Sternenbanner und Kleeblatt : Eine Reportage über fünfzig Jahre amerikanische Besatzung und Freundschaft am Beispiel der Stadt Fürth 3927347353

Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges waren etwa zehn Prozent der Fürther Bevölkerung Amerikaner. Vorwiegend in der Süds

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German Pages [194] Year 1996

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Sternenbanner und Kleeblatt : Eine Reportage über fünfzig Jahre amerikanische Besatzung und Freundschaft am Beispiel der Stadt Fürth
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Bernd Jesussek

STERNENBANNER UND KLEEBLATT Eine Reportage über fünfzig Jahre amerikanische Besatzung und Freundschaft am Beispiel der Stadt Fürth

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Fotos: Fürther Nachrichten 35, 49, 86, 87, 99, 103, 104, 128 Bernd Jesussek 79, 129, 160, 171, 175, 182 Knut Meyer 5, 8, 90, 93, 105 (2), 109, 113, 117, 123, 124, 127, 132, 141, 144, 148, 151, 155, 163, 165 Werner Peterson 122 Public Affairs Office Nürnberg Military Community Titelseite unten, 55, 71, 135, 138, 153, 156, 164, 176 Stadtarchiv Fürth 17, 45, 61, 88 Verein "Geschichte für Alle" 9, 12 Ferdinand Vitzethum Titelseite oben, 23, 41, 76, 82, 83, 85 Fritz Wolkenstörfer 65 (2), 96, 101

Kartengrundlage: Nürnberg and Vicinity 53, 56, 59, 62 Stadtplanungsamt Fürth Umschlag Satz: Bernd Jesussek Druck: Grafische Werkstätte Graf, Fürth

© Städtebilder-Verlag

Fürth, September 1996 ISBN 3-927347-35-3

Bernd Jesussek

Sternenbanner und Kleeblatt

Eine Reportage über fünfzig Jahre amerikanische Besatzung und Freundschaft am Beispiel der Stadt Fürth

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fotoarchiv & vertag

Vorwort

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Einleitung

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Fürth und Amerika Die Auswanderer Handelsbeziehungen

9 9 12

Die Besatzungszeit Fürth im Krieg Ziele und Aufgaben der Sieger Fürth nach Kriegsende Die Wiederaufrichtung der Justiz in Fürth durch die Amerikaner Die Militärregierung in Fürth Straßenverkehr, Polizei und Schwarzmarkt Kleinkrieg in der Gustavstraße Einquartierungen Amerikanische Wohltätigkeit Die Amerikaner organisieren sich Fürther Kasernen

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Die Amerikaner werden in Fürth seßhaft Lösung des Wohnungsproblems Freigabe der beschlagnahmten Wohnungen Amerikanische Infrastruktur „Off Limits" im St. MichaelsViertel Manöver in der Altstadt Was sonst noch bis Mitte der fünfziger Jahre passiert

Stille Amerikaner Streit um Stationierungskosten Amerikanisches Getto Paraden in Atzenhof Panzer im Schlafzimmer und andere Zwischenfälle Deutsche und amerikanische Justiz Unruhige Zeiten Vietnam und andere Probleme Dschungelkrieg in Fürth Taxifahrer, eine bequeme Geld­ quelle Schnelle Panzer und enge Unter­ führungen Gegenmaßnahmen Amerikaner helfen Brandstifter am Werk Umstrukturierungen

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22 31 34 38 39 44 48 52

60 60 69 74 77 84 87

91 91 92 97

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NATO - Freund schäft Von Vietnam bis zur Wende Soldaten und ihr Umfeld Die Bautätigkeit lebt wieder auf Amerikanische Armee und Fürther Umwelt Deutsch-amerikanische Kontakte Die Amerikaner als Arbeitgeber Torf und Terroristen

133 133 134 139

Golfkrieg und „Drawdown" Wiedervereinigung Der Golfkrieg Organisation des Truppenabbaus Die leeren Kasemenflächen - Last oder Chance? Zennwalddepot und Schießplatz Zivilbeschäftigte und Soldaten Letzte Manöver

161 161 161 164

Anhang

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Literatur

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Index

186

140 149 157 159

168 174 177 179

Vorwort Dieses sehr umfangreiche, einsichtsvolle und bemerkenswerte Werk beschreibt eine Zeitspanne deutsch-amerikanischer Ereig­ nisse in Deutschland, welche insbesondere die Kleeblattstadt Fürth und die seit 1945 zeitweilig und wiederholt dort lebenden Amerikaner betreffen. Ich betrachte diese Zeit aus persönlicher Erfahrung und Anschauung und natürlich mit besonderer Verbundenheit. Ich denke dabei zuerst an die Zeit meiner Kindheit. Als meine Familie vor den vorrückenden kommunistischen Truppen fliehen mußte, fanden wir nicht weit von Fürth eine neue Heimat. Ich verbrachte hier einen Teil meiner Kindheit und ging hier zur Schule. Die Erlebnisse und Erfahrungen aus dieser Zeit haben in mir viele besondere Eindrücke hinterlassen. Meine Familie wanderte, wie etliche Fürther auch, bald nach Amerika aus, um dort eine neue Heimat zu finden. In den Vereinigten Staaten erfüllten sich bald viele meiner Träume und Erwartungen. In Amerika be­ gann ich auch meine militärische Karriere. Zurückblickend betrachte ich es als großes Glück und als große Ehre, meine militärische Karriere der Verteidigung beider Länder ge­

widmet zu haben. Als ich als ein Komman­ deur der amerikanischen Streitkräfte nach Fürth zurückkehrte, standen mir viele neue Aufgaben bevor, die ich, mit der Hilfe vieler Fürther, bewältigen konnte. Die neu ge­ schlossenen und dauerhaften Freundschaf­ ten, die sich daraus entwickelten, haben sehr dazu beigetragen, daß sich die Verbundenheit unserer beiden Völkern vertiefte. Wenn ich nun aus der Ferne auf diese Zeiten zurückblicke, so können wir recht stolz auf unsere gemeinsame Zusammenar­ beit sein. Seit der langersehnten Wiederver­ einigung Deutschlands stehen Ihnen und uns neue Aufgaben bevor. Möge dieses Werk dazu beitragen, die Ereignisse der Vergangenheit im rechten Licht zu sehen und ein gutes Beispiel für Verbundenheit und Zu­ sammenarbeit sein, auf das die kommenden Generationen mit Stolz zurückblicken kön­ nen.

Mit besonderem Gruß und Verbundenheit, John M. Shalikashvili Chairman, The Joint Chiefs of Staff

General Shalikashuili erhält im Februar 1985 aus der Hand von Hubert Weiger (links) eine Medaille des Bundes Natur­ schutz für sein vorbildliches Eintreten für den Schutz der Umwelt. Rechts neben dem General seine Frau Joan und Helga Krause und Dr. Günther Witzsch vom Bund Natur­ schutz.

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Einleitung Die Beziehungen zwischen der Kleeblatt­ stadt Fürth und den Vereinigten Staaten von Nordamerika beginnen nicht 1945 und sie enden nicht 1995. Bereits im letzten Jahr­ hundert haben Amerikaner in Fürth gewohnt und gearbeitet, und Fürther sind in die USA ausgewandert und sind Staatsbürger unter dem Sternenbanner geworden. Und es wird auch nach dem Abzug der Soldaten aus Fürth in Zukunft noch Amerikaner in Fürth geben. Die Amerikaner stellten in den letzten fünfzig Jahren zehn Prozent der Fürther Be­ völkerung und dieser hohe Anteil hat sie über eine unbedeutende Minderheit hinaus­ gehoben. Jetzt ist diese große Gruppe ziem­ lich plötzlich verschwunden und in alle Welt verstreut. Die letzten englischsprachigen Hin­ weistafeln sind abmontiert, die Kasernen und Wohnhäuser werden bald von deutschen Firmen und Familien belebt sein. Es wird nichts mehr darauf hinweisen, daß für die Dauer von etwa zwei Generationen in Fürth ein „Klein-Amerika" existiert hat. Deshalb ist es notwendig, eine Bilanz über diese vergangene halbe Jahrhundert zu ziehen. Hat die fünfzig Jahre währende Präsenz der Soldaten unter dem Sternenbanner blei­ bende Spuren in der Kleeblattstadt hinter­ lassen? Die äußerlich sichtbaren Hinweise mögen bald verwischt sein, aber die persön­ lichen Begegnungen zwischen Fürthern und ihren „Amis" haben Eindrücke hinterlassen, die im Gedächtnis der Menschen haften bleiben werden. Nach Fürth gekommen sind die amerikanischen Soldaten als Sieger und Besatzer, genauso wie die Kroaten und die französischen Truppen in früheren Jahrhun­ derten. Die Kroaten haben im 30jährigen Krieg fast ganz Fürth zerstört und über die vielen Einquartierungen französischer Heere im 18. und 19. Jahrhundert hat die Bevöl­ kerung des damaligen Marktfleckens gewaltig gestöhnt. Doch sind diese Eroberer ziemlich rasch wieder weitergezogen, während die Amerikaner sich auf einen dauerhaften Auf­ enthalt eingerichtet haben. Aber sind die Amerikaner in Fürth wirklich über diesen langen Zeitraum hinweg „Besatzer" geblie­ ben? Zweifelsohne haben die etwa 10.000 Amerikaner (Soldaten und ihre Angehörigen) einen nicht zu übersehenden Machtfaktor in Fürth dargestellt. Ihre militärischen Möglich­ keiten haben die jeder deutschen Organisa­ tion in der Umgebung, ob Polizei oder Bun­ 6

deswehr, übertroffen und ihre politische Steuerung hat sich jedem deutschen Ent­ scheidungsorgan entzogen. Die Amerikaner haben diese Macht jedoch fast nie sichtbar oder spürbar werden lassen, wobei das „fast" für die unmittelbaren Nachkriegsjahre steht, wo ihre militärische Präsenz ein Mindestmaß an Ordnung garantiert hat. Die deutsche Bevölkerung hat sich in jener Zeit mehr oder weniger zähneknirschend den Anordnungen der Amerikanischen Militärregierung gefügt, es darf jedoch angezweifelt werden, daß eine deutsche Ordnungsmacht in vergleichbarer Lage bessere Resultate zustande gebracht hätte. Nach der Souveränität der Bundesrepublik Deutschland 1955 haben sich die Amerikaner in ihr selbstgewähltes Getto in den Kasernen und „Housing-Areas" zurückgezogen, und die Berührungspunkte zur Fürther Bevölkerung haben sich auf die gemeinsam genutzte Infrastruktur und die Freizeiteinrichtungen beschränkt. Es hat also, anders als bei den ausländischen Arbeitnehmern in unserer Stadt aus Europa oder der Türkei, nicht nur kulturelle und sprachliche Unterschiede zwischen den „Ureinwohnern" und den Ausländem gegeben, sondern auch eine räumliche Abgrenzung zwischen der ameri­ kanischen Enklave und dem deutschen Um­ land. Zudem gibt es grundsätzlich wenig gemeinsame Interessen zwischen der gewach­ senen Zivilbevölkerung einer Industriestadt und einem autarken Militärapparat, in dem die Menschen fortwährend ausgetauscht werden. Trotzdem werden wechselseitige Einflüsse zwischen Fürthern und Amerikanern sicht­ bar. Der amerikanische Einfluß hat sich nicht auf Coca Cola oder Rock'n Roll be­ schränkt. Das typisch amerikanische Ge­ tränk hat es in Deutschland bereits seit 1922 gegeben, Rock'n Roll ist über das Radio verbreitet worden und die amerikanischen Western- und Kriminalfilme über Kinos und später das Fernsehen. Auch auf die Verwen­ dung eines Babysitters oder das Tragen von Nylonstrümpfen wären wir ohne Amerikaner in der Stadt irgendwann einmal gekommen. Der „American Way of Life" wäre also früher oder später auch ohne die körperliche Anwe­ senheit der Amerikaner nach Fürth gelangt, aber so ist alles viel schneller gegangen. Ihr Wohlstand ist jedem Fürther sichtbar gewe­ sen, über die deutschen Angestellten und die von den Amerikanern besuchten Gaststätten haben Musik und Luxusartikel ihren Weg zu den Fürthern gefunden. Das wirklich

Entscheidende aber, was den Fürthern von „ihren" Amerikanern im Gedächtnis bleiben wird, ist deren typische Unkompliziertheit, ihre Aufgeschlossenheit und ihre Hilfsbereit­ schaft. Da marschieren keine „preußischen" Militaristen ein, sondern es kommen Staats­ bürger in Uniform. Sie kämpfen nicht für einen Führer, einen Kaiser oder eine Fahne, sondern für ihr Land und für ihre Ideale, nach denen sie leben. Das Demokratieverständnis, das die Ame­ rikaner vertreten haben und noch immer vertreten, entspringt nicht irgendeiner Lehr­ meinung oder einem Gesetz, sondern wird von ihnen gelebt und führt den verunsicher­ ten Deutschen der Nachkriegszeit die Mach­ barkeit des neuen Systems vor Augen. Und schließlich - und das ist ebenfalls ein ganz wichtiger Gesichtspunkt - haben die ameri­ kanischen Soldaten alleine durch ihre Statio­ nierung in Deutschland dazu beigetragen, einen Krieg in Europa zu verhindern. Das positive „Image", das die Fürther auf diese Weise von den Amerikanern gewinnen, erleidet nur wenig Schaden durch Soldaten, die über die Stränge schlagen und sich mit Gewalttaten in die Schlagzeilen bringen. Sicher werden zeitweise in der Kleeblattstadt einzelne Rufe des „Ami Go Home" hörbar, und das bis in die sechziger Jahre geltende Schlagwort vom „Amerika, Du hast es besser" wird relativiert und weicht einer realisti­ scheren Einschätzung der Großmacht Ame­ rika durch die Fürther. Aber die „Amis" wer­ den immer besser bewertet als die restlichen ausländischen Mitbürger in unserer Stadt. Umgekehrt nehmen die weitaus meisten der aus Fürth in die USA zurückversetzten amerikanischen Soldaten einen äußerst positiven Eindruck von ihrer Stationierung in Deutschland mit nach Hause. Wenn auch die Hälfte der Soldaten ihr „Klein-Amerika" in der Südstadt kaum verläßt und ein Teil der in den Fürther Kasernen arbeitenden Gis die Stadt nur unter dem Begriff „Nürnberg Community" kennt, trägt ihr Aufenthalt in der Kleeblattstadt dazu bei, daß Deutschland zum* beliebtesten Auslandsstandort der amerikanischen Soldaten wird. Und dieses positive Deutschlandbild vieler Amerikaner, gegründet auf persönliches Erleben, ist für den Bestand der guten Beziehungen beider Staaten von unschätzbarem Wert. Als Fazit läßt sich feststellen: „Fünfzig Jahre Amerikaner in Deutschland heißt fünfzig Jahre Frieden in Europa". Nachdem der erste Teil der Aussage durch den Abzug vieler Amerikaner nur noch eingeschränkt

gilt, wollen wir hoffen, daß der zweite Teil uneingeschränkt seine Gültigkeit behält. Noch einige Anmerkung zu diesem Buch. Es ist geschrieben worden, um dieses wichti­ ge Kapitel in der Geschichte der Stadt Fürth zu dokumentieren und nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Aufgrund der für alle Seiten überraschenden Schnelligkeit, mit der das amerikanische Verteidigungsministerium seine Soldaten aus Fürth und dem Umland abgezogen hat, ist es wichtig gewesen, „den Bestand zu sichern", d.h. möglichst viele Erinnerungen und Dokumente frisch zu konservieren. Die Hauptkapitel sind chronologisch nach den verschiedenen Perioden deutsch-ameri­ kanischer Beziehungen aufgereiht, die Un­ terkapitel sind thematisch geordnet. Als „Roter Faden" dienen die Zeitungsartikel der „Fürther Nachrichten" (später oft abgekürzt als FN) und ihrer Vorgängerausgaben seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, ergänzt durch viele Interviews, weitere Literatur und eigene Erlebnisse. Die Zeitungsartikel belegen den jeweiligen Zeitgeist und die Stim­ mungslage, weshalb sie oft wörtlich zitiert wurden. Obwohl die in den Artikeln der FN entnommenen Schilderungen bereits den Filter eines Journalisten passiert haben, sind keine Bestätigungen der Inhalte durch weitere Informationsquellen eingeholt wor­ den. Deshalb können in einzelnen Fällen Details verzerrt oder ungenau wiedergegeben worden sein. Alle Zitate stammen, wenn nicht gesondert vermerkt, aus den „Fürther Nach­ richten". Naturgemäß tauchen Gewalttaten und spektakuläre Vorkommnisse in den Schlag­ zeilen von Zeitungen eher auf als gute Taten oder harmonische Beziehungen. Man sollte bei der Lektüre der folgenden Begebenheiten deshalb nicht vergessen, daß die Verbre­ chensrate der jungen amerikanischen Solda­ ten - von Ausnahmen abgesehen - auch nicht höher gelegen hat, als die vergleichbarer Alters- und Berufsgruppen in der Bun­ desrepublik. Es soll nicht der Eindruck ent­ stehen, in Fürth wären während der geschil­ derten Ereignisse mit amerikanischer Betei­ ligung nicht gleichzeitig von Deutschen ver­ übte Verbrechen passiert. Die im Buch verwendeten Bezeichnungen „Amerika" und „Vereinigte Staaten" meinen immer die Vereinigten Staaten von Nord­ amerika. Für die in Fürth stationierten ame­ rikanischen Militäreinheiten wird der Sam­ melbegriff „Armee" verwendet, obwohl mit der korrekten Bezeichnung „Army" eigentlich nur

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das amerikanische Heer gemeint ist. Da jedoch in Fürth weder „Air Force" (von den ersten Nachkriegsmonaten abgesehen) noch „Navy" stationiert gewesen sind, kann dies nicht zu Mißverständnissen führen. Viele Menschen haben mir ihre Erlebnisse und Gedanken mitgeteilt, ihnen möchte ich für ihre Mitarbeit danken. An erster Stelle nenne ich Hanns Bader, der mir etliche Tü­ ren geöffnet und viele Informationen bereit­ gestellt hat. Außerdem haben mich folgende Damen und Herren unterstützt: Karl-Heinz Bauer, Donald Burgess, Herr­ mann Gailer, Worth J. Gurley, James F. Ishmael, Egon Ketz (+), David Laster, Dale

Lawson, Albrecht Leupold, Norman A. MacLellan, Larry J. Mathern, Bruno Meyer, Knut Meyer, Renate Nagan, Knut A. Ogaard, James Pearson, Georg Schistek, Heinz Seywald, Dr. William Sheldon, Friedel Stranka, Dr. Peter Tischendorf, Gerd Walther und Quentin Walsh. Sehr geholfen haben mir auch die Mitar­ beiterinnen und Mitarbeiter des Stadtarchivs Fürth unter der Leitung von Dr. Helmut Richter und mein Verleger, Lothar Berthold. Ganz besonders danke ich meiner Familie für die tatkräftige Unterstützung und die immer wieder gezeigte Geduld während der langen Entstehungszeit dieses Buches.

Die Schrift auf der Anzeigetafel des Kinos in der Fronmüllerstraße symbolisiert im Oktober 1995 die Schließung der amerikanischen Gemeinde in Fürth.

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Fürth und Amerika Die Auswanderer Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die Fürther ihr Amerika quasi vor der Haustüre. Wer Amerikaner sehen und ihre Verhaltens­ weisen kennenlernen will, braucht nur in der Fronmüller- oder der Waldstraße spazieren zu gehen. In der Zeit vor dem Krieg war der amerikanische Kontinent durch eine weite, Wochen- oder gar Monate dauernde, Seereise von Europa getrennt. Trotzdem hat es Bezie­ hungen zwischen Fürth und Amerika gege­ ben. Und zwar vor allem durch Fürther, die trotz der überaus beschwerlichen und oft ge­ fährlichen Reise in das aufstrebende Amerika ausgewandert sind und dort ihre Spuren hin­ terlassen haben. Das erste „Kleeblatt" auf dem neuen Kon­ tinent führt die Ende des 17. Jahrhunderts in Pennsylvania gegründete Stadt Germantown, doch die Gründerfamilien sind Auswanderer aus Krefeld unter der Führung des Sommerhauseners Franz Daniel Pastorius. Die etwa 200.000 Deutschen, die sich im 18. Jahr­ hundert in der Neuen Welt niederlassen, sind vorwiegend Glaubensflüchtlinge, die von den Feudalherren der deutschen Kleinstaaten ver­ trieben worden sind. Soweit nachvollziehbar, sind keine Fürther unter ihnen gewesen. Trotz oder gerade wegen der Dreiherrschaft floriert in Fürth das Wirtschaftsleben, und ein Klima religiöser und handwerklicher Tole­ ranz macht die Stadt - im Gegensatz zu Nürnberg - selbst zu einem Einwanderungs­ ort. Der erste „Fast-Fürther", der in Amerika berühmt wird, ist Johann Georg Kalb. Er wird am 29. Juni 1721 in Hüttendorf bei Vach geboren. Hüttendorf gehört zwar nicht zu Fürth, da aber jetzt noch Verwandte von Kalb in den Fürther Ortsteilen Vach und Stadeln leben, sei er hier erwähnt. Bis zum Jahr 1776 macht er Karriere als Heerführer in französischen Diensten und avanciert zum Baron Jean de Kalb. Dann nimmt er als Bri­ gadegeneral der amerikanischen Armee am Unabhängigkeitskrieg gegen England teil. In der Schlacht von Camden wird er schwer ver­ wundet und drei Tage später, am 19. August 1780, stirbt er. Die Amerikaner haben Johann Kalb in guter Erinnerung behalten, und ehren ihn noch heute, wie wir später sehen werden. Die zweite Einwanderungswelle aus Euro­ pa erreicht Nordamerika im 19. Jahrhundert. Nach den Napoleonischen Kriegen und der

vergeblichen Revolution 1848 verlassen viele freiheitsliebende Menschen enttäuscht den alten Kontinent, darunter etwa sechs Millio­ nen Deutsche. Sie flüchten vor der Unter­ drückung, aber auch vor der Armut. Die mei­ sten Auswanderer stammen aus ländlichen Gegenden, aus Fürth selbst gelangen zwi­ schen 1806 und 1870 nur 323 Menschen in die USA. Einige der bekanntesten unter ihnen seien an dieser Stelle genannt. Bereits 1845 wandert der Fürther Julius Ochs nach Amerika aus. Sein Sohn Adolph Simon, 1858 geboren, erwirbt 1896 die Ta­ geszeitung „New York Times" und führt sie zu weltweiter Bedeutung. Zu den Auswanderern gehört 1863 auch Jakob Mack, der sich in New York als Kaufmann niederläßt. Sowohl er, als auch sein Vater Dr. Wolfgang Mack, spenden reichlich für das Fürther Waisen­ haus und das Nathanstift. Ganz andere Ideen haben die Auswanderer und Missionare, die der in Fürth geborene Wilhelm Löhe zwischen 1845 und 1858 nach Amerika schickt. Der Begründer der Neuen­ dettelsauer Anstalten will durch seine Send­ boten die Siedler in ihrem evangelischen Glauben stärken und das Evangelium im „Wilden Westen" verbreiten, wobei auch die Indianer einbezogen werden sollen. Zwar

Baron Jean de Kalb 9

gründen die fränkischen Auswanderer ver­ schiedene Orte im amerikanischen Bundes­ staat Michigan, darunter das heute noch be­ stehende Frankenmuth, aber die Missionie­ rung der Indieinerstämme bis hinauf nach Montana und Wyoming ist wegen der Zurückdrängung und Dezimierung der Indianer durch die vordrängenden Weißen zum Schei­ tern verurteilt. Zu den späteren Auswanderern aus Fürth gehört Richard Wassermann. Er wird 1880 in Fürth geboren, wandert 1908 nach Amerika aus und erwirbt sein Vermögen als Leiter einer Lackfirma. Seine Erbschaft in Höhe von 150.000 Dollar (damals 625.000 Mark) fließt im Jahr 1960 überraschend an die Stadt Fürth. Im selben Jahr wie Wassermann hat sich Max Marx auf den Weg gemacht. „Ohne viel Besinnen trat er 1908 die Reise über den großen Teich an. Ohne einen Pfennig Geld in der Tasche ging er kurz entschlossen auf das Land, wo er sich in zwei Jahren vom Hilfs­ arbeiter zum ersten Verkäufer eines kleinen Ladens hocharbeitete." Bald darauf macht sich Max Marx selbständig und erwirbt die amerikanische Staatsbürgerschaft. Später kehrt er noch einmal nach Deutschland zu­ rück, doch er merkt, daß er „Amerikaner" geworden ist. Als er 1954 seine Geburtsstadt wieder besucht, freut ihn die alte Gemütlich­ keit, die er vorfindet. Im Jahr 1958 stattet der 69jährige Paul Sulzer seinen Heimatstadt Fürth einen einzi­ gen Besuch ab, um seine Geschwister nach 45 Jahren wiederzusehen. Der ehemalige Schlosser der Kaiserlichen Marine hat sich 1913 in Brooklyn/New York niedergelassen und dort als Deutscher unbehelligt bis 1935 gelebt und gearbeitet. Erst als er Papiere für die Sozialversicherung benötigt, hat er das Einbürgerungsgesuch gestellt und 1936 problemlos die amerikanische Staatsbürger­ schaft erhalten.

Bei der Einwanderungswelle im 19. Jahr­ hundert sind es vor allem die unterneh­ mungslustigen und vorwärtsstrebenden Deutschen gewesen, die sich in Amerika eine neue Heimat gesucht haben. Gleiches gilt für die Zeit der nationalsozialistischen Diktatur vor dem Zweiten Weltkrieg. Etwa eine Million Bürger, die meisten davon Juden und etliche von ihnen zur geistigen Elite Deutschlands zählend, verlassen das Land. In den USA suchen 200.000 von ihnen eine neue Heimat. Bis 1934 ist bereits ein Viertel der etwa zweitausend Fürther Juden ausgewandert. 10

Der bekannte Kunsthistoriker Richard Kraut­ heimer, 1897 in Fürth geboren, geht 1933 nach Rom und wandert zwei Jahre später in die USA aus. Er arbeitet während des Krieges für die US-Regierung und hält danach, bis zu seinem Tod 1994, Kontakt mit seiner Ge­ burtsstadt. Ein weiterer Emigrant ist Sani­ tätsrat Dr. Jakob Frank, der erste Direktor des 1931 eröffneten Krankenhauses auf der Schwand, der drei Jahre später Fürth in Richtung Amerika verläßt. Der bekannte Chirurg .... lebt noch im Gedächtnis vieler Fürther, denen er selbstlose Hilfe spen­ dete. "[5] Zu denen, die Deutschland verlassen, zählt auch Joseph Dünner, der 1908 in Fürth geboren ist und einen Teil seiner Kindheit in Fürth verbringt. Später lehrt er Politikwissen­ schaften an der New Yorker Teshiva Universi­ tät und er gehört zu den Mitbegründern der „Süddeutschen Zeitung" nach dem Krieg. Maria Rosenberg, 1900 in Fürth geboren, ge­ lingt erst im August 1939 die Flucht aus ihrer Heimatstadt Fürth nach New York. Dort baut sie erfolgreich eine Buchhandlung auf, sie zählt neben Universitäten und Biblio­ theken auch Persönlichkeiten wie Albert Ein­ stein und Thomas Mann zu ihrem Kunden­ kreis. Hochbetagt besucht sie 1992 ihre Geburtsstadt ein letztes Mal, bald darauf stirbt sie in New York. Der bekannteste Fürther Auswanderer in dieser traurigen Zeit ist Henry Kissinger. Heinz Alfred Kissinger wird am 27. Mai 1923 in Fürth geboren. Sein Vater Louis ist ein angesehener Lehrer am Mädchenlyzeum, was der Familie ein angenehmes Leben ermög­ licht. Das Jahr 1933 bedeutet auch für die Familie Kissinger eine Zäsur. Der Vater wird aus dem Lehramt entlassen, Heinz und sein Bruder müssen in eine eigene jüdische Schule gehen. Im Jahr 1938 entschließen sich die Kis­ singers, auszuwandern, und entgehen da­ durch dem Schicksal von zwölf ihrer Ver­ wandten, die den Holocaust nicht überleben. Trotz dieser schrecklichen Erlebnisse bestrei­ tet Henry Kissinger später, von der Fürther Zeit besonders geprägt worden zu sein: „Diese Zeitspanne meiner Kindheit ist kein Schlüssel zu irgend etwas. Ich bin nicht bewußt un­ glücklich gewesen. Mir war nicht so klar, was da vor sich ging. Für Kinder sind diese Dinge nicht so schlimm." und „Mein Leben in Fürth scheint bei mir keinen dauernden Eindruck hinterlassen zu haben. Ich kann mich an keine interessanten oder erfreulichen Augenblicke erinnern." [10]. In den USA wird

aus Heinz Henry und Anfang 1943 hält er seine Einberufung zur amerikanischen Armee in den Händen. Zwei Jahre später kehrt er als Dolmetscher und Verwaltungsoffizier wieder nach Deutschland zurück. Im Frühjahr 1947 schreibt sich Kissinger an der berühmten Harvard-Universität ein, wo er 1954 zum Doktor der Philosophie pro­ moviert und danach Politikwissenschaften lehrt und mehrere amerikanische Präsiden­ ten berät. Das Jahr 1973 bedeutet für Henry Kissinger den Höhepunkt seiner Karriere. Im Januar gelingt unter seiner Regie der Waf­ fenstillstand mit Vietnam, der Amerika aus dem verlustreichen und nicht zu gewinnen­ den Dschungelkrieg herauslöst und ihm selbst den Friedensnobelpreis einbringt. Am 22. August desselben Jahres wird der gebür­ tige Fürther Außenminister der USA und bleibt es für vier Jahre. Dann wird mit Jimmy Carter ein Demokrat Präsident in den USA und Henry Kissinger wandelt sich zum „elder statesman", einem vielgefragten Ratgeber auf dem internationalen Parkett der Politik. Seine Geburtsstadt Fürth betritt er mehr­ mals in den Jahren 1945-47 als Offizier der amerikanischen Armee. Ein weiterer - erst­ mals offizieller - Besuch erfolgt am 14. Ja­ nuar 1959, als Kissinger auf Einladung der Bundesregierung eine Deutschlandreise unternimmt. Auch später reißen die Verbin­ dungen zu Fürth nicht ab. Am 7. Juni 1973 verleiht die Stadt Fürth Henry Kissinger die Goldene Bürgermedaille. Die Begründung, sein erfolgreiches Wirken um den Weltfrieden habe letztendlich auch seiner Geburtsstadt Fürth genutzt, klingt zwar etwas konstruiert, trifft -aber doch zu. Der Geehrte kann die Medaille allerdings erst im Dezember 1975 entgegennehmen. Der nächste Besuch Henry Kissingers in Fürth datiert vom 18. März 1988. Anläßlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Universität Erlangen macht er für einen Tag in Fürth Station. Ein spontaner Abend­ spaziergang führt Henry Kissinger in die Fürther Altstadt zu seinem Geburtshaus Mathildenstraße 23, das von der rasch her­ beigerufenen Feuerwehr hell angestrahlt wird. Beim nächsten Aufenthalt in Fürth am 26. Februar 1994 besucht Henry Kissinger ein Bayernligaspiel der SpVgg Fürth. Der Grund für den eintägigen Besuch sind Dreharbeiten für eine Magazinsendung der amerikanischen Fernsehgesellschaft ABC. Drehorte sind die Marienstraße und der Gasthof „Tannen­ baum". Daneben reicht die Zeit noch für

einen Abstecher zum Jüdischen Friedhof und für ein Festbankett mit den wichtigsten Ver­ tretern der Stadt im Hotel „Forsthaus". Wie bei jedem Besuch stellt man Henry Kissinger die Frage, welches Verhältnis er zu seiner Heimatstadt habe. Die Antwort „Wenn ich mit der Stadt nichts mehr zu tun hätte haben wollen, wäre ich nicht so oft zu Besuch ge­ kommen." bringt seine Empfindungen auf den Punkt. Kissingers bisher letzter Besuch findet am 11. Januar 1995 statt, er hält die Festrede zum Gedenken an den 100. Geburtstag von Gustav Schickedanz. Im Stadttheater und beim Neujahrsempfang ist der inzwischen 71jährige von Gesprächspartnern eng umla­ gert und seine politischen Einschätzungen werden interessiert aufgenommen. Henry Kissinger, als berühmtester Sohn Fürths neben Ludwig Erhard, dem Vater des Wirtschaftswunders und ehemaligem Bun­ deskanzler, hat die Weltpolitik der 60er und 70er Jahre unseres Jahrhunderts maßgeblich mit beeinflußt. Und daß es in der Zeit des Kalten Krieges nicht zu einer Eskalation kam und die Fürther - neben Milliarden anderer Menschen - ruhig schlafen konnten, ist auch sein Verdienst gewesen.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kommt es zu einer vierten, wenn auch klei­ neren Auswanderungswelle. Einige der deut­ schen Soldaten, die in Gefangenenlagern in den USA und in Kanada das vergleichsweise luxuriöse Leben der Neuen Welt kennenge­ lernt haben, bleiben gleich drüben. Anderen Menschen, im zerstörten Deutschland ver­ meintlich ohne Perspektive, erscheint das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten" als das Land der Zukunft, weshalb sie sich um eine Einwanderung bemühen. Einer von ihnen ist der 1907 in Fürth ge­ borene Dr. Eduard Gerber. Er emigriert 1949 nach New Jersey und arbeitet als Spezialist für Hochfrequenztechnik im Entwicklungs­ labor der US-Armee in Fort Monmouth. Der von ihm 1959 erfundene Hochfrequenzstabi­ lisator im Kleinstformat erleichtert die Kom­ munikation mit den gerade ins All geschos­ senen ersten Satelliten. Ein anderer Fürther, der am amerikanischen Raumfahrtprogramm mitarbeitet, ist Alfred Engel. Er ist in den sechziger Jahren in leitender Position in einer wichtigen Zulieferfirma für die NASA tätig. Über weitere Auswanderer berichten die „Fürther Nachrichten" 1957: zwei Fürther Mitglieder des Touristenclubs „Alpenadler" verlassen ihre Heimatstadt in Richtung Ta11

coma im amerikanischen Bundesstaat Wash­ ington, um sich dort eine neue Existenz auf­ zubauen. Nicht immer werden die Auswanderer heimisch. Als 1952 ein älteres Ehepaar - der Mann ist 71 Jahre alt - zu ihren Kindern in die USA ziehen, können sie keine Wurzeln schlagen. Die unbekannte Sprache und das fehlende gesellige Leben veranlassen sie, 1956 wieder nach Fürth zurückzukehren.

Handelsbeziehungen Neben den Auswanderern schafft im 19. Jahrhundert auch der Handel viele Be­ ziehungen zwischen der Kleeblattstadt und dem Staat unter dem Sternenbanner. Ein Beispiel dafür ist der Fürther Ehrenbürger Heinrich Berolzheimer, der später das Berolzheimerianum als Heim für die Erwachse­ nenbildung stiftet. Der Bleistiftfabrikant ex­ portiert bis zum Ende des amerikanischen Sezessionskrieges 1865 sehr viele seiner Pro­ dukte nach Amerika. Dann zwingen ihn die hohen Einfuhrzölle dazu, in New York eine Zweigfabrik zu gründen, die schließlich zu einem der bedeutendsten Bleistiftuntemehmen des USA avanciert. Später führen seine Söhne die Unternehmen weiter und schließ­ lich veranlaßt der wachsende Antisemitismus die Familie zur Auswanderung in die USA. Viele Jahre nach dem Krieg statten Enkel und Urenkel Fürth wieder einen Besuch ab. Die Handelsbeziehungen zwischen Fürth und Amerika leben im 19. Jahrhundert hauptsächlich vom Export von Spiegelglas, Möbeln, Blattmetall, Bronze und Spielwaren. Die Fürther Spiegelglasindustrie besitzt zu dieser Zeit eine weltweite Monopolstellung. Die Abwicklung des Warenexports ist damals noch schwieriger gewesen als heute. Fürth ist durch seine vom Atlantik weit entfernte Lage benachteiligt. Bis 1834, dem Jahr der Grün­ dung des Deutschen Zollvereins, müssen die Exportwaren 38 innerdeutsche Zoll- und Mautlinien überqueren, bevor sie zu den See­ häfen gelangen. Außerdem schützen sich die USA durch hohe Einfuhrzölle gegen ausländi­ sche Produkte. Trotz dieser Hemmnisse lie­ fern die Fürther Firmen zeitweise für vier Millionen Dollar pro Jahr Waren nach Ame­ rika. Da jede Einfuhr im Herkunftsland be­ glaubigt werden muß, wird am 28. Juni 1878 in Fürth ein eigenes amerikanisches Konsulat eröffnet, obwohl bereits eines im benachbar­ ten Nürnberg existiert. Die Büroräume des ersten Konsuls, John Gartenmann aus Chi­

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cago, befinden sich im damaligen Hotel „Kütt" in der Friedrichstraße. Zwar wird die Konsu­ latsagentur 1896 letztmalig erwähnt, sie dürfte aber bis zum Ersten Weltkrieg bestan­ den haben. Danach sind die Zulieferbetriebe der Fürther Glasindustrie, die Glashütten im Bayerischen Wald, von der billigen tschechi­ schen Kohle abgeschnitten und nicht mehr konkurrenzfähig, die Glasindustrie wandert nach Nordrhein-Westfalen ab. Zwischen den beiden Weltkriegen bemü­ hen sich deutsche und amerikanische Ge­ schäftsleute wieder um ein Konsulat in Nürn­ berg-Fürth, aber vergeblich. Nach dem Zwei­ ten Weltkrieg gewinnt die Fürther Spiel­ warenindustrie ihre Stärke zurück, 1952 be­ trägt der Gesamtwert der Ausfuhren nach Amerika etwa fünf Millionen Mark. Und das, obwohl die Fürther Firmen bereits gegen die japanische Konkurrenz und siebzig Prozent Einfuhrzoll kämpfen müssen. Wieder wird über die Eröffnung eines Konsulats disku­ tiert, aber bis heute ist das nächste ameri­ kanische Konsulat in München zu finden.

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and Neumühl

(Steam and Waler l’oweri.

I’rize Mcdals awardcd:

The Golden Medal Nuremberg 1885. LONDON

1862. PARIS 1867. VIENNA 1873 PHILADELPHIA 1876.

BRANCH HOUSES: PARIS, y, Avenue Parmentier.

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Die Besatzungszeit Fürth im Krieg

In diesem ersten großen Kapitel wird der Zeitraum zwischen 1945 und 1949 betrach­ tet. Die Besatzungszeit stellt die Weichen für das spätere deutsch-amerikanische Verhält­ nis. Als 1939 der Zweite Weltkrieg beginnt, ahnt niemand, daß in wenigen Jahren die Söhne, Enkel und Urenkel der deutschen Auswanderer wieder als Soldaten zurückkeh­ ren würden, um zusammen mit ihren ande­ ren amerikanischen Landsleuten und den übrigen Alliierten Europa vom Joch der deut­ schen Diktatur zu befreien. Und daß nach dem Ende des Krieges Deutschland geteilt und die Amerikaner als Besatzungsmacht und Verbündete weitere fünfzig Jahre im Land bleiben würden, kann sich kein noch so großer Phantast ausdenken. Für die Fürther beginnt der Krieg mit Luft­ schutzübungen, deren Notwendigkeit manche erst viel später begreifen. Sie bauen die Kel­ lergewölbe der Häuser aus und stützen sie ab. Zwischen aneinandergebauten Häusern durchbrechen sie im Keller die Feuerschutz­ wände, um bei einem Bombentreffer noch einen Fluchtweg zu besitzen. An die Haus­ wände malen sie in sauberer Schablonen­ schrift Hinweise über die Etagenhöhen und die Luftschutzräume, sie mauern Kellerfen­ ster zu oder erweitern sie zu Notausgängen. Verdunkelungsmaßnahmen sollen verhin­ dern, daß Licht nach außen dringt und den feindlichen Bombern den Weg zum Ziel weist. Außerdem unterstützen die Fürther die für den Krieg eingespannte Industrie durch Spa­ ren von Strom und Kohle. Die vielen Klein- und Mittelbetriebe in der Stadt werden gezwungen, sich auf die Pro­ duktion kriegswichtiger Güter umzustellen. Die letzten Marktnischen in Osteuropa, in Großbritannien und in Amerika, die noch nicht von den industrialisierten Großbetrie­ ben besetzt sind und in die der überwiegende Teil ihrer Exportartikel gegangen ist, gehen dabei verloren. Die Lebensmittel werden knapper und schon im Jahr 1942 beginnen die bis zur Währungsreform 1948 anhaltenden „Ham­ sterfahrten" der Stadtbevölkerung. Die Men­ schen ziehen zu Fuß oder in überbelegten Reichsbahnzügen - zum Teil auf den Puffern aufs Land zu den Bauernhöfen, um dort ihre Habe gegen Lebensmittel einzutauschen. In

den letzten Kriegsjahren werden sie zudem durch alliierte Tiefflieger bedroht. Aus den Luftschutzübungen wird nur zu bald der Ernstfall. Die etwa 85.000 Fürther erleben eine zunehmende Anzahl von Luft­ angriffen. Zwar ist meistens das nur wenige Kilometer entfernte Nürnberg, die „Stadt der Reichsparteitage", das Hauptziel, aber auch im nordwestlich davon liegenden Fürth heu­ len die Luftschutzsirenen, da die meisten Bomberströme von Norden oder Westen aus einfliegen. Zwischen dem 17. August 1940 und dem 18. April 1945 erlebt Fürth fünfzehn direkte Luftangriffe, die im Vergleich mit dem schwer getroffenen Nürnberg nur leichte Schäden anrichten. Am schwersten wird die Stadt am 9. März 1943, am 25. Februar 1944 und am 20. Februar 1945 getroffen. Diese Angriffe gelten hauptsächlich dem Werk der Dynamit Nobel AG in Stadeln, das Munition und Zün­ der herstellt und der Firma Bachmann und v. Blumenthal, einer Reparaturfabrik für Jagdflugzeuge. Dort sterben beim Angriff im Februar des letzten Kriegsjahres 54 Fachar­ beiter und die Fabrik wird schwer beschädigt. Zudem wird die Wasserversorgung einiger Fürther Stadtteile unterbrochen. Die Bilanz des Luftkriegs sieht für Fürth so aus: 494 Gebäude total zerstört, 317 schwer beschädigt, 2133 mittelschwer und 4452 leicht getroffen. Nur etwa 10 Prozent der Gebäude sind unbewohnbar geworden, eine geringe Zahl, verglichen mit Nürnberg (50 Prozent) oder Würzburg (75 Prozent). Ge­ gen Kriegsende ist das Gerücht aufgekom­ men, Fürth werde wegen seiner zahlreichen jüdischen Besitztümer von den alliierten Bombenflugzeugen weitgehend verschont. Ein anderes Gerücht besagt, gerade Fürth werde wegen der vielen vertriebenen Juden seinem Schicksal nicht entgehen. Die Gerüchte wer­ den gegenstandslos, als Mitte April 1945 sich die ersten alliierten Truppen Fürth nähern. Der Vormarsch der amerikanischen Armee geht im Frühjahr 1945 sehr zügig voran. An­ fang März überschreiten die Soldaten den Rhein bei Remagen und schon einen Monat später ist in Fürth Geschützdonner zu hören. Die Kapitulation Fürths am 19. April 1945 ist in der Literatur bereits ausführlich geschil­ dert worden (z.B. [9], [16], [22], [35], [36], [37]), deshalb folgt an dieser Stelle nur eine kurze Zusammenfassung. Nach den Plänen des Reichsverteidigungs­ kommissars für Franken, Gauleiter Karl Holz, soll Fürth als vorgeschobener Verteidigungs­

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riegel für Nürnberg herhalten. Die Fürther fällen Bäume, um freies Schußfeld zu schaf­ fen und errichten mit den Baumstämmen Straßensperren. Einige den Verteidigern im Weg stehende Gebäude werden in die Luft gesprengt, ebenso die meisten Fürther Brükken. Mag diese Aktion für die Siebenbogen­ brücke als wichtige Eisenbahnverbindung noch sinnvoll erscheinen, so sind die Spren­ gungen der vielen Stege nur als blanker Unsinn oder blinde Pflichterfüllung zu sehen. Die zerstörten Brücken behindern zwar nicht die perfekt ausgerüstete US-Armee, die bei­ spielsweise am 21. April die Dambacher Brücke innerhalb von drei Stunden durch eine Panzer tragende Eisenbrücke ersetzt, jedoch um so mehr die Fürther Zivilbevölke ­ rung, die sich über Brückentrümmer oder wacklige Notstege quälen muß. Doch noch sind wir noch nicht so weit. Am 17. April sind Teile der zur amerikanischen 7. Armee gehörenden 42. Infanteriedivision („Rainbow Infantry Division") bis zur Alten Veste bei Zirndorf vorgerückt und schießen nach Fürth hinein. Die noch etwa 2.500 Mann starke Verteidigungstruppe, zwei schlecht bewaffnete Bataillone, in der Mehr­ zahl Versehrte, eine Hitlerjugend-Kompanie mit jungen Burschen zwischen 14 und 17 Jahren und einige Volkssturmeinheiten, rükken in der folgenden Nacht ab und werden am nächsten Tag bei Nürnberg gefangenge­ nommen. Als die Amerikaner am Morgen des 19. April den kommissarischen Oberbürger­ meister, Dr. Karl Häupler, zur Kapitulation auffordem, stimmt dieser nach kurzer Bedenkzeit zu und um 11.00 Uhr dieses Tages ist für Fürth der Krieg beendet.

Ziele und Aufgaben der Sieger Knapp drei Wochen später hat das gesam­ te Deutsche Reich kapituliert. Der Zweite Weltkrieg hat etwa 55 Millionen Menschen­ leben gefordert, davon die Hälfte unter der Zivilbevölkerung. Alle europäischen Staaten sind mehr oder minder schwer zerstört, durch die Kampfhandlungen am Boden und durch die zahllosen Luftangriffe. Besonders stark ist, neben der Sowjetunion, das besieg­ te Deutschland betroffen. Die Städte beste­ hen zu einem Großteil aus Trümmerlandschaften, die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, Energie und Wasser ist ebenso zusammengebrochen wie die zivile Verwaltung. Über vierzehn Millionen Ob­ dachlose, Flüchtlinge, Vertriebene und ehe­ malige Kriegsgefangene aus allen Nationen 14

suchen eine neue Heimat und bevölkern die Landstraßen. Viele Fabrikanlagen sind zer­ bombt oder werden später demontiert. Einige kalte Winter in Folge erschweren die Lage zusätzlich. Die deutsche Bevölkerung kann sich nicht mehr selbst versorgen. Die Sieger­ mächte, vor allem die USA, werden die Deut­ schen unterstützen müssen, da nur sie über ausreichende Lebensmittelreserven und die für ihre Verteilung notwendige Transport­ kapazität verfügen. Das Kriegsende bedeutet aber nicht auto­ matisch das Ende des Nationalsozialismus. Hunderttausende überzeugter NSDAP-Anhänger sind untergetaucht. Es gilt, sie aus­ findig zu machen, zu bestrafen und vor allem zu verhindern, daß sie ihre Ideologie erneut unter das Volk streuen. Und schließlich fra­ gen sich die Siegermächte, wie sie das deut­ sche Volk langfristig daran hindern können, wieder einen Krieg anzuzetteln und wie au­ ßerdem ein europäisches Gleichgewicht ohne Vakuum in seiner Mitte aufrecht erhalten werden kann. In verschiedenen Konferenzen der Alliier­ ten während und nach dem Krieg wird die Neugliederung Europas und damit auch Deutschlands festgelegt. Dabei ist den Ame­ rikanern klar, daß ihre Aufgabe mit dem mili­ tärischen Sieg über die Deutsche Wehrmacht nicht beendet sein kann. Vielmehr müssen die Konferenzbeschlüsse, zu denen beispiels­ weise auch Reparationsleistungen gehören, umgesetzt und überwacht werden. Daneben soll durch eine Demokratisierung Deutsch­ lands ein Wiederauferstehen des National­ sozialismus für immer verhindert werden. Auf die Amerikaner, die den Süden Deutschlands besetzt halten, warten also vielfältige Aufga­ ben. Die amerikanischen Kampftruppen sehen nach fast vier Jahren Krieg in der deutschen Bevölkerung noch keine potentiellen Verbün­ deten im Kampf gegen den Kommunismus, sondern Feinde, die unsägliches Leid in der Welt verursacht und durch die sie manchen Kameraden und viel Zeit des eigenen Lebens verloren haben. Bei ihrem schnellen Vor­ marsch in den letzten Kriegswochen em­ pfängt die Soldaten in dem einen deutschen Dorf eine jubelnden Bevölkerung mit weißen Fahnen und feiert sie als Befreier, im näch­ sten Dorf schießen irregeleitete fanatische Hitleijungen oder versprengte SS-Einheiten aus dem Hinterhalt auf sie. Diese Erlebnisse tragen ebenso zu ihrem Deutschlandbild bei wie die schrecklichen Bilder aus den befreiten Konzentrationslagern. Außerdem werden die

Gis permanent vor Werwölfen gewarnt und mißtrauen deshalb jedem Deutschen, der ihnen in den Weg läuft. „Wir kommen als Sieger, aber nicht als Unterdrücker" hat der alliierte Oberbefehls­ haber, General Eisenhower, bereits im Sep­ tember 1944 der deutschen Bevölkerung ver­ künden lassen. Die Direktive JCS 1067 des Generalstabs der Vereinigten Staaten vom April 1945 an den Oberbefehlshaber der amerikanischen Besatzungstruppen lautet: „Deutschland wird nicht besetzt zum Zweck seiner Befreiung, sondern als ein besiegter Feindstaat. Ihr Ziel ist nicht die Unterdrükkung, sondern die Besetzung Deutschlands, um gewisse wichtige alliierte Absichten zu verwirklichen. Bei der Durchführung der Be­ setzung müssen Sie als Oberbefehlshaber gerecht, aber fest und unnahbar sein. Die Verbrüderung mit deutschen Beamten und der Bevölkerung werden sie streng unterbin­ den" (beide Zitate aus [21]). Diese „Nonfraternization" (Nicht-Verbrüde­ rung) ist ursprünglich während der Kriegszeit propagiert worden. Jeglicher Kontakt mit dem Feind, einschließlich der Zivilbevölkerung, soll unterbleiben. Dadurch wollen die Alliier­ ten Spionage- oder Werwolfaktivitäten verhin­ dern und die Kampfmoral der Truppen hoch­ halten. Die Zuneigung zu einem hübschen deutschen Mädchen oder das Tätscheln eines blonden Kindes seien eine Verbeugung vor der todbringenden Hitlerschen Ideologie und würden daher unter Umständen in einem Kriegsgerichtsverfahren bestraft. Die Verbote, zu denen sogar das Händeschütteln und das unnötige Sprechen mit Deutschen gehört hat, werden in den ersten Nachkriegsmonaten meist streng befolgt. Mit der Zeit verlieren die Amerikaner jedoch die Angst vor den Deut­ schen und sehen in den zerlumpten, hung­ rigen Gestalten eher Opfer als Feinde. Für sie wirkt die Bevölkerung abgestorben und apa­ thisch. Die Zahl der Übertretungen des Fraternisierungsverbots und damit die Zahl der zu bearbeitenden Kriegs- bzw. Militär­ gerichtsfälle wächst in die Tausende. Deshalb werden die Bestimmungen mehrmals aufge­ weicht. Ab Ende 1946 verbieten die Amerika­ ner nur noch Hochzeiten zwischen Deutschen und Amerikanern und die gemeinsame Unter­ bringung in einem Haus. Ab Mitte des Jahres 1947 sind alle Kontaktverbote aufgehoben. Eine Hauptaufgabe der Besatzungsarmee besteht darin, die Verwaltung wieder in Gang zu bringen. Die Amerikaner beginnen im Ge­ gensatz zur Sowjetunion auf lokaler Ebene,

d.h. in den Städten und Gemeinden, um so die Versorgungsprobleme in den Griff zu be­ kommen. Mit dieser „Demokratie von unten" legen sie den Grundstein für ein sich neu entwickelndes Demokratieverständnis der Bevölkerung. Die ersten, schon im Sommer 1944 erscheinenden Richtlinien für die ame­ rikanischen Befehlshaber in besetzten deut­ schen Gebieten sind sehr streng gehalten. Es wimmelt nur so von negativen Ausdrücken wie „Entnazifizierung", „Entmilitarisierung", „Entindustrialisierung", „Strikter Gehorsam" usw. [26]. Doch die von den Berliner Befehls­ habern (OMGUS = Office of Military Govern­ ment of the United States for Germany) ein­ gesetzten örtlichen Militärregierungen (MG = Military Government) sehen bald, daß sie ohne die Mithilfe sachkundiger Deutscher nicht vorankommen und sie müssen sich mehr und mehr auf diese verlassen. Zudem ist der deutsche Behördenapparat fast bis zuletzt intakt geblieben, er ist erfahren in der Verwaltung des Mangels, er weiß mit wider­ spenstigen Bürgern umzugehen und er ist an Gehorsam gewöhnt. Deshalb legen die Ameri­ kaner die örtlichen Verwaltungsaufgaben bald wieder in deutsche Hände. Bereits am 5. Oktober 1945 erhalten die lokalen amerikanischen Militärregierungen die Anweisung, sich aus der unmittelbaren Verwaltung zurückzuziehen. Sie sollen sich hauptsächlich mit der Vermögenskontrolle, der Militärgerichtsbarkeit und der Überprü­ fung der Fragebögen für die Entnazifizierung beschäftigen. Außerdem müssen sie fortwäh­ rend an ihre vorgesetzten Dienststellen be­ richten, teilweise sogar täglich. Als im Januar 1946 die ersten Gemeinderatswahlen in der amerikanischen Zone abgehalten worden sind, werden die Militärregierungen angewie­ sen, sich aus denjenigen Angelegenheiten herauszuhalten, die allein die deutsche Rechtsprechung betreffen. Sie sollen nur noch gewisse Überwachungsfunktionen aus­ üben. Bei der Auflösung der Militärregierungen einige Jahre später werden als deren Erfolge besonders die Wahlgesetzgebung auf kom­ munaler Ebene und die Schulreform hervor­ gehoben. Gerade eine gute Ausbildung ist aus amerikanischer Sicht die sicherste Garantie für ein demokratisches Verhalten. Bei der Entnazifizierung sind die Amerikaner eben­ falls auf deutsche Mithilfe angewiesen. Die Entnazifizierung führt - obwohl Effizienz und Erfolg auch heute noch umstritten sind - zu einem Ausfiltem der schlimmsten Nazis und

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zu einem Aufbrechen des seit dem Kaiser­ reich obrigkeitshörigen Beamtenapparates.

Zum Ende des Zweiten Weltkrieges halten sich in Europa etwa 3,5 Millionen amerikani­ sche Soldaten auf, davon etwa zwei Drittel in Deutschland. Die 7. US-Armee ist in Schwa­ ben und Oberbayern konzentriert, die 3. USArmee im übrigen Bayern. Wegen der großen Versorgungsschwierigkeiten im zerstörten Europa schickt die amerikanische Regierung unmittelbar nach Kriegsende einen Großteil dieser Soldaten wieder in ihre Heimat zurück, so daß im März 1946 nur noch 400.000 Gis in Deutschland stationiert sind. Diese Solda­ ten genießen bei ihrer Unterbringung im zer­ störten Deutschland Vorrang gegenüber der einheimischen Bevölkerung. Die Amerikaner nehmen dabei nur wenig Rücksicht auf deut­ sche Interessen. Bevorzugt requirieren sie die Villen bekannter Nazis und je seßhafter die „Besatzer" werden, desto mehr Häuser brau­ chen sie. Verschärft wird die Lage noch durch die Tatsache, daß Amerikaner und Deutsche nicht gemeinsam unter einem Dach wohnen dürfen. Außerdem belegen die Quartiermei­ ster oft großzügig mehr Räume als sie benöti­ gen, oder sie vergessen, nicht mehr belegte Häuser baldmöglichst wieder freizugeben. Die durch die vielen zerstörten Häuser an und für sich schon große Wohnungsnot in Deutsch­ land verstärkt sich noch durch den Zuzug vieler Flüchtlinge und Vertriebener aus den Ostgebieten. In Marburg teilen sich beispiels­ weise durchschnittlich 2,5 Personen ein Zimmer. In Nürnberg sind Ende 1946 für die Militärregierung 1.286 Häuser beschlag­ nahmt, weitere 500 Häuser bewohnen die Mitarbeiter bei den Kriegsverbrecherprozes­ sen. Die Wohnungssituation entspannt sich etwas, als ab Sommer 1947 nur noch 135.000 Gis in Deutschland sind. Drei Jahre später ist die Zahl auf 60.000 geschrumpft. Die Nahrungsmittel für die deutsche Be­ völkerung sind in den ersten Jahren nach Kriegsende immer sehr knapp. Die Korn­ kammern des ehemaligen Deutschen Reiches liegen in der sowjetischen Besatzungszone und die Russen weigern sich, das, was sie nicht nach Rußland abtransportieren lassen, mit ihren Verbündeten zu teilen. Bis 1948 sieht sich OMGUS gezwungen, große Mengen an Nahrungsmitteln einzuführen, um Hun­ gersnöte bei der deutschen Bevölkerung und ein durchaus mögliches Abdriften zur kom­ munistischen Ideologie zu vermeiden. Außer­ dem verpflegen die Amerikaner ihre in Deutschland stationierten Truppen aus eige­ 16

nen Beständen und nicht aus dem besetzten Land heraus, was ihnen nach internationa­ lem Recht zugestanden hätte und was das Dritte Reich in den von ihm besetzten Gebie­ ten getan hat.

Dieses karge deutsche Umfeld führt die überreichlich versorgten amerikanischen Gis des öfteren in Versuchung, die Situation für sich auszunutzen. Sie haben sich freiwillig zum Militärdienst gemeldet oder sind einge­ zogen worden, um ihr Leben zu riskieren und einen Feind zu besiegen. Das Ziel ist erreicht und die an ein selbständiges Unternehmer­ tum gewöhnten Amerikaner suchen neue Herausforderungen und Betätigungsfelder im besetzten Deutschland. Hier herrscht vieler­ orts das Chaos. Die Verwaltung ist gelähmt und der Polizeiapparat zerschlagen, und als beide wieder funktionieren, dürfen sie sich nicht mit amerikanischen Staatsangehörigen „beschäftigen". Bei den sich ständig umgrup­ pierenden amerikanischen Truppenteilen las­ sen sich eventuell existierende Verbote leicht umgehen. Ein Mitmischen auf dem Schwarz­ markt bietet dem unternehmerisch geprägten Soldaten große Chancen. Eine Schachtel „Lucky Strike"-Zigaretten besitzt 1947 den Gegenwert eines deutschen Monatslohns. Verschoben werden jedoch nicht nur Zigaret­ ten und Kaffee - und gegen alle möglichen Andenken, Luxusartikel oder Dienstleistun­ gen eingetauscht -, der Tauschhandel bezieht ganze Lastwagenladungen an Autoreifen und Ersatzteilen mit ein. Eine amerikanische Pan­ zereinheit läßt beispielsweise monatlich mehr als 400.000 Liter Benzin in dunklen Kanälen verschwinden. Natürlich ist die deutsche Bevölkerung zu­ erst mehr als erstaunt über diese Gangster­ methoden. Aber schließlich lindert diese „Um­ verteilung" auch manche Not, wenn selbst auf Bezugsmarken nichts zu bekommen ist. Der Marshall-Plan, ein umfassendes Hilfspro­ gramm der USA für Europa, beschleunigt den Anstieg der wirtschaftlichen Produktion. Wenn auch weiterhin Nahrung und Rohstoffe nach Deutschland eingeführt werden müs­ sen, ist ab der Währungsreform 1948 die schlimmste Not gebannt. Was hat sich zwischen 1945 und 1949 in der Welt ereignet? Das weitgehend zerstörte Europa ist von amerikanischer Finanzhilfe abhängig. Die Führungsrolle der demokrati­ schen Länder wird nicht mehr durch Europa, sondern durch die USA wahrgenommen. Die Sowjetunion bildet nach der Einsetzung

kommunistischer Regierungen in fast allen Balkanstaaten, in Polen, in der Tschechoslo­ wakei und in seiner deutschen Besatzungs­ zone ein massives Gegengewicht. Eine Pola­ risierung beider Machtblöcke wird nicht zu­ letzt durch die unterschiedlichen Meinungen über die Lösungen der deutschen Probleme verstärkt. Diese zunehmende West-Ost-Konfrontation beschleunigt andererseits den Wie­ deraufbau in Westdeutschland. Der Zusam­ menschluß zuerst der britischen und der amerikanischen und später auch der franzö­ sischen Zone zu einem Wirtschaftsgebiet wird durch den Druck des West-Ost-Gegensatzes ebenso gefördert wie das relativ schnelle Zu­ standekommen des deutschen Grundgeset­ zes. Der wirtschaftliche Aufschwung in West­ deutschland manifestiert sich mit der Wäh­ rungsreform 1948, der politische wird 1949 durch die Verkündung des Grundgesetzes eingeleitet. Am 21. September 1949 schließ­ lich tritt das Besatzungsstatut für West­ deutschland in Kraft, in dem festgelegt wird, daß .... die deutschen Behörden im allgemei­ nen die Freiheit haben, administrativ und legislativ tätig zu werden, sofern keine alliier­ ten Vorbehalte im Wege stehen." Der erste Schritt zur Normalisierung ist getan.

Fürth nach Kriegsende

Während der Kampfhandlungen in Deutschland sind zwei unterschiedliche Welt­ anschauungen aufeinandergetroffen. Dabei sind die ersten Momente von entscheidender Wichtigkeit. Sie prägen das „Image", das beide Seiten voneinander gewinnen und das ihr zukünftiges Denken und Handeln maß­ geblich beeinflussen wird. Kehren wir in den „Mikrokosmos" Fürth zurück und betrachten wir das Szenario, das sich Siegern wie Besieg­ ten Ende April 1945 bietet. Ludwig Erhard, der gebürtige Fürther und spätere Wirt­ schaftsminister und Bundeskanzler der Bun­ desrepublik Deutschland zeichnet in den er­ sten Tagen nach dem Einmarsch der Ameri­ kaner in Fürth folgendes Bild: „Die wichtige Ortsdurchfahrt der Reichs­ straße 8 ist zwar von den Amerikanern ge­ räumt worden, die übrigen Straßen sind aber nur schwer befahrbar. In der Innenstadt türmen sich meterhohe Schuttberge, Panzer­ sperren und .wilde' Müllagerplätze behindern den Verkehr. Nur mühsam können sich Fahr­ zeuge der US-Armee und Frauen mit vollbe­ packten Leiterwagen einen Weg bahnen. Dreißig Arbeitskräfte mit vier Lastwagen der

Eines der wenigen Bilder uom Einmarsch der Amerikaner. Es zeigt die Gustaustraße. Der Text lau­ tet: „Der anfängliche Widerstand brach zusammen, diese Landser maschieren in eine Stadt mit mehr als 100.000 Einwohnern ein, die bereit ist, zu kapitulieren".

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Stadt beginnen aufzuräumen. Ein paar Schritte weiter, an den Ufern von Rednitz, Pegnitz und des Ludwig-Donau-Main-Kanals, sind Reparaturarbeiten der amerikanischen Pioniere im Gange. Alle Stege, die alte und die neue Dambacherbrücke und die große Eisen­ bahnbrücke waren von den deutschen Trup­ pen noch in letzter Minute gesprengt worden. Fieberhaft wird hier fast Tag und Nacht gear­ beitet, modernstes Gerät kommt zum Einsatz, und schon Anfang Mai sind Behelfsbrücken und hölzerne Notstege fertig. Über dem Zen­ trum hängt ätzender Gestank, der sich mit dem säuerlichen Armeleutegeruch in den düsteren Gassen vermischt; das Kanalnetz ist beschädigt, Abwässer quellen auf die Stra­ ßen. Die Wasserversorgung funktioniert zwar wieder, in manchen Straßen ist man aber oft für Stunden ohne Wasser. Auch an Strom mangelt es. Vierzehn Tage nach Kriegsende steht das große Elektrizitätswerk an der Ottostraße, das im April beschossen worden war, noch immer still. Und mehr als vier Wochen dauert es, bis das im Januar wegen Kohlen­ mangel abgestellte Gaswerk seinen Betrieb wieder aufnehmen kann."[9] Da nur etwa zehn Prozent der Häuser un­ bewohnbar sind, bildet Fürth einen Anzie­ hungspunkt für die Ausgebombten Nürn­ bergs und für die vielen Vertriebenen, die aus Polen und der Tschechoslowakei vor den Russen nach Westen geflohen sind. Die Stadt hat mehr als 22.000 Menschen zusätzlich unterzubringen. Es herrscht Seuchengefahr, Ruhr und TBC plagen die unterernährten Menschen. Der Eisenbahnverkehr ist seit dem 12. April eingestellt, der Ludwig-DonauMain-Kanal durch Bombentreffer beschädigt und an mehreren Stellen ausgelaufen. Die gesprengten Brücken und Stege behindern den Transport von Lebensmitteln in die Stadt. Einige der Zwangsarbeiter und Kriegsgefan­ genen, die aus allen von Deutschland besetz­ ten Gebieten ins Reich verschleppt worden sind, versuchen, sich an ihren Unterdrückern zu rächen. Sie plündern Passanten auf offe­ ner Straße mit Waffengewalt aus und entfer­ nen beispielsweise aus Fürther Schulhäusern alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Aller­ dings ist die Stadt Fürth wegen der höheren Bevölkerungsdichte vor diesen Horden siche­ rer als der Landkreis. Die von den Amerika­ nern geöffneten Gefängnistore bedeuten nicht nur für die politischen Gefangenen die Frei­ heit, sondern auch für Kriminelle. Es kommt zu Plünderungen, zu Vergewaltigungen und zu Morden.

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Wie sieht die Fürther Bevölkerung das Kriegsende? Alle sind froh, daß die Zeit des zermürbenden - und strategisch unsinnigen Luftkriegs vorüber ist, die Bomben haben mehrheitlich die Zivilbevölkerung in Mitlei­ denschaft gezogen. Die Fürther hoffen auf eine Zukunft ohne Krieg, ohne Gesinnungs­ schnüffelei und Willkürherrschaft. Familien warten auf die Rückkehr von Angehörigen aus der Gefangenschaft. Viele Bürger haben Angst vor der neuen Besatzungsmacht. Die jüdischen Mitbürger hat man in den Tod ge­ schickt oder man hat zumindest tatenlos dabei zugesehen, wie sie abtransportiert wor­ den sind. Damals hat man sich - trotz einer dunklen Vorahnung - wohl eingeredet, daß die Juden nur „umgesiedelt" werden sollten, aber inzwischen beginnen die Greueltaten in den Konzentrations- und Vernichtungslagern bekannt zu werden. Und mancher hat bei der Verteilung der jüdischen Besitztümer auch nicht dankend abgelehnt, sondern für ein „Butterbrot" einen Pelzmantel oder gar eine ganze Fabrik erworben. Wie im übrigen Deutschland hat es in Fürth während des Dritten Reiches prakti­ zierende Anhänger des Nationalsozialismus, Mitläufer und Regimegegner gegeben. Die Übergänge zwischen den Kategorien sind flie­ ßend, auch abhängig vom Zeitpunkt, zu dem der Einzelne gezwungen ist, Farbe zu beken­ nen und abhängig vom Standpunkt und der Autorität des Fragenden. Und innere Über­ zeugung und nach außen gezeigte Haltung stehen nicht immer im Einklang miteinander. Viele als engagierte Nationalsozialisten be­ kannte Bürger sind geflüchtet, andere harren aus und werden bald verhaftet. „Über den gewesenen und als Judenfeind ganz besonders verschrienen Stadtrat Sandreuther kursiert in Fürth die Schilderung, daß er nach der Besetzung von Fürth durch die Amerikaner auf den Hinweis, er möge flie­ hen, weil ihm bei seiner Einstellung durch die Juden doch nichts erfreuliches winke, sagte: Fällt mir ja gar nicht ein, denn die Amerika­ ner brauchen auch gute Organisatoren. Eine Ansicht, die ihn bald darauf durch seine Inhaftierung eines besseren belehrte" [35], Trotzdem hat Sandreuther mit seiner Ein­ schätzung gar nicht so falsch gelegen, wie die spätere Nachkriegszeit zeigt. Zwar ist schon bekannt, daß die amerika­ nischen Truppen wesentlich disziplinierter als die russischen vorgehen, aber genaueres weiß man auch nicht. Wie würden die Amerikaner agieren, als Befreier oder als Rächer?

Mit Erleichterung registrieren die Fürther, daß sich die amerikanischen Soldaten im all­ gemeinen korrekt verhalten. Sie durchsuchen alle Häuser nach Waffen und Nazisymbolen, teilweise mehrmals. Sehr selten nur kommt es zu regelrechten Plünderungen, wenn auch Pretiosen wie Zigarettenetuis, Taschenmesser und alle möglichen Naziembleme als Souve­ nirs gefragt sind. In einem Fall erregt bei ei­ ner Durchsuchung ein hölzerner Bierkrug die Aufmerksamkeit eines farbigen Soldaten, da zufällig seine eigenen Initialen eingeschnitzt sind. Er fragt höflich, ob er den Krug haben könne. Natürlich hat der Besitzer nichts da­ gegen, weshalb er vom dankbaren Gl einige Tage später ein Lebensmittelpaket erhält. Besonders besitzergreifend sind die Gis unverständlicherweise bei den Armbanduh­ ren, was die Bevölkerung mit dem Witz „USA = Uhren stehlens' auch" kommentiert. Die Soldaten schnalzen halbgerauchte Zigaretten „achtlos" weg und ergötzen sich daran, wie die ehemaligen „Herrenmenschen" im Rinn­ stein Jagd darauf machen. Vergewaltigungen gibt es nur vereinzelt, schließlich droht den Gis dafür sogar die Todesstrafe. Andererseits verteilen sie Lebensmittel, stellen Verbands­ zeug zur Verfügung und versorgen Verwun­ dete. Dem Fürther Gottlieb Wunschei verdanken wir eine handschriftliche Chronik über die Ereignisse in Fürth im Jahr 1945 [35]. Nach­ stehend einige Auszüge, die die Amerikaner betreffen:

„Freitag, den 20. April 1945 Nicht enden wollende amerikanische Auto­ kolonnen rollten auf der Zimdorferstraße von der Würzburgerstraße kommend gegen Süden. Das Erstaunen der Fürther wurde angesichts der Motorisierung der Amerikaner immer größer. Kein einziger Amerikaner kam zu Fuß. Alles war motorisiert. ... Samstag, den 21. April 1945 ... Die Amerikaner bauten bei der ehemali­ gen Dambacherbrücke innerhalb drei Stun­ den eine Notbrücke aus Eisen über die Rednitz, um für ihre Fahrzeuge eine Überfahrt zu haben. Selbst die schwersten Panzer trug diese Notbrücke. Zivilisten durften zwar auch diese Brücke benutzen, aber nur dann, wenn keine amerikanischen Fahrzeuge in Sicht oder gemeldet waren. Ganz besonders not­ wendig ist diese Brücke für das Hineinfluten der Amerikaner in das sich ebenfalls erge­ bende Nürnberg.

Die gesamte uniformierte Feuerwehr und Polizei wurde durch die Amerikaner in Haft genommen, sodaß die Feuerwache unbesetzt war. Bei ausbrechenden Bränden hätten sich allerhand Mißhelligkeiten ergeben können. Vermutlich sah man in den Uniformen Solda­ ten. Sonntag, den 22. April 1945 Der Vestner Wald hinter der Haltestelle Alte Veste wurde großer Biwakplatz der Ame­ rikaner. Hunderte von Fahrzeugen waren dort hinterstellt mit der nötigen Besatzung. Auch Wohnungen im dortigen Wohnbezirk mußten für einige Tage zur Verfügung gestellt werden. Unter den amerikanischen Truppen befeinden sich auch schwarze Soldaten.

Montag, den 23. April 1945 Bei den Einquartierungen von Amerika­ nern im Gebiet der Alten Veste war u.a. auch das Haus Gallasstraße 10 betroffen. Es stellte sich heraus, daß der Amerikaner der einstige Gegner unseres Schwerboxmeisters Schmeling war, nämlich: Louis. ... Generaldirektor Spitzfaden soll von der Amerikanischen Regierung in Fürth den Auf­ trag erhalten haben, sofort zu beschaffen Licht, Wasser und Gas. Dienstag, den 24. April 1945 ... Die Amerikaner bauten die von ihnen bei der Dambacherbrücke geschaffene Not­ brücke ebenso schnell wieder ab, wie sie auf­ gebaut wurde. ...

Mittwoch, den 25. April 1945 ... Weiter wurde angeordnet, daß sich alle ehemaligen deutschen Soldaten im Rathaus beim amerikanischen Military Büro zu mel­ den haben. Die sich Meldenden wurden als amerikanische Gefangene erklärt und in Gefangenenlager verbracht; eine Enttäu­ schung für die sich freiwillig Meldenden, weil sie mit ihrer Ehrlichkeit Schiffbruch erlitten zu haben glaubten gegenüber den sich ver­ steckt gehaltenen ehemaligen Angehörigen der Armee, die nach dem Friedensschluß frei sich bewegen durften.

Sonntag, den 28. April 1945 Alles beim Alten. Die Straßen bevölkern sich immer mehr, obwohl die amerikanische Regierung in Fürth das Beisammensein von mehr als 5 Personen verbot.

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Mittwoch, den 2. Mai 1945 Auf dem Wiesengelände der Humbser Brauerei bei der Einmündung der Holzstraße hat eine amerikanische Panzerkolonne Biwak bezogen. Die Truppe hat den Wiesenweg von der Holz- zur Dambacher Str. sofort gesperrt, sodaß zu den Unannehmlichkeiten des primi­ tiven Rednitzüberganges auch noch der Um­ weg über die Kaiserstraße kam, weil auch die Daniel-Ley-Straße besetzt war. Die Wiesen wurden durch die schweren Panzer sehr in Mitleidenschaft gezogen. Der Wiederaufbau des 7. Bogens der Eisenbahnbrücke bei der Dambacherstraße wurde von den Amerikanern in Angriff ge­ nommen. Dadurch wurden von den Ameri­ kanern auch die Wiesen auf dem linken Rednitzufer beim Wasserwerk in Mitleiden­ schaft gezogen, weil die Autos ihren Weg der Einfachheit halber direkt durch die Wiesen nahmen. ... Donnerstag, den 3. Mai 1945 ... Amerikanische Fahrzeuge aller Gattun­ gen durchfahren fortwährend unser Fürth. An der Maxbrücke haben die Amerikaner eine feste und tragfähige Überfahrt geschaffen. Freitag, den 4. Mai 1945 Eine Bekanntmachung der Amerikani­ schen Regierung erklärt die Schwabacher­ straße, die Würzburgerstraße, die König­ straße und die Nürnberger Straße als Militär­ straßen. Nur Fußgängern ist deren Benut­ zung erlaubt. Alle anderen Fahrzeuge und Fahrräder müssen andere Straßen benützen. Selbst das Schieben von Fahrrädern und das Ziehen von Handwägen ist untersagt. ...

Montag, den 7. Mai 1945 Heute besiedelte eine größere amerikani­ sche Wagenkolonne die Wiesen bei der Eisenbahnbrücke an der Dambacherstraße. Etwa 200 Wagen mögen es sein. Mit dem Grasertrag wird es natürlich vorbei sein. Mittwoch, den 9. Mai 1945 Heute früh um 0.01 begann der Friede durch Einstellung der Feindseligkeiten mit Amerika und seinen Verbündeten. In Amerika wird deshalb der heutige und morgige Tag entsprechend gefeiert. Hier in Fürth hat man davon wohl auch Kenntnis genommen und gehofft, daß nunmehr auch die als Kriegsge­ fangene in den Händen der Amerikaner usw. befindlichen Deutschen entlassen werden.

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Mittwoch, den 16. Mai 1945 Heute erscheint zum ersten Mal wieder eine Zeitung. Es ist ein Mitteilungsblatt Nr. 1 der Amerikanischen Militärregierung Fürth, der Stadtverwaltung Fürth, sonstiger Behör­ den usw. ... Donnerstag, den 17. Mai 1945 Die Räume des Stadtmuseums ... mußten plötzlich geräumt werden, weil sie von Ame­ rikanern belegt wurden. Bei der Räumung gingen manche Museumsstücke zu Grunde, was bei der übereilten Räumung nicht anders möglich war. Besonders betont werden muß, daß sich die amerikanischen Railway's-Soldaten sehr an der Räumung beteiligten. Sie haben auch die Weisungen willig befolgt ...

Freitag, den 1. Juni 1945 Die Amerikaner beginnen mit der Anlage eines Sportplatzes auf dem Wiesengrund der Rednitz von der Johannisstr. bis zur Fich­ tenstraße. In dieses Gelände wurde auch das frühere Militärbad in der Rednitz oberhalb der Eisenbahnbrücke einbezogen. Ein gewis­ ses Interesse erregten die dabei zum Um­ bruch des Bodens verwendeten motorisierten Maschinen; solche sah man eben hier noch nicht. Montag, den 4. Juni 1945 Die seit 5 Tagen auf dem rechten Rednitz­ ufer südlich der Dambacherbrücke in Zelten biwakierenden Amerikaner sind heute wieder abgerückt.

Mittwoch, den 6. Juni 1945 ... Den ganzen Tag über fahren amerikani­ sche Autokolonnen durch unsere Stadt. ... Donnerstag, den 7. Juni 1945 Das gleiche Bild. Amerikanische Autos aller Art durchfahren unsere Stadt nach allen Richtungen. Das große Geschäftshaus früher Borgfeldt, Nürnbergerstr. 103ff ist von den Amerikanern besetzt und für Lagerzwecke verwendet. Zur Hintanhaltung etwaiger Belä­ stigungen sind sämtl. Vorderhäuser in der Spiegel- und in der Finkenstraße geräumt und von Negern besetzt worden.

Sonntag, den 17. Juni 1945 In den Räumen des Stadtarchivs, Schwa­ bacherstr. 51, nördlicher Teil, war seit Sonn­ tag, den 10. Juni 1945 eine amerikanische Abteilung untergebracht, die sich „Denmark" nannte. Heute ist sie wieder ausgezogen. Aber sie hinterließ ihre Spuren. Was die vorher

dort untergebracht gewesene amerikanische Truppenabteilung da ließen, stülpten die „Denmark" auch wieder von unters zu obers wie der Volksmund sagt. Auch in den Akten hinterließen sie Spuren, rißen Blätter heraus usw. Montag, den 29. Juni 1945 ... In der Homschuchpromenade-Anlage haben amerikanische Truppen schon seit einigen Wochen ihre Zelte aufgeschlagen und den Fußgängerverkehr unterbunden. Auch auf dem Sportplatz der Spielvereinigung sind seit drei Wochen schwarze amerikanische Soldaten untergebracht.

Dienstag, den 3. Juli 1945 ... Im Vestnerwald wurde auf der Straße durch den Wald der Mechaniker Harmann aus Nürnberg von betrunkenen Negern miß­ handelt und seiner Brieftasche mit 1700 RM und der silbernen Armbanduhr beraubt. Verschiedene Feststellungen über den Ver­ kehr von Frauen mit amerik. Soldaten im Streng's Park usw.

Mittwoch, den 8. August 1945 ... Am Königsplatz wurde ein deutscher Lkw von einem Amerikaner angefahren, weil der Lkw das Verkehrszeichen nicht beachtete. Deutsche und Amerikanische Munition wurde ermittelt: im Schießplatz bei Bernbach, im Munitionsdepot im Zennwald, am Felsenkeller Burgfarrnbach. ... Am 11.8.1945 holte der Amerik. Lastwa­ gen 3 A 5190 - 6 P 8 - Wohnungseinrich­ tungsgegenstände in der Villa Müller (Bis­ marckstr. 21). ... Verbotener Umgang von weiblicher Jugend mit Negern stellte die Polizei mehrfach fest. Am 18.8.1945 wollte ein deutscher Polizei­ beamter eine Frau kontrollieren, weil sie gestohlen haben sollte. Ein Neger verhinderte den Polizeibeamten hieran unter Vorhaltung einer Maschinenpistole." Kehren wir nach diesen kaleidoskopartigen Betrachtungen von Gottlieb Wunschei noch­ mals zum unmittelbaren Kriegsende im April 1945 in Fürth zurück. Die amerikanischen Kampftruppen befehlen nach der Kapitula­ tion Fürths als erstes, daß die kurz vor Kriegsende überall errichteten Straßensper­ ren durch die Bevölkerung wieder nieder­ gerissen werden. Mit Plakaten und durch Lautsprecherwagen geben sie bekannt, daß alle Waffen an bestimmten Sammelstellen abzuliefern sind. „Sie lieferten aber nicht nur

Waffen ab, sondern alles, was sie ihres Er­ achtens mit der Wehrmacht in Verbindung bringen konnte. Uniformen, Gasmasken, Helme, NSDAP-Arm binden wurden auf die großen Haufen vor dem Rathaus geworfen. ...Sie schienen kein Interesse an den Kämp­ fen zu haben, die in Nürnberg noch tobten. Dieselben Leute, die Hitler zugejubelt hatten, waren nun bereit, den Streitkräften zu­ zujubeln, die ihn besiegten. Die .Rainbowmeri hatten es schon früher gesehen, aber hier sahen sie es erneut, wie total die Menschen ihre eigenen Soldaten ignorierten, die als Kriegsgefangene durch die Straßen geführt wurden. Sie sprachen ihnen weder Mut zu, wie man es hätte erwarten können, noch verspotteten sie sie, weil es ihnen nicht ge­ lungen war, die Stadt zu verteidigen. Sie schienen sie einfach nicht zu bemerken. Neu­ gierig bestaunten sie die Amerikaner, aber für ihre eigenen Truppen hatten sie kaum einen Blick übrig. Da und dort winkte eine Frau, aber es gab nur wenige Tränen als diese Män­ ner in die Gefangenenlager gingen." (Ge­ schichte der 42. Infantry Division in [9]). Nach sechs Jahren Kriegszeit wird endlich die Verdunkelungspflicht aufgehoben, das Hören aller Radiostationen ist wieder erlaubt und sogar erwünscht. Dagegen sind Fotogra­ fieren und Benutzen eines Feldstechers (!) nur mit der Erlaubnis der Militärregierung gestattet. Die amerikanischen Soldaten be­ trachten aufgrund ihres Wissens über den bis zum Exzeß getriebenen deutschen Militaris­ mus alle Uniformträger mit großem Miß­ trauen und verhaften die Feuerwehrmänner, wie vorher geschildert. Alle Polizeibeamten werden ebenso inhaftiert, was verständlicher ist, denn der Polizeiapparat hat oft eng mit dem Terrorregime der Nationalsozialisten zu­ sammengearbeitet. Die Kampftruppen der Amerikaner, die durch Fürth in Richtung Süden ziehen, sind nicht für die Aufrechterhaltung der öffentli­ chen Ordnung, zur Verteilung der lebensnot­ wendigen Güter an die Bevölkerung und für den Wiederaufbau der Stadt vorgesehen. Dazu bedarf es fundierter Verwaltungskennt­ nisse. Dafür haben die Alliierten vorgesorgt, denn in Amerika und Großbritannien sind bereits ab 1942 (!) Zivilisten aus unterschied­ lichen Berufszweigen für Verwaltungsauf­ gaben im noch zu besetzenden Deutschland ausgebildet und als Offiziere in die Armee übernommen worden. Bereits zu diesem Zeit­ punkt sind ihnen ihre späteren Bestim­ mungsorte bekannt. Sie können deren wirt­ schaftliche, politische und Verwaltungsstruk­ 21

turen vorher genau studieren. Da die Aus­ wahl der Offiziere sich hauptsächlich auf Collegeabsolventen stützt und sehr sorgfältig durchgeführt wird, gibt es nur wenige Ausfäl­ le, die bei Korruption und Schwarzmarkt­ geschäften mitmischen und sich als unfähig erweisen. Allerdings schafft die unzurei­ chende militärische und politische Ausbil­ dung dieser „Civil Affairs Officers" manche Reibungspunkte, da sie sowohl auf die Unter­ stützung der „echten" Militärs bei der Durchführung ihrer Verwaltungsaufgaben angewiesen sind, als auch bei der deutschen Bevölkerung ein demokratisches Bewußtsein wecken sollen. Der Mann, der in Fürth die amerikanische Militärregierung vertritt und das Sternenban­ ner auf dem Fürther Rathaus hissen läßt, ist Hauptmann John Daly Cofer. Der 47 Jahre alte Rechtsanwalt ist .... am späten Abend des 23. April nach einer zweitägigen Fahrt frierend, übermüdet und hungrig in Fürth eingetroffen" [9]. Es heißt, er sei ein korrek­ ter, ruhiger Mann mit ausgeprägtem Gerech­ tigkeitssinn gewesen und er hat als ausge­ sprochen deutschfreundlich gegolten. Wie diese ersten Tage nach der Kapitula­ tion aus der Sicht eines Juristen abgelaufen sind, schildert Dr. Robert Herbst, dessen Ar­ tikel wegen der vielen interessanten Einzel­ heiten in voller Länge den „Fürther Heimat­ blättern" (1/1970) entnommen wurde: Die Wiederaufrichtung der Justiz in Fürth durch die Amerikaner

Unter „Stillstand der Rechtspflege" hat man einen Zustand zu verstehen, in welchem es keinen Richter mehr gibt, um Übeltäter zu bestrafen, um Klägern zu ihrem Recht zu verhelfen, um Konkursgläubiger und Mündel zu schützen, Erben als Erben zu bestätigen und um Firmeninhabem, Grundstückseigen­ tümern und Hypothekengläubigem ihre Rechte durch Eintragungen in die öffentli­ chen Register zu sichern. Kaum ein Jurist hat sich jemals ernsthaft damit befaßt, die Folgen eines derartigen Zu­ standes auszumalen, wohl deshalb, weil die­ ser in unserem staatlich geordneten Gemein­ wesen schon seit unvordenklichen Zeiten nicht mehr vorgekommen ist. Ein solcher Stillstand wurde ganz einfach für unmöglich gehalten, da er ja nur bei einem totalen Zu­ sammenbruch jeglicher Staatsautorität denk­ bar war. - Und dennoch ist er auch in unse­ rer Stadt Fürth einmal in seinem vollen Aus­

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maß eingetreten, nämlich mit dem Einmarsch der Amerikaner am 19. April 1945. Mit der so sichtbarlich erfolgten „de facto"Beendigung der militärischen und zivilen Gewalt der bisherigen Machthaber war gleich­ zeitig auch die Justizhoheit zu Ende gegan­ gen und zwar sogar „de jure", nämlich durch ein ausdrückliches „Alliiertes Gesetz", wel­ ches die sofortige Einstellung jeglicher Gerichtsbarkeit und die Suspendierung aller Richter verfügte. Schon am Tage nach dem Einmarsch der Amerikaner - im nachbarlichen Nürnberg wurde sogar noch geschossen - befand sich am Rathauseingang, unter dem Balkon, ein Holzbrett als Schild mit der Aufschrift „Mili­ tary Government". Auf das Military Govern­ ment waren Zivilverwaltung und Gerichts­ barkeit übergegangen. Sie wurden nicht etwa durch den Kommandeur irgendeiner ameri­ kanischen Kampfeinheit ausgeübt, sondern durch ein eigens dafür ausgebildetes Team. Es unterstand Hauptmann John D. Cofer, seines Zeichens Rechtsanwalt aus Austin, Texas. Er war als Stadtkommandant Chef der Verwaltung, zugleich aber auch Präsident des „Military Tribunal". Er war also im eigentli­ chen Sinne das „Fürther Stadtoberhaupt" wenn auch zunächst als „Herrscher über ein Chaos". Die Stadt Fürth wird wohl für immer dankbar sein müssen, daß ihr Schicksal in jenen schlimmen Wochen und Monaten in die Hände eines so umsichtigen, verständnisvol­ len und gerechten Machthabers gelegt war. Als nächster im Rathaus war Hauptmann Barker als „Security Officer" für die öffentli­ che Sicherheit verantwortlich. Ihm oblag es, die städtischen Dienste wieder in Gang zu bringen, dem Ausbruch von Seuchen vorzu­ beugen und schließlich auch wieder eine uniformierte Ortspolizei zu organisieren. Von besonderer Wichtigkeit war die „Legal Section" unter First Lieutenant Gilbert N. Harrison, Rechtsanwalt aus Brownwood in Texas. Nach außen hin zunächst am sicht­ barsten waren seine staatsanwaltlichen Funktionen in der Erhebung von Anklagen vor dem Militärgericht und deren Vertretung in der Gerichtsverhandlung. Es oblag ihm aber auch die Aufgabe, die Tätigkeit der deut­ schen Justizbehörden wieder in Gang zu set­ zen. Ihm als „Gerichts-Offizier" unterstand von Anfang an das Fürther Amtsgericht. Die­ ses war zwar vollkommen „außer Betrieb"; hierzu gehörte aber auch das Amtsgerichtsge­ fängnis und dort war - wie zu berichten sein wird - der Betrieb um so reger.

Das Rathauseck mit dem Sternenbanner und dem Schild der Militärregierung im Jahr 1949.

Der „Legal Section" organisatorisch ir­ gendwie angegliedert gab es einen sogenann­ ten „Finance Officer" in der Person des Second Lieutenant S. - Seine Dienstbezeich­ nung zum mindesten teilweise inkorrekt, denn seine Haupttätigkeit sollte darin beste­ hen, „arisiertes" und sonstwie schutzbedürf­ tiges Eigentum sicherzustellen und dafür Treuhänder einzusetzen. Mit ihm hatte man nun aber den Bock zum Gärtner gemacht. Es scheint, daß er weit mehr daran interessiert war, aus seiner Position für sich selber das Beste herauszuholen. Er wurde bald vor ein Kriegsgericht gestellt und nach USA zurück­ geschafft.

Der Vollständigkeit halber muß auch noch Mr. Mont erwähnt werden. Er kam aus der „Quartermaster'-Abteilung der US-Army, hat­ te keinen besonderen Dienstrang und war sozusagen die Arbeitsbiene des ganzen M.G. Teams. Da er im Rathaus und bald in der ganzen Stadt als „Mr. Mont" bekannt war, kamen alle Leute mit ihren Anliegen zu ihm, was zur Folge hatte, daß der Eingang zu sei­ nem Dienstzimmer fast ständig belagert war. Seine unauffällige Hilfsbereitschaft, sein menschliches Verständnis und sein Gerech­ tigkeitssinn entsprachen seiner religiösen Einstellung als „Quäker". Außer dem „M.G." gab es im Rathaus nun aber auch noch das „C.I.C.". Dieses „Counter

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Intelligence Corps" operierte vollkommen un­ abhängig und war auch räumlich vom „M.G." getrennt - nämlich in den Räumen des Stadt­ schulamtes mit Eingang von der Branden­ burger Straße. Seine Hauptaufgabe war, durch eine zwar nicht juristische, aber dafür um so radikaler durchgreifende „Entnazifi­ zierung" die Funktionäre des früheren Regi­ mes und sonstwie politisch Belastete ausfin­ dig zu machen und zunächst in Haft zu neh­ men, um sie eventuell später zur Verantwor­ tung ziehen zu können. - Als „Abwehr"-Organisation oblag es dem C.I.C. aber auch, dem „Werwolf nachzuspüren. Die Möglichkeit der Existenz solcher Widerstandsgruppen wurde vom C.I.C. - ob nötig oder unnötig - jedenfalls sehr ernst genommen, - kein Wunder, da ja selbst der Widerstand der regulären, deut­ schen Kampfverbände bereits längst sinnlos geworden war. Ich muß nun hier doch wohl einflechten, daß ich zwei Tage nach dem Einmarsch der Amerikaner selber vom C.I.C. verhaftet und einem langen Verhör unterzogen wurde. Als ehern. Dolmetscher bei einem Divisions-Stab, mit einem Marschbefehl unterwegs und in Fürth aufgehalten, war ich „technically" ein Prisoner of War. Als solcher wurde ich zunächst Hauptmann Cofer vorgeführt. Er erkannte sehr schnell die Verwertungsmöglichkeiten für die Kombination aus meinen Rechts-, Sprach- und Ortskennt­ nissen und setzte mich - gegen Handschlag sofort auf freien Fuß, mit der Verpflichtung, mich nicht zu entfernen und ihm und seinen Mitarbeitern als Dolmetscher zur Verfügung zu stehen. Er brachte mich auch gleich selbst zu Lt. Harrison, dem ich direkt zugeteilt wurde.

Lt. Harrison hatte sein Office im Vorzim­ mer des Fürther Rathaussaales. Er war sel­ ber ganz frisch auf diesen Posten komman­ diert und seine Hauptsorge war momentan das Gerichtsgefängnis. Während das Amtsge­ richtsgebäude am Hallplatz mit verschlosse­ ner Pforte dalag, ging es im Gefängnis in der Katharinenstraße drunter und drüber. Es galt, zunächst erst einmal eine Liste der Ge­ fängnisinsassen aufzustellen und zu diesem Zweck fuhr Lt. Harrison gleich am nächsten Morgen mit mir zum „Katharinen-Kloster". Die meisten der Gefangenen waren vom C.I.C. Mit diesen hatten wir uns nicht zu befassen, wenigstens vorerst noch nicht. Viele von den Häftlingen waren von der „Military Police" eingeliefert worden. Es stellte sich heraus, daß eine größere Anzahl von Personen, die 24

der M.P. irgendwie verdächtig erschienen, ganz einfach aufgegriffen und im Gefängnis abgeladen worden waren. Diese „Verdäch­ tigen" waren zumeist ehemalige Wehrmachts­ angehörige, die sich irgendwie Zivilkleider beschafft hatten und als Tramps, zu Fuß, in Richtung nach ihren Heimatorten unterwegs waren. Ziemlich abgerissen und unrasiert sahen sie tatsächlich oft wie Landstreicher aus. Lt. Harrison setzte sie alle - nach kur­ zem Verhör - sofort auf freien Fuß und ich gab manchem von ihnen noch einen kurzen, ortskundigen Rat mit, wie sie ihren Weg fortsetzen müßten, um der M.P. nicht gleich wieder in die Hände zu fallen. Soweit „Arrest Reports" vorlagen, waren sie so unvollständig, daß Lt. Harrison erst einmal Einzelheiten einholen mußte. Wenn die zuständige M.P. Einheit überhaupt aus­ findig zu machen war, war entweder die be­ treffende M.P. Patrouille nicht mehr fest­ stellbar oder versetzt. In jedem dieser Fälle ordnete Lt. Harrison die sofortige Freilassung an und schließlich ließ er über Capt. Cofer dem Kommando der M.P. Einheiten wissen, daß er dies in jedem Falle tun werde, wenn ihm nicht mindestens gleichzeitig mit der Einlieferung eines Gefangenen der vorge­ schriebene „Report" mit vollständigen Anga­ ben über Ort, Zeit und Art der angeblich begangenen Straftat vorgelegt werde. Die zur Aburteilung zu bringenden Delikte waren keineswegs die in unserem deutschen Strafgesetzbuch enthaltenen. Sie standen vielmehr alle in irgendeinem Zusammenhang mit dem Vorgang der militärischen Beset­ zung, mit dem Schutz der Angehörigen und des Eigentums der Besatzungsmacht und mit der Fernhaltung von politisch belasteten Per­ sonen aus dem neu in Gang zu setzenden Wirtschafts- und Gemeinschaftsleben. Dem­ entsprechend waren die wichtigsten Straftat­ bestände: „Waffenbesitz" - Fast gleichzeitig mit dem Einmarsch der Kampftruppen war durch An­ schläge und Lautsprecherwagen die sofortige Ablieferung aller Waffen angeordnet worden. Dennoch kam es noch zu einer ziemlich gro­ ßen Anzahl von Fällen, in denen Waffen in Verstecken aufgefunden wurden. Die M.P. legte den Begriff ziemlich weit aus und ver­ haftete Leute, weil sie noch ein Rapier aus der Studentenzeit an der Wand oder einen alten Säbel im Schrank hatten. Lt. Harrison warf die M.P. bisweilen kurzerhand hinaus mit der Zurechtweisung, wie sie sich in sol­ chen Fällen die „Bedrohung der US-Army" vorstellten. - Dagegen wurde der Besitz von

Schußwaffen oder auch nur von Munition als ein ziemlich ernstes Delikt mit harten Strafen geahndet. „Sperrstunden-Übertretung" - Ebenfalls gleichzeitig mit dem Einmarsch war ein Aus­ gehverbot verhängt worden. Es begann an­ fänglich mit dem Einbruch der Dunkelheit abends 8 Uhr. Später wurde der Beginn - den längeren Tageszeiten entsprechend - auf 9 Uhr und schließlich auf 10 Uhr abends fest­ gesetzt. Es dauerte Wochen, bis sich die Be­ völkerung daran gewöhnt hatte, um 8 Uhr abends daheim sein zu müssen. Wer dennoch unterwegs angetroffen wurde, landete mit Sicherheit im Gefängnis, zum mindesten für die darauffolgende Nacht. Auch diese Be­ stimmung wurde äußerst streng gehandhabt, besonders in den ersten 4 bis 6 Wochen. „Unerlaubter Besitz amerikanischen Ei­ gentums" - Die hierauf bezüglichen Bestim­ mungen waren so gefaßt, daß es zur Erfül­ lung des strafbaren Tatbestandes genügte, Waren zu besitzen, welche irgendwie ameri­ kanischer Herkunft waren. Aufgrund dieser juristischen Konzeption waren die Militärge­ richte der Notwendigkeit enthoben, nachzu­ prüfen, ob der Besitzerwerb in zivil- oder strafrechtlich einwandfreier Weise erfolgt war. Diese - vorher vollkommen unbekannt gewe­ sene - Deliktsform war es, welche immer wie­ der an Bedeutung gewinnen sollte, je breiter nach und nach die Berührungsbasis zwi­ schen den Angehörigen der Besatzungstrup­ pen und der Zivilbevölkerung wurde. Schließlich gab es noch die sogenannte „Fragebogen-Fälschung". - Nach unseren Rechtsbegriffen handelte es sich hierbei eigentlich darum, daß über die eigene, be­ sonders politische, Vergangenheit unwahre bzw. unvollständige Angaben gemacht wur­ den. Nach amerikanischer Rechtsauffassung erfüllte dies aber den viel ernsteren Tatbe­ stand einer „Fälschung". Die Strafverfolgung war deshalb weit strenger, als viele es sich bei der Ausfüllung des Fragebogens vorstellten. In den ersten Wochen der Besatzung begnüg­ te man sich mit dem Verlangen der Beant­ wortung nur der wichtigsten Fragen. Dann aber brachte der sogenannte „Große Frage­ bogen" ein ausgeklügeltes System von 128 Fragen, die bereits zum Teil unter sich gewisse Kontrollen und Gegenkontrollen er­ möglichten. Die wichtigsten Fragen bezogen sich auf die „Zugehörigkeit zur Partei" oder deren „Gliederungen". Die Feststellung der Unterlassung solcher Angaben zog sofortige Verhaftung und Bestrafung mit Gefängnis nach sich, die um so empfindlicher ausfiel,

wenn auf Grund eines dergestalt „gefälsch­ ten" Fragebogens bereits eine Zulassung zu bestimmten Stellen oder Tätigkeiten erfolgt war. Das Strafprozeßverfahren war ziemlich straff, jedoch keineswegs summarisch. Auf Grund der „Arrest Reports" wurde von Lt. Harrison die Anklage - in Gestalt eines for­ mularmäßigen „Charge Sheet" - abgefaßt. Er hatte nach den ersten paar Tagen seinen Schreibtisch in den durch eine Barriere ab­ getrennten Zuhörerraum des Rathaussaales verlegt und ich bekam meinen Arbeitsplatz gleich neben dem seinigen. In dem nunmehr als Geschäftsstelle verwendeten Vorzimmer waren die Protokollführerin und eine weitere Schreibkraft und außerdem ein dem Tribunal zugeteilter Polizist aus Capt. Barker s neu­ organisierter Ortspolizei. Im Rathaussaal war die vorderste Reihe der halbkreisförmig ange­ ordneten Sitze der Fürther Stadtverordneten als Anklagebank reserviert. Alle übrigen Sitz­ reihen waren für die Zuhörer freigegeben, denn die Verhandlungen fanden stets in aller Öffentlichkeit statt. An einem Tisch vor der Mitte des Bürgermeister-Podiums saßen die Protokollführerin und ich selbst als Dolmet­ scher. Wenn Capt. Cofer den Saal betrat, hatte sich jedermann zu erheben. Bei seiner impo­ santen Erscheinung fiel es nicht schwer, ihm diese Ehrerbietung zu zollen. Er nahm am Sitz des Oberbürgermeisters Platz, - hinter ihm das Sternenbanner - und sagte: „This Court will come to Order", - was ich zum bes­ seren Verständnis mit „Die Sitzung ist eröff­ net" übersetzte. So formell und korrekt, wie begonnen, wurde unter Capt. Cofer s souveräner Leitung die ganze Verhandlung durchgeführt. Dem angelsächsischen Gerichtsverfahren folgend, hatte Capt. Cofer als Gerichtspräsident von keinem der Anklagefälle vorher irgendwelche Kenntnis. Er hatte keinerlei Akten und wäh­ rend der ganzen Verhandlungsdauer mei­ stens nicht einmal ein Blatt Papier vor sich auf dem Gerichtstisch. Sein Urteil gründete sich ausschließlich auf den Verlauf und das Ergebnis der mündlichen Verhandlung. Diese begann damit, daß der Angeklagte nach der Vorlesung und Übersetzung des „Charge Sheet" befragt wurde, ob er sich „schuldig" oder „nicht-schuldig" (Guilty or Not Guilty) bekenne. Im letzteren Falle wurde ohne Weiteres in die Beweisaufnahme einge­ treten und es mußten sofort die Beweisgegen­ stände vorgelegt werden. Kam es zur Ver­ 25

nehmung von Zeugen - meistens Angehörigen der M.P. - so erfolgte in jedem Falle vorherige Beeidigung und zwar in religiöser Form. In den meisten Fällen gelang es Capt. Cofer mit juristischem Scharfsinn und großer Menschenkenntnis, die Schuld und deren Ausmaß in kurzer Zeit zu erkennen. Es er­ folgte dann sofort die Verurteilung, meist Gefängnis zwischen einer Woche und zwei Monaten. Nur in seltenen Fällen ging das Ur­ teil bis auf drei Monate. - Wenn jedoch das Beweismaterial, insbesondere die Aussagen der M.P., nicht ganz einwandfrei und lücken­ los waren, so war Capt. Cofer gar schnell zur Hand mit einem „Case dismissed" (Anklage verworfen) und er sagte mir dann meist über den Tisch herüber, auf den Angeklagten deu­ tend: „Teil him, he is free, he may leave." In solchen Fällen war die Überraschung im Zu­ hörerraum jedesmal groß. Man war allgemein der Meinung, vor dem Militärgericht könne man sowieso nicht freigesprochen werden. Die psychologischen Wirkungen waren dem­ entsprechend nachhaltig und das Vertrauen in die Justiz im Rathaus war bald allgemein im Zunehmen.

Die erste dieser Gerichtsverhandlungen im Rathaussaal fand noch im April, also bereits 8 oder 10 Tage nach dem Beginn der Beset­ zung, statt. Es war bald ein recht bunter Rei­ gen von Anklagefällen, die in so einer zweibis dreistündigen Sitzung zur Verhandlung kamen. Für die Zuhörer am interessantesten waren die Fälle, in welchen es sich um den Besitz amerikanischer Gegenstände - genauer gesagt, um Lebensmittel und Waren - han­ delte. An die kleineren Missetäter mit einer Schachtel „Candy Bars" oder einem halben Dutzend Stück Seife, waren die Leute bald gewöhnt. Dann aber kamen „Deliquenten" mit 10 oder 20 Konservendosen - Milchpulver, Eipulver, Kaffee, Rindfleisch. Einmal wurden acht Fünf-Kilo-Beutel mit herrlich duftendem schwarzen Tee als „Evidenz" vor dem Gericht aufgebaut. In diesem Fall berichtete die M.P. auf eine Nebenfrage des Vorsitzenden, daß auch der Fourier der betreffenden, amerika­ nischen Einheit bereits hinter Schloß und Riegel sitze. Ein anderer Angeklagter sah elf „Stangen" Zigaretten vor sich auf dem Ge­ richtstisch. Für diese hatte er seine Leica an den Mann gebracht. Man war am Beginn der „Zigaretten-Währung". Sein Verkaufserlös entsprach einem „Tauschwert" von cirka 3 bis 4000 Mark. - Nun war er nicht nur die Leica, sondern auch die Zigaretten los.

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Ein besonders gelagerter Fall betraf eine Ladung von „Radio-Verstärker-Röhren". Der Angeklagte hatte diese in den Tagen des Zu­ sammenbruchs aus Wehrmachtsbeständen von einem Wehrmachtsangehörigen gekauft. Sie waren jedoch kraft Gesetzes „amerikani­ sches Eigentum" geworden, wie eben alles, was der deutschen Wehrmacht gehört hatte. Die Bestrafung fiel nicht allzu hart aus. Aber die Amerikaner waren nun im Besitz dieser Menge Verstärker-Röhren, welche für sie voll­ kommen wertlos waren. Die „QuartermasterAbteilung" verkaufte diese Ladung nun ihrer­ seits (an einen Fürther Radio-Fachmann) und von da ab war der Besitz natürlich nun nicht mehr „unauthorized". (Die Röhren haben dann später in der Fürther Industrie eine nicht unbedeutende Rolle gespielt). Capt. Cofer erwies sich auch als ein ausge­ zeichneter Jugendrichter. Eigenartigerweise handelte es sich in den wenigen Fällen dieser Art nicht nur um „Besitz", sondern um regel­ rechten „Diebstahl", wenn auch geringfügigen Umfanges. Im Laufe einer dieser Verhandlun­ gen ließ Capt. Cofer den Jugendlichen fragen, wann er zum letzten Mal in der Kirche gewe­ sen sei. Und dann ließ er ihn zur Probe das Vaterunser aufsagen. Es war mäuschenstill im Saal. Danach ließ er den Jungen zu sich aufs Podium kommen, redete ihm väterlich zu und brachte es fertig, ihm sogar einige Brocken Englisch zu entlocken. Dann schüt­ telte er ihm die Hand und entließ ihn. - In einem anderen Fall ließ er die Eltern aus dem Zuhörerraum vor den Gerichtstisch treten und gab ihnen nach einigen Ermahnungen ihren Sprößling mit - ohne jede Bestrafung. Es war eine allseits unerwartete Art der Handhabung der Gerichtsbarkeit durch „die Sieger". Mit der fortschreitenden Jahreszeit - es war Juni geworden - nahm das „Delikt" der Sperrstunden-Überschreitung immer mehr überhand. Es war nicht allein die wegen der Tageshelle fast zur Unmöglichkeit gewordene Einhaltung der Sperrzeit. Es war auch der inzwischen bei der M.P. ausgebrochene Sport, auf frei herumlaufende Zivilisten regelrecht Jagd zu machen. Während ab 10 Uhr die Leute allüberall aus den weit offenen Fen­ stern auf die menschenleeren Straßen her­ ausschauten, ohne sich heraus zu wagen, patrouillierte die M.P. in ihren Jeeps durch alle Gassen und nahm bisweilen sogar Per­ sonen aus ihren Vorgärten mit.

Es kam bald soweit, daß unser Gefängnis jede Nacht überfüllt war. Am nächsten Mor­ gen brachte uns unser Polizist immer eine lange Liste der Häftlinge und zwischen 10 und 11 Uhr pilgerte dann von der Hirschen­ straße her über den Kohlenmarkt ein langer Zug der „Sperrstunden-Übertreter" in s Rat­ haus. Der Rekord war, - wenn ich mich recht erinnere - am 3. oder 4. Juli 1945, mit 162 „Deliquenten". Der Rathaussaal und der Treppenaufgang waren überfüllt mit den Angeklagten und deren Angehörigen, die meist die Nacht in größter Sorge verbracht hatten. - Wer sich „schuldig" bekannte, zahlte 10 Mark Buße und war wieder frei. Viele von denen, die sich ihrer sofortigen Freiheit zuliebe als „schuldig" bekannten und bezahl­ ten, oder durch ihre Angehörigen ausgelöst wurden, waren wirklich unschuldig und lediglich Opfer der M.P. - Für die, welche dabei blieben, „nicht schuldig" zu sein, wurde sofort eine Gerichtssitzung abgehalten und auch sie kamen meist gelinde, wenn nicht vollkommen ungeschoren, davon. Capt. Cofer hatte gar bald volle Kenntnis von den Praktiken der M.P. - Und von einer „Gefähr­ dung der Besatzungsmacht" war überhaupt schon längst keine Rede mehr. Es war etwa in der ersten Hälfte des Mo­ nats Mai, - nachdem die Verhältnisse im Ge­ richtsgefängnis einigermaßen unter Kontrolle gebracht und die Verfahren vor dem Militär­ gericht normal in Gang gekommen waren, Elis Lt. Harrison seine zweite Aufgabe in die Hand nahm, nämlich die Wiedereinsetzung auch der deutschen Gerichtsbarkeit. Nach seinen Vorschriften hatte sich seine diesbe­ zügliche Tätigkeit auf die unterste Instanz, also auf das Amtsgericht, zu beschränken. Das ehern. Landgericht in der Blumenstraße blieb also von all dem Weiteren vollkommen ausgenommen. Um anzufangen, veranlaßte mich Lt. Har­ rison, mit ihm die - mir so wohlvertrauten Räume des Amtsgerichtsgebäudes zu inspi­ zieren. Die Kriegseinwirkungen waren - so­ wohl äußerlich als auch in den Räumen verhältnismäßig gering geblieben. Im Haus war keinerlei Gerichtspersonal. Wir erfuhren aber vom Hausverwalter die Namen von eini­ gen der Richter, die bis zuletzt amtiert hatten. Unter diesen waren die Herren Ober­ amtsrichter Volckart und Eichner, die mir beide aus meiner amtsgerichtlichen Referen­ darzeit persönlich wohlbekannt waren. Oberamtsrichter Volckart hatte viele Jahre das Amt des Einzelstrafrichters versehen. Er

stand in dem Ruf, ein „trockener Jurist" zu sein. Wer ihn kannte, schätzte aber seinen trockenen Humor. Großgewachsen, aber mit einem geknickten Bein hinkend, war er eine bekannte Figur im Fürther Stadtbild und be­ sonders auch im Rednitz-Schwimmbad. - Im Vergleich zu ihm war Oberamtsrichter Eich­ ner als Person eher unscheinbar. Auch er war bei den früheren Machthabern nicht gerade „persona grata" gewesen, war bei Beförderun­ gen wiederholt übergangen und schließlich für dauernd in das als weniger wichtig gel­ tende Referat des „Vormundschafts- und Nachlaßrichters" abgeschoben worden. Die beiden Richter wurden aufs Rathaus gebeten und es fanden wiederholte Bespre­ chungen statt, insbesondere auch vor Capt. Cofer. Ihm oblag es, für das wiederzueröff­ nende Amtsgericht einen Präsidenten zu bestellen. Seine Wahl fiel auf „Judge Eich­ ner", dem nun allerdings eine harte Aufgabe bevorstand.

Infolge eines tiefsitzenden Mißtrauens der Amerikaner gegen das, was sie mit „NaziJustiz" bezeichneten, wurde mit größter Vor­ sicht zu Werke gegangen. Außer den „Großen Fragebogen" hatten die für die Wiedereinset­ zung in Betracht kommenden Richter noch ganz besonders eingehende Auskünfte über ihre frühere Amtsführung und Tätigkeit zu geben. Aber auch das gesamte übrige Ge­ richtspersonal - Inspektoren, Sekretäre, Rechtspfleger, Urkundsbeamte - hatten sich bezüglich ihrer politischen Vergangenheit genauester Überprüfung zu unterziehen. Es war Jugde Eichner's Aufgabe, für die Beschaffung aller dieser Unterlagen von dem künftigen Richterkollegium und dem übrigen Beamtenstab Sorge zu tragen. In den folgen­ den Wochen verging fast kein Tag, an dem er nicht zur Besprechung im Rathaus erschien. Seine Geduld und Ausdauer waren einfach erstaunlich. Es bleibt sein Verdienst, daß die Wiedereröffnung des Fürther Amtsge­ richts so reibungslos und verhältnismäßig bald erfolgen konnte. Endlich - inzwischen war es schon Juni geworden, -waren alle Unterlagen beisammen - ein respektabler Stapel von Papieren - und Lt. Harrison konnte alles über Capt. Cofer's Unterschrift ein die nächsthöhere Dienststelle der Militärregierung zur Genehmigung wei­ tergeben. Schon in einer der ersten Besprechungen hatte Oberamtsrichter Eichner mich darauf aufmerksam gemacht, daß die Register des

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Amtsgerichts Fürth, insbesondere die Grund­ bücher, gegen Kriegsende aus Sicherheits­ gründen nach Markt Erlbach verlagert wor­ den waren und sich im dortigen Schulhaus befinden müßten. Mir selbst brauchte bezüg­ lich der Wichtigkeit dieser Bücher nichts er­ klärt zu werden. Es kostete mich aber einige Überredung bei Lt. Harrison, da etwas derar­ tiges in Texas eben unbekannt war. Immerhin, es gelang mir, zu erreichen, daß er eines Nachmittags von der amerikani­ schen Transport-Einheit einen Lastwagen mit Fahrer beschaffte. So fuhren wir zu Dritt hin­ aus nach Markt Erlbach. Es war etwa Mitte Mai und ein regnerisch kalter Tag. Im Schul­ haus war der Kompanie-Befehlsstand einer Infanterie-Einheit untergebracht. In einem offenbar als Wache dienenden Schulzimmer gleich unten fanden wir einen Soldaten auf einem Stapel unserer Grundbücher sitzend und vor sich, auf einer Blechunterlage, ein offenes Feuer. In größter Seelenruhe riß er Blatt für Blatt aus einem der Grundbücher heraus, um damit sein wärmendes Feuerlein in Gang zu halten. Ich bat Lt. Harrison, dem Mann sofort Einhalt zu gebieten. Lt. Harrison kannte die Grenzen seiner Befehlsgewalt aber genau und verlangte lediglich sofort nach dem „Commanding Officer". Es erwies sich, daß dieser nicht so schnell erreichbar war. Als Lt. Harrison ihn endlich am Telefon hatte, - inzwischen waren einige weitere Fürther Anwesen „in Flammen aufgegangen", - er­ reichte er nur, daß der mitanwesende Serge­ ant von seinem direkten Vorgesetzten den Befehl erhielt, die Herausgabe der Bücher zu erlauben. Er und der feuerschürende Soldat nahmen diesen Befehl absolut wörtlich, was zur Folge hatte, daß Lt. Harrison und ich die großen, schweren Bände - fast hundert an der Zahl - selbst hinausschleppen und auf dem Lastwagen verladen mußten. Unser eigener Fahrer rührte keinen Finger. Nach einer Weile ging der Wachsoldat dazu über, seinem Ärger Luft zu machen, indem er an­ fing, die Bände kurzerhand durch s Fenster auf das regennasse Pflaster hinauszuwerfen. Auf der Rückfahrt nach Fürth wurde zwi­ schen uns Dreien kein Wort gesprochen. Wir hatten nochmals schwere Arbeit, die Bände vom Lastwagen in den Hausgang des Amts­ gerichts zu schleppen. So kam das „Fürther Grundbuch" - wenn auch nach dem Verlust mehrerer Bände - an seinen legitimen Stand­ ort zurück. Es war bereits Anfang Juli und die Akten mit den Genehmigungen für die Amtsge­ 28

richts-Eröffnung wurden von Tag zu Tag „von oben" zurückerwartet. Eines Morgens - Lt. Harrison war selber noch gar nicht im Office, - da brachte mir unser Polizist einen hand­ geschriebenen Zettel. Er war vom Oberamts­ richter Eichner; er sitze im Gefängnis und bäte mich, doch sogleich etwas zu seiner Freilassung zu unternehmen. Ich schickte den Polizisten sofort mit einem Vorführungs­ befehl zurück. Als Lt. Harrison erschien, un­ terrichtete ich ihn sogleich von dem Gesche­ henen und er informierte seinerseits sofort Capt. Cofer. Bald darauf wurde Oberamtsrichter Eich­ ner „aus der Haft vorgeführt". Er sah aus wie ein übernächtigter Wandervogel, unrasiert, mit offenem Schillerhemdkragen und Spa­ zierstock. Wir brachten ihn sogleich zu Capt. Cofer, wo er berichtete, er sei am Abend vor­ her um 3/4 10 Uhr auf dem Heimweg von einem Spaziergang an der Dambacher Brücke durch die M.P. eine Weile festgehalten wor­ den. Als es 10 Uhr geworden war, habe man ihn mit einigen weiteren Passanten auf zwei Jeeps aufgeladen und strack s ins Gefängnis gebracht. Wenn man ihn hätte passieren las­ sen, hätte er noch bequem vor 10 Uhr sein Haus in der Saarburger Straße erreichen können. Capt. Cofer brachte - nach einigem Her­ umtelefonieren - die betreffende M.P.-Pa­ trouille zur Stelle. Der Unteroffizier versuchte, sich damit herauszureden, es sei bereits 10 Uhr gewesen, als „dieser Mann" die Brücke passieren wollte. Er erreichte damit zum mindesten, daß sich Zweifel darüber ergaben, wessen Uhr richtig gegangen war. Dies genügte Capt. Cofer, um die Polizisten zu zwingen, die „Anzeige" formell fallen zu las­ sen. Er entließ die beiden Polizisten mit der Bemerkung, sie würden das Weitere von dem Vorgesetzten ihrer M.P.-Einheit zu hören be­ kommen. Anschließend entließ er auch Judge Eichner, nachdem er ihm in liebenswürdiger Form sein Bedauern zum Ausdruck gebracht hatte. Als ich mit ihm draußen auf dem Gang war, sagte er resigniert: „Tja - sehen Sie, Herr Doktor, damit ist nun auch meine letzte Chance dahin, doch noch einmal Amtsvor­ stand zu werden!" Er meinte, man würde ihn wohl nie zum Chef eines Gerichts und eines Gefängnisses machen, in dem er selber als Häftling war.Doch die Amerikaner dachten über so et­ was ganz anders. Für sie war auf Judge Eichner kein Makel gefallen. Schon wenige Tage danach stand Oberamtsrichter Eichner,

angetan mit schwarzer Richter-Robe, an der Spitze seines neuen Richter-Kollegiums im Zivilsitzungssaal des Amtsgerichts, um durch Capt. Cofer als Amtsgerichts-Präsident einge­ setzt und vereidigt zu werden. Capt. Cofer gab seiner Freude und der Hoffnung Aus­ druck, daß für das deutsch Volk nun wieder eine bessere Zeit angebrochen sein möge. Gerichtspräsident Eichner dankte ihm und den Vereinigten Staaten in bewegten Worten, insbesondere auch dafür, daß sie sich nach dem totalen Sieg obendrein die Mühe ge­ macht hatten, selber auch noch Ordnung zu schaffen. - Nachdem ich die beiderseitigen Ansprachen übersetzt hatte, wurden durch Gerichtspräsident Eichner die übrigen sechs Richter und ebensoviele wiederzugelassene Rechtsanwälte, unter denen ich mich auch selbst befand, vereidigt. Und damit gab es in Fürth, - nachdem der „Stillstand der Rechts­ pflege" etwa zehn Wochen gedauert hatte, wieder eine eigene Gerichtsbarkeit. Vollkommen unabhängig war sie allerdings noch nicht. Fürs erste hatten die neuen Richter und Beamten eine mit Gesetzeskraft ausgestattete Liste zu beachten; in dieser waren alle die Gesetze und Verordnungen aufgeführt, welche als aufgehoben und außer Kraft gesetzt zu betrachten waren. Man hatte sich im alliierten Lager offenbar sehr gründ­ lich mit der „Nazi-Gesetzgebung" befaßt. Dazu gab es noch eine Sammlung von neuen Verordnungen und Direktiven, welche die richterliche Amtsführung und besonders die Sicherstellung der richterlichen Unparteilich­ keit zum Gegenstände hatten. Besondere Bestimmungen betrafen den Schutz von Angeschuldigten gegen unberechtigte Inhaf­ tierung. Hierzu trat besonders der Grundsatz des „habeas corpus" hervor - einem der Grundpfeiler angelsächsischen Rechtsgeden­ kens -, wonach jede einer Freiheitsbeschrän­ kung unterworfene Person unverzüglich dem zuständigen Richter zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Beschränkung vorge­ führt werden mußte. Diesen Grundsatz einzuhalten, war für die beiden Juristen Cofer und Harrison fast wie eine Selbstverständlichkeit. Hatte Lt. Har­ rison seine Tätigkeit als Gerichts-Offizier nicht damit begonnen, jene „Prison List" auf­ stellen zu lassen? In ihr war zu dem Namen eines jeden Häftlings auch das Datum des Beginns der Inhaftierung verzeichnet. Wenn es mit der Haftdauer über 3 bis 4 Tage hin­ ausging, wurden die Betreffenden so schnell als möglich zur Verhandlung gebracht und

Capt. Cofer war stets bereit, wenn nötig in einer Woche auch mehr als nur einen Ge­ richtstag zu halten. Das Verfahren der allmorgendlichen Über­ prüfung der „Prison List" wurde durch Lt. Harrison nach der Eröffnung des Amtsge­ richts fortgesetzt. Man wußte in der Strafab­ teilung des Amtsgerichts gar bald, daß vom Rathaus ein Anruf kommen würde, wenn in dem einen oder anderen Fall die Haftdauer ungebührlich verlängert erschien.

Es war aber nicht nur das Amtsgericht, welches solche Anrufe erhielt, sondern auch das C.I.C. Diesem gegenüber blieben die Machtbefugnisse des M.G. zwar beschränkt. Lt. Harrison brachte es aber immer fertig, daß das C.I.C. seine eigenen Haftlisten über­ prüfen mußte. Soweit dies keine Freilassun­ gen zur Folge hatte, wurden die „politischen" Häftlinge von Zeit zu Zeit per Schub in In­ ternierungslager gebracht, meist nach Ham­ melburg. Eine Ironie des Schicksals wollte es, daß sie dort - bei Verpflegung durch die Amerikaner - die folgenden mageren Jahre bis zur Währungsreform bequem und ohne Nahrungsbeschaffungssorgen überstanden. Neben der in Gang gekommenen Tätigkeit des Amtsgerichts lief die des Militärgerichts ziemlich unverändert weiter. Die Fälle von „Waffenbesitz" und „Fragebogen-Fälschung" wurden seltener und mit der noch im Juli erfolgten Aufhebung des nächtlichen Aus­ gehverbots fiel das „Delikt" der „Sperrstunden-Übertretung" vollkommen weg. Um so zahlreicher und größer wurden nun jedoch die Fälle „Unerlaubten Besitzes amerikani­ schen Eigentums". Diese steigerten sich bald in eine neue Deliktsform, nämlich „black marketing" - also „Schwarzhandel". Der wahrhaft überreichlichen Ausstattung und Versorgung aller amerikanischen Versorgungs- und Besatzungs-Einheiten mit al­ len Lebens- und Bedarfsgütern stand das aus den Kriegsjahren und aus dem Zusammen­ bruch stammende, nahezu vollkommene Vakuum nicht nur von Lebens- und Genuß­ mitteln, sondern von praktisch allen Ge­ brauchs- und Bedarfsgegenständen gegen­ über. Eine derartig unvorstellbar überstei­ gerte Nachfrage mußte wohl zwangsläufig zu einem Durchsickern und schließlich zu einem mehr oder minder massiven Güterstrom füh­ ren. Und es war dann nur noch eine fast un­ ausbleibliche Begleiterscheinung, daß Ele­ mente in s Spiel traten, die es verstanden, diese Situation „kommerziell" zu nutzen. So 29

kam es, daß alles auf einem „schwarzen Markt" gehandelt wurde, was irgendwie Man­ gelware war und das meiste davon war eben amerikanischen Ursprungs, von Kaffee in Säcken und Benzin in Kanistern bis zu Moto­ ren aus amerikanischen Jeeps. In jenen er­ sten 4 bis 5 Monaten erlebten wir nur den Anfang von all dem. Dennoch hörte ich, wie Capt. Cofer einmal zu Lt. Harrison sagte: „Wenn wir nicht aufpassen, haben wir nach einem Jahr keine Kanonen mehr!". Aber auch Judge Eichner hatte mit seinem Amtsgericht seine Sorgen. Seine „vorgesetzte Dienststelle" war immer noch das „Military Government" im Fürther Rathaus. Es zeigte sich aber bald, daß sein Amtsgericht eine derartig isolierte Rolle im Gerichtssystem ei­ nes Landes nur auf beschränkte Dauer spie­ len konnte. Das Fürther Amtsgericht war um mehrere Wochen früher in Wiederfunktion getreten als die Gerichte in Nürnberg und in den umliegenden, nordbayerischen Bezirken. Die Probleme, mit denen Judge Eichner nun zum Rathaus keimen, waren beild doch eillzu sehr mit der allgemeinen, deutschen Ge­ richtsverfassung verbunden, als daß wir ihm noch viel hätten helfen können. Inzwischen war aber die Arbeit bei den übergeordneten Sparten der Militärregierung entsprechend fortgeschritten. Diese hatten ihren Sitz in Ansbach und München, da die Amerikaner - wohl um sich selbst die Arbeit zu vereinfachen -, ihre Organisation den be­ stehenden regionalen Einteilungen angepaßt hatten. Zu ihren Aufgabenbereichen gehörte dementsprechend auch die Wiedereinsetzung der übergeordneten Gerichtsinstanzen und der Justizverwaltung. So war es dann - wenigstens vom Fürther Rathaus aus gesehen -, verhältnismäßig rei­ bungslos, daß das Fürther Amtsgericht wie­ der in das übrige, bayerische Gerichtssystem eingegliedert wurde. Und damit ging, ziemlich unauffällig, die Justiz-Autonomie der Stadt Fürth zu Ende. Auch das eigentliche Kriegsgeschehen war zu Ende gegangen. Es war inzwischen August geworden und ein schöner Sommer war in s Frankenland gekommen. Tag und Nacht roll­ ten auf der Bundesstraße No. 8 die endlosen Kolonnen der amerikanischen Kampftruppen durch die Stadt - westwärts, nach den Atlan­ tikhäfen, zur Einschiffung und Heimkehr nach USA. Was zurückblieb, waren die Sorgen und bangen Hoffnungen um unsere eigenen, zu­

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rückersehnten Heimkehrer, die ersten Versu­ che der zahllosen Flüchtlinge, wieder festen Boden zu gewinnen, die klaffenden Wunden von den Bombardierungen und von der Be­ schießung, und schließlich der alles über­ schattende Kampf um s blanke Dasein, um die Beschaffung des notwendigsten - die all­ gemeine, materielle Not. - Von diesen Exi­ stenzsorgen blieb selbst Judge Eichner's Amtsgericht nicht verschont. Wenn er jetzt zu uns in's Rathaus keim, ging es meist um wirt­ schaftliche Dinge, um Wohnungs- und Transportfragen, um die Beschaffung von Material für Reparaturen oder von Heizma­ terial für den nächsten Winter. Seine ständige Besorgnis, das Gerichtsgebäude könnte -, wie dies vorher tatsächlich vorgekommen war -, immer wieder von nächtlich quartiermachen­ den Truppeneinheiten besetzt werden, hatte Lt. Harrison durch einen Anschlag an der Gerichtstür gebannt, durch welchen die Requirierung durch einen Befehl von höch­ ster Stelle untersagt wurde. - Dennoch ver­ blieb aber immer noch eine Kümmernis, wel­ che Judge Eichner bei jedem Besuch im Rat­ haus erneut vortrug: Im Hof des Amtsgerichts hatte sich näm­ lich schon bald nach dem Einmarsch der Amerikaner ein Wanderzirkus einquartiert, mit Pferden, Ponies, dressierten Hunden und Affen -, dazu der Zirkusdirektor nebst Fami­ lie, ganz zu schweigen von den zur Selbst­ versorgung gehaltenen Hühnern. Der Zirkus produzierte sich tagsüber - scheinbar mit rechtem Erfolg - vor amerikanischen Truppen und kehrte des Abends immer wieder in die abgeschlossene Sicherheit zurück, welche das intakt gebliebene, große Hoftor gegen die Hallstraße gewährte. Judge Eichner beklagte sich ständig, daß die Zirkusangehörigen - oft mit Hilfe befreun­ deter, amerikanischer Soldaten -, jede Nacht in s Haus eindrangen, unter anderem, um die Toilette zu benützen, ja, daß selbst die Hüh­ ner häufig ihre Spuren im Treppenhaus hin­ terließen. - Angesichts der dem Zirkus gelei­ steten „Schützenhilfe" war es für Judge Eich­ ner offenbar jenseits seiner Macht, sein Hausrecht geltend zu machen. Lt. Harrison schickte schließlich unseren Polizisten mit einem Räumungsbefehl zum Zirkusdirektor. Es geschah aber nichts. Er schickte einen zweiten Befehl und daraufhin wurde uns am nächsten Morgen aus dem Vorzimmer der Besuch einer jungen Dame angemeldet. Sie erschien in einem überaus kurzen Schottenröckchen, adrett angetan. Ihr

hübscher Pullover ließ ihre weiteren Reize vermuten. So tänzelte sie auf Lt. Harrison s Schreibtisch zu, um sogleich ihren immerhin beachtlichen Charme auf ihn spielen zu las­ sen. Es stellte sich heraus, daß sie die Kunst­ reiterin vom Zirkus war. Sie war gekommen, um zu bitten, ob der Zirkus nicht doch noch eine Weile im Hof des Amtsgerichts bleiben dürfte. Ich übersetzte, merkte aber sehr schnell, was in Lt. Harrison vorging. - Judge Eichner lag ihm in den Ohren. Die Räumungsbefehle waren unbeachtet geblieben. Und jetzt auch das noch! - Jetzt war er plötzlich wie verwan­ delt und nur noch Gil Harrison aus Texas! Er sprang auf -, riß die Pistole aus dem Halfter, stand schußbereit da, und fauchte mich an: „Teil her - if those horses are not out by to-night, 1'11 come down and shoot them with this gun!" Ich dolmetschte: „Wenn ihr bis heut' abend nicht draußen seid, erschießt er euere Pferde." - Die Zirkusprinzessin war erschreckt bereits um ein paar Schritte zurückgewichen. Gil, der sonst Ruhig-Besonnene, fuchtelte wild mit der Pistole herum und fuhr fort, in heller Wut: „Teil her - that’s what l would do back home - and I don't see why I shouldn't do it here!" („Sag' ihr, genau das täte ich bei uns daheim - und ich seh' nicht ein, warum ich's nicht auch hier tun sollte!") Zum Dolmetschen dieses Satzes ist es aber gar nicht mehr gekommen. Unsere Besuche­ rin war vor Entsetzen bereits an der Tür und nach einem angstvollen Blick zurück auch schon wieder draußen. Als Gil seine Pistole versorgte, sagte er zu mir - lächelnd, denn er war ebenso schnell wieder der Alte -, er hätte verdammt gern ein paar Schüsse in die Holzdecke des Saales gejagt. Am nächsten Morgen wurde uns berichtet, der Zirkus wäre noch am Abend gesehen worden, beim Kampieren - drunten am Schießanger.So waren mit einer kleinen Probe von Wild-West-Justiz schließlich auch noch die letzten Beeinträchtigungen beseitigt, die einer unbehinderten Ausübung der Fürther Gerichtsbarkeit im Wege gestanden hatten.

Stellen wir uns einmal kurz vor: Zwei deutsche Juristen hätten in einer mittelgroßen Stadt „tief im Herzen von Texas", wo sie vorher noch nie gewesen waren, wo sie Land, Leute und Sprache nicht kannten, aus einem totalen Kriegschaos heraus, nach einem vollkommen anderen Rechtssystem ein

brauchbar funktionierendes Gerichtswesen einzurichten!Ende des Artikels von Dr. Robert Herbst

Ganz so idyllisch, wie es dieser Artikel vielleicht suggeriert, ist die Lage in Fürth kurz nach dem Ende des Krieges sicher nicht. Wie erwähnt, gibt es weder Gas noch Strom oder Wasser. Flüchtlinge, entlassene Kriegs­ gefangene und Ausgebombte sind in die Stadt geströmt und haben die Bevölkerungszahl auf über 100.000 anschwellen lassen. Daneben sind die Einquartierungen der amerikani­ schen Truppen zu ertragen. Zusätzlich sieht die Weltöffentlichkeit im Rahmen der Nürn­ berger Prozesse auf diese Gegend. Die Militärregierung in Fürth

Hauptmann Cofer beginnt die Arbeit mit zwei Unteroffizieren und sechs einfachen Sol­ daten. Bei seiner Abteilung handelt es sich um ein sogenanntes Detachment. Diese von den Alliierten eingerichteten Verwaltungsein­ heiten arbeiten bewußt losgelöst von den Kampftruppen und sind Teil eines riesigen bürokratischen Verwaltungsapparates der Amerikaner. Die Trennung von den kämpfen­ den Einheiten bringt mancherlei Probleme und Reibereien mit sich. Die Militärs sehen in den Verwaltungsoffizieren ein ungeliebtes Anhängsel und halten sie mit Benzin- und Büromaterialzuteilungen ziemlich kurz. Unter dem Militärgouverneur für die USZone gibt es Länder-, Regierungsbezirks- und Stadt- und Landkreisdetachments. Ihre Per­ sonalstärke richtet sich nach der Größe des Gebietes, in dem sie die Verwaltung wieder in Gang zu bringen haben. Die Leiter der Detachments orientieren sich vor allem in der Anfangsphase am „Handbook for Unit Com­ manders" und dem „Basic Field Manual on Military Government", außerdem erhalten sie Unterstützung durch die Militärpolizei (MP) und die Security Guards. Das Lokale Detach­ ment Fürth für den ehemaligen Stadt- und Landkreis Fürth erhält zuerst die Be­ zeichnung I3B3, die im August 1945 in G-229 und im Juni 1946 in B229 (dann schon unter Major A. C. Abbott) geändert werden wird. Im Juli 1945 ist die Fürther Militärregie­ rung auf acht Offiziere und zwölf Soldaten angewachsen und in einer Bedarfsmeldung wird die doppelte Anzahl gewünscht [40]. Durch die wenigen amerikanischen Mitarbei­ ter, maximal werden es 24 sein, die Cofers Stab zur Verfügung hat, ist der Hauptmann 31

gezwungen, möglichst rasch einen arbeits­ fähigen deutschen Behördenapparat auf die Beine zu stellen. Dieser soll die amerikani­ schen Direktiven für die deutschen Verhält­ nisse anwendbar machen und möglichst rasch umsetzen. Bei den Stellenbesetzungen suchen die Amerikaner bevorzugt den Rat von Geistlichen, von anerkannten Wider­ standskämpfern und von Angehörigen der früheren demokratischen Parteien, vor allem der SPD. Während die Auswahl von Hilfs­ polizisten noch relativ einfach zu treffen ist, weil deren „Amtsmacht" sich auf eine Arm­ binde und einen Schlagstock beschränkt, tut sich Hauptmann Cofer bei der Suche nach einem geeigneten Oberbürgermeister schon schwerer. Erst im März 1946 kann in Dr. Hans Bornkessel eine dauerhafte und für Fürth glückliche Lösung gefunden werden. Das Beispiel von Seukendorf zeigt, daß die Amerikaner auch Pech mit der Einsetzung von Bürgermeistern haben können. Jahre­ lange Querelen um die Stellenbesetzung kön­ nen dort erst mit einer Schlägerei bereinigt werden [9]. Bereits einige Monate vor der Verpflichtung Dr. Bornkessels haben die demokratischen Parteien in Fürth von Haupt­ mann Cofer ihre Lizenzierungsurkunden erhalten, die SPD am 6. November 1945, die DDP (die spätere F.D.P.) am 22. Dezember 1945 und die CSU am 4. Januar 1946. Kaum beginnt die Fürther Stadtverwaltung einigermaßen zu arbeiten, reißt die Ent­ nazifizierung wieder große Lücken in den Per­ sonalbestand. Zwar werden neue Verwal­ tungsbeamte aus der Privatwirtschaft einge­ stellt, damit einher geht aber die Entlassung belasteten Stammpersonals. Noch 1948 müs­ sen zwei Ex-Wehrmachts-Generäle, die die Amerikaner als technische Spezialisten für Ketten- und Kraftfahrzeuge beschäftigen, auf Betreiben des kommunistischen Betriebsrats entlassen werden. Die Richtlinien der Militärregierung über die Entnazifizierung sind zudem Auslegungs­ sache. Hauptmann Cofer versucht zunächst, einen aus Deutschen gebildeten Ausschuß einzusetzen, der ihn bei der Entnazifizierung beraten und eine differenzierte und perso­ nenbezogene Betrachtung der Fälle zulassen soll. In Einzelfällen gibt es jedoch immer wie­ der Streit mit dem C.I.C. (Counter Intelligence Corps) unter Leutnant Thomas K. Hodges. Dieser militärische Abschirmdienst der ame­ rikanischen Armee hat die Aufgabe, jede noch von ehemaligen Nationalsozialisten ausge­ hende Gefahr auszuschalten und legt deshalb bei der Bewertung der „Gesinnung" weitaus

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strengere Maßstäbe an, als eine auf kompe­ tente Mitarbeiter angewiesene Militärregie­ rung. Nachdem es mehrmals zwischen Cofer und Hodges zu Meinungsverschiedenheiten gekommen ist, schickt Hodges einen Bericht an die übergeordnete Militärregierung nach München, in dem er die angeblich zu lasche Vorgehensweise der Fürther Dienststelle an­ prangert. In der folgenden Untersuchung wird das korrekte Vorgehen Cofers zwar bestätigt, der Leiter der Fürther Militär­ regierung ist aber vorsichtiger geworden und schießt nun, im Bestreben, nicht mehr negativ bei seinen Vorgesetzten aufzufallen, über das Ziel hinaus. Bis Ende Oktober 1945 ist bereits die Hälfte aller städtischen Bedien­ steten entlassen worden, was zu ernsten Problemen in der Fürther Stadtverwaltung führt. Bis Weihnachten 1945 hat Hauptmann Cofer permanent Schwierigkeiten, seinen Vorgesetzten die Durchschlagskraft seiner Entnazifizierungsmaßnahmen nachzuweisen [9]. Die Entnazifizierung geht bald danach, manche Historiker meinen, viel zu zeitig, in deutsche Hände über und am 26. Juni 1946 nimmt in Fürth erstmals die Spruchkammer ihre Tätigkeit auf, um die nationalsozia­ listische Vergangenheit von einzelnen Perso­ nen zu beurteilen. „Die Chefs der beiden Detachments (Fürth und Ansbach), Cofer und Whitaker, die an­ fangs manchen als finster und unnahbar erschienen waren, genossen sogar schon bald großes Ansehen in der Bevölkerung. Man schätzte sie wegen ihrer Fairness, und vor allem rechnete man es ihnen hoch an, daß sie die DP's im Zaum zu halten verstanden und manche Fehler des C1C rückgängig gemacht hatten. Ein halbes Jahr nach der Etablierung der Militärregierung standen sie auch mit .ihren' Landräten und Bürgermei­ stern schon fast in freundschaftlichem Kon­ takt. Diese Vertrauensbasis konnte auch durch die im Sommer 1945 einsetzenden überzogenen amerikanischen Entnazifizie­ rungsmaßnahmen nicht mehr ernstlich er­ schüttert werden. ...Die Militärregierung, ob­ wohl ... von vielen vor allem wegen des harten Säuberungskurses angefeindet, gehörte bald zum städtischen Leben. Erst in den fünfziger Jahren, als die Amerikaner verbündete Streitkräfte in der Bundesrepublik stationier­ ten, begann der Rückzug in die Anonymität der Kasernen." [9], So lautet das Fazit eines Historikers über die Fürther Militärregierung der Amerikaner.

Fürth hat also mit „seiner" Militärregie­ rung Glück gehabt. Im Gegensatz dazu re­ giert in Eichstätt beispielsweise der „Diktator" Towle und Friedberg wird von einem durch die Militärregierung gestützten Deutschen namens Kolesnikow tyrannisiert. Wie bereits erwähnt, ziehen sich die Ame­ rikaner bereits im Frühjahr 1946 weitgehend von den direkten Verwaltungsaufgaben zu­ rück. Bei der Verpflichtung des neugewählten Fürther Stadtrats am 8. Juni ist kein Ameri­ kaner mehr anwesend. In den Folgejahren beschränkt sich die Militärregierung auf eine Kontrolle der deutschen Verwaltung, segnet vorgefertigte Vorschläge ab und greift nur noch selten aktiv ein. Und 1947 schätzt ein amerikanischer Verwaltungsoffizier in Nürn­ berg, daß er mehr als vierzig Prozent seiner Zeit mit dem Abfassen von Berichten ver­ bringt, die er teilweise sogar täglich abliefern muß. Die Historiker bilanzieren später, daß eine Reformierung der deutschen Verwaltung und der Justiz durch die amerikanischen Militärregierungen gescheitert ist. Das Be­ rufsbeamtentum, die Laufbahnverordnung, fast das ganze Beamtengesetz von 1937 blei­ ben bestehen, da der Widerstand von deut­ scher Seite gegenüber Neuerungen wie dem Leistungsprinzip und flexibleren Aufstiegs­ möglichkeiten zu groß ist. Im öffentlichen Dienst ist alles beim alten geblieben. Besser gelungen ist den Amerikanern die Reform des Pressewesens, durch die sie das öffentliche Leben nach dem Krieg nachhaltig beeinflussen. Ein sehr sorgfältig durchgeführ­ tes Lizenzierungsverfahren ermöglicht freie, unabhängige Tageszeitungen, allen voran im Raum Mittelfranken die „Nürnberger Nach­ richten", die sich seitdem engagiert für die Demokratie einsetzen [31]. Die Militärregierung braucht sofort nach Kriegsende ein Sprachrohr, um die von ihr getroffenen Maßnahmen der Fürther Bevöl­ kerung mitzuteilen. Bereits am 16. Mai 1945 wird das seit 1863 erscheinende Fürther „Amtsblatt" als „Mitteilungsblatt der Ameri­ kanischen Militärregierung Fürth, der Stadt­ verwaltung Fürth, sonstiger Behörden usw." herausgegeben. Die ersten Verhaltensregeln betreffen die Entwaffnung der Reste der Deutschen Wehrmacht, Vorkehrungen gegen Plünderer und die Festlegung der Ausgangs­ zeit auf die Zeit zwischen 6 und 21 Uhr. Die von den Nationalsozialisten umgetauften Straßen erhalten wieder ihre Vorkriegsna­ men.

Einen Monat später werden im Mittei­ lungsblatt die „Vorschriften über militärische Höflichkeitsbezeugungen von Deutschen im besetzten Deutschland" veröffentlicht. Darin wird vom Hissen der Fahnen bis zum militä­ rischen Begräbnis alles genauestens geregelt und Formulierungen wie .... müssen sie die Kopfbedeckung abnehmen und strammste­ hen" werden den Fürther noch von früher her geläufig gewesen sein. Mitte Juni 1945 verkündet das Mittei­ lungsblatt, daß das Baden in der Rednitz wieder erlaubt ist. Andererseits verbietet man den Fürthern bei strengster Strafandrohung, den Hauptbahnhof, der seit April vom 728. Railway Operating Batallion besetzt ist, und jeglichen Bahndamm zu betreten. Anfang 1946 dürfen endlich Deutsche wieder in den Fürther Bahnhof, dafür ziehen die Amerika­ ner zwischen Stadtgrenze und Schwabacher Unterführung einen Stacheldrahtzaun an der Bahnstrecke entlang, der erst im Sommer 1953, nach massiven Protesten der Bevölke­ rung, entfernt wird. Im Mitteilungsblatt im Juni 1945 lesen wir weiter: „(Außerdem) ... ist jeder Verkehr mit den amerikanischen Trup­ pen strengstens verboten. Es ist auch verbo­ ten, sich den Truppen oder Lagern näher als auf Sprechweite zu nähern. Bei Nichtbeach­ tung ist mit den strengsten Maßnahmen, wie Zwangsarbeit, Arreststrafen u. a. zu rechnen, weiter mit Maßnahmen, die die Zivilbevölke­ rung im ganzen genommen schwer treffen würden. Ganz besonders werden die Frauen darauf aufmerksam gemacht, daß jeder Ver­ kehr bei den amerikanischen Truppen streng­ stens verboten ist. Auch bei Ballspielen muß sich die Bevölkerung größter Zurückhaltung befleißigen, Eltern werden für ihre Kinder haftbar gemacht." Daß den Frauen ausdrücklich der „Ver­ kehr" mit den Soldaten untersagt wird, hat seine Gründe, das Verbot bleibt aber wir­ kungslos. Trotz aller rassistischer Erzie­ hungsversuche der Nationalsozialisten üben die von Amerikanern aller Hautfarben groß­ zügig verteilten Luxusgüter wie Kaffee, Ziga­ retten, Whiskey und Nylonstrümpfe eine starke Anziehungskraft auf das „schwache" Geschlecht aus. Gerechterweise muß aber erwähnt werden, daß mit den erhaltenen Waren nicht nur die eigenen Bedürfnisse befriedigt worden sind. Oft genug muß damit eine ganze Familie am Leben erhalten wer­ den. Zudem zahlen die von der übrigen Be­ völkerung oft verächtlich „Ami-Schnalln" ge­ nannten Frauen einen hohen Preis für ihre Beziehungen zu den Soldaten. Sie werden von

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den „anständigen Bürgern" verachtet und erkranken häufig an Geschlechtskrankheiten, wobei die medizinisch gut versorgten Ameri­ kaner sicher nicht die Quelle des Übels sind. Die Fürther müssen für viele Tätigkeiten erst Genehmigungen bei den Amerikanern einholen. Selbst die seit März 1946 wieder aktiven „Naturfreunde" benötigen vor jeder Wanderung die Billigung der Militärregierung. Bereits im November 1945 verbietet die Für­ ther Militärregierung unter Strafandrohung ausdrücklich das Mitfahren von deutschen Zivilisten auf amerikanischen Militärfahrzeu­ gen, ein Hinweis darauf, daß der Kontakt zwischen Deutschen und Amerikanern bereits enger geworden ist.

Straßenverkehr, Polizei und Schwarzmarkt

Einige Straßen Fürths werden zu Militär­ straßen erklärt, wie uns Gottlieb Wunschei mitgeteilt hat. Diese Straßen dürfen nur von amerikanischen Fahrzeugen befahren wer­ den. Das Be- und Entladen ist in diesen Straßen verboten und wird erst ab Februar 1946 wieder erlaubt - und das nur mit poli­ zeilicher Sondergenehmigung. Mißachtungen werden als Störung der Ordnung und Inter­ essen der Militärregierung betrachtet und mit Geldstrafen geahndet. Nicht einmal die Müllabfuhr darf auf den Militärstraßen fahren, die betroffenen Anwohner müssen ihre Müllkübel in die Seitenstraßen tragen. Wenigstens hat es damals weniger Hausmüll gegeben als heute. Erst im März 1947 lassen die Amerikaner in den Militärstraßen das Beund Entladen und das Befahren mit Motor­ rädern, Handwagen und Fahrrädern wieder uneingeschränkt zu. Wie direkt die ameri­ kanische Besatzungsmacht in das Verkehrs­ geschehen eingreift, macht eine Meldung vom 26. Juni 1946 deutlich: „Durch die Militärre­ gierung wurde die Gartenstraße vom Koh­ lenmarkt aus zur Einbahnstraße erklärt. Die entsprechenden Verkehrszeichen, auch in englischer Sprache, wurden angebracht." Ein halbes Jahr später legt die amerikanische Militärpolizei die zulässigen Höchstgeschwin­ digkeiten auf den Straßen für Pkw auf 64 km/h fest, Lastwagen dürfen nur 40 km/h fahren und Jeeps immerhin 56 km/h. Die ungewohnten Werte sind auf die ursprüng­ liche Festlegung der Grenzwerte in Meilen zurückzuführen. Trotz dieser Regelungen und obwohl der Straßenverkehr im Vergleich zu heute wesentlich dünner ist, ereignen sich in diesen Nachkriegsjahren unverhältnismäßig viele 34

Verkehrsunfälle, oft auch mit tödlichem Aus­ gang. Die Fürther sind zu sehr mit dem Kampf ums tägliche Brot beschäftigt, um den Autos und Straßenbahnen die nötige Auf­ merksamkeit zu widmen. Verkehrsregelung, Straßenführung und Beleuchtung sind noch nicht dem nach dem Krieg wieder zunehmen­ den Verkehr angepaßt. Ganz zu schweigen von einer optimalen medizinischen Unfall­ hilfe. Und die amerikanischen Soldaten besit­ zen eine .... beklagenswerte Neigung, mit ihren Fahrzeugen durch die Straßen zu rasen, ohne sich groß um die Sicherheit deutscher Fußgänger zu kümmern, mit de­ nen sie wenig anfangen konnten ..." [41] Greifen wir einige Meldungen mit amerikani­ scher Beteiligung heraus: „Am 22. Februar, gegen 11.15 Uhr, ereig­ nete sich in der Erlanger Straße ein schwerer Verkehrsunfall: durch Anfahren eines ameri­ kanischen Lkw wurde ein Mann schwer ver­ letzt. Der Zeuge, der dem Schwerverletzten Hilfe leistete und mit einem anderen ameri­ kanischen Lkw in das Krankenhaus brachte, wird gebeten, sich bei der Verkehrspolizei Fürth, Außendienst (Nürnberger Straße 18, Zimmer 118) zu melden." „Am 26. Februar 1946 gegen 16.15 Uhr wurden an der Dambacher Brücke von einem amerikanischen Lastwagen 2 Knaben über­ fahren. Diejenigen Personen, die den Unfall gesehen und Hilfe geleistet bzw. Notizen, die Wagennummer betreffend, gemacht haben, werden dringend gebeten, sich sofort beim Verkehrspolizei-Außendienst Fürth, Schwa­ bacher Straße 98, zwecks Zeugenaussage zu melden. Am Donnerstag, 26. Februar 1946, gegen 10 Uhr, wurde vor dem Anwesen Nr. 39 der Königstraße in Fürth ein Schuljunge von einem amerikanischen Kübelwagen überfah­ ren und schwer verletzt. ..." (Amtliches Mit­ teilungsblatt der Militärregierung) „Ebenfalls nur Sachschäden entstanden bei einem Zusammenstoß eines amerikani­ schen Kraftfahrzeuges mit einem Lastkraft­ wagen am Freitagnachmittag an der Straßen­ kreuzung Theater- und Mohrenstraße. Die sofort nach dem Zusammenstoß eintreffende MP veranlaßte den am Unfall schuldigen amerikanischen Kraftfahrer, den entstande­ nen Sachschaden an Ort und Stelle zu bezah­ len, nachdem sich der geschädigte Fahrer mit dieser Regelung einverstanden erklärte (!)." (10. November 1948). Daß die Amerikaner oft eine der Unfallpar­ teien stellen, liegt zum einen daran, daß es kaum deutsche Autofahrer gibt. Im August

Am 10. April 1954 verstopft ein mit Panzerketten beladener US-Sattelschlepper den Heiligenberg.

1948 sind in Fürth deutscherseits nur 407 Personenwagen, 461 Lastwagen, 180 Motor­ räder und zwei Omnibusse registriert. Erst Ende 1949 übersteigt die Zahl der in Fürth zugelassenen Kraftfahrzeuge mit 3.500 die der Besatzungsmacht (1.600). Andererseits ist eine disziplinierte Fahrweise sicher nicht die Stärke der amerikanischen Soldaten, die sich als die Herren im Lande fühlen. Dabei gibt es auch die ganze Bandbreite des menschlichen Verhaltens zu beobachten, die von Fahrerflucht bzw. Ignorieren des Unfalls bis zu fürsorglicher Hilfsbereitschaft reicht. Oft brausen die Jeeps und Kleinlaster nach dem Zusammenstoß unerkannt davon, eben­ so oft fahren aber die Soldaten ihre „Opfer" selbst ins nächste Krankenhaus. Und die Militärpolizei beteiligt sich im allgemeinen engagiert und unparteiisch an der Ermittlung des Unfallschuldigen.

Die amerikanische Militärpolizei und die erst wieder im Aufbau befindliche Fürther Stadtpolizei arbeiten zusammen, es gibt aber bezüglich der Ausrüstung gewaltige Unter­ schiede. Die MP ist motorisiert und mit Funk­ geräten ausgerüstet. Als Militärtruppe geht ihre Bewaffnung bis zum Maschinengewehr und bis zu leichten Flugzeugabwehrwaffen. Die Fürther Polizei ist anfangs bis auf einen Holzstock unbewaffnet und darf keinerlei Verhaftungen alliierter Personen vornehmen. Erst später, in den fünfziger Jahren, wird der deutschen Polizei das Recht zugestanden, einen Amerikaner zu verhaften, wenn sie ihn auf „frischer Tat" ertappt hat. Umgekehrt

haben .... die Angehörigen der amerikani­ schen Militärpolizei (Kennzeichen: MP auf dem Stahlhelm und auf dem linken Uni­ formärmel) gegenüber deutschen Zivilisten dieselben Befugnisse wie die Angehörigen der deutschen Polizei. Sie sind also insbesondere berechtigt, Ausweise zu prüfen und Durch­ suchungen vorzunehmen. Die Militärregie­ rung hält diese Klarstellung für erforderlich, weil in der letzten Zeit Personen, die sich Amtshandlungen amerikanischer Militärper­ sonen entgegenstellten, in Gewahrsam ge­ nommen werden mußten." (Amtliches Mittei­ lungsblatt der Militärregierung vom 21. No­ vember 1945). Die Militärpolizei scheint in der Stadt mehrere Wachlokale aufgestellt zu haben, denn am 29. Januar 1947 wird berichtet, daß früh um 4.30 Uhr eine Holzbaracke der amerikanischen MP in der Pfeiferstraße abge­ brannt ist. Bei einer Außentemperatur von minus 20 Grad ist vermutlich ein überhitzter oder unsachgemäß aufgestellter Ofen schuld gewesen, der Schaden hat immerhin 10.000 Mark betragen. Die Militärpolizei überwacht hauptsächlich die Sperrstunde und greift dann ein, wenn amerikanische Soldaten an einem Vorfall beteiligt sind. Die immer noch bestehenden Ausgangsbeschränkungen gelten im Jahr 1946 wochentags von 24 bis 5 Uhr und an den Wochenenden von 1 bis 5 Uhr. Erst am 11. Januar 1947 heben die Amerikaner die Ausgangsbeschränkung für über 18jährige auf.

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Die amerikanische Militärpolizei überläßt der Fürther Stadtpolizei großzügig die Bear­ beitung der Kleinkriminalität. Beide Organi­ sationen richten gemeinsam ihr Auge auf das Geschehen am Schwarzmarkt. Denn das Un­ gleichgewicht der Lebensrnittel-, Gebrauchs­ und Luxusgüterverteilung zwischen Deut­ schen und Amerikanern lädt, wie bereits erwähnt, geradezu zu einem Ausgleich über den Schwarzmarkt ein. Die Lucky StrikeZigarette ist eine Art Ersatzwährung und mit ihr und den anderen in Deutschland begehr­ ten Dingen können die amerikanischen Sol­ daten manchen Fotoapparat und manche Uhr eintauschen. Natürlich sehen die Mili­ tärregierungen den illegalen Abfluß dieser Artikel nicht gerne, die extra für die Soldaten aus den Vereinigten Staaten nach Europa geschafft werden müssen. Im Dezember 1945 gibt die Fürther Militärregierung bekannt, .... daß es allgemein verboten ist, Gegenstände, die für den Gebrauch der Amerikanischen Streitkräfte bestimmt sind, zu verkaufen, zu tauschen oder zu erwerben. Befinden sich Nahrungsmittel, Zigaretten, Kleidungsstücke, Betriebsstoffe im Besitz von Zivilpersonen, die den rechtmäßigen Erwerb nicht nachweisen können, werden diese durch die Gerichte der Militärregierung bestraft." (Mitteilungsblatt der Amerikanischen Militärregierung) Die besten Gelegenheiten, amerikanische Waren an sich zu bringen, haben naturge­ mäß die bei den Amerikanern beschäftigten deutschen Arbeitnehmer. Das „Organisieren" reicht vom Einsammeln der Zigarettenkippen aus Aschenbechern, wobei in Nürnberg einem Musiker beinahe die Sakkotasche durch­ brennt, über das Butterpäckchen und das gefrorene Hähnchen unter dem Hut bis zu schwerem Diebstahl. „Vor kurzem wurden bei einer amerikanischen Marketenderei in der Fürther Flakkaserne durch Einbruch aus einem Stahlschrank 705 amerikanische Ta­ schen- und Armbanduhren im Werte von etwa 1.500 $ gestohlen. Der hiesigen Krimi­ nalpolizei gelang es nach mühevoller Klein­ arbeit, einen Arbeiter, der bis vor vier Wochen in der Flakkaserne tätig war, als Täter zu ermitteln. Der 22jährige hatte den Stahl­ schrank mittels Brecheisens geöffnet, die Uhren in Koffer verpackt und diese an einem Drahtseil vom 1. Stock zur Balbiererstraße heruntergelassen. Von dort aus schaffte er die Uhren in die Zähstraße zu seinem Freund, der früher auch in der Flakkaserne arbeitete. ... Der weitaus größte Teil der Uh­ ren wurde von der Kriminalpolizei gefunden und konnte der amerikanischen Einheit 36

zurückgegeben werden. Bei der nunmehr stattgefundenen Verhandlung vor dem Mitt­ leren Militärgericht in Fürth wurde der Haupttäter zu acht Jahren und sein Helfers­ helfer zu vier Jahren Gefängnis verurteilt." (26. März 1947) Eine weitere Meldung lautet: „Vierzehn deutsche Angestellte bei einer amerikanischen Dienststelle in Fürth hatten während eines längeren Zeitraums nach und nach eine erhebliche Anzahl von Autoreifen gestohlen und auf dem schwarzen Markt ... veräußert. An einer einzigen derartigen Transaktion verdienten einzelne der meist noch sehr jugendlichen Diebe das Jahresge­ halt eines höheren Beamten)!). Ein amerika­ nischer Offizier schätzte den Gesamtwert der gestohlenen Fahrzeugbereifung auf 100.000 Dollar." Die meisten Angeklagten erhalten Gefängnisstrafen bis zu fünf Jahren. Der Richter begründet das harte Urteil damit, daß es.... eine ernsthafte Warnung für all diejeni­ gen (zum Teil noch recht jugendlichen) Sün­ der darstelle, die noch immer glauben, sich an amerikanischem Eigentum vergreifen und damit ihrer persönlichen Profitgier frönen zu können." (19. April 1947). Das Abzapfen von Benzin aus US-Fahrzeugen durch die deut­ schen Chauffeure gilt dagegen als Kavaliers­ delikt. Dabei wird der erhöhte Verbrauch durch ins Fahrtenbuch eingetragene „Geister­ fahrten" kaschiert. In einem größeren Umfang haben sich diejenigen Fürther bedient, die das Treibstofflager der Armee in der Atzenhofer Kaserne mit einer Schlauchleitung angezapft und den Tankinhalt in eigene Fäs­ ser umgepumpt haben. Die meisten Jugendlichen und Kinder, die „Geschäfte" mit Amerikanern machen, be­ gnügen sich jedoch damit, für ihre Mütter schmutzige Wäsche der Amerikaner zum Waschen zu besorgen - wobei die Soldaten die Seife oft mitliefern müssen - oder alte Nazi­ embleme zu tauschen. Einen interessanten Geschäftszweig gründen Jugendliche, die nach jeder amerikanischen Vorstellung im Fürther Stadttheater die unter den Sitzflä­ chen „deponierten" Kaugummis abkratzen. Nicht, daß sie für ihr Sauberkeitsgefühl eine Belohnung kassieren wollen, vielmehr werden die Luxusprodukte wieder weichgekaut, mit Zucker versetzt, plattgewalzt und in Streifen geschnitten. Mit den reichlich herumliegen­ den Originalverpackungen eingewickelt, ha­ ben die Jugendlichen mit dem Verkauf der „recycelten" Kaugummis in einschlägigen Kreisen sicher einen guten Gewinn erzielt.

Am 14. September 1947 melden die „Für­ ther Nachrichten", daß die Kriminalpolizei .... im Hinterhaus des Anwesens Marienstraße 7 eine aus 15 Ausländern bestehende Schwarzhändlerbande ausgehoben (hat), da­ zu ein riesiges Lager amerikanischer Lebens­ mittel, vor allem Weißbrot. Auch größere Geldbeträge wurden bei den Schwarzhänd­ lern gefunden. Sie wurden der CIC überge­ ben." Ein Zentrum des Fürther Schwarz­ marktes ist das DP-Lager im „Eigenen Heim", da die Displaced Persons von der Besatzungs­ macht großzügige Lebensmittelrationen er­ halten und diese zu einem schwungvollen Handel nutzen. In einem Zimmer am Finken­ schlag wird bei einer Razzia sogar ein leben­ der Mastochse entdeckt [38].

Die Amerikaner mischen beim Tauschhan­ del kräftig mit. Sie handeln nicht nur mit den ihnen im Überfluß zustehenden Zigaretten, Kaffee und Alkoholika, sondern zweigen auch noch Medikamente, Benzin, Reifen und Er­ satzteile aus Armeebeständen ab. Deshalb arbeiten bei der Bekämpfung der Schwarz­ marktkriminalität die Fürther Polizei und die Militärpolizei zusammen, so z. B. am 14. Juli 1948 am Schwarzmarktzentrum Ecke Jahnund Schwabacher Straße. Es können zwar nur kleine Mengen von Waren amerikani­ schen Ursprungs beschlagnahmt werden, dafür geht der Polizei ein lange gesuchter Dieb ins Netz. Insgesamt jedoch ist der Für­ ther Schwarzmarkt klein, verglichen mit Frankfurt oder München. Die Schwarzmarkt­ kriminalität läßt ab der Währungsreform 1948 nach, wird aber noch bis in die fünfzi­ ger Jahre hinein vorhanden sein. Und die Veruntreuung amerikanischen Heeresgutes wird bis zum Abzug der Amerikaner immer ein Thema bleiben.

Trotz des regen Tauschhandels spielt auch das Geld in den ersten Nachkriegsjahren eine wichtige Rolle. Die Alliierten haben bereits während des Krieges ein Besatzungsgeld geschaffen, um sich gegenseitig den Ausgleich ihrer finanziellen Verpflichtungen zu ermöglichen. Die Militärmark (oder „Ame­ rican Marks" oder „Scripts") gibt es in Bank­ noten zwischen 50 Pfennig und 1000 Mark, gedruckt in teilweise unterschiedlichen Far­ ben. Sie gelten als gesetzliches Zahlungs­ mittel und sind den Reichsmark gleichge­ stellt. Die amerikanischen Soldaten in Euro­ pa bekommen ihren Sold in diesen Militär­ mark ausbezahlt. Dies geht solange gut, bis die amerikanische Regierung im Dezember

1946 feststellt, daß Besatzungsgeld im Wert von mehr als 300 Millionen Dollar kursiert, das nicht gedeckt ist. Die amerikanische Regierung hat nämlich bei Kriegsende den Russen naiverweise die Druckstöcke für dieses Geld zur Verfügung gestellt und jene haben damit Tag und Nacht Banknoten drucken lassen, ohne Rücksicht auf eine etwaige Deckung. Über russische Soldaten, die den Amerikanern alles mögliche ab­ kaufen, gelangt das Geld in den Kreislauf. Die amerikanische Militärregierung läßt sofort den Geldumtausch stoppen und hat Mühe, die 300 Millionen Dollar Schulden wieder auszugleichen. Der Kommandeur der Militärpolizei in Fürth weist am 20. Februar 1948 darauf hin, daß die Soldaten ihre privaten Autoreparatu­ ren in deutschen Werkstätten nur mit Reichsmark und nicht mit Lebensmitteln oder Besatzungsgeld zahlen dürfen. Außer­ dem sollte bei der Verwendung von ameri­ kanischen Ersatzteilen durch die Werkstatt ein Herkunftsnachweis verlangt werden, da diese Teile oft von gestohlenen Wagen stammten. Bis 1958 erhalten die Soldaten ihren Sold in Besatzungsgeld. Am 27. Mai 1958, klugerweise also an einem Monatsende, wo sowieso nur noch wenig Geld in den Haushalten ist, tauschen die Gis ihr letztes Besatzungsgeld in echte Dollar um. Der überall sichtbare amerikanische Wohl­ stand stellt für die darbenden Fürther eine große Verlockung dar, sich einen Anteil dar­ aus zu sichern. Schon fünf Wochen nach Kriegsende sieht sich die Militärregierung veranlaßt, drakonische Strafen anzudrohen: vier Monate Gefängnis für den Diebstahl von fünf Feldrationen, das „Organisieren" eines leeren (!) amerikanischen Werkzeugkastens bringt drei Monate ein und wer gar einen amerikanischen Benzinkanister „unbefugt" herumträgt, muß sich für die nächsten sechs bis neun Monate nicht mehr selbst um sein Essen kümmern. Gewalttätige Übergriffe Deutscher gegen Zivilamerikaner und Solda­ ten sind in den ersten Friedensjahren noch selten. Die Deutschen sind entwaffnet worden und auch den in Deutschland lebenden Aus­ ländern ist das Tragen von Waffen bei Andro­ hung strengster Strafen untersagt. Erst im Februar 1948 werden in Fürth zwei Deut­ sche, die einem amerikanischen Soldaten die Brieftasche rauben, vom Militärgericht zu je vier Jahren Gefängnis verurteilt. Ein weiterer gewalttätiger Zwischenfall ereignet sich am 7. Juli 1948. Gegen 23.30 37

Uhr wird ein Major, der mit seiner Gattin vor seiner Wohnung am Reichsbodenweg aus dem Auto aussteigt, von einem maskierten Mann aufgefordert, stehen zu bleiben. Im nächsten Augenblick feuert ein zweiter, ebenfalls maskierter Räuber, einen Schuß auf den Offizier ab und trifft ihn in die Schulter. Ein zweiter Schuß verletzt die noch im Auto befindliche Frau am Arm, ein dritter Schuß bleibt im Motor des Wagens stecken. Als der Major zu Boden taumelt, fällt einer der Räuber über ihn her und raubt ihn aus. Die beiden Verbrecher verschwinden hierauf in einem nahen Getreidefeld. Der Major und seine Gattin werden ins Hospital an der Ro­ thenburger Straße in Nürnberg gebracht. Einer der deutschen Täter wird zweieinhalb Jahre später gefaßt. Ein gutes Jahr nach diesem Ereignis ist wieder ein Raubüberfall deutscher Kriminel­ ler auf Amerikaner zu vermelden. Drei Ein­ brecher, die bereits den kommandierenden General des Nürnberg Post, David L. Ruffner, und andere Amerikaner bestohlen haben, dringen am 24. September 1949 um 4.30 Uhr morgens, mit Gewehren bewaffnet, in das Haus des Richters Frederick G. Hulse in der Lindenstraße 33 in Dambach ein und bedro­ hen den durch Geräusche wach gewordenen. Der Richter ist jedoch schneller. Aus der Hüfte mit seinem Gewehr feuernd, erschießt er einen der Einbrecher, worauf sich die bei­ den anderen widerstandslos festnehmen las­ sen. Anfang November werden die beiden 18 Jahre alten Fürther von einem amerikani­ schen Gericht zu je sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Von Raubüberfällen auf Deutsche durch Amerikaner wird in den ersten Nachkriegs­ jahren selten berichtet. Inwieweit dabei eine Zensur der Zeitungen eine Rolle spielt, ist nicht bekannt. Von den armen Deutschen ist vermutlich vor der Währungsreform im Juni 1948 nichts zu holen. Erst im Juni 1949 wird ein Raubüberfall eines Amerikaners auf einen Fürther Bürger gemeldet. Ausgerechnet Bür­ germeister, Hans Segitz, wird vor seiner Haustür in der Nürnberger Straße von einem Soldaten niedergeschlagen und verletzt. Der Täter flüchtet mit Segitz' Aktentasche, wird aber von einem Hund im Gebüsch aufgestö­ bert und der MP übergeben. Das Militärge­ richt verurteilt den Soldaten zu einem Jahr Zuchthaus.

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Kleinkrieg in der Gustavstraße Die Zahl der gewalttätigen Konfrontationen zwischen Deutschen und amerikanischen Soldaten häufen sich, seit das Selbstbewußt­ sein der Deutschen nach der Niederlage 1945 wieder im Steigen begriffen ist und die Besat­ zungsmacht nicht mehr allmächtig und allge­ genwärtig erscheint. Die „Fürther Nachrich­ ten" drucken am 10. September 1949: „Briga­ degeneral David L. Ruffner gab heute Vor­ mittag mit sofortiger Wirkung alle deutschen Hotels und Gaststätten und Cafes in den Städten Nürnberg und Fürth für die Ange­ hörigen der amerikanischen Besatzungs­ macht frei. Verschiedene Ersuchen deutscher Hotels und Gaststätten, weiterhin ,Off Limits' gehalten zu werden, wurden bis jetzt nicht berücksichtigt." Wann dieses erste „Off Limits" ausgesprochen worden ist, ist nicht bekannt. Jedenfalls nehmen durch seine Auf­ hebung die Schlägereien und Vergewalti­ gungen in Fürth schlagartig zu. Daß die Gis durch das ungewohnt starke deutsche Bier oft außer Kontrolle geraten und dabei auch ihre eigenen Kameraden nicht verschonen, schildert uns der Bericht eines damaligen Soldaten: „Eines Nachts, befand ich mich so etwa gegen 23 Uhr auf meinem Weg zurück zur Darby-Kaserne an der Kreu­ zung Schwabacher- und Kaiserstraße. Etwa zwanzig farbige Soldaten der 444. Transport­ kompanie verließen gerade ein Gasthaus, wo sie ihren Abschied aus dieser Gegend gefeiert und zuviel Bier erwischt hatten. Sie schlugen Deutsche zusammen und was sich sonst noch auf der Straße bewegte. Auch mich nahmen sie aufs Korn, aber ich rannte zur Wendeschleife der 21er Straßenbahn an der Flößaustraße. Dort traf ich eine Streife des 793. MP-Bataillons, die wissen wollte, was los sei. Ich sagte, eine große Gruppe Gis sei außer Rand und Band. Die Militärpolizisten versuchten, die Meute zur Vernunft zu bringen, stießen aber auf taube Ohren. Ich sagte: gebt ein paar Schüsse in die Luft ab. Aber die Polizi­ sten waren genauso jung und ängstlich wie ich und so sprangen wir wieder in den Jeep der MP und rasten zum Hauptquartier, um dort Bericht zu erstatten." Das Gebiet um die Fürther Gustavstraße ist ein Hauptanziehungspunkt für die unter­ nehmungslustigen jungen amerikanischen Soldaten. Der Verkehr der wichtigen über­ regionalen Verkehrsader, der Bundesstraße 8 (die Autobahn nach Würzburg gibt es noch nicht), führt mitten hindurch. Das Viertel ist

schon immer das „Rotlichtviertel" gewesen, seit Fürth Garnisonsstadt geworden ist. Be­ sonders berüchtigt ist das Cafe „Metropol" an der Ecke zum Marktplatz und die Dirnen su­ chen sich ihre Freier rund um die St. Michaelskirche. „In der Gustavstraße wurde am Freitag gegen 22.45 Uhr ein Passant von einer Gruppe Soldaten ins Gesicht geschla­ gen, so daß er Verletzungen erlitt. - Gegen 0.15 Uhr schlugen vier Uniformierte zwei Männer mit den Fäusten. Die herbeigerufene MP nahm die Soldaten fest und brachte sie in ihr Hauptquartier. - Außerdem wurde die Scheibe eines Schaukastens in der König­ straße zerschlagen. Ein weiteres Schaufen­ ster in der Königstraße, das die Soldaten zer­ schlugen, bezahlten sie, nachdem sie gestellt worden waren und sich mit dem Geschädig­ ten auf einen Preis geeinigt hatten." Das alles kann ein Leser der „Fürther Nachrichten" am 17. Oktober 1949 erfahren. Pro Nacht wird die Polizei zu etwa acht bis zehn Ausschreitungen gerufen. Das Thema weitet sich in Fürth zum Tagesgespräch aus. Die Bevölkerung ist verunsichert, viele Für­ ther trauen sich abends nicht mehr aus dem Haus. Taxifahrer und „Fräuleins" sind beson­ ders gefährdet. Der Fürther Polizei sind die Hände gebunden, denn sie darf keinerlei Ver­ haftungen alliierter Personen vornehmen. Es ist weiterhin rechtlich ungeklärt, ob sie in Notwehr gegen die randalierenden Soldaten vorgehen darf. Den Polizisten bleibt als ein­ ziges Mittel, die Militärpolizei zu verständigen und bis dahin sind die Übeltäter meistens über alle Berge, sprich über oder durch den Zaun der Kasernen verschwunden. Der Stadtrat beantragt die Verhängung einer nächtlichen Ausgangssperre, dringt aber damit bei den Amerikanern nicht durch. Außerdem soll die Straßenbeleuchtung ver­ dichtet werden (wobei der Direktor der Stadtwerke erwidert, daß ein Großteil der Lampen von den Soldaten wieder zerstört werden wird) und man will in den Abendund Nachtstunden eine Omnibuslinie für die Bewohner der äußeren Vacher Straße ein­ richten. Die amerikanischen Dienststellen bieten als Hilfsmaßnahme an, daß die MP bei Über­ fällen sofort, also ohne „Umweg" über die deutsche Polizei, verständigt werden soll. Im übrigen werden auch Amerikaner von Deut­ schen überfallen und letztlich sei der Alkohol (seit einigen Monaten wird gerade wieder ein Starkbier angeboten!) schuld, der in deut­ schen Gaststätten nach der Aufhebung des „Off Limits" an US-Soldaten ausgeschenkt

werde. Außerdem provozierten die Fürther häufig die Soldaten. In Einzelfällen verlangten die Gastwirte von Amerikanern höhere Preise als von Deutschen und mancher brave Gl, der nicht nur sein deutsches „Fräulein", son­ dern auch noch deren Familie mit seinen Rationen durchfüttere, werde unter Druck gesetzt, die leere Kasse zum Monatsende hin durch einen Raubüberfall aufzubessem. Soweit die Stellungnahme der Amerikaner. Bei den Gesprächen zwischen dem Leiter der Militärregierung, Resident Officer Eme­ rick, Oberbürgermeister Bomkessel und Po­ lizeidirektor Dr. Kaltenhäuser herrscht jedoch eine sachliche, unvoreingenommene Stim­ mung. Beide Seiten sind bestrebt, eine ein­ vernehmliche Lösung zu finden. Ob sie es schaffen, werden wir später sehen, wenn über den Zeitraum zwischen 1950 und 1955 berichtet werden wird. Die letzte Meldung des Jahres 1949 in den „Fürther Nachrichten", die die Übergriffe der Amerikaner betrifft, lautet am 30. Dezember 1949: „Vier US-Soldaten entwendeten am Dienstag gegen 23 Uhr aus einer Gaststätte in der Alexanderstraße ein Faß Bier. Zum Wegschaffen benutzten sie eine ET-Taxe, mit der sie in Richtung Flughafen davonfuhren. Eine kurz darauf anfahrende MP-Streife nahm die Verfolgung auf, konnte die Täter jedoch nicht mehr ermitteln."

Einquartierungen Die Einflußnahme der Amerikaner auf das Nachkriegs-Fürth zeigt sich nicht nur im Straßenverkehr und bei gewalttätigen Aus­ einandersetzungen. Die Beschlagnahme von Wohnungen, Büroräumen und ganzen Ge­ bäuden greift viel stärker in die sowieso noch sehr geringe Lebensqualität der Fürther ein. Wir erinnern uns, die Stadt ist deutlich weni­ ger zerstört als Nürnberg. Unmittelbar nach Kriegsende müssen Nürnberger Bürger un­ tergebracht werden, die in der weitgehend zerstörten Nachbarstadt ihr Dach über dem Kopf verloren haben, außerdem die vielen Displaced Persons, auf die gleich noch näher eingegangen wird. Später werden dann viele Heimatvertriebene aus dem Sudetenland, aus Böhmen, aus Schlesien und aus Ostpreußen in die Stadt drängen. Und die amerikanische Armee benötigt für ihre Offiziere und Soldaten und für deren An­ gehörige, für ihre Dienststellen und Frei­ zeiteinrichtungen viel Platz. Zusätzlich zu den Kampftruppen, die bis 1947 in den Fürther Kasernen untergebracht werden, werden

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Häuser für die vielen Beteiligten an den Nürnberger Prozessen, wie Wachpersonal, Übersetzer, Journalisten und Hilfskräfte requiriert, wobei Fürth den Hauptort der etwa 1.700 Personen umfassenden amerikani­ schen Prozeßgruppe bildet. Außerdem gibt es noch viele amerikanische Verwaltungseinhei­ ten für ganz Mittelfranken, die ebenfalls Quartiere brauchen. Die Amerikaner besetzen private und öffentliche Gebäude, Schulen, Vereinsheime und Sportplätze, ebenso etliche Villen am Espan. In Dambach beschlagnahmen sie in der Schweden- und der Lindenstraße sieben Villen für den Cheforganisator und amerika­ nischen Hauptankläger der Nürnberger Pro­ zesse, Robert H. Jackson, und seinen Stab. Jackson selbst wohnt in der Lindenstraße 33, .... einer großen und gut ausgestatteten Resi­ denz, die zwar dunkel und schwer und im schrecklichsten deutschen Gründerzeitstil erbaut war, aber über einen herrlichen Gar­ ten und einen guten Tennisplatz verfügte." [41] Das Haus Fürther Freiheit Nr. 6 wird zum Hauptquartier des 53rd Quartermaster Depot, einem riesigen Nachschublager in Nürnberg-Langwasser, bevor die Amerikaner im Frühjahr 1946 im Haus eine Nachrichten­ zentrale einrichten. Diese rund um die Uhr besetzte Schaltstelle des „US Army Signal Corps" verbindet unter Benutzung des Fern­ schreibemetzes der ehemaligen deutschen Luftwaffe alle amerikanischen Dienststelllen in Nordbayem. Zwei Jahre später zieht diese wichtige Abteilung in ein Gebäude in der Sedankaserne, das Anwesen Fürther Freiheit Nr. 6 wird wieder freigegeben. Das Stadttheater ist bis September 1952 beschlagnahmt und die Amerikaner nutzen es als Soldatenkino. Bald nach der Besetzung steht es aber Mittwoch- und Freitagnachmit­ tag den Fürthern für Theateraufführungen zur Verfügung. Im Park-Hotel und im Bahn­ hofshotel werden Offizierskasinos eröffnet, weitere Freizeiteinrichtungen für die Soldaten entstehen im Weißengarten in der Theater­ straße und im Cafe „Fink" in der Moststraße. Das Berolzheimerianum dient als Kleider­ kammer, Kirche, Munitionslager und Lese­ saal und wird erst 1953 zurückgegeben. Nicht zweckentfremdet wird das seit 1874 bestehende Gefängnis in der Katharinen ­ straße 11, in dem die Amerikaner zuerst bei verschiedenen Vergehen erwischte Fürther und später straffällige und nichtrepatriierba ­ re Displaced Persons unterbringen. Bis 1950 beherbergt das Fürther Gefängnis durch­ schnittlich 250 Personen und diese hinter­

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lassen ihre fremdsprachigen Kritzeleien an den Wänden. Danach zieht dort das Archiv des Amtsgerichts ein. An etlichen Stellen in der Stadt entstehen Flüchtlingslager. Die Hardsiedler müssen ihre Häuser für die Besatzungsmacht und für jü­ dische Flüchtlinge bis 1946 räumen und wer­ den in Lagern untergebracht. Beim Südwest­ lichen Gartenbauverein werden die Garten­ häuschen vorübergehend für Evakuierte als Unterkunft genutzt.

An den amerikanischen Amtsgebäuden hängen „Off Limits'-Schilder und diese gelten für die Fürther und verbieten ihnen den Zutritt. Erst später wird die Bedeutung ins Gegenteil verkehrt und gegen die US-Soldaten angewandt. Und wer den Schildern nicht glauben will, wird in den ersten Jahren durch bewaffnete Wachposten vor den Türen an größerer Neugier gehindert. Bei den erwähnten „Displaced Persons", abgekürzt DPs, handelt es sich um etwa zwei Millionen ehemalige Kriegsgefangene oder Fremdarbeiter, die während des Zweiten Weltkriegs freiwillig oder (meistens) zwangs­ weise nach Deutschland gekommen sind. Sie sind im Dritten Reich in allen Bereichen der Industrie und der Landwirtschaft als billige Arbeitskräfte eingesetzt worden, in Fürth bei­ spielsweise bei Dynamit Nobel und bei Grun­ dig. Nach dem Kriegsende stehen sie auf ein­ mal heimat- und mittellos da. Oft stammen sie aus Osteuropa, deshalb gestaltet sich die Rückführung in ihre Heimatländer nach dem Krieg wegen der veränderten politischen Ver­ hältnisse äußerst schwierig. Viele wollen nicht mehr zurück. Die DPs befinden sich zwischen allen Stühlen. Sie wollen von den Deutschen nichts wissen und umgekehrt. Und die Amerikaner sehen in ihnen zwar Opfer der Nazis, aber auch einen latenten Unruheherd. Die DPs unterstehen nicht der Militärgewalt und zie­ hen oft aus Rache, aus Hunger oder einfach aus Langeweile als plündernde Horden durch die Straßen. Deshalb versuchen die ameri­ kanischen Behörden, die Heimatlosen in La­ gern zu sammeln, sie zu beaufsichtigen und möglichst bald in ihre Ursprungsländer abzu­ schieben. In Fürth leben bei Kriegsende etwa 10.000 DPs (Stadt- und Landkreis). Die Be­ treuung für diese Displaced Persons über­ nimmt seitens der Fürther Militärregierung der Gefreite Rykowski, der mehrere slawische Sprachen beherrscht. „Ricky", wie er genannt wird, agiert mit so großen Geschick, daß er

Selbst der Gärtsberg übt seine Anziehungskraft auf die Amerikaner aus. Ein Pontiac in der Berg­ straße.

später, ebenso wie Hauptmann Cofer, die „Bronze Star Medal" erhält. Die meisten der raren Fürther Quartiere belegen aber die Amerikaner selbst. Ende 1945 sind es 350 Privatwohnungen und im April 1946 gibt die Militärregierung bekannt: „Dem amerikanischen Stadtkommandanten obliegt die Verantwortung für die Beschaffung von Wohngelegenheiten für alles amerikani­ sche Personal sowie deren Angehörigen, wel­ che in den nächsten Tagen in Europa ein­

treffen. Dieser Offizier erläßt folgende Be­ kanntmachung: Die z. Zt. im Nürnberg-Fürther Stadtgebiet vorgenommenen Erhebungen bezwecken, einen Überblick über die für amerikanische Truppen und deren Angehörige verfügbaren Unterkunftsmöglichkeiten zu gewinnen. Nur dringend benötigte Anwesen werden angefor­ dert. Die Räumung von Privatwohnungen erfolgt nur in geringstem Ausmaße und nur soweit dies für die Beschaffung von Unter­

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kunftsmöglichkeiten und sonstigen Lebens­ notwendigkeiten für Truppeneinheiten und Angehörige, die für die dauernde Besatzung der Gemeinde bestimmt sind, notwendig ist. Die Räumung von Privatwohnungen erfolgt im Einvernehmen mit der hiesigen Militärre­ gierung. In Zusammenhang mit dieser Erklä­ rung wird auf die diesbezügliche Bekanntma­ chung der Militärregierung verwiesen, die im Amtsblatt Nr. 32 vom 24. April dieses Jahres erschienen ist." Ein halbes Jahr später, also Ende 1946, belegt die Besatzungsmacht in Fürth 715 Wohnungen mit insgesamt 3.338 Wohnräu­ men. Zu diesem Zeitpunkt bittet das Sport­ amt der Stadt die amerikanische Militärre­ gierung, drei dringend benötigte Turnhallen wieder freizugeben, da man der Jugend im kommenden Winter ausreichend Übungsstät­ ten zur Verfügung stellen müsse. Kurz darauf wird endlich die Oberrealschule (das spätere Hardenberg-Gymnasium) von den Amerika­ nern zurückgegeben - jedoch an das Bayeri­ sche Sonderministerium. Dieses macht aus der Schule in Lazarett für die Zivilintemierten des Lagers Langwasser und läßt neben eini­ gen Zivilisten wie Franz von Papen (erster Vizekanzler unter Hitler) auch eine große An­ zahl von SS-Offizieren im Generalsrang dort pflegen. Gerade letzteres führt zu großer Em­ pörung bei der Bevölkerung und Ende April 1947 wird die Oberrealschule Fürth endlich wieder ihrer ursprünglichen Bestimmung zu­ geführt. Dieses Hickhack um Beschlagnahme und Freigabe von Häusern ist in diesen Jahren häufig zu beobachten. So melden die „Fürther Nachrichten" am 15. März 1947, daß die Besatzungsmacht zwei Läden und in der Magazinstraße 12 Wohnungen mit 30 Räu­ men beschlagnahmt. Freigegeben werden dagegen die Anwesen Jahnstraße 11-13 mit zwölf Wohnungen und 60 Räumen und Thea­ terstraße 29 mit zehn Wohnungen und 26 Räumen. Das Haus Dambacher Straße 23 wird erst freigegeben und dann erneut be­ schlagnahmt. Die Zahl der amerikanischen Belegungen in Fürth ist im Frühjahr 1947 auf über 4.000 Wohnräume in knapp 1.000 Wohnungen angestiegen. Die Stadtverwal­ tung nennt einen zusätzlichen Bedarf von insgesamt 7.000 Wohneinheiten, um alle in Fürth lebenden Menschen richtig unterbrin­ gen zu können. Die Wohnungsnot ist so groß, daß die amerikanische Militärregierung direkt in die Verwaltungstätigkeit der Fürther Behörden eingreift, was sie sonst nur noch selten tut. Am 11. April 1947 erklärt sie

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Fürth zum kritischen Wohngebiet und ver­ bietet Neuzuzüge.

Auch das einzige intakte Fürther Hotel, das Park-Hotel, ist von den Amerikanern be­ schlagnahmt und wird bis Anfang 1948 als Unterkunft für Offiziere und Zivilisten ge­ nutzt. Nach der Rückgabe an seinen früheren Eigentümer, Erwin Völter, steht das Hotel amerikanischen und alliierten Geschäftsleu­ ten zur Verfügung, die am deutschen Export­ programm der JEIA mitarbeiten. Die „Joint Export Import Agency" mit Sitz in FrankfurtHoechst ist eine wirtschaftspolitisch sehr be­ deutsame Einrichtung der Westalliierten zur Beaufsichtigung des deutschen Devisenhan­ dels. Das Fürther Park-Hotel ist das zweite dieser Art in Bayern. Die Einnahmen aus dem Hotelbetrieb dienen zur Bezahlung von dringend notwendigen Importen. Die Abrech­ nung der Leistungen erfolgt mit Gutscheinen in „American Marks". Anfangs sind jedoch im Park-Hotel weder Speiseraum noch Bar geöff­ net, da erst ausreichend Devisen gesammelt werden müssen, um Lebensmittel und Alko­ holika aus den USA zu bestellen. Das Bayeri­ sche Ministerium ist nur in der Lage, Grund­ nahrungsmittel zur Verfügung zu stellen. Deshalb bleiben die erhofften Gäste aus und erst am 23. April 1948, als der volle Service mit Speisesaal und Bar angeboten werden kann, findet zum zweiten Mal die Wiederer­ öffnung des Park-Hotels statt, diesmal vor einer großen Anzahl geladener Gäste. Im Oktober 1948 wird das Bahnhofshotel freigegeben und Fürth hat endlich wieder eine Übemachtungsmöglichkeit für Deutsche zu bieten. Unter der bisherigen Inhaberin Anna Schüpferling öffnet das Haus seine Pforten. Zwanzig Zimmer mit insgesamt 25 Betten stehen den Reisenden zur Verfügung. Kurze Zeit später geht auch das ehemalige Lager der Luftwaffenhelferinnen an der Heil Stätten Straße wieder in deutschen Besitz über. Welche Raumnot in Fürth herrscht, zeigt das Beispiel der St. Martin-Gemeinde. Die 1927 errichtete Notkirche ist am 22. Februar 1945 Brandbomben zum Opfer gefallen. Danach finden die Gottesdienste in der Ke­ gelbahn der Gaststätte „Wilhelmshöhe" statt. „War dieser Zustand bis Kriegsende gerade noch tragbar, so wurde das zur Zeit der Be­ satzung durch die Amerikaner unwürdig und untragbar. Die Amerikaner benutzten näm­ lich in der Besatzungszeit die Kegelbahn als Tanzbar. Ausgerechnet betrat die Gattin des Landesbischofs, die im September des Jahres

1948 für einige Tage zu Besuch im Pfarrhaus weilte, den damaligen .Kirchenraum' zu einer Zeit, als dort gerade Hochbetrieb herrschte, und gewann somit den unmittelbaren Ein­ blick in die Not der Martinsgemeinde." [7], Schließlich erhält die Martinsgemeinde 1950 ein neues Gotteshaus und beim Bau sollen die Amerikaner mit Holzbalken für das Dach­ gerüst ausgeholfen haben. Im November 1952 geben die Amerikaner der Gemeinde schließ­ lich auch das Pfarrhaus in der Unterfarrnbacher Straße zurück. Die Taufglocke von St. Martin hat ein wechselvolles Schicksal hinter sich. Sie soll ursprünglich für eine Verwendung auf dem Reichsparteitagsgelände gegossen worden sein. Dann dient sie einer am Finkenschlag einquartierten amerikanischen Einheit als „Zeichengeber". Schließlich wird sie 1951 auf dem Schuttplatz am Scherbsgraben gefun­ den, ausgegraben und in den Hof der Pfarrei gebracht, um als Taufglocke Verwendung zu finden. Von dort wird die 40 Kilogramm schwere Glocke von zwei Burschen gestohlen, die sie in der Rednitz „Zwischenlagern", bevor sie mit ihr bei einem Altmetallhändler festge­ nommen werden.

Die von der Besetzung ihrer Wohnungen betroffenen Fürther gründen den „Verein der Besatzungsgeschädigten", um ihre Interessen gemeinsam zu vertreten. Später nimmt der Verein auch Mitglieder auf, die durch Über­ fälle und Unfälle mit amerikanischer Beteili­ gung geschädigt worden sind. In einer Ver­ sammlung im „Schwarzen Kreuz" am 17. Ja­ nuar 1949 beschweren sich die Besatzungs­ geschädigten darüber, daß die ohnehin kar­ gen und nur unpünktlich eintreffenden Miet­ zahlungen des Military Post an die Haus­ besitzer um weitere sieben Prozent reduziert werden sollen. Außerdem sei ein Großteil des beweglichen Mobiliars der Wohnungen ver­ schwunden. Man darf nicht vergessen, daß bei einer Beschlagnahme die Wohnungsinha­ ber binnen weniger Stunden ausziehen muß­ ten und nur ihre notwendigsten Habseligkei­ ten mitnehmen konnten. Den Rest haben die Sieger als ihre Beute oder zumindest als ihnen zustehende Gebrauchsgegenstände betrachtet. Im Juni 1949 geben die Amerikaner einen Teil des beschlagnahmten Mobiliars wieder zurück, es kann im Lager an der Heilstätten­ straße besichtigt werden. Eine Gruppe Besat­ zungsgeschädigter fährt hin und liefert fol­ genden Bericht: „Allgemeine Empörung machte sich Platz, als nach dem Bericht über

einen Besuch der von der Besatzungsmacht zurückgegebenen Möbel im Heilstättenlager Fotografien gezeigt wurden. Die Bilder zeigten zerschlissene Teppiche, zerrissene und voll­ kommen demolierte Sofas, Schränke, Tische und Stühle als Reste der ehemaligen Woh­ nungseinrichtungen der von der Besat­ zungsmacht belegten Häuser." Während die Fürther Besatzungsverdrängten sich nur das allernotwendigste Mobiliar leisten können, gehen die Amerikaner äußerst sorglos mit den zum Teil wertvollen Möbeln in den besetzten Häusern um. Bei Umzügen (auch nach den USA) werden sie einfach mitge­ nommen und die amerikanischen Behörden stellen dann die - geringe - Nutzungsent­ schädigung ein. Viel schlimmer als beschä­ digte Möbel ist jedoch die Tatsache, daß die Amerikaner nach wie vor eine - wie die Besatzungsgeschädigten meinen - zu große Anzahl von Häusern und Wohnungen für sich beschlagnahmt haben und sie dann leerstehen lassen. Im April 1949 gibt die Militärregierung nach sechs Monate dauernden Verhandlun­ gen endlich die Wirtschaftsbaracke ein der Schwabacher Straße 96 frei. Dort zieht nun das Rote Kreuz ein, das bisher im Eichamt untergebracht war. Damit steht das Eichamt wieder Schulen und Sportvereinen zur Verfü­ gung. Wie schwierig sich manchmal die Räu­ mung gestaltet, wenn sich die Besatzungs­ macht endlich entschlossen hat, die Immo­ bilie freizugeben, soll am Beispiel des „Eige­ nen Heim" erzählt werden. Dort müssen am 18. Mai 1945 die Bewohner von hundert Wohnungen am Finkenschlag Hals über Kopf ausziehen und amerikanische Soldaten quar­ tieren sich ein. Bereits nach zwei Monaten wollen die Amerikaner die Wohnungen wieder freigeben, sie tun es aber dann doch nicht. Anfang 1946 heißt es wieder von amerikani­ scher Seite: „Sie können jetzt heimgehen und den Finkenschlag übernehmen." Auch dies erweist sich als falsch. Einige Monate später soll umgekehrt das ganze Gelände beschlag­ nahmt werden, schließlich geben sich die Amerikaner wieder mit den bereits besetzten Häusern am Finkenschlag zufrieden, in denen ein Lager für DPs untergebracht wird. In der Folgezeit wird noch mehrmals die Frei­ gabe versprochen. Dann folgt der 2. Juli 1949: „Freudige Überraschung löste am frühen Morgen des Mittwoch das Erscheinen einer starken ame­ rikanischen Autokolonne vor dem DP-Lager Finkenschlag aus. Endlich sollte, was man 43

seit Wochen munkelte, Wirklichkeit werden. Der größte Teil der dort lebenden DP-Flüchtlingsfamilien wurde verladen, um, wie man hört, direkt auszuwandern oder auf andere Durchgangslager verteilt zu werden. ... Wer­ den die 100 Wohnungen nach vier Jahren endlich frei?". Zwei Wochen später feiert die Baugenossenschaft „Eigenes Heim" nicht nur Kirchweih, sondern auch ihr 40jähriges Bestehen, und, als Krönung, die Freigabe der 100 Wohnungen zum 1. September. Wohl etwas verfrüht, denn am 29. August 1949 melden die „Fürther Nachrichten": „Wie eine Bombe schlug gestern im Laufe des Dienstags die Nachricht der amerikanischen Militärre­ gierung im .Eigenen Heim' und darüber hin­ aus ein, daß die im Juli freigegebenen hundert Wohnungen im Finkenschlag nicht zurückgegeben und von neuem auf unab­ sehbare Zeit von der amerikanischen Mili­ tärregierung beschlagnahmt werden. ... Der Sturm der Entrüstung bei den Betroffenen im .Eigenen Heim' ist denkbar groß, da die Genossenschaftsmitglieder ... natürlich be­ reits alle Vorbereitungen zum Einzug getrof­ fen und eine Reihe kostspieliger Anschaf­ fungen (Vorhänge etc.) gemacht hatten." Oberbürgermeister Dr. Hans Bornkessel und der Landtagsabgeordnete Fritz Gräßler reisen Anfang September zum amerikanischen Hauptquartier nach Heidelberg bzw. zum stellvertretenden bayerischen Ministerpräsi­ denten wegen der Finkenschlag-Freigabe. Schließlich berichten die „Fürther Nachrich­ ten" am 17. September 1949 erleichtert: „Den unablässigen Bemühungen der Genossen­ schaftsverwaltung, vor allem aber der uner­ müdlichen Tatkraft und Initiative des Fürther Oberbürgermeisters Dr. Bomkessel und dem großen menschlichen Verständnis des Gene­ rals David Ruffner für die dargebrachten Gründe und aufgezeigte Notlage der Betroffe­ nen ist es gelungen, den Finkenschlag endgültig und vollständig frei zu bekommen." Drei Monate später sind die Renovierungs­ arbeiten im „Eigenen Heim" in vollem Gange: „Aufschriften auf Wohnungstüren, wie ,3 rd Squad. 7 th. Plat.' oder hebräische Schrift­ züge über dem Tor einer Autogarage des Fin­ kenschlags deuten noch heute auf die bewegte Geschichte, die diese Häuser an der Peripherie der Stadt erlebten, hin. ... In den Kellern fanden wir Schlupflöcher und unter­ irdische Gänge vor, auch Bäder und Wasser­ becken, die als Karpfenteiche benutzt wur­ den, waren eingebaut. ... Die meisten Schornsteine sind zerstört, da viel mit Benzin geheizt worden sei." Wie es mit den besetzten 44

Wohnungen in Fürth in den fünfziger Jahren weitergeht, wird in einem späteren Kapitel geschildert. Amerikanische Wohltätigkeit

„Der amerikanische Soldat Cpt. Robert A. Giesler rettete das Kind Juliane Lagini vom Tode des Ertrinkens durch seine rasche Ent­ schlußkraft. Beim Sprung ins Wasser zog er sich selbst eine Verletzung zu; trotzdem ließ er nicht ab, seine Bemühungen so lange fort­ zusetzen, bis das Kind in Sicherheit war. Diese uneigennützige Tat des wackeren Sol­ daten verdient besonderes Lob." meldet das Mitteilungsblatt der amerikanischen Militär­ regierung am 11. August 1945. Bisher ist nur von den Problemen gespro­ chen worden, die beim Nebeneinander von Deutschen und Amerikanern in Fürth aufge­ treten sind. Wohnungsbesetzungen, der Stra­ ßenverkehr und der Betrieb im Amüsierviertel Gustavstraße haben zu Reibereien zwischen den Fürthern und ihren „Besatzern" geführt. Daraus läßt sich jedoch keineswegs folgern, daß die Amerikaner ausschließlich als rüde Besatzungsmacht aufgetreten sind. Natürlich sind die Soldaten unmittelbar nach dem Kriegsende bestrebt, auf ihre eigene Sicher­ heit zu achten und jeglichen Ungehorsam der Deutschen zu unterdrücken. Und es gibt etli­ che Gis, die aufgrund der Kriegspropaganda und der Greueltaten in den Konzentrationsla­ gern der deutschen Bevölkerung ihre Verach­ tung und Abscheu spüren lassen. Noch 1946 müssen Deutsche, die Amerikaner mit einer leeren Konservendose um Lebensmittel anbetteln, auch auf einen schnellen Fußtritt gefaßt sein. Die Gis, auf diese Reaktion ange­ sprochen, erwidern darauf: „Du hast ja auch keinen Kameraden beim Kampf gegen die Deutschen verloren!". Dieses Verhalten ver­ schwindet erst nach 1946, als die letzten Truppen aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges wieder in die USA zurückgekehrt sind. Doch die ersten Kaugummigeschenke an die Kinder - trotz Fraternisierungsverbots und der zu Beginn dieses Kapitels geschil­ derte Vorfall zeigen schon die überwiegend menschenfreundliche Art der Amerikaner. Diesen Wesenszug, ihren Mitmenschen auf­ geschlossen und hilfsbereit zu begegnen, werden sie während ihrer ganzen Stationie­ rungszeit in Deutschland immer beibehalten und er ist in den ersten Nachkriegsjahren, bei der sichtbaren Not der deutschen Bevölke­ rung, besonders deutlich geworden.

Im April 1951 erhalten Vertreter der Kirche 2.000 Pfund Süßigkeiten für deutsche Kinder.

Den Amerikanern ist klar, daß sich die ältere Generation der Deutschen nur sehr schwer oder gar nicht zur Demokratie bekeh­ ren lassen wird. Zu lange ist sie dem Werben der Nationalsozialisten ausgesetzt gewesen und hat sich bei ihrer Arbeit oder bei irgend­ einer Organisation im Nazisystem verstrickt. Die Jugend hingegen ist noch formbar und steht dem Neuen aufgeschlossen gegenüber, weshalb sie von den Amerikanern sehr um­ worben wird. Nach dem Krieg fehlen den deutschen Jugendlichen die Ziele und Vorbil­ der. Die Ziele ihrer Eltern haben sich als falsch erwiesen, die Kinder werden durch Obdachlosigkeit und Hunger für den verlore­ nen Krieg mitbestraft. Überall bilden sich Jugendbanden, bedingt durch das Fehlen rechtsstaatlicher Ordnung und die fehlende Aufsicht durch die Eltern, die selbst „organi­ sieren" und arbeiten müssen. Das Ziel der Besatzungsmacht ist, diese Jugendlichen durch sinnvolle Beschäftigungen an einem Abgleiten in die Kriminalität oder in neue rechtsextreme Gruppen zu hindern. Über Sportveranstaltungen und Aktivitä­ ten des GYA werden die Jugendlichen von der

Straße geholt. Diese ab 1946 laufenden „German Youth Activities" bringen deutsche und amerikanische Jugendliche zusammen. Neben den Diskussionsabenden, die den Deutschen die Demokratie und ihre Spielre­ geln näherbringen sollen, finden hauptsäch­ lich die Bastel- und Jazzabende Anklang. Ge­ rade Jazz und Swing als im nationalsozia­ listischen Deutschland verteufelte Musikrich­ tungen begeistern die Jugend. Mancher deut­ sche Jugendliche bekommt beim Besuch der GYA auch eine Cola, Schokolade oder sogar eine Zigarette spendiert. Sicher finden die Fürther Kinder die ebenfalls gezeigten MickyMaus-Filme aufregender als die Umerzie­ hungsabende, aber vielleicht bleibt doch das eine oder andere hängen. Im August 1946 laden die Amerikaner die Fürther Jugendlichen zwischen acht und siebzehn Jahren und die Jugendbetreuer der Fürther Vereine zum Humbser-Spielplatz ein, um sie in neue (amerikanische) Sportarten einzuweihen. „Eine recht starke Beteiligung ist schon deshalb erwünscht, weil der Grund­ stein gelegt werden soll zu einer verständ­ nisvollen und gegenseitigen Unterstützung

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für die sich in großer leiblicher und seelischer Not befindliche Jugend." Einige hundert Jugendliche folgen dem Aufruf und zwischen den Jugendbetreuern und den Amerikanern wird eine weitere Zusammenarbeit bespro­ chen. Ein halbes Jahr später wird von der „Vereinigten freien Jugend Fürth" berichtet, deren etwa 3.000 Mitglieder im Rahmen der GYA unter der Leitung des amerikanischen Leutnants Metzger in der Halle des TV 1860 in der Tumstraße Sport treiben. Außerdem steht ihnen dort ein Bastelraum zur Verfü­ gung und kulturelle Veranstaltungen werden abgehalten. Die meisten Fürther Sportstätten befinden sich noch in amerikanischen Händen, des­ halb führt kein Weg an den deutsch-ameri­ kanischen Einrichtungen wie dem GYA vorbei. Aber schon am 16. April 1947 steht in den „Fürther Nachrichten": .... Nach längeren Bemühen ist es inzwischen den Jugendleitern vom Deutschen Jugendclub Engineer Depot Fürth (Panzerkaseme) gelungen, den HansLohnert-Spielplatz für die deutsche Jugend wieder zurückzugewinnen. Oberleutnant Charles B. Shoop und Sergeant Arenz haben unter Mitwirkung des deutschen Jugendlei­ ters Herbert Leinberger die schwierige Auf­ gabe übernommen, diesen idealen Sportplatz wieder instandzusetzen und mit Hilfe der Stadt Fürth im Laufe des kommenden Som­ mers voll benutzbar und auch wieder für das Auge ansehnlich zu gestalten. ... Nicht zuletzt darf wohl nach vollendeter Wiederinstandset­ zung erwartet werden, daß die Bevölkerung der Bereitwilligkeit und der großen Mühen der amerikanischen Einheit und all ihrer Helfer Verständnis entgegenbringt und zur künftigen Schonung der Grünanlagen sowie der sonstigen Einrichtungen (Umzäunung!) beiträgt." Wichtiger noch als die Spiele für die deut­ sche Jugend ist in dieser Notzeit das Brot. Als es in den Jahren 1946 und 1947 zu regel­ rechten Hungerwintern in Deutschland kommt, besucht der amerikanische Expräsi­ dent Herbert Hoover das zerstörte Deutsch­ land. Er ist von dem vorgefundenen Elend zutiefst erschüttert und veranlaßt umfang­ reiche Hilfslieferungen aus den USA. Die Fürther Familien erhalten CARE-Pakete direkt aus Amerika, aber auch die in Fürth stationierten Soldaten stellen viele Spenden zur Verfügung. Im September 1946 beginnt für vierzig Fürther und dreißig Flüchtlings­ kinder, die wegen ihrer besonderen Bedürf­ tigkeit ausgewählt worden sind, eine fünfwö­ chige Speisung mit von den Amerikanern

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organisierten Liebesgaben. Der Zucker stammt aus Irland, Trockenmilch und Trokkenei kommen aus Amerika. Als im Oktober 1946 in Fürth die Butter knapp wird, geben die Amerikaner Erdnußbutter aus ihren eige­ nen Beständen aus. Dabei vergessen sie nicht den Hinweis, daß die Erdnußbutter sehr fettund ölhaltig ist, sich aber nicht zum Kochen eignet, sondern nur als Brotaufstrich ver­ wendet werden kann. Ab Mitte Oktober 1946 weiten die Ameri­ kaner die Kinderspeisung aus: „Durch groß­ zügige Spenden der Amerikaner ist es nun auch in Fürth möglich geworden, zunächst 3.300 Kindern ein Frühstück zu reichen, das einen Kalorienwert von täglich 400 Kalorien für ein Kind darstellt. Es besteht aus ameri­ kanischer Vollmilch mit Brötchen oder einem nahrhaften süßen Brei. Die Feststellung der gesundheitlich stark gefährdeten Kinder erfolgte durch schulärztliche Untersuchung von 11.000 Kindern. ... Die Speisen werden durch die Fürther Großküche hergestellt". Welche Lebensmittelmengen bei diesen Speisungen umgesetzt werden, macht eine Bilanz aus dem Jahr 1948 deutlich, die sich auf ein Jahr Schulspeisung an den Fürther Schulen bezieht. Insgesamt sind in einem Jahr mehr als vier Millionen Portionen aus­ gegeben worden. Etwa 13.000 Schüler haben täglich bei einem geringen Unkostenbeitrag von zwanzig Pfennig ein Essen im Nährwert von 360 Kalorien erhalten, was auch zur Hebung des Schulbesuchs beigetragen hat. Dabei sind vierzig Tonnen Lebensmittel verar­ beitet worden, deren weitaus größter Teil aus amerikanischen Beständen zur Verfügung ge­ stellt worden ist. Die Amerikaner beziehen ihre eigenen Kin­ der in die Wohltätigkeitsveranstaltungen mit ein: „Es war eine schöne Idee der amerikani­ schen Kinder (54 Kinder von Angehörigen der Besatzungsmacht, die in Fürth zur Schule gehen) zum ,thanksgiving-day' - dem ameri­ kanischen Erntedankfest, das in Amerika alter Tradition gemäß als symbolischer Tag des Schenkens gefeiert wird - auch 110 deut­ sche Kinder einzuladen. Die kleinen ameri­ kanischen Gastgeber gaben sich eifrig und mit Erfolg Mühe, ihre Gäste gut, abwechs­ lungsreich und angenehm zu unterhalten. Dafür, daß die Unterhaltung sich nicht nur auf eine .Augenweide' beschränkte, sondern auch die Vorträge verstanden wurden, sorgte als Ansager und Dolmetscher Peter Franken­ feld. In einigen Spielen symbolisierten die kleinen Amerikaner die tiefe und menschliche

Auffassung der Nächstenliebe und der Hilfe für die Notleidenden. Wenn sich auch die Kinder zuerst noch fremd gegenüberstanden und den richtigen Kontakt nicht gleich finden konnten (wohl auch wegen der Schwierigkeit der verschie­ denen Sprache), so war das anfängliche Fremdsein bald durch die kindliche Initiative und Natürlichkeit überwunden. Die Darbie­ tungen der Gastgeber, die sich frisch und ohne komplizierte Hemmungen produzierten, fanden viel Beifall. - Und zum Schluß, als Krönung des kleinen Festes, bekam jedes ge­ ladene deutsche Kind ein Geschenk: Süßig­ keiten, Bonbons und Früchte. Die großen Kinderaugen strahlten und beim Abschied wurde vereinbart, daß es bald ein Wiederse­ hen geben soll. .Schön war's', nickten sie begeistert, .diese echt amerikanische party! " (27. November 1946). Der später so berühmte „Entertainer" Peter Frankenfeld beginnt in Mittelfranken seine Karriere. Seit Dezember 1945 tritt er an Samstag- und Sonntagnachmittagen in der Kleinkunstbühne „Libelle" im „Schwarzen Adler" in Almoshof auf. Im Fürther Stadtthea­ ter moderiert er an Montagen eine von den Amerikanern angeregte Varieteveranstaltung für deutsche Schulkinder, die eine Stunde fröhlicher Unterhaltung bietet. Leider ist gerade der Winter 1946/47 sehr hart, das Transportsystem in Deutschland ist nahe am Zusammenbrechen. „Die Fürther Volksschüler kehrten erst Mitte März aus den Weihnachtsferien zurück. Bis dahin mußten sie sich täglich um 10 Uhr vormittags in der Schule melden, empfingen dort eine Hausauf­ gabe und gingen dann wieder heim." [9]. Die Menschen hungern und frieren. Viele Men­ schen geben den Amerikanern eine Mitschuld an der schlechten Lage: „Vom Nazi belogen vom Ami betrogen" macht die Runde. Angeb­ lich behindern die Amerikaner durch Demon­ tagen, Exportbeschränkungen und viele an­ dere Restriktionen den Wiederaufbau Deutschlands. Es wird wohl nie ganz geklärt werden, ob die Lage der deutschen Bevölke­ rung in diesen Hungerwintem trotz oder we­ gen der amerikanischen Maßnahmen so schlecht gewesen ist. Gerade deshalb sind die Einladungen der Amerikaner an Fürther Kinder für eine posi­ tive Entwicklung der gegenseitigen Beziehun­ gen äußerst wichtig. Die bereits geschilderten Veranstaltungen sollen stellvertretend für die vielen anderen stehen, die in dieser schwieri­ gen Zeit ausgesprochen werden. Nicht uner­ wähnt darf bleiben, daß die finanziellen Mittel

dafür meist nicht von den amerikanischen Behörden stammen. Diese müssen die ihnen zur Verfügung stehenden Gelder naturgemäß in die zusammen mit den deutschen Behör­ den verwalteten öffentlichen Kanäle leiten. Vielmehr kommen die Mittel durch Spenden einzelner Amerikaner zustande, die zudem ihre Freizeit und Teile ihrer - zugegebener­ maßen sehr reichhaltigen - Rationen opfern, um die Feiern zu ermöglichen. Die Einladun­ gen für deutsche Kinder verbessern die schlechten Lebensverhältnisse der Familien sicher nur vorübergehend. Entscheidend ist, daß durch das gegenseitige Kennenlernen von Amerikanern und Deutschen die durch Krieg und Besatzung hervorgerufenen Barrieren abgebaut werden können. Man kann sich gar nicht vorstellen, daß auch die Amerikaner Mangel leiden. Aber am 13. Februar 1948 bringt die „Nürnberg Post" die Meldung, daß wegen einer Bierknappheit jeder Amerikaner in der Kaserne nur noch zwei Kästen erhält. Im Gegensatz zur deut­ schen Bevölkerung, die nur ein Dünnbier verkonsumieren darf, können sich die ameri­ kanischen Soldaten an einem richtigen Voll­ bier laben. Dafür erhält beispielsweise die Grüner-Brauerei in Fürth eigens eine Son­ derzuteilung an Kohlen. Nach der Währungsreform im Juni 1948 nimmt die Zahl der Wohltätigkeitsveranstal­ tungen ab und die Amerikaner konzentrieren sich in den nächsten Jahrzehnten auf Einzel­ aktionen oder Spenden für Organisationen. Dafür versuchen sie ab 1947, auch geistige Nahrung zu bieten. Bereits seit November 1946 gibt es in Nürnberg die für Deutsche gedachte „American Library", den Vorläufer des Amerika-Hauses. Die Deutschen sind erstaunt, daß fast alle - ausschließlich ame­ rikanischen - Bücher auch ausgeliehen wer­ den können und sie freuen sich über die arbeitnehmerfreundlichen Öffnungszeiten bis 19.30 Uhr. In Fürth versuchen die Amerikaner, den Lesehunger der Jugendlichen damit zu wekken, daß sie ihnen die alten Bücher wegneh­ men. So ist jedenfalls eine Meldung der „Fürther Nachrichten" vom 25. März 1948 zu interpretieren. Diese besagt, daß beim Für­ ther Buchfest in der Turnhalle des TV 1860 die Kinder „deutsche Bücher" - vermutlich solche mit nationalsozialistischem Gedanken­ gut - abgeliefert haben und dafür eine Portion Eiscreme und eine Leserkarte für die neue Fürther Jugendbücherei erhalten haben.

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Ein halbes Jahr später wird im ersten Stock des Fürther Rathauses eine Filiale des Amerika-Hauses Nürnberg, der sogenannte „Reading Room" eröffnet. Die Handbibliothek umfaßt 2.000 Bände und soll die deutsch­ amerikanischen Beziehungen weiter verbes­ sern, wie der Fürther Oberbürgermeister Dr. Hans Bornkessel vor viel Prominenz betont. Die Kosten werden nicht vom deutschen, sondern vom amerikanischen Steuerzahler getragen. Die vielleicht nicht so sprachge­ wandten unter den Fürthern lockt man da­ mit, daß neben dem amerikanischen Schrift­ tum auch einige aktuelle deutsche Zeitschrif­ ten ausliegen. Außerdem weisen die cleveren Amerikaner darauf hin, daß der Leseraum über genügend Sitzgelegenheiten und Tische verfügt und gut geheizt ist, in dieser kargen Zeit kein unwesentlicher Gesichtspunkt! Ein knappes Jahr später, im August 1949 zieht der „Reading Room” in das Berolzheimerianum um. Bis dahin sind mehr als 6.000 Bü­ cher entliehen worden und neben den 700 eingeschriebenen Lesern haben mehr als 9.500 Besucher die Gelegenheit genutzt, den Vorträgen und musikalischen und kulturellen Vorstellungen beizuwohnen. Im April 1951 wird der „Reading Room" aufgelöst. Der Buchbestand wird der Fürther Volksbücherei zur Verfügung gestellt. Die Unterstützung der Amerikaner ist auch bei logistischen Problemen gefragt. Nur die Armee verfügt über eine ausreichende Menge an Betriebsstoffen, an Hilfsmitteln und an Fahrzeugen, um bei Engpässen ein­ springen zu können. „Die Kohlenlage ist als katastrophal zu bezeichnen. Nur mit Hilfe der amerikanischen Militärregierung ist es zur Zeit möglich, die Ernährungsbetriebe - und auch hier nur zum Teil - mit Brennstoffen zu versorgen." schreibt der Fürther Oberbürger­ meister Schwiening im Juli 1945 [9]. Für die in Unterfürberg an der Schmerlerstraße entstehende Siedlung, die die Eigentümer eigenhändig hochziehen, heben die Amerika­ ner mit ihrem schweren Gerät die Baugruben aus. Wenn Holz aus dem Stadtwald geholt werden muß, stellen sie ihre Fahrzeuge zur Verfügung. Ihre weltweiten Beziehungen lassen die Amerikaner im Oktober 1948 spielen, als ein an Leukämie erkrankter siebenjähriger Junge dringend ein radioaktives Präparat zur Behandlung benötigt. Die amerikanische Mili­ tärregierung, Arbeitgeber des Vaters, läßt in halb Europa nach dem Präparat fahnden und treibt es schließlich bei Paris auf. Ein Son­ derkurier bringt es nach Fürth, wobei die 48

Transportkosten das amerikanische Rote Kreuz übernimmt. Besonders kurios ist die Geschichte der ersten Fürther Verkehrsampel, die am 15. Januar 1949 an der Kreuzung Jakobinenund Nürnberger Straße angebracht wird. Auf dieser gefährlichsten Kreuzung Fürths ist bereits mehrmals der den Verkehr regelnde Polizist „von seinem Postament" geworfen worden. Da in den Westzonen keine Firma in der Lage ist, eine Verkehrsampel zu bauen, wird das Exemplar in Berlin bestellt. Diese Stadt wird aber gerade von den Sowjets blokkiert, deshalb muß das Gerät unter Einschal­ tung der Militärregierung über die Luftbrücke nach Bremen ausgeflogen werden. Von dort gelangt die einen halben Zentner wiegende „Lampe" nach Fürth, wo sie wegen einer Stromsperre erst einige Tage später in Betrieb genommen werden kann. Am 29. Januar 1949 ereignet sich dann prompt der erste Unfall, als ein Autofahrer die Ampel nicht beachtet und auf ein haltendes Auto auffährt. Solchen Beispielen der amerikanischen Hilfsbereitschaft, von denen nur die wichtig­ sten in den Zeitungen Erwähnung gefunden haben, werden wir in den nächsten Jahr­ zehnten immer wieder begegnen. Die Amerikaner organisieren sich Die Einnahme Nürnbergs im April 1945 bedeutet für die Amerikaner in mehrfacher Hinsicht sehr viel. Die US-Armee hat ur­ sprünglich befürchtet, daß hier noch größere kampffähige deutsche Verbände zusammen­ gezogen sein könnten, die die noch in den Köpfen spukende „Alpenfestung" Hitlers ver­ stärken sollten. Deshalb hat die Armee etwa 45.000 Mann in fünf Divisionen für die Er­ oberung aufgeboten. Neben der strategischen Bedeutung besitzt Nürnberg auch einen höchst ideologischen Stellenwert als „Stadt der Reichsparteitage". Die Amerikaner sehen in ihr die „Wiege" oder „Heilige Stätte des Nationalsozialismus", den Ausgangspunkt der Judenverfolgung und der Rassengesetze. Die Kapitulation dieser Stadt stellt somit ein wichtiges Kriegsziel für die Amerikaner dar. Was veranlaßt aber die Amerikaner dazu, im mittelfränkischen Raum zu bleiben und hier ein umfangreiches Truppenkontingent zu stationieren, das in den Zeiten des Kalten Krieges zu den stets in Bereitschaft stehen­ den Kampfeinheiten zählen wird? In den Großstädten Nürnberg, Fürth und Erlangen ist eine gute Infrastruktur vorhanden, auch wenn sie erst wieder repariert werden muß.

Als am 8. Januar 1962 gleich drei Panzer wegen Treibstoffmangel in der Weiherstraße liegen­ bleiben, gibt es kein Vor und kein Zurück mehr.

Mehrere Flughäfen, davon allein zwei in Fürth, stehen für die militärische und zivile Nutzung zur Verfügung. Nürnberg ist ein bedeutender Eisenbahnknotenpunkt. Die Präsenz der Amerikaner in den ersten Nach­ kriegsjahren ist auch auf die in Nürnberg stattfindenden Kriegsverbrecherprozesse zu­ rückzuführen, die vom November 1945 bis April 1949 dauern. Neben der symbolischen Bedeutung Nürnbergs ist für die Wahl des Prozeßortes die nur geringe Beschädigung des Justizpalastes an der Fürther Straße ausschlaggebend. Dieser riesige, 22.000 Qua­ dratmeter große Komplex mit 530 Büroräu­ men und 80 Verhandlungssälen bietet den mehr als 1.000 Mitarbeitern des Tribunals ausreichend Platz. Das nebenan liegende Gefängnis ist durch einen unterirdischen Gang zu erreichen, so daß die Angeklagten gut abgeschirmt werden können. Außerdem ist ein Teil des für den Prozeß benötigten umfangreichen Dokumentationsmaterials bereits in Nürnberg vorhanden. Die Kampftruppen, die Fürth am 19. April 1945 erobern, das 222. und das 224. Regi­

ment der 42. Infanteriedivision, ziehen bald weiter. Nachfolger ist ab 25. Juli 1945 das 26. Regiment der 1. Infanteriedivision („The Big Red One" - die große rote Eins). Das Regi­ ment nennt sich „Blue Spaders" und ist für die Organisation der Nürnberger Kriegsver­ brecherprozesse verantwortlich: „Die Army hatte Nürnberg als Verhandlungsort für den Prozeß vorgeschlagen; sie hatte das Neue Justizgebäude wiederaufgebaut und so um­ gestaltet, daß es für den Prozeß geeignet war; sie hatte die Angeklagten und die Zeugen nach Nürnberg gebracht, bewachte und be­ schützte sie; sie hatte die notwendigen Vervielfältigungs-, Aufzeichnungs- und Telefon­ geräte und -einrichtungen für die Prozeßmit­ arbeiter und die Presse beschafft und einen Großteil des Verwaltungs- und Büropersonals gestellt; sie hatte die Quartiere ausgewählt, zugewiesen und renoviert; sie stellte den Fuhrpark und die Fahrer zur Verfügung; sie beschaffte und verteilte Nahrung und Ge­ tränke, Heizmaterial und sonstige Dienstlei­ stungen für die Gemeinde; sie sorgte für um­ fassende Sicherheit in der gesamten Nürn­ 49

berg-Fürther Enklave und kümmerte sich um zahlreiche andere Erfordernisse und Einrich­ tungen." [41] Zu den „sonstigen Einrichtun­ gen", die die „Blue Spaders" betreiben, gehö­ ren vier Hotels, eine Buslinie und zwei Nachtclubs. Nach dem Abschluß der Prozesse in Nürn­ berg ist der Kalte Krieg schon so weit eska­ liert, daß eine dauerhafte Stationierung ame­ rikanischer Truppen in der Nähe des eisernen Vorhangs notwendig erscheint. Dafür bietet sich der bereits mit einer „amerikanischen Infrastruktur" durchwachsene Großraum Nürnberg geradezu an. Ein weiterer Plus­ punkt, der aus amerikanischer Sicht für eine Präsenz in diesem Raum spricht, sind die leicht erreichbaren Truppenübungsplätze Grafenwöhr, Vilseck und (später) Hohenfels. Mit dem Hainberg und in Tennenlohe gibt es später zusätzliche, nahegelegene Übungsge­ lände. Glücklicherweise stehen für die Unter­ bringung der Truppen in Nürnberg, Fürth, Erlangen, Zirndorf und Schwabach genügend Kasernen zur Verfügung. Fürth hat allein drei Militärstützpunkte zu bieten, deren Vorge­ schichten im nächsten Kapitel erwähnt wer­ den sollen. Bereits am 17. Mai 1946 wird das Gebiet der Nürnberg-Fürther Kasernen offiziell als militärische Verwaltungseinheit der Ameri­ kaner ausgewiesen. Zuerst „Nuernberg Enclave", dann „Nuernberg Post" genannt, wird später daraus die „Nuernberg Community". Der erste Kommandeur ist der Brigadegeneral Leroy H. Watson. Die Wichtigkeit des mittelfränkischen Mili­ tärstandortes der Amerikaner auch nach der Beendigung der Nürnberger Kriegsver­ brecherprozesse spiegelt sich bei jeder der folgenden Weltkrisen wider. Während der Berlinblockade organisiert das in der DarbyKaserne installierte Transportbüro (das größte der Amerikaner in Europa) die Vertei­ lung der aus den USA eingeflogenen Trup­ penverstärkungen und während der Suez­ krise (1956) und des Golfkriegs (1990) wird von Fürth aus Militärmaterial in die Kampf­ gebiete verladen.

Im Nachkriegs-Nürnberg erscheinen er­ staunlich viele lokale fremdsprachige Zeitun­ gen, bedingt durch die vielen Displaced Per­ sons. Es gibt zwei (!) ukrainische, je ein letti­ sches, slowenisches, polnisches, jiddisches und kaukasisches Blatt. Und am 21. Novem­ ber 1947 wird erstmalig eine Wochenzeitung in amerikanischer Sprache für die in und um Nürnberg stationierten US-Soldaten und ihre

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Angehörigen gedruckt, der „The Nürnberg Post - Spade". Herausgeber ist das Informations- und Ausbildungsbüro des 26. Infanterie­ regiments, Brigadegeneral Watson schreibt das Grußwort. Die meisten Themen betreffen „inneramerikanische" Angelegenheiten, bei­ spielsweise Versetzungen, Beförderungen, „gute Taten" innerhalb der verschiedenen Einheiten, und Sportveranstaltungen, haupt­ sächlich Boxen, Basketball, Baseball und Schießen. Neben der eigentlich typisch deut­ schen Vereinsmeierei kommt auch der Pfarrer zu Wort und ein immer wiederkehrendes Thema ist das Verhalten der US-Soldaten im Straßenverkehr, das zu mancherlei Klagen Anlaß gibt. Das Einzugsgebiet dieser auch „Spade" abgekürzten Zeitung umschließt neben Nürnberg und Fürth auch Herzoge­ naurach, Erlangen, Bamberg, Weiden und Grafenwöhr. Nach sieben Jahren und 333 Ausgaben druckt die „Post" am 4. Juni 1954 ihre „Final Issue", ihre letzte Ausgabe. Wie so vieles in Bayern, wird sie in Zukunft von München aus gesteuert. Beim Durchlesen dieser Zeitung wird erstmals ein Aspekt deutlich, der sich in allen fünfzig Jahren amerikanischer Anwesenheit in diesem Raum bemerkbar macht. Obwohl sich die Mehrzahl der hier stationierten Sol­ daten in Fürth befindet, führen alle Einheiten immer „Nuremberg", „Nürnberg” oder „Nuern­ berg" in ihrer Ortsbezeichnung. Nicht nur kommt den Amerikanern das Wort „Fürth" ungewohnt über die Lippen, auch die Tat­ sache, daß sich ihr Hauptquartier und die wichtigsten Einrichtungen wie das Einkaufs­ zentrum (PX = Post Exchange) in Fürth befin­ den, bleibt ihnen oft gänzlich unbekannt.

Was spielt sich sonst noch in den ersten fünf Nachkriegsjahren innerhalb der ameri­ kanischen „Gemeinde" in Fürth ab? Wie erwähnt, sind die Besatzungstruppen und die Militärregierung organisatorisch getrennt. Bereits 1946 ersetzt Major A. C. Abbott den ersten Chef der Fürther Militärregierung, Hauptmann Cofer. Noch zwanzig Jahre spä­ ter pflegt ein Fürther Kontakt mit Cofer, der im Ruhestand in Texas lebt. Nach Abbott als Leiter der Militärregierung folgt der erste Zivi­ list auf dieser Position, Stewart Hilliard, der wiederum im März 1949 seinen Platz Charles Emerick überläßt, der vorher Leiter der Nürn­ berger Militärregierung gewesen ist. Wie wir aus den vorherigen Abschnitten gesehen haben, ist für die Amerikaner in Fürth noch viel zu tun. Sie nehmen es mit der Heimführung ihrer hier gefallenen ame­

rikanischen Kameraden sehr ernst. Am 31. Oktober 1945 meldet das Mitteilungsblatt der Militärregierung: „Der Gräberdienst der USAArmee hat die Aufgabe, die sterblichen Über­ reste aller toten Soldaten der USA ausfindig zu machen, um sie zwecks endgültiger Bei­ setzung in ihr Heimatland zu überführen. Die deutsche Bevölkerung wird daher aufgefor­ dert, den USA-Dienststellen zu melden, wo auf Gemeindefriedhöfen oder an sonstigen alleinliegenden Stellen gefallene oder verstor­ bene Soldaten der USA bestattet worden sind. Zwecks einwandfreier Identifizierung der Toten ist es notwendig, bei der Meldung, wo dies möglich ist, Einzelheiten mit anzugeben; z. B. im Falle eines Flugzeugabsturzes Zeit und Ort des Absturzes, Name des Flugzeuges, Personalien der Besatzungsmitglieder usw. Die Anmeldung kann bei der nächsten Dienststelle der Militärregierung, dem TownMajor, oder bei jeder Truppeneinheit erfolgen. Keinesfalls ist es zulässig, das Grab zu berühren, oder die sterblichen Überreste fort­ zuschaffen. Diese Arbeit darf nur vom Perso­ nal des USA-Gräberdienstes vorgenommen werden." Am 24. April 1948 findet in der „Furth Air Base" die Verabschiedung von Brigadegeneral Watson mit einer großen Truppenparade statt. Sein bisheriger Stellvertreter, Oberst Frank S. Mansfield, wird sein Interimsnach­ folger, bis Anfang Juli Brigadegeneral David L. Ruffner in Fürth eintrifft. Das 16. Infante­ rieregiment der 1. Infanteriedivision ergänzt Ende Oktober 1948, aus Grafenwöhr kom­ mend, das bisherige 26. Regiment und im Dezember 1948 erhält der „Nürnberg Post" hohen Besuch aus Berlin, wie die „Fürther Nachrichten" am 4. Dezember melden: „Bot­ schafter Murphy [und] der politische Berater des amerikanischen Regierungschefs in Deutschland, General Lucius D. Clay, [haben] am Mittwoch vormittag die beiden Oberbür­ germeister von Nürnberg und Fürth sowie den Landrat von Nürnberg zu einer kurzen Besprechung empfangen und sich insbeson­ dere über den Stand der Ernährungslage unterrichtet. ... Die Audienz dauerte ungefähr 10 Minuten." Mehr Zeit nimmt sich Lucius D. Clay, als er am 25. Februar des folgenden Jahres auf der „Furth Air Base" bei Atzenhof weilt. „Schon seit einigen Tagen hatten die Bewoh­ ner der Fürther Westvorstadt an dem stark zunehmenden Verkehr gemerkt, daß bei der Besatzungsmacht ein großes Ereignis bevor­ steht. Motorisierte Abteilungen aller Waffen­ gattungen rollten in endlosen Kolonnen zum

Fürther Flughafen, wo gestern, Freitag vor­ mittag, General Lucius D. Clay die Parade abnahm. Die weiße MP mit den blanken Metallhelmen hob sich von dem Khakibraun der vorüberziehenden Truppen, die sich nur durch rote, gelbe, blaue und grüne Schals unterschieden, markant ab. Das traditions­ reiche 16. Regiment, das neben mehreren Einheiten der 1. Infanteriedivision den Kern­ punkt der Besichtigung bildete, kann nach der lobenden Anerkennung des EuropeanCommanders stolz sein auf den gestrigen Tag." Clay wird am Nürnberger Bahnhof will­ kommen geheißen, nach Fürth zur Air Base eskortiert und dort mit siebzehn Schuß Salut empfangen. Die anschließende Parade, die etwa 90 Minuten dauert, wird sogar im AFNRadio live übertragen.Die Amerikaner bieten mehr als 6.000 Soldaten und 900 Fahrzeuge auf, um ihrem europäischen Befehlshaber einen schönen Tag zu bereiten. Die Ernährungslage in Fürth hat sich im Frühjahr 1948 endlich spürbar verbessert, die Währungsreform trägt ihren Teil dazu bei. Immer wieder kommen Amerikaner aus den Vereinigten Staaten, um sich in Deutschland über die Fortschritte beim Wiederaufbau zu informieren. Am Abend vor Silvester 1948 machen fünfzig amerikanische Journalisten in Fürth Station. Sie befinden sich auf einer Autotour durch die schönsten Städte Bay­ erns. Beim Bankett im Park-Hotel treten als besondere Überraschung die Regensburger Domspatzen auf, die nach der eindrucksvol­ len Vorstellung prompt einen Vertrag für eine Tournee durch die Vereinigten Staaten ab­ schließen können. Drei Monate später, Mitte März 1949, be­ suchen 31 Farmerinnen aus dem Mittelwe­ sten Amerikas während ihrer Europa-Rund­ reise Fürth. Als sie im Park-Hotel absteigen, erregen sie einiges Aufsehen, da ihr mondä­ nes, gepflegtes Aussehen nicht zu dem Bild paßt, das man sich in Fürth von einer Bau­ ersfrau macht. Für die Fürther sehen die Damen aus, als ob sie von einer Modenschau kämen. An große Ackerflächen und riesige Rinderherden gewöhnt, finden die Amerika­ nerinnen den fränkischen Bauernhof mit den dazugehörigen vier Kühen, den sie in Gutz­ berg besichtigen, schlichtweg „reizend". Am meisten imponiert ihnen noch ein buntbe­ malter Bauemschrank. Während in den ersten Nachkriegsjahren die Amerikaner bei Feiern und Paraden unter sich bleiben, wird gegen Ende der vierziger Jahre zunehmend auch die deutsche Bevöl­ kerung integriert. Für den „Tag der Amerika­ 51

nischen Armee“ auf dem Zeppelinfeld im April 1949 ziehen nicht nur die in Fürth stationier­ ten Truppen nach Nürnberg, auch die Bevöl­ kerung wird herzlich eingeladen. Es gibt aber nicht nur die offiziellen und öffentlichen Verbindungen zwischen den Fürthern und der Besatzungsmacht. Ende Juli 1949 meldet das Fürther Jugendamt, daß es sich um 1.759 uneheliche Kinder kümmern muß. Bei 1.146 von ihnen ist der Vater bekannt. Bei immerhin 232 Vätern handelt es sich um Angehörige der Besat­ zungsmacht, von denen nur ein geringer Teil seinen Unterhaltspflichten nachkommt. Ins­ gesamt gibt es nach einer ein halbes Jahr später erscheinenden Untersuchung in der amerikanischen Besatzungszone etwa 13.000 uneheliche Kinder von amerikanischen Vä­ tern und deutschen Müttern. „Amerikanische Armeegeistliche erleben täglich Liebesdra­ men, die selbst in Hollywood wahrscheinlich als zu phantastisch bezeichnet würden. Von einigen Amerikanern wird erzählt, daß sie gleichzeitig zwei oder sogar drei Liebschaften in verschiedenen Wohnungen haben. Selbst verwöhnte Söhne reicher Eltern können sich das zu Hause nicht leisten." Der Angehörige einer Besatzungsmacht kann - im Gegensatz zu einem Deutschen - nicht zur Unterhalts­ zahlung gezwungen werden. Die Untersu­ chung zeigt, daß die farbigen Soldaten, von denen nur etwa neun Prozent des illegitimen Nachwuchses stammen, im allgemeinen bes­ ser für ihre Kinder sorgen. Eine Untersu­ chung aus späteren Jahren (1960) berichtet, daß etwa 70 Prozent der Besatzungskinder bei den deutschen Müttern, zehn Prozent bei Verwandten und der Rest in Heimen oder bei Pflegefamilien leben. Erfreulicherweise gibt es in Zusammenhang mit den Mischlingskindem wenig Probleme in Fürth. Die ersten beiden Jugendlichen, die 1959, und die zehn, die 1960 die Volksschule verlassen, finden alle eine Lehrstelle. Fürther Kasernen

In den Fürther Kasernen finden die ameri­ kanischen Soldaten nach dem Krieg gute Voraussetzungen, um sich hier niederzulas­ sen. Die Gebäude sind fast unbeschädigt und mit allen Einrichtungen versehen, die die Truppen für ihre Aufgaben benötigen. Im fol­ genden wird kurz die Geschichte der drei Fürther Kasernen geschildert. Die „William O. Darby-Kaseme" ist etwa 40 Hektar groß und liegt in der Fürther Süd­ stadt, begrenzt durch Steuben-, Flößau-, 52

Wald- und Fronmüllerstraße. Ihre erste Be­ bauung geht bis auf das Jahr 1895 zurück. „Am 3. Mai (1866) Abends fand wegen der hohen Bierpreise (die Maß kostete acht Kreu­ zer) ein Bierkrawall statt, wobei das Eigenthum mehrerer Bierbrauer beschädigt wurde, bis nach und nach die Landwehr die Ruhe wieder herstellte. Die Bierbrauer gaben in Folge dessen die Maß zu sechs Kreuzer ab." [4]. Dieser Fürther Bierkrawall und eine ver­ suchte Rathaus-Erstürmung am 30. Septem­ ber 1872, die erst durch Nürnberger Militär verhindert werden konnte, lassen in Fürth den Wunsch nach einer Stationierung von Soldaten in der Stadt wach werden. Die Anläufe 1867, 1871 und 1887 scheitern am Nein des Bayerischen Kriegsministeriums, obwohl die Stadt zu erheblichen Zugeständ­ nissen bereit gewesen ist. Erst als noch ein 400 Tagwerk großes Übungsgelände zur Ver­ fügung gestellt wird, lenkt das Kriegsministe­ rium ein: „Anfang des Jahres 1890 setzten die Verhandlungen ein. Man entschied sich aufgrund des zu Rate gezogenen Gamisonsbaubeamten von Nürnberg für die Flößauäcker, wobei das Hauptargument die Nähe und die gute straßenmäßige Anbindung an Nürnberg war, denn die Mitbenützung von Lazarett, Verpflegungseinrichtungen und Übungsplätzen war zu Anfang unumgänglich. Desweiteren stand der sofortigen Bebauung dort nichts im Wege. Der Sand-Kies-Untergrund erwies sich ebenfalls von Vorteil gegen­ über dem lehmigen Boden auf der Hard, da zum einen kein wertvoller Boden, der agra­ risch hätte genutzt werden können, verloren ging, und zum anderen der nahegelegene Übungsplatz bei Regengüssen unbenützbar gewesen wäre." [13]. Man plant bewußt eine Anlage außerhalb der Stadt, um Platz für spätere Erweiterungen zur Verfügung zu haben. Am 11. Juni 1890 überläßt die Stadt Fürth das dreißig Tagwerk große Gelände für 90.000 Mark der Militär­ verwaltung. Straßen- und Eisenbahnan­ schluß richtet die Stadt ein. Bereits nach etwa 100 Tagen ziehen die ersten Soldaten in die schnell zusammengebauten Baracken ein, die bis 1895 durch Steinbauten ersetzt wer­ den. Entsprechend dem damaligen Zeitgeist werden die Einrichtungen für die Offiziere wesentlich aufwendiger gestaltet als die für die einfachen Soldaten. Bis zum Jahr 1900 erweitert man das Areal um die Infanterieka­ serne, das Filialartilleriedepot, das Traindepot und die Trainkaserne. Das 1903 erbaute Offizierskasino an der Sedanstraße (später Steubenstraße) hebt sich durch seinen reinen

Übersicht über die Darby-Kaseme (etwa 1987) 1 2 3 4 5 6

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Funkstation Pfarramt und Kirche Personalbüro für Zivilangestellte PX (Warenhaus) Bowling Büro für Öffentlichkeitsarbeit Möbellager Zahlmeister Wartung der MP-Fahrzeuge Standortkommandant Area Support Team Schulungszentrum Militärpolizei Unterkünfte Tennisplätze

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Fa hrzeugrepara tu r Turnhalle Bibliothek Sozialräume, Friseur Kriminalpolizei Theater Kasino Gericht Tankstelle Führerscheinbüro, Betriebsrat Verwaltung/ Lager Verkauf Militärbekleidung Personalbüro für Soldaten Kindergarten Heizwerk

Jugendstil deutlich von den zweckmäßigen Backsteinbauten im Stil der Gründerzeit ab und steht heute unter Denkmalschutz. Es beherbergt anfangs neben dem Speisesaal auch eine Bibliothek, ein Billard- und ein Raucherzimmer. Die Infanteriekaserne erhält den Namen Sedankaserne, zur Erinnerung an den 2. September 1870, als Napoleon III. im Deutsch-Französischen Krieg in Sedan kapi­ tuliert hat. Die Sedan-Kaserne wird zwischen 1910 und 1914 im Süden erweitert. Damit ist die Bautätigkeit im Wesentlichen abgeschlos­ sen, die damalige Gebäudestruktur ist bis heute erhalten geblieben. Obwohl die Stadt Fürth beim Kaufpreis und bei der Erschließung finanzielle Zuge­ ständnisse gemacht hat, profitiert sie doch

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Kantine Sozialberatung/ .SentineT' Instandhaltungs-Werkstätten Feldausrüstung HQ Base Support Battalion Ankufts- und Abreisezentrum Gerätelager HQ Reserveeinheiten Offiziersunterkunft Kraftfahrzeuge Aufklärungseinheit Schreinerei Zoll/ Spedition Instandsetzung Elektronik AFN

stark von der neuen Garnison. Das Bauge­ werbe und angrenzende Geschäfte, vom Her­ renschneider bis zu den Gaststätten, ziehen Nutzen aus der Kaufkraft der hier stationier­ ten Offiziere und Mannschaften. Die ersten Truppen sind das 1. und das 4. Bataillon des 14. Infanterieregiments. Dieses Regiment ist 1814 vom bayerischen König Max 1. gegrün­ det worden. Bereits 1897 wird es in 21. Infan­ terieregiment umbenannt. Hinzu kommen noch weitere Einheiten, so daß das Regiment am Vorabend des 1. Weltkrieges aus 68 Offi­ zieren, 3.240 Soldaten und 160 Pferden be­ steht. Nach dem Ersten Weltkrieg muß aufgrund der Versailler Verträge die Reichswehr ihre Truppenstärke von 800.000 auf 100.000

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Mann reduzieren. Zahlreiche Garnisonen werden aufgelöst. In Fürth bleiben noch eine Nachrichtenabteilung, ein Fuhrpark und die Abwicklungsstellen der früheren Truppenteile erhalten, insgesamt 545 Mann. Die leerste­ henden Gebäude werden als Wohnungen für die ärmere Bevölkerung und als Werkstätten genutzt, einen Teil der Sedankaserne bezieht die Landespolizei (Schutzpolizei-Kaserne). In der Artilleriestraße erwirbt Gustav Schickedanz 1932 ein 8.000 m2 großes Grundstück und errichtet Fertigungshallen. Mit der Aufrüstung des Dritten Reiches ab 1933 ergreift das Militär wieder Zug um Zug Besitz von den verschiedenen Gebäuden. Zwischen 1935 und 1938 zieht wieder das altbekannte 21. Infanterieregiment ein. Hinzu kommen das Flakregiment 8, eine Minenwer­ ferkompanie und eine Kraftfahrabteilung. In dieser Zeit entsteht auch die langgestreckte Kasernenfront an der Flößaustraße durch ein Zusammenfügen mehrerer Einzelgebäude, die vorher das Eingangsareal der ehemaligen Artilleriekaseme gebildet haben. Außerdem wird in dieser Zeit die Sporthalle hochgezo­ gen. Freiwillige aus der Fürther Garnison nehmen als Mitglieder der Legion Condor 1936 auf der Seite General Francos am spa­ nischen Bürgerkrieg teil. Ebenso sind Wehr­ machtseinheiten aus Fürth am Anschluß Österreichs und dem Einmarsch deutscher Truppen in der Tschechoslowakei im Jahr 1938 beteiligt. Während des Zweiten Weltkriegs fallen auf dem Kasernengelände nur die Schickedanzschen Fertigungshallen einem Bomben­ angriff zum Opfer. Die restlichen Gebäude werden kaum beschädigt, deshalb kann sich bereits am 25. Juli 1945 das 26. Infanterie­ regiment der 1. Infanteriedivision der US-Ar­ mee häuslich einrichten. Als 1948 die Zahl der in Deutschland sta­ tionierten amerikanischen Staaten deutlich abnimmt, denkt die Militärregierung sogar an eine Sprengung der Infanteriekaserne. Die SPD stellt daraufhin im Landtag einen An­ trag, die Gebäudekomplexe für Wohnzwecke zugunsten von Flüchtlingsfamilien freizuma­ chen. Offenbar kann dadurch eine Sprengung verhindert werden. Dagegen jagen die Ameri­ kaner zwischen 1946 und 1948 sechs der neun Fürther Bunker in die Luft, wobei hun­ derte von kostbaren Fensterscheiben zu Bruch gehen, ohne daß den Anwohnern jemand eine Entschädigung zahlt. Anschei­ nend haben die Amerikaner beabsichtigt, alle Überbleibsel der Naziherrschaft restlos zu zerstören.

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In der Sedankaserne selbst verändern die Amerikaner das äußere Erscheinungsbild nur wenig. Erwähnenswert ist der Umbau eines Gebäudes zu einer Kapelle. Ihre Gottes­ dienste halten die Amerikaner in Fürth bis Juli 1947 in der St. Pauls- und der St. Hein­ richs-Kirche ab, dann ziehen sie in das Berolzheimerianum um. Ende 1948 beginnen die Planungen für eine eigene Kapelle in der Sedan-Kaserne. Das ausgewählte Haus ist 1914 errichtet worden und hat ursprünglich der deutschen Kavallerie als Stall für fünfzig Pferde gedient. Später dient es bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges als Ausbildungs­ zentrum und danach nutzen es die Amerika­ ner zuerst als Lagerhaus. Jetzt setzen sie Buntglasfenster ein, ein Kirchengestühl aus Eiche, eine Kanzel und eine Hammondorgel vervollständigen das Interieur, und ein kleiner, spitzer Glockenturm krönt das Ganze. Am 1. Oktober 1949 wird die neue Kapelle in der Darby-Kaserne von Kaplan Major Samuel O. Morreale eingeweiht. Bereits ein halbes Jahr früher, am 29. März 1949 ist der gesamte Kasernenkomplex in „William O. Darby'-Kaserne umbenannt worden. Allerdings dauert es bei den Für­ thern noch Jahrzehnte, bis sie sich an den neuen Namen gewöhnen. Oft wird die Abkür­ zung des zweiten Vornamens Orlando, der typisch amerikanische „initial", mit dem iri­ schen Namensvorsatz O’ verwechselt. Der Namensgeber der Kaserne, Brigadegeneral William Orlando Darby, ist maßgeblich am Aufbau der amerikanischen Ranger-Elitetrup­ pen beteiligt gewesen und im Zweiten Welt­ krieg in Italien gefallen. Nachfolgend eine kurze Biografie [ aus 27]: William Orlando Darby wird am 8. Februar 1911 in Fort Smith, Arkansas, geboren. Nach Absolvierung der West-Point-Akademie beginnt er 1933 seine Offizierslaufbahn als Leutnant bei der Feldartillerie und erhält in den folgenden neun Jahren wechselnde Auf­ gaben zwischen New Mexico und Georgia in den Vereinigten Staaten. Anfang 1942 wird Darby als Adjutant des Kommandeurs der 34. Infanteriedivision nach Nordirland ver­ legt, als die Vereinigten Staaten erstmals England auch mit Truppen unterstützen. Darbys Aufstieg beginnt, als er den Befehl erhält, nach dem Vorbild der britischen Kommandotruppen und der deutschen Fall­ schirmjäger eine vergleichbare amerikanische Eliteeinheit aufzustellen. Darby siebt aus den in Nordirland stationierten US-Soldaten ge­ eignete Kämpfer aus und stellt als Komman­ deur am 19. Juni 1942 das erste Army

Ranger Battalion in Dienst. Obwohl er inzwi­ schen zum Oberstleutnant befördert worden ist, nimmt Darby selbst an der harten Aus­ bildung teil. Einer seiner Männer hat ihn so beschrieben: „Darby war mittelgroß, mit brei­ ten Schultern und schlanken Hüften. Er sprach lebhaft und dynamisch und besaß eine nicht zu beschreibende Ausstrahlung. Es hieß, es ginge im nur um Disziplin, aber tat­ sächlich war er ein Mann, der die wahre Psy­ chologie der Menschenführung kannte." Im November 1942 können Darby und seine Rangers erstmals ihre erworbenen Fähigkeiten unter Beweis stellen, als sie bei der Invasion der Alliierten in Nordafrika vor der eigentlichen Landungsoperation die feind­ liche Artillerie zum Schweigen bringen müs­ sen. Die Rangers lösen ihre Aufgabe einwand­ frei und Darby erhält das „Distinguished Ser­ vice Cross", eine hohe Tapferkeitsauszeich­ nung. Dies nicht zuletzt deshalb, weil er den Angriff persönlich von vorderster Front aus geleitet hat. Später, auf dem sizilianischen Kriegsschauplatz, schlägt Darby einen deut­ schen Angriff zurück, indem er mit einem 37mm-Geschütz einen Panzer abschießt. Da­ für erhält er weitere Auszeichnungen. Bei Kämpfen in Mittelitalien werden in der Folgezeit die Rangereinheiten jedoch regel­ recht „verheizt" und Darby kommt nur durch glückliche Umstände mit dem Leben davon. Im März 1944 werden die Rangers - inzwi­ schen nennt man sie „Darby's Rangers" - auf­ gelöst und Darby erhält den Befehl über ein herkömmliches Infanterieregiment. Wie ein Schock muß für diesem Mann der Tat die Versetzung in den Generalstab nach Wa­ shington im April 1944 gewirkt haben, auch wenn er dabei zu Oberst befördert worden ist. Im März 1945 kann Darby endlich seine Rückversetzung an die Front erreichen. Am 16. April 1945 ersetzt er den verwundeten stellvertretenden Divisionskommandeur der 10. Gebirgsdivision, befehligt aber gleichzeitig noch die „Task Force Darby", die die Speer­ spitze der amerikanischen 5. Armee bei ihrem Vormarsch in Norditalien bildet. Am 30. April 1945 erreichen die amerika­ nischen Truppen den Gardasee. Oberst Darby versammelt gerade seine Offiziere am nördli­ chen Seeufer bei Tarbole zu einer Einsatzbe­ sprechung, als mitten in die Gruppe eine 8,8 cm-Granate einschlägt. Darby und ein weite­ rer Soldat sterben, etliche andere werden verwundet. Nur zwei Tage später kapituliert die Deutsche Wehrmacht in Italien. Der 34 Jahre alt gewordene Darby, dessen Beförde­ rungsurkunde bereits auf Präsident Trumans

Schreibtisch liegt, wird posthum zum Briga­ degeneral befördert und General George S. Patton Jr. sagt über ihn: „Er war der tapferste Mann, den ich kannte."

Der Fürther Standortkommandant im Jahr 1949, Brigadegeneral David L. Ruffner, hat sich bei dem für Darby tödlichen Grana­ teneinschlag in unmittelbarer Nähe aufge­ halten. Als Befehlshaber der Divisionsartil­ lerie hat er sich vorher mit Darby über den weiteren Vormarsch abgestimmt. Dieses Er­ lebnis wird Ruffner bewogen haben, den Für­ ther Kasernenkomplex nach seinem gefalle­ nen Kameraden zu benennen.

Die „Johnson-Barracks" - früher Panzer­ kaserne genannt - wird von der Schwabacher Straße und dem Main-Donau-Kanal im äu­ ßersten Süden Fürths begrenzt und umfaßt 51 Hektar. Die ersten Gebäude sind kurz vor dem Ersten Weltkrieg gebaut worden und haben zuerst einer Maschinengewehrkom­ panie und später einer schweren Artillerie­ einheit des 21. Infanterieregiments als Quar-

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Brigadegeneral William O. Darby

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tier gedient. Zwischen 1920 und 1934 teilt die Panzerkaserne das Schicksal der Sedan­ kaserne als Unterkunft für die ärmere Bevöl­ kerung. In der Nazizeit kommen weitere Ge­ bäude hinzu und die Panzerabteilung 17 zieht ein. Im Jahr 1935 wird der große südli­ che Teil mit den riesigen Lagerhäusern ein­ gerichtet, die als Verpflegungsmagazine für die Wehrmacht im gesamten Nürnberg-Für­ ther Raum dienen. Nach der Übernahme durch die Amerikaner im Mai 1945 wird die Panzerkaserne in Johnson-Barracks um­ benannt. Der Namensgeber, Eiden H. Johnson, ist in Bivalue, New Jersey, zur Welt gekommen, sein Geburtsdatum ist unbekannt. Er tritt in East Weymouth, Massachusetts, in die ame­

rikanische Armee ein und fällt als einfacher Soldat des 15. Regiments der 3. Infanterie­ division am 3. Juni 1944 bei Valmontone in der Nähe Roms in Italien. Obwohl er mit sei­ nen Kameraden in einen Hinterhalt geraten und dem feindlichen Kugelhagel aus nächster Nähe ausgesetzt ist, hat Johnson noch ein Maschinengewehrnest niedergekämpft und trotz vieler Wunden bis zum letzten Atemzug selbst gefeuert, um den Rückzug seiner zwölf Kameraden zu decken. Für diese Tapferkeit vor dem Feind zeichnet man Johnson post­ hum mit der Kongreßmedaille aus [28], einer Ehrung, die nur 434 amerikanische Soldaten während des Zweiten Weltkrieges erhalten haben.

Die Johnson- Kaserne (etwa 1987) 1 2

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Unterkunft Küche und Speise­ saal Hauptquartier PX Turnhalle Instandsetzung TISA (Lebensmittel für Kantine) Troup Support Agency Gefängnis, jetzt Büros Area Support Team RSSA (Büroeinrich­ tungen, Tische, Stühle etc.) Regional Support Service Activity Lagerhaus Base Post Office (Feldpoststelle) DRMO (Heeresgut Verwertungsstelle) Defense Realization & Marketing Office Heizwerk Recyclinghof Abstellplätze Soldatenclub

Die „Monteith-Barracks" liegt auf einer Anhöhe zwischen der Ortschaft Atzenhof und dem Farrnbach im Nord westen Fürths und kann auf eine äußerst interessante Ge­ schichte zurückblicken. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg vollzieht sich in der Luftfahrt der Wandel von der ex­ perimentellen zur kommerziellen Nutzung der neuen Fluggeräte. Der mittelfränkische Raum will nicht zurückstehen und sucht ein geeig­ netes Gelände für diese neumodischen Appa­ rate. Die Wahl fällt auf das Plateau zwischen Unterfarrnbach und Atzenhof, einem Heideund Weidegelände, weil es aufgrund seiner hohen Lage sehr nebelarm ist und in Stadt­ nähe liegt. Durch den Kriegsbeginn 1914 ver­ zögert sich das Projekt, man muß für eine militärische Luftfahrt umdenken. Im Jahr 1916 ziehen die ersten 150 Soldaten in ihre Zelte auf dem noch unbebauten Gelände ein, um den Aufbau einer Militärfliegerschule vor­ zubereiten. Das ganze Fluggelände ist 139 Hektar groß und das Rollfeld mißt 800 mal 1000 Meter. Es ist oval, weil die Flugzeuge damals nur genau gegen den Wind starten und landen können. Als Reaktion auf den Kriegseintritt Ameri­ kas am 6. April 1917 ordnet die deutsche Reichsregierung u.a. einen verstärkten Aus­ bau der Luftwaffe an. Bis Kriegsende entste­ hen deshalb in Atzenhof neun Flugzeughal­ len, eine Großwerft und alle für einen Flug­ platz notwendigen Einrichtungen. Zufahrts­ straßen werden gebaut und ein Anschlußgleis bis zur Würzburg-Fürther Eisenbahnlinie verlegt. Die Fliegerersatzabteilung II bildet monat­ lich etwa 100 neue Flugzeugführer aus. Noch im Juni 1918 registriert man 4.107 Flüge und bei Kriegsende im November 1918 sind 186 Flugzeuge in Atzenhof stationiert. Die große Flugzeugwerft stellt eines der ganz wenigen architektonischen Zeugnisse aus den Anfängen der deutschen Luftfahrt dar. Der Versailler Vertrag fordert 1919 die Zerstörung edler deutschen Flughäfen. Es gelingt trotzdem, Atzenhof für die stark wach­ sende Zivilluftfahrt zu erhalten. Allerdings müssen sieben Flugzeughallen abgerissen werden. Ab 1921 fliegen die alten, zur Perso­ nen- und Paketbeförderung umgebauten Mili­ tärmaschinen den neuen Flughafen FürthNürnberg an. Im ehemaligen Offizierskasino richtet man ein Restaurant ein, Toiletten für die Fluggäste gibt es erst ab 1925 und die zum Flughafen führende Vacher Straße ist immer noch unbefestigt und manchmal sehr schlammig.

Bis zur Weltwirtschaftskrise wächst der Flughafen zum achtgrößten des Deutschen Reiches empor. Die Junkers-Flugzeugwerke betreiben eine eigene Werft auf dem Gelände und Fürth-Atzenhof wird neben MünchenOberwiesenfeld zur Luftdrehscheibe im süd­ deutschen Raum. Der Niedergang beginnt 1928, als die Junkerswerke ihre Werft nach Leipzig verlegen, die Stadt Fürth ihre finan­ ziellen Mittel, die der Flughafen dringend zum Erhalt benötigt hätte, in das neue Kranken­ haus auf der Schwand steckt, und die Stadt Nürnberg einen eigenen Flughafen am für sie näher gelegenen Marienberg plant. Als dieser am 20. August 1933 eröffnet wird, verbleibt für Fürth nur die Sportfliegerei. Doch der Nationalsozialismus wirft bereits seine Schat­ ten voraus. Die Militärs, die die Wiederaufrü­ stung Deutschlands planen, haben ihr Auge auf das Areal geworfen. Im Jahr 1934 werden die beiden großen, baugleichen Hangars, als Sporthallen getarnt, gebaut und weitere Kasemengebäude errichtet. Der Kommandant erhält ein Wohnhaus gegenüber der Kaser­ nenausfahrt. Der „Fliegerhorst Fürth" ist entstanden, verschiedene Flugzeugführerschulen ziehen ein. Da das große Atzenhofer Rollfeld eine Grasoberfläche aufweist, wird der Flieger­ horst (im Gegensatz zu den Einrichtungen der Flugzeugreparaturwerft Bachmann & v. Blumenthal auf der Hardhöhe) im Zweiten Weltkrieg kaum angegriffen. Als am Tag der deutschen Kapitulation am 8. Mai 1945 viele deutsche Flieger versuchen, noch schnell zu ihren Heimatflughäfen zurückzukehren, wer­ den sie von den alliierten Flugzeugen zur Landung auf dem nächstgelegenen Flugplatz gezwungen. Dabei geht es auch in Atzenhof sehr hektisch zu. Etwa zwanzig deutsche Flugzeuge landen, zumeist Mel 09 und FW 190, die Piloten und ihr manchmal in das winzige Funkabteil der Jagdmaschinen hin­ eingezwängter Passagier werden gefangen­ genommen und entwaffnet. Die meisten der in Atzenhof versammelten deutschen Flug­ zeuge werden verschrottet, die Reste vermut­ lich in das tiefer gelegene Geländestück im Norden des Areals geworfen, von Bulldozern nochmals zerkleinert und mit Erde bedeckt. Nach der Kapitulation Fürths im April 1945 befindet sich die lOth Photo Group der US Air Force, eine Aufklärungseinheit, auf dem Gelände. Bei den Amerikanern heißt der Flugplatz zuerst „Furth Air Base" und am 11. Mai 1949 wird er in Monteith-Barracks um­ benannt (andere Quellen nennen den 30. Mai 1952). Jimmie W. Monteith Jr., hat am 1. Ju­ 57

li 1917 in Low Moor, Virginia, das Licht der Welt erblickt. Er fällt am 6. Juni 1944 bei Colleville-sur-Mer in der Normandie als Ober­ leutnant des 16. Regiments der 1. Infanterie­ division. Am Invasionstag organisiert er den Angriff in seinem Kampfabschnitt und setzt sich dabei auf dem offenen Strand dem feindlichen Feuer aus. Zu Fuß vorausgehend, dirigiert er außerdem zwei Panzer durch ein Minenfeld. Dann erobert Monteith mit seinen Leuten eine wichtige Hügelstellung, wobei er wiederum keine Rücksicht auf den Kugelha­ gel nimmt. Oberleutnant Monteith fällt, als es den Deutschen nach mehreren abgewehrten Gegenangriffen gelingt, seine Einheit einzu­ schließen. Für seine Tapferkeit erhält Jimmie W. Monteith posthum die Kongreßmedaille. Die Amerikaner nehmen in den folgenden Jahren an den Gebäuden der Monteith-Ka­ serne nur wenige Veränderungen vor. Eine der Flugzeughallen aus dem Jahr 1917 wird abgerissen und die Fassade der Werft wird vereinfacht. Leider fallen dieser Umbaumaß­ nahme auch die originalen Lichtschächte zum Opfer. Die Flughafenbahn wird 1946 wiederhergestellt. Insgesamt bleibt aber die Bausubstanz durch die Nutzung und Pflege der amerikanischen Streitkräfte erhalten. Im Juni 1952 entfernen die Amerikaner in der Monteith-Kaserne die Locheisenplatten der früheren Startbahn, die sie nach dem Krieg verlegt haben, und legen ein 850 Meter lan­ ges asphaltiertes Rollfeld an. Es ist aber glücklicherweise - nur für kleinere Maschinen geeignet, deshalb findet der Atzenhofer Flug­ platz bei späteren Verlegungsplänen ameri­ kanischer Flugzeugstaffeln keine Berücksich­ tigung. Im April 1948 eröffnen die Amerikaner auf dem „Furth Air Field" ein Übungslager, in dem die Soldaten in einwöchigen Trainings­ einheiten ihre Grundkenntnisse in Erster Hilfe, in Waffenkunde und im „Griffeklopfen" auffrischen können. Im September 1949 legen sie in der Monteith-Barracks drei neue Schießbahnen für das Wintertraining der Männer vom 16. Infanterieregiment an, eine 50 Yards lange Pistolenbahn mit vier Stän­ den, eine 100 Yards lange Karabinerbahn mit drei Ständen und eine 1.000 Yards lange Maschinengewehrbahn. Das Gelände wird von den Amerikanern in den Nachkriegsjah­ ren intensiv genutzt, zumal es sich um den einzigen intakten Flughafen der Region han­ delt. Beispielsweise sammelt die US-Army die Ausrüstung von General Pattons 3. Armee aus den Tagen des Zweiten Weltkrieges in der 58

Furth Air Base. Im Jahr 1947 beginnen sie mit dem Abtransport dieser Waffen und Ver­ sorgungsgüter mit einem Gesamtgewicht von etwa 3.500 Tonnen und im August 1948 kön­ nen sie stolz melden, daß die letzte Kiste ver­ laden worden ist. Zahlreiche Besucher der Nürnberger Pro­ zesse landen auf dem Atzenhofer Flugplatz, so etwa der kanadische Premierminister Mackenzie King und der amerikanische Kriegsminister Robert P. Patterson. Für Auf­ regung auf dem Flugplatz sorgt am 19. Au­ gust 1949 eine von der holländischen Regie­ rung gecharterte Douglas DC-3, die wegen Motorproblemen auf dem „Furth Air Field" landet. Die 22 holländischen Passagiere wer­ den verköstigt und können am nächsten Tag ihre Reise fortsetzen. Die ersten fünf Jahre deutsch-amerikani­ schen Kontakts sind abgeschlossen. Wie sieht die Bilanz nach diesen ereignisreichen Jahren zwischen 1945 und 1949 aus? Ende 1945 sind viele Amerikaner der Meinung gewesen, daß die wichtigsten Angelegenheiten auf den Kriegsschauplätzen erledigt wären. Europa ist ebenso befreit worden wie Asien, Deutschland und Japan sind besiegt und entwaffnet. Die wichtigsten Kriegsverbrecher sind gefaßt worden oder umgekommen und die bedeu­ tendsten Wissenschaftler sind in die Vereinig­ ten Staaten „eingeladen" worden. Das Inter­ esse der amerikanischen Öffentlichkeit wen­ det sich nach Kriegsende wieder dem eigenen Land zu, da einer Rückkehr der amerikani­ schen Truppen bald nichts mehr im Wege zu stehen scheint. Doch weit gefehlt, bereits Ende der vierziger Jahre ruft der beginnende Kalte Krieg eine Kette von Problemen hervor, die die Amerikaner noch weitere 45 Jahre an Deutschland binden und sie immer wieder mit Schlagzeilen aus diesem Land konfrontie­ ren werden. Die Umwälzungen in Deutschland bis 1950 werden im Vergleich zur Vorkriegs- und Kriegszeit hauptsächlich durch den Wegfall der Naziherrschaft, den Krieg und seine Fol­ gen und durch den anstrengenden Wieder­ aufbau beeinflußt. Die wirtschaftliche Unter­ stützung durch die USA in der Nachkriegszeit spielt eine zwar wichtige, aber keine domi­ nante Rolle. Als gelungen kann die Reorgani­ sation des deutschen Pressewesens durch die Amerikaner in ihrer Besatzungszone betrach­ tet werden. Der Einfluß der Militärregierun­ gen auf die Verwaltungsbehörden ist meßbar, wird aber mit fortschreitender Zeit immer

Die Monteith-Kaserne (etwa 1987) 1 2 3 4 5 6 7

Unterkunft Jur Offiziere Unterkünfte Krankenreuier Offizierskasino Kfz-Reparatur Golf Clubhaus Recreation Center, Turn­ halle, Snackbar 8 Hauptquartier 9 Lagerhaus (Büromat.) 10 PX, Friseur, Bank, Bibliothek 11 Speisesaal 12 HQ Transportbataillon 13 Kfz-Werkstatt, ABCAbwehr, später Bowling 14 Panzerwaschplatz 15 Speisesaal 16 Telefonzentrale 17 Post Engineers Büro 18 Kfz-Reparatur 19 Lagerhalle Kfz-Ersatzteile 20 Batterieladestation 21 Kfz-Reparatur 22 Abstellplätze 23 Kapelle 24 Lagerhaus/ Helicopter & Flight Control 25 Sportplatz 26 Schule und Kindergarten 27 Driuing Range 28 Lagerschuppen für Golfplatz-Pftegegeräte

mehr durch „typisch deutsche" Regelungen verdeckt. Trotzdem legt der enge Kontakt zwischen Deutschen und Amerikanern in diesen ersten Jahren den Grundstein für die weiteren Beziehungen. Die Bewohner der „Neuen Welt", repräsentiert durch die USA, kommen zwar ursprünglich aus rein militärischen Gründen über den Atlantik. Doch sie bringen ihre Begeisterungsfähigkeit, ihre Wirtschafts­ kraft, ihre Lebensweise und ihr Demokratie­ verständnis nach Europa und vor allem nach Deutschland und sie beeinflussen, zuerst als Eroberer und Besatzungsmacht, später als Verbündete und Freunde, die deutsche Lebensweise. Durch die wirtschaftliche und politische Abhängigkeit von der Besatzungs­ macht und die sich daraus ergebenden Kon­ takte lernen die Deutschen viele amerikani­ sche Verhaltensweisen und Lebensgewohn­ heiten kennen und übernehmen sie teilweise. Dies zieht sich durch alle Bereiche des tägli­ chen Lebens, von den andersartigen Lebens­ mitteln und Eßgewohnheiten, den aggressive­

ren Werbemethoden, den swing-vollen Tanz­ rhythmen bis zur Ausbildung an Schule und Universität. Am wichtigsten ist jedoch die Erkenntnis, daß - trotz der Erfahrungen wäh­ rend der Weimarer Republik - ein demokrati­ sches System lebensfähig und vorteilhaft sein kann. Die Amerikaner leben dieses System vor und gehen die großen Nachkriegsproble­ me in Deutschland mit dem ihnen eigenen Elan und Optimismus an. Damit schaffen sie die Basis für die guten Beziehungen zwischen Deutschland und den USA, wie sie heute noch bestehen. Die Fürther erleben die Eroberung durch die Amerikaner und die ersten Jahre unter der Besatzungsmacht wie andere deutsche Städte auch. Die besondere Situation ent­ steht erst, als mit der stärkeren Bedrohung aus dem Osten klar wird, daß das amerika­ nische Militär länger in Fürth bleiben wird. Fürth muß sich auf das Zusammenleben mit mehr als 10.000 Amerikanern in seinen „Mauern" einrichten.

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Die Amerikaner werden in Fürth seßhaft Lösung des Wohnungsproblems Mit der Verkündung des Grundgesetzes im Mai 1949 wird die neugeschaffene Bundes­ republik nur teilweise ein selbständiger Staat. Das gleichzeitig in Kraft gesetzte Besatzungs­ statut sieht für die drei Westalliierten weitrei­ chende Einspruchsmöglichkeiten vor, schwerpunktmäßig in der Außenpolitik. Die Formulierung des Statuts ist sehr streng gehalten, um einerseits die Zustimmung der Franzosen zu diesem Papier zu erreichen und andererseits auf die Deutschen bei ihren ersten Schritten zu einer neuen Demokratie besser aufpassen zu können. Allerdings lockert sich die Besatzungspolitik bereits 1950, als das europäische Armeehauptquar­ tier der Amerikaner bekanntgibt: „Es beste­ hen Gründe für gute Beziehungen zwischen Amerikanern und westlichen Deutschen: die Ersteren sind hier, um die Arbeiten einer fai­ ren Demokratie zu veranschaulichen, wäh­ rend die Letzteren ehrlich versuchen, eine solche Demokratie aufzubauen. Gegenseitiges Verstehen und freundschaftliche Beziehun­ gen sind dabei wesentlich." Die auf deut­ schem Boden stationierten Truppen der Alli­ ierten sollen alle inzwischen kommunistisch regierten Länder Osteuropas daran hindern, unter der Führung der Sowjetunion ihren Machtanspruch nach Westen auszudehnen. Außerdem soll die stete Präsenz der Sieger­ mächte jegliches deutsche Streben nach Rückkehr zu nationalsozialistischen Ideen unterbinden. Das Schlüsselereignis dieser Epoche zwi­ schen 1950 und 1955 ist der Koreakrieg, der Mitte 1950 ausbricht. Die Sowjetunion, erst kurz vorher ebenfalls zur Atommacht aufge­ stiegen, läßt zusammen mit China durch den nordkoreanischen Angriff auf Südkorea den Verteidigungswillen des Westens testen. Mit großem militärischen Aufwand drängen die USA, zusammen mit fünfzehn anderen Natio­ nen, die Invasoren bis an den 38. Breitengrad zurück und stellen im Juli 1953 den Frieden wieder her. Für die neugeschaffene Bundes­ republik hat dieser entfernte Krieg insofern Auswirkungen, als ein neutraler Status zwi­ schen zwei sich am Rande des Krieges befindlichen Bündnissystemen nicht mehr möglich ist. Die in Europa stationierten US-Soldaten sind allein nicht in der Lage, eine befürchtete sowjetische Invasion aufzuhalten, obwohl ihre Zahl von 79.500 im Jahr 1950 auf

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356.800 im Jahr 1955 anwächst (davon je­ weils etwa zwei Drittel in Deutschland [26]). Unter der ständigen Ermunterung der USA, die gleichzeitig die verständlichen Ängste Frankreichs besänftigt, „driftet" die Bundes­ republik, geführt von Kanzler Adenauer, ins westliche Bündnissystem. Eingeschlossen in diese Bewegung ist eine bereits seit 1949 diskutierte Wiederbewaff­ nung Westdeutschlands. Am 27. Februar 1955 billigt der Deutsche Bundestag die Pari­ ser Verträge, die die Bundesrepublik zum souveränen Staat erklären und das Besat­ zungsstatut der Westalliierten beenden. Damit übernimmt auch der Bund die Verant­ wortung über alle Angelegenheiten, welche die Stationierung ausländischer Truppen in der Bundesrepublik betreffen. Insbesondere werden die Liegenschaften, die von den Ame­ rikanern benutzt werden, von den Behörden des Bundesfinanzministeriums übernommen. Im Frühjahr 1955 tritt die Bundesrepublik Deutschland der NATO bei. Die vorher erwähnte Zunahme der Zahl der amerikanischen Soldaten in diesem Zeit­ raum zwischen 1950 und 1955 führt zu Irri­ tationen in der deutschen Bevölkerung. Diese sieht sich trotz neugewonnener innen- und außenpolitischer Teilsouveränität wieder der fünffachen Anzahl an „Besatzungssoldaten", verglichen mit 1949, gegenüber. Etwa 27.500 Anwesen sind 1951 von den amerikanischen Streitkräften beschlagnahmt. Andererseits schützen diese Soldaten der Nuklearmacht USA die Bundesrepublik vor der offensichtli­ chen Bedrohung durch die Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten, die DDR eingeschlos­ sen. Zudem werden jetzt die amerikanischen Soldaten, die nach Deutschland versetzt wer­ den, durch gezielte Kulturprogramme und Einführungskurse der US-Regierung auf ihren Aufenthalt vorbereitet. Das führt zu einem besseren Kontakt mit der Bevölkerung und damit zu einer größeren Akzeptanz, was auch der amerikanische Journalist Jim G. Lucas bestätigt, der im Dezember 1955 Fürth besucht: „Die amerikanischen Soldaten hal­ ten sich von allen ausländischen Ländern am liebsten in der Bundesrepublik auf. Hier fin­ den sie in der Bevölkerung Aufgeschlossen­ heit und Entgegenkommen, wie es in keinem anderen europäischen Land möglich ist". Aus den amerikanischen Besatzungssoldaten sind Waffenbrüder geworden. Die Beziehung Fürth-Amerika weist in den Jahren 1950 bis 1955 zwei Schwerpunkte auf: das Wohnungsproblem und die „Off

Limits'-Diskussion. Die zunehmende Gewalt­ tätigkeit der amerikanischen Soldaten, die Fürth zu einer „Sündenstadt" abstempelt und die die Fürther Altstadt zur „Off Limits"-Zone für die Soldaten macht, kommt erst gegen Ende dieser Periode, etwa 1954, an die Ober­ fläche. Beginnen wir also mit dem Problem der Wohnungsbeschaffung für die in Fürth und Umgebung stationierten Amerikaner. Die Beschlagnahmung von Wohnungen, Häusern und öffentlichen Gebäuden in Fürth nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ist das Recht des Siegers gewesen und niemand hat es anstößig gefunden, daß die amerikani­ sche Armee die Unterbringung ihrer Soldaten und deren Angehörigen auf diese Weise vor­ genommen hat. Viele Hausbesitzer mußten 1945 ihre Häuser Hals über Kopf verlassen. In den Räumen leben jetzt Amerikaner, die die gesamte Hauseinrichtung und den Garten nutzen und mehr oder weniger als ihr Eigen­ tum betrachten. Die deutschen Hauseigen­ tümer, die sich in Fürth im „Verein der Besatzungsgeschädigten" zusammengeschlos­ sen haben, dürfen weder Haus noch Garten betreten. Erst 1952 können sie - auf Antrag das überzählige Obst ihres Gartens bean­ spruchen. Und noch im August 1954 wird

das Ernten des über-zähligen Obstes nur erlaubt, .... wenn die Sicherheit und das Wohlergehen der amerikanischen Streitkräfte nicht beeinträchtigt wird." Die amerikani­ schen Hausherren bauen je nach Lust und Laune die besetzten Häuser um oder aus, ohne daß die Eigentümer widersprechen kön­ nen, wobei der von den Amerikanern bevor­ zugte Ölfarbanstrich in den Zimmern noch von der eher harmlosen Art ist. Während die Fürther behaupten, der Ölfarbanstrich sei für das Mauerwerk schädlich, zeigt ein amerika­ nisches (!) Gutachten dessen Ungefährlichkeit auf - auch den Streit um Gutachten hat es damals schon gegeben. Für die besetzten Wohnungen wird eine niedrige Miete, „Nutzungsentschädigung" ge­ nannt, bezahlt. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß die Eigentümer Gut­ achten zum Zwecke der Erhöhung dieser Nutzungsentschädigung einholen können. Wenn der Erhöhung zugestimmt wird, ver­ ständigt jedoch das Besatzungskostenamt das Finanzamt, das dann eine Steuernach­ zahlung für die höheren Einnahmen verlan­ gen kann. Und das ist bereits 1953 passiert, ohne Computer und Datenschutz.

Die Häuser der amerikanischen Wohnsiedlung an der Jakob-Wassermann-Straße durchschneiden die Kleingärten. 61

In Fürth werden 1950 endlich die diskri­ minierenden Tafeln entfernt, die an allen besetzten Gebäuden, vor allem auch an Pri­ vatwohnungen der Amerikaner, befestigt gewesen sind. Aufschriften wie „Für Deutsche verboten", „Nicht für Deutsche" oder „Eintritt für Deutsche verboten" haben an Deutlichkeit nicht zu wünschen übrig gelassen. Eine Frei­ gabe der besetzten Räume scheint absehbar, da die Amerikaner sich zu diesem Zeitpunkt offensichtlich ganz aus Deutschland zurück­ ziehen wollen. Der deutsche Wohnungsbau ist bis zum Anfang der fünfziger Jahre erst langsam in Schwung gekommen und aus Fürther Sicht gibt es noch einen großen Wohnungsengpaß in der Stadt. Immer noch leben viele Flücht­ linge unter nicht zumutbaren Verhältnissen in Baracken, in Kellern und - wie wir später noch sehen werden - in notdürftig abgedich­ teten Gartenhäusern. Wegen des Korea­ krieges und dem sich verschärfenden Kalten Krieg stationieren jetzt die Amerikaner auch in Fürth wieder mehr Soldaten und durch die NATO-Allianz zwischen der jungen Bundesre­ publik und der USA wird sich diese Zahl auf

längere Zeit auf hohem Niveau stabilisieren. Für diese Soldaten müssen Unterkunftsmög­ lichkeiten geschaffen werden. In den näch­ sten fünf Jahren wird in der Fürther Süd­ stadt eine der größten amerikanischen Housing-Areas außerhalb Amerikas entstehen, was nicht ohne Auseinandersetzungen vor sich geht. Wie sieht die amerikanische Armee die Situation zu Beginn der fünfziger Jahre? Deutschland ist ein besiegtes, besetztes Land, das mit amerikanischer Hilfe vor dem Kom­ munismus geschützt werden soll. Das Besat­ zungsstatut gibt der Armee das Recht, Gebäude und Land zu beschlagnahmen, wenn es im Interesse der Vereinigten Staaten liegt. Der Wohnungsbedarf der Amerikaner erhöht sich zusätzlich, als die Washingtoner Strategen feststellen, daß ein langer Aus­ landsaufenthalt für ihre Soldaten erträglicher ist, wenn sie ihre Familien in der Nähe ihrer Arbeitsstätte wissen. Neben den offiziellen Familienzusammenführungen über die Mili­ tärdienststellen gibt es für die Soldaten bis Mitte 1953 auch noch die Möglichkeit, die Familie auf eigene Rechnung nach Fürth zu holen und für sie eine Wohnung auf dem

Die Kalb-Housing (etwa 1987) 1 2 3 4 5

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PX (Warenhaus) Turnhalle Sportplatz Commissary (Supermarkt) Children Development Center

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8 9 10

Quartier für Offiziersanwärter Schulzahnstation Tankstelle und Servicestation Waschsalon Kalb-Klub und Shopette

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Kino („Theater") Kindergarten Kalb Elementary School Nürnberg Elementary School High School

freien Markt zu suchen. Dabei blockieren die mit (damals) harten Dollar ausgestatteten und deshalb gern gesehenen Mieter zusätzli­ chen Wohnraum. Und schließlich achten die amerikanischen Behörden zuerst auf ihre eigenen Interessen. Das bedeutet, daß sie lieber einige beschlagnahmte Häuser in Fürth leerstehen lassen, wenn die Ankunft weiterer amerikanischer Familien absehbar ist, an­ statt die Häuser zurückzugeben. Im Gegen­ satz dazu fällt den beengt lebenden Fürthern jedes über Wochen oder Monate leerstehende Haus sofort auf und sie beschweren sich postwendend über die Verschwendung. Eine komplizierte Militärhierarchie der Amerikaner, die zwischendurch auch sich widersprechende Befehle zustandebringt, erleichtert nicht gerade die Verhandlungen über die beschlagnahmten Wohnungen. Das führt beispielsweise dazu, daß heute die Frei­ gabe eines Hauses versprochen und sie mor­ gen widerrufen wird. Es gibt verschiedene Dienststellen, die alle am Beschlagnahmungs- und Freigabeprozeß von Wohnraum beteiligt sind, wie das europäische Militär­ oberkommando in Heidelberg (EUCOM European Command, später USAREUR) und den Hochkommissar für Deutschland (H1COG), die Militärdienststelle des „Nürn­ berg Post" und den „Resident Officer" in Fürth, den Chef der hiesigen Militärregierung. Im Folgenden ist deshalb nur von „den Amerikanern" die Rede, da die jeweils ver­ antwortliche Armeestelle nicht genau ermit­ telt werden kann. Hinzu kommt, daß die zu­ ständigen amerikanischen Offiziere häufig wechseln und die oft nur mündlich getroffene Abmachungen dann hinfällig sind. Es darf nicht übersehen werden, daß in den amerikanischen Dienststellen zur Bear­ beitung der Wohnungsangelegenheiten manchmal deutsche Sachbearbeiter beschäf­ tigt sind, die mit deutscher Pflichterfüllung, aber ohne die amerikanische Flexibilität arbeiten und stur auf den Vorschriften behar­ ren. Es werden umgekehrt jedoch auch Fälle bekannt, wo die Flexibilität dieser Sachbear­ beiter dazu ausreicht, Bestechungsgelder für eine beschleunigte Bearbeitung von Hausfrei­ gaben einzustecken. In einem besonders krassen Fall kassiert ein deutscher Angestell­ ter des amerikanischen Grundstücksamtes Erpressungsgelder von Firmen, um ihnen die reibungslose Abwicklung ihrer finanziellen Forderungen zu ermöglichen und bietet gleichzeitig auch noch Zigaretten, Kaffee und Armbanduhren aus Armeebeständen zum Verkauf an.

Als sich die Wohnungssituation 1955 et­ was entspannt, entstehen die ersten Miet­ verhältnisse auf freiwilliger Basis zwischen den Fürthern und den Soldaten. Manche Wohnungseigentümer ziehen nicht wieder selbst in das freigegebene Haus, sondern vermieten es - zu einem höheren Mietpreis wieder an Amerikaner, die nicht in der „Housing" leben wollen. Wegen des Mangels an Wohnungen ist es unbedingt erforderlich, für die zusätzlichen amerikanischen Soldaten in Fürth neue Wohnungen zu errichten. Bereits im Novem­ ber 1949 unterrichten die Amerikaner die Fürther Stadtverwaltung von ihren Haus­ bauplänen. Da die Amerikaner aus verständ­ lichen Gründen an einem Gelände in der Nähe der bestehenden Kasernen interessiert sind, kommt nur das Areal um die spätere Fronmüllerstraße in Frage. Dort haben sich seit 1912 etliche hundert Kleingärtner, zu­ sammengeschlossen in mehreren Vereinen, auf ihren Parzellen häuslich eingerichtet. Ist die Kleingärtnerei sowieso schon ein deut­ sches Heiligtum, kommt ihr in der Mangelzeit nach dem Krieg eine noch weit größere Bedeutung zu. Die Gärten bilden nicht nur ein Erholungsrefugium, eine Freizeitbeschäf ­ tigung und einen Ort der Begegnung. Sie lie­ fern vielen Familien billiges Obst und Gemü­ se; ja etlichen sind sie sogar zur einzigen Unterkunft geworden. Diese Gärten liegen fast alle im geplanten Bebauungsgebiet für die amerikanische Sied­ lung und müssen nach und nach den einzel­ nen Bauabschnitten weichen. Der Kampf der Kleingärtner um ihre Scholle wird uns die fünf Jahre zwischen 1950 und 1955 beglei­ ten. Oft müssen die Kleingärtner ihr Grund­ stück innerhalb weniger Tage räumen und, was besonders „grausam" ist, ihre Hütten selbst abreißen und die Bäume zersägen. Meistens verzögert sich anschließend der Baubeginn und die Grundstücke liegen noch monatelang brach. Außerdem warten die ver­ triebenen Kleingärtner oft lange Zeit auf das von der Stadt versprochene Ersatzland und die vom Staat zugesagten Entschädigungen. Es gibt während der Bauphase der ameri­ kanischen Wohnsiedlung drei Interessen­ gruppen, die völlig unterschiedliche Ziele verfolgen. Einerseits die bereits vorher er­ wähnten amerikanischen Militärbehörden, die ihre Soldaten möglichst schnell unter­ bringen wollen. Außerdem die Besatzungs­ geschädigten, die unter ihrem langjährigen Vorsitzenden Ferdinand von Vopelius immer 63

wieder Druck auf die Amerikaner und die Fürther Stadtverwaltung ausüben. Sie sind ebenfalls an einer schnellen Entstehung der Wohnsiedlung interessiert, da sie hoffen, daß dadurch ihre besetzten Häuser eher freige­ geben werden. Allerdings wird sich heraus­ stellen, daß die Amerikaner die fertiggestell­ ten Wohnungen zuerst mit neu eintreffenden Soldaten und mit solchen, die in besetzten Häusern in der gesamten Region gewohnt haben, belegen. Deshalb wird es noch Jahre dauern, bis die Entlastung durch die Neu­ bauten auf die besetzten Wohnungen in Fürth durchschlagen wird. Die dritte Gruppe sind die Kleingärtner, die versuchen, neben einem vergleichbaren Ersatzgelände auch eine finanzielle Entschädigung für ihre bisher geleistete Arbeit zu erhalten. Die Fürther Stadtverwaltung, bei den Ver­ handlungen meistens vertreten durch Ober­ verwaltungsdirektor Georg Janischowsky, sitzt sozusagen zwischen den Stühlen. Sie besitzt, zumindest bis zur vollen Souveränität der Bundesrepublik 1955, wenig Handlungs­ spielraum gegenüber den Amerikanern und sieht in der Ansiedlung einen immensen Wirtschaftsfaktor, den es zu fördern gilt. An­ dererseits darf sie nicht das Wohl ihrer Bür­ ger, in diesem Fall also das der Besatzungs­ geschädigten und der Kleingärtner, außer acht lassen.

Im Februar 1950 werden zuerst die 164 Kleingärtner nördlich der Fronmüllerstraße, zwischen Magazin-, Dr.-Frank- und Schwa­ bacher Straße, informiert, daß ihr Gelände beschlagnahmt ist. Weitere Aufregung löst vier Wochen später der Plan der Amerikaner aus, den ersten Bauabschnitt auf 21 Häuser zu erweitern und in insgesamt vier Bauab­ schnitten 45 Häuser aufzustellen, wobei die Stadt innerhalb von zwei Tagen (!) das in Frage kommende Gelände benennen muß. Damit sind weitere 400 Kleingärten südlich der Fronmüllerstraße gefährdet und auf die Stadt kommen geschätzte zwei Millionen Mark Erschließungskosten zu. Bereits im April 1950 sind die vermeintlich endgültigen Pläne der Amerikaner bekannt, die von insgesamt 700 bis 800 Wohnungen ausgehen, denen etwa 750 Kleingärten zum Opfer fallen würden. Schon am 17. des Mo­ nats beginnen die Ausschachtungsarbeiten für den inzwischen auf 27 Häuser erweiterten ersten Bauabschnitt. Neben den dreizehn Häusern zwischen Fronmüller- und Dr.Frank-Straße legen die Bauarbeiter die Fun­ damente für weitere vierzehn Häuser zwi­ 64

schen der neugeschaffenen Jakob-Wasser­ mann- und der Schwabacher Straße. Der entlang der Fronmüllerstraße verlaufenden Diebsgraben verschwindet in einen unterir­ dischen Betonkanal. Erfreulich ist, daß mit den Firmen Schönwasser und Röllinger zwei Fürther Unternehmen an den umfangreichen Bauvorhaben beteiligt sind. Da zeitweise mehr als 1.500 Arbeiter mit Hand anlegen, können am 5. Juli Oberbürgermeister Dr. Bornkessel und General Ruffner bereits das Richtfest feiern. Im Dezember 1950 sind die ersten 84 Wohnungen bezogen. Interessant ist der Vorschlag der Besatzungsgeschädig­ ten, die Grundrisse der meist 90 bis 100 Quadratmeter großen Wohnungen so zu gestalten, daß man sie später (also bei einem Abzug der Amerikaner) in zwei bis drei klei­ nere Wohneinheiten aufteilen könne. Selbst der Bundestag erörtert diesen Vorschlag, letztendlich wird er aber nicht berücksichtigt.

Im März 1951 geben die Amerikaner wei­ tere Pläne bekannt, die von insgesamt 95 Wohnblöcken und einer Verbesserung der Infrastruktur durch eine Schule und eine Kirche ausgehen. Wieder protestieren die Kleingärtner, die besonders empört über die Tatsache sind, daß bisher nur für 24 von ihnen Ersatzland bereitgestellt worden ist. Außerdem haben sie immer noch keine Ent­ schädigung erhalten, für die jedoch das Be­ satzungskostenamt zuständig ist. Die Stadt Fürth streckt das Geld großzügigerweise vor. Wie der Verfahrensweg bei der Grundstücks­ frage durch die Amerikaner abläuft, zeigt das folgende Zitat aus den „Fürther Nachrichten" vom 13. April 1951: „Verwaltungsdirektor Janischowsky teilte mit, daß er am vergan­ genen Dienstag, 10. April, zum Resident Officer von Fürth gebeten wurde, wo ihm das Projekt des neuen amerikanischen Schul­ baues mit einer Reihe von Nebengebäuden vorgelegt wurde. Die Härte liegt vor allem darin, daß die Kleingärtner, die nun bereits zum Teil gesät, gesteckt und die ersten Frühjahrsvorbereitungen getroffen haben, kurzfristig bis zum Donnerstag, 19. April, ihre gesamten Gärten abgeräumt haben müs­ sen. An diesem Tag beginnt bereits der erste Bauabschnitt, der zweite Abschnitt wird am 10. Juni und der dritte am 15. August in Angriff genommen. Das gesamte Gelände von 260 Metern Länge und 240 Metern Breite in einer Gesamtfläche von etwa 62 bis 63.000 Qua­ dratmetern gilt ab sofort als beschlagnahmt." Weitere 400 Kleingärtner sind von dieser

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Maßnahme betroffen. „Das goldene Zeitalter der Kleingartenbewegung ist erschüttert!" ruft Stadtrat Wenzel Dirscherl als 2. Vorsitzender der „Arbeitsgemeinschaft Fürther Kleingärt­ ner" unter dem Beifall der Mitglieder aus. Die Amerikaner gewähren „großzügig" einen Auf­ schub bis zum 2. Mai und die Gärtner begin­ nen damit, ihre Hütten abzureißen, die Beerensträucher auszugraben und die in vol­ ler Blüte stehenden Obstbäume abzuholzen. Als sich die Kleingärtner nach getaner Arbeit den Schweiß von der Stirn wischen, teilen die Besatzungsbehörden lakonisch mit, daß fünfzig der Gärten erst im Herbst benötigt werden. Während der Baumaßnahme für das ame­ rikanische Schulhaus ereignet sich am 18. Juni 1951 ein Unfall, als die Verschalung eines sechs Meter tiefen Grabens bricht und zwei deutsche Arbeiter verschüttet werden. Mehr als hundert Männer, Deutsche und Amerikaner, graben nach den Verschütteten, die wie durch ein Wunder fast unverletzt geborgen werden können. Was die Amerika­ ner besonders beeindruckt, ist der erste Wunsch eines der Geretteten: „Gebt mir eine Flasche Bier". Am 4. Januar 1952 wird das amerikani­ sche Schulhaus an der Fronmüllerstraße nach achtmonatiger Bauzeit eröffnet und nach Johann Georg Kalb benannt, über den bereits im ersten Kapitel berichtet worden ist. Später nennt man die gesamte Wohnsiedlung „Kalb-Housing". Das Schulgebäude selbst umfaßt einen Kindergarten, eine achtklassige Elementary School (Grundschule) und eine dreiklassige High-School und kann bis zu 1.000 Schüler aufnehmen. Ein Internat bietet den Schülern der High-School, die weit außerhalb wohnen, Unterkunft und Verpfle­ gung. Die anderen Schüler werden täglich mit Schulbussen aus Nürnberg, Schwabach und Erlangen hergefahren. Am Bau des Schul­ hauses sind übrigens keine Fürther Baufir­ men beteiligt gewesen, die Amerikaner haben das Projekt bayemweit ausgeschrieben. Be­ zahlt werden die 2,9 Millionen Mark für den Bau größtenteils aus dem McCloy-Fonds. Zur Ausstattung der Schule gehört sogar eine Schulzahnstation, bereits damals haben es die Amerikaner mit ihrer Gesundheit sehr genau genommen. Mehr als die Zähne der Amerikaner interessiert die Fürther jedoch, daß durch diesen Neubau das Mädchenly­ zeum in der Tannenstraße nicht mehr benö­ tigt und von den Amerikanern sofort freige­ geben wird. Bereits Anfang 1955 erhält das amerikanische Schulhaus einen zusätzlichen

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linken Seitenflügel mit einem kleinen Schü­ lertheater und drei weitere Anbauten, um der inzwischen stark gestiegenen Schülerzahl gerecht zu werden. Die Schule an der Fronmüllerstraße ist ein Baustein in der wachsenden amerikanischen Infrastruktur, zu der noch viele weitere Ein­ richtungen gehören. Bis 1950 ist die Wäsche­ rei Scholl an der Kurgartenstraße von den Amerikanern benutzt worden. In der John­ son-Kaserne wird dann im Juli 1950 eine Großwäscherei für ganz Nordbayern, einge­ richtet. In drei Schichten wird die Wäsche von 40.000 Soldaten, vom Taschentuch bis zum Bettlaken, von etwa 400 Mitarbeitern markiert, gewaschen, gebügelt und sortiert. Über 150 Maschinen erleichtern in dieser größten Wäscherei Europas die Arbeit. Auf dem Gelände der Darby-Kaserne befinden sich weitere Versorgungseinrichtungen für die amerikanischen Familien, wie Bäckerei, Metzgerei, Schuhmacherei und Fotolabor. Der Bericht des FN-Reporters anläßlich einer Inspektion der Fürther Kasernen durch Generalmajor Numar A. Watson im Jahr 1955 ist amüsant zu lesen. Der Berichter­ statter sieht sich deutlich an „ähnliche Er­ eignisse" in der deutschen Wehrmacht erin­ nert, als der General beim Küchenpersonal Hände und Fingernägel und bei den Soldaten den richtigen Koppelsitz und die Sauberkeit der Gewehre prüft. Weiter konstatiert der Reporter: „Falls die zukünftigen deutschen Streitkräfte nach amerikanischem Muster aufgebaut werden, muß man jedenfalls man­ che Hoffnung auf eine radikale Änderung des alten .Kommiß-Betriebs' begraben". Am mei­ sten beeindruckt zeigt sich der Reporter vom ausgehängten Küchenzettel mit SiebenGänge-Menüs für Mittag- und Abendessen, die es angeblich jeden Tag geben soll. Das Shopping Center, also das Einkaufs­ zentrum der Amerikaner, das im Frühjahr 1952 in die Waldstraße umgezogen ist, bildet einen wichtigen Bestandteil der amerikani­ schen Gemeinde. Die beachtliche Zahl von 300 Parkplätzen steht den mobilen Amerika­ nern zur Verfügung, in der Lebensmittelab­ teilung bedienen sich die Amerikaner beim Einkäufen selbst. Dies ist übrigens nicht neu für die Fürther, denn schon am 26. März 1952 ist im Untergeschoß des Kaufhauses „Weißer Turm" am Kohlenmarkt der erste Selbstbedienungsladen in Fürth nach ameri­ kanischem Vorbild eingeführt worden. Er­ freulich wird dort registriert, daß bei gleichem

Personalstand der Umsatz zunimmt und nicht stattdessen das Personal reduziert wird. Im September 1956 schließlich eröffnen die Amerikaner für ihre Armeeangehörigen an der Waldstraße einen 1.000 Quadratmeter großen Selbstbedienungsladen für Lebens­ rnittel, in dem sieben amerikanische und 62 deutsche Arbeitskräfte beschäftigt sind. Neben dem überreichlichen Warenangebot rufen beim FN-Berichterstatter vor allem die niedrigen Preise Erstaunen hervor: „Und dabei ist das Zeug alles spottbillig. Hier bekommt man einen Einblick in den ameri­ kanischen Lebensstandard: ein Backhuhn, hygienisch eingepackt, bratfertig zerlegt, mit Gewichts- und Preisetikett versehen - das kostet umgerechnet genau 1,50 DM." Selbst um den Zustand der Möbel der amerikani­ schen Familien kümmert sich die Armee. Beschädigte Stücke werden ausgebessert, verschmutzte gereinigt. Dafür erfinden die praktisch veranlagten Amerikaner eigens eine mobile Reinigungsanlage, die - auf einem Sat­ telschlepper - bei der Hausfrau vorfährt und Polstermöbel und Teppiche schamponiert und trocknet. Findige „Heinzelmännchen" reparie­ ren gleichzeitig schadhafte Teile. Die Einrichtungen für die amerikanischen Soldaten und ihre Angehörigen, das „Shop­ ping Center” an der Waldstraße, das „Food­ land" (später „Commissary", der Lebensmit­ telmarkt) und die „Garage", also die Tank­ stelle, an der Schwabacher Straße werden alle vom EES (dem späteren AAFES) geführt. EES heißt „European Exchange System", was soviel wie „Europäisches Verteiler-System" bedeutet. Die Organisation ist 1947 gegrün­ det worden und 1949 siedelt die Hauptver­ waltung für Europa, Afrika und den Nahen Osten in den Nürnberger Justizpalast über. Das EES hat die Aufgabe, die Amerikaner im europäischen Militärdienst mit Waren und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs zu versorgen. Der amerikanische Soldat hat, wenn ihn sein Land irgendwohin in die Welt schickt, einen gesetzlichen Anspruch darauf, mit all dem versorgt zu werden, was er sich in Amerika auch kaufen könnte. Das EES darf keine Gewinne erwirtschaften, etwaige Über­ schüsse werden wieder an das Militär verteilt, beispielsweise für die Truppenbetreuung. Einige Teile des EES sind bis Ende der siebzi­ ger Jahre in Fürth beheimatet. Dazu zählt die Bäckerei in der Darby-Kaserne, die die Ame­ rikaner in ganz Süddeutschland mit Brot, Brötchen, Kuchen und allerlei Gebäck ver­ sorgt.

In der äußeren Schwabacher Straße, im ehemaligen Heeresdepot der deutschen Wehr­ macht für Nürnberg, befindet sich der ameri­ kanische „Quartermaster". Es handelt sich dabei um ein Lager und einen Reparatur­ betrieb der Armee für ganz Nordbayern. Mo­ natlich werden im Lager beispielsweise fünf­ zig Tonnen Kaffee geröstet und weiterverteilt. Im Reparaturbetrieb sind 152 deutsche Ar­ beitskräfte damit beschäftigt, vom Schuh bis zum Spezialtraktor alles wieder gebrauchs­ tüchtig zu machen. Bei einem Besuch im März 1954 ist Oberbürgermeister Dr. Born­ kessel besonders von der Abfallverwertung beeindruckt. Alles Wiederverwertbare wird recycelt (den Begriff kennt damals noch niemand), die Amerikaner erzielen durch den Verkauf ihrer Küchenabfälle monatlich 2.000 Dollar Gewinn. Dieses vorbildliche Umwelten­ gagement läßt aber in den folgenden Jahr­ zehnten deutlich nach. Schon damals gehört zu einer richtigen amerikanischen Infrastruktur auch eine Tankstelle. Sie wird im Mai 1951 an der Ecke Schwabacher und Fronmüllerstraße eingeweiht, ist an allen Tagen von 8 bis 22 Uhr geöffnet und bietet.... the equivalent of stateside Service", also Dienstleistung wie in den Vereinigten Staaten. Die Tankstelle wird im Frühjahr 1952 noch um eine Reparaturwerk­ statt ergänzt. Für die Freizeitgestaltung der Soldaten wird ebenfalls gesorgt. In der Monteith-Kaseme ist im Oktober 1950 in einer alten Flug­ zeughalle ein modernes Kino mit rund 1.000 Sitzplätzen eingerichtet worden. Da das Kino für die Soldaten der Südstadt schlecht zu erreichen ist, sehen sich die Amerikaner noch nicht in der Lage, das Fürther Stadttheater, das an fünf Tagen pro Woche als Kino genutzt wird, freizugeben. Am 27. August 1952 wei­ hen die Amerikaner endlich ihr neues Kino für die Wohnsiedlung ein. Es befindet in der Fronmüllerstraße neben der Tankstelle. Das von der Firma Schönwasser in gut drei Mona­ ten streng nach Feuerschutzvorschriften erbaute Haus mit 612 Sitzplätzen wechselt alle zwei Tage den Film. Ein Novum für die Fürther, die nicht hinein dürfen, ist, daß die Preise auf allen Plätzen gleich sind, sich also jeder für 25 Cents Eintrittsgeld hinsetzen kann, wo er will. Vor jedem Film wird außer­ dem die amerikanische Nationalhymne gespielt und die Besucher stehen alle auf und legen nach amerikanischem Brauch die rechte Hand aufs Herz. Was dieses Kino für die Fürther noch interessanter macht, ist die Tatsache, daß die Amerikaner im Gegenzug 67

das Fürther Stadttheater am 30. August im Rahmen einer kleinen Feierstunde an die Stadt zurückgeben.

Kehren wir zu den weiteren Bauabschnit­ ten der Wohnsiedlung zurück. Im Oktober 1952 wird mit der Errichtung von 68 Woh­ nungen für ledige Offiziere in der Jakob-Wassermann-Straße hinter dem US-Kino begon­ nen. Die drei Häuser sind Mitte Mai 1953 bezugsfertig. Leider bringen sie keine Entla­ stung auf dem Fürther Wohnungsmarkt, da die frei werdenden Privatwohnungen be­ schlagnahmt bleiben und von amerikani­ schen Soldaten bezogen werden, die bisher in Hotelzimmern gelebt haben. Kaum haben sich bei den Kleingärtner in der Südstadt die Wogen nach dem ersten umfassenden Bauprogramm geglättet, begin­ nen sich die Wellen in den übriggebliebenen Gärten an der Fronmüllerstraße schon wieder zu kräuseln. Im Juni 1953 ist von sechzig weiteren „Austauschwohnungen" für ameri­ kanische Familien die Rede, die in einem ersten Bauabschnitt um die westliche Gerhard-Hauptmann-Straße errichtet werden sollen. Ende September gesellt sich ein zwei­ ter Bauabschnitt mit 72 Wohnungen hinzu. Und als Anfang Oktober die Zahl plötzlich auf 396 zu bauende Wohnungen springt, ver­ bunden mit einer Forderung der Amerikaner auf Überlassung von 72.500 Quadratmetern Grund, geht ein erneuter Sturm durch die Kleingartenkolonien „1897" und „Volkswohl". Insgesamt trifft es diesmal 200 Kleingärten und mehrere Häuser, in denen 178 Personen wohnen. Wieder werden die Beteiligten, also Kleingärtner und Stadtverwaltung, von der Plötzlichkeit der amerikanischen Forderun­ gen überrascht. Die Stadt lehnt - eigentlich ein bis dahin undenkbarer Vorgang, ein Zeichen des inzwischen gewachsenen Selbst­ bewußtseins - die Freigabe des Baulandes ab, bis die Unterbringung der dort wohnenden 58 Familien gesichert ist. Nach der anfänglichen Aufregung geben sich aber die Kleingärtner verhandlungsbe­ reit, zumal .... die Besatzungsbehörde ja schon mit Beschlagnahme gedroht habe." Während Kleingärtner und Stadtrat noch Pläne über Alternativen und Ausweichgrund­ stücke wälzen, stellen die amerikanischen Armeebehörden, die von der Ablehnung ihres Vorhabens offensichtlich überrascht worden sind, am 17. Oktober ein auf drei Tage befri­ stetes Ultimatum auf Geländefreigabe und ziehen außerdem den geplanten Baubeginn um einige Wochen vor. Bei einer erneuten 68

Ablehnung würden sie sich in Nürnberg nach geeigneten Grundstücken umsehen. Doch schließlich einigen sich Stadtverwaltung und Amerikaner am 20. Oktober 1953, da die Stadt weiter an der Wirtschaftskraft der Ame­ rikaner interessiert ist und diese wiederum an der Nähe der Wohnungen zu den Kaser­ nen. Auch die Kleingärtner können durch Ersatzland, Ersatzwohnungen und Entschä­ digungen zufriedengestellt werden. Anfang November 1953 werden die für diese Bauabschnitte in Frage kommenden Kleingartengrundstücke von der Regierung von Mittelfranken akribisch auf ihren Wert geschätzt. Bereits wenige Tage später erhal­ ten die ersten Kleingärtner Entschädigungen und Ersatzgrundstücke an der Magazin­ straße. Ein Teil der neuen Häuser, sechs Wohnblocks mit 108 Wohnungen an der Kreuzung Wald- und Fronmüllerstraße, ent­ stehen unter der Regie der Nürnberger Finanzbauverwaltung, die die Ausschreibung auf die ortsansässigen Baufirmen konzen­ triert. Die restlichen 216 Wohnungen, entlang der neugeschaffenen Gerhard-HauptmannStraße und - vier Wohnblocks - an der Fron­ müllerstraße, lassen die Amerikaner schlüs­ selfertig von einem Generalunternehmer hin­ stellen. Im März 1954 wird mit dem Bau dieser Häuser begonnen. Als die Amerikaner im Mai 1954 die Frei­ gabe der restlichen Kleingärten für die letzten Bauabschnitte verlangen, geht die Abwick­ lung anfangs ohne Probleme über die Bühne. Die Kleingärtner sind rechtzeitig informiert worden, eine Entschädigung, Ersatzland sowie eine Räumung nicht vor dem 1. Ok­ tober (Erntezeit!) ist ihnen zugesagt worden. Doch dann setzen die Fürther Besatzungsge­ schädigten die amerikanischen Behörden unter Druck, die Wohnungen eher zu bauen, damit noch beschlagnahmte Häuser schneller freigegeben werden können. Und so teilen die Amerikaner am 27. Juli der Stadt mit, daß zwecks Baubeginn 180 Kleingärten der Kolo­ nien „Franken", „Eintracht", „Volkswohl" und des „Südöstlichen Gartenbauvereins" sofort zu räumen seien. Vom versprochenen 1. Ok­ tober wissen die Amerikaner nichts, die ver­ handelnden Offiziere sind inzwischen in die Vereinigten Staaten zurückversetzt worden und schriftliche Aufzeichnungen sind auf deren Anordnung hin nicht geführt worden. Schweren Herzens weichen die Kleingärtner wieder und reißen ihre Häuser ab. Ein schmerzlicher Verlust besonders für einen von ihnen, den Maler Wilhelm Kern, der .... die großen Wände des Zimmers mit ansehn­

liehen Ölbildern (bemalt hat). Bergmotive mit Kirchen und Seen entstanden nach dem Ideenreichtum dieses Mannes, der hier mit seiner Familie Erholung und Ausspannung von den Mühen des Alltags fand." Im September beginnen dann tatsächlich die Bauarbeiten entlang der Meisen- und der Gerhard-Hauptmann-Straße und die Stadt Fürth hat alle Mühe, die ausquartierten Dauerbewohner der Kleingärten anderweitig unterzubringen. Während in den ersten, bereits fertiggestellten Bauabschnitten an Dr.-Frank- und Jakob-Wassermann-Straße die Ausrichtung der Wohnblöcke noch gerad­ linig erfolgt ist, baut man jetzt, nach den Vor­ schlägen von Stadtbaurat Friedrich Hirsch, in aufgelockerter Form mit wechselnden Häu­ serfronten, an der geschwungenen GerhardHauptmann-Straße entlang, was der neuen Siedlung ihr unverwechselbares Aussehen verleiht. Die gesamten Kosten, etwa zwanzig Millionen Mark, gehen als „Besatzungs­ kosten" zu Lasten bundesdeutscher Steuer­ gelder.

Die Planungen sehen 1954 für die über eintausend später dort wohnenden amerika­ nischen Familien sogar ein Hallenbad, ein Freibad, eine Kirche und ein weiteres Kino vor. Neben dem Hallenbad soll eine Sport­ halle mit 200 m-Bahn entstehen und an der Weikershofer Straße ist ein Stadion für 10.000 Zuschauer geplant, um das „SoldiersField" in Nürnberg-Langwasser freigeben zu können. Die Amerikaner wollen das ganze Gelände südlich der Fronmüllerstraße, zwi­ schen Wald- und Schwabacher Straße, zu­ bauen, selbst der ASV-Sportplatz scheint gefährdet. Doch lassen sie diese Pläne 1955 wieder fallen, ebenso wie die geplanten wei­ teren Wohnblöcke entlang der Fronmüller­ straße, zwischen der aus der Kaserne ein­ mündenden Sonnenstraße und der Wald­ straße. Stattdessen entwickelt sich dort später ein „Klein-Amerika", mit Autohändlern und Imbißbuden. Der amerikanische Stadtteil im Süden Fürths ist 1955 fertiggestellt. Auf 25 Hektar Fläche sind 87 Häuser mit 1.258 Wohnungen errichtet worden. Die Wohnblöcke sind nur für die Unteroffiziere und Mannschaften der US-Armee und ihre Angehörigen gedacht. Die Drei- bis Vier-Zimmerwohnungen mit 90 bis 100 Quadratmetern entsprechen amerikani­ schen Standards und weisen Dienstboten­ zimmer im Dachgeschoß oder im Keller auf. Die Zentralheizungen befinden sich in den

Kellern, wo eigens eingestellte Hilfskräfte für den nötigen Nachschub an Kohlen sorgen. Die Offiziere wohnen mit ihren Familien noch in beschlagnahmten Privathäusern. Erst Ende 1954 werden die Pläne der US-Armee konkret, für sie 70 bis 90 Einfamilien­ häuser zu bauen. Da das Gelände um die Kasernen bereits verplant ist, sucht und fin­ det man in Dambach nahe der „ScheibenreifVilla" (auch „Villa Größenwahn" oder „Villa Wahnsinn" genannt), südlich der Harden­ bergstraße, noch eine freie Ackerfläche von 120.000 Quadratmetern. Bis Mai 1955 eini­ gen sich Stadt, Finanzverwaltung und Ameri­ kaner auf 74 Häuser in drei Größen, je nach Dienstgrad - in lockerer Bebauung. Die Pla­ nungen dauern einige Zeit, schließlich ist die Besatzungszeit vorbei, die deutschen und die amerikanischen Bauvorschriften sind unter einen Hut zu bringen und die Stadtverwal­ tung hat inzwischen auch ein Wörtchen mit­ zureden. Dann reduzieren die Amerikaner das Projekt auf 33 Doppelhäuser und 11 Ein­ familienhäuser. Leider bestehen die ameri­ kanischen Behörden in Heidelberg auf einer architektonisch ziemlich eintönigen Bau­ weise, die der Architekt Frank C. Throll für amerikanische Siedlungen entworfen hat und die Baukosten sparen helfen soll. Im Januar 1956 wird mit dem Bau begon­ nen, alte Bäume werden abgeholzt. Erneut trifft die Räumungsaktion einige unvorberei­ tete Kleingärtner, die ihre Parzellen an der Hardenbergstraße von heute auf morgen räumen müssen. Im Juli findet bereits das Richtfest für die Häuser statt und im Januar 1957 beziehen die amerikanischen Offiziere die Häuser. In Anspruch genommen werden diese Villen nur von Offizieren, vom Major aufwärts. Einmal gesteht man jedoch einem Hauptmann ein solches Haus zu, er benötigt nämlich eine Bleibe für seine Familie mit neun Kindern. Mit dem Bezug dieser Offi­ zierssiedlung ist die Etablierung des ameri­ kanischen Militärs in Fürth abgeschlossen und manifestiert.

Freigabe der beschlagnahmten Wohnungen Der Bau der amerikanischen Wohnsied­ lung an der Fronmüller Straße führt anfangs kaum zu einer Entlastung des Fürther Woh­ nungsmarktes. Denn die beschlagnahmten Einrichtungen werden, wie erwähnt, weit zögerlicher freigegeben, als es sich die Woh­ nungseigentümer vorstellen. Die Neubauten sind für amerikanische Soldatenfamilien aus dem ganzen Ballungsraum vorgesehen, so 69

daß bei deren Einzug nicht automatisch Für­ ther Wohnungen frei werden. Dann stocken die Amerikaner wegen des Koreakrieges die Zahl ihrer Soldaten auch in Deutschland gewaltig auf und schließlich geben die ameri­ kanischen Behörden besetzte Häuser erst frei, wenn sie absolut sicher sind, sie nicht mehr zu benötigen. Anfang 1952 bilanzieren die Fürther Be­ satzungsgeschädigten, daß im Jahr zuvor acht Häuser, zwei Tankstellen, eine Schule, eine Turnhalle und ein Büro geräumt worden sind. Bei der Turnhalle handelt es sich um die des TV 1860 Fürth in der Tumstraße, die die Amerikaner am 30. Juli 1951 freigegeben haben. Von den Turngeräten ist jedoch nur wenig übriggeblieben. Die Haltevorrichtungen für das Reck und die Ringe sind herausge­ schweißt und die Kletterstangen abmontiert worden, der Fußboden ist schadhaft. Drei Wochen später hat die Besatzungsmacht die Schulbaracke an der Ecke Schwabacher- und Jahnstraße mit drei Schulräumen und einem Werkraum freigemacht. Das Gebäude kann auf eine typische Nachkriegsgeschichte zu­ rückblicken. Zuerst belegt das amerikanische Militär die leicht von Bomben beschädigte Baracke, dann bietet sie Displaced Persons eine Unterkunft und entwickelt sich zu einem Schwarzhandelszentrum. Zuletzt ist in der Baracke die Kantine für die deutschen Ange­ stellten des Military Post untergebracht gewe­ sen. In Fürth sind 1952 trotz der Rückgaben noch immer 235 Häuser beschlagnahmt, und die Besatzungsgeschädigten haben akribisch festgehalten, daß davon 17 Häuser und 21 Wohnungen bereits seit mehr als drei Mona­ ten leerstehen. Die Wohnungsnot ist in Fürth noch so groß, daß man sogar daran denkt, die verlassenen Zennwaldbunker in rund zwanzig Wohnungen umzubauen, was aber an den aufwendigen Erschließungskosten scheitert. Stattdessen baut man in der Stadt Ersatzwohnungen, so in der Zeppelin-, der Flur- und der Karlstraße. Am 10. Mai 1952 wird dort das Richtfest für 80 Besatzungsverdrängten-Wohnungen gefeiert, die die Firma Schönwasser für 1,2 Millionen DM gebaut hat. Weitere dieser Wohnungen werden an der Erhard-Segitz-Straße im Laufe des Jahres fertiggestellt. Um die Fürther Wohnungsprobleme besser in den Griff zu bekommen, wird für ein hal­ bes Jahr eine gemischte Kommission aus Fürther Stadträten und amerikanischen Offi­ zieren gebildet, die in der amerikanischen Besatzungszone einmalig ist - und es auch 70

bleibt. In der Kommission werden die Frei­ gaben besprochen, die deutsche Seite über­ gibt Dringlichkeitslisten mit bevorzugt benö­ tigten Häusern, die die Amerikaner aber nur selten beachten. Immerhin scheint die Dis­ kussion um die in der Kommission von deut­ scher Seite vorgetragenen Härtefälle auch die Amerikaner zu beeindrucken. Jedenfalls wird im Mai 1952 die Freigabe von weiteren elf Häusern angekündigt. Im Jahr 1952 geben die Amerikaner insge­ samt 22 Häuser mit 51 Wohnungen, sieben öffentliche Gebäude und zwei größere Gewer­ bebetriebe frei. Im Januar steht den Fürthern das Mädchenlyzeum am Tannenplatz wieder zur Verfügung. Dort ist bisher die „Dependents School" untergebracht gewesen, in der siebzehn amerikanische und acht deutsche Lehrer etwa 460 Schülerinnen und Schüler unterrichtet haben. Das ebenfalls vorhandene Internat ist in zwei Villen in der Dr.-MackStraße untergebracht gewesen, die ebenfalls freigegeben werden. Und schließlich wird auch das Haus Turnstraße 9 frei, in dem sich der amerikanische Kindergarten und die Redaktion der Zeitung „Stars and Stripes" befunden haben. Weiter wird am 3. März der ASV-Sportplatz an der Magazinstraße frei, wo vorher ein Jugendheim des GYA unterge­ bracht war. Dann folgen sieben Büroräume im Rathaus, die bisher HICOG belegt hat. Ende Mai ist die Jahnturnhalle, die größte Fürther Turnhalle, wieder frei. Die Renovie­ rungskosten schätzt die Stadt auf 80.000 Mark. Das bisher dort beheimatete GYA-Heim zieht in die Darby-Kaserne. Die Amerikaner haben auch etliche Ge­ bäude der Firma Schickedanz beschlag­ nahmt. So die Villa samt Schwimmbad auf dem Gelände der Darby-Kaserne, die bereits während der Nürnberger Prozesse als VIPHaus gedient hat. Sie ist genauso in das Kasemengelände integriert worden wie das ehemalige Schickedanz-Werk an der Artille­ riestraße. Freigegeben werden dagegen im Juni 1952 die Schickedanz-Gebäude zwi­ schen Finken- und Spiegelstraße. Die Sper­ rung der verbindenden Lange Straße für den Durchgangsverkehr wird aufgehoben. Das bisher in diesen Häuser untergebrachte Shopping Center der Amerikaner zieht in die Waldstraße in das frühere Heeresbekleidungsamt, wo zuvor das medizinische Depot der Amerikaner untergebracht gewesen ist. Am 28. Juni 1952 geht auch die letzte be­ setzte städtische Liegenschaft wieder in den Besitz der Stadt über. Der Lohnert-Sportplatz hat anfangs als Truppenunterkunft für Fahr­

zeug-Einheiten der Armee gedient. Wegen der besseren Tragfähigkeit für die schweren Fahrzeuge sind die Spielfelder mit Bauschutt aufgefüllt worden. Der Untergrund ist mit Öl durchtränkt. Ab 1947 ist der Sportplatz von der GYA genutzt worden. Während die Spiel­ felder verwahrlost sind, macht das Gebäude einen relativ guten Eindruck. Erst im April 1954 ist der Lohnert-Sportplatz mit einem Kostenaufwand von 105.000 DM wieder voll­ ständig renoviert und steht Fürther Schul­ klassen und Sportvereinen zur Verfügung. Ein langes Tauziehen gibt es 1952 um drei Wohnhäuser und fünf fast ausschließlich für den Export arbeitende Spielzeugfabriken in der Waldstraße. Die Eigentümer benötigen die Fabrikhallen dringend für ihre Produk­ tion, um die stark steigende Exportnachfrage

befriedigen zu können, die für die junge Bundesrepublik lebensnotwendig ist. Die Amerikaner wollen dagegen auf dem in gün­ stiger Nähe zur Darby-Kaserne gelegenen Ge­ lände, auf dem viel später das Commissary errichtet werden wird, etwa 200 Mann des „Labour-Service" unterbringen. Oberbürger­ meister Dr. Bornkessel fährt ins Hauptquar­ tier der US-Streitkräfte nach Heidelberg, um das Problem deutlich zu machen, selbst das Bundeskanzleramt schaltet sich ein. Man bietet den Firmen alternative Baracken an, die jedoch für die schweren Stanzen und Pressen nicht geeignet sind. Andererseits beharren die Amerikaner auf dem beschlag­ nahmten Gelände, da die ehemaligen Fabrik­ hallen bereits als Truppenunterkünfte umge­ baut sind. Im April 1952 teilt das „NürnbergFürth Military Post Office" mit, daß die Wald­

Das PX in den fünfziger Jahren. Unten die beschlagnahmten Gebäude der Spielzeugfirmen.

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straßen-Grundstücke definitiv beschlag­ nahmt bleiben und daß die „Labour-Service"Einheiten bereits eingezogen sind. Nach lan­ gen, enttäuschenden Verhandlungen mit ver­ schiedenen Bundesministerien erhalten die drei übriggebliebenen Firmen Neuhierl, Reu­ lein und Kirschner schließlich im Februar 1954 unter Mithilfe der Stadt Fürth ein neues Grundstück Ecke Wald- und Flößaustraße, auf dem heute unter anderem die Firma Carrera angesiedelt ist. Zur gleichen Zeit bemüht sich die Dynamit Nobel AG in Stadeln um die Rückgabe eines beschlagnahmten Geländeteils, da die Firma ihr Gelände „arrondieren" will und sich auf dem fraglichen Stück einige für die Herstel­ lung ihrer Jagdmunition dringend benötigte Gebäude befinden. Dort haben die Amerika­ ner ein Munitionsdepot eingerichtet. Was genau gelagert wird, verraten die Militärs nicht. Das unbequeme Depot weist jedoch nicht einmal die übliche Sicherheitszone von 200 bis 500 Metern auf und ist nur unzurei­ chend bewacht. Die Dynamit Nobel AG bezif­ fert den Umsatzausfall durch die nicht ver­ fügbaren Einrichtungen auf drei Millionen Mark. Die Amerikaner wollen jedoch nur wei­ chen, wenn ihnen ein akzeptables Ersatzge­ lände zur Verfügung gestellt wird. Die Stadt bietet ihnen die verlassenen Zennwaldbunker an, aber die zuerst einverstandenen Amerika­ ner machen einen Rückzieher, als sie mer­ ken, daß dort weder Wasser noch Strom vor­ handen sind. Und so schaffen die Amerikaner noch En­ de 1955 große Munitionsmengen in das Depot in Stadeln. Die Fracht von 107 Güter­ waggons, vollbepackt mit 90 mm-Granaten wird im Dezember im gut bewachten Bahnhof Vach entladen. Auf deutschen (!) Lastwagen gelangt die explosive Ware - die Zünder fehlen allerdings - nach einer Fahrt mitten durch Stadeln im Depot bei der Dynamit Nobel AG Ein. Erst 1957 setzen die amerikanischen Militärs doch noch das Zennwalddepot instand und geben das Stadelner Depot frei.

Im Juni 1953 gibt das Railroad Transport Office die letzten beschlagnahmten Räume im Fürther Hauptbahnhof an die Deutsche Bun­ desbahn zurück, einen Aufenthaltsraum und einen Fahrkartenschalter. Da die amerikani­ schen Soldaten meistens D- und FD-Züge be­ nutzen, die in Fürth nicht halten, werden die Räume nicht mehr benötigt. Fast 7.000 Menschen suchen in Fürth noch eine Wohnung, aber zum Leidwesen der „Besatzungsgeschädigten" ist in diesem Jahr 72

1953 kein weiteres Haus freigegeben worden, was der Verein auf den Kommandeur, Oberstleutnant Harold P. Hennessy, zurück­ führt. Ende 1953 sind in Fürth weiterhin 96 Ein- und Zweifamilienhäuser sowie 65 Miets­ häuser mit insgesamt 267 Wohnungen von den Amerikanern beschlagnahmt. Ein Jahr später sind es - trotz des umfassenden Bauprogramms der Amerikaner in der Südstadt nur acht Wohnungen weniger. Im ganzen Bundesgebiet sind zu dieser Zeit übrigens noch mehr als 47.000 Wohnungen besetzt.

Wenn es um militärische Belange geht, verstehen es die Amerikaner immer, ihre Argumente durchzusetzen. Am 7. Juni 1953 teilt der amerikanische „District Engineer" der völlig überraschten Leitung des Indu­ strieflughafens Fürth mit, daß am nächsten Tag in die Rollbahn sechs Sprengkammern eingebaut werden sollen, damit diese im Ernstfall schnell zerstört werden kann. Nach der Meinung der Flughafenleitung würde die Maßnahme den gerade florierenden Flugbe­ trieb für vier Wochen lahmlegen. Die Ameri­ kaner wiegeln ab und behaupten, der Einbau würde ohne Beeinträchtigung des Flugbetrie­ bes vorgenommen werden können. Einen Monat später werden die Sprengkammern ohne großes Aufsehen doch eingebaut. Der Fürther Industrieflughafen auf der Hardhöhe ist zwar eine rein zivile Einrich­ tung, aber zweimal kommt er in Zusammen­ hang mit der amerikanischen Luftwaffe in die Schlagzeilen. Am 12. August 1952 macht dort ein F84-Düsenjäger eine Notlandung, nach­ dem das Triebwerk in 8.000 Meter Höhe aus­ gefallen ist. Entweder ist die Landebahn zu kurz oder der Pilot setzt zu spät auf, jeden­ falls durchbricht das Flugzeug noch den Zaun an der Hardstraße und kommt dann zum Stehen. Der Pilot bleibt unverletzt. Im März des nächsten Jahres landen zwei SabreJets wegen Treibstoffmangel. Die Amerikaner müssen erst die notwendige Startvorrichtung mit einer DC-3 aus Fürstenfeldbruck einfliegen, bevor die Maschinen am nächsten Tag wieder starten können. Im April 1955 bemüht sich die Stadt um die Freigabe des Geländes am ehemaligen Industrieflughafen, das noch unter ameri­ kanischer Aufsicht steht, um dort Gewerbe anzusiedeln und Wohnungen zu bauen. Der zivile Luftverkehr wird sowieso nach Nürn­ berg umziehen, da der neue Flughafen bei Almoshof fast fertiggestellt ist. Als das Frei­ gabebegehren der Stadt eintrifft, verhalten sich die Amerikaner zuerst ungewohnt zu­

rückhaltend - mangels Anweisungen „von oben", wie sich später herausstellt. In Fürth schrillen die Alarmglocken, als dann in den Tagen nach der Einstellung des Flugbetriebes - der Nürnberger Flughafen ist inzwischen eröffnet worden - Männer des amerikani­ schen „Labour-Service" auftauchen. Außer­ dem erscheinen Ende April zwei unbekannte amerikanische Offiziere, die „interessiert" das verwaiste Rollfeld betrachteten. Wollen die unberechenbaren Amerikaner das große Are­ al doch noch für militärische Zwecke nutzen? Aber es gibt bald Entwarnung. Der „LabourService" soll das Gelände nur bis zur Über­ gabe an die Stadt bewachen, da noch etliche wertvolle Ausrüstungsgegenstände dort la­ gern und am 1. Mai 1955 geben die amerika­ nischen Behörden das Flugplatzgelände tat­ sächlich endgültig frei. Als Zugabe schenken sie der überraschten Stadtverwaltung die aus 20.000 Locheisenplatten bestehende Roll­ bahnverlängerung.

Im Laufe des Jahres 1955 beginnt sich der Bau der vielen amerikanischen Wohnungen in der Südstadt endlich auf dem Fürther Wohnungsmarkt auszuwirken. Der Bedarf für die neu hinzugekommenen Soldatenfamilien ist gedeckt und die in besetzten Häusern in Fürth wohnenden Soldaten können ebenfalls in die Südstadt umziehen. Deshalb können die Amerikaner etliche beschlagnahmte Häu­ ser in Fürth freigegeben. Allerdings verlaufen diese Freigaben wie eine Springprozession, also zwei Schritte vor und einen zurück. Manche zur Freigabe vorgesehenen Häuser werden über den vereinbarten Termin hinaus „besetzt", obwohl das rein rechtlich nach der Souveränitätserklärung der Bundesrepublik nicht mehr zulässig ist. Andere Häuser wer­ den von heute auf morgen verlassen, die überraschten Eigentümer, die sich ja inzwi­ schen längst woanders etabliert haben, sehen sich vor nicht eingeplante finanzielle oder organisatorische Schwierigkeiten gestellt. In solchen Fällen vermieten sie die Häuser manchmal prompt wieder an die Amerikaner zurück. Kurioserweise haben einige Soldaten in den besetzten Häusern bereits wieder deutsche Untermieter aufgenommen, deren Mietverträge durch die Freigabe ungültig wer­ den - es leben die früheren Eigentums- und Mietverhältnisse wieder auf - und die Unter­ mieter müssen sich neue Wohnungen suchen. Bei jeder Übergabe eines freigegebenen Hauses findet eine Abnahme statt, bei der neben dem Eigentümer auch Vertreter des

Besatzungskostenamtes und des Finanzbau­ amtes anwesend sind und bei der alle Schä­ den festgehalten werden. Interessant ist, daß Schäden bei Übergaben vor dem 5. Mai 1955 als „Besatzungsschäden" gelten, für die es gesetzliche Regelungen gibt. Nach diesem Termin heißen sie „Stationierungsschäden" und dafür gibt es noch keine Regelungen, der Gesetzgeber hinkt wieder einmal hinter der Realität her. Die festgestellten Schäden sind oft gravie­ render Art. Bei der Übergabe des Hauses Laubenweg 73 am 1. Februar 1955 finden sich verquollene Türen und Fensterflügel, bedingt durch ein einjähriges Leerstehen des Hauses. „Immer wieder erleben sowohl Ei­ gentümer wie Bausachverständige bei sol­ chen Besichtigungen besondere Überra­ schungen. So fehlten zum Beispiel diesmal in sämtlichen Zimmern des Hauses die Heiz­ gelegenheiten, ob Dauerbrenner oder Kü­ chenöfen." Bei der Übergabe Gallasstraße 4 am nächsten Tag .... waren unter anderem die Schiebetüren mit Brettern zugenagelt, die Füllung einer anderen Tür zersplittert und die Wände mit scharfen Gegenständen zer­ schlagen worden." Ein weiteres trauriges Kapitel betrifft, wie bereits erwähnt, das Inventar, das die Eigen­ tümer bei der Beschlagnahmung gezwungen­ ermaßen in den Häusern zurücklassen muß­ ten. Teilweise ist es heruntergewirtschaftet, oft jedoch einfach „missing", d. h. verschwun­ den. Viele Soldaten haben Gefallen an den soliden Stücken deutscher Wohnkultur ge­ funden und die Möbel mitgenommen. Häufig geben die Amerikaner in gutem Glauben das noch vorhandene Mobiliar eher frei als das Haus. Dann transportieren sie die Einrich­ tungsgegenstände in irgendein Lager und übergeben sie dort dem Hauseigentümer, der sie dann wieder wegschaffen muß. Durch den zweimaligen Transport bleiben Schäden nicht aus. In den meisten Fällen sind die Eigentü­ mer vermutlich trotzdem erleichtert, daß sie ihre Häuser und ihre Möbel wieder zurücker­ halten haben. Die Freigaben ziehen sich noch bis in das Jahr 1957 hinein. Zwischen Juli 1955 und Januar 1956 geben die amerikanischen Be­ hörden im Nürnberger Militärbezirk 636 be­ schlagnahmte Wohnungen frei, nur 290 sind noch belegt, davon 32 in Fürth. Seit der voll­ ständigen Souveränität der Bundesrepublik 1955 und dem mit den USA als NATO-Part­ ner abgeschlossenen Aufenthaltsvertrag gel­ ten die Wohnungen nicht mehr als beschlag­ nahmt, sondern als durch die Bundesregie­ 73

rung „zwangsvermietet". Die Regierung be­ kommt im folgenden den Zorn der Hauseigen­ tümer über noch immer nicht erfolgte Freiga­ ben zu spüren. Am 25. Januar 1957 kann der seit neun Jahren amtierende Vorsitzende der Interes­ sengemeinschaft der Besatzungsgeschädig­ ten, Ferdinand von Vopelius, endlich feststel­ len: „Wir haben in Fürth niemand mehr, der sein Haus dringend bräuchte und der es noch nicht aus der Beschlagnahme freibe­ kommen hätte" und im November 1957 be­ schließt die Interessengemeinschaft nach mehr als neun Jahren erfolgreicher Tätigkeit ihre Auflösung. Der letzte „Besatzungsge­ schädigte" dürfte die Firma Schönwasser in der Südstadt gewesen sein, die im Mai 1958 einen Vergleich mit ihren Gläubigern schlie­ ßen muß. Für die zwischen 1951 und 1953 im Auftrag der Amerikaner gebauten Häuser sind Forderungen in Höhe von etwa zwei Millionen Mark noch nicht beglichen worden.

Amerikanische Infrastruktur Durch die Fertigstellung der amerikani­ schen Siedlung ist eine fast autarke Klein­ stadt entstanden, die es den Soldaten und ihren Familien leicht macht, während ihrer Stationierungszeit amerikanische Lebenswei­ sen und -rhythmen beizubehalten. Rein rechtlich gehört das Gebiet zwar zur Bundes­ republik, faktisch betrachten es die Ameri­ kaner aber als ihr Eigentum. Diese Sicht­ weise hat jedoch wenig Einfluß auf Fürth. Die Kasernen sind für die Fürther ebensowenig zugänglich wie es Bundeswehr-Kasernen gewesen wären, die Wohngebiete dagegen sind nicht eingezäunt und können von jeder­ mann betreten werden. Die Regeln des Stra­ ßenverkehrs sind die gleichen wie im restli­ chen Stadtgebiet, die Polizeigewalt außerhalb der Kasernen geht im Laufe der Zeit immer mehr auf die Fürther Stadtpolizei über. Nur bei direkten Bedrohungen amerikanischer Sicherheitsinteressen, wie etwa durch Terro­ risten (RAF oder Golfkrieg) nehmen die Mili­ tärs die Kontrolle über das Gelände selbst wieder in die Hand, wie man später sehen wird. Die Stadt Fürth muß bei allen amerikani­ schen Bauprojekten für die notwendige In­ frastruktur sorgen. Die Zufahrtsstraßen, wie etwa die Fronmüllerstraße, müssen ausge­ baut werden, Wasser- und Abwasserrohre verlegt und elektrische Energie bereitgestellt werden. Für die Bereitstellung gibt es von Beginn an feste Verträge zwischen den 74

Stadtwerken Fürth und den amerikanischen Behörden in Heidelberg, wobei die Amerika­ ner wie normale Großabnehmer behandelt werden. Reibungspunkte treten nur bei Preis­ erhöhungen seitens der Stadtwerke auf, da dann jedesmal neu verhandelt werden muß. Die Fürther Ortsteile werden auch nach dem Krieg noch aus unterschiedlichen Span­ nungsnetzen versorgt. Die Stadtwerke rüsten im Laufe der nächsten Jahre alle auf ein ein­ heitliches Wechselspannungsnetz um, die amerikanischen Kasernen werden dabei bevorzugt berücksichtigt. Sie erhalten in der Südstadt eine eigene Übergabestation mit 20 Kilovolt, von der aus sie ihr eigenes elek­ trisches Leitungsnetz aufbauen. Insgesamt verbrauchen sie etwa ein Viertel der elektri­ schen Energie der Stadt. Neben den Groß­ einrichtungen wie Bäckerei, Wäscherei und Großküche trägt auch der verschwenderische Umgang des einzelnen, an Luxus gewöhnten Amerikaners zu dem im Vergleich zu den Fürthern mehr als doppelt so hohen ProKopf-Verbrauch bei. Die Beleuchtung brennt oft den ganzen Tag, Gefrierschrank, Waschund Spülmaschinen gehören viel eher als bei uns zum Haushalt und viele Klimageräte ver­ wandeln die Zimmer manchmal in Eishöhlen. Die unterschiedlichen Wechselspannungs­ systeme in den USA und der Bundesrepublik bereiten den Amerikanern des öfteren Pro­ bleme. Die im deutschen Netz angebotenen 220 Volt/50 Hertz lassen immer wieder die auf 110 Volt/60 Hertz ausgelegten Motoren und Netzteile der Amerikaner durchbrennen. Einige Firmen spezialisieren sich auf die Reparatur der defekten Geräte, wie etwa Max Grundig in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Später werden von der Armee Elektrogeräte und Umformer nach deutscher Norm zur Verfügung gestellt. Die Wohnhäuser erhalten zwei Spannungskreise, die über einen Trans­ formator im Keller versorgt werden und die Steckdosen werden unterschiedlich konstru­ iert, so daß Verwechslungen ausgeschlossen sind.

Ebenso wie den elektrischen Strom bezie­ hen die Amerikaner das Wasser aus dem Fürther Leitungsnetz. Unmittelbar nach dem Ende des Krieges herrscht Seuchengefahr und die Amerikaner verordnen für die ge­ samte Besatzungszone eine starke Chlorie­ rung des Wassers, um es keimfrei zu ma­ chen. In Fürth bauen sie an der Ecke Königs­ wärter- und Gabelsberger Straße eine zentrale Trinkwasser-Aufbereitungsstation, die ihr eigenes Wasser nochmals vorreinigt. Die

Chlorierung des Fürther Wassers mit 0,3 Gramm pro Kubikmeter wird bis in die fünfziger Jahre aufrechterhalten, obwohl Trinkwasserfassungen und Leitungsnetz in­ zwischen wieder in Ordnung sind und die Fürther lieber ungechlortes Wasser hätten. Die Dosis wird automatisch zugesetzt und die Amerikaner analysieren die Wasserqualität täglich an 27 verschiedenen Stellen auf Chlor- und Bakteriengehalt. Später werden an den Übergabestellen zu den amerikani­ schen Wohnsiedlungen und Kasernen eigene Chlorstationen eingerichtet, so daß die Für­ ther wieder ihr ungechlortes Wasser bekom­ men können. Diese Stationen arbeiten übri­ gens bis zum endgültigen Abzug. Der Was­ serverbrauch der Amerikaner ist - im Gegen­ satz zum Stromverbrauch - immer im übli­ chen Rahmen geblieben. Das Abwasser fließt in die Fürther Kanalisation, lediglich die Monteith-Kaserne hat bis Mitte der achtziger Jahre ihre eigene Kläranlage unterhalb der Vacher Straße besessen. Die Versorgung von Kasernen und Wohn­ anlagen mit Wärmeenergie ist schwieriger als bei Strom und Wasser. Fast jedes Gebäude besitzt eine kohlegefeuerte Zentralheizung im Keller, einige Häuser sind gemeinsam an eine Heizzentrale angeschlossen. Die insgesamt etwa 180 Heizkessel müssen geschürt und gewartet werden. Anfangs gibt es genügend Deutsche für diese schweißtreibende Arbeit, später werden Arbeitnehmer aus Spanien, Griechenland und der Türkei verpflichtet. Verbrannt werden zwei oder drei Kohlesorten minderer Qualität, die, um Kosten zu sparen und die amerikanische Bergbau-Lobby zu beruhigen, aus den USA herbeigeschafft wer­ den. Die deutsche Bundesbahn transportiert das „schwarze Gold" von den Atlantikhäfen nach Fürth, wo es auf dem Gelände der Johnson-Kaserne (später jenseits der Rothen­ burger Straße) in riesigen langgestreckten, schwarzen Halden zwischengelagert wird. Von dort aus schaffen deutsche Speditionen die Kohlen zu den Einfüllfenstern in den Gebäuden. Über die Umstellung der ameri­ kanischen Häuser auf Fernheizung wird noch berichtet werden. Zur Infrastruktur der amerikanischen Ge­ meinde gehört auch eine umfassende Versor­ gung mit Informationen. Die Familien hören von ihrer eigenen Radiostation, dem AFN Nürnberg (= Army Forces Network), die neue­ sten Nachrichten. Nach einer Odyssee vom Steiner Schloß über die Fürther Kurgarten­ straße landen die AFN-Studios im Januar 1950 im von den Amerikanern besetzten Flü­

gel des Nürnberger Grand-Hotels. Handelt es sich bei den ersten Sendeantennen noch um fliegende, an Wasserhähnen befestigte Drähte, so nehmen die Amerikaner im No­ vember 1950 einen Zehn-Kilowatt-Sender mit dem dazugehörenden Sendemast in der Johnson-Kaserne an der Schwabacher Straße in Betrieb. Der im Sommer 1952 in der Darby-Kaserne aufgestellte Gittermast ist dagegen nur für die Nachrichtenübermittlung der Armee vorgesehen. Die Telefonzentrale wird ebenfalls amerikanischen Bedürfnissen angepaßt. Im Mai 1951 wird in der Darby Kaserne eine neue Vermittlung für alle Fürther Kasernen installiert, die Zahl der Nebenstellen wird von 400 auf 800 erweitert und die internen Telefonnummern werden von drei auf vier Stellen verlängert. Innerhalb der Kaserne ist eine eigene Feu­ erwehrzentrale untergebracht. Die deutschen Feuerwehrleute üben zusammen mit den Fürther Kollegen und veranstalten gemein­ same Feuerschutzwochen. Allein 1952 haben die Amerikaner im Raum Nürnberg-Fürth die deutschen Feuerwehren 33 mal unterstützt. Gerade die in besetzten Häusern wohnenden Amerikaner pflegen oft einen sorglosen Um­ gang mit leicht entzündlichem Materiell und versuchen, Kälteprobleme mit Benzinfeuem oder überhitzten Öfen zu lösen. Die Wach- und Hilfsdienste in den Kaser­ nen werden vom „Labour-Service", einer para­ militärischen, kasernierten Truppe, durchge­ führt, die zur Zeit der Berlinblockade ins Leben gerufen worden ist. Heute heißt dieser Hilfsdienst CSG (Civilian Support Group). Die Leute des „Labour-Service" tragen amerika­ nische Militäruniformen ohne Rangabzeichen, führen allerdings militärische Titel und rekrutieren sich in der Nachkriegszeit vor­ wiegend aus ehemaligen deutschen Soldaten oder anderen Nationalitäten. Bis 1954 fahren diese Männer auch in Schulbussen mit und überwachen die Kinder beim Ein- und Aus­ steigen. Danach werden amerikanische Kin­ der zu Schülerlotsen ausgebildet und sorgen an neuralgischen Punkten um die Schulge­ bäude und in den Schulbussen für Ordnung. Die luxuriöse amerikanische Lebensweise produziert in den Kasernen und Wohngebie­ ten sehr viel Abfall. Ein in Miete wohnender Amerikaner berichtet: „Wir stellten fest, daß unser Zwei-Personen-Haushalt etwa viermal soviel Müll in die Abfalltonne warf, wie die vierköpfige Familie unseres deutschen Haus­ herrn". Die Amerikaner sammeln bis 1958 ihren Müll in der Housing Area mit eigenen

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Die Fürther warten am Müllplatz Scherbsgraben auf die Lastwagen der Amerikaner.

Fahrzeugen, die von deutschen Angestellten gesteuert werden, und kippen die Ladungen auf die Fürther Müllplätze. Eine dieser Müll­ kippen befindet sich in der Nachkriegszeit am Scherbsgraben. Was wir heute aus Elends­ vierteln in Südamerika oder Afrika kennen, spielt sich bis zum Anfang der fünfziger Jahre in Fürth ab: „Der berüchtigte Schuttplatz beim Scherbsgraben bietet ja wahrhaftig fürs Auge keinen erbaulichen Anblick. Darüber hinaus ist er aber auch für die Schuttplatz­ hyänen eine Fundgrube teils wertvoller und brauchbarer, teils aber auch gefährlicher und unpassender Gegenstände. Ein Blick über das Gelände zeigt ein buntes Leben eifriger 76

Sammler, darunter auch Kinder. Die auf das nächste Ami-Auto Wartenden zünden sich manchmal sogar ein Lagerfeuer an. Wie gefährlich das Schuttlesen aber ist, beweist die Tatsache, daß Kinder einmal höchst gif­ tige Strychnin-Ampullen zum Schrecken ihrer Eltern mit nach Hause brachten. ... Polizei­ lich muß freilich immer wieder schon wegen der Seuchengefahr vor dem Absuchen des Schuttplatzes gewarnt werden." Manche amerikanischen Müllanlieferer sind großzügig und erlauben den "Gogerern", brauchbare Dinge mitzunehmen. Andere bewachen ihren Müll, bis ein Bulldozer die Ware untergepflügt hat.

Schon damals bekommen die Amerikaner Schwierigkeiten mit der ungeheuren Menge an Verpackungsmaterial. Ab 1966 versuchen sie, mit Spezialfahrzeugen, die über genormte Müllcontainer gefüllt werden und die dann den Müll zusammenpressen, der Abfallflut Herr zu werden. Und während Ende der fünf­ ziger Jahre die Deutschen noch jeden rosti­ gen Nagel aufsammeln und geradeklopfen, zieren schon die ersten verlassenen Autos, ihrer Kennzeichen beraubt, die Straßen um die amerikanische Siedlung. „Wenn ein Ame­ rikaner sein Auto nicht mehr braucht, weil er heimfährt nach Übersee oder weil er sich ein neues gekauft hat, dann wirft er es weg", schreiben die „Fürther Nachrichten". Diese verbeulten Wracks werden die Fürther Polizei über die nächsten Jahrzehnte immer wieder beschäftigen. Neben dem Müllproblem treten bereits die ersten durch die Amerikaner verursachten Umweltschäden zutage, nur werden sie da­ mals noch nicht mit den heute üblichen dikken Schlagzeilen erwähnt. Nach dem Krieg haben die Amerikaner ihren Schrott, von Munition bis zu Flugzeugteilen, wahllos in die Wälder gekippt. Im März 1951 machen sich Altmetallhändler daran, den Stadtwald zu durchkämmen, da die Messing-, Kupfer- und Aluminiumteile einen guten Erlös verspre­ chen. Ihre harte Arbeit zeigt Erfolg, denn neben etlichem Gerümpel finden sie sogar einen ganzen Panzer. Ein größerer Umweltschaden zeigt sich 1951, als von der Monteith-Kaserne aus Ben­ zin im Boden versickert und in einen Brun­ nen an der Mühltalstraße gelangt. Einige dort wohnende Familien, die noch nicht an das Fürther Wasserleitungsnetz angeschlossen sind, können nun aus diesem verseuchten Brunnen nicht mehr ihr Trinkwasser ent­ nehmen. Die Stadt Fürth würde den Anschluß ans Netz durchführen, will ihn jedoch nicht bezahlen. Die Amerikaner als die eigentlichen Verursacher des Schadens, wählen den „langen Dienstweg" und verzö­ gern die Bearbeitung des Vorfalls. Erst als die „Fürther Nachrichten" im Mai 1955 über den Vorfall berichten, erklären sich die Amerika­ ner zur Zahlung der Kosten für den Anschluß der Familien an die Fürther Wasserversor­ gung bereit. „Off Limits" im St. Michaels-Viertel

Welch bedeutenden Wirtschaftsfaktor die amerikanischen Soldaten in der NürnbergFürther Region darstellen, macht ein Bericht

der „American-Express-Bank" vom Juni 1953 deutlich, nach dem in den vergangenen zwölf Monaten über 21 Millionen Dollar in Mark (Wechselkurs 1 zu 4,19) umgetauscht und vermutlich größtenteils auch ausgegeben worden sind. Die deutschen Geschäftsleute stellen sich auf die kaufkräftigen Amerikaner ein, mit ersten „Recommended'-Schildern versuchen sie, ähnlich wie heute mit Kredit­ kartenschildern, ihre zahlungskräftige Kund­ schaft anzulocken. Allerdings erkauft man sich bei dem Werben um Amerikaner auch einige unangenehme Begleiterscheinungen. Die Zahl der gewalttätigen Übergriffe, der Kuppeleivergehen, des Schwarzhandels und nicht zuletzt der Geschlechtskrankheiten bleibt bis zur Mitte der fünfziger Jahre un­ verändert hoch, obwohl die Armee energisch gegen Übeltäter vorgeht und die Zusammen­ arbeit zwischen amerikanischer Militärpolizei und deutscher Polizei sich weiter verbessert. Für die fortwährende Gewalttätigkeit gibt es mehrere Ursachen. Die Zahl der Soldaten nimmt - wie mehrfach erwähnt - in Fürth ständig zu. Weitere US-Einheiten trainieren in Hohenfels und Grafenwöhr und nutzen die freien Tage zu Besuchen in Nürnberg-Fürth. Auch für die in Bamberg, Erlangen oder Ans­ bach stationierten Gis übt die Metropole eine große Anziehungskraft aus. Den unterneh­ mungslustigen jungen Leuten sitzt das Geld locker in der Tasche, besonders in der ersten Woche nach dem Zahltag, und in Deutsch­ land ist alles viel billiger als in den USA. Zudem werden die verschiedenen hier statio­ nierten Einheiten der amerikanischen Armee häufig ausgewechselt, was ein aneinander Gewöhnen - und damit gegenseitiges Ver­ ständnis zwischen Fürthern und Amerika­ nern - verhindert. Dennoch behauptet der Kommandeur Oberst Kirby im Juni 1954, daß es in Fürth ruhiger zugehe, als in allen anderen europäischen Orten, in denen amerikanische Truppen stationiert sind. Eine Behauptung, die die Fürther sicher nicht teilen. Eine deutliche Verwilderung des Be­ nehmens der Soldaten ist auch nach der Beendigung des Koreakrieges feststellbar. Die Kriegserlebnisse müssen über weitere Gewalttätigkeiten verarbeitet werden, wobei anscheinend, wie bei einer ansteckenden Krankheit, auch im Krieg nicht aktive Ein­ heiten befallen werden. Wir werden diesem Phänomen während des Vietnamkrieges wieder begegnen. Der Status der deutschen Polizei gegen­ über den Besatzungssoldaten ist immer noch ungeklärt. Dies zeigt ein Vorfall im November 77

1949. Fürther Polizei und MP sind gleichzeitig davon verständigt worden, daß Soldaten in der damaligen Flughafenstraße (heute Vacher Straße) Frauen belästigen. Die sechs Polizi­ sten des Überfallkommandos treffen eher ein als die MP, stellen die Soldaten in einiger Entfernung vom Tatort und verfrachteten sie mit sanfter Gewalt in den (?) Wagen. Nach etwa einem Kilometer Fahrt sehen sie den MP-Jeep entgegenkommen und übergeben die Verhafteten der Militärpolizei. Der an und für sich klare Vorfall hat für die beteiligten Fürther Polizisten ein überraschendes Nach­ spiel. Im Juli 1950 verurteilt das im Sit­ zungssaal des Rathauses tagende amerikani­ sche Polizeigericht fünf Beamte zu je 50 DM Strafe und den Kommandoführer sogar zu 150 DM. Sie haben angeblich ihre Befugnisse überschritten, als sie die Soldaten verhaftet haben, obwohl der Notstand schon vorbei gewesen sei. Dieses Urteil verunsichert die Fürther Polizei und die Bevölkerung gleicher­ maßen, denn in Notfällen trifft die eigentlich zuständige MP meist erst dann am Tatort ein, wenn der Täter geflüchtet oder der Konflikt schon ausgeufert ist. Ein Beispiel für diese Verunsicherung lie­ fert die folgende Begebenheit vom 13. April 1951: „Als am Freitag kurz vor Mitternacht zwei deutsche Polizeibeamte in einer Gast­ stätte eine Kontrolle durchführen wollten, wurden sie von einem amerikanischen Sol­ daten unmißverständlich mit .Auf Wiederse­ hen' aufgefordert, das Lokal schleunigst zu verlassen. Den Beamten erschien diese Auf­ forderung keineswegs gerechtfertigt und sie leisteten ihr keine Folge. Kurzerhand faßte der Amerikaner einen der Polizisten beim Kragen und Hosenboden und versuchte, ihn hinauszuwerfen, jedoch ohne Erfolg. Dann packte er den anderen Polizisten und ver­ suchte diesen an die frische Luft zu beför­ dern, kam aber gleichfalls nicht zum Ziel. Daraufhin verständigten die Beamten die Militärpolizei. Der Täter wie auch die Polizei­ beamten wurden dann auf die MP-Dienststelle nach Nürnberg gebracht, von wo man die beiden Beamten erst nach Klärung der Angelegenheit wieder entließ". In einem ähnlichen Dilemma wie die Poli­ zei stecken auch die Fürther Gastwirte. Die zahlungskräftigen und spendierfreudigen USSoldaten stellen eine gute Einnahmequelle dar und die Geschäfte in der Gustavstraße florieren. Wegen der Veranstaltungen - bei­ spielsweise tritt Freddy Quinn im „Gelben Löwen" auf - beantragen die Gastwirte eine Verlängerung der Sperrstunde auf vier Uhr.

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Das Gesuch wird aber abgelehnt, da gerade zu dieser Zeit besonders viele Schlägereien gemeldet werden. Stellen die Wirtsleute einem amerikanischen Soldaten mit seinem deut­ schen „Fräulein" ein Zimmer zur Verfügung, riskieren sie eine Anzeige der deutschen Poli­ zei wegen Kuppelei. Weigern sie sich dagegen, laufen sie Gefahr, daß sie von den aufge­ brachten Soldaten verprügelt oder ihr Lokal verwüstet wird. Außerdem können sich die Gastwirte eine Anzeige wegen Diskriminie­ rung von Amerikanern einhandeln. Die Fürther Taxifahrer pflegen ebenfalls geschäftlichen Kontakt mit den Amerikanern. Bis März 1953 gibt es sogenannte „ExportTaxis", die mit einem ET-Schild gekennzeich­ net sind und die nur von amerikanischen Soldaten in Uniform benutzt werden dürfen. Ab 1. November 1953 können die amerikani­ schen Soldaten die Kasernen auch in Zivil­ kleidung verlassen und sie müssen den TaxiFahrpreis in Deutschen Mark entrichten. Die Soldaten fahren häufig Taxi, tragen also we­ sentlich zu den Einnahmen bei. Andererseits leben die Taxifahrer auch gefährlich. Eine Meldung vom 11. Februar 1950: „Ein TaxiChauffeur, der zwei US-Soldaten von einer Gastwirtschaft in Kreppendorf abzuholen hatte, wurde von dem einen dieser Soldaten grundlos mit einem Gewehrkolben gegen das Kinn geschlagen. Hierauf zertrümmerten die Soldaten zwei Scheiben des Autos und ergrif­ fen die Flucht." Um diese sich häufende Vor­ fälle zu vermeiden, erhalten die Taxifahrzeuge vorne und hinten weiße Blinklichter, die der Fahrer einschalten soll, wenn er bedroht wird. Es wird tatsächlich von ein oder zwei Fällen berichtet, wo beim Aufleuchten der Blinklichter die MP zur Stelle war.

Oft verlassen die Soldaten fluchtartig das Taxi, um den Fahrpreis nicht zahlen zu müs­ sen. In mindestens zwei Fällen geraten sie dabei aber an die Falschen. Am 25. Januar 1951 geben zwei Gis in der Kaiserstraße blitzschnell Fersengeld als „Bezahlung", wäh­ rend der dritte den Chauffeur mit seinem Ta­ schenmesser in Schach halten will. Der Taxi­ fahrer aber schlägt sofort auf den Soldaten ein und verfolgt den Flüchtenden. Er holt ihn ein, nimmt ihm Taschenmesser, Mütze und den Personalausweis ab und bringt die Be­ weisstücke zur MP. Ein anderer Chauffeur geht mit seiner Selbstjustiz ein gutes Jahr später allerdings zu weit, als er einen zah­ lungsunfähigen Soldaten vor sich sieht: „Der Soldat war mit einem Mädchen zu dessen

Wohnung in Stadeln gefahren (worden), wo das Mädchen jedoch seine weitere Begleitung ablehnte. Er aber hatte kein Geld mehr, sagte dies dem Taxi-Fahrer, gab ihm seine Identi­ tätskarte mit der Bitte, das Fahrgeld am nächsten Morgen in der Kaserne zu kassie­ ren. Ergrimmt schimpfte der Fahrer: ,Du Lump kommst mir gerade recht’, forderte ra­ debrechend den Soldaten auf, mit zur MP zu kommen und packte ihn am Arm. Der Soldat schlug deshalb den Fahrer zuerst ins Gesicht und stieß mit dem Fuß, worauf der Fahrer die Stahlrute gebrauchte, so, daß der Soldat einige Tage ins Spital mußte." Der Taxifahrer entschuldigt seine Tätlichkeit vor dem ameri­ kanischen Bezirksgericht mit „sprachlichen Mißverständnissen”, bekommt aber 15 Tage mit Bewährung und 100 Mark Geldstrafe aufgebrummt.

Wenn die Taxis ihre amerikanische „Fracht" in der Fürther Altstadt abgeladen haben, geht es erst richtig los. Was trägt sich in den Jahren 1950 bis 1955 so alles an Zwi­ schenfällen zwischen Marktplatz und Helm­ straße zu? Greifen wir einige markante Ereignisse heraus: In der Nacht zum 19. November 1950 wer­ den die Anwohner zwischen Dreikönigsplatz und Karlsteg aus dem Schlaf gerissen. Zwei Pakete mit Sprengstoff explodieren, der Geh­ steig wird beschädigt und über 200 Fenster und Schaufensterscheiben gehen zu Bruch. Einige Tage danach wird der Bombenleger gefaßt. Der Soldat, der sich nur einen Jux machen wollte, wird mit einem Jahr Gefäng­ nis bestraft und aus der Armee ausgestoßen.

Sechs Wochen später entreißt ein ameri­ kanischer Soldat einem Beinamputierten bei der Ludwigsbrücke dessen Krücken und wirft sie in die Pegnitz. Der Übeltäter wird kurz darauf in der Gustavstraße gefaßt. Um sich keine Anzeige einzuhandeln, fischt er selbst eine der Krücken aus dem eiskalten Fluß und entschädigt den Amputierten mit 9 Mark für die nicht mehr auffindbare zweite Krücke. Im Februar 1951 werden die Übergriffe so zahl­ reich, daß die berüchtigten Lokale „Cafe Metropol", „Gelber Löwe" und „Gasthaus zur Krone" vorübergehend für die Soldaten zu „Off Limits" erklärt werden. Wie wild die Sit­ ten zu dieser Zeit sind, verdeutlicht auch ein Vorfall vom 23. Juni 1951. Ein Soldat liegt nach einer Schlägerei verletzt am Boden, als ein Passant vorbeikommt, ihm aufhilft und ihn nach Hause begleiten will. Am Stadtthea­ ter stürzen sich. plötzlich acht Soldaten auf den hilfsbereiten Mann und schlagen ihn zusammen. Durch verstärkte Polizeistreifen und dis­ ziplinarische Maßnahmen beruhigt sich die Situation vorübergehend und erst im Sommer 1954 nehmen die Vorfälle in der Stadt wieder deutlich an Häufigkeit und Heftigkeit zu. Ende August fordert die KPD im Fürther Stadtrat ein „Off Limits" für die amerikani­ schen Soldaten im gesamten Bereich des St. Michaels-Viertels zwischen Gustavstraße und Marktplatz. Die Forderung findet aber keine Mehrheit, da den Stadträten eine Kon­ zentration der Problemzone besser be­ herrschbar erscheint, als eine Verteilung auf andere, bisher friedliche Gebiete. Die ameri­ kanischen Behörden wiederum sind aus ver­

Eine gemischte Polizeistreife vor dem Gebäude der Militärpolizei in der Darby-Kaserne (1953).

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ständlichen Gründen nicht an einer Verlage­ rung des Kneipen- und Rotlichtviertels in ihr eigenes Wohngebiet in der Südstadt interes­ siert, zumal beispielsweise eine Bordelleröff­ nung auf amerikanische Initiative hin den heftigsten Protest ihrer sehr rührigen Frauen­ bewegungen daheim in den USA hervorrufen würde. Deshalb sehen die Amerikaner die Lage nicht so dramatisch. In einer Pressekon­ ferenz am 2. September 1954 antwortet Oberst Kirby auf die Frage, warum sich die US-Soldaten an allen Tagen nach 22 Uhr noch außerhalb der Kasernen aufhalten dürfen: „Es ist ein Teil unserer Lebensart, daß jedermann das zu tun gestattet ist, was er möchte, es sei denn, er mißbraucht diese Freiheit. Für die Soldaten gibt es als Strafen hierfür Ausgangssperren, Geld- und Haftstra­ fen. Es gehört aber nicht zu unserer Art der Menschenbehandlung, sämtliche Soldaten alle Abende, wenn sie ihren Dienst hinter sich haben, in den Kasernen festzunageln. Falls wir sie ab 22 Uhr einsperren würden, müßten sie eine solche Maßnahme als Kollektivstrafe auffassen. Und Kollektivstra­ fen sind in der US-Armee verboten." Doch im Herbst 1954 eskaliert die Zahl der Vorfälle weiter. Ein Beispiel aus den „Fürther Nachrichten" vom 17. September unter der Überschrift „Auf ging's in der Helmstraße": „Zu einer ausgedehnten Schlä­ gerei, an der ungefähr 20 Besatzungsange­ hörige beteiligt waren, während gegen hun­ dert weitere Soldaten und Deutsche die Straße als Zuschauer füllten, kam es am Mittwochabend in der Helmstraße. Die Zivil­ bevölkerung beteiligte sich nur insofern an dem von der MP erst nach längerer Zeit ge­ schlichteten Streit, als die Anwohner die Kampfhähne aus den Fenstern mit Wasser begossen. Aus diesem Grund kam es zu keinen Tätlichkeiten gegen Deutsche. Die Ursache dieser kleinen .Straßenschlacht' war nachher nicht mehr festzustellen." Ein Brief von Oberbürgermeister Bornkes­ sel Anfang November an Oberst Kirby bringt schließlich den Stein ins Rollen. Der Kom­ mandeur für Süddeutschland, Generalmajor Numar A. Watson, verbietet ab 6. November 1954 allen amerikanischen Soldaten den Zutritt zur Fürther Altstadt zwischen 17 Uhr abends und 6 Uhr morgens, auch für Privat­ besuche. Durch diese „Off Limits' -Erklärung, die bundesweit Erwähnung findet, kann Fürth den Ruhm für sich in Anspruch neh­ men, die mit Abstand größte Zahl an gesperr­ ten Häusern in der Region zu besitzen. Das verbotene Gebiet erstreckt sich über das 80

St. Michaels-Viertel hinaus, vom Karlsteg entlang an Pegnitz und Rednitz bis zur Maxbrücke und von dort über Lilien- und Garten­ bis zur Bäumenstraße. Als 1955 ein Richtfest für einen Bauabschnitt der amerikanische Wohnsiedlung im „Schwarzen Kreuz" gegen­ über dem Rathaus gefeiert werden soll, müs­ sen sich alle eingeladenen Amerikaner erst eine Ausnahmegenehmigung besorgen. Jedenfalls atmen die Anwohner der Alt­ stadt nach dem „Off Limits" auf. Die große Mehrheit der Fürther Bevölkerung begrüßt die neue Ruhe. Bis Februar 1955 wird nur noch eine einzige Gewalttat gemeldet. Die Zuhälter und ihre Damen verlassen Fürth innerhalb weniger Tage und nur die Gast­ wirte und die Taxifahrer verzeichnen erhebli­ che Umsatzeinbußen und protestieren ener­ gisch. Die Betroffenen gründen später eine „Notgemeinschaft der Off-Limits-Geschädig­ ten". Es gehen aber nur einige einschlägige „Etablissements" pleite. Das Geschehen ver­ lagert sich in die Südstadt in die Nähe der Kasernen, ohne daß sich dort ein ähnlich konzentriertes Amüsierviertel bildet. Die Gis nehmen außerdem die verstärkt angebotenen Veranstaltungen der in den Kasernen vor­ handenen Soldaten-Clubs als Treffpunkte an. In der neuen Wohnsiedlung wird zusätzlich der „Kalb-Club" neben der amerikanischen Tankstelle an der Schwabacher Straße eröff­ net. Aus den Erfahrungen klug geworden, bie­ tet die amerikanische Armee ihren Soldaten ab 1955 eine Unmenge an Freizeiteinrichtun­ gen an. Die jungen Soldaten können ihre geknipsten Fotos selbst entwickeln oder den Brief an ihre Freundin von einem eigenen Schreibdienst mit der Maschine schreiben lassen. Sie können Schach spielen oder in einer Bibliothek lesen, sich Schallplatten anhören oder selbst in die Tasten eines Kla­ viers greifen. Selbst einen Kochclub gibt es: „Kochlöffelschwingende Gefreite oder Serge­ anten bruzzeln hier ihr Lieblingsmahl oder backen sich einen Kuchen - wenn es sein muß mit fertig angerührtem Mehl aus der Büchse! Auf weiblichen Beistand brauchen sie im Notfall nicht zu verzichten: eine Club­ helferin springt gerne ein, wenn es Not am Mann ist." Der Soldat, der seine handwerkli­ chen Fähigkeiten in eine andere Richtung lenken will, kann töpfern oder schreinern oder seinen fahrbaren Untersatz selbst repa­ rieren. Dabei steht ihm in der Kfz-Werkstatt ein ausgebildeter Meister mit Rat und Tat zur Seite.

Neben ihren handwerklichen Fähigkeiten erproben die Soldaten auch ihren sportlichen Bewegungsdrang. Die Gis boxen, schwim­ men, fischen, reiten oder spielen Baseball, Basketball, Golf und - tatsächlich - Fußball. Dafür stehen eigene Sportplätze und -hallen zur Verfügung. Im November 1957 baut die US-Armee in der Kaserne an der äußeren Schwabacher Straße eine Tontauben-Schießanlage, die die bisherige in Atzenhof ersetzt. Die Einweihung findet zusammen mit deut­ schen Sportschützen und Jägern statt. „Alles was für ein geselliges Schießen notwendig ist, ist vorhanden: Munition, Bier und gute Lau­ ne." Der enge Kontakt zwischen deutschen und amerikanischen Jägern wird gepflegt. Man trifft sich im „Rod and Gun Club" in der Steubenstraße und plaudert über die gemein­ same Leidenschaft. Bis zum 15. August 1951 ist allen Besatzungsangehörigen das freie Ja­ gen von Rehwild in privaten und staatlichen Revieren ausdrücklich erlaubt gewesen, erst dann wird es verboten. Ein dreiviertel Jahr später dürfen die deutschen Jäger wieder Jagdwaffen besitzen. Viele wertvolle Gewehre sind allerdings bei Kriegsende abgeliefert und zerstört worden oder auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Deshalb haben die Amerika­ ner nach dem Krieg mit Gewehren und Muni­ tion ausgeholfen, damit die entwaffneten Jä­ ger wieder ihrer Passion nachkommen konn­ ten. Jetzt unterstützen die Fürther Jäger die Amerikaner beim Ablegen der nun auch für sie notwendigen Jägerprüfung. Im dicht be­ siedelten Deutschland ist ein „Drauflosballem wie im Wilden Westen" nicht möglich. Der „Off Limits' -Befehl für die Fürther Alt­ stadt wird anfangs vierteljährlich auf seine Notwendigkeit hin überprüft, Als sich im Januar 1955 der Stadtrat noch um eine erste Verlängerung bemüht, sorgt ein Dr. Carl Yeager von der evangelischen Kirchenkommis­ sion für die amerikanische Truppenbetreuung für Aufregung. Der Amerikaner behauptet auf einem Kongreß in Atlantic City in den USA: .... die amerikanischen Militärbehörden seien überzeugt, daß kommunistischer Einfluß an der zunehmenden Rauschgiftsucht und der allgemeinen Sittenverderbnis der amerikani­ schen Truppen" in den deutschen „Sünden­ städten" schuld sei und nennt dabei Fürth neben München und Kaiserslautern. Mit anderen Worten schiebt dieser Mann die Schuld an der Undiszipliniertheit und Ge­ walttätigkeit der US-Soldaten den Fürthern selbst in die Schuhe. Diese Erklärung wird in der amerikanischen Öffentlichkeit stark

beachtet und erregt die Fürther Stadtverwal­ tung und die Bevölkerung, selbst die Kirche fühlt sich zu einer Gegendarstellung veran­ laßt. Die „Off Limits"-Verordnung ist übrigens bis heute nicht aufgehoben worden und gilt theoretisch immer noch. Die Kontakte zwischen Amerikanern und Fürthern zeigen aber nicht nur Auswirkun­ gen in Form blauer Flecken oder zerbroche­ ner Fensterscheiben. Wie bereits in einem früheren Kapitel erwähnt, entstehen aus den amourösen Abenteuern der Soldaten etliche nichteheliche „Besatzungskinder". Vor 1955 sind nur etwa 20 Prozent der Soldatenväter bereit, Unterhalt an die Mütter und Kinder zu zahlen. Erst nach der vollen Souveränität der Bundesrepublik sind sie dazu verpflichtet. Allerdings greift das Gesetz nur solange, wie sich die Väter in der Bundesrepublik aufhal­ ten. Zudem erlaubt das amerikanische Recht bei Militärangehörigen ohne deren Einver­ ständnis keine Lohnpfändung, auch nicht bei Vorliegen eines Gerichtsurteils. Die wirt­ schaftliche Lage der Kinder und Mütter hängt also vom „goodwill" der amerikanischen Väter ab. Andererseits adoptieren viele Soldatenfa­ milien deutsche Kinder. Diese sind nicht aus­ schließlich Vollwaisen, sondern auch Kinder, von denen ihre deutschen Eltern glauben, sie nicht ernähren zu können oder die einen amerikanischen Vater haben, der sich nicht um sie kümmert. Zwischen 1950 und 1953 ist in Fürth Mrs. Mickey Brown auf dem Gebiet der Vermittlung von Adoptivkindern besonders rührig. Sie arbeitet im Shopping Center, macht in ihrer Freizeit für vierzig deutsche Kinder Adoptiveltern in den Verei­ nigten Staaten ausfindig und erledigt alle hier anfallenden Formalitäten. Da die amerikani­ schen Eltern der Meinung sind, daß die Er­ ziehung wesentlich mehr Einfluß auf die Entwicklung eines Menschen hat als dessen Erbanlagen, „gehen sie mit ihren Fragen nicht bis auf Adam und Eva zurück." Es soll nicht der Eindruck entstehen, die amerikanischen Soldaten wären ausschließ­ lich auf das schnelle und kurzlebige Vergnü­ gen mit deutschen Frauen aus gewesen. Bereits im Januar 1947 regeln Bestimmun­ gen die Heirat zwischen Deutschen und Amerikanern, offenbar aus einer bestehenden Notwendigkeit heraus. Den deutschen Ehe­ frauen werden - unter ausdrücklichem Aus­ schluß ihrer Angehörigen - fast alle für ame­ rikanische Staatsangehörige gewährte Ver­

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günstigungen eingeräumt. Die Jahre 1951 und 1952 erleben geradezu einen Heirats­ boom zwischen amerikanischen Soldaten oder Zivilisten und Fürther „Fräuleins". Pro Jahr schließen allein im Bereich der DarbyKaserne etwa 390 solcher Paare den Bund fürs Leben. Sie stellen damit etwa 14 Prozent aller Fürther Eheschließungen. Ursache für den Boom ist nach amerikanischen Angaben die Zunahme der Truppen und die „Rückkehr zu friedensmäßiger Moral"(?). Dabei ist die Heiratsprozedur sehr umständlich, da sie nach deutschem Recht erfolgt. Umfassende Anträge, deren Bearbeitung mehrere Monate dauert, müssen in vierfacher Ausfertigung ausgefüllt werden. Dann muß der Soldat noch verschiedene Papiere aus Amerika be­ sorgen und schließlich 600 Dollar Kaution hinterlegen - damit im Scheidungsfall das deutsche Mädchen aus den USA wieder

zurückgeschickt werden kann. Im Jahr 1953 geht die Zahl der gemischten Hochzeiten auf siebzig zurück, da der frisch verheiratete Sol­ dat gemäß einer neuen Bestimmung späte­ stens 120 Tage nach der Hochzeit mit einer Deutschen in die Vereinigten Staaten zurück­ kehren muß. Erst die Lockerung dieser Bestimmung Ende 1954 läßt die Zahl der Heiraten wieder ansteigen. Der amerikanische Wohlstand in Fürth stellt ein dankbares Ziel für Diebe dar. Ein­ brecher suchen von Amerikanern bewohnte Häuser heim und durchwühlen Wohnungen, Keller und Dachböden. Dollarnoten und Aus­ weise sind begehrte Beutestücke. Nicht unge­ fährlich ist der Benzindiebstahl aus abgestell­ ten Autos mittels Schlauch und Kanister. Ein von der Militärpolizei ertappter Dieb in der Saarburger Straße kann Anfang der fünfziger

Auch amerikanische Familien schätzen im Sommer 1952 den Fürther Stadtpark.

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Jahre gerade noch auf dem Fahrrad fliehen, obwohl ihm die Polizisten einige Salven aus ihren Pistolen hinterherschicken. Trickreicher fangen es ein dreizehnjähriger Junge und ein zwölfjähriges Mädchen an, die einer ameri­ kanischen Familie in der Jakob-Henle-Straße Weihnachtslieder vorsingen. Während die dankbaren Gastgeber ein Essen zubereiten, stecken sich die Sänger eine Geldmappe mit Ausweispapieren, 35 Dollar und 25 Mark in die Tasche. Nachdem sie sich noch satt gegessen haben, verschwinden die abgebrüh­ ten kleinen Früchtchen. Andere Gauner erbeuten bei einem Ein­ bruch eine amerikanische Uniform, was ihr Vorgehen bei nun folgenden 17 Aufbrüchen amerikanischer Autos wesentlich unauffälli­ ger macht. Viele Deutsche sind bei den Ame­ rikanern in Privathaushalten und in den Kasernen angestellt. Die Versuchung ist bei dem vorhandenen Überfluß riesengroß, die Hemmschwelle niedrig. Sicher sind die mei­ sten Beschäftigten rechtschaffene Leute, die zudem von den großzügigen Arbeitgebern manches geschenkt erhalten. Daß der Großteil der bei den Amerikanern Beschäftigten ehrlich ist, beweist eine Razzia im März 1955. Der deutsche Zoll kontrolliert

zusammen mit der Militärpolizei und der amerikanischen Kriminalpolizei (CID - Criminal Investigation Department) überraschend alle deutschen Angestellten beim Verlassen der Darby-Kaserne. Das Ergebnis ist wenig spektakulär. In vierzehn Fällen werden zwi­ schen zwei und zehn Päckchen unverzollter Zigaretten und eine kleine Menge gestohlener Dinge gefunden. Es gibt aber auch schwarze Schafe, die das „Organisieren" amerikanischer Waren mit großer krimineller Energie betreiben. Im Au­ gust 1952 darf der Fürther Zoll in einer Kaserne eine Durchsuchung durchführen, um einen deutschen Angestellten auf frischer Tat ertappen zu können. Tatsächlich stellt der Zoll zahlreiche Packungen unversteuerter Zigaretten sicher. Ein ganz schlauer Fürther repariert amerikanische Straßenkreuzer und nimmt als Bezahlung Benzinmarken. Mit den in seiner Obhut befindlichen Ami-Schlitten fährt er bei der amerikanischen Tankstelle an der Schwabacher Straße vor und läßt für 3,8 Cent pro Liter volltanken. In seiner Garage entleert er die Tanks wieder und verkauft das Benzin mit dem wesentlich höheren deut­ schen Preis weiter. Etwa 15.000 Liter Benzin schleust er so am deutschen Zoll vorbei.

Ein Nash Ambassador Custom parkt 1951 am Kohlenmarkt.

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Auf dem Schwarzmarkt mischen beide Sei­ ten, Fürther und Amerikaner, kräftig mit. Seit der deutschen Währungsreform sind die amerikanischen Zigaretten als Zahlungsmittel verschwunden. Aber der deutsche Zoll ist hinter jeder unversteuerten Zigarette her. Kontrolliert wird auch auf der Straße und in den einschlägigen Lokalen. Jeden Monat werden zwischen 200 und 300 Personen wegen Besitzes illegaler Zigaretten angezeigt und zu Strafen zwischen zehn und mehreren tausend Mark verurteilt. Die meisten Straftä­ ter werden durch die „Wachsamkeit der Be­ völkerung" ermittelt, also durch Anzeigen von Nachbarn oder Neidern; die Zollbehörden schleusen aber auch schon V-Leute in die Schmuggelbanden ein. Der Raum Nürnberg-Fürth entwickelt sich zu einem der größten Märkte für Besatzungs­ schmuggel in der Bundesrepublik, wobei Fürth mit den stark belegten Kasernen den Mittelpunkt bildet. Jeder Soldat erhält als monatliche Ration 1.200 Zigaretten und sie­ ben Pfund Kaffee. Dagegen liegt der Pro-KopfVerbrauch bei den Amerikanern bei 750 Gramm Kaffee (bei den Deutschen bei 150 Gramm) pro Monat. Den nicht für den Eigen­ bedarf verbrauchten Teil veräußern die Soldaten gewinnbringend, entweder an der Straßenecke, über die „girlfriends" oder über deutsche Angestellte. Im Jahr 1950 beschlag­ nahmt das Fürther Hauptzollamt, dessen Verantwortungsbereich halb Mittelfranken umfaßt, 287.000 Zigaretten, 500 Kilogramm Kaffee, 579 Kilogramm Schokolade und drei Pkw. Die Zöllner rechnen mit einer Dunkelzif­ fer von neunzig Prozent! Der amerikanische CID und die deutschen Zollbehörden führen immer wieder Razzien in der Fürther Innenstadt durch. Am 2. Februar 1951 verhaften 25 „Geheimagenten" im Schwarzmarktviertel an der Blumenstraße 26 Verdächtige und erbeuten ein großes Waren­ lager. Diese spektakuläre Aktion beeindruckt die Fürther „Szene" so stark, daß noch Jahre später darüber diskutiert wird. Ab 1953 ist wegen der inzwischen gesenkten bundesdeut­ schen Steuern auf Kaffee, Tee und Tabak und den schärferen Kontrollen eine Abnahme der Schmuggelvorfälle zu verzeichnen. Im Jahr 1949 ist der in Fürth getrunkene Kaffee zu fast 60 Prozent „schwarz", vier Jahre später ist nur noch jede fünfte Tasse schwarzen Kaffees unverzollt.

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Manöver in der Altstadt

In den fünfziger Jahren führt die ameri­ kanischen Armee wiederholt großer Manöver für die in Fürth stationierten Soldaten durch. Die umliegenden Dörfer sind in die Kriegs­ spiele mit einbezogen, der Fürther Stadtwald leidet oft unter rücksichtslos durchpreschen­ den Panzern. Nach dem Manöverende schie­ ben sich alle Truppen durch Fürth, um wie­ der in ihre Kasernen zu gelangen, wobei die Militärs keine Rücksicht auf die Verkehrsver­ hältnisse in der Stadt nehmen. Ein Leserbrief an die „Fürther Nachrichten" aus dem Jahr 1971, dessen Inhalt genauso auf die fünfziger und sechziger Jahre zutrifft, schildert die Situation an der Kreuzung Fürth-Süd: .... Ganz schlimm aber wird es, wenn die amerikanischen Truppen aus der Kaserne in der Schwabacher Straße zu irgendwelchen Übungen auf das Übungsgelände am Hain­ berg ausrücken. ... es ist ja nicht das erste Mal, daß diese Truppenverbände ausgerech­ net immer dann in das Übungsgelände fahren müssen, wenn der Berufsverkehr in voller Stärke eingesetzt hat. Was ich außerdem noch für besonders unverschämt halte, ist die Tatsache, daß sich diese einzelnen Kolonnen überhaupt nicht an die Signale der Ampelanlagen ... halten. Sie fahren ohne Rücksicht auf den flutenden Verkehr bei Rot über jede Kreuzung, haben teilweise noch die Scheinwerfer voll aufgeblendet und kümmern sich überhaupt nicht um die Lichtsignale der Ampeln. Ebenso abrupt biegen sie dann von der Rothenburger Straße nach links in das Übungsgelände ein ... Dieses Verhalten der verantwortlichen Einheitsführer läßt darauf schließen, daß bei diesen Leuten wenig Ver­ ständnis für die Belange der Zivilbevölkerung besteht und man kann sich seinen eigenen Reim auf das Verhalten solcher .Verbündeter' machen im Ernstfall." Am 18. September 1950 schleusen die Offiziere ihre heimkehrenden Manövertrup­ pen mitten durch Fürth. Sie kümmern sich dabei auch nicht um die Verkehrsrichtung in Einbahnstraßen und der damals schon be­ achtliche Fürther Berufsverkehr bricht dar­ aufhin zusammen. Die Panzer rasieren Ver­ kehrsschilder ab, drücken mit ihren Ketten die Bordsteine zusammen oder reißen das sowieso schon bucklige Fürther Kopfstein­ pflaster auf. Man kann sich kaum vorstellen, wie die schweren Panzer durch die Fürther Altstadt gerasselt sind. In etlichen Häusern vibriert das Mobiliar, die Straßenschluchten hallen wider vom dröhnenden Lärm der Pan-

Ein amerikanischer Panzer vordem Heiligenberg am 14. April 1951.

zermotoren. Wenn die Panzer auf Tiefladern transportiert werden, passiert es manchmal, daß sie herunterkippen und die Straße blokkieren. Die Tieflader haben wegen ihrer außerordentlichen Länge noch mehr Schwie­ rigkeiten, sich durch die engen Fürther Stra­ ßen zu zwängen und wenn sie das scharfe Eck an der Maxbrücke zur Uferstraße um­ runden wollen, ist der Stau vorprogrammiert. Die überlangen Antennen der Fahrzeuge laufen Gefahr, mit den Oberleitungen von Straßenbahn und Eisenbahn in Kontakt zu kommen. Nach einigen spannungsgeladenen

Vorfällen binden die Fahrzeugbesatzungen die Antennen in waagerechter Stellung fest. Die Fürther Polizei wird zwar meistens vorher über die Konvois informiert, sie kann aber den Autofahrern nur raten, .... beim Aufheulen einer Sirene möglichst rasch die Fahrbahn frei zu machen." Am wichtigsten ist das Polizeifahrzeug, das hinter dem Konvoi herfährt, die Beamten protokollieren gleich die aufgetretenen Schäden an Gehsteigen, Hausfassaden und Verkehrszeichen. Zu Beginn des Jahres 1954 erklärt die amerika­ nische Armee, im Fürther Stadtwald keine

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Manöver mehr durchführen zu wollen und die Stadtförsterei macht sich daran, die bisher entstandenen Schäden auszubessern. Allerdings beziehen die Amerikaner bei ihren Alarmübungen weiterhin alle strategisch wichtigen Punkte in Fürth mit ein und po­ stieren dort Soldaten und Fahrzeuge. Die Fürther, die vorher meistens nicht informiert worden sind, wundern sich über diese Kriegs­ spiele, die allerdings auch ihrer eigenen Sicherheit dienen. In späteren Jahren werden die Manövertermine und -gebiete vorab in der Zeitung veröffentlicht, wobei man detaillierte Ermahnungen nicht vergißt: „Wer Munition oder Sprengstoffe findet, möge dies um­ gehend bei der nächsten Polizeidienststelle anzeigen. Das Sammeln ... von Fundmunition ist neben der Gefährdung auch noch als Diebstahl oder Hehlerei strafbar. Außerdem dürfen Munition und sogar leergeschossene Munitionsteile nicht gesammelt werden. Da es sich um Geschosse amerikanischer Her­ kunft handelt, kann der Sammler bestraft werden, weil er ein Zollvergehen begangen hat." Im Frühjahr 1953 sind in Fürth etwa 6.500 deutschen Autos und Motorräder re­ gistriert, gegenüber 3.200 amerikanischen Zivilautos. Zählt man die Militärfahrzeuge hinzu, überwiegen die amerikanischen Kraft­ fahrzeuge. Allerdings schrumpft der früher überproportionale Anteil der Amerikaner an Verkehrsunfällen auf ein normales Maß. Das liegt hauptsächlich an den vielen Informa­ tionskampagnen, die die amerikanische Armee immer wieder durchführt. Zusammen mit der Fürther Polizei veranstaltet die Mili­ tärpolizei Verkehrs-Sicherheitswochen und bei Streifenfahrten gibt es zeitweise auch ge­ mischte Besatzungen. Die amerikanischen Autofahrer haben sich daran gewöhnt, daß die deutschen Verkehrs­ regeln und -Schilder auch für sie Geltung besitzen. Die vielen auf den Fürther Straßen rollenden Straßenkreuzer werden jedes Jahr einer TÜV-ähnlichen Prüfung unterzogen, ohne deren Bestehen das jährlich neue Kenn­ zeichen nicht ausgegeben wird. Zwar ist die Untersuchung nicht ganz so streng wie beim deutschen TÜV, aber alles Wesentliche wird überprüft. Angeblich fährt man beim Brem­ sentest mit dem Auto auf eine gepolsterte Mauer zu und tritt erst kurz vorher aufs Bremspedal. Ist die Bremswirkung nicht aus­ reichend gewesen, erledigt sich der Fall von selbst. Die Fürther beschweren sich immer wieder über die zu lauten Lastwagen der Armee, 86

ebenso regelmäßig versprechen die amerika­ nischen Offiziere, die Fahrer, unter denen sich viele deutsche Angestellte befinden, zur Zurückhaltung zu ermahnen. Das Thema wird uns noch bis in die achtziger Jahre begleiten. Vier größere Unfälle sollen an dieser Stelle Erwähnung finden. Im Oktober 1951 gerät eine große Überseekiste auf einem Armee­ lastwagen in Brand. Den Soldaten fällt nichts besseres ein, als die Kiste von der Ladefläche zu kippen - genau auf die hölzerne Dambacher Brücke. Glücklicherweise kann die amerikanische Feuerwehr die in Brand gera­ tene Brücke schnell wieder löschen. Am 26. Juli 1954 will ein Soldat, von der Ludwigsbrücke kommend, zum Heiligenberg einbie­ gen. Der Jeep kommt auf der regennassen Fahrbahn ins Schleudern und fährt auf das Gasthaus „Goldener Engel" zu: „Unter einem Fenster der Gaststube wurde die Hausfront eingedrückt; die Steine flogen in dicken Quadern ins Zimmer. Ein Arbeiter, der mit zwei Kollegen in der Gaststube frühstückte, wurde am Fuß verletzt. Die Soldaten, die im Jeep saßen, blieben unverletzt." Ein Jahr später, am 4. August 1955, zeigt sich die Souveränität der Bundesrepublik auch in Fürth mit aller Deutlichkeit. Als nämlich an der Ecke Dr.-Mack- und Jakobinenstraße der

Die Aufnahmen zeigen den zerknüllten Jeep zwischen den Straßenbahnen.

Fahrer eines amerikanischen Jeep die Vor­ fahrt eines VW-Käfers mißachtet, kippt der Volkswagen den Jeep einfach um. Glück­ licherweise wird nur einer der Fahrer leicht verletzt. Im November des gleichen Jahres versucht ein mit drei Soldaten besetzter Jeep beim „Goldenen Schwan" am Marktplatz, eine Straßenbahn, die „1er”, links zu überholen. Die „41er" kommt im gleichen Augenblick entgegen und der Jeep wird zwischen den beiden Straßenbahnen zu einem kleinen Blechpaket gefaltet. Jeder der zahlreich hin­ zueilenden Passanten fragt sofort: „Wieviele sind tot?", aber wie durch ein Wunder kom­ men die Soldaten fast unverletzt davon.

Was sonst noch bis Mitte der fünfziger Jahre passiert Das Ende des Jahres 1951 bildet einen wesentlichen Meilenstein in den Beziehungen zwischen dem Sternenbanner und dem Klee­ blatt. Mit Charles M. Emerick, seit dem 1. März 1949 Resident Officer, verläßt der letzte Chef der amerikanischen Zivilverwaltung die Stadt mit dem Satz „Ich bin traurig, Fürth zu verlassen". Mit seiner Verabschiedung ist aufgezeigt, daß die Fürther die Besatzungs­

zeit überwunden haben und sich wieder voll­ ständig selbst verwalten dürfen. Allerdings dokumentiert die Einweihung der amerikani­ sche Schule an der Fronmüllerstraße einige Tage später, daß die Amerikaner sich auf Dauer als befreundete Schutzmacht in Fürth niederlassen wollen. Zur gleichen Zeit verläßt der militärische Kommandeur, der inzwischen zum General­ major beförderte David L. Ruffner, den „Nürnberg Post". Sein Nachfolger, Oberst Ernest A. Bixby, wird am 8. Februar mit einer Parade empfangen. Der West-Point-Absolvent, der kein Deutsch spricht, erhält wenig später den Rang eines Brigadegenerals. Bixby bemüht sich sehr um gute Kontakte zur deutschen Bevölkerung. Unter seinem Kom­ mando werden viele Häuser freigegeben, dar­ unter Turnhallen und das Stadttheater. Er führt - als einziger amerikanischer General in Deutschland - regelmäßig Pressekonferenzen durch, bei denen oft schnelle und pragmati­ sche Lösungen gefunden werden. „Zu der Frage, warum so viele Soldaten mit .Fräu­ leins' an den Ecken herumstehen, meinte General Bixby schmunzelnd und trocken: .Wenn die deutsche Polizei die Fräuleins von den Ecken wegnimmt, dann werden wohl auch keine Soldaten mehr dort herumste­ hen. "' General Bixby hebt am 5. Juni 1952 das „Civil Affairs Office" (Büro für Zivile Angele­ genheiten) aus der Taufe, als Anlaufstelle für alle Fürther, die Probleme in Zusammenhang mit den amerikanischen Truppen haben. Unter Oberstleutnant E. Todd soll es sich um alle deutsch-amerikanischen Angelegenheiten in ganz West-Mittelfranken kümmern. Das Büro wird in einem Gebäude an der Steubenstraße 31 untergebracht, wo es übrigens bis zum Abzug der Amerikaner bleibt. Und es ist für die Fürther zugänglich, ohne daß sie die Kaserne betreten müssen. Selbst die Besat­ zungsgeschädigten, ansonsten immer im „Kampf gegen die amerikanischen Behörden, bescheinigen General Bixby „Good Will". Dies zeigt sich beispielsweise bei dem Anliegen einer alten Dame, die seit 18 Monaten um Erlaubnis ersucht hat, auf den Dachboden ihres beschlagnahmten Hauses zu gelangen, um nach Schubladen von zurückgegebenen Möbeln zu suchen. Dies ist ihr immer ver­ wehrt worden, bis durch das Eingreifen von General Bixby die Frau, begleitet von einem Offizier, in einem Dienstwagen zu ihrem Haus gefahren wird und sie ihre Sachen holen kann. Sind früher die amerikanischen Ent­ scheidungen oft von Unberechenbarkeit und

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Willkür getragen gewesen, kehrt unter Bixby eine gewisse Kalkulierbarkeit ein. Er scheut sich auch nicht, starrköpfige und nicht zur Zusammenarbeit mit den Fürthern bereite Offiziere abzulösen und in die USA zurückzu­ schicken. Da die in Fürth stationierten Einheiten der US-Army ständig wechseln, soll darauf ver­ zichtet werde, sie im einzelnen zu nennen. Erwähnenswert ist lediglich das 169. Infan­ terieregiment, das im Oktober 1952 als älte­ stes noch aktive Regiment der amerikani­ schen Armee seinen 280. Geburtstag feiert. Die Parade vor General Bixby und Oberbür­ germeister Bornkessel übertragen die Ameri­ kaner sogar im US-Fernsehen. Leider wird Bixby schon am 1. Dezember 1952 zu neuen Aufgaben nach Frankreich abkommandiert und mit einer großen Parade verabschiedet. Bixbys Nachfolger ist Brigadegeneral Mason B. Young, unter dem sich die Bezie­ hungen eher verschlechtern. Ferdinand von Vopelius, der Vorsitzende der Besatzungsge­ schädigten, bemerkt beispielsweise über einen Mitarbeiter Youngs....... (er habe sich) unter dem Kommando Bixbys als sehr aufge­ schlossen und hilfsbereit erwiesen, während er unter Young genauso zugeknöpft wurde wie sein Kommandeur." Bereits ein halbes Jahr später verläßt General Young Fürth. Daß die geplante Abschiedsparade abgesagt wird, nur weil es regnet, erscheint vielen Fürthern unverständlich. Bei der deutschen Wehrmacht hätte es so etwas nicht gegeben. Leider wird zwischen 1953 und 1954 das „Post Headquarter Nürnberg" aufgelöst. Die

bisher dazugehörenden Bereiche zwischen Regensburg und Bayreuth, mit Grafenwöhr, Hohenfels, Straubing usw., werden in eigene Detachment-Headquarters umgewandelt, die von München aus befehligt werden. Das bedeutet, daß sich der Kommandobereich des Nürnberg-Fürther Detachments (mit Ansbach und Erlangen) ungefähr auf Mittelfranken reduziert und der Kommandeur nur noch den Rang eines Oberst innehaben wird. Der erste „Nur"-Oberst als Kommandeur des NürnbergDistrict ist Harold P. Hennessy, der wiederum im August 1954 Oberstleutnant Alexander G. Kirby Platz macht. Unter Kirby werden end­ lich wieder besetzte Häuser frei, was wegen der inzwischen fertiggestellten Wohnungen in der amerikanischen Siedlung möglich ist. Außerdem nimmt Kirby die Pressekonferen­ zen wieder auf, ein Zeichen, daß ihm die Probleme der Fürther am Herzen liegen. Anfang 1955 werden erstmals deutsche Gäste zum Neujahrsempfang des amerikanischen Offizierskorps im Offiziersclub eingeladen, ein weiteres Zeichen für die Verbesserung der Beziehungen. Im Dezember 1955 verläßt Kirby Fürth und übergibt seinen Schreibtisch seinem bisherigen Stellvertreter, Oberst Theodore R. Kimpton. Die Wohltätigkeit der Amerikaner gegen­ über den immer noch deutlich ärmeren Fürthern ist zu Anfang der fünfziger Jahre ungebrochen. Jedes Jahr organisieren sie vor Weihnachten Lotterien, Sammlungen und Basare, deren Erlös Fürther Bedürftigen zugute kommt. Im Jahr 1950 werden 32 Ton­ nen Orangen und 12.450 Pfund Süßigkeiten Am 19. Dezember 1951 uerabschiedet Oberbü rgermeister Bomkessel (stehend) im Fürther Rathaus­ saal den letzten „Resident Officer", Charles M. Emerick (links). Der Zuhörer ganz rechts ist General Bixby.

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für deutsche Kinder gekauft. Zwei Jahre spä­ ter schenken die Amerikaner jedem bedürf­ tigen Kind zwei Dollar und dazu Spielsachen. Kriegsversehrte erhalten 666 Kartons be­ schlagnahmter Zigaretten. Auch aus Amerika kommt immer wieder eine direkte Hilfe für die Fürther an. Kurz vor Weihnachten 1953 wer­ den etwa 2.000 CARE-Pakete an Bedürftige ausgegeben, welche von den verschiedenen freien Wohlfahrtsverbänden benannt worden sind. Aber bereits seit 1952 geht der Spen­ dentransport in Form von Spielwaren für amerikanische Waisenhäuser auch in ent­ gegengesetzter Richtung über den Atlantik. Am 9. Oktober 1954 übergibt der Vorsitzende der deutschen Spielwaren- und Christbaum­ schmuckindustrie, der Fürther Hans Man­ gold, dem Stabschef der US-Armee in Europa, General G. B. Ferenbough, insgesamt etwa 250.000 Spielwaren mit einem Gewicht von zehn Tonnen. Im Sommer 1955 beherbergen amerikani­ sche Familien zwanzig Berliner Kinder, die sich in Fürth erholen sollen. Die Verständi­ gung mit den Kindern, die sich sichtlich bei ihren Gasteltern wohl fühlen, erfolgt über die noch immer üblichen deutschen Hausange­ stellten der Amerikaner. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß im August 1954 erstmals in Fürth vor einem deutschen Arbeitsgericht die Klage einer Fürther Haus­ angestellten gegen ihren amerikanischen Arbeitgeber wegen rückständigem Urlaubs­ geld verhandelt wird. Ab September können deutsche Staatsbürger in Zivilklagen bei deutschen Gerichten gegen amerikanische Soldaten vorgehen, wenn die Zustimmung von HICOG in Mehlem vorliegt, die in der Regel innerhalb von vierzehn Tagen eintrifft. Die German Youth Association (GYA) setzt ihre Jugendarbeit bis Mitte der fünfziger Jahre fort. Als im April 1951 Paddelboote und Modellflugzeuge gebaut werden, stammen Werkzeuge und ein Großteil der Materialien aus amerikanischen Beständen. Allerdings müssen im gleichen Monat die GYA-Heime in der Turnstraße 10, in der Magazinstraße 12 und in der Waldstraße 99 wegen Geldmangel schließen. Einrichtung und Material werden deutschen Stellen übergeben. Das Heim in der Jahntumhalle bleibt bis zum Mai 1952 bestehen. Am 11. Juli 1952 eröffnet das neue GYA-Heim in der Darby-Kaserne. Es ist von der Flößaustraße (Nr. 94) aus zugänglich, besitzt eine Bibliothek und etliche Bastelund Aufenthaltsräume. Modenschauen und Kochkurse für Männer finden statt. Ein Jahr lang ist das 793. MP-Bataillon der Pate für

das Heim, dann übernimmt das 169. Infan­ terieregiment die Patenschaft. Da die Armee kein Geld mehr zur Verfügung stellt, erhält das Regiment das Heim mit großem Einsatz, mit Geld- und Sachspenden, noch bis zum Sommer 1955 am Leben. Dann geht es an die Stadt über, die bereits ein neues Jugendzen­ trum am Lindenhain plant. Immer wieder hilft die amerikanische Ar­ mee in der Stadt mit ihrem schweren Pio­ niergerät, mit ihren Baggern und Räumfahr­ zeugen, aus. Im Januar 1954 schieben sie den Schnee auf dem Fußballfeld der Spiel­ vereinigung im Ronhof beiseite. Neun Monate später entfernen sie für den Bau des Som­ merbades am Scherbsgraben etwa zehn Tage lang den Mutterboden und im Juli 1955 muß der amerikanische Kommandeur bedauernd feststellen, daß für seine Planierraupen wesentlich mehr Anfragen bestehen, als Übungsstunden verfügbar sind. Als das Fürther THW 24 Helfer zu einer Über­ schwemmungskatastrophe nach Passau sen­ den will und der nötige Transportraum fehlt, springen die Amerikaner schnell ein. Inner­ halb von 15 Minuten stellen sie zwei Last­ wagen mit freiwilligen Fahrern zur Verfügung. Der Fürther Kirchweihkrawall erregt am 1. Oktober 1950 großes Aufsehen. Aufgestachelt durch die KPD, formiert sich ein Protestzug gegen die Wiederbewaffnungspläne, die die Bundesregierung angeblich hegt. Einige Tau­ send Menschen ziehen vom Stadttheater zum Rathaus und werden erst von der eilends herbeigerufenen Bereitschaftspolizei am Ein­ dringen gehindert. Etliche Demonstranten werden festgenommen. Die Amerikaner kom­ men dadurch „ins Spiel", daß während des Protestzuges .... ein Fahrzeug der US-Armee umfiel" (so die KPD). Vier Wochen später wer­ den sechzehn Rädelsführer vom amerikani­ schen Distriktgericht in Nürnberg wegen Auf­ ruhrs und „feindseliger Handlungen gegen­ über der Besatzungsmacht" zu insgesamt 26 Jahren Helft verurteilt. Viele Fürther sind an Amerika, an Land und Leuten, interessiert. Sie beziehen ihre Informationen aus den Filmen und Romanen, die über den großen Teich kommen, und, was erst recht ein schiefes Bild vermittelt, aus dem Verhalten der hier stationierten Solda­ ten. Doch nur wenige können sich vor Ort ein Bild über die amerikanische Lebensweise machen. Die Reisen über den Atlantik sind teuer, der Wechselkurs (ein Dollar kostet über vier Mark) ist ungünstig. Oft bieten amerikanische Organisationen Deutschen die Möglichkeit, einige Monate lang die Vereinig­ 89

ten Staaten kennenzulernen. Der Fürther Student Herbert Hauck kann ein Jahr an einer amerikanischen Universität verbringen und ist überwältigt von der amerikanischen Gastfreundschaft. Im April 1953 berichten die Vorsitzende der Jungsozialisten, Friedl Reinmann und ihr späterer Ehemann, Stadtrat Heinrich Stranka, von ihrer Reise quer durch die Vereinigten Staaten und der dort gerade grassierenden Kommunisten­ angst. Verwaltungsdirektor Dr. Anton Kaltenhäu­ ser bereist in seiner Funktion als Polizeidirek­

tor und Krankenhausreferent Anfang 1954 fast zwei Monate die USA und informiert sich schwerpunktmäßig über Verkehr, Polizei und Krankenhauswesen. Ein ganzes Jahr studiert die Fürther Oberschullehrerin Wiltrud Bert­ hold an der Universität Kentucky. Immer wieder wird der zwanglose, unkomplizierte Umgang der Amerikaner untereinander und die Gastfreundlichkeit gegenüber Fremden hervorgehoben.

Einige der amerikanischen Soldaten frönen auch in Deutschland ihrer Jagdleidenschaft. So beispielsweise Brigadegeneral Patton (Mitte). Hier versorgt er den Hund des FN-Fotografen Knut Meyer, den er versehentlich angeschossen hat. Links der Burgfarmbacher Stadtrat Konrad Dürschinger. 90

Stille Amerikaner Streit um Stationierungskosten Die Weltpolitik ist seit den fünfziger Jah­ ren von den klaren Fronten des Kalten Krie­ ges geprägt. Die sich um die USA und die Sowjetunion gruppierenden Machtblöcke ver­ suchen, ihre Interessengebiete zu festigen und, wenn möglich, auszuweiten. Stichworte dazu sind die Kubakrise und der Mauerbau in Berlin. Die Bundesrepublik Deutschland ist ein vollwertiges Mitglied der NATO gewor­ den und kann sich unter deren Schutzschirm auf ihre wirtschaftliche Gesundung konzen­ trieren. Die Beziehungen der Bundesrepublik zu den Vereinigten Staaten gestalten sich in den nun geschilderten elf Jahren zwischen 1956 und 1967 problemlos - bis auf eine Aus­ nahme, auf die ich gleich zurückkommen werde. Wirtschaftlich kann sich die Bundes­ republik von den USA lösen und sich mehr und mehr dem europäischen Wirtschafts­ raum zuwenden. Die militärische Abhängig­ keit von den USA bleibt jedoch trotz einer zahlenmäßig starken, zunehmend gut ausge­ rüsteten und ausgebildeten Bundeswehr erhalten, da ein Zugang zur atomaren Be­ waffnung nicht möglich ist und die Bundes­ regierung klugerweise von sich aus auch auf einen Versuch dazu verzichtet. Andererseits garantiert eine fest im westlichen Bündnis­ system integrierte Bundesrepublik ein stabi­ les Europa. Die Zahl der in der Bundesrepublik Deut­ schland stationierten US-Soldaten wird in dieser Zeit sowohl durch die vorher angespro­ chenen Krisen als auch durch die von den USA (und damit von der NATO) verfolgte Mili­ tärstrategie beeinflußt. Letztere heißt in den 50er Jahren „Massive Vergeltung". Sie basiert auf dem gegenüber der Sowjetunion wesent­ lich stärkeren Atomwaffenpotential der USA und dessen sofortigem Einsatz im Fedie eines Angriffs. Die auf dem Bundesgebiet in unmit­ telbarer Nähe zur DDR-Grenze stationierten Truppen sollen als „Stolperdraht'' dienen und den nuklearen Gegenschlag auslösen. Bereits zu diesem Zeitpunkt stationieren die Ameri­ kaner taktische Atomwaffen in der Bundesre­ publik. Das Bild ändert sich zu Beginn der 60er Jahre, als die UdSSR beim Bau von Inter­ kontinentalraketen mit den USA gleichziehen. Ein Atomkrieg scheint nicht mehr gewinnbar, deshalb erhöhen die Vereinigten Staaten die Qualität und die Quantität ihrer in Europa

stationierten Streitkräfte. Zwischen 1955 und 1960 befinden sich durchschnittlich 248.000 US-Soldaten auf deutschem Boden, zwischen 1961 und 1965 dagegen 263.000. Mit der Aufhebung des Besatzungsstatuts 1955 wird gleichzeitig ein Aufenthaltsvertrag für die amerikanischen, britischen und französi­ schen Truppen in Deutschland in Kraft gesetzt. Dieser wird 1959 durch das NATOTruppenstatut abgelöst, in dem in einem Zusatzabkommen festgelegt ist, daß die Bun­ desrepublik die Liegenschaften für die aus­ ländischen Soldaten zur Verfügung stellt und die Stationierungsstreitkräfte für Unterhalt und Personal zu sorgen hätten. Anfang der 60er Jahre verbessert Amerika die Ausrüstung seiner Soldaten. Die Moder­ nisierung beginnt beim Gewehr M14 und geht bis zur 28 cm-Feldartillerie („Atomkanone") und zu Pershing-Raketen. Diese Modernisie­ rung und die gleichzeitige Zunahme der Sol­ datenzahl münden jedoch in das anfangs erwähnte Problem, das die deutsch-ameri­ kanischen Beziehungen stark belastet, näm­ lich die Verteilung der Stationierungskosten. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat die ame­ rikanische Wirtschaft in der Welt dominiert. In Regierungskreisen ist man der Meinung gewesen, jeder im Ausland für das Militär ausgegebene Dollar sei sinnvoll angelegt. Amerikanische Sicherheitsinteressen könnten direkt in den Stationierungsländern oder an deren Grenzen wahrgenommen werden, außerdem bestünde die Möglichkeit, diese Streitkräfte als innenpolitisches Druckmittel zu nutzen. Deshalb haben die USA die Kosten aller ihrer im Ausland stationierten Truppen selbst getragen. Diese großzügige Haltung ändert sich 1960, als das amerikanische Zahlungsbilanzdefizit drastisch zunimmt. Eine Position dieses Defizits sind eben die Stationierungskosten, wobei wiederum die Bundesrepublik Deutschland am meisten betroffen ist (mit etwa 50 Prozent aller im Ausland stationierten US-Truppen). In Geld ausgedrückt, beträgt allein der deutsche Anteil jährlich 650 Millionen Dollar. In den Vereinigten Staaten ist man der Meinung, daß die sich inmitten des Wirtschaftswunders befindliche Bundesrepublik einen namhaften Beitrag zu ihrer eigenen Sicherheit leisten könne. Als Druckmittel gegen die Bundesre­ gierung setzt man bei den Verhandlungen immer wieder den Plan eines Rückzuges von großen Teilen der in Deutschland stationier­ ten Truppen ein. Nach zähen Verhandlungen einigen sich beide Regierungen auf insgesamt 16,7 Milli­ 91

arden Mark, die Deutschland zwischen 1961 und 1967 an die Vereinigten Staaten zu zah­ len haben wird. Zum Ausgleich erhält die Bundeswehr moderne Waffensysteme aus Amerika (z.B. den Starfighter), bis ihre De­ pots schließlich überquellen. Als Amerika 1966 erneute Ausgleichszahlungen fordert, führt dies zum Sturz der Regierung Erhard, die vor dem Hintergrund einer Rezession die Haushaltslücken nicht mehr decken kann. In den elf Jahren zwischen 1956 und 1967 befindet sich die in der Bundesrepublik sta­ tionierte 7. US-Armee auf dem Höhepunkt ihrer Kampfkraft. Die Einheiten sind hoch­ motiviert, voll ausgerüstet und sehr diszipli­ niert. Zwischen den Soldaten und der deut­ schen Bevölkerung gibt es nur wenige Rei­ bungspunkte. Inzwischen eskaliert jedoch der Vietnamkrieg und mit dem zunehmenden Engagement der USA in Indochina ziehen bereits dunkle Wolken am Horizont auf, die die deutsch-amerikanischen Beziehungen, mehr noch aber das Image des amerikani­ schen Militärs, schädigen werden. Amerikanisches Getto Mit dem Bau der Offizierssiedlung in Dambach ist die Bautätigkeit der Amerikaner in Fürth vorerst beendet. Sie verzichten auf das geplante zweite Kino in der Kalb-Siedlung und auf das Stadion zwischen Oststraße und Kühschanze. Die dort angesiedelte Kleingar­ tenkolonie „1897" kann aufatmen. Allerdings müssen später etliche Kleingärtner ihr Gelän­ de, das sie erst Anfang der fünfziger Jahre zugewiesen bekommen haben, wieder räumen, als ab 1970 die Südwesttangente gebaut wird. Diese als Entlastungsstraße für die innerstädtische Bundesstraße 8 gedachte Autobahn ist ursprünglich auf der Linie Dambach-Herrnstraße geplant gewesen. Zu Beginn der sechziger Jahre hat die geplante Einmündung auf die Fronmüllerstraße ge­ zielt, der Durchgangsverkehr wäre also mit­ ten durch die amerikanische Wohnsiedlung gegangen. Die für die Einmündung der Süd­ westtangente vorgesehene Lücke zwischen dem Lohnert-Sportplatz und der nachfolgen­ den Bebauung ist heute noch vorhanden. Aus Gründen des Trinkwasserschutzes, und weil ein weiterer Talübergang sowieso für den Main-Donau-Kanal geplant ist, wird diese Variante - sehr zur Freude der Amerikaner fallengelassen. Schließlich wird die Südwest­ tangente am Main-Donau-Kanal entlang rea­ lisiert, die amerikanische Wohnsiedlung wird also im Süden umfahren. Das gesamte ame­

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rikanische Areal bildet ein in sich geschlosse­ nes „Klein-Amerika" in der Fürther Südstadt. Trifft man im restlichen Stadtgebiet nur hin und wieder auf Autos mit amerikanischen Kennzeichen, so kehrt sich dort das Verhält­ nis um. Zwischen Schwabacher-, Flößau-, Wald- und Fronmüllerstraße dominieren amerikanische „licence plates", amerikani­ sche Reklametafeln mit englischsprachigen Aufschriften und die Zahl der Farbigen ist auffallend höher als selbst in vielen Orten Amerikas. „Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als wir in einem deutschen Hotel wohnten. Damals schrien sie, sie wollten ihren Besitz zurück und wir sollten nach Hintertupfing ziehen. Jetzt sind wir in Hintertupfing und jetzt schreien sie, wir sollen herauskommen und uns unter das Volk mischen ...", so wird im April 1961 eine Amerikanerin zitiert. In Fürth und in anderen deutschen Garnisons­ städten sind die amerikanischen Wohnsied­ lungen fertiggestellt, die Amerikaner eingezo­ gen. Und jetzt jammern die Deutschen, daß die Amerikaner lieber in diesen Gettos hocken und sich nicht für die deutsche Kul­ tur und Lebensweise interessieren. Sie mei­ nen, das läge an einer typisch amerikani­ schen Arroganz anderen Nationen gegenüber, wie sie beispielsweise in dem 1958 er­ scheinenden Buch „Der häßliche Amerikaner" dargestellt wird. Doch ist die Erklärung viel einfacher. Viele Gis ziehen einfach das bequeme Leben in dem ihnen alles bietenden Getto vor, zumal die Soldaten sowieso alle drei Jahre woanders hin versetzt werden und sich nicht jedesmal wie ein Chamäleon der Lebensweise des gastgebenden Landes anpassen können. Zu Freundschaften zwischen amerikani­ schen Soldaten und Deutschen kommt es meistens nur bei einer gemeinsamen Inter­ essenlage oder einem gemeinsamen Hobby. Oft scheuen beide Seiten den engeren Kon­ takt wegen der Sprachbarriere oder weil die Lebensgewohnheiten der anderen Nation unbekannt sind und man sich unsicher fühlt. Die Berührungsängste zwischen Deutschen und Amerikanern im privaten Bereich rühren oft auch von den unterschiedlichen finanziel­ len Möglichkeiten her, vor allem in den ersten fünfundzwanzig Jahren nach dem Krieg. Die amerikanischen Soldaten wohnen mietfrei, essen, trinken, rauchen und tanken steuer­ frei und können sich im Supermarkt alle er­ denklichen Luxusgüter kaufen. Die Fürther haben sich erst aus der Nachkriegsnot hoch­ arbeiten müssen und können als Gastgeber

Bei jedem „Tag der offenen Tür ", hier anläßlich der 200Jahrfeier der USArmee im Juni 1975, überlassen die Amerikaner großzügig ihr Kriegsgerät den Kindern zum Spielen.

vermeintlich nichts Vergleichbares bieten. Die engeren Kontakte, im positiven wie im negati­ ven Sinn, die Fürther und Amerikaner in den ersten Nachkriegsjahren gepflegt haben, sind einem Nebeneinander-Leben gewichen. Bei verschiedenen Veranstaltungen versu­ chen beide Seiten, Kontakte aufzunehmen. Neben den Freundschaftsclubs, auf die später noch eingegangen wird, bildet die jedes Jahr in der zweiten Maiwoche stattfindende deutsch-amerikanische Freundschaftswoche einen „Eckpfeiler" der Beziehungen. Der Um­ fang der von den Amerikanern organisierten Veranstaltungen wechselt je nach Engage­ ment des zuständigen Kommandeurs und der finanziellen und politischen Lage. Die Beteili­ gung der Fürther orientiert sich hauptsäch­ lich am Wetter. Besonderen Zuspruch findet

immer die angebotene amerikanische Eis­ creme. Wie sieht eine typische Veranstal­ tungswoche aus? Nehmen wir das Jahr 1966 als Beispiel: Ein deutsch-amerikanischer Gottesdienst eröffnet am Sonntag (7. Mai) in der Kapelle der Darby-Kaserne die Freundschaftswoche. Am folgenden Dienstag findet auf dem Lohnert-Sportplatz ein gemeinsames Schulsport­ fest statt. Am Mittwoch gibt der deutsch­ amerikanische Beratende Ausschuß einen Empfang im Kalb-Club. Ein Standkonzert auf der Fürther Freiheit mit dem Musikkorps der 4. US-Panzerdivision folgt am Donnerstag. Der Deutsch-Amerikanische Frauenclub und die Juniorenclubs laden für den Freitag zu einer Mai-Party im US-Armee-Hotel gegen­ über dem Nürnberger Hauptbahnhof ein. Am 93

gleichen Tag schießen die deutsche und die amerikanischen Polizei in Spardorf bei Erlan­ gen mit Pistolen um die Wette. In der DarbyKaserne veranstaltet die Feldzeugmeisterei am Samstag einen „Tag der offenen Tür". Das ist die einzige Gelegenheit der Fürther wäh­ rend des Jahres, „ihre" Kasernen von innen zu sehen. Ein gemeinsamer Gottesdienst, wieder in der Kapelle der Darby-Kaserne, beschließt am Sonntag das Programm. In manchen Jahren werden auf dem freien Platz gegenüber dem Lohnert-Sportplatz oder vor der Johnson-Kaseme Buden, Karussells und Bierzelte aufgebaut. Zum Feiern im Bierzelt gehört auch das Anzapfen des ersten Fasses. Im Jahr 1978 erledigt der amerikanische Kommandeur diese für ihn eigentlich ungewohnte Tätigkeit auf die folgende Weise: „General Sanderson schnappte sich einen Bierschlegel, schwang ihn, weit ausholend wie einen Baseballschlä­ ger und drosch den Zapfhahn mit einem ein­ zigen, gewaltigen, zielsicheren Schlag ins bereitstehende Bierfaß. Auf so unkonventio­ nelle Art und Weise wurde in Bayern noch kaum ein Bierfaß angezapft." Neben den Freundschaftswochen gibt es viele Einzelveranstaltungen, auf denen sich die Fürther und „ihre" Amerikaner - es sind ja immer wieder neue - treffen. Die High-School lädt im Mai 1957 viele deutsche Schulkinder zu einem Gartenfest ein. Stolz präsentieren die Gastgeber deutsches Liedgut und als Höhepunkt einen perfekten Maitanz. Vermut­ lich wären den Fürther Jugendlichen ameri­ kanische Klänge lieber gewesen. Besser machen es die amerikanischen Schüler 1966, als sie Kinder aus der Kiderlinschule im Rahmen der Fürther „Musischen Woche" zu Gast haben. „Da sangen die Gastgeber Cow­ boy- und Volkslieder, Songs aus Musicals und Spirituals. Es zeigte sich dabei recht deutlich, daß die Kinder mit Spaß bei der Sache waren. Sie freuten sich riesig, ihren deutschen Gästen etwas Fremdartiges bieten zu können. Dazu gehörte unter anderem auch ein moderner Tanz, der auf eine Jazz­ melodie dargeboten wurde. Die Kinder der Fürther Volksschule wiederholten ... die Kan­ tate .Der Struwwelpeter' ... Hier gefiel den amerikanischen Schülern besonders der Zap­ pelphilipp und der Suppenkaspar". Auf einer ernsteren Ebene pflegen der „Westliche Sängerkreis Fürth" und der New Yorker „Kreutzer-Quartett-Club" eine Sänger­ freundschaft, die 1958 anläßlich eines Kon­ zertes im Fürther Stadttheater ihren Höhe­ punkt findet. Zwei Jahre später fliegt der

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Fürther Vorsitzende Willi Bergner alleine (!) zum 100jährigen Jubiläum des amerikani­ schen Gesangsvereins. Er überbringt als Gastgeschenk eine von Karl Dörrfuß gestal­ tete, zwei Meter lange Fahne. Ein Mitflug des gesamten Fürther Chors ist illusorisch, nur wenige können sich 1960 die teuren Flug­ tickets leisten. Der Spendeneifer der amerikanischen Sol­ daten läßt mit dem abnehmenden Wohl­ standsgefälle zwischen beiden Nationen naturgemäß nach. Im Jahr 1956 sammeln die Soldaten noch 10.000 Dollar für den Kampf gegen die damals grassierende Kin­ derlähmung, ein Jahr später werden 500 Dollar für das geplante Fürther Lindenhain beigesteuert. Und 1958 beherbergen amerika­ nische Familien wieder zehn Berliner Kinder während der Sommerferien. Für die Ope­ ration eines herzkranken Kindes aus Unterasbach in der kalifornischen Mayo-Klinik spenden 1962 die Amerikaner 4.000 Mark. Ihre spontane Hilfsbereitschaft stellen die Amerikaner jedoch immer wieder ungebro­ chen unter Beweis. Als Sergeant Robert M. Johnston am 4. Dezember 1959 die Fried­ rich-Ebert-Straße entlangfährt, sieht er ein durch einen Verkehrsunfall schwerverletztes Ehepaar auf der Straße liegen. Er hält sofort an und schützt die Unfallopfer, die wegen ihrer Verletzungen nicht bewegt werden dürfen, mit seinen Kleidungsstücken gegen die eisige Kälte, bis der Krankenwagen er­ scheint. Für diese gute Tat wird Johnston später von der Fürther Polizei geehrt. Die Zusammenarbeit zwischen amerikani­ schen Dienststellen, der deutschen Verwal­ tung und der Wirtschaft in Mittelfranken ist gut. Wesentlichen Anteil daran hat in den fünfziger Jahren der „Deutsch-Amerikanische Beratende Ausschuß", dem auf US-Seite im­ mer die ranghöchsten Kommandeure angehö­ ren. Auf deutscher Seite sind neben dem Regierungspräsidenten auch Vertreter der Wirtschaft, wie etwa Gustav Schickedanz, tätig. Den Mitarbeitern der darunterliegenden Ebenen wird durch verschiedene Schulungs­ maßnahmen der Kontakt zur anderen Seite erleichtert. Die Soldaten und Offiziere können Vorträge über die fränkischen Gewohnheiten hören, die Themen reichen von den Advents­ und Weihnachtsbräuchen, die ein Nürnberger Pfarrer den Amerikanern lebendig schildert, bis zur Faschingszeit, über die ein ehemaliger Faschingsprinz einen Vortrag hält. Die ameri­ kanische Militärpolizei in Fürth veranstaltet Englischkurse für die Bayerische Landpolizei

und die Fürther Stadtpolizei. Den amerikani­ schen Soldaten werden Deutschkurse ange­ boten, in der Nürnberger Merrell-Kaseme wird dafür sogar ein Sprachlabor mit mo­ dernsten Tonbandgeräten eingerichtet. Aller­ dings scheint die freiwillige Beteiligung nicht ausreichend zu sein, denn im Frühjahr 1961 ordnet das Hauptquartier der 7. Armee an, daß 25 Prozent der Offiziere und 8 Prozent der Mannschaften an solchen Schulungen teilnehmen müssen. Eine gute Verständigung und effektive Zusammenarbeit ist bei den Feuerwehrleuten dringend erforderlich, da bei den Amerika­ nern auffallend viele Brände entstehen. Im folgenden sollen einige Beispiele geschildert werden. Anläßlich der Feuerschutzwoche proben im Oktober 1957 amerikanische und deut­ sche Feuerwehrleute den Ernstfall in der Darby-Kaserne und sie sind mit dem Resultat sehr zufrieden. Wie wichtig diese Übung gewesen ist, zeigt sich einen Monat später. Am 26. November gehen in der MonteithKaserne über 8.000 Benzinkanister mit 168.000 Litern hochexplosivem Flugbenzin in Flammen auf. Das Benzinlager befindet sich in Gebäude 274, nahe an der Ausfahrt des Eisenbahngleises aus dem Kasernengelände, oberhalb der Mühltalstraße. Die Berufsfeuer­ wehren aus Fürth und Nürnberg und Freiwil­ lige Feuerwehren bekämpfen zusammen mit den amerikanischen Löschzügen aus der Kaserne, aus der Südstadt, aus Schwabach (!) und aus Erlangen das Feuer. Sie müssen sich darauf beschränken, ein Übergreifen der Flammen auf andere Gebäude, darunter die außerhalb der Kaserne liegenden Lager der Zimmerei Höchammer und des Baugeschäfts Müller zu verhindern. Außerdem gilt es, zwei unterirdische Lager mit weiteren 48.000 Litern Benzin zu kühlen. Die insgesamt 92 Feuerwehrleute arbeiten unter der Leitung des Fürther Brandamtmanns Xaver Dimper reibungslos zusammen und es gelingt, ein Ausbreiten des Feuers zu verhindern, obwohl die Wehrmänner durch bis zu vierzig Meter weit fliegende Kanister gefährdet werden. Wie durch ein Wunder wird niemand verletzt und der von den Amerikanern bereitgestellte Ret­ tungshubschrauber wird ebenso wenig benö­ tigt wie die Fürther Sanitäter, die bei den Löscharbeiten helfen. Erst am nächsten Mor­ gen ist das Feuer erloschen. Die Ursachen­ ermittlung übernimmt die amerikanische Kriminalpolizei, die wahrscheinlichsten Brandursachen sind der fahrlässige Umgang mit offenem Feuer oder ein Kurzschluß.

Benzin spielt auch am 24. August 1960 eine Rolle, als in der Darby-Kaserne aus unbekannter Ursache eine Wellblechhütte mit öl- und Benzinfässem in Brand gerät. Die Fürther Feuerwehr kann trotz weiterer Verpuffungen ein Übergreifen des Brandes auf mehrere unterirdische Tanks verhindern. Der deutsche Tankwart wird schwer verletzt und stirbt vier Tage später. Beinahe zu einer noch größeren Katastrophe führt am 3. April 1963 das Auslaufen von mehreren Hektoli­ tern Benzin aus einem amerikanischen Tankwagen in der Zirndorfer Bahnhofstraße. Bei einem Bremsmanöver reißt ein Schlauch, das Benzin ergießt sich über die Straße und gelangt über die Kanalisation bis in den Hauptsammler in der Fürther Südstadt. Es herrscht höchste Explosionsgefahr. Mit Laut­ sprecherwagen werden die Fürther vor dem Gebrauch offenen Feuers gewarnt, alle Ka­ naldeckel werden entfernt und die Kanäle durchgespült. Nach mehreren Stunden ist die Gefahr endlich gebannt. Ähnlich gefährlich wie Benzin sind die mit scharfer Munition beladenen Militärfahrzeu­ ge, wenn sie in Brand geraten. Ende Februar 1958 wird die Feuerwehr nach Atzenhof geru­ fen, als nach einem Kurzschluß ein Schüt­ zenpanzer brennt. Die Amerikaner löschen den Brand trotz Explosionsgefahr selbst. Gut drei Jahre später, im Juli 1961, fängt erneut ein Panzer in der Atzenhofer Kaserne Feuer. Explodierende Munition fliegt in der Luft um­ her und zwingt die Feuerwehrleute, in Dekkung zu bleiben. Erfreulicherweise bleibt der 800-Liter Benzintank des Panzers unbeschä­ digt, außerdem können danebenstehende Panzer im letzten Moment entfernt werden. Ein amerikanischer Soldat, der sich im Pan­ zer befunden hat, wird schwerverletzt ab­ transportiert. Ein schönes Stimmungsbild gibt der Arti­ kel der „Fürther Nachrichten" vom 17. Juli 1962 wieder: „Ein amerikanischer Schützen­ panzerwagen fing gestern früh an der Umlei­ tungsstelle vor dem Alten Krankenhaus (an der Schwabacher Straße, Anm. d. Verf.) plötzlich an, Feuer zu speien. Ob es der kleine Berg machte, der hier alle Kräfte des Kettenungeheuers beanspruchte oder ob er wegen der Umleitung plötzlich zu kochen anfing, war nicht zu erfahren. Während der Verkehrsposten der Polizei ganz schnell zu dem neuen Telefonhäuschen rannte, um die Feuerwehr zu alarmieren, wuchteten die Sol­ daten noch schneller einen Feuerlöscher aus dem Panzerturm, hoben eine Klappe hoch und erstickten das Feuer. Anscheinend sind 95

Der „Feuer speiende" Panzer vor dem Berolzheimerianum ist bereits gelöscht (1 7. Juli 1962).

sie solche Pannen schon gewöhnt. Immer noch lächelnd leiteten sie dann den Verkehr um ihr stählernes Verkehrshindernis herum, das mit dem Feuer auch seine Beweglichkeit verloren hatte." Der nächste Zwischenfall wird Ende 1963 gemeldet, als an der Steubenstraße ein mit vollen Benzinkanistern beladener 2,5-Tonnen Lkw abbrennt. Am 20. April 1964 steht wie­ der ein riesiger Qualmpilz über einer ameri­ kanischen Kaserne. Beim Erproben der Hydraulik-Steueranlage gerät in der Mon­ teith-Kaserne vor einer der großen Hallen ein riesiger Lastenhubschrauber vom Typ CH34, inmitten anderer Hubschrauber, in Brand. Pilot und Flugzeugführer können sich retten, doch die Löscharbeiten der Platzfeuerwehr und der Fürther Berufsfeuerwehr dauern noch mehr als eine halbe Stunde, bis die Gefahr beseitigt ist. Im August desselben Jahres läuft wegen defekter Bremsen die Hin­ terachse eines Militär-Lkw an der Kreuzung Jakobinen-/Nürnberger Straße heiß. Die Feuerwehr kühlt die Achse und läßt den Lastwagen in die „frühere Sedankaserne" ab­

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schleppen. Gefährlich ist die Angelegenheit deswegen, weil der Lkw Munition geladen hat. Die Fürther können von Glück sprechen, daß es trotz der unzähligen Transporte dieser gefährlichen Ware auf ihren Straßen nie zu einem ernsten Zwischenfall gekommen ist, der in der dichtbevölkerten Innenstadt ver­ heerende Folgen hätte haben können. Manchmal brennt es auch in der ameri­ kanischen Wohnsiedlung. Am 28. September geht ein in der Schwabacher Straße abgestell­ ter US-Pkw in Flammen auf und einen Tag später brennt eine Wohnung in der GerhardHauptmann-Straße völlig aus. Bei einem Wohnungsbrand im Mai 1961 in der Dr.Frank-Straße erstickt ein knapp zwei Jahre alter Junge, seine Mutter und die beiden Ge­ schwister können in letzter Sekunde gerettet werden. Oft wird die Fürther Feuerwehr alarmiert, wenn aufgeregte Bewohner schwarze Qualm­ wolken über amerikanischem Kasernenge­ lände aufsteigen sehen. Es droht jedoch keine Katastrophe, die Amerikaner verbrennen nur einen Teil ihrer riesigen Abfallmengen und die

Anwohner sind erleichtert, als sie dies erfah­ ren. Dioxine und ähnliche Stoffe kennt in die­ ser Zeit nur der Chemiker. Der Schrottplatz der Amerikaner befindet sich in der südöstli­ chen Ecke der Johnson-Kaserne. Dort brennt es beispielsweise am 8. Juni 1958. Und im November 1961, als dort ausrangierte Pan­ zerketten Feuer gefangen haben, die die Für­ ther Feuerwehr löschen muß. Die Methode des Ausbrennens der Gummipolster aus alten, unbrauchbar gewordenen Panzerket­ ten, wird von den Soldaten öfters angewandt, scheint hier aber - wie auch im Juli 1964, als dabei der Rasen Feuer fängt - außer Kontrolle geraten zu sein. Wenigstens können die Ket­ ten nicht explodieren. Paraden in Atzenhof

Zwischen 1956 und 1967 organisieren die Amerikaner den in der Darby-Kaserne unter­ gebrachten Verantwortungsbereich mehrmals um. Zuerst werden ihm ab 1. November 1956 zwei weitere „Sub-Areas" zwischen Hof und Grafenwöhr angegliedert. Damit reicht die Befehlsgewalt bis an die Grenzen zur Tsche­ choslowakei und zur DDR. Bis 1965 nennen die Amerikaner den Verwaltungsbereich „Nürnberg Post", ab dem 1. Juli 1965 taufen sie ihn „Headquarters North Bavaria District (USAACOM)". Als sich 1967 durch den Aus­ tritt Frankreichs aus der NATO eine neue militärische Situation ergibt, wird ganz Nord­ bayern in elf Unterstützungsgruppen der TASCOM (Theater Army Support Command Europe) aufgeteilt. Wieder befindet sich das Hauptquartier in Fürth und die Komman­ deure sind reine Verwaltungsfachleute im Rang von Obersten, während es sich bei den Befehlshabern der teilweise in den umliegen­ den Kasernen stationierten Kampftruppen um Generäle handelt. Diese statten Fürth zwar ihre Höflichkeitsbesuche ab, residieren aber in Ansbach oder Göppingen. Am 4. Oktober 1956 verabschiedet sich das bisher in Atzenhof, in der Johnson- und in der Zirndorfer Pinder-Kaserne stationierte 39. Infanterieregiment mit einer Parade in Atzenhof und kehrt in die USA zurück. Als Ablösung kommt von dort das 5. Regiment aus Fort Carson, das zur 8. Infanteriedivision gehört. Als bei einer Pressekonferenz bekannt wird, daß .... die Angehörigen des 5. Regi­ ments am vergangenen Wochenende ihren ersten Ausgang gehabt (hätten), ohne daß auch nur ein belangloser Zwischenfall bekannt wurde, klopfte Oberst Rosa (der Kommandeur) rasch dreimal auf die Tisch­

platte ,Toi, toi, toi' ". Das amerikanische Mili­ tär hat diese Truppenverlegung nach Deutschland aber auch gewissenhaft vorbe­ reitet. In Fort Carson haben Prospekte, Filme und Bücher über Deutschland und Fürth zur Verfügung gestanden, Deutschklassen sind eingerichtet worden und „Wir ließen die Sol­ daten zu Hause, von denen wir das Gefühl hatten, daß sie das Ansehen unserer Truppe in einem befreundeten überseeischen Land nicht würdig vertreten könnten" (Oberst Rosa). Immerhin hat das Regiment einen fast 150jährigen guten Ruf zu verteidigen. Wie sehr die Disziplin der Soldaten vom Allgemeinzustand der jeweiligen Einheiten abhängt, kann man daran erkennen, daß auch in der Folgezeit die Zahl der Zwischen­ fälle gering bleibt. Im November 1956 verlegt das 15. Pionierbataillon aus der JohnsonKaserne zurück in die USA. Die Einheit hat sich dadurch einen Namen gemacht, daß sie in 10.000 Arbeitsstunden und mit ihrem schweren Pioniergerät beim Bau von 19 mit­ telfränkischen Sportplätzen mitgeholfen hat. Die Monteith-Kaserne eignet sich offenbar wegen ihrer Größe und ihrer guten Erreich­ barkeit aus der Luft (für die Befehlshaber) sehr gut für repräsentative Truppenparaden. Am 30. April 1957 ehrt man in Atzenhof sieg­ reiche Schützen und Sportler vor etwa 3.000 angetretenen Soldaten. Knapp drei Monate später feiert das 5. Infanterieregiment in der Monteith-Kaserne seinen 149. Geburtstag. Der FN-Berichterstatter meldet dabei Schwie­ rigkeiten der Amerikaner mit der bundes­ deutschen Fahne, die erst als „Schwarz-GoldRot" und später gar als „Rot-Gold-Schwarz" am Mast hängt. Auch bei außergewöhnlichen Ehrungen finden Paraden in Atzenhof statt. So im März 1958, als einem Oberfeldwebel die höchste militärische Friedensmedaille die „Soldier's Medal" - verliehen wird. Eintau­ send Soldaten stehen für den Lebensretter stramm, der in letzter Sekunde einen Rekru­ ten vor einer bereits abgezogenen Handgra­ nate gerettet hat. Einige Zeit beherbergt die Monteith-Ka­ serne den jungen Löwen „Charlie", das Mas­ kottchen des 5. Infanterieregiments, der, an eine langen Kette gelegt, zwischen den Mann­ schaftsunterkünften umherstreicht. Nicht so gastfreundlich sind die Amerikaner zu den Segelfliegern des Fürther Aero-Clubs, die nach der Auflassung des Industrieflughafens eine neue Bleibe suchen. Die Mitbenutzung des Flughafens wird ihnen verwehrt, obwohl sie ihre Werkstatt direkt gegenüber der Mon­

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teith-Kaserne haben und die Amerikaner ihnen beim Planieren des Vorplatzes helfen. Die Flieger finden später in Seckendorf ein dauerhaftes Quartier. Allerdings werden die Segelflieger auch dort nicht in Ruhe gelassen, denn die Amerikaner scheuen sich nicht, den kleinen Seckendorfer Flugplatz 1965 während eines Manövers als Stützpunkt für ihre Auf­ klärungsflugzeuge zu nutzen. Ein anderer Fliegerclub hat ebenfalls Ärger mit der US-Armee. Der Modellbauclub Fürth legt 1961 hinter dem Atzenhofer Kasernen­ gelände mit Genehmigung des Kommandeurs eine 80 mal 20 Meter große Startbahn für seine Flugzeuge an. Zwei Jahre später müs­ sen die Modellflieger nach Steinbach auswei­ chen, da die Militärs den „Flugbetrieb" verbie­ ten. Sie lassen sich nur noch einmal 1965 für die Durchführung der bayerischen Meister­ schaften zu einer Ausnahmegenehmigung erweichen. Der 10.000 Mark teure und in 900 freiwilligen Arbeitsstunden gebaute „Flug­ platz" verfällt und verschwindet mit dem Bau des Main-Donau-Kanals völlig. Im November 1957 verabschieden sich die Einheiten des 5. Infanterieregiments schon wieder aus Fürth und aus Zirndorf, wobei etliche Spenden für bedürftige Fürther und das Jugendhaus Lindenhain zurückgelassen werden. Was nicht zurückgelassen wird, wird versandfertig eingepackt, wobei die Dimen­ sionen des Packgutes, auch der privaten Gegenstände, wahrhaftig amerikanische Aus­ maße annehmen. Ein echter Schrumpfkopf mag noch als Skurrilität empfunden werden, sechs altdeutsche Großvateruhren, die eine Familie mitnimmt, als „typisch amerika­ nisch". Den Vogel schießt aber ein Haupt­ mann ab, der 800 unterschiedliche Waffen, vom Blasrohr bis zu Gewehren verschiedener Zeitalter, mit zurück in die USA nimmt. Nach dem 5. Infanterieregiment rücken Teile der 4. Panzerdivision in den Kasernen ein, die Pioniere in die Johnson-Kaserne, die Artillerie in die Pinder-Kaserne und Panzer-, Artillerie, Ordonnanz- und Aufklärungstrup ­ pen nach Atzenhof. Das Hauptquartier der Division befindet sich in Göppingen. Die Or­ ganisation der Eingliederung in die Sub-Area wird von der Darby-Kaserne aus gesteuert. Für die Neuankömmlinge gibt es nicht nur eine Broschüre mit den wichtigsten Informa­ tionen und Telefonnummern. Jede eintref­ fende Soldatenfamilie findet in ihrer Woh­ nung einen mit frischen Lebensmitteln gefüll­ ten Kühlschrank vor. Im März 1959 verlegt das amerikanische Militär neue Artillerieeinheiten von Neckar­ 98

sulm in den Nürnberg-Fürther Raum. Diese sind mit den riesigen 28 cm-Geschützen aus­ gerüstet. Weil diese großen Kaliber die Ver­ wendung von Nuklear-Geschossen zulassen, werden sie auch „Atomkanonen" genannt. Erstmals regen sich Proteste von Politikern und Bürgerkomitees gegen diese Waffen, bei früheren Stationierungen waren die Geschütze lediglich wegen ihrer Größe und Unhandlichkeit als Verkehrshindernisse auf­ gefallen. Was tut sich zwischen 1956 und 1967 sonst noch innerhalb und außerhalb der Kasernen? Im Juni 1960 planen die Ameri­ kaner auf dem Gelände des Kohlenlagers der Johnson-Kaserne ein sechsstöckiges Büro­ haus für dreizehn Millionen DM und eine 13.000 m2 große Lagerhalle, beide Vorhaben werden aber nicht realisiert. Ein neuer, fünf­ zig Meter hoher Stahlskelett-Turm für Tele­ fonverbindungen innerhalb der Armee ersetzt in der Darby-Kaserne den alten Turm aus dem Jahr 1948. Die Ermordung des amerikanischen Präsi­ denten, John F. Kennedy, am 22. November 1963, macht auch die Fürther Bevölkerung betroffen. Oberbürgermeister Dr. Hans Bomkessel spricht Brigadegeneral John D. Torrey, dem Kommandeur der 4. Panzerdivision, sein Beileid aus und nur einen Monat später wird auf einstimmigen Beschluß des Stadtrates die in der amerikanischen Wohnsiedlung gelege­ ne Meisenstraße in John-F.-Kennedy-Straße umbenannt. Das Gelände der Monteith-Kaserne wird im Februar 1960 in Richtung Atzenhof um etwa 5,5 Hektar erweitert. Gerüchte, daß dort Raketenstellungen eingerichtet werden sollen, dementieren die amerikanischen Behörden. Ein gutes Jahr später stellen sie dann doch stolz der deutschen Öffentlichkeit ihre hinter hohen Erdwällen verborgenen Raketenstel­ lungen vor, die mit Hawk-Flugabwehrraketen bestückt sind und über in der Nähe aufge­ stellte Radargeräte geführt werden. Es ist eine der ersten „Hawk-Sites" in Europa. Zwi­ schen 1963 und 1966 sind zusätzlich etwa dreißig Panzerabwehrhubschrauber der 15th Cavalry in der Monteith-Kaseme stationiert. Dabei handelt es sich um die erste Einheit dieser Art in Europa. Die ständigen Übungs­ flüge am Tag und in der Nacht führen zu ei­ ner großen Lärmbelästigung der Bevölkerung im Norden Fürths.

In den fünfziger Jahren gleichen die deutschen Texte der amerikani­ schen Schilder manchmal fernöstlichen Gebrauchs­ anleitungen.

Erste Planungen im Jahr 1961 für den neuen Main-Donau-Kanal ergeben, daß der Kanal das Kasernengelände der MonteithKaserne durchschneiden wird. Bald darauf verlegen die Amerikaner die Aufklärungsab­ teilung der 4. Panzerdivision nach Erlangen. Sie sparen sich dadurch die zeitraubenden Fahrten der Panzer zwischen ihrer Heimat­ kaserne in Fürth und dem Panzerübungsge­ lände in Tennenlohe. Im März 1962 wird sogar über eine vollständige Räumung der Atzenhofer Kaserne spekuliert. Ende 1965 zeigen die konkreter werdenden Pläne für den Kanal, daß nur der hintere Teil der MonteithKaserne dafür geopfert werden muß. Die Amerikaner bauen die Stellungen der Flug­ abwehrraketen bis Ende der sechziger Jahre ab, verlegen ein Munitionslager und stationie­ ren die Aufklärungsflugzeuge und -hubschrauber in Katterbach bei Ansbach. Ledig­ lich die Hubschrauber-Versorgungsflüge für die Atzenhofer Einheiten müssen weiterhin durchgeführt werden. Der Panzerschießstand in der Ecke Rosen­ stockweg/Hafenstraße wird ebenfalls verlegt. Auf der offenen Seite des U-förmigen Erdwalls sind die Panzer auf die in den Boden gegos­ senen Betonplatten gerollt und haben ihre Maschinengewehre eingeschossen. Vor Beginn der Schießübungen haben die Solda­ ten eine rote Fahne gehißt. Einen Zaun hat es an dieser Stelle nicht gegeben, jeder inter­ essierte Zuschauer konnte das Schießen aus nächster Nähe verfolgen. Für die Hafenlände des Main-Donau-Kanals kauft die Stadt etwa 16 Hektar des Ka­ sernengeländes von der Bundesvermögens ­

verwaltung. Den größten Teil der Verlegungs­ kosten der Kaserneneinrichtungen, etwa vier­ zig Millionen Mark, zahlen die Bundesregie­ rung und die Rhein-Main-Donau AG, die Stadtverwaltung muß lediglich etwa 1,5 Mil­ lionen Mark aufbringen. Dafür steht ihr im Hafenbereich ein großes Gelände für spätere Industrieansiedlungen zur Verfügung. Die Führungsqualitäten der Kommandeure in Fürth beeinflussen nicht nur die Disziplin und das Betragen der Soldaten in der Öffentlichkeit. Auch das Erscheinungsbild der Kasernen und der Wohnsiedlungen rich­ tet sich an den Interessen des jeweiligen Kommandeurs und seines Beraterstabes und am Umfang des zur Verfügung stehen­ den Etats - aus. So kommt es, daß nach eini­ gen Jahren der Verwahrlosung Anfang 1960 die Kalb-Siedlung plötzlich wieder aufpoliert wird. Auslöser mag der vorbildliche Zustand der benachbarten Baugenossenschaftshäuser gewesen sein. Vorgärten werden angelegt, Rasen und Sträucher angepflanzt und das ganze wird nach typisch deutschem Muster mit einem richtigen Drahtverhau eingezäunt. Dabei hilft die Stadt mit einem Zuschuß von 7.000 DM aus. Originell ist die Idee der Fürther Gärtner im Frühjahr 1966. In einer Blumenparade ziehen sie durch die amerika­ nische Wohnsiedlung und verkaufen den Sol­ datenfamilien alles, was zum Verschönern der Vorgärten geeignet ist, vom Grassamen bis zu Blumenkästen. Eine vorausmarschie­ rende Musikkapelle der High-School und ein Offizier mit Megaphon sorgen für die not­ wendige Aufmerksamkeit.

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Unabhängig vom Kommandeur ist der Brauch der Amerikaner, ihre Wohnungsfen­ ster in der Adventszeit zu schmücken. In allen Farben leuchten und blinken Lämp­ chen, Sterne und Rosetten an den Scheiben der Kalb-Siedlung. Manches deutsche Kind bewundert vor allem in den fünfziger und sechziger Jahren diese Symbole einer Welt des Wohlstandes.

Panzer im Zwischenfälle

Schlafzimmer

und

andere

Die Rechte von amerikanischer Militärpoli­ zei und Fürther Stadtpolizei sind außerhalb der Kasernen inzwischen angeglichen. Das bedeutet, daß die MP Deutsche, die sie bei einer Straftat ertappt, solange festhält, bis die Stadtpolizei eintrifft. Außerdem behalten sich die Amerikaner auf deutschem Boden immer noch das Recht vor, dann einzuschreiten ....... wenn die Interessen der US-Armee oder von amerikanischen Staatsbürgern ... verletzt werden", so formuliert es im Juni 1956 der Kommandeur der Nürnberg Sub-Area, Oberst Theodore R. Kimpton. Daß die Militärpolizei in der Stadt noch präsent ist, zeigt der fol­ gende Fall, über den die „Fürther Nachrich­ ten" am 5. August 1959 berichtet haben: „Eins, zwei, drei - sogar vier Jeeps der amerikanischen Militärpolizei standen ge­ stern nachmittag vor einem Lokal in der Kö­ nigstraße. Was war da passiert? Grund genug für manche Passanten, stehen zu bleiben und zu munkeln: ,Au weh, dou is wos los!' Andere meinten gleich: .Harns endli widder an erwischt!' Auch die Fürther Polizei erschien mit einem Streifenwagen - allerdings erst, als zwei der MP-Fahrzeuge schon wieder abge­ braust waren. Denn die Schutzpolizei wollte schließlich auch wissen, was sich auf ihrem Territorium wichtiges tat. Dabei war die Ansammlung von MP-Fahrzeugen nur ein Zufallsprodukt und nicht in einer aufregenden Verbrecheijagd begründet. Zwei MP-Fahrzeuge befinden sich in Fürth nämlich ständig auf Streife, um Routineüber­ prüfungen durchzuführen. Der eine dieser Jeeps hielt vor der Gaststätte. Die Militärpo­ lizisten streifen mehr oder weniger lustlos durchs Lokal - wachsamen Auges kontrollie­ rend. Just zu dieser Zeit fuhr auch der andere Jeep vorbei. Seine Insassen sahen den .Kollegen' stehen, wollten wissen, was los ist, hielten zentimeternahe hinter dem ersten Wagen und begaben sich ebenfalls in die Gaststätte. Jetzt waren es schon zwei Jeeps...

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Doch nicht genug. Auch noch der Vorge­ setzte der beiden Fahrzeugbesatzungen fuhr zufällig die Königstraße entlang: er sah zwei seiner Jeeps stehen, dachte ,da muß was los sein' (er dachte natürlich in Englisch), stieg aus und ging ebenfalls hinein. Drei Jeeps parkten ... Da fuhr noch ein vierter vorüber, hielt aber nur kurz und fuhr dann weiter. Ein Glück, daß nicht noch mehrere amerikani­ sche MP-Soldaten vorübergefahren sind, sonst wäre das Gedränge der Fahrzeuge schier unübersehbar geworden." Wenn auch die Militärpolizei noch in Fürther Gefilden tätig ist, braucht sich um­ gekehrt ein Fürther Polizist nicht mehr zu scheuen, einen Gl solange festzuhalten, bis die MP kommt. Allerdings haben die Fürther Polizisten kein Zutrittsrecht zu den Kasernen. Ist ein flüchtender Gl erst einmal über den Zaun geklettert, muß die MP verständigt oder der Kommandeur um Eintrittserlaubnis gebe­ ten werden. Bis dahin hat sich der Übeltäter längst versteckt oder das Beweismaterial beseitigt. Erst ab Sommer 1972 darf die Fürther Polizei die Kasernen bei der Verfol­ gung eines Verdächtigen ohne vorherige Genehmigung betreten.

Selbst in der relativ friedlichen Zeit zwi­ schen 1956 und 1967 gibt es über die Taxi­ fahrer und ihre amerikanische Stammkund­ schaft einiges zu berichten. Die Taxifahrer müssen bei ihren Kontakten mit den Ameri­ kanern nicht nur einstecken, sie teilen auch aus. Manchmal verlangen sie am Ende der Fahrt von ihrer Kundschaft einen überhöhten Preis oder sie rasen mit halsbrecherischer Geschwindigkeit durch die Stadt. Am 7. Sep­ tember 1956 verhängt deshalb der stellvertre­ tende Kommandeur des Nürnberg-Fürther Militärbezirks, Oberstleutnant Wayne B. Young, ein „Off Limits" gegen sechs Taxifah­ rer, die als Übeltäter festgestellt worden sind. Eine Woche lang darf sich kein Amerikaner von ihnen befördern lassen, weitere Verbote werden angedroht. Aber die deutsch-ameri­ kanische Zusammenarbeit funktioniert inzwi­ schen gut. Autotaxenvereinigung und MP einigen sich auf eine bessere Überwachung und es kehrt wieder Ruhe ein. Eine neue Variante im Wechselspiel Taxi­ fahrer gegen Gl ereignet sich am 28. Septem­ ber 1957 vor der Monteith-Kaserne. Nachdem ein zahlungsunfähiger Soldat vor der Kaserne fluchtartig das Taxi verlassen hat und in den Wiesengrund geflüchtet ist, wendet sich der Chauffeur an die MP-Wache. Als die Herren aber kein Interesse an einer Verfolgung des

Die drei Jeeps vor den „Theater Gaststätten" (5. August 1959).

Betrügers zeigen, zieht der Geprellte eine Schreckschußpistole aus der Tasche und feu­ ert zweimal in die Luft. Zwar erregt er damit die Aufmerksamkeit der Soldaten, doch anders als erwartet. Der Taxifahrer wird fest­ genommen und der deutschen Polizei über­ geben, die ihn wegen unerlaubten Waffenbe­ sitzes anzeigt. Was aus dem ausgerissenen Betrüger geworden ist, ist nicht bekannt. Ähnliches ereignet sich zwei Jahre später, als ein Taxifahrer einen Wachposten am Kaser­ nentor bittet, die Personalien eines Soldaten aufzunehmen, der ihn beleidigt und mit der Faust ins Gesicht geschlagen hat. Doch der Posten geht in aller Ruhe zum Fahrzeug, öff­ net die Wagentür, löst die Handbremse und läßt das Taxi gegen einen Gartenzaun rollen. Der Gesichtsausdruck des Taxifahrers dürfte sehr aufschlußreich gewesen sein. Schlimmer hätte es enden können, als am 13. Januar 1960 gegen 2 Uhr früh drei Sol­ daten einen Taxifahrer kreuz und quer durch die Stadt dirigieren und ihm schließlich in einer dunklen Ecke an der Vacher Straße eine Colaflasche über den Kopf schlagen wol­ len. Der Taxifahrer läßt sich aus dem stehen­ den Auto fallen, zieht eine Pistole und gibt einen Warnschuß ab. Da „ergeben" sich die Gis, werfen einen Dollarschein hin und ver­ schwinden durch eine der vielen Zaunlücken der Atzenhofer Kaserne. Am 14. Dezember

1961 wird vor dem Tor der Monteith-Kaserne ein Taxifahrer niedergeschlagen und schwer verletzt, als er sich mit seinen Fahrgästen nicht über den Preis einigen kann. Die Täter flüchten in die Kaserne, werden aber noch in derselben Nacht von der MP ermittelt und festgenommen. Eine weitere „Schlacht" im ständigen Kleinkrieg zwischen Taxifahrern und Solda­ ten wird im Juni 1965 geschlagen. Aus einem in der Vacher Straße in Richtung Kaserne fahrenden Bus werfen Soldaten Pflastersteine auf drei nacheinander entgegenkommende Taxis. Die Windschutzscheiben gehen zu Bruch, zwei der Fahrer werden verletzt. Als der Bus am Torposten ankommt, ist dieser zwar schon über Funk verständigt worden, .... es gelang ihm allerdings nicht, die Täter zu fassen, da sich alle Fahrgäste sofort nach dem Anhalten entfernten." Weitere Überfälle auf Taxifahrer werden zwischen Oktober 1966 und Januar 1967 gemeldet, wobei die Chauffeure glücklicherweise nur leicht ver­ letzt werden. Im betrachteten Zeitraum zwischen 1956 und 1967, der als ruhigster in Bezug auf die deutsch-amerikanischen Beziehungen gilt, finden die Amerikaner in der Fürther Lokal­ presse hauptsächlich bei Verkehrsunfällen Erwähnung. Immerhin melden die Amerika­

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ner 1961 4.800 zugelassene Pkw und 800 Militärfahrzeuge. Die Wandlung von der alles diktierenden Besatzungsmacht zum Verbün­ deten ist am Wunsch (!) der Amerikaner er­ kennbar, in ihrem Wohngebiet in der Süd­ stadt eine Tempo 30-Zone auszuweisen. Im Januar 1958 wird er an den Fürther Stadtrat herangetragen, und nach einer längeren Debatte stimmen die Damen und Herren mehr oder weniger gnädig zu. Schließlich werde kein deutscher Verkehr beeinträchtigt, die Amerikaner wollen die Schilder selbst zahlen und es sei eine höfliche Geste. Eine gefährliche Ecke im Bezug auf Ver­ kehrsunfälle mit amerikanischer Beteiligung ist vor allem die Südstadt mit der Kreuzung Wald- und FronmüllerStraße und das Gebiet um die Housing Area und die Kasernen. Immer wieder kracht es auch auf den Ver­ bindungsstraßen zwischen den Kasernen, namentlich auf der Vacher- und der Schwa­ bacher Straße. Ursachen für die relativ häu­ fige Verwicklung der Amerikaner in Ver­ kehrsunfälle gibt es viele. Die amerikanischen Privatwagen, riesige Straßenkreuzer, sind im Vergleich zu den deutschen Klein-Pkw wie Lloyd oder Goggomobil deutlich übermotori­ siert, zudem schwer und nicht leicht zu beherrschen. Für Fürth mit seinen engen Straßen und dem buckligen Kopfsteinpflaster sind sie wenig geeignet. Gleiches gilt für die Militärfahrzeuge, die sich bei jedem Manöver und jeder Dienstfahrt durch die Stadt quälen müssen. Die Entlastung bringende Südwest­ tangente wird erst Anfangs der siebziger Jahre eröffnet. Dazu kommt eine hektische, oft rechthaberische Fahrweise der Deutschen - nicht nur der Fürther -, die der amerikani­ schen Gewohnheit des Dahingleitens gerade entgegengesetzt ist. Die Soldaten bewegen zudem ja „nur” Regierungseigentum, an dem eine Delle mehr nicht auffällt. Bei Militärfahrzeugen sind häufig Beleuch­ tung und Kennzeichnung der einzelnen Fahr­ zeuge mangelhaft. Radfahrzeuge besitzen im allgemeinen noch Rücklichter, bei Winkern oder später Blinklichtern - für das Abbiegen sieht es schlechter aus. Hinzu kommt der schlechte Pflegezustand der Fahrzeuge. Oft sind die Scheinwerfer zu hoch eingestellt, die Bremsleuchten ausgefallen oder die Lam­ pengläser zersplittert. Noch schlimmer sieht es bei den Panzern aus, die aus militärischen Gründen oft gar keine Beleuchtung besitzen, bestenfalls einige Katzenaugen sind lose angebracht. Militärfahrzeuge besitzen kein Nummern­ schild, und für einen Laien ist es, zumal in 102

der Hektik eines Unfalls, schier unmöglich, aus den vielen am Fahrzeug angebrachten Ziffern die richtigen auszuwählen. Schlecht eingestellt und gewartet sind oft auch die Motoren, die größere Ölmengen auf die Straße „pinkeln” und die bei jedem Gasgeben dicke, fette Rußwolken aus den Rohren quel­ len lassen. Die armdicken Auspuffrohre befinden sich in Bauchhöhe der Passanten und rußen die gesamte Umgebung ein. Erst später werden die Auspuffendrohre fußgän­ gerfreundlich bis über das Lkw-Dach verlän­ gert und machen aus den Trucks richtige Dampflokomotiven. Wegen der Anonymität der Militärfahrzeu­ ge ignorieren hin und wieder Soldaten klei­ nere Karambolagen oder begehen bewußt Fahrerflucht. Letzteres sicher auch aus Furcht vor den harten Strafen, denen sich die Erwischten aussetzen. Im März 1960 wird ein amerikanischer Feldwebel zu einem Jahr Zuchthaus, Ausstoß aus der Armee und Ver­ lust aller Versorgungsansprüche verurteilt, weil er in betrunkenem Zustand in Stadeln eine 54jährige Frau angefahren, tödlich ver­ letzt und anschließend Fahrerflucht began­ gen hat. Allerdings sind die Soldaten nicht für jede Sachbeschädigung und jede Fahrer­ flucht verantwortlich zu machen. Nachdem im Juni 1966 ein Panzerkonvoi die Panzer­ straße zwischen Atzenhofer Schuttplatz und der Stadelner Brücke entlang gefahren ist und dort kurz darauf ein 69jähriger tot neben seinem Fahrrad aufgefunden wird, schließen die aufgebrachten Bürger sofort auf einen Zusammenhang. Fehlende Verletzungen des Opfers und eine Obduktion ergeben jedoch einwandfrei einen Herzinfarkt als Todesursa­ che. Der schlechte Pflegezustand der amerika­ nischen Fahrzeuge läßt diese immer wieder mit Pannen in der Fürther Innenstadt liegen­ bleiben, was regelmäßig zu riesigen Verkehrs­ staus führt. „Über eine Stunde lang war am Montag der Straßenbahnverkehr in der Süd­ stadt und der gesamte Fahrzeugverkehr in der Schwabacher Straße unterbrochen, weil ein schweres amerikanisches Sturmgeschütz auf den Straßenbahnschienen stand und nicht mehr weiterkam. Eine Achse des Wagens war gebrochen. Von 11.10 bis 12.20 Uhr stand das Ungetüm, von vielen Passan­ ten .angestaunt', auf den Gleisen der Stra­ ßenbahn, während die Linien 21 und 41 nur bis Bahnhof fahren konnten. Dann kam ein Spezialtransporter der amerikanischen Armee und schleppte das reparaturbedürftige Ge­ schütz ab." (30. Januar 1957).

„Der Freitagvormittag gestaltete sich in Fürth sehr unruhig. Viele amerikanische 45Tonnen-Panzer ratterten durch die Straßen Fürths und an etlichen Stellen gab es durch Pannen bei den Amerikanern lange Verkehrs­ stockungen zum Leidwesen der Autofahrer, die durch Fürth fuhren. Die größte Stauung entstand bei einem aus 18 Panzern bestehen­ den Fahrzeugkonvoi in der an und für sich nicht sehr breiten Weiherstraße. Drei Panzer blieben nämlich plötzlich stehen, als ihnen der Treibstoff ausgegangen war. ...Über zwei Stunden war die Weiherstraße rettungslos verstopft. Die gleiche Panne gab es dann nochmals mit zwei benzinlosen Panzern an der Theresienstraße." (8. Januar 1962, Foto siehe Seite 49). Oft werden von den Fahrern der Militärfahrzeuge die Hinweisschilder nicht beachtet, die an neuralgischen Punkten extra auch in englischer Sprache angebracht sind. Die Maßangaben sind dabei auf das ameri­ kanische Zollsystem umgerechnet. Das betrifft die hochstzulässige Belastung von Brücken sowie die Durchfahrtsbreiten und vor allem -höhen von Unterführungen. Besonders in der Eisenbahnunterführung der Schwabacher Straße, die zusätzlich noch durch die Oberleitung der Straßenbahn ein­ geengt ist, bleiben etliche Fahrzeuge (übrigens nicht nur amerikanische) stecken. Normalerweise melden die Amerikaner Konvoi-Durchfahrten zwischen den beiden Kasernen in der Südstadt und Atzenhof vor­ her an. Manchmal rutscht aber doch ein un­ angemeldeter Konvoi durch. Auf Anregung des damaligen Landtagsabgeordneten Horst Haase verstärkt man schließlich den Gleis­ körper der Flughafenbahn und läßt ab Som­ mer 1963 die Transporte zwischen der Mon­ teith-Kaserne und der Südstadt von der Bun­ desbahn durchführen, obwohl der Weg länger ist. Einen Verkehrsstau anderer Art können die Fürther am 11. Mai 1965 bestaunen. Zum 20. Jahrestag der deutschen Kapitulation marschieren Fürther Einheiten der US-Armee zusammen mit der Bundeswehr durch die Fürther Innenstadt. Vorneweg fährt in einem offenen Jeep Oberbürgermeister Kurt Scherzer, gefolgt von der fünfzig Mann star­ ken Kapelle der 4. Panzerdivision. Dann fol­ gen einige Raketentransporter und Panzer. Viele Fürther werden erst durch die Musik und das Kettengerassel der Panzer auf die Kolonne aufmerksam, deshalb säumen nur wenige Zuschauer die Straßen. Am folgenden Tag wird eine einstündige Parade vor gelade-

Oberbürgermeister Scherzer und Oberst Dünn bei der Parade am 11. Mai 1965.

nen Gästen in der Monteith-Kaserne abgehal­ ten. Wie bereits erwähnt, ist es in Fürth glück­ licherweise nie zu Unfällen mit Personen­ schäden in Zusammenhang mit amerikani­ schen Munitionstransporten durch die Stadt gekommen. Gleiches gilt auch für die Zwi­ schenfälle mit den schweren Panzern. Am 7. Februar 1964 übersieht ein Brückenlege­ panzer an der Kreuzung Soldnerstraße/ Würzburger Straße einen an der roten Ampel haltenden Pkw und zermalmt den ganzen Kofferraum. Die Fahrerin und ihre zwei Kin­ der kommen mit dem Schrecken davon. „In der Nacht zum Sonntag begab sich ein in Fürth stationierter amerikanischer Soldat illegal und in eigener Regie auf abenteuerli­ che Manöverfahrt: Er rollte mit einem uner­ laubt aus der US-Kaserne entwendeten Schützenpanzer quer durch die Stadt, be­ schädigte zwei Kraftfahrzeuge und gefährdete Menschenleben. Der unternehmungslustige Amerikaner kreuzte mit seinem schweren Kettenfahrzeug gegen 23 Uhr vor einer Bar in der Pfisterstraße auf und ratterte dann in verbotener Richtung durch die Marienstraße, wo er in Höhe des Anwesens Nummer 17 einen abgestellten Personenwagen rammte und nicht unerheblich beschädigte. Als das

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Der riesige Pontonpanzer scheint den Mercedes, der an der Kreuzung Soldner- und Würzburger Straße an einer roten Ampel gehalten hat, überrollen zu wollen. Aber die Insassen entsteigen dem Auto unverletzt (7. Februar 1964).

gepanzerte Ungetüm in die Schwabacher Straße einbog und stadtauswärts donnerte, nahm eine Fürther Funkstreife die Verfolgung auf. In Höhe der John-F.-Kennedy-Straße überholten die städtischen Beamten das rasselnde Stahlgefährt und gaben mit der rot leuchtenden Stoppkelle ein Zeichen zum An­ halten. Doch anstatt abzubremsen, drückte der Mann an den Steuerknüppeln des Schüt­ zenpanzers aufs Gaspedal, scherte nach links aus und drängte den Funkstreifenwagen beim Anwesen Nummer 273 der Schwabacher Straße mit Gewalt an den linken Gehsteig, so daß am vorderen rechten Kotflügel des deut­ schen Pkw sowie an Felge und Radkappe ein Sachschaden von etwa 500 DM entstand. Erst beim Einbiegen in die ehemalige Pan­ zerkaserne konnte der wilde Amokfahrer von der amerikanischen Militärpolizei, die bereits zuvor die Fahndung nach dem übermütigen Rowdy aufgenommen hatte, gestellt werden. Während der gefährlichen Abenteuerfahrt des US-Soldaten wurde zum Glück niemand ver­ letzt. Die Ermittlungen der Polizei waren gestern noch nicht abgeschlossen." Der vor­ stehende Bericht stammt aus den „Fürther Nachrichten" vom 8. Februar 1965 und der Zwischenfall wird den Fürthern - wie ein gleichartiger neun Jahre später - im Gedächt­ nis bleiben.

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Nur wenige Fürther werden wissen, daß das Haus der Metzgerei an der Kreuzung Stadelner Hauptstraße und Fischerberg einem Panzer zu verdanken ist. Wieder berichten die „Fürther Nachrichten", diesmal am 30. Juni 1966: „Ein ohrenbetäubendes Getöse weckte gestern früh in Stadeln den Metzger Peter Fleischmann und seine übrigen Familienan­ gehörigen aus dem Schlaf: Als er aus den Federn fuhr, gähnte ein großes Loch in seiner Schlafzimmerwand, und als er, zu Tode erschrocken, hinausschaute, stand dort, wo bisher das Hauseck war, ein amerikanischer Panzerwagen, dessen Kanonenrohr sich tief in die gute Stube des Hauses gebohrt hatte. Es muß genau 6.35 Uhr gewesen sein (die aus dem Gleichgewicht gebrachte Wohnzim­ meruhr beweist es!), da erwischte ein aus der Stadelner Panzerstraße kommender schwerer Tank der US-Armee die Einfahrt zur Bahn­ hofstraße nicht, weil sich das zu früh einge­ schwenkte Geschützrohr im Eckhaus verfan­ gen hatte. Das schwere Kettenfahrzeug riß das Hauseck glatt ein. Der von vielen Auto­ fahrern schon seit langem gewünschte Sichtwinkel war plötzlich mit roher Gewalt geschaffen, allerdings ganz anders, als sich das die Hausbesitzer gedacht hatten. ,Cindy', so hatte die Besatzung ihr stählernes Ungeheuer getauft, hatte ganze Arbeit gelei­ stet. Das in Sekunden baufällig gewordene

Der Panzer "Cindy" bringt das Stadelner Haus und die Wanduhr in Schieflage.

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Haus mußte erst abgestützt werden, bevor der Panzerwagen wieder herausmanövriert werden konnte. Der Schaden geht in die Tau­ sende." Tatsächlich läßt man den Panzer einige Tage im Haus stecken, bis der Abriß vollzogen werden kann. Der Metzger baut sich ein größeres Haus, das bis heute keine Unfälle dieser Art mehr zu verkraften hatte. Im Juni 1967 werden innerhalb von 14 Tagen zwei weitere Pkw im Fürther Landkreis von Panzern zu Schrott zermalmt. Diese Begegnungen sind äußerst gefährlich, neh­ men mit den Jahren jedoch ab, da immer mehr Fahrten auf die Schiene verlagert wer­ den und die Panzereinheiten aus der Monteith-Kaseme abziehen. Den Personen- und Gütertransport von, zu und zwischen den Kasernen führen die Jeeps und die vielen kleinen und großen Armeelastwagen durch. Auch hierzu sollen einige Unfälle Erwähnung finden. Ende August 1959 parkt ein Soldat seinen Jeep in der Königstraße. Er hat sich früh um halb sechs das Schaufenster der Bäckerei in Haus Nummer 9 als Parkplatz ausgesucht, nachdem er wegen zu hoher Geschwindigkeit ins Schleudern gekommen ist. Der Soldat flüchtet Richtung Rednitz, aber die MP stöbert ihn bald auf. Anfang 1960 rutscht ein Jeep auf der spiegelglatten Fahrbahn der Forsthausstraße auf den Bahn­ übergang zu, als im selben Moment die Ca­ dolzburger „Mockl" daherkommt. Ein beherz­ ter Sprung in den Schnee rettet den Soldaten, für den Jeep kommt jede Hilfe zu spät. Nachdem ihn der Zug zwanzig Meter mitge­ schleift hat, besitzt er nur noch Schrottwert. Ein 18jähriger Amerikaner setzt in der Nacht des 6. Juli 1965 einen in Stadeln ab­ gestellten Reiseomnibus in Gang und fährt in Richtung Unterfarrnbach. Unterwegs be­ schädigt er etliche Autos, Gartenzäune und Verkehrsschilder, bis er an einem Hühner­ stall hängenbleibt. Als er fliehen will, drückt er den falschen Knopf und die Bustüren ver­ riegeln sich. Die Polizei braucht den Gefange­ nen nur noch abzuholen. Der Gesamt­ schaden der Busreise beläuft sich auf für die damalige Zeit beachtliche 70.000 Mark. Für die Abwicklung der Schäden, die in Zusammenhang mit der amerikanischen Ar­ mee auftreten, gibt es genaue Richtlinien. Der Schaden muß innerhalb von 90 Tagen beim Nürnberger Amt für Verteidigungslasten gemeldet werden, das die Meldung an eine amerikanische Zentralstelle in Mannheim weiterleitet. Von dort gehen die Unterlagen an den tatverdächtigen Truppenteil zur Stel­ lungnahme. Dann geht es den gleichen Weg

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zurück und der Geschädigte hat - meist nach mehreren Monaten - Aussicht auf Schadens­ ersatz. Schwieriger wird es, wenn der Scha­ den von den Amerikanern nicht während einer „dienstlichen Handlung" begangen wor­ den ist. Dann bleibt dem Geschädigten nur die direkte Auseinandersetzung mit dem zuständigen Truppenteil - wenn er ihn her­ ausfinden kann - und notfalls die Klage vor einem deutschen Gericht. Deutsche und amerikanische Justiz Grundsätzlich steht der deutschen Justiz seit der vollen Souveränität der Bundesre­ publik das alleinige Recht zu, Straftäter ab­ zuurteilen, auch wenn es sich um hier sta­ tionierte amerikanische Soldaten handelt. Im seit 1959 bestehenden NATO-Truppenstatut haben die zuständigen bayerischen Justiz­ behörden jedoch einen Generalverzicht auf die Strafverfolgung erklärt. Das bedeutet, daß Fälle, in denen US-Soldaten Angeklagte sind, in der Regel vor einem amerikanischen Mili­ tärgericht verhandelt werden. Im Gegensatz zur Bundeswehr, wo sich beschuldigte Solda­ ten vor einem Zivilgericht verantworten müs­ sen, besitzt die US-Armee ein eigenes, gut ausgebautes Justizsystem. Allerdings wird die deutsche Staatsanwaltschaft von jedem Verfahren unterrichtet und hat die - anfangs so gut wie nie genutzte - Möglichkeit, das Verfahren an sich zu ziehen. In Verfahren, wo die auf deutschem Boden verbotene Todes­ strafe droht, wäre die deutsche Justiz ge­ zwungen, den Fall zu übernehmen. Deshalb versprechen die Amerikaner in solchen Fäl­ len, auf die Vollstreckung des Urteils zu ver­ zichten. In der Darby-Kaserne leitet ein ame­ rikanischer Militärrichter das Military Law Center und richtet nach amerikanischem Recht, das sich, wie man aus US-Spielfilmen weiß, im Verfahrensweg gravierend von der deutschen Rechtsprechung unterscheidet. Die ausgesprochenen Strafen sind oft härter als in vergleichbaren Fällen vor deutschen Richtern. Im Frühjahr 1956 ruft erstmals ein ameri­ kanischer Sergeant ein deutsches Gericht an, nachdem er von einem Hauptmann in „KleinAmerika" in einen Verkehrsunfall verwickelt worden ist. Obwohl der Schaden nur bei 50 Dollar liegt, gibt sich der Zivilrichter am Amtsgericht Fürth mit dem Verfahren große Mühe. Ein Dolmetscher wird hinzugezogen und ein Ortstermin findet statt, bei dem der Unfall nachgestellt wird. Schließlich muß der Hauptmann 93 Mark an der Sergeanten zah­

len. Viel ernster ist der Zwischenfall vom 15. Juli 1956 einzustufen, als nach einem Streit in einer Gaststätte in der Flößaustraße drei amerikanische Soldaten über einen siebzehn­ jährigen Fürther herfallen und dieser bei der Schlägerei getötet wird. Dies ist der Höhe­ punkt einer Kette von im Frühjahr 1956 plötzlich zunehmenden Gewalttätigkeiten im ganzen Stationierungsgebiet der US-Armee. Die amerikanischen Behörden - inzwischen ja Verbündete - nehmen diese Vorfälle sehr ernst und reagieren mit verstärkten MPPatrouillen und Ausgangssperren ab Mitter­ nacht. In Fürth werden sechs Lokale in der Südstadt „Off Limits" erklärt. Zusätzlich setzt das bayerische Innenministerium 22 Mann Bereitschaftspolizei ein, die in den Nacht­ stunden Streife fahren. Der Fürther Stadtrat lehnt einen KPD-Antrag auf Aufhebung der Garnison und Einschränkungen des Ver­ kehrs mit den amerikanischen Behörden ab. Bald hat sich die Lage wieder beruhigt. Das „Off Limits" für die Fürther Altstadt um die Gustavstraße hat heute noch Be­ stand. Mehrfach wird eine Aufhebung erwo­ gen, so beispielsweise im Oktober 1959, als die amerikanischen Behörden einen diesbe­ züglichen Wunsch äußern. Aber der Fürther Stadtrat bleibt hart und bestätigt das Verbot. Als sich 1966 die Gewalttätigkeiten der Zirn­ dorfer Soldaten insbesondere gegen Taxifah­ rer und Frauen häufen, wird ein „Off Limits" für die ganze Stadt Zirndorf diskutiert. Es gelingt jedoch, durch „Aussieben" der Unru­ hestifter und zusätzliche MP-Streifen, die Lage wieder zu stabilisieren. Der zunehmende Wohlstand der Deutschen weckt immer stär­ ker die Begehrlichkeit unter den Soldaten, sich an deutschem Eigentum zu vergreifen. In den sechziger und siebziger nehmen die Überfälle auf Passanten und Taxifahrer deut­ lich zu. Den erste Handtaschenraub eines Gl melden die „Fürther Nachrichten" bereits am 14. April 1958. Ab den sechziger Jahren ist die Fürther Kriminalpolizei auch für die Ermittlungen bei Gesetzesverstößen amerikanischer Angehö­ riger von Soldaten zuständig, während die Soldaten selbst weiterhin amerikanischem Militärrecht unterstehen. Der erste gravie­ rende Fall mit einer amerikanischen Zivilbür­ gerin ereignet sich am 25. September 1961. In der Gerhard-Hauptmann-Straße erschießt eine Amerikanerin mit einem Revolver ihren Ehemann, einen Sergeanten, nach einem vorangegangenen Ehestreit. Die Frau wird später vom Nürnberger Schwurgericht zu 21 Monaten Gefängnis wegen Totschlags ver­

urteilt. Der nächste Mord, der die amerikani­ sche Siedlung in Aufregung versetzt, ereignet sich nicht einmal ein Jahr später, am 29. Juni 1962, wieder in der Gerhard-Hauptmann-Straße. Vor einem Wohnblock ersticht ein 35jähriger Feldwebel der 504. Armeeflie­ ger-Kompanie aus Atzenhof seine Ehefrau und stellt sich anschließend der Militärpoli­ zei. Im September 1964 verhandelt erstmals ein deutsches Gericht ein Kapitalverbrechen von Angehörigen der US-Streitkräfte. Das Landgericht Nürnberg verurteilt zwei in Fürth stationierte Soldaten wegen einer Vergewalti­ gung zu drei Jahren Zuchthaus bzw. zwei Jahren Jugendstrafe, die die beiden in deut­ schen Gefängnissen absitzen müssen. Die Arbeitsteilung zwischen deutscher und amerikanischer Justiz klappt nicht immer. Im August 1965 wird in Nürnberg eine Prostitu­ ierte von einem amerikanischen Soldaten umgebracht. Der geständige Gl aus der Erlanger Ferris-Kaserne wird vom Fürther Militärgericht zu 15 Jahren Zuchthaus verur­ teilt und ins Gefängnis nach Fort Leavenworth geschafft. Doch die amerikanische Mili­ tärjustiz rollt den Fall nochmals auf, da einerseits auf Mord nur die Todesstrafe zu­ lässig ist, andererseits der Angeklagte bei sei­ nem Geständnis keinen Verteidiger zur Seite gehabt hat. In der Revisionsverhandlung im Oktober 1966 - wieder in der Darby-Kaserne widerruft der Angeklagte sein Geständnis und er wird freigesprochen. Obwohl dieses Urteil der amerikanischen Rechtsauffassung ent­ spricht, erregt es großes Befremden unter der hiesigen Bevölkerung. Die Nürnberger Krimi­ nalpolizei, die die Ermittlungen geführt hat, bevor die amerikanische CID den Fall an sich gezogen hat, vermutet, daß nach dem ersten Geständnis keine weiteren Beweise gesam­ melt worden sind und deshalb dem Ankläger wichtiges Belastungsmaterial gefehlt hat. Die Amerikaner machen nicht nur mit Kapitalverbrechen Schlagzeilen. Der große Warenumschlag in ihrer Enklave verleitet auch zu Eigentumsdelikten. Durch häufig wechselndes Personal und viele Umorgani­ sationen bleibt die Überwachung des Waren­ verkehrs unzureichend. Immer wieder werden einzelne Zivilangestellte im amerikanischen „Selbstbedienungsladen" bei Diebstählen und ähnlichem erwischt. Im Juni 1956 werden vier Deutsche wegen Unterschlagung von 3.400 Litern Benzin verurteilt, ein weiterer wegen Steuerhinterziehung, weil er sein Auto mit Ami-Benzin betrieben hat. Ein halbes

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Jahr später wird eine Hausangestellte gefaßt, die bei zwei amerikanischen Familien Hand­ tücher, Silberlöffel, einen Fotoapparat und einen Brillantring mitgehen hat lassen. Oft merken die sorglosen Amerikaner erst bei der Identifikation des Diebesgutes, was ihnen alles abhanden gekommen ist. Das gilt ebenfalls für den Diebstahl von 200 Bett­ tüchern aus der amerikanischen Wäscherei durch einen deutschen Beschäftigten. Nach und nach gelingt es dem Dieb im Herbst 1959, die noch schmutzige Bettwäsche aus der Kaserne nach Hause zu schaffen, wo seine Mutter sie - übrigens ohne sie vorher zu waschen - gleich weiterverkauft. Nachdem er gefaßt worden ist, verständigt die Kriminal­ polizei die Amerikaner, die den Diebstahl noch nicht bemerkt haben. Anders gelagert ist der Fall, der im April 1960 ans Tageslicht kommt. Eine Frau schiebt auffällig häufig ihren Kinderwagen am Zaun der Atzenhofer Kaserne entlang. Eine Untersuchung bringt ans Licht, daß es sich bei den „Babys" jedesmal um zwei Ben­ zinkanister handelt, die ihr ein Gl zugesteckt hat. Eine Untersuchung bei ihr zu Hause för­ dert neben einem Benzinlager noch andere Gegenstände aus amerikanischen Armee­ beständen zutage. Wesentlich größeren Umfang hat der Fleischdiebstahl aus dem Commissary an der Waldstraße, der erst nach mehr als sechs Jahren im Dezember 1960 aufgedeckt wird. „Ein Haupttäter ... gab zum Beispiel zu, fol­ gende Mengen innerhalb der letzten zwei Jahre gestohlen zu haben: sieben Kisten mit Hähnchen (jede Kiste enthält einen halben Zentner), drei Kisten Schinken, vier Kisten Hartwürste, 40 Pfund Rindfleisch, drei Kisten Kasseler Rippchen, eine Kiste Truthähne, zwei Kisten Butter, drei Kisten Schweine­ fleisch, zwei Kisten Tee, zwei Rinderviertel, zwei Kisten Spargel und einen halben Zentner Bohnenkaffee. Außerdem trug er so nebenbei noch täglich Frischfleisch, Butter und Würste in seinen Taschen aus dem Warenlager. Das war die zugegebene Beute von nur einem die­ ser fünfzehn so eifrigen Langfinger." Wieder ist der Diebstahl für die durchwegs aus Fürth und Nürnberg stammenden Täter durch die Großzügigkeit der Amerikaner wesentlich erleichtert worden, die entweder nichts ge­ merkt haben oder sich ihr Wegschauen durch D-Mark honorieren ließen. Aus diesem Grund werden die meisten der Angeklagten später in der Gerichtsverhandlung freigesprochen. Gleiches gilt für zwei „US-Altmetallschürfer", die 1961 erwischt werden, als sie „Metallteile"

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aus der Kaserne transportieren. Da die ame­ rikanische Seite nicht klarlegen kann oder will, ob es sich bei den gestohlenen Teilen um „Graffl" oder um wertvolle Panzerersatzteile handelt und die Angeklagten außerdem von den Amerikanern weiterbeschäftigt werden, plädiert sogar der Staatsanwalt für Frei­ spruch mit dem Satz: „Heute ist es längst nicht mehr so wie früher, daß man beim Ami alles klaut, was es zu klauen gibt." Ein 26jähriger Fürther versucht mehr­ mals, mit einem Schlauch aus abgestellten amerikanischen Autos Benzin zu stehlen: „Doch nicht lange. Im Finstern stand nämlich einer und sah, was der Arglose da mit dem Eigentum des amerikanischen Steuerzahlers anfing. Er war beinahe unsichtbar in dieser Nacht, denn es war ein farbiger US-Bürger in der kleidsamen Uniform seines freien Lan­ des." Der wachsame Soldat merkt sich die Autonummer und der Dieb wird bald darauf gefaßt (Januar 1962). Natürlich tragen diese permanenten Dieb­ stähle und Unterschlagungen nicht gerade positiv zum Bild bei, das die Amerikaner von den Fürthern gewinnen. Andererseits betont Oberstleutnant James H. New, als er 1965 etliche Zivilangestellte für ihre 20jährige Tätigkeit bei der US-Armee ehrt: „In allen Ländern, in denen ich bisher war, habe ich noch nie so gute und bereitwillige Arbeits­ kräfte gefunden wie hier in Deutschland." Findig sind sie auch, immer wieder zahlen die Amerikaner ihren deutschen Angestellten Prämien für Verbesserungsvorschläge. Aller­ dings sind es nicht immer solche Beträge wie in der Meldung vom 15. Januar 1966, wonach durch die bisher nicht für möglich gehaltene Reparatur eines 6.000 DM teuren Ersatzteils eines Raketentransporters jährlich etwa 160.000 Mark eingespart werden kön­ nen. Aus den USA reisen Vertreter des Her­ stellerwerks an, um sich die Fürther Repa­ raturvorrichtung anzusehen, die von einem Amerikaner und zwei Deutschen ausgetüftelt worden ist. In Fürth befindet sich für viele Jahre ein amerikanisches Gefängnis, in dem Soldaten aus ganz Nordbayern einsitzen. Der „Bau" ist bis 1971 in einem Gebäude in der Artillerie­ straße untergebracht, gleich hinter der Kaser­ neneinfahrt der Darby-Kaserne an der Steubenstraße. Die Fenster sind vergittert, den Vorplatz umgibt ein Maschendrahtzaun mit Stacheldraht. Die Militärpolizei bewacht das Gefängnis, das Zuchthaus, Bewährungssta­ tion, Untersuchungsgefängnis und Durch­

gangsstation für Schwerstkriminelle in einem ist. Verbüßt werden hier nur Strafen bis zu einem halben Jahr, länger Einsitzende wer­ den in die USA nach Fort Leavenworth geflo­ gen. Die Wiedereingliederung der straffällig Gewordenen in die Armee oder - bei unehren­ haft Entlassenen - in das Zivilleben stellen die Amerikaner bei ihrem Strafvollzug in den Vordergrund. Deshalb wird versucht, die Täter durch sinnvolle Arbeiten, durch Kör­ perertüchtigung und durch Belehrungen zu erziehen. Allerdings gibt es für ganz schwere „Fälle" auch die Isolationshaft. Der Gefangene ist dann in einem fensterlosen Raum unter­ gebracht, er hat Rauch- und Sprechverbot, die Verpflegung besteht aus Gemüse, Wasser und Brot. Ende 1971 genügt das alte Gefängnis in der Artilleriestraße den Anforderungen nicht mehr und eine weitere Anstalt in Dachau, auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrations­ lagers, ist den Amerikanern wegen der vielen dortigen Touristen als unpassend erschienen und geschlossen worden. Daher bezieht die Armee ein neuerbautes Gefängnis innerhalb der Johnson-Kaserne, es ist eines von zwei

US-Gefängnissen in der Bundesrepublik. Vom Damm des Main-Donau-Kanals kann man bequem auf die Wachttürme, die doppelten Zäune und das X-förmige zweige­ schossige Gebäude herabblicken. Das neue Fürther Gefängnis hat etwa 100 Zellen, eine Bücherei und ein eigenes Heizwerk. Ein Bericht der „Fürther Nachrichten" vom 22. Juni 1976 nennt einige Zahlen: „So ist der Gefangene im Durchschnitt 21 Jahre alt und hat 27 Monate in der Armee gedient. Sein Dienstgrad ist Gefreiter. 85 Prozent der Häft­ linge sind ledig, 47 Prozent kommen aus zer­ brochenen Ehen. 50 Prozent sind Schwarze, 41 Prozent sind Weiße und neun Prozent setzen sich aus anderen Bevölkerungsgrup­ pen zusammen. 26 Prozent der Vergehen sind Rauschgiftdelikte. Überfälle und Gehorsams­ verweigerungen machen dreizehn Prozent aus. Unerlaubtes Entfernen von der Truppe elf Prozent, Mord, versuchter Mord und Ver­ gewaltigung betragen fünf Prozent. 45 Prozent der Gefangenen sind wegen ungebührlichem Verhalten, Raub, Brandstiftung, Diebstahl, Schlagen eines Offiziers oder Unteroffiziers oder Desertion in Haft."

Das gut bewachte amerikanische Gefängnis in der Johnson-Kaserne.

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Unruhige Zeiten Vietnam und andere Probleme Die Jahre zwischen 1967 und 1975 brin­ gen erhebliche Turbulenzen ist die bisher so festgefügten deutsch-amerikanischen Bezie­ hungen. Die Welt bestaunt die Mondlandung der amerikanischen Astronauten 1969 und schöpft Hoffnung aus der einsetzenden OstWest-Entspannung, die maßgeblich von der sozialdemokratisch geführten Bundesregie­ rung mitgeprägt ist. Negative Schlagzeilen machen die 68er Protestbewegung, die At­ tentate auf Martin Luther King und Robert Kennedy, die Niederschlagung des Prager Aufstandes durch Truppen des Warschauer Paktes, der internationale Terrorismus und der Vietnamkrieg. Dieser Krieg in Indochina beeinträchtigt die deutsch-amerikanischen Beziehungen weniger auf politischer Ebene, sondern mehr durch Vorfälle in den Statio­ nierungsstandorten in Deutschland. Zwei weitere Ereignisse üben ebenfalls einen nega­ tiven Einfluß auf das bisher fast ungetrübte Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten aus, nämlich der härter werdende Streit um die Stationierungskosten und die Umstruk­ turierung der US-Armee von einer Wehr­ pflichtigen- zu einer Freiwilligenarmee. Beginnen wir mit den Stationierungsko­ sten. Das Strickmuster bei den Verhandlun­ gen ist das gleiche wie in den Jahren zuvor. Die amerikanische Regierung denkt laut über eine deutliche Truppenreduzierung in Deutschland nach, diesmal in Form des „Dual Basing". Dabei soll ein Teil der Kampf­ truppen für Europa in den USA stationiert bleiben und erst im Konfliktfall mittels einer Luftbrücke eingeflogen werden und die hier gelagerte Ausrüstung übernehmen. Tatsäch­ lich zieht die US-Armee 1967 auch zwei Drit­ tel einer Division und etwa 28.000 Angehöri­ ge aus Deutschland ab. Durch diesen Druck sieht sich die Bundesregierung nach zähen Verhandlungen zur Bereitstellung von Sta­ tionierungskosten in Höhe von sechs Milliar­ den Mark zwischen 1967 und 1970 gezwun­ gen. Bis 1973 sind weitere 6,7 Milliar­ den Mark fällig. Bemerkenswert em dieser Vereinbarung ist, daß sich die Bundesrepu­ blik erstmalig bereit erklärt, Renovierungs­ kosten für die amerikanischen Kasernen zu übernehmen. Mit den Verhandlungsergeb­ nissen sind letztlich jedoch beide Seiten un­ zufrieden. Die Regierungen werfen sich gegenseitig Geiz bzw. Habgier vor und das

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deutsch-amerikanische Verhältnis hat einen ersten Riß bekommen. Verhandlungen zwischen den USA und der Bundesrepublik über die Begleichung der Stationierungskosten finden dann letztmalig 1974 statt und die Bundesrepublik zahlt für weitere zwei Jahre etwa sechs Milliarden Mark. Ab 1975 wird nicht mehr über den Kostenausgleich verhandelt, da die Bundes­ republik ihren vollen NATO-Beitrag leistet und die internationalen Geldströme durch die Freigabe des Dollarkurses und die nach den Ölkrisen zirkulierenden Öldollar ein solches Ausmaß angenommen haben, daß sich wei­ tere langwierige Verhandlungen nicht mehr lohnen. Einen weitaus ungünstigeren Einfluß auf die Beziehungen beider Staaten hat jedoch der Vietnamkrieg, in den sich Amerika immer tiefer verstrickt. Die amerikanische Öffent­ lichkeit richtet ihr Hauptaugenmerk auf den aufwendigen Dschungelkrieg in Indochina, Europa rückt trotz des permanent vorhande­ nen sowjetischen Bedrohungspotentials ins zweite Glied des Interesses. Das Pentagon verlegt Teile der bisher in Europa stationier­ ten, gut ausgebildeten Kampftruppen nach Vietnam. Dadurch reduziert sich die Trup­ penstärke von 306.800 (1966) auf 246.000 (1970), davon etwa drei Viertel in der Bun­ desrepublik. Naturgemäß geben die verblei­ benden Einheiten auch ihre besten Offiziere ab, so daß die teilweise auf die Hälfte ihrer Sollstärke geschrumpften Einheiten von „frischgebackenen" Leutnants kommandiert werden. Außerdem wechselt das Personal der Einheiten fast alle neun Monate, manche Offiziere werden bereits nach drei Monaten wieder versetzt. Die Folge ist eine zunehmen­ de „Verwilderung" der Soldaten. Ziemlich unbekannt dürfte sein, daß auch Fürther im Vietnamkrieg gekämpft haben. Im November 1968 wird ein 29jähriger Haupt­ mann der US-Armee, der 1953 mit seinen Eltern von Fürth in die USA ausgewandert ist, dort studiert hat und sich dann der Ar­ mee angeschlossen hat, für seinen VietnamEinsatz geehrt. Zur gleichen Zeit, am 31. Ok­ tober 1968, stirbt in Vietnam ein 22jähriger Fürther, der erst vier Jahre vorher in die Vereinigten Staaten ausgewandert ist und, trotz gegenteiliger Zusicherung, während sei­ nes Wehrdienstes nach Vietnam abkomman­ diert worden ist. Als Todesursache des Serge­ anten wird zwar ein Verkehrsunfall angege­ ben, aber den Eltern kommen Zweifel an die­ ser Meldung, als dem Verstorbenen eine der

höchsten Tapferkeitsauszeichnungen der USArmy, die „Bronze Star Medal" posthum ver­ liehen wird. Jedenfalls wird der Leichnam nach Fürth überführt und auf dem Friedhof mit militärischen Ehren beigesetzt. Die vorher geschilderte „Verwilderung" der Soldaten allein stellt die amerikanische Ar­ mee noch nicht vor größere Schwierigkeiten. Sie schwächt jedoch deren Widerstandskraft gegen die Hauptprobleme, die mit den 68er Studentenunruhen und dem Vietnamkrieg hereingetragen werden, nämlich Rassendis­ kriminierung und Drogenmißbrauch. Die zu­ nehmende Radikalisierung vieler amerika­ nischer Farbiger in den USA infiziert auch die in Deutschland stationierten Einheiten. Ist die Benachteiligung der Farbigen im zivilen Leben in den USA schon offensichtlich, setzt sie sich bei der Erfassung der Wehrpflichtigen für Vietnam fort und zeigt sich auch inner­ halb der Armee deutlich. Die vierzehn Prozent farbigen Wehrpflichtigen stellen nur knapp vier Prozent der Offiziere. In Deutschland müssen sich die Farbigen in einer fast aus­ schließlich weißen Gesellschaft bewegen, die zudem noch ihr eigenes, unbewältigtes Ver­ hältnis zum Rassismus hat. Innerhalb der in der Bundesrepublik sta­ tionierten Einheiten der amerikanischen Armee kommt es ab dem Ende der sechziger Jahre verstärkt zu Disziplinlosigkeiten, das deutsche „mox nix" ( = macht nichts, was soviel wie „ist ja egal" bedeuten soll) macht unter den frustrierten Soldaten die Runde. Die Einheiten stehlen sich gegenseitig Aus­ rüstung und Werkzeuge. Zwischen weißen und farbigen Soldaten finden Messersteche­ reien statt, viele Soldaten sind „high", stehen also unter Drogeneinfluß. Aus Erlangen wird berichtet, daß sich Offiziere des Nachts nicht mehr in Mannschaftsunterkünfte trauen, einmal wird sogar ein Offizier angeschossen. Es desertieren fünfmal so viele Soldaten wie noch fünf Jahre zuvor. Schließlich schwappt diese Welle der Gewalt auch auf das deutsche Umland über. Vergewaltigungen, Straßen­ raub und Totschlag, vornehmlich durch far­ bige Soldaten, nehmen in den deutschen Städten zu, so daß der Ruf „Ami Go Home" immer lauter wird. Die amerikanische Armeeführung reagiert postwendend und unternimmt vielfältige An­ strengungen zur Eindämmung der Gewalt­ taten. Die Rassendiskriminierung wird durch verschärfte Bestimmungen bei der Personal­ planung weitgehend unterbunden, Unruhe­ stifter werden ebenso wie uneinsichtige Kom­ mandeure in die USA zurückversetzt. Die

Armee startet Informationskampagnen gegen Rassenvorurteile und beschleunigt die anste­ henden Gerichtsverfahren. Selbst die ameri­ kanischen Radiosender achten auf den Pro­ porz zwischen Soul- und Country & WesternMusik. Ab 1972 bewirken diese Maßnahmen eine Entschärfung der Rassendiskriminie­ rung. Dadurch drängt sich das nächste Problem in den Vordergrund. Der Drogenmißbrauch und die damit einher gehende Rauschgift­ kriminalität machen der amerikanischen Armee sehr zu schaffen. Angeblich ist fast die Hälfte aller US-Soldaten in Vietnam drogen­ abhängig und diese Abhängigkeit verbreitet sich auch bei den in Deutschland stationier­ ten Einheiten. Die jungen Soldaten, die ihre „Sturm- und Drangzeit" im fernen Ausland verbringen müssen, werden von Drogendea­ lern bedroht und zusammengeschlagen und viele Soldaten bewegen sich innerhalb der Kaserne nur noch bewaffnet. Wie bei der Rassendiskriminierung gelingt es der Armeeführung auch beim Drogenmiß­ brauch, mit zum Teil drastischen Maßnah­ men eine Besserung zu erreichen. Die Mili­ tärpolizei und die Drogenfahnder führen strenge Kontrollen durch, die GIs werden in ihren Autos und Wohnungen nach Drogen durchsucht. Sie dürfen in den Kasernen weder Türen absperren noch Trennwände aufstellen, hinter denen sie dem Rauschgift­ konsum ungestört hätten frönen können. Die Situation wird noch dadurch erschwert, daß der Vietnamkrieg kaum Geld für die Renovie­ rung und Neugestaltung der Kasernen übrig läßt, um den Soldaten wenigstens ein ange­ nehmes Umfeld bieten zu können. Der Putz bröckelt bei den zwischen dreißig und siebzig Jahre alten Gebäuden von den Wänden, zerbrochene Fensterscheiben werden nicht erneuert und um die Unterkünfte herum sammelt sich altes Gerümpel an. In einem Bericht der „Washington Post" vom Sommer 1971 wird der Oberbefehlshaber der 7. Armee in Europa, General Davison mit den Worten zitiert: „Wir haben für Vietnam einen schreck­ lichen Preis bezahlt, ... [für Vietnam] mußten wir die 7. Armee zerstören." Ein Offizier in der Nürnberger Merrell-Kaseme sagt zu amerika­ nischen Reportern: „Die Kaserne ist ein Skan­ dal für die Vereinigten Staaten ... Selbst wenn wir sie zu hundert Prozent renovieren könn­ ten, wären sie immer noch nicht so gut, als wenn Hitlers Truppen hier wohnen würden. Warum befindet sich der Nürnberger Zoo in einem besseren Zustand als die Kaserne, in der meine Männer leben müssen?". 111

Die in der Bundesrepublik stationierten US-Soldaten sehen sich Anfang der siebziger Jahre jedoch noch mit weiteren Schwierig­ keiten konfrontiert. Eine anhaltende Dollar­ schwäche führt 1973 zu einer Freigabe des Wechselkurses, wodurch der Dollar gegen­ über der D-Mark deutlich an Wert verliert. Für die in deutschen Wohnungen lebenden Soldaten und ihre Angehörigen verteuert sich die Lebenshaltung beispielsweise im ersten Halbjahr 1973 um 23 Prozent. Viele Ameri­ kaner, die vorher im Umland gewohnt und gute Kontakte zur deutschen Bevölkerung ge­ pflegt haben, ziehen gezwungenermaßen wie­ der in die Kasernen. Diese Gettoisierung hat für die nächsten zehn Jahre Bestand. Die Armee versucht, die jungen Soldaten zu unterstützen und hebt 1970 den „Army Community Service" aus der Taufe, der die Gis, die aus den USA oder aus Vietnam nach Fürth kommen, in Immobilien- und Finan­ zierungsfragen und bei der Wohnungsver­ mittlung berät und beim Kauf von gebrauch­ ten Möbeln und Küchengeräten hilft. Die finanziellen Engpässe der US-Soldaten rühren auch daher, daß ein beträchtlicher Teil von ihnen verheiratet ist, die Familie mit nach Deutschland genommen hat und sie jetzt ernähren muß. Der große Verheirateten­ anteil ist eine der Folgen der tiefgehenden Umstrukturierungsmaßnahme in der ameri­ kanischen Armee Anfang der siebziger Jahre, nämlich dem Übergang von einer Wehrpflich­ tigen- zu einer Freiwilligenarmee (AVF = All Volunteer Force), bei der länger dienende Sol­ daten in der Mehrzahl sind. Anlaß für diesen Übergang sind u.a. die Ungerechtigkeiten bei der Erfassung der Wehrpflichtigen während des Vietnamkrieges gewesen. Studenten und Jugendlichen wohlhabender Eltern ist es häufig gelungen, der Einberufung zu entge­ hen oder auf sichere Posten zu gelangen, während zu den Kampfeinsätzen vorwiegend Farbige und Soldaten ohne „Beziehungen" herangezogen worden sind. Für eine Freiwilli­ genarmee spricht die unaufschiebbar gewor­ dene Notwendigkeit, die bisher sehr dürftigen Soldatengehälter ein das zivile Niveau anzu­ passen, um die Attraktivität des Militärs für länger dienende Offiziere und Mannschaften zu erhalten. Die immer komplexer werdenden Waffensysteme verlangen zudem nach gut ausgebildeten, erfahrenen und sich länger verpflichtenden Spezialisten. Diese Umstruk­ turierung zur Freiwilligenarmee schwächt

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zeitweise die ohnehin schon beeinträchtigte Kampfkraft der in Deutschland stationierten Einheiten, was bei der Bundesregierung zu einer gewissen Beunruhigung führt. Vorüber­ gehend sinkt das Bildungsniveau der Rekru­ ten so stark, daß die Bedienungsanleitungen für Panzerfahrer als Comic-Buch herausge­ bracht werden. Außerdem befürchten viele Sachverständige, die US-Armee werde zu einem Hort für den Abschaum des amerika­ nischen Volkes, in dem sich Gescheiterte, Glücksritter und Söldner ausleben würden. Letzteres tritt, um es vorwegzunehmen, glücklicherweise nicht ein. Diese Probleme Rassenunruhen, Drogen­ mißbrauch, erste Anzeichen von Armut und Umstrukturierung innerhalb der US-Armee werden auch der deutschen Öffentlichkeit sichtbar und ausgiebig in den Medien disku­ tiert. Das verschlampte Aussehen der ameri­ kanischen Kasernen, die Schrottautos der Soldaten und die gewalttätigen Übergriffe las­ sen ernste Zweifel an der Zuverlässigkeit des Bündnispartners aufkommen. Seit vielen Jahren haben die Deutschen Amerika als das Land der unbegrenzten Möglichkeiten ange­ sehen. Und dazu gehört eine gut ausgerüstete Armee, die (auch mit Atomwaffen) die Bun­ desrepublik und ganz Westeuropa zuverlässig schützen soll. Jetzt fragen sich viele, ob sie - vor dem Hintergrund der von der Bundesregierung selbst eingeleiteten Ost-West-Entspannung einen solchen angeschlagenen Verbündeten überhaupt noch akzeptieren wollen. Erste Rufe des „Ami Go Home" ertönen auch in Deutschland. Zwar sind diese Forderungen übertrieben, zumal die US-Armee ihre Pro­ bleme Mitte der siebziger Jahre wieder in den Griff bekommt, aber das deutsch-amerikani­ sche Verhältnis hat Risse bekommen. Auf die Frage „Mögen Sie eigentlich die Amerikaner?" antworten 1967 nur noch 47 Prozent der befragten Deutschen mit „Ja", während es zwei Jahre vorher noch 58 Prozent waren. Ein Nürnberger sagt in einem Interview: „Solange die Amis uns prächtige Konserven, Kaffee und Zigaretten ins Haus brachten, hatten wir einen Narren an ihnen gefressen und man rechnete es sich zur Ehre an, wenn ein Ame­ rikaner in der Familie verkehrte. Jetzt glau­ ben wir schon wieder auf sie herabsehen zu können, weil wir mal ein .Volk der Dichter und Denker' und die Amerikaner .Dollarjäger' genannt wurden."

Als sich General Price vor seiner Rückkehr in die USA von Ober­ bürgermeister Scherzer am 19. Juli 1976 verabschiedet, hat sich die Disziplin der amerikani­ schen Soldaten schon wieder gebessert.

Dschungelkrieg in Fürth

Die am Kapitelanfang geschilderte „Verwil­ derung" eines Teils der amerikanischen Sol­ daten läßt sich in der zunehmenden Zahl der Presseberichte über Vorfälle mit amerikani­ scher Beteiligung in den „Fürther Nachrich­ ten" ablesen. Sicherlich werden durch eine einmal erfolgte Sensibilisierung der Öffent­ lichkeit manche Vorkommnisse abgedruckt, die in ruhigeren Zeiten übergangen worden wären, aber die Tendenz zu mehr Gewalt bei den Soldaten ist nicht zu bestreiten. In etwa der Hälfte aller Delikte mit amerikanischer Beteiligung sind farbige Soldaten verwickelt, obwohl ihr Anteil in der amerikanischen Armee nur vierzehn Prozent ausmacht. Ihre Verstrickung in die Zwischenfälle hat vielfäl­ tige Ursachen. Durch die Diskriminierung der Farbigen in der amerikanischen Gesellschaft sind sie bezüglich Bildung und sozialem Sta­ tus benachteiligt. Nach den Rassenkrawallen in den USA Ende der sechziger Jahre begin­ nen sie sich zu wehren und reagieren manchmal überempfindlich. Unter ihren wei­ ßen Kameraden gibt es einige, die diese Reaktionen für ihre Zwecke ausnutzen und gezielt Zwischenfälle provozieren. In Deutsch­ land fallen die Farbigen wegen ihrer Haut­ farbe noch mehr auf als in den USA und das deutsche Wort „Neger", obwohl eigentlich wertneutral, klingt in ihren Ohren wie das amerikanische Schimpfwort „Nigger". Auch das Mundartwort „Zupfer", das wohl auf die

Geschichte der Neger als baumwollpflückende Sklaven im letzten Jahrhundert hinweist, ist nicht gerade schmeichelhaft gemeint. Die „Fürther Nachrichten" bemühen sich in ihrer Berichterstattung, einer Polarisierung zwischen schwarz und weiß entgegenzuwir­ ken. Sie gehen dazu über, in ihren Reporta­ gen über die Zwischenfälle mit amerikani­ scher Beteiligung nicht mehr nur von „ameri­ kanischen Negern" zu sprechen, Beschrei­ bungen wie „farbige", „englisch sprechende" oder „uniformtragende" werden für die Übel­ täter verwendet, lassen aber trotzdem kaum Platz für alternative Interpretationen. Ledig­ lich wenn in den Berichten von „Ausländern" die Rede ist, können auch italienische, grie­ chische, jugoslawische oder türkische Staats­ angehörige gemeint sein, die in zunehmender Zahl in Fürth wohnen. Dann geben lediglich Ortsbezeichnungen wie „Waldstraße", „Süd­ stadt" oder „Kasernennähe" Hinweise auf den Täterkreis.

In der Fürther Südstadt haben die Anwoh­ ner Gelegenheit, bis in die frühen Morgen­ stunden der Beat- und Soulmusik zu lau­ schen, die aus offenen Fenstern von Ka­ sernen und Gaststätten dröhnt. Ein FN-Leser schreibt am 3. Oktober 1970: „Angefangen von lautstarken Wortgefechten, über rück­ sichtsloses Türenknallen und Flaschenzer­ schlagen bis zu unartikuliertem Gebrüll ist alles enthalten, was geeignet ist, die Nacht­ ruhe gründlich zu stören." Er schlägt vor,

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edles in die Kaserne zu verlagern, Schnaps und Bier dort auszuschenken und .... den leichten Mädchen ist es sicher egal, ob sie auf der Straße oder in der Kaserne verprügelt werden." Die Amikneipen sind jedenfalls gut besucht. Besonders turbulent geht es immer am 4. Juli, dem amerikanischen National­ feiertag zu. In den Quartieren wird ausgelas­ sen gefeiert, manchmal zünden die betrunke­ nen Soldaten auch Feuerwerkskörper und werfen sie auf die Straße und oft zertrüm­ mern sie Bier- und Schnapsflaschen auf den Gehsteigen. Nachstehend sollen einige dieser Vor­ kommnisse geschildert werden. Im Mai 1968 kommt es in einer Gaststätte in der Homschuchpromenade zu einer Massenkeilerei zwischen den Gästen, die sich in den Streit eines Pärchens einmischen. Zwei Soldaten ziehen ihre Stahlruten, mit dem Ergebnis, daß zwei Kontrahenten mit Kopfplatzwunden ins Krankenhaus müssen. Außerdem wird vor dem Lokal ein Taxi beschädigt. Oft spie­ len sich in den von amerikanischen Soldaten besuchten Gaststätten Szenen ab, wie man sie aus vielen Western-Filmen kennt. Am 24. März 1970 berichten die „Fürther Nachrichten" mit der Überschrift „Haarscharf am Kopf vorbei ...": „Was manche schlicht einen .fight' nennen, artete in der Nacht zum Montag gegen 1 Uhr zu einer wüsten Schlä­ gerei nach Wildwestmanier in einem Lokal in der Theresienstraße aus. Sieben US-Soldaten spielten .starken Mann', warfen mit Bier­ flaschen um sich und schlugen den auslän­ dischen Wirt zusammen. Was nicht niet- und nagelfest war, zertrümmerten die Gis kurz und klein. Einer der Soldaten hatte eine Fla­ sche nach der Musikbox geworfen und den Kleiderständer aus der Halterung gerissen. Um ein Haar verfehlte eine Flasche den Kopf des Wirtes und zersplitterte an der Wand. Durch die Scherben wurde der Wirt am Kopf verletzt. Dann stürzten sich die Schläger auf ihn und schlugen seinen Kopf gegen das Fen­ ster. Andere Soldaten warfen mit Flaschen die restlichen Scheiben ein. Ein weiblicher Gast ergriff die Initiative, versprühte Tränen­ gas und drohte, die MP herbeizurufen. Da­ raufhin ergriffen die Soldaten die Flucht. Die herbeigerufenen Funkstreifenbeamten konn­ ten im Zug der Fahndung sieben US-Soldaten antreffen. Sie wurden zur Dienststelle mitge­ nommen und nach Feststellung ihrer Perso­ nalien der Militärpolizei übergeben. Der ver­ letzte Gastwirt hatte sie einwandfrei als Täter erkannt."

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Zwei farbige Sergeanten werden am 28. Juni 1970 von der Kaserne aus beschos­ sen, als sie aus einer Bar in der Flößaustraße kommen. Die beiden, für solche Fälle sicher gut ausgebildet, nehmen sofort Deckung und können unverletzt entkommen. Der Schütze mit der 11,5 Millimeter-Pistole soll aus Eifer­ sucht gehandelt haben. Schlimmer endet ein blutiges Rassendra­ ma am 4. Juli 1975, dem amerikanischen Nationalfeiertag, in der Gaststätte „Zur Ka­ none" in der Flößaustraße. Nach einem Streit mit einem weißen Soldaten sinken plötzlich zwei Farbige, von Messerstichen getroffen, blutend zu Boden. Einer von ihnen, ein Sol­ dat aus Kitzingen, stirbt bald darauf im Krankenhaus, der andere ist schwer verletzt. Der Messerstecher wird von der Militärpolizei festgenommen. Aus Empörung über die Tat demolieren die Kameraden des Getöteten noch in derselben Nacht das Lokal. Vorfälle dieser Art bleiben leider nicht auf die Gaststätten beschränkt, in den Straßen Fürths setzen die frustrierten Soldaten ihr Zerstörungswerk fort. Oft sind abgestellte Autos Opfer ihrer Wut. In der Neujahrsnacht des Jahres 1967 brechen drei Soldaten zwi­ schen Pfister- und Schillerstraße dreizehn Autospiegel ab. Bei anderen Gelegenheiten wird der Lack von Autos zerkratzt, Mercedes­ sterne, Antennen und Scheibenwischer wer­ den abgebrochen und einmal kann die Polizei einen Randalierer identifizieren, weil er beim heftigen Eintreten von Autotüren seine Stie­ felspitzen durchstoßen hat. Drei besonders kräftige Soldaten kippen ein Goggomobil um. Weiter werden Schaufensterscheiben einge­ worfen und Baustellenlampen zertrümmert. Entlang der Vacher Straße werden mit den Autos immer wieder reihenweise die Pla­ stikpfosten am Straßenrand umgemäht. Die fünfzig Autos, die ein Soldat mit zwei Komplizen in der Südstadt in der Nacht zum 27. September 1968 beschädigt, stellen wohl einen Rekord dar. Bis zu drei Reifen sind an jedem Auto zerstochen, weshalb die fünfzig Südstädter am Morgen nicht zur Arbeit fah­ ren können. Kurioser ist der folgende Zwi­ schenfall: „Eine fliegende Untertasse, später identifiziert als fliegender Aschenbecher, wurde abends um 23 Uhr in der Flößau­ straße gesichtet. Das Flugobjekt landete auf der Windschutzscheibe eines vorbeikommen­ den Taxis, die dabei restlos zu Bruch ging. Nicht von einem unbekannten Stern, sondern von einem Fenster der dortigen Kaserne kam das unbekannte Flugobjekt. Vermutlich hat es ein unlustiger oder zu lustiger Gl zum

Fenster hinausgeworfen. Wer es war, blieb bis jetzt unklar." (19. September 1969). Einige Jahre später wiederholt sich der Vorfall, dies­ mal ist das UFO ein ausgewachsenes Tran­ sistorradio, das Opfer allerdings kein Taxi, sondern ein „normales" Auto. Die Insassen der Monteith-Kaserne stellen im April 1975 ebenfalls ihre Zielsicherheit unter Beweis. Ein Stein zertrümmert die Windschutzscheibe eines vorbeifahrenden Autos. Im Mai 1970 sind wieder Verkehrsrowdies aktiv: „Zwei US-Soldaten zwangen in den Morgenstunden des Sonntag in der Oststadt einen Pkw-Fahrer zum Anhalten. Während einer der Täter die hintere Stoßstange bestieg und auf- und abwippte, schlug der andere mit dem Schuh den rechten Scheinwerfer ein. Dann flüchteten sie. Funkstreifenbeamte nahmen sie in unmittelbarer Nähe des Tat­ ortes fest und übergaben sie der MP. Anzeige wurde erstattet." Schlechte Erfahrungen mit amerikanischen Soldaten macht ein Autofah­ rer, der im September 1974 in der Nürnber­ ger Straße von einem US-Lkw beim Überho­ len auf den Gehsteig gedrängt wird. Er ver­ folgt den Lkw bis in die Vacher Straße....... wo das US-Fahrzeug stoppte. Noch ehe der PkwFahrer aussteigen konnte, sprangen vier USSoldaten von der Ladefläche, von denen einer mit Schimpfworten die Heckscheibe am Pkw einschlug. Anschließend flüchteten sie mit dem Lastwagen in Richtung Monteith-Bar­ racks. Das Kennzeichen des US-Lkw konnte nicht festgestellt werden". Immer wieder ist zu betonen, daß die große Mehrheit der amerikanischen Soldaten ein ordentliches Leben führt. Lediglich eine Minderheit, oft sind es Wiederholungstäter, sorgt für die negativen Schlagzeilen. Dies gilt auch für die zwischen 1967 und 1975 ver­ stärkt gemeldeten Gewalttätigkeiten gegen „Einheimische", sprich Fürther. Vier Soldaten überfallen im November 1967 in der Kaiserstraße eine spazierenge­ hende Familie, die daraufhin in den Hof des Hardenberg-Gymnasiums flüchtet. Die Ame­ rikaner verfolgen sie, werden aber von Sport­ lern aus der Turnhalle an weiteren Gewalt­ tätigkeiten gehindert, festgehalten und der Polizei übergeben. Im April 1968 versuchen zwei aus Ansbach ausgerissene Soldaten, in der Adenauer-Anlage einen Bankangestellten zu überfallen. Sie werden wenig später in der Hallstraße gefaßt. Bei der Verfolgung der Gis verletzt sich ein Polizeibeamter schwer, als er durch ein Eternitdach der Geismann-Brauerei fünf Meter tief fällt.

Ein halbes Jahr später zieht ein Soldat in der Vacher Straße einem Flaschenbierhändler eine Flasche über den Scheitel und will ihm die Geldtasche abnehmen. Trotzdem wehrt sich der Überfallene, der Täter entkommt unerkannt durch ein Loch im Zaun der Mon­ teith-Kaserne. Im April 1969 geraten sich die Gis in der Südstadt untereinander in die Haare. Sieben Soldaten werden verletzt, die Ursache des Streites bleibt im Dunkeln. Drei Monate später wird ein sechzehnjähriger Junge von mehreren Soldaten geschlagen, als er mit zwei Mädchen den Kristallpalast in der Pfisterstraße verläßt. Die Soldaten wollen die Mädchen fortschleppen, die sich aber losrei­ ßen und die Polizei verständigen können. Zwei der Täter werden gefaßt. Am 28. Mai 1970 überfallen zwei 22jährige Soldaten des Nachts einen Rentner in der Jahnstraße, schlagen ihn zusammen und rauben ihn aus. Durch eine Zeugenaussage können sie bald darauf gefaßt werden. Als es allerdings im Dezember zur Verhandlung kommt, müssen sie vom Landgericht Nürn­ berg-Fürth freigesprochen werden, da der Überfallene die zwei Farbigen nicht mehr ein­ deutig identifizieren kann (FN-Überschrift: „Nachts sind alle gleich") und einer der Beschuldigten ein früheres Geständnis wider­ rufen hat. Zwischen Januar und Mai 1970 sind be­ reits 41 Verbrechen und Vergehen mit ame­ rikanischer Beteiligung registriert. Kripochef Walter Klose meint: „Es entsteht immer mehr der Eindruck, daß Fürth allmählich zum Tummelplatz für Ganoven aus US-Kasemen wird." Die Fürther Kriminalpolizei ermittelt auf Hochtouren und setzt Sonderstreifen ein, gleiches veranlaßt auch die Militärpolizei. Trotzdem werden im Herbst 1970 weitere Raubüberfälle gemeldet. Einmal tun sich dabei sogar die fünfzehn Jahre alten Kinder von Soldaten als Handtaschenräuber hervor. Dabei haben die Täter das Glück, daß der Tod einer 74jährigen Rentnerin, die zwei Monate nach dem Überfall, bei dem sie ver­ letzt worden ist, stirbt, nicht mit der Tat in Zusammenhang gebracht wird. Mit neuzeitli­ cher Technik wird im Mai 1971 ein farbiger US-Soldat gefaßt, der aus einem Fotogeschäft in der Maxstraße eine Kamera entwendet. Einer der erstmals mit Minifunkgeräten aus­ gerüsteten Fürther Polizisten nimmt die Ver­ folgung auf und fordert Verstärkung an. Der Dieb wird gestellt, in seinem Auto findet sich weiteres Diebesgut und das Auto ist auch unterschlagen.

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Ein 23jähriger US-Soldat, der mit den deutschen Verhältnissen wohl nicht vertraut ist, will am 3. Med in der Frühe in eine Für­ ther Bäckerei eindringen. Die bereits fleißig werkelnden Bäcker verscheuchen ihn so nachdrücklich, daß er auf der Flucht seine Schuhe verliert und die Polizei aufgrund die­ ses Merkmals keine Mühe hat, ihn an der Maxbrücke zu verhaften. Eine filmreife Verfol­ gungsjagd liefert ein 18jähriger Soldat am 26. Juli 1971 der Fürther Polizei. Er fällt den Beamten an der Maxbrücke auf, als er mit seinem gestohlenen Fahrzeug bei Rot über die Ampel fährt. Die Streife verfolgt ihn, kann ihn aber wegen der Schlangenlinien, die er fährt, nicht überholen. Erst als der Fahrer vergeblich versucht, die Bahnböschung an der Badstraße hinaufzufahren, hat die Jagd ein Ende. Der Fahrer flüchtet zwar zu Fuß, wird aber später in einer Gaststätte verhaftet. Ein anderer Soldat, der drei Tage später in der Apotheke an der Billinganlage eine Ange­ stellte mit einem Stilett bedroht und 400 Mark erbeutet, hat ebenfalls keine Chance. Er wird von Passanten verfolgt und von der Polizei unter einem geparkten Auto in der Würzburger Straße hervorgeholt. Am 13. September 1971 überfällt ein 24jähriger Soldat eine Fürtherin in der Gebhardtstraße. Er hält ihr seine Pistole an den Kopf und drängt sie in sein Auto. Dann fährt er mit ihr in die Steubenstraße und gibt ihr zu verste­ hen, daß er sie vergewaltigen wird. Doch plötzlich entreißt er der total verängstigten Frau die Handtasche und stößt sie aus dem Wagen. Auch er kann sich seiner Freiheit nicht lange erfreuen, die Fürther Polizei spürt ihn auf und übergibt ihn der Militärpolizei. Manchmal knüpfen die frustrierten Gis auch an die Cowboytradition aus dem Wilden Westen an. Ein schießwütiger Gl aus der Darby-Kaseme sucht sich im Dezember 1971 eine Kindergärtnerin als Zielscheibe aus. Sie wird von zwei Luftgewehrkugeln verletzt, als sie in der Frauenstraße in ihr Auto einsteigen will. Die MP kann den Schützen ermitteln und der amerikanische Kommandeur ent­ schuldigt sich bei der Frau. Nur sechs Wochen später erschießt in der JohnsonKaserne ein Soldat seinen Freund, den er mit zwei vermeintlich leeren Colts erschrecken will. Eine Kugel im Lauf hat er jedoch über­ sehen und die trifft sofort tödlich. Wieder ein halbes Jahr später schießt ein eifersüchtiger Soldat auf seine Frau. Sie wird glücklicherweise nur am Bein verletzt, weil ein Passant dem Schützen in den Arm fällt.

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Eine Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn einer amerikanischen Familie in der Jakob-Wassermann-Straße im Dezember 1972 geht nicht so glimpflich aus. Mit einem Küchenmesser sticht der 16jährige Ober­ schüler vor den Augen seiner Mutter und sei­ ner Brüder den Vater nieder und verletzt ihn tödlich. Der Täter wird später vom Landge­ richt Nürnberg-Fürth nur zu einer Bewäh­ rungsstrafe verurteilt, da sich herausstellt, daß das Opfer ein regelrechter Tyrann gewe­ sen ist und die gesamte Familie terrorisiert hat. Das Dambacher Cafe Flora ist ein halbes Jahr nach diesem Vorfall Schauplatz eines weiteren Mordes mit einem Küchenmesser. Ein farbiger US-Soldat ersticht aus Eifersucht die 41jährige Bedienung, Mutter von elf unehelichen Kindern. Er wird sofort nach der Tat festgenommen, ein Selbstmordversuch bei der Vernehmung in der Fürther Polizei­ direktion scheitert. Die Kinder des Opfers werden von Verwandten aufgenommen. Die erhöhte Gewaltbereitschaft der Solda­ ten ist teilweise auf die Disziplinlosigkeit innerhalb der Armee und teilweise auf ihre relative Armut, verglichen mit der deutschen Bevölkerung zurückzuführen. Die vorher erwähnte Freigabe des Dollar 1973 läßt den Kurs gegenüber der Deutschen Mark inner­ halb kurzer Zeit von 4,00 DM auf 2,60 DM sinken. Da der Sold der Soldaten nicht ent­ sprechend steigt, müssen die in Deutschland lebenden Amerikaner ihre Lebensgewohnhei­ ten umstellen. Sie kaufen wieder fast aus­ schließlich im PX, sie bleiben vermehrt in den Kasernen wohnen und sie steigen, zum Leid­ wesen der Taxifahrer, öfters aufs Fahrrad oder auf öffentliche Verkehrsmittel um. Das Umsteigen der Gis auf die Straßenbahn wird in Fürth im Sommer 1972 aktenkundig, als einige in der Südstadt umsonst fahren wollen und, als ihnen dies nicht gelingt, sie den Fah­ rer zusammenschlagen. Wenig später verhel­ fen amerikanische Soldaten einem D-Zug der Bundesbahn zu einem der wenigen Halte in Fürth. Die zwei beim Besuch der Olympi­ schen Spiele in München „abgebrannten" Gis versuchen, auf den Puffern eines D-Zuges zu ihrer Einheit nach Schweinfurt zu gelangen. Sie werden entdeckt und im Fürther Bahnhof wo man dem Zug außerplanmäßig „Rot" gezeigt hat, von ihren unkomfortablen Sitzen geholt.

Die Johnson-Kaserne, vom Main-Donau-Kanal aus gesehen. Links der nach einem Brand im November 1971 zerstörte Dachstuhl.

Die Armut der amerikanischen Soldaten geht sogar so weit, daß sie sich keine Kau­ gummis mehr leisten können. Ein Vorfall vom November 1972: „Für Nachschub wollte ein 2Ojähriger US-Soldat sorgen, als er am Sonn­ tagabend in einer Gaststätte einen Kau­ gummiautomaten entwendete. Er kam aller­ dings nicht weit. Unterhalb der Siebenbogen­ brücke schnappte ihn die Polizei. Der Soldat hatte sich nach der Tat auf dem Gelände an der Siebenbogenbrücke versteckt. Dort zer­ trümmerte er den Automaten, steckte die Kaugummikugeln in seine Tasche und warf dann den Apparat, oder was von diesem noch übriggeblieben war, in die Rednitz." Übergriffe von Deutschen auf Amerikaner kommen zwar auch vor, sind aber deutlich seltener. Bedrohliches in größerem Stil er­ eignet sich nur anläßlich des Ostermarsches 1968, als ein - meistens aus Nicht-Fürthern bestehender - Demonstrationszug Anstalten macht, in die Darby-Kaserne einzudringen. Aber die Soldaten schließen das Tor und stellen sich dahinter in voller Kampfausrü­ stung auf. Die martialische Pose wird noch durch die aufgepflanzten Bajonette unterstri­ chen. Geschickt gelenkt von der Fürther Poli­

zei, ziehen es die Demonstranten vor, in Rich­ tung Dambacher Straße weiterzumarschie­ ren, ohne daß es zu einem Zwischenfall kommt. Gelegentlich wird der schlechte Ruf der Amerikaner von Deutschen mißbraucht. „Ich bin soeben von einem farbigen Amerikaner vergewaltigt worden ..." berichtet im August 1975 eine Frau aufgeregt einer Funkstreife. Mit mehreren Fahrzeugen wird die ganze Gegend nach den Tätern abgesucht - doch vergeblich. Es stellt sich heraus, daß die Frau die ganze Geschichte nur erfunden hat. Solche Geschichten klingen in diesen wil­ den Jahren während des Vietnam-Krieges nicht unwahrscheinlich. Die Gewalttätigkeit der amerikanischen Soldaten richtet sich immer mehr auch gegen Frauen, die Sexual­ delikte nehmen deutlich zu. Die Sittenstrol­ che, die sich überall vor den überraschten Frauen entblößen, sind noch harmlos. Viel schlimmer sind die Vergewaltigungen. Zwar hat es diese Vorfälle früher ebenfalls gegeben, aber oft stammten dabei Opfer und Täter aus demselben Milieu. Jetzt werden zunehmend völlig unbescholtene Frauen die Opfer. Am

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21. April 1968 überfallen und vergewaltigen vier farbige Soldaten eine 14jährige Schülerin auf den Regnitzwiesen gegenüber der Kläran­ lage und richten sie fürchterlich zu. Die Täter können zwei Tage später gefaßt werden und werden im Oktober zu je dreieinhalb Jahren Gefängnis- bzw. Jugendstrafe verurteilt. Inte­ ressant ist das Plädoyer der Verteidigerin, die angibt, im Land der Täter, also in den USA, sei es Brauch, alle Frauen, die des Nachts die Tat geschah bei hereinbrechender Dun­ kelheit - alleine unterwegs seien, als Freiwild zu betrachten. Im Juni überfallen wiederum vier Farbige ein amerikanisches Liebespaar, schlagen den Mann nieder und versuchen, das Mädchen zu vergewaltigen. Hinzukommende Passanten können die Täter jedoch vertreiben. Am 31. Juli mißhandeln, berauben und verge­ waltigen drei Soldaten einen Engländer. Bei den Sexualtätern handelt es sich nicht ausschließlich um ledige Soldaten, die ihrer Triebe nicht mehr Herr werden können. Im September 1968 ermittelt die Kriminalpolizei in mühsamer Kleinarbeit den Mann, der eine Zahnarzthelferin mißhandelt hat. Der 21jährige Soldat lebt mit seiner Frau und vier Kindern im Fürther Landkreis. An einem Januarmorgen 1970 betrachtet ein Gl eine Frau als Freiwild, die um 5.30 Uhr auf ihrem Weg zur Arbeit ist. An den Krankenhaustreppen an der Jakob-HenleStraße zerrt er sie brutal zu Boden und ver­ sucht, ihr die Kleider vom Leib zu reißen. Ihre heftige Gegenwehr und sich nähernde An­ wohner verhindern Schlimmeres. Ein vorbei­ kommender Zeitungsausträger verfolgt den Täter und ermöglicht seine Verhaftung. In der Kaiserstraße will sich im Mai 1970 ein Gl so­ gar an einem vierjährigen Mädchen vergehen, wird aber vom Vater gestört, der den Täter aus dem Jeep zerren will. Der Unhold gibt Gas, schleift den Vater, der glücklicherweise nur leicht verletzt wird, einige Meter mit und entkommt unerkannt. An einem Oktobersonntag 1971 geht eine 24jährige Frau in der Vacher Straße spazie­ ren. Vor dem Tor der Kaserne bedrängt sie ein farbiger Soldat, wirft sie die Böschung hinunter und versucht, ihr die Kleider vom Leib zu reißen. Sie wehrt sich heftig und schreit um Hilfe. Als Spaziergänger auftau­ chen, flüchtet der Soldat in die Kaserne. Die Frau hat sich trotz des Schreckens den Na­ men des Mannes auf der Uniform gemerkt, so daß er verhaftet werden kann. Am 21. September 1972 vergewaltigt und erwürgt ein Soldat eine 19jährige Amerika­

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nerin in der Mühltalstraße. Der Täter wird bald darauf gefaßt und ein halbes Jahr spä­ ter von einem amerikanischen Militärgericht zu lebenslanger Zwangsarbeit verurteilt. Die mangelnde Disziplin der Soldaten macht sich nicht nur bei Gewalttätigkeiten gegenüber Zivilisten bemerkbar, sondern auch im militärischen Alltagsbetrieb. Ein gi­ gantischer Waffendiebstahl erregt am 18. Ja­ nuar 1970 großes Aufsehen. Aus der Waffen­ kammer des 1. Transportbataillons in der Darby-Kaserne verschwinden sieben Granat­ werfer, acht Maschinengewehre, 27 Schnell­ feuergewehre und etliche Pistolen und Bajo­ nette spurlos. Als Täter werden Ausländer vermutet, ein hoher deutscher Polizeibeamter konstatiert: „Wer weiß, wo das gestohlene Material ist, auf keinen Fall wird es sich mehr in unserem Raum befinden." Zwei Tage spä­ ter werden der US-Waffenwart (!), ein weiterer Soldat und zwei deutsche 19jährige Beat­ musiker als Täter verhaftet. Durch ihr Wissen über die Örtlichkeiten und den Schlüssel des Waffenwartes ist es ein Kinderspiel gewesen, das Arsenal in einen Lieferwagen zu verladen und abzutransportieren. Die Waffen werden von der Polizei in Nürnber sichergestellt, bevor sie, wie geplant, in die Türkei geschafft werden können. Die Amerikaner werden vom Fürther Militärgericht zu je drei Jahren Ge­ fängnis und Entlassung aus der Armee verur­ teilt. Vier Monate später fällt ein völlig unbe­ kleideter Gl aus dem dritten oder vierten Stock des Kasernengebäudes an der Flößau­ straße auf den Gehsteig. Wenig später erliegt er seinen Verletzungen, die Ursache des Stur­ zes - Unfall oder Selbstmord - bleibt unbe­ kannt. Ein gutes Jahr nach dem Waffendieb­ stahl, im April 1971, werden aus der Feld­ poststelle am Südende der Johnson-Kaserne drei Postsäcke, vermutlich mit Geheimdoku­ menten, und rund 7.000 Dollar gestohlen. Wie beim Waffendiebstahl werden die Täter aus Insiderkreisen vermutet.

Taxifahrer, eine bequeme Geldquelle

Der schlechter werdende Dollarkurs verlei­ tet etliche Soldaten dazu, umsonst Taxi fah­ ren zu wollen. In den meisten Fällen suchen die Soldaten einfach das Weite, ohne zu bezahlen. Aus diesem Grund gehen die Taxi­ chauffeure dazu über, ihre Fahrgäste bereits etwa hundert Meter von den Kasernentoren entfernt auszuladen. Andererseits ist sogar ein Fall bekannt, wo ein Offizier am Kaser­

nentor dem geprellten Fahrer den Fahrpreis aus seiner Tasche bezahlt hat. Manchmal haben es die Soldaten auch noch auf die Geldbörse des Fahrers abgesehen, vor allem, wenn Geld für Drogen gebraucht wird. Außerdem kühlen frustrierte oder betrunkene Soldaten gerne ihr Mütchen an den Taxichauffeuren und ihren Autos. Die bedau­ ernswerten Chauffeure werden geschlagen, getreten oder gewürgt. In Fürth werden in dieser Zeit pro Jahr etwa zwölf Taxifahrer überfallen. Da sich die Überfälle bundesweit häufen, schreibt die Regierung Trennscheiben in den Autos vor. Auch in die etwa 60 Fürther Taxis werden ab dem 1. Juli 1968 die rund 1.000 Mark teue­ ren Panzerglasscheiben eingebaut. Die Fahrer bezweifeln aber deren Schutzfunktion, und die Behörden genehmigen ihnen trotz der Scheiben zusätzlich noch Waffenscheine. Wegen der Beförderungspflicht können die Taxichauffeure keine amerikanischen Solda­ ten als Fahrgäste ablehnen, außerdem han­ delt es sich ja dabei um die treueste und zahlungskräftigste Kundschaft. Der Mord an einem Taxifahrer im September 1971 bildet den traurigen Höhepunkt der Überfälle. Beginnen wir mit einer der vielen Ausein­ andersetzungen, die glimpflich ablaufen: „Mit einer Spielzeugpistole wurde am Neujahrs­ abend [1967] ein Fürther Taxifahrer (24) von einem US-Soldaten bedroht. Obwohl sie vor­ her mit dem Fahrer über den Preis einig waren, kam es gegen 22 Uhr doch noch dar­ über in der Flößaustraße zu einer Auseinan­ dersetzung. Während der Fahrt schlug ur­ plötzlich einer der Soldaten blindlings auf den Fahrer ein und versuchte ihm an das Lenk­ rad zu greifen, um ihn beim Fahren zu stö­ ren. Als der Droschkenfahrer stoppte, be­ merkte er, daß der andere Gl, der inzwischen ausgestiegen war, eine Pistole in der Hand hielt. Sich bedroht fühlend, feuerte der Taxi­ fahrer daraufhin drei Schüsse aus einer mit­ geführten Gaspistole ab und forderte geistes­ gegenwärtig über Sprechfunk Hilfe an. Später erst stellte sich heraus, daß der Soldat mit einer Spielzeugpistole geblufft und gedroht hatte. Die beiden amerikanischen Soldaten wurden mit Augenverletzungen in das USHospital in Nürnberg eingeliefert. Kurz zuvor zahlten sie nun plötzlich bereitwillig dem Taxifahrer die Summe und betrachteten die Angelegenheit für sie als erledigt." Zwei Monate später benutzen drei Farbige eine Bierflasche als Waffe gegen einen Taxi­ fahrer, geben aber Fersengeld, als sich der Überfallene heftig wehrt. Manchmal arten die

Auseinandersetzungen zwischen Soldaten und Taxifahrern in einen regelrechten Krieg aus. Als sich im November 1967 ein Taxifah­ rer weigert, fünf betrunkene Soldaten zu befördern, beschädigen sie aus Wut seine Autotür und lassen sich von einem anderen Soldaten in dessen Auto wegfahren. Einige Taxis verfolgen das Auto mit den Randalie­ rern und versperren ihm in der Pfisterstraße den Weg. Dann widersprechen sich die Aus­ sagen der erzürnten Taxifahrer und der Sol­ daten, jedenfalls gehen beim Ami-Auto die Windschutzscheibe und ein Scheinwerfer zu Bruch....... Jetzt muß die Polizei und notfalls auch das Gericht klären, was in dieser Nacht tatsächlich passiert ist." Ein Vorfall aus Nürnberg soll an dieser Stelle geschildert werden, weil er das ganze Ausmaß der Konfrontation zwischen Taxifah­ rern und amerikanischen Soldaten aufzeigt. Am 4. Dezember 1967 weigert sich eine weiße Amerikanerin in der Breiten Gasse, zusam­ men mit einem Farbigen im Taxi nach Hause gefahren zu werden. Der solchermaßen belei­ digte Farbige schlägt daraufhin wie wild auf den unschuldigen Taxifahrer ein, der noch einen Notruf absetzen kann. Bald darauf entwickelt sich eine wüste Schlägerei zwi­ schen Taxifahrern, Soldaten und Wirtshaus­ besuchern, bei der mit Messern und Schlag­ ringen „gearbeitet" wird. Erst mit einem Schäferhund gelingt es der Polizei, die Streit­ hähne zu trennen. Zwei Taxifahrer und zehn Soldaten sind verletzt, acht Soldaten werden der Militärpolizei übergeben. Im April 1971 ereignet sich der folgende Zwischenfall: Am Bahnhofsplatz haben zwei Soldaten ganz ordnungsgemäß ihre Taxifahrt bezahlt, finden aber das Taxi so gemütlich, daß sie es nicht verlassen wollen. Als sie auch noch gegen den Chauffeur tätlich wer­ den, der sie zum Aussteigen aufgefordert hat, flüchtet dieser aus dem Fahrzeug, um Hilfe zu holen. Daraufhin verlassen die „Hocker" ebenfalls das Gefährt, das sich auf der leicht abschüssigen Straße ohne Insassen in Bewe­ gung setzt. Die Soldaten werden von der Poli­ zei gefaßt, das flüchtende Taxi von einer Hausmauer. Einen Monat später bezahlt ein farbiger US-Soldat beim Autohaus Pillenstein an der Stadtgrenze einen Taxifahrer mit Schlägen, bis dieser k.o. geht. Der Täter wird hinter einer Gartenhecke, wo er sich ver­ steckt hat, entdeckt und verhaftet. Trauriger Höhepunkt der Übergriffe ist die Ermordung eines Fürther Taxifahrers in der Nacht zum 22. September 1971. Der Tote wird in seinem Fahrzeug gefunden, das mit 119

brennenden Scheinwerfern und zerschosse­ ner Windschutzscheibe an der Stadelner Pan­ zerstraße steht. Mehrere Schüsse aus einem großkalibrigen Revolver sind auf ihn abgege­ ben worden und haben ihn tödlich verletzt. Taxifahrer, Stadtpolizei und Landpolizei damals liegt Stadeln noch im Landkreis machen sich auf die Suche nach dem oder den Tätern. Die aufgebrachten Taxichauffeure blockieren das Kasementor der MonteithKaserne und verlangen eine Untersuchung aller farbigen Soldaten. Sie können jedoch von ihrem Vorhaben abgebracht werden. Der Polizei und der MP gelingt es, die beiden letz­ ten Fahrgäste des Ermordeten, zwei farbige Soldaten, aufgrund von Zeugenaussagen zu identifizieren und in der Monteith-Kaserne und in Hohenfels zu verhaften. Sogar die Tatwaffe, ein Western-Colt, wird in einem Versteck in der Kaserne entdeckt. Ein gutes Jahr später werden die beiden 19 und 20 Jahre alten Mörder von der Jugendkammer des Landgerichts Fürth zu je zehn Jahren Jugendstrafe, der Höchststrafe, verurteilt. Noch heute erinnert ein Kreuz am Tatort an das Ereignis. Die Fürther Bevölkerung ist durch den Mord geschockt, nicht jedoch die amerikani­ schen Soldaten. Zwei Tage nach der Tat ent­ wendet ein Gl in der Hornschuchpromenade ein Taxi, nachdem ein Komplize den Fahrer herausgelockt hat. Und wieder sieben Tage später versuchen drei Amerikaner in Nürn­ berg, einen Taxifahrer mit Waffengewalt zu berauben. Die alarmierten Kollegen riegeln mit etwa 120 Fahrzeugen die Merrell-Kaseme ab und machen regelrecht Jagd auf die Täter. Einer von ihnen wird unter einem Auto ent­ deckt, hervorgezogen und beinahe gelyncht. Schließlich nimmt ihn ein besonnener Taxi­ fahrer in sein Auto und übergibt ihn der MP, die auch die beiden anderen Täter faßt. Die Überfälle gehen eine Zeitlang deutlich zurück, was wohl doch auf die Schockwir­ kung des Mordfalls zurückzuführen ist. Au­ ßerdem setzen sich Taxiuntemehmer und amerikanische Offiziere an einen Tisch, um geeignete Maßnahmen zu beraten. Oft ent­ zündet sich der Streit zwischen den Parteien an den unterschiedlichen Taxigewohnheiten in Deutschland und den USA. Die Militärs versprechen, ihre Soldaten auf die deutschen Gepflogenheiten hinzuweisen. Erst ein halbes Jahr später, Anfang 1972, versuchen zwei Soldaten, wieder aus der Monteith-Kaserne, in der Vacher Straße einen Taxifahrer zu berauben. Der bereits halb bewußtlos gewürgte Fahrer kann jedoch noch 120

die Alarmanlage auslösen. Die Täter suchen das Weite, werden aber von der Polizei, mit Unterstützung weiterer Taxifahrer, bald er­ wischt. Im September 1972 schlitzen vier Sol­ daten auf dem Weg zur Johnson-Kaserne die Sitzbank des Taxis auf. Der Taxifahrer läßt am Kasernentor die Personalien der Übeltäter feststellen. In diesem Augenblick kommen mehrere Soldaten aus einer gegenüberliegen­ den Gaststätte und schlagen den schon Ge­ schädigten so stark zusammen, daß er ins Krankenhaus gebracht werden muß. In den Jahren 1973 bis 1975 finden wei­ tere Taxiüberfälle statt, wobei die Verletzun­ gen bis auf einen Fall in Zirndorf glücklicher­ weise nicht lebensgefährlich sind. Schnelle Panzer und enge Unterführungen Die Verkehrsmeldungen, die die Amerika­ ner betreffen, gleichen zwischen 1967 und 1975 denen aus den Jahren zuvor, garniert mit einigen besonders spektakulären Vorfäl­ len. Immer noch bleiben Lastwagen in Unter­ führungen hängen oder legen in engen Kur­ ven breite ölspuren. Außerdem werden sich die Südstadtbewohner noch etliche Jahre mit den Emissionen der nahen Kasernen plagen müssen, dagegen nimmt die Zahl der Panzer­ durchfahrten durch die Fürther Innenstadt deutlich ab, sehr zur Erleichterung der Bevölkerung. Im Jahr 1968 wird endlich das Zwischenstück der Fronmüllerstraße zwi­ schen Magazin- und Sonnenstraße für den Verkehr freigegeben. Jahrelang mußte die Stadt um das für die Amerikaner so wichtige Verbindungsstück zwischen Wohnsiedlung und PX streiten, das ein privater Eigentümer nicht hergeben wollte. Die Fürther Innenstadt übt ihre besonde­ ren Reize auf die Amerikaner aus, wie die „Fürther Nachrichten" am 14. Dezember 1967 unter der Überschrift „Ein Neger kauft ein" schildern: „Helle Aufregung in der Schwabacher Straße: Schlangen von wartenden Fahrzeu­ gen, ungeduldig bimmelnde Straßenbahn­ führer in ihren ,auf der Stelle tretenden’ Bandwurmbeförderungsmitteln, friedliche Passanten, die sich beim Anblick des Tatbe­ standes in racheschnaubende Bürger ver­ wandeln. Was war da gestern nachmittag ge­ schehen? Eigentlich nichts. Ein Amerikaner hatte bloß eingekauft. Und dabei den ganzen In­ nenstadtverkehr lahmgelegt, Polizei in Bewe­ gung gesetzt und sich den Zorn einer nicht unerheblichen Volksmenge zugezogen.

Natürlich war nicht allein der Einkauf daran schuld. Aber nun einmal in der richti­ gen Reihenfolge: Fährt da dieser Mensch in seinem altersklapprigen Mercedes die Schwa­ bacher Straße entlang. Der Mensch heißt Jim oder Jack oder vielleicht auch Martin Luther, besitzt eine nahezu schwarze Hautfarbe und die Staatsbürgerschaft der USA. Bei der Schwabacher Straße 5 fällt ihm etwas ein. Er bremst also, steigt aus seinem Auto aus und geht von dannen. Es dauert keine fünf Sekunden, da hüpft ein aufgeregter Straßenbahner auf seiner Klingel herum: ,Ja gibts denn dös a! Dou is ja gor kaaner drin!' ruft er aus, als er den auf den Schienen geparkten Wagen sieht. Binnen kürzester Frist füllt sich die Schwabacher Straße mit drei, vier Straßenbahnen, mit auspuffgasespeienden Vehikeln. Bei den Fah­ rern steigt der Blutdruck. Der Vorfall wirkt sich auch auf die Nebenstraßen aus. Alles schimpft ... Alles ruft aber auch nach der Polizei. Es vergeht einige Zeit, da kommen zwei Beamte hechelnd und mit wehenden Rockschößen angerannt. Ihr Streifenwagen steht wie jedes normale Bürgerauto eingeklemmt irgendwo in der Schlange: ein Polizist zu Fuß ist da immer noch ein schneller Polizist. Inzwischen aber haben Straßenbahner sich an den altersschwachen Wagen gewagt und ihn auf den Gehsteig praktiziert. ,Fahrn mern in die Schirmstraß’ beschließen als­ dann die Hüter des Gesetzes. Ein Griff zur Türe und der Türgriff bleibt in der erschrokkenen Behördenhand. Durch eine andere Öffnung kriecht das Auge des Gesetzes in den Wagen, läßt den Motor an. Die Wirkung ist ungeheuer: entsetzt flüch­ ten die Zuschauer, einer soll sogar volle Dekkung genommen haben: dem Kraftfahrzeug fehlt der Auspuff. Die Motorenexplosionen hallen wie Donner durch die ,City'. Mit Vor­ sicht und viel Krach biegt der ganze Stolz eines Negers um die Ecke - ist weg von der Hauptstraße. Die Beamten warten. Der Amerikaner kommt nicht. Sie warten weiter. Der Ameri­ kaner ist immer noch nicht da. Einem wird die Wartezeit zu dumm: er geht zurück zum .Tatort'. Dort steht ein aufgeregter Neger, der die schrecklichsten Visionen hat. Er beklagt laut das Geschick seines Luxuswagens, den er in bösen Diebeshänden wähnt. Er hat überhaupt nicht geahnt, was er mit seiner naiven Parkerei angerichtet hat. Mit fünf Mark für eine gebührenpflichtige Verwarnung

ist er dabei; jetzt wird er nicht gleich wieder parken wo's ihm gefällt! Vermutete ein Polizist: .Der werd ausm Urwald kumma, dou kennas ka Straßaboh... " Die großen Armeefahrzeuge stecken immer wieder in den niedrigen Fürther Unterfüh­ rungen fest. Wenn es sich dabei um die Schwabacher Unterführung handelt, wie am 20. Februar 1968, bleibt auch meistens die Oberleitung der Straßenbahn auf der Strekke. Ein Sattelschlepper mit aufgeladenem Schützenpanzer ist halt höher als die - auf Schildern zusätzlich auch in „feet" angezeig­ ten - 3,6 Meter. Diesmal gelingt es, durch „platt machen’1 der Reifen, das Ungetüm wie­ der aus dem Nadelöhr zu bugsieren. Derselbe Kolumnist Helmut Kriegei, der den Artikel über den einkaufenden Neger verfaßt hat, schreibt am 20. Februar 1969: „Hoffnungslos verfahren hatten sich gestern mittag die Lenker zweier amerikanischer Sat­ telschlepper, die gewaltige Mannschafts­ panzer auf dem Rücken trugen. Die Unge­ tüme versperrten geraume Zeit die Cadolz­ burger Straße und auch die Straße am Scherbsgraben, weil sie weder durch den einen noch durch den anderen Bahndurchlaß paßten. Die weißen und schwarzen Fahrer erlebten die Überraschung ihres Armeedaseins, als sie auf der Cadolzburger Straße plötzlich den für sie winzigen Bahndurchlaß nach Unterfürberg vor sich sahen [die Unterführung Bres­ lauer Straße gab es damals noch nicht, Anm. d. Verf.]. Der Vorausjeep paßte unschwer durch, doch kam er gleich eilends zurückge­ braust. .Ganze Abteilung kehrt' dachten sich die weißen und schwarzen Steuerradmänner, quälten sich mit Geschick und Getöse zurück bis zur Berlinstraße und fuhren hinunter zum Scherbsgraben. Alle bogen links [muß wohl „rechts" heißen, Anm. d. Verf.] ein und traten entsetzt auf die Bremsen. Dieser Durchlaß war genauso klein! Die wartenden Autos der Zivilisten, die mühelos zwar durch die Unterführung paß­ ten, aber die bulligen Armeefahrzeuge aus Übersee nicht passieren konnten, stauten sich zu Schlangen, während die Fahrer im Kaugummislang berieten. Einer wendete auf engstem Raum, der andere schaffte es nicht so gut und der Jeep als Pfadfinder fuhr, be­ gleitet vom Schmunzeln der wartenden Auto­ fahrer, das winzige Sträßchen ,In der Berten' hoch, um einen Bahnüberweg zu finden. Da fand er aber nur Sackgassen. Weitere USDebatten auf der Straße und dann brummten die dicken Brummer stadteinwärts. Sie wer-

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Der US-Sattelschlepper beim Wendeversuch vor der Unterführung Cadolzburger Straße am 19. Februar 1969.

den es wohl noch geschafft haben, nach Zirn­ dorf zu kommen, ohne den Fürther Verkehr gänzlich lahmzulegen. Sollte einer von ihnen deutsch lesen könne, so möchten die ,FN' ihm empfehlen, sich das nächste Mal nicht von einem Jeep, sondern von einem Fürther Polizeivolkswagen Pfadsuchen zu lassen. Dann geht es bestimmt ohne Störungen ab." Am 10. April 1974 bleiben zwei zu hohe US-Sattelschlepper fast gleichzeitig in den Bahnunterführungen Schwabacher Straße und Vacher Straße hängen. Mit der engen Fürther Altstadt haben die amerikanischen Chauffeure so ihre Probleme. „Truck fiel mit der Tür ins Haus" heißt es am 5. August 1970. Was ist passiert? Am Heili­ genberg kippt ein mit leeren Druckkesseln beladener US-Sattelschlepper in der Rechts­ kurve auf die Seite. Die Hauswand wird von der Ladung eingedrückt, die Feuerwehr muß vor der Bergung des Lkw das Gebäude erst abstützen. Pikanterweise ist das sowieso zum Abbruch vorgesehene Haus erst zwei Tage vorher in städtischem Besitz übergegangen. Der Heiligenberg muß mehrere Tage für den Verkehr gesperrt werden. Fast ein Jahr danach kippt wieder ein schwerbeladener USSattelschlepper um, diesmal in der Denglerstraße. Dabei wird nur ein Gartenzaun beschädigt.

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Das zunehmende Rowdytum amerikani­ scher Soldaten macht auch vor dem Verkehr nicht Halt. Im Oktober 1972 .... streifte in der Königswarterstraße ein amerikanisches Fahr­ zeug ein anderes Auto und fuhr weiter. Als der Geschädigte hinterherfuhr, kam es zu einer wilden Verfolgungsjagd über Gehsteige und durch Rotlichtampeln. Schließlich wurde aus dem amerikanischen Wagen eine Bierfla­ sche nach dem Verfolger geworfen. Die Ame­ rikaner konnten zwar entkommen, doch wurde das Kennzeichen ihres Fahrzeugs abgelesen." Eine filmreife Szene bietet sich einem Beobachter in der Nacht zum Pfingst­ sonntag 1973 am Bahnübergang Ottostraße. Zwei betrunkene Soldaten durchbrechen trotz eines herannahenden Zuges die geschlossene Schranke und setzen mit ihrem stark beschädigten Pkw die Fahrt fort. Einer Poli­ zeistreife fällt das seltsame Gefährt auf, doch die Amerikaner geben Gas. Erst in Nürnberg gelingt es den Verfolgern, den Straßenkreuzer aus dem Verkehr zu ziehen. Die nächste große „Störung" auf dem Ver­ kehrssektor passiert am 15. August 1973. Ein vermutlich angetrunkener 19jähriger USGefreiter schnappt sich in der JohnsonKaserne einen Schützenpanzer und fährt durch den Rednitzgrund bis zur Fuchsstraße. Dort kurvt er zur Schwabacher Straße und rast mit bis zu 70 km/h durch die gesamte Innenstadt zur Billinganlage. Es geht die Vacher Straße entlang bis in die Monteith-

Kaserne, wo er eine Ehrenrunde dreht und ein MP-Auto rammt. Unterwegs hat er etliche Autos beschädigt und einige Häuserecken geglättet. Rote Ampeln und die Haltezeichen der Polizei hat der Fahrer ignoriert. Als die Polizei mit ihren Pistolen das Feuer auf ihn eröffnet hat, ist er, das V-Zeichen machend, im Panzerinnern verschwunden. In der Monteith-Kaserne ist die Fahrt nicht zu Ende. Der Soldat rast mit dem Panzer wei­ ter zur Müllzerkleinerungsanlage an der äußeren Vacher Straße, von dort aus durch Atzenhof und einen Feldweg zur alten Rake­ tenstellung hinauf. Dort schlägt er sich bei einem der wilden Manöver vier Vorderzähne an den Armaturen des Panzers aus und gibt schließlich, mit seinem Gefährt in einem Rübenfeld stehend, auf. Der wilde Fahrer wird später vom amerikanischen Militärge­ richt zu vierzehn Monaten Haft und Entlas­ sung aus der Armee verurteilt. Ohne Fahrerlaubnis und -praxis versucht am 9. September 1974 ein Soldat aus der Johnson-Kaserne einen Schützenpanzer zu seiner übenden Einheit zu bringen. An der Waldstraße kann man ihn endlich aus sei­ nem Übungsgerät ziehen. Seine Fahrstrecke

säumen drei Verletzte und neun beschädigte Personenwagen. Demolierte Leitplanken, geknickte Ver­ kehrsampeln, abrasierte Leitpfosten, schräge Lichtmasten und ein umgesäbelter Baum sind die Bilanz, die einen Monat später ein unter Rauschgifteinfluß stehender amerika­ nischer Lkw-Fahrer auf seiner Route zwi­ schen Nürnberger Stadtgrenze und Burg­ farrnbach hinterläßt. Diese Verkehrsrowdies prägen das schlechte Image der amerikanischen Auto­ fahrer bei Polizei und Bevölkerung. Die Aus­ wirkungen merken die Soldaten bei Unfällen oder Pannen, wenn sie Spott oder eine Vor­ verurteilung zu spüren bekommen. Und es dauert lange, bis dieses Bild durch die späte­ ren Soldatengenerationen, die sich im Ver­ kehr einwandfrei verhalten, wieder korrigiert wird. Denn noch 1995 (!) werden die Soldaten darauf hingewiesen, daß die „old war stories", also die alten „Kriegsgeschichten", wonach die deutsche Polizei immer den Amerikaner als den Schuldigen bei einem Verkehrsunfall ansieht, nach Beobachtungen der Militärpoli­ zei völlig falsch seien.

Der mit Druckkesseln beladene Sattelzug ist am 4. August 1970 am Heiligenberg umgekippt.

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Der Schützenpanzer des Amokfahrers steht in einem Rübenfeld hinter Atzenhof (15. August 1973).

Gegenmaßnahmen Die gedrängte Darstellung der geschilder­ ten Vorfälle ruft vielleicht den Eindruck her­ vor, Fürth sei von unzivilisierten Horden amerikanischer Soldaten bedroht worden. Das trifft aber nicht zu, die meisten Soldaten sind und bleiben friedlich. Die sich mehren­ den Zwischenfälle beunruhigen die Fürther zwar etwas und liefern ihnen Gesprächsstoff, aber sie rufen keine Hysterie hervor. Das amerikanische Ansehen erleidet jedoch gro­ ßen Schaden. Die Soldaten werden als Reprä­ sentanten ihres Vaterlandes gesehen und die Achtung vor dem verbündeten Amerika und der Respekt gegenüber der US-Armee lassen deutlich nach. Das Mißtrauen in der Öffent­ lichkeit gegenüber den uniformierten Solda­ ten ist gewachsen. In den kommenden schlechten Dollarzeiten, wenn die Soldaten vermehrt die öffentlichen Verkehrsmittel benutzten müssen, stehen viele von ihnen am Straßenrand, beispielsweise an der Billinganlage, und wollen per Anhalter in die Kaserne mitgenommen werden (die damalige Buslinie 71 ist noch nicht bis nach Vach verlängert).

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Früher hat sich des öfteren auch einmal ein deutscher Autofahrer erbarmt und die war­ tenden Soldaten mitgenommen. Aber auf­ grund der Übergriffe trauen die Fürther Auto­ fahrer dem Frieden nicht mehr so recht und die Gis müssen sich gedulden, bis einer ihrer Kameraden vorbeikommt und sie einsteigen läßt. Erfreulicherweise wird durch die heftige Gegenwehr der Opfer und das tatkräftige Ein­ schreiten von Passanten oft Schlimmeres verhindert. Das deutet auch darauf hin, daß die kriminelle Energie der Täter nicht sehr groß ist, viele Übergriffe erfolgen spontan. Außerdem faßt die schnelle und tüchtige Fürther Stadtpolizei viele Täter. Trotzdem müssen sich die Verantwortlichen geeignete Maßnahmen zur Eindämmung der Übergriffe einfallen lassen. Im Mai 1970 ergreift der Fürther Land­ tagsabgeordnete Horst Haase die Initiative und schreibt einen Beschwerdebrief an den amerikanischen Kommandeur, Oberst Grant E. Jones, wobei er durchaus zwischen der Mehrzahl der anständige Soldaten und der randalierenden Minderheit differenziert.

Oberbürgermeister Scherzer schließt sich mit einem weiteren Brief an den Komman­ deur an. Die Amerikaner sind aufgeschreckt (sind ihnen die Tatsachen vorher nicht be­ kannt gewesen?) und versichern bei einem Treffen mit Scherzer, daß sie entsprechende Maßnahmen einleiten werden. Die MP-Streifen werden verstärkt und stimmen ihre Rundgänge mit der Fürther Polizei ab. Die Landpolizei eröffnet Anfang Juli 1972 eine eigene Dienststelle in der Darby-Kaserne, besetzt mit zwei Beamten. Außerdem dürfen die deutschen Polizisten ab sofort bei der Verfolgung von flüchtenden Soldaten die Kasernen betreten und müssen nicht mehr am Tor warten, bis sich die MP in Bewegung setzt. Nach Nennung eines vorher verein­ barten Kennwortes dürfen sie sofort auf dem Kasernengelände tätig werden. Die amerikanische Armee verschärft die disziplinarischen Maßnahmen, permanente Querulanten unter den Soldaten werden „ausgetauscht", d.h. in die Vereinigten Staa­ ten zurückgeschickt. Nicht bekannt, aber denkbar ist, daß auch Drohungen über eine mögliche Versetzung von Unruhestiftern nach Vietnam ausgesprochen worden sind. Jeden­ falls gehen im Sommer 1970 die Übergriffe der Soldaten in Fürth deutlich zurück. Doch das Ganze ähnelt mehr dem Wettlauf zwi­ schen Hase und Igel. Als nämlich wegen der abnehmenden Zahl der Zwischenfälle die Intensität der Polizeistreifen nachläßt, steigt die Zahl der Übergriffe prompt wieder an. Erst Mitte der siebziger Jahre ist eine dauerhafte Beruhigung der Lage festzustel­ len. Rauschgiftdelikte und Raubüberfälle auf Passanten und Taxifahrer tauchen seltener in den Schlagzeilen auf. Die Randalierer der ver­ gangenen Jahre haben sich aus Wehrpflichti­ gen rekrutiert, denen jedes Mittel recht war, aus der Armee und damit einer drohenden Versetzung nach Vietnam, zu entkommen. Ebenso ist denjenigen, die bereits in Vietnam gewesen sind, nach ihrer Versetzung nach Deutschland die Unterscheidung zwischen einem Land im Kriegszustand und einem Verbündeten schwergefallen, auch die Rolle eines Gastes will gelernt sein. Die jetzt ab Mitte der siebziger Jahre nachkommenden Rekruten der amerikanischen Armee dienen in einer Freiwilligenarmee, halten sich länger an einem Stationierungsstandort auf und betrachten ihre Arbeit als Beruf. Zudem wer­ den sie bei ihrer Ankunft in Deutschland bes­ ser mit den hiesigen Gegebenheiten vertraut gemacht. Deutschkurse werden angeboten und den Neuankömmlingen werden Informa­

tionen über die Gepflogenheiten des Gastlan­ des vermittelt. Die Fürther Stadtverwaltung bemüht sich ebenfalls, die Soldaten mit ihrem Stationie­ rungsort vertraut zu machen und Berüh­ rungsängste abzubauen. Gruppenweise lädt sie die Amerikaner ins Rathaus ein, in Stadt­ rundgängen und -fahrten bringt ihnen vor allem Bürgermeister Heinrich Stranka die Geschichte und die Besonderheiten Fürths näher. Stranka, der außerdem Vorsitzender des Deutsch-Amerikanischen Männerclubs ist, spricht ausgezeichnet Englisch und setzt sich sehr engagiert für gute Beziehungen zu den Amerikanern ein.

Amerikaner helfen Wie bereits erwähnt, bleibt der größte Teil der amerikanischen Soldaten friedlich. Immer wieder helfen sie in Notfällen, oft mit größe­ rem Engagement als die anderen Passanten. Ein Bericht vom 28. Juni 1967 meldet: „Beim Spielen auf dem Exerzierplatz Hainberg wurde ein fünfjähriger Junge aus Gebersdorf durch Glasscherben schwer am Arm lädiert. Mit verletzter Schlagader drohte das Kind zu verbluten. Amerikanische Soldaten, die den Vorfall beobachteten, leisteten rasche und wertvolle Hilfe. Sie banden den verletzten Arm ab und brachten den Jungen ins US-Hospital. Dort wurde das Kind nach dieser freund­ lichen, menschlichen Hilfeleistung sofort ärztlich versorgt ..." Im November 1967 hilft ein Soldat einem Rentner, der in der Herrnstraße gestürzt war und sich am Kopf verletzt hat. „Mit drei Omnibussen stürmten gestern früh fast hundert Schüler der amerikani­ schen Schule das Altersheim an der Würz­ burger Straße, um den alten Leuten dort eine Weihnachtsfreude zu bereiten. Barbara Peter­ son, die .Klassenmutti' hatte die Idee gehabt, daß sich heuer die Kinder nicht selbst beschenken sollten, sondern den Fürther Altersheiminsassen eine Freude machen müßten. Die Idee fand solch begeisterte Auf­ nahme, daß sich bald die ganze Schule an den Vorbereitungen beteiligte, und als es an die Bescherung ging, wollten natürlich alle mit. ...Die Oberschwester machte große Augen, als die vielen kleinen Buben und Mädchen, viele von ihnen in der Pfadfinder­ uniform, mit ihrem geschmückten Christ­ baum und vielen kleinen Geschenkpaketen anrückten und auch einige fröhliche Weih­ nachtslieder sangen." (15. Dezember 1967). Zwei Jahre später sind es die Mitarbeiter vom 125

EES, die zur Faschingszeit das Altenheim zusammen mit dem Prinzenpaar besuchen und Geschenke mitbringen. Spontaneität und Begeisterungsfähigkeit zeichnen die Amerika­ ner aus. Die Hilfsbereitschaft entwickelt sich von selbst, aus der Initiative Einzelner heraus und bedarf keiner staatlich gelenkten Organi­ sation. Ein amerikanischer Sanitätssoldat macht am 2. Januar 1968 einen Horrortrip durch, der plastisch das zu dieser Zeit herrschende Verhältnis zwischen Amerikanern und Deut­ schen beleuchtet. Er sieht im Fürther Haupt­ bahnhof vom Zug aus eine Frau zwischen die Gleise stürzen und liegenbleiben. Er läuft zum Schaffner, doch der versteht nur „Bahn­ hof. In Nürnberg verständigt der aufgeregte Soldat eine Streife der Bahnpolizei, doch die versteht nur „Koffer" und läßt am Fürther Bahnhof nach einem Koffer suchen. Bei der Suchaktion wird die immer noch bewußtlos zwischen den Schienen liegende Frau gefun­ den, glücklicherweise hat noch kein Zug die Stelle passiert. Der Soldat, der gemerkt hat, daß er mißverstanden worden ist, ruht nicht und fährt inzwischen im Taxi zum Fürther Bahnhof zurück. Er beginnt ebenfalls mit der Suche nach der mittlerweile geborgenen Frau. Das wiederum fällt den jetzt dort fleißig tätigen Beamten auf, denen das lebhafte Interesse des Soldaten verdächtig vorkommt. Sie nehmen ihn mit zur Wache und lassen ihn durch die Militärpolizei verhören. Schließ­ lich klärt sich alles auf und der MP-Kommandeur erhält von der Fürther Polizei ein Dankschreiben für das vorbildliche Verhalten des Soldaten. Als im März 1968 ein Radfahrer in der Theresienstraße von einem Pkw angefahren wird, leistet ein amerikanischer Hauptmann als einziger der vielen Unfallzeugen Erste Hilfe. Anfang April 1972 zieht ein Amerikaner einen achtjährigen Jungen, der bereits das Bewußtsein verloren hat, aus dem MainDonau-Kanal und rettet ihn vor dem Ertrin­ ken. Keinen rettenden Engel findet dagegen ein fünfjähriger US-Junge, der einige Monate später an der Trogbrücke vor den Augen sei­ ner entsetzten Spielkameraden in das trübe Kanalwasser springt und ertrinkt. Ein Jahr später, im Sommer 1973, fordert der Kanal ein weiteres Opfer unter den Amerikanern. Am Wendebecken am Hafen erkundigt sich ein Soldat bei Spaziergängern noch nach der Wassertiefe, springt hinein, taucht noch ein­ mal auf und bleibt dann verschwunden. Erst die Feuerwehr kann seine Leiche bergen. Vielleicht hat er die Meterangaben der Was­ 126

sertiefe (etwa 4 Meter) mit Fuß (etwa 1,2 Me­ ter) verwechselt. Zwei Jahre danach ertrinkt ein weiterer Soldat im Kanal in Höhe der Schwabacher Straße, als er zur Abkühlung hineinspringt.

Neben den Hilfeleistungen verbessern die Army-Bands bei den Fürthern das amerika­ nische Image. Beim Erntedankfestzug hört man ihre swingende Musik schon von weitem aus dem Trommeln und Pfeifen der deut­ schen Kapellen heraus und es fällt sofort auf, wenn sie bei einem Umzug einmal fehlen. „Stimmung aus Amerika kam in letzter Minute" heißt es 1969 bei einem Faschings­ ball in der MTV-Halle. Der FN-Berichterstatter schildert einen äußerst langweiligen Abend, doch dann: .... Kurz vor 23 Uhr durfte endlich die amerikanische Armeekapelle ein­ ziehen. Plötzlich war jene Stimmung im Haus, die unter die Haut geht. Wie die Militärmusi­ ker stehend freihändig drauflosjazzten, ist eine Schau. Ihrem obersten Chef, Oberst Frederic P. fteld, wurde speziell dafür gedankt." Bei einem Wohltätigkeitskonzert des „Deutsch-Amerikanischen Männerclubs" im Stadttheater zugunsten des Altersheim-Neu­ baus an der Würzburger Straße notiert der FN-Korrespondent am 13. Mai 1980: „Unbe­ strittener Star des Abends, das war nicht nur den begeisterten Beifallsspenden zu entneh­ men, war das Musikkorps der 1. US-Panzer­ division aus Ansbach. James McNeal, der Leiter des schwungvollen, mit viel Verve intonisierenden Orchesters, führte seine Blechbläser gekonnt und sicher durch alle Sparten der Musik, erwies sich bei klassi­ schen Stücken, wie auch bei den publi­ kumswirksamen Pflichtübungen aus dem Musicalbereich als hervorragender Arran­ geur." Unvergessen bleibt auch der Eindruck, als die Posaunisten auf einmal mitten unter den Zuschauern im ersten Rang des ehrwür­ digen Theaters auftauchen, von dort aus wei­ terspielen und sich dann wieder durchs Par­ kett auf die Bühne musizieren. Die schweren Baufahrzeuge des 16. Pio­ nierbataillons aus der Johnson-Kaserne, die von den Amerikanern kostenlos zur Verfü­ gung gestellt werden, sind in Fürth ebenfalls sehr gefragt. Als bei der Stadtverwaltung im März 1972 wieder einmal das Geld für Bau­ maßnahmen fehlt, springen die US-Pioniere ein. Nach der Vermittlung durch Stadtrat Konrad Dürschinger planieren sie das Gelände hinter der alten Leimsud am Scherbsgraben. Dadurch stehen den Badbe­ suchern für einige Jahre etwa 120 zusätzliche

Die Kapelle der 1. Panzerdivision marschiert durch Seukendorf.

Parkplätze zur Verfügung. Ein gutes Jahr später planieren die Pioniere den Bauplatz für das Altenheim der Arbeiterwohlfahrt in Burg­ farrnbach. Mit ihren Bergepanzern und geländegängi­ gen Lkw machen die Amerikaner festgefah­ rene Baumaschinen flott: „Wo alle Bergungs­ versuche fehlgeschlagen hatten, gelang es dem amerikanischen Stabsfeldwebel Patter­ son mit seinem Fünf-Tonnen-Giganten, den Bagger aus der Schlammumklammerung [am Heuweg] zu befreien. Auf die Frage nach den Kosten bekamen die Deutschen nur die Ant­ wort: .Nichts, wir helfen gerne' " (26. Oktober 1968). Ganz verzweifelt sind am 14. De­ zember 1970 die Bundesbahner am Bahn­ übergang in Dambach: Ein Güterzug war abends mit einem Bagger zusammengestoßen und letzterer muß, obwohl schwer beschä­ digt, unbedingt noch vor dem Berufsverkehr am nächsten Morgen von den Schienen. Weder die Lokomotive noch ein 20-TonnenKran schaffen es. Mitten in der Nacht erin­ nert man sich der Amerikaner, die sofort mit

einem Bergepanzer anrücken, und mit verein­ ten Kräften gelingt es, das Ungetüm von den Schienen des „Moggerla" zu ziehen. Bei vielen Müll-Sammelaktionen im Stadt­ wald und in den Flüssen unterstützen die Amerikaner die Helfer mit Lastwagen und legen auch selbst mit Hand an.

Brandstifter am Werk Wir haben bereits vorher vom manchmal sorglosen Umgang der Amerikaner mit dem Feuer gehört. Das setzt sich in den Jahren zwischen 1967 und 1975 fort, ergänzt durch einige vorsätzlich gelegte Brände. Am 21. Januar 1967 brennt eine Wohnung in der amerikanischen Wohnsiedlung voll­ ständig aus, bei den Löscharbeiten erleidet ein Feuerwehrmann Brandwunden. „Flammen schlugen aus einem Fenster im ersten Stock, eine Frau lief verzweifelt vor dem Haus hin und her und rief nach ihren Kindern. Diese schreckliche Szene spielte sich gestern nachmittag in der amerikani-

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sehen Wohnsiedlung, vor dem Haus GerhardHauptmann-Straße 100, ab. Doch Glück im Unglück: ein Zimmer brannte vollständig aus, doch keines der sieben Kinder, die in der Wohnung waren, nahm Schaden." Der ge­ schilderte Brand am 20. Februar 1969 hätte schlimm enden können. Im Juni desselben Jahres werden zwei Zimmerbrände mit ame­ rikanischer Beteiligung, aber ohne größeren Sachschaden, gemeldet. Benzin scheint so etwas wie ein Lieblings­ spielzeug der Amerikaner zu sein: „Der farbi­ ge US-Soldat wollte seinen Ölofen beheizen. Nur verwendete er dazu nicht das gebräuch­ liche Heizöl, sondern tankte den Herd aus einem Kanister mit Benzin auf. Beim Ent­ zünden loderte sogleich eine grelle Stich­ flamme auf, dann erfolgte die Explosion." Der Gl und seine Frau erleiden schwere Ver­ brennungen, ihr vier Wochen altes Kind er­ stickt im Qualm. Der tragische Vorfall er­ eignet sich am 4. Oktober 1970 im Hinter­ haus der Karlstraße 7. Glimpflicher geht der Brand im Dezember 1972 in der Gerhard-Hauptmann-Straße aus, die Feuerwehr kann den überhitzten Trans­ formator löschen, ohne daß die Hausbewoh­ ner zu Schaden kommen. Die Leute aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten schaf­ fen es zwei Jahre später sogar, ein WC in Brand zu setzen. Irgend jemand schüttet in der amerikanischen Schule an der John-F.Kennedy-Straße eine brennbare Flüssigkeit in eine Kloschüssel und ein anderer wirft eine noch glimmende Zigarettenkippe hinein. Die Feuerwehr löscht und beziffert den Schaden

des ausgebrannten WCs immerhin auf 4.000 Mark. Zwei Büroräume brennen im Juni 1975 im selben Gebäude aus und wenig spä­ ter muß die Feuerwehr einen Dachstuhlbrand in der Darby-Kaserne Ecke Wald- und Balbiererstraße löschen, der bei Schweißarbeiten ausgebrochen ist. In der Johnson-Kaserne könnte die Für­ ther Feuerwehr fast eine Zweigstelle einrich­ ten. Der umfangreiche Warenumschlag auf dem großen Areal mit den vielen Lagerhäu­ sern und die Nutzung der südöstlichen Ecke als Schrottplatz lassen immer wieder Brände entstehen. Im Februar 1967 brennt eine große Menge Verpackungsmaterial an einer Laderampe an der äußeren Schwabacher Straße und die Hitze läßt Fensterscheiben schmelzen. Die Löscharbeiten dauern etwa eine Stunde. Im Juni brennt es zweimal in der Johnson-Kaserne. Das erste Feuer am Küchengebäude löschen die Amerikaner selbst, als aber am 30. Juni 1967 eine große Rasenfläche in unmittelbarer Nähe eines gro­ ßen Munitionsdepots in Brand gerät, sind sie froh über das rasche und mutige Eingreifen der Fürther Feuerwehr, die Schlimmeres verhindert. Ein halbes Jahr später brennt eine Kraft­ fahrzeug-Reparaturwerkstatt in derselben Kaserne. Die Feuerwehr löscht zusammen mit Soldaten. Am 17. Februar 1969 platzt des Nachts bei klirrender Kälte die Naht eines Benzintanks auf einem Tankwagen auf und 200 Liter Benzin laufen aus. Unter ständiger Explosionsgefahr muß die Feuerwehr etwa 1.000 Liter umpumpen.

Schwarze Qualmwolken ziehen vom brennenden Müllplatz der Johnson-Kaserne in Richtung Fürth (September 1962).

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Die Müllecke der Johnson-Kaserne präsentiert sich dem Betrachter 1989 wesentlich aufgeräumter.

„Explosionsgefahr in der Königstraße" melden die „Fürther Nachrichten" am 8. Mai desselben Jahres. Aus Kellern und Kanaldekkeln steigen hochexplosive Benzindämpfe und Feuerwehr und Polizei haben alle Hände voll zu tun, um alles zu entlüften. Welches Image die Amerikaner haben, beweist ein Satz der Meldung: „Es wird vermutet, daß das Benzin in der Stadt in die Kanalisation eingeleitet wurde, wobei natürlich auch an die dort untergebrachten Truppen gedacht wird." Heute weiß man, daß es damals tatsächlich die Amerikaner waren, die irrtümlich ver­ sucht haben, aus einem Bundesbahn-Kessel­ wagen einen bereits vollen unterirdischen Benzintank ein zweites Mal aufzufüllen. Das Benzin ist übergelaufen und in die Kanalisa­ tion abgeflossen, bevor der Füllvorgang abge­ brochen werden konnte. Gleich zweimal muß am 22. April 1970 die Feuerwehr zum Löschen von brennendem Altmaterial - Schaumstoffmatratzen und Au­ toreifen - auf dem weitläufigen Gelände hinter der Johnson-Kaserne ausrücken. Einen Tag später sind sie schon wieder dort „Gast", als wegen eines gerissenen Schlauches 5.000

Liter Benzin in die Kanalisation zu laufen drohen. Ein dreiviertel Jahr später laufen tatsächlich 800 Liter Benzin aus und müssen von der Feuerwehr abgesaugt werden. Im April 1971 verbrennen die Amerikaner wieder einmal Abfälle in der Johnson-Kaser­ ne. Irgend jemand paßt nicht auf und die Flammen bedrohen zwei aufgeständerte Tanks mit Heizöl und Benzin. Die Holzbalken sind schon angekohlt, als die Feuerwehr ein­ trifft, allerdings haben die Soldaten das Feuer bereits selbst gelöscht. Ein Jahr später setzt ausgelaufenes Benzin einige Autowracks in Brand. Nicht nur die amerikanische Fahrlässig­ keit beschäftigt die Fürther Feuerwehrleute. Harmlos sind noch die zahllosen mutwilligen Fehlalarme, die sich zwischen 1967 und 1973 häufen. Es ist meistens unmöglich, die jewei­ ligen Urheber zu identifizieren, aber neben den deutschen Protestierern der 68er Jahre haben sich sicher auch einige Gis einen „Spaß" daraus gemacht, die Fürther Feuer­ wehrleute mit heulenden Sirenen ausrücken zu sehen.

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Oft lassen sich Fahrlässigkeit und Mutwil­ ligkeit bei den Motiven der Brandverursacher im Nachhinein nicht trennen. Bei einigen Bränden kann die Polizei aber Brandstiftung nachweisen. Im November 1971 muß die Für­ ther Feuerwehr innerhalb einer Woche zwei Dachstuhlbrände in der Johnson-Kaserne löschen, die auf Brandstiftung zurückzufüh ­ ren sind. Wenigstens sind die Feuerwehrler zufrieden, daß die Löscharbeiten nicht wie in Nürnberg durch randalierende Soldaten gestört werden, wo Knallkörper zwischen die Löschmannschaft geworfen worden sind. „Großalarm für die Fürther Feuerwehr: Wie eine riesige Fackel brannte gestern Nacht eine rund 700 Quadratmeter große Baracke auf dem amerikanischen Gelände bei Atzen­ hof. Das Gebäude und fast das gesamte Inventar wurde ein Raub der Flammen. Nur wenig konnte gerettet werden. Wo einst Werkstätten standen, gähnt heute öde Leere. Der Schaden wird auf 200.000 DM ge­ schätzt." Die Löscharbeiten gestalten sich wegen der gelagerten Lacke und Schweißge­ räte sehr schwierig. Im Gebäude sind Schrei­ nerei, Sattlerei, Flaschnerei, Schlosserei, sowie eine Maler- und Elektrowerkstatt un­ tergebracht gewesen. Erst einige Tage später erfahren die Fürther, daß es sich bei der am 23. Februar 1971 vollständig abgebrannten „Baracke" um das ehemalige Flughafenkasino des Fürther Verkehrsflughafens gehandelt hat, in dem Berühmtheiten wie Charles Lindbergh und Winston Churchill, aber auch Adolf Hitler, zu Gast gewesen sind. Im September 1974 lassen die amerikani­ schen Soldaten etwa 4.000 Liter Benzin in der Atzenhofer Kaserne ins Erdreich ver­ sickern. Die Feuerwehrleute decken die Ben­ zinlachen ab, größerer Schaden entsteht glücklicherweise nicht. Nur einen Monat später ruft wieder ein ausgedehntes Feuer die Wehrleute in die Monteith-Kaserne. Das brennende Lager-, Wohn- und Bürogebäude kann gelöscht werden, der Schaden liegt immerhin bei etwa 50.000 Mark. Und zum Jahresende 1974 äschert ein weiterer Brand in der Kaserne eine Wellblechbaracke ein, in der Zelte, Ketten und Benzinkanister gelagert gewesen sind. Umstruktu rieru ngen

Die amerikanischen Armee wird Anfang der siebziger Jahre nicht nur zu einer Frei­ willigenarmee um strukturiert. Das US-Ver­ teidigungsministerium bewegt die ihm unter­ stellten Einheiten wie auf einem Schachbrett 130

hin und her, um die Kommandostrukturen den sich wechselnden politischen und stra­ tegischen Notwendigkeiten anzupassen. Als 1967 die Franzosen aus der NATO ausschei­ den und die Amerikaner „bitten", ihr Land zu verlassen, werden einige dieser ausgeladenen Truppenteile nach Deutschland verlegt. Die Versorgung der amerikanischen Truppen wird unter TASCOM („US Theater Support Command Europe") zusammengefaßt und Fürth bildet dabei das Zentrum für Nord­ bayern. Es gilt, die insgesamt 49.000 Solda­ ten und ihre hier lebenden 32.000 Ange­ hörigen mit allem zu versorgen, von den Lebensmitteln und Möbeln bis zum Benzin. Im Jahr 1971 wechselt die seit den fünfzi­ ger Jahren in Fürth stationierte 4. Panzer­ division mit dem Hauptquartier in Göttingen ihren Namen und ihre Flagge und wird zur Ansbacher 1. Panzerdivision („Old Ironsides"). Die 4. Panzerdivision ist unter dem Befehl des Panzergenerals George S. Patton Jr. eine der berühmtesten Einheiten des Zweiten Weltkrieges gewesen. Zur Zeit der Umbenen­ nung heißt deren stellvertretender Befehlsha­ ber, der in der Monteith-Kaserne residiert, ebenfalls George S. Patton. Es ist der Sohn des Panzergenerals, der immerhin auch schon den Rang eines Brigadegenerals er­ reicht hat. Größere Verschiebungen an Trup­ peneinheiten bewirkt die Umorganisation nicht, im Divisionswappen wird nur die „4" gegen eine „1" ausgetauscht. Die Struktur der amerikanischen Streit­ kräfte in Süddeutschland wird im Jahr 1974 erneut verändert. Das TASCOM wird aufge­ löst, an seine Stelle treten die „Military Communities", die militärischen Standorte. Diese unterstehen direkt dem VII. Corps in Stutt­ gart. Die „US Military Community Nürnberg" wieder einmal ist Fürth als bedeutendster Stützpunkt bei der Namensgebung auf der Strecke geblieben - umfaßt die Standorte Fürth, Nürnberg, Erlangen, Schwabach, Zirndorf, Feucht und Herzogenaurach. Der Standortälteste, der schon immer in der Darby-Kaserne residiert hat, ist eine Art Oberbürgermeister für die „Nürnberg Com­ munity" und hat bisher direkt USAREUR in Heidelberg unterstanden. Um diese Verwal­ tungstätigkeit gegenüber dem kostenbewuß­ ten amerikanischen Kongreß zu verstecken, übernimmt nun der stellvertretende Divisi­ onskommandeur der 1. Panzerdivision im Rang eines Brigadegenerals zusätzlich diese Funktion. Außerdem ist er nach wie vor für die Kampfbereitschaft und Logistik der Divi­ sion zuständig. Zwar wird durch diese Kon­

struktion effektiv kein Personal eingespart, aber in der Darby-Kaserne residiert jetzt wie­ der ein ausgewachsener General. In der Darby-Kaserne sind in den siebziger Jahren insgesamt etwa 3.300 Menschen beschäftigt. Folgenden Einheiten sind hier stationiert: -das 1. Bataillon der 94. Feldartillerie mit zwölf Ml 10-Haubitzen, das von der PinderKaserne aus geführt wird, - eine Kompanie des 793. MP-Bataillons, das alle Polizisten für die „Nürnberg Com­ munity" stellt und direkt dem VII. Corps untersteht, - das Hauptquartier des 511. Militärischen Abschirmdienstes, der die Grenzen zur DDR und zur Tschechoslowakei elektronisch über­ wacht und Flüchtlinge aus dem Osten ver­ hört, - die 240. Versorgungskompanie, die alle Werkzeuge, Ersatzteile und Schmierstoffe lagert, - die 42. Instandsetzungskompanie, die sich zu einer der größten in der Bundesrepublik entwickelt hat. Sie repariert edles, was bei der Army kaputt gehen kann, vom Panzer bis zum Gabelstapler, von der Schreibmaschine bis zum Sofa. Mehr als 400 Männer sind hier beschäftigt. Die meisten davon sind deutsche Staatsangehörige, von denen über die Hälfte schon zwanzig Jahre bei den Amerikanern arbeiten. In Europa ist Fürth die einzige Anlaufstelle für defekte automatische Ge­ triebe, - die Zahlmeisterei, die den Soldaten zwei­ mal monatlich den Sold in einer Gesamthöhe von zwei Millionen Dollar (1979) auszahlt. In der Johnson-Kaserne arbeiten insge­ samt 1.400 Amerikaner. Neben dem 16. Pio­ nierbataillon findet man dort verschiedene Versorgungseinrichtungen und Lagerhäuser und die Wäscherei. In der Monteith-Kaserne werden - wie schon bei der 4. Panzerdivision die Divisions-Versorgungseinheiten der „Old Ironsides" untergebracht, die sich sinniger­ weise „Muleskinners" (Maultiertreiber) nen­ nen und aus drei Bataillonen bestehen. Sie halten für die Division Bekleidung, Verpfle­ gung und medizinische Artikel vor und stellen die Transporteinrichtungen.

Eine Versetzung nach Fürth gilt als „Pleasant Assignment", als „angenehme Ver­ setzung". Die Planstelle des „Community Commanders" ist eine Durchlaufstelle für Stabsoffiziere, die für höhere Aufgaben vor­ gesehen sind und die sich davor noch als Kommandeure einer größeren Truppeneinheit

bewähren müssen. Einige Generäle bekom­ men beim Abschied aus Fürth bereits den zweiten Stern als Generalmajor angeheftet. General Healy, der 1979 Fürth verläßt, bringt es bis zum Generalleutnant. Und General John M. Shalikashvili, der acht Jahre seiner Kindheit in Pappenheim verbracht hat und zwischen 1979 und 1981 in Zirndorf und zwi­ schen 1984 und 1986 in Fürth (als Komman­ deur) stationiert gewesen ist, wird am 1. Oktober 1993 zum Chef des amerikani­ schen Generalstabes ernannt. Für Fürth hat diese Bewertung als „Plea­ sant Assignment" den Vorteil, daß selten pol­ ternde „Eisenfresser", sondern eher diploma­ tische und kulturell und politisch geschulte Offiziere auf die Stelle des Kommandeurs gelangen. Von den Amerikanern wird eine Versetzung nach Bayern wegen der „Gemüt­ lichkeit" und dem im Gegensatz etwa zu Hessen amerikafreundlichen politischen Um­ feld sehr geschätzt. Und speziell für Nürn­ berg-Fürth gilt: „Es zieht nicht an, aber es hält fest". Andererseits ist die durchschnitt­ liche Aufenthaltsdauer von 18 Monaten ziemlich kurz, um sich mit den fränkischen Eigenheiten vertraut zu machen. Oft sind die Befehlshaber jedoch bereits vorher einmal nach Deutschland abkommandiert gewesen. Der erste Kommandeur von der 1. Panzer­ division in der „Nürnberg Community", Bri­ gadegeneral Clay T. Buckingham, ist der erste im Rang eines Generals auf diesem Posten seit Mai 1953. Als er im Mai 1973 etliche deutsche Gäste zu einer Party in sein Haus in Dambach einlädt, lernen diese neue Facetten der bunten amerikanischen Gesell­ schaft kennen. Die Veranstaltung ist ein „PotLuck-Dinner", was soviel wie „Überra­ schungsessen" bedeutet. Für den Gastgeber hat dies den Vorteil, daß er sich nicht um die Speisen kümmern muß, denn diese haben die Gäste selbst mitzubringen. Es ist ein interes­ santes Bild, die eintreffenden Damen und Herren zu beobachten, die mit ihren Händen Schüsseln und Töpfe balancieren und ver­ suchen, dabei ihre Abendgarderobe nicht zu bekleckern. Wer sich ob des „bunten" Essens lieber an die Getränke heilten will, sieht sich ebenfalls enttäuscht. Buckingham ist Mormone und deshalb ist trotz reichhaltig gedecktem Tisch kein einziger Tropfen Alkohol im Haus aufzu­ treiben. Ganz findige Gäste spielen angeblich sogar mit dem Gedanken, den Stoff aus der mitgebrachten Weinschaumcreme herauszu­ destillieren. Selbst das sonst in amerikani­ schen Haushalten allgegenwärtige Cola ist

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verpönt, allerdings stellen die Generalskinder großzügig ihre versteckten Vorräte zur Verfü­ gung. Trotz der „Trockenheit" soll es eine schöne Party gewesen sein. Bei den nächsten Empfängen des ansonsten aber sehr geselli­ gen Generals sind alle Insider mit Flachmän­ nern bewaffnet. Der Nachfolger Buckinghams ab Juli 1974 ist Brigadegeneral George B. Price, der erste und einzige dunkelhäutige Standortälteste der Amerikaner in Fürth.

Die Bautätigkeit der Amerikaner im be­ trachteten Zeitabschnitt zwischen 1967 und 1975 beschränkt sich auf die Erweiterung der Schule in der Kalb-Siedlung um 18 Klassen­ räume. Aus für Möbel vorgesehenen Etatmit­ teln hat sich die flexible amerikanische Schulleitung feuerfeste Baracken aus Jugos­ lawien beschafft und läßt sie von einer Pio­ niereinheit im Innenhof der Schule aufstellen. Die Soldaten lassen sich auch nicht von der fremdsprachigen Bauanleitung aufhalten, die niemand lesen kann. Die Unterhaltskosten für die „Villa Soldan" in der Lindenstraße 33, in der der jeweilige General residiert, werden in den siebziger Jahren zu hoch. Deshalb erweitern die Ame­ rikaner eines der Einfamilienhäuser der Dambacher Offizierssiedlung, seitdem bezie­

hen die Generalsfamilien ihr Quartier in der Brahmsstraße 34. Wie vorher erwähnt, erzwingt 1970 der Main-Donau-Kanal eine Umgestaltung der Monteith-Kaserne in ihren Randbereichen. Der im Westen entlang laufende Kanal schneidet ein erhebliches Stück heraus. Die dortigen Raketenstellungen sind abgebaut worden und ein Teil des Golfplatzes muß ver­ legt werden. Dafür werden im Norden der Kaserne zwischen der alten Vacher- und der Hornäckerstraße und dem Müllplatz neun Golflöcher neu angelegt und die Vacher Straße, die früher unter der jetzigen Trog­ brücke die Zenn überquert hat, wird nach Osten verschoben. Bei der Abnahme des Golfplatzes stöhnen die Vertreter des Finanz­ bauamtes, die sich bisher einen Golfplatz als eine große Wiese vorgestellt haben, über die akribischen Bauvorschriften und die dadurch entstehenden Kosten. Die Amerikaner, die sich angeblich leichter von ihren Nike-Rake­ ten als von ihrem Golfplatz getrennt haben, begutachten jede feuchte Stelle in den neu angelegten Grüns und bohren im Sand der Hindernisse. Aber wie sagt ein Bauer am Zaun ganz richtig: „Solangs Golf spiel'n sinds mir lieber, als wenns Krieg spielen."

Die Amerikaner bei der akribischen Abnahme des umgestalteten Golfplatzes im Jahr 1970.

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NATO-Freundschaft Von Vietnam bis zur Wende Der Zeitabschnitt, über den im folgenden berichtet wird, reicht von 1976 bis 1989. Das amerikanische Trauma, der Vietnamkrieg, ist mit einem halbwegs ehrenvollen Rückzug beendet worden. Die siebziger Jahre stehen im Zeichen vieler innenpolitischer Krisen und Attentate. Die Regierungschefs Nixon und Brandt treten zurück, viele Politiker und bekannte Persönlichkeiten fallen Terroristen zum Opfer. In der Bundesrepublik werden mehrere Anschläge auf amerikanische Ein­ richtungen verübt, die Soldaten dürfen deut­ sche Nummernschilder für ihre Autos bean­ tragen, um nicht sofort als Amerikaner iden­ tifiziert zu werden. Am Ende des siebten Jahrzehnts mar­ schieren die sowjetischen Truppen in Afgha­ nistan ein und der Ajatollah Khomeini stürzt das Schah-Regime im Iran. Drei Jahre später kämpfen die Briten gegen die Argentinier um die Falkland-Inseln. Die Abrüstungsverhand­ lungen der Supermächte USA und Sowjet­ union führen erst Ende der achtziger Jahre zu einem Erfolg, als der sowjetische General­ sekretär Michail Gorbatschow einen gemäßig­ teren Kurs einschlägt. Erste Nutznießer die­ ser Entwicklung zur Entspannung sind die beiden deutschen Staaten, deren gemeinsame Grenze 1989 durchlässig wird. Die deutsch-amerikanischen Beziehungen sind seit dem Ende des Vietnamkrieges wie­ der in ein ruhigeres Fahrwasser geraten. Die Umorganisation der amerikanischen Armee in eine Freiwilligenarmee bringt anstelle der deutscherseits befürchteten Verschlechterung eine Verbesserung der Moral und der Diszi­ plin der Soldaten. Die Rückkehr zahlreicher guter Offiziere und Unteroffiziere aus Vietnam unterstützt diesen Trend und stärkt außer­ dem wieder die Kampfkraft der in der Bun­ desrepublik stationierten Einheiten. Aller­ dings ist die Pflege der militärischen Ausrü­ stung der Amerikaner in den siebziger Jahren immer noch unzureichend. Es hat sich soviel Material angehäuft, daß es nicht mehr über­ schaubar und wartbar ist. Tausende von Jeeps und Panzern - die eigentlich in einer Sechs-Stunden-Bereitschaft stehen sollten sind nicht mehr fahrbereit, weil die Batterien gestohlen worden sind oder die Wartungsar­ beiten nicht durchgeführt werden. Eine Artil­ lerieeinheit findet bei einer Inspektion den Schlüssel zum Munitionsbunker erst nach einer Stunde. Die Kasemengebäude stammen

meistens aus der Vorkriegszeit oder, wie in Fürth, sogar noch aus der Kaiserzeit und bedürfen dringend einer Renovierung. Ab 1975 werden die Fürther Kasernen tat­ sächlich renoviert. Vor allem die für die Sol­ daten wichtigen Inneneinrichtungen werden erneuert, wegen der Kürzung der finanziellen Mittel für die in Europa stationierten Solda­ ten verzichtet man oft auf die ebenfalls not­ wendigen Schönheitsreparaturen. Erfreulicherweise scheitern in den siebzi­ ger Jahren die Anträge amerikanischer Sena­ toren, Soldaten aus Europa abzuziehen. Die fünf in der Bundesrepublik stationierten USDivisionen bleiben, sie stellen etwa dreißig Prozent der Gesamtstärke des amerikani­ schen Heeres dar. Insgesamt sind Mitte der siebziger Jahre etwa 250.000 amerikanische Soldaten in Deutschland stationiert. Am Ende der Berichtsperiode, 1989, sind es noch etwa 204.000 in der Bundesrepublik und 13.000 im restlichen Europa. Die Sowjetunion hat bei den Nuklearwaf­ fen inzwischen einen Gleichstand mit den Vereinigten Staaten erreicht, die nukleare Abschreckung ist nicht mehr so wirksam wie früher. Das bedeutet, daß eine größere Beto­ nung auf die konventionelle Bewaffnung gelegt werden muß, bei der die Staaten des Warschauer Paktes ein Übergewicht haben. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wird die amerikanische Militärstrategie bezüglich ihrer Aufgaben in Europa und Deutschland grund­ legend überprüft und das Pentagon zieht gerade für die in der Bundesrepublik statio­ nierten Einheiten Konsequenzen. Das Ver­ hältnis von Kampf- zu Versorgungseinheiten ändert sich von 59:41 (1972) auf 71:29 im Jahr 1977. Die bisher von Bremen nach Süd­ deutschland parallel zur innerdeutschen Grenze verlaufenden Nachschublinien werden in die West-Ost-Richtung verlagert und sind dadurch bei einem kommunistischen Angriff weniger gefährdet. Bisher haben die Ameri­ kaner das „Fulda Gap" und den „Hof Corridor" als vermeintliche Hauptstoßrichtungen bewacht, ab 1978 werden erstmals Soldaten in Niedersachsen stationiert, um zusätzlich die Norddeutsche Tiefebene zu sichern. Außerdem sollen nach der neuen Strategie der „Vorneverteidigung" die amerikanischen Einheiten näher an die Grenzen zur Tsche­ choslowakei und zur DDR gerückt werden. Zwischen der US-Regierung und der SPD­ geführten Bundesregierung beginnen zähe Verhandlungen um die Bezahlung der Verle­ gungskosten.

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Um den teuren Neubau von Kasernen zu vermeiden, sieht der 1982 gefundene Kom­ promiß vor, daß das Material für weitere sechs US-Divisionen, deren Soldaten im Konfliktfall aus den USA eingeflogen werden sollen, in Depots gelagert wird, die die Bun­ deswehr bewacht. Die Truppenverlagerungen in Richtung Eiserner Vorhang unterbleiben jedoch. Da die Sowjets ihre SS-20-Raketen nicht abziehen, stellen die Amerikaner ab 1983 gemäß dem NATO-Doppelbeschluß ihre Per­ shing 2-Raketen in der Bundesrepublik auf. Die Raketen werden bereits fünf Jahre später wieder abgebaut, als sich die USA und die UdSSR über eine umfangreiche atomare Abrüstung einigen. Ab 1988 beginnt auch der Abbau der konventionellen Streitkräfte in Mitteleuropa, als die Sowjetunion erstmals einseitige Truppenreduzierungen ankündigt. Durch diese Entspannungspolitik wird eine Lawine losgetreten, die 1990 zur deutschen Wiedervereinigung führt und ein vollständig neues Konzept der Stationierung der USTruppen in Deutschland erforderlich macht.

Soldaten und ihr Umfeld Die Anwesenheit der Amerikaner in Deutschland, und damit auch in Fürth, hat wesentlich dazu beigetragen, daß aus den 45 Jahren Kalter Krieg kein heißer wurde. Wie sind die Soldaten in diese Maschinerie zur Verhinderung des Krieges eingebunden? Betrachten wir kurz die Kommandostruktur der amerikanischen Streitkräfte in Europa. Die Befehle aus dem Verteidigungsministe­ rium in Washington laufen über das Haupt­ quartier der amerikanischen Streitkräfte in Stuttgart zum Heereshauptquartier in Hei­ delberg (USAREUR = United States Army in Europe). Von dort aus gehen sie entweder in den nördlichen Bereich zum V. Corps nach Frankfurt oder zum VII. Corps nach Stutt­ gart. Zu dessen Befehlsbereich gehören unter anderem die Einheiten der 1. Panzerdivision und des 2. Panzeraufklärungsregiments (2nd ACR). Letzteres ist in der Nürnberger MerrellKaseme („SS-Kaseme") beheimatet und macht als einzige Einheit der „Nürnberg Community" aktiven Dienst in Friedenszeiten. Mit Panzern und Hubschraubern werden von „Border Camps" zwischen Hof und Zwiesel aus, zusammen mit der Bayerischen Grenz­ polizei, die Grenzen zur DDR und zur Tsche­ choslowakei überwacht. Nur diese speziell ausgebildeten Soldaten dürfen sich dem Eisernen Vorhang bei ihren Streifengängen

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nähern. Alle anderen Amerikaner, ob Solda­ ten oder Zivilisten, müssen mindestens einen Kilometer Abstand zum kommunistischen Grenzwall wahren. Weitere Truppen sind in Zirndorf und Er­ langen stationiert, in Fürth selbst befinden sich Nachschub- (Monteith-Kaserne) und In­ standsetzungseinheiten (Darby-Kaserne) und Pioniere (Johnson-Kaserne) der 1. Panzerdivi­ sion. Im Verteidigungsfall wären die Kampf­ truppen, zusammen mit Bundeswehreinhei­ ten und weiteren aus Amerika eingeflogenen Verbänden in festgelegten Sektoren an der Grenze eingesetzt worden. Genaue Zahlen, wieviele amerikanischen Soldaten in Fürth arbeiten und wieviele ihrer Angehörigen hier wohnen, gibt es nicht. Die Amerikaner unterliegen nicht der deutschen Meldepflicht und die amerikanischen Zahlen, die bei verschiedenen Gelegenheiten an die Öffentlichkeit gegeben werden, beziehen sich meistens auf die ganze „Nürnberg Commu­ nity". Außerdem werden einmal nur die Sol­ daten genannt, die in Fürth ihren Dienst tun, dann wieder alle Amerikaner, die in Fürth wohnen. Zudem schwanken die Zahlen durch die ständige Rotation der Soldaten. Man kann aber davon ausgehen, daß bis 1990 immer etwa 9.000 bis 11.000 Amerikaner in Fürth gelebt haben, davon etwa die Hälfte Soldaten. Von diesen wohnt ein Drittel in den Kaser­ nen, der Rest in der Stadt verteilt. Für die Berechnung der Schlüsselzuweisungen, d. h. für die Gelder, die die Stadt vom Freistaat Bayern für ihre Bürger als Zuschüsse bekommt, werden die Amerikaner aber nur zur Hälfte gewertet. Einmal geht beinahe das ganze Geld nach Nürnberg: „Oberbürgermei­ ster Kurt Scherzer wies ... auf die (für das Ansehen der Kleeblattstadt typische?) Kurio­ sität hin, daß Fürth zunächst in der Aktion der 31 bayerischen Gamisonsstädte gar nicht genannt war, obwohl gerade hier die meisten Amerikaner stationiert sind. Die Bayerische Staatskanzlei hatte die Initiatoren vom Baye­ rischen Städtetag bei der Frage nach USGarnisonen für unseren Raum schlicht mit .Nürnberg Militaiy Post' beschieden, ohne die Stadt am Zusammenfluß von Rednitz und Pegnitz zu erwähnen, wo bekanntlich der größere Teil dieser Einheit stationiert ist." Nach Angaben der amerikanischen Ver­ waltung geben die Amerikaner im NürnbergFürther Raum (Zahlen nur für Fürth liegen nicht vor) 1984 fast 400 Millionen Mark aus. Von der Büroklammer bis zu Wohnungsein­ richtungen wird vieles von deutschen Unter­

nehmen gekauft. Dienstleistungen für Reini­ gungen und Reparaturen werden in An­ spruch genommen, Wohnungsmieten und der Bezug von Gas, Wasser und Strom (29 Millionen Mark im Jahr) werden bezahlt. In den Sommermonaten lastet die amerikani­ sche Armee die Möbelspeditionen zeitweise zu 90 Prozent aus, wenn Teile der Einheiten, einschließlich der Angehörigen der Soldaten, ausgetauscht werden. Soldaten der amerikanischen Armee blei­ ben normalerweise bis zu drei Jahren am sel­ ben Ort stationiert, wenn sie ledig sind oder wenn sie Frau und Kinder mit nach Deutschland nehmen. Lassen sie ihre Fami­ lien in den USA zurück, dürfen sie schon nach zwei Jahren zurückkehren. Nur wenige Spezialisten bleiben bis zu 15 Jahren ohne Unterbrechungen hier. Dieser ständige Wech­ sel der Gesichter und Charaktere erleichtert nicht gerade die Freundschaft zur Bevölke­ rung des Gastlandes. Der damalige amerika­ nische Presseoffizier in Fürth, Oberst Gerard M. Maloney, schreibt dazu am 20. Mai 1980 in den „Fürther Nachrichten" unter anderem: „Der ständige Wechsel auf der Seite eines der Partner (US-Armee) ist einer Vertiefung unse­

res Zusammenlebens nicht besonders dien­ lich. Es ist schwer, ein harmonisches Famili­ enleben zu führen, wenn die Brüder und Schwestern alle zwei oder drei Jahre ausge­ wechselt werden... Was uns zusammenhält, ist, wie in einer Ehe, das kollektive Band der Sicherheit. Der Dialog aber ähnelt nicht dem in einer vertrauten Familie, sondern eher dem mit einem fernen Verwandten." Die deutsche (zumal die fränkische) und die amerikanische Art, Freundschaften zu schließen, unterscheiden sich. Die Amerika­ ner sind offener, freundlicher und suchen schnell den Kontakt, deutscherseits ist man anfangs zurückhaltender, abtastender. An­ ders verhält es sich mit der Dauer der Freundschaft. Während die Amerikaner mehr nach dem Motto „aus den Augen, aus dem Sinn" handeln, soll in deutschen Augen eine Freundschaft verläßlich und dauerhaft sein, was wegen der angesprochenen kurzen Auf­ enthaltsdauer der Soldaten selten möglich ist. Die gleichen Erfahrungen machen die Ameri­ kaner selbst, wenn sie nach einigen Jahren Dienst im Ausland in die Vereinigten Staaten zurückkehren. Die enge Bindung in der ame­ rikanischen Gemeinde in Fürth, wo jeder

Luftbild der Monteith-Kaserne, etwa 1989, mit der neuerbauten Schule in der oberen Bildmitte. Die Lagerplätze sind mit Militärmaterial noch uoll belegt.

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jeden gekannt hat und man enge Kontakte untereinander gepflegt hat, gibt es in den USA nicht mehr. Die alten Freunde sind weg­ gezogen oder haben andere Interessen und es ist für die Rückkehrer oft nicht einfach, sich in der amerikanischen Gesellschaft wieder zu integrieren. Ein Teil der Amerikaner beschränkt sich bei seinem Aufenthalt in Fürth von vorneherein auf das Getto in der Südstadt, pendelt mit dem Auto zwischen Housing Area, Kaserne und PX in der Waldstraße und nimmt nicht einmal wahr, daß er in einer Stadt namens Fürth lebt und arbeitet. Erst im Dezember 1975 gewinnt die Innenstadt mit der Eröff­ nung eines McDonalds-Restaurants einen weiteren Fixpunkt für die Amerikaner hinzu. Haupthemmnisse für die Amerikaner, die Fürther Südstadt zu verlassen, sind die Kul­ tur- und Sprachbarriere und das fehlende Geld, über das später noch zu sprechen sein wird. Die meist jungen Soldaten befinden sich das erste Mal in ihrem Leben im Ausland. Sprache und Verhaltensweisen des Gastlan­ des sind ihnen fremd. Zwar bietet die Armee den Soldaten und ihren Angehörigen Einfüh­ rungskurse und Beratungen an, vom Inhalt bleibt aber oft wenig hängen. Außerdem ist es schwierig für die Soldaten, bei jeder Statio­ nierung im Ausland die Sprache des jeweili­ gen Gastlandes neu zu lernen. AFN-Radio und später auch -Fernsehen bieten ausrei­ chende Informationsmöglichkeiten für die Amerikaner. Die Nachrichten beziehen sich aber fast ausschließlich auf die amerikani­ schen Einflußgebiete, deutsche oder gar lokale Berichte sind äußerst selten. Nur wenige Amerikaner abonnieren eine deutsche Zeitung, was dazu führt, daß sie über deut­ sche Probleme oder Fürther Belange kaum Bescheid wissen. Aus diesen Gründen ist die Verlockung groß, in der Südstadt zu bleiben, die alle amerikanischen Annehmlichkeiten bietet. Im Gegensatz zu diesen von den Kamera­ den „barracks rats" (Kasernenratten) genann­ ten Stubenhockern interessieren sich andere Soldaten für Fürth und das Umland. Sie besichtigen die Sehenswürdigkeiten der Um­ gebung und stellen bei Volksmärschen große Teilnehmergruppen. Im PX gibt es für die Soldaten einen eigenen Aushang über die aktuellen Volksmärsche. Die Soldaten schauen sich Kirchweihen an, vor allem, wenn sie mit Bierzelten ausgestattet sind. Gut besucht, weil in Kasernennähe, ist das Fürther Hafenfest der siebziger und achtziger 136

Jahre. Das dabei veranstaltete Raft-Race auf dem Main-Donau-Kanal entwickelt sich zu einer amerikanischen Spezialität, die bis zum Abzug Bestand hat. Für die an große Reise­ entfernungen gewöhnten Amerikaner gehört oft auch ein kurzer Skiurlaub in den Alpen zu ihrem Wochenendprogramm. Einer der in Fürth stationierten Soldaten schreibt: „Es ist 5 Uhr morgens und der Weckruf erschallt. Einige bleiben im Bett, die anderen machen sich zum Frühsport fertig. Draußen regnet es und ein paar Kameraden blicken mißmutig aus dem Fenster und überlegen, ob sie der Spieß trotzdem einige Runden um den Block jagen wird. Der Regen läßt nach und an dem Training scheint nun doch kein Weg vorbeizuführen. Nach dem zwei-Meilen-Spurt geht es schnell unter die Dusche und zum Frühstück. Bis zum Mor­ genappell bleibt noch Zeit für eine Zigarette und ein paar Witze. Erst dann strebt jeder seinem Arbeitsplatz zu. ... Mit dem Wetter habe ich mich noch immer nicht angefreundet. Für meine Begriffe wech­ selt es zu rasch. Ich glaube, in Deutschland hat man keine heißen Sommer. Das Wetter ist das einzige, was mir Heimweh bereitet und so wie mir ergeht es vielen meiner Kamera­ den, besonders jenen, die an der Westküste beheimatet sind. Um eine Erfahrung bin ich hier schon reicher geworden. Man muß in Deutschland nicht jung sein, um Freude am Leben zu haben. In meiner Freizeit bin ich viel zu Fuß in der Stadt unterwegs und ich sehe eine Menge älterer Leute, die entweder radfahren oder ihre Hunde ausführen und an ihren zufriedenen Mienen läßt sich ablesen, daß es ihnen Spaß macht. Sogar der Regen scheint ihnen nichts anhaben zu können. ... Als meine Freundin mich nach meinen Ein­ drücken über Deutschland befragte, sagte ich ihr, daß ich es als ,a great place' für meine Stationierung empfinde und empfahl ihr, bei ihrem Besuch ein Wörterbuch und besonders einen Regenschirm nicht zu vergessen." Ein Amerikaner, der zwanzig Jahre lang in Fürth gelebt hat, schreibt: „Fürth ist heute mehr als eine Satellitenstadt von Nürnberg. Obwohl sein Reiz nicht so offensichtlich ist, ist viel mehr Altstadt in Fürth erhalten geblieben als in Nürnberg, dessen Wieder­ aufbau nach dem Krieg nicht sehr gelungen ist. Fürth ist nicht so überlaufen mit Tou­ risten und Einkäufern aus dem Osten. Es hat seine eigene Geschichte ... und natürlich ist es meine Heimat und die meiner Familie." Es gibt einige Unterschiede zwischen der deutschen und der amerikanischen Lebens­

weise, die den Amerikanern hier sofort auf­ fallen. Dazu gehören das gut ausgebaute Nahverkehrssystem, die viel gedrängtere Bauweise, die deutlich geringere Straßen­ kriminalität und die strengen Ladenschluß­ gesetze. Die persönlichen Eindrücke der Sol­ daten und Zivilamerikaner hängen auch von dem Jahr ab, in dem sie nach Fürth kom­ men. In den ersten beiden Jahrzehnten nach dem Krieg ist das Wohlstandsgefälle gewaltig. Die Deutschen sind arm, Kühlschrank, Auto und Telefon sind Luxusgegenstände, während sie für die Amerikaner alltäglich sind. Später kehrt sich das Verhältnis um, der deutsche Wohlstand wächst stärker als der amerikani­ sche. Und der Umtauschkurs der Deutschen Mark gegenüber dem Dollar fällt seit 1970 von einem kurzen Zwischenhoch 1985 abge­ sehen - ständig. Deshalb hält oft Geldmangel die Soldaten ab, ihr Umland besser zu erforschen. Die Amerikaner bekommen ihren Lohn ab 1958 in US-Dollar ausbezahlt, ein einfacher Soldat erhält beispielsweise 1982 monatlich 551 Dollar. Bei freier Unterkunft und Verpflegung in der Kaserne kann er gut damit auskom­ men. Sobald er jedoch ein deutsches Auto kaufen, eine Wohnung in Fürth nehmen oder auch nur ein bayerisches Bier trinken will, muß er seine Dollar in Mark umtauschen. Die Fürther können den aktuellen Kurs der beiden Währungen an der Größe und am Pflegezustand der amerikanischen Autos ab­ lesen. Beim Dollarhoch werden große, wenn auch manchmal verbeulte BMW- oder Merce­ des-Limousinen durch die Gegend gesteuert, fällt der Dollar wieder, sind es VW-Käfer oder alte Ford. Der sich langfristig ständig ver­ schlechternde Dollarkurs läßt die Amerikaner nicht nur beim Auto sparen. Während früher die Fürther Taxifahrer vor dem PX an der Waldstraße für etwa zehn Tage nach dem Zahltag Hochkonjunktur gehabt haben, herrscht beispielsweise 1978 - der Dollar steht auf 1,90 DM - schon nach drei Tagen wieder Flaute und viele Soldaten werden in Straßenbahnen und Bussen gesichtet. Ge­ spart wird auch in den Lokalen, in der Süd­ stadt stöhnt ein Pächter: „Es ist eine Kata­ strophe - wenn Amerikaner kommen, dann bestellen sie zu viert ein Bier." Leider werden manchmal Amerikaner we­ gen ihrer schlechten Lage von den Fürthern mit hämischen Bemerkungen bedacht. Die „Fürther Nachrichten" schreiben in einer Glosse vom 3. Juli 1972 über eine Entrümpe­ lung: .... Aber der große Zulauf zur Gerüm­ pel-Floh-Messe naht aus einer ganz anderen

Ecke. Von dort her, wo der Hansi .Johnny' heißt und die Marie ,Mary'. Mit Straßenkreu­ zern und dicken Pneus kommt Neu-Amerika zur Fürther Altgerümpelschau. Und die Friends und Boys von der Sternenbanner­ firma grasen mit wißbegierigen PX-Gesichtem das Gerümpel-Eldorado bis zum letzten Nachttopf ab. Selbst schiechbeinige Sessel­ kollektionen aus irgendeiner vergessenen und wiederentdeckten Gerümpelkammer werden für den .American Way of Life' gebraucht. Denn old Germany's Sondermüll ist .wunderfool'. - Souvenirs auf amerikanisch." Viele Frauen der Soldaten suchen sich, soweit sie nicht ebenfalls in der Armee sind, einen Job, um die Haushaltskasse aufzubes­ sern. Dabei verdrängen sie deutsche Arbeits­ kräfte aus amerikanischen Arbeitsstellen, zusätzlich suchen die amerikanischen Frauen oft auch Arbeitsplätze in deutschen Firmen. Im November berichten die „Fürther Nach­ richten" von 45 Soldatenfrauen, die als gern­ gesehene Saisonarbeiterinnen bei der Cadolz­ burger Süßwarenfabrik Riegelein Geld hinzu­ verdienen. Etwa die Hälfte der Soldaten ist verheira­ tet, von diesen haben drei Viertel ihre Fami­ lien zu sich geholt. Nur etwa 1.300 Familien können in der Housing Area untergebracht werden, der Rest ist gezwungen, sich auf dem freien Wohnungsmarkt umzusehen. Für die Amerikaner ist es nicht einfach, in Fürth eine passende Wohnung zu finden. Nach Zahlen aus dem Jahr 1984 belegen die amerikani­ schen Familien in Nürnberg-Fürth 3.328 Wohnungen und geben für Mieten monatlich etwa 1,2 Millionen Dollar aus. Zwar sind die amerikanischen Dollar bei den Vermietern sehr begehrt und oft wird möbliert vermietet, was den Mietpreis noch steigert. Andererseits führt der ständige Mieterwechsel im zweioder dreijährigen Rhythmus und der nicht immer sorgsame Umgang der meist jungen Amerikaner mit dem Mietobjekt zu einem stärkeren Verschleiß von Möbeln und Woh­ nung. Es werden Horrorgeschichten von amerikanischen Mietern erzählt, die in jede Türe Katzenklappen gesägt oder gar getreten haben. Vermieter bleiben auf astronomischen Telefonrechnungen sitzen, derweil der Verur­ sacher bereits unerreichbar in den USA weilt. Diese Vorfälle treiben nach dem Preis-Lei­ stungs-Prinzip die Mieten für Amerikaner zusätzlich in die Höhe. Obwohl die Armee, gestaffelt nach Dienstgrad, einen Mietzu­ schuß zahlt, füllen sich in schlechten Dollar­ jahren die Kasernen wieder mit Soldaten. Erst ab 1989 - also viel zu spät - tritt das US137

Luftbild eines Teils der Darby-Kaserne vom August 1985. In der Mitte oben das Gebäude Nr. 1, in dem sich das Büro des Kommandeurs der „Nürnberg Community" befindet.

Wohnungsamt in der Darby-Kaserne als Ver­ mittler und zuverlässiger Vertragspartner gegenüber den Vermietern auf und regelt alle Angelegenheiten direkt.

Eine Bemerkung soll den Soldatinnen gewidmet sein. Bis 1975 gibt es in der USArmee das „Women Army Corps" (WAC), in dem freiwillig sich verpflichtende Frauen Bürotätigkeiten und Krankenpflege innerhalb der Armee ausführen. Danach nimmt die USArmee auch Frauen in die Kampftruppen auf. Zehn Jahre später stellen die 202.000 Solda­ tinnen (einschließlich elf weiblicher Generäle) ein größeres Kontingent dar als die gesamten Armeen mancher NATO-Partner. In Fürth schwanken die Zahlen der Soldatinnen zwi­ schen 500 und 1.500. Die Gleichberechtigung beider Geschlech­ ter wird in der US-Army sehr ernst genom­ men. Die Uniform verhüllt erfolgreich die weiblichen Attribute, langes Haar muß hoch­ gesteckt werden. Als Schmuck erlaubt die Army nur eine Armbanduhr und ein Ring und die schweren Stiefel sind auch nicht besonders hübsch. Zwar geht das Neben­

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einander der Geschlechter in der Armee nicht ohne Reibungen ab, die Frauen müssen sich manche Anzüglichkeit oder Belästigung gefallen lassen, aber die Armee greift dabei hart durch. Im März 1980 wird ein Soldat aus der Monteith-Kaserne vom Militärgericht zu 25 Tagen Arrest, 298 Dollar Geldstrafe und zu Degradierung verurteilt, weil er eine Kame­ radin seiner Kompanie mit „obszönen Worten" beleidigt hat. Die Soldatinnen verrichten den gleichen Dienst wie die Männer - von gewissen Arbei­ ten abgesehen, die schwere körperliche An­ strengung erfordern. Nach Dienstschluß war­ ten auf die Frauen jedoch noch Haushalt und Familie und eine Soldatin findet.... daß auch die gelegentlichen Manöver ihr Gutes hätten. Das bedeutet zwar ebenfalls harte Arbeit, aber keine Hausarbeit." Um das seelische Wohl der christlichen Amerikaner kümmern sich Geistliche, denen die Kirchen in der Darby- und in der Mon­ teith-Kaserne für ihre Gottesdienste zur Ver­ fügung stehen. Für jedes Bataillon gibt es einen Seelsorger, der die unterschiedlichen

Glaubensrichtungen gemeinsam betreuen muß und als Soldat dem gleichen Wechsel­ rhythmus wie seine „Schäfchen" unterliegt. Für die jüdischen Soldaten gibt es einen Rabbiner in Uniform, dem in der DarbyKaserne im Gebäude Nr. 43 an der Sonnen­ straße eine Synagoge zur Verfügung steht. Diese Räume benutzen die Fürther Juden mit, bis ihre eigene Synagoge in der Halle­ mannstraße fertigt ist. Der Rabbiner ist gleichzeitig für die seelsorgerische Betreuung aller jüdischen US-Soldaten (Anteil etwa 1,5 Prozent) in Nordbayern und in einer hol­ ländischen Kaserne zuständig Einer dieser Rabbiner, der Fürther Feld­ geistliche Oberstleutnant Kenneth J. Lein­ wand, erfährt eine besondere Ehrung, als er Anfang 1992 in New York von der Gesell­ schaft Jüdischer Geistlicher zum „Rabbi des Jahres" gewählt wird. Der als Nachschuboffi­ zier der 99. Unterstützungsgruppe in der Darby-Kaserne Tätige hat sich besondere Verdienste um die Unterstützung „seiner" Soldaten während des Golfkrieges erworben, als er für das gesamte VII. Corps zuständig gewesen ist. Die amerikanischen Soldaten haben neben dem „Theater", also dem Kino, auch ein rich­ tiges Schauspiel-Theater. Die Bühne steht im Gebäude 13 der Darby-Kaserne und die Lai­ enspielgruppe nennt sich sinnigerweise „Stage 13". Die Schauspieler sind Soldaten und - vorwiegend - Schüler(innen) und Lehrer der High-School. Die Gruppe macht erstmals im März 1970 mit dem Stück „And Things That Go Bump in The Night" von sich reden und löst sich erst 1995 wieder auf. Die Bautätigkeit lebt wieder auf Nach dem Ende des Vietnamkrieges kür­ zen die USA ihren Verteidigungshaushalt. Da aber die übrigbleibenden Gelder nicht mehr für einen Krieg ausgegeben werden müssen, fließt wieder mehr Geld in den Unterhalt der Kasernen und Wohnungen. Die amerikani­ sche Schule an der Fronmüllerstraße beher­ bergt zu dieser Zeit 42 Grund- und 28 Ober­ schulklassen und platzt aus allen Nähten. Wie auch bei deutschen Schulen werden Behelfsbaracken aufgestellt, der Bau einer eigenen Elementary School erscheint jedoch dringend notwendig. Am 26. August 1975 erfolgt die Einweihung der neuen Grund­ schule an der John-F.-Kennedy-Straße. Mit einem Kostenaufwand von 4,5 Millionen Mark hat die Fürther Baufirma Röllinger in einjäh­ riger Bauzeit ein Gebäude mit 27 Unterrichts­

räumen samt Bücherei, Lehrküche, Musikund Zeichensaal sowie Kindergarten errich­ tet. Ein angebauter „Würfel" beherbergt eine große Mehrzwecktumhalle. Sechs Jahre spä­ ter wird die Schule in „Johann Kalb Elemen­ tary School" getauft, ein Zeichen, daß die Amerikaner den Ex-Hüttendorfer nicht ver­ gessen haben. Allerdings hätten sie sich nach dem „Kalb-Club" und der „Kalb-Housing" auch einmal etwas originelleres einfallen las­ sen können. Ein Teil der bisherigen „Nürn­ berg Elementary School" verbleibt im bisheri­ gen Gebäude und zieht erst Anfang der neun­ ziger Jahre in das neue Schulgebäude in der Monteith-Kaserne um. Als 1968 der Bau der Südwesttangente ansteht, wehren sich die Amerikaner zuerst gegen die Ausfahrt zur Schwabacher Straße, weil eines ihrer Wohnhäuser zu nahe an der Trasse steht. Deshalb entstehen 1974 an der Gerhard-Hauptmann-Straße als Ersatz zwei weitere Wohnhäuser für zwölf Familien. Die Stadt plant, das störende Haus entweder abzureißen oder Obdachlose darin unterzu­ bringen. Aber schließlich behalten es die Amerikaner doch und lassen Lärmschutz­ fenster einbauen. Zwischen 1980 und 1981 errichtet die Bundesvermögensverwaltung 94 Drei-Zimmer-Wohnungen und 141 Tiefga­ ragenplätze für amerikanische Soldaten an der Schwabacher Straße gegenüber dem Lohnert-Sportplatz. Einige Reihenhäuser für Soldatenfamilien entstehen auf der Hardhöhe an der Lilienthalstraße. Im März 1982 erwei­ tern die Amerikaner die High-School für sech­ zehn Millionen Mark, neben einer Sporthalle und einer Bibliothek werden zusätzliche Klas­ senräume angebaut. Brigadegeneral Shalikashvili eröffnet im Dezember 1985 ein Therapiezentrum für behinderte Kinder an der Fronmüllerstraße, direkt neben der High-School. Ein ehemaliges Schülerwohnheim ist behindertengerecht umgestaltet worden und 20 Fachkräfte, vom Augenarzt bis zum Psychologen, betreuen die Kinder, die in den nahegelegenen Schulen unterrichtet werden, außerhalb der Schulzeit. Ebenfalls 1985 wird endlich das völlig veral­ tete Telefonnetz durch ein neues der Firma Siemens ersetzt, das wiederum in das interne amerikanische „European Telephone System" eingebunden ist. Das alte Netz mit dem Spitznamen „Hitler s Revenge" (Hitlers Rache) ist noch von der Wehrmacht installiert wor­ den und ist extrem störanfällig gewesen, vor allem nach Regenfällen. Dann „war nämlich das Rauschen des Wassers in der Leitung zu hören".

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Ein Jahr später, also 1986, beginnen die Amerikaner mit der Erweiterung ihres Kauf­ hauses, dem PX, und ihres Lebensmittel­ marktes, dem Commissary. Der Lebensmit­ telmarkt, bisher noch am rechten Flügel des Altbaus untergebracht, zieht in einen für sechzehn Millionen Mark hochgezogenen Neubau auf dem gegenüberliegenden Gelände ein der Weddstraße, auf dem bisher nur Behelfsbauten gestanden haben. Das Fürther Commissary wird übrigens im September 1993 bereits zum fünften Mal als der beste Army-Großmarkt in Europa ausgezeichnet. Rund fünfzehn Millionen Mark lassen sich die Amerikeiner 1987 die Erweiterung des Shop­ ping Center um 24.000 Quadratmeter zur Leyher Straße hin kosten. Zusätzlich werden etwa 700 Parkplätze neu angelegt. Eine immer wieder geforderte Tiefgarage scheitert sm der Finanzierungsfrage. Etwa 120.000 amerikanische Kunden aus gsmz Nordbayem besuchen monatlich das große Einkaufszentrum. Rund zwanzig Pro­ zent der Waren, hauptsächlich Lebensmittel, sind deutschen Ursprungs, deutsche Kon­ zessionäre betreiben in der Lobby angesie­ delte Läden wie das Schuhgeschäft, die Rei­ nigung, den Fotoladen, die Schmuckhand­ lung und den Möbelmarkt. Um das Zentrum herum ist ein richtiges Klein-Amerika entstanden. Fast-Food-Ketten, Reinigungen und Autohändler werben auf typisch amerikanische Weise um ihre Kun­ den. Das durch den Wegfall von Zollgebühren und Mehrwertsteuer meist sehr preisgünstige Angebot richtet sich ausschließlich an ameri­ kanische Soldaten und ihre Familienangehö­ rigen. Die Amerikaner würden aus Rentabili­ tätsgründen zwar gerne auch an Deutsche verkaufen, aber der deutsche Zoll hat ein wachsames Auge und ist fast jeden Tag an der Waldstraße präsent. Amerikanisches Per­ sonal kontrolliert beim Betreten der Läden die Kaufberechtigung anhand der ID-Karte und Kunden, die größere Gegenstände auf Spedi­ tionslastwagen mit deutschen Kennzeichen verladen, sehen sich selbst vor den Gebäuden noch neugierigen Fragen deutscher Zollbeam­ ter ausgesetzt. Die deutschen Beschäftigten, die einen eigenen Dienstausweis besitzen, dürfen zwar Getränke und Essen zum soforti­ gen Verzehr kaufen, nichts jedoch mit nach Hause nehmen. Nicht bekannt ist, in wel­ chem Umfang Amerikaner Waren „auf Bestel­ lung" erworben und dann privat an Deutsche weiterverkauft haben. Wegen des eingeschränkten Kundenkrei­ ses sind die amerikanischen Geschäfte nicht

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an die deutschen Ladenschlußzeiten gebun­ den. Durch den langen Dienst oder nach einem Manöver kommen die Soldaten erst abends oder am Wochenende zum Einkäufen, außerdem sind sie längere Öffnungszeiten aus den USA gewohnt. Deshalb ist an Wochentagen bis 20 Uhr, an Sonntagen bis 18 Uhr geöffnet, was nicht gerade zur Freude der umliegenden Anwohner beiträgt, denn vor allem zum Monatswechsel oder nach einem Manöver bricht schon öfters einmal der Ver­ kehr an Wald- und Fronmüllerstraße zusam­ men. Weitere Investitionen tätigt die amerikani­ sche Armee bei der Renovierung ihres Per­ sonalbüros an der Steubenstraße im Jahr 1987 (1,1 Millionen Dollar) und beim Neubau der Elementary School und des Kindergar­ tens in der Monteith-Kaserne (zwanzig Mil­ lionen). Hätten die Amerikaner von der wei­ teren weltpolitischen Entwicklung nach 1990 gewußt, wären diese immensen Investitionen sicherlich unterblieben. Amerikanische Armee und Fürther Umwelt Anfangs akzeptieren die Fürther die Un­ annehmlichkeiten in Zusammenhang mit der Stationierung von Soldaten mitten in der Stadt mehr oder weniger klaglos. Man hat schließlich andere Sorgen gehabt und sich selbst auch nicht um Lärm- oder Umwelt­ schutz gekümmert. In den siebziger Jahren hat die deutsche Bevölkerung einen gewissen Wohlstand erreicht, die Gestaltung der Frei­ zeit gewinnt an Wert. Die Ölkrisen machen bewußt, daß man die Umwelt nicht unbe­ grenzt ausbeuten kann, sondern sie pfleglich behandeln muß. Erste Proteste gegen von Amerikanern verursachten Lärm, die auch in die Zeitung gelangen, werden in Fürth 1974 gemeldet. Die Anwohner rund um die Monteith-Kaserne ärgern sich über das Gedröhn bei Autoren­ nen. Damit sind nicht die Slalom-Wettbe­ werbe gemeint, die der ADAC anläßlich der deutsch-amerikanischen Freundschaftswoche in den siebziger Jahren auf der Landebahn veranstaltet. Vielmehr führen die Gis in ihrer Freizeit Sandbahnrennen mit getunten VWKäfern durch, die viel Lärm machen und noch mehr Staub aufwirbeln. Doch der Kom­ mentator K. M. der „Fürther Nachrichten" meint: .... Man kann Soldaten, deren Kampf­ geist nicht leiden soll, nicht systematisch zu Golfspielern und Babysittern erziehen. Etwas kämpferischer Wagemut soll es schon sein und wenn er in solche Sandbahnen gelenkt

wird, ist das besser, als wenn er sich in Wirtshausstreitereien entlädt. ... Und sicher werden die Anwohner weniger belästigt, als zu der Zeit, als hier noch Panzer übten und Flugzeugmotoren dröhnten." Drei Jahre später, im Jahr 1977, nehmen die Proteste der Südstadtbewohner gegen die dortige Lärmbelästigung zu. Die Darby-Kaserne hat vier Ausfahrten, je eine an der Flößaustraße, der Steubenstraße, der Sonnenstraße und der Balbiererstraße. In der Kaserne sind Panzerkampftruppen stationiert, einige Fahr­ zeuge müssen wegen der ständigen Bereit­ schaft ihre Motoren Tag und Nacht warmlau­ fen lassen. Verladearbeiten werden durchge­ führt, oft auch des Nachts. Fahren die Panzer zu Übungen, rattern sie über das Kopfstein­ pflaster der umliegenden Straßen und verur­ sachen durch die Erschütterungen Risse in den Hauswänden. Am 5. Juli 1977 verdichten sich die Proteste der Anwohner zu einer ein­ stündigen Blockade: „Den Bewohnern in der Südstadt, vor allem denen in der Flößaustraße, riß gestern der Faden ihrer Geduld. Als wieder einmal Panzerhaubitzen sowie Schützenpanzer gegen 15 Uhr durch die Flößaustraße zum Eingang der Willi­ am O. Darby-Kaserne rollten und ihre Woh­

nungen erbeben ließen, blockierten sie die Einfahrt zur Kaserne mit einem Personen­ wagen. Davor stellten sich die empörten An­ wohner in einer Gruppe den Panzerunge­ tümen in den Weg, einer von ihnen legte sich sogar vor die Ketten des ersten Fahrzeuges." Der Protest richtet sich ausdrücklich nicht gegen die amerikanischen Soldaten. Die Stadtverwaltung wird aufgefordert, „ohne be­ schwichtigende Einlassungen" möglichst bald Abhilfe zu schaffen. In einer weiteren Aktion am 30. November 1978 verteilen die Lärm­ geschädigten Lebkuchen und Flugblätter an die Truck-Lenker, die gebeten werden, mit möglichst sanftem Gasfuß zu fahren. Tat­ sächlich wirbeln die Aktionen einigen Staub auf. Der Stadtrat beschließt, eine Delegation zum Hauptquartier des VII. Corps nach Stutt­ gart zu schicken. Lärmpegelmessungen wer­ den durchgeführt (und bestätigen den außer­ gewöhnlich hohen Geräuschpegel), sogar der bayerische Ministerpräsident Alfons Goppel wird eingeschaltet. Das bereits damals üb­ liche Hickhack zwischen den Stadtratsfrak­ tionen und Landtagsabgeordneten um die jeweiligen Versäumnisse und Erfolgsmeldun­ gen ist traurig mitanzusehen. Jedenfalls wer­ den Bau- und Finanzierungspläne für eine

Im südwestlichen Teil der Monteith-Kaserne veranstalten die Amerikaner in den siebziger Jahren Sandbahnrennen. 141

bereits seit langem vorgeschlagene Kasernen­ ausfahrt an der Ecke Fronmüller- und Son­ nenstraße in Angriff genommen und die USArmee bemüht sich ihrerseits, den Lärm durch Änderungen an den Dienstplänen möglichst zu vermindern. Die Anwohner der Waldstraße werden ob dieser Erfolge ebenfalls „hellhörig". In deren Ecke der Darby-Kaserne befindet sich ein Motorenlager und eine Motorenreparaturstel­ le für ganz Süddeutschland. Emsige Ga­ belstapler mit wenig gedämpften Benzinmo­ toren fahren Tag und Nacht Ersatz- und Schrotteile hin und her, deutsche Feiertage werden nicht respektiert. Die fleißigen Solda­ ten scheinen aufgrund der Anwohner-Be­ schwerden bereits eine „auf den Deckel" bekommen zu haben, denn sie drohen den FN-Fotografen mit der Faust und tragen provokatorisch Gabelstapler-Rennen auf dem Gelände aus. Alle Lärmgeschädigten organisieren sich in einer Aktionsgemeinschaft und treffen sich sinnigerweise - in der Gaststätte „Zapfen­ streich". Erstmals werden dabei auch Klagen gegen die zu laute Musik aus den Soldaten­ quartieren erwähnt. Leider glänzen die Ame­ rikaner und die eingeladenen Stadtoberen, bis auf den DKP-Stadtrat Werner Riedel, durch Abwesenheit. Während bezüglich der neuen Kasernenausfahrt bei der Stadtverwal­ tung wenigstens die Planungen und die Suche nach Geld weitergehen, werden die Gabelstaplerfahrten unvermindert fortgesetzt. Die Nacht zum 25. Januar 1979 bringt schließlich das Faß zum Überlaufen: „Bis 4 Uhr früh fuhren die Gabelstapler auf dem Gelände der Reparatureinheit mit laut auf­ heulenden Motoren hin und her, versuchten Kisten aufzunehmen, schoben sie dann schließlich nach mehreren vergeblichen Ver­ suchen vor sich her und ließen sie dann ein­ fach liegen." Am folgenden Abend schreiten die Betroffenen um 22 Uhr zur Tat: „So rot­ tete sich eine Anzahl Anwohner zusammen und marschierte zum Kasementor an der Steubenstraße, wo die wachhabende Soldatin gleich in ihrem Schilderhäuschen ver­ schwand und herumtelefonierte. Daraufhin kam ein farbiger weiblicher Hauptmann, der sich für die störenden Fahrten nicht zustän­ dig erklärte. Die Anwohner gaben zu erkennen, sie ver­ ließen das Tor nicht, bis die lärmende Fahre­ rei in der Nacht aufhöre; man wolle endlich Ruhe in der Nacht haben. Kurz hintereinan­ der kamen dann vier Polizeiautos, offensicht­ lich von den US-Streitkräften alarmiert, und 142

ein Sergeant gab vor, der Provost Marhall zu sein. Als daran gezweifelt wurde, ernannte er sich flugs zu dessen Vertreter und meinte, die Protestierer sollten doch am nächsten Morgen wiederkommen. Da sie darauf nicht einging­ en, begannen die Amerikaner recht unsanft das Tor zu schließen. Nach längerem Hin und Her gestatteten sie einem Polizeibeamten, dem Dienstgruppenlei­ ter, hereinzukommen. Als er nach zehn Minuten wieder auftauchte, gab er dann die Zusage der Amerikaner bekannt, in dieser Nacht die Fahrerei auf dem Platz neben der Waldstraße einzustellen. ... Und jetzt wartet die ganze Gegend gespannt, was sich an den nächsten Abenden hier tun wird. Wegen der ständigen Ruhestörungen, auch an Samsta­ gen und Sonntagen, sind die Gemüter dort in der Südstadt verständlich erregt." Oberbür­ germeister Kurt Scherzer schreibt einen massiven Protestbrief an den Kommandeur, Brigadegeneral Thomas F. Healy, und Rechts­ referent Alfred Fischer reist diesem sogar ins Manöver nach, um die Fürther Proteste zu überbringen. Schließlich wird die lärmende Einheit, die 42. Instandsetzungskompanie, im Sommer 1979 in die Johnson-Kaserne verlegt und die Anwohner haben endlich Ruhe. Nur im August 1980 werden sie noch einmal kurz aufgeschreckt, als während eines Manövers in der Nacht Panzer auf die Eisenbahn verladen werden. Die Amerikaner entschuldigen sich mit einer organisatori­ schen Panne. Zwischenzeitlich hat im Juni 1979 der Fürther Stadtrat den Bau der Kasernenaus­ fahrt Fronmüllerstraße beschlossen, die USArmee ist einverstanden. Die Baumaßnahme wird teuer, weil zwei Eisenbahngleise zu überqueren sind, eine Ampelanlage und ein schweres Rolltor installiert werden müssen und alles für die Befahrbarkeit durch die mehr als 60 Tonnen schweren Panzer ausge­ legt sein muß. Die Kosten von über 400.000 Mark teilen sich der Bund und die US-Armee je zur Hälfte. Ein Jahr später, im Juni 1980, ist das Tor Ecke Fronmüller- und Sonnen­ straße endlich fertiggestellt. Die Amerikaner sagen zu, es 24 Stunden täglich offen zu hal­ ten und ihren Schwerlastverkehr vorwiegend hier durchzuschleusen. Für die freie Ausund Einfahrt der Panzer müssen allerdings erst die Zufahrtswege verstärkt und drei zusätzliche Wendeplatten innerhalb der Kaserne angelegt werden. „Wir halten diesen Lärm einfach nicht mehr aus!" schallt es nur zwei Monate später dem Fürther Bundestagsabgeordneten Horst

Haase entgegen. Diesmal sind es die Unterfarrnbacher, die die Atzenhofer MonteithKaserne „im Ohr" haben. Tagaus, tagein brummen riesige Stromaggregate im Kaser­ nenbereich und die „Muleskinners" brausen mit ihren schweren Sattelschleppern durch Unterfarrnbach und die Flughafensiedlung; auch emsige Gabelstapler tauchen in den Beschwerden wieder auf. Das Unterstüt­ zungskommando der 1. Panzerdivision ver­ sorgt Truppen in ganz Nordbayern mit Nach­ schub an Lebensmitteln, Panzern, Lkw, Waf­ fen und Ersatzteilen. Monatlich werden mehr als 300 Panzer und 2.500 Lastwagen repa­ riert. Gearbeitet wird an sieben Tagen in der Woche und auch in der Nacht. Bezüglich der Stromgeneratoren reagiert die US-Armee sehr schnell. Bereits im April 1981 erfolgt die Stromversorgung aus dem öffentlichen Netz. Schwieriger ist das Verkehrsproblem zu lösen. Die Monteith-Kaserne ist schon zu der Zeit, als sie noch „Flugplatz Fürth" hieß, ver­ kehrstechnisch schlecht an die Stadt ange­ bunden gewesen. Die Amerikaner nutzen die sowieso schon vielbefahrene Vacher Straße als Verbindung zu den anderen Kasernen. Später wird für sie auch die Mühltalstraße attraktiv, als die Unterfarrnbacher Straße über den Ligusterweg direkt an die Hafen­ straße und damit die Verlängerung der Süd­ westtangente angeschlossen wird. Täglich quälen sich bis zu tausend amerikanische Fahrzeuge durch das noch stark vom land­ wirtschaftlichen Verkehr geprägte Unter­ farrnbach. Eigentlich sind alle politischen Mandats­ träger für die naheliegende Lösung, nämlich eine Kasernenausfahrt zur Hafenstraße, hin­ ter der Landebahn; aber es passiert nichts, da man sich über die Kostenverteilung nicht einigen kann. Erst 1984 kommt wieder Be­ wegung in die Angelegenheit. Mehrere CSUStadträte aus Fürth schildern bei einem Besuch in München dem bayerischen Mini­ sterpräsidenten Franz-Josef Strauß das Pro­ blem, worauf die Staatskanzlei an das ameri­ kanische Hauptquartier in Heidelberg einen Brief schreibt, in dem auch auf die Kostenund Zeitersparnis für die Armee hingewiesen wird. Und im Dezember senden die Kinder der Klasse 6c der Farmbachschule einen Brief an den seinerzeitigen Kommandeur, Brigadegeneral Shalikashvili, mit der Bitte um eine baldige Errichtung der Ausfahrt. Wer schließlich den letzten Anstoß gegeben hat, ist nicht mehr zu klären, aber im Juli 1985 unterzeichnen der General und Oberbürger­ meister Lichtenberg den Vertrag über die

neue Kasernenausfahrt. Die Kosten in Höhe von etwa einer Million Mark teilen sich USArmee, Bund und Stadt. Der Bau geht schnell vonstatten, am 22. November 1985 wird das neue Kasementor, „Farrnbach-Tor" getauft, erstmals geöffnet und bringt eine spürbare Entlastungen. In Unterfarrnbach werden so gut wie keine US-Fahrzeuge mehr gesichtet und auch der Verkehr auf der Vacher Straße läßt deutlich nach. Angesichts der Proteste gegen den Lärm in der Darby- und in der Monteith-Kaserne wol­ len die Anwohner, die gegenüber der John­ son-Kaserne an der äußeren Schwabacher Straße leben, nicht zurückstehen. Im Februar 1979 beschweren sie sich bei der Fürther Polizei über ständig laufende Lkw-Motoren. Die Polizei informiert die Militärpolizei, aber keiner stellt die dröhnende Lärmquelle ab. Die Polizisten suchen nun mit der Militärpoli­ zei - diese hatte vorher angeblich nichts gefunden - nach dem Motor....... Im US-Gelände wurde dann festgestellt, daß der lästige Lärm nicht von einem Lastwagen, sondern von einem Generator kam; von ihm aus führ­ ten mehrere Schläuche in das Innere eines Lkw-Anhängers. Ein MP-Soldat erklärte dazu, daß hier nichts zu machen sei. In dem Anhänger befände sich Ware, die der ständi­ gen Kühlung bedürfe. Gerade, als die Funkstreife nach dieser nicht zu widerlegenden Erklärung wieder ab­ fahren wollte, ging plötzlich die Ladetüre des Anhängers auf, ein US-Soldat schaute ver­ wundert und in Unterhosen heraus. Das war der MP-Streife verständlicherweise sehr pein­ lich und sie stellte den Motor des Generators daraufhin ab. Des Rätsels Lösung: Im Innern des An­ hängers schliefen mehrere US-Soldaten, die wegen der Kälte das sogenannte ,Kühlaggre­ gat' - es lieferte in Wirklichkeit Warmluft eingeschaltet hatten." Doch die Ruhe in der Johnson-Kaserne ist nur vorübergehend. Wir erinnern uns an die nach hierher verlegten Gabelstapler von der Waldstraße, und tatsächlich berichten die „Fürther Nachrichten" am 24. August 1981: .... Gabelstapler, in Tarnfarben gestrichen, rollen über die große Schotterfläche in der Johnson-Kaserne. Ein Konvoi tonnenschwe­ rer US-Sattelschlepper, mit militärischen Gütern (Ersatzteile für Panzer) beladen, biegt von der Schwabacher Straße in den Depotbe­ reich ab. Die Bordwände der Trucks werden mit einem lauten Schlag weggeklappt, die Stapler beginnen mit dem Abladen. PS-starke Motoren heulen auf, .untermalt’ vom monoto-

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Bürgermeister Weidemann und Brigadegeneral Shalikashvili durchschneiden zusammen mit Schulkindern am 22. November 1985 das Band zur Eröffnung des Farmbach-Tores.

nen Brummen der Sattelschlepper ..." Die Anwohner fordern eine Verlegung des Umla­ debereichs in den hinteren Kasernenteil, geben allerdings zu, daß die Kaserne schon längst da war, als sie ihre Häuser gebaut haben. Über den Erfolg des Protestes ist nichts genaues bekannt, etwa 18 Monate später verkündet jedoch Rechtsreferent Alfred Fischer eine deutliche Verbesserung der Lärmsituation um die Johnson-Kaserne. Vermutlich sind die Verladearbeiten hinter die großen Lagerhäuser verlegt worden, außerdem eröffnen die Amerikaner für ihre schweren Sattelschlepper eine zusätzliche Kasernenzufahrt zur Schwabacher Straße südlich des Wohngebietes.

Wie bereits früher erwähnt, ist der Um­ gang der Amerikaner mit Energie und Roh­ stoffen schon immer etwas großzügig gewe­ sen, um das Wort „verschwenderisch" zu vermeiden. Entsprechend groß sind dann die Auswirkungen auf die Umwelt, die erst seit Beginn der achtziger Jahre Beachtung finden. Hauptsorgenkind ist die Beheizung der amerikanischen Gebäude. Die meisten Häu­ ser haben ihre eigenen Zentralheizungsöfen

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im Keller, in denen Kohle verfeuert wird. Spä­ ter werden teilweise Ölbrenner eingebaut, der Umbau wird jedoch nach der Ölkrise 1973 wieder gestoppt. Das ganze System ist perso­ nalintensiv und auch nicht sehr umweltver­ träglich. Die mit Schweröl beheizten Kessel werden nachts angefahren, um die riesigen schwarzen Rußwolken zu verbergen. Und beim Füllen der Öltanks kommt es vor, daß der Fahrer aus Langeweile mal verschwindet, derweil das Öl aus dem bereits vollen Tank sprudelt. Die Kohlebeschickung der Öfen wird von einer deutschen Vertragsfirma wahrgenommen, die darüber klagt, daß die feine Kohle einen zusätzlichen Arbeits­ aufwand mit sich bringt. Die Firma erhält schließlich vor Gericht 1,8 Millionen Mark für Mehrleistungen zugesprochen. Jedenfalls ist ein Ersatz für die veralteten Heizungsanlagen sowohl aus Fürther als auch aus amerikani­ scher Sicht dringend erforderlich. Im Sommer 1984 präsentieren die ameri­ kanischen Behörden dem Fürther Stadtrat erstmals ihre Pläne für eine Erweiterung des Heizwerks an der Fronmüllerstraße um zwei neue steinkohlebefeuerte Heizkessel und eine Umrüstung der drei bisher mit Schweröl

beschickten Kessel ebenfalls auf (amerika­ nische) Steinkohle. Für die Ableitung der Rauchgase ist ein mindestens 61 Meter hoher Kamin vorgesehen. Der Vorschlag stößt im Stadtrat auf einhellige Ablehnung, da im Stadtgebiet eine umfassende Versorgung mit dem relativ umweltfreundlichen Erdgas mög­ lich ist. Zwar sind in den Planungen niedrige Grenzwerte für Schwefel- und Staubausstoß vorgesehen, aber in dem Mitte der fünfziger Jahre entstandenen NATO-Truppenvertrag ist von Emissionswerten keine Rede, die Stadt hätte also keine Möglichkeit, diese zu über­ wachen oder gar einzuklagen. Das Argument der Planer, mit Steinkohle unabhängig vom russischen Erdgas zu sein, wird ebenfalls zu­ rückgewiesen. Erstens sei das Auffüllen der riesigen Kohlehalden im Krisenfall ein großer logistischer Aufwand, zweitens ließen sich Erdöl oder Erdgas auch aus dem Nordsee­ raum beschaffen. Schließlich, so meint der Stadtrat, stelle die Kohleverbrennung eine große Umweltverschmutzung dar, zumal in den Plänen keine Entschwefelungsanlage vor­ gesehen sei. Das einzige Positive an der geplanten Heizzentrale ist, daß sie insgesamt 37 öl- und kohlebefeuerte Einzelheizwerke in den Gebäuden der Amerikaner ersetzen soll. Die Stadt macht gegen die amerikanischen Pläne mobil. Protestschreiben gehen an den bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß, an die Bundesregierung, an die Fürther Bundestags- und Landtagsabgeord­ neten, an das Finanzbauamt und an das Gewerbeaufsichtsamt. Fürth verspricht, die Amerikaner mit Fernwärme aus dem um­ weltfreundlicheren Erdgas zu beliefern und die Versorgung auch in Krisenzeiten sicher­ zustellen. Die Pläne, Vorschläge und Gegen­ vorschläge scheinen ihren aus früheren Ver­ fahren bekannten endlosen Weg zwischen Stadtverwaltung, Aufsichtsbehörden und USHauptquartier in Heidelberg zu beginnen. Das Eintreffen des neuen Standortkom­ mandanten, Brigadegeneral John M. Shalikashvili, im August 1984 verändert die Lage schnell. Shalikashvili, der ebenfalls ein Schreiben der Stadt auf dem Schreibtisch vorgefunden hat, schließt seinen für „Engi­ neering & Housing" zuständigen Ingenieur in sein Büro ein und befiehlt ihm, erst wieder herauszukommen, wenn er eine Rentabili­ tätsberechnung für den Fürther Vorschlag vorweisen kann. Die Berechnung scheint positiv ausgefallen zu sein, denn bereits Ende September 1984 unterzeichnet der General zusammen mit dem erst im Frühjahr gewähl­ ten Oberbürgermeister Uwe Lichtenberg

einen Vertrag, in dem die Fürther Stadtwerke den Amerikanern die jährliche Lieferung von 185.000 Megawatt Fernwärme zusichern. Das entschlossene Handeln des amerika­ nischen Kommandeurs für eine geringere Fürther Umweltbelastung ist besonders hoch zu bewerten, weil sich Shalikashvili gegen die eigene Militär- und Wirtschaftsbürokratie und die starke Lobby der amerikanischen Kohleindustrie hat durchsetzen müssen. Außerdem hat die Entscheidung für die mit Erdgas erzeugte Fernwärme Signal Wirkung für ähnliche Vorhaben in Ansbach und Stuttgart. Im Dezember 1984 zeichnet die Stadt Fürth Shalikashvili mit dem Fürther Umweltpreis aus, den der General prompt für weitere Umweltschutzmaßnahmen stiftet. Später erhält der General noch die bayerische Umweltschutzmedaille, und, als erster Soldat, eine Auszeichnung vom Bund Naturschutz. Bei diesem Anlaß erklärt er: „Mein Beruf ist es, dieses Leben zu schützen. Und dazu gehört auch die Umwelt." Daß der spätere Stabschef der US-Streitkräfte gerade in dieser kritischen Zeit in Fürth ist, muß als ausge­ sprochener Glücksfall gewertet werden. Ein „ Betonkopf' ohne Zivilcourage in dieser Posi­ tion hätte das ganze Projekt zumindest deut­ lich verzögern können. Für Fürth bedeutet die Entscheidung, die Amerikaner mit Fernwärme zu versorgen, daß vier Heizwerke für zusammen 65 Millionen Mark gebaut werden müssen. Allerdings läßt der zehnjährige Abnahmevertrag mit den Amerikanern eine Amortisation erwarten. Als erstes wird am 6. Oktober 1986 das Heizwerk an der Fronmüllerstraße offiziell übergeben. Es ist das größte der vier und versorgt die Darby-Kaserne und die Wohnsiedlung, ein­ schließlich Schulen, Kino und Einkaufszen­ trum mit 50 Megawatt Leistung. In den Gesamtkosten von 35 Millionen Mark sind die Verlegung von 23 Kilometern Rohrleitungen zu den einzelnen Gebäuden und der Bau von 120 Übergabestationen eingeschlossen. „Die Bürger unserer Stadt werden mit Beginn der Heizperiode spürbar merken, welche Entla­ stung das Heizwerk FronmüllerStraße den lufthygienischen Verhältnissen unserer Stadt bringt", verspricht Werksreferent Horst Staackmann. Insgesamt erhoffen sich die Techniker eine Verminderung der Um­ weltbelastung um jährlich 340 Tonnen Schwefeldioxid, 12 Tonnen Stickoxid, 59 Tonnen Staub und 2.000 Tonnen Kohlen­ monoxid. Die Inbetriebnahme des zur gleichen Zeit gebauten, aber wesentlich kleineren Heiz­ 145

werks für die Häuser der Dambacher Offi­ zierssiedlung verzögert sich um etliche Monate, da zwei benachbarte Anwohner, die das Gebäude nicht vor ihrer Haustür haben wollen, Klage beim Verwaltungsgericht Ans­ bach einreichen. Die Nachbarn haben Beden­ ken, daß die Heizzentrale in ihrer Nähe ein bevorzugtes Kriegsziel der Sowjets sein könnte. Da die Beschwerdeführer mit einem Gang durch alle Instanzen drohen, zahlen ihnen die Stadtwerke, die dieses Vorgehen als Erpressungsversuch werten, schließlich weit mehr als eine Million Mark für den Ankauf der beiden Grundstücke. Die beiden letzten Heizwerke werden nach einjähriger Bauphase Anfang Oktober 1988 das erste Mal angeheizt. Die Anlage an der Vacher Straße versorgt die Monteith-Kaserne mit Energie, bei Ausfall der Erdgasversorgung steht ein Vorrat an leichtem Heizöl zur Verfü­ gung. Das Heizwerk für die Johnson-Kaserne steht an der äußeren Schwabacher Straße. Wegen der erweiterten Wasserschutzzone, in der sich das Gebäude befindet, wird für den Notvorrat, auf dem die US-Armee besteht, ein unterirdisches Flüssiggaslager hinter dem Bau angelegt. Die vier Heizwerke beeinträch­ tigen mit Sicherheit die Fürther Luftqualität weniger als die zuerst vorgesehene Lösung. Die problemlose Realisierung zeigt, daß die amerikanischen Behörden bereit sind, ihren Beitrag zum Umweltschutz des Gastlandes zu leisten. Im Vergleich zu den fünfziger und sechzi­ ger Jahren sind die Amerikaner deutlich um­ weltbewußter geworden. Die US-Armee führt eigene Energiesparprogramme durch. Work­ shops, Informationstafeln, Flugblätter und Zeitungsartikel bringen die Soldaten und ihre Familien dazu, den Energieverbrauch in Fürth zwischen 1976 und 1986 um zwanzig Prozent zu senken. Weitergehende Maßnah­ men sind die Wärmeisolierung ganzer Ge­ bäude und computergesteuerte Heizungs­ und Klimageräteregelungen. Für uns Fürther unverständlich sind „Überwachungstrupps", die im vierteljährlichen Abstand alle USHaushalte besuchen und den Zustand von Beleuchtung und Wasserhähnen kontrollie­ ren, und Verbrauchslisten in den Häuser­ blocks, die öffentlich den monatlichen Ener­ gieverbrauch jeder Familie ausweisen. Die Maßnahmen zeigen jedoch große Er­ folge, denn 1987 belegt die „Nürnberg Military Community" beim Energiesparwettbewerb aller europäischen Militärstandorte den mit 500.000 Dollar dotierten ersten Platz. Ein

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halben Jahr später kann sich der Fürther Kommandeur, Brigadegeneral Paul R. Schwartz, im amerikanischen Verteidigungs­ ministerium sogar den Preis für den „Welt­ meistertitel" abholen. Von 1986 bis 1987 sinkt der Energieverbrauch der Amerikaner in Fürth um weitere 5,6 Prozent, was einer Einsparung von 445.000 Dollar entspricht. Wieder geht der „Europatitel der Energie­ sparer" nach Fürth. Allerdings scheinen die amerikanischen Verantwortlichen manchmal nach dem Motto „Gewinnen um jeden Preis” zu handeln, denn sie drehen die neuen Heiz­ werke auf Sparflamme. Als Folge beschweren sich im Oktober 1988 die deutschen Zivilbe­ schäftigten über Bürotemperaturen von drei­ zehn Grad Celsius und die „Fürther Nach­ richten" schreiben: „Vielleicht sollte die Stadt Fürth, derzeit auf der Suche nach Kandida­ ten für den Umweltschutzpreis, auch heuer wieder die Army berücksichtigen ... Denn wer gar nicht oder nur wenig heizt, verpestet auch die Luft mit Schadstoffen nur gering­ fügig. Von der Prämie kann die Army ihren einigen tausend Arbeitern und Angestellten ja dann schöne Pudelmützen und Schals stricken lassen. In Tarnfarben, versteht sich." Auch 1989 wird die „Nürnberg Military Community" als „beste Militärgemeinde Eu­ ropas" ausgezeichnet, unter anderem wegen der erfolgreichen Energiesparmaßnahmen. Im folgenden Jahr erhält die Garnison NürnbergFürth einen mit 100.000 Dollar dotierten Preis für die „besonders herausragenden Lei­ stungen zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensqualität ihrer Soldaten und Zivilange­ stellten und deren Angehörigen." Mit der Reduzierung des Müllaufkommens tun sich die Amerikaner deutlich schwerer. Textilien, Holz, Pappe und Schrott aus den Kasernen werden bereits frühzeitig über deutsche Verwertungsfirmen entsorgt, ebenso Kantinenabfälle. Das gleiche gilt für Batterien und Altöl. In der Johnson-Kaserne tragen die Amerikaner 1981 das ölverseuchte Erdreich des ehemaligen Schrottplatzes und Autofried­ hofs ab, entsorgen es regelgerecht auf dem Schwabacher Sondermüllplatz und betonie­ ren das Areal. Die Abstellplätze und Tankan­ lagen werden mit Ölabscheidern ausgerüstet und die Waschanlagen verfügen über geschlossene Wasserkreisläufe. Seit 1978 leisten sich die amerikanischen Streitkräfte in Mittelfranken sogar einen Umweltschutz­ beauftragten. Die amerikanischen Haushalte sind dagegen trotz vieler Appelle der Fürther Stadtverwaltung und trotz aufgestellter „grü­ ner Zigarren" kaum dazu zu bewegen, Glas,

Metalldosen und andere Wertstoffe zu trennen. Der gesamte Müll - 1987 immerhin 5.500 Tonnen - wird von den Amerikanern in eigenen Müllfahrzeugen gesammelt und in der Zirndorfer Müllverbrennung verbrannt. Viele Fürther werden sich noch an die häßli­ chen weißen Lastwagen erinnern, die mit den nach oben vorstehenden Gabeln wie riesige Insekten ausgesehen haben. Mit dem Abzug der Amerikaner in den neunziger Jahren wird auch die Fürther Müllmenge abnehmen.

Die früher so häufig gemeldeten Brände werden ab Mitte der siebziger Jahre seltener. Trotzdem müssen die Amerikaner noch manchmal die Fürther Feuerwehr rufen. Im Januar 1979 beispielsweise ist nämlich die deutsche Flagge vor dem amerikanischen Hauptquartier in der Darby-Kaserne am Mast festgefroren. Die Drehleiter der Feuerwehr wird angelehnt und ein Soldat, gesichert von einem Feuerwehrmann, läßt es sich nicht nehmen, das Flaggentuch zu lösen. Die geduldige Feuerwehr wiederholt sogar die ganze Prozedur, da der Bildreporter der Sol­ datenzeitung nicht rechtzeitig „zum Schuß" gekommen ist. Im Jahr 1979 löscht die Feuerwehr klei­ nere Brände in der Wohnsiedlung und in der Darby-Kaserne. Und in der Johnson-Kaserne brennt am 8. September 1981 eine Well­ blechhalle. Um es der Feuerwehr nicht ganz so einfach zu machen, lagern in der Halle Chemikalien und für die Löscharbeiten gibt es auf dem gesamten Kasemengelände nur vier Hydranten, so daß Schlauchlegen ange­ sagt ist. Genau zwei Monate später wiederholt sich das Ganze in der Monteith-Kaserne, lediglich befinden sich statt der Chemikalien vier gefüllte und bereits angeschwollene Ben­ zinkanister in der brennenden Werkstatt­ baracke. Die Fürther Feuerwehr „evakuiert" die Kanister rechtzeitig vor dem Platzen. Am 14. Januar 1983 ist die Darby-Kaserne mit einem Brand an der Reihe. In einem Unter­ kunftsraum, der völlig ausbrennt, entsteht ein Schaden von rund 70.000 Mark. Auch hier gibt es ein Handikap für die Feuerwehr: direkt unter dem Brandherd ist Munition gelagert. Eine Ausbreitung des Brandes kann verhindert werden. Nun ist die Fürther Feu­ erwehr gut trainiert und der nächste Schwie­ rigkeitsgrad kann angegangen werden. Knapp vier Wochen später ist es bereits soweit. Die Amis lassen die Flammen in einer Waffen­ kammer im Keller der Johnson-Kaserne lodern, neben Munition sind im Raum, man glaubt es kaum, auch Gasflaschen gelagert.

Die Fürther Feuerwehr zeigt sich mit lediglich fünf Liter Wasser und einer Kübelspritze auch hier Herr der Lage. Der Einsatz ein Jahr später, am 11. April 1984, gestaltet sich schon schwieriger. Wie­ der brennt es in der Johnson-Kaserne, wieder im Keller und wieder ist dort Munition gela­ gert. Die tapferen Wehrmänner kämpfen sich durch den Qualm bis zum Brandherd vor, der hinter einer abgesperrten Tür vermutet wird (nächster Schwierigkeitsgrad!). Diese wird aufgebrochen und das Feuer, das glückli­ cherweise noch nicht auf die Munition über­ gegriffen hat, mit zwei Rohren bekämpft und bald gelöscht. Immerhin dauert der Einsatz fast zwei Stunden. Als Brandursache werden Schweißarbeiten an der Heizungsanlage ver­ mutet. Gefahrloser ist der nächste Einsatz der Fürther Wehrmänner in Zusammenhang mit Amerikanern, als am 4. August 1984 auf dem Festplatz des deutsch-amerikanischen Volksfestes eine 350.000 Mark teure Kegel­ bahn, vermutlich durch einen Kurzschluß, in Brand gerät. Ein Übergreifen des Feuers auf andere Buden kann verhindert werden, obwohl nur die halbe Löschmannschaft zur Verfügung steht, da gleichzeitig in der Lotharstraße ein weiterer Brand ausgebrochen ist (höchster Schwierigkeitsgrad!). Gönnen wir den Feuerwehrmännern nun eine Verschnaufpause, allerdings nur bis zum 17. Juni 1986. Auf dem Kasernengelände an der äußeren Schwabacher Straße brennen zwar nur Altmöbel. Dafür hat der Stapel mit 30 mal 100 Metern wahrhaft amerikanische Ausmaße und der riesige Rauchpilz alarmiert sogar die Nürnberger Kollegen, die allerdings nicht eingreifen müssen. Beim nächsten Ein­ satz schreiben wir bereits den 28. August 1988, die Feuerwehr hat also wieder zwei Jahre „Pause" gehabt. Es gilt, den brennen­ den Dachstuhl des Gebäudes der Militärpoli­ zei in der Darby-Kaserne zu löschen. Mit zwei Drehleitern und vier Stoßtrupps wird das Feuer bekämpft und schließlich unter Kon­ trolle gebracht. Gerümpel und Lackeimer auf dem unzugänglichen Dachboden erschweren die Brandbekämpfung. Beim Ablöschen ent­ decken die Feuerwehrleute in einer Ecke einen ganzen Stapel verkohlter Munitions­ kisten. Als Brandursache wird vermutet, daß das Schild an der Bodentür „No Smoking Or Open Flame" (Rauchen oder offenes Feuer verboten) nicht gelesen worden ist. Die in den früheren Jahrzehnten so lästi­ gen Verkehrsbehinderungen durch Panzer und Sattelschlepper nehmen in den achtziger 147

Der Dachstuhl des MP-Gebäudes nach dem Brand am 28. April 1988.

Jahren deutlich ab. Die schweren Fahrzeuge fahren nicht mehr durch die Innenstadt, son­ dern nutzen die neuen Kasernenausfahrten und die Südwesttangente oder sie werden auf die Eisenbahn verladen. Die amerikanischen Streitkräfte sind die größten Kunden der Deutschen Bundesbahn in Nordbayern. Trotzdem ist der amerikanische Fährbe­ trieb noch sehr umfangreich. Der „Transpor­ tation Motor Pool", die Fahrbereitschaft, be­ schäftigt über hundert deutsche Fahrer, die zusammen mit abkommandierten Soldaten etwa 350 bis 400 Fahrzeuge bewegen, vom Pkw bis zum Bus. Täglich sind etwa 3.500 amerikanische Schulkinder in die Südstadt zu bringen, eine eigene Buslinie verbindet die verschiedenen amerikanischen Einrichtungen zwischen Schwabach und Herzogenaurach. Ab den achtziger Jahren übernehmen deut­ sche Vertragsfirmen die Schulbusfahrten, was die Armee etwa neun Millionen Mark jährlich kostet. Immer wieder Anlaß zur Klage gibt der Vandalismus in den Bussen, Polster werden aufgeschlitzt, Scheiben zertrümmert und Mitfahrer verprügelt. Auch als Aufsichts­ personen mitfahrende Eltern sind machtlos, die Sprößlinge beherrschen bereits hervorra­ gend die Klaviatur der Rang- und Rassenun­

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terschiede und spielen die Eltern gegeneinan­ der aus. Die amerikanischen Dienststellen kaufen ab den siebziger Jahren für den Transport ihrer Waren vermehrt deutsche Autos auf der Basis handelsüblicher Zivilfahrzeuge. Diese werden in deutschen Werkstätten gewartet und sorgen dort für eine gleichbleibende Grundauslastung. Die Lärm- und Qualmbe­ lästigung wird durch die abnehmende Zahl der schweren Militärfahrzeuge geringer, zudem sind diese jetzt leiser und qualmen mit Filter. Trotzdem fließen aus den Zapfsäulen der Darby-Kaserne täglich etwa 10.000 Liter Diesel und 4.000 Liter Benzin in die Tanks. Eine Prüfstelle in der Darby-Kaserne un­ tersucht jährlich die Privatautos der Soldaten auf technische Mängel. Allerdings scheitert das Bestreben der Bayerischen Landesregie­ rung, den deutschen TÜV für die „Vehicle Inspection" einzuspannen, am Widerstand der Amerikaner. Die Untersuchungen fallen weni­ ger streng aus, weshalb die Unfallursache „technisches Versagen" bei Unfällen mit amerikanischer Beteiligung häufiger anzu­ treffen ist. Deswegen haben die Amerikaner manchmal Probleme, einen deutschen Versi­ cherer für die unbedingt notwendige Haft­ pflichtversicherung zu finden. Eine Steuer wird für die amerikanischen Autos nicht erhoben. Die Kennzeichen der amerikanischen Autos werden von der Hauptstelle in Heidel­ berg verwaltet. Wegen der Gefahr von An­ schlägen auf Amerikaner und ihre Einrich­ tungen durch Terroristen können deutsche Kennzeichen beantragt werden. Gerade das Fürther Kennzeichen ist bei bestimmten Sol­ daten besonders beliebt. Schon die Kombi­ nation FÜ, wobei der Umlaut großzügig als U gelesen wird, läßt sich mit „L.m.a.A." über­ setzen, noch eindeutiger ist jedoch „FÜ-CK". Allerdings wird diese Gelegenheit, ein deut­ sches Kennzeichen zu verwenden, wegen der damit notwendigen deutschen Versicherung wenig genutzt, außerdem kann der Fahrer dann nicht mehr das billige Benzin an den amerikanischen Tankstellen tanken. Jeder in Deutschland stationierte Soldat oder dessen Angehöriger, der hier Auto fah­ ren will, muß einen Militärführerschein be­ antragen und eine Prüfung absolvieren. Im Fürther Büro, dem größten Europas mit acht Angestellten (1981), werden die Sehtests und Fahrprüfungen für Zivil- und Militärfahrzeuge und für Busse durchgeführt. Neuankömm­ linge werden auf die Besonderheiten des

deutschen Straßenverkehrs hingewiesen, wobei den Amerikanern besonders das „Rechts vor Links" Schwierigkeiten bereitet. Etwa drei Viertel aller Unfälle dieser Art auf dem Gebiet der „Nürnberg Community" pas­ sieren mit amerikanischer Beteiligung. Die Gruppe mit der höchsten Unfallhäufigkeit ist übrigens die Militärpolizei! Das Schalten ist für die automatikgewohnten Autofahrer aus Übersee ebenfalls problematisch. Mehr als einmal taucht in der Führerscheinstelle ein ratloser Gl mit einem abgebrochenen Schalt­ hebel in der Hand auf. Die Durchfallquote beträgt bei den Prüfun­ gen demgemäß mehr als sechzig Prozent. Die Tests können aber bis zu dreimal im Jahr wiederholt werden und selbst 1994, das Büro ist mittlerweile auf den Chef, Karl-Heinz Bauer, zusammengeschrumpft, werden noch fast 3.400 Führerscheine ausgestellt. Wollen die Amerikaner übrigens im europäischen Ausland Auto fahren, müssen sie beim Fürther Straßenverkehrsamt einen Interna­ tionalen Führerschein beantragen.

Deutsch-amerikanische Kontakte Die Verbindungen zwischen den amerika­ nischen und den Fürther Behörden be­ schränken sich nicht auf das für das Zusam­ menleben notwendige Tagesgeschäft. Wie frü­ her erwähnt, sind die Amerikaner Kunden der Stadtwerke, es bestehen dienstliche Kon­ takte zu Polizei, Feuerwehr, Bundesbahn und anderen Ämtern. Mit Bundeswehreinheiten gibt es Partnerschaften. Darüber hinaus trifft „man" sich bei Neujahrsempfängen, Ehrun­ gen und Verabschiedungen. Sicherlich wer­ den bei diesen Begegnungen viele Probleme über den kleinen Dienstweg gelöst. Der gegenseitige Respekt ist immer vorhanden, auch wenn je nach Mentalität, Charakter und „Chemie" der Beteiligten die Kontakte herzli­ cher oder distanzierter ausfallen. Über die vielen Jahre der Stationierung gesehen, sind die Beziehungen zwischen deutschen und amerikanischen Stellen in Fürth problemloser als in vielen anderen Städten mit amerikani­ schen Truppen. Dieses gute Verhältnis wird beispielsweise dokumentiert durch die Verleihung des „USAREUR Community Project Partnership Award" an Oberbürgermeister Lichtenberg im Juni 1987. Die hohe Auszeichnung der USArmee erhält der OB nicht nur für sein per­ sönliches Engagement, sondern auch stell­ vertretend für den Stadtrat, die Stadtverwal­ tung, die Vereine und die einzelnen Bürger

Fürths, die die Integration der amerikani­ schen Soldaten unterstützt haben. Neben den Behörden pflegen die verschie­ denen Schuleinrichtungen beider Nationen einen engen Kontakt. Die Grund- und Ober­ schulen besuchen sich gegenseitig, wobei beide Seiten trotz oder gerade wegen der unterschiedlichen Systeme viel voneinander lernen können. Zudem beschränken sich diese Begegnungen nicht auf die Lehrer, die Schüler (innen) werden mit einbezogen. Bei einem von der High-School angestoßenen Projekt leben deutsche und amerikanische Schüler(innen) sogar jeweils eine ganze Woche bei einer Gastfamilie der anderen Nation. Anders als im deutschen Schulsystem ver­ bringen die amerikanischen Kinder - und da­ mit auch die Lehrer - einen vollen Achtstun­ dentag an der Schule. Die Lehrer sind als „Public Law Employees" Beamte des amerika­ nischen Verteidigungsministeriums, einem Offiziersrang vergleichbar, besitzen aber nicht das gleiche gesellschaftliche Ansehen (und auch nicht die Bezahlung) wie deutsche Leh­ rer. Mit etwa 190 Vollzeit- und 50 Teilzeit­ kräften (1979) stellen sie die größte Gruppe der amerikanischen Zivilbeschäftigten. Zwar sind die Arbeitsplätze gesichert, die Armee zahlt Umzüge und alle zwei Jahre einen Flug in die USA, ansonsten gibt es aber zwischen den Lehrern und den Militärs nur wenige Kontakte. Auf den Lehrplan übt das Verteidi­ gungsministerium keinen Einfluß aus, er gilt weltweit für alle ausländischen amerikani­ schen Einrichtungen. Allerdings besteht für die Schüler die Möglichkeit, freiwillig am „Reserve-Officers-Trainings-Corps" teilzuneh­ men. Unter der Anleitung militärischer Aus­ bilder üben die Schüler eine Stunde pro Tag „Griffeklopfen" und werden in Wehrkunde unterrichtet. Weitere Kontakte zwischen Deutschen und Amerikanern werden durch die kirchlichen Einrichtungen und auf kultureller Ebene ge­ pflegt. Daneben unterstützen die Amerikaner des 47. Medizinischen Bataillons die Wasser­ wacht bei Übungen und Einsätzen, im Gegen­ zug bildet die Wasserwacht US-Soldaten zu Rettungsschwimmern aus. Die sportlichen Kontakte ergeben sich zwi­ schen Amerikanern und Fürthern eher spora­ disch. Obwohl Verbindungen zum Stadtaus­ schuß für Leibesübungen vorhanden sind, stehen einem regen Kräftemessen beider Nationen mehrere Umstände entgegen. Zum einen gibt es kaum gemeinsame Lieblings­ sportarten, außerdem ist das Sportangebot

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an die Soldaten und ihre Angehörigen inner­ halb der „Community" ausreichend. Der schnelle Truppenwechsel verhindert zudem den kontinuierlichen Aufbau gegenseitiger Beziehungen und häufig müssen die Ameri­ kaner fest vereinbarte Veranstaltungen kurz­ fristig absagen, weil irgendein Offizier die Sportler lieber im Manöver sehen will. In den siebziger und achtziger Jahren star­ ten die amerikanischen Streitkräfte immer wieder Weihnachtsaktionen, bei denen deut­ sche Familien alleinstehende amerikanische Soldaten für einen oder mehrere Weihnachts­ abende bei sich aufnehmen. Bis zu 230 Fa­ milien aus dem Großraum melden sich als Gastgeber. Bei einem ersten Kontakttreffen im Kalb-Club während der Adventszeit wer­ den die Gäste und die Gastgeber miteinander bekannt gemacht. Den Weihnachtsabend er­ lebt der Soldat dann bei der deutschen Fami­ lie, Geschenke werden ausgetauscht. Manche Gastgeber stellen sich jedes Jahr zur Verfü­ gung.

Ein weiteres Bindeglied zwischen Ameri­ kanern und Deutschen in Mittelfranken sind die Freundschaftsclubs. Im Januar 1970 gründet der damalige Fürther Bürgermeister Heinrich Stranka den „Deutsch-Amerikani ­ schen Männerclub von Mittelfranken" (German-American Mens Club of Middle Franconia). Die Clubmitglieder auf deutscher Seite sind Personen des öffentlichen Lebens, der Wirtschaft, der Kultur und der Wissenschaft, auf amerikanischer Seite werden nicht nur die Offiziere, Lehrkräfte und Beamten der „Nürnberg Community" aufgenommen, son­ dern auch Zivilamerikaner, die in der deut­ schen Industrie tätig sind. Die vielen Treffen, Besichtigungen und gemeinsamen Reisen, die der heute noch immer aktive Club unter­ nimmt, tragen viel zum Verständnis der Tra­ dition, der Kultur und der Geschichte beider Nationen bei. Zudem knüpft der Club für viele neu angekommenen amerikanischen Offiziere die ersten inoffiziellen Kontakte zu deutschen Stellen. Etliche Mitglieder des Männerclubs pflegen Kontakte zu ehemals in Fürth stationierten Amerikanern. Das am 5. Juli 1976 vom damaligen So­ zialreferenten Uwe Lichtenberg eröffnete „Sunshine-Haus" ist eine weitere Einrichtung, die sich in Fürth für die deutsch-amerikani­ sche Verständigung einsetzt. Die Mitglieder haben den ehemaligen Kindergarten hinter der Jahntumhalle eigenhändig renoviert und sich als Ziel gesetzt, die zwanglose zweispra­ 150

chige Konversation im Familienkreis für alle Altersgruppen zu pflegen. Außerdem werden amerikanische Austauschstudenten betreut. Nach zwölf Jahren sind die Aktivitäten jedoch zum fast zum Erliegen gekommen, da die amerikanischen Familien kein Interesse mehr am Clubleben zeigen. Das Sunshine-Haus be­ steht heute als rein deutscher Verein fort. Die beständigste Einrichtung im Nürn­ berg-Fürther Raum ist jedoch der „DeutschAmerikanische Frauenclub", der in Fürth starken Rückhalt besitzt und - wie der vorher erwähnte Männerclub - immer noch aktiv ist, jetzt allerdings mit internationaler Ausrich­ tung. Der Frauenclub ist bereits am 15. März 1949 gegründet worden, er hat sich zum Ziel gesetzt, den Kulturaustausch, die Jugendar­ beit und den Studentenaustausch zu fördern. In den Hoch-Zeiten der siebziger und achtzi­ ger Jahre gehören je 170 deutsche und ame­ rikanische Frauen dem Club an, er zählt zu den aktivsten deutsch-amerikanischen Ein­ richtungen in der Bundesrepublik. Die Fürther Stadträtin Insea Strobel-Schücking wird 1967 in den Vorstand aller bundesdeut­ schen Deutsch-Amerikanischen Klubs ge­ wählt. Im Jahr 1994 finden die deutsch-ameri­ kanischen Freundschaftswochen zum 40. Mal statt. Als Ort für die bundesweite Eröffnungs­ veranstaltung am 8. Mai ist auf Initiative des Frauenclubs, der auch die Organisation der Feier übernimmt, die Fürther Stadthalle aus­ gewählt worden. Bei dieser Veranstaltung erhält der frühere Außenminister der Bun­ desrepublik Deutschland, Hans-Dietrich Gen­ scher, die Lucius-D.-Clay-Medaille für seine Verdienste um die durch die deutsche Ost­ politik herbeigeführte Wende in Europa. Bei vielen deutsch-amerikanischen Kon­ takten beeinflußt das Engagement des ame­ rikanischen Kommandeurs (bzw. von dessen Ehefrau) bei den Veranstaltungen sehr stark das Verhalten der anderen Amerikaner. Er­ scheint der „Boss" nicht, glänzen deutlich mehr Untergebene durch Abwesenheit. Ge­ rade in einer straffen Militärorganisation ist dieses Verhalten verständlich. In den neun­ ziger Jahren schrumpft der Anteil der Ameri­ kanerlinnen) an den Mitgliedern der Freund­ schaftsclubs wie Eis in der Sonne. Die Clubs versuchen, mehr Zivilamerikaner in ihre Rei­ hen aufzunehmen. Gerade jetzt, wo der bis­ her vorhandene direkte Dialog mit den Ame­ rikanern nicht mehr möglich ist, kommt der Pflege der deutsch-amerikanischen Freund­ schaft eine um so größere Bedeutung zu.

Brigadegeneral Bradshaw und Bürgermeister Stranka nach dem Anstich eines Bierfasses.

Die weltpolitische Lage bleibt zwischen 1977 und 1989 erfreulicherweise ruhig, die Amerikaner führen, von der Eroberung Gre­ nadas 1983 abgesehen, keinen Krieg, aber trotzdem schwappen wieder Wellen von Ge­ walttätigkeiten amerikanischer Soldaten über Mittelfranken hinweg. Schlagzeilen wie „Junge Frau entkam dem Angreifer - Täter lockerte den Würgegriff, „Stockschläge ohne Anlaß", „Gewürgt und Messer an den Hals gesetzt ', „Streit endete mit Griff zum Messer" und „Schon wieder wurde junge Frau über­ fallen - Zudringlicher Gl" tauchen in kurzen Zeitabständen 1980 in den „Fürther Nach­ richten" auf und lassen das Ansehen der Amerikaner in deutschen Augen immer tiefer sinken. Brigadegeneral Michael J. Conrad, der Standortälteste in Fürth, macht weder den niedrigen Dollarkurs noch die Zusam­ mensetzung der Freiwilligenarmee für diese Vorkommnisse verantwortlich: „Grundsätz­ lich muß gesagt werden, daß die Zahl der Straftaten von US-Soldaten über einen langen Zeitraum hinweg auf dem gleichen Stand, und zwar einem relativ niedrigen Stand, geblieben ist. Wenn es dennoch hin und wie­ der zu einer Häufung von Übergriffen kommt, so hat dies, vom Zufall abgesehen, nicht sel­ ten .saisonbedingte' Ursachen. Im Sommer etwa sind eben mehr Leute nachts unterwegs; es gibt mehr Festveranstaltungen; Soldaten, die aus Manövern zurückkehren, neigen eher dazu, über die Stränge zu schlagen. ... Bei

alledem sollte man aber auch nicht verges­ sen, um welchen Personenkreis es sich han­ delt. Bis zu 80 Prozent der Soldaten, die in unseren Kasernen auf engem Raum Zusam­ menleben, sind weniger als 24 Jahre alt, und von diesen ist es wiederum nur ein sehr ge­ ringer Prozentsatz, der überhaupt einmal straffällig wird." Die Amerikaner begegnen diesen Wellen der Gewalt mit verstärkten MilitärpolizeiPatrouillen. Mit welchen Vorkommnissen die Militärpolizisten bei ihrer Arbeit rechnen, wird an den Verhaltensregeln deutlich, die sie einem Reporter der „Nordbayerischen Zei­ tung" erteilen, der sie im Dezember 1976 auf ihrer Streife begleiten will: „Wenn Ihre Beglei­ ter rufen, Sie sollen in Deckung gehen, dann tun Sie das sofort. Hören Sie das Wort .fall', dann werfen Sie sich blitzschnell auf den Boden. Spielen Sie nicht den Helden. Und nun good luck." Neben verstärkten Streifen der Militärpolizei setzen die amerikanische Armee auch sogenannte „Courtesy Patrols" ein. Das sind Angehörige der hier stationier­ ten Einheiten, die ihre „Pappenheimer" genau kennen und mäßigend auf sie einwirken sol­ len. Der schwächere Dollar trägt trotz der ge­ genteiligen Ansicht des Generals zur großen Zahl der Raubüberfälle mit amerikanischer Beteiligung bei. Ein Fall vom 3. Juli 1977 zeigt, welch schlechten Ruf die Soldaten in Fürth genießen. Ein 18jähriger Soldat ent-

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reißt einer alten Dame in der Begonienstraße ihre Handtasche und schwimmt, weil er ver­ folgt wird, durch die Rednitz. Die alarmierten Polizisten kamen .... dem Amerikaner wegen seiner durchnäßten Kleidung schnell auf die Spur, nahmen ihn fest und übergaben ihn, wie auch einen zweiten jungen US-Soldaten, der mit dem Raub zwar nichts zu tun hatte, sich aber auffällig verstecken wollte, der Mili­ tärpolizei." Der zweite Soldat hatte also aus irgendeinem anderen Grund ein schlechtes Gewissen. Etliche Handtaschenräuber treiben in den folgenden Jahren immer wieder ihr Unwesen.

Der Einbruchversuch eines amerikani­ schen Soldaten in ein Gartenhaus an der Vacher Straße am 1. Juli 1977 endet tra­ gisch. Der Soldat durchtrennt sich beim Ein­ schlagen einer Scheibe die Schlagader. Trotz­ dem fährt er solange mit seiner Wühlarbeit fort, bis ihn die Kräfte verlassen und er, von Anwohnern unbemerkt, verblutet. An den Falschen gerät ein 18jähriger Soldat, der im März 1978 einen Passanten aus dem Hinter­ halt anspringt und ihm die Faust auf den Kopf schlägt. Der Passant ist ein Polizeibeam­ ter in Zivil, er überwältigt den Räuber. Drei farbige Soldaten haben es am 3. September 1978 auf Eßbares abgesehen. Sie rauben einem Mann in der Hornschuchpromenade sieben (!) Torten. Sie werden erwischt, als sie später in der Südstadt an abgestellten Autos Antennen abknicken und Außenspiegel abbrechen. Wo die süße Beute verblieben ist, wird im Polizeibericht nicht erwähnt. Im Februar 1979 randaliert ein angetrun­ kener Soldat in einem Straßenbahnwagen der Linie 7 am Bahnhofsplatz und verletzt eine Frau, die daraufhin flüchtet. Jetzt ist der Waggon leer und der Straßenbahnfahrer ver­ riegelt schnell alle Türen, bis die inzwischen verständigte Polizei den Randalierer abholt. Die Soldaten sind bei weiteren Überfällen nicht sonderlich wählerisch. Ein Händler von Holzschnitzereien muß ebenso daran glau­ ben, wie eine Versicherungsagentur und ein Reisebüro in der Flößaustraße. Der Soldat, von dem die „Fürther Nach­ richten" am 31. März 1980 berichten, dürfte eher friedfertiger Natur gewesen sein: „Einen Raubüberfall vermutete wohl ein amerikani­ scher Soldat, als er in die Fürther Polizei­ aktion gegen einen türkischen Rauschgiftring .hineinplatzte' und sich mehreren Männern in Zivil und mit gezückter Pistole gegenübersah. Der 22jährige ließ vor Schreck eine Fla­ sche Whisky fallen und gab sicherheitshalber 152

.Fersengeld'. In der Eile nahm er allerdings nicht den normalen Weg über die Treppe, sondern stürzte kopfüber hinunter. Als er sich wieder aufrappeln wollte, stand schon wieder ein Mann mit vorgehaltenem .Baller­ mann' vor ihm. Das war denn doch zuviel für sein zartes Gemüt: er fiel in Ohnmacht. Wie­ der bei Sinnen, machten ihm die Fahndungs­ beamten erst einmal klar, daß er nicht in die Hände von Gangstern gefallen sei und nichts zu befürchten habe. Der Kommentar des USSoldaten: .Gott sei Dank bin ich bei der Poli­ zei ", Die Soldaten bestellen sich häufig Pizzas, um dem Einerlei des Kasernenessens zu ent­ gehen. Deshalb vermehren sich ab den sech­ ziger Jahren die Lokale und Buden in der Südstadt gewaltig. Zu jeder Tages- und Nachtzeit liefern die fleißigen italienischen Bäcker ihre Waren an die Amerikaner. Was jedoch einem Taxifahrer passieren kann, kann auch einem Pizzabäcker zustoßen: „Bei einer Pizzeria wurde frühmorgens durch einen US-Soldaten fernmündlich eine Pizza zur Lieferung in die Kaserne bestellt. Als der Fahrer dort eintraf, wurde er am Kasernentor bereits von einem Soldaten in Zivil erwartet. Beim Herausgeben des Wechselgeldes entriß dieser dem Boten die Geldtasche und rannte damit in die Kaserne. Als der Fahrer hinter­ herrannte, stellte ihm ein anderer Amerika­ ner ein Bein, so daß er zu Fall kam. Die bei­ den Täter konnten unerkannt im Kasernen­ gelände entkommen." (28. Februar 1978). Damit wären wir wieder bei den Taxiüber­ fällen angelangt. Zwischen 1976 und 1990 nehmen die Übergriffe in richtigen Wellen zu und ab, wobei man ihre Zahl in Relation zu den unzähligen problemlos durchgeführten Fahrten sehen muß. Oft verlassen die Solda­ ten nur fluchtartig das Taxi, ohne zu bezah­ len. Manchmal schnappen sie sich dabei auch noch die Geldbörse des Chauffeurs. In der Mühltalstraße wird 1978 ein Taxifahrer von einem Farbigen von hinten so lange ge­ würgt, bis er die Geldbörse herausrückt. Der Täter verschwindet unerkannt. Ein schwere­ rer Zwischenfall wird im April 1984 gemeldet, als vor der Monteith-Kaserne ein Soldat einem Taxifahrer das Messer an den Hals setzt und die Geldbörse verlangt. Der Über­ fallene kann sich befreien, seine Pistole zie­ hen und den Täter in die Flucht schlagen. Mit mehreren Stichwunden kommt im August 1986 ein Taxifahrer davon, der von seinem amerikanischen Fahrgast auf der Fahrt zur Darby-Kaserne überfallen wird. Die heftige Gegenwehr hat den Täter jedoch vertrieben.

Ein Chauffeur hat viel Glück, als ihm am 14. März 1988 ein 18jähriger angetrunkener Soldat in der Mathildenstraße die Geldbörse raubt und ihm eine tiefe und lange Schnitt­ wunde am Hals beibringt. Ein Kollege kann den Verletzten versorgen und eine zufällig vorbeikommende Zivilstreife der Polizei er­ spurtet den Übeltäter in der Schillerstraße und nimmt ihn fest. Während der erste Mord an einem Taxifahrer in Fürth 1971 mit der damaligen Disziplinlosigkeit und der Drogen­ abhängigkeit der Soldaten erklärt werden konnte, kommt der zweite Mord am 13. Juli 1989 völlig unerwartet. Eine 38jährige Burgfarrnbacher Taxifahrerin wird in der Ost­ straße erstochen aufgefunden. Der 20jährige Täter, ausgerechnet ein Sanitätssoldat, wird später beim Betreten der Johnson-Kaserne festgenommen. Der nicht betrunkene Mann kann keine Gründe angeben, warum er die Mutter eines 13jährigen Mädchens mit acht­ zehn Messerstichen getötet hat. Vor dem drei Monate später stattfindenden Gerichtsver­ fahren gegen ihn wird diskutiert, ob das amerikanische Gericht die in Deutschland nicht zugelassene Todesstrafe verhängen darf oder ob ein deutsches Gericht das Verfahren an sich ziehen soll. Das Urteil für den Sani­ tätsgefreiten lautet schließlich auf Lebens­ länglich. Erfreulicherweise nehmen die Rauschgift­ delikte in der amerikanischen Armee in den siebziger Jahren ab. Sie werden kaum noch in den Nachrichten erwähnt, machen der amerikanischen Militärpolizei aber trotzdem noch Arbeit. Erst 1981 erscheint wieder ein Rauschgiftdelikt eher lustiger Art in der Zei­

tung. Ein farbiger Gl, mit dem die amerikani­ sche Kriminalpolizei wegen anderweitiger Rauschgiftgeschichten noch eine Rechnung zu begleichen hat, wird zwecks Bewährung als Lockvogel eingesetzt und kauft einem anderen Soldaten für 250 Dollar ein Gramm „Heroin" ab. Der Verkäufer wird festgenom­ men und vor dem Fürther Amtsgericht, das sich durch den komplizierten Sachverhalt mühsam durchfragen muß, gleich zweimal verurteilt. Einmal wegen Rauschgifthandels und zweitens wegen Betrugs, weil es sich bei dem „Heroin" lediglich um echt fränkischen Sand gehandelt hat. Viel ernster ist der Vor­ fall im April 1981, als in einer Wohnung in der Magazinstraße ein Händlerring verhaftet wird und Rauschgift für mehr als 100.000 Mark beschlagnahmt wird. Die Weitervertei­ lung an die Soldaten ist von einer 16jährigen amerikanischen Schülerin geleitet worden. Die Belästigung von Frauen durch ameri­ kanische Soldaten bleibt weiterhin ein The­ ma. Des öfteren werden Überfälle, Mißhand­ lungen und Vergewaltigungen gemeldet. Im Frühjahr 1984 versetzt eine ganze Serie von Überfällen durch einen unbekannten Farbi­ gen die Fürther Bevölkerung in Angst und Schrecken. Bis Mai hat der brutale Täter sechs ältere Frauen vergewaltigt und verletzt. Im August 1985 wird gegen 20 Uhr eine Frau in der Friedrichstraße von vier Soldaten in ein Auto gezerrt und trotz heftiger Gegenwehr von einem von ihnen noch während der Fahrt vergewaltigt. In der Saarburger Straße stoßen die brutalen Täter ihr Opfer wieder aus dem Auto.

Der nördliche Teil der JohnsonKaserne im August 1985.

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Normalerweise stillen die Soldaten ihren Drang nach Liebe aber dort, wo ihnen Ent­ sprechendes angeboten wird. Allerdings nut­ zen manche raffinierte „Damen" des Milieus die gutgläubigen US-Boys weidlich aus. Oft wird an die Freigebigkeit der einsamen Sol­ daten appelliert und ewige Liebe versprochen, aber nur solange, wie der Dollarsegen fließt. Ist die Quelle versiegt, wird der nächste Freier ausgenommen. Fast alle diese Fälle werden für immer in den persönlichen Erinnerungen der Beteiligten vergraben bleiben, denn nur wenige Opfer gestehen ihre Naivität der Poli­ zei und nur ganz selten wird ein solcher Vor­ gang aktenkundig. Die „Fürther Nachrichten" melden am 10. April 1979: „Ein junger USSoldat (28) lernte am Samstagmorgen in einem Cafe eine junge Dame namens Patricia kennen. Wenn er ihr die kalte Schulter ge­ zeigt hätte, wäre ihm viel Kummer erspart geblieben. Denn zunächst versprach sie ihm diverse Freuden. Sie wollte ihn mit auf ihr Zimmer nehmen, gab sie vor; sie lockte dem US-Kavalier jedoch unter dem Vorwand, sie müßte erst noch ihre Miete bezahlen, 200 Mark heraus. Doch dieser Betrag genügte ihr noch nicht. Auf dem Wege zur Wohnung in der Stadtmitte verstand sie ihren Begleiter so ,innig' zu umarmen, daß er gar nicht bemerk­ te, wie sie ihm die Brieftasche mit 40 Mark und 45 Dollar aus dem Gewand fischte. Als man das Haus erreichte, in dem sie angeblich wohnte, flüsterte sie ihm zu, sie müßte erst kurz nachsehen, ob ihr Zimmer frei wäre, er möge warten, sie käme gleich wieder zurück. Der US-Soldat wartete vergeblich." Innerhalb der amerikanischen Gemeinde gibt es für die Polizei ebenfalls einiges zu tun. Das riesige Warenangebot und die ver­ gleichsweise laschen Kontrollen verlocken immer wieder zu Diebstählen im PX. Die Fürther Kriminalpolizei ermittelt im Dezem­ ber 1981 gegen 26 dort beschäftigte Zivil­ amerikaner, die mit gefälschten Kassenbele­ gen HiFi-Geräte im Wert von mindestens 300.000 Dollar beiseite geschafft haben. Zweimal, 1982 und 1986, wird die „Nürn­ berg Community" durch Morde an Amerika­ nerinnen aufgeschreckt. Im ersten Fall erwürgt ein in Fürth stationierter Hauptge­ freiter nach einem Streit seine Ehefrau und läßt sie am Main-Donau-Kanal in der Nähe des Eschenausteges liegen, wo sie später gefunden wird. Die zweite Getötete wird im Juli 1986 im Wiesengrund an der Vacher Straße aufgefunden. Wenig später wird der Täter, ein 21jähriger Soldat verhaftet und

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vom US-Militärgericht zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Nach einem der jährlich stattfindenden deutsch-amerikanischen Schlauchbootren­ nen auf dem Main-Donau-Kanal ertrinkt 1987 ein zuschauender Soldat, als er aus Übermut von der Rezatbrücke ins Wasser springt. Nicht aus Übermut, sondern unter Drogeneinfluß steigt ein 18jähriger Soldat am 24. August 1987 auf den 40 Meter hohen Heizungskamin in der Johnson-Kaserne. Da Selbstmordabsichten vermutet werden, stei­ gen ihm zwei mutige Militärpolizisten nach. Sie legen ihm Handschellen an, können den Tobenden aber nicht nach unten bringen. Die Fürther Feuerwehr kommt zu Hilfe, zwei Männer befestigen einen Flaschenzug an der Kaminplattform. Damit wird anschließend ein Notarzt hochgehievt, der dem Ungebärdigen eine Beruhigungsspritze verpassen kann. Wie die inzwischen auf sechs Mann angewach­ sene Turmbesatzung im einzelnen wieder hinabgelangt ist, ist nicht überliefert. Jeden­ falls meint ein Feuerwehrmann: „Luis Trenker hätte seine Freude an der Sache gehabt." Jacques Cousteaeu wäre vermutlich im April 1979 auf seine Rechnung gekommen, als mehrere Soldaten einem Bauwagen, der am Stübelacker abgestellt ist, im Main-Donau-Kanal das Schwimmen beibringen. Wie­ der einmal ist die Feuerwehr gefordert, das Fahrzeug zu bergen. Wenig später schnappt die Polizei einen 20jährigen Gl, der am Koh­ lenmarkt und in der Hirschenstraße über sechs geparkte Autos marschiert ist.

Die Zahl der Verkehrsunfälle mit ameri­ kanischer Beteiligung in Fürth hält sich im betrachteten Zeitraum bis 1989 im üblichen Rahmen. Deshalb sollen an dieser Stelle nur einige besondere Fälle Erwähnung finden. Im Februar 1976 verpassen zwei betrunkene Soldaten mit ihrem schweren Lkw die Links­ kurve zwischen Kirchen- und Rennweg in Oberfürberg. Sie rammen einen Neubau so heftig, daß Flaschen aus den Regalen fallen. Die beiden Gis geben Fersengeld, werden aber bald gefaßt. Ein starkes Stück leisten sich zwei Jahre später zwei andere Soldaten. Sie stehlen einen mit Möbeln beladenen Last­ wagen und brausen durch die geschlossenen Bahnschranken an der Ottostraße. „Die schweren Eisenkonstruktionen der Schran­ ken wurde durch die Wucht des Aufpralls aus der Halterung gerissen und kamen direkt auf den Schienen zu liegen, eine tödliche Gefahr für die Insassen eines sich nähernden Zuges.

Für die einen eine notwendige Übung, für die anderen eine willkommene Hilfeleistung. Die amerikanischen Pioniere planieren das Gelände des Tuspo Fürth (1978).

Der diensttuende Schrankenwärter eilte aber sofort dem Zug aus Würzburg entgegen und konnte ihn noch vor den Hindernissen durch Notsignale zum Halten bringen.'' Das Fahr­ zeug wird sichergestellt, von den Tätern fehlt aber jede Spur. Dagegen wird ein 14jährigen Amerikaner gefaßt, der des Nachts seinem Stiefvater die Autoschlüssel entwendet und mit dessen Straßenkreuzer durch die Südstadt geistert. Mehrere beschädigte Zäune, Ampeln und Autos, darunter eines der Militärpolizei, mar­ kieren seinen Weg, bevor ihn ein Geländer stoppt. Der schlechte Dollarkurs macht die etwa 30.000 Mark Sachschaden nicht gerade erträglicher. Die Hilfsdienste der Amerikaner finden in den letzten Jahren ihrer Anwesenheit seltener Erwähnung. Beispielsweise helfen die Ameri­ kaner der Fürther Arbeiterwohlfahrt 1973

beim Bau ihres Alten- und Pflegeheimes in Burgfarrnbach. Im Sommer 1978 ebnen sie im Rahmen ihrer Manövertätigkeit mit zehn Fahrzeugen das neue Sportgelände des Tuspo Fürth ein und sparen dem Verein damit 80.000 Mark. Vielen Fürthern wird die Hilfeleistung des 16. Pionierbataillons beim Dambacher Brükkenbau noch in Erinnerung sein. Nur sieben Wochen nach der überraschenden Sperre der morschen Dambacher Brücke im Juli 1986 werden zwei Behelfsbrücken aus einem ame­ rikanischen Depot herantransportiert, inner­ halb weniger Tage montiert und über die Rednitz geschoben. Die Stadt muß nur die Zufahrtsrampen anlegen und den fleißigen Soldaten eine Brotzeit spendieren. Und als zwei Jahre später die neue Betonbrücke fertig ist, bauen die Soldaten die Behelfsbrücken ebenso schnell wieder ab.

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Das 16. Pionier­ bataillon der USArmy beim Bau der Dambacber Behelfsbrücke im Juli 1986.

Amerikanische Soldaten helfen nicht nur, wenn es ihnen befohlen wird. Als 1988 ein 75jähriger Mann vor dem Fürther Haupt­ bahnhof mit einem Herzinfarkt zusammen ­ bricht, beginnt ein zufällig danebenstehender Soldat sofort mit Herzdruck-Massage und Beatmung. Er überbrückt dadurch die Zeit bis zum Eintreffen des Notarztes und rettet dem Rentner damit das Leben.

Ein anderer Soldat verhilft den Fürthern 1979 zu einem neuen Goldenen Schwan. Er

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läßt das wahrscheinlich 300 Jahre alte Prunkstück an der Hausecke der ehemaligen Wirtschaft „Goldener Schwan" am Marktplatz mitgehen. Das am Haus angebrachte Gerüst erleichtert den Diebstahl, wobei zuerst ver­ mutet wird, die Altstadtfreunde hätten den Vogel zu Renovierungszwecken abgenommen. Schließlich wird der ramponierte Vogel knapp drei Monate später zufällig im Schlafzimmer einer US-Wohnung in der Angerstraße wiederentdeckt, als die Polizei den Bewohner wegen eines Verkehrsdelikts befragen will.

„Die Polizisten verkniffen sich die Frage, was das Vieh hier solle, wollten verständlicher­ weise aber wissen, wie es denn hierherge­ kommen sei. Den darauffolgenden Wortkas­ kaden der Dame konnten sie entnehmen, daß man die Figur von einem dieser Tage in die Staaten zurückgekehrten Kollegen ihres Mannes geschenkt erhalten habe." Zwar hegt die Polizei leichte Zweifel an dieser Darstel­ lung, aber bei der Bürgervereinigung ist man froh, den Vogel wiederzuhaben. Gelder wer­ den für die sowieso notwendige Restaurie­ rung gesammelt und bald prangt der Schwan wieder neu vergoldet an der Ecke am Marktplatz.

Die Amerikaner als Arbeitgeber Nach dem freiwilligen Rückzug der Ameri­ kaner in ihre Gettos in den Kasernen und in der Südstadt in den fünfziger Jahren haben nur noch wenige Fürther direkt Kontakt zu ihnen. Neben den Behörden sind es vor allem die Zivilbeschäftigten der US-Armee, die täg­ lich mit „Little America" in Berührung kom­ men. Nach dem NATO-Vertrag müssen alle nichtmilitärischen Tätigkeiten von im Aus­ land stationierten Streitkräften an „local nationals", also an die einheimische Bevölke­ rung vergeben werden. Soldaten werden nicht dafür ausgebildet und bezahlt, daß sie Glüh­ lampen auswechseln oder Kinder anderer Leute betreuen. Für diese - und rund hun­ dert weitere - Tätigkeiten hat die amerikani­ sche Armee allein in der Bundesrepublik fast 60.000 Beschäftigte eingestellt. Etwa 4.000 davon arbeiten in der „Nürn­ berg Community", davon rund 3.000 in der Darby-Kaserne. Damit sind die Amerikaner einer der größten Arbeitgeber in der Stadt. Etliche Zivilbeschäftigte sind zusätzlich im Lagerbereich der Johnson-Kaserne tätig, während es in der Monteith-Kaserne und in den mit Kampfeinheiten besetzten Kasernen in Nürnberg, Erlangen oder Zirndorf weniger sind. Unmittelbar nach Kriegsende sind es vorwiegend Deutsche - Fürther oder Heimat­ vertriebene - und hier seßhaft gewordene Zwangsarbeiter, die bei den Amerikanern Arbeit finden. In der Zeit des bundesrepubli ­ kanischen Wirtschaftswunders, als der Ar­ beitsmarkt leergefegt ist, werden die ersten Gastarbeiter aus Spanien und der Türkei an­ geworben, und 1982 nennt der damalige Per­ sonalleiter Egon Ketz rund vierzig Nationali­ täten, die er zu betreuen hat. Bis 1990 neh­ men die Anteile der südeuropäischen und der amerikanischen Arbeitnehmer ständig zu,

letztere wegen des politischen Drucks aus Amerika, vermehrt Ehegatten von Soldaten sowie pensionierten Soldaten Jobs zu ver­ schaffen. Der häufige Wechsel dieser ameri­ kanischen Zivilangestellten, die dann immer erst neu angelernt werden müssen, wirkt sich negativ sowohl auf die Arbeitsqualität als auch die Moral der übrigen Beschäftigten aus. Mehr und mehr Dienstleistungen wer­ den zudem an Drittfirmen, sogenannte „Contractors", vergeben. Wir finden die Zivilangestellten und -arbeiter in allen Bereichen der „Nürnberg Com­ munity". Die Heizkessel der Häuser werden geschürt, Versorgungsgüter gefahren, Was­ ser- und Elektroleitungen, Autos und Panzer repariert, die Freizeiteinrichtungen und die Finanzen verwaltet, Telefonate vermittelt und selbst ganze Waffensysteme werden durch zivile Kräfte wieder „in Schuß" gebracht. Sie verkaufen das Fleisch im „Commissary", das andere Zivilangestellte zerteilt haben, sie betreuen die amerikanischen Kinder und sie waschen und nähen amerikanische Wäsche. Größere Instandhaltungsmaßnahmen wie die Verlegung von Sanitärinstallationen oder die Durchführung von Bau- und Malerarbeiten werden meistens an mittelfränkische Firmen vergeben. Wie sieht die Einbindung der zivilen Ar­ beitnehmer in das militärische Umfeld aus? Der stellvertretende Kommandeur der „Nürn­ berg Community" ist für die Zivilangelegen ­ heiten zuständig. In der darunterliegenden Ebene sind die Chefs meistens bereits Zivil­ angestellte, so daß der Verwaltungsapparat von den ständig wechselnden Soldaten nicht übermäßig gestört wird. Diese „Power Pro­ curement Officers" müssen Amerikaner sein, da nur diese berechtigt sind, die aus Amerika kommenden Gelder zu verwalten. Dann fol­ gen in der Hierarchie die amerikanischen und deutschen Zivilangestellten. Durch diese Dauerbeschäftigten funktionieren die meisten Einrichtungen reibungslos über viele Jahre, was den neu ankommenden Truppen das Eingewöhnen erleichtert. Nur wenn neu ange­ kommene Offiziere meinen, edles umkrempeln oder unbedingt amerikanische Verhältnisse einführen zu müssen, „knirscht" es in der Verwaltung, bis der Neuankömmling seinen Lernprozeß absolviert hat. Meistens ist die Übergabezeit zwischen den alten und neuen militärischen Stelleninhabern zu knapp be­ messen, als daß eine ordentliche Übergabe durchgeführt werden kann. Für die Verwaltung des Zivilpersonals ist das CPO („Civilian Personnei Office") in der

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Darby-Kaseme zuständig, das bei jeder Neu­ einstellung eine Sicherheitsüberprüfung durchführt. Die Arbeitswelt der bei den Ame­ rikanern Beschäftigten unterscheidet sich wesentlich von der deutschen. Die Sprach­ barriere läßt sich zwar durch den täglichen Umgang mit Englisch schnell überwinden, zumal die Amerikaner generell sehr tolerant gegenüber einem ungenauen Gebrauch ihrer Muttersprache sind. Doch schon die Verwal­ tungsstruktur des Militärs weist gravierende Unterschiede gegenüber der einer Zivilfirma auf, zudem wechseln die Kontaktpersonen häufig. Andersartig sind die amerikanischen Maße und Gewichte, die Normen und Stan­ dards. Deshalb sind die beruflichen Qualifi­ kationen der bei den Amerikanern Beschäf­ tigten nicht mit deutschen zu vergleichen. Allerdings stehen die Arbeitskräfte unter dem deutschen Arbeits- und Sozialrecht. Die erste Betriebsversammlung für die bei den Amerikanern Beschäftigten findet bereits am 3. Februar 1956 statt. Die Tarifverträge wer­ den zwischen der ÖTV, den Streitkräften und dem Bundesfinanzministerium ausgehandelt. Arbeitsrechtliche Meinungsverschiedenheiten werden zwischen dem Arbeitnehmer und der Oberfinanzdirektion und nicht den Amerika­ nern ausgetragen. Im Lohn- und Gehaltsniveau sind zumin­ dest die Arbeiter durch ein umfangreiches Zulagensystem - zeitweise gibt es mehr als 200 Lohngruppen - ihren Kollegen in der deutschen Industrie angeglichen. Die Ange­ stellten dagegen fühlen sich nicht optimal eingestuft, weil die Army beispielsweise Eng­ lischkenntnisse als selbstverständlich vor­ aussetzt. Andererseits ist der Leistungsdruck oft etwas geringer als in der deutschen Indu­ strie, da der Arbeitgeber nicht an einer Gewinnerzielung interessiert ist. Daß die Beschäftigen im allgemeinen gerne bei den Amerikanern arbeiten, läßt sich daraus erse­ hen, daß sie - vor allem in den ersten Jahr­ zehnten - viele Verbesserungsvorschläge machen, für die sie durch ein Prämiensystem belohnt werden. Außerdem ehren die Amerikaner häufig ihre langjährigen Mitarbeiter. Im Jahr 1985 sind es immerhin noch vierzehn deutsche Arbeitnehmer, die von Brigadegeneral Shalikashvili für ihre vierzigjährige Dienstzeit geehrt werden und 1993 - der Stellenabbau ist in vollem Gange - sind noch zwei Mitar­ beiter schon seit 45 Jahren dabei. Daß die Beschäftigten der Amerikaner ge­ nauso wie andere Arbeitnehmer bei verschie­ 158

denen Anlässen ihren Unmut äußern, ist normal. Als im November 1980 Umstrukturie­ rungen der Lohngruppen vorgenommen wer­ den sollen, die Lohneinbußen bis zu zwölf Prozent bedeuten würden, sind die Beschäf­ tigten sehr aufgebracht. Die Fahrer der AAFES-Brotfabrik (AAFES = Army and Air Force Exchange System) in der Darby-Kaserne treten in einen dreistündigen Warnstreik und die Amerikaner in ganz Süddeutschland müssen auf ihre frischen Brötchen und Donuts verzichten. Zwar bessern die Amerikaner geringfügig nach, doch die rund 200 Beschäftigten haben drei Monate später, also Anfang 1981, noch weit schlimmere Sorgen. Die komplette Bäkkerei wird mit allen Maschinen nach Grün­ stadt in der Pfalz verlegt werden und die Arbeiter stehen vor der Wahl, mit umzuziehen oder sich eine andere Arbeitsstelle zu suchen. Ob diese in Amerika getroffene Entscheidung mit dem vorher erwähnten Streik in Zusam­ menhang steht, ist nicht bekannt, aber unwahrscheinlich, da zwei weitere amerika­ nische Bäckereien in der Bundesrepublik ebenfalls zugunsten der Grünstadter Groß­ bäckerei geschlossen werden. Etwa ab Mitte der achtziger Jahre setzt, wie bereits erwähnt, ein schleichender Prozeß des Stellenabbaus deutscher Arbeitnehmer bei der amerikanischen Armee ein. Mehr und mehr Tätigkeiten werden durch amerikani­ sche Firmen, Angehörige von Soldaten oder pensionierte Armeeangehörige erbracht. Besonders erbittert sind die deutschen Ar­ beitnehmer darüber, daß mit den Einsparun­ gen angeblich neue Waffensysteme finanziert werden sollen. Ihr Unbehagen bringen die Vertreter aus ganz Bayern am 20. September 1986 in Fürth bei einer Kundgebung in der Innenstadt zum Ausdruck. Dem folgt keine zwei Monate später wieder ein Warnstreik wegen der im Vergleich zu den anderen Bun­ desländern schlechteren Bezahlung. Und Ende 1987 geben die Amerikaner tatsächlich die Streichung der ersten 202 Planstellen für Zivilbeschäftigte bekannt, darunter sind allerdings auch amerikanische Arbeitnehmer und Zeitarbeiter. Zudem wird die Zahl der zu streichenden Stellen im März 1988 auf 120 reduziert. Dieser kontinuierliche Stellen­ abbau ist aber noch harmlos, verglichen mit der Reduzierung buchstäblich auf Null einige Jahre später.

Torf und Terroristen

Zum Ende dieses Kapitels sollen noch ei­ nige Begebenheiten Erwähnung finden, die sich zwischen 1976 und 1989 zugetragen haben. Im Jahr 1986 bekommen die Fürther plötzlich Berührung mit der Weltpolitik, de­ ren Auswirkungen sie sonst nur im Fernse­ hen erleben. Das erste Ereignis vom 13. Feb­ ruar ist noch sehr lustig. Die „Fürther Nach­ richten" schreiben: „Ost-West-Zwischenfall in Fürth: ein russischer Lkw wurde gestern vormittag mitten in einer amerikanischen Kaserne gesichtet. Ungeachtet der Bemühun­ gen von Gorbatschow und Reagan geriet Fürth gestern in die Schlagzeilen der Welt­ presse. Was war geschehen mitten im Ent­ spannungsprozeß? Die US-Army, seßhaft in der William O. Darby-Kaserne benötigte ganz normalen Torf. Auf dem Dienstweg wurde das Naturprodukt angefordert, nur machte sich bei den Amerikanern niemand Gedanken darüber, welche Kreise solch eine Bestellung ziehen könnte. Das US-Einkaufsbüro orderte bei der ,BayWa' den Torf. Die Firma, nichts Böses ahnend, gab den Auftrag an eine gewisse Transportfirma .Wesota’ weiter - weil man auch schon in der Vergangenheit gut mit die­ sen Damen und Herren zusammengearbeitet hat. .Wesota' wiederum, jetzt mit der Anliefe­ rung beauftragt, schaltete einen Betrieb mit dem für amerikanische Verhältnisse schon etwas seltsam klingenden Namen .Sovrtransavto' ein. Und dies wurde nun zum Verhäng­ nis. In der Kaserne stand nämlich gestern gegen elf Uhr auf einmal ein russischer Last­ wagen mit zwei Sowjets, harm- und ahnungs­ los, und dem amtlichen russischen Kennzei­ chen .EAO-3406'. Die beiden Fahrer wiesen einen einwandfreien Frachtbrief vor - aller­ dings in kyrillischer Schrift. Da schöpften denn prompt einige Bedienstete der Army Verdacht und verständigten die deutsche Polizei. Die kam und war auch nicht weniger überrascht. Größtes Sicherheitsrisiko: Unter Bewachung der amerikanischen Beschützer wurde dann bis etwa 16 Uhr der Torf vom Auto der russischen .Feinde' abgeladen. Danach zog der Lkw wieder seiner Wege, die Aufregung war vorbei." Ganz grundlos ist die Aufregung der Ame­ rikaner nicht. Die doch recht offenherzigen Kasernen stellen für die in der Bundesrepu­ blik akkreditierten sowjetischen Militäratta­ ches interessante Spionageobjekte dar. Hin

und wieder kommt es vor, daß im Fürther Sperrgebiet ein offizielles Fahrzeug der sow­ jetischen Militärmission gesichtet und der Polizei gemeldet wird. Wenn die Streife das Diplomatenauto noch „erwischt", wird es solange eskortiert, bis es das Stadtgebiet ver­ lassen hat. Es ist jedoch wahrscheinlich, daß dem russischen KGB und dem ostdeutschen Stasi bessere Informationsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden haben, amerikanische Einrichtungen auszuspionieren. Vermutlich haben die Fahrten nur dem Zweck gedient, die Aufmerksamkeit der Polizei und der Mili­ tärs zu testen. Im April 1986 haben amerikanische Kampfbomber die Städte Tripolis und Bengasi bombardiert und der libysche Staatspräsi­ dent Gaddhafi stößt massive Drohungen gegen die Angreifer und ihre überall in der Welt verstreuten Einrichtungen aus. Es ist verständlich, daß die Amerikaner in Fürth sich und ihre Einrichtungen schützen wollen. Allerdings treten sie dermaßen „selbstherr­ lich" auf - noch dazu unter ihrem äußerst populären Kommandeur Shalikashvili - daß sich nicht nur unter den betroffenen An­ wohnern Unmut regt. Schwerbewaffnete Sol­ daten sperren alle Zugänge zu den Kasernen und den Wohnsiedlungen ab und kontrol­ lieren alle Passanten. Auch die Ami-geplagten Kleingärtner hinter der Magazinstraße sind wieder einmal betroffen, wenn sie zu ihren Gärten gelangen wollen. Diese rigorosen Maßnahmen verstoßen gegen deutsches und NATO-Recht und sind zudem nicht einmal mit den Fürther Behör­ den abgesprochen. Im Nachhinein legalisieren Stadtverwaltung und Polizei die amerikani­ schen Vorgehensweise, indem sie deutsche Sperrschilder Einbringen, die Kontrollen mit den Amerikanern gemeinsam durchführen und eine gewisse Lockerung der Maßnahmen erreichen. Den Fürthern wird deutlich, daß sie nach mehr als vierzig Jahren immer noch nicht Herr im eigenen Haus sind und daß die Amerikaner ihre Sicherheitsinteressen gegen sille Widerstände durchzusetzen verstehen. Andererseits wäre wohl die bayerische Polizei nicht in der Lage gewesen, für alle amerikani­ schen Einrichtungen einen schnellen und wirksamen Schutz gegen gewaltbereite schwerbewaffnete Terroristen auf die Beine zu stellen. Und wäre dann tatsächlich ein Zwischenfall passiert, wäre der Schaden für Fürth und die Bundesrepublik wesentlich größer gewesen.

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Selbst wenn man für den Selbstschutz der Amerikaner noch Verständnis aufbringt, ist der Zwischenfall vom 21. Juli 1986, der die Burgfarrnbacher in helle Aufregung versetzt, nicht mehr zu rechtfertigen. Stadtrat Robert Schorr berichtet den „Fürther Nachrichten": „Vom Fenster aus sah ich aus Richtung Seu­ kendorf drei US-Jeeps nach Burgfarrnbach hereinfahren. Die aufgebauten Maschinen­ gewehre waren deutlich zu erkennen, und die Wagenbesatzungen schossen ununterbro­ chen. In der Ortsmitte müssen sie wohl gewendet haben, denn sie kamen von dort zurück, vollführten das gleiche Spiel zwi­ schen Külsheimstraße und Schmalholz noch einmal." Es stellt sich heraus, daß eine Übung der amerikanischen Militärpolizei auf dem Schießplatz etwas ausgeufert ist und die Soldaten bei der Verfolgung eines „Verdächti­ gen" im Übereifer das zugewiesene Gebiet verlassen haben. Natürlich sind nur Platz­ patronen verwendet worden, aber das haben die aufgebrachten Bürger ja nicht wissen können. Immerhin entschuldigt sich der amerikanische Befehlshaber und verspricht, die Verantwortlichen zu bestrafen. Die Vorfälle sind noch nicht vergessen, als im November desselben Jahres ein Manöver mit Pershing 2-Raketen zwischen Pleikershof und Steinbach bei Cadolzburg stattfindet. Zwar geht die Aussage von Bürgermeister Pierer - „Wir müssen wohl damit leben, nach wie vor ein besetztes Land zu sein" - sicher über das Ziel hinaus, aber wieder ist die mangelnde Informationspolitik der amerika­ nischen Armee, wobei gerade bei Manövern nicht die Fürther Dienststellen die Übeltäter sind, der Auslöser für die Unzufriedenheit der Bürger. Außerdem ist die Bevölkerung in der Zeit abnehmender Kriegsgefahr immer weni­ ger bereit, die durch Manöver verursachten Unbequemlichkeiten hinzunehmen. Allein für „Reforger 88" werden die Schäden im westli­ chen Mittelfranken auf 33 Millionen Mark beziffert (wobei auch die Bundeswehr mitge­ übt hat). Die Fürther können sich in den Jahren 1988 und 1989 durch einen Blick in den Himmel von der fleißigen Übungstätigkeit ihrer Verbündeten überzeugen. Amerikani­ sche Flugzeuge führen immer wieder in gro­ ßer Höhe direkt über der Stadt Betankungs­ manöver durch. Nach massiven Protesten werden die Flugrouten, die übrigens von deutschen Behörden festgelegt worden sind, geändert. Später heben die Amerikaner die Sicherheitszone über dem Tennenloher Übungsgebiet kurzerhand auf 600 Meter an 160

und zwingen dadurch zu einer Verlegung der Einflugschneise des Nürnberger Flughafens. Vielleicht handelt es sich bei diesen Bei­ spielen autoritärer Handlungen der Ameri­ kaner nur um zufällige Häufungen, jedenfalls treffen sie inzwischen auf eine deutsche Bevölkerung, die mehr denn je die Bedrohung durch den Warschauer Pakt bezweifelt. Die Wiedervereinigung Deutschlands bringt mit dem dadurch möglichen Abzug der amerika­ nischen Soldaten schließlich eine Lösung, die niemand für möglich gehalten hat.

Golfkrieg und „Drawdown" Wiedervereinigung

Die Wiedervereinigung, der Traum vieler Deutscher in Ost und West, wird 1990 ziem­ lich überraschend Wirklichkeit. Es gibt 45 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder ein vereintes Deutschland. Das histo­ rische Ereignis ist möglich geworden durch den politischen Zusammenbruch des Ost­ blocks und es zeigt Auswirkungen auf die deutsch-amerikanischen Beziehungen. Die durch die Öffnung des Eisernen Vorhangs sich anbahnende Wiedervereinigung der bei­ den deutschen Staaten veranlaßt die vier alli­ ierten Siegermächte des Zweiten Weltkriegs, die USA, die Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich, ein letztes Mal über - und diesmal mit - Deutschland zu verhandeln. In den „2+4"-Beratungen wird die volle Souve­ ränität des vereinten Deutschland festge­ schrieben. Damit ist der Aufenthalt ausländi­ scher Soldaten in Deutschland nicht mehr mit dem Recht der Siegermächte des letzten Krieges begründbar. Eine weitere Stationie­ rung von NATO-Verbänden ist zuerst nur in den alten Bundesländern vorgesehen, die Bundesregierung hat jedoch - und das ist der Unterschied zu den vergangenen 45 Jahren ein Kündigungsrecht. Eine Reduzierung der auf deutschem Boden stationierten sowjeti­ schen und amerikanischen Soldaten findet in einem nie für möglich gehaltenen Ausmaß statt. Die Sowjetunion zieht ihre etwa 400.000 Soldaten bis 1994 vollständig aus dem Gebiet der ehemaligen DDR ab. Die Bundeswehr, die - zusammen mit der ehe­ maligen Nationalen Volksarmee der DDR etwa 700.000 Mann umfaßt hätte, wird auf eine Personalstärke von 370.000 Mann re­ duziert. Durch den Zerfall der Sowjetunion haben sich in Polen, in der Tschechoslowakei und auf dem Balkan aus den Volksdemokratien richtige Demokratien gebildet, die nach der Auflösung des Warschauer Pakts keine mili­ tärische Bedrohung mehr darstellen. Deshalb steht einer deutlichen Verminderung der amerikanischen Einheiten auf deutschem Boden - aus Kostengründen seit dreißig Jah­ ren immer wieder gefordert - nichts mehr im Weg. Der amerikanische Präsident Bush erwähnt 1990 eine Reduzierung um 25 Pro­ zent bis 1995, amerikanische Militärs schät­ zen 80.000 bis 100.000 in Deutschland ver­ bleibende Gis als absolutes Minimum. Bei

Einhaltung dieser Zahlen wäre Fürth als Garnison vermutlich erhalten geblieben. Der auf amerikanischer Seite zuerst in kleinen Schritten geplante Abbau, „Draw­ down" genannt, wird 1990/91 durch den Krieg um Kuwait verzögert, da von der „Nürnberg Community" aus ein erheblicher Truppenanteil an den Persischen Golf geflo­ gen wird. Nach dem erfolgreichen Abschluß des Golfkriegs werden die amerikanischen Truppen, noch stärker als ursprünglich ge­ plant, reduziert. Dabei wird jetzt auch Mittel­ franken mit einbezogen und Ende 1995 sind im Gebiet zwischen Nürnberg, Fürth, Erlan­ gen und Schwabach keine amerikanischen Soldaten mehr zu finden. Der Golfkrieg Bevor die Planungen für einen Abbau der amerikanischen Truppen im Zuge der Wie­ dervereinigung Deutschlands richtig in Gang kommen, überfällt am 2. August 1990 der irakische Diktator Saddam Hussein mit sei­ ner Armee das Nachbarland Kuwait, eine Eroberung Saudi-Arabiens scheint denkbar. Die amerikanische Regierung reagiert sofort und sendet einige schnell zusammengekratz­ te Kampfverbände an den persischen Golf, um ein weiteres Vordringen des Irak zu ver­ hindern. In den folgenden Monaten wird in Saudi-Arabien an der Grenze zum besetzten Kuwait eine internationale Streitmacht - mit eindeutigem Schwerpunkt bei den Amerika­ nern - aufgebaut, die die Rückeroberung des Scheichtums vorbereitet. Im Januar 1991 beginnen die Alliierten ein vierwöchiges Luft­ bombardement auf irakische Ziele, um die Invasoren zu schwächen. Die Bodenoffensive wird am 24. Februar eröffnet und binnen vier Tagen ist Kuwait zurückerobert und die iraki­ sche Armee vernichtend geschlagen. Der Sieg der alliierten Streitmacht am Golf ist auf eine zahlenmäßige und vor allem technische Über­ legenheit der Ausrüstung und die hohe Moti­ vation der Soldaten zurückzuführen. Bereits im August 1990, kurz nach dem Beginn der irakischen Invasion, werden die in Fürth und Umgebung lebenden Soldaten vor befürchteten Terroranschlägen gegen ameri­ kanische Einrichtungen gewarnt. Erste Gerüchte über eine Entsendung der Fürther Einheiten an den Persischen Golf tauchen auf, werden aber nicht bestätigt. Anfang No­ vember erst wird es zur Gewißheit. Die ame­ rikanische Regierung hat entschieden, daß das VII. US-Corps in Deutschland mit etwa 71.000 Soldaten und 38.900 Frachtgütern 161

(Ketten- und Radfahrzeuge, Container) in Saudi-Arabien kämpfen soll. Dabei sind auch die Verbände in Nürnberg, Fürth, Zirndorf und Erlangen genannt. Warum es gerade diese Truppenteile getroffen hat, weiß nur das amerikanische Verteidigungsministerium . Vermutlich sind im Rahmen der Reduzierung der deutschen US-Einheiten sowieso größere Verlegungen geplant gewesen. Außerdem sind die Soldaten gut ausgebildet und besitzen durch ihren Dienst am bis vor kurzem noch bedrohlichen Eisernen Vorhang eine hohe Einsatzbereitschaft. Am 6. Dezember 1990 stehen die ersten 90 Militärpolizisten auf dem Appellplatz der Darby-Kaserne, um an den Golf verabschie­ det zu werden. Bald darauf folgen die ande­ ren Einheiten. Die schwere militärische Aus­ rüstung wird von der Bundesbahn zu den Seehäfen transportiert, eine großartige, bis­ her kaum gewürdigte Leistung. Die Soldaten fliegen mit dem „Handgepäck", einschließlich Kampfanzug und Gewehr, direkt nach SaudiArabien. Obwohl die Gis mitten aus den Weihnachtsvorbereitungen gerissen werden und um die Gefährlichkeit ihres Auftrags wis­ sen, gehen sie ihrer Aufgabe gefaßt entgegen. Lediglich aus einer in der Pinder-Kaserne stationierten Einheit desertiert ein Soldat, der aufgrund seines islamischen Glaubens nicht gegen die Irakis kämpfen will. Er wird später in Passau festgenommen und zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. In der „Nürnberg Community" bleiben En­ de 1990 von den 15.500 Soldaten nur etwa 3.500 zurück. Für sie und die Angehörigen der Abgeflogenen beginnt eine schwere Zeit. Es ist das erste Mal, daß amerikanische Sol­ daten, die in einem Krisengebiet kämpfen sollen, ihre Angehörigen außerhalb der Ver­ einigten Staaten zurücklassen. Die Furcht vor irakischen Terroranschlägen gegen amerika­ nische Einrichtungen zwingt zu einer intensi­ ven Bewachung der Kasernen, der Wohnge­ biete und der Einkaufszentren. Die meisten Kasernentore werden geschlossen und streng bewacht. In den leeren Kasernen werden alle Spinde mit Ketten und Schlössern gesichert, die Türen abgesperrt. Gespenstisch ist der Anblick der JohnsonKaserne. Wenn man des Nachts die Schwaba­ cher Straße entlang fährt, sind alle Fenster dunkel, nur im Wachzimmer am Tor und am Zaun entlang brennt Licht. An der Vacher Straße wird neben dem Golfplatz eine besser zu überwachende Einfahrt für die MonteithKaserne geöffnet. Die Amerikaner errichten an der Fronmüllerstraße Straßensperren an 162

den Zufahrtsstraßen zu den Wohngebieten, ebenso in Dambach und kontrollieren alle Ausweise. Vor allem die Offizierssiedlung in Dambach stellt die Bewachungseinheiten wegen ihrer offenen Lage vor große Probleme. Zwar sind diese Maßnahmen auf deutschem Territorium rechtlich nicht abgesichert, aber die Fürther Bevölkerung zeigt Verständnis, zumal die Fürther Polizei personell nicht in der Lage gewesen wäre, die Aufgaben alleine durchzuführen. Die Polizeibeamten unter­ stützen die amerikanischen Patrouillen bei der Objektbewachung und das Fürther Klini­ kum erklärt sich bereit, Patienten des Nürn­ berger US-Hospitals zu übernehmen, wenn dort verwundete Soldaten aus dem Golfkrieg versorgt werden müßten. Katastrophen­ schutz, Feuerwehr, THW und Rotes Kreuz bereiten ebenfalls Unterstützungsmaßnah ­ men für die Amerikaner vor. Am 17. Januar 1991 beginnen die alliier­ ten Truppen mit dem Luftkrieg gegen den Irak. In Fürth wird die Überwachung der amerikanischen Einrichtungen verstärkt, obwohl die Gefahr von Terroranschlägen inzwischen eher gering eingeschätzt wird. Diskotheken und Kinos werden nicht ge­ schlossen, allerdings werden etliche Fürther Faschingsbälle, darunter der „GmadoglerBall", aus Solidarität mit den kämpfenden Truppen abgesagt. Die Bevölkerung kauft verstärkt Gold, Heizöl und Lebensmittelkon ­ serven: „Leergeräumte Regale für Konserven und Grundnahrungsmittel in einigen Super­ märkten an der Peripherie der Stadt und schwerbewachte amerikanische Einrichtun­ gen kennzeichneten am zweiten Tag des Golfkriegs die gespannte Atmosphäre. Große Verunsicherung veranlaßte nicht wenige Bür­ ger zu Hamsterkäufen.’' (19. Januar 1991). Ein Tankstellenpächter berichtet, daß ein Anstieg der Zahl der Kunden nach den abendlichen Nachrichtensendungen zu be­ obachten sei. Allerdings sind die Nachrichten wegen der vom Oberkommandierenden der Alliierten, General Schwarzkopff, verhängten Nachrichtensperre nur sehr vage und die Unsicherheit über den Ausgang des Krieges belastet die Nerven der Fürther und beson­ ders die der Angehörigen der Soldaten. Die Fürther zeigen Verständnis für die Si­ tuation der Angehörigen. Zwar haben „Die Grünen" bereits Ende November 1990 vor allen Fürther Kasernen gegen den Krieg pro­ testiert, aber die meisten Fürther billigen den Golfeinsatz, viele bieten den daheimgebliebe­ nen Amerikaner(inne)n ihre Unterstützung an. Fürther Frauen helfen in amerikanischen

Kindergärten aus und veranstalten gemein­ same Ausflüge. Nach der Nürnberger Spiel­ warenmesse spenden etliche Firmen wert­ volles Spielzeug für die amerikanischen Kin­ der. Acht Bundeswehrsoldaten von der Paten­ einheit, dem 4. Pionierbataillon aus Bogen, helfen freiwillig in der Johnson-Kaserne aus. Sie packen überall mit an, reparieren Autos der Soldatenfrauen, sichern die Eingänge mit Stacheldraht und organisieren eine Paketak­ tion für die Soldaten am Golf. Obwohl die Amerikaner auch ohne Hilfe zurecht kämen, ist die moralische Wirkung dieser Geste enorm. In wöchentlichen Besprechungen koordinieren die Fürther Army-Befehlshaber die eintreffenden Hilfsangebote, im „Assistance Center" kümmern sich etwa zwanzig Mitarbeiter seit November 1990 um die Belange der Daheimgebliebenen. Glücklicherweise ist der am 24. Februar 1991 gestartete Landkrieg gegen den Irak bereits nach vier Tagen beendet, die iraki­ schen Streitkräfte sind vernichtend geschla­ gen. Einen großen Anteil daran hat das VII. US-Corps, zu dem auch die Einheiten der in

Franken stationierten 1. und 3. US-Panzerdivision gehören. Das Corps trägt die Haupt­ last beim Umfassungsangriff der alliierten Truppen, die weit in das irakische Hinterland vorstoßen. Besonders heikel ist der Kampf für den ursprünglich in der Monteith-Kaserne stationierten Soldaten Specialist Douraid „Dave" Najjar, einen geborenen Iraki, der als Dolmetscher arbeitet und verständlicherweise vermeiden möchte, auf seine ehemaligen Landsleute zu schießen. Doch wie alle Solda­ ten aus Fürth kehrt auch er wohlbehalten wieder zurück. Die ersten 600 in Mittelfranken stationier­ ten Soldaten kommen am 29. April 1991 wie­ der auf dem Nürnberger Flughafen an. Täg­ lich landen nun bis zu sieben gecharterte Großraumflugzeuge und bringen die Soldaten wieder zurück. Die Heimkehrer werden alle von Brigadegeneral Wesley B. Taylor oder Oberst Norman MacLellan mit Handschlag begrüßt. Auch die Oberbürgermeister der Garnisonsstädte nehmen zeitweise am Begrüßungsdefilee teil. Am 5. Mai erreichen die etwa 800 Soldaten des in der Johnson-

Die vorn Golfkrieg zurückkehrenden Soldatinnen und Soldaten werden am Nürnberger Flughafen vom Fürther Oberbürgermeister Uwe Lichtenberg, dem 2. Bürgermeister von Zirndorf Fritz Eberlein, und Brigadegeneral Wesley B. Taylor Jr. (von links) willkommen geheißen.

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Die Soldaten des 16. Pionierbataillons feiern die Rückkehr vom Golfkrieg am 10. Mai 1991 in der Johnson-Kaserne.

Kaserne stationierten 16. Pionierbataillons Fürth und werden stürmisch von ihren Ange­ hörigen begrüßt. Allerdings gibt es in Fürth keine von deutscher Seite organisierte Will­ kommensfeier wie etwa in Herzogenaurach, wo auf einem von der Firma adidas unter­ stützten Fest etwa 5.000 Gäste - Soldaten und ihre Angehörigen - bei freiem Essen und Trinken unterhalten werden. Das Fürther PX platzt in den folgenden Wochen aus allen Nähten, die verschobenen Weihnachtseinkäufe werden nachgeholt. Nach und nach trifft auch die zur See und mit der Eisenbahn beförderte Ausrüstung wieder in Fürth ein. Die Soldaten verstauen ihr Gerät und reparieren defekte Teile. Fehl­ geleitete Güter tauchen in Ansbach oder Bamberg auf und müssen zurückgebracht werden und ein vermißter Schützenpanzer und zwei Lkw werden erst durch den CID aufgespürt. Allerdings bleibt ein Teil des Materials in der Golfregion zurück oder wird direkt in die USA verschifft. Die riesigen Abstellflächen und die erst kurz zuvor errich­ teten Zelthallen in der Monteith-Kaserne ste­

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hen jedenfalls weiterhin leer. Im Sommer 1991 hat sich die Lage wieder normalisiert. In der gesamten „Nürnberg Community" mit Fürth, Nürnberg, Erlangen, Zirndorf, Schwabach und Herzogenaurach leben wie­ der etwa 15.500 amerikanische Soldaten und 11.500 Familienangehörige, davon etwa 10.000 in Fürth. Sie alle und die Fürther Bevölkerung werden jetzt mit dem durch den Golfkrieg nur aufgeschobenen Abzug der Sol­ daten konfrontiert. Organisation des Truppenabbaus Die Verminderung der USAREUR-Einheiten in Europa von ursprünglich 215.000 auf 65.000 Soldaten ist eine gigantische Aufgabe, die mit Zahlen der typisch amerikanischen Superlative belegt werden kann. Die Ameri­ kaner geben in Europa 540 von 858 ihrer Einrichtungen (Kasernen, Kliniken, Depots) auf, senden 2,4 Millionen Einrichtungsgegen­ stände und 1,1 Millionen Tonnen Ausrüstung zurück. Mehr als 475.000 Tonnen Munition und etwa 50.000 Fahrzeuge folgen den Solda­ ten in die Vereinigten Staaten. Außerdem

werden deutlich mehr als die rechnerischen 150.000 Soldaten „bewegt". General Maddox, der USAREUR-Chef stellt fest, daß beispiels­ weise 1993 „nur" 95.000 Gis in die Staaten zurückkehrten, insgesamt aber mehr als 468.000 Amerikaner (Soldaten und Familien­ angehörige) von, nach oder innerhalb Euro­ pas versetzt worden sind. Bereits Mitte 1995 ist das gesteckte Ziel erreicht, es sind noch etwa 65.000 amerikanische Soldaten der Army (also des Heeres) in Deutschland sta­ tioniert. Hinzu kommen noch etwa 13.000 Luftwaffensoldaten.

Anfangs geben die Amerikaner keinerlei Hinweise, daß der Abzug von Fürther Solda­ ten geplant ist. Eher scheint es so, als ob andere Garnisonen und Einrichtungen zu­ gunsten von Fürth „abgespeckt" werden wür­ den. Im April 1990 wird das Studio des AFN Nürnberg vom Dachgeschoß des BavarianAmerican-Hotels in Nürnberg in die Fürther Darby-Kaserne verlegt. Im Dachgeschoß des Hotels machten die großen Temperaturunter­ schiede im Sommer und Winter das Arbeiten unerträglich. Außerdem ist die technische Ausstattung fast vierzig Jahre alt. Die Armee investiert 800.000 US-Dollar, um das Studio in Fürth für Stereo-Rundfunk und eigene Fernsehproduktionen tauglich zu machen. Seit Mitte Februar 1992 ist das Fürther AFNStudio für die Ausstrahlung in ganz Bayern zuständig, da AFN München abgeschaltet hat. Allerdings wird der Traditionsname AFN Nürnberg beibehalten. Im September 1990 nennen die Amerika­ ner erstmals genauere Daten für den Abzug. Nach den Beschlüssen der Wiener Abrü­ stungskonferenz soll unter anderem die Mon­ teith-Kaserne in Atzenhof mit den 1.570 Sol­ daten einer Nachschubeinheit der 1. Panzer­ division und deren 1.230 Familienangehöri­ gen bis spätestens 1993 geräumt werden. Schule und Golfplatz sollen noch weiter erhalten bleiben. Auch wenn die Auflösung der MonteithKaserne bereits beschlossen ist, scheint der Standort Fürth der amerikanischen Armee gesichert zu sein; zumal noch im April 1991 davon gesprochen wird, die Darby-Kaserne zu einem Hauptstützpunkt der amerikanischen Armee in Süddeutschland zu machen. Zu dieser Zeit denkt das Pentagon an eine Redu­ zierung der in Deutschland stationierten USTruppen auf etwa 92.000 Soldaten bis 1998. Die Amerikaner beginnen mit einer Straffung ihrer Verwaltungsorganisation in Deutsch­ land. Die bisherigen 37 Hauptstandorte („Mi­

litary Communities") werden zu dreizehn Re­ gionalen Unterstützungsgruppen (Area Sup­ port Groups = ASG) zusammengefaßt. Betrof­ fen ist auch die „Nürnberg Military Commu­ nity", die am 1. Oktober 1991 offiziell aufge­ löst und durch die 99th ASG ersetzt wird. Da­ mit einher geht der Abbau der amerika­ nischen Soldaten in den Standorten Fürth, Nürnberg, Erlangen, Schwabach und Herzo­ genaurach. Die 99. Unterstützungsgruppe gliedert sich in vier Standortunterstützungskommandos (Base Support Battalions = BSB), von denen das 416. BSB für das Nürnberg-Fürther Gebiet zuständig ist. Daß zur Nürnberg-Für­ ther Unterstützungsgruppe noch die bisher selbständigen „Communities" Augsburg, Ans­ bach, Bamberg und München zugeschlagen werden, bedeutet eine Stärkung dieser ASG. Mit rund 21.000 Soldaten, die von Bamberg bis an die österreichische Grenze stationiert sind, ist sie die größte der US-Armee in Europa. Erster Kommandeur ist Oberst Norman MacLellan. Unabhängig von diesen Umorganisationen erfolgt die Verlegung der

Oberst MacLellan entrollt die Fahne bei der Gründung der 99th ASG (5. Dezember 1991).

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AAFES-Hauptverwaltung, der amerikani­ schen Truppenversorgung, von München nach Zirndorf in die Pinder-Kaserne, was ebenfalls eine Stärkung der amerikanischen Präsenz in der mittelfränkischen Region mit sich bringt. Die wichtigste Aufgabe des Base Support Battalions ist die Durchführung der Opera­ tion „Homeward Bound", des Abzugs der Sol­ daten aus Nümberg-Fürth und die Übergabe der verschiedenen Militäreinrichtungen an deutsche Stellen. Für die noch tätigen Solda­ ten und ihre Angehörigen muß dabei die Ver­ sorgung bis zum Schluß sichergestellt blei­ ben. Manche der militärischen Einheiten wer­ den woanders wieder eingesetzt, manche werden anderen Verbänden angegliedert und wieder andere löst man einfach auf. Zu Be­ ginn einer jeden Verlegung wird zuerst das gesamte Militärmaterial verladen und, von Vorauskommandos begleitet, an den Bestim­ mungsort gebracht. Dann folgen die Angehö­ rigen und zuletzt die Soldaten selbst, wonach ein Schlußkommando sozusagen „das Licht ausmacht". Von den im Nürnberger Raum stationier­ ten Soldaten sind Ende Januar 1992 bereits 4.000 abgezogen. Die Angaben über die ein halbes Jahr später noch in Fürth befindli­ chen Soldaten schwanken zwischen 600 (ÖTV) und 3.000 (US-Armee). Auch die oberen Ränge der militärischen Kommandostellen der Amerikaner sind vom Abbau betroffen. Zum 31. März 1992 wird das bisher u. a. für Mittelfranken zuständige VII. Corps in Stutt­ gart aufgelöst und die Kommandogewalt dem Frankfurter V. Corps übertragen. Wenig spä­ ter wird die lange Jahre im mittelfränkischen Raum stationierte 1. Panzerdivision nach Bad Kreuznach verlegt. Obwohl sich deren Haupt­ quartier in Ansbach befunden hat, sind etli­ che Truppenteile auch in Fürth stationiert gewesen. Der Einmarsch der amerikanischen Armee in Somalia am 8. Dezember 1992 bringt nochmals Aufregung in die Community, denn es sind auch 21 Soldaten aus Fürth dabei. Eine Woche später findet bei der in Fürth stationierten 99. Unterstützungsgruppe ein Wachwechsel statt. Der bisherige Komman­ dant, Oberst Norman A. MacLellan tritt in den Ruhestand, sein Nachfolger ist Oberst Roy. C. Gortney. Im Frühjahr 1993 wird im­ mer deutlicher, daß der Truppenabbau grö­ ßere Ausmaße annehmen wird, als bisher angenommen. Bis zum Sommer wird die Zahl der in Deutschland stationierten amerikani­

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schen Soldaten auf 96.000 reduziert werden. Bereits im April halten sich im Bereich der ehemaligen „Nürnberg Community" nur noch 4.700 Soldaten auf. Ein halbes Jahr später sind es noch 1.500 Soldaten in der Johnsonund der Darby-Kaserne, die Monteith-Kaser­ ne ist inzwischen ganz geräumt. Durch diese Zahlen wird dokumentiert, daß die Bedeutung des Nürnberg/Fürther Standortes für die Amerikaner weiter gesun­ ken ist. Eckpfeiler bleiben für die amerikani­ sche Armee die Übungsplätze Grafenwöhr und Hohenfels und der Standort Würzburg, dem die Ansbacher und Bamberger Truppen­ teile zugeschlagen werden. Deshalb ist es fol­ gerichtig, daß die militärische Organisation diesen Gegebenheiten angepaßt wird. Am 1. Oktober 1993 verliert die ehemalige „Nürnberg Community" ihre seit 1945 beste­ hende Unabhängigkeit, das 416. Base Sup­ port Battalion unter Oberstleutnant James F. Ishmael wird der Gebietsverwaltung Grafen­ wöhr unterstellt. Einen Monat später wird die 99. Unterstützungsgruppe, die erst zwei Jahre zuvor in Dienst gestellt worden ist, wieder aufgelöst. Die beliebte Soldatenzeitung „Sentinel", von Fürth aus von der rührigen Chefredakteurin Olivia Feher gemanagt und vierzehntägig in über 22.000 Exemplaren ver­ teilt, stellt gleichzeitig ihr Erscheinen ein. Die medizinische Versorgung der ameri­ kanischen Soldaten und ihrer Angehörigen hat bisher das Nürnberger Army-Hospital an der Rothenburger Straße sichergestellt. Die Amerikaner haben es 1985 mit einem Auf­ wand von etwa fünfzig Millionen Dollar in das modernste Armeekrankenhaus Europas ver­ wandelt. Im Lauf des Jahres 1993 schließen nach und nach alle stationären Abteilungen, nur noch eine ambulante Behandlung ist möglich. Bei schwereren Fällen werden die verbliebenen Amerikaner an deutsche Ärzte und Kliniken weitergeleitet, wobei extra auf den ausgezeichneten Standard der deutschen medizinischen Versorgung hingewiesen wird. Insgesamt schließen die Amerikaner sieben von neun ihrer Kliniken in Deutschland. Im März 1994 nennen die Amerikaner noch 1.500 in Fürth stationierte Soldaten. Diese Schrumpfung wird auch im organisa­ torischen Bereich nachvollzogen. Das 416. Base Support Battalion, das bisher die Kasernen, Schulen und Wohnungen verwaltet hat, wird Mitte September 1994 aufgelöst und durch das eine Nummer kleinere „Area Support Team" (AST) ersetzt. Dessen mindere Bedeutung kann man daran erkennen, daß das AST dem 282th BSB in Hohenfels

untersteht, das wiederum von der lOOth ASG in Grafenwöhr verwaltet wird. Mit dem AST ist die kleinste mögliche Verwaltungseinheit der US-Armee erreicht. Noch dementieren die Amerikaner den Plan einer vollständigen Räumung aller Für­ ther Kasernen und Wohnungen. Im Sommer 1994 verlängern sie die Verträge mit den Stadtwerken über die Energielieferung durch die Blockheizwerke um weitere fünf Jahre. Die Hoffnung auf ein Einfrieren des jetzigen Zustandes erweist sich jedoch als Seifen­ blase. Am 27. Oktober 1994 besucht der Standortkommandant, Oberstleutnant Ishmael, überraschend Bürgermeister Brand (Oberbürgermeister Lichtenberg ist unter­ wegs) und teilt ihm mit, daß das Heidelberger Hauptquartier der US-Armee entschieden hat, bis Ende 1995 alle noch in Fürth ver­ bliebenen Einheiten, insgesamt etwa 900 Soldaten, abzuziehen. Oberstleutnant Ishmael beschreibt seine Stimmung bei dem Besuch so, als hätte er die Angehörigen eines seiner Soldaten von dessen Tod zu un­ terrichten. Die Räumung Fürths wird voll­ ständig sein. Neben allen Fürther Einrich­ tungen - einschließlich des Golfplatzes geben die Amerikaner auch das Nürnberger „Bavarian-American-Hotel" gegenüber dem Hauptbahnhof, das „Soldier's Field" auf dem Zeppelinfeld, das Hospital und die Zirndorfer Pinder-Kaserne auf. Das Echo auf diese Nachricht ist enorm. Mutmaßungen werden angestellt, warum gerade der vermeintlich optimale Stationie­ rungsstandort Fürth geräumt wird, wo doch die verbleibenden Standorte Bamberg, Ans­ bach und Würzburg wesentlich schlechter ausgestattet seien und noch zusätzlicher Investitionen bedürfen. Auslöser für die Ent­ scheidung wird die von den USA aufgrund der weltpolitischen Lage und des großen Haushaltsdefizits geplante weitere Truppen­ reduzierung in Deutschland auf 65.000 Mann gewesen sein. Eine zwangsläufig notwendige Konzentration der verbleibenden Soldaten auf wenige Standorte führt zur Wahl zwischen Würzburg und Nürnberg/ Fürth. Eine Ent­ scheidung für Nürnberg/ Fürth hätte bedeu­ tet, die bereits in der Auflösung befindlichen Kasernen wieder herzurichten. Es ist fraglich, ob das bei den alten und im Unterhalt teuren Einrichtungen noch sinnvoll gewesen wäre. Außerdem hätte die Konzentration auf einen Standort eine Truppendichte bedingt, die höher gewesen wäre als vor der Wende. Das hätte sich vermutlich politisch nicht durch­

setzen lassen, zumal hinter vorgehaltener Hand darauf hingewiesen wird, daß der Druck deutscher Politiker aus dem Groß­ raum, vor allem aus Erlangen und Nürnberg, im Pentagon den Eindruck vermittelt hat, die amerikanischen Soldaten wären hier weniger willkommen als in anderen Städten. Trotzdem bilden sich Initiativgruppen, die versuchen, die Entscheidung gegen Nürn­ berg/Fürth rückgängig zu machen. Henry Kissinger und General Shalikashvili, der inzwischen zum höchsten militärischen Be­ fehlshaber der Vereinigten Staaten aufgestie­ gen ist, sollen eingeschaltet werden. Letztlich bleiben aber alle Aktivitäten erfolglos. Im April 1995 übernimmt Major Lee Taylor von Oberst Ishmael die Aufgaben des Stand­ ortältesten und am 11. Juli verabschiedet er sich im Fürther Rathaussaal offiziell von Oberbürgermeister Lichtenberg und der Stadt. Die Amerikaner versuchen, die Ein­ richtungen für die letzten verbleibenden Sol­ daten solange wie möglich offen zu halten. Im August und September schließen aber Auto­ werkstatt und Tankstelle, PX und Commissary, Burger King, Wäscherei, Theater, Bowling Center und alle restlichen Dienst­ stellen. Die Amerikaner haben das Problem, daß sie die Häuser vollständig ausgeräumt übergeben müssen. Alle Einrichtungsgegen ­ stände müssen also verkauft oder entsorgt werden. Ab dem 4. September 1995 sendet der „Tower of Power", der AFN Nürnberg, nicht mehr aus dem Gebäude 26 in Fürth. Das elfköpfige Sendeteam und die erst 1990 ange­ schaffte, hochmoderne Ausrüstung ziehen nach Vilseck um und nennen sich dort AFN Bavaria. Allerdings bleibt den mittelfränki­ schen Hörern das von AFN Frankfurt ausge­ strahlte Programm erhalten. Damit geht eine Ära zu Ende....... an die sich auch viele deut­ sche Hörer wehmütig erinnern werden. Denn noch lange nach dem Krieg war der amerika­ nische Lokalsender ein beliebter Englischleh­ rer, der neben aktuellen Informationen vor allem tolle Musiktitel lieferte. Elvis und die Beach Boys standen damals ganz hoch im Kurs und bescherten dem Sender große Popularität". Im September 1995 kommandiert Major Taylor noch acht Soldaten und einen Zug Militärpolizei in der Darby-Kaserne. Die vielen tausend Fenster der Wohnsiedlung sind leer, in den früher so geschäftigen Kasernen ist es still und auf den einst so vielbefahrenen Parkplätzen der amerikanischen Läden beginnen Gras und Unkraut zu wuchern.

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Und am 19. Dezember 1995 holen die ameri­ kanischen Soldaten in der Darby-Kaserne letztmalig das Sternenbanner nieder. Die leeren Kasemenflächen - Last oder Chance?

In diesem Kapitel wird die Räumung der amerikanischen Liegenschaften in Fürth ge­ schildert. Wie jede Stadt benötigt auch Fürth permanent Gewerbeflächen, um die Ansied­ lung neuer Industriebetriebe zu ermöglichen. Anfang der neunziger Jahre sind außerdem zusätzliche Wohngebiete willkommen, um den Zustrom von Aussiedlern und den Trend zu kleineren Familien und zu Singles auffangen zu können. Je besser erschlossen und je zentrumsnäher diese Gebiete liegen, desto leichter - und kostengünstiger - ist es für die Stadtverwaltung, die Gelände einem neuen Verwendungszweck zuzuführen. Bevor wir den weiteren Werdegang der Fürther Kasernen betrachten, werfen wir einen Blick auf andere vom Abzug der Amerikaner betroffene Städte der ehemaligen „Nürnberg Military Community". In Schwabach wird die 21 Hektar große O'Brien-Kaserne Anfang 1992 geräumt, in Herzogenaurach die Herzo-Base. Im Septem­ ber 1992 übergeben die Amerikaner die Nürnberger Merrell-Kaserne (ehemalige SSKaserne) an das Bundesvermögensamt. Der Feuchter Flugplatz mit seinen riesigen Munitions- und Treibstoffdepots wird aufgege­ ben. Die zwischen 1954 und 1957 entstan­ dene Pastorius Housing-Area in der Nähe des Dutzendteichs wird 1994 geräumt. Zu allem Überfluß reduziert die Bundeswehr zeitgleich mit den Amerikanern ihre Verbände und löst deshalb das Bundeswehr-Transportbataillon 270 in der Schweinauer Kaserne in Nürnberg auf. Deshalb wird das von Deutschen (seit der Kaiserzeit) und von Amerikanern genutzte Übungsgelände am Hainberg überflüssig und ebenfalls freigegeben. Auf diesem 213 Hektar großen Gelände haben sich ebenso wie auf dem 3.300 Hektar großen Übungsgelände bei Tennenlohe aufgrund des Zutrittsverbots für die Öffentlichkeit viele seltene Tier- und Pflanzenarten angesiedelt und die Natur­ schützer befürchten, daß diese Biotope durch die Öffnung zerstört werden. Der Hainberg wird später zum Naturschutzgebiet erklärt. Ende 1993 verlassen die 2.500 Soldaten der 2. Brigade die Stadt Erlangen. Die Hou­ sing-Area mit 280 Wohnungen und die Ferris-Kaserne selbst werden freigegeben. Auf dieses 130 Hektar große „Filetstück" fast in

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der Stadtmitte, ehemals der größte Pan­ zerstützpunkt Nordbayerns, haben bereits die Universität und die Firma Siemens be­ gehrliche Blicke geworfen und der Oberbür­ germeister ist seit langem bemüht gewesen, die Amerikaner so schnell wie möglich zu verabschieden. Allerdings tut sich in den folgenden Jahren auf dem verwaisten Gelän­ de noch nichts, obgleich bereits Pläne für eine Bebauung existieren. Im mittelfränkischen Raum bleiben wei­ terhin die amerikanischen Heeresflieger mit ihren Stützpunkten in Katterbach und Illes­ heim stationiert. Bei den vom Abzug der Amerikaner betrof­ fenen Städten überwiegen die positiven Aspekte, die Kasemenflächen und Wohnun­ gen bieten große Möglichkeiten für die zu­ künftige Entwicklung und der Verlust an Einnahmen von den Amerikanern ist zu ver­ schmerzen. Anders sieht es beispielsweise im em der hessischen Grenze gelegenen Ort Wildflecken aus. Seit 1938 ist die 3.000 Seelen-Gemeinde an Militär gewöhnt. Bis zu 8.000 amerikanische Soldaten haben zu Zei­ ten des Kalten Krieges den Ort bevölkert. Etwa 800 Zivilbeschäftigte haben Arbeit ge­ funden und jährlich sind durch das Militär etwa 150 Millionen Mark in die Region ge­ flossen. Solche Orte trifft der Rückzug der Amerikaner wesentlich stärker. Kehren wir nach Fürth zurück. Das „Komi­ tee für Frieden und Abrüstung" macht die Stadt schon am 27. Dezember 1989 auf die sich durch den möglichen Truppenabbau abzeichnende Situation aufmerksam und spricht bereits alle Aspekte an: die freiwer­ denden, gut erschlossenen Gewerbegebiete einschließlich der vermuteten Altlasten, die großen Wohngebiete und die Problematik für die bei den Amerikanern Beschäftigten, eine neue Arbeitsstelle zu finden. Die Stadtver­ waltung wird aufgefordert, mit der Planung für die neue Lage zu beginnen. Während der damalige Wirtschaftsreferent, Dr. Peter Iblher, abwinkt: „Wir sollten das Fell des Bären nicht schon aufteilen, ehe er erlegt ist.", be­ ginnen die Stadtratsparteien bereits mit den Planspielen. Beeinflußt werden die Planungen in den nächsten fünf Jahren immer durch die Ungewißheit, welche Bereiche die Amerikaner freigeben werden und wann sie es tun wer­ den. Die hier stationierten Armeeoffiziere befinden sich meistens in derselben Unge­ wißheit, da alle relevanten Entscheidungen in Washington oder Heidelberg getroffen werden. Die Übergabe der Liegenschaften und der Einrichtungen erfordert meistens langwierige

Verhandlungen. Vertreter des Finanzbauam­ tes und des amerikanischen Immobilienbüros treffen sich, der fleißige Verwalter, Knut Ogaard, sucht die passenden Schlüssel, und dann werden die leergeräumten Gebäude gemeinsam begangen und beurteilt. Sie gehö­ ren zwar der Bundesrepublik, aber die Ame­ rikaner haben, wie vorher erwähnt, in den letzten Jahrzehnten beträchtliche Summen für Modernisierungsmaßnahmen aufgewen­ det, die sie erstattet haben wollen. Anderer­ seits wird mancher wertmindernder Schaden entdeckt und ein gegenseitiges Aufrechnen beginnt, wobei die deutschen Vertreter am längeren Hebel sitzen, da den Amerikanern die Zeit davonläuft. Schließlich verliert ein länger leerstehendes Haus an Wert, hinzu kommen noch die nicht unerheblichen Bewa­ chungskosten zum Schutz gegen Vandalis­ mus. Die Amerikaner übergeben die Liegen­ schaften ausschließlich an die Nürnberger Oberfinanzdirektion als Vertreterin des Bun­ desvermögensamtes. An diese kann dann die Stadtverwaltung herantreten und über einen Kauf oder eine kostenlose Überlassung ver­ handeln. Letztere kann es nur dann geben, wenn wiederum der Gebäude- oder Gelände­ wert den geschätzten Sanierungskosten ent­ spricht. Ansonsten muß die Stadt Millionen­ beträge für den Kauf aufwenden, wobei aber der Bund bei Schulen oder ähnlichen Ein­ richtungen erfreulicherweise Rabatt gewährt. Wenigstens besitzt die Stadt die Planungs­ hoheit, so daß niemand ohne ihre Genehmi­ gung die Grundstücke einem neuen Verwen­ dungszweck zuführen darf.

Verfolgen wir nun den Werdegang der amerikanischen Liegenschaften in Fürth zwi­ schen 1990 und 1996. Die erste Fürther Kaserne, die die Amerikaner verlassen, ist die sich über 124 Hektar ausdehnende MonteithKaserne an der Vacher Straße, der ehemalige Militärflugplatz. Der Abzug der Soldaten wird am 22. November 1991 mit der offiziellen Ver­ abschiedung des dort stationierten DivisionsUnterstützungskommandos der 1. Panzerdivi­ sion, den „Muleskinners" eingeleitet. Zwei Teileinheiten mit zusammen 1.000 Soldaten, das 123. Nachschubbataillon und die Stabs­ kompanie haben am Golfkrieg teilgenommen und werden bis Mitte Dezember bzw. Mitte Januar abgezogen sein. Anschließend ziehen vorübergehend Teileinheiten des 416. Stand­ ortunterstützungskommandos ein. Die Spekulationen über die spätere Nut­ zung des Geländes beginnen bereits im Ok­

tober 1991, als wegen der großen Flücht­ lingsströme aus der zerbrechenden Sowjet­ union und dem zerfallenden Jugoslawien dringend Asylantenunterkünfte gesucht wer­ den. Der Vorschlag des Bundesinnenministe­ riums, die Kasernen im Großraum NürnbergFürth als Sammellager einzurichten, ist jedoch bis zur folgenden Jahreswende zur großen Erleichterung der Fürther wieder vom Tisch. Die Stadtverwaltung verhandelt bereits mit dem zukünftigen Eigentümer, dem Bundes­ vermögensamt, über einen Ankauf des Kaser­ nengeländes. Allerdings wollen die Amerika­ ner bis auf weiteres den Golfplatz und die neuerbaute Grundschule noch behalten. Pla­ nungsmodelle des Bauausschusses sehen für das Gelände „Wohnen und Gewerbe" vor, eine S-Bahn-Haltestelle ist vorstellbar und die ersten Zweifel tauchen auf, ob der Gewerbe­ park Knoblauchsland überhaupt noch not­ wendig sei. Über eine Rücktaufe der Mon­ teith-Kaserne in „Flughafen Atzenhof' wird ebenfalls schon nachgedacht. Zwischen 1987 und 1990 haben die Ame­ rikaner aufgrund der damaligen Schulraum­ not im Kasernengelände noch eine Elementary School gebaut, die jetzt der Stadt sozu­ sagen in den Schoß fällt. Für zwanzig Millio­ nen Mark sind 35 Klassenzimmer und etliche Hobbyräume auf insgesamt 9.000 Quadrat­ metern und ein großzügiger Kindergarten entstanden. Im September 1992 nimmt die Schule bereits zehn Klassen aus dem Fürther Grundschulbereich auf, Busse bringen die etwa 230 Schüler jeden Tag hin und holen sie wieder ab. Noch verbieten die Amerikaner die Zufahrt mit Privat-Pkws, was sich aber bis Ende Oktober ändert. Die angemieteten Räume, der Vermieter ist übrigens die Bun­ desvermögensverwaltung, mildem die Fürther Schulraumnot. Daneben besuchen 1992 nur noch etwa 430 amerikanische Kinder die für 1.250 Schüler ausgelegte „Nürnberg Elementary School". Ein halbes Jahr später sehen die Planun­ gen der Stadt plötzlich für das gesamte Atzenhofer Gelände eine fast ausschließliche Wohnbebauung vor, nur ein kleiner Teil ist für Gewerbebetriebe vorgesehen. Der Ver­ dacht keimt auf, daß die 18 Hektar, die an­ geblich in Atzenhof nur zur Verfügung stün­ den, deswegen genannt worden sind, um eine Entscheidung für das zusätzlich notwendige Gewerbegebiet im Knoblauchsland herbeizu­ führen. Wieder einen Monat später, Ende Februar 1993, soll „ein wesentlicher Teil" des

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Geländes als Gewerbeflächen ausgewiesen werden. Die Amerikaner teilen der Fürther Stadt­ verwaltung Ende Juni 1993 mit, daß sie die Monteith-Kaserne definitiv bis Mitte Septem­ ber des gleichen Jahres räumen werden. Allerdings wollen sie den rund 50 Hektar umfassenden Golfplatz noch weiter behalten. Er soll für die Amerikaner aus der ganzen Region zur Verfügung stehen und Oberbür­ germeister Lichtenberg soll General Shalikashvili versprochen haben, daß der Platz den Soldaten bis zum Abzug des letzten Man­ nes offen bleibt. Auf dem Golfplatz sind seit 1990 Deutsche als Gästespieler auf den Grüns willkommen, vorher durfte man nur als persönlicher Gast eines Amerikaners dort spielen. Die Gebühren sind, gemessen an deutschen Golfverhältnissen, relativ niedrig, liegen aber immer noch wesentlich über dem, was die Amerikaner zahlen müssen. Seit dem 12. Januar 1993 ist der 1. Golf­ club Fürth e. V. ins Vereinsregister eingetra­ gen. Der Verein ist „Untermieter" beim Mon­ teith Golf Club der Amerikaner und zahlt dafür eine Pachtgebühr. Obwohl die Zahl der amerikanischen Aktiven auf etwa 130 abge­ sunken ist, steckt die Armeeverwaltung noch etwa eine Million Mark in die Renovierung des Clubhauses und des Platzes. Gelände und Einrichtungen werden von Amerikanern und Deutschen gemeinsam genutzt, wobei den deutschen Mitgliedern aufgrund der zoll­ rechtlichen Bestimmungen der Einkauf im Pro-Shop versagt bleibt. Aber Bier und Ham­ burger werden für sie an der Bar ausgegeben. Nach dem vollständigen Abzug der Amerika­ ner übernimmt der Golfclub Fürth die Ein­ richtungen und zahlt die Pacht an die Oberfi­ nanzdirektion. Die Golfspieler stecken sehr viel Eigenleistung in die Liegenschaften und in die Gestaltung des Platzes und hoffen, daß ihr Platz als Aushängeschild für Fürth und als natumahe Landschaft möglichst bestehen bleibt und nicht von einem Gewerbegebiet „aufgefressen" wird. Im September 1993 zeigt die Stadthei­ matpflegerin Barbara Ohm in drei Führungen den Fürthern die Monteith-Kaserne. Der Rie­ senandrang von über 900 Teilnehmern be­ weist das Interesse der Bevölkerung für das so lange unter Verschluß gehaltene Gelände. Erhaltenswert erscheint vor allem das Flug­ hafengebäude, das zu den ersten in Deutsch­ land errichteten gehört. Ein wesentlich schlechter erhaltenes Exemplar ist in Mün­

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chen-Oberschleißheim kurz zuvor vom Frei­ staat Bayern mit Millionenaufwand restau­ riert worden. Bereits im Februar 1992 wurde der Gedanke geäußert, einzelne Gebäude des ehemaligen Atzenhofer Flugplatzes unter Denkmalschutz zu stellen, was jedoch Ober­ bürgermeister Lichtenberg als .jenseits jeder realistischen Überlegung" bezeichnet hat. Eineinhalb Jahre später nimmt das Landes­ amt für Denkmalschutz tatsächlich einige der alten, aber gut erhaltenen Gebäude in seine Liste auf, was naturgemäß bei der Stadtver­ waltung nicht gerade auf Begeisterung stößt. Am 15. September 1993 ist es schließlich soweit, die Monteith-Kaserne wird der Bun­ desrepublik Deutschland zurückgegeben und von der Oberfinanzdirektion Nürnberg als Behörde der Bundesvermögensverwaltung übernommen. Die beiden historischen Halb­ kettenfahrzeuge, die den Platz vor dem ehe­ maligen Tower bisher eingerahmt haben, sind von den Amerikaner schon früher entfernt worden. Die schwarze Gedenktafel an Leut­ nant Jimmi W. Monteith Jr., die an einem Postament vor dem Flaggenmast befestigt gewesen ist, wird in die Vereinigten Staaten zurückgeschickt und das Postament selbst verwendet der Golfclub für seine Clubtafel. Letztmalig erklingt der Lautsprecher, der jeden Tag um 17.00 Uhr zum „Retreat" geru­ fen hat. Bei der Hymne sind früher alle auf dem Kasernenareal befindlichen Amerikaner einschließlich der Golfspieler - stillgestanden und haben gewartet, bis das Fahnentuch zusammengelegt worden ist. Jetzt läßt der amerikanische Kommandeur des 416th BSB, Oberst James F. Ishmael, die amerikanische Flagge ein letztes Mal einholen. Anfang 1994 ziehen erste Kleinbetriebe in die ehemaligen Kasernengebäude der Monteith-Kaseme ein. Der Zirkus „Aldano" schlägt sein Winterquartier im Windschatten einer der Flugzeughallen auf, die Pferde und Kamele können sich auf den Wiesen Bewe­ gung verschaffen und die Artisten üben in der Turnhalle der Schule. Die Sanitäter und die Feuerwehr nutzen das große Gelände für Übungen. In einer der Flugzeughallen hat sich ein Fotostudio eingerichtet. Im ehemali­ gen Kommandeursgebäude bietet die Nürn­ berger „Musikzentrale e.V." 26 Übungsräume für Musiker an. Bildhauer und Maler haben sich ebenfalls schon auf dem Gelände ein­ quartiert.

Am 15. September 1993 holen die amerikanischen Soldaten zum letzten Mal die Fahne in der Monteith-Kaseme ein.

Die Stadt übernimmt den Kindergarten in der Monteith-Kaserne sofort und investiert über 600.000 Mark, um ihn den hochge­ schraubten deutschen Normen anzupassen, obwohl in ersten Besichtigungen ein hervor­ ragender Zustand attestiert worden ist. Der Kindergarten deckt mit seinen 100 Plätzen den Bedarf für Vach und (teilweise) Unter­ farrnbach. Die Stadtverwaltung zahlt der Bundesvermögensverwaltung zwar monatlich 35.000 Mark Miete für die Schule, die aber ebenfalls nicht deutschen Standards ent­ spricht. Die Klassenzimmer beispielsweise sind zu groß (!). Daß die Turnhalle nicht ge­ nutzt werden kann, ist verständlich, fehlen doch dort nicht nur Umkleideräume und Duschen, der Betonboden ist für Sportzwecke viel zu hart. Die ehemalige Sporthalle der amerikanischen Streitkräfte - in einem der Hangars - befindet sich in einem desolaten Zustand und kann deshalb auch nicht ver­ wendet werden. Die Kinder müssen zum Sportunterricht in die Halle des TSV Burg­ farrnbach ausweichen. Im September 1994 ist die Schule mit 28 Klassen bereits voll

belegt und im Mai 1995 erwirbt die Stadt den Schul- und Kindergartenkomplex für vier Mil­ lionen Mark. In die Räume der ehemaligen Schulbibliothek zieht die Stadtbildstelle ein. Die Planungen für das restliche Atzenhofer Gelände variieren ab 1994 ständig. Die vor­ handenen Kasernenbauten sollen unter Ein­ beziehung der denkmalgeschützten Gebäude in eine Wohnanlage integriert werden. Von dieser durch einen Grünstreifen getrennt, soll sich der Gewerbebereich am Hafen entlang ausdehnen, wobei ein 130 Meter langes zusätzliches Hafenbecken geplant ist. Noch offen ist „lediglich" die Finanzierung. Für den Ankauf der US-Immobilien, für die das Bun­ desvermögensamt in der Regel die Hälfte des Verkehrswertes verlangt, zahlbar in Raten über zehn Jahre, hat die Stadt 1994 bereits drei Millionen Mark im Haushalt eingeplant. Durch die überraschend für Ende 1995 an­ gekündigte totale Räumung aller anderen USLiegenschaften verschieben sich jedoch die Prioritäten in Richtung Fürther Südstadt. Zudem stellt sich heraus, daß der nördliche Teil des Monteith-Areals innerhalb einer 171

Fluglärmzone liegt und deshalb für eine Wohnbebauung nicht in Frage kommt. Das wiederum gewährt dem Golfplatz zumindest eine Gnadenfrist, an eine Landesgartenschau und an einen Freizeitpark mit Go-Kart-Bahn wird gedacht. Weiter stellt sich heraus, daß das Kanalnetz für eine dichtere Bebauung unterdimensioniert ist und mit zweistelligem Millionenaufwand erneuert werden müßte. Außerdem nutzen die Fürther Stadträte das Monteith-Areal als Manövriermasse im Poker um den Gewerbepark im Knoblauchsland. Während die Stadt Fürth bei der MonteithKaserne relativ zeitig die Gewißheit besitzt, daß sie das Gelände übernehmen kann, ist dies bei der Darby-Kaseme erst ab Ende 1994 der Fall. Trotzdem finden bereits zu Beginn der neunziger Jahre erste Planspiele der Stadtratsfraktionen statt. Die CSU denkt beispielsweise an ein Schul- und Äm­ terzentrum zwischen Fronmüller- und Flößaustraße. Hardenberg- und Heinrich-Schliemann-Gymnasium sollen sich auf dem Gelände ebenso breit machen wie die KfzZulassungsstelle. Schließlich gebe es, trotz des Sozialrathauses, langfristig genügend Bedarf an Amtsräumen. Selbst als Senioren­ parks werden die Areale der Darby-Kaseme ins Gespräch gebracht. In den nächsten Jahren schlafen die Planungen wieder ein. Die Amerikaner brechen im Juni 1993 den 1967 aufgestellten Sendemast für ihre militärischen Funkverbindungen ab, dessen Gitterkonstruktion immer wie ein unvollen­ deter Eiffelturm ausgesehen hat. Der dane­ ben stehende Betonmast übernimmt seine Funktion, die auch nach dem Abzug der Amerikaner erhalten bleiben soll. Er ist mit 80 Metern Höhe noch 30 Meter höher als der alte Turm und ist im Mai 1987 aus Beton­ fertigteilen errichtet worden. Erst als der vollständige Abzug der Ameri­ kaner Ende Oktober 1994 feststeht, werden die Planungen über die Zukunft der DarbyKaseme wieder intensiv diskutiert. Baurefe­ rent Joachim Krauße bezeichnet die Neuge­ staltung als „Jahrhundertaufgabe". Ersten Entwürfe im Januar 1995 sehen inmitten des ehemaligen Kasemengeländes einen großen Park, im Westen Wohnungen und im Osten „sanftes Gewerbe" vor. Ein Teil der alten Bau­ ten soll erhalten bleiben. Interessenvertreter unterschiedlicher Gruppierungen besuchen das Gelände. Der Förderverein der Volkshochschule macht ein brauchbares Gebäude ausfindig, weiter soll eine evangelische Gemeinde gegründet wer­

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den und als Zirkusarena will man das Areal verwenden. Die CSU-Frauen informieren sich ebenso wie der Bund Naturschutz und der Stadtjugendring. Im Juni 1996, während noch der Architektenwettbewerb für die zukünftige Bebauung läuft, können bereits Zuschüsse vom Freistaat Bayern für 200 preiswerte Wohnungsneubauten lockerge­ macht werden. Um die Johnson-Kaserne bleibt es still. Im Juni 1992 verlegt das bisher hier stationierte 16. Pionierbataillon der 3. Panzerdivision mit insgesamt 433 Soldaten und 160 Fahrzeugen in die Erlanger Ferris-Kaserne. Nach und nach verlassen die restlichen Einheiten das Gelände. Ende 1995 wird der AFN-Sendemast für die Mittelwellenausstrahlung entfernt und es befindet sich nur noch die „DRMO" (Defense Reutilization and Marketing Office) in der Johnson-Kaserne. Diese Einrichtung, eine von nur dreien in Deutschland, verwertet und versteigert alle von der US-Army nicht mehr benötigten Gegenstände und soll wei­ terhin in Fürth bleiben. Für das restliche Areal gibt es zwar viele Interessenten, aber wegen der Ausweisung als Wasserschutzge ­ biet taugt es nur für „sanftes" Gewerbe. Als erste Firma will die vereinigte Patrizier- und Tücher-Brauerei auf einem Teil der ehemali­ gen Johnson-Kaserne ab 1996 ein Logistikund Abfüllzentrum für 120 bis 150 Millionen Mark errichten.

Nicht nur die Kasernen werden durch den Abzug der Amerikaner frei. Viele Soldaten haben in der „Economy", also außerhalb gewohnt. In Mittelfranken geben die Ameri­ kaner bis zum September 1992 etwa 5.000 gemietete Privatwohnungen auf, davon fast die Hälfte im Gebiet der ehemaligen „Nürn­ berg Community". In Fürth hat sich die Zahl der „private re ntal"-Verträge innerhalb eines Jahres von 465 auf 198 reduziert. Die vor­ zeitige Auflösung der oft langfristig abge­ schlossenen Leasing- und Mietverträge für Soldatenwohnungen und Büroräume außer­ halb der Kasernen lassen sich die Eigentümer mit gut dotierten Ablösesummen versüßen. Eine Entlastung des Wohnungsmarktes durch die freiwerdenden Objekte ist jedoch nicht feststellbar, da es sich meistens um relativ teuere Wohnungen für Offiziere ge­ handelt hat. Die Zahl der Asylsuchenden, Flüchtlinge und Übersiedler aus den ehemaligen Ost­ blockländern in die Bundesrepublik ist nach der Wende 1990 drastisch angestiegen. Die

Neuankömmlinge treffen in Fürth auf einen, durch die zunehmende Zahl von Kleinfami­ lien und Singles sowieso angespannten, Woh­ nungsmarkt. Aus diesem Grund interessiert die Fürther am Abzug der Amerikaner weni­ ger die Freigabe der Kasernenflächen, dage­ gen die Aussicht auf günstige Wohnungen um so mehr. Verschiedene Interessengruppen fordern immer wieder, die Kalb-Siedlung für Fürther freizugeben. Die Siedlung an der Fronmüllerstraße mit ihren 1.234 Wohnun­ gen, den Schulen, dem Kindergarten und dem Jugendzentrum bietet sich geradezu an. Allein in das Einkaufszentrum (PX) an der Waldstraße haben die Amerikaner in den letz­ ten sechs Jahren über dreißig Millionen Mark investiert. Der Anschluß an die Fernheizung ist 1986 vorgenommen worden und noch im Sommer 1993 stecken die Amerikaner fast zehn Millionen Mark im Rahmen eines Ener­ giesparprojekts in die Außenisolierung der Gebäude. Die Amerikaner haben ihre restli­ chen in der Region noch stationierten Solda­ ten hier zusammengezogen und geben keine einzige Wohnung vorzeitig frei. Möglicher­ weise sehen sie die Notwendigkeit, im Falle einer Verschärfung des Jugoslawienkrieges hier wieder Truppen zu stationieren. Zwar entspannt sich 1995 die Wohnungs­ marktlage in Fürth etwas, aber die Wohnun­ gen der Kalb-Siedlung würden die Situation vor allem für die finanziell schwächeren und kinderreichen Familien verbessern. Anderer­ seits ist die Stadt an sozial schwachen Fami­ lien, die den Etat stark belasten, weniger interessiert. Geplant ist eine Mischung aus Sozialwohnungen, freien Mietwohnungen und Eigentumswohnungen. Im Juli 1996 erfolgt der Kaufabschluß für die Stadt Fürth im Beisein von Bundesfinanzminister Theo Weigel. Für viele Fürther ist das Zögern der Stadt­ verwaltung, in PX und Commissary einen großen Verbrauchermarkt einziehen zu las­ sen, unverständlich. Obwohl die Südstadt bisher kein einziges Einkaufszentrum bieten kann, werden alle diesbezüglichen Interes­ senten an den zusammen 35.000 Quadrat­ meter großen Objekten zurückgewiesen und stattdessen monatlich 40.000 Mark für die Überwachung der leerstehenden Gebäude be­ zahlt. Dagegen bietet die Oberfinanzdirektion die Häuser der Dambacher Offizierssiedlung auf dem freien Immobilienmarkt an. Allerdings sind sie nicht ganz billig und die Käufer müs­ sen sich verpflichten, keine massiven Zäune um ihre Grundstücke zu ziehen - das von den

Amerikanern geprägte Erscheinungsbild soll erhalten bleiben. Im Frühjahr 1996 ziehen die ersten Familien in die gut erhaltenen und unter Denkmalschutz stehenden Häuser ein. Die große High-School an der Fronmüller­ straße stellt für die städtischen Planungen ein interessantes Objekt dar. Am 17. Mai 1995 ist letztmalig die amerikanische Fahne vor dem Schulgebäude niedergeholt worden und die letzten 350 Schüler(innen) und 42 Lehrkräfte werden in alle Winde zerstreut. Manche bleiben zwar in Fürth wohnen, müs­ sen nun aber tägliche Fahrten nach Ansbach oder Hohenfels in Kauf nehmen. Am 16. No­ vember 1995 werden die Schulen und Kin­ dergärten der Housing-Area an die Bundes­ vermögensverwaltung übergeben. Volksbü­ cherei und Stadtbildstelle interessieren sich für das Gebäude der High-School, die Nürn­ berger Universität will ihre Handarbeits- und Hauswirtschaftslehrerausbildung hier unter­ bringen. Eine internationale Schule soll ein­ ziehen, sie hat aber noch Schwierigkeiten, die notwendige Schülerzahl zusammen zu brin­ gen. Die von den Amerikanern verursachten Umweltschäden finden erst seit den achtziger Jahren Beachtung. Grundsätzlich erklären sich die Amerikaner bereit, für die Beseiti­ gung der Altlasten geradezustehen. Deren Umfang dürfte, verglichen mit den Hinterlas­ senschaften der Roten Armee in den neuen Bundesländern, jedoch gering sein. In den Fürther Kasernen gibt es einen Sanierungsbedarf für die mit Öl und Lö­ sungsmitteln verseuchten Böden, zumal die Fürther Trinkwasserbrunnen im Rednitztal ganz in der Nähe liegen. In der Darby-Ka­ serne errichten die Amerikaner auf dem Ge­ lände der ehemaligen Reinigung für 823.000 DM eine Stripanlage, die Grundwasser und lösungsmittelhaltige Bodenluft reinigt. Zwi­ schen Oktober 1989 und Dezember 1990 werden rund 70 Kilogramm Halogenkohlen­ wasserstoffe aus dem Boden gefiltert. Eine weitere Anlage arbeitet in der Johnson-Kaseme. Bereits 1963, als Kanalisationsrohre in der Fronmüllerstraße verlegt worden sind, hat man in der Darby-Kaserne eine Ölquelle unbekannter Herkunft entdeckt. Als sich im Frühjahr 1966 die Beschwerden der Anwoh­ ner, die bisher von den süßen Düften der amerikanischen Bäckerei verwöhnt worden sind, häufen, werden Sickergräben mit Ölab­ scheidern angelegt. Die Herkunft des Diesel­ öls kann trotz vieler Grabungen nicht ermit­

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telt werden, in den Sickerschächten hat man bis heute etwa 80.000 Liter öl aufgefangen. Den bleihaltigen Boden der Burgfarrnbacher Schießanlage lassen die Amerikaner durch eine beauftragte Firma reinigen. Trotzdem besteht noch 1995 eine gewisse Unsicherheit über Art und Umfang der ame­ rikanischen Hinterlassenschaften im Unter­ grund. Alarmmeldungen über ein verseuchtes Hainberggelände tauchen ebenso auf, wie über einen Asbestkleber für den Fußboden der High-School. Dem Außenstehenden ist nicht klar, ob die Gefährdungen tatsächlich bestehen, oder ob es sich lediglich um Pa­ nikmache handelt, um die eigene Verhand­ lungsposition zu stärken und den Preis für die Liegenschaften zu drücken.

Zennwalddepot und Schießplatz Das Zennwalddepot zwischen Burgfarrn­ bach und Kreppendorf ist das allererste in Fürth von den Amerikanern geräumte Gelän­ de. Durch die abgeschiedene Lage und die scharfe Bewachung hat das Depot zu man­ cherlei Gerüchten und Spekulationen Anlaß gegeben. Die insgesamt vierzehn Bunker mit 100 und 200 Quadratmetern Grundfläche sind von der deutschen Wehrmacht zwischen den Bäumen des Zennwaldes erbaut und durch asphaltierte Straßen miteinander ver­ bunden worden. Während des Krieges wird das Zennwalddepot einmal bombardiert, nach dem Krieg dient es als Warenlager und Pro­ duktionsstätte für einige Firmen und steht anschließend leer. Die Amerikaner nehmen Anfang 1957 das Gelände als Ersatz für ihr Depot bei der Dy­ namit Nobel AG in Stadeln in Besitz, das nach langem Bemühen der Firmenleitung endlich freigegeben werden kann. Sie begin­ nen mit dem Wiederaufbau: die Bunker wer­ den abgedichtet und isoliert und Erdwälle rundherum aufgeschüttet. Die Sicherheits­ vorkehrungen lassen darauf schließen, daß „die gefährlichsten Waffen" im Depot gelagert werden. Bauern, Jäger und harmlose Spa­ ziergänger, die dem Zaun zu nahe kommen, werden von den Posten festgenommen und die benachbarten Grundstücksbesitzer müs­ sen einen 30,5 Meter breiter „Todesstreifen" freihalten. Konrad Dürschinger, der damalige Jagdpächter vermutet sogar die Lagerung von Atomwaffen auf dem Gelände, da die Trans­ porte teilweise nur von Offizieren ausgeführt werden und die Ladung und die Begleitperso­ nen bei Ein- und Ausfahrten mit Geigerzäh­ lern kontrolliert werden. Wie erwähnt, sind in

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den sechziger Jahren sogenannte „Atom­ kanonen" mit einem Kaliber von 28 cm in Fürth stationiert, später dann 20,3 cm-Feldhaubitzen Ml 10. Beide Typen können nukle­ are Gefechtsköpfe verschießen, deshalb ist diese Vermutung sicher zutreffend gewesen. Bereits 1964 protestieren die Fürther Jä­ gern gegen das stadtnahe Depot im Zennwald, zumal unter der Mitwirkung der Bun­ deswehr eine Erweiterung um zehn Hektar geplant ist. Eine Vermessungsfirma beginnt mit dem Fällen von Bäumen und steckt das Gelände ab, doch Konrad Dürschinger zieht in der Nacht die Markierungspfähle wieder heraus. Die Erweiterungsfrage kommt bis vor den Bayerischen Landtag und das Bundes­ verteidigungsministerium und schließlich wird die Maßnahme fallengelassen. Die „Fürther Nachrichten" melden am 10. September 1974: „Katastrophenalarm lö­ ste gestern vormittag nach 11 Uhr eine Panne im amerikanischen Munitionsdepot im Zennwald aus. Ein mit giftigen Chemikalien gefüllter Munitionsbehälter war undicht ge­ worden. Die davon ausgehenden ätzenden Dämpfe verletzten im Depot drei Menschen. Die anwohnende Bevölkerung, zu deren Schutz ein Massenaufgebot an amerikani­ schen Soldaten, an Polizei und Feuerwehr angerückt war, kam mit dem Schrecken davon." Gerüchte über radioaktive Stoffe und über Giftgaswolken machen die Runde. Ein amerikanisches Spezialistenteam in Gummi­ anzügen beginnt nach dem Leck zu suchen. Es wird allerdings keines gefunden und die Amerikaner lassen zwei Tage später verlau­ ten, es habe sich bei den Dämpfen um aus­ gelaufene Batteriesäure gehandelt. Wahr­ scheinlich ist jedoch Raketentreibstoff für die in Herzogenaurach stationierten Pershing 1Raketen aus einem undichten Behälter aus­ geflossen. Später wird im Zennwalddepot nur noch leichte Munition gelagert, was aus der nach­ lassenden Bewachungsintensität geschlossen werden kann. Im Januar 1983 beklagt sich die ÖTV nämlich über die schlechte Bezah­ lung des für die Bewachung der amerikani­ schen Depots eingesetzten deutschen zivilen Wachpersonals. Diese Wächter tragen zwar eine Art Army-Uniform und sind in einem Blitzkurs in der Bedienung des Schnellfeuer­ gewehrs ausgebildet worden, sie sind aber nur zu Dritt. Das alles deutet darauf hin, daß keine Atomwaffen oder gefährlichen Stoffe mehr im Zennwald gelagert sind. Ende August 1991 gibt die US-Armee überraschend bekannt, daß sie die Zenn-

waldbunker bereits geräumt hat. Die darin befindliche Munition ist Ende 1990 mit an den persischen Golf transportiert worden. Danach hat man das Depot nicht mehr auf­ gefüllt. Die Fürther Stadtverwaltung meldet ihr Interesse an diesem Gelände an, um es in das umgebende Naherholungsgebiet zu inte­ grieren. Die Freigabe erteilt das Heidelberger US-Oberkommando Mitte November 1991. Noch herrscht Ungewißheit, ob die Bundes­ wehr einen Anspruch anmelden wird, ein pyrotechnischer Betrieb möchte gar Silve­ stermunition dort lagern. Im Juli 1992 wird das Depot als Erweiterung für den Burgfarrnbacher Kompostplatz ins Gespräch gebracht. Inzwischen haben Plünderer bereits damit begonnen, das nur abgesperrte, aber nicht mehr bewachte Gelände von allem zu befreien, was nicht niet- und nagelfest ist. Zudem wird es als Rallye-Piste mißbraucht. Ansonsten wird es ruhig um das 8,5 Hektar große Gelände, das die Stadt am 21. Juli 1994 kostenlos von der Bundesvermögens ­

verwaltung übernimmt und an einen Schäfer verpachtet. Der Kaufpreis ist gegen die hohen Abbruchkosten der Bunker aufgerechnet worden. Ende 1994 beginnt der „Robin Hood” im langen Kampf gegen das Munitionsdepot im Zennwald, der Burgfarrnbacher UCS-Stadtrat Konrad Dürschinger, in Eigeninitiative, von Baufirmen und Landwirten unterstützt, mit dem Abriß der Bunker. Wegen der massiven Bauweise der Bunker werden diese Arbeiten immer wieder unterbrochen. Es ist tragisch, daß Konrad Dürschinger, der mehr als drei­ ßig Jahre gegen das Depot gekämpft hat, bereits im Februar 1995 stirbt. Die Erfüllung seines Wunsches, das Zennwalddepot wieder in eine Waldlandschaft zurückzuverwandeln, erlebt er nicht mehr.

In der Nähe des Zennwalddepots liegt der 10,5 Hektar große „Schießplatz Burgfarrn­ bach" an der Bernbacher Straße, genau auf der Grenze zum Landkreis. Er ist im Zweiten

Das Zennwalddepot sieht selbst 1993, als es die amerikanische Armee längst verlassen hat, noch sehr abweisend aus.

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Gemeinsames Training von amerikanischen und deutschen Soldaten auf dem Burgfarm­ bacher Schießplatz.

Weltkrieg angelegt worden, selbst Exekutio­ nen soll es dort gegeben haben. Die Amerika­ ner haben ihn sporadisch benutzt. Parallel dazu haben die Anwohner immer wieder wegen Lärmbelästigungen durch die Schieß­ übungen protestiert. Im Rahmen der deutsch-amerikanischen Freundschaftswoche 1969 findet dort ein Pistolen-Wettschießen zwischen den Amerikanern, der Bundeswehr und Polizisten aus Zirndorf und Fürth statt. Ehrensache, daß die Mannschaft der Fürther Stadtpolizei gewinnt. Der Schießplatz gerät 1972 in die Schlag­ zeilen, als während der Renovierungsarbeiten unbekannte Rowdies alles kurz und klein schlagen, Fensterscheiben und Tontauben nicht verschonen und einen massiven Schaltkasten der Stadtwerke aus der Veran­ kerung reißen. Und zwei Jahre später brennt auf dem Schießplatz eine Baracke zur Auf­ bewahrung von Zielscheiben ab, nachdem bei Desinfektionsarbeiten das leicht entzündliche Gemisch durch eine Zigarette in Brand gesetzt worden ist. Nach einer Pause ab 1975 lebt der Übungsbetrieb 1981 wieder auf und die Anwohner beschweren sich erneut über den Lärm. Der Burgfarrnbacher Stadtrat Konrad Dürschinger macht sich für einen Lärm­ schutzwall stark. Alle Fragen bis hin zur Aufforstung des Walls scheinen geklärt, als das Bundesverteidigungsministerium das ganze mit der Behauptung kippt, bei Schieß­

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anlagen sei ein Wall zur Lärmminderung nutzlos. Drei Jahre später, 1984, präsentiert sich der Schießplatz frisch renoviert, der Pisto­ lenschießstand ist erweitert und auch für Gewehre geeignet. Dahinter ist ein neuer Platz für Übungshandgranaten entstanden, von Lärmbeschwerden ist allerdings nichts bekannt. Zwischen 1989 und 1990 verstär­ ken die Amerikaner ihren Übungsbetrieb deutlich und erneut beschweren sich die Anwohner des Siedlungsgebiets am Tulpen­ weg über den Schießlärm. Das für das Gelände zuständige Bundesvermögensamt weist lakonisch darauf hin, daß die Anlage schließlich schon im Dritten Reich errichtet worden sei, und die zivile Bebauung sich inzwischen der Anlage genähert habe. Trotz­ dem versuchen die Amerikaner, den Übungs­ betrieb auf „zivile" Tageszeiten zu beschrän­ ken und Lärmschutzmaßnahmen vorzuneh­ men, die jedoch nicht mehr zur Ausführung kommen. Im November 1992 geben die Ame­ rikaner ihren Verzicht auf das Gelände bekannt und das Bundesvermögensamt bie­ tet die Liegenschaft der Stadt Fürth an, die jedoch noch keine Vorstellung über eine zukünftige Nutzung hat. Drei Jahre später präsentiert sich der Schießplatz immer noch so, wie ihn die Amerikaner verlassen haben.

Ziuilbeschäfligte und Soldaten Die Liegenschaften wechseln nur ihre Bestimmung, die vom Abzug der Amerikaner betroffenen Menschen werden dagegen aus ihrem Lebensrhythmus gerissen. Am wenig­ sten berührt sind die Soldaten. Für sie und ihre Angehörigen stellt der „Drawdown" hauptsächlich ein logistisches Problem dar. Bereits beim Eintritt in die Armee bzw. bei der Heirat eines Armeeangehörigen sind sie mit der Tatsache vertraut, daß häufige Ver­ setzungen - auch aus Karrieregründen - eine Notwendigkeit darstellen. Ob Fürth, Panama oder Fort Worth, überall finden sie die glei­ chen Kommandostrukturen und Einrichtun­ gen. Zwar gefällt den meisten Fürth bzw. Deutschland besser als beispielsweise Korea. Aber ihr Weggang aus Fürth bildet nur eine Zeile in ihrem Lebenslauf. Als „Dankeschön" für ihre bisherige Tätigkeit der Friedenssi­ cherung erhalten viele scheidenden Soldaten eine Videokassette „Thank You, America". Diese Kassette ist auf Initiative von Hanns Bader vom Amt für Zivile Angelegenheiten und Vorsitzenden des „Deutsch-Amerikani ­ schen Männerclubs von Mittelfranken" ent­ standen und von der Firma Siemens gespon­ sert worden. Wenn die Szenen von Bierfesten und Burgen auch etwas „typisch deutsch" und klischeehaft wirken, geben sie den ame­ rikanischen Soldaten doch eine schöne Erin­ nerung an ihre Stationierungszeit in Deutschland. Die amerikanischen Zivilangestellten sind vom Abzug stärker betroffen, soweit sie nicht verwandtschaftlich an Soldaten gebunden sind und mit diesen wegziehen. Die überwie­ gend amerikanischen Lehrer der Schulen bei­ spielsweise sind Beamte des amerikanischen Verteidigungsministeriums und zum Teil bereits seit 25 Jahren in Fürth. Im Gegensatz zu den ständig wechselnden Soldaten haben sie hier Wurzeln geschlagen und wesentlich mehr Kontakte zu den Fürthern geknüpft. Soweit die Lehrer noch nicht in den Ruhe­ stand gehen können, sind sie gezwungen, alternative Stellenangebote des Verteidi­ gungsministeriums anzunehmen. Diese Stellen können in Bamberg, Bonn, aber auch in Korea oder der Türkei liegen. Andere Pädagogen, die noch nicht unkündbar sind, müssen in die USA zurück und sich dort auf dem Arbeitsmarkt selbst nach neuen Stellen umsehen. Ähnliche Probleme haben amerikanische Rentner, die sich hier zur Ruhe gesetzt haben. Ihre preiswerten und von keinerlei Dollartiefflügen getrübten Ein­

käufe haben sie bisher im PX und im Com­ missary tätigen können, medizinische Versor­ gung hat es im Hospital gegeben und weitere Einrichtungen wie Bibliotheken, Kirche und ähnliches haben sie in der Darby-Kaseme ge­ funden. Mit der Auflösung der Garnison ent­ fällt auch das APO (Army Post Office), die „Feldpostnummer". Briefsendungen und Zei­ tungen konnten bisher mit den billigeren inneramerikanischen Tarifen aus den USA bezogen werden, jetzt wird daraus eine Über­ see-Sendung. Die Umzüge der Soldaten und ihrer Ange­ hörigen sind sehr aufwendig, da jeweils der gesamte Hausrat verschifft werden muß. Jeder einzelne zurückreisende Amerikaner muß sich über den Verbleib seiner persönli­ chen Habe Gedanken machen, wobei ihm ein angemessenes Transportvolumen für die Rückführung in die USA zur Verfügung steht, das sich nach der Größe des Haushalts rich­ tet. Die weitgereisten Amerikaner verfügen über eine gewisse Erfahrung beim geschick­ ten Verstauen ihrer Habe in Containern, wel­ che oft monatelang unbewacht in Häfen her­ umstehen und als Decksfracht auf Contai­ nerschiffen den stürmischen Atlantik über­ queren. Wertvolle oder empfindliche Dinge verstecken sie in der hintersten Ecke oder vertrauen sie als Extrafracht zuverlässigen Speditionen an. Jedenfalls suchen die Ameri­ kaner bereits ab August 1991 Speditionen, die neben umfangreichen Transportmöglich­ keiten für Fernumzüge auch das Know-how für Überseeverpackungen anbieten. Das in Deutschland zurückgelassene Gut dagegen muß entsorgt werden, wobei die Amerikaner extra nochmals auf die hier praktizierte Mülltrennung aufmerksam ge­ macht werden. Besonders gerne werden alte Autos einfach stehengelassen. Die Feldwebel der Einheiten achten auf solche Wracks und die Eigentümer werden vor ihrer endgültigen Abreise noch auf ihre Pflichten hingewiesen. Schlimmstenfalls reicht der Arm der Armee bis zur neuen Einheit in den USA, um den Eigentümer zur Kasse zu bitten oder die alte Einheit muß die Entsorgungskosten aus ihrem Instandhaltungsetat bestreiten. Die noch verwertbaren Teile der amerika­ nischen Hinterlassenschaften werden in ver­ schiedenen Aktionen zu anfangs traumhaft niedrigen Preisen öffentlich verkauft, wobei Amerikaner ein Vorkaufsrecht besitzen. Diese Aktionen für Einrichtungs- und Haushaltsge­ genstände hat es bereits früher gegeben, um Umzugsmengen zu reduzieren oder Altbe­ stände abzugeben. Durch den Abzug ist der 177

Umfang der zu verkaufenden Geräte gewaltig gewachsen. Im April 1992 werden beispiels­ weise in der Monteith-Kaserne über 200.000 Artikel, darunter Waschmaschinen, Kühl­ schränke und Wäschetrockner abgegeben. Teilweise handelt es sich um neuwertige Geräte - alle sind für einen 220 Volt-Betrieb eingerichtet - zu einem Stückpreis von fünf­ zehn Mark. Bei der nächsten Verkaufsaktion von amerikanischen Haushaltsgeräten im August 1992 ist der Ansturm der Käufer unerwartet groß, am besten verdient die Poli­ zei, die jeden Parksünder unnachgiebig mit dem Kaufpreis von zwei Kühlschränken, nämlich mit dreißig Mark, bestraft. Das Angebot der Waren umfaßt auch Freizeitarti­ kel wie Bowlingkugeln oder Kicker, die sich frühere Soldatengenerationen von ihrem mageren Sold für ihre Clubs angeschafft haben, um sich das Kasemenleben angeneh­ mer zu gestalten. Marktgerechte Preise darf die Armee nicht verlangen, da sie keinen Gewinn erwirtschaften soll und sie außerdem alle Teile möglichst schnell veräußern soll. Letztendlich verdient nur der deutsche Zoll dabei, der Mehrwertsteuer und Gebühren kassiert. Wegen der oft großen Stückzahlen in den Einzelposten solcher Versteigerungen treffen sich hauptsächlich die Profis. Ein mysteriöses Pärchen erregt im August 1993 Aufsehen, als es 500 Armeeschlafsäcke und große Mengen wetterfester Bekleidung ersteigert und nicht fotografiert werden will. Ob alles ins jugosla­ wische Kriegsgebiet wandert?

Für die deutschen Zivilangestellten bricht mit der Auflösung der „Nürnberg Community" sozusagen eine Welt zusammen. Wie bereits früher geschildert, arbeiten mehrere tausend deutsche Arbeitnehmer für die US-Armee. Sie sind vom konsequent abgewickelten Abzug sehr stark betroffen, denn mit der Verringe­ rung der Soldaten geht der Abbau der zivilen Arbeitsstellen einher. Die Planungen dazu kommen aus dem USAREUR-Hauptquartier in Heidelberg, die örtlichen amerikanischen Stellen werden über die Pläne oft spät und unzureichend informiert, was die Beschäftig­ ten zusätzlich verunsichert. Eine weitere Verminderung der deutschen Angestellten und Arbeiter ergibt sich aus der bereits vor der Wende zu beobachtenden Tendenz der Amerikaner, zivile Stellen mit Familienange­ hörigen der Soldaten oder eigens in den USA angeworbenen Kräften zu besetzen, was eigentlich dem NATO-Truppenstatut wider­ spricht. 178

Die Gewerkschaftsführer machen sich bereits Anfang 1990 Gedanken über die Zukunft der Zivilbeschäftigten. Bei einer Ver­ sammlung mit Vertretern der Staatsregie­ rung, des Arbeitsamtes, der Gewerkschaften und der Stadtverwaltung im Juni 1990 herrscht sowohl Unklarheit über die weiteren Pläne der Amerikaner als auch über Aussich­ ten der Beschäftigten; der Geschäftsführer der örtliche ÖTV kann den Beschäftigten nur empfehlen: „Verlaßt euch nicht nur auf die Politiker, sondern setzt auf eure eigenen Kräfte". Der deutsche Arbeitsmarkt ist ange­ spannt, entsprechend gering sind die Aus­ sichten, eine gleichartige Stelle zu finden. Im September 1990 geben die Amerikaner die geplante Räumung der Monteith- und der Pinder-Kaserne bekannt, die Betroffenen reagieren auf diese Pläne äußerst unter­ schiedlich. Die Äußerungen reichen vom „Wir sind da, wohin uns das Oberkommando befiehlt" der Soldaten über das „Dann mach' ich halt zu" des Pizzabäckers an der Vacher Straße bis zur „absoluten Sauerei" eines Taxi­ fahrers. Die Schneiderin Anni Eigner hat noch Glück. Seit 39 Jahren hat sie für die Soldaten Rangabzeichen an die Uniformen genäht und Schäden an Hosen und Jacken ausgebessert. Wenn es schnell gehen mußte, hat sie auch Arbeiten abends mit nach Hause genommen. Im Jahr 1990 erreicht sie gerade das Ruhestandsalter und sie wird von den Amerikanern mit einem kleinen Fest verab­ schiedet. Als sich der Abzug 1991 verzögert, schöp­ fen auch die Fürther Zivilbeschäftigten neue Hoffnung. Immerhin befindet sich eine von dreizehn Zentralstellen, zu den die Amerika­ ner ihre bisher 33 Personalbüros zusammen­ gefaßt haben, in der Darby-Kaserne. Doch ab Oktober geht der Abzug der Soldaten weiter. Die Zivilbeschäftigten stehen vor der schwe­ ren Entscheidung, noch rechtzeitig abzu­ springen und sich selbst eine andere Stelle zu suchen oder bis zum bitteren Ende auszuhar­ ren. Umschulungskurse werden angeboten und teilweise über das europäische „Konver"Programm finanziert, das die Umwandlung ehemaliger Armee- und Rüstungsarbeits­ plätze in zivile Stellen fördert. Im August 1992 sind bereits etwa tausend Stellen abge­ baut, acht Monate später arbeiten im Bereich der ehemaligen „Nürnberg Community" noch 1.500 Zivilbeschäftigte (bei 4.700 Soldaten). Die im August 1993 bekannt werdenden Pläne sprechen von nur noch 500 Beschäftig­ ten im darauffolgenden Jahr. Ein halbes Jahr später halten sich 1.500 Soldaten in der

Johnson- und der Darby-Kaserne auf, die Monteith-Kaserne ist inzwischen geräumt. Es sind noch 1.000 Zivilbeschäftigte tätig, von denen zum 31. März 1994 weitere 400 ihre „Blauen Briefe" erhalten. Im Sommer 1995 sind es nur noch 270 Arbeitnehmer und diese halten bald ihre auf das Jahresende datierte Kündigung in den Händen.

Viele Firmen, die bisher für die Amerika­ ner tätig gewesen sind, müssen ebenfalls ihre Gürtel enger schnallen. Nach einer Mitteilung der ÖTV hat die amerikanische Armeeverwal­ tung in Fürth vor der Wende jährlich Aufträge für mehr als 200 Millionen Dollar an Firmen vergeben. Dabei haben auch etliche Fürther Firmen profitiert, allein 1988 haben sie Auf­ träge in Höhe von 11,1 Millionen Dollar erhal­ ten; für Nürnberg und Erlangen gelten ähnli­ che Zahlen. Solche Aufträge werden zukünftig ersatzlos entfallen. Die Fürther Stadtwerke beziffern den Umsatzausfall durch den Abzug auf 30 bis 35 Millionen Mark. Die Taxifahrer sind ebenfalls über das Ab­ rücken der Amerikaner traurig. Durch den schlechten Standard des öffentlichen Perso­ nennahverkehrs in den Vereinigten Staaten ist das Taxi für die Amerikaner seit jeher ein gebräuchliches Transportmittel gewesen und in Deutschland wollten sie diesen Komfort nicht missen. Zwar haben die Taxifahrer - wie erwähnt - schon immer unter Überfällen von Soldaten zu leiden gehabt, andererseits ist das Geschäft in den letzten fünf Jahrzehnten sicher nicht schlecht gelaufen. Vor PX und Commissary sind früher bis zu 20 Taxen gestanden und haben auf die - vor allem zum Monatsanfang - zahlungskräftige Kundschaft gewartet. Durch den Abzug geht den Taxifah­ rern nach eigenen Angaben etwa ein Drittel ihres Umsatzes verloren. Nicht zuletzt klagen auch die Besitzer der Etablissements in der Nürnberger Luitpoldstraße seit dem Abzug der Soldaten über „Tote Hose". Etwa zwanzig Gaststätten haben in der Umgebung der Darby-Kaserne fast aus­ schließlich von den Amerikanern gelebt, dazu etliche Imbißbuden, kleine Geschäfte und Autohändler. Viele haben 1996 bereits dicht­ gemacht oder kämpfen um das Existenzmi­ nimum. Ein ganz findiger Unternehmer hat rechtzeitig umgesattelt und verkauft anstelle der Kuckucksuhren für die Gis jetzt ameri­ kanische Souvernirs an deutsche Interessen­ ten. Mit verstärkter Werbung versuchen einige Geschäfte, neue Kunden zu bekom­ men, wobei die Laufkundschaft so lange ausbleiben wird, bis die Umgestaltung des

ganzen Gebietes eingeleitet und die Gebäude wieder mit Anwohnern und Arbeitnehmern bewohnt sind. Letzte Manöver Verschiedene Reibungspunkte bleiben bis zum Ende der amerikanischen Stationierung in Fürth bestehen. Die nach der Wiederver­ einigung 1990 auf Frieden und Abrüstung eingestimmten Fürther begegnen den nun schon seit 45 Jahren stattfindenden ameri­ kanischen Manövem mit zunehmendem Un­ verständnis. Die „Fürther Nachrichten" schreiben am 20. März 1990: „Anachronisti­ sche Operationen im Futterklee: Während weltweite Friedensbemühungen die alten Feindbilder immer mehr in Frage stellen, proben die Amerikaner am Hainberg und im Bannwald vor den Toren der Stadt unver­ drossen den Ernstfall. Schwerbewaffnete Gis halten seit dem Wochenende zum Schrecken vieler Spaziergänger auf einer Waldlichtung zwischen Hiltmannsdorf und Egersdorf die Stellung. Auch am Hainberg wurde mit Hochdruck aufgerüstet". Die Wellen schlagen noch höher, als die Amerikaner versuchen, die Ursache für die während der Übungen festgestellte „Ballerei" auf die Fürther Jägern zu schieben, die sich diese Verdächtigung jedoch verbeten. Wanderer finden zudem eine Tellermine im Wald, die sich jedoch als Attrappe herausstellt. Über ein lustiges Ereignis berichten die „Fürther Nachrichten" am 16. Juli 1994: „Nur noch Krokodilstränen über den Abzug der Amerikaner weinen die Besucher des Fürther Scherbsgrabenbades. Staunten sie doch nicht schlecht, als am hellichten Tag und zur besten (vollsten) Badezeit ein 40 Mann star­ ker Trupp der US-Armee auftauchte und sich in vollem Kampfanzug samt Gewehr in die Fluten stürzte. Die martialische Übung einer Flußdurchquerung trieb die Badegäste aus dem Wasser und zum Protest beim Bademei­ ster. Doch der zuckte nur die Schultern. Die Amerikaner hätten einen Vertrag mit der Stadt und dürften das. Nach kurzer Diskus­ sion schickte er die Soldaten dann aber doch diskret in die derzeit wenig genutzte Halle zum Weiterüben, und die erhitzten Gemüter kühlten sich wieder ab. Es sei aber die Frage erlaubt, ob eine Übung in der nahegelegenen Rednitz den Realitäten nicht mehr entspräche ..." Man darf aber nicht vergessen, daß eine Armee, solange sie existiert, immer üben muß. Durch den vollständigen Abzug der Sol­

179

daten 1995 erledigt sich das Manöverthema für den Fürther Raum von selbst. Ab 1995 gehören auch die Probleme des ASV Fürth mit seinen amerikanischen Nach­ barn der Vergangenheit an. Immer wieder haben die Jugendlichen der amerikanischen Siedlung Gegenstände auf die Spielfelder geworfen und haben heimkehrenden Sport­ lern aufgelauert, um sie zu verprügeln. Die amerikanischen Behörden haben versucht, mit verstärkten MP-Streifen das Problem in den Griff zu bekommen. Und die Skate­ boardbahn, die die Amerikaner 1991 auf ihrem Kinderspielplatz direkt neben der Kleingartenkolonie „Süd II" an der Südwest­ tangente errichtet haben, hat mit ihrem Lärm die benachbarten Gärtner gestört. Ob diese Störungen bei neuen Mietern in der Siedlung wieder auftauchen werden, bleibt abzuwar­ ten. Was ist sonst noch seit 1990 in Fürth in Zusammenhang mit den Amerikanern pas­ siert? Eine Bestechungsaffäre im für Bau­ leistungen zuständigen Fürther Büro der USStreitkräfte wirbelt zu Anfang der neunziger Jahre viel Staub auf. Deutsche Büroange­ stellte fallen durch ihren aufwendigen Lebensstil auf und werden überführt, bei der Vergabe von Bauaufträgen der amerikani­ schen Armee an deutsche Firmen Schmier­ gelder angenommen zu haben. Am 9. Novem­ ber 1990 verhaftet die Polizei den ersten Ver­ dächtigen, die Bestechungssumme wird auf mindestens 200.000 DM geschätzt. Nachdem die Untersuchungen drei Monate geführt worden sind, hat sich die Schadenssumme auf etwa drei Millionen Mark erhöht, gegen vierzig Verdächtige, Bauunternehmer und Angestellte, wird ermittelt. Neben einem Zivil­ amerikaner handelt es sich ausschließlich um deutsche Staatsangehörige. Als im Okto­ ber 1991 die Prozesse beginnen, ist von fünf Millionen Mark die Rede, von denen nur etwa die Hälfte sichergestellt werden kann. Schwerwiegendster Punkt der Anklage ist die Hinterziehung der Steuern für die einkassier­ ten Beträge. Einige Angeklagte werden zu Gefängnisstrafen, teilweise mit Bewährung, verurteilt, weitere Anklagen in diesem Zu­ sammenhang werden im November 1993 erhoben. Bis heute ist die Prozeßkette noch nicht abgeschlossen. Mit Geld- und Bewährungsstrafen ahndet das Nürnberg-Fürther Landgericht im Juli 1993 den versuchten Diebstahl von 400 Split­ terwesten aus der Johnson-Kaserne. Ein ver­ deckt arbeitender Ermittler der amerikani­

180

schen Kriminalpolizei hat das geplante Ge­ schäft auffliegen lassen. Am 13. Mai 1990 rettet der amerikanische Zivilangestellte Donald Claycomb einen Le­ bensmüden aus dem Main-Donau-Kanal, der von der Zirndorfer Brücke gesprungen ist. Für diese Tat ehrt ihn später Oberbürgermei­ ster Lichtenberg. Ende September des glei­ chen Jahres kommt es in der Südstadt zu einer Messerstecherei zwischen fünf Solda­ ten. Zwei von ihnen werden verletzt, die anderen flüchten in die Darby-Kaserne, wer­ den jedoch von der amerikanischen Krimi­ nalpolizei festgenommen. Bei einer Verpuffung in der Darby-Kaseme bei Reparaturarbeiten an einem Lastwagen werden am 18. Juli 1991 drei Soldaten schwer verletzt. Überfälle auf Taxifahrer gibt es nach wie vor. Am 12. Januar 1992 sticht ein Soldat aus der Johnson-Kaserne nach dem Ende der Fahrt auf den Droschkenlenker ein und verletzt ihn am Hals. Der Taxifahrer wehrt sich und kann über Funk noch die Polizei verständigen. Bald darauf ist der ohne Beute geflüchtete Täter gefaßt. Ein Zivilame­ rikaner wird im Dezember 1992 zu neun Jah­ ren Gefängnis verurteilt, weil er einen Deut­ schen in einem Lokal in der Südstadt mit einer Billardqueue niedergeschlagen und lebensgefährlich verletzt hat. Der Zugang zu den Kasernen vereinfacht sich mit der abnehmenden Zahl der Soldaten. Früher ist man nur unter Hinterlegung seines Personalausweises und mit einer stichhalti­ gen Begründung oder einer amerikanischen Begleitperson an der Torwache vorbeigekom­ men. Ab 1994 sind nicht mehr genügend Sol­ daten vorhanden, die riesigen Areale ausrei­ chend zu bewachen, deshalb wird, zumindest tagsüber, ganz darauf verzichtet. Die Fürther verlieren die Scheu vor den ihnen seit Jahr­ zehnten verschlossenen Kasernen und nutzen die Straßen in der Darby-Kaseme als Abkürzungen in der Südstadt. Deshalb wer­ den bald die Tore an der Flößau-, der Balbierer- und der Steubenstraße geschlossen, um den unkontrollierbaren Durchgangsverkehr zu unterbinden.

Der personellen Ausdünnung ihrer Veran­ staltungen suchen die Amerikaner durch eine verstärkte Integration der Fürther entgegen­ zuwirken. Der 49er Club in der Steuben­ straße ermuntert die Bürger zu einem Besuch. Allerdings ist hier wie beim alljähr­ lichen „Mighty Raft Race", einem Schlauch­ bootrennen auf dem Main-Donau-Kanal, die deutsche Beteiligung sehr gering. Besser

scheint 1992 die Einrichtung einer deutschen Diskothek im Kalb-Club anzulaufen, doch wird sie nach unlauteren Machenschaften des Pächters bald wieder geschlossen. Die Dambacher glauben sich an die Besat­ zungszeit unmittelbar nach dem Krieg erin­ nert, als im August 1992 auf einem frisch renovierten Spielplatz der amerikanischen Offizierssiedlung Schilder mit „Benutzung nur für Angehörige der US-Armee erlaubt" angebracht werden. Eigentlich sollen die Schilder - berechtigterweise - nur fremde Kinder, zuweilen ganze Schulklassen, ab­ schrecken, die sich dort austoben wollen. Die Amerikaner entfernen die Schilder nach Protesten der Anwohner wieder.

USA und sie manifestieren die fortbestehende Bindung Amerikas an Europa. Nicht nur die militärischen Beziehungen zwischen Deutschland und Amerika gestalten sich derzeit problemlos. Die politischen Ver­ bindungen werden ebenso intensiv gepflegt und auch auf persönlicher Ebene gibt es permanent Kontakte. Die Amerikaner sind schon immer gerngesehene Touristen in Deutschland gewesen und inzwischen be­ sucht eine immer größer werdende Zahl deut­ scher Reiselustiger das Land der unbegrenz­ ten Möglichkeiten. Die Verbindungen der bei­ den Nationen, die in den letzten fünfzig Jah­ ren zu Freunden geworden sind, werden also fortbestehen.

Die offiziellen Empfänge, die Komman­ deurswechsel und vor allem die Abschieds­ feiern der amerikanischen Truppeneinheiten sehen immer weniger Prominenz auf deut­ scher und amerikanischer Seite, entspre­ chend der abnehmenden Gewichtung des Standortes. Ganz werden die Streitkräfte auch nach 1995 nicht aus der mittelfränki­ schen Region verschwinden. In Ansbach sind noch 2.400 und in Illesheim 900 Soldaten stationiert. Das Gros der in der Bundesrepu­ blik verbleibenden 65.000 Amerikaner kon­ zentriert sich in Rheinland-Pfalz. Es gibt viele Gründe, zumindest ein Korps der amerikanischen Streitkräfte in Deutsch­ land zu belassen. Aus der Sicht der NATO ist der Gärprozeß in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion und auf dem Balkan noch lange nicht abgeschlossen. Der Tschetschenien­ konflikt und der Bürgerkrieg in Jugoslawien sind warnende Beispiele für um sich grei­ fende lokale Konflikte. Außerdem sind der Verbleib und die Sicherung der ehemals sowjetischen Atomwaffenarsenale ungewiß. Kurzschlußreaktionen ultrakommunistischer oder neonationaler Politiker gegen die westli­ che Welt sind nicht auszuschließen. Zudem besänftigen amerikanische Soldaten auf deutschem Boden das immer noch vorhan­ dene Mißtrauen der europäischen Nachbar­ staaten gegen das vereinte 80 Millionen-Volk der Deutschen. Und schließlich bleibt der nu­ kleare Schutz der USA über Deutschland ausgebreitet, ein deutsches Verlangen nach dem Besitz von Atomwaffen kann so vermie­ den werden. Für die Vereinigten Staaten die­ nen die restlichen Stützpunkte in Deutsch­ land als Nachschubzentren für Krisenherde wie im Golfkrieg und in Bosnien. Sie unter­ mauern die weltweite Präsenz der Weltmacht

Der 19. Dezember 1995 ist ein naßkalter Wintertag. Die Wolken hängen tief und es geht ein leichter Nieselregen nieder. Etwa zwei Dutzend amerikanische Soldaten in Kampfuniformen haben vor den beiden Fah­ nenmasten der Darby-Kaserne Aufstellung genommen. Sie sind extra mit dem Bus aus Grafenwöhr herbeigeschafft worden, um der „Nürnberg Final Retreat Ceremony" ein mili­ tärisches Gepräge zu verleihen. Die früher bei offiziellen Anlässen aufspielende Musik­ kapelle ist durch eine Lautsprecheranlage ersetzt worden. Den Soldatinnen und Solda­ ten gegenüber ist das Rednerpult aufgebaut, dahinter sind zwei Zeltdächer für die Ehren­ gäste gespannt, die sich mit Glühwein etwas wärmen können. Nachdem das Team um Major Taylor monatelang intensiv gearbeitet hat, um die Darby-Kaserne und die KalbHousing für die Übergabe an die Bundesver­ mögensverwaltung „besenrein" zu machen, ist jetzt der Tag des endgültigen Abschieds gekommen. In die beginnende Dämmerung hinein - die Organisatoren haben bewußt oder unbewußt auf eine Ausleuchtung der Zeremonie verzich­ tet - ziehen Brigadegeneral Harmeyer, Ober­ bürgermeister Lichtenberg und Major Taylor Bilanz über die vergangenen fünf Jahrzehnte. Sie betonen die gegenseitige Freundschaft und Wertschätzung und die gute Zusammen­ arbeit, und Oberbürgermeister Lichtenberg erinnert an die vielen unbürokratischen Hilfsaktionen der amerikanischen Soldaten. Die Redner wählen als Schlußwort bewußt das deutsche „Auf Wiedersehen", um damit den Wunsch nach weiteren guten deutsch­ amerikanischen Beziehungen zu betonen. Es ist inzwischen 16.45 Uhr, die Sonne ist längst untergegangen. Die deutsche und die amerikanische Fahne werden niedergeholt 181

und zusammengefaltet. Mit der Übergabe eines symbolischen Schlüssels von Major Taylor an Oberbürgermeister Lichtenberg ist das Kapitel der Stationierung amerikanischer Soldaten in Fürth endgültig abgeschlossen. Ein Witz aus der Anfangszeit des Kalten Krieges bringt das deutsch-amerikanische Verhältnis auf den Punkt: Ein Ostdeutscher wird gefragt: „Sind die Russen eigentlich Ihre Freunde oder Ihre Brüder?"

„Es sind unsere Brüder!" „Wieso?" „Sehr einfach: Freunde kann man sich aussuchen ..." Die Basis für diese Freundschaft haben die in Deutschland stationierten Soldaten in den letzten fünfzig Jahren gelegt. Jetzt, da sie zumindest aus dem Nürnberg-Fürther Raum abgezogen sind, liegt es an uns allen, das Verhältnis zum Land unter dem Sternenban­ ner weiter zu pflegen.

An den Bordsteinen der leeren Waldstraße vor dem PX beginnt bereits Gras zu wuchern. 182

Anhang Die amerikanischen Kommandeure in Fürth

Brigadegeneral Leroy H. Watson

1946

-

01.07.1948

Brigadegeneral David L. Ruffner

02.07.1948

-

04.02.1951

Brigadegeneral Ernest B. Bixby

05.02.1951

-

01.12.1952

Brigadegeneral Mason B. Young

02.12.1952

-

05.05.1953

Oberst Harold P. Hennessy

06.05.1953

-

12.08.1954

Oberst Alexander G. Kirby

13.08.1954

-

06.12.1955

Oberst Theodore R. Kimpton

07.12.1955

-

29.08.1957

Oberst Graham E. Schmidt

30.08.1957

-

27.11.1958

Oberst Homer B. Chandler Jr.

02.12.1958

-

08.07.1960

Oberst Paul A. Cawlfield

09.07.1960

-

18.07.1960

Oberst W.H. Waugh Jr.

19.07.1960

-

10.04.1963

Oberst Salvatore A. Armogida

11.04.1963

-

29.05.1965

Oberstleutnant James H. New

30.05.1965

-

18.07.1965

Oberst Jerry M. Sage

19.07.1965

-

13.07.1967

Oberst Frederick P. Field

14.07.1967

-

21.07.1969

Oberst Grant E. Jones

22.07.1969

-

14.01.1972

Oberst John R. Eggers

15.01.1972

-

30.09.1973

Oberst Frederick R. Cully

01.10.1973

-

30.06.1974

Brigadegeneral George B. Price

01.07.1974

-

18.07.1976

Brigadegeneral Edward A. Partain

19.07.1976

-

30.06.1977

Brigadegeneral Alfred L. Sanderson

30.06.1977

-

06.11.1978

Brigadegeneral Thomas F. Healy

06.11.1978

-

26.07.1979

Brigadegeneral Michael J. Conrad

26.07.1979

-

30.06.1981

Brigadegeneral Jack O. Bradshaw

30.06.1981

-

05.01.1983

Brigadegeneral Robert L. Drudik

05.01.1983

-

20.07.1984

Brigadegeneral John M. Shalikashvili

21.08.1984

-

12.06.1986

Brigadegeneral Paul R. Schwartz

18.07.1986

-

08.10.1987

Brigadegeneral William M. Boice

17.12.1987

-

12.09.1989

Brigadegeneral Wesley B. Taylor Jr.

12.09.1989

-

25.06.1991

Brigadegeneral James L. Wilson

25.06.1991

-

01.10.1991

Oberst Norman A. MacLellan

01.10.1991

-

15.12.1992

Oberst Roy C. Gortney

15.12.1992

-

15.12.1993

Oberstleutnant James F. Ishmael

15.12.1993

-

22.03.1995

Major Lee F. Taylor

22.03.1995

-

19.12.1995

183

Literatur [1]

Franken, Band II - Conrad Scherzer, Verlag Nürnberger Presse, Nürnberg 1959

[2]

dtv-Atlas zur Weltgeschichte, Band 2, dtv 3002, 1966

[3]

Von der Reformation zur Gegenwart - Alfred Kriegeistein (Hsg.), delp Vlg., München 1985

[4]

Chronik der Stadt Fürth - Christian Fronmüller, Nachdruck von 1887, Neustadt/A. 1985

[5]

Fürth von A - Z - Adolf Schwammberger, Selbstverlag der Stadt Fürth, o.J.

[6]

Fürther Chronik - 175 Jahre Stadt Fürth

[7]

St. Martin in Fürth - Hans-Peter Hübner, Georg Mader, Ev.-luth. Kirchengemeinde St. Martin, Fürth o.J.

[8]

Und warum habt ihr denn Deutschland verlassen?, Heinrich Krohn, Lübbe-Vlg., Bergisch-Gladbach, 1992

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[12]

Der erste Fürther Flugplatz in Atzenhof und sein Werftgelände - Barbara Ohm, Fürther Heimatblätter 1992/3

[13]

Die Fürther Südstadt - Andrea Sommer, Fürther Heimatblätter, 1989/ 1

[14]

Die Fürther Südstadt (II) - Andrea Sommer, Fürther Heimatblätter, 1990/ 1

[15]

Die Fürther Südstadt (III) - Andrea Sommer, Fürther Heimatblätter, 1990/4

[16]

Nachrichtenblatt des Stadtvereins, Fürth 03/ 1984

[17]

Sonderdruck aus "Fürther Freiheit" April/Mai 1985

[18]

Fürth, Emil Ammon, Droste-Vlg., Düsseldorf 1984

[19]

NachkriegsFürth - Die Kleineleutegroßstadt, Gerd Walther, Ausstellungskatalog, Städtebilder-Vlg., Fürth 1989

[20]

Fürth - die Kleeblattstadt, Gerd Walther, Städtebilder-Vlg., 1991

[21]

Stunde Null in Deutschland, Trees/Whiting/Omansen/Ruhl/Thies/von Daak, Gondrom-Vlg. Bindlach 1989

[22]

19. April 1945. Das Ende des Zweiten Weltkriegs in Fürth - Manfred Mümmler, Fürther Heimatblätter, 1985/1

[23]

Brief History of the Nuremberg Military Community - Albrecht Leupold, Manuskript der 99th ASG, 1990

[24]

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[28]

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OMGUS-Handbuch - Christoph Weisz (Hsg.), Oldenbourg Vlg., München 1994

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Amerikanische Reformpolitik und deutsche Tradition Nürnberg 1945-1949 - Wolfgang Eckart, Schriftenreihe des Stadtarchivs Nürnberg, Band 42, 1988

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Der Nürnberger Prozeß - Ray D'Addario, Klaus Kastner, Verlag A. Hofmann, Nürnberg 1994

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Der Golfkonflikt - Hartmut Zehrer (Hrsg.), Verlag E. S. Mittler & Sohn, Herford, 1992

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Fürther Chronik von Gottlieb Wunschei - aus "Fürth 1945", Hechtei/Schedel/ Schmidt/Schönlein, Städtebilder-Verlag Fürth, 1995

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Fürth 1933 - 1945 - Manfred Mümmler, Verlag Maria Mümmler, Emskirchen 1995

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Fürth im Jahr 1945 - Barbara Ohm, Fürther Heimatblätter, 1995/2

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Schwarzmarkt in Fürth - Helmut Mahr, Fürther Heimatblätter, 1995/3

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Die Nürnberger Prozesse - Telfor Taylor, Heyne-Vlg. 1996 (2)

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Das Recht der Besatzungsmacht - Felix Brandl, Amerikanische Militärregierung, 1947

185

Index — 1— 1. Infanteriedivision 49; 51; 54 1. Panzerdivision 126; 130f; 134; 143; 163; 165f; 169 1. Transportbataillon 118 123. Nachschubbataillon 169 14. Infanterieregiment 53 15. Pionierbataillon 97 16. Pionierbataillon 156; 164 16. Pionierbataillon 126; 131; 156; 164; 172 16. Regiment 51; 58 169. Infanterieregiment 89

—2— 2. Panzeraufklärungsregiment 134 240. Versorgungskompanie 131 26. Regiment 49; 51

3. US-Armee 16 3. Infanteriedivision 56 3. Panzerdivision 163; 172 34. Infanteriedivision 54 39. Infanterieregiment 97

— 4— 4. Panzerdivision 93; 98f; 103; 130f 4. Pionierbataillon (Bundeswehr) 163 416. Standortunterstützungskommando 165f; 169f 42. Infanteriedivision 14; 49 42. Instandsetzungskompanie 131; 142 47. Medizinisches Bataillon 150

—5— 5. Regiment 97 511. Militärischer Abschirmdienst 131

—7— 7. US-Armee 16 793. MP-Bataillon 38f; 131

—8— 8. Infanteriedivision 97

— 9— 94. Feldartillerie 131 99. Unterstützungsgruppe 139; 165f

—A— AAFES 67; 158; 166

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Abbott, A. C. 32; 50 Aero-Club 97 AFN 75; 136; 165; 167 Alexanderstraße 39 Amt für Verteidigungslasten 106 Angerstraße 157 Arbeiterwohlfahrt 127; 155 Area Support Group (ASG) 165 Area Support Team (AST) 167 Arenz 46 Armeekapelle 126 Army Community Service 112 Artilleriestraße 54; 109 ASV Fürth 69; 70; 180 Atomkanone 91; 98; 174

—B— Bader, Hanns 177 Badstraße 116 Bahnhofshotel 40; 42 Bahnhofsplatz 119; 152 Bahnhofstraße 95; 104 Bahnpolizei 126 Balbiererstraße 36; 128; 141; 180 Bauer, Karl 149 Bäumenstraße 80 Bavarian-American-Hotel 75; 93; 165; 167 Begonienstraße 152 Bereitschaftspolizei 89; 107 Bergner, Willi 94 Bergstraße 41 Berlinstraße 121 Bembacher Straße 176 Berolzheimer, Heinrich 12 Berolzheimerianum 12; 40; 48; 54; 96 Berthold, Wiltrud 90 Besatzungsgeld 37 Besatzungskinder 52; 81 Besatzungsstatut 17; 60; 62; 91 Billinganlage 116; 122; 124 Bixby, Ernest A. 87f Blue Spaders 49; 50 Blumenstraße 27; 84 Bomkessel, Hans 32; 39; 44; 48; 64; 67; 71; 80; 88; 98 Bradshaw, Jack O. 151 Brahmsstraße 132 Brand, Günter 167 Brandenburger Straße 24 Brown, Mickey 81 Buckingham, Clay T. 131 Bund Naturschutz 5

—C— Cadolzburger Straße 121 f Cafe Fink 40 Cafe Flora 114

Cafe Metropol 39; 79 CIC 23f; 29; 32; 37 CID 83;84; 107; 164 Civil Affairs Office 87 Civilian Support Group (CSG) 75 Clay, Lucius D. 51 Claycomb, Donald 180 Cofer, John Daly 22; 24-32 Commissary 67; 71; 108; 140; 157; 167; 177;179 Conrad, Michael J. 151

Dambacher Brücke 18-20; 28; 34; 86; 156 Dambacher Straße 20; 42; 117 Daniel-Ley-Straße 20 Darby, William Orlando 54 Davison 111 Denglerstraße 122 Dependents School 70 Deutsch-Amerikanischer Frauenclub 93; 150 Deutsch-Amerikanischer Männerclub 125; 126;150;177 Diebsgraben 64 Dimper, Xaver 95 Dirscherl, Wenzel 66 Displaced Persons 32; 37; 40f; 44; 50; 70 Dr.-Frank-Straße 64; 69; 96 Dr.-Mack-Straße 70; 86 Drogenmißbrauch 111 Dünner, Joseph 10 Dürschinger, Konrad 90; 126; 174-176 Dynamit Nobel AG 13; 40; 72; 174

—E— Eberlein, Fritz 163 EES 67; 126 Eheschließungen 82 Eichamt 43 Eichner 27-30 Eigenes Heim 37; 43f Eigner, Anni 178 Elementary School 66; 139f; 169 Emerick, Charles M. 39; 50; 87f Energiesparmaßnahmen 146; 173 Engel, Alfred 11 Entnazifizierung 15; 24; 32f Erhard, Ludwig 17 Erhard-Segitz-Straße 70 Erlanger Straße 34 EUCOM 63 Export-Taxi 78

—F— Farrnbach-Tor 144 Feher, Olivia 166

Ferenbough, G. B. 89 Ferris-Kaserne 168; 172 Feuerwehr 11; 19; 21; 75; 86; 95-97; 122; 126-130; 147; 154; 162; 171; 174 Fichtenstraße 20 Finkenschlag 37; 43; 44 Finkenstraße 20; 70 Fischer, Alfred 142; 144 Fischerberg 104 Flößaustraße 38; 52; 54; 72; 89; 92; 107; 114; 118f; 141; 152; 172 Flughafenbahn 58; 103 Flughafenkasino 130 Flughafensiedlung 143 Flur Straße 70 Forsthausstraße 106 Frank, Dr. Jakob 10 Frankenfeld, Peter 47 Fraternisierungsverbot 15; 45 Frauenstraße 116 Freiwilligenarmee 110; 112; 125; 133; 151 Friedrich-Ebert-Straße 94 Friedrichstraße 12; 154 Fronmüllerstraße 8; 9; 52; 63f; 66-69; 74; 87; 92; 102; 120; 139; 140; 142f; 145f; 172-174 Fuchsstraße 122 Fürther Freiheit 40 Fürther Straße 49 —G—

Gabelsbergerstraße 74 Gallasstraße 19; 73 Gänsberg 41 Gartenmann, John 12 Gartenstraße 34; 80 Gasthaus Goldener Engel 86 Gasthaus Goldener Schwan 86; 157 Gasthaus Zur Krone 79 Gasthof Schwarzes Kreuz 80 Gasthof Tannenbaum 11 Gaststätte Gelber Löwe 78; 79 Gaststätte Wilhelmshöhe 42 Gaststätte Zapfenstreich 142 Gaststätte Zur Kanone 114 Gebhardtstraße 116 Gefängnis 22; 24f; 27; 29; 40; 49; 109 Genscher,Hans-Dietrich 151 Gerber, Dr. Eduard 11 Gerhard-Hauptmann-Straße 68f; 96; 107; 127;139 German Youth Activities (GYA) 45f; 70f; 89 Germantown 9 Giesler, Robert A. 44 Glasindustrie 12 Golfkrieg 74; 139; 162; 164; 169; 181 Golfplatz 132; 162; 165; 167; 169f; 172 Goppel, Alfons 142 Gortney, Roy. C. 166

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Grafenwöhr 50f; 77; 88; 97; 166f; 181 Gräßler, Fritz 44 Grenzpolizei 134 Grundbücher 28 Grundig 40 Grüner-Brauerei 47 Gustavstraße 17; 39; 44; 79; 107 Gutzberg 51

—H— Haase, Horst 103; 124; 143 Hafenstraße 99; 143 Hainberg 50; 84; 125; 168; 174; 179 Hallemannstreiße 139 Hallplatz 24 Hallstraße 30; 115 Hans-Lohnert-Sportplatz 46 Hardenberg-Gymnasium 42; 115; 172 Hardenbergstraße 69 Hardstraße 72; 104 Harrison, Gilbert N. 22 Hauck, Herbert 89 Häupler, Dr. Karl 14 Hauptbahnhof 33; 72; 126; 156 Healy, Thomas F. 131; 142 Heiligenberg 35; 85f; 122f Heilstättenstraße 42; 43 Heiratsboom 82 Heizwerk 109; 145f; 167 Helmstraße 79; 80 Hennessy, Harold P. 72; 88 Herbst, Robert 22 Herrnstraße 92; 125 Herzo-Base 168 Heuweg 127 HICOG 63; 70; 89 High-School 66; 94; 99; 132; 139; 149; 173f Hilliard, Stewart 50 Hirsch, Friedrich 69 Hirschenstraße 27; 155 Hodges, Thomas K. 32 Hohenfels 50; 77; 88; 120; 166f Holzstraße 20 Hoover, Herbert 46 Homäckerstraße 132 Homschuchpromenade 21; 114; 120; 152 Hospital 38; 119; 125; 162; 166f; 177 Hotel Forsthaus 11 Hotel Kütt 12 Hulse, Frederick G. 38 Humbser-Spielplatz 46 Hüttendorf 9

—I— Iblher, Peter 168 In der Berten 121 Industrieflughafen 72; 97

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Ishmael, James F. 166f

Jackson, Robert H. 40 Jahnstraße 37; 42; 70; 115 Jahntumhalle 70; 89 Jakob-Henle-Straße 83; 118 Jakobinenstraße 48; 86; 96 Jakob-Wassermann-Straße 61; 64; 68f; 116 Janischowsky, Georg 64 JCS 1067 15 Johannisstraße 20 John-F.-Kennedy-Straße 98; 104; 128; 139 Johnson, Eiden H. 56 Johnston, Robert M. 94 Joint Export Import Agency (JEIA) 42 Jones, Grant E. 124 Jugendamt 52 Justizpalast 49 — K—

Kaiserstraße 20; 38; 78; 115; 118 Kalb, Johann Georg 9; 66 Kalb-Club 80; 93; 139; 150; 181 Kalb-Siedlung 66; 92; 99f; 132; 139; 173; 181 Kaltenhäuser, Anton 39; 90 Karlsteg 79; 80 Karlstraße 70; 128 Katharinenstraße 24; 40 Kern, Wilhelm 69 Ketz, Egon 157 Kiderlinschule 94 Kimpton, Theodore R. 88; 100 Kinderspeisung 46 Kino, amerikanisches 40; 67-69; 92; 139; 145 Kirby, Alexander G. 77; 80; 88 Kirche St. Martin 42 Kirche St. Heinrich 54 Kirche St. Paul 54 Kirche, amerikanische 40; 54; 69; 139 Kirchenweg 155 Kissinger, Henry 10; 167 Kleingartenkolonie 68; 92; 180 Kohlenmarkt 27; 34; 66; 83; 155 Königsplatz 21; 79 Königstraße 20; 35; 39; 100; 106; 128 KönigswarterStraße 74; 122 Konsulat 12 Konver-Programm 178 Koreakrieg 60; 62; 70 Kraftfahrzeuge, Zulassungen 35; 86; 102 Krause, Helga 5 Krautheimer, Richard 10 Kriminalpolizei 36; 83; 95; 107f; 115; 118; 153f; 180 Külsheimstraße 160

Kurgartenstraße 66; 75

Labour-Service 71; 73; 75 Lagini, Juliarie 44 Lange Straße 70 Laubenweg 73 Leinberger, Herbert 46 Leinwand, Kenneth J. 139 Leyher Streiße 140 Lichtenberg, Uwe 144f; 149f; 163; 167; 170;180f Ligusterweg 143 Lilienstraße 80 Lilienthalstraße 139 Lindenstraße 38; 40; 132 Löhe, Wilhelm 9 Lohnert-Sportplatz 71; 92-94; 139 Lotharstraße 147 Louis, Joe 19 Lucky Strike 16 Ludwigsbrücke 86 Luitpoldstraße 179 —M—

Mack, Jakob 9 MacLellan, Norman A. 163; 165f Mädchenlyzeum 66 Magazinstraße 42; 64; 68; 70; 89; 120; 154; 159 Main-Donau-Kanal 55; 92; 99; 109; 126; 132; 136; 154; 180; 181 Maloney, Gerard M. 135 Mangold, Hans 89 Mansfield, Frank S. 51 Marienstraße 11; 37; 104 Marktplatz 79; 86; 157 Marx, Max 10 Mathildenstraße 11; 153 Maxbrücke 20; 80; 85; 116 Maxstraße 115 McNeal, James 126 Meisenstraße 98 Merrell-Kaserne 95; 111; 120; 134; 168 Meyer, Knut 90 Militärmark 37 Militärpolizei 35; 37-39; 51; 77-80; 82f; 94; lOOf; 104; 106f; 111; 114-116; 119f; 122f; 125f; 144; 148; 152-155; 160; 168; 180 Militärstraße 20; 34 Mitteilungsblatt der Amerikanischen Militärregierung Fürth 20; 33; 35f; 44; 51 Modellbauclub Fürth 98 Mohrenstraße 35 Monteith, Jimmie W. 58 Morreale, Samuel O. 54 Moststraße 40 MTV-Halle 126

Mühltalstraße 77; 95; 118; 143; 153 Muleskinners 131; 143; 169 Müll 34; 75-77; 127; 146; 177

—N— Najjar, Douraid 163 Naturfreunde 34 New, James H. 108 Nürnberger Straße 20; 38; 48; 96; 115

O'Brien-Kaserne 168 Oberfmanzdirektion 158; 169; 170; 173 Oberfürberg 155 Ochs, Adolph Simon 9 Ochs, Julius 9 ÖTV 158; 166; 178; 179 Offizierskasino 53 Offizierssiedlung 69; 92; 132; 146; 162; 173;181 Ogaard, Knut 169 Ohm, Barbara 170 Old Ironsides 130 OMGUS 15; 16 Oststraße 92; 153 Ottostraße 18; 122; 155

— P— Panzerstraße 102; 104; 120 Park-Hotel 40; 42; 51 Pastorius Housing 168 Patton, George S. Jr. 55; 58; 90; 130 Pershing-Raketen 91; 134; 160; 174 Pfeiffer Straße 35 Pfisterstraße 103; 114f; 119 Pinder-Kaserne 97f; 131; 162; 166f; 178 Pioniere 17; 89; 98; 126f; 132; 134 Plünderungen 19 Polizei 6; 19; 2lf; 25; 36f; 39; 54; 74;77-79; 85; 87; 90; 94f; lOOf; 106; 114-125; 129; 142; 144; 152-154; 157; 159; 162; 174; 176; 178; 180 Price, George B. 113; 132 PX 50; 71; 116; 120; 136f; 140; 154; 164; 167; 173; 177; 179; 182

Quartermaster 23; 26; 40; 67

—R—

Rainbow Infantry Division 14 Rassendiskriminierung 111; 113 Rauschgiftkriminalität 111 Reading Room 48 Reichsbodenweg 38 Reinmann, Friedl 90

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Rennweg 155 Riedel, Werner 142 Röllinger, Baufirma 64; 139 Rosa, Oberst 97 Rosenberg, Maria 10 Rosenstockweg 99 Rotes Kreuz 43; 48; 162 Rothenburger Straße 38; 75; 84; 166 Ruffner, David L. 38; 44; 51; 55; 64; 87

—S— Saarburger Straße 28; 82; 154 Sandreuther 18 Scheibenreif-Villa 69 Scherbsgraben 43; 76; 89; 121; 127; 179 Scherzer, Kurt 103; 113; 125; 134; 142 Schickedanz 11; 54; 70; 94 Schießplatz Burgfarrnbach 21; 160; 176; 177 Schillerstraße 153 Schmalholz 160 Schmerlerstraße 48 Schönwasser, Baufirma 64; 67; 70; 74 Schorr, Robert 160 Schrottplatz 97 Schüpferling, Anna 42 Schwabacher Straße 20; 37f; 43; 55; 64; 67; 69; 75; 80f; 83f; 92; 95f; 102-104; 120-122; 126; 128; 139; 144; 146f; 162 Schwartz, Paul R. 146 Schwarzmarkt 16; 22; 36f; 83; 84 Schwedenstraße 40 Schwiening, Adolf 48 Segitz, Hans 38 Sentinel 166 Seukendorf 127 Shalikashvili, John M. 5; 131; 139; f; 158f; 167; 170 Shoop, Charles B. 46 Shopping Center 66f; 70 Siebenbogenbrücke 14; 117 Soldatinnen 138 Soldnerstraße 103 Sommerbad 89 Sonnenstraße 69; 120; 139; 141-143 Sperrstunde 25f; 36 Spiegelglasindustrie 12 Spiegelstraße 20 Spielvereinigung 11; 21; 89 Spielwarenindustrie 12 Spitzfaden 19 Staackmann, Horst 146 Stadelner Brücke 102 Stadelner Hauptstraße 104 Stadtarchiv 20 Stadttheater 36; 40; 47; 67; 79; 87; 89; 94 Stadtwald 84; 85 Stage 139 Stationierungskosten 110

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Steubenstraße 52f; 81; 87; 96; 109; 116; 140-142; 181 Stranka, Heinrich 90; 125; 151 Strauß, Franz-Josef 144; 145 Strobel-Schücking, Insea 150 Stübelacker 154 Südöstlicher Gartenbauverein 68 Südwestlicher Gartenbauverein 40 Südwesttangente 92; 102; 139; 143; 148; 180 Sulzer, Paul 10 Sunshine-Haus 150 Synagoge 139

—T— Tannenstraße 66 Taylor, Lee 167f; 181 Taylor, Wesley B. 163 Telefonnetz 75; 139 Tennenlohe 50; 99; 160; 168 Terroranschläge 16 lf Theaterstraße 35; 40; 42 Theresienstraße 103; 114; 126 THW 89; 162 Todd, E. 87 Torrey, John D. 98 Transportbataillon 270 (Bundeswehr) 168 Turnstraße 46; 70; 89 Tuspo Fürth 155 TÜV 86; 148 TV 1860 Fürth 46; 48; 70 —U—

Uferstraße 85 Umwelt 67; 77; 140; 144-146; 147 Unterfarmbacher Straße 43; 143 USAREUR 63; 130; 134; 149; 164; 165; 178

—V—

V. Corps 134; 166 Vacher Straße 39; 57; 75; 78; lOlf; 114f; 118; 120; 122f; 132; 143f; 146; 152; 154; 162; 169; 178 Vietnamkrieg 77; 92; U0;-112; 133; 139 VII. Corps 130f; 134; 139; 142; 161; 163; 166 Vilseck 50; 167 Volckart 27 Völter, Erwin 42 Vopelius, Ferdinand von 63; 74; 88

—W— Waldstraße 52; 66-69; 7lf; 89; 92; 102; 108; 113; 123; 128; 136f; 140; 142; 144; 173;182 Wärmeversorgung 75

Wasserversorgung 74 Watson, Leroy H. 50f Watson, Numar A. 66; 80 Weiger, Hubert 5 Weiherstraße 49; 103 Weihnachtsaktion 150 Weikershofer Straße 69 Weißengarten 40 Westlicher Sängerkreis Fürth 94 Witzsch, Dr. Günther 5 Wunschei, Gottlieb 19 Würzburger Straße 19f; 103f; 116; 125f —Y—

Young, Mason B. 88 Young, Wayne B. 100

Zähstraße 36 Zennwalddepot 21; 70; 72; 174f Zeppelinfeld 167 Zeppelinstraße 70 Zirndorfer Brücke 180 Zirndorfer Straße 19 Zivilbeschäftigte 108; 146; 149; 157-168; 177f Zwangsarbeiter 18

Yeager, Carl 81

191

Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges waren etwa zehn Prozent der Fürther Bevöl­ kerung Amerikaner. Vorwiegend in der Süd­ stadt lebten sie ihren „American Way of Life“. Sie kamen als Besatzungssoldaten in ein besiegtes Deutschland, schützten als Ver­ bündete die junge Bundesrepublik und ver­ ließen ein wiedervereinigtes Deutschland als Freunde. Das vorliegende Buch schildert im Stil ei­ ner Reportage die fünfzig Jahre der Bezie­ hungen zwischen den Soldaten unter dem Sternenbanner und der Kleeblattstadt Fürth. Die Reibungspunkte wie Taxiüberfälle, Dro­ genmißbrauch und Lärmbelästigungen finden ebenso Erwähnung wie die vielfachen Hilfe­ leistungen der amerikanischen Pioniere und das Alltagsleben der Amerikaner in Fürth. Auf 192 Seiten und illustriert mit 65 Fotos und Karten wird eine Bilanz gezogen über dieses wichtige Kapitel Fürther Nachkriegs­ geschichte. Viele der geschilderten Ereig­ nisse können jedoch ebenso als typisch für andere Stationierungsstandorte amerikani­ scher Soldaten in der Bundesrepublik gelten.

Die amerikanischen Einrichtungen in Fürth

1

Schießplatz Burgfarrnbach

2 Zennwalddepot

3 Monteith-Barracks

4 Dambach Housing Area 5 Darby-Kaserne und Kalb Housing Area 6 Johnson-Barracks

DIVISION SUPPORT COMMAND

OLD IRONSIDES Ist Armoured Division

793d Military Police Battalion

1 ST ARMORED DIVISION (OLD IRONSIDES)