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German Pages 344 Year 2014
Janine Köster Sterbeinschriften auf wikingerzeitlichen Runensteinen
Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde
Herausgegeben von Heinrich Beck · Sebastian Brather · Dieter Geuenich Wilhelm Heizmann · Steffen Patzold · Heiko Steuer
Band 89
Janine Köster
Sterbeinschriften auf wikingerzeitlichen Runensteinen
IV
ISSN 1866-7678 ISBN 978-3-11-034198-0 e-ISBN 978-3-11-034947-4 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalogue record for this book has been applied for at the Library of Congress Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.dnb.de abrufbar © 2014 Walter de Gruyter GmbH, 10785 Berlin/Boston Satz: Dörlemann Satz GmbH & Co. KG, Lemförde Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ? Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Für Frau Gerhild Kringer
VII
Geleitwort des Herausgebers Als Frau Köster und ich vor Jahren das Thema ihrer Dissertation absprachen, da schwebte mir eine Arbeit vor Augen, die das Thema ‚Sterben und Tod‘ von zwei Seiten her angehen sollte: Zum einen aus der Perspektive der literarischen Überlieferung Islands, deren schriftliche Fixierung zwar erst zu Beginn des 13. Jahrhunderts einsetzt, die aber gleichwohl vorgibt, wikingerzeitliche Verhältnisse zu schildern, zum andern mit Hilfe des vom Textumfang her schmalen, aber den unvergleichlichen Vorteil der Authentizität besitzenden Korpus der wikingerzeitlichen Runeninschriften. Ich versprach mir davon neue Einsichten zu der alten Frage, inwieweit die hochmittelalterliche Literatur Islands noch Informationen zur Kulturgeschichte der Jahrhunderte zurückliegenden Wikingerzeit transportieren könnte. Es ging mir dabei also in erster Linie um die altisländische Literatur, den Runeninschriften wäre die Rolle eines Prüfsteins zugefallen. Im Laufe der Jahre hat die Arbeit mit der wikingerzeitlichen Runenüberlieferung für die Verfasserin indes eine eigene Dynamik entfaltet, bei der die ursprüngliche Fragestellung immer weiter in den Hintergrund rückte. Die vorliegende Arbeit ist nun eine rein runologische. Die altisländische Literatur spielt dabei keine nennenswerte Rolle. Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens zeigte sich rasch, dass allein die Materialaufnahme sehr viel Zeit in Anspruch nehmen würde und daher eine ebenso umfassende Durchforstung der literarischen Texte jedes für eine Dissertation verantwortbare Maß sprengen würde. Zweitens erschien mir der Weg, den Frau Köster stattdessen wählte, so vielversprechend, dass ich bereit war, die neue Konzeption mit zu tragen. Als Controllerin mit Statistik bestens vertraut, hat sie die Runeninschriften mit Sterbeterminologie nach insgesamt 24 Kriterien unter Zuordnung von eindeutigen Variablen untersucht und in dem Analyse-Programm SPSS (Statistical Package for Social Sciences) registriert. Auf diese Weise entstand eine Datenbank mit 5736 Variablen, die mittels 552 Kreuztabellen ausgewertet wurden. Diese statistische Methode stellt die Erforschung der wikingerzeitlichen Runensteine auf eine solide empirische Grundlage. Das Ergebnis dieses minutiösen Aufwands ist erstaunlich und steht in deutlichem Widerspruch zu gängigen Auffassungen, wenngleich sich in der runologischen Literatur durchaus kritische Stimmen finden lassen, die das Ergebnis dieser Arbeit antizipieren. Demnach können nur Inschriften, in denen expressis verbis von Sterben und Tod die Rede ist, mit Sicherheit als Zeugnis des Totengedenkens gewertet werden. Wo diese Terminologie fehlt, müssen auch andere Beweggründe für das Errichten von Runensteinen ernsthaft in Erwähnung gezogen werden. Ich räume gerne ein, dass ich Schwierigkeiten hatte, dieses Ergebnis zu akzeptieren. Auch die runologisch besser ausgewiesenen Kollegen, die Frau Köster auf meinen Rat hin um kritische Lektüre gebeten hat, haben diesbezüglich ihre Zweifel zum Ausdruck gebracht, konnten diese jedoch nicht in handfeste Gegenargumente ummünzen. Indem Frau Köster das reiche Material zum Thema Sterben und Tod mit rein statistischen Methoden untersucht, betritt sie für die Runologie methodisches Neuland.
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Geleitwort des Herausgebers
Ich verstehe diese Arbeit zunächst als ein Experiment. Sollte es in der sicherlich mit Vehemenz einsetzenden Diskussion Bestand haben, dürfte von ihm für die runologische Forschung ein nachhaltiger Impuls ausgehen. Wilhelm Heizmann
IX
Vorwort und Danksagung „Ein Tod von großem Kummer. Empirische Untersuchung der wikingerzeitlichen skandinavischen Runeninschriften mit Sterbeterminologie und Analyse im gesamtinschriftlichen Kontext“ – Unter diesem Titel wurde meine Dissertation von der Fakultät für Sprach- und Literaturwissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München im Oktober 2011 angenommen. Für die hiermit vorliegende Druckfassung fand in Teilen eine Überarbeitung statt. Mein Interesse an der Runologie wurde während meines Grundstudiums in einer Einführungsveranstaltung von Professor Dr. Wolfgang Butt geweckt. Dadurch wurden die Weichen für eine Spezialisierung meiner wissenschaftlichen Forschungsschwerpunkte gestellt, die mich über meine Magisterarbeit bis zur vorliegenden Untersuchung führten. Das erste Wort des Dankes gilt meinem Doktorvater, Professor Dr. Wilhelm Heizmann. Er war mir in all den Jahren ein äußerst unterstützender und fürsorglicher Betreuer und bot mir vielfältige Gelegenheiten für fachliche Diskussionen mit wertvollen Hinweisen und Denkanstößen. Professor Dr. Kurt Schier hat sich als Zweitgutachter viel Zeit genommen, um mit mir wesentliche Aspekte der Arbeit durchzusprechen. Dafür danke ich ihm herzlich. Professor Dr. Klaus Düwel hat meine Arbeit nach Abschluss des Promotionsverfahrens gelesen und kritisch kommentiert. Ich verdanke ihm eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen, die ich in die Endfassung einarbeiten konnte. Der Ludwig-Maximilians-Universität München danke ich u.a. für ein Reisestipendium, das mir einen längeren Forschungsaufenthalt in Uppsala ermöglichte, der mein Dissertationsvorhaben wesentlich vorangebracht hat. An der Universität Uppsala wurde ich von Professor Dr. Henrik Williams bereitwillig in seine Seminare eingeladen. Ihm danke ich für die herzliche Aufnahme und die daraus folgenden Fachgespräche. Frau Dr. habil. Alessia Bauer stand mir persönlich und fachlich stets für meine Fragen zur Verfügung und hat mir sowohl für die vorliegende Untersuchung als auch schon für die Magisterarbeit relevante Kritikpunkte aufgezeigt. Dafür danke ich ihr sehr. Ich danke den Herausgebern der Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde für die Aufnahme meiner Arbeit in ihre Reihe und für die kritischen Anregungen. Bei Anna Mateeva und Dr. Christof Seidler bedanke ich mich für die langjährige und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Weiterhin danke ich Andrea M. Obermaier und Monika Voll für ihre detaillierte Durchsicht meiner Arbeit. Mein letzter, nicht minderer Dank gilt Dr. Josef Köster, der mir zu jeder Zeit ein objektiver, unerschrockener und ausgesprochen motivierender Diskussionspartner war. München, im Oktober 2013
Janine Köster
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Vorwort und Danksagung
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Inhalt Geleitwort des Herausgebers fi VII Vorwort und Danksagung fi IX A 1 2 3 4
Einleitung fi 1 Allgemeiner Hintergrund fi 1 Die verschiedenen Funktionen der Runensteine fi 2 Forschungslage fi 3 Fragestellung und Zielsetzung der Arbeit fi 6
B 1 2 3 4 5 6 7 8
Vorgehensweise, Untersuchungsmaterial und Methodik fi 7 Abgrenzung der Thematik ‚Tod und Sterben‘ fi 7 Herangehensweise in dieser Untersuchung fi 9 Aufbau der Arbeit fi 10 Kurzer statistischer Exkurs fi 11 Datierung und Begrenzung des Untersuchungsmaterials fi 13 Datenquellen und Abkürzungsverzeichnis fi 15 Mehrfachnennungen fi 17 Auflistung der erfassten und qualitativ ausgewerteten Variablen fi 19
C 1
Empirischer Teil: Hauptuntersuchung der 218 Sterbeinschriften fi 21 Die Sterbeterminologie fi 21 Gruppe 1: Neutrale Formulierung fi 23 Gruppe 2: Benennung der Umstände fi 27 Gruppe 3: Konnotative Mitteilung fi 31 2 Das Sterben fi 36 2.1 Reiseziele und Sterbeorte fi 36 2.2 Begräbnis fi 49 2.3 Sterbevokabular fi 55 3 Die Toten und die Hinterbliebenen fi 74 3.1 Sozialer Status fi 74 3.2 Generationen fi 85 3.3 Metrische Inschriften fi 90 4 Die Religion fi 99 4.1 Bittformeln fi 99 4.1.1 Die christliche Formel: Gott/Christus helfe seiner Seele fi 101 4.1.2 Die heidnische Formel: Thor weihe fi 113 4.2 Kreuzsymbolik fi 114 4.3 Die Brücken-Inschriften fi 123 5 Der Runenstein fi 129 5.1 Benennung des Inschriftenobjektes fi 129
XII
5.2 5.3
Inhalt
Ritzersignaturen fi 137 Länder- und Regionenvergleich fi 141
D Qualitativer Teil: Zusammenfassung und Diskussion fi 147 1 Die Generationeninschriften mit Sterbeterminologie im Vergleich fi 148 2 Die ruhmreichen Alten und die religiösen Jungen fi 149 3 Regional unterschiedliche Verhaltensweisen fi 153 4 Verortung des Todes im gesellschaftlichen Kontext fi 156 5 Religiöse Merkmale fi 169 6 Frauen als stumme Zeugen der Wikingergesellschaft fi 175 7 Gedenkinschriften für eine Person fi 179 7.1 Untersuchung von Paarsteinen und verbundenen Steinen fi 179 7.2 Inschriften mit mehreren Sterbetermini für eine Person fi 193 8 Gedenkinschriften für mehrere Personen fi 196 8.1 Inschriften für mehrere Personen mit mehrfacher Sterbeterminologie fi 197 8.2 Inschriften für mehrere Personen mit nur einem Sterbeterminus fi 198 9 Inschriften, welche die Errichter für sich selbst erstellten fi 206 10 Die Ingvar-Steine fi 217 11 Die Existenz eines Leichnams fi 221 12 Zusammenfassung fi 242 E
Anhang fi 251 Anhang 1 (zu Kapitel C 3.1): Sozialer Status: Erläuterungen zu den häufigsten Begriffen fi 251 Anhang 2 (zu Kapitel C 5.1): Inschriftenobjekt: Erläuterungen zu den häufigsten Begriffen fi 256 Anhang 3: Konkordanz der 218 Sterbeinschriften fi 257
F
Bibliografie fi 313
Allgemeiner Hintergrund
1
A Einleitung 1 Allgemeiner Hintergrund Für einen gründlichen Einblick in das Leben und Wirken der Gesellschaft einer vergangenen Epoche wie die der Wikinger erweisen sich schriftliche und idealerweise zeitgenössische Dokumente als ein unerlässliches Mittel. Meist sind die Quellen jedoch zeitverzögert zum Handlungszeitraum entstanden (z.B. die altnordische Sagaliteratur) bzw. aus fremder Perspektive geschildert (z.B. die Kirchenchroniken), so dass jeweils die Sichtweisen nicht unmittelbar denen der Akteure entsprechen, sondern dem Zeitgeist und der politischen bzw. religiösen Grundhaltung der Verfasser angepasst sind. Für die Epoche der Wikinger, die in dieser Arbeit im Zentrum steht, existiert zusätzlich eine weitere Quellengruppe: die Inschriften der Runensteine. Sie haben den großen Vorteil, dass sie authentische Dokumente bilden, da sie originale und erstklassige Quellen sind, die unmittelbar am Ort des Geschehens entstanden. Damit sind sie unverfälschte historische Zeugnisse aus erster Hand, die zusätzlich das positive Merkmal besitzen, dass sie nicht oder nur wenig (z.B. durch spätere Einritzung von Kreuzen) nachträglich veränderbar sind, wie das beispielsweise bei mündlicher Tradierung der Fall ist. Die meisten dieser Runeninschriften sind äußerst kurz und formelhaft abgefasst. Und ebenso kurz und formelhaft sind die Informationen, die sich ihnen entnehmen lassen. Dennoch kann durch die Betrachtung der skandinavischen Runensteine als Ganzes und mit Hilfe einer geeigneten Kategorisierung der Fokus auf bestimmte Aspekte der Inschriften gerichtet werden. Auf diese Weise werden die Runensteine ansatzweise zum Sprechen gebracht und liefern somit dem Betrachter, respektive dem Leser, einige Hintergrundinformationen aus der facettenreichen Gesellschaft der Wikingerzeit. Es darf dabei jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass diese Informationen trotzdem immer nur punktuelle Ereignisse oder maximal Tendenzen abbilden. Denn obwohl die Anzahl der verbliebenen Runensteine im skandinavischen Raum mit knapp 3000 Stück eine beträchtliche Menge darstellt, war das Anfertigen von Runensteinen doch als Privileg einer bestimmten (hohen) Gesellschaftsschicht1 vorbehalten. Ebenso waren die Inschriften jeweils mit besonderen Funktionen und Zielen verbunden, so dass unweigerlich andere Bereiche des Wikingerlebens mittels dieser Quellengruppe unerreichbar bleiben. Es ist also vorauszusetzen, dass die Informationen aus Runeninschriften immer nur Ausschnitte der wikingerzeitlichen Gesellschaft widerspiegeln können. Die Sitte der Runensteinerrichtung findet ihre größte Ausprägung in Skandinavien. Die dortige Verbreitung der Runensteine erstreckt sich über Dänemark (ca. 220 Inschrif-
1 Düwel: Zur Auswertung der Brakteateninschriften, 45.
2
Einleitung
ten auf Runensteinen), Norwegen (ca. 60 Inschriften) und Schweden (ca. 2500 Inschriften, davon der größte Anteil in der Mälarregion).2 Nur ein minimaler Anteil davon stammt aus der älteren Runenperiode (etwa 40 Stück, entstanden in der Zeit ca. Mitte viertes bis Mitte achtes Jh.); das Gros der Inschriften machen die wikingerzeitlichen Runensteine aus. Sie weisen den Gebrauch des jüngeren Futharks auf und sind demnach in der Zeit von ca. 750 bis ca. 1150 n. Chr. entstanden.
2 Die verschiedenen Funktionen der Runensteine In der Gesamtbetrachtung aller Runensteine zeigt sich, dass die Inschriften in einer facettenreichen Vielfalt angefertigt wurden, beispielsweise im Hinblick auf die verschiedenen Arten der Ornamentik, der religiösen Ausprägung, der familiären Darstellung oder der sprachlichen Besonderheiten. Sie beinhalten in ihrem breiten Repertoire eine Vielzahl von Möglichkeiten der visuellen oder schriftlichen Ausgestaltung, wenn auch oftmals nur singulär und äußerst individuell. Eine Frage, die sich aus diesen Möglichkeiten ergibt, ist die nach dem Umgang mit dem Tod. Mit der Sitte der Runensteinerstellung wird in den derzeitigen wissenschaftlichen Betrachtungen an erster Stelle das Sterben konnotiert, d.h. nach gängiger Auffassung wurden Runensteine von den Hinterbliebenen errichtet und dienten zum Gedenken an den/die Toten. So schreibt Klaus Düwel, dass Runensteine zwar verschiedene Funktionen (wie z.B. Machtdemonstration, sozialer Status, Erbansprüche) erfüllten, jedoch „in erster Linie Gedenkinschriften für verstorbene Familienmitglieder und Verwandte“3 waren. Diese Ansicht soll im Folgenden geprüft werden, indem die Aussagefähigkeit der Runeninschriften in Bezug auf das Thema ‚Tod und Sterben‘ zur Zeit der Wikinger näher beleuchtet wird. Um den ersten Schritt in die Thematik ‚Tod und Sterben‘ in Runeninschriften gehen zu können, wird eine gründliche Abgrenzung benötigt. Dadurch sollten solche Inschriften, die vom Sterben einer Person berichten, deutlicher aus dem Gesamtkorpus der Inschriften hervortreten und somit klar eingegrenzt werden können. Eine Inschrift, die beispielsweise lautet „Holmfast ließ diesen Stein errichten für Igulger, seinen Vater und Torbjörn“ (U 938), drückt textimmanent nichts über den Tod einer Person aus; der Tod Igulgers kann höchstens gemutmaßt werden. Allen Runensteinen wohnt zwar ein gewisser Memorialcharakter inne, aber ist die „Erinnerung an die Toten […] ihre explizite Aufgabe“?4 Kann im Falle der Inschrift für Igulger also tat-
2 Düwel: Runensteine, 593. 3 Ebd., 596. 4 Klos: Runensteine in Schweden. Studien zu Aufstellungsort und Funktion, 325.
Forschungslage
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sächlich davon ausgegangen werden, dass sie für einen verstorbenen Menschen angefertigt wurde? Den wikingerzeitlichen Runensteinen werden verschiedene Funktionen zugeschrieben, z.B.: – Klaus Düwel schreibt ihnen die Funktion der „Totenmemoria“ zu; sie dienen als „rühmendes Totengedenken“5 und geben in diesem Zusammenhang das Verwandtschaftsverhältnis sowie Rang, Stand, Fahrtenziel oder Todesart an. Des Weiteren teilen sie auch Informationen über Besitz oder Erbfolge mit.6 – Birgit Sawyer stellt die Funktion heraus, dass durch die Runeninschriften auf Steinen Erbansprüche aufgezeigt werden sollen.7 – Judith Jesch teilt die Funktion der Inschriften in drei Bereiche ein: „display“ (Erregung von Aufmerksamkeit), „permanence“ (Dauerhaftigkeit) und „commemoration“ (Gedenken).8 – Arndt Ruprecht nennt neben den Zwecken Erbe, Grenzsteine, Markierung von Brücken und Wegen, dass sie „in erster Linie – dem Totengedenken“ gelten.9 Insgesamt kann sicher hervorgehoben werden, dass die Runensteine nicht zur Verfolgung nur eines einzelnen Ziels gedient haben. Aus der Sicht des individuellen Errichters mag der einzelne Runenstein eine bestimmte Bedeutung gehabt haben, welche jedoch nicht grundsätzlich für die gesamte Sitte, Runeninschriften in Steine zu meißeln, gegolten haben muss. Umgekehrt bedeutet das, dass bei den jeweiligen Funktionen, die den Untersuchungsobjekten der Runensteine beigemessen werden, von gewissen Grauzonen zwischen den Zuschreibungen ausgegangen werden sollte.
3 Forschungslage Die Arbeiten, die für diese Untersuchung herangezogen wurden, behandeln in ihren Hauptthemen zumeist religiöse oder gesellschaftliche Aspekte der Wikingerzeit, die aus anderen Quellen als denen der Runensteininschriften resultieren, z.B. der Sagaliteratur; Runeninschriften werden dort, wenn überhaupt, nur peripher erwähnt. Oder es handelt sich um Abhandlungen, die das Inschriftenmaterial der Runensteine fokussieren, dann jedoch nur wenige Berührungspunkte zum Thema ‚Tod und Sterben‘ aufweisen. Die wikingerzeitlichen Runeninschriften wurden bislang nicht einschlägig in Bezug auf dieses Thema untersucht. In den Nachbarwissenschaften findet sich indes zum Bereich ‚Tod und Sterben‘ zahllose Literatur. Hierbei werden jedoch in
5 6 7 8 9
Düwel: Handel und Verkehr der Wikingerzeit nach dem Zeugnis der Runeninschriften, 314. Düwel: Runensteine, 596. Sawyer, B.: The Viking-age rune-stones, 64ff. Jesch: Still standing in Ågersta, 465f. Ruprecht: Die ausgehende Wikingerzeit im Lichte der Runeninschriften, 41.
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Einleitung
den seltensten Fällen Bezüge zu den Wikingern oder gar zu den Runeninschriften hergestellt. Die im Folgenden aufgeführten Arbeiten,10 die im Zusammenhang mit dem Themenkomplex ‚Tod und Sterben‘ stehen (und dies bestenfalls in Bezug auf Runensteine), zeigen die Forschungsschwerpunkte auf und betonen die Wichtigkeit aus der Perspektive verschiedener Bereiche. Hans-Joachim Klare hat sich 1933 mit dem Totenglauben11 der Wikinger auseinandergesetzt. Er untersucht anhand zahlreicher Belege aus der altnordischen Literatur den Seelenbegriff, die Traumerscheinungen und die Formen des Toten bzw. Wiedergängers. Des Weiteren geht er auf die mit dem Toten verknüpften Eigenschaften ein, also psychische und physische Attributionen (z.B. Sinne und Bedürfnisse bzw. Aussehen und Gestalt). Über die Seelenvorstellungen der Germanen ist auch bei Jan de Vries in seiner Arbeit12 aus dem Jahre 1956 zu lesen. Er handelt darin u.a. die Begräbnisbräuche ab und zieht hierfür ebenfalls die altnordische Literatur heran. Den Zusammenhang zwischen dem Thema Tod und Runensteinen stellt erstmals Arndt Ruprecht her. In seiner 1958 erschienenen Arbeit13 widmet er ein ganzes Kapitel dem Inhalt „Die Toten der Runeninschriften“. Er geht davon aus, dass nur eine „verhältnismäßig geringe Anzahl“14 der Runensteine anderen Zwecken diente als dem des Totengedächtnisses. Insofern bezieht sich seine Untersuchung auf das gesamte Korpus der wikingerzeitlichen Inschriften auf Runensteinen, anders als es in dieser Arbeit getan wird. Ruprecht schneidet darin Themen wie Verwandtschaft, Alter, Familienstand und Auslandsfahrten an. Dabei geht er auch auf die durch die Missionierung veränderten Sitten in Bezug auf den Wandel vom Runenstein zur Grabplatte ein. Im Anhang des Buches findet sich, die Auslandsfahrerinschriften betreffend, ein Register, das u.a. auch eine Aufzählung von inschriftlichen Begriffen aufführt, welche die Arten des Sterbens wiedergeben. Eine sehr ausführliche und gründliche Arbeit lieferte der Mediävist Otto Gerhard Oexle im Jahr 1982.15 Er zieht zahlreiche Untersuchungen der Nachbarwissenschaften heran und behandelt Fragen nach der Einstellung der Lebenden zu den Toten und dem sozialen Verhalten in Bezug auf das Thema Sterben. Das Thema Memoria wird aus religionswissenschaftlicher, soziologischer und historischer Sicht beleuchtet. Oexle zieht Textstellen aus der mittelalterlichen Literatur sowie aus liturgischen Quellen heran und bietet damit ein breites Repertoire an Überlegungen zum Thema
10 Eine detaillierte Auflistung der verwendeten Literatur findet sich in der Bibliografie im Anhang dieser Arbeit. 11 Klare: Die Toten in der altnordischen Literatur. 12 Vries de: Altgermanische Religionsgeschichte. 13 Ruprecht: Die ausgehende Wikingerzeit im Lichte der Runeninschriften. 14 Ebd., 41. 15 Oexle: Die Gegenwart der Toten.
Forschungslage
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‚Tod und Sterben‘. Der Bezug zum altnordischen Kult oder zu Runeninschriften wird in seiner Arbeit nicht hergestellt. Eine runologische Arbeit, die u.a. auch den Bereich ‚Tod und Sterben‘ berührt, stammt von Klaus Düwel aus dem Jahre 1987.16 Darin strukturiert er die Inhalte der Inschriften nach den Komponenten der Wikingerfahrten (z.B. Rang oder Funktion, Handelswege, Fahrtenziele, Verkehrsmittel) und stellt punktuell den Zusammenhang zum Thema Sterben her, z.B. mittels inschriftlicher Formulierungen, die eindeutig der Sterbeterminologie angehören.17 Des Weiteren untergliedert er die Fahrtenziele nach Regionen. Da der Kern seiner Ausführungen nicht erstrangig auf den Bereich der Toteninschriften, sondern der Handels- und Fahrteninschriften abzielt und er außerdem die primäre Funktion der Runeninschriften im „rühmenden Totengedenken“18 sieht, finden auch jene Inschriften Eingang in seine Untersuchung, die nicht ausdrücklich das Thema Sterben aufführen. Henrik Williams hat sich 1996 mit den Todesvorstellungen und deren Veränderungen im Laufe der frühmittelalterlichen Missionierungsprozesse befasst. Er behandelt in seinem Aufsatz19 ausschließlich runeninschriftliche Dokumente und greift Aspekte wie z.B. Trauer, Abbildungen, Brücken und Begräbnisse auf. Innerhalb dieser Gedankengänge stellt er Zusammenhänge zwischen der Angabe der Todesursache auf Runensteinen und dem Fehlen der Leiche für die Hinterbliebenen her.20 Er vollzieht damit indirekt bereits eine Unterscheidung zwischen den Inschriftengruppen mit Sterbeterminologie und ohne Sterbeterminologie. Eine sprachliche Auseinandersetzung mit den Begriffen, die das Sterben in Runeninschriften ausdrücken, führte Frank Hübler 1996 durch.21 Er untersucht die Syntax der entsprechenden Inschriften und stellt deren Besonderheiten heraus; dies sowohl in Bezug auf die Verben der Sterbeterminologie als auch im Hinblick auf die (Sterbe-) Orte mitsamt den dazugehörigen Präpositionen.22 In dem wohl wichtigsten deutschen Nachschlagewerk über Runen des Göttinger Runologen Klaus Düwel23 (2008, vierte Aufl.) finden sich an mehreren Stellen Bezüge zu den konkreten inschriftlichen Belegen zum Thema Tod. Er führt z.B. die verschiedenen Ausdrucksmöglichkeiten für den Umstand des Sterbens auf24 und unterscheidet an anderer Stelle die indirekten Nennungen, wie sie im Zusammenhang mit Begräbnissen stehen (z.B. „liegt unter“25). 16 Düwel: Handel und Verkehr der Wikingerzeit nach dem Zeugnis der Runeninschriften. 17 Ebd., 326. 18 Ebd., 314. 19 Williams: Runstenstexternas teologi. 20 Ebd., 308. 21 Hübler: Schwedische Runendichtung der Wikingerzeit. 22 Ebd., 80ff. 23 Düwel: Runenkunde. 24 Ebd., 124. 25 Ebd., 163.
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Einleitung
Es zeigt sich anhand dieser kurzen Aufstellung von wichtigen Arbeiten, die das Thema dieser Arbeit teilweise nur indirekt berühren, dass das Untersuchungsfeld ‚Tod und Sterben‘ innerhalb der wikingerzeitlichen skandinavischen Runeninschriften insgesamt als bislang weitgehend unbehandelt gelten kann.
4 Fragestellung und Zielsetzung der Arbeit Die ursprüngliche Fragestellung dieser Arbeit ist die nach dem Umgang der wikingerzeitlichen Gesellschaft mit dem Thema ‚Tod und Sterben‘ rein aus der Perspektive der Runeninschriften. Dazu wurden diejenigen 218 Inschriften untersucht, welche explizites Vokabular enthalten, das sich auf den Tod oder das Sterben eines oder mehrerer Menschen bezieht. Diese Inschriftengruppe wurde nach bestimmten Kriterien abgefragt, so dass es möglich wurde, einige Antworten zu finden, die sich im Bereich ‚Tod und Sterben‘ um das Verhalten der Wikinger ranken, die Runensteine setzten. Die hierbei gewonnenen Ergebnisse bildeten die Ausgangsbasis für eine weitere Fragestellung, die im Laufe der Arbeit immer stärker in den Vordergrund trat: Wurden die wikingerzeitlichen Inschriften auf Runensteinen tatsächlich primär für zum Erstellungszeitpunkt tote Menschen angefertigt? Die Untersuchungsergebnisse wurden in Bezug auf die zweite Fragestellung mit fortschreitender Zeit immer aussagekräftiger und in ihrer Gesamtheit deutlicher, so dass diesem Thema schließlich ein eigener Abschnitt gewidmet ist. Den Kern für diese Arbeit bildet also die vorgenannte Gruppe der 218 Inschriften, in welchen das Thema ‚Tod und Sterben‘ eine inhaltliche Rolle spielt. Die vorgenommenen Kategorisierungen der Subuntersuchungen decken verschiedene Bereiche ab: die Wahl der Sterbeterminologie, das Sterben an sich, die Toten und ihre Hinterbliebenen, die Religion und der Runenstein als Inschriftenobjekt selbst. Das grundlegende Ziel ist es, im Anschluss an diese Einzelaspekte ein Gesamtbild zu entwerfen, das aus der Beleuchtung der Thematik ‚Tod und Sterben‘ Rückschlüsse auf die Gesellschaft der Wikinger zulässt. Anhand der gewonnenen Ergebnisse aus den Inschriften wird schließlich aufgezeigt, wie die Menschen der Wikingerzeit, welche Runensteine setzten, mit dem Thema Tod umgingen bzw. wie das Thema Sterben in den Alltag integriert wurde. Freilich kann nicht die Hoffnung bestehen, alle – vor allem individuelle – Details in der Fragestellung nach der gesellschaftlichen Einstellung zum Thema Tod mittels der Runeninschriften zu erfassen. Ebenso wie in grundsätzlicheren Fragen allein aus den Inschriften immer nur ein Bruchteil an Informationen vermittelt wird, werden in diesem, auf den Bereich ‚Tod und Sterben‘ eingeschränkten Fokus, auch nur Segmente zum Vorschein kommen, die eine weitere Betrachtung ermöglichen.
Abgrenzung der Thematik ‚Tod und Sterben‘
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B Vorgehensweise, Untersuchungsmaterial und Methodik 1 Abgrenzung der Thematik ‚Tod und Sterben‘ Um das umfangreiche Korpus der wikingerzeitlichen Runensteine auf das Thema ‚Tod und Sterben‘ hin zu untersuchen, ist es zunächst notwendig, diesen Bereich gut abzugrenzen. Hierzu zwei Beispiele: Svista (U 193)26 kuno auk inkialtr iluhi @oh litu ritu rita stin abtiR sihfasta buanta ku-u Gunna ok Ingjaldr, Illugi, pau létu réttu rétta stein eptir Sigfasta, bónda Gu[nn]u. Gunna und Ingjaldr [und] Illugi, sie ließen diesen Stein für Sigfasti errichten, Gunna’s bóndi.27 Kullerstad (Ög Fv1970;310) hakun + rai@i × kuml × @ausi × eftiR × kunar + sun × sin × han × uar@ × taur@ × uastr + Hákon reisti kuml pessi eptir Gunnar, son sinn. Hann vard daudr vestr. Hákon errichtete diese kumbl für Gunnarr, seinen Sohn. Er ist im Westen gestorben. Aufgrund der erstgenannten Inschrift könnte zwar vermutet werden, dass Sigfasti zur Zeit der Runensteinsetzung bereits gestorben war. Jedoch steht dies nicht explizit in der Inschrift geschrieben. Die Annahme, dass Runensteine primär im Gedenken an Tote28 errichtet wurden, ist besonders im Kontext unserer heutigen Gesellschaft nachvollziehbar, in der mit der Existenz eines Gedenk-/Grabsteines bzw. einer Traueranzeige die Information über den zurückliegenden Tod eines Menschen einhergeht.
26 Quelle: Samnordisk Runtextdatabas. Im Folgenden wird auf diese Information verzichtet, d.h. sofern keine Fußnote angegeben ist, kann diese Quelle vorausgesetzt werden. Wird aus anderen Quellen zitiert, so ist das jeweils durch eine entsprechende Fußnote kenntlich gemacht. Im Anhang 3 „Konkordanz der 218 Sterbeinschriften“ werden alle für die vorliegende Untersuchung relevanten Inschriften mit Sterbeterminologie, zitiert aus der Samnordisk Runtextdatabas (mit der dort angegebenen Übersetzung ins Englische), angeführt. 27 Die Übersetzung ins Deutsche erfolgte durch die Autorin dieser Arbeit. Im Folgenden wird auf diese Information verzichtet, d.h. sofern keine Fußnote angegeben ist, kann dies vorausgesetzt werden. Wird die Übersetzung als Zitat aus einer fremden Quelle herangezogen, wird das jeweils durch eine entsprechende Fußnote kenntlich gemacht. 28 Vgl. Düwel: Runensteine, 595f.
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Vorgehensweise, Untersuchungsmaterial und Methodik
Um sich aber unvoreingenommen der Frage nach der wikingerzeitlichen Gesellschaft und ihrer Umgehensweise mit dem Bereich ‚Tod und Sterben‘ stellen zu können, wird diese (moderne) Vorstellungsweise ausgeklammert und nur diejenigen 218 Inschriften für die vorliegende Untersuchung herangezogen, die (wie das oben genannte Beispiel Kullerstad zeigt) explizit das Sterben einer Person beim Namen nennen. Die Inschriftenformeln auf Runensteinen lassen sich jeweils in einen „obligatorischen Teil“ und einen „fakultativen Teil“ untergliedern29 oder auch in „Standard-“ und „optionale Elemente“.30 Der „obligatorische Teil“ beinhaltet die wesentlichen Teile der Gedenkinschrift, d.h. den Namen des Errichters und der Person, derer erinnert werden soll, die soziale (d.h. familiäre oder tätigkeitsbezogene) Beziehung zwischen diesen Personen, und die Benennung des Objektes (z.B. Brücke oder Runenstein). Die Informationen über die Tatsache des Todes, den Ort und die genaueren Umstände des Sterbens sind innerhalb des „fakultativen Teils“ enthalten. Hier wird der Tod durch eindeutige Begriffe wie enda, drepa, falla, verda daudr etc. genannt.31 Für diese Untersuchung wurden nur diejenigen Runeninschriften herangezogen, die im sogenannten „fakultativen Teil“ eindeutige Auskünfte über das Sterben enthalten, ohne sich dabei auf Vermutungen oder auf sekundäre Befunde stützen zu müssen. Ziel ist es, nur aufgrund textimmanenter Informationen ein Bild darüber zu erhalten, auf welche Weise die Menschen der Wikingerzeit mit dem ‚Tod und Sterben‘ von Angehörigen umgegangen sind bzw. ob ein (und wenn ja, welcher) Unterschied zwischen den Inschriften, die ausdrücklich Toten gewidmet sind und jenen, die dies nur vermuten lassen, besteht. Natürlich muss davon ausgegangen werden, dass aufgrund von fehlerhaftem oder fragmentarischem Verbleib einzelner Inschriften auch der hier nicht im Detail untersuchten Gruppe einzelne Runensteine den Sterbeinschriften zuzuordnen wären, bei welchen jedoch genau der für diese Arbeit relevante Textteil absent ist. Daher ist die Grenze zwischen den evident für Tote erstellten Inschriften und den übrigen als nicht exakt absteckbar anzusehen. Es wurden deshalb für die Untersuchungsgruppe nur vollständig lesbare Inschriften herangezogen, sofern sie (auch fragmentarisch) ausdrücklich Begriffe der Sterbeterminologie enthalten.
29 Ebd., 593f. 30 Jesch: Still standing in Ågersta, 463f. 31 Eine detaillierte Auflistung aller Sterbetermini findet sich im Teil C, Kapitel 1, dieser Arbeit.
Herangehensweise in dieser Untersuchung
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2 Herangehensweise in dieser Untersuchung Aus der großen Anzahl der knapp 3000 skandinavischen Runensteine wurden für diese Arbeit zwei Gruppen gebildet: a) Die Inschriftengruppe mit Sterbeterminologie: das Sterben wird explizit ausgedrückt. Dies ist die Gruppe der Toteninschriften; ihre Anzahl beträgt 218 Stück. b) Die Inschriftengruppe ohne Sterbeterminologie: das Sterben wird nicht genannt. Dies ist die Komplementärgruppe, mit der verglichen wird; ihre Anzahl beträgt 1711 Stück. In beiden Gruppen sind nur Inschriften aufgenommen, die eine gute Lesbarkeit zulassen. Fragmente, wie z.B. die Inschrift von Vada (U 198) hulmf… … …(k) ' siri@… … … * fi-… … ----R …n * sin * Holmf… … [o]k Sigríd[r] … … … … [epti]r(?) [su]n(?) sinn(?) sind in beiden Gruppen nicht enthalten. Die mangelhafte Deutbarkeit bzw. zum Teil fehlende Inschrift lässt eine Zuordnung oder einen Ausschluss von Begriffen der Sterbeterminologie nicht zu. Es würde die Ergebnisse verfälschen, wenn aufgrund des Fehlens von z.B. verda daudr diese Inschrift automatisch der Komplementärgruppe zugeordnet werden würde. Es kann davon ausgegangen werden, dass in beiden Gruppen gleichermaßen fragmentarische Anteile enthalten sind. Diese nur zum Teil erhaltenen Inschriften wurden daher weder der einen noch der anderen Gruppe zugeordnet. Insgesamt wurden aus den fast 3000 gesichteten Inschriften 1929 Inschriften ausgewertet und den beiden Gruppen zugeordnet. Aus dieser Gesamtzahl fallen 218 Stück der Gruppe mit Sterbeterminologie zu. Diese Runeninschriften, die evident Formulierungen aus der Sterbeterminologie enthalten, bilden das Untersuchungsmaterial der vorliegenden Arbeit. Die zweite Gruppe der Inschriften ohne explizite Sterbetermini enthält somit 1711 Inschriften und dient in einzelnen, markant herausstechenden Ergebnissen zur Gegenüberstellung mit der ersten Gruppe. Nach Sichtung der Inschriften und Zuordnung zu den beiden Gruppen wurden Kriterien gebildet, nach welchen die 218 Steine mit Sterbeterminologie untersucht wurden. Auf diese Weise konnten an verschiedenen Stellen deutliche Unterschiede zwischen den beiden Inschriftengruppen herausgearbeitet werden. Bei vielen Kategorien sind jedoch Berechnungen für das gesamte Inschriftenkorpus bislang nicht angestellt worden, weshalb im Zuge dieser Arbeit für einige Untersuchungen über die Sterbeinschriften hinaus auch für die Gegengruppe eine Auswertung erfolgte, um statistische Vergleichszahlen zu erhalten. Zudem wurde für einige nötige Vergleiche auf bereits vorliegende Ergebnisse anderer Arbeiten zurückgegriffen, die doch meist unter anderen Aspekten erzielt wurden und daher nicht immer einen ausschließ-
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Vorgehensweise, Untersuchungsmaterial und Methodik
lichen Vergleichswert beinhalten, sondern höchstens als vergleichende Stütze dienen können; solche Vergleichszahlen, die aus anderen Arbeiten stammen, sind an den jeweiligen Stellen unter Quellenangabe gekennzeichnet. Es wird außerdem an den entsprechenden Stellen in dieser Arbeit auf eine mögliche inhaltliche Abweichung hingewiesen und der Vergleichswert der Ergebnisse jeweils individuell thematisiert. Die Inschriften der Gruppe mit Sterbeterminologie wurden anhand eines Kriterienkataloges ausgewertet, wobei jedem Kriterium (z. B. „Hinterbliebene männlich oder weiblich?“) eindeutige Variablen (z. B. männlich = m, weiblich = w, in Gemeinschaft = mw, unbekannt = u) zugeordnet wurden, die auf alle Inschriften angewendet werden können. Insgesamt wurde nach 24 Kriterien (Auflistung siehe Kapitel B 8.) untersucht. Bei dieser empirischen Datenerhebung wurden die 218 Inschriften, welche inklusive Mehrfachnennungen auf einzelnen Runensteinen (Näheres hierzu im Kapitel B 7.) zu einer Fallzahl von 239 anwuchsen, im Statistikprogramm SPSS (Statistical Package for Social Sciences) registriert. Die aus den insgesamt 5736 erfassten Variablen entstandene Datenbank wurde dann mittels 552 Kreuztabellen ausgewertet. Auf diese Weise konnten Vergleiche zwischen den statistischen Werten verschiedener Subgruppen ermöglicht und die Relevanz der Unterschiede beurteilt werden. Eine solche Vorgehensweise ermöglicht eine Hypothesenfindung aufgrund aussagefähigen Zahlenmaterials, d.h. die Ergebnisse der empirischen Auswertungen liefern Belege zu den Fragestellungen der einzelnen Subuntersuchungen.
3 Aufbau der Arbeit Die auf dem zuvor geschilderten Weg errechneten Auffälligkeiten werden in den einzelnen Unterkapiteln im empirischen Teil dieser Arbeit aufgeführt (Abschnitt C), welcher folglich eine hohe quantitative Ausrichtung hat und eine entsprechende Dominanz an Zahlenmaterial mit sich bringt. Diese Detailarbeit ist wichtig, um ein gründliches Fundament für Schlussfolgerungen zu schaffen. Sehr komplexe Zusammenhänge werden in Form von Grafiken oder Tabellen verdeutlicht; grundsätzlich jedoch werden Darstellungen von Zahlenreihen eher vermieden, um eine bessere Lesbarkeit zu gewährleisten. Die sich im Kapitel C aufzeigenden Muster werden dann im nächsten Schritt einer qualitativen Untersuchung unterzogen. D.h. bei einzelnen Ergebnissen, die sich als aussagekräftig, und damit für Folgeuntersuchungen als wertvoll erwiesen haben, wird der Blick vom Detail auf den Kontext gelenkt und versucht, nicht nur die Zahlen, sondern mit ihnen die dazugehörigen Inschriften zum Sprechen zu bringen. Im Kapitel C dieser Arbeit werden folglich hauptsächlich generalisierte Inschriftenmuster und -verknüpfungen aufgezeigt, die dann im qualitativen Teil (Abschnitt D) diskutiert werden; dies unter zusammenfassenden Blickwinkeln, welche die Frage-
Kurzer statistischer Exkurs
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stellung, wie die wikingerzeitliche Gesellschaft mit dem Thema ‚Tod und Sterben‘ umging, beantworten. Zudem folgen im Kapitel D Diskussionen zu Einzelaspekten, die sich in der Konsequenz der Ergebnisse dieser Arbeit im Zusammenhang mit Hypothesen anderer Wissenschaftler ergeben.
4 Kurzer statistischer Exkurs Für ein besseres Verständnis zur Vorgehensweise mittels SPSS soll hier in aller Kürze der Ablauf einer Kreuztabelle erläutert werden. Als Beispiel für die generelle Vorgehensweise dient hier eine thematisch ganz fremde Berechnung, um das Verständnis möglichst zu vereinfachen. Es handelt sich hier um eine Gruppe von Menschen, in der nach Mitgliedschaft in einem Verein und nach der Variable ‚männlich oder weiblich‘ unterschieden wird (Tabelle 1). Tab. 1: Beispiel für eine Kreuztabelle
Mitglied
männlich
weiblich
122
26 82,4 % 33,8 %
kein Mitglied
239
148 17,6 % 20,8 %
99 70,7 % 66,2 %
Gesamt
Gesamt
361
338 29,3 % 79,2 %
125 74,3 % 100 %
100 % 30,5 % 100 % 69,5 % 486
25,7 % 100 %
100 % 100 %
Schnell/Hill/Esser: Methoden der empirischen Sozialforschung, 404.
Eine solche Tabelle heißt Kreuztabelle. Da sie zwei Variablen enthält (hier: Mitgliedschaft und Geschlecht) wird sie auch bivariate Kreuztabelle genannt. Die vier Felder „männlich, weiblich, Mitglied, kein Mitglied“ enthalten die Kernaussagen, der untere Bereich und die rechte Spalte geben die Gesamtzahlen (absolut und prozentual) an. Untere Zeile: Hier zeigt sich, dass von allen 486 befragten Personen (für diese Arbeit: das entspricht den 218 Sterbeinschriften) 125 Leute, also 25,7 %, weiblich sind. Dieser Wert wäre in dieser Befragungsgruppe die Richtlinie für die weiteren Subuntersuchungen. Im Beispielfall wird diese Subuntersuchung durch die Prüfung, ob eine Mitgliedschaft besteht, gebildet. Die weiblichen Mitglieder machen einen Anteil von 17,6 % aus und das liegt unterhalb des vorgenannten Erwartungswertes von 25,7 % aller Frauen innerhalb der Befragungsgruppe. In der vorliegenden Arbeit werden die Kategorien für solche Subuntersuchungen beispielsweise auch die Frage nach dem Geschlecht sein (bei Hinterbliebenen oder
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Vorgehensweise, Untersuchungsmaterial und Methodik
Steinempfängern) oder ob Bittformeln in den Inschriften enthalten sind oder ob Reiseziele und/oder Sterbeorte genannt werden. Doch zurück zum Beispiel: Es sind also um mehr als acht Prozentpunkte weniger Frauen in Vereinen, als aufgrund des Frauenanteils in der befragten Gruppe zu erwarten gewesen wäre (25,7 % minus 17,6 %). Diese Differenz ist die wesentliche Information einer solchen Tabelle. Die grundsätzliche Herangehensweise ist die, dass für die Analyse Prozentzahlen miteinander verglichen werden. Je höher die Fallzahlen der sich ergebenden Differenzen sind (hier: gesamt 486 Personen, davon 125 Frauen, davon 26 Mitglieder), desto bedeutsamer ist die Relevanz der prozentualen Unterschiede. Bei einer Gesamtgruppe mit einer Untersuchung mit zwei Variablen können jedoch durchaus auch derart geringe Fallzahlen entstehen, so dass die Subgruppe letztlich nur noch aus fünf oder sechs Stück besteht. In solch einem Fall spielt auch Zufall eine Rolle, so würde nur ein einziger zusätzlicher oder verminderter Fall das prozentuale Verhältnis ganz erheblich verändern; selbst wenn die Differenzen sehr hoch wären, könnte keinesfalls mehr von statistisch aussagefähiger Relevanz der Unterschiede die Rede sein. Auf solch kleine Fallzahlen und deren geringe Aussagekraft wird in dieser Arbeit bei den jeweiligen Einzelfällen, die zwar erwähnenswert, jedoch ohne statistische Aussagekraft sind, immer hingewiesen werden. Die jeweiligen Kapitel der Subgruppenuntersuchungen beinhalten nicht die zugrunde liegenden Kreuztabellen, das würde den Umfang dieser Arbeit sprengen. Daher wird zu Beginn jeder Untersuchung das Ergebnis der SPSS-Auswertung mitgeteilt. Im Beispielfall hieße es: Die 125 Frauen machen einen Anteil von 25,7 % der befragten Gesamtgruppe von 486 Personen aus. Dieser Wert wird daher als erwartete Verteilung auch in den Subgruppen (hier: Frauen in Vereinen) angenommen. Alle Kategorien, die bemerkenswert von dieser Richtlinie abweichen, werden im Folgenden angeführt. In derselben Formulierung wird diese Aussage mit den entsprechenden Daten jedem Kapitel vorangestellt und durch Fettdruck hervorgehoben. Im tatsächlichen Fall für die Subuntersuchung der Bittformeln lautet diese Mitteilung folgendermaßen: Diese 51 Inschriften mit Gott-helfe-Anrufungen (ohne die beiden Thorweihe-Inschriften) machen einen Anteil von 23,4 % des Gesamtkorpus von 218 aus. Dieser Wert wird daher als erwartete Verteilung auch der Subgruppen angenommen. Alle Kategorien, die bemerkenswert von dieser Richtlinie abweichen, werden im Folgenden angeführt. In exakt dieser Form wird im Abschnitt C Kapitel für Kapitel vorgegangen. Damit soll einerseits dem Leser eine Hilfe an die Hand gegeben werden, was den Umgang und Vergleich mit den absoluten Zahlen und/oder den Prozentzahlen anbelangt, gleichzeitig wird damit eine konstante Vorgehensweise markiert. Es sind immer dieselben Kategorien, die in den Subgruppen untersucht werden. Z.B. wird die Kategorie Kreuzabbildungen innerhalb der Gruppe der Reiseziele und
Datierung und Begrenzung des Untersuchungsmaterials
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Sterbeortsnennungen ausgewertet, aber auch in der Gruppe der Bittformeln oder der der weiblichen Hinterbliebenen. Gleichzeitig gibt es aber auch ein eigenes Kapitel für die Kreuzabbildungen, worin dann aber die zuvor bearbeiteten Auswertungen nicht mehr detailliert geschildert werden. Dadurch kann der Eindruck entstehen, dass Informationen mehrfach genannt werden, dem ist jedoch nicht so. Um bei dem Beispiel mit den Kreuzabbildungen zu bleiben, beziehen sich die jeweiligen Informationen vielmehr immer auf unterschiedliche Subkategorien. Für die Ergebnisentwicklung ist es wichtig, in jeder Kategorie immer wieder erneut in hoher Detaillierung auf die Einzeluntersuchungen einzugehen, auch wenn dies auf den ersten Blick als redundant erscheinen mag. Letzteres ist nicht der Fall, da es sich immer wieder um andere Hauptkategorien handelt; um dies zu verdeutlichen bzw. eine mögliche Verwirrung des Lesers zu umgehen, wurde jeder Unter-Überschrift das Thema der jeweils untersuchten Hauptkategorie nochmals vorangestellt.
5 Datierung und Begrenzung des Untersuchungsmaterials Um eine aussagekräftige und praktisch tatsächlich prüfbare Ergebnismenge an Runeninschriften zu erhalten, ist es notwendig, das Untersuchungsmaterial einzugrenzen. Da es keine durchgängige Datierungsstruktur der Runensteine gibt, die anhand einheitlicher Gesichtspunkte erfolgt wäre, in Einzelfällen gar keine Datierung auszumachen ist und es teilweise sogar mehrere Datierungsvorschläge verschiedener Wissenschaftler nach verschiedenen Herleitungen gibt, wurde in Vermeidung eines Zirkelschlusses auf das Merkmal der Datierung verzichtet. Stattdessen wurde auf die Typeinteilung von Anne-Sofie Gräslund32 zurückgegriffen, was zwar eine teilweise Überlappung einzelner Phasen bedeutet, insgesamt jedoch eine gute zeitliche Einordnung der Inschriften für diese Arbeit ermöglicht.33 Die zeitliche Einordnung der einzelnen Perioden ergibt sich aus Tabelle 2. Ein weiteres Problem ergibt sich in Bezug auf die zeitliche Abgrenzung der Phasen „Wikingerzeit“ und „Mittelalter“, da diese beiden Perioden je nach Region zu verschiedenen Zeiten ineinander übergingen. Da die Untersuchung jedoch die wikingerzeitliche Gesellschaft im Fokus behalten soll, gleichzeitig aber eine klare Trennung der Bereiche Wikingerzeit/Mittelalter und Runenstein/Grabplatte nicht immer möglich ist,
32 Gräslund: Runstenar – om ornamentik och datering I + II. 33 Eine völlig exakte zeitliche Abgrenzung gemäß den von Anne-Sofie Gräslund festgelegten Stilphasen ist nicht möglich. Tatsächlich handelt es sich allenfalls um Tendenzen, deren chronologische Genauigkeit bei bis zu 20 bis 30 Jahren jenseits der vorgeschlagenen archäologischen Einordnung liegen kann. Dennoch wird die vorliegende Untersuchung sich nach diesem Konstrukt richten, da es doch die relativ sicherste zeitliche Einordnung nach Ornamentierungsstilen darstellt.
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Vorgehensweise, Untersuchungsmaterial und Methodik
Tab. 2: Stilgruppierung nach Anne-Sofie Gräslund Steine ohne Ornamente (RAK, KB) Vogelperspektive (Fp) Periode 1 (Pr1) Periode 2 (Pr2) Periode 3 (Pr3) Periode 4 (Pr4) Periode 5 (Pr5)
ca. 980? ca. 1010 ca. 1010 ca. 1020 ca. 1045 ca. 1070 ca. 1100
bis 1050 bis 1050 bis 1040 bis 1050 bis 1075 bis 1100 bis 1130
Gräslund: Dating the Swedish Viking-Age rune stones on stylistic grounds, 126. RAK bezeichnet aufrecht stehende Runenlinienbänder (schwed. rak = gerade, aufrecht). KB (schwed. korsband = Kreuzlinie/-band) steht für Runenlinienbänder in Kreuzform. Eine Schlangenornamentik und die für die anderen Stile markanten Schlangen-/Drachenkopfdarstellungen fehlen gänzlich. Vogelperspektive, auch Fp (fågelperspektiv) oder „Bird’s-eye-view“, bezeichnet Schlangenornamentik, welche die Schlangen-/Drachenköpfe aus der Draufsicht abbilden. Pr1 bis Pr5: Die Schlangen-/Drachenköpfe werden im Profil abgebildet. Unterschieden werden die Formen der Augen, Nasen, Lippen, Köpfe, Ohren, Schwänze.
wurde folgende Vorgehensweise gewählt: Es fanden grundsätzlich alle Inschriften in die Untersuchungsgruppe Eingang, die Begriffe aus der im Kapitel C 1. genannten wikingerzeitlichen Sterbeterminologie enthalten. Hiervon ausgenommen wurden generell die Termini yfir und liggja, die vorwiegend im frühen Mittelalter und später in Erscheinung traten und die Verwendung von Grabplatten ankündigen. Bei diesen beiden Begriffen wurde deshalb eine weitere Abgrenzung getroffen: In die Gruppe mit Sterbeterminologie wurden nur Inschriften aufgenommen, die auf einem Objekt enthalten sind, das deutlich einem Runenstein ähnlich ist. Grabplatten, die beispielsweise eine Wölbung beinhalten, deren Physis keineswegs einem Runenstein entspricht oder die die typische mittelalterliche Ornamentik aufweisen, wurden nicht gezählt. Ebenso wurden Inschriften, die lateinische Elemente enthalten, nicht in die relevante Gruppe aufgenommen. Ausnahmefälle bildeten hierbei Inschriften, die trotz ihres ansonsten für Runensteine untypischen Aussehens entweder ein wikingerzeitliches Sterbevokabular oder sonstige typisch wikingerzeitliche Inschriftenzüge tragen (dies ist z.B. in der Inschrift Broddetorps gamla kyrkogård (Vg 81, siehe Abb. 6) der Fall: Obwohl das Objekt der Inschrift deutlich einer Grabplatte entspricht, wurde dieser Text dennoch in die Zählung aufgenommen, da Begriffe wie drengr oder dó der wikingerzeitlichen Typologie zuzurechnen sind). Obwohl auf diese Weise Inschriften in die untersuchte Gruppe gelangen, die ins frühe Mittelalter datiert werden und damit nicht ausschließlich der thematischen Zielgruppe angehören, zeigte sich im Laufe der einzelnen Untersuchungen, dass sich durch dieses Faktum recht aufschlussreiche Vergleichsindizien erkennen lassen, welche die anfänglichen Veränderungsprozesse im zeitlichen Verlauf während der Übergangsphase von der Wikingerzeit hin zur mittelalterlichen Gesellschaft widerspiegeln. Beispielsweise zeigt sich dies in der (auf frühen Steinen) sehr offensi-
Datenquellen und Abkürzungsverzeichnis
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ven Weise, mit dem Tod umzugehen bzw. ihn beim Namen zu nennen, im Vergleich zur eher euphemistischen Schweigsamkeit über dieses Thema im beginnenden Mittelalter.
6 Datenquellen und Abkürzungsverzeichnis Zur Sichtung der Inschriften wurden folgende Werke zu Rate gezogen: – Sveriges Runinskrifter, utgivna av Kungl. Vitterhets Historie och Antikvitets Akademien, Bände 1–12, Stockholm 1900ff. In der im Anhang befindlichen Bibliografie unter: Brate, Jansson, Jungner, Kinander, Söderberg, Svärdström, Wessén. – Norges Innskrifter med de yngre Runer. Bd. 1–5, Oslo 1941–1960. In der im Anhang befindlichen Bibliografie unter: Liestøl, Olsen. – Danmarks Runeindskrifter, 1. Text, 2. Atlas, 3. Register, Kopenhagen, 1941–42. In der im Anhang befindlichen Bibliografie unter: Jacobsen, Moltke. – Samnordisk Runtextdatabas (http://www.nordiska.uu.se/forskn/samnord.htm). Auf diese Datenquelle beziehen sich auch diejenigen Inschriftenstellen, die in dieser Arbeit in der transliterierten Fassung und der anschließenden Transkription aufgeführt sind. – Svenskt Runordsregister (http://www.rattsatt.com/rundata/Runordsregister.pdf). In der im Anhang befindlichen Bibliografie unter: Peterson.
Abkürzungsverzeichnis der in dieser Arbeit verwendeten Siglen Jede Inschrift ist gekennzeichnet durch eine Buchstaben-Zahlenkombination. Der erste Teil (Buchstaben) gibt an, aus welchem Land bzw. welcher Provinz die Inschrift stammt (z. B. DR = Dänemark, Sm = Småland). Der zweite Teil ist die fortlaufende Nummerierung, wie sie in den entsprechenden Ausgaben der Länder (DR = Danmarks Runeindskrifter, SR = Sveriges Runinskrifter, N = Norges Innskrifter) erfolgt. Neufunde, die nach Veröffentlichung der drei vorgenannten Werke registriert wurden, finden sich in der Zeitschrift Fornvännen (Fv). Die Siglen beinhalten die Jahreszahl der Ausgabe und nach dem Semikolon die Seitenangabe (z. B. U Fv 1992;157 = Inschrift aus Uppland, aufgenommen in Fornvännen des Jahres 1992 auf Seite 157). DR = Jacobsen, Lis/Moltke, Erik: Danmarks Runeindskrifter 1–4, Kopenhagen 1941–1941. Fv = Fornvännen. Tidskrift för svensk antikvarisk forskning. Utgiven av Kungl. Vitterhets Historie och Antikvitets Akademien under medverkan av Svenska Fornminnesföreningen, Stockholm 1906–2011. G = Jansson, Sven B. F./Wessén, Elias: Gotlands Runinskrifter, Sveriges Runinskrifter XI. Utgivna av Kungl. Vitterhets Historie och Antikvitets Akademien,
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Vorgehensweise, Untersuchungsmaterial und Methodik
Gs =
N
=
Nä =
Ög = Öl =
Sm =
Sö =
U
=
Vg =
Vs =
Stockholm 1962. Auch: Svärdström, Elisabeth, Gotlands Runinskrifter, Sveriges Runinskrifter XII. Utgivna av Kungl. Vitterhets Historie och Antikvitets Akademien, Stockholm 1978. Jansson, Sven B. F.: Gästriklands Runinskrifter, Sveriges Runinskrifter XV. Utgivna av Kungl. Vitterhets Historie och Antikvitets Akademien, Stockholm 1981. Olsen, Magnus/Liestøl, Aslak: Norges Innskrifter med de yngre Runer. Bd. I–V, Oslo 1941–1960 und Sanness Johnsen, Ingrid: Norges Innskrifter med de yngre Runer. Bd. VI, Oslo 1990. Jansson, Sven B. F.: Närkes Runinskrifter, Sveriges Runinskrifter XIV,1. Utgivna av Kungl. Vitterhets Historie och Antikvitets Akademien, Stockholm 1975. Brate, Erik: Östergötlands Runinskrifter, Sveriges Runinskrifter II. Utgivna av Kungl. Vitterhets Historie och Antikvitets Akademien, Stockholm 1911–1918. Söderberg, Sven/Brate, Erik: Ölands Runinskrifter, Sveriges Runinskrifter I. Utgivna av Kungl. Vitterhets Historie och Antikvitets Akademien, Stockholm 1900–1906. Kinander, Ragnar: Smålands Runinskrifter, Sveriges Runinskrifter IV. Utgivna av Kungl. Vitterhets Historie och Antikvitets Akademien, Stockholm 1935–1961. Brate, Erik/Wessén, Elias: Södermanlands Runinskrifter, Sveriges Runinskrifter III. Utgivna av Kungl. Vitterhets Historie och Antikvitets Akademien, Stockholm 1924–1936. Wessén, Elias/Jansson, Sven B. F.: Upplands Runinskrifter, Teile 1 bis 4, Sveriges Runinskrifter VI–IX. Utgivna av Kungl. Vitterhets Historie och Antikvitets Akademien, Stockholm 1940–1958. Jungner, Hugo/Svärdström, Elisabeth: Västergötlands Runinskrifter, Sveriges Runinskrifter V. Utgivna av Kungl. Vitterhets Historie och Antikvitets Akademien, Stockholm 1958–1970. Jansson, Sven B. F.: Västmanlands Runinskrifter, Sveriges Runinskrifter XIII. Utgivna av Kungl. Vitterhets Historie och Antikvitets Akademien, Stockholm 1964.
Mehrfachnennungen
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7 Mehrfachnennungen Einzelne Gesichtspunkte, nach denen die wikingerzeitlichen Runensteine untersucht wurden, sind auf der einen oder anderen Inschrift mehrfach vorhanden, z.B. auf folgender Inschrift: Högby (Ög 81, siehe Abb. 1) * @ukir * res@i * stin * @ansi * eftiR * asur * sen * mu@ur*bru@ur * sin * iaR * eata@is * austr * i * krikum * * ku@r * karl * kuli * kat * fim * syni * feal * o * furi * frukn * treks * asmutr * aita@is * asur * austr * i krikum * uar@ * o hulmi * halftan * tribin * kari * uar@ * at uti * auk * tau@r * bui * @urkil * rist * runaR * Porgerdr(?) reisti stein penna eptir Ôzur, sinn módurbródur sinn, er endadist austr í Grikkjum. Gódr karl Gulli gat fimm sonu. Fell á Fœri frœkn drengr Ásmundr, endadist Ôzurr austr í Grikkjum, vard á Holmi Halfdan drepinn, Kári vard at Oddi(?) ok daudr Búi. Porkell reist rúnar. ?orger.r errichtete diesen Stein für Ôzurr, den Bruder seiner Mutter, der im Osten in Griechenland sein Ende fand. Gulli, der gute Mann, bekam fünf Söhne. Ásmundr, der tapfere drengr, fiel bei Fœri, Ôzurr fand sein Ende im Osten in Griechenland. Halfdan wurde in Holmr erschlagen, Kári war in Oddr(?) [úti = draußen] und Búi starb. ?orkell ritzte die Runen. Dieser Inschriftentext enthält fünf Belege, die das Sterben nennen: enda (2x), falla, drepa, verda daudr. In solchen Fällen, in denen das untersuchte Kriterium mehrfach und auf verschiedene Weise vorhanden ist, wurde folgende Vorgehensweise gewählt: In der Gesamtzählung werden solche Inschriften nur als ein Stein gewertet. In den relevanten Subgruppen (z.B. Generationenrichtungen, Geschlecht der Hinterbliebenen/der Toten, Sterbeterminologie) gehen die Mehrfachnennungen dann jedoch in die Auswertungen mit ein. Das bedeutet beispielsweise, dass es 218 Runensteine gibt, die Aussagen über das Sterben enthalten. Eine weitere Zählung betrifft die tatsächlichen Aussagen, die z.B. bei Högby (Ög 81) fünf Nennungen von Sterbetermini bedeutet. In diesem Fall wird demnach nicht von einer Anzahl von 218 Inschriften ausgegangen, sondern von den darin insgesamt 236 erscheinenden Sterbetermini. Nur in den wenigsten Untersuchungskriterien ist diese Art der Mehrfachnennung möglich und oft aufgrund der äußerst geringen Differenz zum Basiswert statistisch gesehen kaum von verändernder Relevanz. In jedem entsprechenden Kapitel wird separat auf dieses Faktum hingewiesen und die zugrunde gelegte Gesamtzahl erläutert. In allen Untersuchungskategorien, die diese Besonderheit nicht enthalten (z.B. Brückennennungen oder Vorkommen von Metrik), wird grundsätzlich auf den Basiswert Bezug genommen.
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Vorgehensweise, Untersuchungsmaterial und Methodik
Abb. 1: Ög 81, Högby (Quelle: J. Köster)
Auflistung der erfassten und qualitativ ausgewerteten Variablen
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8 Auflistung der erfassten und qualitativ ausgewerteten Variablen – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Angaben über den sozialen Status Begräbnisse Benennung des Inschriftenobjektes Bittformeln Brücken-Inschriften Familiäre und außerfamiliäre Bezüge Generationen Geschlecht der Hinterbliebenen Geschlecht der Toten Grobdatierung (gemäß Samnordisk Runtextdatabas) Informationen über Hinterbliebene Informationen über Tote Ingvar-Inschriften Kreuzsymbolik Metrische Inschriftenteile Ornamentale Ausgestaltung Regionen Ritzersignaturen Runenlinienformen und Abbildungen Sterbeorte im Detail Sterbeorte nach Richtungsangaben Sterbeterminologie nach einzelnen Formulierungen Sterbeterminologie nach Gruppen (Erklärung dazu im Kapitel C 1.) Stilgruppierung nach Anne-Sofie Gräslund.
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Vorgehensweise, Untersuchungsmaterial und Methodik
Die Sterbeterminologie
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C Empirischer Teil: Hauptuntersuchung der 218 Sterbeinschriften In diesem Abschnitt der Arbeit werden die Ergebnisse der untersuchten Kategorien, die zuvor aufgelistet wurden, detailliert vorgestellt; dies beginnend mit dem Kapitel zur Sterbeterminologie, worin grundlegende Informationen für die darauf folgenden Kapitel enthalten sind.
1 Die Sterbeterminologie Die auf Runensteinen verwendeten Begriffe für den Themenkomplex ‚Tod und Sterben‘ zeigen sich vielfältig und spiegeln differenziert die Sterbearten wider. Insgesamt lassen sich die Sterbetermini in mehrere Bereiche einteilen: Es gibt Begriffe, die den Tod benennen und die genaueren Umstände des Sterbens nicht weiter umreißen, z.B. durch verda daudr (gestorben). Der Leser erfährt auf kurze, prägnante Weise und in wertneutraler Form, dass die Person gestorben ist (Gruppe 1: Neutrale Formulierung). Daneben gibt es eine Reihe von Wörtern, die der Information über das Sterben einer Person noch eine weitere Ebene verleihen. Der Leser erfährt nicht nur die Tatsache des Todes, sondern durch die Wahl des Vokabulars auch etwas über die Art der Vorgänge. Diese Umstände sind evident extrinsischer Natur (Gruppe 2: Benennung der Umstände) und lassen sich in zwei Bereiche einteilen, die einerseits eine aktive Handlung durch eine oder mehrere andere Personen voraussetzen, z.B. drepa (erschlagen), andererseits eine unnatürliche Todesart aufgrund äußerer Umstände mitteilen, die zwar auch auf menschlichen Handlungen basieren können, dies jedoch nicht ausdrücklich beinhalten müssen, z.B. drukna (ertrunken). Ein weiterer Bereich enthält Umschreibungen, die das Sterben oder den Tod nicht explizit, sondern auf eher euphemistische Weise zum Ausdruck bringen, eventuell über die Formulierung eines Begräbnisses, z.B. hér liggr Sigreifr (aus der Inschrift Husby-Lyhundra kyrka (U 541): „hier liegt Sigreifr“).34 Dieser Gruppe wohnt eine Tendenz zur Anonymisierung inne. Hier sind auch die äußerst wenigen Anzeichen von deutlichem Trauerverhalten der Hinterbliebenen enthalten, welche auf einen Tod von Angehörigen schließen lassen (Gruppe 3: Konnotative Mitteilung).
34 Die hier aufgenommenen Inschriften mit der Formulierung liggja beziehen sich mit diesem Verb tatsächlich auf die tote Person, die an der genannten Stelle liegt. Diejenigen Inschriften, die dieses Verb auf den Stein als Inschriftenobjekt beziehen (also: der Stein liegt dort), sind nicht mit in die Zählung eingegangen. Ebenso wurde mit dem Terminus yfir/yftir umgegangen: Während yfir oder ifir sich ebenfalls auf eine tote Person bezieht (der Stein liegt „über“ NN), meinen yftir oder iftir die Präposition „efter“, die aussagt, für wen der Stein errichtet wurde.
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Empirischer Teil: Hauptuntersuchung der 218 Sterbeinschriften
Grundsätzlich sollte jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass die für diese Untersuchung vorgenommene Gruppierung keine weiteren Deutungen zuließe (dies insbesondere aus dem Kontext der jeweiligen Inschrift). Beispielsweise kann ein Toter, der als begraben genannt wird, durchaus auch erschlagen worden sein. Gleichzeitig ist auch damit zu rechnen, dass Trauer nicht nur dann empfunden wurde, wenn dies auf der Inschrift explizit zum Ausdruck kommt. Deutlichere und informativere Hinweise diesbezüglich mögen aus wirtschaftlichen Gründen – oder ganz pragmatisch aus Platzmangel – nicht erfolgt sein. Manches Mal wurde vielleicht eine Formulierung einer anderen aufgrund von sprachlich passenderen oder metrischen Merkmalen vorgezogen. Diese Aspekte dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass der Großteil des Inschriftenkorpus sicherlich nicht auf Zufälligkeit basiert, sondern die endgültige Form der Inschrift (sowohl äußerlich als auch inhaltlich) vom Errichter des Runensteins genau oder annähernd so gewollt war. Dies auch, wenn sich beispielsweise hinter einer verda daudr-Inschrift in der Realität eine ermordete Person verbergen mag, so wurde dies – aus welchen Gründen auch immer – nicht mitgeteilt und eine andere Informationsbasis gewählt. Die in dieser Arbeit vorgenommene Einteilung in Gruppen kann daher höchstens als Versuch gesehen werden, die Verhaltensweisen der Hinterbliebenen im Umgang mit dem Tod zu generalisieren, um auf diese Weise weitere Merkmale der Runensteinsitte erkennen zu können. Im Folgenden wird in Kürze auf die sprachlichen Vorkommen der einzelnen Termini eingegangen. Des Weiteren werden die unterschiedlichen Anwendungsformen sowie eventuell bestehende Probleme in der Deutung angesprochen. Es werden diese Abkürzungen verwendet: WB = Walter Baetke: Wörterbuch zur altnordischen Prosaliteratur, 5. Aufl., Berlin 1993. LP = Lena Peterson: Svenskt Runordsregister (= Runrön 2), 3. Aufl., Uppsala 2006. Die runischen Belege für die hier relevanten Inschriften stützen sich auf das Register von Lena Peterson (LP) und wurden für diese Arbeit erweitert um die Bereiche Dänemark, Norwegen und Gotland sowie um die chronologisch in den Grenzbereich zum Mittelalter zu datierenden Inschriften.
Die Sterbeterminologie
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Gruppe 1: Neutrale Formulierung Der Tod wird konkret als solcher genannt, aber durch eine neutrale Formulierung ausgedrückt. enda Übersetzung nach WB: andask sterben, andadr gestorben. Runische Belege: 23. endadis (pret.sg.3): G 207, Ög 81 (2x), Sö 9, Sö 33, Sö 65, Sö 85, U 136, U 140, U 358, U 518, Ög 155, Sm 27, Sm 29, Sm 46, Sö 216. endadus (pret.plur.3): U 153, Sö 34. endadr (pret.ptcp.sg.m.nom): Sö 40, Sö 148, Sö 345, Sö Fv1954;22, Vs 1. verda daudr Übersetzung nach WB: daudr tot, daudan Leiche. Runische Belege: 77. daudr (m.sg.ack.): Sm 83 daudr/dødr (Adj.sg.m.nom.): Sö 16, Sö 46, Sö 49, Sö 53, Sö 55, Sö 62, Sö 82, Sö 121, Sö 160, Sö 254, Sö 287, Sö 319, Sö Fv1954;20, Ög 30, Ög 68, Ög 81, Ög 94, Ög 184, Ög Fv1970;310, Ög Fv1950;341, Sm 28, Sm 52, Sm 77, G 92, G 135, Gs 13, Vs 9, Vs 22, Vs 27, Nä 15, N 62, N 184, Vg 40, Vg 61, Vg 178, Vg 197, U 29, U 170, U 364, U 366, U 375, U 431, U 539, U 540, U 661, U 687, U 699, U 785, U 812, U 896, U 925, U 1036, U 1087, U Fv1922;157, DR 1, DR3, DR 66, DR 108, DR 117, DR 216, DR 220, DR 259, DR 266, DR 334. dauds (gen.): Öl 1 daudan (ack.): Sö 122, DR 110, Sm 16, U 620. daud (f.nom.): Sö 15, U 29, G 270, DR 6, DR 114. daudir (pl.m.nom.): Sö Fv1948;289, Vg 184. deyja/dó Übersetzung nach WB: deyja (dó) sterben. Runische Belege: 27. dó (pret.sg.3): U 29, U 112, U 133, U 141, U 180, U 283, U 446, U 613, U 1048, U 1016, Ög 83, Ög 136, Sö 164, Sö 170, Vs 5, Vg 81, Vg 91, DR 37, DR 68, G 111, G 136, G 220. dóu (pret.pl.3): U 73, U 154, U 243, Sö 173, Sö 179.
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Empirischer Teil: Hauptuntersuchung der 218 Sterbeinschriften
t´yna Übersetzung nach WB: t´ y nask ums Leben kommen, t´ y na verlieren, einbüßen. Übersetzung nach Judith Jesch:35 t´ y na aldri das Leben verlieren. Runische Belege: 2. t´ y ndi (pret.sg.3): Sm 5, Vg 187. fara/fór Übersetzung nach WB: fara (fór) verlorengehen, schwinden; umkommen, sterben. Runische Belege: 6. fórs (pret.sg.3): Ög 145, Sö 335, U 201, U 349, U 363, U 1016. láta fj˛or Übersetzung nach WB: fjor ˛ Leben, láta: lassen, verlieren. Übersetzung nach Judith Jesch:36 láta fjor ˛ sitt: sein Leben verlieren. Runische Belege: 2. let fior(u) ˛ (n.sg.ack): Ög 136, Sö 174. Die Formulierungen daudr und deyja kommen beide auch in Verbindung mit der Information í hvitavádum (in weißen Kleidern, Taufkleidern) vor, was mögliche Rückschlüsse auf eine wertfreie bzw. neutrale Ausdrucksweise zulässt. Die beiden Inschriften, welche das Sterben in der Heimat konkret nennen, gehören ebenfalls in diese Gruppe. Eine kriegerische Handlung oder das bewusste Eingreifen einer weiteren Person ist damit jedoch nicht ausgeschlossen, speziell unter Hinzuziehung des jeweiligen Inschriftenkontextes. Die Wahl dieser Formulierungen lässt lediglich Rückschlüsse auf die Hinterbliebenen und deren Umgang mit dem Tod zu. Klaus Düwel merkt an, dass die unterschiedlichen Verwendungen der Sterbeformulierungen einen Hinweis darauf geben könnten, ob die jeweilige Inschrift mit einer Handelsfahrt in Verbindung zu bringen ist. „Vor allem ein nicht gewaltsamer, friedlicher Tod“37 würde dafür sprechen. Grundsätzlich ist dem zuzustimmen, was bedeutet, dass sich die Inschriften, die auf Handelsfahrten deuten, vorwiegend in Gruppe 1 (Neutrale Formulierung) der Sterbeterminologie befinden dürften. Eine klare Grenze kann jedoch nicht gezogen werden, da es sicherlich auch auf Handelsfahrten gelegentlich zu Auseinandersetzungen und Überfällen gekommen sein dürfte und daher in seltenen Fällen auch ein
35 Jesch: Ships and Men in the Late Viking Age, 58. 36 Ebd. 37 Düwel: Handel und Verkehr der Wikingerzeit nach dem Zeugnis der Runeninschriften, 317.
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Sterbeterminus, der auf gewaltsame oder kämpferische Hintergründe hinweist, den Tod eines Händlers bezeichnet haben kann. Dass die Grenzen zwischen kriegerischem und friedlichem Sterben (respektive der nachträglichen Interpretation durch den Leser) fließend sind, zeigt beispielsweise Arndt Ruprechts Deutung38 der Inschrift zu Sjusta (U 687), deren Übersetzung er folgendermaßen aufführt: „[…] nach Spjallbu.i, ihrem Mann. Er fand den Tod in Holmgard in der Olafskirche […]“39 Und im Weiteren schreibt er: „die näheren Umstände von Spjallbu.is Kampf liegen im Dunkel.“ Zusammengefasst bedeutet das, dass Arndt Ruprecht in der Formulierung „fand den Tod“ durchaus kriegerische Hintergründe sieht. Obgleich die Inschrift keinen weiteren Hinweis für eine kämpferische Aktion bietet, führt Arndt Ruprecht seine Lesart mittels einer entsprechenden Argumentation nicht weiter aus. Nur eine (fragmentarische) der insgesamt neun Inschriften, die Personen namens Spjallbu.i nennen,40 enthält einen (teilweise fehlenden) Satzteil, der „in Spjallbu.is [Mannschaft?]“ lauten könnte. Diese Inschrift von Vändle, Sörgården (Vs 5) bezieht sich in ihren Angaben über die Lokalitäten jedoch auf den Westen (England), nicht wie in der Inschrift von Sjusta (U 687) auf den Osten. Allein die Formulierung verda daudr besagt nichts über den Kontext, in dem der Tod geschah, gibt also für sich gesehen weder einen Hinweis auf friedliches Handeln noch auf kriegerische Aktivitäten. Über die norwegische Inschrift von Alstad (N 62), die für ?óraldr errichtet wurde, der in Vitaholm starb (verwendet wird der Terminus verda daudr), schreibt Klaus Düwel, dass bei diesem Unternehmen Handel nicht ausgeschlossen werden könne, da „[…] der mit der Formel vard daudr angezeigte gewaltsame Tod nicht im Verlauf einer Kampfhandlung erfolgt sein muss.“41 Auch die Inschrift von Ene (Sö 49, beinhaltet ebenfalls den Terminus verda daudr) sieht er in diesem Licht eines „unnatürlichen, gewaltsamen“ Todes,42 während er in einer Fußnote43 zum vorgenannten Textabschnitt in der Nennung von Ausdrücken södermanländischer Inschriften für „sterben“ bzw. „umkommen“ den Begriff „(vera; verda) daudr“ mit „den Tod finden“ übersetzt. Ebenso übersetzt Klaus Düwel die Inschrift von Lövsta (U 1087), welche gleichfalls den Terminus verda daudr enthält, neutral mit „fand den Tod“44 und geht hier
38 Ruprecht: Die ausgehende Wikingerzeit im Lichte der Runeninschriften, 151. Die laufende Nummer dieser Inschrift nach seiner Zählung ist Nr. 131. 39 Transkription gemäß Samnordisk Runtextdatabas: […] at Spjallboda, bónda sinn. Hann var daudr í Holmgardi í Ólafs kirkju […]. 40 Vgl. Peterson: Nordisk Runnamnslexikon, S. 183. 41 Düwel: Handel und Verkehr der Wikingerzeit nach dem Zeugnis der Runeninschriften, 231. 42 Ebd., 326. 43 Ebd., 326, Fußnote 44. 44 Düwel: Runenkunde, 124.
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nicht primär von einem gewaltsamen Tod aus, sondern listet sie in der Reihe der Inschriften auf, welche „nur lapidar [den] Tod“45 vermelden. Alle drei hier erwähnten Inschriften lassen aus dem weiteren Kontext keine Rückschlüsse über die Art des Sterbens zu, keine Inschrift nennt spezielle Termini (wie z.B. eine lid-Mitgliedschaft), die auf kämpferische Aktionen hinweisen könnten. Allein die genannten Örtlichkeiten (N 62: in Vitaholm gestorben, Sö 47: auf einem Knorr ˛ gestorben, U 1087: in Griechenland gestorben), können maximal einen Hinweis hierzu erlauben. Dies zeigt, dass die Formulierung verda daudr durchaus ambivalent zu sehen ist und einer genaueren Diskussion bedarf. Die Wortfolge verda daudr kann als mit Hilfsverb gebildete Passivkonstruktion gesehen werden. Ähnlich wie verda vátr (also „nass werden“) würde verda daudr dann auf einen Sterbevorgang extrinsischer Natur hinweisen, d.h. tot/getötet werden. Das Verbum verda in Verbindung mit einem Infinitiv ist jedoch auch in der Bedeutung „müssen“ zu übersetzen, wie z.B. urdu at dauda – sie mussten den Tod erleiden, was nichts über eine gewaltsame oder gewollte Handlung durch andere Personen aussagt. Dieselbe Formulierung vard daudr findet sich beispielsweise in den Atlamál in grœnlenzko (Strophe 100): „Daudr vard inn húnski […]“,46 die Hans Kuhn mit „wurde tot, starb“ übersetzt.47 Andreas Heusler führt in seinem Altisländischen Elementarbuch über das Partizipium Präteriti (Passivi) aus, dass die Verbindung mit vera „der gewöhnliche Ausdruck für das Passiv“ sei. So vereinige „var hann veginn […] nicht bloß die Vorstellungen ‚er war erschlagen (war tot)‘ und ‚er war erschlagen worden‘ […], sondern auch die des aoristischen Geschehens: ‚er wurde erschlagen‘.“ Die Verbindung mit verpa „werden“ habe allerdings „selten den rein passiven Sinn; die dem verpa eigene Bedeutung ‚in die Lage kommen, von etwas betroffen werden‘ blickt meistens durch“.48 Insofern kann die runeninschriftliche Formulierung verda daudr schon als „wurde getötet“ gelesen werden, ist aber ebenso als passivische Umschreibung in der Weise von „musste den Tod hinnehmen“ oder „wurde vom Tod getroffen“ anzusehen. Da zwei der sechs Inschriften, die von einem Tod in weißen Kleidern (d.h. in Taufkleidern, Näheres hierzu siehe Kapitel C 2.3) berichten, in der Kombination mit vard daudr (U 699) bzw. var daudr (U 364) erstellt wurden und nicht davon auszugehen ist, dass die jeweilige Person in Taufkleidern getötet wurde, sondern in Taufkleidern gestorben ist, wird für diese Arbeit der Sterbeterminus vard daudr als neutrale Sterbeinformation gewertet und der Gruppe 1 zugeordnet, welche keine weiteren Todesumstände immanent aus den Sterbebegriffen zulässt, sondern nur aus dem weiteren Kontext der jeweiligen Inschriften.
45 46 47 48
Ebd. Neckel/Kuhn: Edda. Die Lieder des Codex Regius nebst verwandten Denkmälern, 256. Kuhn: Kurzes Wörterbuch, 221. Heusler: Altisländisches Elementarbuch, 136, §§ 434 und 435.
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Für die beiden Sterbetermini deyja und daudr wurden jeweils die Inschriften auf weitere Hinweise durchgesehen, welche auf einen gewaltsamen oder kriegerischen Hintergrund deuten könnten. Es hat sich ergeben, dass sich in beiden Fällen in je etwa einem Viertel der Inschriften zusätzliche Anhaltspunkte in dieser Richtung finden. 15 der 77 Inschriften, welche die Bezeichnung verda daudr tragen, enthalten im weiteren Kontext Bezüge auf einen unnatürlichen Tod und sechs der 27 deyja-Inschriften ebenso. Diese Teilmengen erlauben es aufgrund ihrer relativ geringen Größe nicht, die beiden Sterbetermini einer anderen als der Gruppe 1 zuzuordnen, zumal nicht allen der jeweiligen Inschriften eine absolute Sicherheit in Hinsicht auf kriegerische Tätigkeiten beigemessen werden kann.
Gruppe 2: Benennung der Umstände Der Tod wird konkret genannt und die näheren Umstände werden durch das gewählte Vokabular beschrieben. a) Die äußeren Umstände deuten auf einen unnatürlichen Tod hin, der durch kriegerische Umstände bzw. durch bewusstes Eingreifen weiterer Personen ausgelöst wurde. drepa/vega Übersetzung nach WB: drepa (drap) erschlagen, töten; vega (viga; vá) erschlagen, töten. Runische Belege: 24. drap (pret.sg.3): U 954. drápu (pret.pl.3): U 258, G 138, Sö 351. drepinn (pret.ptcp.sg.m.nom.): Sö 174, Sö 333, Sö 348, Sö Fv1948;291, U 324, U 533, U 577, U 582, U 654, U 898, Ög 81, Ög 104, Vg 20, Vg 181, Vg 135, DR 380, DR 387. vá (pret.sg.3): Ög 31, U 338, DR 154. Diese Formulierung drückt – wie myrda und hoggva ˛ – die aktive Handlung einer weiteren Person aus, durch die jemand zu Tode kam. myrda Übersetzung nach WB: myrda (myrdard) ermorden, heimlich töten. Runische Belege: 1. myrdan (pret.ptcp.sg.m.ack): U 691.
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h˛ogg(v)a Übersetzung nach WB: hoggva ˛ (hjó) hogg(v)inn) ˛ den Kopf abschlagen, erschlagen, töten. Runische Belege: 4. hioggu (pret.pl.3): Sm 20. haggvinn (pret.ptcp.sg.m.nom): Ög 93, Ög 177, N 413. falla Übersetzung nach WB: falla (fell) fallen (im Kampf). Runische Belege: 16. falla (inf.): Sö 126. fell/fjoll ˛ (pret.sg.3): Sö 130, Sö 171, Sö 217, Sö 338, U 158, U 346, U 356, U 374, U 616, U 611, U 644, U 698, Ög 8, Ög 81, N 239. Das Verb „gefallen“ erscheint oft im Zusammenhang mit weiteren Phrasen, die den Tod „auswärts oder auf einer Expedition“ mitteilen,49 es kann daher im Zusammenhang mit kriegerischen Aktionen gesehen und eine natürliche Todesart ausgeschlossen werden. Wie in unserem heutigen Sprachgebrauch assoziiert dieser Begriff das Thema Krieg. svík(v)a Übersetzung nach WB: svíkja (sveik) hintergehen, betrügen, verraten. Runische Belege: 7. svík(v)i (pres.konj.sg.3): Sm 92, U 1028. sveik (pret.sg.3): DR 387, U 954. sviku (pret.pl.3): G 134, U 1028 (s.o.). svik(v)inn (pret.ptcp.sg.m.nom.): U 130, U 1148. hefna Übersetzung nach WB: hefna(nd) rächen, (be-)strafen. Runische Belege: 1. hæfndi (pret.sg.3): Öl 37. Das Verbum svíka ist indirekt dem Repertoire der Ruhmes- und Ehrestugenden zuzuordnen, ebenso der hier vorkommende Beleg hefna. Wie beispielsweise aus der däni-
49 Jesch: Ships and Men in the Late Viking Age, 58.
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schen Inschrift Sjörup (DR 279) abzulesen ist (Asbjörn floh nicht, sondern kämpfte, solange er Waffen hatte), galt es, Mut und Tapferkeit bis zum Ende zu beweisen. Es gab demnach in der wikingerzeitlichen Gesellschaft einen gewissen Ehrenkodex über positive Verhaltensweisen, die man einzuhalten hatte, wollte man in Würde sterben. Das Verhalten des Betrügens und Hintergehens passt nicht in dieses Bild. Dass sich hinter svíka nicht nur ein kleines betrügerisches Vergehen vermuten lässt, sondern ein Verhalten, das mit dem Tod eines Menschen endet, lässt sich auf zwei Inschriften ablesen, auf welchen der Begriff svíka direkt auf eine weitere Formulierung aus der Sterbeterminologie trifft: Die Söderby-Inschrift (U 954) berichtet von Helgi, der durch Sassur erschlagen wurde. Im darauf folgenden Inschriftenteil steht, dass er [Sassur] seinen félagi verraten hat. Eine ähnliche Aufeinanderfolge steht in der dänischen Inschrift Vester Marie 5 (DR 387). Dort ist die Rede von Alfarr, welcher unschuldig erschlagen wurde und Skógi war der Verräter. Arndt Ruprecht übersetzt das Wort svíka sogar mit „erschlagen“50 und Klaus Düwel übernimmt diese Lesart unverändert in seine Ausführungen.51 Ein Tod durch Verrat bedeutet, dass das Sterben zwar eventuell nicht unter großen kriegerischen Ereignissen stattfand, mit welchen man sich Ruhm hätte verdienen können, dies jedoch durch den Sterbenden selbst auch gar nicht zu beeinflussen war, da das negative Verhalten einer anderen Person zum Tod geführt hat. Verraten zu werden und daran zu Tode zu kommen, drückt auf der einen Seite aus, dass es für die sterbende Person aufgrund unrechtmäßiger äußerer Umstände nicht möglich war, das eigene Verhalten auf würdevolle Weise zu lenken, auf der anderen Seite wird das negative Verhalten des Verräters für die Mitmenschen lesbar angeprangert und sein Ruf damit geschädigt. Letzteres geschieht teilweise sogar durch explizite Namensnennung: Sassur war der, der nídingsverk beging (U 954), Skogi hinterging den Schuldlosen (DR 387) und blákumenn (schwarze Männer/Walachen) waren die Täter, die Hró.fuss verrieten (G 134). Eventuell liegt in der auf solchen Inschriften getätigten Aussage auch die Rechtfertigung für künftiges, rächendes Verhalten gegenüber dem Verräter. Der Kreis des Betrügens und des darauf folgenden Rächens schließt sich in solchen Inschriften, welche die Bitte aufführen, dass der Verräter selbst verraten werden möge, wie z.B. in der uppländischen Inschrift Lena kyrka (U 1018). Dort wird berichtet, dass jemand sich verräterisch verhalten hat und Gott darum gebeten wird, dass er eben diese Person gleichfalls verraten möge. Eine gleiche Formulierung befindet sich auf der gotländischen Inschrift zu Sjonhems kyrka (G 134). Durch die Inschrift Björkö Kyrkogård (Sm 92) wird an Gott mit derselben Bitte herangetreten. Die Instanz, in der Rache geübt werden soll, ist bemerkenswert, da neben der einzigen auf diesen Vorgang hinweisenden Steininschrift Lerkaka (Öl 37: Ólaf rächt seinen Vater Féar-Unn)
50 Ruprecht: Die ausgehende Wikingerzeit im Lichte der Runeninschriften, 164. 51 Düwel: Handel und Verkehr der Wikingerzeit nach dem Zeugnis der Runeninschriften, 321.
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diese Racheakte in Selbstjustiz vor allem aus der Sagaliteratur bekannt sind. Gleichzeitig drückt das aber auch das Selbstverständnis aus, in dem das Auge-um-AugePrinzip die Gesellschaft geprägt haben muss. Hätte bei den Errichtern dieser Runeninschriften auch nur ein geringer Zweifel über die Folgerichtigkeit der Rache bestanden, hätten sie sich sicher nicht dazu veranlasst gefühlt, Gott um Vergeltung – und damit um Gerechtigkeit – zu bitten. In diesem Zusammenhang steht das Thema níd. Die (auch in die svíka-Gruppe gehörende) Inschrift von Söderby (U 954) berichtet von Sassur, der jemanden erschlagen und damit ein nídingsverk (s.o.) vollbracht hat. Der Begriff nídingr findet auf wikingerzeitlichen Runeninschriften nur diesen einen Beleg. Die gegenteilige Wendung ónídingr hingegen erscheint mehrfach (z.B. Ög 77, Ög 217 etc.) und ist in den entsprechenden Inschriften als Apposition zur (positiven und rühmenden) Beschreibung der zu gedenkenden Person angewandt. Dieses Beispiel zeigt die beiden Enden der möglichen positiven und negativen Tugenden, die dem Toten entweder Ruhm oder das Gegenteil davon verliehen. b) Die äußeren Umstände deuten auf einen unnatürlichen Tod hin, lassen aber nicht primär auf bewusstes Handeln durch andere Personen schließen. brenna Übersetzung nach WB: brenna verbrennen. Runische Belege: 1. brunnu (pret.pl.3) U 1161. drukna Übersetzung nach WB: drukna ertrinken. Runische Belege: 10. druknadi (pret.sg.3): Sö 39, Sö 83, Sö 318, U 29, U 214, Vg 174, Gs 7, DR 379. druknadu (pret.pl.3): U 455, DR 190. sjúkr Übersetzung nach WB: sjúkr krank, sótt (f) Krankheit. Runische Belege: 2. siúkr (sg.m.nom.): U 614. taka sótt (pret.sg.3): U 527.
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Gruppe 3: Konnotative Mitteilung Der Tod wird nicht konkret genannt, sondern indirekt mitgeteilt; die Wortwahl drückt Anonymisierung und Distanz im Umgang mit dem Thema ‚Tod und Sterben‘ aus. yfir Übersetzung nach WB: yfir über. Runische Belege: 15. yfir (präp.): Sö 74, Vg 21, Vg 50, Vg 81, Vg 87, Ög 52, Ög 75, Ög 170, Ög 213, Sm 79, Sm 95, Nä 20, G 343, DR 74, DR 354. grafa Übersetzung nach WB: grafa (gróf) begraben. Runische Belege: 3. grafinn (pret.ptcp.sg.m.nom.): Öl 36, Sö 47, U 170. liggja Übersetzung nach WB: liggja (í) liegen (in). Runische Belege: 11. liggr (pres.sg.3): Sö 131, Sö 164, U 184, U 541, U 559, Sm 54, Öl 53. liggja (pres.pl.3): DR 143, DR 337, DR 386. lagdi (pret.sg.3 v. læggia): Sm 101. Diese Formulierungen sind bereits stark mit der mittelalterlichen Grabformel verknüpft, welche neben der Funktion der Erinnerung auch die Tatsache beinhaltet, dass die Grabstätte als solche markiert werden soll.52 Die Aussage über den Tod und dessen Umstände ist hier bereits weitgehend anonymisiert. Das Thema Sterben wird nicht direkt genannt, sondern von den Hinterbliebenen sprachlich distanzierend behandelt, was die mit der (Christianisierungs-)Zeit erreichte Veränderung im wikingerzeitlichen Umgang mit dem Tod deutlich widerspiegelt. Während auf früheren Inschriften ohne Euphemismus die Tatsache des Sterbens geschildert wurde, halten sich die spätwikingerzeitlichen bzw. frühmittelalterlichen Inschriften mit solchen klaren Aussagen zurück. Diese Veränderungen drücken aus, dass „der Tod langsam als ein neutraler Zustand“53 betrachtet wurde. Die lateinischen Inschriften mit den Formeln hic iacet oder hic requiescit bilden eine späte Parallele zu dieser Gruppe, ebenso die Bezeichnung hér hvílir (z.B. N 95).
52 Palm: Runor och regionalitet, 135. 53 Herschend: Pegas på tusentalet – attityder till runstensdiktning, 28: „De är uttryck för att man långsamt kommer att betrakta döden som ett neutralt tillstånd […].“
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Das Inschriftenmaterial ist dann physisch zumeist in der Form von (liegenden) Grabplatten angefertigt und weist diesbezüglich kaum noch Bezugspunkte zur Runensteinsitte auf. Die hier aufgeführten Belege beinhalten durch ihr tatsächliches Runensteinaussehen (aufrecht stehend) oder durch ornamentale bzw. andere sprachliche Inhalte jedoch noch einen direkten Hinweis auf wikingerzeitliche Gepflogenheiten. Die Umschreibungen „ist begraben“ und „hier liegt“ beziehen sich auf die tote Person, während die Formulierung „über“ sich auf die Lokalisierung des Steins bezieht, der über dem Toten steht. In all diesen Fällen kann von einem Begräbnis ausgegangen werden, wobei aus den yfir-Inschriften durch den Runenstein auch die tatsächliche Grabstelle gekennzeichnet wird, die in den grafa- und liggja-Inschriften nicht mit der Position des Runensteins identisch sein muss, wie Inschriften mit Inhalten wie „liegt in Serkland“ (Sö 131) oder „ist begraben auf Gotland“ (Sö 47) deutlich zum Ausdruck bringen. In diesen Fällen bildet der Stein einen Ersatz für einen Grabstein (Kenotaph), während der tatsächliche Aufenthaltsort der Leiche sich an anderer Stelle befindet. Der Tod wird durch Trauerverhalten der Hinterbliebenen ausgedrückt. Der Begriff der Trauer findet sich als solcher auf wikingerzeitlichen Inschriften nicht. Das Trauern wird durch emotionales Verhalten und seelische Zustände umschrieben (z.B. „bedrückt“ auf Ög 31) oder durch eine subjektive Wertung, die der Nennung des Todes angehängt wird (z.B. „Tod von großem Kummer“ auf Sö 318). Tacitus beschreibt in der Germania (Kapitel 27) zu den Trauergewohnheiten der nordischen Völker: „Jammer und Tränen währen nur kurz, doch Schmerz und Trauer lange.“54 Auch wenn davon auszugehen ist, dass er damit eher auf einen Stereotyp zurückgegriffen hat,55 so stimmt zumindest der erste Teil der Aussage, der sich auf die äußere Erscheinung von Trauer bezieht, mit den Runeninschriften überein, denn innerhalb des gesamten Runensteinkorpus ist das Vorkommen von ostentativer Trauer äußerst selten, wie die nachstehenden vier Belege zeigen. Å kyrka (Ög 31) frustin : riti : stin : @ina : iftR : sikmut : uk : ukitRi : an ua : bur@ Freysteinn rétti stein penna eptir Sigmund ok ókætri hann vá byrd. Übersetzung nach LP: okatr nedstämd (niedergeschlagen, bedrückt). Übersetzung nach Erik Brate:56 „[…] och mindre glad ditförde han bördan“ (sehr traurig führte er die Last/Bürde (den Sarg?) dorthin). 54 Fuhrmann: Tacitus: Germania, 40f: „lamenta ac lacrimas cito, dolorem et tristitiam tarde ponunt.“ 55 Ernst/Müller: Trauer, 145. 56 Brate: Östergötlands Runinskrifter, 30.
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Sund (Sö 318, siehe Abb. 2 und 3) §A + ku[fi]nkR [+ au]k + hulmkaiR + li[tu * raisa + sta]in + at [+ ur]ai@ + fa@ur + sin [+ a]uk + [at] + uiborg * sy(s)[tu](r) [+ sin](a) * han + §B turuk(n)[a]@i + i + bagi + harmtau@ + [mukin + gu@ + hial](b)(i) [+] (a)(n)[t] + @aiRa + auk + gus + mo@iR §A Kylfingr ok Holmgeirr létu reisa stein at Vreid, fôdur sinn, ok at Vébjôrg, systur sína. Hann §B druknadi í Bági, harmdaud mikinn. Gud hjalpi ônd peira ok Guds módir. Übersetzung nach Samnordisk Runtextdatabas: a death of great grief (ein Tod von großem Kummer). Übersetzung nach WB: harm-daudi schmerzlicher, Trauer verursachender Tod. Bällsta (U 226) ristu * stina * uk * staf * uan * uk * in * mikla * at * iartiknum uk kuri@i * kas at * uiri * @u mon i krati * kiatit lata kunar ik stin Reistu steina ok staf unnu(?) ok inn mikla at jarteiknum. Ok Gyrídi gazt at veri. Pví mun í gráti getit láta. Gunnarr hjó stein. Übersetzung nach Samnordisk Runtextdatabas: he will therefore be commemorated in weeping (deshalb wird seiner in Trauer/Tränen gedacht). Rimsø (DR 114) §A @uriR : bru@iR : ainra@a §B rai=s@i : stain : @onsi : ¶ uft : mu@ur : sina : auk : ¶ … ku… ¶ … -au@i : sam : uarst : maki §A Pórir, bródir Einráda, §B reisti stein penna ept módur sína ok … … … [d]audi sem verst megi. Übersetzung nach Samnordisk Runtextdatabas: death is the worst (misfortune) for a boy (der Tod ist das schlimmste Unglück für einen Jungen).
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Abb. 2 und 3: Sö 318, Sund (Quelle: Riksantikvarieämbetet, Antikvarisk-Topografiska Arkivet)
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2 Das Sterben 2.1 Reiseziele und Sterbeorte Informationen über die in- und ausländischen Stätten der Aktivitäten gibt es auf knapp einem Zehntel aller Runensteine der Wikingerzeit. Anzahl aller für diese Arbeit untersuchten Inschriften: 1927 Stück – davon mit Hinweisen auf Sterbeorte oder Reiseziele: 181 Stück = 9,4 %57 – davon ohne Hinweise auf Sterbeorte oder Reiseziele: 1746 Stück = 90,6 % Anzahl aller Sterbeinschriften: 218 Stück – davon mit Hinweisen auf Sterbeorte oder Reiseziele: 141 Stück = 64,7 % – davon ohne Hinweise auf Sterbeorte oder Reiseziele: 77 Stück = 35,3 % Die Angabe von Orts- und Länderbezeichnungen oder Richtungsangaben kommt innerhalb des gesamten skandinavischen Inschriftenkorpus gemäß dieser Auswertung nur zu einem recht geringen Anteil vor. Eingegrenzt auf die Inschriften, die das Sterben der Personen konkret nennen, macht dies jedoch den überwiegenden Teil aus. Wenn auf Inschriften der Tod eines oder mehrerer Menschen genannt wird, geschieht dies meist zusammen mit der Angabe der Lokalität, wie z.B. auf der für Toki geritzten Inschrift von Gillberga (Ög 104), der in England erschlagen wurde. Die Inschrift von Haithabu 1 (DR 1) gilt Skarthi, der nach Westen gefahren war, dann aber den Tod bei Haithabu fand. Hier wird zugleich über eine zurückliegende Reise nach Westen berichtet, die einen guten Ausgang hatte. Oft wird davon ausgegangen, dass die auf der Inschrift genannten Fahrtenziele zugleich dem Sterbeort entsprechen, obgleich dies nicht explizit in der Inschrift genannt wird. Beispielsweise wird in der Inschrift zu Eds kyrka (U 104) berichtet, dass die Personen in Griechenland waren, oder auf der zu Apelboda (Nä 29), dass sie weit herumgereist sind, ohne dass jeweils explizit der Tod genannt bzw. in Zusammenhang mit diesen Reisen gestellt wird. Dass jedoch nicht alle auf Inschriften genannten Reisen einen tödlichen Ausgang hatten, belegt der oben genannte Skarthi-Stein.
57 Diese Zahl, die für diese Arbeit ermittelt wurde, stimmt nahezu mit dem Ergebnis von Birgit Sawyer überein (The Viking-age rune-stones, 185, Appendix 9), die ihren Korpus enger gefasst und stärker nach Fahrtensteinen untersucht hat. So nimmt sie in ihre Untersuchung beispielsweise Sö 106 (fuhr mit Ingvar auf Wiking) auf, gleichzeitig aber fehlen z.B. U 527 (berichtet über einen Aufenthalt auf Gotland) oder Vg 197 (der eine starb im Westen, der andere im Osten). Sie erhält einen Anteil von 9,1 % an Inschriften, die Reisen und Fahrten nennen, auch wenn nicht überall Angaben über Lokalitäten enthalten sind – daher ergibt sich eine leichte Differenz zwischen ihren Ergebnissen und denen dieser Arbeit. Mats G. Larsson (Runstenar och utlandsfärder, 44) hat in seinem Untersuchungsbereich von insgesamt 1694 Inschriften einen Auslandsfahreranteil von 9,5 % (auf 161 Steinen) berechnet.
Das Sterben
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Nicht immer sind die Angaben so präzise, dass man als Leser den Ort oder das Land erfährt. Ein Großteil der Inschriften enthält nur richtungsweisende Angaben (z.B. „im Osten“ oder „westwärts“ oder gar nur „draußen“). Die Tatsache, dass in Bezug auf geographische Angaben der Vergleich zwischen den beiden Gruppen mit und ohne Sterbeterminologie eine so gravierende Diskrepanz ergibt, ist ein Indiz dafür, dass diese Unterscheidung durchaus ihre Berechtigung hat. Insgesamt enthält die Gruppe der 218 Sterbeinschriften 141 Stück, in welchen Orte von Reisezielen oder die Lokalitäten des Sterbens genannt werden, das macht einen Anteil von 64,7 % aus. Dieser Wert wird daher als erwartete Verteilung auch der Subgruppen angenommen. Alle Kategorien, die bemerkenswert von dieser Richtlinie abweichen, werden im Folgenden angeführt. Für dieses Kapitel wurden die auf Inschriften vorhandenen Angaben über die Orte in weitere Gruppen unterteilt, was vorerst auffällige Verknüpfungen mit weiteren Kategorien kenntlich machen soll. Im darauf folgenden Schritt wird detailliert auf einzelne Länder und Regionen eingegangen. Zu dieser Untergruppierung wurde zum einen die Art der Angabe berücksichtigt (d.h. ob eine exakte Angabe über den Orts- oder Ländernamen gemacht wird oder nur eine unspezifische Richtungsangabe bzw. diese Information gänzlich fehlt), zum anderen wurden die genannten Stätten nach den vier Himmelsrichtungen sortiert. Da die Inschriften ein äußert breites Repertoire an Reisezielen nennen, wird auf diese Weise eine Gruppenbildung mit besonders kleinen Fallzahlen vermieden, die nicht ausgewertet werden könnten (Tabelle 3). Tab. 3: Übersicht über die Art der Ortsangaben auf den 218 Sterbeinschriften
Inschriften prozentual
Exakte Angabe des Ortes oder Landes
Adverbiale Richtungsnennungen
Keine Angabe
101 46,3 %
40 18,3 %
77 35,3 %
Innerhalb der 141 Inschriften, welche Orte oder Richtungen nennen (erste und zweite Spalte der Tabelle), wird demnach zu 71,6 % das Land oder die Stadt exakt angegeben, wohingegen bei den verbleibenden 28,4 % nur adverbiale Richtungsnennungen erfolgen. Führt man nach dieser Gruppierung eine Untersuchung gemäß der Gräslund’schen Stilgruppierung58 durch, kann festgestellt werden, dass die unspezifischen Richtungsangaben verhältnismäßig häufig auf frühen Inschriften der Typen RAK und Fp zu finden sind. In den Perioden 1 bis 4 steigt die Zahl der exakten Angaben über Orte
58 Gräslund: Runstenar – om ornamentik och datering I + II.
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und Plätze an, während entsprechend die adverbialen Richtungsbestimmungen zurückgehen. Eine Ausnahme bildet hier Pr3: Dort findet die Richtungsangabe „Osten“ einen weiteren relativen Höhepunkt. Dies hat weder mit dem Schwerpunkt der Ingvar-Inschriften zu tun (diese schlagen vorwiegend in der Periode Fp zu Buche) noch kann das metrische Gründe (z.B. aufgrund der Wörterkombination austr und enda, die in der Stabreimtechnik oft aufeinander fallen) haben, denn auch die metrischen Inschriften gehören zumeist den frühen Perioden an (Tabelle 4). Tab. 4: Übersicht über die Himmelsrichtungen innerhalb der Angaben:
Stück prozentual
Skandinavien Osten
Westen
Süden
Norden
29 13,3 %
28 12,8 %
1 0,5 %
3 1,4 %
64 29,4 %
Ungenaue Angaben wie „draußen“ oder „auf der Fahrt“ wurden in diese Gruppierung nicht aufgenommen, ebenso Angaben, die sich nicht deuten lassen, wie z.B. „…landr“ (U 1028) oder „á Pjústi“ (Sö 40).
Reiseziele und Sterbeorte: Was die Wahl der Sterbetermini über die Lokalitäten aussagen kann In der Gesamtsicht zeigt sich, dass die Angabe von Sterbeorten verhältnismäßig am häufigsten in Verbindung mit Sterbetermini der Gruppe 1 (Neutrale Formulierung) geschieht. Nur 29 dieser Inschriften (22,3 %) unterlassen eine weitere Angabe über den Ort des Geschehens. Innerhalb dieser Inschriften zeigt sich ein relevant hoher Wert jener Orte, die im Westen lokalisiert werden können, bei gleichzeitigem verhältnismäßig überhöhtem Vorkommen des Terminus verda daudr, während dies für die östlichen Richtungen auffällig selten der Fall ist. Die Verben enda und deyja fallen in der Gruppe der östlichen Lokalisierungen durch ihr über Erwarten häufiges Vorkommen auf. Demgegenüber werden die Sterbearten, die auf äußere Umstände hindeuten, an welchen weitere Personen beteiligt waren (Gruppe 2a), in über dem erwarteten Maße liegenden Niveau ohne diese Angabe genannt (20 dieser Inschriften enthalten keine Information zum Sterbeort, das sind 40,8 %). Hier fällt insbesondere die Nennung des Todes durch Erschlagen (drepa) auf. Fast die Hälfte dieser Inschriften nennt den genauen Sterbeort nicht. Die Personen, deren Tod durch das Wort falla mitgeteilt wird, die also ebenfalls der Gruppe 2a angehören, teilen jedoch in zwei Drittel der entsprechenden Inschriften ganz exakt die Lokalität mit. Dass dadurch die Werte nicht gegenseitig aufgehoben werden, drückt aus, in welch hoher Korrelation die drepa-Inschriften mit dem Fehlen einer Ortsangabe stehen. Hier zeigt sich ein stringentes Verhalten der Hinterbliebenen: Jene Inschriften, die durch die Sterbeterminologie eindeutig mit zurückliegenden kriegerischen Hand-
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lungen verknüpft sind, werden zumeist durch eine ganz genaue Lokalisierung der Geschehnisse konkretisiert. Die Teilnahme an einer Schlacht war folglich eine Tat, deren genauere Schilderung wertvoll war. Bei einer Aufgliederung dieser Subgruppe nach Himmelsrichtungen zeigt sich, dass die meisten Inschriften für Gefallene östliche Regionen nennen. (Dieser Wert ist mehr als doppelt so hoch, als es gemäß der Verteilung zu erwarten gewesen wäre: 66,7 %, zehn Stück.) Gleichzeitig zeigt sich das Sterben durch Erschlagenwerden als eine Todesart, die in der Regel nicht weiter lokalisiert wurde. Eventuell bedeutet eine fehlende Angabe diesbezüglich, dass das Geschehen auf heimischem Boden stattfand, andererseits sprechen einige andere Belege dafür, dass es Tode durch Erschlagen sowohl innerhalb Skandinaviens als auch im Ausland gab, was auf Inschriften mitgeteilt wurde. Ebenso gibt es Inschriften, die von einem Tod berichten, der zuhause stattfand. Die Inschriften der Gruppe 3, die auf indirekte Art vom Tod berichten, enthalten ebenfalls nur äußerst selten eine Ortsangabe (85,2 % dieser 27 Inschriften besagen nichts über den Sterbeort). Zusammenfassend kann allein aus der groben Sicht der Sortierung nach Himmelsrichtungen ausgesagt werden, dass für das Sterben in den östlichen Regionen vermehrt neutrale Formulierungen wie enda und deyja gewählt wurden. Gleichzeitig gibt es deutliche Belege für das Sterben durch Krieg, was mittels der Formulierung falla ausgedrückt wird. Bei Inschriften, die auf westliche Richtungen weisen, fällt auf, dass das Sterben auf kriegerische oder gewalttätige Arten äußerst selten mitgeteilt wird und für die Mitteilung des Todes die Formen des neutralen verda daudr verwendet wurden.
Reiseziele und Sterbeorte: In den östlichen Regionen gefallen, in den westlichen gestorben? Die Sterbeangabe falla (insgesamt 16-mal) findet sich in Verbindung mit exakten Ortsangaben zehnmal, weitere vier Inschriften geben diese Sterbearten mit nur groben Richtungsangaben vor, zweimal ganz ohne lokale Zuordnung. Der oben bereits angedeutete Schwerpunkt auf östlichen Richtungen ist belegt durch die Orte Holmgar.r (Sö 171), Griechenland (U 374), Livland (U 698), Virland (U 345, U 356) und Gar.ar (Sö 130, Sö 338). Wenn der Ort nicht präzise angegeben wird, sondern nur die Richtung, so ist es dreimal „im Osten“ (Ög 8, Sö 126, U 644). Innerhalb dieser falla-Inschriften gibt es nur eine, die nicht in diese Reihe der Ostfahrer passt: U 616 nennt England als Sterbeort. Weiterhin gibt es hier einen Stein (U 611), der als Todesort ausschließlich „úti“ (draußen, im Ausland) angibt, was prinzipiell alles Mögliche bedeuten kann. Insgesamt (unabhängig von der Sterbeterminologie) gibt es zwölf Inschriften, die das Wort úti (oder út) in Kombination mit genauerer Lokalisierung nennen: – Sö 85: draußen in Griechenland (enda), – Sö 333: draußen im Kalmarsund (enda), – Sö 338: draußen im lid in der Schlacht östlich in Gar.ar (falla),
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– – – – – – – – –
Empirischer Teil: Hauptuntersuchung der 218 Sterbeinschriften
Sö 345: draußen in Griechenland (enda), Sö Fv1954;22: auf dem Ostweg, draußen in La[ngobar.alandi?] (enda), U 201: draußen in Griechenland (fara), U 518: draußen in Griechenland (enda), U 614: draußen auf Gotland (sjúkr), U 616: draußen in England (falla), U 698: draußen in Livland (falla), U 792: draußen in Griechenland (ohne Sterbeterminus), U 1016: draußen in Griechenland (fara). Vielleicht lässt sich aus dieser Vielzahl an Belegen (bis auf die Ausnahme, dass sich einmal úti auf England bezieht) die grobe Himmelsrichtung Osten in der wikingerzeitlichen Vorstellung des Begriffs úti ableiten. Auf jeden Fall kann aus diesen Belegen entnommen werden, dass sich das Adverb úti auf das Ausland bezieht. Weitere vier Inschriften enthalten úti ohne weitere regionale Konkretisierung: – U 363 (fara), – U 349 (fara), – U 611 (falla), – DR 379 (drukna). Aufgrund der häufigen Kombination mit úti kann auch hier vorsichtig angenommen werden, dass es sich ebenfalls um Ostfahrer handelte. Eine Detailuntersuchung dieser úti-Inschriften nach der Stilgruppierung von Anne-Sofie Gräslund (s.o.) und damit auch chronologischer Einordnung zeigt eine zeitlich ungebundene Anwendung dieser Formulierung. Die umschreibende Verwendung úti zieht sich von den früheren Inschriften (RAK oder Fp) durch alle weiteren Perioden und lässt folglich nicht auf eine vorübergehende Ausdrucksweise schließen. Bis auf die uppländische England-Inschrift (U 616, Pr1) wurde damit während aller Stilperioden der Osten gemeint. Die Anzahl der Inschriften, die auf Fahrten in Richtung Westen hinweisen, beläuft sich auf 28 Stück. Sofern eine detailliertere Angabe stattfindet, dreht es sich ausschließlich um Reisen nach England. Wie oben bereits genannt, schlägt sich ein unerwartet hoher Anteil dieser Inschriften mit Sterbeterminologie in der Gruppe der Neutralen nieder, dort vor allem durch die Wortwahl verda daudr. Eine Vielzahl dieser Inschriften betrifft die Periode RAK, worin eventuell die häufige Wahl der neutralen Sterbeterminologie begründet liegt (wie im Kapitel C 2.3 über den Gebrauch der verschiedenen Sterbetermini gezeigt wird, wird die Gruppe 1 (neutrale Formulierung) bevorzugt in der sehr frühen Phase angewandt). Dies lässt auch eine zeitliche Einordnung der Westfahrer-Inschriften zu. Einige der Westfahrer-Inschriften weisen durch die Art, wie das Sterben formuliert wird, auf eindeutig kriegerische Hintergründe hin. Die bereits oben genannte Inschrift von Tång (U 616) gilt einem Mann, der in England gefallen ist. In der Inschrift Gillberga (Ög 104) wird berichtet, dass Tóki in England erschlagen wurde; ebenso ist es Gu.marr ergangen, wie die Inschrift Västanåker (Vg 20) berichtet.
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Die norwegische Inschrift zu Galteland (N 184) bezieht sich ausdrücklich auf einen Angriff, den Knut gegen England richtete. Es kann davon ausgegangen werden, dass weitere der Inschriften, die militärisches oder kriegerisches Vokabular enthalten (wie z.B. Sö 160: vard daudr á Englandi i lidi), mit Knut bzw. mit militärischen Heereszügen in Verbindung gebracht werden können. Auf der västergötländischen Inschrift von Härlingstorp (Vg 61) wird von einem Tod berichtet, der auf Wikingfahrt stattfand. Die Züge nach Westen lassen sich demnach mittels der Sterbeterminologie auf Runensteinen ungefähr datieren und stimmen mit außerrunischen Angaben überein, denn nach „eine[r] außertextliche[n] Beobachtung [sind] gegen Ende des 11. Jhs. keine Raubzüge nach England mehr bezeugt“,59 wie Klaus Düwel ausführt. Demgegenüber nahmen allerdings die Aktivitäten im Osten zu, die sich nicht nur um Handelstätigkeiten drehten. Die Sprache der Steininschriften gibt u.a. die kriegerischen Absichten derjenigen wieder, die beispielsweise ihren Platz als Legionär oder Söldner in der byzantinischen Armee fanden.60 Insgesamt zeigt sich im Vergleich der Ost- und Westfahrerinschriften ein ausgeglichenes Verhältnis im Hinblick auf den weiteren Inschriftenkontext, der eine Mitwirkung an kriegerischen Aktionen vermuten lassen könnte. Wenn auch aufgrund der Sterbeterminologie auf den ersten Blick die den Inschriften zugrunde liegenden Ereignisse weniger gewalttätig wirken, so ist doch bei näherer Betrachtung sowohl bei den Inschriften der östlichen als auch denen der westlichen Fahrtenziele bei etwa 20 % der beiden Gruppen aus weiteren Informationen ein gewollt kriegerisches Potenzial erkennbar. Führt man eine noch tiefer gehende Selektion durch und untersucht allein die Ost- und West-Inschriften, die im Inschriftentext Indizien für kriegerische Tätigkeiten aufzeigen, so lässt sich ermitteln, dass die Westfahrerinschriften wesentlich der Stilperiode RAK zuzuordnen sind, Ostfahrerinschriften hingegen hauptsächlich der des Typs Fp.
Reiseziele und Sterbeorte: Die Präzisierung der Sterbeortsnennungen Innerhalb der 141 Sterbeortsnennungen finden sich 24 Inschriften, die die Angaben durch eine weitere Information näher erläutern, wie z.B. „im Osten in Griechenland“ (Ög 81). Im Hinblick auf den zum Großteil sehr beschränkten Platz, den der Runenstein bietet, stellt sich die Frage, warum das Bedürfnis der Steinersteller nach solchen zusätzlichen Angaben entstand. Der weitaus überwiegende Anteil dieser 24 verdeutlichenden Textteile betrifft die Ostfahrer, wobei die Ingvar-Inschriften eine nicht unwichtige Rolle spielen. Obwohl der Ingvar-Zug ein bekanntes Unternehmen war bzw. die östlichen Regionen wie Grie-
59 Düwel: Handel und Verkehr der Wikingerzeit nach dem Zeugnis der Runeninschriften, 320. 60 Vgl. Noonan: Skandinavier im europäischen Teil Russlands, 163ff.
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Empirischer Teil: Hauptuntersuchung der 218 Sterbeinschriften
chenland oder Gar.ar im heutigen Russland durch die Vielzahl der entsprechenden Inschriften sicherlich geläufig gewesen waren, wurde hier oft ein zusätzliches Attribut zur Eingrenzung der Räumlichkeiten genannt. Ein hervorstechender Anteil der Ost-Inschriften enthält gleichzeitig in Versform gebrachte Textteile. In fast allen, welche diese Inschriftengruppe betreffen, finden sich sowohl der Sterbeterminus als auch die Nennung der Lokalitäten innerhalb des metrischen Inschriftenteils. Wie Frank Hübler61 ausführt, lassen sich aus den Worten austr, enda und dem Namen Ingvar gute Alliterationspaare bilden und sie können zu stabenden Versen kombiniert werden. Daher können diese Doppelnennungen teilweise sicherlich als bewusst verwendete Mittel im Hinblick auf die Perfektion rhythmischer Formen gesehen werden. Wird, wie oben in diesem Kapitel ausgeführt, die Wahl des Wortes úti in Verbindung mit Ortsangaben, die sich auf den Osten beziehen, als feststehender Ausdruck gesehen, verbleiben in dieser Gruppe der präzisierenden Ortsangaben nur noch solche, die tatsächlich im gesamten Runensteinkorpus singuläre Erscheinungen bilden, also nicht davon ausgegangen werden kann, dass damalige Inschriftenleser ohne genauere Angabe die genannte Stelle sofort hätten orten können. Diese sind beispielsweise „in England in Skia“ (DR 6), „im Westen in “ (Ög 83), „in England in Bath“ (Sm 101), „in Skåne in Gårdstånga“ (Sm 52), „im Süden in Kagr(?)“ (U 925). Bei allen diesen Nennungen erscheint zuerst die grobe Richtung bzw. die Region, danach folgt die spezifizierende Eingrenzung durch Nennung des exakten Ortes. Ganz offensichtlich war es den Hinterbliebenen dieser Inschriften wichtig, das Unternehmen zu konkretisieren und als Todesort beispielsweise nicht nur England anzugeben, sondern eine differenzierte Unterscheidung zwischen Skia und Bath vorzunehmen. Die norwegische Alstad-Inschrift (N 62) zeigt sich in diesem Zusammenhang als eine Besonderheit: Dort wird der Todesort durch die Angabe vard daudr í Vitaholmi, midli Ustaholms ok Garda genau angegeben. Es wirkt, als wäre dem Ritzer allein die Ortsnennung Vitaholmi zu unpräzise erschienen, was eine genauere Eingrenzung zur Folge hat. Elena A. Melnikova62 lokalisiert diesen Sterbeort bei Kiew am Dnjepr, d.h. ein Ostweg, der von Skandinavien durch Gar.ar ans Schwarze Meer führte. Dieses oftmals bestehende Bedürfnis, den Sterbeort für die Nachwelt so exakt wie möglich einzugrenzen, steht jenen Inschriften gegenüber, die nur vage Richtungsangaben mitteilen und eine genaue Ortung nicht zulassen. Vielleicht war der genaue Sterbeort den Hinterbliebenen oftmals nicht bekannt und so konnten sie nur über die Fahrtenziele Auskunft geben. Das häufig belegte Vorkommen von genauem Eingrenzen des Sterbeortes würde für diese Annahme sprechen.
61 Hübler: Schwedische Runendichtung der Wikingerzeit, 93. 62 Melnikova: Runic Inscriptions as a Source for the Relation of Northern and Eastern Europe in the Middle Ages, 652.
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Reiseziele und Sterbeorte: Weitere Angaben über Reiseziele und geplante Aktivitäten Unter den 141 Sterbeort-Inschriften befinden sich sieben Stück, die von zurückliegenden oder geplanten Reisen der Verstorbenen berichten. Beispielsweise berichtet die Inschrift von Broby (U 136) von einer Pilgerfahrt nach Jerusalem; der Tod traf den Reisenden in Griechenland, eventuell auf der Rückreise. Weiter ist auf Husby-Sjuhundra (U 539) von einer geplanten Fahrt nach England die Rede, während die Person in Jütland starb, wahrscheinlich auf dem Hinweg dieser Reise. Es wird von einer vergangenen Fahrt nach England berichtet (z.B. Sö 55) oder dass jemand, unabhängig von seinem Todesort, in griechischen Häfen gewesen war (U 1016). Die dänische Haithabu-Inschrift (DR 3) berichtet von Skarthi, der (vor seinem Tod in Haithabu) lange im Westen war, ebenso verhält es sich auf der Inschrift Tystberga (Sö 173), die von einem längeren Aufenthalt im Westen berichtet (der Tod allerdings geschah im Osten). Auf der uppländischen Inschrift Kyrkstigen (U 112) berichtet ein Hinterbliebener über seine eigene Griechenlandfahrt. Allen diesen Inschriften ist zu eigen, dass sie eine neutrale Sterbeterminologie beinhalten.
Reiseziele und Sterbeorte: Wo und von wem wird die Nennung des Sterbeortes bevorzugt? Die verhältnismäßig dichteste Auftrittsquote an benannten Reisezielen zeigt sich in Södermanland. Dort gibt es 36 Inschriften, die diese Information zusätzlich zur Todesart nennen (76,6 %). Auch in Uppland war dieser Usus wesentlich geläufiger als in anderen Regionen (71,0 %). Deutlich unter dem erwarteten Wert liegen die 14 dänischen Inschriften (56,0 %) und jene aus Småland (46,7 %). Alle vier norwegischen und alle fünf västmanländischen Sterbeinschriften enthalten eine Ortsangabe. Das mag jedoch aufgrund der geringen Gesamtzahl der in diesen Regionen auftretenden Inschriften auch auf Zufall basieren. Werden diese Werte verglichen mit der Auswertung von Arndt Ruprecht,63 so ergeben sich durchwegs sehr große Differenzen zwischen den beiden Gruppen mit und ohne Sterbeterminologie und zwar bezogen auf jede einzelne Region. Die bereits oben genannte Diskrepanz zwischen den für diese Arbeit relevanten Inschriftengruppen kann demnach auf jede einzelne Landschaft heruntergebrochen werden. Dieser Unterschied findet seinen Grund in der Unterscheidung der Definitionen von „Reiseziel“ und „Sterbeort“. Das bedeutet, dass die auf diesen 218 Sterbeinschriften genannten Ziele primär als Sterbeorte anzusehen sind, selbst wenn diese nicht ausdrücklich als solche benannt werden. Hingegen müssen in der Gesamtheit aller Inschriften die Orts- und Länderangaben nicht ausschließlich Sterbeorte sein. Die hier aufgezeigte Diskrepanz zu den Werten von Arndt Ruprecht zeigt, wie relevant diese Unterscheidung der 218 Sterbeinschriften zu den verbleibenden Inschriften (welche nicht für Tote erstellt worden sein müssen) für die wikingerzeitlichen Runensteinerrichter gewesen sein muss. 63 Ruprecht: Die ausgehende Wikingerzeit im Lichte der Runeninschriften, Statistik II.
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Im Verhältnis zur gesamtregionalen Inschriftenanzahl stammen auffallend viele Ostfahrer aus Södermanland und Uppland (44,7 % bzw. 42,0 %). Dies bildet jedoch in der Untersuchung über die Fahrtenziele auch die einzige Gemeinsamkeit dieser beiden Regionen. Die Fokussierung auf die Westfahrer zeigt, dass auch hier Södermanland einen leicht erhöhten Anteil besitzt (14,9 %), während Uppland mit nur zwei Inschriften nicht einmal ein Viertel des erwarteten Wertes bildet (2,0 %). Zusammenfassend lässt sich demnach schlussfolgern, dass die södermanländischen Wikinger in beiden Richtungen, also Osten und Westen, aktiv gewirkt haben, die Uppländer hingegen scheinen sich laut den von ihnen hinterlassenen Runeninschriften auf den Osten konzentriert zu haben. Verhältnismäßig hoch ist der Anteil der für die gleiche Generation (d.h. der Inschriftenersteller und der Tote entstammen derselben Generation) gesetzten Sterbeort-Inschriften, dicht gefolgt von jenen, die der jüngeren Generation gelten (78,6 % bzw. 70,4 %). Niedriger hingegen fallen die belegten Vorkommen an Sterbeortsnennungen auf den Runensteinen aus, die für die ältere Generation errichtet wurden (61,9 %). Dass Inschriften für die gleiche Generation sowohl einen erhöhten Anteil an Sterbeorten nennen als auch wesentlich mehr Sterbetermini der neutralen Gruppe 1 aufweisen, deutet auf das Selbstbild der Inschriftenersteller hin, die als Brüder oder Mannschaftspartner eventuell am genannten Geschehen beteiligt gewesen und möglicherweise bei den jeweiligen Aktionen selbst zu Totschlägern oder Mördern geworden waren. Daher könnte es sein, dass sie mit einem anderen Blick die durch kriegerische Umstände und bewusstes Eingreifen weiterer Personen entstandenen Todesarten wie „erschlagen“ oder „ermordet“ bewerteten.
Reiseziele und Sterbeorte: Das unterschiedliche Verhalten von Frauen und Männern bei der Angabe der Sterbeorte Niedrig zeigt sich innerhalb der Inschriften weiblicher Errichter der Anteil an Sterbeortsnennungen (55,6 %). Demgegenüber steht die höhere Zahl der männlichen Steinsetzer (71,8 %). Dies drückt deutlich die unterschiedlichen Prioritäten aus: Für Frauen war es weniger üblich, die Umstände des Sterbens zum Ausdruck zu bringen und, sofern sie diese Information von Lokalitäten auf Inschriften anbringen ließen, dann in verhältnismäßig hohem Maße durch nur ungenaue Richtungsangaben. Möglicherweise ist die eher seltenere Sterbeortsnennung durch Frauen auch die Konsequenz daraus, dass sie auf den Fahrten nicht dabei waren und deshalb die detaillierten Angaben nicht kannten. Ein weiterer Grund, dass die männlichen Hinterbliebenen eher bereit waren, die Reiseziele zu nennen, könnte der sein, dass sie an den Unternehmungen im Ausland selbst aktiv beteiligt waren und sich daher sehr involviert fühlten, also die Plätze nicht nur zugunsten der zu gedenkenden Person zum Ausdruck bringen wollten, sondern auch um ihrer selbst willen.
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Reiseziele und Sterbeorte: Die Angabe der Sterbeorte im zeitlichen Verlauf Werden die Sterbeinschriften, welche Reise- und/oder Sterbeorte nennen, gemäß der periodischen Stilgruppen-Einteilung nach Anne-Sofie Gräslund64 gestaffelt, zeigt sich folgender Verlauf:
Abb. 4
In chronologischer Sicht stellt sich ein langsam wachsender Usus dar, die Sterbeorte zu nennen, der seinen Höhepunkt in der Periode 3 findet (von ca. 1050 bis 1070) und dann rapide abfällt. In den für diese Untersuchung ausgewählten mittelalterlichen Inschriften finden sich keine Angaben über Sterbeorte mehr.
Reiseziele und Sterbeorte: Die Erschlagenen Es gibt 28 Inschriften für Personen, die ihren Tod durch Erschlagen gefunden haben. Diese Gruppe stellt sich ambivalent zu den übrigen Inschriften mit Sterbeterminologie dar: 15 der Inschriften nennen weder Ort noch Richtung, drei erwähnen östliche Regionen und zehn führen detailliert den Sterbeort auf.65
64 Gräslund: Runstenar – om ornamentik och datering I + II. 65 Hierbei muss jedoch berücksichtigt werden, dass innerhalb der 15 Inschriften ohne Orts- und Richtungsangabe vier Runensteine enthalten sind, bei denen genau dort ein physischer Defekt vorliegt, wo diese Zusatzinformation hätte sein können. Grundsätzlich entspricht der Anteil an Inschriften, welche mangelhaft erhaltene Textstellen aufzeigen, die sich nur aus dem Kontext erschließen lassen, genau dem verhältnismäßigen Wert der Gesamtgruppe, ist also hier, wie in anderen Teiluntersuchungen vernachlässigbar. Und es ist nicht davon auszugehen, dass innerhalb genau dieser Subgruppe ein höherer fragmentarischer Anteil bestehen sollte.
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Empirischer Teil: Hauptuntersuchung der 218 Sterbeinschriften
Insgesamt entspricht die Tendenz also genau dem Gegenteil aller Inschriften mit Sterbeterminologie; es wäre eher eine häufigere Ortsnennung zu erwarten als ein Verschweigen derselben. Zum Vergleich: In der Gesamtheit der Toten-Inschriften werden zu 64,7 % Sterbeorte genannt. Innerhalb derer, die ein Erschlagen als Todesursache aufführen, sind es nur 44,4 %. Dieser Umstand führt zu der Annahme, dass die Nennung des Sterbeortes bei Personen, die erschlagen wurden, nicht gewünscht war bzw. dem deutlich weniger Bedeutung beigemessen wurde.66 Allerdings zeigen sich die Inschriften nur wenig verhalten, wenn es darum geht, die genaueren Umstände des Erschlagenwerdens zu schildern. Der Platz, der durch die genaue Angabe des Sterbeortes eingespart wurde, wird verbraucht durch eine Ausführung der Geschehnisse, die den Grund dieser Sterbeart bildeten. Auf dem Fresta-Stein (U 258) beispielsweise werden Norweger dafür verantwortlich gemacht, dass Asbjörn auf dem Schiff sterben musste, die Halla-Inschrift (G 138) spricht Leute aus Lübeck schuldig. Weiterhin werden drei Personen namentlich genannt, am Tod durch Erschlagen ursächlich beteiligt gewesen zu sein (U 954, U 338, DR 387). Die Sterbeorte der Erschlagenen sind vielfältig und zeigen sich in allen Himmelsrichtungen: z.B. England (Ög 104), Finnland (U 582), Estland (Vg 181, siehe Abb. 5), auf Gotland (Sö 174), auf dem Ostweg (Vg 135).
Reiseziele und Sterbeorte: Tod durch Ertrinken Ganz anders als bei den Inschriften für die Erschlagenen zeigt die Inschriftengruppe derer, die durch Ertrinken starben, ein ebenmäßiges Bild, das dem der Gesamtheit aller Sterbeinschriften entspricht: Zu den erwarteten prozentualen Anteilen wird der Ort genannt. Insgesamt liegen in dieser Untersuchung zehn Inschriften vor, die einen Tod durch Ertrinken nennen. Die Hälfte davon nennt zusätzlich den Sterbeort.67 Eine Besonderheit stellt die Inschrift von Sund (Sö 318) dar. Dieser Stein wurde u.a. für einen Vater errichtet, der im See Båven ertrunken ist. Der Runenstein selbst be-
66 Würde man hypothetisch bei den vier fragmentarischen Inschriften von einem physisch abhanden gekommenen Inschriftenteil ausgehen, der den Sterbeort nannte, und diese Anzahl zu den hier bereits bestehenden hinzuaddieren, ergäbe sich in der Subgruppe der Erschlagenen eine Sterbeortsnennung von 59,2 %. Da in dieser gedanklichen Rechnung bereits die maximal mögliche Anzahl an fraglichen Fragmenten hinzugenommen wurde (was unwahrscheinlich ist), ist der tatsächliche prozentuale Wert niedriger anzusetzen. Das verminderte Auftreten von Sterbeortsnennungen wäre in dieser maximalen Annahme nicht gravierend, aber dennoch immer noch deutlich niedriger als im Vergleich mit der Gegengruppe. 67 Wie in der Gruppe der Erschlagenen gibt es auch hier zwei Inschriften, deren fragmentarischer Teil genau diese Information enthalten könnte. Aus diesem Grund, und da die geringe Fallzahl von zehn Stück keine statistischen Aussagen erlaubt, muss diesen Ergebnissen auch eine zufällige Bedeutung beigemessen werden.
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Abb. 5: Vg 181, Frugården (Quelle: J. Köster)
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findet sich kaum ein paar hundert Meter vom Ufer dieses Sees entfernt.68 Diese Information drückt nicht den Ruhm aus, den beispielsweise das Gegenstück von Vallentuna (U 214) zum Ausdruck bringt. Dort steht, dass die Person in „Holms See“ ertrank. Damit ist der Finnische Meerbusen gemeint69 und durch die in der Inschrift nachfolgende Information „sein Knorr ˛ ging in die Tiefe“ erfahren wir von einer Handelsfahrt. Diese Inschrift transportiert eine hohe Wertschätzung und den Ruhm der verstorbenen Person. Gleiches gilt für die Angabe, dass die Männer während ihrer Reisen nach Livland (Sö 39) oder England (Sö 83) ertrunken sind. Auf der dänischen Inschrift Ny Larsker 1 (DR 379) wird der Tod einer ganzen Schiffsmannschaft (med alla skipara) genannt. Nach Henrik Williams’ These70 besagt bereits die Tatsache eines Todes durch Ertrinken oder Verbrennen, dass der Körper den Hinterbliebenen nicht physisch zur Verfügung stand. Aber weshalb sollte dann zusätzlich die Erwähnung eines entfernten Ortes erfolgen, was doch dasselbe impliziert? Weshalb sollte daher der heimatliche See Båven aufgeführt sein, wenn dadurch weder Ruhm zum Ausdruck gebracht noch die Konnotation des unzugänglichen Körpers verstärkt wird? Eine ausführlichere Diskussion zu diesem Aspekt wird im qualitativen Teil (Abschnitt D) dieser Arbeit stattfinden.
Reiseziele und Sterbeorte: Religiöse Merkmale Diese Gruppe von Inschriften, welche die Sterbeorte mit der Angabe über den Tod verknüpft, enthält kaum weniger Bittformeln als erwartet. Demgegenüber steht jedoch ein erhöhter Anteil an Kreuzabbildungen und zwar verhältnismäßig überwiegend bei Inschriften, die den Sterbeort nur durch die Angabe der Himmelsrichtung zum Ausdruck bringen (23,3 %). Inschriften, die mittels Sterbeterminologie bzw. sonstiger inhaltlicher Angaben auf ein Begräbnis schließen lassen, treten hier äußerst selten in Erscheinung; nur 23,3 % dieser Subgruppe teilen den Sterbeort mit. Alle fünf innerhalb der Totensteine versammelten Brücken-Inschriften nennen den Sterbeort (Näheres zu Brücken-Inschriften folgt an späterer Stelle im Kapitel C 4.3). Die Reiseziele waren Gotland, England, „draußen“ (úti) und die beiden Himmelsrichtungen Osten und Westen.
Reiseziele und Sterbeorte: Formale Auffälligkeiten Metrische Inschriften zeigen im Zusammentreffen mit Sterbeorten einen auffällig hohen Wert (81,1 %). Bei genauerer Aufgliederung lässt sich erkennen, dass diese Fälle insbesondere ganz exakte Ortsangaben betreffen. Ungenaue Richtungsangaben kommen hingegen verhältnismäßig selten vor. Insgesamt überwiegen hier die Angaben skandi68 Brate/Wessén: Södermanlands Runinskrifter, Bd. 3/4, 296. 69 Düwel: Handel und Verkehr der Wikingerzeit nach dem Zeugnis der Runeninschriften, 325. 70 Williams: Runstenstexternas teologi.
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navischer Ortsnennungen (22,6%) und die Steine für Ostfahrer (43,4%). Ganz ähnlich verhält es sich mit dem gleichzeitigen Vorkommen der Ritzersignatur: Diese erscheint zu 75,0%. Auch hier stechen die exakten Ortsangaben hervor (60,7%). Anders als bei den metrischen Inschriften fallen hier die skandinavischen Regionenbenennungen nicht auf, sondern nur diejenigen, die dem ausländischen Osten zuzurechnen sind (35,7%). Dieser Zusammenhang macht deutlich, dass die Nennung eines Runenritzers besonders im Vorliegen eines Todesfalles wichtig war, in welchem die zumeist sehr entfernt liegende Stätte des Sterbens geschildert wurde. Möglicherweise hatte dies (im Zuge der Regelung von Erbangelegenheiten) auch die Ursache in einer Art juristischer Beglaubigung, d.h. einer Dokumentation der Sachlage durch eine externe Person.
Reiseziele und Sterbeorte: Das Zusammentreffen der Angaben von Tod und Ort Insgesamt zeigt sich sehr auffällig, wie eng die Angabe des Sterbeorts auf Runeninschriften mit sowohl der Angabe von neutralen Reiseunternehmungen als auch kriegerischen Aktionen verknüpft ist. Das Reiseziel, sei es auch nur eine grobe Richtungsangabe wie z.B. „westwärts“, wird meist dann genannt, wenn außerdem eine ohnehin schon rühmliche Aussage getroffen wurde. Es ist anzunehmen, dass beispielsweise der Ingvar-Zug ein Unternehmen war, über das man Bescheid wusste. Dennoch steht so häufig der Zusatz einer Örtlichkeit, z.B. „im Osten“, dabei. Nur selten wird mit einer solchen Nennung tatsächlich das entsprechende Unternehmen konkretisiert, wie beispielsweise auf der Inschrift Haithabu 1 (DR 1), die erst durch die Ortsangabe (die Belagerung von Haithabu) für den Leser aufschlussreich wird. In den meisten Fällen ist die Nennung der Lokalität ein zusätzliches, informatives Detail über den jeweiligen Tod. Wie jedoch diejenigen 77 Toten-Inschriften belegen, welche diese Zusatzinformation unterlassen, ist die Angabe des Sterbeortes nicht zwingend notwendig. Dass die Angabe von Reisezielen, verglichen mit der Komplementärgruppe, dennoch in einem so auffälligen Maße geschieht, unterstreicht die Nützlichkeit der Unterscheidung dieser beiden Gruppen mit und ohne Sterbeterminologie.
2.2 Begräbnis Die Gruppe der Inschriften, die von einem Begräbnis berichten, nimmt eine Sonderrolle in dieser Untersuchung ein, da es – im Gegensatz zu allen anderen in dieser Arbeit aufgenommenen Aspekten – keine Komplementärinschriften in der Gruppe der Inschriften ohne explizite Sterbeinformationen gibt, allein dadurch, dass bereits die Definition eines Begräbnisses den Tod einer Person konnotiert. Von einem Begräbnis kann aufgrund folgender inschriftlich genannter Informationen ausgegangen werden: 1. Die Sterbetermini sprechen eine deutliche Sprache, durch Formulierungen wie: pau liggja bædi í peim haugi (DR 143: beide liegen in diesem Hügel)
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iggr merki hér yfir manni peim (G 343: das Denkmal liegt über diesem Mann) hann er grafinn á Go[tlandi]/ku[mli] (Sö 47: er ist begraben in [?]) Das Steinmonument erhält eine entsprechende Bezeichnung: lét gera hvalf penna yfir (Vg 81: ließ dieses Gewölbe/diese Gruft machen über…) lagdi hann í steinpró (Sm 101: legte ihn in den Steinsarg) Die Ortsangabe betrifft einen Friedhof oder eine Kirche: ha[nn e]r grafinn í kirkjugardi (U 170: er ist auf dem Kirchhof begraben) hann var daudr […] í Ólafs kirkju (U 687: er starb, d.h. ist begraben in Olafs Kirche)
Wie unten noch näher erläutert wird, liegt der chronologische Schwerpunkt dieser Subgruppe in der spätwikingerzeitlichen bzw. frühmittelalterlichen Zeit. Es zeigt sich innerhalb dieser Teiluntersuchung deutlich, dass sich durch die Missionierung auch die Begräbnissitte verändert hat. „Den aufrecht stehenden Runenstein mit einer Gedenkinschrift löst die liegende Grabplatte ab.“71 Eine klare Abgrenzung zwischen wikingerzeitlichen und mittelalterlichen Inschriften ist nur bedingt möglich. Daher sind in diese Arbeit nur jene Inschriften eingegangen, die immer noch deutliche Züge der klassischen Runensteinkultur tragen, entweder durch äußere Merkmale (d.h. das Aussehen entspricht tatsächlich dem eines Runensteins) oder durch inschriftliche Auffälligkeiten (d.h. rein äußerlich handelt es sich um eine Grabplatte, die sich aufgrund der Inschrift jedoch deutlich an die Runensteinkultur anlehnt). An der definitorischen Grenze sei beispielsweise die Grabplatte von Broddetorps gamla kyrkogård (Vg 81, siehe Abb. 6) aufgeführt, die rein äußerlich nichts mit dem Wesen eines Runensteins zu tun hat, jedoch den Inschriftenteil gódan dreng enthält, was einem typischen Usus der wikingerzeitlichen Inschriften folgt, oder die Inschrift Södra Unnaryds kyrka (Sm 54, siehe Abb. 7), in der sich inhaltlich nur wenige wikingerzeitliche Merkmale finden, das äußere Erscheinungsbild jedoch absolut dem eines Runensteins entspricht. Insgesamt enthält die Gruppe der 218 Sterbeinschriften 30 Stück, durch welche ein Begräbnis auf eine der oben genannten Arten ausgedrückt wird, das macht einen Anteil von 13,8 % aus. Dieser Wert wird daher als erwartete Verteilung auch der Subgruppen angenommen. Alle Kategorien, die bemerkenswert von dieser Richtlinie abweichen, werden im Folgenden angeführt.
Begräbnis oder Brücke? Zwei Alternativen Keine der fünf Brücken-Inschriften mit Sterbeterminologie ist in der Gruppe der Begräbnisnennungen enthalten. Einerseits lässt dies aufgrund der geringen Anzahl keine interpretative Aussage zu und könnte auf Zufall basieren, andererseits sollte die
71 Düwel: Runensteine, 596.
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Frage, ob aus der Sicht der Wikingergesellschaft das Faktum eines Begräbnisses den Bau einer Seelenbrücke eventuell ausgeschlossen hat (und umgekehrt), nicht ungestellt bleiben. Ein Begräbnis bedeutet das physische Vorhandensein eines toten Körpers, wohingegen der Bau einer Brücke ein psychologisches Moment anspricht und einen Leichnam nicht ausdrücklich einschließt. Klaus Düwel hat die These ausgearbeitet, dass der Brückenbau „zu Lebzeiten durchgeführt“72 wird, was durch diese Untersuchung der Begräbnisinschriften ganz klar untermauert werden kann (mehr zu Brücken-Inschriften im Kapitel C 4.3).
Begräbnis: Personenbezogene Merkmale Die Begräbnisinschriften weisen in verschiedenen Kategorien ausgeprägte Formen von Anonymität auf. So wurde das Geschlecht der Hinterbliebenen verhältnismäßig oft, aufgrund fehlender Informationen über den/die Namen, nicht bekannt gegeben und liegt mit 19,1 % über dem erwarteten Wert. Die Hinterbliebenen, die sich für einen Begräbnisstein entschieden haben, stellten sich selbst somit meist in den Schatten des Unbekannten, ebenso, was weitere Informationen über die Auftraggeber anbelangt. Beispielsweise ist der Namenszusatz des Hinterbliebenen „der Romfahrer“ auf Vg 81 eine seltene Information, denn Angaben solcher Natur stellen innerhalb der Begräbnisinschriften eine Ausnahme dar. Gleichermaßen sparsam wurden Informationen über die vergangenen Taten der toten Person oder über die familiäre Situation mitgeteilt. In einem verhältnismäßig großen Teil der Inschriften kann die Information, in welchem (außer-/familiären) Verhältnis der Steinsetzer zum Toten steht, nicht abgelesen werden. Eine Untersuchung nach Generationenrichtungen innerhalb dieser Subgruppe der Begräbnisinschriften zeigt wiederum ein deutlich hohes Vorkommen von Inschriften, anhand derer die Generationenfolge nicht abgelesen werden kann (18,3 %). Noch etwas höher allerdings liegt die Gruppe an Begräbnisinschriften für die ältere Generation (19,0 %). Inschriften für die gleiche oder die jüngere Generation liegen deutlich unterhalb des erwarteten Wertes. Die Frage, ob das erhöhte Vorkommen an Begräbnisinschriften für die ältere Generation tatsächlich auf diese Generation zurückzuführen ist, d.h. auf deren Wunsch hin vollzogen wurde, kann nicht beantwortet werden. Es ist ebenso möglich, dass der Impuls eines Begräbnisses von der jüngeren Generation kam und diese es für ihre Eltern bei deren Tod so umsetzten. Dieses Thema der Begräbnis-Sitte steht den religiösen Fragestellungen sehr nahe. Auch im Zeichen der Verschwiegenheit zeigen sich innerhalb der Begräbnis-Inschriften die verhältnismäßig sehr niedrigen Werte in Bezug auf Benennung der Ster-
72 Düwel: Wege und Brücken in Skandinavien nach dem Zeugnis wikingerzeitlicher Runeninschriften, 90.
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beorte oder der Angabe von Rängen und Tätigkeitsbezeichnungen. Beide Kriterien haben ein deutlich vermindertes Vorkommen. Aus den sieben mittelalterlich datierten Inschriften mit Sterbeterminologie entfallen fünf Stück (71,4 %) in den Bereich der Begräbnisinschriften. Als Fazit kann daher vorerst festgehalten werden, dass das fortschreitende Christentum, in welchem diese Begräbnis-Inschriften zu platzieren sind, die Tendenz zur Anonymität zum Ausdruck bringt. Während der Hauptanteil der wikingerzeitlichen Inschriften eine Information über den Verstorbenen und vor allem die Hinterbliebenen mitteilt, stehen in den Begräbnisinschriften nicht mehr die Personen im Vordergrund. Es zeichnet sich inhaltlich ein Wandel ab, der vom Individuum wegführt und die Tatsache des Todes nur noch durch das Faktum Begräbnis vermittelt. Die klare Terminologie, die das Sterben tatsächlich thematisiert, z.B. durch verda daudr oder enda, die verhältnismäßig den weitaus größten Teil der Sterbeinschriften ausmachen, tritt in der Kategorie der Begräbnisinschriften ganz deutlich in den Hintergrund. Anhand der Runeninschriften lässt sich dadurch parallel mit der Verbreitung und Annahme des Christentums der Weg zum sprachlichen Verschweigen des Themas ‚Tod und Sterben‘ nachzeichnen.
Abb. 6: Vg 81, Broddetorps gamla kyrkogård (Quelle: Riksantikvarieämbetet, Antikvarisk-Topografiska Arkivet)
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Abb. 7: Sm 54, Södra Unnaryds kyrka (Quelle: Riksantikvarieämbetet, Antikvarisk-Topografiska Arkivet)
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Begräbnis: Die Ausgestaltung der Steine Eine Sichtung der 30 Begräbnis-Inschriften nach Kreuzsymbolik zeigt ein Vorkommen innerhalb des erwarteten Spielraums. Demgegenüber steht ein vermehrtes Erscheinen von Gott-helfe-Formeln (19,6 %). Was äußere visuelle Eindrücke anbelangt, wie z.B. Abbildungen oder Ornamentik, zeigen sich die schmucklosen Inschriften mit 20,3 % an oberster Stelle, was die bereits oben genannte Sachlichkeit verstärkt. Der Schwerpunkt dieser Inschriftengruppe liegt deutlich in der Abstrahierung, die Tatsache des Todes wird kaum durch weiteres künstlerisches Beiwerk angereichert. So finden sich auch nur drei Inschriften (alle aus Södermanland) mit teilweise metrisch abgefassten Textinhalten. Ein über dem Erwartungswert liegendes Niveau zeigt sich beim Vorkommen von Ritzersignaturen (17,9 %). Hier können die Beobachtungen von Birgit Sawyer zur Frage nach „administrativen Einheiten“ zu Zeiten der Missionierung im 11. Jahrhundert herangezogen werden, die in diesem Zusammenhang auch die Gruppe der Runenmeister nennt, welche „jeder im Dienste seiner Machthaber“73 standen. Die hier gewonnenen Ergebnisse der Auswertung scheinen dies zu bestätigen. Åke Hyenstrand bringt ebenfalls den Gedanken zu Papier, dass der Runenritzer vielleicht „einer größeren, zentral gesteuerten Organisation“74 angehörte. Eventuell kann dies so gedeutet werden, dass der Beruf des Runenmeisters sich inzwischen derart etabliert hatte, dass eine Nennung des Herstellers auch eine Prestigeangelegenheit war. Des Weiteren ist nicht auszuschließen, dass durch den Funktionswandel vom Runenzum Grabstein die Setzer des Steins (bzw. Grabsteins) innerhalb der Ausbreitung des Christentums instrumentalisiert wurden und im Missionsgefüge einen festen Platz einnahmen. Innerhalb dieser Subgruppe „Begräbnis“ wird der Runenstein kaum noch als ein solcher bezeichnet. Der Weg zur Grabplatte zeichnet sich deutlich ab. In dieser Gruppe wird zweimal der Terminus hvalf erwähnt (Vg 81; auf U 170 in Verbindung mit stein), einmal merki (U 687), einmal haugi (DR 143 in Verbindung mit kumbl) und einmal steinpró, was sich aber nicht auf das Runenmonument, sondern auf das Begräbnis in England bezieht (Sm 101, zusätzlich zur Bezeichnung stein). Der verhältnismäßig höchste Wert (mit 23,8 %) bezeichnet das Monument als kumbl. Das kann als deutliches Indiz gewertet werden, in welch naher Beziehung dieser Terminus zum Thema Begräbnis bzw. Tod steht. Dass die kumbl-Bezeichnungen innerhalb der 218 Toteninschriften verhältnismäßig nahezu doppelt so häufig vorkommen wie in der Gegengruppe der Inschriften ohne Sterbeinformationen (Weiteres zu den kumbl-Untersuchungen siehe Kapitel C 5.1), unterstreicht die Funktion des kumbl als Grabstein in direktem Zusammenhang mit dem Tod einer Person.
73 Sawyer, B.: Det vikingatida runstensresandet i Skandinavien, 189. 74 Hyenstrand: „-bättre än han förtjänade“. En parentes om runstenar, 187.
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Insgesamt lässt sich über die Sterbeinschriften, welche ein Begräbnis nennen, sagen, dass sie sich sowohl textimmanent als auch vom äußeren Design her informationsarm und schmucklos zeigen. Da der Großteil dieser Inschriftengruppe chronologisch gesehen der spätesten Phase der Wikingerzeit angehört, lassen sich christliche Züge im fortgeschrittenen Stadium ablesen. Dieses Faktum wird durch häufige Verwendung von Bittformeln verdeutlicht, außerdem wird der Fokus von der zu gedenkenden Person weg und zunehmend auf euphemistische Umschreibungen von ‚Tod und Sterben‘ gerichtet.
Begräbnis: Regionale Ausbreitung In jenen Regionen, die eine statistisch auswertbare Anzahl von Inschriften mit Sterbeterminologie enthalten, stechen Småland und Västergötland deutlich heraus (Sm: 26,7 %, Vg: 26,7 %, jeweils erwarteter Wert: 13,8 %). Dänemark weist mit 20,0 % ebenfalls einen wesentlich erhöhten Anteil auf. Auffällig gering vertreten zeigen sich Södermanland mit nur vier Inschriften (8,5 %) und Uppland mit fünf Stück (7,2 %). Da diese beiden Landschaften absolut gesehen die höchsten Gesamtzahlen an Sterbeterminologie-Inschriften aufweisen, lässt dieses Faktum Rückschlüsse auf ein offenbar relativ zurückhaltendes Begräbnisverhalten (zumindest im Zusammenhang mit Runensteinen) innerhalb dieser Regionen zu.
2.3 Sterbevokabular Da die Sterbeterminologie in der untersuchten Gruppe der 218 Runensteine die Basis der vorliegenden Arbeit darstellt, enthalten natürlich ausnahmslos alle hier aufgenommenen Inschriften entsprechendes Vokabular (anders als in den anderen Kapiteln dieses Abschnittes C, wo bei jeder Kategorie auch innerhalb der 218 Sterbeinschriften eine entsprechende Gegengruppe existiert). Auf 14 dieser Inschriften wird der Tod oder das Sterben auf mehrfache Weise bzw. im Hinblick auf mehrere Personen zum Ausdruck gebracht: U 29:
U 170: U 954:
Diese Inschrift enthält vier Sterbetermini. Es werden die familiären Verhältnisse über drei Generationen geschildert, wobei der Aspekt des Erbes explizit im Vordergrund steht. Hann [Geirmundr] druknadi; en sonr [unbenannt] dó; hann [Ragnfastr] vard daudr; hon [Inga] vard daud Hier beziehen sich beide Angaben auf dieselbe Person Eyndr: hann [vard d]audr; ha[nn e]r grafinn í kirkjugardi Beide hier angewandten Formulierungen beziehen sich auf dieselbe Person Helgi, der von Sassurr erschlagen wurde, was als Verrat ausgeführt wird. Der Täter wird namentlich genannt: Sassurr drap hann ok gerdi nídingsverk, sveik félaga sinn
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U 1016: Diese Inschrift ist zum Gedenken an den Griechenlandfahrer Áki gesetzt, der schließlich daheim starb (Fred Wulf schlägt eine weitere Lesung vor, wodurch eine weitere Person, Hefnir, diejenige ist, die zuhause stirbt75): Sá hét Áki, sem’s úti fors; [Hefnir?] heima dó Ög 31: Auf dieser Inschrift kommt deutlich Trauer zum Ausdruck: ok ókætri hann vá byrd Salberger und Naumann interpretieren diesen Textteil als uk ukitRi an va bur@ [sin], womit „traurig erschlug er (seinen) Bruder“76 gemeint ist, was einen weiteren Sterbeterminus beinhalten würde: vá (vega, erschlagen). Ög 81: In dieser Inschrift sind fünf Formulierungen, die das Sterben benennen, eingebracht. Ähnlich der uppländischen Inschrift Hillersjö (U 29) wird auch hier ein Familienstammbaum geschildert, wenn auch nur über zwei Generationen. [Ôzurr] er endadist austr í Grikkjum (diese Information in derselben Formulierung wird zweimal verwendet, sowohl auf der Vorderseite des Steins als auch auf der Rückseite, auf welcher Ôzurrs Brüder aufgelistet werden); [Asmundr] fell á Fœri; [Halfdan] vard á Holmi drepinn; ok daudr Búi Ög 136: Die berühmte Rök-Inschrift lässt, im Gegensatz zu den meisten anderen, nicht nur den Schluss einer innerfamiliären Gedenkinschrift für einen Nachkommen zu, sondern stellt zudem ein auf höherer literarischer Ebene stehendes und sehr komplexes Inventar an erzählten Inhalten dar:77 eptir feigjan sunu hverr […] yrdi fjôr […] auk dó (für den totgeweihten Sohn, welcher sein Leben ließ […] und starb) DR 387: Wie in der oben genannten Inschrift U 954 wurde die Person erschlagen, der Täter wird namentlich als Verräter genannt: eptir Alfar, drepinn ósynju, ok Skógi sveik saklausan Sm 16: Die Inschrift von Nöbbele drückt den Tod durch einen Sterbeterminus und durch eine Form des Trauergedenkens aus: eptir Kala/Kalla daudan. Pví mun gó[ds manns u]m getit verda, medan steinn lifir Sö 55: Der Stein zu Bjudby ist vom Vater ?orsteinn nicht nur zum Gedenken an den toten Sohn Hefnir errichtet worden, sondern auch für den Vater selbst. Den Tod seines Sohnes drückt er als schmerzlich aus. Damit wird durch diese Inschrift sowohl Trauer als auch ein konkreter Sterbeterminus transportiert: vard pá heima at harmi daudr Sö 164: Diese Inschrift nennt zwei Beschreibungen; eine für das Sterben, die andere für den Verbleib der Leiche:
75 Wulf: Der Name des zweiten Sohnes in der Fjuckby-Inschrift, 186. 76 Salberger: Östgötska Runtexter, 5ff.; Naumann: Hann var manna mestr ónídingr: Zur Poetizität metrischer Runeninschriften, 496. 77 Vgl. Grønvik: Der Rökstein. Über die religiöse Bestimmung und das weltliche Schicksal eines Helden aus der frühen Wikingerzeit.
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stód drengila í stafn skipi, liggr vestarla of hulinn(?), sá dó Sö 174: Diese Inschrift nennt ebenfalls zwei Formulierungen für das Sterben: [Bjôrn] var drepinn á Gotlandi; lét fiôr sitt Sö 318: Hier wurde sowohl ein Sterbeterminus angewandt als auch deutliche Trauer zum Ausdruck gebracht: hann [Vreid] druknadi í Bági, harmdaud mikinn Vg 81: In dieser (mittelalterlichen) Inschrift wird der Tod durch zwei Worte formuliert; der eine Ausdruck betrifft das Sterben, der andere zeigt an, wo die Leiche liegt: lét gera hvalf penna yfir Magnús, gódan dreng […] ok dó hann Somit ergeben sich durch diese Mehrfachbenennungen im Inschriftenkorpus insgesamt 236 Belege, die den Tod eines oder mehrerer Menschen bezeichnen. Diese Belege teilen auf vielfältige und individuelle Art das Sterben mit und geben durch die jeweilige Wortwahl, mit welcher die Hinterbliebenen bzw. Inschriftenersteller dies zum Ausdruck brachten, ein differenziertes Bild darüber ab, in welcher Weise mit der Tatsache des Todes umgegangen wurde. Teilweise wurden Begriffe gewählt, die ohne weiteren Hintergrund das Sterben neutral darstellen, andere wiederum teilen präzise mit, auf welche Weise die entsprechende Person ums Leben kam. Um eine bessere Vorstellung über die Umgehensweise bzw. die Sicht der wikingerzeitlichen Gesellschaft, die sich in der Runensteinsitte präsentiert, zu erhalten, wurden diese Sterbetermini für diese Untersuchung in funktionelle Gruppen unterteilt (wie bereits in Kapitel C 1. ausgeführt), die z.B. eine Unterscheidung zwischen einem natürlichen und einem unnatürlichen Tod bzw. bewussten äußeren Einflüssen durch Personen zulassen: Gruppe 1: Der Tod wird konkret als solcher genannt, aber durch eine neutrale Formulierung ausgedrückt. Gruppe 2: Der Tod wird konkret genannt und die näheren Umstände werden durch das gewählte Vokabular beschrieben. a) Die äußeren Umstände deuten auf einen unnatürlichen Tod hin, der durch kriegerische Umstände bzw. durch bewusstes Eingreifen weiterer Personen ausgelöst wurde. b) Die äußeren Umstände deuten auf einen unnatürlichen Tod hin, lassen aber nicht primär auf bewusstes Handeln durch andere Personen schließen. Gruppe 3: Der Tod wird nicht konkret genannt, sondern indirekt mitgeteilt; die Wortwahl drückt Anonymisierung und Distanz im Umgang mit dem Thema ‚Tod und Sterben‘ aus.
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Tab. 5: Aufteilung der jeweiligen Termini Einteilung
prozentual
Anzahl
Gruppe 1: enda daudr deyja/dó t´yna láta fjor ˛ fara
57,8 %
137
Gruppe 2a: drepa/vega myrda hogg(v)a ˛ falla svík(v)a/hefna
22,5 %
Gruppe 2b: brenna drukna sjúkr
5,4
Gruppe 3: yfir grafa liggja Ausdruck von Trauer
14,3 %
9,7 % 32,6 % 11,4 % 0,8 % 0,8 % 2,5 %
23 77 27 2 2 6 53
10,2 % 0,4 % 1,7 % 6,8 % 3,4 %
24 1 4 16 8 13
0,4 % 4,2 % 0,8 %
1 10 2 33
6,6 % 1,3 % 4,7 % 1,7 %
15 3 11 4
Für die folgenden statistischen Auswertungen wurde – anders als bei den meisten Kapiteln dieser Arbeit – nicht von der Stückzahl der 218 Runeninschriften ausgegangen, sondern von der Anzahl der 236 vorkommenden Sterbetermini. Die in der Tabelle genannten Werte werden daher als erwartete Verteilungen auch der Subgruppen angenommen. Alle Kategorien, die bemerkenswert von diesen Richtlinien abweichen, werden im Folgenden angeführt.
Sterbevokabular: Die regionalen Unterschiede in der Wahl an Formulierungen In der von den Hinterbliebenen getroffenen Auswahl an Formulierungen zeigen sich deutliche Unterschiede innerhalb der verschiedenen Regionen. Die in Gruppe 1 (neutrale Formulierung) enthaltenen Sterbetermini finden vor allem in Södermanland (62,7 %, 32 Stück), Gotland (70,0 %, sieben Stück), Dänemark (57,7 %, 15 Stück) und Västmanland (100,0 %, fünf Stück) ihren Niederschlag. In Västmanland ist dies sogar die einzige vorkommende Ausdrucksform; keine der in den anderen drei Gruppen enthaltenen Formulierungen tritt hier auf.
Das Sterben
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Die zur Gruppe 2a (Benennung der Umstände) zugehörigen Begriffe, in welchen das aktive Handeln anderer Personen eine Rolle spielt, finden sich mit erhöhtem Vorkommen in Östergötland und in Uppland (Östergötland: 26,9 %, sieben Stück; Uppland 29,3 %; 22 Stück). In den dänischen Inschriften fällt diese Gruppe durch ihr stark vermindertes Auftreten gegenüber dem Erwartungswert auf (15,4 %, vier Stück). Insgesamt stellen sich die Gruppen 1 und 2a als Gegenpole dar: Dort, wo die Werte der einen Gruppe erhöht in Erscheinung treten, fallen die Werte der anderen Gruppe deutlich niedriger aus, als der Richtwert erwarten ließe. So zeigen die neutralen Sterbetermini der Gruppe 1 in Dänemark, Gotland, Södermanland und Västmanland über der erwarteten Wahrscheinlichkeit liegende Zahlen, es zeigen sich aber gleichzeitig jeweils in Gruppe 2a sehr niedrige (bzw. in Västmanland keine) Werte (Dänemark: 15,4 %, vier Stück; Gotland: 20,0 %, zwei Stück; Södermanland: 19,6 %, zehn Stück). Umgekehrt stellen sich die Inschriften aus Uppland und Östergötland dar, die in Gruppe 1 unter dem erwarteten Wert liegende Zahlen aufweisen (Uppland: 56,0 %, 42 Stück; Östergötland: 53,8 %, 14 Stück), im Gegenzug aber in Gruppe 2a erhöhtes Vorkommen aufweisen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich die Gruppen 1 und 2a einander ambivalent gegenüberstehen (in jeder der auswertbaren Regionen, Tabelle 6). Tab. 6: Regionale Unterschiede in der Wahl der Sterbetermini
Gruppe 1 Gruppe 2a
U
Ög
Sö
G
D
Vs
G F
G F
F G
F G
F G
F G
F = höheres Erscheinen als erwartet, G = niedrigeres Erscheinen als erwartet. U = Uppland, Ög = Östergötland, Sö = Södermanland, G = Gotland, D = Dänemark, Vs = Västmanland.
Es wirkt, als würden die Inschriftenersteller sich in regionaler Abhängigkeit entweder der einen oder der anderen Variante anpassen, wohingegen die Gruppen 2b oder 3 gleichzeitig auftreten können. Die Gruppe 2b (Benennung der Umstände ohne gewalttätiges Handeln anderer Personen) beinhaltet insgesamt nur 13 Belege, welche sich nach Verteilung auf die verschiedenen Regionen in solch geringen Fallzahlen niederschlagen, dass die entsprechenden Werte keine statistischen Aussagen erlauben. In Östergötland finden die Begriffe aus Gruppe 3 (konnotative Mitteilung) mit 19,2 % (fünf Stück) ihr relatives Maximum, was über dem erwarteten Wert liegt und bei insgesamt 26 östergötländischen Inschriften statistisch auch bedeutsam ist. In Småland zeigt sich ebenfalls ein erhöhter Ausschlag (26,7 %, vier Stück), obwohl dort die Gesamtzahl der untersuchten Inschriften mit 15 relativ niedrig ist und dieses hohe Vorkommen daher mit Vorsicht zu bewerten ist.
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Aufgefächert nach den einzelnen Sterbetermini zeigt sich (aufgrund der hohen Zahl sowohl an Regionen als auch Sterbetermini) eine breite Verteilung mit dadurch oft nur äußerst geringen Stückzahlen, die statistisch kaum noch aussagefähig auszuwerten sind. An dieser Stelle wird daher nur auf aussagefähige Anzahlen eingegangen. In der Region Södermanland kommt die (insgesamt 23-mal in Erscheinung tretende) Formulierung enda zehnmal vor. Das ist sowohl verhältnismäßig als auch absolut der höchste Wert im Vorkommen dieses Verbums. Ein ebensolches Extrem bildet der Terminus deyja im uppländischen Bereich, der dort 13-mal auftritt (insgesamt: 27-mal). Dieses hohe Auftreten eines Begriffs aus Gruppe 1 in der Region Uppland prägt jedoch nicht (wie oben ausgeführt) das uppländische Gesamtbild an neutralen Sterbetermini, zumal der ebenfalls neutrale Ausdruck verda daudr mit 20 Stück (von gesamt 77) deutlich unter dem Gesamterscheinungsbild dieser Formulierung liegt. In Uppland wurde die Formulierung deyja gegenüber verda daudr vorgezogen, obwohl beide neutrale Ausdrücke gleichen Sinninhalts sind. In Uppland überwiegen auch in der Einzelansicht der Sterbeformulierungen diejenigen, die gewaltsame, äußere und personenbezogene Umstände meinen. Dies geschieht vor allem durch den Begriff falla, von dem die Hälfte der 16 Belege auf uppländischen Inschriften zu finden ist. Die Wortfamilie daudr mit all ihren möglichen Formen zeigt den einzigen Terminus, der sich in allen Regionen wiederfindet. Auffällig niedrig fällt das Vorkommen dieses Vokabulars in Östergötland und Uppland (s.o.) aus. Mit 50,0 % (13 Inschriften von gesamt 26 dänischen) bilden die dänischen Inschriften das relative Maximum in dieser Formulierung.
Sterbevokabular: Der kriegerische Hintergrund Insgesamt konnten innerhalb der 236 Belege an Sterbeterminologie ca. 40 Inschriften ausgemacht werden, die neben den Begriffen, die den Tod benennen, Hinweise auf gewalttätige oder kriegerische Aktionen enthalten, was an sich jedoch noch nicht die Unterscheidung zwischen Handelstätigkeiten oder Wikingerzügen zulässt, da sich auch Kaufleute kämpferisch gegen Angriffe zu wehren hatten. Wobei die Anzahl nur einen ungefähren Wert darstellt, da beispielsweise die Inschriften von Söderby (Gs 13) und Vändle (Vs 5) nur fragmentarisch bzw. schlecht lesbar sind und nur mittels Deutung von einer Zugehörigkeit des Verstorbenen zu einer Mannschaft ausgegangen werden kann. Zählt man weiterhin die Rang- und Statusbezeichnungen, die ebenso militärischen oder kriegerischen Bezug beinhalten, wie heimpegi, pegn, skipari oder drengr, hinzu, so ergeben sich ca. 50 Inschriften. Unter Berücksichtigung der Mehrfachzählung solcher Inschriften mit mehr als einem Sterbeterminus wären es knapp 60 Belege. Nur selten werden die Umstände so explizit geäußert, wie auf den folgenden sechs Inschriften:
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DR 380, Ny Larsker 2: [Bausa] er drepinn vard í orrostu at Útlengju wurde im Kampf erschlagen DR 66, Århus 4: [Fúl] er vard […] daudr, pá konungar bôrdusk starb, als die Könige kämpften Vg 40, Råda kyrka: [Gunna] vard daudr í orrostu, er bardust kunungar starb, als die Könige kämpften DR 1, Haithabu 1: [Eirík] er vard daudr, pá drengjar sátu um Heidab´ y starb bei der Belagerung N 184, Galteland: [Bjór] vard daudr í lidi, pá’s Knútr sótti England starb im lid, als Knut England angriff Sö 126, Fagerlöt, Hamra skog: [Áskel] draug orrostu í austrvegi, ádan folksgrimmr falla ordi fiel in der Schlacht Bei der erstgenannten Inschrift wird die Art des Todes sowohl durch das Verbum (drepa) als auch durch die Nennung einer Schlacht (í orrostu) exakt genannt. Da bei den Steininschriften nicht davon auszugehen ist, dass sowohl der Platz der Inschrift als auch der damit verbundene Aufwand eine überflüssige Information erlaubt hätten, kann dieses Faktum wahrscheinlich in der gesuchten Wortwahl durch die für diesen Textteil bestehenden dichterischen Setzung erklärt werden. Die konnotative Verknüpfung des Wortes „fallen“ mit einem Tod im Krieg kommt auf der genannten södermanländischen Inschrift sehr gut zum Ausdruck. Die drei Inschriften Århus 4, Råda kyrka und Galteland (DR 66, Vg 40 und N 184) enthalten eine neutrale Sterbeformulierung.
Exkurs: Untersuchung der gesamten Gruppe 1 (neutrale Formulierung) in Bezug auf einen möglicherweise kriegerischen Kontext Mit den verschiedenen grammatikalischen Formen von verda daudr sind 18 Stück (von insgesamt 77 Stück) im wahrscheinlich kämpferischen oder kriegerischen Umfeld eingebettet. Alle drei Inschriften, die einen Tod auf Wikingfahrt nennen (í víkingu: DR 334 und Vg 61, allir víkingar: DR 216), sind hier zu finden. Die dänische Wikingfahrt führte nach Norden und die schwedische nach Westen, jeweils ohne genauere Ortsangabe. Die auf der dänischen Tirsted-Inschrift (DR 216) bezeichneten Männer, deren Reise jedoch nicht wie in den anderen beiden Inschriften als Wikingfahrt genannt wird, sondern die Wikingerbezeichnung den Personen gilt, starben in Schweden.
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Empirischer Teil: Hauptuntersuchung der 218 Sterbeinschriften
Bei zweien lässt sich ein unnatürlicher Tod ausschließlich durch Statusbezeichnungen, welche die Stellung eines Kriegers markieren, annehmen. Auf dem Stein von Haithabu 3 (DR 3) ist von Skarthi, dem heimpegi König Svens, die Rede, der einst nach Westen fuhr, nun aber den Tod bei Haithabu fand. Aus der Kenntnis anderer Inschriften, wie Haithabu 1 (DR 1), lässt sich die Begebenheit in Haithabu als Schlacht identifizieren. Die Inschrift Bjudby (Sö 55) berichtet ebenfalls von einer zurückliegenden Reise, die der drengr nach England tat, dann aber (auf ausdrücklich betrauernswerte Weise: vard pá heima at harmi daudr) zuhause starb. Es ist nicht unbedingt davon auszugehen, dass es sich auch hier um kriegerische Umstände handelt. Weiterhin sind hier fünf Inschriften enthalten, die Personen gelten, welche den Tod í lidi erlitten; eine davon bezeichnet die Zugehörigkeit zu Ingvars Mannschaft, der innerhalb dieser Gruppe an Sterbetermini viermal genannt wird, was beides ohne Zweifel eine potentielle kriegerische Aktivität beinhaltet. Dennoch stehen mindestens drei Viertel dieser Inschriften in Kontexten ohne weitere Hinweise auf kämpferische Hintergründe. Die Inschriften der deyja-Gruppe, welche kämpferische Textinhalte aufweisen, zeigen ein ganz ähnliches Bild der vorgenannten verda daudr-Inschriften. Insgesamt ist dieser Terminus 27-mal vertreten, bei neun davon kann eventuell von einem unnatürlichen Tod ausgegangen werden. Die Inschrift Vändle (Vs 5) enthält an dieser Stelle eine Unsicherheit, da der fehlende Textteil, wie oben erwähnt, nur erahnt werden kann. Eine Zugehörigkeit zu einer Mannschaft oder Fahrtengemeinschaft (lid) bzw. in diesem Fall die Anführerschaft des Toten zeigt nur die Kyrkstigen-Inschrift (U 112). Aufgrund ihrer Rangbezeichnungen lassen sich aus dieser Inschriftengruppe zwei Stück in eventuelle kriegerische Tätigkeiten einordnen: Die chronologisch sehr späte und stark mittelalterlich geprägte Inschrift Broddetorps gamla kyrkogård (Vg 81), deren einziger Anhaltspunkt, mit in diese Untersuchung aufgenommen zu werden, die wikingerzeitliche Bezeichnung des drengr ist. Die sonstigen Angaben dieser Inschrift (der Auftraggeber ist „Bendikt Romfahrer“, der Tod passierte in der Nacht vor der Messe) lassen eher weniger auf gewalttätige Umstände schließen. Die kriegerische Seite eines drengr mag bei dieser Person zu seiner wikingerzeitlichen Vergangenheit gehört haben. Die zweite Inschrift befindet sich auf dem Stein von Nälberga (Sö 170). Der genannte pegn, dem ebenfalls der Sterbeterminus deyja in die Inschrift gegeben wurde, war bei den Griechen und starb dort. Nähere Umstände erfährt der Leser nicht. Die Inschrift zu Århus 6 (DR 68) gilt Ôzurr Saxon, einem félagi und drengr. Der Beiname Ôzurrs und die Tatsache, dass er mit Arni gemeinsam ein Schiff besaß, könnten weitere Indizien für einen Tod auf nicht natürliche Weise sein. Der berühmte Ingvar-Stein in Gripsholm (Sö 179) berichtet über die gewalttätigen Aktionen in Form einer Kenning: ærni gafu, sie gaben dem Adler Speise, was – in weniger poetischer Weise gesagt – bedeutet, dass sie ihre Feinde töteten.
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Insgesamt existieren mindestens zwei Drittel der deyja-Inschriften ohne weitere Anhaltspunkte, die auf kriegerische Handlungen schließen lassen könnten. Der Begriff enda erscheint im Hinblick auf mögliche kriegerische Auseinandersetzungen fünfmal (von gesamt 23 Stück). Ein Runenstein dieser Untergruppe enthält den Begriff zweimal im Inschriftentext (Ög 81), dies mit noch weiteren Sterbetermini, die sehr konkret gewalttätige Umstände zum Ausdruck bringen. Auch bei diesem Terminus der Gruppe 1 mit neutralen Ausdrucksformen bestehen diese Zusammenhänge durch die Teilnahme am Ingvar-Zug (Sö 9: endadist med Ingvari; Ög 155: endadist í Ingvars helfningi, was eine Mitgliedschaft in der „Heeresabteilung“78 bedeutet) oder die Nennung der Rangbezeichnungen pegn (Sö 34) und drengr (Ög 81). Weiter werden keine Schlachten oder Kämpfe geschildert, auch der Begriff einer Mannschaftszugehörigkeit oder Fahrtengemeinschaft (lid) erscheint nicht im gleichzeitigen Auftreten des Sterbeterminus enda. Im Vergleich zeigen diese drei am häufigsten vorkommenden Begriffe der Gruppe 1, dass bei solchen neutralen Formulierungen das Vorliegen eines gewaltsamen Todes nur sehr bedingt vorausgesetzt werden kann (Tabelle 7). Tab. 7: Vergleich der drei Sterbetermini verda daudr, deyja, enda
verda daudr deyja enda
Anzahl der Belege
davon im kriegerischen Umfeld
77 27 23
18 9 5
Die Interpretation Arndt Ruprechts beispielsweise bezüglich der Inschrift von Sjusta (U 687), in welcher er bei dem Terminus verda daudr von Kampfhandlungen ausgeht,79 kann durch diese Untersuchung kaum untermauert werden. Gleiches gilt für die Inschrift von Ene (Sö 49), die ebenfalls die Formulierung verda daudr aufweist und in welcher Klaus Düwel „einen Hinweis auf unnatürlichen, gewaltsamen Tod“80 sieht. Innerhalb der in dieser Gruppe vorhandenen neutralen Sterbetermini finden sich die verhältnismäßig häufigsten Nennungen der Sterbeorte. Insgesamt wird in Gruppe 1 zu 69,5 % (105 von 151 Inschriften) die Lokalität des Sterbens genannt. In den Gruppen 2a und 2b liegen die Werte knapp unter der erwarteten Verteilung, in der dritten Gruppe der indirekten Nennungen nimmt diese Subgruppe nur fast ein Drittel der Erwartungszahl an (5,3 %, acht Stück). Dies bedeutet, dass die Nennung der Lokalität, in der die tödlichen Ereignisse stattfanden, bei umschreibenden Ster-
78 Düwel: Handel und Verkehr der Wikingerzeit nach dem Zeugnis der Runeninschriften, 316. 79 Ruprecht: Die ausgehende Wikingerzeit im Lichte der Runeninschriften, 151. 80 Düwel: Handel und Verkehr der Wikingerzeit nach dem Zeugnis der Runeninschriften, 326.
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betermini eher zurücktritt, bei neutraler Berichterstattung jedoch im Vordergrund steht. Hier fallen vor allem diejenigen Inschriften auf, die das Sterben mit enda formulieren; in diesem Zusammenhang wird der Ort des Geschehens am häufigsten genannt (bei 23 Belegen existieren nur zwei Stück ohne Angabe des Sterbeortes : Ög 155 und Sö 9). Zur Gruppe 2a der Sterbeterminologie (Benennung der Umstände und gewalttätiges Eingreifen durch andere Personen) bedarf es im Hinblick auf weitere textimmanente Hinweise zum Thema Krieg und Gewalt keiner Diskussion, da das entsprechende Potential bereits durch Begriffe wie ‚erschlagen‘, ‚gefallen‘ oder ‚ermordet‘ zum Ausdruck gebracht wird. Auffällig zeigt sich jedoch, dass in dieser Gruppe das Bedürfnis, den Sterbeort zu nennen, niedriger ausfällt als in der vorgenannten. Während bei denjenigen Inschriften, die eine gewalttätige Sterbeart nennen, nur zu 58,5 % der Sterbeort genannt ist, beträgt dieser Anteil in der Gruppe der neutralen Ausdrucksweisen 76,6 %. Eine mögliche Deutung wäre, dass die Nennung der kriegerischen Umstände Vorrang hatte und für die Hinterbliebenen wichtiger war als die Angabe des Sterbeortes, der vielleicht auch nicht immer bekannt war (was jedoch auf jeden Fall noch solche Formulierungen wie „im Westen“ oder „auf dem Ostweg“ zugelassen hätte). Bei denjenigen Inschriften, die keine kämpferischen Hintergründe vorzuweisen hatten, da der Tod z.B. auf einer Handelsfahrt geschah, könnte demgegenüber die Nennung der Lokalität natürlich von hoher Bedeutung gewesen sein. Eventuell tritt hier auch das Thema Nachruhm und Ehre in Erscheinung, wonach die Taten eines (bereits verstorbenen) Wikingers noch in seiner Folgegeneration für das Ansehen der Sippe wichtig sind.81 Eine große kriegerische Leistung oder die Teilnahme an einem Eroberungszug, der zu damaliger Zeit eventuell in aller Munde war, würde auf dieser Grundlage eher Eingang auf den Inschriften finden als die dazugehörige Angabe der Stätte des Geschehens, die vielleicht mit dem Ereignis ohnehin konnotiert war. Bei Personen hingegen, die aufgrund von Handelstätigkeiten, Pilgerfahrten oder Bildungsunternehmen zu weit gereisten und geachteten Menschen wurden, war eben dies die erwähnenswerte Tatsache, die an die nächste Generation weitervererbt werden konnte. Da hier jedoch die neutralen Sterbetermini gewählt wurden, die dem Leser nichts über den Charakter der zu gedenkenden Person mitteilen können (wie es beispielsweise bei einem erschlagenen Anführer der Fall wäre), wurde diese Information mittels der Angabe des Sterbeortes transportiert. Die Gruppe 2b der Sterbetermini (Benennung der Umstände, Tod ohne Fremdeinwirkung durch eine andere Person) ist innerhalb der kriegerischen Inschriften kaum vertreten. Von den 13 Inschriften enthält nur eine einen Zusatz in dieser Richtung: Auf Ny Larsker 1 (DR 379) wird berichtet, dass Hallvar.r mitsamt seiner Schiffsbesatzung
81 Vgl. Simek: Nur ein toter Wikinger ist ein guter Wikinger.
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(skipara) ertrunken ist. Ob es sich hierbei um einen Kriegszug oder eine Handelsgemeinschaft handelt, darüber wird nicht informiert.82 In Bezug auf die Inschriften, die jeweils konkret eine Art des Sterbens nennen, was hier den Gruppen 1, 2a und 2b entspricht, stellt Judith Jesch die These auf, dass dies in Zusammenhang mit der An- oder Abwesenheit der sterblichen Überreste des Toten stehen könnte. Sie führt aus, dass eine mögliche Erklärung für die zusätzliche Nennung des Ortes sein kann, dass „es keinen Körper gab, kein Begräbnis zuhause (mit möglichen erbrechtlichen Konsequenzen)“.83 Diese vom Grundsatz her plausible Interpretation würde bedeuten, dass bei den weiteren 62 Belegen, die keine Sterbeorte nennen (ohne Mehrfachnennungen: 58 Inschriften), ein Begräbnis stattfinden konnte, obgleich dies inschriftlich nicht genannt wird (denn das wären die Sterbetermini der Gruppe 3). Die Inschriften, die einen stattgefundenen Leichentransport belegen, z.B. Sm 52 (eventuell auch U 395, hier fehlt jedoch die Information über das Sterben und den Ort) sowie diejenigen Inschriften, deren Sterbeort nur wenige Kilometer vom Standort des Steins entfernt liegt (z.B. Nä 15), sprechen vorerst jedoch gegen diese These. Eine Diskussion zu diesem Thema erfolgt an späterer Stelle im Abschnitt D dieser Arbeit. Unter den Inschriften der Gruppe 3, in welchen das Sterben nicht konkret, sondern nur indirekt mitgeteilt wird, finden sich verhältnismäßig wenige, die kriegerische Hinweise tragen (vier von 31 Stück, 12,9 %). Ebenso selten werden hier Sterbeorte genannt. Die Distanz, welche die Errichter der entsprechenden Inschriften aus Gruppe 3 (konnotative Mitteilung) gegenüber dem Thema ‚Tod und Sterben‘ aufweisen, indem sie eine eher euphemistische Wortwahl treffen, zeigt sich auch in der Vermittlung von Informationen über den Toten und seiner vergangenen Handlungen.
Sterbevokabular: Chronologische Einordnung Die Datierung der Inschriften zeigt ebenfalls einen deutlichen Schwerpunkt: Über die Hälfte der mittelalterlichen Inschriften fallen in Gruppe 3, da diese Sterbetermini eben jene sind, welche sich für die nach der Wikingerepoche folgende Zeit durchsetzen und prägnant für christliche Verhaltens- und Ausdrucksformen sind. Insofern kann die schon zuvor84 genannte Feststellung zu der Gott-helfe-Formel mit der zum Abschluss gebrachten christlichen Mission in Verbindung gebracht wer-
82 Über die mögliche Zuordnung der Bezeichnung skipari zu eher kriegerischen oder händlerischen Unternehmen liegt die Untersuchung von Klaus Düwel vor (Handel und Verkehr der Wikingerzeit nach dem Zeugnis der Runeninschriften, 329ff.), in der diese Frage zwar nicht eindeutig geklärt werden konnte, jedoch die Besitz- und Eigentumsverhältnisse (im Vergleich skipari versus st´ y rimadr) gut abgegrenzt wurden. 83 Jesch: Ships and Men in the Late Viking Age, 59: „[…] there was no body, and no funeral at home (with possible implications for inheritance).“ 84 Siehe Subuntersuchung „Begräbnis – Ausgestaltung der Steine“ des Kapitels 2.2.
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den und der Kontext der entsprechenden Inschriften möglicherweise als aussagekräftiges Indiz (nicht in individueller, sondern maximal in quantitativer Hinsicht) für christliche Verhaltensweisen gesehen werden. (Im Kapitel C 4.1 erfolgt eine eingehende Untersuchung zu den Bittformeln.) Bei einer Untersuchung nach der von Anne-Sofie Gräslund vorgeschlagenen Typeinteilung85 zeigt sich bei den Sterbeinschriften eine deutliche Veränderung in der chronologischen Anwendung der verschiedenen Arten an Sterbetermini: Die in Gruppe 1 gesammelten Sterbebegriffe erscheinen am häufigsten auf den Inschriften, die dem Typ RAK und Fp (66,7 % bzw. 65,4 %) zugeordnet werden. Die Inschriften, welche das Sterben durch äußere Umstände mit aktiver Teilnahme durch andere Personen nennen (Gruppe 2a), finden ihren sehr hohen Wert in Pr1 (44,0 %). Die Gruppe 2b, die zwar äußere Umstände nennt, diese aber nicht auf das Handeln von Personen bezieht, hat ihr höchstes Vorkommen in Pr3 (27,8 %). Und wie oben bereits genannt, ist die deutlichste Ausprägung der Gruppe 3 (konnotative Mitteilung) innerhalb der mittelalterlichen Inschriften zu finden. Dieser Verlauf, der sich aus der quantitativen Auswertung der Inschriften ergibt, zeigt gut und eindeutig den Wandel der Wikingergesellschaft (respektive des Teils der Wikingergesellschaft, welcher Runensteine errichtete) von der frühen Periode (RAK) mit zuerst neutraler Nennung über die eindeutige Sterbensbeschreibung (erst Pr1, dann Pr3) bis hin zum eher anonymen Umgang mit dem Thema ‚Tod und Sterben‘ in den mittelalterlich datierten, also den spätesten Inschriften. Der Prozess, der im Laufe der Zeit durch die Verwendung verschiedener Sterbetermini geprägt wird, schildert eine Veränderung in der Haltung gegenüber dem Thema Tod, in welcher die Hinterbliebenen in den früheren Inschriften mit der Todesnennung ein Rühmen der Taten und Leistungen verknüpften und in den entsprechenden Inschriften demnach mehr Informationen über den Hintergrund mitteilten, während in den späteren Inschriften hierauf weniger Wert gelegt wird. Die indirekte Nennung des Sterbens könnte eventuell als ein Zeichen für Trauer und stilles Besinnen gewertet werden, ein Zustand, in welchem die irdischen Handlungen nicht im Vordergrund stehen.
Sterbevokabular: Steht die Wahl der Sterbeterminologie im Zusammenhang mit religiösen Aspekten? Bei der Untersuchung nach Bittformeln ergibt sich, dass die beiden Thor-weihe-Inschriften in der Gruppe 1 (neutrale Formulierung) zu finden sind. Die Inschrift von Virring (DR 110) wurde in Gedenken an Germundr „nach dem Toten“ (ept daudan) erstellt und der Stein von Sønder Kirkeby (DR 220) für Asgautr, der auf Gotland starb (vard daudr). Im erstgenannten Fall wird Thor darum gebeten, das Monument
85 Gräslund: Runstenar – om ornamentik och datering I + II.
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(kumbl), im zweiten Fall die Runen (rúnar) zu weihen. Da es sich jedoch nur um zwei Inschriften handelt, kann daraus keine statistische Bedeutung abgeleitet werden; es könnte sich durchaus um zufällige Zusammenhänge handeln. Anders hingegen sieht es bei den Gott-helfe-Formeln aus, deren fast doppelt so hohes Vorkommen, als es der Erwartungswert vermuten ließe, in Gruppe 3 (konnotative Mitteilung) liegt (12 Stück, 21,8 %). Im Gegenzug findet sich in Gruppe 1 (neutrale Formulierung) innerhalb der Bittformel-Inschriften ein um mehr als zehn Prozentpunkte niedrigeres Vorkommen als es der Erwartungswert anzeigt (24 Stück, 43,6 %). Bei solch hohen Zahlen in diesem Bereich kann bei Weitem nicht mehr von Zufall ausgegangen werden. Eine Schlussfolgerung hieraus wäre, dass durch diejenigen Inschriften, die sich in Gruppe 3 (konnotative Mitteilung) befinden, die christlichen Verhaltensweisen am besten (und wie diese Zahlen belegen: am meisten) repräsentiert werden. Die Inschriften dieser Gruppe zeichnen sich aus durch eine dem Tod gegenüber distanzierte Haltung und die hier versammelten Termini drücken das Sterben nur noch mittelbar aus. Dass hier jedoch gleichzeitig ein so deutlich erhöhtes Vorkommen an Bittgebeten auftritt, zeigt eventuell einen Zusammenhang zwischen dem Gebet an Gott, er möge der Seele und/oder dem Geist auf dem Weg helfen, der nach dem (physischen) Tod erfolgen wird, und jenen Begriffen, die keine Endgültigkeit ausdrücken. Worte wie ‚tot‘ und ‚gestorben‘ bezeugen klar das Ende des Menschenlebens. Die Termini der Gruppe 3 lassen jedoch diese Tür offen und weisen auf etwas, das danach folgen könnte, das ‚ewige Leben‘. Die später folgenden Beschreibungen wie „ruhen“ oder „weilen“ (z.B. Orja kyrka, G 21: Peir hvílask hér undir (sie ruhen hier darunter), Datierung spätes 13., frühes 14. Jh.) drücken noch deutlicher aus, dass der Tod sozusagen ein Zwischenstadium bildet. Die Termini grafa, liggja und yfir können somit als Vorstufe dieser Form gesehen werden. Es scheint, als wirkte eine konkrete Nennung des Todes für die Hinterbliebenen fast anstößig und als hätten sie deshalb eine Ausdrucksform gewählt, die Distanz vermuten lässt.86 Dieses hohe Aufkommen an Bittformeln im Zusammenhang mit Sterbetermini der Gruppe 3 spiegelt deutlich den Veränderungsprozess wider, wie er sich über die Jahrhunderte der Runensteinerstellung vollzogen hat. In der wikingerzeitlichen Einstellung (am deutlichsten durch die Thor-weihe-Inschriften gezeigt) erfolgt der Sprachgebrauch in Bezug auf das Sterben sehr direkt, während im beginnenden Mittelalter in der von christianisierten und diesbezüglich stark religiösen Verhaltensweisen geprägten Runensteinerrichtung der Tod kaum noch genannt wird. Die Inschriften mit Kreuzabbildungen sprechen keine so deutliche Sprache wie diejenigen mit Gott-helfe-Formeln. Die Ergebnisse weichen nur sehr geringfügig von den Erwartungswerten ab. Es zeigt sich, dass Kreuzsymbolik nicht im Zusammen-
86 Noch heute wird auf Grabsteinen bzw. in Todesanzeigen (wenn überhaupt) nicht die Art des Sterbens genannt, sondern zumeist eine verhüllende Ausdrucksweise wie z.B. ‚entschlafen‘, ‚verschieden‘, ‚von uns gegangen‘ gewählt.
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hang mit der auf Inschriften gewählten Ausdrucksweise für die verschiedenen Sterbearten steht, sondern sich rundweg in statistisch erwarteter Ausprägung vollzieht. Wie sich auch in anderen Untersuchungskategorien (siehe folgende Kapitel) zeigt, steht die Anbringung von Kreuzen auf Runeninschriften nicht unbedingt mit Religiosität in Verbindung, sondern kann auch als ornamentales Element gesehen werden. Eventuell ist das aber auch ein Zeichen von (nachträglicher) Konsekration oder primsigning.87
Sterbevokabular: í hvítavádum – in Taufkleidern Vier der insgesamt sechs Inschriften, die ein Sterben in Taufkleidern nennen, entfallen in die Gruppe der daudr-Inschriften (U 364: var daudr í hvítavádum, U 699: vard daudr á Danmôrku í hvítavádum, U 896: daudr [í] hvítavádum í Danmô[rku], U 1036: daudr [í] hvítavádum). Keiner dieser Inschriftentexte beinhaltet ein weiteres Indiz (sei es durch Statusbezeichnungen, vergangene Reisen oder Schilderung von Aktivitäten), durch das auf einen unnatürlichen Tod geschlossen werden könnte. Ebenso verhält es sich bei den beiden Runensteinen, die für gerade Getaufte gesetzt wurden, aber den Terminus deyja enthalten (U 243: peir dóu í hvítavádum, U 613: dó í hvítavádum). Auch hier gibt es keine weiteren Indizien für ein aktives Herbeiführen des Todes, zumal die Inschrift von Molnby (U 243) zwei Personen gilt, die den Angaben zufolge beide in Taufkleidern starben, und bei denen die Frage offen bleibt, ob beide gleichzeitig starben oder ob die Inschrift vielleicht nachträglich, nach dem Tod des Zweitgenannten erstellt wurde (Näheres zu den Inschriften für mehrere Tote an späterer Stelle in Abschnitt D 8.). Eventuell waren sich die sieben betroffenen Personen bereits ihres nahen Todes bewusst, so dass sie sich noch auf dem Sterbebett zur Taufe entschlossen. Dies scheint während des Christianisierungsprozesses eine gängige Verhaltensweise gewesen zu sein, wie bei Rimbert zu lesen ist: „[…] nur die Annahme der Taufe schoben sie hinaus, hielten sie es doch für zweckmäßig, sich erst am Ende ihres Lebens taufen zu lassen, um reingewaschen durch das Bad des Heils rein und fleckenlos die Pforten des ewigen Lebens unverzüglich zu durchschreiten.“88 In den zwei Inschriften von Amnö und Håga (U 699 und U 896) wird berichtet, dass dies in Dänemark geschah. Die sechs Inschriften, die das Sterben „in weißen Kleidern“ nennen, sind (bis auf U 896, die nicht sicher zu Pr1 gehört) in die Perioden 3–4 einzuordnen, einem relativ späten Zeitraum. Da die meisten der umschreibenden Sterbetermini dieser Phase angehören, kann eine explizite Nennung í hvítavádum eventuell im gleichen Kontext ge-
87 Primtaufe oder -segnung. Das ist ein Ausdruck, der die Aufnahme ins Katechumenat bedeutet. Ausgeführt wird diese Handlung durch Handauflegen auf den entsprechenden Gegenstand und dessen Segnung mit dem Kreuz. Vgl. Zimmermann: Primsigning. 88 Nigg: Rimberts Leben des heiligen Ansgar, 92.
Das Sterben
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sehen werden, in dem die Hinterbliebenen das Bedürfnis nach differenzierter Ausführung hatten. Möglicherweise ist im nächsten zeitlichen Schritt (hier die Gruppe 3 der indirekten Sterbetermini) in Analogie mit der indirekten Nennung des Sterbens dieses Faktum, in Taufkleidern gestorben zu sein, bei mancher dieser Inschriften als ungesagt vorauszusetzen. Carl Fredrik Hallencreutz sieht diese Inschriften in dichtem Zusammenhang mit den Bittformeln und führt aus, dass die Menschen „gut vorbereitet auf die Begegnung mit dem goldenen Kristus“89 waren. Auffällig sind die angewandten Sterbetermini (zu Gruppe 1 gehörig), die in ihrer Gesamtheit ihren zeitlichen Schwerpunkt in den frühen Perioden RAK und Fp haben. Dies lässt die mögliche Schlussfolgerung zu, dass sich bei diesen sechs Inschriften die Phrasen der Sterbetermini nicht ausschließlich auf die Begriffe verda daudr oder deyja eingrenzen lassen, sondern der Zusatz í hvítavádum ein wesentlicher Bestandteil bei der Formulierung der Sterbeart ist, wodurch die Art des Sterbens mitgeteilt wird. Ein hierfür sprechendes Indiz ist, dass dieser Ausdruck innerhalb der Runeninschriften keine Abweichung in der Formulierung findet. Eine andere Formulierung als die in diesen sechs Inschriften gewählte wäre möglich, wie sie z.B. mit der Inschrift von Källby Ås (aus den Inschriften ohne Sterbeterminologie) festgehalten wurde: Källby Ås (Vg 55) ulfR : auk : @iR : ra(k)nar : ris@u : stin : @ansi : iftiR : fara : fa@ur sin : … …ristin : man : saR : haf@i : ku@a : tru : til : kus : Ulfr ok peir Ragnarr reistu stein penna eptir Fara, fôdur sinn … [k]ristinn mann, sá hafdi góda trú til Guds. Ulfr und Ragnarr, sie errichteten diesen Stein für Fari, ihren Vater … christlichen Mann. Er hatte guten Glauben in Gott. Hier ist die Rede von einem christlichen oder christianisierten Mann. Vielleicht zeugt diese Ausdrucksform von einem länger zurückliegenden Geschehen, als es in den Inschriften, die Taufkleider nennen, der Fall ist. Eventuell ist er schon lange vor seinem Tod zum Christentum übergetreten, während die anderen Inschriften von einem Tod berichten, der sich genau während des Prozesses (d.h. innerhalb der Tage nach der Taufe, in welchen die weißen Kleider getragen wurden) ereignete. Die Inschrift Jelling 2 (DR 42) berichtet davon, dass Harald die Dänen christianisiert habe: ok dani gerdi kristna – Er machte die Dänen zu Christen. Ganz Ähnliches hat die Inschrift auf dem Frösö-Stein (JRS1928;66) über Austma.r zu berichten, der Jämtland christianisierte. Diese drei Belege zeigen, dass andere Ausdrucksformen für die Vermittlung der Information über eigenen und fremden Glaubenswechsel zum Christentum im Runi-
89 Hallencreutz: Runstenarnas teologi, 55.
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schen möglich waren. Dadurch erhalten die sechs oben genannten Inschriften eine viel deutlichere Gewichtung bezüglich der scheinbar schablonenhaften Mitteilung über den Beitritt zur christlichen Glaubensgemeinschaft und unterstreichen die These, dass es sich um eine feste Phrase in der Sterbeterminologie handeln muss.
Sterbevokabular: Zusatzinformationen über den/die Toten Es zeigt sich in den Gruppen 1 (neutrale Formulierung) und 2a (Benennung der Umstände und gewalttätiges Eingreifen durch weitere Personen) ein statistisch über der Erwartung liegendes Aufkommen an zusätzlichen Informationen der Hinterbliebenen über das Leben des Verstorbenen. Wenn jedoch aufgrund der Sterbeterminologie der Tod auf äußere, nicht personenbezogene Umstände eingeschränkt werden kann, bewegen sich die Anteile dieser zusätzlichen Textstellen im unauffälligen Rahmen. Und innerhalb der Inschriften aus Gruppe 3, in welcher der Tod nur noch auf indirekte Weise genannt wird, verhält sich der Wert auffällig niedrig. In der Gruppenabfolge wendet sich der Fokus zuerst direkt vom (vergangenen) Dasein des Toten und seinen Tätigkeiten, seinem Besitz und seiner religiösen Motivation (dies jeweils vorwiegend in Gruppe 1 der neutralen Formulierung) bis hin zur Verschwiegenheit (Gruppe 3). Ungeachtet derjenigen Informationen, die ausdrücklich über kriegerische Ambitionen berichten (siehe oben), betrifft dies vorrangig persönliche Umstände, die sich auf Familie und Besitz beziehen. So berichtet die Inschrift Sjonhems kyrka (G 136), dass der Tote eine Tochter hatte, die Heilvé hieß. Vielleicht ist dies ein Hinweis auf die folgende Erblinie. Auf diesen Aspekt deutet auch die vieldiskutierte90 Inschrift von Hillersjö (U 29) hin, welche das Leben und Sterben von drei Generationen schildert und das Stichwort „Erbe“ konkret nennt. In ähnlicher Struktur ist die Inschrift von Hansta (nun Hägerstalund, U 73) aufgebaut, in der ebenfalls von einem Erbe berichtet wird. Über reichen Besitz, der sicherlich nicht nur die Macht und das Ansehen des Verstorbenen schildern soll, sondern auch im Zusammenhang mit Gütervererbung steht, schildert z.B. die Inschrift des Unn (Lerkaka, Öl 37), der das halbe Dorf besaß. Landbesitz wird auch auf dem Stein von Nora (U 130) sowie auf Stenkumla kyrka (G 207) aufgeführt. Letztere Inschrift zeigt auch Hinweise auf Handelstätigkeiten mit Pelzen. Von Reisen, die nicht im Zusammenhang mit dem Sterbeort stehen, berichten zwei dieser Inschriften: Auf Broby (U 136) wird von Eysteinn gesagt, dass er in Jerusalem war, wahrscheinlich handelt es sich um eine Pilgerreise. Der Heimweg ist ihm jedoch nicht mehr vollständig geglückt, er starb in Griechenland. Anders sieht die
90 Vgl. Jesch: Women in the Viking Age, 53f; Andrén: Re-reading Embodied Texts; Gräslund: Runstenskvinnorna ännu en gång, 462f; Sawyer, B.: Kvinnor som brobyggare 30f; Sawyer, B.: Woman and the conversion of Scandinavia, 271f.
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Inschrift von Husby-Sjuhundra kyrka (U 539) aus. Dort ist von einer geplanten Reise nach England die Rede, die Sveinn jedoch nur teilweise umsetzen konnte, denn er starb in Jütland. Heruntergebrochen auf die einzelnen Sterbetermini lässt sich erkennen, dass das Bedürfnis, weitere Informationen über die Vergangenheit des Toten mitzuteilen, insbesondere bei den Begriffen deyja und falla hervortritt. Bei den verschiedenen Formulierungen für verda daudr, die nominal am häufigsten in dieser Gruppe auftreten, zeigt sich hingegen ein genau dem statistischen Erwartungswert entsprechendes Ergebnis. Was Ränge und Statusbezeichnungen anbelangt, zeigt die Gruppe 2a (Benennung der Umstände samt gewalttätigem Handeln weiterer Personen) ein fast doppelt so hohes Vorkommen als zu erwarten gewesen wäre (37,0 %, 20 Stück), während in diesem Zusammenhang die neutralen Sterbetermini deutlich unter dem Erwartungswert liegen (46,3 %, 25 Stück). Im Bereich der Erschlagenen, die bei Aufgliederung der einzelnen Termini in Gruppe 2a zusammen mit den Gefallenen deutlich oberhalb des Richtwertes liegen, heben sich vor allem die fünf drengr-Inschriften hervor. Dies kann ihre Ursache (zumindest bei DR 380 und DR 387) aber auch in den metrischen Bedingungen haben, da in beiden Fällen die Begriffe drengr und drepinn miteinander staben. Zwei Inschriften (von insgesamt zwölf bóndi-Inschriften) berichten davon, dass ein bóndi erschlagen wurde (Ög 93, Sm 20), ein anderer ist gefallen (U 158); ansonsten zeigt sich diese Personengruppe vorwiegend in Gruppe 1. Diese Inschriften sind bemerkenswert, da der bóndi als Hausherr, Ehemann, Landwirt gilt. Bei beiden Inschriften, die einen erschlagenen bóndi nennen, wird der Sterbeort nicht genannt. Das Geschehene könnte sich also eventuell auch zuhause zugetragen haben. Auf der dritten Inschrift, die einen gefallenen bóndi nennt, fehlt genau dieser Textteil, es könnte ursprünglich eine Lokalität angegeben gewesen sein. Insbesondere die Inschrift für den Gefallenen zeigt Parallelen zu der von Rudolf Simek festgestellten Tatsache, dass aufgrund einiger weniger Sagastellen gelegentlich eine Wikingfahrt „als legitime Teilzeitbeschäftigung eines […] Bauern aufgefasst werden konnte“91 (Näheres hierzu siehe auch Kapitel C 3.1). In diesem Zusammenhang kann beispielsweise auch die Inschrift von Harstads kyrkogård (Ög 94) genannt werden, die von einem bóndi berichtet, der in Griechenland starb (daudr). Der zweite Grund, weshalb die Gruppe 2a so deutlich in der Kategorie der Statusnennungen hervortritt, sind die unter dem Sterbeterminus falla genannten Ränge und Tätigkeitsbezeichnungen. Hier zeigt sich kein einzelner Schwerpunkt, sondern eine hohe Vielfalt der genannten Begriffe, die jeweils nur singulär in dieser Gruppe auftreten: folksgrimmr, dómari, skeidar vísi, lids forungi, bóndi.
91 Simek: Nur ein toter Wikinger ist ein guter Wikinger, 103.
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Einerseits drücken diese Zahlen aus, dass ein im Krieg Gefallener mit Rang und Namen genannt wird und dass ihm auf diese Weise Ehre und Nachruhm zuteil wird, andererseits zeigt diese Auswahl die Vielfalt der am Krieg teilnehmenden Menschen. Bei der Unterscheidung nach dem Geschlecht der Toten spielen die Frauen in der Gruppe 3 (konnotative Mitteilung) eine herausragende Rolle. Obwohl nur insgesamt sieben Sterbeinschriften für (ausschließlich) weibliche Verstorbene errichtet wurden und das daher ein sehr kleiner, d.h. aus statistischer Sicht mit Vorsicht zu behandelnder Wert ist, verteilen sich diese Inschriften doch nicht über das gesamte Repertoire, sondern finden sich in deutlich überdurchschnittlichem Maße innerhalb der liggjaund yfir-Inschriften. Bei den weiblichen Hinterbliebenen sticht vor allem die Gruppe 1 (neutrale Formulierung) hervor (71,4 %, 15 Stück). Das bedeutet, dass die Hersteller von Inschriften, die für Frauen erstellt wurden, eher verschwiegen und anonymisierend mit dem Tod umgingen (die dort genannten Hinterbliebenen sind bis auf eine unbekannte Person alle männlich!). Bei Inschriften hingegen, die von Frauen ausgehen, wird der Tod als solcher genannt, wenn auch in überwiegend neutraler und wertfreier Wortwahl. Hierbei stellt sich die Frage, ob die Inschriften gemäß den Wünschen und Vorstellungen der zu Gedenkenden erstellt wurden oder in ihrem Aufbau und den Inhalten eher den Vorstellungen der Hinterbliebenen entsprachen. Sofern Ersteres der Fall ist, würde das im Zusammenhang mit den zuvor herausgestellten religiösen Schwerpunkten der Gruppe 3 (konnotative Mitteilung) bedeuten, dass denjenigen Frauen, die dem neuen christlichen Glauben bereits sehr nahe waren, eine Inschrift gegeben wurde, die diese Einstellung widerspiegelt. Wenn Inschriften jedoch vorwiegend den Wünschen und Vorstellungen der Hinterbliebenen entsprachen, ließe es die Deutung zu, dass Frauen als Gedenkende verhältnismäßig häufiger die Tatsache des Sterbens (wertfrei und nicht beschreibend) zum Ausdruck gebracht haben, vielleicht also offener mit diesem letzten Abschnitt des menschlichen Daseins umgegangen sind. Es wird – gerade im Hinblick auf die in der Runensteinsitte doch recht niedrigen Zahlen92 des weiblichen Geschlechts – sicherlich nicht ausschließlich von der einen oder der anderen Möglichkeit ausgegangen werden können; wahrscheinlicher ist eine Mischform beider Deutungen.
92 Sawyer, B.: Women and the conversion of Scandinavia, 271: Frauen werden insgesamt zu über 33 % auf Runeninschriften genannt. Dies zumeist als Errichterinnen: 27,5 %, davon zusammen mit Männern: 14,8 %, als alleinige Errichterinnen: 12,7 %. Diese Prozentzahlen beziehen sich jeweils auf die von ihr untersuchte Gesamtanzahl von 1621 Inschriften. In dieser Arbeit wird auf die Frauenanteile innerhalb der Runensteinsitte insbesondere im Kapitel C 4.1 (über die Bittformeln) eingegangen, eine Übersicht befindet sich im Kapitel D 6. „Frauen als stumme Zeugen der Wikingergesellschaft“.
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Sterbevokabular: Das Gedenken an die ältere Generation Werden die Gruppen der Sterbetermini nach Generationen aufgegliedert, so stellt sich ein imposantes Bild dar: Die Inschriften, welche für gleiche und jüngere Generationen errichtet wurden, zeigen ein untereinander sehr ähnliches verhältnismäßiges Aufkommen in der Wahl der Sterbetermini. Diejenigen Runensteine jedoch, welche für die ältere Generation errichtet wurden, zeigen sich in jeder Hinsicht konträr dazu. Für die gleiche und jüngere Generation der Steinerrichter wurde ein um sieben Prozentpunkte über dem Erwartungswert liegendes Repertoire an Sterbetermini aus Gruppe 1 angewandt (für die gleiche Generation: 65,9 %, 29 Stück; für die jüngere Generation: 65,5 %, 38 Stück). Umgekehrt fallen die Gruppen 2a und 3 niedriger als der Erwartungswert aus. Im Klartext bedeutet das, dass die Geschwister und/oder Eltern der Toten das Sterben ihrer Angehörigen zwar nannten, jedoch maximal durch den Kontext der Inschrift weiter erläuterten. Innerhalb jener Inschriften, die der älteren Generation gelten, zeigen sich die Werte der Gruppe 1 (neutrale Formulierung) mehr als nur verhalten: sie liegen mit 48,9 % (23 Stück) deutlich unter dem erwarteten Wert. Im Gegenzug zeigt sich, dass eine Wortwahl, die gleichzeitig die Sterbeumstände wiedergibt, häufiger vorkommt (zwölf Stück, 25,5 %). Ebenso sind die Sterbetermini der Gruppe 3 (konnotative Mitteilung) hier stark vertreten und ergeben einen über der statistischen Erwartung liegenden Wert (acht Stück, 17,0 %). Die Personen der älteren Generation in Gruppe 3 (konnotative Mitteilung) bilden sechs Väter und zwei Mütter. An keiner Stelle wird von weiteren Begebenheiten oder Lokalitäten berichtet (außer auf Sm 101, in welcher der Terminus „begraben“ mit „in England in Bath“ genauer lokalisiert wird). Dass vorwiegend die Eltern anstelle von Geschwistern oder Kindern diese Gruppe verhältnismäßig hoch vertreten, dürfte vielleicht auch ein Indiz für die Annahme des Christentums sein. Jüngere Leute waren der neuen Glaubensrichtung eventuell nicht so rasch zugeneigt wie die älteren. In Analogie mit der oben genannten Argumentation zum Thema Frauen kann es aber durchaus auch die Einstellung der Hinterbliebenen widerspiegeln. In diesem Fall wären es dann die jüngeren Hinterbliebenen, die vorrangig dem mittelalterlichen Inschriftentypus folgten.
Sterbevokabular: Äußere Merkmale der Inschriften Bei der Eigenbezeichnung des Inschriftenmaterials tritt das kumbl in Gruppe 3 (konnotative Mitteilung) erhöht hervor. Von insgesamt 22 kumbl-Nennungen entfallen fünf Stück auf diese Gruppe (22,7 %). Dies unterstreicht die Definition des kumbl als nicht nur singuläres Monument, sondern sein Auftreten in Gemeinsamkeit mit z.B. einem Grabhügel (der auch in z.B. DR 143 genannt wird) und damit in einem größeren Rahmen, der nicht ausschließlich darauf abzielt, eine reine Gedenkinschrift zu ver-
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körpern als vielmehr Bestandteil eines Begräbnisses oder einer Gedenkstätte zu sein.93 Das Vorkommen von metrischen Textteilen zeigt sich weitgehend erwartungsgemäß, außer dem überhöhten Vorkommen in Gruppe 2a (Benennung der Umstände). Bei einer Interpretation dieser Tatsache ist Vorsicht angebracht, da der Inschriftenersteller aufgrund von dichterischen Merkmalen teilweise eventuell auf eine bestimmte Wort- oder Satzstellung angewiesen war und eine freie Auswahl an Sterbetermini nicht ausschließlich den Möglichkeiten entsprochen haben dürfte. Dennoch zeigt sich beispielsweise in der Gruppe 1 (neutrale Formulierung), die nominal ein hohes Versvorkommen beinhaltet, dass selbst eine möglicherweise erzwungene Wortwahl der erwarteten Verteilung entsprechen kann. Dieses erhöhte Aufkommen lässt sich dadurch erklären, dass die Anwendung von metrischer und strophischer Form oft mit dem Hintergrund des Lobpreises und der Huldigung von großen Taten einhergeht. Sterbetermini, die eine mutige Teilnahme im Kampf (mit der Folge des Erschlagenwerdens) oder einen kriegerischen Einsatz im Ausland (mit dem Resultat, auf dem Kriegsfeld zu fallen) erwähnen, gehören eindeutig in das Repertoire von feierlichem, in rhythmische Form gebrachtem Totengedenken.
3 Die Toten und die Hinterbliebenen 3.1 Sozialer Status Es kann davon ausgegangen werden, dass Runeninschriften auf Steinen vorwiegend innerhalb der höher stehenden Gesellschaft erstellt wurden und nur Angehörige der Oberschicht94 sich dies auch leisten konnten.95
93 Vgl. Stoklund: Runesten, kronologi og samfundsrekonstruktion, 287. 94 Düwel: Handel und Verkehr der Wikingerzeit nach dem Zeugnis der Runeninschriften, 330. 95 Vgl. Düwel: Zur Auswertung der Brakteateninschriften, 45: „Runen als kennzeichnendes Merkmal von Oberschicht-Vertretern“. Auch François-Xavier Dillmann hat in seiner Arbeit „Les runes dans la litterature Islandaise ançienne“ (1976, Dissertation, unveröffentlicht) die sozialen Situationen runenkundiger Personen untersucht. Zusammenfassend schreibt er: „Könige, Fürstinnen, germanische Helden, Skalden und Angehörige der Geistlichkeit […] dominieren bei weitem nicht nur an Zahl, sondern auch an Bedeutung, die ihnen in den Runenhandlungen eingeräumt werden. Es folgen darauf die Vertreter der Kriegerfunktion: Wikinger und andere Kämpfer“ (zitiert aus Düwel: Zur Auswertung der Brakteateninschriften, 46). Birgit Sawyer weist auf dieses Faktum ebenfalls hin: „Vi får också hålla i minnet att runstensmaterialet endast avspeglar ansvars-, arvs- och egendomsförhållanden inom de högre skikten“ (Runmaterialet som källa till kvinnohistoriska studier i nordisk medeltid, 108).
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Daher muss im Auge behalten werden, dass es sich bei den Informationen, die wir heute aus den Inschriften erhalten, nur um einen – nicht unbedingt für die Gesamtheit repräsentativen – Ausschnitt der wikingerzeitlichen Gesellschaft handelt. Um einen Einblick in die Zugehörigkeit zur sozialen Eingliederung der auf Runeninschriften genannten Toten zu erhalten, wurden die Inhalte dieser Gruppe der Toten-Inschriften auf Rang- bzw. Standesbezeichnungen hin untersucht. Die Bezeichnungen „Rang“, „Titel“ oder „Standesbezeichnung“ sind keineswegs für alle hier untersuchten Begriffe gleichermaßen anzuwenden. Beispielsweise wird durch die Benennung bóndi kein Titel transportiert, wie er möglicherweise in der Bezeichnung pegn zu finden ist. Ebenfalls beinhaltet jeder einzelne dieser Begriffe eine eigene Gewichtung im rechtlichen und ethischen Sinn. Um dennoch alle Bezeichnungen innerhalb einer Kategorie untersuchen zu können, wurde für dieses Kapitel auf die weniger eng definierte Formulierung „sozialer Status“ zurückgegriffen. Bereits Aksel E. Christensen96 hat versucht, diese Bezeichnungen als „soziale Gruppierung“ oder „soziale Kategorien“97 zusammenzufassen. In diesem Sinne können sowohl rein deskriptive Begriffe für Tätigkeitsbezeichnungen (oder in heutigem Sprachgebrauch: Berufsbezeichnungen) als auch Ränge, welche klare hierarchische Einstufungen bedeuten (und welche eventuell auch unabhängig von der tatsächlich ausgeführten Tätigkeit weiter bestanden), als Einheit gesehen werden. Die Gemeinsamkeit all dieser Begriffe findet sich darin, dass sie Zusatzinformationen auf Runeninschriften bilden, durch welche eine Bedeutung über die verschiedenstufige Eingliederung in der wikingerzeitlichen Gesellschaft zum Ausdruck gebracht wird. Diese sehr unterschiedlichen Bezeichnungen werden als zusätzliche Attribute zu den üblichen Inschriftenformeln hinzugefügt und können somit als ein Bestandteil des Namens (des Toten und ggf. auch des Hinterbliebenen) gesehen werden, wodurch eventuell auch die eigene Identifikation des Steinsetzers mit dem zurückliegenden Geschehen aufgrund des damit verknüpften Ansehens erwirkt wird. Es muss eine wesentliche Verbindung zwischen dieser Zusatzinformation der sozialen Position und den Hinterbliebenen bestanden haben, die diese Information zu erwähnen als wertvoll erachteten. Der soziale Status wird in Form von Tätigkeits- oder Rangbezeichnungen in den Runeninschriften oft genannt: Innerhalb der Gruppe der 218 Sterbeinschriften wer-
96 Christensen: Vikingetidens Danmark, 214f. 97 Er unterteilt dort sechs verschiedene Kategorien: 1. Herrscher- und Häuptlingsbezeichnungen (kunungr, drottin, drotning, pegn, landmadr). 2. Religiöse Bezeichnungen (pulr, godi). 3. Kriegerbezeichnungen (pegn, drengr, heimpegi, húskarl, félagi, sveinn, víkingr). 4. Seefahrer (styrimadr, skipari, lagsmadr, félagi, bropir). 5. Händler und Handwerker (gildi, smipr). 6. Andere soziale Kategorien (landmadr, bomadr, bóndi, landhirpir, bryti).
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den 52 solcher Bezeichnungen, die explizit den Status des Verstorbenen oder des Hinterbliebenen ausdrücken, auf insgesamt 45 Steinen aufgeführt (für Verstorbene: 42 Nennungen, für Hinterbliebene: zehn Nennungen). Dies geschieht durch folgende Bezeichnungen (die Zahlen in den Klammern zeigen die Häufigkeit): bóndi (12), drengr (11), félagi (4), pegn (4), heimpegi (3), lids forungi (2), skipari (2), styrimadr (2), sveinn (2), dómari (1), folksgrimmr (1), godi (1), karl (1), konungr (1), landmadr (1), lækir (1), prestr (1), skeidar vísi (1), smidr (1).98 Die insgesamt 45 Inschriften, die solche Angaben über den sozialen Status beinhalten, machen einen Anteil von 20,6 % des Gesamtkorpus von 218 aus. Dieser Wert wird daher als erwartete Verteilung auch der Subgruppen angenommen. Alle Kategorien, die bemerkenswert von dieser Richtlinie abweichen, werden im Folgenden angeführt.
Sozialer Status: Metrische Inhalte der Inschriften Von den Inschriften mit metrischen Textteilen fallen 21 Stück in die Gruppe, die gleichzeitig auch über den sozialen Status informieren. Das sind fast doppelt so viele wie statistisch erwartet (39,6 %). Bis auf die Bezeichnungen heimpegi, smidr, konungr, lækir und prestr sind alle Bezeichnungen hier vertreten. Besonders daran ist, dass viele der Tätigkeitsbenennungen, die insgesamt in dieser Gruppe der Sterbeinschriften je nur singulär erscheinen (karl, dómari, skeidar vísi, landmadr), in der Subgruppe der vershaften Inschriften erscheinen. Von den in höherer Anzahl vorkommenden Bezeichnungen wie drengr, félagi, bóndi und pegn hingegen sind es nur Teilmengen. Damit zeigt sich, dass insbesondere die selten vorkommenden Rang- und Statusangaben eine offenbar wesentlich höhere Verknüpfung mit einer kunstfertigen und aufwändigeren Ausgestaltung der Toten-Inschriften aufweisen.
Sozialer Status: Die Hinterbliebenen Die Inschriften, welche innerhalb der Totensteine eine soziale Einordnung mittels Rängen oder Tätigkeitsnennungen zulassen, zeigen einen erhöhten Anteil Nennungen von weiblichen Hinterbliebenen. Dies sowohl als alleinige Auftraggeberinnen (38,9 %, sieben Stück) als auch in Gemeinschaft mit männlichen Hinterbliebenen (37,0 %, zehn Stück). Dies ist jeweils mehr als ein doppelt so hoher Anteil, wie er sich
98 félagi: DR1, DR 66, DR 68, U 954; drengr: DR 1, DR 68, DR 380, DR 387, Ög 81, Ög 104, Sö 55, Vg 61, Vg 81, Vg 181, Vg 184; st´ y rimadr: DR 1, U 1016; heimpegi: DR 1, DR 3, DR 154; smidr: DR 108; pegn: DR 143, Sö 34, Sö 170, Sö 348; konungr: DR 3; skipari: Sö 335, DR 379; lækir: G 138; karl: Ög 81; bóndi: Ög 93, Ög 94, Öl 36, Öl 37, Sm 20, U 136, U 158, U 214, U 527, U 687, U 699, Vg 178; sveinn: U 225/226, Sm 16; folksgrimmr: Sö 126; dómari: Sö 130; skeidar vísi: Sö 171; lids forungi: Sö 338, U 112; landmadr: Sö 338; prestr: Vg 91; godi: DR 190. Erläuterungen zu den häufigsten dieser Begriffe finden sich im Anhang 1 dieser Arbeit.
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aus der Gesamtsicht aller skandinavischen Inschriften ablesen lässt, was durch Birgit Sawyer ermittelt wurde.99 Hier wird die besondere Rolle der Frau deutlich, die sie – anders als beim Großteil der Inschriften – im Umgang mit dem Sterben spielt. Es kann gemutmaßt werden, dass Frauen den Tod der Angehörigen im Gegensatz zu männlichen Steinerstellern konkret zum Ausdruck bringen konnten oder wollten. Zudem stellt diese deutliche Diskrepanz ein Indiz für die Wichtigkeit dar, die beiden Inschriftengruppen mit und ohne Sterbeterminologie zu unterscheiden. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass Frauen, die mit Männern mit hohem Status verheiratet waren, selbst einen höheren Stand in der Gesellschaft innehatten. So waren sie möglicherweise angesehener und besaßen dadurch mehr Möglichkeiten, selbst Runensteine zu errichten; sie waren eventuell einflussreicher und finanziell besser gestellt. Innerhalb dieser Subgruppe „Sozialer Status“ befinden sich zehn Rang- oder Tätigkeitsbezeichnungen, die sich nicht auf den Toten, sondern auf einen Hinterbliebenen beziehen. Dies ist ein heimpegi (DR 1), ein konungr (DR 3), ein smidr (DR 108), ein lækir (G 138), ein karl (Ög 81), ein sveinn (Sm 16), ein st´ y rimadr (U 1016), ein prestr (Vg 91), ein lids forungi (U 112) und ein godi (DR 190). Diese doch recht hohe Anzahl zeigt, dass auf den Inschriften für Tote nicht ausschließlich der Status der zu gedenkenden Person eine Rolle spielt. Mit Angabe dieser Bezeichnungen, die sich auf Hinterbliebene beziehen, wird einerseits das soziale Umfeld zur Kenntnis gebracht, in dem sich der Verstorbene zu seinen Lebzeiten befand, gleichzeitig drückt diese Information aber auch das eigene Ansehen des Steinerstellers bzw. Auftraggebers aus. Werden alle in dieser Gruppe befindlichen Bezeichnungen, die einen sozialen Status mitteilen, aufgegliedert, hebt sich der Begriff des bóndi hervor. Zehn der zwölf bóndi-Inschriften wurden unter Mitwirkung von Frauen erstellt.100 Dass der Tote als drengr benannt wird, tritt in Verbindung mit weiblichen Steinsetzerinnen dieser Gruppe nur zweimal auf (Vg 61 und Vg 184). Daraus lässt sich möglicherweise ein eher männliches Zusammengehörigkeitsgefühl ableiten, in welcher Frauen eine untergeordnete bzw. keine Funktion ausgeübt haben, sie daher auch in der Anwendung dieser Bezeichnung sparsamer umgegangen sind. Die Welt des drengr war geprägt durch Handel oder Krieg (dies auch außerhalb der Landesgrenzen), also durch Tätigkeiten, die eine Männerdomäne markierten, während die des bóndi auf Landbesitz abzielte, dessen Arbeitsgebiet sich vorwiegend über Haus und Hof erstreckte,101 das wesentlich unmittelbarer mit dem Umfeld der wikingerzeitlichen Frau zu tun hatte. Eine Untersuchung nach dem Kriterium, welche Generationen solche Angaben zum sozialen Status innerhalb der Sterbeinschriften mitteilten, zeigt, dass Runen-
99 Sawyer, B.: Runmaterialet som källa till kvinnohistoriska studier i nordisk medeltid, 101: Weibliche Steinerrichter alleine: 12,5 %, zusammen mit Männern: 15 %. 100 Mit Sm 20 und U 527 liegen fragmentarische bzw. nicht eindeutig zuordenbare Inschriften vor, die eine exakte Eingliederung der/des Hinterbliebenen nicht zulassen. 101 Düwel: Runische Zeugnisse zu „Bauer“, 189.
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steine, die für Tote der älteren Generationen erstellt wurden, Titel- und Tätigkeitsbezeichnungen innerhalb des statistisch erwarteten Spielraums aufweisen. Von den Sterbeinschriften hingegen, die für die jüngere Generation gesetzt wurden, enthalten nur fünf Stück eine Angabe, drei davon sind drengr-Inschriften (DR 380, Vg 181, Vg 61) und auf den Toten bezogen, die beiden anderen bezeichnen den Hinterbliebenen als st´ y rimadr (U 1016) und als godi (DR 190). Dieser auffällig niedrigen Zahl (9,3 %) steht eine über dem statistischen Erwartungswert liegende Anzahl von Sterbeinschriften gegenüber, die der gleichen Generation gelten und Statusbezeichnungen enthalten (26,2 %); dieser hohe Wert wird vorwiegend durch die häufig belegten Bezeichnungen bóndi (Ög 83, U 136, U 214, U 699) und drengr (DR 387, Ög 104, Vg 184) erreicht. Die hier aufgeführten Ränge bzw. sozialen Positionen oder Tätigkeitsbezeichnungen werden nur bei männlichen Toten angegeben; keine der Sterbeinschriften, die weiblichen Personen gelten, enthält eine diesbezügliche Angabe. Ebenso ist im Korpus der Inschriften ohne Sterbevokabular keine solche Terminologie im Zusammenhang mit Frauen zu finden. Aus der Sicht der Runeninschriften gibt es keinen Hinweis auf eine originär weibliche Rangordnung.
Sozialer Status: Die Sterbeterminologie und die Sterbeorte Ein Zusammenhang zwischen den Bezeichnungen sozialer Positionen und der Sterbeterminologie besteht vorwiegend in jener Gruppe, welche den Tod durch äußere, gewaltsame Umstände schildert (Gruppe 2a: 32,7 %, 16 Stück). Ebenso fällt das Ergebnis der Gruppe 2b hoch aus, ist aber wegen der geringen Anzahl von nur vier Inschriften statistisch nicht relevant. Die Gruppe der neutralen Begriffe (Gruppe 1) liegt hingegen deutlich unterhalb des erwarteten Wertes (16,9 %, 22 Stück). Gleiches gilt für die Gruppe 3 der anonymisierten Sterbeterminologie, ist hier jedoch mit nur drei Stück ebenfalls nicht statistisch bedeutsam. Ein Blick in die einzelnen Formulierungen der neutralen Gruppe 1 zeigt ein durchwegs recht niedriges Erscheinen von enda, deyja, verda daudr. Die Korrelation mit der Gruppe 2a ist, wie oben genannt, sehr hoch. Neun dieser Personen wurden erschlagen (ein heimpegi, ein pegn, ein félagi, zwei bóndi, und auffälligerweise: alle vier der in dieser Gruppe vorkommenden drengr-Inschriften beinhalten den Sterbeterminus drepa), fünf Personen sind gefallen (folksgrimmr, dómari, skeidar vísi, landmadr, bóndi), einmal wurde Rache verübt (bóndi). Werden die Todesarten dieser Gruppe 2a aufgefächert, so zeigt sich, dass die in der Gruppe der Toteninschriften nur singulär vorkommenden Bezeichnungen (wie z.B. folksgrimmr, dómari, skeidar vísi, landmadr) im Zusammenhang mit der Sterbeterminologie „gefallen“ auftreten, während die häufiger vorkommenden Bezeichnungen (wie z.B. heimpegi, bóndi, drengr, pegn oder félagi) den Terminus „erschlagen“ erhalten. Die Tätigkeit des bóndi zeigt ihre Vielfältigkeit, indem diese Personen sowohl zu den Erschlagenen als auch zu den Gefallenen oder Gerächten gehören.
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Sozialer Status: Hinweise auf religiöses Verhalten Darstellungen von Kreuzen entsprechen mit 19,8 % (23 Stück) fast exakt dem erwarteten Rahmen und nur sechs der 45 Rang-Inschriften enthalten zugleich Gott-helfe-Formeln (11,8 %). Damit zeigen sich die verschiedenen Funktionen in der Anwendung von Kreuzen und den gebetähnlichen Formulierungen. Letztere sind innerhalb der Inschriften, die den Rang angeben, deutlich unterrepräsentiert, womit eine Gegensätzlichkeit zwischen religiösem Ausdruck und der Nennung von Statussymbolen klar wird. Dies kann möglicherweise interpretiert werden als bewusste Differenzierung zwischen dem irdischen Vergangenen und dem Weiterleben der Seele nach dem Tod, der es an zurückliegenden großen ehrenvollen Taten nicht mehr bedarf. Es zeigt sich hier eine Hinwendung zu immateriellen Werten, die dem grundsätzlichen Verlauf an vermindertem Informationsfluss auf Runeninschriften zum Ende der Wikingerzeit und Beginn der mittelalterlichen Inschriften entspricht.
Sozialer Status: Die regionalen Schwerpunkte Untergliedert man die Statusnennungen nach lokalem Vorkommen, so zeigen sich Gebiete, in welchen der erwartete Wert deutlich über- bzw. unterschritten wird. Dänemark: Die dänischen Inschriften bilden innerhalb der Sterbeinschriften, die zugleich den Rang einer Person mit angeben, ein deutliches Gewicht: dort werden auf 44,0 % der Inschriften Ränge genannt (elf Inschriften mit insgesamt 16 solcher Bezeichnungen). Das ist (sogar ungeachtet der auf einzelnen Inschriften befindlichen mehrfachen Angaben über soziale Positionen) doppelt so viel wie statistisch zu erwarten gewesen wäre. Da diese elf Inschriften (bis auf DR 387 und DR 379) der sehr frühen Periode RAK angehören, kann dieses hohe Vorkommen auch ein Indiz für den religiösen Veränderungsprozess sein, was mit der These im Hinblick auf christliches Verhalten übereinstimmen würde.102 Alle drei heimpegi-Nennungen fallen in diesen Bereich, des Weiteren ein st´ yrimadr, ein smidr, ein pegn, ein konungr. Deutlich wird hierdurch die besondere Rolle, welche die dänische Gruppe der Toteninschriften im Vergleich zu den anderen spielt: der Schwerpunkt der dänischen Statusbezeichnungen liegt auf der dienstlichen Bedeutungsebene (in Dänemark gibt es innerhalb der Sterbeinschriften keinen bóndi103). Wie
102 Eine Untersuchung der Rang- und Statusangaben nach Einordnung in die Stilgruppierungen nach Anne-Sofie Gräslund zeigt (ungeachtet regionaler Verteilungen) ebenfalls ein leicht erhöhtes Aufkommen in der Periode RAK (24,6 %, erwarteter Wert: 20,6 %); absolut gesehen enthält diese Phase den höchsten Anteil an Äußerungen über den sozialen Status. 103 Innerhalb der dänischen bóndi-Gruppe (die ausschließlich zu der Gruppe von Inschriften ohne Sterbeterminologie zählt) finden sich acht bóndi-Bezeichnungen, bei welchen drei Stück eine weitere
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der Skarthi-Stein (DR 3) deutlich macht (vom König Sven für seinen heimpegi Skarthi errichtet), ist das Ansehen dieses Dienstverhältnisses als sehr hoch anzusiedeln. Ebenso ist dem st´ y rimadr nicht nur eine zentrale Position als Befehlshaber eines 104 Schiffes, sondern auch als Eigentümer desselben zuzuordnen. Dies im Gegensatz zum skipari, von dem es in einer Schiffsbesatzung mehrere gegeben haben kann und die auch nicht im eigenen, sondern im Auftrag eines anderen Menschen das Schiff steuern, der Status also geringer anzusiedeln ist. Diese Begriffe auf den dänischen Sterbeinschriften vermitteln folglich bedeutende singuläre Funktionen der angesprochenen Personen innerhalb einer Unternehmung. Diese Tatsache erhebt die dänischen Inschriften dieser Untersuchung auf eine sehr funktionsbetonte Ebene, welche die Wichtigkeit der betreffenden Person klar zum Ausdruck bringt und ein ausgeprägtes Bewusstsein über ihre Rolle in der Gesellschaft unterstreicht. Västergötland: Die Toteninschriften der Region Västergötland enthalten ebenfalls verhältnismäßig viele Statusbezeichnungen auf den Toteninschriften (40,0 %, sechs Stück). Västergötland scheint ein Ballungszentrum von „sehr guten drengir“ gewesen zu sein (Vg 181, Vg 184, Vg 61: drengr + harda góda; Vg 81: drengr + góda). Des Weiteren wird ein Priester genannt (Vg 91, allerdings als Hinterbliebener) und ein weiterer bóndi (Vg 178). Anders als bei den dänischen Inschriften dieser Subgruppe zeigt sich ein sehr viel niedrigeres und homogeneres Dienstniveau auf den västergötländischen Toteninschriften. Uppland und Södermanland: Die Zahlen der Region Södermanland zeigen sich innerhalb des erwarteten Vorkommens, demgegenüber steht Uppland (14,5 %, zehn Stück) deutlich unterhalb des Richtwertes. Im Verhältnis zur Gesamtzahl der in diesen Regionen vorkommenden Sterbeterminologie-Inschriften verhalten sich die Steinerrichter dieser beiden Regionen in der Anwendung von Rangbezeichnungen unterschiedlich. Nicht ganz unähnlich zu den dänischen Inschriften treten in Södermanland die höher gestellten (und singulär erscheinenden) Funktionen der betreffenden Personen hervor. Mit drei Häuptlingen bzw. Anführern (Sö 126: folksgrimmr, Sö 338: lids forungi, Sö 171: skeidar vísi) und einem dómari (Sö 130) zeichnen sich auch hier die Verstorbenen durch hohes Ansehen und wichtige Positionen aus. Weitere auffällige Bezeichnungen sind die des pegn (Sö 34 und Sö 348) und des skipari (Sö 335). Von den insgesamt elf drengr-Inschriften innerhalb der Inschriften mit Sterbeterminologie findet sich in Södermanland nur eine (Sö 55).
Klassifizierung erhalten: DR 99: mjôk gódan pegn, DR 277: pegna fyrstr, DR 291: beztr búmanna. Der dänische Fokus liegt demnach nicht nur innerhalb der Toteninschriften bei einer deutlichen Mitteilung der hierarchischen Stellung der zu gedenkenden Person. 104 Düwel: Handel und Verkehr der Wikingerzeit nach dem Zeugnis der Runeninschriften, 330.
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Auffällig an den zehn der in dieser zu untersuchenden Gruppe vertretenen uppländischen Inschriften ist das sechsmalige Erscheinen der Bezeichnung bóndi, was sich im Vergleich zu den anderen Bezeichnungen nicht als ranghoher Titel darstellt, sondern als Bezeichnung der Tätigkeit bzw. des Familienstandes. (Näheres zu bóndi im Kontext der Inschriften weiter unten in diesem Kapitel.) Das ist ein herausstechendes Verhältnis, insbesondere vor dem Hintergrund, dass in der Nachbarregion Södermanland überhaupt keine bóndi-Benennungen auf Toteninschriften existieren.
Sozialer Status: Vergleich der Sterbeinschriften mit dem Gesamtkorpus Birgit Sawyer konnte in ihrer Arbeit105 209 Titelbezeichnungen auf 193 Inschriften feststellen. Bei dem von ihr gewählten Gesamtkorpus (2307 Inschriften) macht das 8,4 % aus. Da die Bezeichnungen félagi und bóndi als solche keine Rangangaben darstellen, hat sie diese Begriffe nicht einberechnet. Werden diese beiden Benennungen analog dazu aus den für dieses Kapitel gezählten Inschriften ebenfalls herausgerechnet, ergeben sich statt der oben genannten 45 Inschriften (mit gesamt 52 Bezeichnungen) noch 31 Inschriften (mit gesamt 36 Bezeichnungen), was bei der Gesamtzahl der 218 Sterbeinschriften einen Anteil von 14,2 % ergibt. Wird die Gruppe der von Birgit Sawyer aufgeführten Belege entsprechend um diejenigen Inschriften mit Sterbeterminologie reduziert,106 kann eine Gegenüberstellung erfolgen und es zeigt sich ein relevant hohes Auftreten von Rang- und Statusangaben innerhalb der Gruppe mit Sterbeterminologie (Tabelle 8). Tab. 8: Gegenüberstellung der Inschriften mit Statusbezeichnung Gruppe Mit Sterbeterminologie Ohne Sterbeterminologie Gesamt
Anzahl der Inschriften 218 2089 2307
davon: Inschriften mit Statusbezeichnung
Prozentualer Anteil
31 162 193
14,2 % 7,8 % 8,4 %
In der Gruppe der Inschriften mit Sterbeterminologie wurden demnach verhältnismäßig fast doppelt so häufig Ränge und Titel genannt wie in der Referenzgruppe ohne Sterbeterminologie. Obgleich es sich bei den meisten der genannten Bezeichnungen um äußerst niedrige Anzahlen handelt, kann dennoch festgestellt werden, dass alle
105 Sawyer, B.: The Viking-age rune-stones, 100 und 176f. 106 193 Inschriften abzüglich der 31 Sterbeinschriften = 162 Stück. Bei der ebenfalls um die Sterbeinschriften-Anzahl reduzierten Gesamtzahl von dann 2089 macht das einen Anteil von 7,8 % aus.
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Statusangaben innerhalb der Inschriftengruppe, die den Tod explizit erwähnt, fast ausnahmslos107 mit deutlich höherem Verhältniswert auftreten als in der Vergleichsgruppe. Sonderfälle bilden hier die bóndi-Inschriften und diejenigen, die eine pegnBezeichnung beinhalten. Doch ganz unabhängig von Details der einzelnen Tätigkeits- und Rangbezeichnungen zeigt sich also, dass in der Gesamtheit die Mitteilung dieser Art von Informationen innerhalb der Inschriften mit Sterbeterminologie nahezug doppelt so hoch ist wie in der Gegengruppe ohne Sterbeterminologie. Das ist ein weiteres wichtiges Argument für die Bedeutung der Unterscheidung zwischen Totensteinen und solchen, die den Tod nicht nennen und daher wahrscheinlich für noch Lebende gesetzt wurden. Die Bezeichnung drengr tritt innerhalb der Inschriften mit Sterbeterminologie mit elf Belegen in Erscheinung (5,0 %), bei der Referenzgruppe (ohne Sterbeterminologie) mit 62 Stück (2,9 %), was das bei den anderen Statusbenennungen gewonnene Ergebnis unterstreicht. Auch die Bezeichnung des félagi (die bei Birgit Sawyer keinen Eingang gefunden hat und daher hier separat ausgewertet wurde) steht in Parallelität zu dieser Tendenz (félagi: mit Sterbeterminologie: vier Belege = 1,8 %, ohne Sterbeterminologie: 16 Belege = 0,8 %). Eine Abweichung von dieser Linie zeigt die Benennung des pegn, der in beiden Vergleichsgruppen in nahezu gleichem Verhältnis auftritt (pegn: mit Sterbeterminologie: vier Belege = 1,8 %, ohne Sterbeterminologie: 41 Belege = 1,9 %). Aufgrund der geringen Anzahl von vier Stück kann hier nicht auf statistische Besonderheiten verwiesen werden, eine zufallsbedingte Verteilung ist möglich. Dennoch ist festzuhalten, dass dies die einzige Rangbezeichnung ist, die markant von dem sich aus den anderen Bezeichnungen ergebenden Bild abweicht. Eine weitere Besonderheit bildet der bóndi, der keine Rangbezeichnung im vorgenannten Sinne darstellt, jedoch durchaus als Statusmerkmal aufgefasst werden kann. Da der Terminus bóndi nicht nur auf die Tätigkeiten abzielt, sondern, wie bei Klaus Düwel108 genannt, auch die Position des Ehemannes bezeichnen kann, spielt diese Gruppe innerhalb dieses Kapitels eine gesonderte Rolle. Die Bezeichnung bóndi ist auf zwölf Belegen innerhalb der 218 hier untersuchten Inschriften zu finden (5,5 %). In der Komplementärgruppe befinden sich weitere 201 Stück,109 das sind 9,6 %. Dies bedeutet, dass sich diese Inschriften konträr zu den vorgenannten Statusbezeichnungen verhalten, nämlich ganz im Gegenteil innerhalb der Gruppe mit Sterbeterminologie verhältnismäßig nur halb so oft vertreten sind. Einerseits zeigt diese Dis-
107 Dies betrifft: st´ y rimadr, heimpegi, smidr, drengr, konungr, skipari, lækir, karl, sveinn, folksgrimmr, dómari, skeidar vísi, lids forungi, landmadr, prestr. 108 Düwel: Runische Zeugnisse zu „Bauer“, 186f. 109 Sawyer, B.: The Viking-age rune-stones, 108: sie führt den Nachweis über insgesamt 213 bóndiInschriften.
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krepanz, dass der bóndi – wie vorgenannt – sich nicht wie alle anderen Bezeichnungen als Titel oder Rangangabe führen lässt, andererseits belegt dieses Ergebnis auch, dass die Unterscheidung zwischen Inschriften mit und ohne Sterbevokabular auch im Hinblick auf diese Statusangaben zielführend ist, da ansonsten das Vorkommen im gegenseitigen Vergleich beider Gruppen hätte unauffällig sein müssen. Zusammengefasst kann festgestellt werden, dass Rangbezeichnungen im Zusammenhang mit dem Tod eindeutig häufiger genannt werden als ohne diese Sterbeangabe, weiterhin, dass der pegn wahrscheinlich eine Sonderrolle innerhalb der Rangbezeichnungen eingenommen hat und zuletzt, dass die Angabe der Bezeichnung bóndi innerhalb der Sterbeinschriften nicht in gleichem Maße relevant war wie bei den Inschriften ohne Ausdrücke, die das Sterben belegen.
Versuch einer Gegenüberstellung von drengr und pegn innerhalb der Gruppe der Sterbeinschriften In den 218 Sterbeinschriften existieren elf Belege für drengr und vier für pegn. Aufgrund der geringen Anzahlen kann an dieser Stelle keine statistische Auswertung erfolgen, dennoch soll auf einige hervortretende Besonderheiten eingegangen werden. Regionale Auffälligkeiten dieser beiden Vorkommen zeigen sich bei den dänischen und västergötländischen Inschriften in Bezug auf die Bezeichnung drengr (je viermal vorkommend) und den södermanländischen, was die pegn-Nennungen anbelangt (drei der vier entsprechenden Inschriften gibt es hier, die vierte befindet sich auf dänischem Boden). Keine dieser Rangangaben gibt es innerhalb der uppländischen Sterbeinschriften. Bei der Wahl der Sterbeterminologie zeigen sich die pegn-Inschriften relativ verteilt (deyja, enda, drepa, liggja). Die drengr-Inschriften zeugen von vier Erschlagenen, die restlichen sieben drengr-Belege gehören der neutralen Gruppe 1 an. Das Alter der Verstorbenen drengr und pegn ist mittelbar über die Generationenfolge abzulesen.110 Keine der drengr-Inschriften wurde für die ältere Generation gesetzt, sie stehen alle für die gleiche oder jüngere Generation. Bei den pegn-Inschriften dieser Gruppe sieht es etwas anders aus: zwei wurden für die ältere Generation errichtet (Stiefvater: DR 143, Vater: Sö 170), eine Inschrift für die gleiche Generation (Sö 34). Zwei der drengr-Inschriften stehen aus dem Kontext heraus im direkten Zusammenhang mit kriegerischen Umständen: Die Inschrift Haithabu 1 (DR 1) berichtet über die Belagerung Haithabus, auf Ny Larsker 2 (DR 380) findet die Schlacht (orrostu) bei Utlænge Erwähnung. Eine weitere drengr-Inschrift könnte ebenfalls dieser Richtung angehören: Der auf dem Härlingstorp-Stein (Vg 61) genannte Tod geschah auf Wiking, was anhand der Tirsted-Inschrift (DR 216: dort drückt die Formulierung „mit allen Wi-
110 Vgl. hierzu auch: Ruprecht, Die ausgehende Wikingerzeit im Lichte der Runeninschriften, 41ff, auch Statistiken I und II dort im Anhang.
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kingern“ in Verbindung mit den Informationen „er war der Schrecken aller Männer“, „war der Erste in Friggis lid“ ein sehr gewaltbereites Potential aus) auf kriegerische Ambitionen schließen lässt (die Inschrift Västra Strö (DR 334) enthält ebenfalls die Formulierung „auf Wiking“, gibt aber ebenfalls keine weiteren Informationen über die Ausgestaltung einer solchen Fahrt). Dass Ôzurr Saxa (DR 68) ein Schiff gemeinsam mit Arna besaß, besagt nichts über das Ziel, mit dem die Ausfahrt stattfand, nur der Beiname Ôzurrs (Saxon = Schwertkämpfer111) könnte einen Hinweis auf seine kriegerische Vergangenheit sein. Die Inschrift Väster Marie 5 (DR 387) berichtet über einen Tod, der durch hinterhältiges Erschlagen stattfand. Ob dies jedoch innerhalb einer Auseinandersetzung zwischen zwei Personen oder in einem größeren Ereignis, einer Schlacht, geschah, wird verschwiegen. Die Inschrift Gripsholm (Sö 179) beinhaltet die Bezeichnung in adverbialer Form: drængila; sie gehört zur Gruppe der Ingvar-Steine und nennt ausdrücklich eine kriegerische Haltung, indem in der Form einer aus eddischen und skaldischen Versen bekannten Kenning mitgeteilt wird, dass sie „den Adlern Speise gaben“ (erni gáfu = sie töteten Feinde). Die pegn-Inschriften hingegen geben keine Andeutungen, die auf gewalttätige oder kriegerische Hintergründe schließen lassen. In den Inschriften mit beiden Rangbezeichnungen drengr und pegn finden sich nahezu ausnahmslos bei allen diesen Begriffen adjektivische Attribute. Die pegnar werden als „gut“ (gódan: DR 143, gódir: Sö 34) oder „tapfer“ (próttar: Sö 170) bezeichnet.112 Attributionen finden sich innerhalb der Gruppe mit Sterbetermini bei den drengr-Inschriften fast durchgängig. Bis auf die östergötländische Inschrift von Högby (Ög 81) enthalten alle eine weitere, mittels gódr oder harda gódr getroffene Erweiterung. Nur die Inschrift zu Bjudby (Sö 55) verzichtet auf diese Adjektive und setzt dem drengr ein ungr voran. Insgesamt können im gesamten Inschriftenkorpus 48 pegn-Nennungen ausgemacht werden (davon: 18 in Dänemark, 17 in Västergötland, neun in Södermanland, zwei in Småland, eine in Östergötland, eine in Norwegen).113 Nur vier dieser 48 Stück entfallen auf die Gruppe der Sterbeinschriften, was nahezu dem prozentualen Vorkommen innerhalb der Inschriften ohne Sterbeterminologie entspricht. Nur zwei der insgesamt 48 pegn-Inschriften nennen weitere personenbezogene Informationen (Sö 367: besaß das Gut Sle.abru; Sm 37: hatte einen guten Glauben zu Gott). Eine mögliche Deutung könnte sein, dass einem pegn keine weitere rühmende Beschreibung mehr hinzugefügt werden musste. Die Stellung oder das Verhalten des Mannes bedurfte kaum einer weiteren Qualifikation. Allein solche Attribute wie gódr, mjôk oder harda góda verliehen der Bezeichnung an sich ein weiteres Ansehen.
111 Übersetzung gemäß Samnordisk Runtextdatabas: „[…] in memory of Ôzurr Saxon / Sword(-wieler) […]“. 112 Bei der fragmentarischen Inschrift Sö 348 ist anzunehmen, dass dieser Textteil fehlt. 113 In Uppland gibt es diesen Begriff als Rangbezeichnung nicht, jedoch tritt in zwölf Inschriften pegn als Personenname auf.
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Die auf den entsprechenden Inschriften genannten Reise- und Sterbeorte lassen keine ausdrücklichen Abgrenzungen der Bezeichnungen drengr und pegn zwischen Krieg und/oder Handelstätigkeiten zu. Zwei der vier pegn-Inschriften machen diesbezügliche Angaben, beide Sterbeorte sind östlichen Himmelsrichtungen zuzuordnen.114 Die acht Angaben über Lokalitäten sind demgegenüber bei den drengr-Inschriften vielfältiger, sie finden sich sowohl im Osten115 als auch im Westen116 und nicht zuletzt auch im Heimatland.117 Im Zusammenhang mit den bei pegn durchweg fehlenden Beschreibungen des Umfeldes (kriegerischer oder friedlicher Natur) lässt sich daraus schlussfolgern, dass in beiden Fällen, d.h. sowohl beim drengr als auch beim pegn, zwar eine rühmliche Attribution Anklang fand, jedoch beim drengr noch weitere Beschreibungen vonnöten waren. Dies kann ein Zeichen für die Unterschiedlichkeit der beiden Bezeichnungen sein, also dass der pegn im Gegensatz zum drengr nicht im Zusammenhang mit gewalttätigen Aktionen auftrat. Es kann aber auch bedeuten, dass der Rang des pegn weit höher als der des drengr anzusiedeln ist und deshalb eine weitere rühmliche Beschreibung vergangener Taten nicht als wichtig angesehen wurde, da diese durch die Bezeichnung bereits konnotiert sind. Die Stellung des pegn dürfte demnach auf der Hierarchieleiter relativ weit oben anzusiedeln sein, eine zusätzliche Umschreibung, die das Leben und Wirken des Toten in ein noch positiveres Licht rücken würde, wurde unterlassen. Es kann davon ausgegangen werden, dass einem Verstorbenen keine größere Ehre zuteil werden kann, als es durch die Nennung pegn mit der Erweiterung „gut“ geschieht.
3.2 Generationen Für die nachfolgende Untersuchung wurden im Hinblick auf die Unterscheidung nach Generationen vier Kategorien geschaffen: Runensteinsetzungen für die gleiche Generation, für die jüngere Generation, für die ältere Generation und für Sonstige (d.h. solche Personen, die anhand der Inschriften genealogisch nicht weiter eingeordnet werden können, beispielsweise „Verwandter“ auf Vg 178 oder eine komplette Unterlassung dieser Information auf z.B. Sm 27). Innerhalb der „gleichen Generation“ sind im familiären Bereich Ehepartner und Geschwister aus jeweils gleicher Generation der Hinterbliebenen in die Zählung aufgenommen worden. Die „jüngere Generation“ meint entsprechend die Kindergeneration aus der Sicht der Eltern, also Söhne und Töchter. Das Gegenstück der „jüngeren“ ist die „ältere“ Generation: hier wurden entsprechend Väter und Mütter gezählt.
114 115 116 117
Sö 170: in Griechenland, Sö 34: im Osten. Ög 81: im Osten, in Griechenland; Vg 181: in Estland; Vg 184: im Osten, DR 380: bei Utlænge. Ög 104: in England, Sö 55: war in England, ist aber zuhause gestorben; Vg 61: im Westen. DR 1: in Haithabu; Sö 55 (siehe vorgenannt) zuhause gestorben.
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Empirischer Teil: Hauptuntersuchung der 218 Sterbeinschriften
Für die Variable „Generationen“ wurden die Ausgangsdaten um die Mehrfachnennungen erweitert. Es gibt innerhalb der 218 Runensteine mit Sterbeinformationen einen Anteil von Inschriften, der für mehr als eine Generationenfolge steht (z.B. Sö 318: diese Inschrift wurde für den Vater und die Schwester errichtet, also für zwei Generationenrichtungen). Somit beträgt die Anzahl der für den Aspekt „Generationen“ untersuchten Inschriften zwar 218, daraus lassen sich jedoch 239 Generationenfolgen ableiten. Insgesamt existieren in dieser Gruppe nämlich 20 Inschriften, die mehr als nur eine Generationenfolge nennen (auf Sö 338 werden sogar drei Möglichkeiten genannt: die Inschrift wurde für Vater, Bruder und Ehemann gesetzt. Gezählt wird jeweils aus der Sicht der Hinterbliebenen, die nicht zwangsläufig mehrere Tote meinen, sondern meist auf ein und dieselbe tote Person gerichtet sind). Die insgesamt 239 Generationenfolgen auf 218 Inschriften verteilen sich wie in Tabelle 9 dargestellt. Tab. 9: Verteilung der Generationenfolgen Generation
ältere
jüngere
gleiche
sonstige
Anzahl in Prozent
56 23,4
61 25,5
61 25,5
61 25,5
Diese Werte werden daher als erwartete Verteilung auch der Subgruppen angenommen. Alle Kategorien, die bemerkenswert von diesen Richtlinien abweichen, werden im Folgenden angeführt. Wichtig ist, zu beachten, dass hier keine Aussage über das Alter der Personen getroffen werden kann. Demografische Informationen können durch diese Untergruppierungen nicht ermittelt werden. Wenn beispielsweise eine Inschrift von einem Vater für seinen Sohn gesetzt wurde (die in diesem Fall zur Kategorie „für die jüngere Generation“ zählt), kann ein diesem Sohn gleichaltriger Fahrtengenosse durchaus auch einen Stein wiederum in seiner Rolle als Vater erhalten (der dann, trotz ähnlichen Alters, in die Kategorie „für die ältere Generation“ gezählt werden würde).
Generationen: Wer bereiste welche Himmelsrichtung? Die Angaben der Sterbeorte zeigen sich innerhalb der Inschriftengruppe für die jüngere und für die gleiche Generation höher als für die ältere oder nicht genannte Generation. Die hier hervortretende Personengruppe besteht aus Geschwistern, Ehepartnern (für gleiche Generation) und Kindern (für jüngere Generation). Innerhalb der Inschriften für die gleiche Generation befinden sich sieben Ehemänner, ein Schwager, zwei Schwestern und 35 Brüder. Werden alle hier vorkommenden Sterbeorte lokalisiert, so überwiegen die Ostfahrer bei den Inschriften für die gleiche Generation (30,0 %, 21 Stück), die Westfahrer
Die Toten und die Hinterbliebenen
87
bei den Inschriften für die jüngere Generation (31,1 %, neun Stück). Auch bei der Zählung der Todesorte innerhalb Skandinaviens fallen diese beiden Generationenrichtungen besonders ins Gewicht (für die gleiche Generation: 32,3 %, zehn Stück; für die jüngere Generation: 35,5 %, elf Stück). Demgegenüber stehen die Inschriften für die ältere Generation, die ihre einzige Auffälligkeit darin haben, dass die innerskandinavischen Sterbeorte äußerst gering (9,7 %, nur drei Stück) in Erscheinung treten. Was sowohl die Kindergeneration als auch die toten Geschwister anbelangt, kann der hohe Wert ein Indiz dafür sein, dass der Runenstein neben der Funktion als Gedenkstein auch die Information eines in der Wikingergesellschaft besonderen Entwicklungsschrittes belegen sollte; nämlich den Schritt in das Erwachsenenleben. Gert Kreutzer führt aus, dass in den isländischen Sagas „häufig die erste Auslandsfahrt, der erste Totschlag […] den Eintritt in die Welt der Erwachsenen markierten“.118 Diese Aussage steht in direkter Analogie zu den hier errechneten Ergebnissen. Dass die in dieser Untersuchung gemeinten Personen ihren vorgesehenen Entwicklungsschritt mit dem eigenen Tod bezahlten, dürfte die Hinterbliebenen noch stärker zur Veröffentlichung dieser Tatsache veranlasst haben.
Generationen: Merkmale, die auf Religiosität hinweisen Von den Inschriften, die auf ein Begräbnis schließen lassen, sind 30,3 % (zehn Stück) für die ältere Generation errichtet worden. Ein ähnlicher Wert ergibt sich für diejenigen Toten, die sich anhand der Inschriften nicht genealogisch zuordnen lassen. Die Inschriften für die gleiche und die jüngere Generation fallen innerhalb der Begräbnisinschriften auffallend niedrig aus (beide 18,2 %, je sechs Stück). Ebenso zeigt sich auch ein erhöhter Wert für die ältere Generation bei den Inschriften, die Bittformeln enthalten (28,6 %, 16 Stück). Und bei einer Untersuchung nach Kreuzsymbolik ergibt sich eine analoge Tendenz: 28,9 % (37 Stück) der Kreuzdarstellungen wurden für die ältere Generation angebracht. Innerhalb der eventuell religiösen Hinweise zeigt sich eine ganz klare Dominanz derjenigen Inschriften für Verstorbene, die der Elterngeneration (aus der Sicht des Steinerrichters) angehören.
Generationen: Inhaltliche Auffälligkeiten der Inschriften Eine Subuntersuchung im Hinblick auf metrische Inschriftenteile ergibt, dass diese vorwiegend für die ältere Generation erstellt wurden. Während für die gleiche und für die jüngere Generation die Ergebnisse nahezu den statistischen Erwartungswerten
118 Kreutzer: Kinder, 532.
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Empirischer Teil: Hauptuntersuchung der 218 Sterbeinschriften
entsprechen, zeigt sich bei den Inschriften für die ältere Generation ein um fast zehn Prozentpunkte erhöhter Wert (32,3 %, 19 Stück). Die Angabe von Rängen oder dem sozialen Status der verstorbenen Person ist bei der Inschriftengruppe für die ältere Generation ebenfalls recht hoch (28,6 %, 16 Stück), wird jedoch von den Inschriften für die gleiche Generation deutlich überholt (37,5 %, 21 Stück). Die Inschriften für die jüngere Generation hingegen zeigen sich hier sehr niedrig (14,3 %, acht Stück). Werden die einzelnen Generationenfolgen weiter beleuchtet und die Rangnennungen für Hinterbliebene subtrahiert, so bleibt der pegn als meistgenannte Bezeichnung innerhalb der Inschriften für die ältere Generation und der bóndi innerhalb derer für die gleiche Generation. Bei den Inschriften für die jüngere Generation (die hier wie genannt im Verhältnis äußerst wenige Benennungen aufweisen) steht der drengr an meistgenannter Stelle. Auffällig ist auch, dass die meisten der Rangund Tätigkeitsbezeichnungen, die den Errichter selbst betreffen, auf jenen Inschriften zu finden sind, die der älteren Generation gelten. Demnach muss es insbesondere der Kindergeneration wichtig gewesen sein, ihre eigene Position auf solchen Gedenkinschriften zu nennen. Werden diese Inschriften nicht nur nach den verschiedenen Generationenrichtungen gefiltert, sondern auch nach dem weiteren Kriterium, ob und wie viel Informationsgehalt über die verstorbene/n Person/en an den Leser transportiert wird, so zeigt sich, dass dies bei Runensteinen für die gleiche und die jüngere Generation in statistisch erwartetem Maße der Fall ist, während bei Inschriften für die ältere Generation ein weit höherer Anteil an Zusatzinformationen vorliegt (27,6 %, 27 Stück). Diese Zusatzinformationen, die über das gewöhnliche Inschriftenschema hinausgehen, lassen sich in drei Bereiche aufteilen: Zum einen werden die guten Eigenschaften hervorgehoben bzw. ein herausragendes Können (z.B. Sö 130: „[…] war gut mit Worten […]“, Sö 164: „[…] stand mutig am Schiffssteven […]“, U 654: „[…] konnte den Knorr ˛ gut steuern […]“). Solche Informationen gibt es in dieser Untergruppe für die ältere Generation elfmal. Zum anderen tritt am häufigsten eine genaue Beschreibung der Todesumstände auf (24-mal, z.B. G 138: „[…] Leute aus Lübeck erschlugen ihn […]“, DR 379: „[…] er ertrank mit allen Seemännern […]“, Sö 338: „[…] fiel in der Schlacht im Osten […]“). Weiterhin finden sich auf 16 dieser Inschriften eindeutige Hinweise auf kriegerische Handlungen (z.B. Sö 126 und 338: „[…] orrostu […]“, Sö 254: „[…] in Ingvars lid […]“). Es zeigt sich demnach, dass die Geschwister (oder Fahrtgenossen) und Eltern solche Informationen über den Toten nicht primär in den Vordergrund stellten, während die Kindergeneration dies im Gedenken an ihre Eltern in erhöhtem Maße tat. Aus diesem Ergebnis ist abzulesen, welche Wichtigkeit die vorwiegend kriegerischen Taten für die Familie und die nachfolgende Generation hatten. Hatte sich der Vater an einem Krieg beteiligt, wurde dieser Ruhm offenbar an die Folgegeneration weitergegeben, sozusagen vererbt, und die Nachkommen konnten sich durch diese
Die Toten und die Hinterbliebenen
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vorangegangenen kriegerischen Handlungen positionieren. Aus dieser Perspektive erschien es aus der Sicht der Hinterbliebenen sinnvoll und wichtig, die Todesumstände, welche Mut und Tapferkeit zum Ausdruck bringen, auf der Inschrift anzubringen. Anders ist es kaum erklärbar, weshalb diese Informationen gerade bei Inschriften für die ältere Generation hervorstechen. Bezüglich der Benennung des Inschriftenobjektes lässt sich feststellen, dass die Bezeichnung „Stein“ überdurchschnittlich häufig bei Inschriften für die jüngere Generation vorkommt (31,2 %, 48 Stück), während die Benennung als kumbl zu 34,6 % (neun Stück) der älteren Generation gilt. Bei der Nennung von Ritzersignaturen tritt hingegen die jüngere Generation hervor. 32,3 % (zehn Stück) der Inschriften, die Ritzersignaturen enthalten, sind der Kindergeneration gewidmet.
Generationen: Die bevorzugte Sterbeterminologie Bei den Inschriften für die jüngere Generation häuft sich deutlich die Umschreibung verda daudr. Gleichzeitig fällt bei dieser Generation aber auch das relative Maximum im Gebrauch an Vokabular der Gruppe 2a (Todesursache durch äußere Umstände unter Mitwirkung weiterer Personen) auf. Der Terminus „erschlagen“ (drepa) tritt hier sehr gehäuft auf. Es zeigt sich demnach, dass die Elterngeneration in Gedenken an ihre Kinder entweder auf neutralem Wege den Tod schilderte oder ihn in genauen Zusammenhang mit der Unschuldigkeit ihrer Söhne brachte (wurde erschlagen). Die Gruppe 2a tritt weiterhin bei den Inschriften für die ältere Generation auf, dies zwar nur um knapp drei Prozentpunkte über dem erwarteten Wert, jedoch bei weiterer Auffächerung nach einzelnen Sterbetermini in äußerst auffälliger Anzahl bei der Todesursache „gefallen“ (falla). Fast die Hälfte aller Gefallenen betrifft die ältere Generation. Da dieser Terminus eine Mitwirkung im Kriegsgeschehen impliziert, wirkt es, als sei es der Kindergeneration besonders wichtig gewesen, diese Tatsache über ihre toten Väter auf Runensteinen mitzuteilen, wie bereits oben aus den Erkenntnissen zum zusätzlichen Informationsgehalt über die Toten hervorgegangen ist. Aus der Gruppe 3 (konnotative Mitteilung) lassen sich zwei Schwerpunkte ablesen: Während die Formulierung „xy liegt hier“ (liggja) zu 54,5 % der Generation „Sonstige“ zuzuordnen ist (also genealogischen Verbindungen, die in den Inschriften nicht ausgeführt werden), wurde die Wortwahl „der Stein steht über“ (yfir) zu 42,9 % für die ältere Generation angewandt. Dies zeigt erstens, dass diese doch sehr anonymisierte Methode, die Todesumstände zum Ausdruck zu bringen, eher von solchen Leuten gewählt wurde, die sich selbst nicht ins Verhältnis zur toten Person gebracht haben bzw. von der Kindergeneration für ihre Eltern. Da diese Gruppe 3 sehr stark im Zusammenhang mit dem fortschreitenden Prozess der Christianisierung steht, wirft dieses Verhalten ein Licht auf die Hinterbliebenen bzw. steht in Analogie zu ihrem Verhalten.
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Empirischer Teil: Hauptuntersuchung der 218 Sterbeinschriften
Generationen: Die Frauen und die Toten Weibliche Hinterbliebene fallen auf als Mütter und Ehefrauen, nicht aber als Töchter. Als alleinige Steinerrichterinnen setzten sie die Steine für ihre Söhne (jüngere Generation: 47,4 %, neun Stück) und in rechnerisch geringerem Maße für ihre Ehemänner. Sofern sie auf den Inschriften in ihrer Rolle als Ehefrau in Erscheinung treten, tun sie dies fast ausschließlich im Zusammenwirken mit weiteren Personen, zumeist den Kindern (34,2 %, 13 Stück). Hier stellt sich die Frage, weshalb sie nicht auch bei Inschriften für die Kinder dies in Gemeinsamkeit mit weiteren Angehörigen taten bzw. umgekehrt, weshalb sie nicht auch vermehrt alleine für ihre Ehemänner Inschriften erstellten. Dies kann ein Indiz dafür sein, dass, sofern sie als alleinige Auftraggeberinnen auftraten, es keine weiteren Hinterbliebenen mehr gab, da sonst diese Aufgabe weiteren (männlichen) Familienmitgliedern zugekommen wäre.
3.3 Metrische Inschriften Das Vorkommen von Dichtung in der wikingerzeitlichen Schriftkultur untergliedert sich in die Formen der skaldischen und der eddischen Dichtung.119 Während sich nach Hans-Peter Naumann120 die erstgenannten beiden Gruppen auf ca. 20000 bzw. 7000 Langzeilen erstrecken, kann im Korpus der Runeninschriften nur eine vergleichsweise geringe Anzahl von ca. 500 Langzeilen festgestellt werden.121 Die in Runeninschriften enthaltenen metrischen Strophen sind zumeist nur Teile der gesamten Inschrift. In den seltensten Fällen ist die gesamte Inschrift strophisch abgefasst (wie es z. B. auf den Steinen von Fyrby (Sö 56) oder Nöbbele (Sm 16) der Fall ist). Am häufigsten122 tritt das in eine ansonsten ungebundene Form eingebettete Kurzverspaar in Runeninschriften auf, z. B. auf der Inschrift von Vists kyrka (Vg 187). In dieser Arbeit werden diejenigen Inschriften herangezogen, die über die Alliteration hinaus weitere Merkmale beinhalten und den Willen des Runenritzers zur Schaffung zumindest eines einfachen Verspaares erkennen lassen, denn wie HansPeter Naumann schreibt: „Die Kriterien, durch welche metrische Inschriften von ungebundenen unterschieden werden können, bereiten Schwierigkeiten, die zurückzuführen sind auf den Umstand, dass […] stabende Prosa sich nur graduell von gebundener Rede abhebt bzw. die eine Ausdrucksweise in die andere übergehen kann.“123
119 Vgl. Schier: Edda, Ältere, 370. 120 Naumann: Hann var manna mestr ónídingr: Zur Poetizität metrischer Runeninschriften, 491. 121 Naumann: Runendichtung, 512. 122 Naumann: Runeninschriften als Quelle der Versgeschichte, 697. 123 Ebd., 695.
Die Toten und die Hinterbliebenen
Abb. 8: U 225, Bälsta (Quelle: J. Köster)
91
Abb. 9: U 226, Bälsta (Quelle: J. Köster)
So kann „künstlerischer Gestaltungswille“ vorliegen, „ohne dass die Schwelle von Prosa zu Vers bereits überschritten wurde“.124 Das einfache Verspaar ist zugleich das auf metrischen Inschriften am häufigsten repräsentierte Gestaltungsbild. Es gibt in geringer Anzahl auch Zwei- und Dreizeiler; Vollstrophen auf Runensteinen sind eine rare Erscheinung. Wie die Bällsta-Inschriften (U 225 und U 226), die ihre inschriftliche Strophe auf zwei Steinen verteilen, erkennen lassen, hat dieses seltene Vorkommen mit dem Objekt Runenstein zu tun, das für komplette Strophen oft zu wenig Platz bietet. Eine komplette Edition des Vorkommens von Dichtung auf Steininschriften steht seit Erik Brate125 mit Aufnahme der ab dann untersuchten Neufunde noch aus. Fred Wulf nennt in seiner Arbeit „Runenverse und Runenritzer“126 die ungefähre Zahl von 200 wikingerzeitlichen Steininschriften, bei welchen die Inschrift oder zumindest Teile davon metrisch geformt sind. Wird diese Angabe als Richtlinie herangezogen und gemäß der Methodik dieser Arbeit in die beiden Gruppen mit und ohne Sterbeterminologie unterteilt, ergibt sich ein interessantes Verhältnis: Innerhalb der Gruppe mit Sterbeterminologie wurden 53 Inschriften mit metrischen (Teil-)Inhalten identifiziert. 124 Ebd. 125 Brate: Runverser. 126 Wulf: Runenverse und Runenritzer, 969.
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Empirischer Teil: Hauptuntersuchung der 218 Sterbeinschriften
Selbst wenn die Zahl 200 als niedrig127 angesetzt wird bzw. sich auf den für diese Arbeit herangezogenen Gesamtanteil von 1929 Inschriften bezieht, ragt der metrische Anteil innerhalb der Gruppe der Toteninschriften deutlich heraus (Tabelle 10). Tab. 10: Gegenüberstellung der Inschriften mit Metrik Gesamt: 1929 Inschriften
davon ca. 200 metrische Inschriften
mit Sterbeterminologie: 218 Inschriften
davon 53 metrische Inschriften
ohne Sterbeterminologie: 1711 Inschriften
ca. 147 metrische Inschriften
= 10,4 %
= 24,3 %
= 8,6 %
Mag auch die Angabe der ca. 200 metrischen Inschriften auf wikingerzeitlichen Runeninschriften nicht exakt dem tatsächlich aktuellen Forschungsstand entsprechen, so wäre dennoch eine Verdreifachung der Anzahl innerhalb derer ohne Sterbeterminologie nötig, um ein ungefähres Gleichgewicht zwischen jenen Inschriften, die den Tod konkret nennen und jenen, die dies unterlassen, herzustellen. Da eine solche Vervielfachung jedoch eine unrealistische Annahme ist, kann das oben dargestellte Missverhältnis als ein Indiz für die Werthaltigkeit der Unterscheidung zwischen Toteninschriften und Inschriften ohne Sterbeterminologie verstanden werden. Was macht die Inschriftengruppe, welche konkret den Tod und das Sterben nennt, zu einem solchen Magnet für metrische Formanwendung? Die Funktion metrischer Textinhalte auf Runeninschriften wird vorrangig als Mittel zur Anpreisung und zum Gedenken der Toten bewertet. Edith Marold benennt die „Botschaft, die von den Inschriften in metrischer Form übermittelt werden soll“ als „Lob für die Toten“.128 Hans-Peter Naumann führt im Artikel über Runendichtung129 aus, dass die Runenstein-Metrik „überwiegend Nachrufdichtung“ ist und die „versförmigen Nekrologe […] enkomiastischen Zwecken“ dienen. Die Funktion als Lobschrift benennt auch Judith Jesch.130 Gleichzeitig würden damit auch gesellschaftliche Unterschiede zum Ausdruck gebracht. Judith Jesch131 stellt die beiden, sich parallel ergänzenden Quellen, skaldische Verse und Runeninschriften, als Repräsentanten verschiedener sozialer Milieus einander gegenüber: einerseits die Aristokratie,
127 Dies dürfte jedoch nicht der Fall sein. Der gesamte Runensteinkorpus beträgt knapp 3000 Stück. Ungeachtet dieser Anzahl fällt das prozentuale Verhältnis noch deutlich geringer aus, was die Menge der metrischen Inschriften innerhalb der Sterbeinschriften um so frappanter erscheinen lässt. 128 Marold: Runeninschriften als Quelle zur Geschichte der Skaldendichtung, 668. 129 Naumann: Runendichtung, 515. 130 Jesch: Ships and Men in the Late Viking Age, 8. 131 Jesch: Skaldic and Runic Vocabulary and the Viking Age, 295.
Die Toten und die Hinterbliebenen
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andererseits die Bauern und Händler. Auch Hans-Peter Naumann sieht „unmissverständliche Hinweise, dass gebundene Runenmemoria als Standesdichtung zu betrachten ist“.132 Frands Herschend sieht das Ziel dieser metrischen Elemente in der Funktion, dass über den Vorgang des Sterbens berichtet wurde, und dies vor allem in zukunftsperspektivischer Hinsicht, d.h. die Inschrift sollte der Beginn einer Tradition mündlichen Weiterberichtens sein.133 Zu den einzelnen relevanten Inschriften werden in der Sekundärliteratur gelegentlich Textstellen aus der Sagaliteratur zum Vergleich herangezogen, sei es zum Aufzeigen inhaltlicher oder lyriktheoretischer Parallelen; an dieser Stelle jedoch geht es vorerst um die rein quantitative Auswertung, auch wenn auf diese Weise im Kontext wichtige Elemente ausgeblendet bleiben. Im Folgenden werden daher ausschließlich diejenigen Informationen ausgewertet, die sich textimmanent aus den entsprechenden Inschriften herleiten lassen. Sich bei einer Untersuchung von strophischen Texten für einen Toten ausschließlich auf die Sterbeterminologie zu stützen, ist problematisch, da aufgrund der doch eingeschränkten Möglichkeiten des Vokabulars die Zusammensetzung stabender Worte durchaus auch auf Zufall beruhen kann. So findet sich beispielsweise innerhalb der Ingvar-Gruppe relativ oft die Kombination austr med Ingvari (z.B. U 439, U Fv 1992; 157, U 644, U 654). Dass diese Wortwahl sehr gut in die alliterierenden Schemata passt, ist wohl die Ursache für die häufige Verwendung. Andererseits ist Vorsicht geboten, dort, wo ein nicht gänzlich ausgeprägtes Merkmal für die Anwendung eines Versmaßes vorliegend scheint, direkt gewollte Dichtung anzunehmen.134 In dieser Untersuchung werden, was das Vorliegen von metrischen Maßstäben anbelangt, daher die mehrfach besprochenen Strophen durch die Arbeiten von Düwel,135 Wulf,136 Foote,137 Naumann,138 Marold,139 Nielsen,140 Palm,141 Cucina142 und die verschiedenen Ausgaben der Bände zu Sveriges Runinskrifter bzw. De Danske Runemindesmærker143 zugrunde gelegt.
132 Naumann: Runendichtung, 515. 133 Herschend: Pegas på tusentalet – attityder till runstensdiktning, 27f. 134 Vgl. Hübler: Schwedische Runendichtung der Wikingerzeit; Wulf: Rezension zu Frank Hübler; Wulf: Runenverse und Runenritzer. 135 Düwel: Handel und Verkehr der Wikingerzeit nach dem Zeugnis der Runeninschriften. 136 Wulf: Runenverse und Runenritzer. 137 Foote: Skandinavische Dichtung der Wikingerzeit. 138 Naumann: Hann var manna mestr ónídingr: Zur Poetizität metrischer Runeninschriften. 139 Marold: Runeninschriften als Quelle zur Geschichte der Skaldendichtung. 140 Nielsen, N. A.: Danske Runeindkrifter. 141 Palm: Vikingarnas språk 750–1100. 142 Cucina: Il tema del viaggio nelle iscrizioni runiche. 143 Komplette Auflistung siehe Bibliografie bzw. Abkürzungsverzeichnis im Kapitel B 6.
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Insgesamt enthält die Gruppe der 218 Sterbeinschriften 53 Stück, die metrische Inschriftenteile enthalten bzw. durch sorgfältig gewähltes Vokabular in eine alliterative und damit kunstvollere Form gebracht sind, das sind 24,3 %. Dieser Wert wird daher als erwartete Verteilung auch der Subgruppen angenommen. Alle Kategorien, die bemerkenswert von dieser Richtlinie abweichen, werden im Folgenden angeführt.
Metrische Inschriften: Die in Versform gebrachte Sterbeterminologie Ein sehr auffälliges Indiz für das unmittelbare Zusammenspiel der Thematik ‚Tod und Sterben‘ mit dem Anfertigen metrischer Strukturen zeigt zum einen die bereits oben genannte Quote über das unverhältnismäßig häufige Aufkommen von Versinschriften auf Runensteinen, die der Gruppe der Inschriften mit Sterbeterminologie angehören. Zum anderen lässt sich innerhalb dieser 53 Inschriften feststellen, dass bei 85,0 % die vom Ritzer gewählte Sterbeterminologie genau im metrisch abgefassten Textteil auftritt. Nur acht dieser teilweise metrischen Inschriften enthalten die Begriffe, die über ‚Tod und Sterben‘ informieren, in ungebundener Form. Diese beiden Ergebnisse sind weiterhin ein deutlicher Hinweis darauf, dass Runeninschriften, die nicht explizit das Sterben nennen, nicht unbedingt und ausschließlich für Tote erstellt worden sein müssen. Bei den neutralen Formulierungen stehen enda (31,8 %, sieben Stück) und deyja (30,8 %, acht Stück) über dem erwarteten Vorkommen. Die Bezeichnung verda daudr, die zwar nominal in den gesamten 218 Sterbeinschriften die höchste ist (75 Inschriften), erscheint hier mit 17,3 % (13 Stück) deutlich niedriger als erwartet. Das weitaus größte Verhältnis an Sterbebezeichnungen findet sich in der Formulierung falla (53,3 %, acht Stück). Dies zeigt eine Verknüpfung zwischen der Verwendung von Versmaß bei in kriegerischen Ereignissen umgekommenen Männern, was auf eine besondere Preisung des toten Helden schließen lässt. Die Inschrift von Turinge kyrka (Sö 338) zeigt diesen Zusammenhang besonders gut:144 Hann fell í orrostu austr í Gôrdum, lids forungi, landmanna beztr.
Er fiel im Kampf ostwärts in Gardar der Führer der Kriegerschar, der beste der Männer im Lande
Hier wird der Tod auf kriegerische Weise durch die Wortwahl „gefallen in der Schlacht“ präzise ausgedrückt, gleichzeitig folgt die Lobpreisung des Heerführers durch die Wahl des Superlativs „des Besten“.
144 Übersetzung durch Klaus Düwel: Runenkunde, 123.
Die Toten und die Hinterbliebenen
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Dass in dieser Subgruppe (absolut gesehen) seltener Begriffe aus der Sterbeterminologie vorkommen, die eine negative Konnotation für die Toten beinhalten könnten, sondern wertfreie Formulierungen (wie z.B. enda) oder solche, die auf kriegerische Teilnahme (z.B. gefallen) schließen lassen, leuchtet vor diesem Hintergrund ein. Soweit zur Einzelbetrachtung der individuellen Sterbetermini. Bei der Einteilung der entsprechenden Formulierungen in Gruppen zeigt sich, dass sowohl die Belege der Gruppe 1 (neutrale Sterbetermini) als auch die der Gruppe 2b (Tod durch äußere Umstände ohne aktive Teilnahme weiterer Personen) fast exakt dem errechneten Erwartungswert entsprechen. Die in Gruppe 2a befindlichen Sterbeformulierungen (Tod durch äußere Umstände mit Einwirkung durch andere Personen) liegt um fünf Prozentpunkte über dem erwarteten Wert (15 Stück) und wird vorwiegend durch das Verbum falla geprägt. Die oben genannte These der Preisung gefallener Krieger schlägt sich hier ganz deutlich nieder. Die Gruppe 3 (konnotative Mitteilung) ist deutlich unterrepräsentiert (drei Stück, 11,1 %).
Metrische Inschriften: Regionale Verteilung Obwohl nahezu ein Drittel aller Toteninschriften aus Uppland stammt, zeigt sich hier dennoch ein vermindertes Aufkommen an (teilweise) metrisch verfassten Inschriften. Die relevanten uppländischen Inschriften liegen bei 17,4 % (zwölf Stück) und damit klar unterhalb des statistischen Erwartungswertes. Umgekehrt ist bei den nominal wesentlich geringeren Inschriften aus Södermanland und Östergötland jeweils verhältnismäßig ein deutlich höherer Wert festzustellen: In Södermanland weisen 42,6 % strophische Inschriftenanteile auf, in Östergötland 35,0 %. Es stellt sich die Frage, weshalb die Anwendung einer elaborierten Ausdrucksweise bei gleichzeitiger Nennung der Sterbeart auf Runeninschriften in Södermanland und Östergötland so viel gewöhnlicher war als in Uppland. Die überwiegende Anzahl der skandinavischen Runeninschriften befindet sich in Uppland. Der Bevölkerungsanteil im Mälargebiet betrug um die 40000 Menschen.145 Die Sitte, Runensteine zu errichten, war trotz der umgerechnet verschwindend kleinen Zahl von 2,5 % (bezogen auf die von Birgit Sawyer in ihrem Katalog146 gelisteten 1016 Inschriften für Uppland) von tatsächlichen Anwendern dieser Mode dort am meisten verbreitet. Durch die Anwendung von hervorstechenden Stilmitteln, in diesem Fall der Verwendung von metrischen Formen, maßen die wikingerzeitlichen Steinerrichter den Inschriften eine besondere Intensität bei, womit dem Toten umso mehr Bedeutung zukam. An diesem Faktum lässt sich der bereits eingangs genannte Standesunterschied zwischen den Regionen Uppland versus Södermanland und Östergötland festmachen.
145 Meijer: Literacy in the Viking Age, 84. 146 Sawyer, B.: The Viking-age rune-stones, 238ff.
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Die dänischen Inschriften hingegen stellen sich in Bezug auf strophische Abfassung nicht als von der statistischen Norm abweichend dar; das dortige Vorkommen entspricht dem erwarteten Rahmen.
Metrische Inschriften: Verse als Zeichen für die hierarchische Stellung Die innerhalb der metrischen Inschriften dem Toten zukommende besondere Bedeutung belegt auch das mit 46,7 % fast doppelt so hohe Vorkommen wie erwartet an Runeninschriften über Rang und sozialen Status, verbunden mit gleichzeitiger Nennung von Sterbeterminologie und metrisch geformtem Inschriftenteil. Insgesamt enthalten 21 Inschriften (mit insgesamt 24 Bezeichnungen, die über den sozialen Status informieren) genauere Angaben über Tätigkeit oder Titel der toten Person. Das regionale Vorkommen verteilt sich auf Dänemark (viermal), Östergötland (zweimal), Öland und Småland (je einmal), Uppland (sechsmal) und Södermanland (siebenmal). Letztgenannte Region zeigt auch hier wieder einen sowohl verhältnismäßigen als auch nominalen Überhang, was im Vergleich mit insbesondere der uppländischen Inschriftengruppe bemerkenswert ist (gesamt: Uppland: 69 Sterbeinschriften, Södermanland: 47 Sterbeinschriften; demgegenüber stehen die Verhältnismäßigkeiten an metrischen Inschriftenteilen mit Rangbezeichnungen: Uppland: 8,7 %, Södermanland: 14,9 %). Die Bezeichnungen lassen sich nicht weiter eingrenzen, im Gegenteil erstrecken sie sich über die ganze Bandbreite: drengr (fünfmal), lids forungi (zweimal), bóndi (fünfmal), félagi, folksgrimmr, karl, landmadr, st´ y rimadr, dómari, skeidar vísi, pegn (je einmal), skipari, sveinn (je zweimal). Dreimal wird mehr als eine solcher Bezeichnungen pro Inschrift genannt: Ög 81: drengr + karl, Sö 338: lids forungi + landmadr, DR 68: félagi + drengr. Vier dieser Bezeichnungen sind nicht auf den Toten, sondern den Hinterbliebenen bezogen: Ög 81: karl, Sm 16: sveinn, U 1016: st´ y rimadr, U 112: lids forungi. Fast die Hälfte aller in der Gruppe der Sterbeinschriften vorkommenden drengir erscheinen hier; ebenso verhält es sich bei der Bezeichnung bóndi. Beide Toteninschriften für lids forungi sind zum Teil metrisch abgefasst, des Weiteren beide skipariVorkommen und beide sveinn-Inschriften. Die Benennungen folksgrimmr, karl, landmadr, dómari und skeidar vísi, die jeweils innerhalb der 218 hier untersuchten Inschriften nur einmal erscheinen, gehören dieser strophisch verfertigten Inschriftengruppe an. Insgesamt wird hieraus deutlich, dass aus Perspektive der Rang- und Statusbezeichnungen ein großer Anteil zugleich auch in diese Subgruppe der Versformen fällt. Dies veranschaulicht die hohe Korrelation zwischen der Wichtigkeit sowohl der Angabe über die hohe soziale Position als auch der entsprechend wertvolleren Ausgestaltung der Inschrift durch Metrik auf dem Runenstein. Durch diese Tätigkeits- und Standesbezeichnungen wird das Leben und Wirken des Toten umschrieben. Es kommt durch z.B. lids forungi klar zum Ausdruck, dass die
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Personen in kriegerischem Auftrag bzw. ein st´ y rimannr oder skipari als Besatzungsmitglied eines Schiffes auch über die eigenen Landesgrenzen hinaus unterwegs waren. Dass bei fast einem Drittel der Inschriften mit Sterbeortsnennung zugleich Verscharakter auftritt (was mit 30,5 %, 43 Stück, ebenfalls über dem erwarteten Niveau liegt), bestätigt dies. Es kristallisiert sich heraus, dass die Toten, für die diese Inschriften erstellt wurden, größtenteils eine hohe Rangstufe erreicht hatten und der oberen sozialen Schicht angehörten. Insofern deckt sich dieses Ergebnis mit der zuvor festgestellten Annahme, dass das vorrangige Anliegen beim Verwenden eines metrischen Sprachstils auf Runeninschriften war, die erhebliche Bedeutung der gestorbenen Person zu unterstreichen und den Lesern dies zu vermitteln.
Metrische Inschriften: Weibliche Steinsetzer und demografische Aspekte Von den insgesamt 18 Inschriften (aus der Gruppe der 218 Sterbeinschriften), die von Frauen (bzw. weiteren 27, die in Zusammenarbeit mit männlichen Hinterbliebenen) errichtet wurden, enthalten sieben Stück (bzw. vier bei der Gruppe der gemischten Steinsetzer) metrisch abgefasste Inschriftenteile. Insgesamt haben sich in dieser Subgruppe metrischer Sterbeinschriften demnach elf weibliche Hinterbliebene bei der Steinerstellung engagiert. Obwohl es sich bei den sieben allein errichtenden Frauen um eine sehr niedrige Anzahl handelt, sei dennoch angemerkt, dass dies ein verhältnismäßig hoher Prozentsatz ist (38,9 %), speziell im Vergleich zu den 36 allein von Männern errichteten Inschriften mit Verseinschüben (28,6 %). Frauen stechen als Akteure, wenn es um den Gebrauch metrischer Formen auf Toteninschriften geht, also hervor. Geschieht dies jedoch in Gemeinsamkeit mit Männern, so ist die Anzahl von vier Stück (von insgesamt 27 Stück, d.h. 14,8 %) auffällig niedrig. Vergleicht man diese Werte mit den von Birgit Sawyer147 errechneten Zahlen für die Gesamtheit der Runeninschriften, zeigt sich, dass der für diese Subgruppe ermittelte Prozentsatz der Frauen, die gemeinsam mit Männern Inschriften erstellten, fast genau der Gegengruppe entspricht (lt. Birgit Sawyer: Frauen gemeinsam mit Männern: 15 %). Aber der Anteil von sieben Inschriften, welche allein von Frauen erstellt wurden, ist mehr als dreimal so hoch wie der von Birgit Sawyer angegebene Wert (12,7 %148, Tabelle 11).
147 Sawyer, B.: Woman and the conversion of Scandinavia, 271. 148 Ebd.
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Empirischer Teil: Hauptuntersuchung der 218 Sterbeinschriften
Tab. 11: Gegenüberstellung der von Frauen errichteten Inschriften Frauen als Inschriftenersteller
auf metrischen Inschriften mit Sterbeterminologie
innerhalb der gesamten Inschriften
alleine zusammen mit Männern
38,9 % 14,8 %
12,7 % 14,8 %
Dies dürfte belegen, dass allein agierende Frauen im Umgang mit dem Tod offensiver umgegangen sind bzw. die Tatsache des Sterbens deutlicher zum Ausdruck bringen wollten. Dies insbesondere in Verbindung mit einer strophischen Ausgestaltung, was ja eine kunstvollere und arbeitsintensivere Inschriftenerstellung bedeutete als jene ohne Metrik. Dies könnte auch als nonverbaler Ausdruck von Trauerarbeit angesehen werden, welche von hinterbliebenen Männern in dieser Ausprägung bei weitem nicht erreicht wurde. Die Anzahl der weiblichen Personen, derer mit Inschriften in Versform gedacht wurde, ist äußerst gering. Insgesamt beträgt die Anzahl an weiblichen Empfängern nur sieben, einem für statistische Zwecke zu geringen Wert. Die einzigen beiden Inschriften (DR 114 und U 112) mit Metrik für Frauen (beide von Söhnen für ihre Mütter), können daher an dieser Stelle nicht ausgewertet werden. Inschriften für weibliche und männliche Tote gibt es in diesem Fall nicht. Eine Untersuchung nach den zugrunde liegenden Generationenfolgen zeigt, dass für die ältere Generation auffällig vermehrt Inschriften mit Versen angefertigt wurden (zu 35,7 %). Während die Inschriften für die gleiche bzw. jüngere Generation in der Nähe des erwarteten Wertes liegen, ragen die Inschriften für die Elterngeneration deutlich hervor. Zusammengefasst mit den obigen Ergebnissen bedeutet dies, dass die vorgenannten hohen Rangstufen eine gewisse Laufbahn und damit auch ein fortgeschrittenes Alter erfordern. Es handelt sich um Personen, die bereits Nachkommen hatten, welche den erreichten Ruhm auf Inschriften metrisch zum Ausdruck bringen konnten.
Metrische Inschriften: Das kumbl Die Bezeichnung kumbl für den Runenstein ist ebenfalls ein Indiz dafür, dass es sich um höhergestellte Persönlichkeiten handelt (Näheres zu kumbl siehe Kapitel C 5.1). Dass diese Benennung in Verbindung mit gleichzeitigem Vorkommen von metrischen Textteilen bei 38,1 % (acht Stück) deutlich über dem erwarteten Wert von 24,3 % liegt, entspricht der oben genannten These, die bereits bei den Standesbezeichnungen vorgelegt wurde. Dieser häufige Beleg unterstreicht, dass es sich bei den Verstorbenen um wichtige, ranghohe Personen handelte.
Die Religion
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Metrische Inschriften: Religiöse Merkmale Innerhalb der metrischen Inschriften aus der Gruppe der Totensteine lässt sich sowohl ein vermindertes Aufkommen an Götteranrufungen feststellen (15,7 %, acht Stück) als auch eine niedrige Zahl an Informationen, die auf ein Begräbnis schließen lassen (10,0 %, drei Stück). Wie sich bereits bei anderen Untersuchungskriterien hat feststellen lassen, zeigt die Verwendung von Kreuzabbildungen eine gegenteilige Aussage: Kreuze, die auf Runensteinen mit Verseinschüben angebracht wurden, liegen mit 31,0 % (36 Stück) über dem erwarteten Wert. Hier zeigt sich erneut,149 dass sich Kreuze auch als nicht ausschließlich religiöses Merkmal deuten lassen (da dies dem sonstigen Verhalten, das auf religiöse Ambitionen schließen lässt, widersprechen würde150), sondern ihnen möglicherweise auch ein ornamentaler Charakter oder eine nachträgliche Rechtfertigung innewohnen kann.
Metrische Inschriften: Die chronologische Perspektive Das nominal häufigste Erscheinen von Metrik trifft die sehr frühen RAK-Inschriften; insgesamt 16 Steine (28,1 %) zählen hierzu. Im Verhältnis liegt dieser Wert zwar immer noch oberhalb der erwarteten Linie, wird aber übertroffen von Inschriften aus der Stilgruppierung mit der Datierung Fp (mit 34,6 %, neun Stück) und denen aus Pr1 (mit 36,8 %, sieben Stück). Alle drei hier hervorstechenden Datierungen (nach Anne-Sofie Gräslund151) gehören der sehr frühen Zeit der wikingerzeitlichen Runensteininschriften an. Dies ist ein Indiz für das zeithistorisch frühe Verhalten von Hinterbliebenen, die ihren Toten Inschriften mit metrischen Textinhalten errichten ließen, was sich in der fortschreitenden Wikingerzeit nicht mehr in solchem Aufkommen bemerkbar macht.
4 Die Religion 4.1 Bittformeln Die Anrufung von Göttern oder Heiligen in Runeninschriften ist keine Seltenheit. Damit müssen nicht nur die Götter aus der christlichen Religion gemeint sein, auch für den heidnischen Glauben gibt es diesbezüglich Belege. Die meisten Formulierungen sind jedoch christlich geprägt und bestehen aus Fürbitten in der Art von „Gott helfe seiner/ihrer Seele“ mit verschiedenen Abweichun-
149 Vgl. Kapitel C 2.3, Unterkapitel „Sterbevokabular: Steht die Wahl der Sterbeterminologie im Zusammenhang mit religiösen Aspekten?“ 150 Siehe folgende drei Kapitel. 151 Gräslund: Runstenar – om ornamentik och datering I + II.
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Empirischer Teil: Hauptuntersuchung der 218 Sterbeinschriften
gen. Auch die Nennungen von nicht ausschließlich im formelhaften Kontext stehender Gottes- oder Heiligennamen (z.B. Maria oder Gottes Engel) werden hier gezählt. Der Gegenpol auf heidnischer Seite besteht ausschließlich aus der Thor-weihe-Formel. Aufgrund dieser Inhalte können die Runeninschriften den verschiedenen Glaubensrichtungen zugeordnet werden, wobei der Umkehrschluss nicht bedeuten darf, dass dort, wo kein Bekenntnis dieser Art zum Ausdruck gebracht wird, entweder kein oder der heidnische Glaube vorherrschend war. Ebenso wenig kann mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass auf der einen oder anderen Inschrift gezielt eine Glaubensrichtung zum Ausdruck gebracht wurde, die nicht der tatsächlichen Einstellung entsprach, sei es aufgrund von Gruppenzwang, gesellschaftlichem Druck oder ostentativer Opposition.
Übersicht über die Bittformeln und ihre verschiedenen Vorkommen Die häufigsten Gott-helfe-Formeln152 entsprechen dem Muster „Gott helfe seiner Seele“ (z.B. Sm 83: Gud hjalpi sálu hans). In dieser Form erscheint die Bittformel innerhalb des Untersuchungsmaterials mit Sterbeterminologie 27-mal. Oft steht anstelle von sálu das Wort ônd, das mit „Geist“ übersetzt werden kann (z.B. U 130: Gud hjalpi ônd hans).153 Diese Formulierung findet sich in der Gruppe der Toteninschriften 25-mal. Beide Formeln stehen einander folglich im ähnlichen Auftrittsumfang gegenüber. Die Schnittmenge dieser beiden Bittformeln bilden sieben Inschriften, die beide Formulierungen enthalten (z.B. Vs 9: Gud hjalpi hans ônd ok sálu). Klaus Düwel betont, dass hinter diesem Doppelausdruck ônd ok sálu „keineswegs schon der biblische Unterschied von spiritus und anima“ steht, sondern es sich „schlicht um eine Tautologie“154 handelt. Eine Kombination einer der vorgenannten Möglichkeiten mit zusätzlicher Anrufung der Mutter Gottes (z.B. Gs 13: Gud hjalpi hans sálu ok Guds módir) existiert hier zehnmal.
152 Was die sprachlichen Unterschiede, die etymologischen Besonderheiten sowie die Einordnung in die christliche Liturgie anbelangt, sei u.a. auf folgende Arbeiten verwiesen: Gschwantler: Runeninschriften als Quelle der Frömmigkeitsgeschichte; Beskow: Runic Inscriptions, Liturgy and Eschatology; Beskow: Runor och liturgi; Gschwantler: ‚Licht und Paradies‘. Fürbitten für Verstorbene auf schwedischen und dänischen Runeninschriften und ihr Verhältnis zur lateinischen Totenliturgie; Segelberg: Missionshistoriska aspekter på runinskrifterna; Hallencreutz: Runstenarnas teologi; våra första uttryck för inhemsk kristendomstolkning; Williams: Vad säger runstenarna om Sveriges kristnande? 153 Diskussionen zu den Begriffen sálu und ônd: Segelberg, Missionshistoriska aspekter på runinskrifterna; Hallencreutz: Runstenarnas teologi; Beskow: Runor och liturgi. 154 Düwel: Runenkunde, 145.
Die Religion
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An weiteren Heiligen- oder Gottanrufungen kommen vor: – Christus: viermal (z.B. DR 379: Kristr hjalpi sálu hans). – St. Michael und Herrgott: jeweils nur einmal (auf einer Inschrift: DR 380: Gud dróttinn hjalpi hans ônd ok sankta Mikjáll). – Engel als Helfer erscheinen einmal (in der Inschrift Vg 50: Gud hjalpi sál hennar ok Guds módir ok allir Guds englar). – Der Gott Thor wird auf zwei Inschriften, beide dänisch, um Weihe gebeten: DR 110, Pórr vígi pessi kumbl und DR 220, Pórr vígi rúnar pessar. Zwischen den christlichen und heidnischen Götteranrufungen macht sich innerhalb der Runeninschriften ein wesentlicher Bedeutungsunterschied bemerkbar: Während Gott, Christus und Maria um Hilfe für die Seele einer Person gebeten werden, bezieht sich die Bittformel, die dem Gott Thor gilt, nicht auf eine Person, sondern auf das Inschriftenmaterial. Thor wird aufgefordert, die Runen bzw. das Monument zu weihen. Die christlichen Bittformeln richten sich mit den Anrufungen an Gott, Christus, die Mutter Gottes etc. an verschiedene Adressaten. Deutlich tritt hier zutage, wie eindrücklich die christliche Botschaft aus der Totenliturgie155 bezüglich des Lebens nach dem Tode auf die Errichter gewirkt haben muss. Aus diesen Gebetsformeln lässt sich die Überzeugung der wikingerzeitlichen Gesellschaft (zumindest jenes Teils, welcher Runensteine errichtete) ablesen: Die Inhalte der christlichen Mission über die Existenz einer Seele, die sich nach dem Tode vom Körper trennt und dann in Gottes Macht liegt. Nach Otto Gschwantler156 ist durch die „Verwendung des Wortes hjálpa in Gebeten für das Heil der Seele nach dem Tode“ ein „Ausdruck volkstümlicher Frömmigkeit“ zu sehen, da Gott „in unzähligen Gebeten in allen Bedrängnissen dieses Lebens um Hilfe angerufen wurde.“157
4.1.1 Die christliche Formel: Gott/Christus helfe seiner Seele Die 51 Inschriften mit Gott-helfe-Anrufungen (ohne die beiden Thor-weiheInschriften) machen einen Anteil von 23,4 % des Gesamtkorpus von 218 aus. Dieser Wert wird daher als erwartete Verteilung auch der Subgruppen angenommen. Alle Kategorien, die bemerkenswert von dieser Richtlinie abweichen, werden im Folgenden angeführt.
155 Gschwantler: ‚Licht und Paradies‘. Fürbitten für Verstorbene auf schwedischen und dänischen Runeninschriften und ihr Verhältnis zur lateinischen Totenliturgie, 56f. 156 Gschwantler: Runeninschriften als Quelle der Frömmigkeitsgeschichte, 744. 157 Ebd.
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Welche Personen erstellten Bittformeln auf Sterbeinschriften und für wen? Einen über dem rechnerischen Erwartungswert liegenden Anteil aus dem Korpus der Toteninschriften machen diejenigen Bittformel-Inschriften aus, die von der Kindergeneration für die Eltern errichtet wurden (28,6 %, zwölf Stück). Nur wenig oberhalb des Richtwertes liegen die Inschriften, die in umgekehrter Richtung von den Eltern für die Kinder erstellt wurden (25,9 %, 14 Stück); dies bei verhältnismäßig überhöhter Nennung weiblicher Errichterinnen (entweder alleine oder in Gemeinschaft mit Männern). Deutlich darunter liegt der Anteil an Runensteinen, welche für die gleiche Generation gesetzt wurden, dies ausschließlich für Brüder (16,7 %, sieben Stück). Von den im gesamten Untersuchungsmaterial 45 vorkommenden Rang- und Statusangaben finden sich innerhalb der Subgruppe der Bittformeln nur sechs Stück (13,3 %), was einen auffällig niedrigen Anteil ausmacht. Vier der hier genannten Bezeichnungen (skipari, félagi, zweimal drengr) beziehen sich auf die tote Person, zwei dieser Angaben (lækir, lids forungi) gehören der Personengruppe der Hinterbliebenen an. Die Verwendung von Gebetsformeln auf Runeninschriften ist als stark religiöses Wesensmerkmal zu werten, insofern zeichnet sich hier eine Hinwendung zu immateriellen Wertevorstellungen ab, die gleichzeitig eine Abwendung von weltlichen – und damit vergänglichen – Motiven und Verhaltensweisen bedeutet. Die ostentative Angabe von Titeln oder Tätigkeitsbezeichnungen, die nach wikingerzeitlicher Auffassung auch im Zusammenhang mit Ruhm und Ehre zu sehen sind, tritt deutlich weniger in Erscheinung; dies ist möglicherweise als eine Entwicklungsstufe im Prozess der Ausbreitung des Christentums zu sehen. Parallel zum letztgenannten Punkt steht auch die innerhalb der BittformelGruppe verhältnismäßig verhalten in Erscheinung tretende Angabe des Sterbeortes. 19 der Sterbeinschriften, die zugleich Bittformeln enthalten, nennen keinen Sterbeort (was mit 24,7 % im Rahmen des Erwartungswertes liegt). Acht Inschriften (26,7 %) nennen eine skandinavische Lokalität (von insgesamt 29 solcher skandinavischer Sterbeortsnennungen). Tatsächlich außerhalb der skandinavischen Heimat liegende Orte und Länder werden bei gleichzeitiger Nennung von Gebetsformeln äußerst selten genannt. Da, wie im Kapitel C 2.1 „Reiseziele und Sterbeorte“ erörtert, die Mitteilung von Auslandserfahrungen und Reiseaktivitäten, sei es friedlicher oder kriegerischer Art, als Attribut zur Vermittlung von Ansehen zu bewerten ist, geht die in dieser Hinsicht verminderte Informationsvermittlung konform mit der vorgenannten These, dass die fortschreitende Christianisierung hier eine Abkehr von äußerlichen Belangen zur Folge hatte.
Christliche Bittformeln: Gott als Rächer In der Gruppe der Gott-helfe-Inschriften finden sich drei, in welchen Gott aufgefordert wird, zu rächen (U 1028, G 134 und Sm 92). Oder Gott wird gebeten, denjenigen im Stich zu lassen, der den Verstorbenen im Stich ließ (z.B. U 1028: Gud sviki pá, er hann sviku). In dieser Aufforderung schwingen synkretistische Züge mit. Ein klares Be-
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wusstsein über christliche, gute Taten bzw. über die Funktion Gottes ist hier nicht erkennbar. Eric Segelberg schreibt über diese Textteile „Ein Gott, der verrät, ist kaum biblisch“158 und weist darauf hin, dass eine solche Stelle weder im Alten noch im Neuen Testament zu finden sei. Aus Sicht eines Wikingers kann dies aber ein durchaus verständliches Denkmuster sein. Nicht das Handeln an sich war als gut oder schlecht zu bewerten, sondern der Mensch, um den es dabei ging. Wenn demnach ein Mensch, der aufgrund von Taten, durch die negative Konsequenzen für eine Sippe entstanden, getötet wurde, war es eine für heidnische Verhältnisse folgerichtige Tat, diese Person auf gleiche Weise zu bestrafen. Werden die Inschriften auf diese Weise gedeutet, so erhalten sie einen Sinn, der nach vorchristlichen Gesichtspunkten im gerade aufkeimenden Christentum angewandt wurde. Gott wird demnach um Hilfe gebeten, an einem (in heidnischer Lesart) „schlechten“ Menschen Rache zu nehmen. In vorchristlicher Zeit wurde der Racheakt durch den betroffenen Personenkreis selbst ausgeführt. Dieser für die wikingerzeitliche Gesellschaft bestehende Ehrenkodex ist in diesen Inschriften noch immer enthalten. Das Bewusstsein, dass die Aufgabe der Rache existiert, ist aus den genannten Inschriften deutlich ablesbar. Dennoch wurde dieses Handeln nicht mehr von den Geschädigten selbst durchgeführt; die christliche Kunde „Du sollst nicht töten“159 hat die hinterbliebenen Steinerrichter bereits erreicht. Diese Diskrepanz (einerseits existiert der Wille zur Ausübung von Rache, andererseits existiert auch das Bewusstsein über persönliche Rache als unchristliches Verhalten) wird aufgelöst, indem das weitere Vorgehen als Bitte an Gott formuliert wird.
Christliche Bittformeln: Gott als Begnadiger In zwei der Gott-helfe-Inschriften steht außerdem der Zusatz „besser als er verdient“ (U 338 und U 539: „[…] betr en hann gerdi til“). Dies zeigt, ebenfalls wie bei den Inschriften mit Bitte um Vergeltung, ein christliches Bewusstsein aus der Übergangszeit vom Heidentum zur neuen Religion. In diesen Inschriften steckt die Konnotation, dass die Hinterbliebenen zwischen Gut und Böse, d.h. Sünde, nach Einschätzung der neuen Religion genau zu unterscheiden wussten. Sie hielten die Taten des Verstorbenen insofern für untragbar, als damit das Seelenheil des Verstorbenen nach dem Tode in Gefahr stand. Wenn damit auch nicht die Haltung des Toten verändert wurde, so haben die Errichter der entsprechenden Runensteine jedoch ihr eigenes Glaubensbekenntnis deutlich gemacht und sind wenigstens ihrem eigenen Seelenheil einen Schritt näher gekommen. Die Argumentation ist ähnlich der oben genannten bei jenen Inschriften, in welchen Gott um Rache gebeten wird.
158 Segelberg: Missionshistoriska aspekter på runinskrifterna, 53: „En Gud som sviker är knappast biblisk.“ 159 Das Alte Testament, 2. Mose 20.13.
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Rune Palm vertritt u.a. die Meinung, dass es sich um „eingefleischte Heiden“ handelt, deren „Hinterbliebene auf diese Weise um die Seele des Verlorenen“ trauern.160 Außerdem schwinge in dieser Formulierung eine Art Überzeugung mit, dass Erlösung nur durch Gottes Gnade, nicht aber durch eigene Verdienste empfangen werden könne.161 Åke Hyenstrand sieht diese aus dem Rahmen der Bittformeln fallende Formulierung als eine Art „Kaufvertrag“,162 mit welchem die Leiden und die Angst der Hinterbliebenen vor dem Fegefeuer gelindert werden sollen. Dies würde bedeuten, dass die Steinerrichter – anders als der Tote zu seinen Lebzeiten – dem christlichen Glauben anhingen und damit zwei Glaubensrichtungen auf der Inschrift transportiert werden würden. Die Taten, die aus heidnischer Perspektive groß und heldenhaft waren und den Toten zu einem ehrenvollen Menschen gemacht haben, haben aus der christlichen Perspektive an Gewicht verloren. Nach christlicher Lehre sind die typisch wikingerzeitlichen Heldentaten nicht als vorbildlich und nachahmenswert zu beurteilen. Die Hinterbliebenen zeigen durch diese Inschriften eine ambivalente Einstellung. Einerseits spricht aus der Bitte das Bestehen von (nicht inschriftlich formulierten!) Taten, die nicht als gut zu bewerten sind – zumindest nicht mittels der neuen, christlichen Religion. Andererseits dürften nach der alten, heidnischen Einstellung die Ereignisse als ruhmreich einzustufen sein. Die Inschrift trägt daher heidnisches Gut in sich, indem über wikingerzeitliche Heldentaten zwar geschwiegen wird, sie aber zwischen den Zeilen herauszulesen sind. Der neue Gott, Christus, wird diese Taten, welche die heidnischen Götter wahrscheinlich erfreut haben mögen, auf seine Weise beurteilen, das war den Hinterbliebenen bewusst. Daher wird darum gebeten, dass – aus christlicher Perspektive – dem Toten und seiner Seele besser geholfen werden wird, als er es durch sein heidnisches Verhalten verdient hat und der neue, christliche Gott eine urteilende, exekutive Funktion ausüben möge. Außerhalb der Untersuchungsgruppe der Toteninschriften erscheint dieses Gebetsschema mit Urteilscharakter noch neun weitere Male.163 Es fällt erstens auf, dass alle Inschriften (auch die beiden Toteninschriften) aus den Regionen Södermanland und Uppland stammen, zweitens, dass der Großteil in die Stilperiode RAK fällt (die Inschrift von Tyresö (Sö Fv1971;207) liegt nur fragmentarisch vor und lässt diesbezüglich keine Eingruppierung zu), also einer sehr frühen Entstehungszeit angehört.164 Dass diese Art an Bittformeln mit fortschreitender Zeit immer weniger in Erscheinung getreten ist, kann eventuell als Indiz für den durch diese Inschriften begonnenen religiösen
160 Palm: Vikingarnas språk 750–1100, 150: „[…] inbitna hedningar, vars efterlevande på detta sätt ville sörja för den förtappades själ.“ 161 Ebd.: 150: „[…] förvissning att frälsning endast kan erhållas genom Guds nåd och inte genom egna förtjänster […].“ 162 Hyenstrand: „-bättre än han förtjänade“. En parentes om runstenar, 186: „köpebrev“. 163 U 69, U 371, U 512, U 586, Sö Fv1971;207, Sö 197, Sö 195, Sö 210, Sö 212. 164 Verteilung der Inschriften nach Stilperioden: RAK 6x, Fp: 2x, Pr3: 2x, Pr4: 1x.
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Wandel gewertet werden, der sich im Laufe weiterer Jahrzehnte manifestieren konnte und dadurch diese Art der ambivalenten Götteranrufung nicht mehr nötig wurde. Aus den beiden vorangehenden Unterkapiteln („Gott als Rächer“ und „Gott als Begnadiger“) lässt sich eine Übergangszeit ablesen, in welcher beide Religionen gleichermaßen nebeneinander bestanden. In den entsprechenden Textteilen lassen sich Denkarten sowohl heidnischer als auch christlicher Richtung feststellen. Vielleicht sind diese Inschriften auch als Rechtsdokumente bezüglich juristischer Elemente von Straftat und Bestrafung anzusehen. Die Art der Buße wird Gott überlassen, er wird gebeten, sich der Seelen anzunehmen und auf fast juristische Weise über das Ausmaß an Schuld und Gnade zu entscheiden.
Christliche Bittformeln: Ornamentik In Verbindung mit den Gott-helfe-Formeln gibt es ein sehr hohes Vorkommen von Schlangenornamentik.165 Die Inschriften ohne ornamentales Beiwerk und ohne Abbildungen, wie z.B. Tiere oder Schiffe, sind prozentual in der Unterzahl. Das Vorkommen von Schlangenornamentik steht bei den Sterbeinschriften klar im Zusammenhang mit dem Vorkommen von Gott-helfe-Formeln und der fortschreitenden Christianisierung. Mit nicht ganz so hohem Aufkommen wie die Schlangenornamentik, jedoch immer noch erhöht, zeigt sich das Vorkommen von Kreuzen auf Runeninschriften, die zugleich Gott-helfe-Formeln enthalten (mit 27,6 %, 32 von insgesamt 116 Kreuzinschriften). Hier macht sich ein besonders hoher Anteil an Inschriften bemerkbar, an deren Erstellung Frauen beteiligt waren.
Christliche Bittformeln: Die Frauen Innerhalb der gesamten 218 Inschriften mit Sterbeterminologie macht der Frauenanteil 25,2 % aus (vorkommend entweder als Steinsetzerin oder als Gedenkperson und jeweils entweder alleine oder zusammen mit weiteren Personen). Und innerhalb der Gott-helfe-Inschriften ist der Frauenanteil auf 33,3 % angestiegen. Anne-Sofie Gräslund stellt in ihrer Untersuchung über die auf Runeninschriften genannten Frauen das Ergebnis fest, dass „less than a third (67, i.e. 31 %)“166 der Inschriften mit einer Gott-helfe-Formel (ohne Anrufung der Mutter Gottes) Frauen nennen. Im Gegenzug zeigt sie, dass „almost half of the St. Mary-inscriptions (16, i.e. 47 %)“167 Frauen erwähnen. Auf das von ihr genannte Gesamtkorpus an Inschriften umgerechnet, ergeben ihre Zahlen einen 33,5 %igen Frauenanteil aller Gott-helfe-In-
165 33 der 110 Inschriften, die Schlangenornamentik enthalten, wurden in dieser Kategorie gezählt. Das sind 30,6 %, fast 7 Prozentpunkte mehr als zu erwarten gewesen wäre. 166 Gräslund: Pagan and Christian in the Age of Conversion, 92. 167 Ebd.
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schriften (sowohl mit als auch ohne Mutter Gottes bzw. Maria). Legt man dieselbe Rechnung auf die Inschriften mit Sterbeterminologie um, so ergibt sich das Ergebnis, dass zwar der Frauenanteil innerhalb der gesamten 51 Gott-helfe-Inschriften nahezu derselbe ist (33,3 %), dass aber die Quote bei denjenigen Inschriften, die nicht Gottes Mutter anrufen, um gut sieben Prozentpunkte niedriger liegt (24,4 %). Bei den Inschriften, die sowohl Gott als auch Gottes Mutter um Hilfe bitten, beträgt der Frauenanteil sogar 70,0 %. Und innerhalb dieser Inschriftengruppe findet sich nur eine einzige Inschrift (U 539) ohne Schlangenornamentik. Letzteres Faktum spiegelt sehr deutlich die oben diskutierte Gewichtung wider, dass Runenschlangen in Verbindung mit Bittformeln häufiger erscheinen als Kreuze. Zur Übersicht siehe Tabelle 12. Tab. 12: Gegenüberstellung der Inschriften mit Bittformeln 168 Inschriften von/für Frauen
Bittformeln insgesamt
Bittformeln ohne Anrufung von Maria
Bittformeln mit Anrufung von Maria
Gesamtkorpus168 Sterbeinschriften
34 % 33 %
31 % 24 %
47 % 70 %
Zusammenfassend können die Ergebnisse folgendermaßen dargestellt werden: 1. Frauen waren die wesentlich Aktiveren, wenn es um die Erstellung von Bittformeln ging, die auch an die Mutter Gottes gerichtet waren. Die Untersuchungsergebnisse von Anne-Sofie Gräslund können damit untermauert und weiter nuanciert werden: 2. Im Zusammenhang mit der konkreten Angabe des Todes nehmen die Frauen einen noch wichtigeren Part ein, als dies bereits unter Punkt 1 der Fall ist. 3. Im Zusammentreffen von Gott-helfe-Formeln von oder für Frauen kann mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Schlangenornamentik gerechnet werden. Der erstgenannte Punkt ist auch insofern interessant, als die Frauen (wie im Kapitel C 3.1 gezeigt) im sozialen Gefüge der Wikingergesellschaft eine scheinbar eher untergeordnete Rolle eingenommen haben. Zumindest eine Rolle, in der es weder erwähnenswerte Abstufungen noch überhaupt nennbare Titel gab. Dass die Frauen daher die weibliche Protagonistin der christlichen Religion besonders häufig nennen, erklären Anne-Sofie Gräslund169 und später Britt-Mari Näsström170 folgendermaßen, nämlich dass diese hohe Korrelation Frauen/Maria darauf zurückführen ist, dass die christliche Maria die Funktion der heidnischen Göttin Freyja171 übernommen hat, welche im 168 Ebd. 169 Gräslund: „Gud hjälpe nu väl hennes själ“. Om runstenskvinnorna, deras roll vid kristnandet och deras plats i familj och samhälle, 225ff. 170 Näsström: Från Fröja till Maria, 343ff. 171 Zur Bedeutung Freyjas für verstorbene Frauen vgl. Heizmann: Totenberg, 186.
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paganen Skandinavien eine wichtige Rolle für Frauen spielte. Möglicherweise ist Maria – als einzige Frau der neuen christlichen Religion – als eine Lösung auf der Suche nach einer weiblichen Figur, welche der Identifikation dienen konnte, anzusehen. Dies bezeichnet Anne-Sofie Gräslund172 als „Kompensation für die vorchristlichen weiblichen Götter“.173 Vielleicht ist es dieser Bedarf, der durch die vorgenannten Inschriften widergespiegelt wird. Und damit, dass Frauen durch die Schlangenornamentik eine besonders hohe Aufwandsbereitschaft bei der Erstellung von Runeninschriften an den Tag legten, wird die wichtige Rolle unterstrichen, welche die wikingerzeitliche Frau im Umgang mit dem Tod eingenommen haben könnte. Linn Lager beschreibt die Schlangenornamentik als „traditional animal style of the period“174 und deutet sie als nicht eigentlich christliches Element. Ihr zufolge ist es ein Symbol des herkömmlichen Glaubens, das später simultan im christlichen Glauben verwendet wird. Die Midgardschlange assoziiere Ragnarök, das wiederum ein Äquivalent in der Apokalypse findet. Somit sei das Runenband „simultaneously […] a symbol of the traditional religion and Christianity“.175 Die hier geschilderten Ergebnisse sprechen auch dafür, denn das häufige Vorkommen von Runenschlangen auf christlichen Inschriften deutet auf einen Bedeutungswandel hin. Das einstige heidnische Gedankengut, das sich hinter einer Abbildung von Runenbändern als Schlangen oder Drachen verbarg, ist in Inschriften mit Gott-helfe-Anrufungen nicht mehr enthalten. Das auffällig häufige Aufeinandertreffen solch eindeutig christlicher Inschriften mit Schlangenornamentik gibt dem Design einen neuen Bedeutungsinhalt.
Christliche Bittformeln: Das kumbl Ein häufiges Vorkommen zusammen mit den Bittformeln an die christliche Gottheit auf den Inschriften mit Begriffen, die das Sterben zum Ausdruck bringen, ist auch das Benennen des Runensteins als kumbl. Insgesamt gibt es in der Gruppe der Toten-Inschriften 21 Stück, die auf diese Weise betitelt werden. Eine davon enthält auch eine Thor-weihe-Formel (DR 110), sieben gehören den Gott-helfe-Inschriften an (DR 337, G 138, G 343, Ög 75, Sö 174, U 616, U 620). Nach Klaus Düwel ist die Bezeichnung „am besten mit ‚Denkmal, Monument‘ zu übersetzen.“176 Die Singularformulierung beziehe sich auf den einzelnen Runenstein, die Pluralform könne eine Anlage von Hügel und Runenstein, auch eine Schiffsetzung sein.
172 Gräslund: „Gud hjälpe nu väl hennes själ“. Om runstenskvinnorna, deras roll vid kristnandet och deras plats i familj och samhälle, 225. 173 Ebd., 225: „[…] dyrkan av Jungfru Maria kanske av kvinnorna kunde ses som en kompensation för de förkristna kvinnliga gudar som övergavs vid trosskiftet.“ 174 Lager: Art as a Reflection of Religious Change, 124. 175 Ebd., 127. 176 Düwel: Runenkunde, 98.
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Empirischer Teil: Hauptuntersuchung der 218 Sterbeinschriften
Karl Martin Nielsen führt aus,177 dass der Begriff kumbl dieselbe Bedeutung habe wie merki. Diese Aussage kann zumindest nach der Untersuchung innerhalb der TotenInschriften nicht bestätigt werden. Keine der merki-Inschriften enthält eine Gott-helfeFormel (was jedoch aufgrund der geringen Fallzahl nicht als statistische Besonderheit gewertet werden darf), während bei den kumbl-Inschriften dies mit einer überhöhten Wahrscheinlichkeit der Fall ist (33,3 %, sieben Stück). Die Benennung des Inschriftenobjektes als „Stein“ tritt im ungefähr erwarteten Maße in Erscheinung (25,8 %, 34 Stück). Das hervorstechende Ergebnis der relativ häufigen kumbl-Bezeichnungen mit Bittformeln ist vielleicht derart zu deuten, dass diese so benannten Inschriftenmonumente ihre Bedeutung auch im religiösen Kontext zu finden haben.
Christliche Bittformeln: Die Sterbeterminologie Die Untersuchung der Inschriften mit Gott-helfe-Formeln auf ihre verschiedentliche Sterbeterminologie hin, liefert ein erstaunliches Ergebnis, das auf den ersten Blick widersprüchlich erscheint: Innerhalb der Gruppeneinteilung erweisen sich die Gruppe 2a (Tod durch äußere Umstände mit aktiver Mitwirkung durch andere Personen) und die Gruppe 3 (konnotative Mitteilung) als diejenigen mit den höchsten Ausprägungen. Inschriften, die vom Sterben durch Erschlagen und Betrügen bzw. über Gefallene mitteilen, enthalten eine mit zehn Prozentpunkten höhere Auftrittswahrscheinlichkeit von Gott-helfe-Formeln (32,7 %, 16 Stück). Die Runensteine, auf welchen der Tod indirekt mitgeteilt wird, weisen einen noch höheren Anteil aus (37,0 %, zehn Stück). Die beiden verbleibenden Gruppen 1 und 2b (neutrale Formulierung und Tod durch äußere Umstände, jedoch ohne Mitwirkung weiterer Personen) zeigen sehr niedrige und unterhalb des erwarteten Wertes liegende Zahlen (Gruppe 1: 17,7 %, 23 Stück; Gruppe 2b: 16,7 %, ist jedoch bei einer Fallzahl von zwei Stück statistisch nicht aussagefähig). Dass in der Gruppe der anonymisierten und chronologisch eher späten Inschriften ein verhältnismäßig hohes Vorkommen dieser Bittformeln erscheint, ist zu erwarten gewesen, da diese Tendenz mit der fortschreitenden Christianisierung einhergeht. Es zeigt sich eine hohe Korrelation im Zusammentreffen der Gott-helfe-Formel mit den in Gruppe 3 befindlichen Sterbetermini, die auf euphemistische Weise über den Tod informieren. Die Aussage, dass der Tote „liegt“ bzw. die Runen „über“ ihm geritzt wurden, tritt relativ häufig in Erscheinung (37,0 %, zehn Stück). Auch an dieser Stelle kann durch das hohe Bittformelvorkommen in Gruppe 3 (konnotative Mitteilung) abgeleitet werden, dass mit dem fortgeschrittenen Einzug des Christentums in die Runensteinkultur die Hinterbliebenen mit dem Thema ‚Tod und Sterben‘ sprachlich distanzierend und damit vermutlich weniger selbstverständlich mit dem Prozess des Sterbens umgingen. Die Nennung des Todes im Beisein einer Bitte um Gottes Hilfe geschieht häufiger auf indirekte Weise.
177 Nielsen, K. M.: Kuml, 164ff.
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Abb. 10: Öl 36, Bjärby (Quelle: J. Köster)
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Interessant ist bei dieser Inschriftengruppe allerdings die Tatsache, dass keine der drei Inschriften, die ausdrücklich ein Begräbnis nennen (Öl 36, Sö 47, U 170), eine Gott-helfe-Formel enthält; eventuell sind dies inhaltlich deckungsgleiche Informationen, so dass bei zusätzlicher Anbringung einer Gebetsformel Redundanz vorläge. Die Inschrift Bjärby (Öl 36, siehe Abb. 10) führt nicht nur die Tatsache eines Begräbnisses auf, sondern eine zusätzliche Erläuterung í kirkju. Es ist jedoch davon auszugehen, dass das Begräbnis nicht in, sondern bei der Kirche, also auf dem Kirchhof stattfand. Ähnlich wird in der södermanländischen Inschrift Vålsta (Sö 47) der Begräbnisort á Gu[tlandi] angegeben. Das Begräbnis, das auf dem Stein zu Bogesund (U 170) erwähnt wird, deckt sich in der Art der Formulierung mit der öländischen Inschrift: ha[nn e]r grafinn í kirkjugardi. Die ausdrückliche Erwähnung der Kirche bzw. des Kirchhofs zeugt von einer hohen Bedeutung dieser Einrichtung für den/die Hinterbliebenen. Eine zusätzliche Bittformel scheint hier deshalb nicht nötig.
Christliche Bittformeln: Die Chronologie gemäß der Stilperiodisierung Wird das prozentuale Erscheinen der Bittformeln innerhalb der Inschriftengruppe mit Sterbeterminologie im zeitlichen Prozess (gemäß Gräslunds Stilgruppierung178) ermittelt, so zeigt sich eine Tendenz, die auf vermehrtes Bittformel-Auftreten im Laufe der Stilperioden hinweist. Da die von Gräslund vorgeschlagenen Stilperioden einander teilweise überschneiden, kann eine graphische Darstellung natürlich maximal als hilfestellendes Konstrukt angesehen werden.
Abb. 11
178 Gräslund: Runstenar – om ornamentik och datering I + II.
Die Religion
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Die Grenzen zwischen den Perioden sind verschwommen, eine Zuordnung zu der einen oder anderen benachbarten Stilgruppe kann deshalb nicht mit ausschließlicher Sicherheit erfolgen. Die dargestellten Kurven müssen aus diesem Grund in ihren Extremen quasi „weichgezeichnet“ werden. Nach einer solchen Anpassung und der Beachtung, dass die Periode 2 und die der „fågelperspektiv“ (Fp) zeitlich nahezu übereinstimmen, die beiden Werte demnach näher zusammenrücken müssen, ergeben sich drei Auffälligkeiten: 1. Am Beginn der Runensteinsitte in der Periode RAK steht der Gebrauch von Bittformeln (prozentual gesehen) deutlich unterhalb des statistischen Erwartungswertes, was sich im weiteren Verlauf invers darstellt. Danach, etwa ab Pr1, machen die verhältnismäßigen Anteile an Bittformeln innerhalb der Sterbeinschriften größere Anteile aus, bewegen sich in der Nähe bzw. klar oberhalb des Erwartungswertes. 2. Die Tendenz zeigt ein vermehrtes Aufkommen mit fortschreitender Zeit. 3. Die Periode 3 (ca. 1050–1070) unterbricht diese Kontinuität.
Christliche Bittformeln: Vergleich der Inschriften mit und ohne Sterbeterminologie und die regionale Verteilung Wie in der Einleitung dieses Kapitels erwähnt, beträgt die durchschnittliche Auftrittswahrscheinlichkeit einer Gott-helfe-Formel auf Runensteinen mit Sterbeterminologie 23,4 %. Nach den Ergebnissen von Rune Palm179 beträgt die Gesamtzahl der Bittformeln 305 Stück (auf 1651 Inschriften), dies entspricht einem prozentualen Anteil von 18,5 %. Wird hieraus die Gruppe der Toteninschriften subtrahiert, so ergibt sich ein Wert für die Gegengruppe der Inschriften ohne Sterbeterminologie von 17,7 % an Bittformeln (und ebenso nach eigener Berechnung: 17,5 %), wie in Tabelle 13 dargestellt. Tab. 13: Vergleich des Aufkommens von Bittformeln Bittformelaufkommen Ohne Sterbeterminologie Mit Sterbeterminologie
17,7 % 23,4 %
Eine deutlich erhöhte Abweichung von diesem Wert zeigen die uppländischen Inschriften: Von den 69 Toten-Inschriften aus Uppland enthalten 37,7 % (26 Stück) eine Bittformel. Verglichen mit den anderen Regionen ist das ein singuläres Ereignis, welches Rückschlüsse auf den fortschreitenden Prozess der Christianisierung innerhalb des Landes Schweden zulässt: in keiner anderen Region wird (mit einer statistisch relevanten Anzahl von Inschriften) ein solch hoher Wert erreicht. Betrachtet man die Gegenseite, also jene Zahlen, die ein äußerst niedriges Vorkommen von Bittformeln
179 Palm: Runor och regionalitet, 155.
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Empirischer Teil: Hauptuntersuchung der 218 Sterbeinschriften
aufweisen, zeigen sich in Småland, Södermanland, Västergötland, Östergötland und Öland auffällige Werte. In der letztgenannten Region Öland finden sich innerhalb der Toteninschriften überhaupt keine Bittformeln.180 Somit stellt sich die Gruppe der uppländischen Sterbeinschriften aus religiöser Perspektive als im Prozess der Christianisierung am weitesten fortgeschritten dar. Die Nachbarregion Södermanland, die mit insgesamt 47 Sterbeinschriften zwar nominal den zweithöchsten Anteil ausmacht, zeigt sich in diesem untersuchten Aspekt jedoch konträr zum uppländischen Erscheinungsbild. Dass dort, trotz der relativ hohen Gesamtzahl, nur fünf Inschriften Bittformeln tragen (10,6 %), also nur die Hälfte des erwarteten Wertes (im Gegensatz zu Uppland, wo das Auftreten mehr als 14 Prozentpunkte über dem erwarteten Wert liegt) und ein solch niedriges Aufkommen an Bittformeln zu verzeichnen ist, ist als weitere Auffälligkeit im Vergleich der beiden Regionen Södermanland und Uppland zu verzeichnen. Rune Palm181 hat folgende Verteilung der Gebetsformeln über die skandinavischen Länder bzw. Regionen festgestellt: Dänemark: 24 (von gesamt 187), Schweden: 280 (von gesamt 1431), Södermanland: 50 (von gesamt 250), Uppland: 167 (von gesamt 748). Werden diese Zahlen weiter unterteilt in die zwei Gruppen mit und ohne Sterbeinformationen, so zeigt sich nicht nur im Vergleich der Gesamtzahlen beider Gruppen, sondern auch im gegenseitigen Vergleich der einzelnen Regionen, durchwegs ein häufigeres Erscheinen von Bittformeln auf Inschriften mit Sterbeterminologie. Die einzige Abweichung bildet hier – wie vorgenannt – Södermanland. Die Bittformeln stehen demnach in direktem Zusammenhang mit der Erwähnung des Todes auf Inschriften. Sobald die Information über eine verstorbene Person transportiert wird, erhöht sich deutlich die Wahrscheinlichkeit für den Gebrauch einer Bittformel. Die Vergleichsgruppe der Inschriften ohne Sterbeterminologie weist ein Vorkommen von Bittformeln in Höhe von 17,7 %182 aus. Aus der Gesamtperspektive weichen die Toteninschriften mit ihren 23,4 % davon ab. Fokussiert man diese beiden Zahlen jedoch nur auf die Bereiche Uppland und Södermanland, ergeben sich Werte, welche die in dieser Arbeit getroffene Unterscheidung zwischen Inschriften mit und ohne Sterbeinformationen als sinnvoll herausstellen (Tabelle 14).
180 Der erwartete Wert für „keine Gott-helfe-Formeln“ beträgt 75,7 %. In den fünf genannten Regionen liegen die Prozentzahlen deutlich oberhalb dieses Richtwertes: Småland 80,0 %, Södermanland 89,4 %, Västergötland 86,7 %, Östergötland 90,0 %, Öland 100 %. Uppland hingegen zeigt in dieser Kategorie entsprechend eine sehr niedrige Quote: 62,3 %. 181 Palm: Runor och regionalitet, 155. 182 Ebd., 155: Gesamtzahl von 1651 Inschriften abzgl. der 218 Sterbeinschriften = 1433 Inschriften. Davon 254 Bittformeln (gesamt 305 abzgl. 51 Sterbeinschriften) = 17,7 %.
Die Religion
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Tab. 14: Gegenüberstellung der Inschriften mit Bittformeln Bittformeln
innerhalb aller Inschriften ohne Sterbeterminologie
innerhalb aller Inschriften mit Sterbeterminologie
regional unabhängig nur Uppland nur Södermanland
17,7 % 20,8 % 22,2 %
23,4 % 37,7 % 10,6 %
Zur Berechnung der Prozentwerte für Inschriften ohne Sterbeterminologie vgl. Palm: Runor och regionalitet, 155. Uppland: Gesamtzahl von 748 Inschriften abzgl. der 69 Sterbeinschriften = 679 Inschriften. Davon 141 Bittformeln (gesamt 167 abzgl. 26 Sterbeinschriften) = 20,8 %. Södermanland: Gesamtzahl von 250 Inschriften abzgl. der 47 Sterbeinschriften = 203 Inschriften. Davon 45 Bittformeln (gesamt 50 abzgl. 5 Sterbeinschriften) = 22,2 %.
Diese Gegenüberstellung macht deutlich, dass sich bei Inschriften, die nicht konkret das Sterben nennen, die uppländischen Runensteine um weniger als drei Prozentpunkte vom Gesamtkorpus abheben. Bei denjenigen jedoch, die eine deutliche Aussage über den Tod treffen, sticht der Anteil um mehr als 14 Prozentpunkte hervor; die Anrufung von christlichen Fürsprechern ist beim Vorhandensein von Sterbeterminologie wesentlich häufiger. Die södermanländischen Inschriften unterscheiden sich im Rahmen der Inschriften ohne Sterbeterminologie mit viereinhalb Prozentpunkten auch nur verhältnismäßig wenig vom Gesamtkorpus, erfahren aber innerhalb der Toten-Inschriften ebenfalls eine ganz deutliche Abweichung – allerdings nach unten. Es kann also der Schluss gezogen werden, dass es hinsichtlich christlicher Bittformeln einen wesentlichen Unterschied gemacht haben muss, ob eine Inschrift einen Toten als solchen benennt oder nicht. Dies trifft auf die Regionen Uppland und Södermanland zu.
4.1.2 Die heidnische Formel: Thor weihe Die Anzahl der Thor-weihe-Inschriften innerhalb der Toten-Inschriften ist mit zwei Stück zu gering, als dass daraus allgemeingültige Interpretationen abgeleitet werden könnten. Insgesamt gibt es fünf solcher Thor-weihe-Inschriften (DR 209, Vg 50, Sö 140, DR 110, DR 220). Beide Runensteine gehören den dänischen Inschriften an und zeigen eine eindeutige Bestimmung mit der Formulierung „Thor weihe diese Runen“ (DR 220) bzw. „Thor weihe dieses kumbl“ (DR 110). Beide Sterbetermini183 entstammen der neutralen Gruppe 1. Keine der beiden Inschriften zeigt heroische Textinhalte oder gibt mehr Informationen als die gängige for-
183 DR 110: ept daudan, DR 220: en [hann] vard daudr.
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melhafte Inschriftenstruktur beinhaltet, enthält also auch keine metrischen Einschübe oder Informationen über die Hinterbliebenen. Der Sterbeort wird auf der Inschrift zu Søder Kirkeby (DR 220) mit Gotland angegeben, dieselbe Inschrift zeigt die Abbildung eines Schiffs. Beide Inschriften wurden von männlichen Hinterbliebenen für männliche Tote angefertigt (DR 220 von einem Bruder, DR 110 nennt die Art der Beziehung nicht). Die Anrufungen an den Gott Thor sind deutliche Indizien für das Bestehen heidnischer Einstellung und sollen dazu dienen, das Denkmal unter den Schutz dieses Gottes zu stellen (im Gegensatz zu den Gott-Helfe-Formeln, die sich ausdrücklich auf die Person, respektive deren Seele, beziehen und nicht auf die Erhaltung des Inschriftenmaterials). Gemäß der Datierung von Erik Moltke184 stammen die Inschriften aus dem 10. Jahrhundert, einer Zeit, in der bereits die Gott-helfe-Formeln ihre Verbreitung gefunden haben. Edith Marold hat sich eingehend mit dem Thema auseinandergesetzt und bewertet diese Parallelität von Anrufungen sowohl heidnischer als auch christlicher Gottheiten als „Neubildungen des Heidentums unter dem Einfluss und nach dem Vorbild des Christentums“.185
4.2 Kreuzsymbolik Das auffälligste Merkmal der Runensteine mit Informationen bezüglich Christentum und Religion ist die Verwendung von Kreuzsymbolen.186 In der Gesamtheit lässt sich damit die Ausbreitung des Christentums deutlich ablesen. Im individuellen Fall muss das Augenmerk aber auch auf weitere Kriterien gelegt werden. Das Fehlen eines Kreuzes kann nicht von vornherein mit dem heidnischen Glauben gleichgesetzt werden bzw. lässt im umgekehrten Fall das Kreuz nicht unbedingt auf eine tatsächlich religiöse Orientierung des Errichters schließen. Es muss auch in Rechnung gestellt werden, dass das Anbringen von Kreuzen auf Runeninschriften ursächlich eventuell gar nicht immer im Zusammenhang mit ausschließlich religiösen Aspekten stand, sondern möglicherweise auch ornamentalen Zwecken gedient haben kann. Mats G. Larsson hat sich mit dem Verhältnis zwischen christlichen Textinhalten und Kreuzdarstellungen befasst187 und stellt heraus, dass die Verteilung von Kreuzen
184 Moltke: Runes and their origin, 224. 185 Marold: „Thor weihe diese Runen“, 220. 186 Für eine gründliche Untergliederung und Typeinteilung der großen Variation an Kreuzabbildungen auf Runensteinen wird auf Arbeiten verwiesen, die sich genau dieser Thematik annehmen, z.B. Moltke: Runes and their origin, 272ff; Sawyer, B.: The Viking-age rune-stones, 194ff; Thomson: Studies in Upplandic Runography, 30f. Insbesondere wird an dieser Stelle auf die Arbeit von Linn Lager hingewiesen: Den Synliga Tron. Runstenskors som en spegling av kristnandet i Sverige. 187 Larsson, M. G.: Runstenar och utlandsfärder, 31ff.
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oder christlichen Texthinweisen im Prinzip eine zufällige ist und dass „alle oder so gut wie alle Steine christlich sein können, auch ohne dass es direkt aus dem Text oder der Ornamentik hervorgeht“.188 Henrik Williams führt diesen Sachverhalt weiter aus189 und stellt die Frage, welchem Zweck dann die Kreuzdarstellungen gedient haben können, wenn doch grundsätzlich alle Runensteinerrichtungen als Bekenntnishandlungen in dieser Richtung anzusehen sind. In diesem Kapitel werden die Toten-Inschriften mit Kreuzabbildungen auf verschiedene Kriterien hin untersucht. Es stellt sich bereits allein bei der Gegenüberstellung der Gruppen mit und ohne Sterbeterminologie ein deutlicher Unterschied in der Häufigkeit190 der Kreuzvorkommen heraus. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die Verwendung von Kreuzsymbolik auf Runensteinen im Hinblick auf ein bestimmtes Ziel geschehen ist. Insgesamt enthält die Gruppe der 218 Inschriften 116 Stück, die ein oder mehrere Kreuzsymbole enthalten, das sind 53,3 %. Dieser Wert wird daher als erwartete Verteilung auch der Subgruppen angenommen. Alle Kategorien, die bemerkenswert von dieser Richtlinie abweichen, werden im Folgenden angeführt.
Kreuzsymbolik: Die Sterbeterminologie Bei Aufgliederung der Sterbetermini in die verschiedenen Gruppen ergibt sich bei den Kreuzinschriften ein leicht erhöhtes Aufkommen von Inschriften aus der Gruppe 1 mit den neutralen Sterbetermini (56,2 %, 73 Stück), ebenso zeigt die Gruppe 3 der indirekten Umschreibungen (55,6 %, 15 Stück) leicht erhöhte Werte. Etwas unterhalb des Erwartungswertes liegen die Ergebnisse aus den Gruppen 2a (49,0 %, 24 Stück) und 2b (33,3 %, dies jedoch mit nur vier Stück, also mit einer möglichen zufallsbedingten Komponente). Sofern also äußere Einwirkungen den Tod eines Menschen bewirkt haben (sei es mit oder ohne aktivem Zutun durch weitere Personen), treten Kreuze mit etwas geringerer Wahrscheinlichkeit in Erscheinung. Das kann einerseits bedeuten, dass Kreuze in Verbindung mit aussagekräftigen und wertenden Worten wie „erschlagen“ oder „ertrunken“ für die Steinsetzer eine geringere Bedeutung hatten. Andererseits könnte aber ein Hinterbliebener, der (religiöse?) Ambitionen in Form einer Kreuzabbildung auf der Inschrift zeigen wollte, bewusst einen anderen, neutraleren Sterbeterminus gewählt haben. Beide Thesen würden jedoch darauf hinweisen, dass eine „harte“ Formulierung, welche die Umstände des Sterbens schildert und ggf. damit die rühmlichen Taten des zu Gedenkenden in wikingerzeitlicher Manier zum Ausdruck bringt,
188 Ebd., 32: „Detta talar i sin tur för att samtliga eller i alla fall så gott som samtliga stenar kan vara kristna utan att detta direkt framgår av text eller ornamentik.“ 189 Williams: Runstenstexternas teologi, 292ff. 190 In der Gruppe der Toteninschriften finden sich verhältnismäßig mehr Kreuzdarstellungen als auf den übrigen Inschriften. Mehr zum Vergleich der beiden Gruppen am Ende dieses Kapitels.
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nicht im Einklang mit der tatsächlichen Funktion der Kreuzabbildung stand und dies daher vermieden wurde. Innerhalb der Gruppe 1 (neutrale Sterbetermini) zeigt sich mit 72,7 % (16 Stück) eine sehr hohe Korrelation bei der Wortwahl enda in Verbindung mit dem Gebrauch von Kreuzen. Die anderen hier vorkommenden Begriffe liegen innerhalb des erwarteten Rahmens. Und obwohl sich die Gruppe 3 (konnotative Mitteilung) in ihrer Gesamtheit (wie bereits oben genannt) stärker in der Kombination mit Kreuzabbildungen zeigt, stellt sich dennoch innerhalb dieser Gruppe ein mit 42,9 % (sechs Stück) deutlich niedriges Erscheinen der yfir-Inschriften dar. Obwohl diese Bezeichnung den Runenstein bereits als Grabmal nahezu definiert (denn er wurde ja über der Person errichtet) und somit die Nähe zu Begräbnisritualen und damit eventuell auch christlichem Gedankengut transportiert, wurden hier verhältnismäßig sehr wenige Kreuze in die Inschrift integriert. Dies kann daran liegen, dass die Formulierung doch noch deutliche wikingerzeitliche Züge trägt, denn zumeist besagt der Begriff yfir, dass Runen über xy geritzt wurden. Sofern die Kreuze religiösen Funktionen folgten, kann dies in Widerspruch mit den christlichen Gepflogenheiten gestanden haben. Der Wert der Inschriften der Gruppe 2a, in welcher Sterbetermini zusammengefasst sind, die auf unnatürliche Todesumstände hindeuten und dies mit aktivem Eingreifen weiterer Personen, liegt leicht unterhalb des erwarteten Wertes. Jedoch nimmt innerhalb dieser Gruppe der Terminus falla eine Sonderrolle ein: elf dieser Inschriften tragen Kreuzabbildungen (73,3 %). Dies bedeutet, dass sich in Bezug auf den Informationsgehalt von Kreuzabbildungen dieser Sterbeterminus deutlich von den anderen dieser Gruppe unterscheidet. Welche Funktion Kreuzabbildungen auch immer gehabt haben mögen, ob christlich oder ornamental, den Hinterbliebenen, welche die Sterbebezeichnung „gefallen“ wählten, stand der gleichzeitige Gebrauch von Kreuzsymbolik sehr nahe. Insgesamt zeichnet sich hier eine sehr deutliche Tendenz ab: je näher die Beschreibung des Todes an die christlichen Gepflogenheiten rückt, d.h. je wertfreier bzw. anonymisierter der Informationsgehalt diesbezüglich wird, desto häufiger treten Kreuzabbildungen in Erscheinung. Und in dieser Subgruppe scheint der aus dem kriegerischen Umfeld stammende Begriff des Gefallenen eine eigene Bedeutung zu haben. Diese Tatsache entspricht nicht der oben genannten, von Mats G. Larsson aufgestellten These, dass der Gebrauch von Kreuzsymbolen auf Zufälligkeit basiert. Im Gegenteil wird die Wichtigkeit der Frage von Henrik Williams nach dem Zweck der Kreuzdarstellung hiermit unterstrichen.
Kreuzsymbolik: Die Ornamentik Einen weiteren Hinweis bei der Untersuchung der Kreuzinschriften gibt es in Verbindung mit ornamentalen Besonderheiten. Auch diese Ergebnisse zeigen eine klare Li-
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nie: Die Toteninschriften mit Kreuzen sind im gleichzeitigen Vorkommen von Runenschlangen mit 62,0 % (67 Stück) sowohl absolut als auch verhältnismäßig deutlich in der Überzahl. Hingegen zeigt sich der Gebrauch sonstiger Abbildungen nicht in Abhängigkeit von Kreuzdarstellungen. Sowohl in der Gruppe der Kreuzinschriften als auch in der ohne diese finden sich in ungefähr gleichem Verhältnis Abbildungen von Schiffen, Pferden, Reitern oder eines vierbeinigen, löwenähnlichen Tieres.
Kreuzsymbolik: Personenbezogene Auffälligkeiten Die Verwendung von Kreuzsymbolik auf Runensteinen zeigt sich im Bereich der Totensteine besonders hoch, wenn die Inschriften von weiblichen und männlichen Hinterbliebenen in Gemeinschaft hergestellt wurden (18 Stück, 66,7 %). Im Hinblick auf das Geschlecht des Toten stellt sich die Statistik wegen zu geringer Anzahlen als nicht auswertbar dar (Inschriften für weibliche Tote und Inschriften für männliche und weibliche Tote: insgesamt nur drei Stück). In beiden Kategorien (d.h. bei Hinterbliebenen und Toten) zeigt sich jeweils der Anteil der Unbekannten als auffällig niedrig. Wird die Untersuchung auf der Ebene der Generationen fortgesetzt, stellt sich der Inschriftenanteil mit Kreuzsymbolik, der für die ältere Generation angefertigt wurde, mit 69,0 % (29 Stück) deutlich erhöht dar. Danach folgen die Kreuzinschriften für die jüngere Generation mit 61,1 % (33 Stück). Auch hier ist die Anzahl der Inschriften, deren Generationenfolge nicht aus der Inschrift hervorgeht, sehr niedrig. Zusammenfassend zeigt sich innerhalb der Toteninschriften, dass vorrangig Eltern und/oder Kinder, und dies besonders in Erscheinung beider Geschlechter, Kreuze zur Anwendung brachten.
Personenbezogene Auffälligkeiten im Vergleich beider Gruppen mit und ohne Sterbeterminologie Eine Untersuchung nach denselben Kriterien im Bereich der Inschriften ohne Sterbeterminologie ergibt, dass bei Inschriften, die von männlichen und weiblichen Hinterbliebenen gemeinschaftlich erstellt wurden, das Ergebnis deutlich niedriger ausfällt als bei der Gegengruppe der Toteninschriften: – Mit Sterbeterminologie: 15,52 % (18 Kreuzinschriften von männlichen und weiblichen Hinterbliebenen aus insgesamt 116 Kreuzinschriften). – Ohne Sterbeterminologie: 10,63 % (86 Kreuzinschriften von männlichen und weiblichen Hinterbliebenen aus insgesamt 809 Kreuzinschriften).191
191 Eigene Auswertung.
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Prozentual wurden in der Inschriftengruppe mit Sterbeterminologie Kreuze 1,5-mal häufiger angebracht als auf Inschriften, die den Tod nicht zum Thema haben. Oder anders herum: Werden Inschriften von männlichen und weiblichen Hinterbliebenen in Gemeinschaft erstellt, d.h. vorrangig von Eltern, so wird der Vorgang des Sterbens relativ häufiger konkret erwähnt.
Weitere Informationen innerhalb der Kreuzinschriften Die Angabe des Sterbeortes spielt innerhalb der Kreuzinschriften mit Sterbeinformation eine etwas übergeordnete Rolle (57,4 %, 81 Stück). Die genannten Lokalitäten lassen sich jedoch nicht generalisieren, da sich die Nennungen von Orten oder Himmelsrichtungen über die ganze Bandbreite erstrecken. Die Ritzersignaturen wurden auf Inschriften mit Kreuzabbildungen (16 Stück, 57,1 %) verhältnismäßig häufiger angebracht, als auf denjenigen, die keine Kreuzsymbolik aufweisen (42,9 %, 12 Stück). Die Nennung des Ritzernamens zeigt mit 13,8 % innerhalb der 218 Inschriften ein sehr niedriges Vorkommen. Dass der Anteil bei den Kreuzinschriften höher ist als statistisch erwartet, kann mit individuellen Vorlieben in Zusammenhang stehen. Die Anbringung von Kreuzen an sich ist bereits ein Aspekt, der außerhalb des reinen Informationsgehalts einer Runeninschrift liegt. Durch die Anfertigung eines Kreuzes wird eine Ebene betreten, die aus der sachlichen Mitteilung in den persönlichen Bereich fällt. Der Betrachter/Leser der Inschrift erfährt damit etwas über die künstlerische Neigung, über die religiöse Einstellung oder einfach nur über den Wunsch des Auftraggebers/Erstellers, seine Arbeit von anderen abzuheben. Die zusätzliche Information über den Namen des Runenritzers ist eine weitere Facette dieses Bedürfnisses der individuellen Gestaltung und Nennung der Urheberschaft. Ein weiterer Punkt, der ebenfalls in diese Kategorie der Individualität passt, betrifft die Tatsache, dass ein unerwartet hoher Anteil der Kreuzinschriften metrisch abgefasste Textteile enthält (36 Stück, 7,9 %). Auch dieses Verhalten zeigt einen besonders hohen Aufwand, den die Hinterbliebenen in die Erstellung des Runensteins investiert haben. Der Runenstein wird innerhalb der Gruppe der Kreuzinschriften verhältnismäßig häufig als kumbl bezeichnet (12 Stück = 57,1 %), was ein Indiz für christliche Begräbnisbräuche gewesen sein kann (Näheres siehe Kapitel C 2.2 „Begräbnisinschriften“). Das würde bedeuten, dass in diesem Zusammenhang dem Kreuz als Abbildung auf Runeninschriften ein ebensolcher Symbolgehalt zukommen würde.
Kreuzsymbolik: Informationen über das Christentum aus Kreuzinschriften Die Tatsache an sich, dass eine Inschrift entweder im Text oder durch die Symbolik christliche Elemente zum Ausdruck bringt, lässt nicht die ausschließliche Folgerung zu, dass der Errichter in besonderer Weise der christlichen Religion zugewandt war bzw. dass ein Fehlen dieser Elemente auf eine heidnische Einstellung zurückzufüh-
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ren ist. An dieser Stelle soll lediglich der Zusammenhang Kreuz versus sprachliche Nennung christlicher Bezüge analysiert werden. Mats G. Larsson hat die mittelschwedischen Inschriften einer Untersuchung unterzogen192 und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass Runeninschriften mit christlichem Text zu 65 % Kreuze enthalten. Runeninschriften mit Kreuzen jedoch nur zu 20 % christlichen Text (siehe oben). Eine parallele Herangehensweise, die Inschriften der Totensteine betreffend, ergibt ganz deutlich abweichende Ergebnisse, wie Tabelle 15 zeigt. Tab. 15. Gegenüberstellung der Inschriften mit Kreuzdarstellung und christlichem Text Inschriften:
mit christlichem Text, davon Anteil mit Kreuzen mit Kreuzen, davon Anteil mit christlichem Text
mittelschwedische, nach M. G. Larsson
mittelschwedische, mit Sterbeterminologie
übrige, mit Sterbeterminologie
alle, mit Sterbeterminologie
65 %
68,6 %
50,0 %
62,7 %
(erwarteter Wert: 61,0 %)
(erwarteter Wert: 39,0 %)
(erwarteter Wert: 53,2 %)
28,0 %
26,7 %
27,6 %
(erwarteter Wert: 24,8 %)
(erwarteter Wert: 20,8 %)
(erwarteter Wert: 23,4 %)
20 %
Um die Werte in statistischer Parallelität zu den von Mats G. Larsson erhobenen Daten ermitteln zu können, wurden die 218 Sterbeinschriften in mittelschwedische (dieselbe Auswahl wie bei Larsson) und übrige unterteilt. Es können also die beiden linken Spalten (mittelschwedische Inschriften) miteinander verglichen werden, ihnen liegt dieselbe Methodik zugrunde. Die Spalten „mittelschwedische, mit Sterbeterminologie“ und „übrige, mit Sterbeterminologie“ ergeben addiert die rechte Spalte der gesamten Sterbeinschriften. Diese Übersicht zeigt zum einen, dass im Vergleich der nur mittelschwedischen Inschriften (innerhalb derer mit christlichen Textinhalten in Form von z.B. Bittformeln) kaum relevante Unterschiede bestehen. Hier wurden in etwa zu gleichen Anteilen Kreuze hinzugefügt, nahezu unabhängig davon, ob es sich um einen Totenstein handelte oder nicht. Wie aber die obere Ellipse zeigt, bestand dieser Unterschied jedoch zwischen der mittelschwedischen Region und den übrigen Gegenden auf jeden Fall. Dort wurden im Vergleich verhältnismäßig seltener Kreuze auf Inschriften mit christlichen Textinhalten zugefügt.
192 Larsson, M. G.: Runstenar och utlandsfärder, 31ff.
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Aus der Gruppe der Kreuzinschriften enthalten die mittelschwedischen Sterbeinschriften zu 28,0 % auch Bittformeln und weitere verbale Zeichen der Religiosität. Das ist ein deutlicher Unterschied zu dem von Mats G. Larsson ermittelten Wert. Hier kann demnach festgestellt werden, dass auf Toteninschriften im Raum Uppland, Södermanland, Västmanland und Östergötland die Gruppe der Kreuzinschriften einen höheren Anteil an religiösen Texten enthält als diejenigen Inschriften, die keine Sterbeterminologie enthalten. Gleiches gilt auch für die Gesamtgruppe der Toteninschriften; diese enthält mehr Bittformeln oder andere religiöse Textinhalte als erwartet. Wie sich aus der unteren Ellipse ergibt, ist diese mittelschwedische Auffälligkeit auch auf die übrigen Regionen übertragbar. In diesem Fall unterscheidet sich die gesamte Gruppe der Sterbeinschriften von der Gegengruppe, die hier durch die mittelschwedische Untersuchung von Mats G. Larsson dargestellt wird. Im Speziellen ist auf dieser Grundlage festzuhalten, dass bei Sterbeinschriften mit Kreuzabbildungen die Auftrittswahrscheinlichkeit christlicher Textelemente deutlich höher ist, beispielsweise durch die Gott-helfe-Formel oder die Anrufung von Heiligen. Für die Inschriftengruppe der Totensteine bedeutet dies, dass die Tendenz, Kreuze zusätzlich zur christlichen Inschrift hinzuzufügen, geringer ist. Das Symbol des Kreuzes hatte somit für die Inschriftenersteller, die den Runenstein für einen Toten errichteten, eine geringere Bedeutung. Eine hohe Bedeutung jedoch hatten die christlichen Textteile, die Nennung von Götternamen, die Bittformeln. Es kann daraus geschlossen werden, dass im Prozess, den die Angehörigen nach dem Tod des Familienmitglieds gegangen sind, der ‚innere‘ Bezug zur christlichen Religion in einer Form von direkter Kommunikation mit konkret genannten heiligen Figuren stattgefunden hat. Ein ‚äußeres‘ Zeigen von Symbolen hatte weniger Bedeutung und ist daher seltener zur Anwendung gekommen. Durch die Nennung von Namen und Bitten entstand eine Art Dialog, nicht aber durch das bloße Aufzeigen von Kreuzsymbolik. Bezüglich der Informationen über das Christentum, erweist sich in dieser Subgruppe der Kreuzinschriften auch das Ergebnis als bemerkenswert, dass alle der insgesamt fünf Brücken-Inschriften, die Sterbeterminologie enthalten, zugleich Kreuzabbildungen aufweisen. Da dies jedoch eine sehr geringe Fallzahl ist, könnte auch eine zufällige Komponente im Spiel sein, was hiermit als solche gewertet wird.
Kreuzsymbolik: Die gleichzeitige oder nachträgliche Anbringung Viele Kreuze nehmen in der Inschrift eine isolierte Position ein, d.h. sie bilden nicht zwingend eine Einheit mit dem Gesamtdesign und können daher auch nachträglich angebracht worden sein. Dies betrifft vor allem Kreuzdarstellungen, die klein und in ihrer Ausgestaltung sehr einfach gehalten sind. Auch bei Inschriften, die verschiedene Arten von Kreuzdarstellungen enthalten, kann dies der Fall sein. Bei anderen Kreuzen, die z.B. das optische Zentrum des Inschriftenaufbaus bilden, ist dies weniger wahrscheinlich. Kreuze, die durch die Anordnung der Runenbänder bzw. Schlan-
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genornamentik entstehen und damit ein wesentliches Element der Gesamtkomposition der entsprechenden Inschrift bilden, sind zweifellos direkt bei der Inschriftenerstellung und nicht nachträglich entstanden. Die Frage der Gleich- oder Nachzeitigkeit (nachträglich z.B. im Falle der Konsekration des Runensteins) wurde vielfach diskutiert.193 Henry Freij194 untersucht mit technischen Hilfsmitteln die verschiedenen Ritztiefen einzelner Inschriftenelemente und stellt fest, dass „Ornament und Runen nicht von derselben Person geritzt wurden“.195 Diese Feststellung erlaubt lediglich die Aussage, dass an einer Inschrift mindestens zwei Personen beteiligt waren, wovon die eine für die Inschrift, die andere für die Ornamentik zuständig war. Eine Beantwortung der Frage, ob eine zeitliche Differenz vorliegt, ist dadurch nicht möglich.
Kreuzsymbolik: Regionales Vorkommen von Kreuzinschriften und Vergleich des Gesamtaufkommens an Kreuzsymbolik mit der Gruppe ohne Sterbeterminologie Linn Lager hat in ihrer Arbeit „Den Synliga Tron“ eine Materialauswahl getroffen, aus deren Berechnung sich ein Kreuzvorkommen von ca. 49 %196 ergibt. Birgit Sawyer nennt eine Verhältniszahl von 47 %.197 Wie im Abschnitt „B Vorgehensweise, Untersuchungsmaterial und Methodik“ dargelegt, wurden für diese Untersuchung nur diejenigen Inschriften aufgenommen, welche eine gute Lesbarkeit des Inhalts zulassen. Bruchstücke von Runensteinen, aus denen nur fragmentarische Satzteile hervorgehen, die eine Grenze zwischen den Gruppen mit und ohne Sterbeterminologie nicht zulassen, wurden nicht herangezogen. Diese wurden jedoch bei Birgit Sawyer mit aufgeführt und haben somit auch in ihre Erfassung der Kreuzabbildungen Eingang gefunden. Die Differenz an Inschriften, die bei der Auswertung von Birgit Sawyer mit einberechnet wurden, in dieser Arbeit aber keinen Eingang gefunden haben, liegt also in dem Anteil der fragmentarischen Runensteine. Eine eigene Auswertung bei 1711 Inschriften ohne Sterbeterminologie hat ein Kreuzaufkommen von 40,2 % ergeben. Die doch sehr verschiedenen Ergebnisse zeigen, dass genau innerhalb der Differenz ein deutlicher Überhang an Kreuzabbildungen besteht. Dies könnte mit folgender visueller Besonderheit erklärbar sein: Bruchstückhafte Runensteine unterliegen der Gefahr, bei ihrer Entdeckung seltener als solche erkannt zu werden. Inschriftenstücke, die nur Teile einer runischen Inschrift aufweisen, mögen für manchen nicht runenkundi-
193 Z.B. Gräslund: „Gud hjälpe nu väl hennes själ“. Om runstenskvinnorna, deras roll vid kristnandet och deras plats i familj och samhälle, 233; Gräslund: Kultkontinuitet – myt eller verklighet?, 145ff; Larsson, M. G.: Runstenar och utlandsfärder, 31. 194 Freij: Viking ristade och Grimulv. 195 Ebd., 26: „Den troligaste förklaringen är att ornament och runor ej har huggits av samma person.“ 196 Lager: Den Synliga Tron, 73ff und 95ff. 197 Sawyer, B.: The Viking-age rune-stones, 26.
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Empirischer Teil: Hauptuntersuchung der 218 Sterbeinschriften
gen Finder als bedeutungslos beurteilt worden sein, wohingegen diejenigen Inschriftenfragmente, die auch Kreuzabbildungen enthalten, allein aufgrund dieses Symbols auch für den runisch Unwissenden einen christlichen Informationsgehalt transportieren. Fragmente mit Kreuzabbildungen dürften daher häufiger erhalten sein. In Parallelität müssten folglich aus beiden Statistiken von Lager und Sawyer diese inhaltlich zu wenig aussagefähigen Inschriften in Abzug gebracht werden. Des Weiteren ist das Korpus der hier relevanten 218 Inschriften zu subtrahieren. Da eine weitere Aufgliederung der eigenen Zahlenbasis innerhalb der Komplementärgruppe den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde und somit eine eigene Berechnung weiterer Subgruppen nicht möglich ist, wird auf die diesbezüglich vorliegenden Zahlen von Birgit Sawyer zurückgegriffen. Dies deshalb, da ihrer Arbeit ein aufgeschlüsselter Katalog aller Inschriften beigefügt ist, der jedoch in den Ausführungen von Linn Lager nicht vorhanden ist. Trotzdem muss bei jeder Angabe, die sich auf den Inschriftenkatalog bzw. die von Birgit Sawyer errechneten Zahlen bezieht, gedanklich ein Anteil subtrahiert werden (nämlich die fragmentarischen und die Inschriften mit Sterbeterminologie). Dieser Anteil ist zweifellos vorhanden, bewegt sich aber in unbekannter Höhe. Die Vergleichszahlen bilden somit nur Maximalwerte und sind tatsächlich als deutlich niedriger anzusehen. Werden die Kreuzinschriften nach ihrem Auftreten in verschiedenen Regionen untersucht, ergeben sich, insbesondere im Vergleich mit der Komplementärgruppe, aussagekräftige Ergebnisse. Im Speziellen zeigen sich folgende Unterschiede: Ein entgegen der erwarteten Wahrscheinlichkeit von 53,2 % deutlich erhöhtes Aufkommen von Kreuzsymbolik bei denjenigen Inschriften, die Angaben über das Sterben beinhalten, zeigt sich in den Regionen Småland (66,7 %), Södermanland (68,1 %) und Uppland (58,0 %). Sehr niedrig hingegen sind die Werte für die dänischen (12,0 %) und die västergötländischen (40,0 %) Inschriften. Werden die Werte von Birgit Sawyer198 herangezogen und die Inschriften mit Sterbeterminologie aus ihren Berechnungen subtrahiert, zeigt sich eine Gegenüberstellung (Tabelle 16). Tab. 16: Kreuzinschriften im regionalen Vergleich Region
Kreuzinschriften mit Sterbeterminologie
Gesamte Inschriften (abzgl. Toteninschriften)
Dänemark Småland Södermanland Uppland Östergötland
12,0 % 66,7 % 68,1 % 58,0 % 55,0 %
10,9 % 39,6 % 51,8 % 59,1 % 46,4 %
198 Ebd., 26 und 200ff.
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Anhand dieser Gegenüberstellung werden die Unterschiede der beiden Gruppen deutlich: In Småland ist das Kreuzaufkommen auf Sterbeinschriften deutlich höher, als der errechnete Wert es vermuten lassen würde. Umgekehrt ist dort auf Inschriften, die nicht explizit das Sterben nennen, der Kreuzgebrauch sehr viel niedriger. Dasselbe Verhältnis lässt sich in den södermanländischen Inschriften und denen aus Östergötland ablesen. In Dänemark ist die Verhältnismäßigkeit ungefähr gleich, ebenso in Uppland. Wieder zeigen sich die Nachbarregionen Uppland und Södermanland in verschiedenem Licht. Wie bereits oben aufgeführt, liegt der Anteil der Runensteine, die mindestens eine Kreuzdarstellung enthalten, bei 53,2 %. In der Gegengruppe sind es gemäß eigener Berechnung 40,2 % und gemäß Birgit Sawyer 47 %. Diese Zahl muss um einen unbekannten Anteil reduziert werden (s.o.). Der Unterschied zwischen beiden Gruppen beträgt also mindestens sechs Prozentpunkte, nach eigenen Berechnungen (unter Herausrechnung des Anteils fragmentarischer Steine) bis zu 13 Prozentpunkte. Das ist bei einer solch großen Fallzahl (116 Kreuzinschriften) ein Unterschied, der in seiner Tendenz recht deutlich auf die Verschiedenheit dieser beiden Gruppen hinweist. Die verschieden hohen Zahlen der Kreuzdarstellungen auf Inschriften mit und ohne Sterbeterminologie sprechen deutlich dagegen, dass eine Hochrechnung auf das Gesamtkorpus der Inschriften erfolgen darf. Denn im Gegenteil zeigen die Werte, dass es im Gebrauch von Kreuzdarstellungen auf Runensteinen eine Unterscheidung gibt: Die Inschriften für evident Tote enthalten mehr Kreuze als die der restlichen Inschriften.
4.3 Die Brücken-Inschriften Bei dieser Subuntersuchung der Brücken-Inschriften wird nur mit großer Vorsicht auf statistische Auffälligkeiten eingegangen werden können, da sich die Anzahl der innerhalb der Sterbeinschriften vorkommenden Brücken-Steine nur auf fünf Stück beläuft. Vielmehr sollen hier qualitative Besonderheiten hervorgehoben werden, insbesondere wie sie sich im Vergleich mit der Gegengruppe der Inschriften ohne Sterbeterminologie ergeben. Die Brücken-Inschriften, die gleichzeitig Informationen über den Tod und das Sterben liefern, sind folgende: Ekeby kyrka (Ög 68) suina × kar@i × bru × @esi × eftiR × ouint × bru@ur × sin × han × uas × uesteR × tau@eR × i × uereks × (k)ai-i Sveina gerdi brú pessa eptir Eyvind, bródur sinn. Hann var vestr daudr í Værings . Sveina machte diese Brücke für Eyvind, seinen Bruder. Er starb im Westen in Væringr’s…
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Aspö kyrka (Sö 174) [ub]lubR * lit * kira : kuml : likhus : auk : bru * at sun sin : biurn : uaR trebin : a : kut:lanti : @y : lit : fiur * sit : flu@u : kankiR : @aiR ui@[ulkuR] : uiltu iki halta : gu@ : hilbi : anta : hans Ólafr(?)/Óblaudr(?)/Upphlaupr(?) lét gera kuml, líkhús/líknhús ok brú at son sinn Bjôrn, var drepinn á Gotlandi. P´ y lét fjôr sitt, fl´ y du gengir, peir … vildu ekki halda. Gud hjalpi anda hans. Ólafr(?)/Óblau.r(?)/Upplaupr(?) ließ kumbl, Herberge und Brücke für seinen Sohn Bjôrn machen, der auf Gotland erschlagen wurde. Da seine Gefolgsleute flohen, verlor er sein Leben, sie … konnte nicht (auf)halten. Gott helfe seiner Seele. Arlanda, Måby ägor (U Fv1992;157) × kunar : auk biurn : auk × @urkrimr × ra-… …tain : @ina * at @urst… × bru@ur sin : is uas austr : tau@r * m… …ari × auk × kar@… …u @isi Gunnarr ok Bjôrn ok Porgrímr re[istu s]tein penna at Porst[ein] bródur sinn, er var austr daudr m[ed Ingv]ari, ok gerd[u br]ú pessa. Gunnarr und Bjôrn und ?orgrímr errichteten diesen Stein für ?orsteinn, ihren Bruder, der im Osten mit Ingvar starb, und machten diese Brücke. Gådersta (U 363) [kislauk * lit * hakua * at sun sin * sbialtbu@i * ulfr * ikuar * hulfastr * kairi * @aiR * at bro@ur * sin * @iakn * fors * uti ok * at biarn fa@ur sin bro kir@u * ku=@ hialbi silu] Gíslaug lét hôggva at son sinn, Spjallbodi, Ulfr, Ingvarr, Holmfastr, Geiri, peir at bródur sinn Pegn, fórst úti, ok at Bjôrn, fôdur sinn. Brú gerdu. Gud hjalpi sálu. Gíslaug machte für seinen Sohn, Spiallbo.i, Ulfr, Ingvarr, Holmfastr, Geiri, sie machten die Brücke für ihren Bruder ?egn, der draußen umkam, und für Bjôrn, ihren Vater. Gott helfe (ihren) Seelen. Saltängsbron (Vs 9) × kisl × lit × kera × buru × eftR × osl × sun × sin × han u(a)[r@] × ty@r × a eklati × ku@ ialbi × has × ont auk × selu Gísl lét gera brú eptir Ásl/Ôsl, son sinn. Hann vard daudr á Englandi. Gud hjalpi hans ônd ok sálu. Gísl ließ diese Brücke für seinen Sohn Ásl/Ôsl machen. Er starb in England. Gott helfe seinem Geist und seiner Seele.
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Aus dem großen Anteil der Brücken-Inschriften – Birgit Sawyer führt 145 Stück auf,199 Kristel Zilmer nennt 137 Inschriften200 – entfällt mit fünf Stück201 nur eine sehr geringe Anzahl in die Gruppe der Sterbeinschriften. Prozentual stellt sich die Verteilung der Brücken-Inschriften202 somit dar wie in Tabelle 17. Tab. 17: Vorkommen von Brücken-Inschriften Brücken-Inschriften
6,3 %
ohne Sterbetermini mit Sterbetermini
6,7 % 2,3 %
Die Diskrepanz zwischen den beiden Gruppen ist auffällig und lässt zwei Schlussfolgerungen zu: Entweder war es unüblich, den Tod in Zusammenhang mit einer Brücken-Inschrift zu nennen. Dies allerdings erscheint nicht vollends schlüssig, da die Brücken neben ihrer physischen Aufgabe als Wegmarkierung oder Verkehrsanlage über sumpfiges Gelände203 doch auch der Seele eine sichere Reise ins Jenseits204 ermöglichen sollten, was unmittelbar mit dem Tod in Verbindung steht. Eine Unterlassung dieser Information könnte demnach nur durch Redundanz zu begründen sein, da in der wikingerzeitlichen Kultur, die der christlichen Religion bereits folgte, potenziell jeder Runenstein eine solche Seelenbrücke hätte darstellen können, ohne dass dies spezieller Erwähnung bedurfte. Oder das niedrige Vorkommen von Brücken-Inschriften in der Gruppe der Totensteine kann damit begründet werden, dass, wie Klaus Düwel bereits ausgeführt hat, „Brückenbautätigkeiten zu Lebzeiten durchgeführt werden“205 und deshalb eine Erwähnung des Sterbens natürlich nicht stattfinden kann. Als Beleg hierfür führt Klaus Düwel u.a. die Jarlabanke-Steine an, die Jarlabanke für sich selbst als Lebenden errichten ließ.206
199 Sawyer, B.: The Viking-age rune-stones, 186f. 200 Zilmer: Kristne runeinnskrifter i dynamisk sammenheng, 9 und 138ff. 201 Ög 68, Sö 174, U 363, U Fv1992;157, Vs 9. 202 Bei Zugrundelegung der Zahlen von Birgit Sawyer: Ihre Gesamtzahl der untersuchten Inschriften beträgt 2308 Stück. Abzüglich der 218 Sterbeinschriften sind demnach 140 Brücken-Inschriften ins Verhältnis zu gesamt 2090 Stück zu setzen und entsprechend 5 Brücken-Inschriften mit Sterbeinformation zu 218 Stück. 203 Vgl. Beck: Brücke, 558ff.; Jansson, S. B. F.: Runes in Sweden, 106. 204 Vgl. Düwel: Wege und Brücken in Skandinavien nach dem Zeugnis wikingerzeitlicher Runeninschriften, 90; Dinzelbacher/Kleinschmidt: Seelenbrücke und Brückenbau im mittelalterlichen England, 243ff. 205 Düwel: Wege und Brücken in Skandinavien nach dem Zeugnis wikingerzeitlicher Runeninschriften, 94. 206 U 164, U 165, U 127, U 261.
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Letztere Aussage würde die sich in dieser Arbeit entwickelnde These unterstützen, nämlich dass Runensteine vorwiegend für noch lebende Personen errichtet wurden. Der sich statistisch ergebende Unterschied zwischen den Gruppen mit und ohne Sterbeinformationen deutet stark darauf hin. Eine mögliche logische Gedankenkette wäre folgende: 1. Wie oben genannt, wurden Brücken-Inschriften vorwiegend für (zum Zeitpunkt der Erstellung) noch lebende Personen angefertigt. 2. Brücken-Inschriften kommen innerhalb der Sterbeinschriften ganz klar vermindert vor, demgegenüber steht ein verhältnismäßig recht hohes Vorkommen an Brücken-Bezeichnungen innerhalb der Gruppe ohne Sterbeinformationen. 3. Aus 1. und 2. lässt sich folgern, dass die ganze Gruppe der Inschriften ohne konkreten Ausdruck von Tod oder Sterben für damals noch lebende Menschen erstellt worden sein kann. Innerhalb aller Brücken-Inschriften befinden sich elf Stück, die vom Errichter „für sich selbst“ errichtet wurden, das macht 7,6 % aus. Selbst, wenn das sehr große Engagement des Jarlabanke (mit sechs Inschriften) rechnerisch unberücksichtigt bliebe und nur eine seiner Inschriften einberechnet werden würde, wäre der Prozentsatz von dann 4,1 % immer noch doppelt so hoch wie bei den Inschriften, die sowohl innerhalb der Inschriften mit als auch derer ohne Sterbetermini „für sich selbst“ geritzt wurden.207 Für den Anteil der Brücken-Inschriften kann daher mit recht hoher Sicherheit gesagt werden, dass diese eher für noch lebende Personen erstellt wurden. Und die Tatsache, dass innerhalb der Gruppe mit Informationen über das Sterben deutlich weniger Brücken-Inschriften vorkommen als zu erwarten gewesen wäre, verdeutlicht die Relevanz der in dieser Arbeit angestellten Unterscheidung nach Inschriften mit und ohne konkrete Auskunft über das Sterben. Aufgrund der äußerst geringen Anzahl, mit der die Brücken-Inschriften das Sterben der zu gedenkenden Person erwähnen, gibt es wie bereits oben genannt kaum statistische Auffälligkeiten; zumindest können diese wegen der relativ kleinen Stückzahl ebenso auch auf Zufall beruhen: – Alle Brücken-Inschriften, die den Tod eines Menschen nennen, tragen auch Kreuzsymbole, wohingegen Bittformeln (nur) auf drei der Inschriften vorkommen. – Es gibt keine weiblichen Personen, derer mit diesen Inschriften gedacht wird und nur eine weibliche Hinterbliebene. – Des Weiteren findet sich keinerlei Ausdruck von Trauer, keine Hinweise, die auf ein Begräbnis schließen lassen. – Die angewandten Sterbetermini entstammen vorwiegend der neutralen Gruppe 1 (einmal fara, dreimal verda daudr). Nur jener Tote aus Södermanland, dem eine
207 2 %; Berechnungen über die Anzahl jener Inschriften, die die Steinerrichter für sich selbst haben herstellen lassen: Sawyer, B.: The Viking-age rune-stones, 136.
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Brücken-Inschrift gewidmet wurde, ist explizit bei einer gewalttätigen Handlung erschlagen worden (drepa). Die letztgenannte Inschrift zu Aspö kyrka (Sö 174) teilt eine kriegerische Aktion mit. Des Weiteren wird auf der uppländischen Inschrift von Arlanda (U Fv1992;157) berichtet, dass der verstorbene Bruder mit Ingvar unterwegs war, also an einem Wikingerzug beteiligt war. Wie bereits im Abschnitt über die Gott-helfe-Formeln deutlich wurde, zeigt sich damit auch hier wieder eine Nähe zwischen christlichen Gepflogenheiten und dem Wikingerdasein: einerseits wird brachiales Verhalten (jemand geht auf Kriegszug, jemand wird erschlagen) zur Sprache gebracht, andererseits wird der Jenseitsweg der Seele mittels einer Brücke zu erleichtern versucht. Keine der hier erscheinenden Brücken-Inschriften enthält Ritzersignaturen. Ebenso gibt keiner dieser fünf Steine Hinweise auf den Rang oder sozialen Status des Toten.
Die Brücken-Inschriften wurden des Weiteren dahingehend untersucht, von welchen bzw. für welche Generationen sie errichtet wurden. Von denjenigen Brücken-Inschriften, die gleichzeitig den Tod eines Menschen nennen, stehen drei für die gleiche Generation, eine davon zugleich für die Elterngeneration, während zwei der Steine für die jüngere Generation, also die Söhne errichtet wurden. Die Brücken-Inschriften, die nicht den Tod einer Person nennen, wurden ebenfalls hauptsächlich für die gleiche Generation erstellt, gefolgt von der Anzahl für die Elterngeneration, die nur wenig höher ist als die für die Kindergeneration.
Brücken-Inschriften: Die Sterbeorte Alle fünf Inschriften nennen den Sterbeort oder zumindest die Himmelsrichtung der letzten Reisetätigkeit. England und Gotland werden explizit genannt, ansonsten berichtet eine Inschrift von einem West- und eine weitere von einem Ostfahrer. Einmal wird die Lokalität „draußen“ (úti) genannt, womit eine Region außerhalb der skandinavischen Landesgrenzen gemeint ist, die wahrscheinlich auch auf den Osten abzielt. Ein besonderes Gewicht erhalten diese fünf Brücken-Inschriften für Tote dann, wenn das gesamte Korpus aller Brücken-Inschriften nach Angaben über Örtlichkeiten untersucht wird. Das Ergebnis aus dieser Untersuchung zeigt, dass nur dann Ortsnennungen erfolgen, wenn sie in Verbindung mit Besitztum, Wohnen oder religiöser Handlung stehen.208 In keiner einzigen Brücken-Inschrift wird von Reisen oder Auslandsaufenthalten berichtet, es sei denn, es handelt sich um diese vorliegenden fünf Toteninschriften.
208 Z.B.: Ög 132: „…wohnte in Jättingstad“, U 165 und 261: Jarlabanke „… besaß ganz Täby“, J RS1928;66: „… christianisierte ganz Jämtland“, Sö 312: „… wohnte in Näsby“, etc.
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Damit zeigt sich, dass religiöses Gedankengut, welches den Brücken-Inschriften innewohnt, nicht in Kombination mit vorgenannten Priorisierungen von weltlichen Bedeutungen wie Besitztum steht. Wie im Kapitel C 2.1 „Reiseziele und Sterbeorte“ berechnet, sollten statistisch gesehen ca. 9,4 % aller Inschriften dennoch Stätten der Reiseaktivitäten nennen. Das ist innerhalb der Brücken-Inschriften ohne Sterbeterminologie bei Weitem nicht der Fall; hier beträgt die Auftrittshäufigkeit gar Null. Und bei dieser hohen Anzahl an Runensteinen, die vom Brückenbau berichten, kann keineswegs mehr von Zufall ausgegangen werden. Die Brücken-Inschriften bilden demnach eine ganz eigene Gruppe, die eine ebenso eigene Funktion gehabt haben muss. Betrachtet man die Unterscheidung der Inschriften mit und ohne Sterbeangaben als sinnvoll, so kann als Argument angeführt werden, dass nur dort, wo tatsächlich ein Todesfall vorliegt, die genaueren Umstände, also auch die Ortsangabe, geschildert werden. Eine Ortsnennung ohne Todesfall würde nach dieser Theorie ein biografisches Element in der Lebensphase bedeuten, was für den Bau einer Seelenbrücke vom Diesseits ins Jenseits keine Relevanz hätte. Daher stehen Brücken-Inschriften außerhalb des Bereichs jener Inschriften, die Informationen über Reisetätigkeiten oder sonstige Aktionen außerhalb der Heimat geben. Eine Brücken-Inschrift soll den Weg zwischen Leben und Tod erleichtern. Wenn der Tod bereits eingetreten ist, wird dies auf der Inschrift genannt, mit Ort und gegebenenfalls genauer Sterbeart. Anderenfalls dient der Stein dem künftigen Seelenheil des noch Lebenden, eventuell als Vorausgabe oder Buße in der Hoffnung auf Erleichterung des Weges. In letztgenannter Möglichkeit würden Informationen über zurückliegende Ereignisse wie beispielsweise Reiseunternehmungen, die nicht in religiösem (oder materiellem, also eventuell der Kirche finanziell förderlichem) Zusammenhang stehen, mit dem Ziel der Inschrift nicht konform gehen.
Die Brücken-Inschriften im Vergleich mit dem gesamtskandinavischen Inschriftenkorpus Unabhängig von der Tatsache, ob die Inschriften gleichzeitig das Sterben erwähnen oder nicht, zeigt sich, dass die Generationenrichtungen sich in den BrückenInschriften gravierend von den anderen Inschriften, in welchen kein Brückenbau genannt wird, unterscheiden. Es hat sich herausgestellt, dass ein Drittel aller Brücken-Inschriften für die gleiche Generation errichtet wurde. Bei der Komplementärgruppe wurden die Inschriften an erster Stelle für die Elterngeneration errichtet. Abgesehen von jenen Personen, deren genealogische Informationen unerwähnt bleiben, stehen bei beiden Gruppen die Kindergenerationen an niedrigster Stelle, bei den Nicht-Brücken-Inschriften auffälliger als bei den Brücken-Inschriften (Tabelle 18). Die Zahlen zeigen, dass Brücken-Inschriften mit einem eigenen Ziel verbunden waren, das den anderen Inschriften nicht zu eigen war.
Der Runenstein
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Tab. 18: Gegenüberstellung der Brücken-Inschriften Brücken-Inschriften
Nicht-Brücken-Inschriften
118 Stück
1809 Stück
139 Generationenrichtungen
2099 Generationenrichtungen
Generation
Nennungen
%
Generation
Nennungen
%
f F G ?
47 40 35 17
33,8 28,8 25,2 12,2
F f G ?
792 605 367 335
37,7 28,8 17,5 16,0
G = für die Kindergeneration, F = für die Elterngeneration, f = für die gleiche Generation, ? = unbekannt.
Brücken-Inschriften wurden häufiger von derselben Generation errichtet, welcher auch der zu Gedenkende angehörte. Ein interessanter Aspekt ist, dass dieses erhöhte Aufkommen von Brücken-Inschriften innerhalb der gleichen Generation nicht durch Ehefrauen zu begründen ist, obwohl doch der Frauenanteil bei den Brücken-Inschriften mit 42 %209 erstaunlich hoch ist. Frauen haben jedoch die meisten Brücken-Inschriften für die nachfolgende Generation errichtet, also ihre Kinder. Der höhere Anteil jener Inschriften für die gleiche Generation wurde durch männliche Errichter veranlasst. Und weshalb stehen die Inschriften für die Kindergeneration bei den Nicht-Brücken-Inschriften auf ähnlichem Niveau wie diejenigen, die genealogisch nicht genauer spezifiziert werden? Bei der Gruppe der Brücken-Inschriften zeigt sich hier ein deutlicher Unterschied. Diese Frage, die den Status der Kinder widerspiegelt, muss an dieser Stelle ungeklärt bleiben. Eindeutig ablesbar ist jedoch, dass Brücken-Inschriften seltener die genealogischen Verhältnisse ungeklärt lassen.
5 Der Runenstein 5.1 Benennung des Inschriftenobjektes Insgesamt enthält die Gruppe der 218 hier untersuchten Inschriften 170 Stück, die das Objekt, welches die Runenritzungen enthält, als solches benennen. Die verbleibenden 48 Stück enthalten keine Eigenbenennung. Innerhalb der 170 Inschriften, die dem Monument einen Namen verleihen, kommen auch mehrfache Bezeichnungen vor. Insgesamt finden sich 188 Belege für Runensteinbezeichnungen. Da die meisten
209 Sawyer, B.: Women as bridge-builders, 223.
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Empirischer Teil: Hauptuntersuchung der 218 Sterbeinschriften
Begriffe doch nur singulär oder in äußerst geringen Anzahlen erscheinen, wird auf eine Aufgliederung dieser einzelnen Benennungen verzichtet und nur diejenigen herangezogen, durch welche statistische Aussagen möglich werden. Die Benennungen der Inschriftenobjekte im Korpus der 218 Sterbeinschriften sind in Tabelle 19 aufgeführt, die genauen prozentualen Aufteilungen sind in Tabelle 20 dargestellt. Tab. 19: Benennungen der Inschriftenobjekte Bezeichnung
Anzahl
stein kumbl brú merki hvalf haugi, helli, líkhús, minni, steinhall, spengr, staf, pingstad ohne Benennung Gesamt:
147 21 5 5 2 je 1 48 236
Erläuterungen zu den häufigsten dieser Begriffe finden sich im Anhang 2 dieser Arbeit.
Tab. 20: Prozentuale Aufteilungen der Benennungen Gesamt 218 Steine
steinBenennung
kumblBenennung
sonstige Benennung
ohne Benennung
Anzahl in Prozent
147 62,3 %
21 8,9 %
20 8,5 %
48 20,3 %
Da es bei der äußerst geringen Fallzahl der sonstigen Benennungen nicht möglich ist, statistische Relevanzen zu ermitteln, wird – wie oben bereits erwähnt – auf die entsprechenden Auswertungen verzichtet. Insgesamt enthält die Gruppe der Sterbeinschriften 147 Belege, die das Inschriftenobjekt als stein bezeichnen (62,3 %) sowie 21 Stück, die den Begriff kumbl mit sich führen (8,9 %). Diese Werte werden daher als erwartete Verteilung auch der Subgruppen angenommen. Alle Kategorien, die bemerkenswert von diesen Richtlinien abweichen, werden im Folgenden angeführt. Ein Vergleich mit der Gegengruppe der Inschriften ohne Sterbeterminologie zeigt, dass die Benennung kumbl innerhalb der zu untersuchenden Sterbeinschriften eine besondere Rolle einnimmt. Zu diesem Zweck wurde das Register der schwedischen Runenworte210 herangezogen und eine Detailuntersuchung der Begriffe stein,
210 Peterson: Svenskt Runordsregister.
Der Runenstein
131
merki und kumbl vorgenommen. Für die erstgenannten beiden Bezeichnungen stellt sich (nach Subtraktion der Toteninschriften aus der entsprechenden Menge an Belegen) ein leicht erhöhtes Aufkommen in der Gegengruppe dar. Dies dürfte auch darauf zurückzuführen sein, dass die stark fragmentarischen und als solche nicht mehr lesbaren Inschriften, die in dieser Untersuchung keinen Eingang gefunden haben, bei Lena Peterson enthalten sind. Insofern zeigt der Vergleich zwischen den beiden Gruppen in Bezug auf die Objektnennungen stein und merki kaum Auffälligkeiten. Lena Peterson führt 88 Belege für kumbl-Nennungen (im schwedischen Bereich) auf. Werden davon die 19 schwedischen Belege der Toteninschriften abgezogen, ergeben sich 69 Stück, die auf das Gesamtkorpus der vorliegenden Arbeit umgerechnet 4,6 % ergeben. Die Grundlage in dieser Untersuchung bilden 1503 Inschriften für schwedische Inschriften ohne Sterbeterminologie. Da die Basis bei Lena Peterson jedoch aufgrund der Zählung aller, und nicht nur der lesbaren Inschriften wesentlich höher ausfällt, ist die sich ergebende Prozentzahl wesentlich niedriger anzusetzen, wenn dieses Faktum mit einkalkuliert wird. Parallel dazu errechnet sich innerhalb der schwedischen Inschriften mit Sterbeterminologie (ebenfalls ohne Gotland, wie auch bei Lena Peterson) ein Prozentsatz an kumbl-Vorkommen von 10,6 %. Das ist, ins Verhältnis gesetzt, ein doppelt so dichtes Vorkommen wie in der schwedischen Gegengruppe ohne Sterbeterminologie. Rune Palm hat ebenfalls eine Überprüfung der Objektbenennungen durchgeführt.211 Er erhält bei seiner Stichprobe von 1462 relevanten Inschriften das Ergebnis von 74 kumbl-Nennungen, demnach 5,1 % (inkl. Dänemark). Im relevanten Inschriftenkorpus der vorliegenden Untersuchung wurden (aus 1929 gesichteten Inschriften, betreffend Dänemark, Schweden und Norwegen) 98 kumbl-Bezeichnungen gelistet. Das sind 5,1 %, was dem Wert von Rune Palm entspricht. Unterteilt in die beiden Gruppen mit und ohne Sterbeterminologie stellen sich die Werte dar wie in Tabelle 21 dargestellt. Es zeigt sich durch diese Vergleiche, dass eine Bezeichnung des Runensteins als kumbl innerhalb derjenigen Inschriften, aus welchen die zu gedenkende Person als tot hervorgeht, eine doppelt so hohe Auftrittswahrscheinlichkeit besitzt und damit im Zusammenhang mit dem Thema ‚Tod und Sterben‘ eine übergeordnete Bedeutung zu spielen scheint. Tab. 21: Gegenüberstellung der kumbl-Bezeichnungen
kumbl-Bezeichnungen in Prozent
mit Sterbeterminologie (218 Stück)
ohne Sterbeterminologie (1711 Stück)
Gesamt (1929 Stück)
21 Stück 8,9 %
77 Stück 4,5 %
98 Stück 5,1 %
211 Palm: Runor och regionalitetet, 182.
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Benennung des Inschriftenobjektes: Regionale Schwerpunkte Ein leicht erhöhtes Aufkommen an kumbl-Nennungen erscheint innerhalb der Gruppe mit Sterbeangaben in Södermanland (sechs Stück, 12,8 %) und Östergötland (vier Stück, 20,0 %). Weiterhin liegt Dänemark über dem Wert, was jedoch bei drei Stück (12,0 %) nicht unbedingt eine statistische Bedeutsamkeit ausdrücken muss; gleiches gilt für die Region Småland (drei Stück, 20,0 %). In der Region Östergötland hingegen wird der Runenstein relativ selten als stein benannt (zehn Stück, 50,0 %), so dass dem recht niedrigen nominalen Wert von vier kumbl-Nennungen eine höhere Bedeutung beizumessen ist. In der Gesamtsicht lässt sich ein erhöhtes kumbl-Vorkommen an Schwedens Ostküstenregionen feststellen. Stellt man die Bezirke Uppland und Södermanland in Vergleich zueinander, so macht sich eine ganz ähnliche Häufigkeit von stein-Benennungen bzw. Inschriften ganz ohne Objektbezeichnung bemerkbar. Beides liegt im Rahmen der Erwartungswerte. Wird der Fokus jedoch auf die kumbl-Bezeichnungen gelegt, zeigt sich hier ein konträres Ergebnis: trotz der recht hohen Nominalzahl der uppländischen Inschriften erscheinen dort nur zwei kumbl-Bezeichnungen innerhalb der Toten-Steine. Verhältnismäßig wurden folglich in Södermanland viermal so viele kumbl aufgestellt wie in der Nachbarregion. In Uppland stechen diejenigen Inschriften hervor, die eine Objektbezeichnung völlig weglassen. 18 solcher Inschriften (26,1 %) lassen mit Berechtigung die Frage zu, ob die in dieser Region stark in Verbindung mit dem fortgeschrittenen Christentum stehenden Runensteinsetzungen ihren Bedeutungswandel in der Inschrift zum Tragen bringen und die wikingerzeitliche Sitte, Runensteine zu setzen, hier bereits der christlichen Grabsteinsitte gewichen ist, wodurch eine Bezeichnung des Steins mehr und mehr unterlassen wurde. Diese These wird unterstützt durch die sich ergebende Zahl von 71,4 % an fehlenden Objektbezeichnungen bei der Unterteilung der Inschriften in die chronologische Eingruppierung in mittelalterliche und wikingerzeitliche Inschriften. Dieser hohe Prozentsatz zeigt sich in der Gruppe der mittelalterlichen Inschriften, die keine Eigenbenennung des Steins mit sich führen. Der Begriff kumbl ist innerhalb dieser späten Datierung nicht mehr zu finden. Eins zu eins lässt sich diese Feststellung jedoch nicht auf die uppländischen Inschriften übertragen, dort kommt innerhalb dieser Subuntersuchung keine mittelalterliche Datierung zum Tragen. Dennoch gehören die hier erscheinenden uppländischen Inschriften den sehr späten Perioden drei, vier und fünf an. Bei einer Untersuchung der Runensteinbenennungen nach Stilperioden212 tritt die Bezeichnung kumbl (mit 15,8 %, neun Stück) erhöht in der Phase RAK auf.
212 Gräslund: Runstenar – om ornamentik och datering I + II.
Der Runenstein
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Benennung des Inschriftenobjektes: Die Sterbeterminologie Die kumbl-Bezeichnungen verteilen sich derart auf die verschiedenen Bezeichnungen des Sterbens, dass aufgrund der jeweils geringen Werte eine statistische Auswertung nicht möglich ist. Das nominal häufigste Vorkommen liegt bei acht Inschriften, die den Sterbevorgang mit verda daudr beschreiben. Unterteilt nach den vier Gruppen der Sterbetermini findet sich die Bezeichnung kumbl prozentual am häufigsten in Gruppe 3 (konnotative Mitteilung). Dort fällt diese Benennung zu 18,5 % auf (fünf Stück). Eine weitere Aufgliederung dieser Gruppe nach Sterbetermini entbehrt aufgrund der zu geringen Anzahlen (yfir und liggja: je zwei Inschriften, grafa: eine Inschrift) einer analytischen Grundlage. In der Inschriftengruppe, die eine Benennung des Steines gänzlich unterlässt, übertreffen die Termini deyja (sieben Stück, 26,9 %) und liggja (fünf Stück, 50,0 %) die erwarteten Wahrscheinlichkeiten. Letztgenannter Terminus entstammt der Gruppe 3, die hier (ebenso wie vorgenannt bei den kumbl-Inschriften) eine auffällige Rolle einnimmt: acht Inschriften, die hierzu zählen, benennen den Runenstein nicht, das sind 29,6 %. Ebenso deutlich, jedoch nicht in überhöhter, sondern in verminderter Anzahl, zeigt sich die Gruppe 2a, in welcher Termini gesammelt sind, die einen unnatürlichen Tod mit aktivem Zutun anderer Personen konnotieren. Hier liegt der Anteil mit 16,3 % (acht Stück) klar unter dem erwarteten Wert der Inschriften, die das Inschriftenobjekt nicht benennen. Die Bezeichnung des Trägermaterials als stein wird bevorzugt bei den Todesarten drepa (17 Stück, 73,9 %) und falla (12 Stück, 80,0 %) verwendet. Diese beiden Sterbetermini weisen eine deutlich erhöhte Wahrscheinlichkeit des Zusammentreffens mit der Bezeichnung „Stein“ auf. Dadurch liegt die Gruppe 2a der Sterbetermini (unnatürlicher Tod und Mitwirkung durch andere) mit 69,4 % (34 Stück) klar über dem erwarteten Wert. Gegenteilig zeigt sich hier Gruppe 3 (konnotative Mitteilung); dort bezeichnen nur noch 14 Inschriften den Runenstein als stein (51,9 %). Zusammenfassend kann demnach festgestellt werden, dass das kumbl vorwiegend dann herangezogen wurde, wenn das Sterben indirekt mitgeteilt wurde, d.h. von Menschen, die bereits stark an mittelalterliche, religiöse Bräuche gebunden waren. Gleiches gilt für die Fälle, in welchen eine Bezeichnung des Inschriftenmaterials gänzlich vermieden wurde. Die Verwendung des Begriffes stein oder gar keine Objektbenennung ist verhältnismäßig häufig bei kriegerischen bzw. militärischen Hintergründen anzutreffen.
Benennung des Inschriftenobjektes: Generationenausrichtung und sonstige personenbezogene Merkmale Während die Bezeichnung stein auffällig häufig bei Inschriften vorkommt, die der jüngeren Generation gelten (79,6 %, 43 Stück), gefolgt von denjenigen für die ältere Generation (71,4 %, 30 Stück), wird diese Bezeichnung innerhalb der Inschriften, die
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der gleichen Generation gelten, verhältnismäßig am geringsten benutzt. Für die gleiche Generation hingegen wird die Benennung des Inschriftenträgers häufiger komplett unterlassen, als es für die beiden anderen Generationenrichtungen der Fall ist. Demzufolge kann ausgesagt werden, dass Inschriften sowohl für die verstorbene Kinder- als auch für die Elterngeneration bevorzugt auf einem stein erstellt wurden, während für die Elterngeneration zusätzlich das Monument als kumbl eine Bedeutung hatte. Wenn eine Bezeichnung des Inschriftenkörpers komplett vermieden wurde, so handelte es sich vorrangig um hinterbliebene Geschwister oder Geschäftspartner. Die fünf in der Gruppe befindlichen Inschriften, welche außerfamiliäre Beziehungen aufweisen und für einen félagi (DR 1, DR 66, DR 68), heimpegi (DR 3) oder den „kampfstarken Krieger“213 von seiner Kriegerschar (auf dem Stein von Karlevi, Öl 1, siehe Abb. 12) angefertigt wurden, haben den Runenstein als solchen, d.h. als stein bezeichnet. Wenn aus der Inschrift das soziale Gefüge zwischen Errichter und Totem nicht erkennbar ist bzw. nicht deutlich formuliert wird, wird mit mehr als doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit der Runenstein auch nicht bezeichnet (28 Inschriften, 51,9 %). Diese beiden Ergebnisse sprechen deutlich dafür, dass die Benennung des Inschriftenträgers zum Teil auch persönlicher Ausdruck ist, sei es auf familiärer oder außerfamiliärer Basis. Ränge oder Bezeichnungen sozialer Eingliederungen kommen in den kumbl-Inschriften mit Sterbeterminologie fünfmal (und damit im erwarteten Rahmen) vor.214 Diese Verknüpfung scheint den Errichtern der Runensteine demnach nicht vorrangig von Bedeutung gewesen zu sein. Angaben zum sozialen Status des Toten werden vorwiegend in Inschriften, die sich auf einem stein befinden, getätigt. Da diese Gruppe der stein-Inschriften die nominal höchste Anzahl innerhalb der Runenstein-Benennungen ausmacht, ist es nicht verwunderlich, dass speziell die singulär auftretenden Statusbezeichnungen wie z.B. lids forungi oder godi hier erscheinen. Auffällig ist jedoch, dass zehn der insgesamt elf drengr-Inschriften und alle vier pegn-Angaben hier erscheinen. Diese Zahlen drücken statistische Relevanz aus und zeigen, dass innerhalb der Gefolgschaftsebenen des drengr und des pegn das Monument als stein eine große Rolle gespielt haben muss. Metrische Textteile erscheinen innerhalb der kumbl-Gruppe mit über fünf Prozentpunkten häufiger, als der Richtwert erwarten ließe (acht Stück, 15,1 %). Diese Kombination beider nominal eher selten vorkommenden, aber dennoch sehr elaborierten Merkmale, drückt einen höheren Aufwand und eine besondere Wichtigkeit aus. Die Hinterbliebenen haben sich und den Toten nicht im üblichen Rahmen gezeigt, sondern hoben sich gezielt aus der Menge ab.
213 Düwel: Runenkunde, 134. 214 DR 143: pegn, G 138: læikir, Ög 94 + Öl 37: bóndi, Sm 16: svæin; die das Sterben oder den Tod beschreibenden Formulierungen erstrecken sich über alle Gruppen und die entsprechenden Termini lassen keine Generalisierung zu.
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Abb. 12: Öl 1, Karlevi (Quelle: J. Köster)
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Benennung des Inschriftenobjektes: Informationen über die Handlungen des Toten Die Auswertung der Datenbasis ergibt, dass es bei der Benennung des Runensteins als stein um neun Prozentpunkte wahrscheinlicher ist, dass weitere Informationen über den Toten genannt werden. Bei jenen Inschriften, die das Inschriftenmaterial nicht benennen, liegt die Wahrscheinlichkeit um etwa zehn Prozentpunkte niedriger als erwartet. Dies sind beispielsweise Informationen, die den Charakter näher beschreiben (z. B. „manna mestr ónídingr“ auf Transjö (Sm 5) oder Attribute wie „góda“ oder „beztr“); auch Zusatzinformationen wie Reiseaktivitäten oder kriegerische Handlungen zeigen ein sehr hohes gleichzeitiges Aufkommen mit dem Begriff stein. Sterbeorte und geplante bzw. zurückliegende Reisen stehen nicht in direkter Verbindung mit der Steinbenennung. In allen Kategorien fallen die Werte innerhalb des erwarteten Rahmens aus. Weder das kumbl noch der stein oder das merki heben sich hier bemerkenswert ab. Eine Unterteilung der Sterbeorte nach Himmelsrichtungen jedoch zeigt ganz auffällig, dass 21,4 % (sechs Stück) der kumbl-Steine für Westfahrer errichtet wurden und 72,4 % (21 Stück) der stein-Bezeichnungen die Todesorte innerhalb Skandinaviens lokalisieren. Die Ostfahrerinschriften bewegen sich innerhalb der Runensteinbezeichnungen jeweils im erwarteten Rahmen. Innerhalb der Inschriftengruppe der Totensteine gibt es mehr als doppelt so viele Ost- wie Westfahrer. Reisen in den Osten waren gemäß den Inschriften demnach viel üblicher als solche in die gegensätzliche Himmelsrichtung. Vielleicht kann das kumbl also auch als ein Indiz für die ausgewählte und elitäre „Internationalität“ und damit auch das Ansehen des Gestorbenen gesehen werden, während der stein mit seinem nominal doch sehr hohen Vorkommen eher die Normalität der gehobenen Wikingerschicht widerspiegelt.
Die Religion und das kumbl Kreuzsymbolik wurde kaum vermehrt auf kumbl-Inschriften angebracht. Bei der Bezeichnung des Inschriftenmaterials als stein zeigt sich das Kreuzvorkommen mit 69,0 % (80 Stück) schon auffälliger über dem statistischen Erwartungswert. Umgekehrt verhält es sich bei den Bittformeln: Diese wurden mit vier Prozentpunkten häufiger als erwartet auf kumbl-Steinen angebracht, während sie in der Kategorie stein der statistischen Erwartung entsprechen. Lässt sich aus dem Kontext die Tatsache eines Begräbnisses erschließen, so tritt auch hier der Begriff kumbl mit 16,7 % (fünf Stück) auffällig in Erscheinung, während der Begriff stein mit nur 50,0 % (15 Stück) deutlich zurücktritt. Insgesamt lässt sich in dieser Subuntersuchung der Begriff kumbl demnach sehr nahe an christliche Verhaltensweisen in Bezug auf das Verfassen von Inschriften rücken.
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5.2 Ritzersignaturen Eine gründliche Untersuchung der Ritzerformeln und -signaturen liegt mit der Arbeit von Magnus Källström „Mästare och minnesmärken. Studier kring vikingatida runristare och skriftmiljöer i Norden“ vor. Dieses Kapitel stützt sich auf seine Gesamtergebnisse, die er aus insgesamt 1661 Runeninschriften erzielt hat. Unter Abzug der bei seiner Untersuchung inklusiven Inschriften der Britischen Inseln verbleiben bei 1643 Inschriftenmonumenten 314 Belege, welche eine Ritzerformel enthalten.215 Magnus Källström unterteilt seine Ergebnisliste in drei Gruppen, wovon Gruppe 1 + 2 die sicher erkennbaren Signaturen enthalten. Gruppe 3 führt er als „mögliche“ Gruppe an, die weitere 66 Signaturen enthalten könnte.216 Für die Herangehensweise in diesem Kapitel wurden die von ihm in der dritten Gruppe zusammengefassten Inschriften ebenfalls nicht einberechnet, um eine Parallelität in der Methodik sowohl seiner als auch dieser Arbeit herzustellen. Innerhalb der für diese Arbeit relevanten 218 Inschriften, die Termini über ‚Tod und Sterben‘ enthalten, finden sich 28 Inschriften mit Ritzersignatur, die der Typeinteilung Källströms entsprechen (Tabelle 22).217 Tab. 22: Gegenüberstellung der Inschriften mit Ritzersignaturen Gesamtkorpus
Sterbeinschriften
1643 Stück
218 Stück
davon Ritzersignaturen (Gruppe 1 + 2): 314 Stück
19,1 %
davon Ritzersignaturen (Gruppe 1 + 2): 28 Stück
12,8 %
Würde die dritte Gruppe der eventuellen Ritzerformeln bei der von Magnus Källström untersuchten Gesamtanzahl hinzugerechnet werden, ergäbe sich ein maximaler Erwartungswert von 23,1 % mit welchem mit Ritzerformeln gerechnet werden darf. Die Wahrscheinlichkeit an Ritzerformeln liegt in der Gesamtheit folglich zwischen 19,1 % und 23,1 %. Bei Einberechnung derselben in die Gruppe derer mit Sterbeterminologie würde der Wert auf 14,4 % ansteigen. Im Vergleich hieße das, dass eine Bandbreite von 19–23 % Ritzersignaturen in der Gesamtzahl den Ergebniswert für das Vorkommen von Ritzersignaturen in der Gruppe der Toteninschriften bilden würde, der dort jedoch tatsächlich nur zwischen 13–14 % liegt.
Es zeigt sich, dass innerhalb des Untersuchungsmaterials von 218 Sterbeinschriften das Vorkommen an Ritzerformeln um mehr als sechs Prozentpunkte niedriger liegt, als es im Gesamtkorpus der Fall ist. Um zumindest den unteren Wert der erwarteten Auftrittswahrscheinlichkeit zu erreichen, müsste die nominale Anzahl der Ritzersignaturen innerhalb der Toteninschriften zahlenmäßig um mehr als ein Drittel ansteigen.
215 Källström: Mästare och minnesmärken, 130 und 132. 216 Ebd., 132. 217 Ebd., 55.
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Eine Subtraktion der Toteninschriften von der Gesamtzahl, die Magnus Källström als Ausgangsbasis genommen hat, ist problematisch. Die Gesamtzahl der vorliegenden Untersuchung über die Inschriften innerhalb dieser Arbeit (mit und ohne Sterbeterminologie) beträgt 1929, es wurden daher andere Auswertungskriterien zugrunde gelegt. Umgekehrt können die von Magnus Källström erarbeiteten 314 Inschriften mit Ritzersignaturen nur schwer auf die dieser Arbeit zugrunde liegende Basis angerechnet werden. Beides führt zu Ergebnissen, die maximal Annährungswerte bilden können.218 Als sichere Aussage kann dennoch festgehalten werden, dass es auf Inschriften, die ‚Tod und Sterben‘ thematisieren, weniger namentlich genannte Runenritzer bzw. Ritzerformeln gemäß Källströms Typ- und Gruppeneinteilung gibt als auf Inschriften ohne diesen direkten Bezug zum Tod. In dieser Arbeit wird nicht weiter auf die verschiedenen Definitionen219 von „Runenmeister“, „Runenritzer“ oder „Ausführer“ eingegangen. Hier soll weniger das Wirken der Runensteine ritzenden Person/en behandelt werden, als vielmehr das Selbstverständnis dieser Funktion im Zusammenhang mit dem Thema ‚Tod und Sterben‘ bzw. in der sozialen Bedeutung, die für die Hinterbliebenen und Auftraggeber daraus resultierte. Anders Andrén hat in seiner Arbeit den Schluss gezogen, dass zwischen den signierten und nicht signierten Inschriften ein Unterschied bestehen müsse, der in den sozialen Umständen zu suchen sei: „Für den Ritzer […] war es ehrenwert, im Dienste von einflussreichen Menschen zu stehen, daher muss es von Wichtigkeit gewesen sein, die Steine zu signieren.“220 Mats G. Larsson beschreibt, dass der Auftraggeber für den Runenritzer auch einiges an Eigenleistung, z.B. für „Kost und Logie“,221 aufzubringen hatte. Per Stille fasst nach seiner Untersuchung von 152 Steinen mit Ritzerformeln, welche in Fjädrundaland222 existieren, zusammen, dass es sich bei den Ausführenden um „professionelle Ritzer“223 handelt, wovon uns für die uppländischen Regionen 40 bis 50 mit Namen bekannt sind. Insofern war die Wichtigkeit der Signatur von gegenseitiger Bedeutung: Nicht nur der der Oberklasse224 angehörende Runenritzer hat von der aristokratischen und
218 Nach solch einer Berechnung würde sich der Inschriftenanteil ohne Sterbeterminologie aus Magnus Källströms Ausgangsbasis auf 1427 Stück belaufen, die einen Ritzerformelanteil von 19,9 % enthalten würden. Dies ist ein ähnlicher Wert, wie er sich aus seinem untersuchten Gesamtkorpus ergibt; die exakte Berechnung kann daher vernachlässigt werden. 219 Vgl. Dillmann: Runenmeister, 537; Stille: Runstenar och runristare i det vikingatida Fjädrundaland, 134ff; Källström: Mästare och minnesmärken, 20f. 220 Andrén: Re-reading Embodied Texts, 25. 221 Larsson, M. G.: Runstenar och utlandsfärder, S. 30. 222 Fjädrundaland ist eine der vier wikingerzeitlichen und mittelalterlichen uppländischen Landschaften: Tiundaland, Attundaland, Roden und Fjädrundaland. 223 Stille: Runstenar och runristare i det vikingatida Fjädrundaland, 134. 224 Källström: Mästare och minnesmärken, 33.
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wohlhabenden Stellung des Auftraggebers profitiert (durch finanzielle Zuwendung und weiterer Publizierung seines (Geschäfts-)Namens), sondern umgekehrt auch der Auftraggeber von der Verewigung eines so bekannten Namens wie beispielsweise Öpir. Insgesamt enthält die Gruppe der 218 Sterbeinschriften 28 Stück, die Ritzerformeln aufweisen, das sind 12,8 %. Dieser Wert wird daher als erwartete Verteilung auch der Subgruppen angenommen. Alle Kategorien, die bemerkenswert von dieser Richtlinie abweichen, werden im Folgenden angeführt.
Ritzersignaturen: Regionales Vorkommen Wie bei Magnus Källström225 abzulesen ist, entstammen nominal die meisten der Ritzerformel-Inschriften aus den Regionen Uppland und Södermanland. Dieses Ergebnis zeigt sich parallel auch in einer Untersuchung innerhalb der Gruppe der Sterbeinschriften. Die uppländischen Inschriften, die sowohl Sterbetermini als auch eine Ritzersignatur beinhalten, liegen oberhalb dieses Wertes (15,9 %, elf Stück), die Inschriften aus Södermanland jedoch darunter (10,6 %, fünf Stück). Im Vergleich mit der jeweiligen Gesamtzahl der Gruppe ergibt sich die in Tabelle 23 dargestellte Aufstellung, die auch der Tendenz der Vergleichsgruppe entspricht. Tab. 23: Ritzerformeln im regionalen Vergleich Region
Anzahl Ritzerformeln
in % aller Ritzerformeln dieser Region
Anzahl Ritzerformeln mit Sterbeterminologie
in % aller Ritzerformeln mit Sterbeterminologie dieser Region
Södermanland Uppland Erwartungswert
35 Stück 208 Stück
13,9 % 26,7 % 19,1 %
5 Stück 11 Stück
10,6 % 15,9 % 12,8 %
Vgl. zu „Anzahl“ und „in % aller Ritzerformeln dieser Region“ Källström: Mästare och minnesmärken, Tabelle S. 130.
Dies bedeutet, dass der Zusammenhang zwischen der Funktion des Runenritzers (und der Mitteilung dieses Faktums auf der Inschrift) mit der gleichzeitigen konkreten Aussage über das Sterben des zu Gedenkenden in Uppland sehr viel höher einzustufen ist. In Uppland hat ein Ritzer im Verhältnis wesentlich häufiger die Information des Todes auf der Inschrift ausgedrückt, während in Södermanland diese Informationsvermittlung vonseiten des Runenritzers offenbar eine nebensächliche Handlung war, die nachrangig hinter der Mitteilung seines Namens stand. Dies ist insofern inte-
225 Ebd., Tabelle S. 130.
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ressant, da die fünf södermanländischen Inschriften sechs verschiedene Ritzernamen (die Inschrift Sö 46 wurde von zwei Ritzern erstellt) transportieren. In Uppland hingegen treten die Ritzernamen Öpir (viermal) und Åsmund (zweimal) mehrfach in Erscheinung. Unabhängig davon, ob Sterbeterminologie genannt wird oder nicht, schlagen sich beispielsweise Öpirs Werke gravierend in den uppländischen Zahlen nieder. Alleine die von ihm signierten Inschriften machen bereits einen Anteil von 46 Stück aus; hinzu kämen dann noch die, die ihm sicher zugeschrieben werden können (27 Stück).226 Diese hohen Werte können deshalb auch auf die individuelle Persönlichkeit des Runenritzers zurückgeführt werden, da ihnen in ihrer Professionalität bestimmte Routinen und Inschriftenschemata zu eigen waren.
Ritzersignaturen: Die Hinterbliebenen Sieben der 28 Ritzerinschriften, die das Sterben nennen, sind von männlichen und weiblichen Errichtern gemeinsam in Auftrag gegeben worden. Das ist zwar eine verhältnismäßig kleine Zahl, aber dennoch von statistischem Aussagewert, der bei 25,9 % liegt. Diese Inschriften wurden in familiärer Gemeinschaft für Söhne, Väter, Ehemänner errichtet. Die Hinterbliebenen sind Geschwister und Ehefrauen. Alle stammen aus Uppland. Drei der sieben Inschriften stammen von Åsmund, zwei von Öpir. Dieser Zusammenhang von Ritzernennung und gemeinschaftlichem Erstellen durch weibliche und männliche Errichter, zeigt den auf die Familie und die Gemeinschaftlichkeit gerichteten Fokus, von dem der Runenstein hinsichtlich des Themas ‚Tod und Sterben‘ Zeugnis gibt.
Ritzersignaturen: Religiöse Merkmale Bittformeln erscheinen innerhalb dieser 28 Sterbeinschriften mit Ritzersignatur leicht erhöht. Acht Stück (d.h. 15,7 %) beinhalten eine Formel, die sich an Gott richtet. Eine gleiche Tendenz zeigen jene Inschriften, die auf ein Begräbnis schließen lassen. Fünf der Begräbnis-Inschriften enthalten zugleich eine Ritzersignatur (16,7 %). Innerhalb der Inschriften mit Kreuzabbildungen sind es 16 Stück, die zugleich Ritzersignaturen aufweisen (13,8 %). Und von den fünf Brücken-Inschriften enthält keine einzige eine Ritzersignatur. All diese genannten Werte zeigen jedoch entweder sehr geringe Fallzahlen oder nur rudimentäre Abweichungen zum statistisch erwarteten Wert. Auffällige Korrelationen lassen sich daher nicht ableiten.
226 Åhlén: Runristaren Öpir, 213.
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Insgesamt lassen sich aus dieser Subgruppenuntersuchung zu Ritzersignaturen zwei Ergebnisse mit statistischer Relevanz ableiten: Zum einen das unterschiedliche Verhalten in den Regionen Södermanland und Uppland, zum anderen, dass die Ritzersignatur bei Inschriften ohne konkreten Ausdruck des Sterbens häufiger erscheint als bei Toteninschriften. 5.3 Länder- und Regionenvergleich Inschriften, die den Tod oder das Sterben direkt benennen, sind regional sehr unterschiedlich verteilt.227 Bezogen auf die jeweils der Region eigenen Gesamtzahlen, stellen sich die Gruppen der Toteninschriften im Ländervergleich228 verschieden dar: Bei insgesamt 2057 gezählten schwedischen Inschriften machen die 189 Toteninschriften einen Anteil von 9,2 % aus. Die 25 dänischen Sterbeinschriften bedeuten aus der gesamtdänischen Gruppe von 200 Stück einen Anteil von 12,5 %. In Norwegen machen die für diese Untersuchung relevanten vier Inschriften einen Prozentsatz von 7,8 % von den insgesamt 51 norwegischen Inschriften aus. Damit scheint in Dänemark innerhalb dieses Dreiervergleichs die Sitte, das Sterben auf Inschriften zum Ausdruck zu bringen, am meisten ausgeprägt gewesen zu sein. Im Schnitt ergeben sich 9,4 % an Sterbeinschriften pro Region. Natürlich wird dieser Wert hauptsächlich durch den immensen schwedischen Anteil getragen. Eine Subuntersuchung der schwedischen Regionen scheint daher besonders wichtig. Bei einer Untersuchung nach derart vielen Untergruppen, wie es dieses Kapitel nach der regionalen Verteilung erfordert, muss jedoch berücksichtigt werden, dass relativ kleine Fallzahlen entstehen können, die nicht auf statistische Auffälligkeiten deuten müssen. Dies betrifft Gästrikland (zwei Toteninschriften von insgesamt 15 Stück), Närke (zwei Toteninschriften von insgesamt 19 Stück) und Västmanland (5 Toteninschriften von insgesamt 25 Stück). Die weiteren Regionen können in ihren Gesamtergebnissen auf aussagefähige Werte hindeuten (die Insel Öland weist zwar nur vier Sterbeinschriften auf, dies jedoch innerhalb einer Gesamtgruppe von 87 Stück, was wiederum eine deutliche Auffälligkeit ausdrückt). Bei weiteren Subuntersuchungen können diese jedoch wieder in sehr kleine Gruppen zerfallen.
227 Hier wird auf die regionale Verteilung der Runensteine eingegangen, d.h. die Vorkommen innerhalb der skandinavischen Länder (Dänemark, Schweden, Norwegen) und der schwedischen Provinzen (Uppland, Södermanland, Östergotland etc.) werden untersucht. Die erstmaligen Standorte der individuell betrachteten Runensteine (d.h. eventuell ursprüngliche Gräberfeldnähe oder ursprünglich anderweitige lokale Aufstellungen) werden hier nicht berücksichtigt. Diesbezüglich sei auf die Arbeit von Lydia Klos (Runensteine in Schweden) verwiesen, in welcher der anfängliche Aufstellungsort der einzelnen Runensteine in Augenschein genommen wird. 228 Für diese Berechnungen wurden die Gesamtzahlen der einzelnen Regionen/Länder gemäß der Aufstellungen von Birgit Sawyer (The Viking-age rune-stones, 188ff) herangezogen.
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In der Gesamtsicht verteilen sich die Inschriften mit Sterbeterminologie auf die drei Länder bzw. die 14 schwedischen Regionen wie folgt:
Abb. 13 S = Schweden, DK = Dänemark, N = Norwegen, G = Gotland, Gs = Gästrikland, Nä = Närke, Sm = Småland, Sö = Södermanland, U = Uppland, Vg = Västergötland, Vs = Västmanland, Ög = Östergötland, Öl = Öland, Hs = Hälsingland, J = Jämtland, Vr = Värmland.
Die durchgezogene Linie stellt den Durchschnittswert (S) dar, der sich in der Gesamtheit aller Inschriften ergibt. Die Bezirke Hälsingland, Jämtland, Medelpad und Värmland enthalten keine Runensteine mit Informationen über evident tote Personen. Gästrikland, Närke und Västmanland sollten, wie genannt, aufgrund geringer Fallzahlen hier nicht gedeutet werden (in der Grafik mit Stern markiert). Ein Drittel aller gotländischen Inschriften gehören der hier untersuchten Gruppe an. Småland und Södermanland übertreffen den durchschnittlichen Sterbeinschriftenbestand, Väster- und Östergötland entsprechen dem erwarteten Maß. Öland und Uppland unterschreiten den erwarteten Bestand, womit sich Uppland und Södermanland ein weiteres Mal als gegensätzliche Pole darstellen. Rein aus der Perspektive der hier untersuchten Gruppe der Inschriften mit Sterbeterminologie, also auf die Anzahl von 218 Stück bezogen, stellt sich die Verteilung der Inschriften folgendermaßen dar:
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Abb. 14
Hier schlagen die beiden Regionen Uppland und Södermanland aufgrund ihrer hohen Nominalzahlen (Uppland: insgesamt 69 Sterbeinschriften, Södermanland: insgesamt 47 Stück) zu Buche. Die Regionen Gästrikland, Närke und Västmanland sind statistisch nicht auswertbar (mit Stern markiert). Die in der Grafik angezeigten Prozentzahlen werden als erwartete Verteilung auch der Subgruppen angenommen. Alle Kategorien, die bemerkenswert von diesen Richtlinien abweichen, werden im Folgenden angeführt.
Regionen: Die unterschiedlichen Rollen der Frau Aufgegliedert nach dem Geschlecht der Hinterbliebenen zeigt sich bei den Runenstein setzenden Frauen die höchste Aktivität innerhalb der uppländischen Inschriften. Sieben Inschriften wurden von Frauen alleine erstellt (38,9 %), 15 Stück zusammen mit männlichen Hinterbliebenen (55,6 %); beides liegt über dem erwarteten Wert von 31,7 % und stellt die uppländische Frau in ihrer Rolle als Gedenkende in ein besonderes Licht. Genau gegenteilig scheinen die weiblichen Hinterbliebenen in der Nachbarregion Södermanland agiert zu haben. Dort gibt es nur drei Toteninschriften, die durch Frauen alleine in Auftrag gegeben wurden (16,7 %) und lediglich zwei Stück, die weibliche und männliche Hinterbliebene in Gemeinschaftsarbeit (7,4 %) haben erstellen lassen (erwarteter Wert: 21,6 %). Die södermanländischen Inschriften, in welchen die Frauen als Hinterbliebene eine Funktion einnehmen, bilden eine verschwindend kleine Gruppe, entsprechend stellt sich die Rolle der wikingerzeitlichen södermanländischen Frau (zumindest in dieser Hinsicht) als nicht bedeutsam dar.
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Eine weitere herausragende Position nehmen hingegen die Frauen aus Östergötland ein. Hier waren 27,8 % (erwartet: 9,2 %) weibliche (allein errichtende) Hinterbliebene aktiv. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass bei der Gruppe der Inschriften, die den Tod einer Person deutlich thematisieren, die Frauen aus Uppland und Östergötland diese Tatsache besonders hervorgehoben haben bzw. sich in eine aktive Rolle begeben haben, dem Sterben eines Angehörigen mittels einer Runeninschrift zu gedenken. Was das Geschlecht des/der Toten anbelangt, lässt sich mittels dieser Untersuchung bezüglich der Frauen keine Aussage treffen. Die wenigen Inschriften, die weiblichen Toten gelten, verteilen sich derart über die Regionen, dass die einzelnen Fallzahlen äußerst gering sind. Auffälligkeiten gibt es hier nicht.
Regionen: Die Sterbeorte Skandinavien als Sterbeort wird auf den dänischen Inschriften besonders häufig genannt. Dort macht dieser Anteil 27,6 % aus, im Gesamtvergleich würden nur 11,5 % erwartet werden. Westfahrer werden auf 25,0 % der Totensteine aus Södermanland genannt (erwartet: 21,6 %), aber nur auf 7,1 % der uppländischen Inschriften (erwartet: 31,7 %). Die Werte der Ostfahrer hingegen treten in beiden Regionen gleichermaßen häufig auf (jeweils knapp zehn Prozentpunkte über dem erwarteten Wert).
Regionen: Die bevorzugten Sterbetermini Unterteilt nach den Gruppen der Sterbeterminologie erscheint die Gruppe 3 (konnotative Mitteilung) in Dänemark erhöht (18,5 %, fünf Stück, erwarteter Wert: 11,5 %), wohingegen dieses Vokabular in Södermanland und Uppland auffällig wenig vorkommt (Södermanland: 11,1 %, drei Stück, erwartet: 21,6 %; Uppland: 14,8 %, vier Stück, erwartet: 31,7 %). In Uppland fällt der verhältnismäßig häufige Gebrauch von Worten aus der Gruppe 2a auf (der Tod geschah durch unnatürliche Umstände unter Mitwirkung weiterer Personen): 21 uppländische Inschriften (42,9 %; erwartet: 31,7 %) weisen Termini dieser Art auf. Hauptfaktor für diese Ausprägung sind die Begriffe falla und drepa.229 Es ist sehr auffällig, dass in der uppländischen Region diese Todesarten in einer solchen Ausprägung auftraten bzw. als solche auf Inschriften zum Ausdruck gebracht wurden. Anders stellt sich Södermanland dar: Die Mitteilungen über Verstorbene, die ihren Tod durch Erschlagen fanden, nehmen hier einen erwarteten Rahmen ein. Die Inschriften jedoch, die aus der Gruppe 1 (neutrale Formulierung) den Terminus enda
229 falla: acht Stück = 53,3 %, drepa: neun Stück = 39,1 %; jeweils erwartet: 31,7 %.
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zur Anwendung bringen, bilden in dieser Region die maximale Ausprägung (45,5 %, zehn Stück, erwarteter Wert: 21,6 %). Bei der Verwendung der Formulierung verda daudr treten die dänischen Inschriften besonders hervor (17,3 %; 13 Stück, erwarteter Wert: 11,5 %).
Regionen: Im zeitlichen Vergleich Im chronologischen Verlauf, d.h. der Stilgruppierung nach Anne-Sofie Gräslund,230 stellen sich in der frühesten Phase RAK die dänischen und die småländischen Toteninschriften am höchsten dar.231 In den Perioden Pr1 und Pr2 nehmen Uppland und Södermanland die höchsten prozentualen Werte an.232
230 Gräslund: Runstenar – om ornamentik och datering I + II. 231 Dänemark: 33,3 %, 19 Stück, erwartet: 11,5 %; Småland: 14,0 %, acht Stück, erwartet: 6,9 %. 232 Uppland: Pr1: 52,6 %, zehn Stück, Pr2: 41,7 %, fünf Stück, jeweils erwartet: 31,7 %. Södermanland: Pr1: 21,1 %, vier Stück, Pr2: 41,7 %, fünf Stück, jeweils erwartet: 21,6 %.
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D Qualitativer Teil: Zusammenfassung und Diskussion In diesem Teil der Arbeit werden zuerst die Ergebnisse aus dem vorangegangenen Abschnitt C zusammengefasst. Dies erfolgt hier nicht mehr nach den in der Gesamtuntersuchung vorgenommenen Kategorien, sondern als Synthese einzelner Aspekte, die sich in ihren Zusammenhängen verschiedener Bereiche zu wichtigen Aussagen verknüpfen lassen und dadurch ein Gesamtbild ermöglichen. Des Weiteren wird dieses Kapitel durch die Diskussion geprägt, ob Runensteine tatsächlich primär als Totengedenksteine anzusehen sind. Hierzu werden einzelne Thesen anderer wissenschaftlicher Arbeiten, welche für die vorliegende Arbeit in Bezug auf diese Fragestellung relevant sind, aufgeführt und im Einzelnen besprochen. Was die gängige Meinung233 darüber anbelangt, dass Runensteine vorwiegend für Verstorbene aufgestellt wurden, so zeigt bereits die bisherige Untersuchung des Abschnittes C, dass es mehrere Punkte gibt, die dies anzweifeln lassen. Aus der großen Menge der skandinavischen, wikingerzeitlichen Runensteine weist doch nur knapp ein Zehntel tatsächlich Informationen auf, die im Zusammenhang mit dem Tod eines Menschen stehen. Da dies ein äußerst geringer Anteil ist, kann zu Recht die Frage gestellt werden, ob die Inschriften wirklich dem Totengedenken dienten oder ob die Mehrheit der Inschriften nicht für damals noch Lebende erstellt wurde und damit der Schwerpunkt auf anderen Verwendungszwecken lag. In der außerrunischen Quellenlage findet sich kein Beleg,234 der den Usus, Runensteine zu errichten, erklären würde; es gibt keine Hinweise darauf, dass die Anfertigung eines Runensteins eine Handlung war, die direkt mit dem Tod einer Person verknüpft sein musste. Wenn die Runensteine per se vorwiegend für Tote errichtet wurden, weshalb erfolgte dann überhaupt eine gesonderte Erwähnung der Tatsache über das vorangegangene Sterben der zu gedenkenden Person? Weshalb wird das Sterben auf Inschriften formuliert?
233 Siehe Einleitung. 234 Die Beschreibung einer Zeremonie im Reisebericht des Ibn Fadlan kommt dem noch am nächsten: Er beschreibt das von ihm besichtigte Ritual des Begräbnisses eines angesehenen Häuptlings und schließt die Passage mit der Information, dass an der Stelle, wohin sie das Schiff zum Verbrennen gezogen hatten, eine Art runder Hügel errichtet wurde, worauf ein Pfahl aus Birkenholz gesetzt wurde, der den Namen des toten Königs enthielt. Mit einem Stein samt Inschrift, welche weit mehr als nur den Namen enthält, kann das nicht verglichen werden. (Text des Reiseberichts und ausführlicher Kommentar in: Hasenfratz: Die religiöse Welt der Germanen, 14ff.)
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Qualitativer Teil: Zusammenfassung und Diskussion
1 Die Generationeninschriften mit Sterbeterminologie im Vergleich Während bei den Toteninschriften eine auffällig gleichmäßige Verteilung über die vier möglichen Generationenrichtungen auftritt, sind innerhalb der gesamten Inschriftengruppe doch deutliche Schwerpunkte zu erkennen. Die Generationenrichtungen der Inschriften mit Sterbeterminologie im Vergleich mit den im gesamten Inschriftenkorpus vorkommenden Generationenrichtungen235 ergibt Differenzen, wie sie aus Tabelle 24 und der Grafik (Abb. 15) ersichtlich sind. Tab. 24: Generationeninschriften im Vergleich
Generationen für die ältere für die gleiche für die jüngere für nicht benannte
Gesamtkorpus (gem. B. Sawyer)
Toteninschriften
2280 Generationen 37,6 % 31,8 % 18,6 % 11,8 %
239 Generationen 23,4 % 25,5 % 25,5 % 25,5 %
Abb. 15
235 Hierzu werden die Ergebnisse von Birgit Sawyer (The Viking-age rune-stones, 44 und 169) herangezogen. Sie hat ebenfalls den von ihr untersuchten Inschriftenkorpus um die mehrfachen Benennungen ergänzt.
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Die meisten Inschriften wurden für die ältere Generation errichtet. Innerhalb derer, die den Tod der zu gedenkenden Person nennen, sind es 14,2 Prozentpunkte weniger. Inschriften, die nicht explizit das Sterben nennen, haben sehr wahrscheinlich eine andere Funktion erfüllt. Hier könnte das Stichwort „Erbe“ eine große Rolle spielen. Wird davon ausgegangen, dass die Inschriften, die deutlich den Tod zum Ausdruck bringen, primär als Gedenk- und Toteninschriften galten und weniger zur Markierung der Erbansprüche, so wird das ebenmäßige Auftreten verständlich. Das Thema ‚Tod und Sterben‘ ist innerhalb jeder Generationenrichtung (die ja nicht das tatsächliche Alter markiert) gleichermaßen aufgetreten. Erbansprüche hingegen – und hier wird vorausgesetzt, dass Inschriften, die den Tod nicht konkret zur Sprache bringen, primär zur Markierung der Erbfolgeregelungen gelten – wurden naturgemäß altersmäßig von unten nach oben, d. h. von der Kindergeneration an die ältere Generation geltend gemacht. Es erscheint daher logisch, dass genau die Inschriftengruppe, die für die ältere Generation errichtet ist, den höchsten Wert erzielt, gefolgt von der Gruppe für die gleiche Generation (was sowohl Ehepartner/innen als auch Geschwister betrifft). Erst danach kommt die Kindergeneration. Und Inschriften, deren Genealogie nicht ablesbar ist, stehen im Gesamtkorpus um fast 14 Prozentpunkte niedriger als innerhalb der Totensteine. Auch dies lässt sich durch obige These erklären, denn diejenigen Inschriften, die eventuell nicht vorrangig das Ziel ‚Bekanntgabe von Erbforderungen‘ hatten, sondern tatsächliche Gedenkund Toteninschriften waren, benötigten nicht unbedingt eine genaue Formulierung der familiären Verknüpfungen, während bei jenen Inschriften, die nicht das Sterben erwähnen, also eventuell gar nicht diesem Gedenkzweck dienten, dies zur Kenntlichmachung rechtlicher Erbfolgen doch zwingend mitgeteilt werden musste.
2 Die ruhmreichen Alten und die religiösen Jungen Insgesamt gesehen sei hier angemerkt, dass die Nennung der drei Generationen innerhalb der Inschriften mit Sterbeangaben prozentual annähernd gleich verteilt ist. In der Gesamtbetrachtung aller 218 Inschriften kann nicht gesagt werden, dass mehr Sterbeinschriften für die eine oder andere Generation erstellt wurden. Aus diesem Umstand kann abgeleitet werden, dass die Runeninschriften nicht primär für eine bestimmte Altersgruppe von Toten erstellt wurden. Der Umgang mit dem Thema ‚Tod und Sterben‘ hat sich ebenmäßig über die Generationenfolgen hinweg erstreckt, zumindest wird dies mittels der Runensteine so zum Ausdruck gebracht. Die Mitteilung über den Tod einer Person wurde über das Medium Runenstein demnach nicht primär für eine bestimmte Alters- bzw. Generationengruppe bevorzugt. Innerhalb der ausgewerteten Daten zu den drei verschiedenen Generationen (Inschriften für die ältere Generation, für die gleiche Generation und für die jüngere
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Generation – jeweils aus der Sicht der/des Errichter/s) haben sich deutlich verschiedene Ausrichtungen ergeben. Dies insbesondere in den beiden Aspekten, die in der Überschrift anklingen: Merkmale, die auf Religiosität deuten und solche, die im Bereich von Ehre oder Prestige anzusiedeln sind. Was den erstgenannten Themenbereich, die Religiosität, angeht, zeigen sich bei den Begräbnisinschriften genealogische Unterschiede. So wurde der größte Teil der Begräbnisinschriften für die ältere Generation angefertigt. An zweiter prozentualer Stelle stehen jene Inschriften, aus welchen sich eine Generationenfolge nicht ablesen lässt. Begräbnisinschriften für die jüngere oder die gleiche Generation wurden im Vergleich äußerst selten verfasst. Indizien, wie Begräbnismarkierung oder auch Kreuzdarstellungen etc. können nicht eindeutig auf entweder die Hinterbliebenen oder die Wünsche des Toten (zu dessen Lebzeiten) zurückgeführt werden. Sicherlich spielte auch die Haltung der Person eine Rolle, für die der Stein aufgestellt wurde. Einem Menschen, der nichts mit religiösen Handlungen zu tun haben wollte, wurde vermutlich mit geringerer Wahrscheinlichkeit eine Inschrift erstellt, die mehrere Merkmale für Religiosität aufweist. So ist wohl hauptsächlich davon auszugehen, dass solche Indizien auf die Einstellungen der Errichter zurückzuführen sind. Wenn Begräbnisinschriften für die ältere Generation derart häufig in Erscheinung treten, besagt diese Information möglicherweise doch mehr etwas über die Stein setzende Generation. Gleichzeitig ist ein Begräbnis für eine nicht christlich orientierte Person doch auch wenig wahrscheinlich. Insofern können aus solchen Kriterien zwar Informationen über beide beteiligten Generationenrichtungen entnommen werden. Eine stärkere Gewichtung auf die Errichtergeneration als auf die Empfängergeneration dürfte allerdings den damaligen Gepflogenheiten sicherlich am nächsten kommen. Neben den häufig für die ältere Generation vorkommenden Begräbnisinschriften steht die Verwendung von Bittformeln, die sich in Parallelität zeigen: Auch die Gotthelfe-Anrufungen wurden häufiger für die ältere Generation angebracht als für die jüngere oder die gleiche. Die Kindergeneration war im Gebrauch solcher Gebetsformeln deutlich aktiver. Kreuzsymbole auf Runeninschriften wurden von der jüngeren für die ältere Generation in ganz ähnlicher Häufigkeit angebracht wie im umgekehrten Fall, also von der älteren für die jüngere Generation. Es lässt sich aus Kapitel C 4.1 schlussfolgern, dass Bittformeln auf Toteninschriften vorrangig dann Anwendung fanden, wenn die Steinsetzer und die Verstorbenen nicht derselben Generation angehörten. Innerhalb der Geschwisterschaft wurden bei Mitteilung des Todes auf Runensteinen Gebetsformeln vernachlässigt. Es lässt sich zwar aus den Inschriften nicht ablesen, wessen Ambitionen diese religiösen Götteranrufungen folgten, ob die Inschriftenersteller ihre eigenen Vorstellungen und Erwartungen damit verknüpften oder ob sie es zum Gefallen der Toten taten. Da jedoch vorrangig die Brüder-Inschriften (also die gleiche Generationenrichtung) eine Bittformel vermissen lassen, kann vermutet werden, dass dieser Usus
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hauptsächlich von der Elterngeneration gewünscht und dadurch Bittformeln auf Runensteinen für sie auch so angefertigt wurden. Schließlich kann in Bezug auf religiöse Hinweise auf Sterbeinschriften zusammenfassend festgestellt werden, dass diese von der Kindergeneration für die Eltern in viel höherem Maße eingebracht wurden. Dass die Anbringung von Kreuzen aber sowohl von der Eltern- an die Kindergeneration als auch umgekehrt in ähnlich hohem Ausmaß stattfand, kann bedeuten, dass dies nicht ausschließlich religiösen Zwecken entsprang, sondern auch ornamentale Funktionen beinhaltete. Möglicherweise sind Kreuze aber auch zu einem späteren Zeitpunkt angebracht worden und ein Anteil der Abbildungen somit nicht auf die ursprünglichen Steinersteller zurückzuführen. Der zweite bereits in der Überschrift anklingende Punkt, nämlich der Aspekt rund um das Thema Ruhm und Ehre, kann an folgenden Ergebnissen festgemacht werden. Ein sehr hoher Wert kann rechnerisch bei metrischen Inschriftenteilen ermittelt werden, die der älteren Generation gelten. Aus der Tatsache, dass solche Inschriften, welche Verseinschübe enthalten, einen weitaus größeren Aufwand bedeuten (dies sowohl zeitlich für die Vorbereitung der Inschrift als auch wirtschaftlich, da der beauftragte Runenritzer dies zur Umsetzung zu bringen hatte), kann direkt abgeleitet werden, dass dieser Mehraufwand in Bezug auf die Person, derer gedacht werden sollte, wichtig war und zwar möglicherweise im gleichen Verhältnis zur Bedeutsamkeit der Ehrung, die der toten Person zuteil werden sollte. Dass die genaue Nennung des Sterbevorgangs, insbesondere mit solchen Termini, welche Zweikämpfe oder weitere kriegerische Handlungen zum Ausdruck bringen, ebenfalls bei der Elterngeneration in überdurchschnittlichem Maße auftritt, unterstreicht, wie wichtig es den Hinterbliebenen war, des Toten in ruhmreichem Lichte zu gedenken. Neutrale Sterbetermini, die ausschließlich das Faktum bezeugen, dass die Person gestorben ist, ohne weitere Konnotation, kommen für die ältere Generation bezeichnend selten vor. Das als kumbl bezeichnete Inschriftenobjekt steht in hohem Maße für die ältere Generation. Da diese Bezeichnung als ein Merkmal ranghoher Position gelten kann, geht dieses Ergebnis konform mit den vorgenannten Schlussfolgerungen. Rang- und Statusangaben auf Sterbeinschriften können zudem in hohem Maße für die gleiche Generation, derer auch der Errichter angehörte, festgestellt werden. Dies gilt ebenso für die Angabe von Sterbeorten. Möglicherweise bedeutet das Fehlen dieser beiden Aspekte bei der Elterngeneration, dass hiermit nicht primär Ehre vermittelt wird. Andererseits (man bedenke, dass diese beiden Punkte in der Kategorie für die gleiche Generation hervorstechen) wird dies zahlenmäßig kompensiert; das würde dann aber auch zeigen, wie groß das Bedürfnis war, Ränge und Tätigkeitsbezeichnungen in Bezug auf Brüder oder Partner zu nennen. Das Ergebnis, dass Ränge oder Sterbeorte für gleich- (oder ähnlich-) altrige Personen derart oft genannt werden, lässt auch Rückschlüsse auf die Errichter zu: Es ist
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wahrscheinlich, dass sie bei den Unternehmen anwesend waren und mitgewirkt haben. Die Rangangaben der Toten würden auf diese Weise auch ein Licht auf den Status der hinterbliebenen Brüder werfen. Und eine Nennung der Orte impliziert, dass die Inschriftenersteller selbst dort waren. Die Häufigkeit dieser beiden Merkmale innerhalb der Inschriften für die gleiche Generation kann dahingehend gedeutet werden, dass diese Angaben nicht ausschließlich den Verstorbenen galten, sondern auch Angaben über die hinterbliebenen Kriegspartner und/oder Brüder konnotieren sollten. Der Gebrauch anonymisierender Sterbeumschreibungen – was als ein frühes Indiz für den anderen Umgang mit dem Tod im Christentum und eine eher euphemistische Beschreibung des Sterbens gelten kann – kommt bei Inschriften für die Elterngeneration ebenfalls recht häufig vor. Im Hinblick auf die Wortwahl, die das Sterben zum Ausdruck bringt, lassen sich die Inschriften für die gleiche und für die jüngere Generation zusammenfassen, während sie sich als Gegenstück zu den Steinen erweisen, mit welchen der älteren Generation gedacht wird. Weshalb bediente man sich für die ältere Generation so deutlich weniger der Sterbeterminologie aus Gruppe 1 und stattdessen häufiger der Nomenklatur der übrigen Gruppen?236 Von den sich in Gruppe 2a befindlichen Personen der älteren Generation sind elf Väter und ein Onkel der Hinterbliebenen genannt. Außer der Inschrift Björkö kyrkogård (Sm 92), in der von Verrat gesprochen wird, nennen alle Inschriften (abgesehen von der exakten Wortwahl der Sterbeterminologie) sehr genau die Umstände und den Ort des Geschehens.237 Alle Angaben der Lokalitäten beziehen sich auf östliche Regionen (Griechenland, Holmgar.r, „im Osten“). Es werden Informationen vermittelt, die auf ruhmreiche Taten schließen lassen (z.B. Sö 126: Teilnahme an einer Schlacht, Sö 171: war Schiffsführer, Sö 217: war Mitglied im lid von Gu.vi, U 644 und U 654: war mit Ingvar unterwegs). Der Vater aus der södermanländischen Inschrift Hagstugan (Sö 130) wird weiterhin als d´ y rd drengila at dómara, mildan orda ok matar gódan geschildert, er konnte gut mit Worten umgehen und war großzügig mit Essen, außerdem war er offenbar ein angesehener dómari. Alle diese Angaben dienen sicherlich nicht nur der Kenntlichmachung großer Taten der Verstorbenen, sondern auch dem Ausdruck von Ruhm und Ehre, welcher nicht ausschließlich der gedachten Person, sondern seiner gesamten Sippe diente. Dieser Ruf an Ehre wird innerhalb der wikingerzeitlichen Familie von Generation zu
236 Siehe Kapitel C 1. Die Sterbeterminologie: Gruppe 1 = Neutrale Formulierung, Gruppe 2a = Todesumstände werden genannt, sie wurden durch kriegerische Ereignisse und bewusstes Eingreifen weiterer Personen ausgelöst, Gruppe 2b = Todesumstände werden genannt, deuten aber nicht auf ein Eingreifen weiterer Personen hin, Gruppe 3 = Konnotative Mitteilung. 237 Der Inschrift Överjärna kyrka (Sö 351) fehlt ein Steinstück, entsprechend ist der Text lückenhaft. Es kann aufgrund des Inschriftenaufbaus davon ausgegangen werden, dass genau die Lakune des Textteils einen ausführlicheren Informationsteil enthalten hat.
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Generation weitervererbt und, wie aus der Sagaliteratur bekannt, werden Personen nicht nur durch ihr eigenes Handeln, sondern auch durch das ihrer Angehörigen als Charaktere dargestellt und ins Geschehen eingeführt. Dass also die geschilderten Taten nicht nur mittels ausführlicher Beschreibung, sondern auch durch die sorgsame Wahl der Sterbetermini (die mit Begriffen wie „gefallen“ und „erschlagen“ mehr Mut und Tapferkeit konnotieren als ein neutrales Wort wie „sterben“) zum Ausdruck gebracht werden und dies vorwiegend bei jenen Inschriften, die von der Nachfolgegeneration errichtet wurden, ist ein wesentliches Indiz dafür, dass die jüngere Generation ein Interesse daran hatte, die Taten der Väter zu rühmen und sich selbst damit in das entsprechende Licht zu stellen. Bei Inschriften hingegen, die für Brüder oder Söhne erstellt wurden, erlischt diese formale Darstellung des „Familienerbes“ relativ schnell, weil die Richtung der Weitergabe solch ruhmreicher Taten vom Vater auf den Sohn übergeht, nicht umgekehrt (vom Sohn auf den Vater) oder seitlich (vom Bruder an den Bruder). Insgesamt sprechen mehrere Indizien dafür, dass bei Inschriften für die ältere bzw. die Elterngeneration ein sehr großes Anliegen deutlich wird, diese Altersgruppe besonders zu rühmen bzw. den bereits erwirkten Ruhm auf den jeweiligen Inschriften kenntlich zu machen. Im Vergleich zu den beiden anderen Generationenrichtungen kann hier ein Schwerpunkt auf den von Hinterbliebenen gewünschten Ausdruck der zu würdigenden Taten ihrer Vorfahren festgestellt werden.
3 Regional unterschiedliche Verhaltensweisen Södermanland und Uppland Die Datenanalysen der Sterbeinschriften aus Kapitel C haben in mehreren untersuchten Kategorien ergeben, dass sich die Ergebnisse der beiden Regionen Uppland und Södermanland auffällig häufig konträr zueinander verhalten. Obwohl die beiden Regionen als geografische Nachbarn aneinander grenzen, beide einen Ostseezugang zur gleichen Himmelsrichtung haben und prozentual gesehen beide das höchste Aufkommen an Sterbeinschriften aufweisen (zusammengenommen machen diese beiden Regionen mehr als die Hälfte der Inschriften mit Sterbeterminologie aus), scheint es, als hätten sich die wikingerzeitlichen Runensteinersteller dort jeweils ganz anderen (gegensätzlichen) Verhaltensweisen angepasst. Aus der Übersichtstabelle 25 lässt sich diesbezüglich eine Grobstruktur ablesen.
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Qualitativer Teil: Zusammenfassung und Diskussion
Tab. 25: Übersicht über die regionalen Unterschiede
Sterbeinschriften für die ältere Generation Sterbeinschriften für die jüngere Generation Verwendung von Bittformeln Ritzersignaturen Frauen als Hinterbliebene Verseinschübe im Inschriftentext Sterbeinschriften für Westfahrer kumbl als Inschriftenobjekt Sterbetermini der (neutralen) Gruppe 1 Sterbetermini der (kämpferischen) Gruppe 2a
Södermanland
Uppland
F G G G G F F F F G
G F F F F G G G G F
f = erwartetes Vorkommen, G = niedrigeres Vorkommen, F = höheres Vorkommen.
In nur wenigen Kategorien konnten übereinstimmende Tendenzen bzw. nur geringe Abweichungen festgestellt werden, wie Tabelle 26 zeigt. Tab. 26: Übersicht über die regionalen Ähnlichkeiten
Angaben über Rang und Status Benennen der Reiseziele Begräbnisinschriften Kreuze auf Sterbeinschriften
Södermanland
Uppland
f F G F
G F G f
f = erwartetes Vorkommen, G = niedrigeres Vorkommen, F = höheres Vorkommen.
Eine Einteilung der södermanländischen und uppländischen Sterbeinschriften in die Stilgruppierung nach Anne-Sofie Gräslund238 spiegelt das chronologische Vorkommen der Sterbeinschriften wider und zeigt, dass die Inschriften aus Södermanland ihr hohes Aufkommen in den frühen Phasen haben und im späteren Verlauf weniger werden. In Uppland hingegen erfolgte das große Aufkommen der Sterbeinschriften erst in den späteren Perioden. Das bedeutet, dass die Sterbeinschriften dieser beiden Regionen chronologisch gesehen ihre Hochphase zu verschiedenen Zeiten durchlebten: Södermanland früher als Uppland. Mit dieser Information können die zuvor aufgezeigten Diskrepanzen auch im zeitlichen Verlauf eingeordnet werden und erlauben Schlussfolgerungen, die auch auf eine sich verändernde Funktion des Runensteins als Objekt zur Todesmitteilung hinweisen.
238 Gräslund: Runstenar – om ornamentik och datering I + II.
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Insgesamt wirkt es, als sei die Informationsvermittlung über den Tod einer Person durch Runensteinerstellung in Södermanland eine Tätigkeit gewesen, die einer hohen, respektive wichtigen Schicht zu eigen war und zuvorderst das Ziel verfolgte, das Sterben von älteren Gesellschaftsmitgliedern auf eine nicht typische oder formelhafte Weise kundzutun. In Uppland hingegen scheint dieser Usus bereits wesentlich mehr der breiteren Gesellschaftsschicht zugänglich gewesen zu sein und keine solch elitäre Bedeutung gehabt zu haben wie in der Nachbarregion Södermanland. Für diese These spricht beispielsweise der Umstand, dass der Runenstein in Södermanland um ein Vielfaches häufiger als kumbl bezeichnet wurde als in Uppland, wo das Inschriftenobjekt oftmals gar keine Bezeichnung mehr erhält. Gleichzeitig wurden die Sterbeinschriften in Södermanland meist für die Eltern und/oder Väter erstellt, eine Generationenfolge, die in Uppland recht wenig erscheint. Dass zudem metrische Textteile sehr viel häufiger in Södermanland geritzt wurden (was in Uppland verhältnismäßig selten der Fall war) und gleichzeitig an Sterbetermini eher Begriffe verwendet wurden, die das Sterben ohne wertende Konnotationen oder Umschreibungen zum Ausdruck bringen, zeigt den Schwerpunkt, der in Södermanland bezüglich der Erstellung von Sterbeinschriften gesetzt wurde. Die Angaben über Ränge oder Tätigkeitsbezeichnungen fallen in Uppland auch sehr viel seltener aus als in Södermanland, wo diese Informationen doch als Bestandteil der Sterbeinschriften angesehen werden können. In Uppland wurden Inschriften zumeist für die Kinder und Söhne erstellt, dies zu einem auffällig hohen Anteil auch von Frauen. Die Sterbeumstände, insbesondere jene, die kriegerische oder gewalttätige Hintergründe ausweisen, werden genannt, dies mit einem häufigen Vorkommen von Bittformeln und der Namensangabe der Runenritzer. Möglicherweise war das zuvor relativ zielgerichtete Erstellen von Sterbeinschriften in Södermanland zu einem recht üblichen Handeln geworden, zu einer Sitte, die in Uppland auch der weniger begüterten Gesellschaftsschicht möglich wurde. Dass in Uppland auf Steininschriften mehr Runenritzer genannt wurden, kann daran liegen, dass sich diese Tätigkeit wegen der weiteren Zugänglichkeit innerhalb der Gesellschaft dort etablieren konnte. Dies aufgrund der Tatsache, dass die Runensteinerstellung den Weg zu einem einträglichen Geschäftszweig ging, was in Södermanland weniger der Fall gewesen zu sein scheint. Während in Södermanland die Sterbeinschriften in einem höchst funktionellen Rahmen erscheinen, wirkt es, als sei der Runenstein in Uppland als Medium zur Mitteilung des Sterbens eine Art von gewöhnlicherer Sitte geworden, die sozusagen tiefer in die Gesellschaft eingedrungen war. Möglicherweise kann eine runeninschriftliche Sterbemitteilung aus Uppland ganz ähnlich gesehen werden wie eine Todesanzeige, deren Funktion in der Mitteilung an ein breiteres Publikum liegt. In Södermanland hingegen war eine solche Art von Todesanzeige ein recht elaboriertes Anliegen mit einer sehr viel engeren Zielgruppe, allein aufgrund der inschriftlichen Ausgestaltung.
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Dänemark Die dänischen Inschriften zeigen sich in vielen Punkten ambivalent sowohl zu dem vorgenannten Regionenpaar als auch zu den übrigen skandinavischen Lokalitäten. Die dänischen Sterbeinschriften gehören chronologisch einer sehr frühen Zeit an, möglicherweise lässt sich dadurch im Zusammenhang mit den oben genannten Ergebnissen die zeitliche Veränderung im Verhalten bezüglich der Erstellung von Sterbeinschriften fortsetzen. So ist zudem bezüglich der dänischen Toteninschriften festzustellen, dass die Sterbetermini zumeist der Gruppe 1 (neutrale Formulierung) entstammen und wertende bzw. beschreibende Worte für diese Information in der Regel vermieden werden. Demnach kann geschlussfolgert werden, dass über den Verbreitungsweg der Sterbeinschriften das gewählte Vokabular mit der Zeit immer aussagekräftiger wurde und von dem ursprünglich vorherrschenden „schlichten“ Mitteilen über ‚Tod und Sterben‘ sich langsam die Tendenz entwickelte, mittels der einzelnen Vokabeln dem Leser die Umstände näher zu bringen und kämpferische bzw. deutlichere Worte zu wählen, was zum Beginn des frühen Mittelalters hin jedoch wieder rückläufig wurde. Die Rangangaben waren auf dänischen Inschriften ganz üblich, was jedoch hauptsächlich auch darauf zurückzuführen ist, dass die Sterbeinschriften aus Dänemark vorwiegend wenig familiäre Bezüge aufweisen, sondern primär für Handelspartner und/oder Kameraden erstellt wurden, welche mit den Errichtern zusammen die zurückliegenden Aktionen durchlebten. So wird es auch erklärbar, weshalb die dänischen Sterbeinschriften vorwiegend für die gleiche Generationenrichtung stehen. Innerfamiliäre Bezüge, wie sie in Uppland das Gros der Inschriften ausmachen, sind in Dänemark gar nicht üblich gewesen. Auch hier macht sich eine deutliche Veränderung bemerkbar. Stellt man die drei Gebiete Dänemark, Södermanland und Uppland einander gegenüber bzw. in die genannte zeitliche Reihenfolge, so kann durchaus ein Veränderungsprozess festgestellt werden, der die Funktion der runischen Sterbeinschrift charakterisiert. Das eine Extrem bildet demnach die außerfamiliäre Gesellschaftsstruktur, in welcher die zurückliegenden Taten des Verstorbenen, die Tätigkeitsbezeichnung und das Ansehen wichtig waren. Die Sitte wandelte sich mit fortschreitender Christianisierung ins andere Extrem, in dem innerfamiliäre Bezüge vorrangig wurden, religiöse Gesichtspunkte in die Kultur der Sterbeinschriften eingingen und die Sterbetermini sehr viel aussagekräftiger und plakativer wurden.
4 Verortung des Todes im gesellschaftlichen Kontext Der noble pegn, der jugendliche drengr und der verheiratete bóndi Die demographischen Strukturen der untersuchten Inschriften auf Totensteinen zeigen, dass der Status des drengr vorwiegend im Zusammenhang mit der jüngeren oder
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gleichen Generation (aus der Sicht der Steinerrichter) steht und hier gleichzeitig meist neutrale Sterbetermini vergeben werden, obgleich der Kontext der Inschriften vermehrt von kriegerischen Hintergründen berichtet und die Sterbeorte oft konkret genannt werden. Zugleich treten hier viele Attribute auf, welche die zu gedenkende Person als gut oder sehr gut bewerten. Der pegn ist gemäß den Ergebnissen auch dieser Untersuchung deutlich einer älteren Generation und höheren Hierarchiestufe zuzuordnen.239 Dieser Personengruppe kommen auch weitere Informationsvermittlungen auf den Inschriften zu, z.B. Details über Mitfahrer, Schiffsbesitz oder die bereisten Plätze. Im Gegenzug erscheinen keine positiv wertenden Attributionen, was möglicherweise bereits durch die Statusbezeichnung pegn impliziert wird und somit als redundant angesehen wurde. Die Wahl der Sterbeformulierungen zeigt in diesem Zusammenhang keine Ausprägung bestimmter Begriffe; aus den Inschriftenkontexten gehen ansonsten keine kriegerischen Handlungen hervor. Die Inschriften zeigen eine hohe Komplexität, was z.B. durch das häufige Aufkommen metrischer Formen Ausdruck erhält. Des in der untersuchten Inschriftengruppe vorkommenden bóndi wurde vorwiegend von hinterbliebenen Frauen gedacht. Eine weitere Aufschlüsselung zeigt, dass es sich hierbei nicht um Töchter oder Mütter, sondern um Frauen der gleichen Generation, also höchstwahrscheinlich Ehefrauen, handelt. Diese Frauen brachten viele Zusatzinformationen über die Toten in die Inschriften ein, jedoch kaum rühmende bzw. wertende Attributionen. Auch sie entschieden sich häufig für den Gebrauch metrischer Textteile und vermittelten somit großes Bemühen und eine recht hohe Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit dem Thema ‚Tod und Sterben‘. Sie verwendeten zwar keine Bittformeln, brachten ihre religiösen Neigungen jedoch vielfach auf alternative Weise zum Ausdruck, beispielsweise durch Informationen über eine zurückliegende Pilgerreise oder durch Hinweise auf eine stattgefundene Taufe (in weißen Kleidern).
Die vergangenen Lebensumstände der Toten Im Zusammenhang mit der unterschiedlichen Wahl der Sterbetermini konnte gezeigt werden, dass eine neutrale Formulierung des Sterbens (Gruppe 1) gleichzeitig mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Angabe geografischer Daten trifft, die aussagen, wo der Tod stattfand. Die sehr genau umschreibenden Begriffe (Gruppe 2), die äußere Einwirkung durch entweder weitere Personen oder unnatürliche Umstände implizieren, stehen nur selten in Verbindung mit den Angaben über die Lokalitäten. Ebenso verhält es sich bei den anonymisierten Sterbetermini (Gruppe 3), die bereits einem Einfluss mittelalterlicher (und damit christlich geprägter) Gepflogenheiten unterliegen. Personen, die in Dänemark oder auf Gotland starben, werden ausschließlich mit Sterbetermini der neutralen Gruppe inschriftlich genannt. Ebenso wird der Tod der
239 Vgl. Ruprecht: Die ausgehende Wikingerzeit im Lichte der Runeninschriften, 62ff.
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Westfahrer zumeist durch nicht bewertende Formulierungen ausgedrückt. Auch zurückliegende oder geplante Reisen werden ausschließlich in Verbindung mit wertfreien, neutralen Sterbetermini genannt. Insgesamt wird dadurch der Eindruck vermittelt, als würden die Informationen über die Sterbe-/Reiseorte tendenziell die detaillierteren Beschreibungen der Todesarten ersetzen. Gleichzeitig steht dies im Zusammenhang mit einer recht frühen Periode der Runensteinsetzung. Als Ostfahrer wurden meist solche Personen bezeichnet, die der gleichen Generation wie die Steinerrichter angehörten. Für Westfahrer hingegen wurden die Inschriften häufig von der älteren Generation erstellt. Diese Westfahrerinschriften wurden von södermanländischen Erstellern häufig mit der Information über den Sterbeort ergänzt, in Uppland hingegen fehlt meistens genau diese Zusatzinformation. Religiöse Aspekte treten im Zusammenhang mit der Nennung der Lokalitäten kaum auf; so gibt es kaum Bittformeln oder Begräbnisinformationen auf Inschriften, die zugleich den Sterbeort nennen. Jedoch nennen alle Brücken-Inschriften einen Sterbeort, was auf eine eigene Bedeutung dieser Inschriften hinweisen kann. Zusammenfassend kann mit hoher Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden, dass in der zeitlich frühen Phase der Runensteinsitte Zusatzinformationen auf Inschriften vermieden wurden und die Intention der Inschriftenerstellung tatsächlichem Totengedenken ohne „überflüssige“ Angaben folgte. Diese Ableitung geht konform mit den weiteren Ergebnissen, dass bei Nennung des Sterbeortes verhältnismäßig selten zusätzlich eine Statusangabe folgt. Auch hier kann der Schluss gezogen werden, dass die Mitteilung der Ortsangaben bereits den Ruhm ersetzt, der durch eine zusätzliche Angabe über die Rangmitteilung erfolgen würde. Die Informationen bezüglich Sterbeort und sozialem Status scheinen sich gegenseitig zu ersetzen und die gleiche Botschaft zu vermitteln: Nämlich, dass Ruhm sowohl als Weitgereister als auch durch eine Rangangabe erworben werden konnte. Zusätzliche Informationen, die über die typische Formelhaftigkeit der wikingerzeitlichen Runeninschriften hinausreichen, finden sich zumeist im Zusammenhang mit neutralen Sterbeformulierungen oder solchen, die ausdrücklich die gewalttätige Einwirkung weiterer Personen konnotieren. Solche Informationen nennen dann z.B. weitere Namen der Teilnehmer, den Wohnort oder detaillierte Angaben zu den letzten Tätigkeiten, die den Tod bewirkten. Diese Zusatzangaben betreffen in hohem Maße die älteren Inschriftenempfänger. Mittels Begräbnisinschriften wird kaum etwas über die Toten mitgeteilt.
Das Kollektiv der Toten und die Bedeutung des Runensteins als Inschriftenobjekt Den Inschriftenerstellern der gleichen Generation war es ein großes Anliegen, den gesellschaftlichen Status ihrer Partner und/oder Brüder zu nennen; dies vorwiegend unter Anwendung metrischer Textteile. Das Vorkommen metrischer Textgestaltung steht offensichtlich auch im Zusammenhang mit der Abbildung von Kreuzen und der
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Nennung von Sterbeorten (meistens Ostfahrer). Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn zugleich ein Begräbnis stattfand, dann nämlich wurde Metrik so gut wie gar nicht zur Anwendung gebracht. Eine Inschrift an sich bedeutete bereits großes Bemühen und deutliche Wertschätzung der Hinterbliebenen für den Toten. Und einen Teil einer solchen Inschrift in metrischer Form abzufassen, kann als eine Steigerung dieses Ausdrucks angesehen werden. Hinter solch einer Aktion steckt nicht nur ein erheblicher materieller (bzw. wirtschaftlicher) Aufwand, sondern auch eine sehr persönliche Geste, deren strophische Abfassung einen immateriellen Wert transportiert. Dies im Zusammenhang mit dem Bedürfnis, den sozialen Status der zu gedenkenden Person (in Einzelfällen auch der Hinterbliebenen) zu nennen, womit sie in die gegenwärtige Gesellschaft eingereiht und ihr damit eine bleibende hierarchische Position bzw. Stellung verschafft wird, zeigt auf, wie sehr diesen Hinterbliebenen an einer den (zumeist hohen) Status des Verstorbenen hervorhebenden Würdigung gelegen war. Ersteller aus der jüngeren Generation, welche die Inschrift für ihre Vatergeneration ritzen ließen, nannten hingegen gerne ihren eigenen Stand. Das kumbl als Inschriftenobjekt wurde meist von jüngeren Menschen für die Elterngeneration gewählt, deren Sterben oft mit anonymisierten Begriffen zum Ausdruck gebracht wird. Gleichfalls recht oft liegt ein Begräbnis zugrunde, das zudem mit inschriftlichen Bittformeln angereichert wird. Kreuzabbildungen kommen auf den kumbl nur leicht gehäuft vor, anders als bei Inschriften mit Ritzersignaturen, wo eine auffällig hohe Quote an Darstellungen von Kreuzen besteht. Die Namen der Runenritzer werden besonders häufig bei Inschriften genannt, welche die Eltern für ihre Kinder errichten ließen und auch bei solchen, die Sterbeorte nennen, was, wie bereits oben genannt, ebenfalls für die Kindergeneration sehr häufig geschah. Zudem ist auffällig, dass bei der Angabe des Ritzernamens oft die Erstellung durch sowohl männliche als auch weibliche Hinterbliebene erfolgte, also durch beide Elternteile. Die Zusammenarbeit zwischen Männern und Frauen als hinterbliebene Inschriftenersteller hatte oftmals auch ein erhöhtes Auftreten an Abbildungen von Kreuzsymbolen zur Folge. Bei Begräbnisinschriften sind das Geschlecht und die genealogischen Bezüge zwischen Ersteller und Empfänger oft unbekannt.
Unterschiedliches Memorialverhalten Im Zusammenhang mit der Sterbeterminologie haben sich mittels der Gruppierung des Sterbevokabulars in drei Bereiche verschiedene Schwerpunkte gezeigt, die mittelbar auf unterschiedliches Gedenkverhalten bzw. unterschiedliche Zielsetzungen der Hinterbliebenen zurückzuführen sind. Die Gruppe 1 der neutralen Formulierungen zeichnet sich im Großen und Ganzen durch die Merkmale aus, dass sie vorwiegend für die jüngere Generation angewandt wurde, des Weiteren vermehrt Kreuzsymbolik auf den Steinen aufweist, im Gegenzug
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aber äußerst wenig Bittformeln und Rangangaben enthält und in Uppland seltener vorkommt. Heruntergebrochen auf die einzelnen Sterbetermini ließ sich insbesondere bei den beiden Formulierungen enda und verda daudr eine unterschiedliche Gebrauchsweise herausfiltern. Beispielsweise fand die Anwendung metrischer Textteile vorwiegend in Verbindung mit enda statt, während dies bei verda daudr auffällig niedrig erschien. Außerdem konnte gezeigt werden, dass der Tod der Ostfahrer primär durch das Wort enda mitgeteilt wird, wohingegen vielen Westfahrern mit der Formulierung verda daudr gedacht wird. Die Beschreibung des Sterbens mit verda daudr steht zudem häufig in Verbindung mit der Nennung der Sterbeorte. Weiterhin zeichneten sich nahezu durchwegs Analogien in der Verwendung der Begriffe enda und deyja ab. Die Gruppen 2a und 2b, die sich beide durch unnatürliche, gewaltsame Todesarten auszeichnen (in 2a mit Fremdeinwirkungen durch andere Personen, in 2b ohne diese eindeutige Konnotation), zeigen ebenfalls ganz eigene Merkmale, wobei die Ergebnisse der Gruppe 2a teilweise sehr viel größere Abweichungen von den erwarteten Werten ergaben als 2b. Während diese beiden Gruppen meist ähnliche Tendenzen zeigen, besteht eine gravierende Unterscheidung in dem Ergebnis, dass Bittformeln innerhalb der Gruppe mit Sterbetermini, die zugleich negative Einwirkungen durch weitere Personen mitteilen, sehr viel häufiger erscheinen, als wenn keine weiteren Personen am unnatürlichen Tod beteiligt waren. Die Gruppe der Termini, welche gewaltsame Todesarten mit Fremdeinwirkung durch andere Menschen bezeichnen, hat in der uppländischen Region ihr höchstes Vorkommen, dies speziell in Verbindung mit Rangangaben und für ältere Personen. Innerhalb dieser Sterbeinschriften besteht auch eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Inschrift metrische Textteile enthält. Es lässt sich demnach ablesen, dass, sofern der Tod durch die Teilnahme an kämpferischen oder kriegerischen Ereignissen eintraf, dies vorrangig in Verbindung mit dem sozialen Stand der zu gedenkenden Person mitgeteilt wurde. Das bedeutet, dass bei einem Todesfall auf Kriegszug der Rang des Gefallenen eine sehr zentrale Information bildet, anders, als würde dieselbe Person in Friedenszeiten sterben.240 Letzteres lässt deutlich zutage treten, wie wichtig es in der wikingerzeitlichen Gesellschaft war, das Sterben, sofern es die Todesursache zulässt bzw. die Todesart den Hinterbliebenen bekannt war, in einem ehrenvollen Licht zu schildern. Die Teilnahme an einer Schlacht attribuierte Ruhm und Würde und verlieh damit auch den Nachkommen Ansehen. Die Ehre der Teilnahme ist das soziale Erbe, das mittels einer öffentlichen Bekanntmachung auf einem Runenstein an die nächste Generation weitergegeben wird.
240 Ganz ähnlich wie in gegenwärtigen Zeiten der Dienstgrad eines gefallenen Soldaten auf den Grabstein geschrieben wird.
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Eine Nennung der Sterbeorte zeigt nahezu exakt den statistisch erwarteten Wert der Kategorie „sozialer Status“. Das bedeutet, dass diese beiden Informationen zueinander keine über- oder untergeordnete Bedeutung haben, sondern möglicherweise die Wertigkeit aus der Angabe eines Sterbeortes mit der Angabe von Rängen, Titeln und Tätigkeitsbezeichnungen gleichzusetzen ist. Bei der Angabe von Sterbeorten muss es sich nicht ausschließlich um Kriegsschauplätze gehandelt haben, wie es die Inschrift von Broby (U 136) belegt, nach welcher der Mann vor seinem Tod in Griechenland eine Reise nach Jerusalem angetreten hatte. Es können demnach durchaus auch Reiseaktivitäten friedlicher Natur gewesen sein. Das Benennen dieser weiten Reisen als Element für die Mitteilungen über die soziale Position des Toten ist ein interessanter Aspekt, da es bei solchen Steinen darum ging, Status zu demonstrieren. Nach den Ergebnissen dieser Studie war es damals nicht nur möglich, Status zu erhalten als Ranghoher, als Held, dessen kriegerische Taten berichtet werden oder als „guter“ oder „bester“ Mann, sondern auch – wie diese Zahlen belegen – als Weitgereister. Für die wikingerzeitliche Gesellschaft, welche den Usus pflegte, Runensteine zu errichten, bedeutete Reisen eine Quelle von Ansehen und Status, was – in Verbindung mit dem Tod – erwähnt werden musste. Das Inschriftenobjekt Runenstein wird in dieser Gruppe oft gar nicht als solches benannt oder nur ganz unspektakulär als stein bezeichnet. Die höchste Ausprägung an Ritzersignaturen findet sich hier. Die Inschriften für die Gefallenen prägen diese Gruppe, obgleich die falla-Inschriften verhältnismäßig nur ein Drittel ausmachen. So konnte für diesen Sterbeterminus festgestellt werden, dass er vorwiegend für die ältere Generation gewählt wurde, dies zumeist in Verbindung mit der präzisen Benennung der Orte/Länder und häufig unter Anwendung metrischer Formen. Die meisten Kriegsgefallenen waren Ostfahrer, primär aus Uppland. Ihre Inschriften wurden größtenteils durch Kreuzsymbole ergänzt. Die Gruppe 3 der anonymisierten Umschreibungen für das Sterben hat wiederum ganz andere Schwerpunkte aufgezeigt. So kommt hier kaum noch Metrik zum Tragen, aber die Äußerung von Bittformeln ist hoch. Hier dominiert auch das kumbl. Während der Terminus yfir, der ein Begräbnis konnotiert, respektive einen Stein, der über der toten Person steht, äußerst wenig Kreuzabbildungen mit sich führt und zumeist für eine ältere Personengruppe angewandt wurde, konnte herausgefunden werden, dass die Beschreibung liggja, die den im Erdreich liegenden Leichnam bezeichnet, sehr oft in Inschriften für Personen verwendet wurde, die genealogisch nicht näher definiert werden.
Die Sterbeinschriften im Wandel der Zeit Für den zeitlichen Prozess der Runensteinsitte können für die einzelnen Phasen der Stilgruppierung nach Anne-Sofie Gräslund eigene Schwerpunkte festgestellt werden, soweit sie Inschriften mit Sterbeterminologie betreffen.
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Für die sehr frühe Phase RAK,241 für die vorwiegend Sterbeinschriften aus Dänemark und Småland ausschlaggebend sind, zeichnet sich ab, dass dort verhältnismäßig die meisten Westfahrer genannt werden. Zugleich wurde in dieser Periode eine deutliche Gewichtung auf die Schilderung des sozialen Standes bzw. der Tätigkeitsbezeichnung gelegt. Die Bezeichnung kumbl für das Inschriftenmonument tritt hier häufig auf. Während dieser RAK-Periode und der anschließenden Fp-Phase wurden auch bevorzugt Sterbetermini mit neutralen Formulierungen verwendet. Die Zweitgenannte zeichnet sich gegenüber der RAK-Periode durch ihr vermehrtes Auftreten der Ostfahrer aus. Insgesamt konnte für die sehr frühen Perioden (bis etwa 1050, also RAK, Fp, Pr1 und Pr2) ein vermehrter Gebrauch metrischer Formen festgestellt werden; dies scheint sich als ein Merkmal aus der früheren Wikingerzeit zu erweisen. Gewandelt hat sich auch die Art der Nennungen von Reisezielen und/oder Sterbeorten: Während in den Phasen bis etwa 1050 (RAK, Fp, Pr1 und Pr2) die Lokalitäten vermehrt mittels unspezifischer Richtungsadverbien zur Kenntnis gebracht wurden, ist in den späteren Perioden die Nennung der exakten Namen der Orte und Länder in den Vordergrund getreten. Auch das Bedürfnis, die zuletzt bereisten Orte klar zu benennen, hat zugenommen. Die Sterbetermini, die gewalttätigen und kriegerischen Hintergrund nahe legen, fanden während der Stilperiode 1 ihren Höhepunkt. Die Wahl von Ausdrücken, welche zwar auf unnatürliche Todesarten hinweisen, dies jedoch nicht primär durch Zutun anderer Personen, wurde in Pr3 bevorzugt. Die Formulierung des Sterbens í hvítavádum (in weißen Kleidern, d.h. Taufkleidern) wurde in den darauf folgenden Perioden (Pr3 und Pr4) verwendet. Anschließend folgten die Begriffe, welche einen eher distanzierten und anonymisierten Umgang mit dem Tod zeigten. Diese Gruppe zeichnet die sehr späten wikingerzeitlichen und sehr frühen mittelalterlichen Inschriften aus.
Die Sterbeorte innerhalb Skandinaviens Wenn das Geschehen, das zum Sterben führte, innerhalb Skandinaviens lag, zeigt sich die Wahl der Sterbeterminologie, anders als bei den Ost- oder West-Inschriften, ausgewogen und gut über die verschiedenen Formulierungen verteilt. Die entsprechenden Inschriftenkontexte lassen ein weniger kriegerisches Verhalten ablesen, als es in den beiden vorgenannten Richtungszielen der Fall war. Insgesamt belegen 29 Inschriften den Tod innerhalb der damaligen skandinavischen Landesgrenzen. Mit einem Drittel steht hierbei das Land Dänemark an erster
241 Vgl. Gräslund: Dating the Swedish Viking-Age rune stones on stylistic grounds, 126: RAK: ca. 980–1050, Fp: ca. 1010–1050, Pr1: ca. 1010–1040, Pr2: ca. 1020–1050, Pr3: ca. 1045–1075, Pr4: ca. 1070–1100, Pr5: ca. 1100–1130.
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Stelle. Vier Inschriften beziehen sich auf Haithabu (DR 1, DR 3, Sö 16, U 1048), fünf weitere auf Dänemark ohne genauere Eingrenzung (N 239, Sö Fv1948;289, U 699, U 896, auf U 539 ist Jütland genannt). Dies bedeutet, dass tatsächlich nur zwei Inschriften Dänemark aus landeseigener Sicht nennen, während die norwegische Inschrift damit eine Fahrt nach Süden ausdrückt, die sechs schwedischen Inschriften hingegen eine Westfahrt. Auffallend ist bei all diesen Inschriften, die einen Tod in Dänemark nennen, die Wahl der Sterbeterminologie aus Gruppe 1, außer dem norwegischen Stein von Stangeland (N 239), der das Verb falla heranzieht, wodurch ein militärischer Einsatz zum Ausdruck gebracht wird. Tatsächliche Unruheherde in Dänemark lassen sich aus diesen Inschriften kaum ablesen, nur die Belagerung in Haithabu kann faktisch festgelegt werden. Die anderen Sterbefälle können durchaus auch auf Zwischenstationen, vielleicht auf dem Weg nach England, stattgefunden haben, die als solche keine kämpferisch geplanten Aufenthalte gewesen sein mögen. Dies ist beispielsweise belegt auf der Inschrift Husby-Sjuhundra (U 539), die berichtet, dass Sveinn nach England wollte, aber in Jütland starb. Vielleicht geschah der Tod durch einen unglücklichen Zwischenfall, vielleicht auf natürliche Weise; die Inschrift gibt darüber keine Auskunft, ebenso wenig die Wahl der Sterbeterminologie. Gotland als Sterbeort wird sechsmal genannt. Auch hier finden sich ausschließlich neutrale Begriffe für das Sterben, wobei aber durch weitere Inschrifteninformationen zumindest einmal auf kämpferische Hintergründe geschlossen werden kann (Sö 174: weil die Gefolgschaft floh). Auffälligerweise finden sich innerhalb der Gotland-Inschriften auch zwei uppländische Männer, die aufgrund von Erkrankung starben (U 527 und U 614). Fünf Inschriften berichten von einem Tod zuhause. Die norwegische Inschrift Kvamme (N 413) nennt den Sterbeort indirekt: Ketills Sohn wurde erschlagen und zwar dort, wo der Stein steht (wobei beachtet werden muss, dass der Standpunkt des Steins nicht zwingend auch den Heimatort gemeint hat). Dies ist eine sehr interessante Perspektive, da auf diese Weise das Gedenken bzw. die Betroffenheit des Lesers intensiviert wird. Der tödliche Akt geschah genau an der Stelle, an welcher der Leser sich die Inschrift erschließt. Ganz anders als in jenen Inschriften, die einen Sterbeort nennen, der vielleicht sogar im nicht näher definierten Ausland liegt (z.B. „im Osten“), wodurch mehr die großen Taten und Reisen des Verstorbenen vermittelt werden, wird hier die Tat in einer fast plakativen Weise („hier ist es passiert, genau hier!“) realisiert und der Runenstein wird neben seiner Funktion als Memorium auch zum Mahnmal. Drei dieser insgesamt fünf Inschriften lokalisieren das Sterben mit Verwendung des Wortes heima, „zuhause“ (G 136, Sö 55, U 1016). Auch die Tote der Inschrift zu Kyrkstigen (U 112) ist zuhause gestorben, jedoch wird dies nicht explizit mitgeteilt, sondern durch den Sterbeort Æi.i angegeben, welcher dem Standort des Runensteins entspricht. Vor dem Hintergrund aller anderen auf den Inschriften mit Sterbeterminologie genannten Sterbeorte, die in den meisten Fällen bereits in sich beeindruckende Infor-
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mationen bilden, nehmen sich diese „Zuhause-Inschriften“ als eine eigenartige Gruppe aus. Auf der Inschrift von Bjudby (Sö 55) ist diese Information Teil eines rhythmisch und metrisch verdichteten Textes. Vielleicht dient daher die Angabe „zuhause“ nicht 242 primär der Mitteilung, sondern passte vorrangig gut ins Versmaß: Var til Englands ungr drengr farinn, vard pá heima at harmi daudr.
War nach England der junge Dreng gefahren, fand dann zu Hause – zum Kummer – den Tod.242
Dass des Weiteren über eine zurückliegende Fahrt nach England berichtet wird, entspricht wieder dem bekannten Charakter der Runeninschriften. Sicherlich war ein „normaler“ Tod zuhause auch nicht unbedingt als ein dem wikingerzeitlichen Ehrenkodex entsprechender anzusehen. Die Erwähnung der Englandfahrt dürfte daher den Hinterbliebenen als wichtig gegolten haben. Diese Inschrift bildet außerdem ein Zeugnis für die Ereignisse, die unabhängig von der Sterbesituation in der Biografie des Toten stattfanden. Würde die letzte Aussage über den furchtbaren Tod zuhause nicht getroffen werden, würde sich die Inschrift vom Schema vieler anderer nicht unterscheiden. Umgekehrt lässt dies natürlich auch den Schluss zu, dass eine Inschrift, die singulär nur von einer Reise ins Ausland spricht, deshalb noch nicht als Sterbeinschrift gelten muss. Für die Inschrift Fjuckby (U 1016) lässt sich eine ganz ähnliche Argumentationsstruktur aufbauen. Auch hier ist die Information des Zuhause-Sterbens Teil eines in Versform gebrachten Textes und auch hier wird von einer früheren Fahrt nach Griechenland berichtet.243 Auf der Inschrift Kirkstigen (U 112) wird der Tod von Fastvé, der Mutter Ragnvalds, genannt, die zuhause starb. Dieser Runensteinblock enthält zwei Inschriften, die in je einer eigenen Runenschlange dargestellt werden. Auf der zweiten Seite berichtet der Sohn über sich selbst und seine Fahrt nach Griechenland, an der er als Anführer einer Mannschaft (lids forungi) teilnahm. Dieser Inschriftenteil ist ebenfalls in Versform angebracht. In der Runenschlange, die der Mutter gilt, ist seine Person eingebettet in genealogische Informationen, die auch den Namen seines Großvaters nennen. Zur Inschriftenerstellung lebte der Sohn demnach noch, die angewandte Sterbeterminologie betrifft seine Mutter, über seinen Vater oder weitere Geschwister wird nichts ausgesagt.
242 Übersetzung durch Klaus Düwel: Runenkunde, 120. 243 Fred Wulf (Der Name des zweiten Sohnes in der Fjuckby-Inschrift) schlägt, anders als Elias Wessén/Sven B. F. Jansson (Upplands Runinskrifter, Bd. 9/1), eine Deutung vor, die sich auf zwei Personen bezieht. In diesem Fall beträfe die genannte Griechenlandfahrt nicht die zuhause verstorbene Person, sondern eine weitere.
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Möglicherweise deutet diese Art der Informationsvermittlung auf den nach dem Tod der Mutter infrage stehenden Erbgang hin, auf den der Sohn mittels dieser Inschrift Anspruch erhebt bzw. seine Nachfolge dokumentiert. Die Inschrift von Sjonhem (G 136) lässt ähnliche Assoziationen bezüglich des Erbrechts zu.244 Hier wird über den im heimischen Umfeld stattgefundenen Tod eines Mannes berichtet, der eine Tochter hatte. Im Weiteren wird der Name der Tochter genannt, ohne dass sie selbst als Inschriftenerstellerin bzw. -auftraggeberin in Erscheinung tritt. Diese Inschrift muss im Kontext der beiden anderen Sjonhem-Inschriften (G 134 und G 135) gesehen werden, wodurch insgesamt der Stammbaum der Familie über drei Generationen hinweg nachgezeichnet werden kann: Die Stein setzenden Eltern sind Hro.visl und Hro.ælv (es werden vier Brüder genannt). Sie errichten für ihre drei Söhne diese Runensteine (es werden weiterhin zwei Töchter genannt). Einer dieser Söhne hat eine Tochter. In diesem Gesamtzusammenhang war es wahrscheinlich nötig, den Tod des auf G 136 genannten Heilfúss zu nennen, obgleich sich hinter einem Sterben zuhause keine rühmenswerte Vorgeschichte, wie sie durch einen Tod im Ausland gekennzeichnet wird, verbirgt. Auffallend ist, dass alle fünf Inschriften, die einen Tod zuhause nennen, einen erklärenden Kontext aufweisen: Auf der Kvamme-Inschrift (N 413) wird der Tatort des Erschlagens genannt, auf dem Bjudby-Stein (Sö 55) und dem von Fjuckby (U 1016) hatte die Wortwahl sicherlich verstechnische Gründe, gleichzeitig wird ein zurückliegendes Ereignis im Ausland geschildert. Auf den oben genannten Sjonhem-Inschriften wird deutlich ein Stammbaum markiert, der gemäß den Ausführungen von Birgit Sawyer aus Erbfolgegründen geschah. Und die Inschrift zu Kyrkstigen (U 112) betrifft das Sterben einer Mutter, deren Sohn vielleicht zur Zeit ihres Todes in Griechenland war. Dies ist die einzige dieser Inschriftengruppe, die ein Fragezeichen offen lässt: Weshalb war es für den Sohn wichtig, zu nennen, dass seine Mutter zuhause starb, wo es doch in der Wikingerzeit (gemäß den Inschriftentexten) relativ ungewöhnlich war, dass Frauen auf Reisen gingen oder an Fahrten teilnahmen und damit an einem anderen Ort als zuhause starben? Grundsätzlich zeigt sich durch diese Inschriften, dass die Angabe über das heimatliche Sterben ohne weiteren Hinweis über die genaue Art des Todes keine Rückschlüsse auf Ausnahme oder Regelfall zulässt. Sicher lässt sich aufgrund dieser Belege nur sagen, dass die Annahme des Sterbeortes „Heimat“ bei Nichterwähnung desselben auf wackeligen Beinen steht.
244 Vgl. Sawyer, B.: Viking Age Rune-Stones as a Source for Legal History, 775.
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Der bóndi in den Toteninschriften Die soziale Eingliederung des bóndi bezeichnet gemäß Klaus Düwel als einen Ehemann oder „Bonde“ („Bezeichnung für einen freien Mann, der fest ansässig, in der Regel verheiratet ist und dessen Wirkungskreis vorwiegend Haus und Hof umfasst“).245 Dieser Begriff definiert ein Arbeitsgebiet, das den Privatmann betrifft, im Gegensatz zu den anderen Bezeichnungen wie z.B. drengr, skipari oder lids forungi, die eine Stellung in der Gesellschaft bzw. in der Kriegsschar definieren und erst durch die Existenz einer menschlichen Gruppe entstehen. Die bóndi-Inschriften nehmen hierdurch eine besondere Stellung innerhalb der Eingliederungen in soziale Positionen ein, was sich durch die Untersuchung nach weiteren informativen Inschriftenteilen, die sich auf den Toten beziehen, bestätigt: Wie bereits oben aufgeführt, treten Bittgebete (in der Art von „Gott helfe seiner Seele“ oder ähnlicher Formulierung) innerhalb derjenigen Runensteine, welche Ränge- oder Tätigkeitsbezeichnungen mit sich führen, auffallend gering in Erscheinung. Heruntergebrochen auf die Subgruppe der bóndi-Inschriften zeigt sich keine einzige solcher Formeln. Dies ist ein bemerkenswertes Faktum, da ein Großteil dieser bóndi-Steine (zehn von zwölf Belegen) von Frauen alleine oder unter Mitwirkung männlicher Hinterbliebener erstellt wurde246 und Frauen diese Gebetsformeln auf Inschriften besonders häufig erwirkt haben. Dem mangelnden Bittformelvorkommen stehen vielfache anderweitige Belege für religiöse Einstellungen gegenüber. So berichtet beispielsweise die bóndi-Inschrift zu Broby (U 136) von einer Pilgerreise nach Jerusalem und die uppländische Inschrift von Amnö (U 699) zeugt von einer Taufe, so dass der Mann „in weißen Kleidern“ gestorben ist. Der Zusammenhang mit Kirchen erscheint hier gleich zweimal in wörtlichem Sinn: Auf der Inschrift von Sjusta (U 687) steht, dass der Mann in Olafs Kirche (in Holmgård) gestorben ist; wahrscheinlich bedeutet dieser Text jedoch nicht, dass er tatsächlich dort in der Kirche gestorben ist, sondern dort begraben liegt. Die Inschrift von Bjärby (Öl 36) drückt dies deutlicher aus durch die Formulierung „begraben (grafa) in der Kirche“. Trotz fehlender Gott-helfe-Formeln zeichnet sich somit doch eine ganz deutliche religiöse Nähe ab, welche die hinterbliebenen Frauen (teilweise in Zusammenarbeit mit Männern) charakterisiert. Kreuzdarstellungen erscheinen hier im erwarteten Ausmaß, das dem des gesamten hier untersuchten Inschriftenkorpus entspricht. Die Anbringungen von Kreuzen und/oder Bittformeln auf Runeninschriften stellen sich nicht in gegenseitiger Analogie dar. Die Sterbeterminologie der bóndi-Inschriften ist vielfältig und über alle vier Gruppen der Sterbeterminologie verstreut. Anders als bei den drengr-Inschriften dieser un-
245 Düwel: Runenkunde, 130. 246 Bei den Inschriften Sm 20 und U 527 ist aufgrund nur fragmentarischen Erhalts der Name (und damit das Geschlecht) der Hinterbliebenen nicht zu rekonstruieren.
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tersuchten Inschriftengruppe mit Sterbevokabular ist nicht festzustellen, dass die Wortwahl, die das Sterben formuliert, auf eine bestimmte Art an Formulierungen eingegrenzt werden kann. Es finden sich bei den bóndi-Steinen Belege für neutrale Formulierungen wie enda (U 136) und verda daudr (Ög 94), aber auch hoggva ˛ (Sm 20), falla (U 158), drukna (U 214), sjúkr (U 527) und für Begräbnisse (Öl 36). Eine Generalisierung wird dadurch nicht möglich. Es zeigt sich, dass ein bóndi sowohl in einer friedlichen (krank) als auch kriegerischen (gefallen) Situation gestorben sein kann. Die Termini für „erschlagen“ und „gefallen“ zeigen, dass sich sein Handeln nicht ausschließlich auf Haus und Hof beschränkte, sondern dass er gemäß den runeninschriftlichen Zeugnissen auch im Kampf umgekommen sein kann. Dass das Wirkungsfeld des bóndi sich nicht nur um seinen Landbesitz drehte, zeigen auch die auf den entsprechenden Inschriften genannten Reise- und/oder Sterbeorte, die sich in ausländischen, östlichen Regionen ansiedeln lassen (Griechenland: Ög 94, U 136, Vg 178; Holms hafi (= Finnischer Meerbusen247): U 214; Holmgård: U 687; Gotland: U 527). Die Inschrift von Vallentuna (U 214) zeugt außerdem von einer Handelsaktivität, was „zweifellos“248 die Bezeichnung Knorr ˛ zum Ausdruck bringt (der Knorr ˛ als Handelsfahrzeug ist auch bei den Inschriften Sö 198 und U 1016 zu erkennen). Hier wird berichtet, dass das Schiff auf Grund ging und nur drei der Männer überlebten, von denen leider weder die Namen noch weitere Informationen auf der Inschrift übermittelt werden. Aus dieser zuletzt genannten Inschrift erfahren wir etwas über den Handel treibenden bóndi. Obgleich in der wichtigen Arbeit von Klaus Düwel249 sehr detailliert auch „Einzelpersonen und Personenverbände“ untersucht werden, hat der bóndi darin keinen Eingang gefunden. Dies vermutlich deshalb, da mit der Rolle des bóndi vorrangig die Merkmale „ansässig (fester Wohnsitz), unabhängig, frei, verheiratet, Wirkungskreis vorwiegend in Haus und Hof“250 verknüpft werden, wie Klaus Düwel in einer anderen Arbeit feststellt. Dennoch war der bóndi „gelegentlich auch auf Raub- oder Handelswiking […] oder in der Ledungsflotte unterwegs“,251 wie die Inschrift zu Vallentuna (U 214) belegt. Else Ebel stellt anhand von außerrunischen Quellen fest, dass „die nordischen Seefahrer, die abwechselnd auf Wiking und auf Kauffahrt gingen, […] von Hause aus Bauern“252
247 Düwel: Handel und Verkehr der Wikingerzeit nach dem Zeugnis der Runeninschriften, 325; Andersson: Högbystenens Runinskrift, 33. Gemäß Andersson besteht eine weitere Möglichkeit darin, dass auch die Schärenregion östlich von Stockholm gemeint sein könnte. 248 Düwel: Handel und Verkehr der Wikingerzeit nach dem Zeugnis der Runeninschriften, 325. 249 Ebd. 250 Düwel: Runische Zeugnisse zu „Bauer“, 191. 251 Ebd. 252 Ebel: Der Fernhandel von der Wikingerzeit bis in das 12. Jahrhundert in Nordeuropa nach altnordischen Quellen, 271.
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waren. Die Existenzgrundlage jedoch, so schreibt sie, „bildeten Landwirtschaft und Fischfang“.253 Diese zeitweisen außerhäuslichen Unternehmungen bezeichnet Rudolf Simek als „Teilzeitbeschäftigung“254 eines solchen Bauern, ordnet dieses Sagamotiv als „historische Gegebenheiten der Wikingerzeit“ ein und als „eines der wenigen realen Stücke Wikingerzeit in der altnordischen Sagaliteratur“.255 Reichtum, wie er beispielsweise auf der Inschrift zu Lerkaka (Öl 37) erwähnt wird, wurde insbesondere durch die Bauernschifffahrt erreicht, die während der Wikingerzeit ein wichtiger Faktor für den Ostseehandel war. Bauernkaufleute, vorwiegend aus Gotland und Öland und der schwedischen Ostküste waren die Teilnehmer,256 aber teilweise auch aus Småland oder Östergötland. Dies wird durch die vorgenannten Inschriften bestätigt. Die gesamte Inschriftengruppe der bóndi-Steine zeigt eine hohe Anzahl von zusätzlichen, den üblichen formelhaften Inschriftencharakter überschreitenden Angaben, die das Leben und Wirken des bóndi beschreiben. Außer den vorgenannten Informationen (über Kirchenbegräbnisse, Taufkleider, Pilgerreisen) bezeugt beispielsweise die Inschrift Lerkaka (Öl 37) einen großen Besitz: Der Tote, Féar-Un (= „RikeUnn“257) wird schon durch seinen Beinamen als ein reicher Mann deklariert, weiter wird von ihm gesagt, dass er das halbe Dorf besaß. Hier lässt sich ablesen, dass die Funktion des bóndi durchaus auch mächtig und mit großem Einfluss versehen gewesen war, wie es auch Herbert Jankuhn als „führende Rolle [des] Bauernadels“258 formuliert. Die Inschrift von Harstads kyrkogård (Ög 94) nennt ausdrücklich den Wohnort des Toten bjó í Hadistôdum (lebte in Ha.ista.ir). Dies mag eventuell dieselbe Konnotation für die Hinterbliebenen beinhaltet haben wie in der vorgenannten Inschrift, nämlich den Zusammenhang mit dem in Ha.ista.ir bestehenden Anwesen, das im Eigentum von Oddlaug, dem auf dieser Inschrift genannten Toten, stand. Beide Inschriften können insofern vorwiegend in der Perspektive von Erbangelegenheiten und Besitzansprüchen gestanden haben. Attributionen, die dem Wort bóndi vor- oder nachgestellt wurden und eine rühmende Wirkung beinhalten, finden sich im Gegensatz zu den drengr- oder pegnInschriften hier selten. In nur zwei Fällen wird der bóndi als „gut“ (gódr, Ög 94) oder sogar „bester“ (bezti, U 527) bezeichnet. Hier zeigt sich, dass ein toter bóndi im Allgemeinen nicht in positiver Weise vom Durchschnitt durch die Hinterbliebenen abgehoben wurde oder auch, dass diese komparative Abstufung den Runenstein setzenden Frauen nicht von Bedeutung schien.
253 254 255 256 257 258
Ebd. Simek: Nur ein toter Wikinger ist ein guter Wikinger, 103. Ebd. Yrwing/Friberg: Bondeseglation, 110. Söderberg/Brate: Ölands Runinskrifter, 102. Jankuhn: Haithabu. Ein Handelsplatz der Wikinger, 43.
Religiöse Merkmale
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5 Religiöse Merkmale Bittformeln und Kreuzsymbolik Im Laufe der Untersuchungen haben sich bezüglich der Anbringung von Kreuzsymbolik und/oder Bittformeln recht unterschiedliche Ergebnisse abgezeichnet, die darauf hinweisen, dass beide Elemente (d.h. Kreuzdarstellungen und Gott-helfe-Formeln) nicht ausschließlich konform gehen. Das kann bedeuten, dass diese beiden Darstellungsformen entweder einander ergänzen und gegenseitig quasi überflüssig machen, oder aber, dass die Verwendung von Kreuzsymbolik auf Runensteinen nicht primär religiösen Zielen diente, und folglich also nicht im Einklang mit dem ganz eindeutig religiösen Merkmal, den Bittformeln, stehen muss. Es konnten Unterschiede wie in Tabelle 27 gezeigt festgestellt werden:
Tab. 27: Unterschiede bei Inschriften mit Kreuzabbildungen und Bittformeln
Metrik Rang- und Statusangaben Begräbnisinschriften Nennung von Sterbeorten Runensteinbenennung: kumbl Runensteinbenennung: stein
Vorkommen von Kreuzabbildungen
Vorkommen von Gott-helfe-Formeln
F f f F G F
G G F f F G
f = Vorkommen in erwartetem Maße, G = niedriger als statistisch erwartet, F = höher als statistisch erwartet.
Die einzige Konformität hinsichtlich der beiden Ausprägungen (Kreuze und Gott-helfe-Formeln) innerhalb der Untersuchung hat sich in der Kategorie der Generationenrichtungen ergeben: Sowohl bei Kreuzabbildungen als auch bei den Bittformeln konnte ein höheres Vorkommen in Bezug auf die ältere Generation als Erhalter von Gedenkinschriften errechnet werden. Möglicherweise spielt bei den teilweise recht gegensätzlichen Ergebnissen auch die Platzfrage eine Rolle, d.h. ob auf dem Inschriftenobjekt genügend Raum für eine zusätzliche Bittformel bestand. Dieser Aspekt könnte bei Angaben über Rang und Status oder auch bei der Nennung des Sterbeortes eine Bedeutung haben, da dies die einzigen Kategorien sind, die physisch mehr Platz im Inschriftentext beanspruchen und somit eine Einschränkung an anderer Stelle, in diesem Fall einer Gott-helfe-Formel, erforderlich gemacht hätten. Eine metrische Ausgestaltung oder der Austausch der Sterbetermini (beispielsweise von „erschlagen“ zu „begraben“), ebenso die Wahl der Objektbenennung des Runensteins, hätten keine weiteren Konsequenzen für die Inschriftenlänge gehabt.
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Qualitativer Teil: Zusammenfassung und Diskussion
Was diese Überlegungen in Bezug auf Kreuzabbildungen anbelangt, stellt sich die Platzfrage als wenig relevant dar, da Kreuze auch als zusätzliche Elemente seitlich oder oberhalb der eigentlichen Inschriftenlinie eingeritzt sein können. Wie bereits gezeigt werden konnte, steht das kumbl in einem sehr starken religiösen Licht und kann auch als Monument zur Kenntlichmachung eines Begräbnisses verstanden werden. Diese Nähe zum Christentum trifft auch bei den Begräbnisinschriften zu, die textimmanent ausdrücklich ein solches Vorgehen, nämlich das eines vorangegangenen Begräbnisses, zum Ausdruck bringen. Diese beiden Ereignisse erscheinen demnach erwartungsgemäß auch in der Inschriftenanalyse im Zusammenhang mit christlichen Verhaltensweisen. Anders hingegen sieht es bei Informationen aus, die auf Runensteinen über den sozialen Status oder über die geografischen Plätze des Reisens und Sterbens gegeben werden. Beides steht nicht im Einklang mit religiösen Verhaltensweisen, sondern bezieht sich primär auf rühmende, bewertende Angaben über die tatenreiche Vergangenheit der toten Person. Für die Heimkehr der Seele (was durch die Bittformel impliziert wird) und die Hilfeleistung bei diesem Weg durch Gott werden nach biblischer Vorstellung (beispielsweise Apostelbrief, Römer 2.11.) die Menschen gleich bewertet, unabhängig von deren irdischem Ansehen. Dass die Informationen über die Taten und die (hierarchische) Eingliederung in das gesellschaftliche Umfeld der/des Toten im Kontext dieser Inschriften mit Bittformeln zurücktreten, zeigt eine Hinwendung zur christlichen Einstellung. Demgegenüber wurden diese Angaben jedoch bei Inschriften, die Kreuze aufweisen, vermehrt gemacht. Das kann – im Umkehrschluss zu den oben genannten Ausführungen – als Indiz genommen werden, dass eine Kreuzabbildung nicht vorzugsweise im Zusammenhang mit der neuen christlichen Religion steht, sondern zur Wikingerzeit möglicherweise eher noch als ornamentales Element fungierte und erst später einen klaren Bezug zur religiösen Haltung erhielt.
Die Bittformelinschriften und die Todesarten gewalttätiger Umstände Wie im vorangegangenen Abschnitt C gezeigt, haben insbesondere diejenigen Sterbearten eine Gebetsformulierung erhalten, welche bei einem besonders betonten gewalttätigen Ereignis geschahen. Auffällig bei den Inschriften der Gruppe 2a, die eine Bittformel enthalten, ist das hohe Aufkommen an Texten für die jüngere Generation (jeweils für Söhne). Diese Häufigkeit entspricht nicht der Gesamtgruppe der Bittformeln, denn, wie oben gezeigt, stehen die Inschriften für die Elterngeneration an oberster Stelle. Dass in dieser Subgruppe der Sterbeterminologie mit gewalttätigem Hintergrund sich das Ausmaß der Generationenfolge umgekehrt darstellt, ist bemerkenswert. Da ist zum einen die in christlichen Angelegenheiten stärker geprägte Generation, die Informationen über den Tod und seine Umstände nur mehr reduziert auf Inschriften zum Ausdruck bringt. In späteren Inschriften wird mit solchen irdischen Angaben (über z.B. Sterbeort, sozialen Status, kriegerische Aktivitäten) immer sparsamer um-
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gegangen, bis im frühen Mittelalter gänzlich auf diese zusätzlichen Informationen verzichtet wird. Zum anderen zeigt sich, dass die Übergangsgeneration, die es gewohnt war, ruhmreiche und ehrenvolle Taten auf Inschriften zu nennen, bereits christliche Elemente mit in die Ausgestaltung der Inschriften einfließen ließ. Sie nannte die wikingerzeitlichen Todesarten, die durch Erschlagen, Ertrinken und Ermorden eintraten. Die Hinterbliebenen (und alle anderen Leser der Inschrift) werden auf diese Weise mit den genauen Umständen konfrontiert. Die Person, derer gedacht werden soll, wird beschrieben und das Sterben in sehr konkreter Weise genannt. Bei Todesarten, die einen gewalttätigen Hintergrund haben, war daher anscheinend eine besondere Intensität an Bittformeln nötig. Auch wenn der Tote selbst als Opfer und damit nicht als Schuldiger zu sehen war, so war er doch beteiligt (z.B. bei Gefallenen, bei welchen der Terminus bereits eine Teilnahme im Krieg beinhaltet und nicht davon auszugehen ist, dass diese Personen selbst nicht auch getötet haben) und somit auch eine Art Mittäter. Vielleicht ist es daher so zu deuten, dass gerade bei solchen Todesarten, bei denen die Person durch Gewalt jäh aus dem Leben gerissen wurde, Gott um Hilfe gebeten wurde, da dem Handeln eine Art von wikingerzeitlicher Sünde (aus der Perspektive des Christen) anlastete, die, wenn auch vormals nicht dem Toten, so doch zumindest den Hinterbliebenen bewusst war. Außerdem lässt sich auch hier – analog zur oben genannten These bei den Inschriften, welche Gott um Vergeltung bitten bzw. ihn auffordern, der Seele des Toten zu helfen (siehe Kapitel C 4.1.1) – das Gedankengebäude der zwei zeitgleich bestehenden Glaubensrichtungen durchspielen. Kriegerische und gewalttätige Handlungen zeichneten Helden aus; dies zumindest aus heidnischer Perspektive. Vorhanden ist die Nennung dieser Taten auf den genannten Inschriften immer noch. Der ehrenhafte Tod im Kampf gereichte auch der Sippe zu Nachruhm. Nach alter Glaubensrichtung würde der gute Wikinger wahrscheinlich in Valhal eingelassen werden, da er sich als guter und tapferer Krieger unter Beweis gestellt hat. Nach der neuen Religion und Überzeugung dürfte dies jedoch nicht so ohne Weiteres eintreten. Dieser Gegensatz kann als eine mögliche Erklärung dafür dienen, dass die Inschriften, die ausgeprägt Sterbetermini mit gewalttätigem Hintergrund enthalten, einen besonders hohen Anteil an Bittformeln aufweisen.
Uppland und die Begräbnisinschriften Über die Einführung des Christentums führt Birgit Sawyer aus, dass beispielsweise in Dänemark der christliche Glaube „zentral eingeführt“259 wurde, weshalb der Bau von Kirchen und Kirchhöfen schnell vonstatten gehen konnte, was die Übergangsperiode
259 Sawyer, B.: Det vikingatida runstensresandet i Skandinavien, 188: „[…] att kristendomen här [i Danmark] infördes ‚centralt‘.“
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Qualitativer Teil: Zusammenfassung und Diskussion
sehr kurz gehalten hat. „In Västergötland und Östergötland kann die Situation ähnlich gewesen sein“260 schreibt sie weiter, da es in diesen beiden Landschaften „früh einen Zusammenhang zwischen Königsmacht und kirchlicher Organisation“261 gab. Die Diözese Skara in Västergötland beispielsweise wurde auf „königliche Initiative“262 hin errichtet. Diese Art der Missionierung von einem Organisationszentrum aus, spiegelt sich in den Ergebnissen dieser Untersuchung wider. Der sehr hohe Anteil beispielsweise an västergötländischen Begräbnisinschriften kann ein deutlicher Hinweis auf die Ausübung einer zentralen Macht sein, die gezielt und kontrolliert Druck auf die Veränderung u.a. der Begräbnisbräuche ausgeübt hat. Umgekehrt zeigt sich das Fehlen einer solchen punktuellen Wirkungsstätte in Uppland. Dort zog sich der Prozess lange hin, es gab „keine zentrale Stelle, von der aus das Christentum in allen Regionen eingeführt wurde“.263 Durch die vorliegende Untersuchung, bei welcher der insgesamt zahlenmäßig größte Anteil uppländischer Sterbeinschriften gleichzeitig ein derart geringes Erscheinen von Begräbnisinschriften ergibt, wird die Aussage von Birgit Sawyer, „dass der Beschluss zur Bekehrung während des ganzen 11. Jhs. eine individuelle Sache war“,264 eindrücklich bestätigt. Das Anbringen von Begräbnisinschriften geschah in Uppland zur Zeit der wikingerzeitlichen Runensteine nicht unter dem Zwang einer missionarischen Kontrollstruktur. So konnten die Steinsetzer selbst entscheiden, ob sie nach bekannter Tradition mit dieser Sitte fortfahren wollten. Die hohe Zahl jener uppländischen Inschriften, die ohne ein auf der Inschrift formuliertes Begräbnis auskommt, zeigt die Eigenständigkeit der Region in dieser Frage.
In Taufkleidern gestorben Eine Gruppe von Inschriften enthält die Information, dass die Person í hvítavádum, in weißen Kleidern, also Taufgewändern, gestorben ist. Diese sechs Inschriften (U 243, U 364, U 613, U 699, U 896, U 1036) gehören alle zu den Inschriften mit Sterbetermini. Einer weiteren, fragmentarischen Inschrift (Uppsala domkyrka, U Fv1973;194) fehlt das Verb, mit welchem das Sterben ausgedrückt wird. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Formulierung wie die der sechs anderen Inschriften lautete, da es sich bei der Zusammensetzung der Begriffe verda daudr bzw. dó mit í hvítavádum um eine feste Phrase in der Sterbeterminologie handelt. Wie schon Sven B. F. Jansson265 260 Ebd., 188: „I Västergötland och Östergötland kan situationen ha varit en liknande […].“ 261 Ebd., 188: „I dessa båda landskap fanns tidigt ett nära samband mellan kungamakt och kyrklig organisation […].“ 262 Ebd., 188: „[…] Skarastiftet inrättades på kungligt initiativ […].“ 263 Ebd.; 189: „[…] att här inte fanns någon centralmakt som med ett påbud kunde införa kristendomen i hela regionen.“ 264 Ebd., 189: „[…] att beslut om omvändelse under hela 1000-talet varit individuella.“ 265 Jansson, S. B. F.: Runes in Sweden, 113.
Religiöse Merkmale
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feststellte, zeigen die Inschriften auch in diesem Aspekt eine recht starre Formulierung. „Weiße Kleider“ wurden von gerade getauften Personen für eine Woche getragen.266 Alle Inschriften, welche Taufgewänder nennen, kommen aus der Region Uppland; zwei enthalten die Information, dass die Taufe und der Tod in Dänemark stattfanden. Eine Reise von Schweden in eines der bereits christianisierten Länder, z.B. England, Dänemark, Saxland oder Griechenland, beschreibt Sven B. F. Jansson für die damalige Zeit als gewöhnlich.267 Weiter führt er aus, dass die Personen der genannten Inschriften demnach im Totenbett getauft worden sind. Das wirft allerdings die Frage auf, ob die Reise der genannten Personen im Hinblick auf ihren baldigen Tod geschehen war, um getauft zu sterben oder ob Reise und Taufe unabhängig voneinander stattfanden und die Genannten auf dem Rückweg gestorben sind. Die Sicherheit, dass die Taufe tatsächlich im Totenbett stattgefunden hat, wird durch die Inschrift nicht gegeben. Betrachtet man die Generationen der Errichter und der zu Gedenkenden, so ist festzustellen, dass vier der genannten Inschriften für die jüngere Generation errichtet wurden (jeweils von der Elterngeneration an die Söhne). Eine der Inschriften, die Dänemark als Taufstätte nennt, ist für einen Ehemann errichtet. Aber reiste man für eine Taufe als letzte christliche Tat vor dem erwarteten Sterben von Uppland nach Dänemark? Die Entfernung beträgt über Luftlinie ca. 600 Kilometer, eine Reise auf dem Wasserwege an der Küste entlang würde mehr als 800 Kilometer bedeuten. Der Tod dürfte eher unabhängig vom eventuellen ursprünglichen Anlass, der Taufe, eingetroffen sein, d.h. die Reise wurde wahrscheinlich nicht wegen des nahe stehenden Todes angetreten. Gegen eine Taufe im Totenbett spricht auch die Inschrift von Molnby (U 243). Dieser Stein wurde für zwei Söhne von den Eltern aufgestellt, beide starben í hvítavádum. Dass diese beiden jungen Männer gleichzeitig ihren Tod fanden, deutet vielleicht auf einen gemeinsamen Kampf hin, zumindest auf ein Ereignis, das für beide gleichzeitig unglücklich endete. (Eventuell eine ansteckende Krankheit oder eine Hungersnot, von der beide Brüder gleichzeitig betroffen waren?) Es lässt sich hier die Frage stellen, ob die beiden Männer tatsächlich gleichzeitig im Totenbett getauft wurden. Wahrscheinlicher stellt sich die These dar, dass die Formulierung „starb in weißen Kleidern“ als stehender Begriff für getauft verstorbene Leute galt, unabhängig von der Nähe der Ereignisse zwischen Taufe und Tod. Die Taufe könnte durchaus sehr lange Zeit vor dem Tod stattgefunden haben. Freilich ist nicht auszuschließen, dass die Taufe von Personen, die ihren Tod erwarteten, zu einem relativ späten Zeitpunkt erbeten wurde. Aber – aufgrund der Inschriften – muss der Taufgrund nicht ursächlich der nahe stehende Tod gewesen sein. Die Inschriften sprechen eher gegen diese zeitlich dichte Aufeinanderfolge. 266 Ebd., 112. Sven Ulric Palme (Kristendomens genombrott i Sverige, 89) spricht von sechs Tagen. 267 Jansson, S. B. F.: Runes in Sweden, 113.
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Qualitativer Teil: Zusammenfassung und Diskussion
In Rimberts Leben des heiligen Ansgar wurde in Kapitel 24 niedergeschrieben: „Viele der da Getauften leben heute noch; unzählbar aber ist die Menge derer, die in ihren weißen Taufkleidern zum Himmelreich aufstiegen.“268 Dieser Passus unterstreicht die zuvor ausgeführte These. Wenn es relativ selbstverständlich gewesen wäre, dass sich der überwiegende Teil erst am Lebensende taufen ließ, weshalb sollte diese Bemerkung zusätzlich zum vorher zitierten Textauszug derart herausgestellt werden? Und weiterhin ist nicht davon auszugehen, dass die Menschen der „unzählbaren Menge“, die „in ihren weißen Taufkleidern zum Himmelreich“269 aufgestiegen sind, tatsächlich alle im Totenbett getauft wurden bzw. die zeitliche Frist von einer Woche noch nicht überschritten wurde und daher die Leute ihre weißen Taufkleider noch am Leib trugen. Es ist sicherlich im übertragenen Sinne zu verstehen und die weißen Kleider sind in diesen Fällen nicht in ihrer physischen Existenz gemeint. Aus Rimberts Erzählung lässt sich eher ableiten, dass die Bezeichnung „starb in weißen Kleidern“ nur zur Information dient, dass der Tote in seiner Vergangenheit getauft wurde. Die Runeninschriften sprechen für diese Art der Deutung. Auch bei diesen Taufkleider-Inschriften tritt die Rolle der Frau wieder deutlich in den Vordergrund: An fünf der Inschriften sind weibliche Hinterbliebene beteiligt. Vier Mütter haben die Inschriften für ihre toten Söhne errichtet, eine davon unter Mitwirkung des Ehemannes. Eine Inschrift wurde von der Ehefrau für ihren Mann errichtet.
Das kumbl im Gesamtkorpus der wikingerzeitlichen Runeninschriften Wie eingangs in diesem Kapitel bereits aufgezeigt, kommt das kumbl innerhalb der Inschriften, die den Tod einer Person in entsprechendem Vokabular klar benennen, mit eindrücklicher Häufigkeit vor. Dass die Auftrittswahrscheinlichkeit in dieser Gruppe der Runeninschriften mit einem nahezu doppelten Prozentsatz erscheint, gab Anlass, alle kumbl-Inschriften im Detail zu sichten. Unter den gut lesbaren Inschriften, die eine nicht nur vage Möglichkeit der Benennung kumbl zulassen, wurden im Gesamtkorpus der 1929 hier relevanten Inschriften 98 Stück erkannt. Innerhalb dieser Inschriften fiel erstens das besonders hohe Vorkommen in dänischen Regionen auf. Zweitens wurde die häufige Verwendung des Titels pegn augenfällig. Innerhalb der für diese Untersuchung herangezogenen Menge von 1929 Inschriften befinden sich 48 Stück, welche die zu gedenkende Person als pegn bezeichnen. Das sind in der Gesamtsicht nur 2,5 %. Betrachtet man jedoch nur die Gruppe der kumbl-Inschriften, so finden sich immer noch zwölf pegn-Bezeichnungen; das macht 10,6 % aus und ist ein mehr als viermal so hohes Aufkommen, was eine deutliche Korrelation zwischen kumbl und pegn zum Ausdruck bringt.
268 Nigg: Rimberts Leben des heiligen Ansgar, 92, Kapitel 24. 269 Ebd.
Frauen als stumme Zeugen der Wikingergesellschaft
175
Der Begriff pegn bezeichnet eine ranghohe Position. Die Stellung des pegn bedeutet in der Gesellschaft ein sehr angesehenes Niveau, und es bedarf von Seiten des Erstellers gegebenenfalls keiner weiteren positiven Ausführungen mehr. Dass diese soziale Eingliederung in derartiger Häufigkeit in Verbindung mit der Anlage eines kumbl in Verbindung steht, verleiht der Definition kumbl eine ähnlich hohe Bedeutung wie sie dem pegn innewohnt. Somit ist der Bezeichnung kumbl ebenfalls eine gesellschaftlich hohe Bedeutung beizumessen; es kann davon ausgegangen werden, dass der zu gedenkenden Person durch die Tatsache, dass die sich auf sie bezogene Inschrift im Kontext einer kumbl-Anlage steht, eine hohe Ehre zuteil geworden ist; mehr als es bei einer gewöhnlichen stein-Errichtung der Fall war.
6 Frauen als stumme Zeugen der Wikingergesellschaft Obgleich sich in der Gesamtheit aller Runeninschriften die Anteile der von oder für Frauen erstellten Inschriften sehr in der Minderzahl (im Vergleich zu den Inschriften von Männern oder für Männer) befinden, stechen einige Merkmale, in welchen Frauen als Agierende auftreten, besonders hervor. Insgesamt sind im Runensteinkorpus ca. 33,5 % Frauen genannt (entweder als Tote oder als Hinterbliebene).270 Innerhalb der Untersuchungsgruppe der Sterbeinschriften schrumpft diese Zahl auf ca. 25,2 %, bei der Komplementärgruppe der Inschriften ohne Sterbeterminologie liegt der Prozentsatz entsprechend bei 34,8 %. Eine detaillierte Aufstellung, die auch eine Unterscheidung zwischen Frauen als zu gedenkender Personen bzw. als hinterbliebene Inschriftenerstellerinnen trifft, ergibt Vergleichszahlen wie sie in den Tabellen 28, 29 und 30 dargestellt sind. Es zeigt sich, dass Frauen, die in Gemeinschaftsarbeit mit Männern Runensteine erstellten, in beiden Untergruppen (mit und ohne Sterbeterminologie) kaum relevante Unterschiede zur Gesamtgruppe in ihrem Vorkommen zeigen. Die Gruppe der Inschriften mit Sterbeterminologie von Frauen hingegen beträgt prozentual betrachtet fast nur zwei Drittel sowohl der Vergleichsgruppe ohne Sterbeterminologie als auch im Vergleich zum gesamten Inschriftenkorpus. Umso erstaunlicher sind einige Ergebnisse der vorangehenden Untersuchungen, die Sterbeinschriften betreffend, welche deutlich über den Werten der allein oder gemeinschaftlich mit Männern erstellenden Frauen liegen. Fast wirkt es, als trete die wikingerzeitliche Frau in der gesamtgesellschaftlichen Sicht sehr zurück, als hätte sie kaum eine Bedeutung oder eine Funktion ausgeübt. Wird jedoch auf einzelne Bereiche fokussiert und werden diese dann im
270 Die Werte der Gesamtzählung sind entnommen aus: Sawyer, B.: Woman and the conversion of Scandinavia, 271. Die Werte der Inschriften mit Sterbeterminologie stammen aus eigener Berechnung. Aus diesen beiden Ergebnissen wurde die Gruppe der Inschriften ohne Sterbeterminologie ermittelt.
176
Qualitativer Teil: Zusammenfassung und Diskussion
Tab. 28: Gesamtzählung Inschriften gesamt
1621
Inschriften von/für Frauen
543
davon: Inschriften von Frauen – Frauen alleine – Frauen und Männer davon: Inschriften für Frauen
448
100 % 33,5 %
207 241 95
27,64 % 12,77 % 14,87 % 5,86 %
Tab. 29: Sterbeinschriften Inschriften gesamt
218
Inschriften von/für Frauen
55
davon: Inschriften von Frauen – Frauen alleine – Frauen und Männer davon: Inschriften für Frauen
44
100 % 25,23 %
17 27 11
20,18 % 7,80 % 12,39 % 5,05 %
Tab. 30: Inschriften ohne Sterbeterminologie Inschriften gesamt
1403
Inschriften von/für Frauen
488
davon: Inschriften von Frauen – Frauen alleine – Frauen und Männer davon: Inschriften für Frauen
404
100 % 34,78 %
190 214 84
28,80 % 13,54 % 15,25 % 5,99 %
Detail untersucht, so beginnen die Inschriften ansatzweise vom weiblichen Teil der Gesellschaft zu berichten und ein doch recht facettenreiches Bild zu liefern. Die Runenstein erstellende Frau der Wikingerzeit hat in ihrer auf den ersten Blick (aufgrund der Zahlen) zurückgezogenen Rolle keinesfalls den schweigsamen Stand der im Schatten des Mannes stehenden Frau. Sie kann mittels der Runeninschriften als aktiv wirkende Zeugin ihrer Zeit gesehen werden. Nur wenige Inschriften wurden für Frauen erstellt; diese jedoch vorwiegend mit Sterbetermini, die den Tod nicht nennen, sondern indirekt durch die Wortwahl yfir oder liggja beschreiben. Das lässt eine zeitliche Komponente in die Antwort zu der Frage einfließen, wie zur Wikingerzeit mittels Runeninschriften der Frauen gedacht wurde. Zeitlich deshalb, da diese beiden Sterbetermini – chronologisch gesehen – zumeist in der ausgehenden Wikingerzeit und dem darauf folgenden Frühmittelalter angewandt wurden. Dass von den Hinterbliebenen vorwiegend diese Gruppe der Sterbetermini gewählt wurde, kann also daran liegen, dass sich der Usus, Inschriften
Frauen als stumme Zeugen der Wikingergesellschaft
177
für Frauen zu errichten, erst zur späten Wikingerzeit durchsetzte. Es kann aber auch bedeuten, dass die Hinterbliebenen (also die Männer) Sterbeumschreibungen statt der Anwendung der konkreten Benennung des Todes bevorzugten. Frauen als Hinterbliebene hingegen haben sich eher für die Anwendung konkreten Sterbevokabulars entschieden und zwar weniger die Umstände beschreibend, sondern neutral ausformuliert. Es kann hieraus geschlussfolgert werden, dass die weibliche Wikingergesellschaft, sofern sie denn Runensteine errichten ließ, eine viel klarere Sprache verwendete und sich bei der Aussage über den vorangegangenen Tod einer Person weniger auf (in heutigem Sinne) euphemistische Begriffe stützte. Inwieweit dies auf die Wünsche der Gedenkpersonen zurückgeht, kann nicht beurteilt werden. Natürlich ist es denkbar, dass ein Teil auf sozusagen testamentarische, vorab willentlich bestimmte Entscheidungen der Verstorbenen zurückzuführen ist. Letztlich festzuhalten bleibt aus diesen Informationen, dass Frauen im Vergleich zu Männern weniger auf bewertende, beschreibende oder anonymisierende Begriffe zurückgriffen, sondern die Tatsache des Sterbens deutlich und neutral zum Ausdruck brachten. Außerdem haben Frauen als Hinterbliebene verhältnismäßig viel häufiger zusätzliche Angaben über ihre toten Söhne oder Ehemänner auf den Inschriften zum Ausdruck gebracht. Dies insbesondere über den sozialen Stand der Männer. Es war ihnen offenbar ein großes Anliegen, den Rang oder Status der Verstorbenen zu nennen. Dies möglicherweise nicht ausschließlich aus dem Grund, um ihre Angehörigen auf diese Weise zu rühmen, sondern auch, um sich selbst im gesellschaftlichen Umfeld zu platzieren, da der Status der Frauen auch vom Status ihrer Männer abhing. Hier kommt eine Frau der Wikingerzeit zum Ausdruck, die ihrem Mann das ermöglichte, was er brauchte, um seinen dienstlichen (friedlichen oder kriegerischen) Tätigkeiten nachzukommen und sich einen namhaften Stand zu erarbeiten. Nicht nur die Nennung des bóndi (was nahezu ausschließlich durch Frauen geschieht) ist hiermit gemeint. Durch die relativ häufig in Erscheinung tretenden Rangangaben von Frauen für Männer zeigt sich ein weibliches Bewusstsein darüber, welche Rolle die Frau in der Erreichung der Ziele ihrer Männer selbst eingenommen hat. Dass Frauen seltener die Reise- und/oder Sterbeorte auf Inschriften nannten, widerspricht dieser These nicht, wenn man aufgrund ihrer bevorzugten Wahl neutraler Sterbetermini in Rechnung stellt, dass für Frauen der Weg, den die Männer einschlugen, um ruhmreiche Taten zu erwirken, scheinbar nicht relevant gewesen sein mag. Hierbei zu beachten ist auch, dass für die Frauen, die an den Reisen nicht teilnahmen, die Ortsangaben möglicherweise leere Begriffe waren und ihnen daher diese Angaben wenig bis gar nicht relevant waren. Frauen haben die Umstände des Todes deutlich weniger zum Ausdruck gebracht, sei es durch die Wahl der Sterbetermini oder durch weitere Zusatzinformationen wie Sterbeorte. Sofern sie letzteres einbrachten, dann auffällig häufiger mit ungenauen Richtungsangaben als mit klaren Orts- oder Länderbenennungen.
178
Qualitativer Teil: Zusammenfassung und Diskussion
Eine weitere deutliche Besonderheit der Frauen zeigt sich in der Art der Inschriftengestaltung und der Vermittlung religiöser Ambitionen. Frauen haben verhältnismäßig häufig Inschriften mit metrischen Einschüben erstellen lassen. Dies lässt sich sowohl in zeitlicher als auch finanzieller Hinsicht deuten. Eine Runeninschrift mit Versvorkommen war aus künstlerischen Gesichtspunkten zeitintensiver und hob sich von der Gesamtheit ab. Das bedeutet, dass Frauen mehr Energie in die von ihnen in Auftrag gegebenen Runensteine investierten, was sicherlich für den Auftragnehmer eine höhere Einnahme bedeutete. Dessen ungeachtet wirkt es, als hätten Frauen durch diese Herangehensweise möglicherweise auch eine Art von Trauerarbeit geleistet, die sich durch die wesentlich intensivere Beschäftigung mit der Inschrift und damit auch dem Tod der jeweiligen Person bemerkbar macht. Sofern diese Deutung den damaligen Tatsachen entspricht, geht sie mit den Ergebnissen konform, dass Frauen den Tod sprachlich deutlicher zum Ausdruck bringen konnten. Zusammengefasst würde das bedeuten, dass weibliche Inschriftenersteller dem Thema Sterben wesentlich näher standen bzw. (emotional) näher an sich heranließen und dies durch die Inschriften auch manifestieren konnten. Vielleicht aber war es auch nur eine Notwendigkeit wirtschaftlichen Überlebens, beispielsweise, da sie als Hinterbliebene besonders darauf angewiesen waren, ihre Erbansprüche geltend zu machen. Bittformeln auf Inschriften wurden sowohl von als auch für Frauen in auffällig hohem Maße angewandt. Dieses Ergebnis kulminiert innerhalb der Teilmenge, welche nicht nur eine Bittformel aufzeigt, sondern zudem „Maria“ oder „Gottes Mutter“ benennt. Der Bezug der Runenstein erstellenden Frau in der neuen christlichen Welt zu einer weiblichen Ansprechpartnerin (der möglicherweise eine Bedeutungsübernahme für die heidnische Göttin Freyja zugeschrieben wurde) wird damit mehr als deutlich. Frauen haben sich in ihrer ohnehin schon aktiven Rolle in Bezug auf religiöse Anzeichen eine weibliche Identifikationsfigur gesucht. Gerade im Zusammenhang mit dem Tod kann dies besonders wichtig gewesen sein. In einer solchen Grenzsituation, in der durch das Sterben eines nahe stehenden Menschen eine Unsicherheit hervorgerufen wird und ein Gedankenprozess einsetzt, der auch die eigene Person betrifft, kann eine weibliche göttliche Gestalt bei den Frauen ein besonders intensives Vertrauen hervorgerufen haben. Schließlich scheint es, als hätten die Frauen im Hinblick auf die Nennung in Inschriften regional sehr verschiedene Rollen gespielt. In Uppland ist der Anteil Runenstein errichtender Frauen verhältnismäßig besonders hoch, im Gegensatz zur Nachbarregion Södermanland, wo die Frau als Hinterbliebene äußerst selten in Erscheinung tritt. Die Sitte, dass Frauen Runeninschriften erstellen ließen, war demnach in Uppland wesentlich verbreiteter und entsprach sehr viel mehr den dortigen Gepflogenheiten als anderenorts.
Gedenkinschriften für eine Person
179
7 Gedenkinschriften für eine Person 7.1 Untersuchung von Paarsteinen und verbundenen Steinen In der hohen Anzahl wikingerzeitlicher Runeninschriften befindet sich eine größere Menge von Paarsteinen, d.h. mehrere Runensteine, die eine zusammengehörige Personengruppe betreffen. Birgit Sawyer271 unterteilt diese in drei Gruppen: Gruppe 1: Die Inschriften wurden für denselben Empfänger angefertigt, vom jeweils gleichen Ersteller. Gruppe 2: Die Inschriften wurden für denselben Empfänger angefertigt, von verschiedenen Erstellern. Gruppe 3: Die Inschriften wurden für verschiedene Empfänger angefertigt, vom jeweils gleichen Ersteller. Um innerhalb dieser Untersuchung die Informationen bezüglich der Abgrenzung der beiden Inschriftengruppen mit und ohne Sterbeterminologie extrahieren zu können, werden im Folgenden diejenigen Paarsteine betrachtet, die zumindest eine Inschrift enthalten, in welcher explizit das Sterben genannt ist. Eine Ausnahme bilden hier die nachfolgend als erste diskutierten Jelling-Inschriften, die zwar keinen Sterbeterminus beinhalten, jedoch von der Argumentationsstruktur her in die Gruppe der verbundenen Steine passen. Für die vorliegende Arbeit stellen sich für die hier weiterführenden Betrachtungen nur die beiden von Birgit Sawyer aufgestellten Gruppen 1 und 2 als relevant dar, da sie demselben Empfänger gelten und auf diese Weise unterschiedliche Inschriften für dieselbe (tote) Person verglichen werden können. Die von Birgit Sawyer aufgestellte Gruppe 3 betrifft verschiedene Empfänger und hat somit für die vorliegende Untersuchung keine Bedeutung.
Die beiden Jelling-Inschriften (DR 41 und DR 42) Die Inschrift Jelling 1 wurde von König Gorm in Auftrag gegeben, im Gedenken an seine Frau: Jelling 1 (DR 41) §A : kurmR : kunukR : ¶ : k(a)(r)@i : kubl : @usi : ¶ : a(f)(t) : @urui : kunu §B ÷ sina ÷ tanmarkaR ÷ but ÷ §A Gormr konungr gerdi kuml pessi ept Pyrvé, konu §B sína, Danmarkar bót. König Gormr machte dieses kumbl für ?yrvé, seine Frau, Dänemarks Schmuck.
271 Sawyer, B.: The Viking-age rune-stones, 92ff.
180
Qualitativer Teil: Zusammenfassung und Diskussion
Die Inschrift Jelling 2 wurde von Gorms Sohn, König Harald gesetzt, einerseits zum Gedenken an seine Eltern, andererseits, um seine eigenen Machtverhältnisse („gewann Dänemark“) zu repräsentieren: Jelling 2 (DR 42) §A : haraltr : kunukR : ba@ : kaurua ¶ kubl : @ausi : aft : kurm fa@ur sin ¶ auk aft : @ourui : mu@ur : sina : sa ¶ haraltr (:) ias : soR * uan * tanmaurk §B ala * auk nuruiak §C (*) auk t(a)ni (k)(a)(r)(@)(i) kristno §A Haraldr konungr bad gera kuml pessi ept Gorm, fôdur sinn, ok ept Pyrvé, módur sína, sá Haraldr er sér vann Danmôrk §B alla ok Norveg §C ok dani gerdi kristna. König Haraldr machte dieses kumbl für Gormr, seinen Vater und für ?yrvé, seine Mutter. Der Haraldr, der ganz Dänemark gewann und Norwegen und die Dänen zu Christen machte. Die Datierung des ersten Jelling-Steins (DR 41) wird für den Zeitraum 935 bis 940 angesetzt,272 die für den zweiten Jelling-Stein (DR 42) einige Jahrzehnte später: 980273 bzw. in den 960er Jahren274 oder noch genauer: 965.275 Birgit Sawyer zufolge ist jedoch „die Inschrift auf Gorms Stein jünger als die auf Haralds Stein“.276 Sie begründet dies nicht nur mit den jüngeren orthografischen und sprachlichen Merkmalen der Inschrift von Jelling 1, sondern zudem mit einer besonderen Familiensituation, deren Erklärung an dieser Stelle einen kurzen Exkurs in die Gorm-Dynastie notwendig macht: Da es äußerst selten ist, dass Runensteine für Frauen errichtet wurden, muss es sich bei Thyre zweifellos um eine besondere Person gehandelt haben. Des Weiteren sei es „höchst unwahrscheinlich, dass in einer Zeit, als Runensteine selten an Frauen erinnerten, zwei Zeitgenossinnen, die beide Thyre hießen, mit zwei (eine von ihnen möglicherweise mit drei) Runensteinen geehrt wurden, eine Auszeichnung, die Männern nur zweimal zuteil wurde“.277
272 273 274 275 276 277
Wimmer, L. F. A.: De danske Runemindesmærker, 53. Ebd. Moltke: Runes and their origin, 206. Düwel: Runenkunde, 109. Sawyer, B. und P.: Die Welt der Wikinger, 374. Ebd., 377.
Gedenkinschriften für eine Person
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Sowohl die Inschrift des Steins Bække 1 (DR 29278) als auch die des Læborg-Steins (DR 26279) ist für eine Person namens Thyre errichtet, wobei die genannte Thyre in der Bække-Inschrift nicht genauer identifiziert wird. Thyre muss daher eine namhafte, allen Leuten bekannte Frau gewesen sein. Da die Steine Jelling, Bække und Læborg sich nur unweit voneinander befinden, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass bei allen Inschriften dieselbe Person namens Thyre gemeint war. Birgit Sawyer stellt die These auf, dass der Stein Jelling 1 nachträglich von Harald errichtet worden sein muss. Den Hergang rekonstruiert sie wie folgt:280 Thyre heiratete nach Gorms Tod Tue, der auf der Bække- und Læborg-Inschrift genannt wird. Nach Thyres Tod errichtete Harald in Jelling zur Erinnerung an seine Mutter den Hügel, um zu verschleiern, dass sie von einem anderen Geschlecht begraben worden war. Des Weiteren erstellte Harald den Stein Jelling 1, um sein mütterliches Erbe geltend zu machen. Nachdem Harald sich dem Christentum zuwandte, „bekehrte“281 er auch das Jelling-Denkmal, indem er eine Kirche errichten ließ und den eindrucksvollen Runenstein errichtete (nämlich Jelling 2), worauf er seinen Vater Gorm als König bezeichnet, was auf dem Runenstein Jelling 1 noch nicht der Fall war. Hierdurch macht er seine Machtansprüche deutlich. Da Harald mit diesen Handlungen sozusagen die realen Tatsachen zu verändern versuchte, muss es innerfamiliär zu einem Aufstand gekommen sein, in welchem wohl sein Sohn Sven triumphierte.
Die Schlussfolgerungen hieraus wären, dass Thyre zweimal verheiratet war, nämlich einmal mit Gorm und einmal mit Tue. Des Weiteren wäre aus dieser These abzuleiten, dass Gorm nicht die Position eines Königs innehatte. Nach diesen Angaben wurde die Inschrift von König Gorm also zeitlich nach der Inschrift für König Gorm erstellt. Wenn grundsätzlich davon ausgegangen wird, dass Runensteine zum Gedenken an tote Personen errichtet wurden, stellt sich hier die Frage nach der Reihenfolge der Steinerrichtungen. Auf keiner der beiden Inschriften wird explizit das Sterben ausgedrückt. Wenn die Inschrift Gorms zum Gedenken an seine Frau Thyra also nach der Inschrift zum Gedenken an ihn selbst errichtet wurde, so kann entweder der These Bir-
278 Bække 1 (DR 29) rafnuka:tufi : auk : futin : ¶ auk : knubli : @aiR : @riR : ka@u : ¶ : @uruiaR : hauk : Hrafnunga-Tófi ok Fundinn ok Gn´ y pli peir prír gerdu Pyrvéar haug. Tue, Nachkomme von Ravn, und Funden und Gnyple, diese drei machten Thyres Hügel. 279 Læborg (DR 26) rhafnukatufi ÷ hiau ÷ runaR : @asi aft @urui ÷ trutnik : sina Hrafnunga-Tófi hjó rúnar pessar ept Pyrvé, dróttning sína. Tue, Nachkomme von Ravn, meißelte diese Runen in Erinnerung an Thyre, seine dronning. 280 Sawyer, B. und P.: Die Welt der Wikinger, 380f. 281 Ebd., 381.
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Qualitativer Teil: Zusammenfassung und Diskussion
git Sawyers gefolgt werden, nämlich, dass es sich bei Jelling 1 um eine von König Harald nachträglich erstellte Inschrift handelt, oder aber, dass Runeninschriften nicht primär mit dem Tod einer Person im Zusammenhang stehen müssen, sondern sie durchaus auch zu Lebzeiten erstellt worden sein können. Die Inschrift Jelling 1 ist, wie beschrieben, von Gorm für seine Frau Thyre erstellt worden. In der wissenschaftlichen Literatur wird hieraus geschlussfolgert, dass Gorm seine Frau überlebt hat. In Saxos Schilderungen hingegen überlebte Thyre ihren Mann.282 Um an dieser Stelle allein bei den Informationen zu bleiben, die aus der Inschrift entnommen werden können, kann die Reihenfolge des Sterbens von Gorm und Thyra nicht festgestellt werden. Die Inschriften teilen hierüber nichts mit. Und aufgrund der in den vorangegangenen Kapiteln ermittelten Unterschiede der beiden Inschriftengruppen mit und ohne Sterbeterminologie kann anhand der beiden Jelling-Inschriften ein weiteres Indiz dafür festgestellt werden, dass sowohl die Reihenfolge der Steinerstellungen als auch die Gedenkrichtung (von Gorm an Thyre) nichts über den Tod einer oder mehrerer Personen mitteilen muss.
Die Paarsteine für Hásteinn (Skresta: Sö 122 und Sö 123) Die Inschrift von Skretsa wurde zum Gedenken an Hásteinn errichtet von seinem Vater, der diesen Stein auch für sich selbst setzte. In dieser Inschrift wird explizit der Tod Hásteinns mitgeteilt. Skresta (Sö 122) : stain : stanr : it : histain : rais@i stalfR : fa@iR : at : sun tau@an oskutr : kiar@i : tre Steinn stendr at Hástein. Reisti sjalfr fadir at son daudan. Ásgautr gerdi . Dieser Stein steht für Hásteinn. Der Vater errichtete ihn für den toten Sohn. Ásgautr machte. Auf der zweiten Inschrift von Skretsa (Sö 123) gedenkt Ásgautr (ebenfalls der Errichter von Sö 122) Hásteinn. In dieser Inschrift wird nichts über das Sterben einer Person berichtet. Skresta (Sö 123) oskutr : rs@i stan @ansi : at : hastin : Ásgautr reisti stein penna at Hástein. Ásgautr errichtete diesen Stein für Hásteinn.
282 Hube: Saxo Grammaticus: Gesta Danorum, Kapitel 11, Buch 9.
Gedenkinschriften für eine Person
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Beide Inschriften zeigen denselben Inhalt; mit dem Unterschied, dass in Sö 123 weder die Angabe der Beziehung der beiden Männer ausgeführt noch über das Sterben informiert wird. Es lässt sich die Frage stellen, weshalb zwei Inschriften gleichen Inhalts erstellt wurden. Die Inschrift ohne Sterbeterminologie (Sö 123) lässt sich in die Stilperiode283 RAK datieren, die bis ca. 1020 andauerte. Die Inschrift mit Sterbeinformationen (Sö 122) wird der Periode 2 (Pr2) zugeordnet, die etwa in den Zeitraum 1020 bis 1050 fällt. Somit stellt sich der Sachverhalt folgendermaßen dar, nämlich dass die Inschrift ohne Informationen über ‚Tod und Sterben‘ zeitlich vor der anderen liegt. Das könnte bedeuten, dass die Inschrift Sö 123 durchaus zu Lebzeiten Hásteinns erstellt wurde, die zweite hingegen erst nach seinem Tod, um dieses Faktum mitzuteilen. Nach dieser These musste die Informationsweitergabe über das Sterben Hásteinns eine wichtige Handlung mit Konsequenzen gewesen sein, weshalb sonst sollte die Inschrift von Sö 123 durch Sö 122 sozusagen „ersetzt“ bzw. aktualisiert werden? Welche Konsequenzen die Informationsweitergabe über die Tatsache des Todes für die Angehörigen und/oder Leser der Inschrift bedeutete, kann aus den Inschriften selbst nicht abgeleitet werden. Sicher wird durch dieses Beispiel nur, dass es offenbar eine Bedeutung gab.
Die Inschriftengruppe von Inga (Hillersjö: U 29, Snottsta: U 329, U 330, U 331 und Vreta: U 332) Upplands längste Inschrift zu Hillersjö (U 29) berichtet über drei Generationen hinweg (Ingas Mutter und ihre zwei Ehemänner, Inga und ihre zwei Ehemänner, Ingas Sohn) über die Verteilung des Erbes. Hillersjö (U 29) ra@| |@u kaiRmuntr -ik * kaiR[l]a[uk *] (m)aytumi| |i @a * finku * @au sun * a@ han * trukna@i * in sun to : si@an : @a + fi(k) (h)(u)- --@rik * ha- … (@)(i)nsa * @a * finku @a(u) [bar](n) … (i)(n) maR ain lif@i * [hu]n hit ' …g[a] ' h(a)… fik raknfastr * i * snutasta@um * @a uar@ han tau@r * auk * sun * si@an * in * mo@ir kuam + at sunar ' arfi ' @a ' fik hun ' airik ' @ar ' uar@ hun tau@ ' @ar kuam ' gaiRlauk at arfi ' inku tutur sinar @urbiur(n) ' skalt ' risti runar Rád pú! Geirmundr [f]ekk Geirlaug meydómi í. Pá fingu pau son, ádan hann druknadi. En sonr dó sídan. Pá fekk ho[n] [Gu]drík. Ha[nn] … penna. Pá fingu pau bôrn. En mær ein lifdi; hon hét [In]ga. Ha[na] fekk Ragnfastr í Snotastôdum. Pá vard hann daudr ok sonr sídan. En módir kvam at sonar arfi. Pá fekk hon Eirík. Par vard hon daud. Par kvam Geirlaug at arfi Ingu, dóttur sinnar. Porbjôrn Skald risti rúnar.
283 Gräslund: Runstenar – om ornamentik och datering I + II.
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Qualitativer Teil: Zusammenfassung und Diskussion
Deute [die Runen]: Germund nahm Gerlög als Jungfrau (zur Frau). Da bekamen sie einen Sohn, bevor er (Germund) ertrank; aber der Sohn starb darauf. Da bekam sie Gudrik (zum Mann); er [Lücke von etwa 25 Runen]. Dann bekamen sie Kinder. Aber nur ein Mädchen blieb am Leben, es hieß (rechte Schlange) Inga. Sie bekam Ragnfast in Snottsta (zum Mann). Darauf starb er und der Sohn danach. Aber die Mutter (Inga) kam zum Erbe nach ihrem Sohn. Da bekam sie (Inga) Erik (zum Mann). Darauf starb sie. Da kam Gerlög zum Erbe ihrer Tochter. Torbjörn Skald ritzte die Runen.284 Die Chronologie der Ehen und die zeitliche Einordnung der Sterbefälle werden miteinander verflochten, um die Ereignisse verständlich zu machen. Geschildert werden der Erbgang an Inga und der Erbgang nach Ingas Tod an ihre Mutter. Vermutlich wurde der Stein von Ingas Mutter Gerlög in Auftrag gegeben, um die Hergänge zu dokumentieren. In dieser Familienchronik wird von fünf Todesfällen berichtet. Inga als zentrale Figur der Inschrift Hillersjö hat vier Steine für ihren ersten Ehemann, Ragnfastr, errichtet. In der Inschrift Snottsta (U 329) wird berichtet, dass Ragnfastr ihr Ehemann sowie der Bruder von Gyri. und Ástri. war: Snottsta (U 329) × inka × lit × raisa × staina × @asi × eftiR × raknfast × bonta × sin × han × uaR × bro@iR × kuri@aR × auk × estri@aR × Inga lét reisa steina pessa eptir Ragnfast, bónda sinn. Hann var bródir Gyrídar ok Ástrídar. Inga ließ diese Steine errichten für Ragnfastr, ihren bóndi. Er war Gyrí.r’s und Ástrí.’s Bruder. Auf einer weiteren Inschrift von Snottsta (U 330) erhält der Leser ebenfalls die Information, dass Ragnfastr ihr Ehemann war, des Weiteren die beziehungstechnische Zuordnung Ôzurrs: Snottsta (U 330) × inka × lit × raisa × staina × auk × bro × kiara × eftiR × raknfast × bont×a sin × asur × uaR × huskarl × hans × Inga lét reisa steina ok brú gera eptir Ragnfast, bónda sinn. Ôzurr var húskarl hans. Inga ließ diese Steine und die Brücke für Ragnfastr, ihren bóndi, machen. Ôzurr war sein húskarl.
284 Übersetzung durch Klaus Düwel: Runenkunde, 129.
Gedenkinschriften für eine Person
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Die dritte Snottsta-Inschrift (U 331) berichtet neben der Tatsache der Ehe zwischen Inga und Ragnfastr des Weiteren über das Erbe, das Ragnfastr alleine von seinem Vater antrat. Snottsta (U 331) × inka × lit × rista × runaR × eftiR × raknfast × bonta × sin + han × at[i +] ain ×× by × @ina × eftiR × sikfast × fa@ur × sin × ku@ × hialbi × ant @aiRa × Inga lét rista rúnar eptir Ragnfast, bónda sinn. Hann átti einn b´ y penna eptir Sigfast, fôdur sinn. Gud hjalpi ônd peira. Inga ließ diese Runen für Ragnfastr ritzen, ihren bóndi. Er besaß alleine dieses Anwesen, das er nach Sigfastr, seinem Vater bekam. Gott helfe ihren Seelen. Aus der Inschrift von Vreta (U 332), die Inga ebenfalls ihrem Mann Ragnfastr widmet, ist zu entnehmen, dass sie das Erbe ihrer Kinder antritt. Vreta (U 332) [inka * raisti * staf * auk * staina * at * raknfast * bonta * sin * han * kuam * at * arfi barn * sins *] Inga reisti staf ok steina at Ragnfast, bónda sinn. H[o]n kvam at arfi barns síns. Inga errichtete Stab und Steine für Ragnfastr, ihren bóndi. Sie erbte von ihren Kindern. Auf der Vreta-Inschrift wird von Ingas Kindern in der Pluralform gesprochen, obgleich in der Hillersjö-Inschrift nur von einem Sohn die Rede ist. Im Zusammenhang mit der Frage, weshalb Ôzurr, als der húskarl von Ragnfastr, Erwähnung findet, dem doch die Inschrift nicht gewidmet ist, könnte eventuell eine Verbindung hergestellt werden, durch die Inga einen Bezug zu diesem Mann manifestiert. Doch zurück zum Thema ‚Tod und Sterben‘ in dieser Inschriftengruppe. Die vier von Inga aufgestellten Steine werden in die Periode 3 datiert, die Hillersjö-Inschrift, in welcher Gerlögs Erbgang dokumentiert wird, gehört der Periode 4 an. Letztere nennt explizit die Todesfälle, während vorher auf den vier Inschriften von Inga keine Sterbeterminologie vorkommt. Die Inschrift U 331, die darüber berichtet, dass Ragnfastr das Erbe seines Vaters antritt, drückt implizit den Tod des Vaters aus, ihm ist der Stein jedoch nicht gewidmet, sondern seinem Sohn, Ragnfastr. Diese Inschrift beinhaltet demnach die Wahrscheinlichkeit, dass Ragnfastr während der Steinerstellung noch lebte. Erst die Inschrift zu Hillersjö, die später zu datieren ist, zeigt klar auf, dass Ragnfastr zum Zeitpunkt der Inschriftenerstellung tot war. Selbst wenn der ursprüngliche Zweck der Inga-Inschriften die reine Dokumentation von Nachlass-Angelegenheiten war, so zeugen diese Inschriften doch von der
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Qualitativer Teil: Zusammenfassung und Diskussion
Tatsache, dass das Gedenken nicht primär toten Personen gegolten haben muss, sondern die Runensteine durchaus für damals noch Lebende (in diesem Fall: Ragnfastr) erstellt worden sein könnten.
Die beiden Inschriften für Gunnleifr (Ekilla bro: U 644 und Varpsund: U 654) Kaum drei Kilometer voneinander entfernt stehen diese beiden Runensteine, die nahezu den gleichen Inhalt aufweisen: Ekilla bro (U 644) an(u)(i)(t)r : auk * kiti : auk * kar : auk * blisi * auk * tiarfr * @ir * raistu * stain @ina * aftiR * kunlaif * fo@ur : sin han : fil * austr : mi@ : ikuari ku@ heabi ontini Andvéttr ok ok Kárr ok Blesi ok Djarfr peir reistu stein penna eptir Gunnleif, fôdur sinn. Hann fell austr med Ingvari. Gud hjalpi ôndinni. Andvéttr und und Kárr und Blesi und Djarfr, sie errichteten diesen Stein für Gunnleifr, ihren Vater. Er fiel im Osten mit Ingvar. Gott helfe seiner Seele. Varpsund, Vi ägor (U 654, siehe Abb. 16) + a--itr : auk * ka(r) auk : kiti : auk : -[l]isi : auk * tiarfr : ris[t]u : stain : @ena : aftir : kunlaif : fo@ur sin is u[a]s nus(t)(r) * m[i](@) ikuari : tribin ku@ : hialbi : o(t) @aira al-ikr| |raistik * runar is kuni + ual * knari stura A[ndv]éttr ok Kárr ok ok [B]lesi ok Djarfr reistu stein penna eptir Gunnleif, fôdur sinn. Er var austr med Ingvari drepinn. Gud hjalpi ônd peira. Al[r]íkr(?) reist-ek rúnar. Er kunni vel knerri st´ y ra. Andvéttr und Kárr und und Blesi und Djarfr errichteten diesen Stein für Gunnleifr, ihren Vater. Er wurde im Osten erschlagen mit Ingvar. Gott helfe ihren Seelen. Alríkr(?), ich ritzte die Runen. Er konnte den Knorr ˛ gut steuern. Die Reihenfolge der genannten Hinterbliebenen ist auf den beiden Inschriften nicht identisch. Auf der Inschrift Ekilla bro (U 644) wird vor Kárr genannt, auf dem Varpsund-Stein (U 654) in umgekehrter Reihenfolge. Sven B. F. Jansson deutet in der Reihenfolge der Namensnennung auf Runeninschriften das absteigende Alter der Personen,285 was für diese Inschriften bedeuten würde, dass die genannten hinterbliebenen Söhne möglicherweise Zwillingsbrüder waren oder es einfach nur auf einen Fehler des Ritzers zurückzuführen ist. Letzterer nennt sich selbst nur auf der Inschrift von Varpsund, was eventuell auf den bereits voll ausgefüllten Platz der Inschrift von Ekilla zurückzuführen sein kann, wo auch die Information, dass Gunnleifr den Knorr ˛ gut steuern konnte, fehlt. Auf Varpsund (U 654) hingegen ist dieser In-
285 Jansson, S. B. F.: Stenfynden i Hovs Kyrka, 9f.
Gedenkinschriften für eine Person
Abb. 16: U 654, Varpsund, Vi ägor (Quelle: Riksantikvarieämbetet, Antikvarisk-Topografiska Arkivet)
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Qualitativer Teil: Zusammenfassung und Diskussion
schriftenteil außerhalb der zwei Runenschlangen angebracht, es wirkt, als hätte der Ritzer noch Platz für weitere Informationen gelassen und eine Runenschlange begonnen, die nachträglich hätte weitergeführt werden können. Der für diese Arbeit relevante Aspekt dieser beiden Inschriften ist nicht nur, dass Gunnleifr im gesamtskandinavischen Runensteinkorpus die einzige Person ist, derer mit zwei Steinen samt Sterbeinformation gedacht wird, sondern auch, dass dies mit zwei verschiedenen Worten erfolgt: Auf dem Stein von Ekilla bro (U 644) erfährt der Leser, dass Gunnleifr gefallen ist, in der Varpsund-Inschrift (U 654) wird er als ein Erschlagener bezeichnet. Eine graphemische Untersuchung ergibt im Vergleich beider Inschriften keine Differenzen, die eine wesentlich unterschiedliche Datierung und somit Rückschlüsse auf die Reihenfolge der Erstellung der beiden Steine zulassen würden. Es muss davon ausgegangen werden, dass beide Runensteine gleichzeitig oder kurz aufeinanderfolgend angefertigt wurden. Mats G. Larsson286 beschreibt, dass der Stein von Ekilla bro ursprünglich die südliche Grenze des Eigentums Vi markiert habe und dass demnach Gunnleifrs Söhne ihren Vater mit je einem Runenstein pro Grundstücksende geehrt haben. Dieser Meinung zufolge dienten die Inschriften zur Verdeutlichung der Besitzgröße und eventuell der rechtlichen Ansprüche der Söhne. Doch weshalb werden zwei unterschiedliche Sterbetermini angewandt? Dass eine exakte Mitteilung der Sterbeart für die Inschriftenersteller keine Bedeutung gehabt hätte, davon kann in diesem Fall keinesfalls ausgegangen werden, da beide Formulierungen die näheren Umstände des Todes klar definieren und auf die Einwirkung weiterer Personen schließen lassen. Wäre diese Information nicht wichtig erschienen, so wären ausreichend verbale Alternativen zur Verfügung gestanden, den Tod mittels neutraler Formulierung zum Ausdruck zu bringen. Möglicherweise lässt sich durch diese beiden Inschriften ein zeitversetzter Informationsfluss rekonstruieren, d.h. zuerst erreichte nur die Tatsache des Todes die Familie. Und da den Hinterbliebenen bekannt war, auf welche Unternehmung sich Gunnleifr eingelassen hatte, war ihnen klar, dass er (im Krieg) gefallen sein musste. Eventuell wurde der zweite Stein erst angefertigt, als die Heimkehrer des Ingvar-Zuges287 genauere Details weitergeben konnten und die Hinterbliebenen die genauen Hergänge des Todes erfuhren. Dann wurde die erste Inschrift nachträglich sozusagen korrigiert, d.h. das Wort „gefallen“ zu einem sehr viel konkreteren „erschlagen“ gewandelt.
286 Larsson, M. G.: …Han för österut till Gårdarike, 48. 287 In der wissenschaftlichen Literatur wird davon ausgegangen, dass der Ingvar-Zug ein ausschließlich negatives Ende fand und es keine Rückkehrer gab. Nach den Ergebnissen dieser Arbeit, die deutlich machen, dass es einen Unterschied zwischen Inschriften mit und ohne Sterbeterminologie gibt, zeigt sich jedoch, dass nahezu die Hälfte aller Ingvar-Inschriften ohne Nennung eines Todes ist und demnach die Hälfte der Steine für damals wahrscheinlich noch lebende Menschen errichtet wurden. (Näheres dazu im Kapitel 10 „Die Ingvar-Steine“.)
Gedenkinschriften für eine Person
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Diese beiden Inschriften können als Beleg dafür genommen werden, dass beide Sterbetermini folglich berechtigterweise (und auch aus der Sicht des Runenstein erstellenden Wikingers) derselben Gruppe zugeordnet wurden.
Bemerkungen zu weiteren Paarsteinen Innerhalb aller von Birgit Sawyer aufgeführten Paarsteine288 lässt sich keine Kombination feststellen, in welcher eine Inschrift, die für eine damals evident tote Person (d.h. dieses Faktum wird inschriftlich genannt) erstellt wurde, früher datiert wird als ein weiterer für dieselbe Person erstellter Runenstein, der jedoch keinen Sterbeterminus aufweist. Es finden sich ausschließlich Belege, welche die These stützen, dass Runensteine nicht hauptsächlich für damals verstorbene Menschen, sondern für zum Zeitpunkt der Errichtung noch lebende Personen erstellt wurden. Sofern innerhalb der Paarsteine das Sterben genannt wird, betrifft die mittels der Stilgruppierung nach Anne-Sofie Gräslund oder nach runologischen Gesichtspunkten getroffene Datierung, wie sie in der Samnordisk Runtextdatabas aufgeführt wird, bei den betreffenden Inschriften entweder beide Male dieselbe Periode oder aber diejenigen Inschriften mit Sterbeterminus können zeitlich ans Ende der Chronologie der jeweiligen Paarsteingruppe gestellt werden. Die nachfolgend genannten Inschriften, welche aus den für diese Untersuchung relevanten Paarsteinen herangezogen werden, sind insofern wichtig, als in ihnen eine Person als verstorben benannt wird. Der darüber hinaus gehende Inhalt der Inschrift ist an dieser Stelle nicht weiter relevant. Wichtig sind hier vor allem die vorgenommenen Datierungen gemäß Samnordisk Runtextdatabas. Insofern wird auf ausführliche Zitate mit Transliteration, Transkription und Übersetzung an dieser Stelle verzichtet. Broby (U 135 und U 136. Gleicher Empfänger: Eysteinn, verschiedene Hinterbliebene): Beide Inschriften werden derselben Periode Pr2 zugeordnet, jedoch nur U 136 nennt einen Sterbeterminus. Die zu dieser Gruppe gehörige Inschrift U 137 nennt Eysteinn als Steinsetzer; die Stilperiode ist ebenfalls Pr2. Nach den Ergebnissen dieser Arbeit und den gänzlich fehlenden Gegenbelegen kann demnach davon ausgegangen werden, dass die Person, die in der Inschrift nicht als tot genannt wird, zur Zeit der Inschriftenerstellung auch nicht gestorben war. Für die Inschriftengruppe Broby (U 135, U 136, U 137) würde dies bedeuten, dass U 137 zeitlich vor U 136 erstellt worden sein muss.
288 Sawyer, B.: The Viking-age rune-stones, 92.
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Qualitativer Teil: Zusammenfassung und Diskussion
Weitere für die Untersuchung in dieser Arbeit relevante Paarsteine: Ardre kyrka (G 111 und G 112) Beide Inschriften werden gemäß Samnordisk Runtextdatabas einer Datierung von ca. 1100–1130 zugeordnet, doch nur in G 111 wird die gedenkende Person als evident verstorben bezeichnet (dó). Es ist davon auszugehen, dass G 111 zeitlich nach G 112 erstellt wurde. Tjuvstigen (Sö 34 und Sö 35) Sö 35 ist von den Eltern für die Söhne (nicht namentlich genannt) erstellt worden. Die Datierung wird in die Periode Pr2 gelegt. Sö 34 ist von zwei Brüdern (die Söhne der auf Sö 35 genannten Eltern) für ihre beiden toten Brüder (enda) erstellt worden. Die Datierung wird in die Korsband-Periode gelegt. Die Periode Pr2 betrifft den letzten Abschnitt der Korsband-Periode. Die Inschrift Sö 34 wurde daher vermutlich nach Sö 35 erstellt. Bogesund (U 170) und Söderby (U 171) Beide Inschriften gelten demselben Empfänger, der auf U 170 als tot beschrieben wird, während auf U 171 diese Tatsache (noch?) nicht genannt worden ist. Während U 171 der Stilgruppierung Pr4 zugeordnet wird, wird bei U 170 die Periode Pr3 mit Fragezeichen angegeben. U 170 kann demnach nicht sicher eingruppiert werden. Da die Tatsache des Sterbens jedoch auf U 170 genannt wird, auf U 171 aber nicht, kann möglicherweise davon ausgegangen werden, dass U 170 zeitlich nach U 171 erstellt wurde. Da beide Inschriften von demselben Runenritzer Faste (oder Fastulv) erstellt wurden, ist eine zeitliche Nähe sicher gegeben. Eine exakte chronologische Zuordnung mittels runenschriftlicher Untersuchung ergab keine relevanten Details. Hansta, nun Hägerstalund (U 72 und U 73) Die Errichter des Steins U 72 (die Brüder Ger.arr und Jôrundr) werden auf U 73 als Erben von Inga genannt, wo auch über ihren Tod berichtet wird. Beide Inschriften werden in die Periode 3 datiert, eine detailliertere zeitliche Eingrenzung konnte bislang nicht erfolgen. Gemäß der Theorie dieser Arbeit müsste aufgrund der Sterbenennung die Inschrift U 73 zeitlich nach U 72 erstellt worden sein. Komstad (Sm 76) und Sävsjö Västergård (Sm 77) Nach ganz gleicher Struktur wie die beiden zuletzt genannten Paarsteine Hansta/Hägerstalund sind auch diese beiden småländischen Inschriften einzustufen. Der auf Sm 77 genannte Hinterbliebene ist der auf Sm 76 genannte Empfänger, der dort als tot bezeichnet wird. Bei beiden Inschriften fehlt bislang eine zeitliche Eingrenzung.
Gedenkinschriften für eine Person
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Risbyle (U 160 und U 161) und Bällsta (U 225 und U 226) Diese vier Inschriften sind demselben Mann, Ulfr, gewidmet. Hinterbliebene sind die Ehefrau, die Söhne und ein Verwandter durch Heirat. Diese Inschriften stellen insofern eine Besonderheit dar, als auf U 226 keine explizite Sterbeterminologie, sondern deutliche Trauer erwähnt wird und diese Inschrift aufgrund dieser Eindeutigkeit Eingang in das in dieser Arbeit zu untersuchende Korpus gefunden hat. Entsprechend der Stilgruppierung werden U 160, U 226 und U 161 der Periode 1 zugerechnet, U 225 entspricht dem Stil RAK. Eine zeitliche Divergenz kann aufgrund der Datierungen nach Gräslunds Stilgruppierung nicht festgestellt werden. Da auf U 226 durch die Art der Mitteilung von Trauer der Tod von Ulfr implizit zum Ausdruck kommt, kann davon ausgegangen werden, dass dieser Stein der Gruppe chronologisch der jüngste ist. Alle weiteren bei Birgit Sawyer aufgeführten Paarsteine haben in diese Untersuchung keinen Eingang gefunden, da sie verschiedenen Empfängern gelten bzw. die Inschriften keinen Sterbeterminus tragen. Die Überprüfung der für das Thema ‚Tod und Sterben‘ auf Runeninschriften bedeutsamen Inschriften zeigt eine durchgängige Kontinuität, die mit der Beweisführung, welche sich im Laufe dieser Arbeit entwickelt hat, deutlich einhergeht. Keines der Steinpaare zeigt gegenteilige Merkmale. Anhand aller genannten Paarsteine, die Sterbetermini beinhalten, scheint die These belegbar, dass Runeninschriften ohne Sterbetermini vorrangig für noch Lebende erstellt wurden und nur in besonderen – dann explizit – genannten Fällen für tote Personen.
Identische Inschriftenpaare für dieselbe Person Frösunda kyrka (U 346) und Ängby (U 356) Frösunda kyrka (U 346) [rahnfri@r * lit rt stain @ino ' aftiR biurno sun @aiRa kitilmuntaR ' hon ' fil a urlati ' ku@ hialbi hons ant auk| |ku@s mu@iR ' osmunr mar’ka@i runaR ritar] Ragnfrídr lét rétta stein penna eptir Bjôrn, son peira Ketilmundar. Hann fell á Virlandi. Gud hjalpi hans ônd ok Guds módir. Ásmundr markadi rúnar réttar. Ragnfrí.r ließ diesen Stein für Bjôrn errichten, ihren und Ketilmunds Sohn. Er fiel in Virland. Gott und Gottes Mutter helfe seiner Seele. Ásmundr zeichnete die Runen richtig.
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Qualitativer Teil: Zusammenfassung und Diskussion
Ängby (U 356) ra(h)nfri@r ' lit rasa stain @ino ' aftiR biurn * sun @aiRa * kitilmun(t)aR ' ku@ mialbi hons (a)nt auk| |ku@s (m)u@iR hon fil a uirlanti * in osmuntr marka@i Ragnfrídr lét reisa stein penna eptir Bjôrn, son peira Ketilmundar. Gud hjalpi hans ônd ok Guds módir. Hann fell á Virlandi. En Ásmundr markadi. Ragnfrí.r ließ diesen Stein für Bjôrn errichten, ihren und Ketilmundrs Sohn. Gott und Gottes Mutter helfe seiner Seele. Er fiel in Virland. Und Ásmundr zeichnete. Beide Inschriften sind von derselben Hinterbliebenen (Ragnfri.r) für denselben Toten (Bjôrn, ihren und Ketilmundrs Sohn) durch den Runenritzer Ásmundr erstellt worden. Die Inschriften differieren durch die Reihenfolge der Information über den Tod Bjôrns (er fiel in Virland) und die Bittformel (möge Gott und Gottes Mutter seiner Seele helfen): Auf der Inschrift von Frösunda kyrka (U 346) wird zuerst der Sterbeort genannt, dann folgt die Bittformel, während auf der Inschrift zu Ängby (U 356) die Bittformel im Text vor der Nennung des Sterbeortes steht. Beide Inschriften werden gemäß Gräslunds Stilgruppierung den Perioden Pr3 (U 356) bzw. Pr3-Pr4 (U 346) zugeordnet. Täby kyrka (U 133) und Fittja (U 141) Täby kyrka (U 133) + ku@luk * lit … … … …a × sun * sin * auk * at * sik * sialfa * han * to * a lank*bar@a*l--ti * Gudlaug lét [reisa steina at Holm]a, son sinn, ok at sik sjalfa. Hann dó á Langbardal[an]di. Gu.laug ließ [die Steine errichten für Holm]i, ihren Sohn und für sich selbst. Er starb in der Lombardia. Fittja (U 141) [ku@luk × lit * raisa * staina * at * hulma * sun * sin * han * to * a * lank*bar@a*lanti ×] Gudlaug lét reisa steina at Holma, son sinn. Hann dó á Langbardalandi. Gu.laug ließ diese Steine errichten für Holmi, ihren Sohn. Er starb in der Lombardia.
Auch diese beiden Inschriften tragen dieselben Informationen, wobei der Stein U 133 von der Errichterin zusätzlich auch „für sich selbst“ gesetzt wurde. Beide Steine sind nur fragmentarisch erhalten, das Bruchstück von U 141 ist mittlerweile ebenfalls verloren. Die Eingruppierung nach Gräslunds Methode ist daher
Gedenkinschriften für eine Person
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nur aufgrund von älteren Abbildungen bzw. der verbliebenen Steinfragmente möglich. U 133 wird der Periode Pr3 zugerechnet, bei U 141 ist eine Zuordnung nicht möglich. Schlussfolgernd bedeuten diese beiden genannten Inschriftenpaare (welche die einzigen für jeweils dieselbe Person mit Sterbeterminologie sind), dass auch durch diese Belege keine unterschiedlichen Datierungen festgestellt werden können. Da es sich nur um zwei Inschriftenpaare handelt, kann dies zwar nicht als elementares, aber als unterstützendes Kriterium für die These dieser Arbeit gewertet werden. Wichtig ist die Feststellung, dass sie keine Gegenbelege für die sich in dieser Arbeit aufbauenden These bilden.
7.2 Inschriften mit mehreren Sterbetermini für eine Person Wie bereits im Kapitel C 2.3 „Sterbevokabular“ aufgeführt, gibt es eine Reihe von Inschriften, die das Sterben mit mehreren Worten zum Ausdruck bringen. Auf folgenden Inschriften beziehen sich diese Worte auf ein- und dieselbe Person: Söderby (U 954) [× @Ru : aRrukr : fretr : ri--u : s… …-r : helka : bru@r : sin : en : sasur : trab : han : ouk : ka@ * ni@iks:uerk : seik : felka : sin : ku@ : helb : hut : has ×] Pau(?) Eyríkr(?)/Audríkr(?) frændr rei[st]u s[tein epti]r Helga, bródur sinn. En Sassurr drap hann ok gerdi nídingsverk, sveik félaga sinn. Gud hjalp ônd hans. Eyrirkr(?)/Au.rikr(?) und seine Verwandten, sie machten diesen Stein für Helgi, ihren Bruder. Und Sassurr erschlug ihn und beging die Schandtat, hinterging seinen Partner. Gott helfe seiner Seele. Vester Marie 5 (DR 387) : asualdi : risti : stein : @insa : iftR : alfar : bru@ur : sin : drinr : ko@r ¶ : trebin u:syni : auk : skogi : suek : saklausan : Ásvaldi reisti stein penna eptir Alfar, bródur sinn, drengr gódr, drepinn ósynju, ok Skógi sveik saklausan. Ásvaldi errichtete diesen Stein für Alfarr, seinen Bruder, einen guten drengr, schändlich erschlagen, und Skógi hinterging den Unschuldigen.
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Qualitativer Teil: Zusammenfassung und Diskussion
Aspö kyrka (Sö 174) [ub]lubR * lit * kira : kuml : likhus : auk : bru * at sun sin : biurn : uaR trebin : a : kut:lanti : @y : lit : fiur * sit : flu@u : kankiR : @aiR ui@[ulkuR] : uiltu iki halta : gu@ : hilbi : anta : hans Ólafr(?)/Óblaudr(?)/Upphlaupr(?) lét gera kuml, líkhús/líknhús ok brú at son sinn Bjôrn, var drepinn á Gotlandi. P´ y lét fjôr sitt, fl´ y du gengir, peir … vildu ekki halda. Gud hjalpi anda hans. Ólafr(?)/Óblau.r(?)/Upplaupr(?) ließ kumbl, Herberge und Brücke für seinen Sohn Bjôrn machen, der auf Gotland erschlagen wurde. Da seine Gefolgsleute flohen, verlor er sein Leben, sie … konnte nicht (auf)halten. Gott helfe seiner Seele. Bogesund (U 170) [: kuni * auk * as(a) * litu * raisa * st-- @ina * auk * hualf * iftiR * akn- -un sin an … …au@r * i akru * a- -R * krafin * i * kirikiu*kar@i * fastulfR * risti * runaR * kuin * raisti * stainhal @isa *] Gunni ok Ása létu reisa st[ein] penna ok hvalf eptir Eyn[d, s]on sinn. Hann [vard d]audr í Eikrey(?). Ha[nn e]r grafinn í kirkjugardi. Fastulfr risti rúnar. Gunni reisti steinhall/ steinhelli penna/pessa. Gunni und Ása errichteten diesen Stein und das Gewölbe für Eyndr, ihren Sohn. Er starb in Eikrei(?). Er ist begraben im Kirchhof. Fastulfr ritzte die Runen. Gunni errichtete die Steinhalle. Spånga (Sö 164) ku@birn : uti : @aiR r(a)is@u : stan @ansi : at : ku@mar : f(a)@ur : sin : stu@ : triki:l(a) : i * stafn skibi : likR uistarla uf huln sar tu : Gudbjôrn, Oddi, peir reistu stein penna at Gudmar, fôdur sinn. Stód drengila í stafn skipi, liggr vestarla of hulinn(?), sá dó. Gu.björn, Oddi, sie errichteten diesen Stein für Gu.marr, ihren Vater. Er stand mannhaft im Schiffssteven, liegt im Westen, der starb. Diesen fünf Inschriften ist gemeinsam, dass sie sich auf den Tod einer Person beziehen, dies aber durch doppelte Be-/Umschreibung zum Ausdruck bringen, d.h. dass innerhalb der einzelnen Inschriften jeweils zwei Sterbetermini enthalten sind. Bei zwei dieser Inschriften sind die für die Todesinformation erscheinenden Bezeichnungen einer Gruppe zuzuordnen, bei dreien fallen sie in zwei Kategorien, wie in Tabelle 31 dargestellt.
Gedenkinschriften für eine Person
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Tab. 31: Inschriften mit mehreren Sterbetermini für eine Person
U 954 DR 387 Sö 174 U 170 Sö 164
Sterbearten
Gruppenzuteilung
drepa + svíka drepa + svíka drepa + láta fjor ˛ verda daudr + grafa liggja + deyja
2a + 2a 2a + 2a 2a + 1 1+3 1+3
Zur Gruppenzuteilung s.a. Kapitel C 1. „Die Sterbeterminologie“: Gruppe 1 = Neutrale Formulierung, Gruppe 2a = Todesumstände werden genannt, sie wurden durch kriegerische Ereignisse und bewusstes Eingreifen weiterer Personen ausgelöst, Gruppe 2b = Todesumstände werden genannt, deuten aber nicht auf ein Eingreifen weiterer Personen hin, Gruppe 3 = Konnotative Mitteilung.
Die zuletzt aufgeführten Inschriften U 170 und Sö 164 weisen eine ganz ähnliche Struktur auf: Zum einen ist die Informationsvermittlung über die Tatsache des Todes vorhanden, zum zweiten wird über den Verbleib der Leiche berichtet; in beiden Fällen geht es um Begräbnisse. Bei der Inschrift U 170 („begraben im Kirchhof“) kann davon ausgegangen werden, dass der Kirchhof in der Heimat gemeint ist, während bei der Inschrift Sö 164 („liegt westwärts begraben“) wahrscheinlich ein Begräbnis im Ausland bezeichnet wird. Die drei erstgenannten Inschriften folgen in sich auch einem ähnlichen Aufbau: Sie nennen die Todesart (jeweils: drepa) der zu gedenkenden Person und geben eine Begründung für den negativen Ausgang. Auf Sö 174 wird erklärt, dass Bjôrn deshalb starb, weil die Gefolgschaft geflohen war. Auf den Inschriften U 954 und DR 387 werden die Täter, welche die Männer erschlagen haben, mit Namen aufgeführt. Es kann in den ersten beiden Fällen von Zweikämpfen ausgegangen werden. Täter und Opfer werden namentlich erwähnt. Auf der Inschrift Sö 174 wird von der Gefolgschaft berichtet, der Bjôrn angehörte, demnach stand er wohl nicht nur einer Einzelperson, sondern ebenfalls einer kriegerischen Gruppe gegenüber. Diesen Inschriften ist zu eigen, dass sie ein sozusagen rechtfertigendes Zusatzelement in der Inschrift enthalten, das mehr als nur über den Tod einer Person aussagt. Diese zusätzliche Information könnte juristischen Zwecken, also Zwecken der Vergeltung, gedient haben. Die Täter sind genannt, eventuell war ihre Ächtung damit gesichert. In einer Gesellschaft der Selbstjustiz kann dieses anprangernde Verhalten eine frühzeitige Ankündigung bzw. eine Legitimation der folgenden Rachezüge gewesen sein. Gleichzeitig geht mit einer solch öffentlichen Proklamation auch eine Ächtung der gesamten Familie der Täter einher. So wie Mut und Tapferkeit als Familienerbe vom Vater auf den Sohn übergehen kann,289 so kann im negativen Sinne auch unrühm-
289 Vgl. Simek: Nur ein toter Wikinger ist ein guter Wikinger.
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Qualitativer Teil: Zusammenfassung und Diskussion
liches Verhalten weitergegeben werden. Eine solche Kunde des Betrügens könnte demnach psychologische Folgen nicht nur für die explizit genannte Person gehabt haben. Als drittes Argument kann angeführt werden, dass ein Totschlag nicht unbedingt zu den ehrwürdigsten Todesarten zählt, was sich auch dadurch zeigt, dass dieser Sterbeterminus recht selten in Kombination mit der Sterbeortsnennung vorkommt – also vielleicht vermehrt davon ausgegangen werden kann, dass der Tod in der Heimat stattfand – und zweitens, dass die Bezeichnung drepa am häufigsten in Verbindung mit der jüngeren Generation vorkommt, also eventuell noch unerfahrene Personen betrifft. Möglicherweise schien es den Hinterbliebenen also von hohem Wert, die Umstände genau zu schildern und die Schuldfrage gar nicht erst aufkommen zu lassen. Eventuell waren die Täter (Sassurr und Skógi) in ihren jeweiligen Heimatorten bereits mit sehr negativen Konnotationen verbunden, so dass die Kämpfe der Opfer und ihre Handlungen in relativ positivem Licht erschienen.
8 Gedenkinschriften für mehrere Personen Wie bereits im vorangehenden Kapitel genannt, existiert eine Anzahl von Inschriften, in welchen mehrere Worte, die den Tod umschreiben, enthalten sind. Diese gelten in den meisten Fällen nur einer Person, können sich aber auch auf mehrere Menschen beziehen. Einige wenige Runensteine wurden für mehrere Personen erstellt, deren Tod auch eine jeweils eigene Erwähnung im Inschriftentext findet. Dies betrifft drei Inschriften; sie werden im hier folgenden Unterkapitel „Inschriften für mehrere Personen mit mehrfacher Sterbeterminologie“ behandelt. Des Weiteren gibt es eine weitaus größere Gruppe an Inschriften, welche zwar dem Gedenken mehrerer Personen dienen, jedoch im Inschriftentext jeweils nur eine der Personen als evident tot schildern. Diese Inschriftengruppe wird im darauf folgenden Unterkapitel „Inschriften für mehrere Personen mit nur einem Sterbeterminus“ diskutiert.
Gedenkinschriften für mehrere Personen
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8.1 Inschriften für mehrere Personen mit mehrfacher Sterbeterminologie Tab. 32: Inschriften für mehrere Personen mit mehrfacher Sterbeterminologie Personennennung und Sterbearten
Gruppenzuteilung
Ôzurr: enda Asmundr: falla Ôzurr : enda (wiederholte Nennung auf der zweiten Inschriftenseite) Halfdan: drepa Boi: verda daudr
1 2a 1 2a 1
U 29
Geirmundr: drukna Sohn (ungenannt): dó Ragnfastr: verda daudr Inga: verda daudr
2b 1 1 1
U 1016
Aki: fara
1
HæfniR: dó
1
Ög 81
Zur Gruppenzuteilung s.a. Kapitel C 1. „Die Sterbeterminologie“: Gruppe 1 = Neutrale Formulierung, Gruppe 2a = Todesumstände werden genannt, sie wurden durch kriegerische Ereignisse und bewusstes Eingreifen weiterer Personen ausgelöst, Gruppe 2b = Todesumstände werden genannt, deuten aber nicht auf ein Eingreifen weiterer Personen hin, Gruppe 3 = Konnotative Mitteilung. HæfniR: dó: Lesung nach Fred Wulf (Der Name des zweiten Sohnes in der Fjuckby-Inschrift), ansonsten wäre es nur eine Person, auf die sich die beiden Sterbetermini beziehen.
Die meisten Sterbetermini dieser Inschriften entfallen auf die Gruppe 1 (neutrale Formulierung). Im gesamten in dieser Arbeit untersuchten Inschriftenkorpus ist diese Gruppe an Sterbetermini zu 58,5 % vertreten, innerhalb dieser drei aufgeführten Inschriften zu einem im Vergleich deutlich höheren Anteil. Die genaue Ausführung der Sterbeumstände ist demnach diesen Inschriftenerstellern nicht von großem Anliegen gewesen. Im Gegenteil ging es primär darum, das Faktum des Todes als solches in der Reihe der Sterbeinformationen aufzuführen. Auf der Inschrift Högby gamla kyrka (Ög 81) werden die Sterbeorte in vier der fünf Nennungen ebenfalls genannt. Auf dem Fjuckby-Stein (U 1016) wird lediglich die Information „draußen“ und „daheim“ aufgeführt. Die Hillersjö-Inschrift (U 29) verzichtet ganz auf diese Angaben. Bei der Fjuckby-Inschrift (U 1016) ist die Personenzahl nicht ganz eindeutig. Gemäß der Lesung von Fred Wulf könnte die Inschrift für zwei Personen errichtet worden sein, es würde also von zwei voneinander unabhängigen Todesfällen berichtet werden, die nicht im Zusammenhang stehen und nicht zur gleichen Zeit eintraten. Dies kann bei den anderen beiden Inschriften sicher so gedeutet werden. Auf Högby (Ög 81) werden verschiedene Sterbeorte genannt, so dass davon auszugehen
198
Qualitativer Teil: Zusammenfassung und Diskussion
ist, dass auch hier zeitliche Differenzen vorliegen und die Inschrift nicht unmittelbar nach dem Tod der einen oder anderen Person angefertigt wurde. Auf Hillersjö (U 29) wird der Stammbaum über drei Generationen geschildert; auch hier ist sicher von einem großen zeitlichen Abstand zwischen den genannten Todesfällen auszugehen. Die Inschriften wurden nicht direkt nach dem Sterben jeder einzelnen Person errichtet und daher auch nicht vorrangig zum Gedenken an die Toten, sie müssen vielmehr einem weiteren Zweck gedient haben, beispielsweise der Erbfolgeregelung. Die genannten Inschriften können als Beleg dafür angeführt werden, dass Inschriften nicht unbedingt sofort nach dem Tod einer Person erstellt worden sein müssen, wovon beispielsweise Arndt Ruprecht290 ausgeht, der die These verfolgt, dass alle Inschriften, auch jene, die nicht explizit Sterbetermini mitführen, verstorbenen Personen gelten und daher seinen Untersuchungen andere Voraussetzungen zugrunde legt.
8.2 Inschriften für mehrere Personen mit nur einem Sterbeterminus Diese Inschriftengruppe, die pro Inschrift nur einen Sterbeterminus aufweist, kann in zwei Bereiche unterteilt werden: 1. Die Sterbeinformation bezieht sich nur auf eine der genannten Personen, für die weiterhin genannten Namen besteht kein ausdrücklicher Bezug zum Thema Tod. 2. Die Sterbeinformation bezieht sich auf alle in der Inschrift genannten Personen, dies wird auch deutlich zum Ausdruck gebracht. Zu 1.: Nur eine der auf den Inschriften genannten Personen wird als tot bezeichnet (Tabelle 33). Bei den in Tabelle 33 aufgeführten Inschriften ist aus dem runeninschriftlichen Text abzulesen, dass der Sterbeterminus nur einer der genannten Personen gilt. Es muss – rein aus den individuellen Textinhalten – nicht unbedingt davon ausgegangen werden, dass die weiterhin genannten Personen ebenfalls zur Zeit der Inschriftenerstellung verstorben waren. Analog zu den oben genannten Inschriften, in welchen mehrfach vorkommende Sterbetermini pro Inschrift untersucht wurden, tritt auch hier die Gruppe 1 (neutrale Formulierung) mit einem Anteil von 69,2 % besonders deutlich hervor. (Im Gesamtkorpus der 236 Sterbenennungen macht diese Gruppe einen Anteil von 58,5 % aus.) Folglich kann auch hier wieder die Feststellung getroffen werden, dass bei einer Informationsvermittlung über die formelhafte Ausgestaltung „X setzte für Y, der/die starb, Z ritzte“ hinaus eine Präzisierung der Sterbeumstände in den Hintergrund tritt.
290 Ruprecht: Die ausgehende Wikingerzeit im Lichte der Runeninschriften, 82.
Gedenkinschriften für mehrere Personen
199
Tab. 33: Inschriften, die nur eine der genannten Personen als tot bezeichnen
G 138
Empfänger der Inschrift (kursiv: derjenige, für welchen der Sterbeterminus gilt)
Sterbeterminologie
Geirhjalmr (Sohn)
drepa (durch Leute aus Lübeck)
n.b. (Vater) Ög 155
Sö 55
Empfänger ohne Sterbeterminus
Vater
Ásgautr (Sohn) Gauti (Sohn)
enda (in Ingvars Heer)
Sohn (zuerst genannt)
?orsteinn (Errichter, Vater)
verda daudr
Vater (errichtete auch „für sich selbst“)
Hefnir (Sohn) Sö 173
Sö 254
Hró.geir (Bruder)
Bruder (zuerst genannt)
Holmstein (Vater) (nicht sicher, ob der Letztgenannte gemeint ist)
dó (mit Ingvar)
Tosti (Vater)
verda daudr (in Ingvars Heer)
?orsteinn (= ?) Eysteinn (= ?)
Sö 287
Sö 318
Sö 333
U 133
U 363
beide Letztgenannten (familiäre Bezüge nicht klar)
Hugi (Bruder) ?orgísl (Bruder)
verda daudr (mit Ingvar)
Vreidr (Vater) Vébjôrg (Schwester) (hier bezieht sich der Sterbeterminus auf den Erstgenannten, was nur aufgrund des Geschlechts klar ist)
drukna
Rúnulfr (Sohn) Hringr (Bruder) (nicht sicher, ob der Letztgenannte gemeint ist)
Bruder (Zweitgenannter)
Schwester (Zweitgenannte)
Sohn (zuerst genannt) drepa
Holmi (Sohn) Gu.laug (Errichterin, Mutter) (hier bezieht sich der Sterbeterminus auf den Erstgenannten, was aufgrund des Geschlechts klar ist)
dó
Pegn (Sohn und Bruder) Bjôrn (Vater)
fara
Mutter (errichtete auch „für sich selbst“)
Vater (Zweitgenannter)
200
U 687
U 898
Qualitativer Teil: Zusammenfassung und Diskussion
Empfänger der Inschrift (kursiv: derjenige, für welchen der Sterbeterminus gilt)
Sterbeterminologie
Spjallbodi (Sohn + bóndi)
verda daudr
Sveinn (Sohn) Andvéttr (Sohn) Ragnarr (Sohn)
drei Söhne (zuletzt genannte)
Jarl (Vater)
Vater Jarl (zuerst genannt) und einer der beiden anderen
Gísl (= Jarls Sohn?) Ingimundr (= Jarls Sohn?) Der Sterbeterminus bezieht sich auf „Jarls Sohn“, nicht sicher, ob der Letztgenannte gemeint ist) U 1087
Empfänger ohne Sterbeterminus
Ger.ar (Sohn) Ótrygg (Sohn) (hier bezieht sich der Sterbeterminus explizit auf „der zweite“)
drepa
Sohn (zuerst genannt) verda daudr
In den meisten der Inschriften, welche zusätzliche Informationen an den Leser übermitteln (sei es, weitere familiäre Bezüge zu nennen, oder mitzuteilen, in welcher (Kriegs-) Mannschaft die Personen beteiligt waren oder zusätzlich die Inschrift „für sich selbst“ zu erstellen), wird auf eine genauere Beschreibung der Sterbeumstände verzichtet. In drei Fällen werden Sterbetermini der Gruppe 2a genannt (d.h. äußere Umstände, die auf einen unnatürlichen Tod hinweisen und durch kriegerische Aktivitäten bzw. durch bewusstes Eingreifen weiterer Personen ausgelöst wurden), was vom prozentualen Erscheinen dem Gesamtkorpus der Sterbeinschriften entspricht. Ebenso verhält es sich für die Gruppe 2b (wie Gruppe 2a, jedoch primär ohne Handeln durch andere Personen), die hier nur einmal erscheint. Die Gruppe 3 (konnotative Mitteilung) ist weder hier noch in der Gruppe der mehrfach vorkommenden Sterbetermini vertreten. Dies untermauert die bereits in den Unterkapiteln des Abschnittes C mehrfach festgestellte Eigenschaft dieser eher mittelalterlichen Gedenksteine, in welchen über die Tatsache des Todes hinaus kaum weitere Informationen erfolgen. Untersucht wurde auch die Position der Nennung des Toten in der Reihenfolge des genannten Personenbestandes. In sieben der 13 Fälle erfolgt die Namensnennung der verstorbenen Person an erster Stelle.291
291 G 138, Sö 254, Sö 287, Sö 318, U 133, U 363, U 687.
Gedenkinschriften für mehrere Personen
201
In zwei weiteren Inschriften (Ög 155 und Sö 55) wird der Name des Toten an zweiter (und letzter) Stelle aufgeführt. Auf der Inschrift von Sylten (Ög 155) wird zuerst genannt, für wen der Stein errichtet wurde, nämlich für die Söhne Ásgautr und Gauti. Erst im nächsten Satzteil wird über den Tod geschrieben, und zwar wird Gauti namentlich als derjenige genannt, der starb (hann Gauti endadist í Ingvars helfningi). Über Ásgautr wird keine weitere Information mitgeteilt, aus der Inschrift heraus ist nicht ablesbar, ob auch er zum Zeitpunkt der Inschriftenerstellung gestorben war, wovon gemäß den Ergebnissen dieser Arbeit nicht auszugehen ist. Die Bjudby-Inschrift (Sö 55) ist nach demselben Prinzip aufgebaut: Zuerst werden die beiden Personen genannt, welchen dieser Stein gedenken soll, nämlich des Errichters ?orsteinn selbst und seines Sohnes Hefnir. Erst danach wird berichtet, dass der junge drengr nach England gereist war und dann zuhause einen beklagenswerten Tod (harmi daudr) starb. Dass ?orsteinn zur Zeit der Inschriftenerstellung noch lebte, geht schon daraus hervor, dass er den Stein (auch „für sich selbst“) in Auftrag gab. In einer weiteren Inschrift, Lövsta (U 1087), erfolgt ebenfalls zuerst die Namensnennung der beiden Söhne Ger.ar und Ótrygg. Im Weiteren lautet es „annarr vard daudr“. Dass die Runenfolge onar möglicherweise den Namen eines dritten Sohnes bedeuten könnte,292 kann mittlerweile ausgeschlossen werden. Die Wendung „annarr“ kann mit „der zweite“ übersetzt werden, jedoch auch mit „ein anderer, ein weiterer“.293 Bei der Planung der Inschrift jedoch das Wort „annarr“ im Sinne von „ein weiterer“ zu wählen, statt den dritten Namen zu nennen, der wahrscheinlich nicht deutlich mehr Platz in Anspruch genommen hätte, wäre zwar denkbar, wirkt jedoch nicht konsequent. Sofern sich dieses Pronomen auf die vorgenannten Namen bezieht und somit auf den zweitgenannten, Ótrygg, wird auf diesem Stein, wie in den beiden zuletzt beschriebenen Inschriften, der Tote an zweiter Position genannt. Bei drei weiteren Inschriften ist die Position in der Reihenfolge der genannten Personen nicht ganz eindeutig: Die Struktur auf Tystberga (Sö 173) entspricht den vorgenannten Inschriften. Zuerst werden die Namen der Personen genannt, welchen die Inschrift gelten soll, nämlich dem Bruder Hró.geir und dem Vater Holmstein. Im Anschluss steht „hann hafdi vestarla um verit lengi, dóu austarla med Ingvari“. Nun stellt sich die Frage, auf wen sich „hann“ bezieht, auf Hró.geir oder auf Holmstein? In der Literatur wird die Angabe der West- und Ostreise bzw. des Sterbens ohne erläuternde Anmerkungen auf den Letztgenannten bezogen.294
292 Vgl. hierzu Diskussion in: Wessén/Jansson: Upplands Runinskrifter, vierter Teil, zweites Heft, 394ff. 293 Baetke: Wörterbuch zur altnordischen Prosaliteratur, 21. 294 Z.B. Ruprecht: Die ausgehende Wikingerzeit im Lichte der Runeninschriften, 87, Fußnote 189: „[…] Inschrift […] über einen Vater mit seinem Sohn […] besagt z.B., daß ersterer schon im Westen gewesen […] war.“ Oder Jansson, S. B. F.: Runes in Sweden, 74: Er schreibt, dass diese Inschrift errichtet wurde für Holmstein, […] „who had first been long in the west“ und danach mit seinem Sohn mit Ing-
202
Qualitativer Teil: Zusammenfassung und Diskussion
Die Inschrift von Ärja ödekyrka (Sö 333) folgt wieder dem Schema, dass zuerst die beiden Personen namentlich genannt werden, welchen dieser Stein gewidmet wird (nämlich dem Sohn Rúnulfr und dem Bruder Hringr). Die folgende Information „vard úti drepinn“ erfolgt im Singular und ohne Pronomen bzw. Namensnennung. Es ist nicht klar, auf welche der beiden Männer sich diese Auskunft bezieht. Der daran anschließende Satz „fóru af Skáney“ wiederum ist in der Pluralform verfasst und bezieht sich somit auf beide genannten Personen. Auch wenn nicht sicher ist, wer von den beiden Reisenden erschlagen wurde, so geht aus der Inschrift doch sicher hervor, dass nur einer von beiden (auf dieser Reise) zu Tode kam. Ähnlich lückenhaft stellt sich die Inschrift von Norby (U 898) dar. Hier werden die drei Geehrten genannt (der Vater Jarl und Gísl und Ingimundr; bei den Letztgenannten werden die (familiären?) Bezüge nicht offengelegt). Im Folgenden heißt es „hann var drepinn austr, sonr Jarls“. Der Leser erfährt, dass Jarls Sohn erschlagen wurde. Ob Gísl und Ingimundr Jarls Söhne sind, und wenn ja, welcher von beiden der Erschlagene ist oder ob der genannte Sohn eine weitere, hier nicht namentlich aufgeführte Person ist, verschweigt die Inschrift. Arndt Ruprecht geht (ohne erklärende Worte) davon aus, dass die gemeinte Person der letztgenannte Ingimund ist und fügt diesen Namen verdeutlichend in seine Übersetzung in Klammern hinzu.295 Auf zwei weiteren Inschriften (Sö 318 und U 133) wiederholt sich die in den vorgenannten Inschriften vorkommende Eigenart, dass, trotz einer Mehrzahl von genannten Namen, nur „er starb“ im folgenden Runentext genannt wird. In den oben genannten Fällen konnte vom jeweils zuletzt genannten Mann ausgegangen werden. In diesen beiden Fällen ist jeweils die letztgenannte Person weiblichen Geschlechts, so dass das Pronomen nur die davor stehende männliche Person meinen kann. Die Selbstverständlichkeit, mit welcher in den Interpretationen der oben aufgeführten Inschriften auf die jeweils letztgenannte Person abgezielt wird, wird durch diese beiden Inschriften infrage gestellt, da hier (aufgrund der Frauennamen) automatisch der davor stehende Männername herangezogen wird. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass bei den oben genannten fraglichen Inschriften möglicherweise nicht automatisch der Letztgenannte, sondern der Erstgenannte jener ist, dessen als Toter gedacht werden soll. Genau so verhält es sich auch bei der Inschrift von Sjusta (U 687), in welcher Spjallbo.i als erster von vier Söhnen genannt wird, welchen die Inschrift von den Eltern gesetzt wird. Im nächsten Satz wird Spjallbo.i ein weiteres Mal genannt, diesmal nicht in seiner Rolle als Sohn, sondern als bóndi, und dies singulär. Keinem der anderen zuvor genannten Männer wird ebenfalls ein doppeltes Gedenken erteilt. Dann folgt die Information „hann var daudr“. Natürlich kann theoretisch das Pronomen „hann“ sich wiederum auf jeden der genannten Männer beziehen, jedoch wird durch den Zu-
var reiste, dann „they died in the east“. Jansson bezieht demnach die Westreise auf Holmstein, den Letztgenannten, und die Information über das Sterben im Osten aber auf beide erwähnten Personen. 295 Ruprecht: Die ausgehende Wikingerzeit im Lichte der Runeninschriften, 158, Inschrift Nr. 167.
Gedenkinschriften für mehrere Personen
203
satz, dass Sigrí.r diesen Stein für „Spiallbuda, bónda sinn“ erstellen ließ, der Zusammenhang zwischen der Sterbeinformation und dem Namen Spiallbo.is hergestellt, was bei den anderen oben genannten Inschriften so nicht hergeleitet werden kann. Aufgrund der vielen Belege über die Namensnennungen von Toten an erster Rangstelle und aufgrund der aufgekommenen Fragestellungen über die Uneindeutigkeit von Pronomina in Bezug auf die Rangfolgepositionierung des in der Inschrift genannten Toten kann beim überwiegenden Teil der in obiger Tabelle aufgeführten Inschriften davon ausgegangen werden, dass der Tote vorrangig zuerst genannt wird, sofern dies nicht ausdrücklich anders erfolgt. Und dass die Hinterbliebenen möglicherweise durch diese Positionierung dem Verstorbenen eine weitere Würdigung zukommen ließen. Eventuell ist die Nennung der restlichen Personen auch weniger als ursprünglicher Zweck der jeweiligen Inschriften gedacht, sondern als eine Möglichkeit, die aus der Effektivität entsprungen ist. Wenn – wie die Ergebnisse dieser Arbeit vermuten lassen – Runeninschriften vorrangig für damals noch Lebende angefertigt wurden (beispielsweise aus Gründen der Erbfolgeregelung) und nur die hier untersuchten 218 Inschriften dem primären Zweck des Totengedenkens dienen sollten, so bildet diese kleine Untergruppe von 13 Inschriften eine Teilmenge, welche sowohl die Gruppe mit als auch die ohne Sterbeterminologie betrifft. Zu 2.: Alle auf den jeweiligen Inschriften genannten Personen werden explizit als verstorben genannt (Tabelle 34). Auffällig bei dieser Aufstellung ist, dass, im Gegensatz zu den vorgenannten Subgruppen, hier keine Sterbetermini der Gruppe 2b (Sterbetermini mit gewalttätigem Hintergrund) in Erscheinung treten und die Gruppe 3 (konnotative Mitteilung) mit drei Belegen vertreten ist. Neun der 13 aufgeführten Inschriften gehören der Gruppe 1 (neutrale Formulierung) an. Wie im oberen Abschnitt ist das ein (mit 69,2 %) verhältnismäßig hohes Auftreten. Es zeigt sich somit auch hier wieder, dass ein den Tod beschreibendes Sterbevokabular seltener bei Inschriften vorkommt, die reich an Informationsvermittlung sind, sich nur wenig der kurzen, formelhaften Inschriftenausgestaltung anpassen und zudem mehreren Personen gelten. Die genauen Sterbeumstände werden in den Beispielen kaum genannt. Die berühmte Inschrift von Gripsholm (Sö 179) berichtet von einem Unternehmen, dessen Zweck der Goldsuche galt und das gemäß der gewählten Kenning (dem Adler Speise geben = Feinde töten) nicht ausschließlich friedlich verlief. Auch die Inschrift Aspa bro (Sö Fv1948;289) deutet auf kriegerische Handlungen hin, da die Verstorbenen als die Tapfersten bzw. Mutigsten beschrieben werden; ihre Handlungskreise lagen sowohl in Dänemark als auch in Schweden. Ansonsten kann lediglich aufgrund der Sterbeorte (Ostweg, Serkland, Griechenland) ein kriegerischer Hintergrund unterstellt werden, dies geht aber aus den Inschriften nicht eindeutig hervor. Ferner ist festzuhalten, dass vier dieser Inschriften Personennamen nennen, die nicht in familiäre oder kameradschaftliche Bezüge gestellt werden (DR 337, DR 386,
204
Qualitativer Teil: Zusammenfassung und Diskussion
Tab. 34: Inschriften, die alle genannten Personen als tot bezeichnen 296 Empfänger der Inschrift
Sterbeumstände
Sterbeterminologie
DR 143
Api/Ebbi (Verwandter durch Heirat) Tófa (Mutter)
nicht bekannt
pau liggja bædi í peim haugi
DR 337
Manni und Sveini (familiäre Bezüge nicht dargelegt)
nicht bekannt
en peir liggja í Lundunum
DR 386
Tóli und Véfri.r (familiäre Bezüge nicht dargelegt)
nicht bekannt
pau liggja un[di]r … stein
Sö Fv1948;289
Ônundr (Bezug nicht dargelegt) Ragnvaldr (Sohn)
starben in Dänemark, waren mächtig in Rauningi und die Tapfersten/Mutigsten in Schweden
urdu da[udi]r
Sö 34
?orkell und Styrbjôrn (Brüder)
starben auf dem Ostweg
peir endadust
Sö 179
Haraldr (Sohn der Errichterin und Ingvars Bruder)
Sie fuhren mannhaft fern nach Gold, gaben im Osten dem Adler (Speise); sie starben südwärts in Serkland.296
peir […] dóu
U 73
Ger.arr und seine Brüder (Ingas Söhne)
starben in Griechenland
peir dóu
U 153
Halfdan und Gunnarr (Brüder)
starben ostwärts
peir endadust
U 154
…-fastr und Geirbjôrn (Brüder)
starben im Osten
[pe]ir dóu
U 243
Fasti und Sigfastr (Söhne)
starben in Taufkleidern
peir dóu í hvítavádum
U 455
?orkell (Vater) Gunnhildr (Mutter)
beide ertrunken
pau druknudu bædi
U 518
Ormgeirr, Ormulfr und Freygeirr (Bezüge nicht dargelegt)
er starb im Süden im Selaön, die anderen draußen in Griechenland
hann endadist í Silu nór en peir adrir út í Grikkjum
Vg 184
Ásbjôrn und Juli (beides Schwager des Errichters)
sie starben im Osten in der Mannschaft
en peir urdu daudir í lidi austr
296 Übersetzung durch Klaus Düwel: Runenkunde, 121.
Gedenkinschriften für mehrere Personen
205
U 518 und der erstgenannte Mann auf Sö Fv1948;289), was eine verhältnismäßig hohe Anzahl darstellt. Dass zwei dieser Inschriften der Gruppe 3 (konnotative Mitteilung) angehören, relativiert diese Zahl einerseits, unterstreicht andererseits gleichzeitig dieses hervorstechende Merkmal der Sterbetermini der anonymisierenden Gruppe 3. Wie im obigen Teilkapitel (D 8.1 „Inschriften für mehrere Personen mit mehrfacher Sterbeterminologie“) sind auch diese Inschriften aussagekräftig im Hinblick auf den Zeitraum zwischen Tod und Runensteinerstellung, da auch hier pro Inschrift von mehr als einer verstorbenen Person berichtet wird. Alle drei dänischen Inschriften berichten von einem Begräbnis: Auf Gunderup 1 (DR 143) könnte der genannte Api/Ebbi (als mág bezeichnet, also einem Verwandten durch Heirat) den Stiefvater des Errichters Tóki bedeuten, da gleichzeitig vom Begräbnis seiner Mutter Tófa berichtet wird. Die Inschrift Valleberga (DR 337) und Vester Marie 4 (DR 386) hingegen lassen die familiären Bezüge offen, es kann von Geschwistern oder Kameraden ausgegangen werden. Aufgrund der Tatsache des Begräbnisses ist jedoch ein zeitliches Aufeinanderfallen der jeweils genannten Todesfälle nahe liegend. Ähnliches könnte für die södermanländische Inschrift von Aspa bro (Sö Fv1948;289) gelten, eventuell ist auch der nicht näher bezeichnete Ônundr ein Sohn der Errichterin. Beide starben in Dänemark, beide hatten ihre Aktionsradien im genannten Rauningi. Sie waren demnach Fahrtgenossen oder Brüder. Bei ihren Tätigkeiten können sie möglicherweise gleichzeitig ums Leben gekommen sein. Noch sechs weitere Inschriften (Sö 34, Sö 179, U 73, U 153, U 154 und Vg 184) lassen aufgrund der genannten brüderlichen Verhältnisse und der aufgeführten Fahrten in Richtung Osten auf gemeinsame Unternehmen schließen, bei denen jeweils die genannten Personen gleichzeitig den Tod fanden. Jedoch wird dies nicht explizit zum Ausdruck gebracht. Möglicherweise waren die Brüder auch nacheinander auf derselben Route unterwegs und die Inschriften wurden erst nach dem zweiten mitgeteilten Tod erstellt. Die Inschrift Näsby (U 455) berichtet von einem Elternpaar; hier sind sowohl Vater als auch Mutter ertrunken. Auch das könnte auf einer gemeinsamen Reise geschehen sein. Nur die Inschriften Molnby (U 243) und Västra Ledinge (U 518) lassen zeitliche Differenzen zu. Bei beiden wirkt ein zeitgleicher Tod der Beteiligten sogar unrealistisch: Auf der Inschrift Västra Ledinge (U 518) wird ausdrücklich von zwei verschiedenen Sterbeorten berichtet. Einer starb í Silu und die anderen í Grikkjum. Wer diese drei Männer sind und ob sie Brüder waren, wird nicht mitgeteilt. Hier kann aber definitiv von zeitlich versetzten Todesfällen ausgegangen werden. Diese Inschrift wurde erst erstellt, nachdem der Tod der dritten Person bekannt war. Wann die beiden anderen Männer umgekommen sind und welcher Zeitraum dazwischen liegt, ist aus der Inschrift nicht ersichtlich. Die Inschrift von Molnby (U 243) berichtet über Eltern, die in Erinnerung an ihre beiden Söhne diesen Runenstein gesetzt haben. Beide Söhne sind in „weißen Kleidern“ gestorben, was Taufkleider bedeutet. Es wird nicht darüber informiert, auf welche Weise Fasti und Sigfastr ums Leben kamen bzw. ob und in welchen kriegerischen
206
Qualitativer Teil: Zusammenfassung und Diskussion
Zusammenhängen. Der Terminus dó gehört der neutralen Gruppe an, der Leser wird nicht über weitere Details aufgeklärt. Im Zusammenhang mit der Erwähnung der Taufkleider steht dieser Terminus in einem ganz eigenen Kontext (siehe Kapitel C 1. „Die Sterbeterminologie“). Da nichts über die Sterbeart der beiden Brüder berichtet wird, sie aber beide auf der Inschrift genannt sind, ergibt sich erstens die Hypothese, dass beide zwar mit zeitlichem Abstand gestorben sind, die Inschrift aber erst nach dem Tod des zweiten Sohnes erstellt wurde oder zweitens, dass beide zur gleichen Zeit und dann wahrscheinlich bei dem gleichen Ereignis zu Tode kamen. So, wie die Inschrift es mitteilt, nämlich dass sie beide „in weißen Kleidern“ gestorben sind, kann man sich das sicherlich nicht wörtlich vorstellen. Ausgesagt wird nur, dass die beiden Brüder getauft waren und aufgrund des Ausdrucks í hvítavádum ist davon auszugehen, dass dieser Vorgang nicht lange zurücklag.
9 Inschriften, welche die Errichter für sich selbst erstellten Definition und Merkmale dieser Inschriftengruppe Innerhalb aller skandinavischen Runeninschriften gibt es eine kleine Teilmenge, in der die Person des Errichters gleich der des Empfängers ist. Die Inschriftentexte zeichnen sich dadurch aus, dass explizit der Textteil „für sich selbst“ genannt ist. Insgesamt gibt es 35297 solcher Inschriften, wobei 13 Stück davon auch dem Gedenken weiterer Personen gelten, die im Runentext genannt werden. In die hier beschriebene Gruppe werden solche Inschriften nicht eingeschlossen, aus welchen die Eigenmemoration nicht konkret hervorgeht, sondern höchstens geahnt werden kann. Inschriften, welche nur z.B. „xy ritzte“ oder „Herjulfr“ (DR 15) nennen, könnten ebenfalls dieser Gruppe zuzuordnen sein. Steine solcher Art wurden bei der nachfolgenden Betrachtung jedoch nicht berücksichtigt. Den hier untersuchten 35 Inschriften ist gemeinsam, dass sie die Information at/ ept/eptir sik sjalfan (für sich selbst) und/oder sik kvikvan (lebend, während er/sie lebte/n) enthalten. Nur zwei dieser Inschriften entfallen in die Gruppe der 218 Sterbeinschriften. Statistisch gesehen also nur die Hälfte des Prozentsatzes, wie er sich in der Gegengruppe jener Inschriften ohne Sterbeterminologie ergibt. Aufgrund der recht kleinen Fallzahl kann dem jedoch keine verallgemeinernde Bedeutung zugesprochen werden. Die beiden relevanten Inschriften, welche sowohl einen Sterbeterminus enthalten als auch des Errichters selbst (welcher nicht mit der gestorbenen Person identisch ist) gedenken sollen, sind folgende:
297 DR 212, Öl 39, Sö 176, Sö 55, U 11, U 123, U 127, U 133, U 149, U 164, U 165, U 171, U 194, U 212, U 261, U 308, U 345, U 347, U 433, U 605, U 652, U 734, U 739, U 766, U 803, U 962, U 1011, U 1040, U 1093, U 1114, U 1181, U Fv1958;250, Vg 76, Vs 17, Vs 32.
Inschriften, welche die Errichter für sich selbst erstellten
207
Bjudby (Sö 55) @orstain (l)(i)… …sa : stain : @ena : … sik : sialfan : auk : sun : sin : hefni : uaR til : enklans : ukr : trenkr : farin : uar@ : @a * haima : at : harmi tau@r ku@ hialbi : sialu : @aima bruni : auk : slo@i : @aiR …(u) stan @ena Porsteinn lé[t rei]sa stein penna [eptir] sik sjalfan ok son sinn Hefni. Var til Englands ungr drengr farinn, vard pá heima at harmi daudr. Gud hjalpi sálu peira. Brúni ok Slódi peir [rist]u stein penna. ?orsteinn errichtete diesen Stein für sich selbst und für seinen Sohn Hefnir. Der junge drengr war nach England gefahren, er ist zuhause einen schlimmen Tod gestorben. Gott helfe ihren Seelen. Brúni und Sló.i [meißelten] diesen Stein. Täby kyrka (U 133) + ku@luk * lit … … … …a × sun * sin * auk * at * sik * sialfa * han * to * a lank*bar@a*l--ti * Gudlaug lét [reisa steina at Holm]a, son sinn, ok at sik sjalfa. Hann dó á Langbardal[an]di. Gu.laug ließ [diese Steine für Holmi errichten], ihren Sohn, und für sich selbst. Er starb in der Lombardia. Des Weiteren findet sich mindestens eine Inschrift, die ebenfalls in die Gruppe derer gezählt werden kann, welche der Errichter für sich selbst anfertigen ließ, worin aber die oben genannten Textteile fehlen. Dies ist die folgende mittelalterliche Inschrift: Tingvoll kirke (N 446) + ek : bi@ : firi : gu@rs : sakar : y@r : lær=@a : men=n : er ¶ uar@uæita : sta@ : @æn=na : ok : al=la : @a : er : ra@a : ku=n=nu ¶ bøn : mina : min=nick : sa=lo : min=na=r : i hælgum : bønom : en ¶ ek : et : gun=na=r : ok : gær@i : ek : hus : @æt=ta + ua=lete Ek bid fyrir Guds sakar ydr lærda menn, er vardveita stad penna, ok alla pá, er ráda kunnu bœn mína: minnizk sálu minnar í helgum bœnum. En ek hét Gunnarr, ok gerda ek hús petta. Valete! Ich bitte um Gottes Willen die gelehrten Männer, die dieser [heiligen] Stätte vorstehen, und all jene, die meine Bitte verstehen können: Erinnert euch meiner Seele in heiligen Gebeten. Und ich heiße Gunnarr und ich machte dieses Haus. Lebt wohl!298
298 Übersetzung: Karin Fjellhammer Seim, Runologie, 204.
208
Qualitativer Teil: Zusammenfassung und Diskussion
Dieser Inschriftentext zeichnet sich dadurch aus, dass zwar nicht die explizite Formulierung „für sich selbst“ gewählt wurde, das reflexive Pronomen jedoch – entgegen dem Großteil der anderen Inschriften – in der 1. Person steht. Dieses Merkmal findet sich runeninschriftlich nur noch ein weiteres Mal: Kärnbo ödekyrka (Sö 176) §A … …(n) * @ina| |aft * mik * sialbR * in aft kaiRulf * bru@ur min : uarb iak * hrauR §B hi(n)uslik(R) * hi(a)-- * an(a)-- * §C [u](l) * af-rai@u ÷ i[n h]uariaR * aiku (l)(o)kmu@rk(u) @riaR * bar(n) (s)(i)ak(s) * bas[t] * §A … [stei]n penna ept mik sjalfr, en ept Geirulf, bródur minn, varp ek hreyr. §B §C