 f.): Schadensersatz für den Zeitraum von dreieinhalb Jahren bei vorgetäuschtem Eigenbedarf. 171  Kritisch auch: Siegmund, WuM 2017, 613 (619). 172  Statt aller: Staudinger/Schwarze, 2019, § 280 Rn. E35 f.; MünchKomm/Emmerich, 9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 3. 173  Vgl. auch: Ostermann, WuM 1992, 342 (346), der den Schaden bei der vorgetäuschten Eigenbedarfskündigung schätzen will, wenn der Mieter eine teurere Ersatzwohnung gemietet hat; nicht kategorisch ausschließend auch: Eisenhardt, MDR 1999, 1481 (1482). 174  Siegmund, WuM 2017, 613 (619).

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3. Kap.: Der abstrakt berechnete Mieterschaden

So wird in den meisten Fällen nicht davon auszugehen sein, dass ein Student auch noch nach Abschluss seiner Universitätsausbildung mehrere Jahrzehnte seine Einzimmerwohnung bewohnen wird. Ähnliche Beispiele lassen sich im Bereich der Familienplanung oder einer beruflichen Neuorientierung finden, wenn der angemietete Wohnraum weder durch räumliche Nähe zum neuen Arbeitsplatz geeignet ist, noch hinreichenden Platz für Kinder bietet. Die Darlegungs- und Beweislast trifft in diesen Fällen nach allgemeinen Grundsätzen den Vermieter, der eine Eingrenzung des Anspruches herbeiführen will.175 Jedoch wird es ihm kaum möglich sein, den Nachweis zu führen, dass der Mieter das Mietverhältnis tatsächlich beendigt hätte, nachdem dieser sein Studium beendet oder die schwangere Ehefrau das gemeinsame Kind bekommen hätte. In diesen Fällen ist es dem Mieter zuzumuten, in substantiierter Weise darzulegen, dass das Mietverhältnis auch weiterhin fortgeführt werden sollte.176 Die Schadensersatzpflicht des Vermieters wird jedoch im Bereich des Wohnraummietrechtes in jedem Fall durch dessen Möglichkeit begrenzt, die Miete sukzessiv erhöhen zu können.177 Wenn der Schadensersatzschuldner die Miete über Monate oder sogar Jahre hypothetisch so weit hätte erhöhen können, dass sie zu einem bestimmten Zeitpunkt die nunmehr eingeforderte Marktmiete erreicht, besteht ab diesem Moment kein Schaden mehr für den Mieter. Der Wert des Überlassungsanspruches bietet dann für den Mieter kein besonderes monetäres Element mehr, das über den Schadensersatz statt der Leistung „abgeschöpft“ werden könnte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch die Marktmiete über die Zeit ansteigen kann.178 Der Moment, an dem sich die (sukzessiv) erhöhte Miete und die Marktmiete schneiden, bildet die äußere Grenze für den Zeitraum, für den der Mieter Schadensersatz geltend machen kann. Die Darlegungs- und Beweislast, dass entsprechende Mieterhöhungen nach §§ 558 ff. BGB möglich gewesen wären, trifft auch hier den Vermieter. Er kann in diesem Zusammenhang beispielsweise nachweisen, dass Modernisierungsmaßnahmen i. S. d. § 555b BGB konkret geplant oder zumindest zu erwarten waren, die eine Mieterhöhung nach § 559 Abs. 1 BGB rechtfertigen. Indes kann auch diese 175  BGH, 13.11.1998, V ZR 386/97, NJW 1999, 352 (353); Rosenberg, Die Beweislast, 5. Aufl., 1965, S. 98; MünchKomm/Prütting, ZPO, 6. Aufl., 2020, § 286 Rn. 114. 176  Ebenfalls auf die sekundäre Darlegungslast rekurrierend: Siegmund, WuM 2017, 613 (619). 177  Für den Kündigungsfolgeschaden in Form einer teureren Ersatzanmietung: Siegmund, WuM 2017, 613 (619); MünchKomm/Häublein, BGB, 8. Aufl., 2020, § 573 Rn. 147; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 542 Rn. 116. 178  Vgl. Siegmund, WuM 2017, 613 (619); zur Berechnung dieses Wertes siehe sogleich.



B. Abstrakter Mieterschaden als nicht zugeflossener Vertragswert277

zeitliche Begrenzung nicht weiterhelfen, wenn eine Mieterhöhung von den Parteien ausgeschlossen wurde (§ 557 Abs. 3 BGB). Zur Schadensbemessung wäre sodann die zu erwartende Lebensdauer des Mieters heranzuziehen und auf dieser Grundlage der Umfang des Schadens zu ermitteln. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass in Ansehung des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB die Haftung zu begrenzen ist. Es wäre daher anhand der konkreten Marktlage zu ergründen, wann mit einer zumindest gleichwertigen Ersatzanmietung zu rechnen ist, die das Interesse des Mieters an Überlassung des geschuldeten Wohnraumes ersetzt.179 Erhält der Mieter über den Schadensersatz statt der Leistung den monetären Wert seines Überlassungsanspruches, muss dieser ebenfalls entsprechend abgezinst werden, wenn sich der Ersatzanspruch auf einen in der Zukunft liegenden Zeitraum erstreckt. Nach alldem tritt zu Tage, dass die abstrakte Schadensberechnung im Rahmen von Wohnraummietverhältnissen mit gewissen Unsicherheitsfaktoren einhergeht. Dieser Umstand darf aber nicht dazu führen, dem Mieter den Schadensersatzanspruch gänzlich zu versagen. Führte das eingeschränkte Kündigungsrecht des Vermieters dazu, die Schadensersatzansprüche des Mieters zu beschneiden, würde der besondere Schutz, der Mietern zu Teil wird, ad absurdum geführt. Unsicherheiten können auch hier mittels Abschlags berücksichtigt werden.180 Auch der geografische Faktor darf bei der Ermittlung der Schadenshöhe nicht außer Acht gelassen werden. So kommen für die Bestimmung der Marktmiete sowie der vermögensrechtlichen Elemente, die einer verspäteten Gebrauchsüberlassung181 zugrunde liegen, verschiedene (Markt-)Orte in Betracht, wenn es sich um bewegliche Mietobjekte handelt. Zu denken wäre etwa an den Ort, an dem das Mietobjekt zur Vermietung durch den Schadensersatzschuldner bereitstand, sowie der Platz, an dem der Mieter das Objekt in Empfang genommen oder es für seine Zwecke eingesetzt hätte. Der hier beschriebene Schadensersatz statt der Leistung zielt nicht auf die Ersatzfähigkeit eines entgangenen Gewinnes ab. Vielmehr soll der monetäre Anspruchswert ausgeglichen werden, der dem Mieter in Folge der ausgebliebenen Überlassung entgeht. Der monetäre Wert des Überlassungsanspruches realisiert sich für den Schadensersatzgläubiger daher an dem Ort, an dem das Mietobjekt für die mieterischen Zwecke eingesetzt worden wäre. Hier profi179  Dazu

sogleich unter: 3. Kap. B. III. 2. 17.02.1998, VI ZR 342/96, NJW 1998, 1633 (1643); BGH, 06.02.2001, VI ZR 339/99, NJW 2001, 1640 (1641). 181  Gemeint sind hier vor allem die Vorhaltekosten und die möglicherweise gefallenen Marktpreise. 180  BGH,

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3. Kap.: Der abstrakt berechnete Mieterschaden

tiert er von einer besonders günstigen Gebrauchsüberlassung. Bei einer Leistungsverzögerung sind die Vorhaltekosten und die zwischenzeitlich gefallenen Marktpreise ebenfalls an diesem Ort zu ermitteln. Diese Posten flankieren die Überlassung der Mietsache, sodass sie auch dort zu determinieren sind, wo das Mietobjekt seinen Zweck erfüllen soll. Lässt sich ein solcher Ort nicht ermitteln oder kommen mehrere dieser Plätze gleichermaßen in Betracht, ist auf den Ort zu verweisen, an dem der Mieter das Objekt in Empfang genommen hat, beziehungsweise genommen hätte.182

III. Einschränkende Faktoren Bei der hier in Rede stehenden Schadensbemessungsform handelt es sich um eine abstrakte Schadensberechnung im weiteren Sinne,183 sodass auch schadensmindernde und schadensausschließende Aspekte zu berücksichtigen sind. Dabei werden Problemkreise zu untersuchen sein, die auch schon im Zuge des Kaufvertrages von Relevanz waren. Jedoch werden auch die mietvertraglichen Besonderheiten herauszuarbeiten sein, die einem Schadens­ ersatzanspruch des Mieters entgegenstehen können. 1. Auswirkungen einer Ersatzanmietung Ob die Anmietung eines Ersatzobjektes wirklich geeignet ist, das Interesse des Mieters an der ursprünglichen Vertragserfüllung zu ersetzen, beurteilt sich – wie bereits schon mehrfach dargelegt184 – daran, ob die Ersatzanmietung an die Stelle des nicht vertragsgemäß überlassenen Mietobjektes tritt. Allerdings darf auch im Bereich des Mieterechtes nicht pauschalisierend davon ausgegangen werden, dass jede Ersatzsache, die an die Stelle der nicht überlassenen Mietsache tritt, geeignet ist, das Interesse des Mieters an dem nicht zugeflossenen Vertragswert zu befriedigen. So wird im Rahmen des Kaufvertrages gefordert, dass die ausgebliebene Ware durch vergleichbare Ware zu ersetzen ist.185 Die Notwendigkeit einer derartigen Einschränkung ergibt sich bereits mit dem Blick auf das Erfüllungsinteresse des Schadensersatzgläubigers. 182  Vgl.

dazu bereits die Ausführungen unter: 1. Kap. D. I. 4. b). Terminologie bereits unter: Einleitung II. 1. 184  Vgl. beispielsweise schon die Ausführung unter: 1. Kap. VI. 2. a). 185  Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 140, die von vornherein von einer Gleichwertigkeit ausgeht; Grigoleit/Riehm, AcP 203 (2003), 727 (736), die davon ausgehen, dass nach dem Deckungskauf der geschuldete Gegenstand im Vermögen des Gläubigers vorhanden ist; vgl. ferner: BGH, 03.07.2013, VIII ZR 169/12, BGHZ 197, 357 Rn. 25, der mittelbar auf diese Anforderung Bezug nimmt. 183  Zur



B. Abstrakter Mieterschaden als nicht zugeflossener Vertragswert279

Man denke nur an ein Ehepaar, das für sich und seine Kinder nach mühsamer Suche eine preiswerte Vierzimmerwohnung finden konnte. Wird das Mietverhältnis kurz darauf aufgrund einer vorgetäuschten Eigenbedarfskündigung wieder beendet, wird die Familie – wie im eingangs aufgeführten Beispiel – womöglich gezwungen sein, auf eine deutlich kleinere Wohnung auszuweichen. In diesem Fall träte die Ersatzanmietung an die Stelle des gekündigten Wohnraumes, da die Anmietung ohne die Kündigung nie stattgefunden hätte. Will der Mieter sodann seinen Schaden abstrakt berechnen, beurteilt sich diese Möglichkeit danach, ob dessen Erfüllungsinteresse an der ursprünglichen Vertragsdurchführung durch die Ersatzanmietung kompensiert wurde. Dies wäre allerdings nur anzunehmen, wenn das neue Mietobjekt einen zumindest gleichwertigen Ersatz darstellt. Der im Mietvertrag verbriefte Anspruchswert des Mieters auf Überlassung von Wohnräumen in einer bestimmten Lage, Größe und Ausstattung lässt sich nicht durch die Überlassung einer anderen Wohnung, die eine niedrigere Qualitätsstufe aufweist, ausgleichen. Insofern unterscheiden sich die vertraglichen Überlassungsansprüche in ihrem wertmäßigen Gehalt. Käme es zudem im Zuge einer Ersatzanmietung zu einer automatischen Kompensation des Erfüllungsinteresses, würde dies zu Haftungslücken führen, wenn der neue Wohnraum zwar günstiger wäre, in puncto Lage, Größe und Ausstattung aber deutlich schlechter abschneiden würde. Eine abstrakte Schadensberechnung müsste in diesem Fall ausscheiden, da das Erfüllungsinteresse des Mieters durch die Neuanmietung ausgeglichen worden wäre. Eine konkrete Schadensberechnung käme ebenfalls nicht in Betracht, wenn die Ersatzanmietung keine höheren Kosten birgt. Dem Mieter stünden dann keine schadensrechtlichen Instrumente zur Verfügung. Indes wäre die Anmietung eines höherwertigen Mietobjektes grundsätzlich geeignet, auch das Erfüllungsinteresse an der ursprünglichen Leistung auszugleichen. Dies ergibt sich aus einem Erst-recht-Schluss: Wenn bereits eine vergleichbare Leistung dem Erfüllungsinteresse des Mieters entsprechen kann, so wird das positive Interesse des Mieters erst recht durch die Überlassung eines höherwertigen Mietobjektes befriedigt. Eine tatsächlich vorgenommene Ersatzanmietung muss demnach als gleichartig und mindestens als gleichwertig zu qualifizieren sein. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass nicht nur die Quadratmeteranzahl für die Vergleichbarkeit maßgeblich sein kann, sondern ebenso zentrale Vertragsbestandteile wie die Mietdauer. Auch die im Eingangsfall dargestellte mietrechtliche Zwischenlösung vermag keinen adäquaten Ersatz zu bilden. Zudem muss die Ersatzanmietung gerade auf die nicht überlassene Mietsache zurückzuführen sein. Ist die Anmietung einer zumindest vergleichbaren Ersatzsache mit höheren Kosten verbunden, können diese vom Mieter im Wege der konkreten Schadensberechnung eingefordert werden. Allerdings ist in diesem Zusammen-

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3. Kap.: Der abstrakt berechnete Mieterschaden

hang zu beachten, dass es dem Mieter obliegt, den Schaden für den Vermieter auch bei einer konkreten Schadensbemessung mit zumutbaren Mitteln möglichst gering zu halten (§ 254 Abs. 2 S. 1 BGB).186 Die bloße Tatsache, dass es sich bei der ersatzweise angemieteten Sache um ein höherwertiges Mietobjekt handelt, lässt allerdings keinen automatischen Rückschluss auf eine schuldhafte Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit zu.187 Doch sind höhere Erwartungen bezüglich der zu erwartenden Sorgfalt zu stellen, sodass der Mieter die Marktlage im Vorfeld genau sondiert haben muss. Freilich können diese gesteigerten Sorgfaltsanforderungen bei besonderer Dringlichkeit, wie etwa bei der Wohnraummiete, auch reduziert werden. 2. Mitwirkendes Verschulden nach § 254 Abs. 1 BGB Dem Mieter kann mit Blick auf die Schadensentstehung nach § 254 Abs. 1 BGB auch dann eine Anspruchskürzung drohen, wenn der Vermieter das Mietverhältnis unberechtigterweise gekündigt und der Mieter eine zumutbare Überprüfung in Bezug auf die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe unterlassen hat.188 Diese Form des Mitverschuldens ist vor allem im Bereich der Wohnraummiete von Bedeutung, da es dort an einer freien Kündigungsmöglichkeit des Vermieters fehlt.189 In anderen mietvertraglichen Bereichen steht es nach § 542 Abs. 1 BGB jeder Vertragspartei zu, das Mietverhältnis jederzeit unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen zu beenden, sofern die Mietzeit nicht bestimmt ist. Liegt eine Zeitbestimmung vor, ist dem Mieter insbesondere dann ein Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen, wenn der Vermieter dennoch die ordentliche Kündigung erklärt und dies widerstandslos vom Mieter hingenommen wird. Allerdings kann nicht jede unwirksame Kündigung eine Schadensminderungsobliegenheit auslösen. So ist eine formelle Unwirksamkeit nicht ausreichend, wenn die Kündigung materiell begründet ist.190 In diesem Fall wäre der Vermieter in der Lage, das Mietverhältnis erneut unter Einhaltung der 186  MünchKomm/Häublein,

BGB, 8. Aufl., 2020, § 573 Rn. 149. MünchKomm/Häublein, BGB, 8. Aufl., 2020, § 573 Rn. 149, der eine Anspruchskürzung im Falle einer höherwertigen Anmietung befürwortet. 188  BGH, 11.01.1984, VIII ZR 255/82, BGHZ 89, 296 (307 f.); LG Mannheim, 08.11.1995, 4 S 138/94 NJWE-MietR 1996, 148; Fehl, NJW 1975, 1973 (1974); MünchKomm/Häublein, BGB, 8. Aufl., 2020, § 573 Rn. 149; Staudinger/Rolfs, BGB, 2021, § 573 Rn. 238. 189  Freilich kann diese Fallgruppe auch im Rahmen des entgangenen Gewinnes relevant werden. Jedoch kommt einem mitwirkenden Verschulden gerade bei Wohnraummieten eine besondere Bedeutung zu, weshalb § 254 Abs. 1 BGB erst an dieser Stelle untersucht werden soll. 190  Schmidt-Futterer/Blank/Börstinghaus, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 573 Rn. 237. 187  A. A.:



B. Abstrakter Mieterschaden als nicht zugeflossener Vertragswert281

formellen Voraussetzungen zu beenden, sodass sich in der Folge die Herausgabe der Mietsache nur verzögert.191 Die hinter der Kündigung stehenden materiellen Gründe werden nicht von der formell unwirksamen Kündigungserklärung tangiert.192 Einzig materielle Erwägungen sind geeignet, eine entsprechende Nachprüfungsobliegenheit auszulösen, da eine formell unwirksame Kündigung jederzeit wiederholt werden könnte.193 Wann genau es dem Mieter obliegt, sich gegen die Kündigung zur Wehr zu setzen, entzieht sich allerdings einer schematischen Betrachtung. Jedoch kann als „Faustformel“ danach gefragt werden, ob aus der Sicht eines durchschnittlichen Mieters begründete Verdachtsmomente bestehen, die Zweifel an der materiellen Rechtmäßigkeit der Kündigung aufkommen lassen.194 Dabei ist freilich davon auszugehen, dass es sich bei dem Schadensersatzgläubiger um einen juristischen Laien handelt, weshalb die Anforderungen an die entsprechenden Verdachtsmomente nicht zu niedrig angesetzt werden dürfen. Indes dürfte eine materielle Unwirksamkeit für eine juristisch nicht geschulte Person etwa dann evident sein, wenn ein zeitlich befristetes Mietverhältnis vom Vermieter ordentlich gekündigt wird oder einem Wohnraummieter aufgrund einer einmaligen und geringfügigen Ruhestörung die außerordentliche Kündigung mit einem Verweis auf eine nachhaltige Störung des Hausfriedens gem. §§ 569 Abs. 2, 543 Abs. 1 BGB erklärt wird. In Fällen, in denen die materielle Unwirksamkeit nicht eindeutig auf der Hand liegen wird, muss auch der Verkehrskreis des Mieters in Blick genommen werden. So wird man von einem durchschnittlichen Kaufmann eine zumindest etwas qualifiziertere Rechtskenntnis erwarten können, als von einem durchschnittlichen Verbraucher. Wurde der Kündigungsgrund im Kündigungsschreiben genannt oder zumindest mündlich erklärt,195 kann eine gewisse, wenngleich auch nur oberflächliche, summarische Prüfung erwartet werden. Wurden die Gründe, die eine Kündigung des Vermieters gerechtfertigt hätten, von diesem jedoch arglistig vorgetäuscht – zu denken sei hier vor allem an einen in 191  Schmidt-Futterer/Blank/Börstinghaus, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 573 Rn. 237; Staudinger/Rolfs, BGB, 2021, § 573 Rn. 238; a. A.: MünchKomm/Häublein, BGB, 8. Aufl., 2020, § 573 Rn. 149, der ein Mitverschulden des Mieters auch bei der fehlenden Schriftform der Kündigung im Wohnraummietrecht annimmt. 192  BGH, 08.04.2009, VIII ZR 231/07, NJW 2009, 2059 Rn. 13; anders hingingen: Fehl, NJW 1975, 1973 (1974). 193  LG Mannheim, 08.11.1995, 4 S 138/94 NJWE-MietR 1996, 148; SchmidtFutterer/Blank/Börstinghaus, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 573 Rn. 237; Staudinger/ Rolfs, BGB, 2021, § 573 Rn. 238. 194  Vgl. Schmidt-Futterer/Blank/Börstinghaus, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 573 Rn. 237. 195  Nach § 573 Abs. 3 S. 1 BGB sind bei einer Wohnraummiete die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters in dem Kündigungsschreiben anzugeben.

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3. Kap.: Der abstrakt berechnete Mieterschaden

Wahrheit nicht vorhandenen Eigenbedarf – verwirkt dieser jeglichen Schutz, sodass dem Mieter kein Vorwurf zu machen ist, wenn er die Kündigung widerspruchslos hingenommen hat.196 Insofern wird die Fahrlässigkeit des Mieters durch die Arglist des Vermieters „kompensiert“. Dieses Verständnis spiegelt sich auch im Kaufrecht wider. Nach § 442 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB kann sich der Käufer selbst dann auf seine Mängelrechte berufen, wenn er bei Vertragsschluss den Mangel im Zuge grober Fahrlässigkeit übersehen hat. Dafür muss der Verkäufer jedoch gerade diesen Mangel arglistig verschwiegen haben. 3. Auswirkungen einer unterlassenen Ersatzanmietung Fordert der Mieter Ersatz für den nicht zugeflossenen Vertragswert als Schadensersatz statt der Leistung kann er nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB zur Anmietung einer tauglichen Ersatzsache gehalten sein. Die Schadensminderungsobliegenheit des Mieters entsteht mit dessen Möglichkeit, die Leistungspflicht des Schuldners vollständig zum Erlöschen zu bringen, um in der Folge Schadensersatz für die gesamte (noch ausstehende) Mietzeit verlangen zu können.197 Ab diesem Moment kann sich der Mieter nun Planungssicherheit in Bezug auf das weitere Schicksal der vermieterischen Leistungspflicht verschaffen.198 Ist der zeitliche Anwendungsbereich eröffnet, muss der Mieter zumutbare Anstrengungen unternehmen, um sich ein entsprechendes Ersatzobjekt zu beschaffen.199 Um festzustellen, ob entsprechend günstige Ersatzobjekte auf dem Markt erhältlich sind, obliegt es dem Mieter, die gängigen Informationskanäle – wie etwa allgemein bekannte Internetportale – zu bemühen. Da diese Anstrengungen weder mit Kosten noch mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden sind, erscheinen diese als zumutbar. Allerdings sind dabei den Unterschieden zwischen Verbrauchern und Kaufleuten Rechnung zu tragen.200 Die Einschaltung eines Maklers fällt jedoch aufgrund der damit verbundenen Kosten in den Bereich der überobligatorischen Bemühungen und ist somit auch nicht vom Schadensersatzgläubiger zu erwarten.201

196  Ebenso:

Staudinger/Rolfs, BGB, 2021, § 573 Rn. 238. bereits unter: 3. Kap. A. III. 2. 198  So auch schon aufseiten des Käufers: 1. Kap. B. VI. 2. b). 199  Siehe dazu nur: Thiele, AcP 167 (1967), 193 (236); BeckOK/Lorenz, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 254 Rn. 30. 200  Vgl. dazu auch schon: 1. Kap. B. VI. 2. b). 201  Vgl. den überobligatorischen Bemühungen generell: BeckOK/Lorenz, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 254 Rn. 27. 197  Dazu



B. Abstrakter Mieterschaden als nicht zugeflossener Vertragswert283

Die zeitliche Komponente des Mietvertrages trägt auch im Bereich der schadensmindernden Faktoren zu einem erheblichen Maß an Unsicherheit bei. Ob und wann eine Ersatzanmietung erfolgt oder schuldhaft unterlassen wird, ist zum Zeitpunkt des Schadensersatzprozesses regelmäßig noch nicht absehbar. Es kommt somit zu einer Gratwanderung zwischen den Interessen des Mieters, der Ausgleich für den nicht zugeflossenen Vertragswert fordert, und dem Schutz des Vermieters vor überhöhten Schadensersatzforderungen. Zwar können Unsicherheiten in Bezug auf die Schadensschätzung nach § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO Berücksichtigung finden,202 jedoch darf diese komplexe Ausgangslage nicht zu einer übermäßigen Entlastung des Schadensersatzschuldners führen. Für die Schadensschätzung ist der Zeitraum, für den der Schadensersatz geltend gemacht wird, mit der zu prognostizierenden Marktlage zu vergleichen. Im Zuge dessen ist zu ergründen, ob, beziehungsweise wann die Anmietung eines zumindest vergleichbaren Ersatzobjektes zu erwarten sein wird. Dabei dürfen jedoch keine überobligatorischen Bemühungen des Mieters zugrundegelegt werden. Grundsätzlich ließe sich argumentieren, dass der Mieter auch im Rahmen des Verzugsschadens dazu gehalten sein kann, eine entsprechende Ersatzanmietung vorzunehmen, um damit die verzögerte Gebrauchsüberlassung zu überbrücken. Eine dahingehende Obliegenheit scheint jedoch zweifelhaft. Zunächst lässt der Verzug die Erfüllungspflicht des Vermieters unberührt. In der Folge müsste der Mieter jederzeit noch mit einer entsprechenden Vertragsdurchführung rechnen. Kann der Schadensersatzgläubiger dabei auch nicht die Leistungspflicht des Vermieters ausschließen und somit den Verzug beenden, besteht die Gefahr, die identische Sache zweifach zu erhalten. Das damit verbundene Kostenrisiko kann dem Mieter nicht zugemutet werden. Darüber hinaus werden die Kosten einer Ersatzanmietung regelmäßig nicht geeignet sein, eine kostengünstigere Alternative darzustellen. Der vermögensrechtliche Wert einer rechtzeitigen Gebrauchsüberlassung wird sich in vielen Fällen auf niedrige Vorhaltekosten beschränken.203

202  BGH, 17.02.1998, VI ZR 342/96, NJW 1998, 1633 (1634); BGH, 06.02.2001, VI ZR 339/99, NJW 2001, 1640 (1641). 203  In Bezug auf die Darlegungs- und Beweislast gelten die bereits dargestellten Grundsätze. So muss der Schadensersatzschuldner im Zuge einer unterlassenen Ersatzanmietung nachweisen, dass der Mieter schuldhaft zumutbare Anstrengungen unterlassen hat. Da ihm dies regelmäßig nicht möglich sein wird, muss auch hier auf die Grundsätze der sekundären Darlegungslast zurückgegriffen werden.

284

3. Kap.: Der abstrakt berechnete Mieterschaden

IV. Die fiktive Schadensberechnung des Mieters Wird dem Mieter das Mietobjekt mangelhaft überlassen, ließe sich auch an eine abstrakte Schadensberechnung in Form der fiktiven Schadensbemessung denken. In der Folge könnte der Mieter die hypothetisch angefallenen Kosten, die zur Beseitigung des Mangels notwendig wären, vom Vermieter einfordern, ohne den Mangel tatsächlich beseitigen zu müssen. Während sich ein solcher Schadensersatzanspruch im Kauf- und Werkvertrag aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB204 beziehungsweise §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB205 ergibt, würde ein Schadensersatzanspruch des Mieters aus § 536a Abs. 1 BGB folgen.206 In diesem Zusammenhang fällt der Blick auf den Aufwendungsersatz des § 536a Abs. 2 BGB. Diese Vorschrift ordnet an, dass der Mieter den Mangel selbst beseitigen und Ersatz für die erforderlichen Aufwendungen verlangen kann, wenn der Vermieter mit der Beseitigung des Mangels in Verzug ist (Nr. 1) oder die umgehende Beseitigung des Mangels zur Erhaltung oder Wiederherstellung des Bestandes der Mietsache notwendig ist (Nr. 2). Könnten nun Aufwendungen des Mieters uneingeschränkt über den Schadensersatzanspruch verlangt werden, käme es zu einer Unterminierung der in § 536a Abs. 2 BGB aufgestellten Anforderungen.207 Dadurch würde der in Abs. 2 postulierte Grundsatz, dass die Mängelbeseitigung vornehmlich in den Pflichtenkreis des Vermieters fällt,208 ins Wanken geraten. Dieses Ergebnis ist zu vermeiden, da dem Vermieter ansonsten in vielen Fällen die Möglichkeit genommen wird, die Mietsache selbst auf die Mangelhaftigkeit zu untersuchen. Auch die Mangelursache und die Sicherung entsprechender Beweise wäre dem Schadensersatzschuldner verbaut.209 Daraus ließe sich der Schluss folgern, dass der Mieter keinen Schadensersatz nach § 536a Abs. 1 BGB verlangen kann, wenn es sich um Aufwendungen handelt, deren Ersatzfähigkeit sich nach § 536a Abs. 2 BGB richtet.210 204  BGH,

12.3.2021, V ZR 33/19, BGHZ 229, 115 Rn. 9. 22.02.2018, VII ZR 46/17, BGHZ 218, 1 Rn. 22. 206  Riehm, NZM 2019, 273 (278). 207  MünchKomm/Häublein, BGB, 8. Aufl., 2020, § 536a Rn. 18; BeckOK/Wiederhold, BGB, 64. Edition, 01.11.2022, § 536a Rn. 31. 208  BGH, 16.01.2008, VIII ZR 222/06, NJW 2008, 1216 Rn. 22, 25; Dötsch, NZM 2007, 275 (277); MünchKomm/Häublein, BGB, 8. Aufl., 2020, § 536a Rn. 18; BeckOK/Wiederhold, BGB, 64. Edition, 01.11.2022, § 536a Rn. 31. 209  BGH, 16.01.2008, VIII ZR 222/06, NJW 2008, 1216 Rn. 22, 25; Dötsch, NZM 2007, 275 (277). 210  BeckOGK/Emmerich, BGB, Stand: 01.01.2023, § 539 Rn. 8. Insofern verlaufen der Aufwendungs- und der Schadensersatzanspruch in ihrer Höhe parallel zueinander. 205  BGH,



B. Abstrakter Mieterschaden als nicht zugeflossener Vertragswert285

Alternativ wurde für diese Fälle vorgeschlagen, einen Schadensersatzanspruch aus § 536a Abs. 1 BGB nur dann zu bejahen, wenn gleichzeitig ein Anspruch auf Aufwendungsersatz nach Abs. 2 besteht.211 Es stellt sich somit nun die Frage, welchen „Nutzen“ der Mieter von einem solchen Schadensersatzanspruch überhaupt hätte. Die Notwendigkeit eines Anspruches aus § 536a Abs. 1 BGB ließe sich in der Möglichkeit einer fiktiven Schadensbemessung erblicken. Dem Gesetz ist ein Vorschussanspruch des Mieters in den Fällen des § 536a Abs. 2 BGB fremd.212 Folglich träfe den Schadensersatzgläubiger ein umfassendes Vorfinanzierungsrisiko, das durch die fiktive Schadensbemessung wirkmächtig unterbunden werden soll.213 Zwar mindert sich die Miete für die Zeit der Mangelhaftigkeit nach § 536 Abs. 1 S. 1 BGB ipso iure, jedoch stellt dieser Mechanismus kein adäquates Instrument dar, um einem etwaigen Vorfinanzierungsrisiko zu begegnen.214 So werden bereits die Mangelbeseitigungskosten und der mangelbedingte Minderungsbetrag in den allermeisten Fällen nicht in ihrer Höhe übereinstimmen, da die geminderte Miete stets nach den Umständen des Einzelfalles zu bemessen ist.215 So können auch kleine Mängel, die nur eine geringfügige Minderung auslösen, mit erheblichen Beseitigungskosten einhergehen. Weigert sich der Vermieter zudem, die Mangelbeseitigung durchzuführen, wird der Mieter bei einer entsprechenden, eilbedürftigen Reparatur ein Vorfinanzierungsrisiko auf sich nehmen müssen.216 Die fiktive Schadensberechnung kann dieses Vorfinanzierungsrisiko eindämmen. Allerdings muss der Vermieter im Wege dieser Schadensbemessungsform von seiner Erhaltungspflicht nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB in Bezug 211  BGH, 16.01.2008, VIII ZR 222/06, NJW 2008, 1216 Rn. 25; MünchKomm/ Häublein, BGB, 8. Aufl., 2020, § 536a Rn. 18; BeckOK/Wiederhold, BGB, 64. Edition, 01.11.2022, § 536a Rn. 31. Der Aufwendungsersatz nach § 539 Abs. 1 BGB ist ebenfalls ausgeschlossen, wenn Aufwendungen in Rede stehen, die über § 536a Abs. 2 BGB zu ersetzen wären. Siehe dazu: BGH, 16.01.2008, VIII ZR 222/06, NJW 2008, 1216 Rn. 22; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, 15. Aufl., 2021, § 536a Rn. 176 m. w. N. 212  Gleichwohl hat der Bundesgerichtshof einen Anspruch auf Aufwendungsvorschuss aus reinen Billigkeitsgründen akzeptiert. Siehe dazu: BGH, 28. 5. 2008, VIII ZR 271/07, NJW 2008, 2432 Rn. 8; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 536a Rn. 146. 213  Dazu bereits ausführlich: Schlereth/Stenger, r+s 2022, 380 (385). 214  Schlereth/Stenger, r+s 2022, 380 (384 f.). 215  Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 15.  Aufl., 2021, §  536 Rn.  389; BeckOK/Wiederhold, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 536 Rn. 127; für eine Darstellung der Entscheidungen zur Höhe der Mietminderung: Börstinghaus, Mietminderungstabelle, 4. Aufl., 2017, Teil 2. 216  Zum Ganzen: Schlereth/Stenger, r+s 2022, 380 (385).

286

3. Kap.: Der abstrakt berechnete Mieterschaden

auf den in Rede stehenden Mangel befreit werden.217 Darüber hinaus ist diese Berechnungsmethode aufseiten des Mieters mit zwei Besonderheiten verbunden: Zum einen wird dessen Dispositionsfreiheit beschränkt. Der Mieter muss daher die vom Vermieter erhaltenen Geldmittel tatsächlich zur Mangelbeseitigung einsetzen.218 Verzichtet der Mieter darauf, die Mangelbehebung auf eigene Faust in die Wege zu leiten, sieht das Gesetz dafür die Minderung vor.219 Eine fiktive Abrechnung würde in diesem Fall nicht dem Ziel entsprechen, das Vorfinanzierungsrisiko des Mieters zu beseitigen. Zum anderen wird durch die Zahlung der fiktiven Mangelbeseitigungskosten die mangelbedingte Äquivalenzstörung ausgeglichen.220 Ebendiese Funktion erfüllt die Mietminderung,221 sodass eine Reduzierung des Mietzinses nach § 536 Abs. 1 S. 1 BGB für denselben Mangel nicht mehr in Betracht kommen kann.222 Um die eigene Arbeitsleistung des Mieters nicht zu „entwerten“, darf er die Kosten eines Fachbetriebes auch dann seiner Schadensberechnung zugrunde legen, wenn er die fachgerechte Mangelbehebung selbst durchgeführt hat.223 Auf diese Weise würde das Vorfinanzierungsrisiko des Mieters über den Schadensersatzanspruch des § 536a Abs. 1 BGB minimiert.

V. Zusammenfassung der Ergebnisse Dem Anspruch des Mieters auf Überlassung der Mietsache kommt ein monetärer Wert zu. Dieser Anspruchswert realisiert sich durch die ordnungsgemäße Überlassung der Mietsache durch den Vermieter, der im Gegenzug den Mietzins erhält. Je nach Marktlage kann der monetäre Wert der Leistung die Höhe der Gegenleistung übersteigen. Das pekuniäre Interesse des Mieters kann somit abstrakt anhand der Marktmiete, deren zukünftige Entwicklung ggf. zu prognostizieren ist, ermittelt werden. Bleibt die Überlassung aus, kann der Schadensersatzgläubiger die Differenz zwischen vereinbartem Mietzins und der Marktmiete als Schadensersatz statt der Leistung geltend machen. Für die Zeit, in der sich der Vermieter in Verzug befindet, kann der Mieter einen Ausgleich für den vermögensrechtlichen Vorteil verlangen, der ihm NZM 2019, 273 (278). r+s 2022, 380 (385). 219  Schlereth/Stenger, r+s 2022, 380 (385). 220  Schlereth/Stenger, r+s 2022, 380 (385). 221  BGH, 21.12.1960, VIII ZR 214/59, MDR 1961, 683; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 536 Rn. 3. 222  Schlereth/Stenger, r+s 2022, 380 (385). 223  Riehm, NZM 2019, 273 (278). 217  Riehm,

218  Schlereth/Stenger,



B. Abstrakter Mieterschaden als nicht zugeflossener Vertragswert287

durch die verzögerte Überlassung entgangen ist. Ein Rückgriff auf die vom Großen Zivilsenat entwickelten Grundsätze ist dabei nur noch bedingt notwendig. Durch die Verschiebung des für den Vermögensvergleich maßgeblichen Zeitpunktes auf den Verzugseintritt, lässt sich mithilfe der (modifizierten) Differenzhypothese generell feststellen, dass der vermögensrechtliche Wert einer rechtzeitigen Gebrauchsüberlassung ausgeblieben ist. Das vermögensrechtliche Element, das der rechtzeitigen Überlassung dabei zu Teil wird, setzt sich aus einer möglichen „Anspruchsentwertung“, die durch sinkende Preise hervorgerufen wird, und den Vorhaltekosten des Mieters zusammen. Des Weiteren steht es dem Mieter im Falle einer mangelhaften Überlassung frei, seinen Schaden auf der Grundlage fiktiver Mangelbeseitigungskosten zu berechnen. Dies ist jedoch nur in den Fällen möglich, in denen auch die Voraussetzungen des § 536a Abs. 2 BGB erfüllt wären. Darüber hinaus wird der Mieter in seiner Dispositionsfreiheit beschränkt, da er den Mangel tatsächlich beseitigen lassen muss. Eine schadensmindernde respektive ausschließende Funktion kann einer Ersatzanmietung zukommen. Dies gilt jedoch nur für die Fälle, in denen das Zweitobjekt als gleichartig und als mindestens gleichwertig anzusehen ist. Nur dann kann die Ersatzanmietung das Interesse des Mieters an der geschuldeten Erfüllung ersetzen. Dies lässt sich auf den monetären Wertgehalt des Überlassungsanspruches zurückführen, der nicht durch die Anmietung eines ge­rin­ger­wer­tigen Mietobjektes ausgeglichen werden kann. Unterlässt der Mieter schuldhaft eine Ersatzanmietung, die preislich unterhalb der Marktmiete angesiedelt ist, kann er nur noch die Differenz zwischen dem vereinbarten Mietzins und den (Mehr-)Kosten der günstigeren Ersatzanmietung in seine abstrakte Schadensberechnung einstellen (§ 254 Abs. 2 S. 1 BGB). Ob eine Ersatzanmietung tatsächlich noch erfolgt oder unterlassen wird, ist zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung regelmäßig noch nicht absehbar. Daher muss anhand der zu prognostizierenden Marktlage eine entsprechende Wahrscheinlichkeit ermittelt werden. Weiterhin kann den Mieter ein Mitverschulden nach § 254 Abs. 1 BGB treffen, wenn es für einen durchschnittlichen Angehörigen seines Verkehrskreises begründete Zweifel an der Wirksamkeit der Kündigung gab und dennoch die Kündigung widerstandslos hingenommen wurde. Täuscht der Vermieter jedoch arglistig einen Kündigungsgrund vor, verliert er jegliche Schutzwürdigkeit, da die Arglist ein etwaiges fahrlässiges Mitverschulden des Mieters kompensiert. Die Darlegungs- und Beweislast trifft den schadensersatzberechtigten Mieter dahingehend, dass er die Marktmiete und den maßgeblichen Zeitraum, für den der Schadensersatz gefordert wird, nachweisen muss. Der Vermieter kann wiederum schadensmindernde Faktoren wie das schuldhafte Unterlas-

288

3. Kap.: Der abstrakt berechnete Mieterschaden

sen einer Ersatzanmietung geltend machen. Allerdings wird es dem Vermieter kaum möglich sein, den Nachweis zu führen, welche Anstrengungen der Mieter im Einzelnen auf sich genommen hat. Diesbezüglich bedarf es einer sekundären Darlegungslast, um die materiellen Grundsätze nicht prozessrechtlich zu untergraben.

4. Kapitel

Der abstrakt berechnete Vermieterschaden Bei der Berechnung des Vermieterschadens werden die bereits im Zuge des Verkäuferschadens diskutierten Grundsätze durch die mietvertraglichen Besonderheiten erweitert. So kommen für den Vermieter sowohl Berechnungsmethoden in Betracht, die mit dem „gewöhnlichen Verlauf der Dinge“ operieren, als auch Berechnungsmodi, die im Ereignis eine abstrakte Schadensberechnung im engeren Sinne ermöglichen.

A. Die abstrakte Schadensberechnung des Vermieters als Mietausfallschaden Fordert der Vermieter Ersatz für einen Mietausfall, macht er einen entgangenen Gewinn geltend.1 Die Voraussetzungen sowie die Berechnungsparameter müssen dabei im Lichte der jeweils zugrunde liegenden Konstellation betrachtet werden. In der ersten zu untersuchenden Fallgruppe erleidet der Vermieter einen Mietausfallschaden aufgrund einer durch den Mieter veranlassten Kündigung. Das Mietobjekt wird dem Vermieter bei Vertragsende jedoch wieder ordnungsgemäß überlassen. In der zweiten Fallgruppe kommt der Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses seiner Rückgabepflicht aus § 546 Abs. 1 BGB nicht oder schlecht nach, sodass der Vermieter in der Folge zeitweise an einer Weitervermietung gehindert wird.

I. Der Kündigungsfolgeschaden bei ordnungsgemäßer Rückgabe des Mietobjektes Wurde die Kündigung des Mietverhältnisses durch ein schuldhaftes Verhalten des Mieters veranlasst, so muss dieser dem Vermieter den durch die Beendigung des Mietverhältnisses entstandenen Schaden ersetzen.2 Der Schadensersatzanspruch des Vermieters richtet sich in diesem Fall nach § 280 1  Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15.  Aufl., 2021, §  564a Rn.  99; BGH, 23.04.2008, XII ZR 136/05, juris Rn. 19; BGH, 13.10.2016, IX ZR 149/15, NJW 2017, 1600 Rn. 19. 2  Exemplarisch: BGH, 28.10.1981, VIII ZR 302/80, BGHZ 82, 121 (129 f.); BGH, 24.01.2018, XII ZR 120/16, NZM 2018, 333 Rn. 23; Blank/Börstinghaus/Blank/Börs-

290

4. Kap.: Der abstrakt berechnete Vermieterschaden

Abs. 1 BGB.3 Dies gilt unabhängig davon, ob Leistungspflichten (§ 241 Abs. 1 BGB) oder Nebenpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) durch den Mieter verletzt wurden.4 Die entgangenen Mieteinnahmen sind darüber hinaus nur anhand der Nettokaltmiete, also des Betrages, der für die reine Sachnutzung verlangt wird, zu bemessen.5 1. Die Höhe des Mietausfallschadens Kündigt der Vermieter berechtigterweise das Mietverhältnis, entgehen ihm die Mieteinnahmen, die er bei einer weiteren Fortführung des Mietvertrages eingenommen hätte. Dieser Posten stellt sodann für den Vermieter einen ersatzfähigen Kündigungsfolgeschaden dar. Für die Berechnung dieses Schadens stehen dem Vermieter die zu § 252 S. 2 BGB entwickelten Grundsätze zur Seite.6 Der hier in Rede stehende Schadensposten wurzelt jedoch gerade nicht in möglichen Weitervermietungen, die nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten waren (§ 252 S. 2 Alt. 1 BGB), sondern in den konkreten Umständen, die sich aus dem vom Mieter und Vermieter vereinbarten Mietzins ergeben (§ 252 S. 2 Alt. 2 BGB).7 Die Schadensersatzforderung entspricht daher einer konkreten Berechnung nach den Umständen des Einzelfalles und keiner typisierenden Betrachtungsweise. Zudem ist der Schadensersatzanspruch in zeitlicher Hinsicht zu begrenzen. Das Bedürfnis nach einer solchen Restriktion wird besonders bei unbefristeten Mietverträgen deutlich, da sich der Mietausfallschaden – vorbehaltlich einer Anspruchskürzung nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB – ansonsten über Jahrzehnte erstrecken könnte. Daher kann der Vermieter lediglich bis zu dem Zeitpunkt Schadensersatz verlangen, an dem der Mieter sich hypothetisch vom Mietvertrag einseitig hätte lösen können.8 Dabei ist die jeweitinghaus, Miete, 6. Aufl., 2020, § 542 Rn. 112 allesamt mit jeweils weiteren Nachweisen. 3  Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., 2020, § 542 Rn. 112; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 542 Rn. 103. 4  Ausführlich: Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 542 Rn. 103. 5  Zu diesem Begriff: BeckOGK/Drager, BGB, 01.07.2021, § 556 Rn. 16; Rössler/ Troll/Eisele, BewG, Werkstand: 34. EL Januar 2022, § 254 Rn. 7. 6  Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 99. 7  Vgl. BGH, 16.02.2005, XII ZR 162/01, NZM 2005, 340 (341); Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., 2020, § 542 Rn. 116. 8  BGH, 15.09. 1997, II ZR 94/96, NJW 1998, 372 (374); BGH, 30.06.2004, VIII ZR 379/0, NJW 2004, 3117, die jedoch nur von der Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgehen; Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., 2020, § 542 Rn. 119; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 101.



A. Abstrakte Schadensberechnung des Vermieters als Mietausfallschaden291

lige Kündigungsfrist des Mieters zu beachten.9 In diesem Zusammenhang drängt sich abermals10 die Frage auf, zu welchem gedanklichen Zeitpunkt diese (imaginäre) Kündigungsfrist beginnen würde. Die hypothetische Kündigungsfrist startet nach der hier vertretenen Ansicht mit dem Wirksamwerden der vermieterischen Kündigung, sprich, mit deren Zugang beim Mieter.11 Diese Schlussfolgerung ist auf folgende Überlegung zurückzuführen: Bei einem unbefristeten Mietverhältnis sind Mieter und Vermieter grundsätzlich jederzeit zu einer ordentlichen Kündigung unter Einhaltung der entsprechenden Frist berechtigt (§ 542 Abs. 1 BGB). Kündigt nun der Vermieter beispielsweise dem Mieter wirksam fristlos außerordentlich nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 a), weil der Mieter an zwei aufeinanderfolgenden Terminen keine Miete einrichtete, schneidet sich der Vermieter für die Zukunft weitere Ansprüche auf die Mietzahlung ab. Hätte sich der Mieter bis zum Zugang der außerordentlichen Kündigung vom Vertrag lösen wollen, blieb ihm meist keine andere Möglichkeit als ordentlich unter Einhaltung der Frist zu kündigen. Der Mietzins wäre während dieser ordentlichen Kündigungsfrist jedoch noch weiter zu entrichten gewesen. Indem der Vermieter fristlos das Mietverhältnis beendet, „beraubt“ er sich selbst der Mieteinnahmen, die innerhalb der hypothetischen Kündigungsfrist des Mieters angefallen wären. Hat der Mieter zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der vermieterischen Kündigung von seinem eigenen Kündigungsrecht – sei es ordentlicher oder außerordentlicher Natur – noch nicht Gebrauch gemacht, ist im Zuge der Schadensberechnung zu unterstellen, dass er jedenfalls bei Zugang der vermieterischen Kündigung selbst ordentlich gekündigt hätte und dass diese hypothetische Kündigung sogleich zugegangen wäre. Wurde der Mietvertrag wirksam befristet,12 könnte sich der Mieter nicht (hypothetisch) einseitig durch eine ordentliche Kündigung vom Vertrag vorzeitig lösen. Der Vermieter ist im Zuge der Schadensberechnung daher so zu stellen, als wäre er nicht zu der außerordentlichen Kündigung veranlasst

9  Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus,

Miete, 6. Aufl., 2020, § 542 Rn. 119. dazu bereits: 3. Kap. A. II. 11  Statt aller zum Wirksamwerden der Kündigung: Staudinger/Rolfs, BGB, 2021, § 542 Rn. 31. 12  Etwas anderes würde etwa dann gelten, wenn ein Verstoß gegen das Formerfordernis des § 550 S. 1 BGB vorliegt. Wird nach dieser Vorschrift der Mietvertrag länger als für ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen, so ist dieser als nicht befristet anzusehen. Ein etwaiger Verstoß ist dabei auch von Amts wegen vom Gericht zu prüfen. Siehe dazu: OLG Rostock, 02.07.2009, 3 U 146/08, juris Rn. 36 f.; Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., 2020, § 542 Rn. 119. 10  Siehe

292

4. Kap.: Der abstrakt berechnete Vermieterschaden

worden.13 Der Schadensersatz erstreckt sich daher auf den Moment, an dem das Mietverhältnis durch Zeitablauf (§ 542 Abs. 2 BGB) endet. Diese Auffassung hat zur Folge, dass ein Kündigungsfolgeschaden in Form eines Mietausfallschadens für den Vermieter nicht in Betracht kommt, wenn die Kündigungsfrist, die durch dessen ordentliche beziehungsweise außerordentliche Kündigung in Gang gesetzt wurde, mit der hypothetischen Kündigungsfrist des Mieters zeitlich identisch ist oder diese sogar übersteigt. Als Beispiele könnte hier auf Gewerberaummietverhältnisse verwiesen werden, bei denen sowohl die ordentliche als auch die außerordentliche ­Kündigungsfrist für beide Parteien nach § 580a Abs. 2 (ggf. i. V. m. Abs. 4) sechs Monate beträgt beziehungsweise betragen kann.14 Auch bei Wohnraummietverhältnissen verlaufen die ordentlichen Kündigungsfristen von Mieter und Vermieter zunächst parallel, wobei sich die Kündigungsfrist des Vermieters mit zunehmender Mietdauer verlängert (§ 573c Abs. 1 BGB). Diese zeitliche Limitierung des Mietausfallschadens ist keineswegs ungerecht. Steht es dem Mieter zu, sich jederzeit von dem Mietverhältnis – gegebenenfalls unter Einhaltung etwaiger Fristen – zu lösen, muss der Vermieter auch stets mit dieser Möglichkeit rechnen. Wäre die Kündigung des Vermieters nicht erfolgt, hätte theoretisch auch der Mieter zum Zeitpunkt der vermieterischen Kündigung die Beendigung des Mietverhältnisses in die Wege leiten können. In der Folge wäre der Vermieter bei ordnungsgemäßer Rückgabe der Mietsache auch nicht zur Forderung eines Mietausfallschadens berechtigt gewesen. 2. Einschränkende Faktoren Wird das Mietobjekt vom Vermieter während des Zeitraumes, für den der Mieter zum Ersatz des Mietausfallschadens verpflichtet ist, anderweitig vermietet, so ist diese Weitervermietung grundsätzlich geeignet, den entgangenen Gewinn zu verhindern. Allerdings könnte im Rahmen dieses potenziellen Ausschlussgrundes ein Einfallstor für eine konkret-typisierende Betrachtung liegen. Dadurch könnte der gewöhnliche Geschehensablauf auch bei der konkreten Schadensberechnung des § 252 S. 2 Alt. 2 BGB eine Rolle spielen.15 So ließen sich womöglich die für den Verkäufer entwickelten Grundsätze 13  BGH, 28.10.1981, VIII ZR 302/80, BGHZ 82, 121 (129 f.); BGH, 04.04.1984, VIII ZR 313/82, NJW 1984, 2687 (2689); Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., 2020, § 542 Rn. 119. 14  Nach § 580a Abs. 4 BGB gilt die Kündigungsfrist des Abs. 2, wenn ein Mietverhältnis außerordentlich mit der gesetzlichen Frist gekündigt werden kann. 15  Vgl. dazu bereits das typisierende Element im Rahmen des Verkäuferschadens: 2. Kap. B. II.



A. Abstrakte Schadensberechnung des Vermieters als Mietausfallschaden293

übertragen. Veräußert der Verkäufer eine nicht abgenommene Ware an einen Dritten, besteht die widerlegbare Vermutung, dass sich der Verkäufer die entsprechende Ware noch einmal hätte beschaffen und dies hätte absetzen können.16 Diese Vorstellung ist auf Händler und Produzenten beschränkt, da der Ankauf beziehungsweise die Produktion und der Verkauf von Waren nur bei diesen Personengruppen einen gewöhnlichen Verlauf der Dinge darstellt.17 Um diese Vorstellung auf den Vermieter übertragen zu können, müsste ein Erfahrungssatz bestehen, dass der Schadensersatzgläubiger das jeweilige Mietobjekt bei Vertragstreue des Erstmieters noch ein zweites Mal hätte beschaffen und an den zweiten Mieter vermieten können. Verfügt der Vermieter über eine Mehrzahl der entsprechenden Mietobjekte, die ihm auch vermietungsbereit zur Verfügung gestanden hätten, wäre das Zweitgeschäft lediglich als zusätzliches Geschäft zu qualifizieren. Somit hätte die Weitervermietung an den Zweitmieter keine schadensmindernde Auswirkung. Steht dem Vermieter allerdings nur ein entsprechendes Miet­objekt zur Verfügung, erscheint es fraglich, ob eine entsprechende Ersatz­sache besorgt worden wäre, um das Geschäft mit dem Zweitmieter durchführen zu können. Der Vermieter müsste die gleiche oder eine zumindest vergleichbare Mietsache entweder käuflich erwerben oder selbst von einer dritten Person mieten, um sie anschließend weitervermieten zu können. Bei näherer Betrachtung scheinen beide Alternativen kaum mit einem gewöhnlichen Geschehensablauf vereinbar. Würde der Vermieter ein neues Mietobjekt käuflich erwerben, um das Geschäft mit dem Zweitmieter durchführen zu können, würde diese Investition mit einem immensen Kostenrisiko für den Vermieter einhergehen. Der dadurch erzielte Gewinn würde oft nur einen Bruchteil der Anschaffungskosten auffangen. Im Gegensatz zum Verkäufer, der durch die Vornahme des Zweitgeschäftes auch die Anschaffungskosten des Objektes erwirtschaftet, läuft der Vermieter Gefahr, durch die Investition weitreichende wirtschaftliche Nachteile zu erleiden. Ferner ist auch eine Ersatzanmietung des Vermieters nicht zu erwarten. Ein solches Ersatzgeschäft wäre in den meisten Fällen nicht rentabel für den Vermieter, da Mietobjekte ihren wirtschaftlichen Nutzen in der Regel erst durch eine mehrmalige Weitervermietung entfalten. Die singuläre Weitervermietung an den Zweitmieter wird sich für den Vermieter somit meist nicht auszahlen. Zudem bestünde die Gefahr, dass die Mietzeit des Schadenser16  BGH, 03.05.1960, VIII ZR 88/59, JZ 1961, 27 (28); BGH, 08.10.1969, VIII ZR 20/68, NJW 1970, 29 (30); BGH, 29.06.1994, VIII ZR 317/93, BGHZ 126, 305 (308); BGH, 15.11.2011, VI ZR 4/11, NJW 2012, 601 Rn. 11; Staub/Koenige, HGB, 12./13. Aufl., 1926, Band 3, Anh. zu § 374 Anm. 29 f.; Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, § 280 Rn. E87; MünchKomm/Emmerich, BGB, 9. Aufl., 2022, Vor § 281 Rn. 31. 17  Dazu bereits unter: 2. Kap. IV.

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4. Kap.: Der abstrakt berechnete Vermieterschaden

satzgläubigers die (Unter-)Mietzeit des Zweitmieters übersteigt. In der Folge müsste der Vermieter auf einen weiteren Mieter hoffen, der die Ersatzsache für die restliche Mietzeit anmietet. Diese Aspekte sprechen klar gegen einen gewöhnlichen Geschehensablauf. Unterlässt der Vermieter schuldhaft eine Weitervermietung, droht ihm eine Anspruchskürzung nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB.18 Diese Obliegenheit entsteht, sobald sich der Vermieter von seiner Leistungspflicht aus dem Mietvertrag befreien könnte.19 Auch hier muss das unterlassene Geschäft tatsächlich an die Stelle des mit dem vertragsbrüchig gewordenen Mieter abgeschlossenen Geschäfts treten.20 Wird dem Vermieter nach der Beendigung des Mietverhältnisses die Sache unverzüglich vom Mieter wieder überlassen, stellt sich allerdings die Frage, welche schadensrechtlichen Auswirkungen mit der Wiedererlangung des unmittelbaren Besitzes einhergehen. Wäre die Kündigung nicht durch ein Verhalten des Mieters herbeigeführt worden, hätte der Vermieter weiterhin den Mietzins verlangen können und im Gegenzug dem Mieter das Mietobjekt vertragsgemäß überlassen müssen. In der vorliegenden Fallgestaltung kann der Vermieter seinen entgangenen Gewinn fordern und gleichzeitig vom unmittelbaren Besitz an der Mietsache profitieren.21 Verstößt er in der Folge auch nicht schuldhaft gegen seine Schadensminderungsobliegenheit aus § 254 Abs. 2 S. 1 BGB, stünde er besser als bei pflichtgemäßem Verhalten des Mieters. Im Rahmen des Verkäuferschadens wird deshalb der Sachwert (= Marktverkaufspreis) der nicht abgenommenen Ware im Kontext zu den übrigen Ausschlussgründen betrachtet. Eine Anrechnung des Marktverkaufspreises auf den Schadensersatzanspruch erfolgt somit nur dann, wenn der Gewinn einer hypothetischen Weiterveräußerung an die Stelle des vom vertragsbrüchigen Käufer geschuldeten Gewinnes treten würde.22 Eine Anrechnung würde demnach nicht erfolgen, wenn es sich bei der Weiterveräußerung um ein zusätzliches Geschäft handeln würde.23 Diese Handhabung mag im kauf18  Zur

Parallelproblematik aufseiten des Verkäufers: 2. Kap. B. IV. 2. bereits unter: 3. Kap. III. 2. (Mieter) und 1. Kap. B. VI. 2. b) (Käufer). 20  Vgl. Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 135– 137. 21  Vgl. RG, 05.07.1918, III 117/18, WarnR 1918, 271 Nr.  184 (272); RG, 03.02.1925, VI 274/24, RGZ 110, 155 (159); Flume, AcP 215 (2015), 282 (336–339). 22  Staub/Würdinger/Röhricht, HGB, Großkommentar, 4. Band, 3. Aufl., 1970, Vor § 373 Anm. 356; Bardo, Die „abstrakte“ Berechnung des Schadensersatzes, 1989, S. 184; vgl. ferner: Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl., 1982, § 376 Rn. 33; Huber, Leistungsstörung, Band 2, 1999, § 38 II 3, S. 240. 23  Zur Parallelproblematik aufseiten des Verkäufers: 2. Kap. B. II. 3. 19  Dazu



A. Abstrakte Schadensberechnung des Vermieters als Mietausfallschaden295

vertraglichen Bereich ihre Berechtigung haben, kann aber nicht auf den Mietvertrag übertragen werden, da der Anwendungsbereich des Mietausfallschadens anderenfalls auf ein Minimum reduziert wird. Im Gegensatz zum Kaufvertrag besteht beim Mietvertrag keine weitreichende Vermutung, dass sich der Vermieter die Mietsache noch einmal beschafft hätte, sodass eine hypothetische Weitervermietung in den meisten Fällen nicht als zusätzliches Geschäft zu bewerten wäre. Folglich kann die Anrechnung des Sachwertes, der hier anhand der Marktmiete zu bemessen wäre, auch nicht durch den typischen Geschehensablauf begrenzt werden. Wird etwa ein Wohnraummietverhältnis durch eine außerordentliche Kündigung des Vermieters wirksam beendet, und dem Vermieter in der Folge das Mietobjekt wieder überlassen, wird man davon ausgehen müssen, dass eine Neuvermietung gerade an die Stelle des beendeten Mietverhältnisses tritt. Es besteht kein dahingehender Erfahrungssatz, dass ein Vermieter weiteren vergleichbaren Wohnraum zur Verfügung hat oder sich solchen beschafft hätte, um das Geschäft mit dem neuen Mieter auch ohne die außerordentliche Kündigung durchzuführen. Im Ergebnis würde der Mieter, der durch sein pflichtwidriges Verhalten die Kündigung herbeigeführt hat, in nicht zu rechtfertigender Weise profitieren. Daher kommt eine Anrechnung nach dem verkäuferrechtlichen Vorbild an dieser Stelle nicht in Betracht. Um jedoch einer etwaigen Überkompen­ sation des Vermieters zu begegnen, sind im Gegenzug die Sorgfaltsanforderungen im Rahmen des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB zu erhöhen. Der Schadensersatzanspruch ist von der Umsatzsteuer zu bereinigen.24 Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn der Vermieter wirksam auf die Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nr. 12 a) UStG nach § 9 Abs. 1 UStG verzichtet hat.

II. Der Mietausfallschaden bei Nicht- und Schlechterfüllung der Rückgabepflicht Durch die Nicht- oder Schlechterfüllung der in § 546 Abs. 1 BGB positivierten Rückgabepflicht25 wird der Vermieter regelmäßig mit einem Mietausfallschaden konfrontiert. In diesem Fall kann der Gläubiger auf die allgemein in Frage kommenden Schadensersatzansprüche zurückgreifen,26 wie 24  BGH, 23.04.2008, XII ZR 136/05, juris Rn. 28; BGH, 24.01.2018, XII ZR 120/16, NZM 2018, 333 Rn. 25; Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., 2020, § 542 Rn. 119. 25  Zur Reichweite dieser Rückgabepflicht unter: 4. Kap. A. I. 2. a). 26  Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., 2020, § 546a Rn. 43; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 82.

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4. Kap.: Der abstrakt berechnete Vermieterschaden

dies auch im Falle der Vorenthaltung durch die in § 546a Abs. 2 BGB verankerte Klarstellung27 zum Ausdruck gebracht wird. Zeitgleich eröffnet sich dem Vermieter mit § 546a Abs. 1 BGB auch ein anderer Weg, der im Ergebnis starke Parallelen zu einer abstrakten Schadensberechnung im engeren Sinne28 erkennen lässt. 1. Die Nutzungsentschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB Der Gesetzgeber schuf mit dem Entschädigungsanspruch des § 546a Abs. 1 BGB ein leicht handhabbares Instrument, das es dem Vermieter erlaubt, den Mieter im Falle einer Vorenthaltung der Mietsache zur Herausgabe zu bewegen.29 Dabei kann der Vermieter für die Zeit der Vorenthaltung, die lediglich die Nichtleistung der Rückgabepflicht erfasst,30 die vereinbarte oder die ortsübliche Miete ersetzt, verlangen. Voraussetzung dafür ist, dass ein zuvor wirksames Mietverhältnis beendet wurde, der Mieter zur Rückgabe des Miet­ objektes verpflichtet ist und die ausbleibende Vorenthaltung nicht dem Willen des Vermieters entspricht.31 a) Rechtsnatur des § 546a Abs. 1 BGB und deren Auswirkungen Um das Wesen des § 546a Abs. 1 BGB ergründen zu können, gilt es zunächst die Rechtsnatur dieser Vorschrift zu bestimmen. Naheliegend wäre eine Klassifikation als (modifizierter32) Schadensersatzanspruch.33 In der Folge wäre der Anspruch grundsätzlich sämtlichen allgemeinen schadensrechtlichen Leitlinien unterworfen, sodass insbesondere eine Anspruchskürzung nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB möglich wäre.34 Die überwiegende und 27  § 546a Abs. 2 BGB stellt hierbei keine eigene Anspruchsgrundlage dar. Siehe dazu: Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., 2020, § 546a Rn. 43; Staudinger/Rolfs, BGB, 2021, § 546a Rn. 56. 28  Zur Terminologie bereits unter: Einleitung II. 1. 29  Mugdan, Die gesammten Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB, Band 2, 1899, S. 231 f. = Motive II, S. 415. 30  OLG Düsseldorf, 28.05.2002, 24 U 133/01, NZM 2002, 742; Schmidt-Futterer/ Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 47. 31  Zu den Tatbestandsvoraussetzungen siehe: Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., 2020, § 546a Rn. 5 ff.; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 22 ff. 32  Greiner, ZMR 1998, 403 (404). 33  BGH, 07.12.1960, VIII ZR 16/60, NJW 1961, 916; OLG Frankfurt, 21.01.1987, 17 U 52/85, NJW-RR 1988, 1213 (1214); OLG Karlsruhe, 04.02.1987, 13 U 14/86LG, BeckRS 1987, 30913288 (unter III. 1.). 34  Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., 2020, § 546a Rn. 2.



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auch zutreffende Ansicht betrachtet den Entschädigungsanspruch dagegen als einen vertraglichen Anspruch eigener Art, der an die Stelle des Mietzinsanspruches tritt.35 Durch die Vorenthaltung des Mietobjektes erbringt der Vermieter faktisch die vormals bestehende mietvertragliche Verpflichtung. Zeitgleich hat der Mieter immer noch die Möglichkeit, auf die Sache einzuwirken und diese für seine Zwecke einzusetzen. Dadurch profitiert der Mieter noch immer von dieser nunmehr unfreiwilligen Überlassung des Mietobjektes. Die Entschädigung des Abs. 1 ist daher so zu verstehen, dass der Vermieter einen Ausgleich für die noch fortdauernde Nutzungsmöglichkeit des Mieters erhalten soll.36 Die Möglichkeit, die vereinbarte respektive die ortsübliche Miete für die Zeit der Vorenthaltung verlangen zu können, soll dabei für den Vermieter das Mindeste darstellen, das er fordern kann.37 Im ersten Fall wird er in Bezug auf die zu leistende (Nutzungs-)Entschädigung so gestellt, als ob das Mietverhältnis zwischen ihm und dem Schadensersatzschuldner noch immer bestehen würde. In der zweiten Alternative erhält er den Mietzins, der ortsüblich ist und den er in Folge einer Neuvermietung hätte erwarten können.38 Im Gegensatz zum Schadensersatzanspruch steht der Entschädigungsanspruch somit in einer gewissen Wechselbeziehung zur (faktischen) Leistung des Vermieters,39 weshalb auch der Entschädigungsanspruch als ein umsatzsteuerpflichtiges Geschäft zu behandeln ist.40 Daher ist die Entschädigung des § 546a Abs. 1 BGB als vertraglicher Anspruch zu verstehen, der nicht den schadensrechtlichen Grundsätzen unterworfen ist. Insbesondere scheidet eine 35  BGH, 27.04.1977, VIII ZR 246/75, BGHZ 68, 307 (310); BGH, 15.02.1984, VIII ZR 213/82, BGHZ 90, 145 (151); BGH, 23.07.2003, XII ZR 16/00, NZM 2003, 871 (872); Soergel/Heintzmann, BGB, 13. Aufl., 2007, § 546a Rn. 11; MünchKomm/ Bieber, BGB, 8.  Aufl., 2020, § 546a Rn. 7; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 19; offengelassen: Staudinger/Rolfs, BGB, 2021, § 546a Rn. 34, der dieser Frage eine nur untergeordnete Rolle zumisst. 36  BGH, 22.10.1997, XII ZR 142/95, NZM 1998, 192 (194); vgl. auch: BGH, 24.01.2018, XII ZR 120/16, NZM 2018, 333 Rn. 25; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 20. 37  Mugdan, Die gesammten Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB, Band 2, 1899, S. 231 = Motive, S. 415; BGH, 07.12.1960, VIII ZR 16/60, NJW 1961, 916: „Mindestschaden“; BGH, 14.07.1999, XII ZR 215/97, BGHZ 142 (189); Emmerich, NZM 1999, 929 (930). 38  Zum Begriff der „ortsüblichen Miete“ i.  R. d. § 546a Abs. 1 BGB sogleich: 4. Kap. A. II. 1. a). 39  BGH, 24.01.2018, XII ZR 120/16, NZM 2018, 333 Rn. 25. 40  BGH, 11.05.1988, VIII ZR 96/87, BGHZ 104, 285 (291); BGH, 24.01.2018, XII ZR 120/16, NZM 2018, 333 Rn. 25; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerb­ lichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 10. Aufl., 2009, Rn. 1133; Schmidt-Futterer/ Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 104.

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4. Kap.: Der abstrakt berechnete Vermieterschaden

Anwendung des § 254 BGB aus,41 da andernfalls der Zweck des § 546a Abs. 1 BGB unterlaufen wird, der gerade zur Prävention von Streitigkeiten über die Höhe des zu zahlenden Ersatzes konzipiert wurde.42 Die Auswirkung dieses vertragsähnlichen Charakters tritt bei der Mangelhaftigkeit des Mietobjektes zum Vorschein. Ist die Miete mangelbedingt herabgesetzt, strahlt diese Reduzierung auch auf den Entschädigungsanspruch des § 546a Abs. 1 BGB aus.43 Dabei wird überwiegend angenommen, dass nur Mängel erfasst werden, die vor Beendigung des Mietverhältnisses vorgelegen haben.44 Treten hingegen erst nach Beendigung des Vertragsverhältnisses Mängel auf, soll dies keine Auswirkungen auf den Entschädigungsanspruch haben. Andernfalls würde der Zweck des § 546a Abs. 1 BGB, der gerade Streitigkeiten über die Höhe des Entschädigungsanspruches vermeiden und ein für den Vermieter leicht handhabbares Druckmittel darstellen soll, untergraben.45 Diese Sichtweise erscheint mit Blick auf den vertragsähnlichen Charakter des § 546a Abs. 1 BGB jedoch zweifelhaft.46 Erhielte der Vermieter das Objekt vom Mieter zurück, würde sich der mangelhafte Zustand auch auf den nunmehr am Markt erzielbaren Mietzins auswirken. Durch die Vorenthaltung der Mietsache könnte der Vermieter allerdings einen Ersatz fordern, der sich in seiner Höhe an der Vermietung eines mangelfreien Objektes bemisst. Gleichzeitig wäre er aufgrund des beendeten Mietverhältnisses nur in Ausnahmefällen verpflichtet, die Mangelhaftigkeit zu beheben.47 Dies käme für den Vermieter einem regelrechten „Glücksfall“ gleich. Gegen ein solches Ergebnis spricht jedoch die Äquivalenz zwischen Nutzungsentschä41  Bub/Treier/Emmerich, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., 2019, V. Rn. 131; Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., 2020, § 546a Rn. 2; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15.  Aufl., 2021, § 546a Rn. 65. 42  Mugdan, Die gesammten Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB, Band 2, 1899, S. 231 f. = Motive II, S. 415. 43  Statt vieler: BGH, 21.02.1990, VIII ZR 116/89, NJW-RR 1990, 884 (885); Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., 2020, § 546a Rn. 29 m. w. N. 44  BGH, 07.12.1960, VIII ZR 16/60, NJW 1961, 916; BGH, 27.05.2015, XII ZR 66/1, NJW 2015, 2795 Rn. 17–21; Fritz, Gewerberaummietrecht, 4. Aufl., 2005, Rn. 434b; Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, Miete, 6.  Aufl., 2020, § 546a Rn.  30 m. w. N. 45  BGH, 27.05.2015, XII ZR 66/1, NJW 2015, 2795 Rn. 21. 46  Zehelein, ZfIR 2015, 657 (658); Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 69. 47  BGH, 27.05.2015, XII ZR 66/1, NJW 2015, 2795 Rn. 24–27. Dies wird nach Ansicht des 12. Senates etwa dann zu bejahen sein, wenn die Instandhaltung oder Instandsetzung des Mietobjektes akute und gravierende Gefahren für Leben, Gesundheit oder hohe Eigentumswerte des Mieters verhindert.



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digung und Mietobjekt. Die Bedeutung der Äquivalenz lässt sich im Rahmen des § 546a Abs. 1 BGB an der gesetzgeberischen Entscheidung erkennen, nicht nur die vereinbarte, sondern nach (freier) Wahl des Vermieters,48 auch die ortsübliche Miete verlangen zu können, die mitunter über der vereinbarten Miete liegen kann.49 Will man daher das Element der Äquivalenz hinreichend berücksichtigen, müssen konsequenterweise auch Mängel, die vor und nach dem Vertragsende entstehen, im Entschädigungsanspruch Beachtung finden. Um durch eine Herabsetzung der Entschädigung nicht die Druckfunktion des § 546a Abs. 1 BGB zu unterwandern, ist die Minderung jedoch nicht grenzenlos möglich. So muss stets ein gewisser Entschädigungskern verbleiben, der als Druckmittel gegen den Mieter eingesetzt werden kann. Ab welcher Prozentmarke dieser Funktion noch hinreichend Rechnung getragen wird, lässt sich nicht pauschal beantworten. Jedoch muss die Schwelle bei geringwertigen Sachen, die mit einem entsprechend niedrigen Mietzins einhergehen, höher angesetzt werden als bei Mietobjekten anderer Preisklassen. So erscheinen etwa 50 Prozent der nicht geminderten ortsüblichen oder vereinbarten Miete bei geringwertigen Gegenständen angebracht. In allen übrigen Fällen bilden circa 25 Prozent eine sachgerechte Ausgangslage, um noch immer ausreichend Druck auf den Mieter ausüben zu können. Auch das Argument, der Entschädigungsanspruch könne andernfalls keine schnelle und einfache Abwicklung mehr gewährleisten,50 verfängt nicht. Streitigkeiten über die Höhe des Entschädigungsanspruches sind schon durch das Erfordernis des Rücknahmewillens angelegt, das eine unbestrittene Entschädigungsvoraussetzung51 darstellt. Trägt man dem tatbestandseinschränkenden Charakter dieses Willens hinreichend Rechnung, sodass ein derartiger Wille des Vermieters nicht grenzenlos angenommen werden kann, wird es bei fortschreitender Vorenthaltungszeit regelmäßig in Frage stehen, ob ein Rücknahmewille des Vermieters vorlag. Des Weiteren erscheint die vom Gesetzgeber erwünschte, einfach und schnell durchzusetzende Druckfunktion lediglich dann gerechtfertigt, wenn keine Mängel vorliegen, die eine Mietminderung begründen. Zwar spricht § 535 Abs. 1 S. 2 BGB nur von der Pflicht des Vermieters, die Sache während der Mietzeit im vertragsgemäßen Zustand zu erhalten, jedoch muss auch an dieser Stelle der vertragsähnliche Charakter des § 546a Abs. 1 BGB 48  Staudinger/Rolfs,

BGB, 2021, § 546a Rn. 52. Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 69. 50  BGH, 27.05.2015, XII ZR 66/1, NJW 2015, 2795 Rn. 20. 51  Exemplarisch und mit jeweils weiteren Nachweisen: BGH, 12.07.2017, VIII ZR 214/16, NJW 2017, 2997 Rn. 19; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 45. 49  Vgl.

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4. Kap.: Der abstrakt berechnete Vermieterschaden

berücksichtigt werden, sodass die Äquivalenz zwischen Nutzungsmöglichkeit und Entschädigung in stringenter Weise in die Anspruchshöhe mit einfließen muss. Nicht zuletzt erkennt dies auch der Bundesgerichtshof, der eine Entschädigungskürzung über § 242 BGB bei einer nach Beendigung des Mietverhältnisses verschlechterten Mietsache in Ausnahmefällen billigt.52 Trifft den Vermieter demnach ausnahmsweise eine nachvertragliche Pflicht zur Mängelbeseitigung, da beispielsweise eine akute Gefahr für Leib und Leben des Mieters droht, wäre eine entsprechende Entschädigungsminderung möglich.53 Im Ergebnis erkennt der Bundesgerichtshof dadurch den Einfluss der Äquivalenz zwischen Entschädigungsanspruch und Nutzungsmöglichkeit des Mieters grundsätzlich an. Die vom XII. Zivilsenat aufgestellte Erheblichkeitsschwelle bildet jedoch eine willkürlich gezogene Linie, die nicht mit dem vertraglichen Charakter des Entschädigungsanspruches vereinbar ist. b) Die Bestimmung der ortsüblichen Miete Legt der Vermieter seinem Entschädigungsanspruch die ortsübliche Miete (§ 546a Abs. 1 Alt. 2 BGB) zugrunde, führt die zu zahlende Entschädigung im Ereignis zu einer abstrakten Schadensberechnung im engeren Sinne, da durch die Qualifikation des § 546a Abs. 1 BGB als Mindestersatz54 dem Mieter schadensmindernde Elemente wie § 254 Abs. 2 S. 1 BGB verwehrt sind.55 Die Mieteinnahmen werden auch nicht anhand der konkret vereinbarten Miete, sondern abstrakt durch die ortsübliche Miete ermittelt. Dabei bietet die Auslegung des Begriffes „ortsüblich“ Interpretationsspielraum. So ließe sich mit Blick auf § 558 Abs. 1, Abs. 2 BGB und der dort normierten ortsüblichen Vergleichsmiete56 ein Gleichlauf zwischen beiden Normen annehmen.57 Demzufolge müsste die Durchschnittsmiete der Bestands- und 52  BGH, 07.12.1960, VIII ZR 16/60, NJW 1961, 916 (917); BGH, 27.05.2015, XII ZR 66/1, NJW 2015, 2795 Rn. 22 f. 53  BGH, 27.05.2015, XII ZR 66/1, NJW 2015, 2795 Rn. 23–28. 54  Mugdan, Die gesammten Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB, Band 2, 1899, S. 231 = Motive, S. 415; BGH, 07.12.1960, VIII ZR 16/60, NJW 1961, 916: „Mindestschaden“; BGH, 14.07.1999, XII ZR 215/97, BGHZ 142 (189); Emmerich, NZM 1999, 929 (930). Dazu bereits unter: 4. Kap. II. 1. a). 55  Bub/Treier/Emmerich, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., 2019, V. Rn. 131; Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., 2020, § 546a Rn. 2; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15.  Aufl., 2021, § 546a Rn. 65. 56  Dazu bereits unter: 3. Kap. B. II. 1. a). 57  AG Köln, 12.10.2012, 221 C 441/10, juris Rn. 23; so im Wesentlichen auch: Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., 2009, Rn. XIII 111; Bub/Treier/Emmerich, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., 2019, V. Rn. 143.



A. Abstrakte Schadensberechnung des Vermieters als Mietausfallschaden301

Neuabschlussmieten der letzten sechs Jahre ermittelt werden.58 Diesem Ansatzpunkt mangelt es bei genauerer Betrachtung an Überzeugungsstärke: Nicht die (modifizierte) Durchschnittsmiete der letzten Jahre ist entscheidend, sondern einzig die Marktmiete.59 Darunter ist die Miete zu verstehen, die bei einer Neuvermietung am Markt für das in Rede stehende Objekt typischerweise erzielbar wäre.60 Wäre eine (modifizierte) Durchschnittsmiete der letzten sechs Jahre für die Entschädigungshöhe maßgeblich, würde der Mieter bei stetig steigenden Mietpreisen entlastet, da er sich nicht den aktuellen (höheren) Mietpreisen ausgesetzt sehen müsste.61 Der auf diese Weise erzeugte Schutz steht jedoch diametral zu der von § 546a Abs. 1 BGB ausgehenden Druckfunktion, die den Mieter zur möglichst raschen Herausgabe des Mietobjektes veranlassen soll.62 Weiterhin spricht für ein Rekurrieren auf die Marktmiete, dass der Entschädigungsanspruch dem Vermieter einen Ausgleich für die weiterhin bestehende Nutzungsmöglichkeit des Mieters einräumen soll. Würde sich der Mieter eine vergleichbare Nutzungsmöglichkeit beschaffen wollen, müsste er nicht etwa den Durchschnittswert der letzten Jahre aufbringen, sondern vielmehr den Preis, der aktuell am Markt für dieses oder vergleichbare Objekte gezahlt wird. Umgekehrt könnte der Vermieter das Mietobjekt zum aktuellen Marktpreis weitervermieten. Durch das Abstellen auf die ortsübliche Vergleichsmiete des § 558 Abs. 1, Abs. 2 BGB würde der Vermieter somit keinen adäquaten Ausgleich für die nach wie vor bestehende Nutzungsmöglichkeit des Mieters erhalten.63 c) Der Einfluss des Rücknahmewillens auf die Entschädigungshöhe Der Nutzungsersatz ist für die Dauer der Vorenthaltung zu entrichten. Dieser Zeitraum beginnt mit dem Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 546a Abs. 1 BGB und endet taggenau mit der Rückgabe des Mietobjek58  Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., 2009, Rn. XIII 111; Blank/Börstinghaus/ Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., 2020, § 546a Rn. 34. 59  BGH, 18.01.2017, VIII ZR 17/16, NZM 2017, 186 Rn. 26; OLG Celle, 10.03, 2016, 2 U 128/15, juris Rn. 30; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 59; Staudinger/Rolfs, BGB, 2021, § 546a Rn. 53. 60  Zum Begriff der Marktmiete: Fleindl, NZM 2018, 57 (62). 61  Fleindl, NZM 2018, 57 (62). 62  Ebenso: Fleindl, NZM 2018, 57 (62); zur Druckfunktion des § 546a Abs. 1 BGB: BGH, 22.03.1989, VIII ZR 155/88, BGHZ 107, 123 (129); BGH, 10.10.1990, VIII ZR 370/89, NJW-RR 1991, 176 (177); BGH, 27.05.2015, XII ZR 66/1, NJW 2015, 2795 Rn. 25; BGH, 18.01.2017, VIII ZR 17/16, NZM 2017, 186 Rn. 25. 63  Ähnlich auch schon: Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 59.

302

4. Kap.: Der abstrakt berechnete Vermieterschaden

tes.64 Der in dieser Zeitspanne zu leistende Nutzungsersatz soll dabei das Mindeste darstellen, das der Vermieter geltend machen kann.65 Daher würde der Entschädigungsanspruch des § 546a Abs. 1 BGB eine abstrakte Schadensberechnung im engeren Sinne ermöglichen,66 sofern man ihm einen schadensrechtlichen Charakter zusprechen will. Allerdings kann sich trotz dieser Klassifizierung, der Entschädigungsanspruch des Abs. 1 mindernden Faktoren nicht in Gänze entziehen.67 So ist zwar weithin anerkannt, dass § 254 BGB nicht anwendbar ist,68 jedoch wurde insbesondere für Fälle, in denen geringwertige Sachen vermietet wurden, eine Einschränkung des Entschädigungsanspruches nach § 242 BGB gefordert.69 Die Höhe des Entschädigungsanspruches würde andernfalls in vergleichsweise kurzer Zeit den Wert der vermieteten Sache um ein vielfaches übersteigen.70 Die Beschränkung dieses Anspruches führt dabei zu einer Gratwanderung zwischen der Druckfunktion des § 546a Abs. 1 BGB und dem Schutz des Mieters vor überhöhten Forderungen des Vermieters. Zwar ist der Rechtsprechung insofern zuzustimmen, dass § 242 BGB grundsätzlich geeignet ist, eine Entschädigungshöhe zu begrenzen,71 allerdings sollte von einem vorschnellen Beschreiten dieses Weges Abstand genommen werden. Schränkt man den Entschädigungsanspruch einzig aufgrund der fortlaufend auseinanderdriftenden Schere zwischen dem Wert des Mietobjektes und der zu leistenden Entschädigungshöhe ein, würde die Druckfunktion des § 546a Abs. 1

64  So die allgemeine Meinung: OLG Dresden, 19.10.2011, 13 U 1179/10, NZM 2012, 84 (89); Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., 2020, § 546a Rn. 41; MünchKomm/Bieber, BGB, 8. Aufl., 2020, § 546a Rn. 16; Schmidt-Futterer/ Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 22. 65  Mugdan, Die gesammten Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB, Band 2, 1899, S. 231 f. = Motiv, S. 415. 66  Zu dieser Terminologie bereits unter: Einleitung II. 1. 67  LG Dortmund, 28.01.1988, 17 S 329/87, NJW-RR 1988, 661; LG Bielefeld, 07.10.2003, 20 S 96/03, NZM 2004, 199 (200), bei denen jeweils Videokassetten vermietet wurden; Bub/Treier/Emmerich, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., 2019, V. Rn. 131; BeckOGK/Zehelein, BGB, Stand: 01.012023, § 546a Rn. 68; Staudinger/Rolfs, BGB, 2021, § 546a Rn. 36. 68  Der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 254 BGB wohl jedoch nicht abgeneigt: LG Köln, 21.06.1988, 11 S 19/88, NJW-RR 1988, 1248 (1248 f.). 69  LG Dortmund, 28.01.1988, 17 S 329/87, NJW-RR 1988, 661; LG Bielefeld, 07.10.2003, 20 S 96/03, NZM 2004, 199 (200); Staudinger/Rolfs, BGB, 2021, § 546a Rn. 36. 70  Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 67. Zu denken wäre hier vor allem an die Vermietung von Blu-rays und DVDs. 71  Erman/Böttcher, BGB, 16. Aufl., 2020, § 242 Rn. 101; MünchKomm/Schubert, BGB, 9. Aufl., 2022, § 242 Rn. 165.



A. Abstrakte Schadensberechnung des Vermieters als Mietausfallschaden303

BGB mit der Zeit automatisch untergraben.72 Vielversprechender erscheint ein Blick auf die Tatbestandsseite des Entschädigungsanspruches: Die für die Entschädigung konstitutive Vorenthaltung der Mietsache setzt neben der ausgebliebenen Rückgabe auch eine subjektive Komponente in Form eines Rücknahmewillens des Vermieters voraus.73 Nur wenn die ausgebliebene Rückgabe dem Willen des Vermieters widerspricht, kann ein Entschädigungsanspruch bejaht werden.74 Im Zuge dessen ist es nicht erforderlich, dass der Vermieter bei Beendigung des Mietverhältnisses seinen Rücknahmewillen ausdrücklich erklärt. Sofern sich aus den jeweiligen Umständen nichts anderes ergibt, ist zu diesem Zeitpunkt vielmehr von einem generellen, dahingehenden Willen des Anspruchsgläubigers auszugehen.75 Dafür spricht bereits die Tatsache, dass der Vermieter die Sache im Zuge des Mietverhältnisses nur zeitweise einer anderen Person überlassen wollte, um sie nach dem Ende der Vertragsbeziehungen für neue Zwecke frei verwenden zu können. Dennoch dürfen die Anforderungen an den Rücknahmewillen nicht zu niedrig angesetzt werden, da andernfalls die Gefahr besteht, dass das der Vorenthaltung immanente Willenselement mit fortlaufender Zeit entwertet wird und damit seinen einschränkenden Charakter verliert.76 Vergehen nach Beendigung des Mietverhältnisses Wochen, Monate oder sogar Jahre, ließe sich über ein Verblassen dieses Rücknahmewillens nachdenken. Nicht zuletzt würde auf diese Weise dem Risiko des „Duldens und Liquidierens“ begegnet werden.77 Besteht der Vermieter in erkenntlicher 72  Auch schon in diese Richtung gehend: Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 67. 73  Exemplarisch und mit jeweils weiteren Nachweisen: BGH, 12.07.2017, VIII ZR 214/16, NJW 2017, 2997 Rn. 19; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 45. 74  Statt aller: BGH, 16.11.2005, VIII ZR 218/04, NZM 2006, 12 (13); SchmidtFutterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 45. Dieses Erfordernis entspringt bereits aus dem Wortsinn des Vorenthaltungsbegriffes, der gerade den Wunsch nach der Rückerlangung des Objektes beinhaltet. Dazu auch schon: Schmidt-Futterer/ Blank, Wohnraumschutzgesetze, 6. Aufl., 1988, Rn. B501. 75  A. A.: BeckOGK/Zehelein, BGB, Stand: 01.01.2023, § 546a Rn. 42, der davon ausgeht, dass sich der Rücknahmewille durch die Aufforderung des Vermieters ergibt, die Sache zurückerhalten zu wollen. Zum generellen Rücknahmewillen: BGH, 13.10.1982, VIII ZR 197/81, NJW 1983, 112 (113); Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., 2020, § 546a Rn. 18; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 47. 76  Vgl. Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 67. 77  In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass es an einem Rücknahmewillen des Vermieters mangelt, wenn er die Rücknahme im Falle einer Schlechterfüllung der Rückgabepflicht verweigert. Lediglich die Nichterfüllung, der in § 546 Abs. 1 BGB positivierten Rückgabepflicht ist vom Entschädigungsanspruch des § 546a Abs. 1 BGB erfasst. Ist die Rückgabe des Mietobjektes objektiv unmöglich geworden, schei-

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4. Kap.: Der abstrakt berechnete Vermieterschaden

Weise auch nach einer längeren Zeit noch immer auf die Rückgabe des Objektes, existieren keine Gründe, den Mieter an dieser Stelle zu schützen. Dem Ersatzschuldner steht es vielmehr jederzeit frei, durch die Herausgabe der Sache die Höhe des Entschädigungsanspruches zu begrenzen.78 Insbesondere die Vorstellung, der Vermieter könne nach § 242 BGB dazu gehalten sein, schlichtweg eine neue Sache zu beschaffen,79 trägt diesem Umstand nicht hinreichend Rechnung, zumal dadurch auch die Druckfunktion des § 546a Abs. 1 zwangsläufig unterwandert wird. Um diesem Zweck Rechnung zu tragen, aber gleichzeitig eine angemessene Eingrenzung des Entschädigungsanspruches zu erreichen, ist nach Ablauf einer gewissen Zeit die Perpetuierung des Rücknahmewillens durch den Vermieter notwendig. Hierbei sind keine besonderen Anforderungen an den Ausdruck dieses Willens zu stellen. Gleichwohl muss dem Mieter hinreichend verdeutlicht werden, dass der Vermieter noch immer auf die Rückgabe besteht. Ab wann eine solche Manifestierung des Willens notwendig ist, lässt sich nicht universell beantworten. Als äußere Grenze kann jedoch auf die in § 548 Abs. 1 S. 1 BGB normierte, verkürzte Verjährungsfrist verwiesen werden. Nach dieser Vorschrift verjähren Ansprüche des Vermieters gegen den Mieter wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache bereits in sechs Monaten. Die dadurch bezweckte „schnelle Klarstellung über bestehende Ansprüche“80 lässt sich wertungsmäßig auf § 546a Abs. 1 BGB übertragen. Sind bereits viele Monate oder sogar Jahre seit Beendigung des Mietverhältnisses verstrichen, bedarf es eines einfach handhabbaren Maß­ stabes, um das Bestehen des Rücknahmewillens bewerten zu können. Freilich ist auch ein schnelleres Verblassen des Rücknahmewillens denkbar. Dabei sind insbesondere Faktoren wie der Wert und die Art der Sache zu berücksichtigen. So kann bei geringwertigen, beweglichen Sachen, deren Wiederbeschaffung am Markt ohne weiteres möglich ist, regelmäßig von einem geringeren Interesse des Vermieters an der Rückerlangung ausgegangen werden, als bei Immobilien oder anderen Objekten einer höheren Preisklasse.81 Betrachtet man den Rücknahmewillen als eine mit der Zeit langsam erlöschende Flamme, lodert diese mit der Kenntlichmachung des Willens neu det eine Vorenthaltung aus. Siehe zum Erfordernis der Nichterfüllung: OLG Düsseldorf, 28.05.2002, 24 U 133/01, NZM 2002, 742; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 47; zur objektiven Unmöglichkeit der Rückgabe: BGH, 13.04.2005, VIII ZR 377/03, NJW-RR 2005, 1081 (1082); MünchKomm/Bieber, BGB, 8. Aufl., 2020, § 546a Rn. 6. 78  Vgl. auch: Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 67. 79  So aber: Staudinger/Rolfs, BGB, 2021, § 546a Rn. 36. 80  BT-Drucks. 14/4553, S. 45. 81  So auch schon: Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15.  Aufl., 2021, § 546a Rn. 67.



A. Abstrakte Schadensberechnung des Vermieters als Mietausfallschaden305

auf, sodass die für das Verblassen maßgebliche Zeitspanne ab diesem Moment erneut zu laufen beginnt. Auch ein schon nicht mehr vorhandener Wille kann wieder durch eine entsprechende Erklärung gegenüber dem Mieter neu zur Entstehung gebracht werden.82 In Bezug auf die ausgebliebene Perpetuierung des Rücknahmewillens trifft den Mieter die Darlegungs- und Beweislast.83 Der Nachweis einer unterlassenen Handlung wird ihm dabei jedoch nicht möglich sein, sodass den Vermieter eine sekundäre Darlegungslast trifft. In der Folge muss er in substantiierter Weise darlegen, dass er, in für den Mieter erkennbarer Weise, seinen Rücknahmewillen perpetuiert hat. Der Anspruch des § 546a Abs. 1 BGB unterliegt der dreijährigen Regelverjährung der §§ 195, 199 Abs. 1 BGB.84 Somit orientiert sich der Verjährungsbeginn auch maßgeblich an der Entstehung des Entschädigungsanspruches (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein entfallener und zu einem späteren Zeitpunkt wieder neu entstandener Rücknahmewille keinen Einfluss auf die Verjährungsfrist haben darf. Der Vermieter, der durchgängig einen Rücknahmewillen aufweist und diesen auch regelmäßig perpetuiert, darf verjährungsrechtlich nicht schlechter gestellt werden als der Vermieter, der zeitweise überhaupt keinen entsprechenden Willen vorweist. Zwar handelt es sich nach überzeugender Ansicht bei dem Entschädigungsanspruch des § 546a Abs. 1 BGB um keinen Schadensersatzanspruch, jedoch kann der für die Verjährung von Schadensersatzansprüchen entwickelte Grundsatz der Schadenseinheit auch auf diesen Fall übertragen werden. Dafür spricht, dass der Entschädigungsanspruch des Vermieters auf einem einheitlichen Verhalten des Mieters beruht und der wiederaufgeflammte Rücknahmewille gerade auf die ursprüngliche Vorenthaltung zurückzuführen ist.85 Des Weiteren wird auf diese Weise ein gewisses Maß an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit in Bezug auf das Verjährungsende gewährleistet.

82  Schmidt-Futterer/Streyl,

Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 67. BeckOGK/Zehelein, BGB, Stand: 01.01.2023, § 546a Rn. 42. 84  MünchKomm/Bieber, BGB, 8. Aufl., 2020, § 546a Rn. 7; BeckOGK/Zehelein, BGB, Stand: 01.01.2023, § 546a Rn. 75. 85  Zum Grundsatz der Schadenseinheit: BGH, 14.03.1968, VII ZR 77/65, BGHZ 50, 21 (24); BGH, 07.03.2019, III ZR 117/18, BGHZ 221, 253 Rn. 33; aus der Literatur: BeckOK/Spindler, BGB, 64. Edition, Stand: 01.11.2022, § 199 Rn. 33; MünchKomm/Grothe, BGB, 9. Aufl., 2021, § 199 Rn. 9 mit jeweils weiteren Nachweisen. 83  Vgl.

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4. Kap.: Der abstrakt berechnete Vermieterschaden

2. Die Berechnung des Mietausfallschadens nach § 252 S. 2 Alt. 1 BGB bei Nicht- und Schlechterfüllung der Rückgabepflicht Bei dem Mietausfallschaden des Vermieters handelt es sich um nichts anderes als um dessen entgangenen Gewinn. Daher kann der Vermieter auch auf die Beweiserleichterung des § 252 S. 2 BGB zurückgreifen. § 252 S. 2 Alt. 1 BGB eröffnet ihm die Möglichkeit, bei der Berechnung des entgangenen Gewinnes auf den gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu rekurrieren, sodass der Nachweis einer konkreten Weitervermietungsmöglichkeit womöglich nicht zwingend erforderlich ist. Vielmehr stünde dann eine widerlegbar vermutete Weitervermietungsgelegenheit in Rede.86 a) Anwendungsbereich und Verhältnis zu § 546a Abs. 1 BGB Durch die Möglichkeit des Vermieters, sowohl Schadensersatz als auch Nutzungsentschädigung zu fordern, drängt sich zunächst die Frage auf, welche Bedeutung einer konkret-typisierenden („abstrakten“) Schadensberechnung nach § 252 S. 2 Alt. 1 BGB überhaupt neben § 546a Abs. 1 BGB zukommt. Um dies zu beantworten, ist der Anknüpfungspunkt des Schadensersatzanspruches in Blick zu nehmen. Die Höhe einer Weitervermietung, die aufgrund eines etwaigen gewöhnlichen Geschehensablaufes zu vermuten ist, wird durch die Marktmiete determiniert, da die Erzielung dieser Durchschnittsmiete typischerweise bei einer Weitervermietung zu erwarten gewesen wäre. Wird dem Vermieter das Mietobjekt vorenthalten, kommt es folglich zu einer Überschneidung zwischen § 252 S. 2 Alt. 1 BGB und § 546a Abs. 1 BGB, da beide Berechnungsarten die Marktmiete zugrunde legen.87 Diese Konkurrenz schränkt die Bedeutung der konkret-typisierenden Schadensberechnung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB stark ein, da sie für den Vermieter im Vergleich zum Entschädigungsanspruch keine Vorteile hat.88 Im Gegenteil: Der Mieter kann die widerlegbare Weitervermietungsvermutung entkräften und dem Vermieter gegebenenfalls einen schuldhaften Verstoß gegen seine Schadensminderungsobliegenheit nachweisen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Vermieter das Mietobjekt oberhalb der vereinbarten oder der

86  Schmidt-Futterer/Streyl,

Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 99. § 546a Abs. 1 BGB: BGH, 18.01.2017, VIII ZR 17/16, NZM 2017, 186 Rn. 26; OLG Celle, 10.03, 2016, 2 U 128/15, juris Rn. 30; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 59; Staudinger/Rolfs, BGB, 2021, § 546a Rn. 53. 88  BeckOGK/Zehelein, BGB, Stand: 01.01.2023, § 546a Rn. 107. 87  Für



A. Abstrakte Schadensberechnung des Vermieters als Mietausfallschaden307

Marktmiete hätte weitervermieten können. Dazu müsste er jedoch einen konkreten Nachmieter nachweisen.89 Jedoch ist daraus nicht der Schluss zu ziehen, dass der Berechnungsmethode des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB kein eigener Anwendungsbereich zukommt. So hilft § 546a Abs. 1 BGB dem Vermieter nicht (mehr) weiter, wenn die Vorenthaltung durch die Herausgabe des Mietobjektes beendet wurde90 oder es lediglich zu einer Schlechterfüllung der Rückgabepflicht kam.91 Von einer solchen Schlechtleistung ist grundsätzlich dann auszugehen, wenn das Mietobjekt nicht in dem Zustand übergeben wird, wie es dem Mieter einst selbst vom Vermieter überlassen wurde.92 Die Grenzen der Schlechterfüllung werden dabei auf einer Seite von § 538 BGB flankiert, der ein Vertretenmüssen des Mieters für Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache ausschließt, wenn diese in Folge des vertragsgemäßen Gebrauchs eingetreten sind. Auf der anderen Seite können vertragliche Vereinbarungen, wie etwa die wirksame Verpflichtung des Mieters zur Vornahme von Schönheitsreparaturen, den geschuldeten Zustand des Mietobjektes determinieren.93 Fehlt der Rücknahmewille des Vermieters, wird dadurch nicht nur sein Entschädigungsanspruch aus § 546a Abs. 1 BGB hinfällig, sondern auch die konkret-typisierende Schadensberechnung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass eine Weitervermietung nur dann dem typischen Geschehensablauf entspricht, wenn der Vermieter das Mietobjekt tatsächlich zurückerlangen will. Kommt es ihm hingegen schon gar nicht auf die Überlassung an, gibt er zu erkennen, dass ein gezielter wirtschaftlicher Einsatz der Mietsache nicht beabsichtigt war und somit eine typisierende Betrachtungsweise nicht angezeigt ist.

89  Schmidt-Futterer/Streyl,

Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 101. Miete, 6. Aufl., 2020, § 546a Rn. 46. 91  Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 101. 92  BGH, 10.07.2002, XII ZR 107/99, NZM 2002, 913 (914); BGH, 05.04. 2006, VIII ZR 152/05, NJW 2006, 2115 Rn. 18; Bub/Treier/Emmerich, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., 2019, V. Rn. 35; Schermaier, JZ 2018, 950 (951); Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546 Rn. 18; BeckOGK/ Zehelein, BGB, Stand: 01.01.2023, § 546 Rn. 5. Dabei ist zu beachten, dass die Herausgabepflicht des § 546 Abs. 1 BGB auch den Zustand und nicht nur die bloße Herausgabe sowie eine etwaige Räumung der Mietsache erfasst. Näher zur Reichweite des § 546 Abs. 1 BGB unter: 4. Kap. B. III. 93  Allerdings ist umstritten, ob es durch die Schlechterfüllung zu einem Verstoß gegen eine Leistungspflicht (§ 281 Abs. 1 BGB) oder eine Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) kommt. 90  Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus,

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4. Kap.: Der abstrakt berechnete Vermieterschaden

b) Die Weitervermietung als typischer Geschehensablauf Gibt der Mieter das Mietobjekt am Vertragsende zwar rechtzeitig heraus, kann der Vermieter dennoch einen Mietausfallschaden erleiden. Dafür muss sich die Sache in einem Zustand befinden, der nicht als vertragsgemäße Erfüllung der in § 546 Abs. 1 BGB normierten Rückgabepflicht zu verstehen ist.94 Kann das Mietobjekt aufgrund der Schlechterfüllung nur noch zu einem niedrigeren Mietzins weitervermietet werden, darf der Vermieter diese niedrigeren Einnahmen in seine konkrete Schadensberechnung einstellen, sofern er einen entsprechenden Nachmieter nachweist.95 Wird das Mietobjekt vom Vermieter selbst nach Beendigung des Mietverhältnisses in den vertraglich geschuldeten Zustand versetzt, kann er es in der Reparatur- respektive Renovierungszeit nicht zu Weitervermietungszwecken nutzen. An diesem Punkt kann der Schadensersatzgläubiger abermals eine konkrete Weitervermietungsmöglichkeit nachweisen, die ihm gerade durch die fehlende Verfügbarkeit der Mietsache entgangen ist. Alternativ ist auch ein Rückgriff auf die Beweiserleichterung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB möglich. Dabei kann der Vermieter die Mieteinnahmen verlangen, die bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Rückgabepflicht nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten waren.96 Diese typisierende Betrachtungsweise bedarf allerdings Anknüpfungstatsachen, die den Grundstein für den gewöhnlichen Verlauf der Dinge legen können. So muss es sich zunächst um eine Mietsache handeln, für die eine hinreichende Nachfrage auf dem Mietmarkt besteht. Dieses Kriterium ist erfüllt, wenn sich aus einer gefestigten Datengrundlage ein durchschnittlicher Mietpreis für das entsprechende oder zumindest für ein vergleichbares Objekt ermitteln lässt.97 Die Notwendigkeit dieser Voraussetzung ergibt sich aus der Überlegung, dass für bestimmte Objekte schlichtweg kein Mietmarkt besteht und die daraus folgende niedrige Nachfrage einer vermuteten Weitervermietung entgegensteht. Daneben ist die Unternehmereigenschaft des Schadensersatzgläubigers nach § 14 Abs. 1 Alt. 1 BGB notwendig. Dafür muss der Vermieter bei Ab94  BeckOGK/Zehelein, BGB, Stand: 01.01.2023, § 546 Rn. 135. Eingängig zur Abgrenzung zwischen Nicht- und Schlechtleistung der in § 546 Abs. 1 BGB normierten Pflicht: Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., 2020, § 546 Rn.  48 f. 95  Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 99. 96  Zu dieser Möglichkeit bei der Schlechterfüllung der Rückgabepflicht: LG Berlin, 08.03.2016, 63 S 213/15, juris Rn. 11; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 99. 97  Vgl. dazu die Ausführungen zu Waren ohne Marktpreis: 1. Kap. B. IV. 1. c).



A. Abstrakte Schadensberechnung des Vermieters als Mietausfallschaden309

schluss des Mietvertrages in Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit handeln. Die Weitervermietung von Objekten muss dabei den unternehmerischen Tätigkeitskern maßgeblich prägen. Auf der Grundlage dieser Prämisse lässt sich eine gewisse Regelmäßigkeit im Bereich mietvertraglicher Geschäfte entnehmen. Dadurch wird wiederum der Wille des Vermieters erkennbar, die Sache weitervermieten zu wollen, sodass ein hinreichendes Fundament für eine widerlegbare Vermutung besteht.98 Eine besondere Stellung kommt jedoch den Wohn- und Gewerberaummietverhältnissen zu. Hier ergibt sich der gewöhnliche Verlauf der Dinge bereits aus dem Mietobjekt selbst. Eine Vermietung aus gewerblicher Hand ist nicht nötig, da auch Privatpersonen hinreichend darum bemüht sein werden, eine leerstehende Immobilie wirtschaftlich effektiv einzusetzen. Dafür spricht bereits die gute Zugänglichkeit des Immobilienmietmarktes für einen nicht gewerblichen Vermieter. Dieser leichte Marktzugang erklärt sich nicht zuletzt durch neugeschaffene Plattformen, auf die gewerbliche und private Vermieter gleichermaßen Zugriff haben. Auch die zunehmend angespannte Marktsituation in einigen Gegenden eröffnet auch unerfahrenen Vermietern zügige Vermietungsmöglichkeiten. Nicht zuletzt werden dadurch schwierige Abgrenzungsfragen zwischen privater und gewerblicher Vermögensverwaltung vermieden.99 Ist der Grundstein für die Typizität der Geschehensabläufe gelegt, wird eine Weitervermietung zur Marktmiete widerlegbar vermutet. Doch ab welchem Zeitpunkt wäre nach einer hypothetischen, vertragsgemäßen Rückgabe mit einer Weitervermietung zu rechnen gewesen? Während im Bereich des Kaufvertrages eine jederzeit mögliche Absatzfähigkeit marktgängiger Waren im kaufmännischen Verkehr angenommen wird,100 kann diese Vorstellung nicht ohne weiteres auf den Mietvertrag übertragen werden. Dies ist den strukturellen Unterschieden beider Vertragstypen geschuldet. Der händlerische Verkehr ist von einer starken Warenfluktuation geprägt. Insbesondere im Bereich der Zwischen- und Einzelhändler werden Waren häufig nur auf die nächste Marktstufe „weitergereicht“. Die Objekte werden in genau dem Zustand, in dem sie vom Händler in Empfang genommen wurden,

98  Diese Voraussetzungen bilden einen gewissen Gleichlauf zu den Anforderungen im Rahmen des Kaufvertrages. Siehe zu den kaufrechtlichen Anforderungen bereits unter: 1. Kap. B. IV. 1. c) und 1. Kap. B. V. 3. 99  Die Unternehmereigenschaft des Vermieters bejahend: OLG Düsseldorf, 16.10.2003, I-10 U 46/03, juris Rn. 7: Vermietung zweier Mietshäuser; OLG Düsseldorf, 07.10.2004, I-10 U 70/04, juris 43: Vermietung zweier Einfamilienhäuser und einer Einliegerwohnung: AG Köln, 28.10.2004, 210 C 248/04, juris 14: Vermietung von sechs Wohnungen. Die Unternehmereigenschaft verneinend: BGH, 03.03.2020, XI ZR 461/18, NZM 2020, 808: Vermietung eines Wohnhauses an vier Mietparteien. 100  RG, 30.04.1920, II 1/20, RGZ 99, 46 (49).

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4. Kap.: Der abstrakt berechnete Vermieterschaden

wieder in den Markt eingeführt. An einer solchen Fluktuationskette fehlt es zumeist im mietvertraglichen Bereich. Erhält der Vermieter nach Ablauf der Mietzeit das Mietobjekt zurück, bedarf es regelmäßig einiger Zwischenschritte, bevor eine weitere Vermietung erfolgen kann. Dies entspringt dem Umstand, dass sich das Objekt durch den Gebrauch des Mieters zumeist nicht mehr in genau dem Zustand befinden wird, in dem es der Vermieter aus der Hand gegeben hat. So wird der Vermieter den Zustand der Sache untersuchen,101 eventuelle Reinigungen und Inspektionen durchführen und etwaige Verschlechterungen des Mietobjektes beheben. Eine sofortige Weitervermietung entspricht daher nicht einem typischen Geschehensablauf, da die Fluktuation im mietvertraglichen Bereich etwas verlangsamt ist. In der Folge ist zu ergründen, wann eine Weitervermietung dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge entsprochen hätte. Um diese Frage beantworten zu können, sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen. So kommt es zunächst darauf an, auf welche Weise das Mietverhältnis beendet wurde. Enden die mietvertraglichen Beziehungen durch Zeitablauf oder durch eine Kündigung, die mit einer Frist versehen ist, kann der Vermieter bereits im Vorfeld Anstrengungen unternehmen, die Sache alsbald weitervermieten zu können. Kommt es hingegen zu einer fristlosen Kündigung hat der Schadensersatzgläubiger keine Möglichkeit, sich auf eine Neuvermietung vorzubereiten, sodass dies auch Auswirkungen auf die Möglichkeit einer zeitnahen Weitervermietung haben kann.102 Daneben ist auch die Marktlage zu berücksichtigen.103 Existiert ein starker Nachfrageüberhang, wird mit einer Weitervermietung schneller zu rechnen sein, sodass auch ein nahtloser Übergang zwischen dem alten und einem neuen Mieter dem typischen Geschehensablauf entsprechen kann.104 Der Mietausfallschaden des Vermieters erstreckt sich von dem Moment, in dem eine Weitervermietung typischerweise zu erwarten gewesen wäre, bis zu dem Zeitpunkt, in dem eine Weitervermietung der Sache im vertragsgemäßen Zustand wieder möglich ist. Der letztgenannte Zeitpunkt ist grundsätzlich dann erreicht, wenn die Sache in den geschuldeten Zustand versetzt wird. Tritt dieser Moment jedoch zu einer Zeit ein, zu der eine Weitervermietung des Objektes kaum möglich erscheint, muss diese „Unzeit“ für die Dauer des Schadensersatzanspruches berücksichtigt werden, da in dieser Zeit noch nicht 101  Dies

sein.

wird zumindest stichprobenartig auch bei einem Händler zu erwarten

102  Schmidt-Futterer/Streyl,

Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 99. 13.10.2016, IX ZR 149/15, NJW 2017, 1600 Rn. 20. 104  AG Kerpen, 02.10.1998, 23 C 153/97, BeckRS 1998, 13555 Rn. 3. 103  BGH,



A. Abstrakte Schadensberechnung des Vermieters als Mietausfallschaden311

mit einer Weitervermietung gerechnet werden kann.105 So wird die Vermietung von Wohnraum in der Monatsmitte meist nicht möglich sein, sodass regelmäßig erst zu Beginn des nächsten Monats mit einer Weitervermietung zu rechnen sein wird.106 Diese „Unzeit“ kann weiterhin dann einen Mietausfallschaden begründen, wenn der Entschädigungsanspruch des § 546a Abs. 1 BGB zwar durch Rückgabe des Objektes endet und sich die Sache sogar im geschuldeten Zustand befindet, eine Weitervermietung zu dieser „Unzeit“ aber für gewöhnlich nicht in Betracht kommt. Hintergrund ist auch hier der gewöhnliche Verlauf der Dinge: Wäre es zu keiner Vorenthaltung der Mietsache gekommen, wäre eine frühere Weitervermietung zu vermuten gewesen, sodass auch die „Unzeit“, zu der die Sache nun tatsächlich zur Vermietung bereitsteht, überbrückt worden wäre.107 Freilich ist auch bei einer rechtzeitigen Herausgabe des Mietobjektes zu fragen, wann mit einer hypothetischen Weitervermietung nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu rechnen gewesen wäre. Im Zuge der konkret-typisierenden Schadensberechnung des § 252 S. 2 Alt. 1 BGB muss der Vermieter die Anknüpfungstatsachen darlegen und ggf. auch beweisen, auf denen der gewöhnliche Verlauf der Dinge beruht. So muss er nachweisen, dass seine unternehmerische Tätigkeit durch die gewerblichen Vermietungen geprägt ist und dass eine Marktmiete für das in Rede stehende oder ein vergleichbares Objekt existiert. Handelt es sich bei dem Mietobjekt um Wohn- oder Gewerberaum, genügt der Nachweis der Marktmiete. Des Weiteren trifft den Vermieter die Darlegungs- und Beweislast in Bezug auf den Zeitpunkt, zu dem das Objekt bei vertragsgemäßer Rückgabe zur Weitervermietung bereitgestanden hätte und dass nach der Markt- oder Auftragslage mit einer zügigen Weitervermietung zu rechnen gewesen wäre. c) Schadensmindernde Faktoren Ferner gilt es, die einschränkenden Faktoren, die einen Mietausfallschaden flankieren, auszuloten. So ist auch in diesem Fall der Blick auf die Schadensminderungsobliegenheit des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB zu richten. Eine mietrechtliche Besonderheit tritt mit § 571 Abs. 1 BGB auf den Plan. Diese Vorschrift, eine speziell für den Mieter konzipierte Norm, entfaltet eine limitie105  Bub/Treier/Emmerich, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., 2019, V. Rn. 158. 106  Bub/Treier/Emmerich, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., 2019, V. Rn. 158. 107  Vgl. Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 101.

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4. Kap.: Der abstrakt berechnete Vermieterschaden

rende Wirkung gegenüber Schadensersatzansprüchen des Vermieters. Im Nachfolgenden sollen daher Reichweite und Grenzen dieser einschränkenden Faktoren beleuchtet werden. aa) Die Weitervermietungsobliegenheit Entsteht dem Vermieter aufgrund einer Schlechterfüllung der in § 546 Abs. 1 BGB normierten Rückgabepflicht ein Mietausfallschaden, obliegt es ihm, den Schaden mit zumutbaren Mitteln möglichst gering zu halten.108 So ließe sich zunächst an eine Weitervermietung des wiedererlangten Mietobjektes denken. Dieses befindet sich zwar in einem nicht vertragsgemäßen Zustand, jedoch wurde es an den Vermieter herausgegeben, sodass es sich grundsätzlich, wenngleich aufgrund des nicht vertragsgemäßen Zustandes nur zu einem geringeren Preis, weitervermieten ließe. Die dadurch erzielten Einnahmen könnten einen gänzlichen Mietausfall zumindest partiell auffangen. In der Folge wäre der mit der Weitervermietung einhergehende konkrete Mindererlös für den Mieter günstiger als der vollständige Mietausfall. Es bleibt jedoch die Frage offen, ob der Vermieter tatsächlich zu einer derartigen Weitervermietung im Rahmen des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB gehalten ist. Dies dürfte in der Regel zu verneinen sein. Zwar wäre eine Weitervermietung geeignet, den nach § 252 S. 2 Alt. 1 BGB berechneten Mietausfallschaden zu schmälern, jedoch muss der Vermieter berechtigt sein, die Sache so lange zurückzuhalten, bis der vertragsgemäße Zustand wieder hergestellt ist.109 Es kann vom Schadensersatzgläubiger nicht verlangt werden, sein Eigentum in einem Zustand belassen zu müssen, in dem es nicht die volle wirtschaftliche Ertragskraft besitzt. So darf eine Autovermietung zunächst abwarten, bis etwaige Lackschäden und Ausbeulungen beseitigt sind, bevor der Wagen wieder dem Mietmarkt zugeführt wird. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass die Obliegenheit des Vermieters, schadensmindernde Handlungen vorzunehmen, zu einer bloßen „Förmelei“ verkommt. So müsste der Schadensersatzgläubiger das Objekt auch dann zur Vermietung anbieten, wenn eine Weitervermietung aufgrund der nicht vertragsgemäßen Rückgabe sehr unwahrscheinlich wäre. Nicht zuletzt würde eine derartige Obliegenheit auch dem Zweck des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB widersprechen, da durch entsprechende Weitervermietungsversu108  Bub/Treier/Emmerich, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., 2019, V. Rn. 162; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 100. 109  So im Ergebnis auch: LG Frankfurt am Main, 13.07.1976, 2/11 S 110/76, WuM 1977, 95.



A. Abstrakte Schadensberechnung des Vermieters als Mietausfallschaden313

che kein günstigeres Ergebnis für den Mieter zu erwarten wäre. Andernfalls müsste der Vermieter aussichtslose und damit unzumutbare Anstrengungen unternehmen, um den Mieter zu entlasten. Indes kann es dem Vermieter ausnahmsweise obliegen, Weitervermietungsanstrengungen zu unternehmen, wenn diese – je nach Zustand des Miet­objektes – als nicht aussichtslos erscheinen und sich der vom Mieter geschuldete Zustand während der Überlassung an den Nachmieter wiederherstellen lässt. Als Beispiel ließen sich hier solche Schönheitsreparaturen anführen, die problemlos während der Mietzeit des Nachmieters durchgeführt werden könnten. Zu denken wäre etwa im Bereich der Wohnraummiete an das Verschließen von Bohrlöchern oder das Streichen von Innentüren. In diesem Fall verzögert sich die Wiederherstellung der vollen wirtschaftlichen Nutzbarkeit des Mietobjektes nicht, sodass auch eine Weitervermietung für den Gläubiger zumutbar wäre. Allerdings wird man von einer „sofortigen“ Obliegenheit des Vermieters in Bezug auf Weitervermietungsanstrengungen nach Rückerhalt des Mietobjektes generell absehen müssen.110 Bevor der Vermieter zur Weitervermietung gehalten ist, muss ihm nach Rückerhalt der Mietsache eine gewisse Zeit für die Zustandssondierung eingeräumt werden.111 Erst dadurch wird der Schadensersatzgläubiger in die Lage versetzt, die Chancen einer etwaigen Weitervermietung im nicht vertragsgemäßen Zustand abschätzen zu können. Zögert er jedoch schuldhaft diese Überprüfung hinaus und stellt sich anschließend heraus, dass ihm eine Weitervermietung vor Wiederherstellung des geschuldeten Zustandes zumutbar gewesen wäre, kann ihm durch diese schuldhaft verzögerte Zustandssondierung eine Anspruchskürzung nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB drohen.112 Dasselbe gilt, wenn der Vermieter die Wiederherstellung des geschuldeten Zustandes schuldhaft in die Länge zieht und damit den Zeitraum des Mietausfallschadens erhöht.113 Wurden etwa die vertraglich geschuldeten Renovierungsarbeiten oder Rückbauten vom Mieter nicht durchgeführt, kann der Vermieter auch selbst zur Wiederherstellung des vertraglich geschuldeten Zustandes gehalten sein, um eine zeitnahe

110  Zu streng: Bub/Treier/Emmerich, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., 2019, V. Rn. 162, der die Obliegenheit einer sofortigen Weitervermietung nicht ausschließt. 111  Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 100. 112  Vgl. Langenberg/Zehelein/Langenberg/Zehelein, Schönheitsreparaturen, 6. Aufl., 2021, Kap. 1 Rn. 651; BeckOGK/Zehelein, BGB, Stand: 01.01.2023, § 546 Rn. 140. 113  Vgl. LG Frankfurt am Main, 13.07.1976, 2/11 S 110/76, WuM 1977, 95.

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4. Kap.: Der abstrakt berechnete Vermieterschaden

Weitervermietung zu ermöglichen;114 dies gilt jedenfalls nach erfolglosem Ablauf einer angemessenen Frist.115 Nach den allgemeinen Regeln hat der Mieter, der durch § 254 Abs. 2 S. 1 BGB eine positive Rechtsfolge für sich herbeiführen will, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass der Vermieter zumutbare Anstrengungen zum Zwecke der Schadensminderung unterlassen hat.116 In diesem Zusammenhang muss der Schadensersatzschuldner etwa nachweisen, dass die Sache problemlos während der Mietzeit eines etwaigen Nachmieters in den geschuldeten Zustand hätte versetzt werden können und eine Weitervermietung nach der Marktlage und Verfassung der Mietsache nicht aussichtslos gewesen wäre. Bezüglich der tatsächlich unternommenen Anstrengungen des Vermieters, die Sache weiterzuvermieten, kann auf die Grundsätze der sekundären Darlegungslast zurückgegriffen werden.117 bb) Die Begrenzung des Schadensersatzanspruches nach § 571 Abs. 1 S. 2 BGB Bei Wohnraummietverhältnissen ist ein über die Entschädigung des § 546a Abs. 1 BGB hinausgehender Schaden des Vermieters (§ 546a Abs. 2 BGB), der aus der Vorenthaltung der Mietsache resultiert, nach § 571 Abs. 1 S. 2 BGB nur insoweit ersatzfähig, als die Billigkeit eine Schadloshaltung erfordert.118 Der Hintergrund dieser Regelung liegt in der Prävention einer zu starken Druckwirkung auf den Mieter, die Sache an den Vermieter schnellstmöglich herauszugeben. Auf den ersten Blick entspricht diese Konsequenz zwar dem Zweck des § 546a Abs. 1 BGB, allerdings ist im Gegensatz zum Entschädigungsanspruch die Höhe eines weitergehenden Schadens für den 114  Schmidt-Futterer/Streyl,

Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 100. Bub/Treier/Emmerich, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., 2019, V. Rn. 162, der eine grundsätzliche Zeitspanne von maximal zwei Monaten favorisiert. 116  BeckOGK/Zehelein, BGB, Stand: 01.01.2023, § 546 Rn. 140. 117  BGH, 24.01.2018, XII ZR 120/16, NZM 2018, 333 Rn. 29; BeckOGK/Zehelein, BGB, Stand: 01.01.2023, § 546 Rn. 141. 118  Daneben wird durch § 571 Abs. 1 S. 1 BGB auch die Tatbestandsseite restringiert: So ist die Ersatzfähigkeit eines „weiteren Schaden[s]“ im Sinne des § 546a Abs. 2 BGB nur auf die Fälle zu beschränken, in denen die Rückgabe aufgrund von Umständen unterbleibt, die der Mieter zu vertreten hat. Da die §§ 280 ff. BGB jedoch ohnehin das Vertretenmüssen voraussetzen, kommt § 571 Abs. 1 S. 1 BGB nur im Zusammenspiel mit § 571 Abs. 3 BGB eine eigenständige Bedeutung zu, da Abs. 3 eine für den Mieter zum Nachteil abweichende Regelung als unwirksam deklariert. Zur Bedeutung des § 571 Abs. 1 S. 1 BGB: Soergel/Heintzmann, BGB, 13. Aufl., 2007, § 571 Rn. 2; Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., 2020, § 571 Rn. 2. 115  Vgl.



A. Abstrakte Schadensberechnung des Vermieters als Mietausfallschaden315

Mieter oft nicht abschätzbar. Der aus dieser Ungewissheit zusätzlich resultierende Druck kann dazu führen, dass der Schuldner auf die Ausübung seiner Schutzrechte (z. B. den Widerspruch nach § 574 BGB oder die Beantragung einer Räumungsfrist nach § 721 Abs. 1 S. 1 ZPO) verzichtet. Andernfalls müsste der Mieter befürchten, dass er sich im Falle einer erfolglosen Geltendmachung dieser Rechte einem noch höheren Schadensersatzanspruch ausgesetzt sieht. Dieser Sorge soll mit der Regelung des § 571 Abs. 1 BGB begegnet werden.119 Ob und in welchem Ausmaß eine Beschränkung eines weiteren Schadens stattfindet, ist durch eine Interessensabwägung zu bestimmen, in der sämtliche, den Einzelfall prägende, Umstände miteinzubeziehen sind.120 So sind auf Mieterseite insbesondere Alter, Erkrankungen und die Chance, angemessenen Ersatzwohnraum zu finden,121 sowie die Vermögensverhältnisse des Mieters, miteinzubeziehen.122 Besondere Bedeutung kommt einem potenziellen Rechtsirrtum zu, aus dem der Mieter seine Berechtigung ableitet, das Mietobjekt bei Beendigung des Mietverhältnisses (noch) nicht herausgeben zu müssen. Als Beispiel ließe sich an einen fälschlicherweise angenommenen Härtegrund denken.123 Zwar kann ein solcher Irrtum geeignet sein, ein Verschulden auf Tatbestandsseite abzulehnen, jedoch sind daran sehr hohe Anforderungen geknüpft. So liegt ein unverschuldeter Rechtsirrtum nur dann vor, wenn der Irrende Rechtsrat eingeholt und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachtet hat.124 Eine andere Beurteilung durch die Gerichte darf für ihn gerade nicht zu erwarten gewesen sein.125 Auf der Rechtsfolgenseite ist im Bereich der Billigkeitshaftung ein niedrigerer Maßstab anzulegen, um der Gewährleistung der freien Schutzrechtsausübung Rechnung zu tragen.126 Daher 119  MünchKomm/Häublein, BGB, 8. Aufl., 2020, § 571 Rn. 1; Schmidt-Futterer/ Streyl, Mietrecht, 15.  Aufl., 2021, § 571 Rn. 2; BeckOGK/Geib, BGB, Stand: 01.01.2023, § 571 Rn. 3. 120  Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 571 Rn. 11; Staudinger/ Rolfs, BGB, 2021, § 571 Rn. 8. 121  MünchKomm/Häublein, BGB, 8. Aufl., 2020, § 571 Rn. 8. 122  MünchKomm/Häublein, BGB, 8. Aufl., 2020, § 571 Rn. 8; Schmidt-Futterer/ Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 571 Rn. 11; BeckOGK/Geib, BGB, Stand: 01.01.2023, § 571 Rn. 19. 123  Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 571 Rn. 11. 124  BGH, 04.07.2001, VIII ZR 279/00, NJW 2001, 3114 (3115); BGH, 12.07.2006, X ZR 157/05, NJW 2006, 3271 Rn. 19; BGH, 25.10.2006, VIII ZR 102/06, NZM 2007, 35 Rn. 13; vgl. auch: Blank, NZM 2007, 788 (789). 125  BGH, 12.07.2006, X ZR 157/05, NJW 2006, 3271 Rn. 19; BGH, 25.10.2006, VIII ZR 102/06, NZM 2007, 35 Rn. 13. 126  BeckOGK/Geib, BGB, Stand: 01.01.2023, § 571 Rn. 20.

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4. Kap.: Der abstrakt berechnete Vermieterschaden

muss im Zuge des § 571 Abs. 1 S. 2 BGB auch die Ausübung der Schutzrechte berücksichtigt werden, wenn deren Erfolg ungewiss ist.127 Nur wenn ein Rückgriff auf diese Rechte von vornherein für den Mieter in erkennbarer Weise aussichtslos ist, können sie bei der Frage der Billigkeit keine Wirkung entfalten. Aufseiten des Vermieters sind insbesondere dessen Vermögensverhältnisse sowie das Ausmaß des durch die Vorenthaltung erlittenen Schadens zu berücksichtigen.128 Da § 571 Abs. 1 BGB auf § 546a Abs. 2 BGB Bezug nimmt und diese Norm wiederum auf § 546a Abs. 1 BGB rekurriert, kommt eine Begrenzung des Schadensersatzanspruches nur bei Schäden, die auf der Vorenthaltung der Mietsache beruhen, in Betracht.129 Des Weiteren kommt die Begrenzung des § 571 Abs. 1 S. 2 BGB nach § 571 Abs. 1 S. 3 BGB nicht in Betracht, wenn der Vermieter selbst gekündigt hat oder die Rückgabepflicht lediglich schlecht erfüllt hat.

III. Zusammenfassung der Ergebnisse Für die Berechnung des „abstrakten“ Mietausfallschadens des Vermieters sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden: In der ersten Variante kündigt der Vermieter aufgrund eines pflichtwidrigen Verhaltens des Mieters das Mietverhältnis, woraufhin das Mietobjekt ordnungsgemäß zurückgegeben wird.130 Durch die Kündigung schneidet sich der Vermieter nun weitere Mieteinnahmen aus dem Vertragsverhältnis zwischen ihm und dem Schadensersatzschuldner ab. Da sich der Mietausfallschaden nach der konkret vereinbarten Miete bemisst, richtet sich die Schadensberechnung nach den besonderen Umständen des Einzelfalles (§ 252 S. 2 Alt. 2 BGB). Die Pflicht des Mieters, für den Mietausfall aufzukommen, erstreckt sich dabei auf die Dauer zwischen der Beendigung des Mietverhältnisses und dem Moment, in dem der Mieter sich entweder einseitig vom Vertrag hätte lösen können oder das Mietverhältnis durch Zeitablauf geendet hätte. Wurde der Mietvertrag befristet, wird es dem Schuldner an einem entsprechenden hypothetischen Kündigungsrecht fehlen, sodass grundsätzlich Schadensersatz für die gesamte restliche Mietzeit zu entrichten ist. War das 127  Vgl. auch schon: Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, Miete, 6.  Aufl., 2020, § 571 Rn. 4; BeckOGK/Geib, BGB, Stand: 01.01.2023, § 571 Rn. 20. 128  MünchKomm/Häublein, BGB, 8. Aufl., 2020, § 571 Rn. 8; Schmidt-Futterer/ Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 571 Rn. 11. 129  MünchKomm/Häublein, BGB, 8. Aufl., 2020, § 571 Rn. 2; Schmidt-Futterer/ Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 571 Rn. 5. 130  Es liegt demnach weder eine Vorenthaltung noch eine Schlechterfüllung der Rückgabepflicht vor.



A. Abstrakte Schadensberechnung des Vermieters als Mietausfallschaden317

Mietverhältnis hingegen unbefristet, ist eine ordentliche Kündigung des Mieters für den Moment zu unterstellen, an dem die Kündigung des Vermieters wirksam wird. Dies hat zur Folge, dass ein Mietausfallschaden ausscheidet, wenn die Kündigungsfristen der vermieterischen und der (hypothetischen) mieterischen Kündigung übereinstimmen oder die Erstgenannte Letztgenannte übersteigt. Vermietet der Schadensersatzgläubiger in der Zeit, für die er einen Mietausfallschaden beanspruchen kann, das Mietobjekt an eine dritte Person weiter, sind die dadurch erzielten Einnahmen grundsätzlich geeignet, den Mietausfallschaden zu verhindern. Im Gegensatz zum Kaufvertrag besteht keine Vermutung, dass sich der Vermieter bei Vertragstreue des Erstmieters ein zumindest vergleichbares Objekt beschafft hätte, um das Geschäft mit dem Zweitmieter abzuschließen. Eine Anrechnung des Sachwertes (Marktmiete) findet nicht statt. In der zweiten Variante erhält der Vermieter das Mietobjekt nach Beendigung des Mietverhältnisses entweder verspätet oder in einem nicht vertragsgemäßen Zustand zurück. Für den ersten Fall schuf der Gesetzgeber mit § 546a Abs. 1 BGB einen für den Vermieter leicht handhabbaren Entschädigungsanspruch, falls ihm das Mietobjekt nach Vertragsbeendigung vorenthalten wird. Durch die Klassifizierung dieses Anspruches als vertraglicher Anspruch eigener Art, wird dem Mieter ein etwaiger Mitverschuldenseinwand abgeschnitten, sodass die Entschädigung im Ergebnis zu einer abstrakten Schadensberechnung im engeren Sinne führt. Dabei kann der Vermieter für die Dauer der Vorenthaltung wahlweise die vereinbarte oder die Marktmiete als Mindestentschädigung verlangen. Verschlechterungen der Mietsache während der Zeit der Vorenthaltung sind jedoch aufgrund des vertragsähnlichen Charakters bis zu einem bestimmten Grad zu berücksichtigen. Des Weiteren wird § 546a Abs. 1 BGB auf Tatbestandsseite durch den Rücknahmewillen des Vermieters limitiert. Dieser muss in Anlehnung an § 548 Abs. 1 BGB spätestens sechs Monate nach Beendigung des Mietverhältnisses vom Entschädigungsgläubiger perpetuiert werden, um einen Ausschluss des Entschädigungsanspruches zu verhindern. Dem Anwendungsbereich des § 252 S. 2 BGB kommt bei der verspäteten Rückgabe aufgrund des § 546a Abs. 1 BGB nur eine untergeordnete Rolle zu. Gleichwohl tritt die Bedeutung der typisierenden Schadensberechnung umso stärker bei der Schlechterfüllung der in § 546 Abs. 1 BGB positivierten Rückgabepflicht zu Tage. Besteht auf dem Mietmarkt für das in Rede stehende oder ein vergleichbares Mietobjekt eine gefestigte Nachfrage und leitet der Vermieter seine Unternehmereigenschaft maßgeblich aus der gewerblichen Weitervermietung von Objekten ab, ist der Grundstein für den gewöhnlichen Verlauf der Dinge geprägt. In der Folge kann er die Marktmiete zwischen

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4. Kap.: Der abstrakt berechnete Vermieterschaden

dem Zeitpunkt verlangen, zu dem mit einer Weitervermietung typischerweise zu rechnen gewesen wäre, und dem Moment, an dem die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes erfolgt. Endet diese Zeitspanne zur „Unzeit“, ist auch der zusätzliche Zeitraum in die Schadensberechnung miteinzubeziehen. Um den Mietausfallschaden gering zu halten (§ 254 Abs. 2 S. 1 BGB), kann der Vermieter dazu gehalten sein, die Sache auch im nicht vertragsgemäßen Zustand weiterzuvermieten. Allerdings ist er grundsätzlich berechtigt, die Sache so lange zurückzubehalten, bis der geschuldete Zustand erreicht ist. Etwas anderes gilt nur, wenn sich dieser vertragsgemäße Zustand pro­ blemlos während der Mietzeit eines etwaigen Nachmieters erreichen ließe. Jedoch ist dem Vermieter bei Rückerhalt ausreichend Zeit zuzubilligen, die Verfassung des Objektes gründlich zu untersuchen. Weiterhin ist die Anspruchsbegrenzung nach § 571 Abs. 1 S. 2 BGB zu berücksichtigen.

B. Der abstrakt berechnete Vermieterschaden als nicht zugeflossener Vertragswert Neben dem entgangenen Gewinn (Mietausfallschaden) des Vermieters ließe sich auch noch an eine tatsächliche Form der „abstrakten“ Schadensberechnung denken. Während die vorangestellten Berechnungsmethoden maßgeblich § 252 S. 2 BGB in das schadensrechtliche Zentrum rücken und damit eine Form der konkreten Schadensberechnung ermöglichen, könnte der Vermieter möglicherweise auch unmittelbar am „Wert des Vertrages“ ansetzen. Dazu ein kurzer Beispielsfall: V vermietet an M ein Ladengeschäft. Die Nettokaltmiete beträgt 1.000,– Euro monatlich. Die Marktmiete für vergleichbare Immobilien liegt bei 800,– Euro. Der Mietvertrag wird auf fünf Jahre befristet. Nach einigen Monaten bleiben die Mietzahlungen des M aus, da er sich beruflich neu orientieren will und kein Interesse mehr an dem Ladengeschäft hat. V kündigt daraufhin außerordentlich und berechtigterweise das Mietverhältnis. Nach ordnungsgemäßem Rückerhalt der Mietsache verlangt V Schadensersatz.

I. Der Anwendungsbereich neben dem Kündigungsfolgeschaden V könnte nun seinen Mietausfall (§ 252 S. 2 Alt. 2 BGB) über den Kündigungsfolgeschaden kompensieren.131 Zu denken wäre jedoch noch an das durch den Mietvertrag verbriefte, monetäre Interesse des Vermieters: Der Gläubiger überlässt dem Mieter ein Objekt entgeltlich auf Zeit. Liegt der 131  Dazu

bereits unter: 4. Kap. A. I.



B. Der abstrakte Vermieterschaden als nicht zugeflossener Vertragswert319

vereinbarte Mietzins (1.000,– Euro) über der Marktmiete, ist das Geschäft für den Vermieter besonders positiv, da der Wert seiner Leistung unterhalb der vom Mieter geschuldeten Leistung liegt (800,– Euro). Erhält der Vermieter diese 200,– Euro, würde er so gestellt, als ob er das Objekt bei Rückerhalt zum niedrigeren Mietmarktpreis weitervermietet hätte und nun den Ersatz für die niedrigeren Mieteinnahmen geltend macht. Allerdings wäre der Vermieter – vorbehaltlich des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB – nicht dazu gehalten, das Mietobjekt tatsächlich weitervermieten zu müssen. Doch inwieweit lässt sich diese, an § 376 Abs. 2 HGB orientierte und für einen Verkäufer konzipierte, Berechnungsmethode auf einen Vermieter übertragen? Aufgrund der strukturellen Unterschiede zwischen Kauf- und Mietvertrag lässt sich an einem potenziellen Transfer zweifeln: Für den Verkäufer stellt der Anspruch auf den Vertragswert (Vertragspreis minus Marktverkaufspreis) ein zentrales Instrument seiner Schadensberechnung dar.132 Die Bedeutung dieser Berechnungsmethode resultiert aus der eingeschränkten Möglichkeit des Verkäufers, entgangenen Gewinn geltend zu machen. Ein solcher käme für den Verkäufer nur dann in Frage, wenn die Rechenoperation „Vertragspreis minus Selbstkostenpreis“ einen positiven Saldo ergibt. Hat der Verkäufer die Waren nicht zum Zwecke der Weiterveräußerung erworben, wird es regelmäßig an dieser Prämisse mangeln. Allerdings verbleibt ihm die Möglichkeit, sein durch den Kaufvertrag festgelegtes, monetäres Interesse über die abstrakte Schadensberechnung im weiteren Sinne abzuschöpfen, indem er die Differenz zwischen (höherem) Vertragspreis und (niedrigerem) Marktverkaufspreis in die Schadensberechnung einstellt.133 Diese Ausgangslage des Verkäufers lässt sich nicht auf die des Vermieters, der seinen Kündigungsfolgeschaden geltend machen will, übertragen. Die Mieteinnahmen, die in Folge der durch den Mieter veranlassten Kündigung entgehen, sind als entgangener Gewinn zu klassifizieren.134 Dieser entgeht 132  Dazu

bereits ausführlich unter: 2. Kap. C. I. Caemmerer, Das Problem der überholenden Kausalität im Schadensersatzrecht, 1962, S. 8; Hager, Rechtsbehelfe des Verkäufers, 1975, S. 154; Soergel/Wiedemann, BGB, 11. Aufl., 1986, § 325 Rn. 45; Huber, Leistungsstörungen, Band 2, 1999, § 38 II 3, S. 236; Huber/Faust/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, 2002, S. 151; Staudinger/Schwarze, BGB, 2019, § 280 Rn. 86. Veräußert der Verkäufer einen gebrauchten Computer, den er einst für 1.000,– Euro erwarb und der nun noch 400,– Euro wert ist, zu einem Preis von 600,– Euro, handelt es sich bei der Differenz i. H. v. 200,– Euro um keinen entgangenen Gewinn i. S. d. § 252 BGB. Vielmehr spiegelt die Differenz von 200,– Euro den nicht zugeflossenen Vertragswert wider, der sich aus dem positiven Interesse des Verkäufers ergibt. 134  Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15.  Aufl., 2021, § 564a Rn. 99; BGH, 23.04.2008, XII ZR 136/05, juris Rn. 19; BGH, 13.10.2016, IX ZR 149/15, NJW 2017, 1600 Rn. 19. 133  v.

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4. Kap.: Der abstrakt berechnete Vermieterschaden

ungeachtet dessen, ob es sich um eine gewerbliche, private, neue oder gebrauchte Mietsache handelt. Eine Rechenoperation nach dem Schema „Vertragswert minus Selbstkosten“ findet nicht statt. Dadurch wird der Anwendungsbereich der abstrakten Schadensberechnung im weiteren Sinne aufseiten des Vermieters faktisch auf null reduziert, da die Differenz zwischen vereinbartem Mietzins und Marktmiete bereits im Kündigungsfolgeschaden enthalten ist. Dieser Eindruck erhärtet sich bei Betrachtung der übrigen, der Schadensbemessung zugrunde liegenden Faktoren. So wäre der Mieter auch bei der abstrakten Methode im weiteren Sinne nur bis zu dem Moment zum Schadensersatz verpflichtet, an dem er sich einseitig vom Vertrag hätte lösen können. Insofern verläuft die hier in Rede stehende Schadensberechnung parallel zur Berechnung des auf der Kündigung beruhenden Mietausfallschadens. Des Weiteren hat auch eine etwaige Anrechnung des Sachbesitzes keine Auswirkungen auf den abstrakt berechneten Schaden, da der Sachbesitz nur bis zur Höhe der Marktmiete anrechenbar wäre. Der hier in Rede stehende Schadensersatzanspruch erstreckt sich jedoch auf das über die Marktmiete hinausgehende Erfüllungsinteresse, also die Differenz zwischen Marktmiete und dem höheren, vereinbarten Mietzins. Zudem „haftet“ die abstrakte Schadensberechnung unmittelbar am Vertragsgegenstand, sodass eine Weitervermietung der Mietsache stets an die Stelle der entgangenen Mieteinnahmen tritt. Somit mangelt es auch hier an einer Vermutung, dass sich der Vermieter bei Vertragstreue des Mieters das Mietobjekt noch einmal beschafft hätte. Daher kommt der abstrakten Schadensbemessungsform neben dem Mietausfallschaden kein eigenständiger Anwendungsbereich zu.

II. Eigenständige Bedeutung aufgrund eines „abstrakt-normativen“ Elementes? Dem abstrakt berechneten Schadensersatzanspruch ließe sich nur dann ein über den Mietausfallschaden hinausgehender Anwendungsbereich entnehmen, wenn man das positive Interesse des Vermieters unter „normativen“ Gesichtspunkten betrachtet, um dadurch eine abstrakte Schadensberechnung im engeren Sinne zu ermöglichen. Dadurch würden schadensmindernde Faktoren ausgeklammert und der Vermieter könnte in jedem Fall die Differenz zwischen dem vereinbarten Mietzins und der niedrigeren Marktmiete fordern. In der Folge stünde dem Vermieter dieser Schadensersatz selbst dann zu, wenn ihm ein solcher Schaden überhaupt nicht entstanden ist. Der dem Vermieter nicht zugeflossene Vertragswert wäre insofern als stets zu ersetzender Mindestschaden zu klassifizieren. Auf das eingangs dargestellte Beispiel



B. Der abstrakte Vermieterschaden als nicht zugeflossener Vertragswert321

bezogen,135 bedeutet dies, dass der Vermieter des Ladengeschäftes selbst dann den Unterschied zwischen dem vertraglich festgelegten Mietpreis (1.000,– Euro) und der niedrigeren Marktmiete (800,– Euro) verlangen kann, wenn er das Ladengeschäft nach Rückerhalt sofort für 1.200,– Euro weitervermietet. Für die Zweckmäßigkeit einer solchen normativen Komponente spricht das Bedürfnis nach einer raschen Abwicklung und schnellen Klarheit über bestehende Ausgleichsansprüche. Dass auch der Gesetzgeber diese Bedürfnisse im Mietrecht erkannt hat, zeigt sich beispielsweise durch die kürzere Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 S. 1 BGB.136 sowie durch den für den Vermieter einfach zu handhabenden Entschädigungsanspruch des § 546a Abs. 1 BGB.137 Weiterhin würden vor allem im Bereich des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB Unwägbarkeiten vermieden. Dennoch kann eine normative Komponente aufseiten des vermieterischen Schadensersatzanspruches nicht Platz greifen. Zwar sprechen die aufgeführten Gründe allesamt für einen entsprechenden Differenzanspruch, allerdings führt eine derartige Kategorisierung zu einer ausgeprägten Überkompensa­ tionsgefahr.138 Der Vermieter wäre nicht daran gehindert, den Differenzanspruch geltend zu machen, nur um das Objekt zum identischen oder sogar einem höheren Preis weiterzuvermieten. In der Konsequenz kommt es zu einer Abkehr des dem Schadensrecht immanenten Ausgleichsprinzips. Anders als § 546a Abs. 1 BGB wird auf den Mieter dabei auch kein Druck ausgeübt, die Sache zurückzugeben, da er seiner Rückgabeverpflichtung bereits nachgekommen ist. Vielmehr erfüllt der abstrakt-normative Differenzanspruch eine überwiegend strafende Funktion,139 die dem Schadensersatz fremd ist.140 Daran ändert auch die Analogiefähigkeit des in §  376 Abs. 2 HGB positivierten, abstrakten Differenzanspruches zwischen Marktund Vertragspreis nichts. Zwar ist nach hier vertretener Ansicht eine abstrakte Schadensberechnung im engeren Sinne auch dann möglich, wenn es – im Gegensatz zum Wortlaut des § 376 Abs. 2 HGB – an einer Fixkomponente mangelt.141 Jedoch entspringt diese Rechtsfortbildung bereits aus der gesetz135  Zu

diesem Beispielsfall unter: 4. Kap. B. 14/4553, S. 45. 137  Mugdan, Die gesammten Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB, Band 2, 1899, S. 231 f. = Motive II, S. 415. 138  Dazu bereits unter: 1. Kap. C. II. 139  Neuner, AcP 133 (1931), 277 (291); siehe auch: Bydlinski, Probleme der Schadensverursachung, 1964, S. 29, der in der abstrakten Schadensberechnung sogar nur die Sanktionierung eines verletzten Rechts oder eines Rechtsgutes erblickt. 140  Soergel/Ekkenga/Kuntz, BGB, 13.  Aufl., 2014, Vor § 249 Rn. 31; MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 249 Rn. 8 m. w. N. 141  Dazu bereits unter: 1. Kap. E. III. 136  BT-Drucks.

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4. Kap.: Der abstrakt berechnete Vermieterschaden

geberischen Vorstellung, die von einem allgemeinen Grundsatz des Handelsverkehrs ausging. Zudem ist diese Analogie speziell auf Kaufleute zugeschnitten und geht – wie § 376 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 HGB zeigt – auch mit Verpflichtungen einher. Eine Übertragung der dort entwickelten Grundsätze auf das Mietrecht ist insofern nicht geboten.

III. Die fiktive Schadensberechnung des Vermieters Eine Unterart der abstrakten Schadensberechnung stellt die fiktive Schadensberechnung dar.142 Diese Berechnungsmethode wird für den Vermieter relevant, wenn der Mieter das Mietobjekt beschädigt oder sich vertragswidrig weigert, Renovierungen respektive Instandhaltungsarbeiten auszuführen. Gleiches gilt in Bezug auf den ausgebliebenen, aber geschuldeten Rückbau von Veränderungen.143 Wurde der Mieter beispielsweise wirksam dazu verpflichtet, die von ihm gemietete Wohnung bei seinem Auszug zu streichen, könnte sich der Vermieter der fiktiven Schadensbemessung bedienen, um dadurch den Betrag vom Mieter zu erhalten, der für die Ausführung der geschuldeten Arbeiten nötig wäre, wenn dieser bei seinem Auszug den vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommt. Inmitten dieser verschiedenen Szenarien steht die Frage, ob der Vermieter für die fiktive Schadensbemessung direkt auf § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zurückgreifen kann. Muss der Schadensersatzschuldner wegen der Verletzung einer Person oder wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zahlen, steht es dem Gläubiger nach dieser Vorschrift frei, statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag zu verlangen. Zwar kann § 249 Abs. 2 S. 1 BGB nicht ausdrücklich entnommen werden, ob der „erforderliche Geldbetrag“ für eine hypothetische oder eine tatsächlich durchgeführte Reparatur zu zahlen ist,144 jedoch erkennt auch der Gesetzgeber die mit § 249 Abs. 2 S. 1 BGB einhergehende Dispositionsfreiheit des Geschädigten zumindest im Rahmen von Sachschäden grundsätzlich an.145 Kommt es nun aufseiten des Mieters zu einer Nebenpflichtverletzung nach § 241 Abs. 2 BGB, kann sich der Vermieter nach allgemeiner Auffassung direkt auf die fiktive Schadensbemessung des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB berufen. In der Folge kann er den für die Reparatur erforderlichen Geldbetrag auch dann verlangen, wenn er von einer tatsächlichen Schadensbeseitigung absieht. 142  Die nachfolgenden Ausführungen gehen im Wesentlichen auf Schlereth/Stenger, r+s 2022, 380 (384) zurück. 143  Riehm, NZM 2019, 273 (277); Schlereth/Stenger, r+s 2022, 380 (384). 144  BT-Drucks. 14/7752, S. 13. 145  BT-Drucks. 14/7752, S. 23; dazu auch: Soergel/Ekkenga/Kuntz, BGB, 13. Aufl., 2014, § 249 Rn. 70.



B. Der abstrakte Vermieterschaden als nicht zugeflossener Vertragswert323

Gleichwohl ließe sich bei der Rückgabe des Mietobjektes auch an einen Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 BGB denken, wenn es zu einer Substanzschädigung der Mietsache gekommen ist. So erstreckt sich – entgegen der Auffassung des Bundesgerichtshofes146 – die Rückgabepflicht des § 546 Abs. 1 BGB auch auf den Zustand und nicht nur auf die bloße Herausgabe sowie einer etwaigen Räumung der Mietsache. Es handelt sich insoweit um eine selbstständige, nachvertragliche (Neben-)Leistungspflicht des Mieters, die Mietsache im ordnungsgemäßen Zustand herauszugeben.147 Das Argument, § 546 Abs. 1 BGB beinhaltet keine Aussagen bezüglich des Zustandes des Mietobjektes, verfängt bereits mit Blick auf die Aussagen des (historischen) Gesetzgebers nicht. So lässt sich aus den Materialien der Entstehungsgeschichte des Bürgerliches Gesetzbuches entnehmen, dass von einer Rückgabe im vertragsgemäßen Zustand auszugehen sei. Eine entsprechende, gesetzliche Normierung unterblieb, da es sich nach dem Verständnis des (historischen) Gesetzgebers um eine Selbstverständlichkeit handelte, für die es keinerlei gesetzlichen Niederschlags bedurfte.148 Zudem deutet auch die Rückabwicklungsfunktion des § 546 Abs. 1 BGB in diese Richtung. So sind sowohl Mieter als auch Vermieter in die Ausgangslage zu versetzen, die vor der Überlassung bestand. Die bloße Herausgabe und eine etwaige Räumung des Objektes stellen den vormals bestehenden status quo nicht zwingenderweise wieder her.149 Es besteht somit eine Anspruchskonkurrenz zwischen den Ansprüchen aus § 823 Abs. 1 BGB, §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB und §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 BGB, wenn das beschädigte Mietobjekt an den Vermieter herausgegeben wird.150 Bei stringenter Gesetzessubsumtion wäre jedoch dem Vermieter eine fiktive Schadensberechnung nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung zu verwehren, da diese Vorschrift die Möglichkeit der Naturalrestitution voraussetzt.151 Eine solche scheidet allerdings im Rahmen des § 281 Abs. 1 BGB aus.152 Dies ist auf § 281 Abs. 4 BGB zurückzuführen, der den Anspruch auf die Leistung ausschließt, sobald der 146  BGH, 28.02.2018, VIII ZR 157/17, BGHZ 218, 22 Rn. 23 f.; BGH, 27.06.2018, XII ZR 79/17, NZM 2018, 717 Rn. 20. 147  Schermaier, JZ 2018, 950 (951). 148  Mugdan, Die gesammten Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB, Band 2, 1899, S. 850 = Protokolle, S. 1973; dazu auch schon: Haase, JR 1983, 364 (365); Streyl, NJW 2018, 1723 (1724); Schlereth/Stenger, r+s 2022, 380 (384). 149  Vgl. Lehmann-Richter, ZMR 2019, 313; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Freilich ist dabei auch die Grenze des § 538 BGB zu beachten. 150  Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., 2021, § 546a Rn. 82; Schlereth/ Stenger, r+s 2022, 380 (384). 151  Statt aller: MünchKomm/Oetker, BGB, 9. Aufl., 2022, § 249 Rn. 365. 152  Schlereth/Stenger, r+s 2022, 380 (384).

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4. Kap.: Der abstrakt berechnete Vermieterschaden

Gläubiger Schadensersatz statt der Leistung verlangt. Dadurch käme für den Vermieter eine fiktive Schadensberechnung nicht in Betracht, wenn der Mieter das Mietobjekt herausgibt, ohne zuvor die vertraglich geschuldeten Renovierungen, Instandhaltungs- oder Rückbauarbeiten durchzuführen, da der Vermieter in diesem Fall nur auf seinen Anspruch nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 BGB zurückgreifen kann und es darüber hinaus an der von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB geforderten Sachbeschädigung fehlt. Gleichwohl stünde dem Vermieter im Bereich des deliktischen Anspruches und des Schadensersatzes neben der Leistung ein direkter Rückgriff auf § 249 Abs. 2 S. 1 BGB offen. Hier zeigt sich, dass eine differenzierende Behandlung der in Frage kommenden Ansprüche nicht angezeigt sein kann.153 Sowohl der Dispositionsfreiheit als auch dem Vorfinanzierungsrisiko des Vermieters sind unabhängig davon Rechnung zu tragen, auf welchen Anspruch die Schadensersatzforderung gestützt wird. Zwar ließe sich gegen die fiktive Abrechnungsmethode ein besonderes, mietrechtliches Überkompensationsrisiko ins Feld führen,154 jedoch wird es für den Vermieter oft ein Leichtes sein, das Mietobjekt zu einem identischen oder sogar höheren Mietpreis weiterzuvermieten, wenn die vertraglich geschuldeten Arbeiten nicht ausgeführt wurden.155 Allerdings ist zu bedenken, dass die allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätze, die in § 249 Abs. 2 S. 2 BGB und § 251 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommen,156 die Gefahr einer Überkompensation eindämmen.157 Des Weiteren ist zu beachten, dass die erzielbare Miete in den Risikobereich des Vermieters fällt. Je nach Art und Umfang der nicht ausgeführten Arbeiten wird die vertragswidrige Rückgabe regelmäßig mit einer niedrigeren Mieterzielung bei einer Weitervermietung korrelieren. Dadurch kann die Annahme, der Vermieter könne mindestens weiterhin die identische Miete erzielen, nicht Platz greifen.158 Zuletzt gilt es auch hier wieder dem Vorfinanzierungsrisiko und der Dispositionsfreiheit des Schadensersatzgläubigers Rechnung zu tragen.159

153  So

schon: Schlereth/Stenger, r+s 2022, 380 (384). r+s 2022, 380 (384). 155  Schlereth/Stenger, r+s 2022, 380 (384). 156  Zur Wertung des § 251 Abs. 2 BGB: Mohr, JZ 2019, 917 (921, 923); Riehm, NJW 2021, 27 Rn. 21; Staudinger/Höpfner, BGB, 2021, § 249 Rn. 232; zur Wertung des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB: BT-Drucks. 14/7752, S. 13. 157  Schlereth/Stenger, r+s 2022, 380 (384). 158  Schlereth/Stenger, r+s 2022, 380 (384). 159  Schlereth/Stenger, r+s 2022, 380 (384). 154  Schlereth/Stenger,



B. Der abstrakte Vermieterschaden als nicht zugeflossener Vertragswert325

IV. Zusammenfassung der Ergebnisse Die abstrakte Schadensberechnung im weiteren Sinne erfasst die Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Miete und der niedrigeren Marktmiete. Allerdings kommt diesem Berechnungsmodus im Vergleich zum Mietausfallschaden (§ 252 S. 2 Alt. 2 BGB) kein eigenständiger Anwendungsbereich zu. Einzig die Klassifizierung dieser Berechnungsmethode als abstrakte Schadensbemessung im engeren Sinne könnte diesem Anspruch Bedeutung verschaffen. Jedoch wäre eine solche Einordnung mit tragenden schadensrechtlichen Grundsätzen – wie dem Bereicherungsverbot – nicht vereinbar. Dem Vermieter steht die Möglichkeit offen, seinen Schaden fiktiv zu berechnen. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich der Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB, aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB oder §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 BGB ergibt. Eine besondere Überkompensationsgefahr besteht nicht.

Schluss Die Geschichte der abstrakten Schadensberechnung ist von Pragmatismus, Missverständnissen und Vorurteilen geprägt. So lässt sich das wohl bis heute vorherrschende Verständnis, dass es sich bei dieser Schadensbemessungsform um eine widerlegbare Weiterveräußerungsvermutung handelt, auf unpräzise Schlussfolgerungen des Reichsgerichtes zurückführen.1 Auch die vom Bundesgerichtshof vertretene Auffassung, dass dem nicht belieferten Käufer auf der Grundlage dieser Absatzvermutung die Differenz zwischen dem Vertragspreis und dem höheren Markteinkaufspreis zusteht,2 lässt auf ein eher ergebnisorientiertes Verständnis schließen.3 Um sich von einer Betrachtungsweise ad libitum zu emanzipieren, ist das Wesen der abstrakten Schadensberechnung zu ergründen. Dafür bedarf es einer stringenten Trennung zwischen dem Verkehrswert einer vertraglich geschuldeten Leistung und dem entgangenen Gewinn. Letztendlich gilt der Grundsatz: Der gewöhnliche Verlauf der Dinge nach § 252 S. 2 Alt. 1 BGB ermöglicht keine abstrakte Schadensberechnung, sondern lediglich die vereinfachte Geltendmachung eines konkreten Schadens. Die abstrakte Berechnungsmethode dient hingegen einzig dem Zweck, den monetären Wert einer Leistung abstrakt – meist anhand des Marktpreises – zu bestimmen. Der dadurch ermittelte „Mehrwert“ der geschuldeten Leistung entgeht dem Gläubiger unabhängig davon, ob er als Kaufmann, Kleingewerbetreibender oder Verbraucher zu qualifizieren ist. Daher spielt es auch keine Rolle, ob beispielsweise ein Käufer die nicht gelieferte Ware zum Zwecke der Weiterveräußerung oder zum privaten Gebrauch erwerben wollte. In diesem Zusammenhang wurde die abstrakte Schadensberechnung zum „Spielball“ verschiedener Schadensbegriffe und dem Versuch, gänzlich neue Wege im Rahmen der §§ 249 ff. BGB zu gehen.4 Auch das vielfach beschworene Spekulations­ risiko, das dieser Berechnungsmethode immanent sein soll, erweist sich bei genauerer Betrachtung als nicht stichhaltig. Einzig die Berechnungsparameter des Schadensersatzanspruches können ein Einfallstor für nicht zu tolerie1  Exemplarisch: RG, 23.04.1907, II 453/06, LZ 1907 Nr. 9 Spalte 501 = Holdheim 1908, 17 (17 f.). 2  BGH, 19.11.1997, VIII ZR 33/36, WM 1998, 931 (931 f.). 3  Vgl. dazu auch: Huber, Leistungsstörungen, Band 2, 1999, S. 247. 4  So z.  B. bei dem von Christian Knütel aufgezeigten Weg des „allgemeinen“ Interesses. Siehe dazu: Knütel, AcP 202 (2002), 555 (571 ff., insbesondere 575).

Schluss327

rende, spekulative Anreize darstellen. Daher muss die oberste Maxime lauten, Determinanten wie Zeitpunkt und Ort der Marktpreis- oder Verkehrswertbestimmung von derartigen Elementen zu befreien. Die abstrakte Schadensberechnung kann sowohl im Kauf- als auch im Mietrecht in verschiedenen Formen und Varianten auftreten. Den „Grundfall“ bildet die Nichtleistung. Erfüllt der Schadensersatzschuldner seine vertragliche Verpflichtung nicht, kann deren Wert abstrakt ermittelt und über den Schadensersatz statt der Leistung ersetzt werden. Des Weiteren stellen sowohl der mangelbedingte als auch der merkantile Minderwert sowie die Schadensbemessung auf der Grundlage fiktiv angefallener Reparaturkosten Ausprägungen der abstrakten Berechnungsmethode dar. Betrachtet man die lange und wechselvolle Geschichte der abstrakten Schadensberechnung, ist nach hier vertretener Auffassung im Bereich des Handelsverkehrs eine Rückbesinnung auf die Zeit des Reichsoberhandelsgerichtes geboten. So ist § 376 Abs. 2 HGB – recht verstanden – nicht als analogieunfähige „Ausnahmevorschrift“ zu verstehen. Vielmehr wohnt dieser Norm eine Vereinfachungs- und Beschleunigungswirkung inne, welche auf alle Handelsgeschäfte ohne Fixkomponente zu übertragen ist.5 Insgesamt muss dieser Form der abstrakten Schadensberechnung außerhalb dieser Rechtsfortbildung aber mit gewisser Vorsicht begegnet werden. So steht ein stets zu ersetzender Mindestschaden, wie ihn § 376 Abs. 2 HGB (analog) anordnet, in ständigem Konflikt mit dem Ausgleichsprinzip und dem Bereicherungsverbot. Daher ist ein zu extensives Verständnis der ab­ strakten Schadensberechnung im engeren Sinne abzulehnen. Außerhalb des Handelsrechtes liegt der modus operandi der abstrakten Berechnungsmethode in einer konsequenten Anwendung der Differenzhypothese. Der damit einhergehende Gesamtvermögensvergleich erfasst nicht nur ein durch den Schuldner verursachtes „Minus“, sondern auch ein nicht zugeflossenes „Plus“. Im Zuge dessen sind auch schadensmindernde Faktoren zu berücksichtigen, wie ersparte Kosten oder die Auswirkungen eines tatsächlich durchgeführten oder unterlassenen Ersatzgeschäftes. Bei der Analyse des abstrakt berechneten Schadens zeigt sich somit, dass im Wesentlichen drei Schritte zu unterscheiden sind: Zuerst gilt es, die schadensrechtliche Basis des Anspruches zu ermitteln. So ist der Vermögensschaden grundsätzlich anhand der Differenzhypothese zu bestimmen. Gleichwohl können in bestimmten Fällen auch „normative“ schadensrechtliche Erwägun5  Allerdings sind im Bereich von einseitigen Handelsgeschäften Ausnahmen zu machen, wenn aufseiten des Schadensersatzgläubigers kein Handelsgeschäft vorliegt. Vgl. dazu: Herresthal, ZIP 2006, 883 (890); Canaris, in: FS für Konzen, 2006, 43 (48).

328 Schluss

gen eine geeignete Grundlage für einen Schadensersatzanspruch bilden. In einem zweiten Schritt gilt es, die entsprechenden Berechnungsparameter zu bestimmen. Soll der abstrakte Leistungswert anhand des Marktpreises bestimmt werden, sind insbesondere Zeitpunkt und Marktort für die Höhe des abstrakt berechneten Schadensersatzanspruches entscheidend. In einem dritten Schritt müssen die schadensmindernden Faktoren bewertet werden. Nur in besonderen Fällen dürfen, die die Schadenshöhe limitierenden Aspekte außer Betracht bleiben. Dieser Drei-Schritt bildet das Gerüst der abstrakten Schadensberechnung.

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Stichwortverzeichnis Abstrakt-normativ  20, 187, 189, 320 f. Analogie  183 f., 194–198, 321 f., 327 Anknüpfungstatsachen  86, 94, 135, 240, 244, 246, 308, 311 Ausgleichsprinzip  22, 25, 55, 126 f., 130, 321, 327 Bereicherungsverbot  78, 81, 126, 129 f., 164, 236, 325 Beweiserleichterung  23, 37, 40–45, 48, 57 f., 140, 239, 241, 245, 306, 308 Beweislast  94 f., 109, 116, 118, 155, 210, 222 f., 234, 244 f., 247, 255, 276, 283, 287 Beweislastumkehr  110, 134 Beweislastverteilung  109 Darlegungslast  77, 94 f., 276, 305 –– sekundäre  110–112, 116, 156, 210, 218, 222, 255, 283, 288 Differenzhypothese  21, 131, 142 f., 163 f., 166, 189 f., 193, 227, 234, 239, 260 f., 264 f., 287 Erfüllungszeitpunkt  33, 69, 142, 144 f., 187, 229 f. Fiktiv  157, 159–167, 169 f., 176, 284–287, 322, 324 f. Fixgeschäft  25, 31 f., 45, 155, 183, 186 f., 192, 195–197, 199, 200, 202 f. Gesetzeslücke  167, 184, 188, 190, 192, 198 Handelsgeschäft  19, 21, 25, 58, 116, 155, 177, 182–184, 189, 191, 194–200, 237 Handelskauf  25, 55, 190 f., 195, 197

Handelskette  52–55, 125, 136, 138, 228 Interesse –– allgemeines  121, 124–126, 128, 130, 141 –– besonderes  30, 124 –– Erfüllungsinteresse  142, 148, 236, 274, 278 f., 320 –– Geldinteresse  24, 128 –– Leistungsinteresse  124, 168 –– pekuniäres Interesse  28, 274, 286 Interessensersatz  124 Kosten –– Fixkosten  78, 205 –– Generalunkosten  86, 144, 209 f., 231, 265, 271 –– Spezialunkosten  78, 86, 95, 116, 144, 205, 209, 231 Legislativwille  42, 71, 103, 167, 185, 192, 194 Mangelbeseitigungskosten  159 f., 162, 164, 156, 167, 285 f. Marktstufe  36, 52–56, 59, 85, 125 f., 133, 136, 138, 156, 158 f., 173, 177, 179, 309 Militärfiskus  46, 87, 88, 90 Minderwert –– mangelbedingter  81, 157–160, 163, 165, 176, 327 –– merkantiler  157, 170–177, 260, 327 Mindestschaden  23, 25, 46, 121, 123, 125–127, 129, 137, 143, 181, 188, 190 f., 194, 200, 235–237, 297, 300, 320, 327

350 Stichwortverzeichnis Naturalrestitution  162, 266, 323 Normativ  22, 40, 110, 178, 189, 269, 272 Nutzung, (abstrakter) Nutzungsersatz  258 f., 262 f., 266, 271, 301 f. Nutzungsentschädigung  296, 298, 306 Ort –– Ablieferungsort  76 f., 150 f., 158, 181, 197, 200, 209 –– Erfolgsort  76, 150 –– Erfüllungsort  180, 231, 235, 237 Preisbildung  98–100, 118, 325 price hedging  145 f., 156, 197 Regelungslücke  188, 199 f. Rückgewährschuldverhältnis  73, 81–84 Rücknahmewille  299, 301, 303–305, 307 Schadensersatzverlangen  70–73, 80, 83–85, 147, 166 f., 196, 230, 250 Schadensminderungsobliegenheit  12, 21, 107, 112, 114 f., 120, 123, 127, 129, 152, 155, 189 f., 220–223, 234, 251f., 254, 280, 294, 306 Spekulation  62–68, 75, 104, 144–146, 148, 149, 156, 188, 195 f., 209, 227 Teilunmöglichkeit  247 f., 253

Teleologie  168, 181, 185, 192, 199 f. Telos  97, 102, 165, 166 Überkompensation  28, 78, 166, 210, 212, 214, 242, 247, 256, 274, 324 f. Überobligatorische Bemühungen  154, 221, 232 f., 252 f., 282 f. Unmöglichkeit  84, 149, 247 f., 253, 304 Vorschuss  166–170, 176, 285 Vorteilsausgleich  21, 82, 127, 129, 207 Wahlrecht  26, 62–65, 67–69, 79, 120, 208, 229 Weiterveräußerungsvermutung  27, 35, 37–41, 43–47, 49, 51, 53, 55, 57, 59–61, 63, 65, 67, 69, 71, 73, 75, 77, 79, 81, 83, 85, 87, 89, 91–93, 95, 97, 99, 101, 103, 105, 107, 109, 111, 113, 115, 117, 119 f., 132, 135 f., 140, 214, 326 Wert –– Mehrwert  22, 88, 142, 144, 146 f., 226 f., 231, 326 –– objektiver  25, 53, 122, 125, 130, 136, 142, 188 –– Verkehrswert  21–23, 26, 34, 57, 92, 94, 106, 120, 132–137, 139–145, 147–152, 154–159, 173, 175–181, 189, 198, 201, 218, 228–232, 234 Wertungsplan  185, 188, 190, 198