Stand und Aufgabe der allgemeinen Sprachwissenschaft 9783111546094, 9783111177564


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German Pages 191 [196] Year 1954

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort
I. Kapitel Was ist Allgemeine Sprachwissenschaft?
II. Kapitel Was ist „Bedeutung"?
III. Kapitel Beziehungsmittèl und ihre Leistungen
IV. Kapitel Gliederung der Sprachwissenschaft
V. Kapitel Die Struktur der Sprachtypen
VI. Kapitel Wortlehre
VII. Kapitel Sprechakt und Spradiwandel
Verzeichnis der öfter erwähnten Schriften
SACHREGISTER
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Stand und Aufgabe der allgemeinen Sprachwissenschaft
 9783111546094, 9783111177564

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ERNST QTTO • STAND U N D AUFGABE DER ALLGEMEINEN SPRACHWISSENSCHAFT

ERNST OTTO

STAND UND AUFGABE DER

ALLGEMEINEN SPRACHWISSENSCHAFT

WALTER DE G R U Y T E R & CO. vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit & Comp. B E R L I N 1954

Alle Rechte, cinsdilicßlidi der Rechte der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, von der Verlagshandking vorbehalten. Archiv-Nr. 34 88 54 G E D R U C K T BEI O T T O V O N H O L T E N I N B E R L I N

I n h a l t I.

Kapitel

Was ist Allgemeine Sprachwissenschaft? A. Allgemeine und universal« Sprachwissenschaft B. Empirische und apriorische Sprachwissenschaft I. A. Marty 3. — II. E. Husserl 3. C. Kritische Stellungnahme II.

1 2 4

Kapitel

Was ist „Bedeutung"? A. Wort Vorstellung, Begriffsbedeutung und Sachvorstellung 9 I. Kategorematische und synkategorematische Ausdrücke 10. — II. Selbstbedeutende (autosemantische) und mitbedeutende (synsemantische) Ausdrücke 13. — III. Selbständige und unselbständige Bedeutungen 14. B. Lexikalische Begriffebedeutung und syntaktische Beziehungsbedeutung.. 16 I. Zusammenfassender Rückblick. Die Beziehung 16. — II. Vollwörter und Gliedwörter 17. — III. Irrtümer und die Praxis 19. III.

Kapitel

Beziehungsmittèl und ihre Leistungen A. Vier Arten von Beziehungsmitteln 2-2 I. Ihre systematische Ableitung 23. — II. Verfügt jede Sprache über alle Beziehungsmittel? 28. B. Die Leistungen der Beziehungsmittel 29 I. Innensyntaktische 29. — II. Außensyntaktische 29. — III. Die eigentliche Mitteilung 30. — IV. Stellungnahme zum Sachverhalt 30. C. Ergänzungen und Berichtigungen zu Zahl und Wesen der Wortart 52 I. Die Zahl der Wortarten 32. — II. Wesen und Quelle der Wortart 33. — III. Praktische Auswirkungen 36. IV.

A. B. C.

D. E. F. G.

Kapitel

Gliederung der Sprachwissenschaft Historischer Rückblick Das System der Grammatik Erläuterungen I. Sprachwissenschaft und Sprechwissenschaft 44. — II. „Satz"- und Wortlehre. F. de Saussure und seine Nachwirkungen: L. Bloomfield, L. Hjelmslev, K. Togeby, O. Funke 44. — III. Begriffsbedeutung und Stimmungsgehalt 51. — IV. Phonologie und Phonetik 51. Vergleichende und Allgemeine Sprachwissenschaft Gliederung der Syntax. Morphologie der Beziehungsmittel und ihre Leistungen Ausgang von der Lautform oder von den Beziehungen (Leistungen)? . . . . Der VI. Internationale Linguisten-Kongreß

38 41 44

52 55 57 60 V

V. Kapitel Die Struktur der Sprachtypen A. Die Problemlage B. Sprachtypen und Struktur I. Genealogische Klassifikationen. Fr. Müller: morphologische und genealogische Klassifikation, Raoul de la Grasserie, E. Sapir 67. — II. Haupttypen (F. N. Finck, E. Lewy) 71. — III. Ubergang zu Wesenstypen (F. N. Finck, W. Wundt — A. Marty) 76. C. Sprache und Geist I. Die mechanisch-gegenständliche Wirklichkeit 87. — II. Die biologische Wirklichkeit 87. — III. Die geistige Wirklichkeit 88. D. Typologie der Sprachen I. Gesichtspunkt der Intensität 90. — II. Qualitative Betrachtungsweise 91. E. Struktur und System

A.

B. C. D. E.

62 66

82 90 93

VI. Kapitel Wortlehre Klärung wichtiger Fachausdrücke 98 I. Name 98. — II. Bedeutung und Bedeuten 99. — III. Benennen und Nennen 100. — IV. Bezeichnen 101. — V. Bedeutung, Begriffsbedeutung und Sinn 101. Kontext' 101 Feldtheorien 104 Wendung zum apriorischen Grundgefüge 105 Die sprachlichen Grundlagen 107 I. Sprache und ihre „Vollendung" (Wilh. v. Humboldt) 107. — II. Gesetzlichkeiten (L. Weisgerber) 107. — III. Das „Richtige" (J. Trier) 111. — IV. Natur- und Kultursprachen 113. — V. Das Begriffssystem (R. Hallig und W. v. Wartburg) 114. VII. Kapitel Sprechakt und Spradiwandel

A. Der Sprechakt 123 I. Wirkung und Ablauf des Beziehungsbedeutens: Analogiebildungen (H. Paul) 123. Der Satz als Gliederung (W. Wundt, O. Niemeyer) 123. Determinierende Tendenzen (N. Ach) 127. Komplexergänzungen (O. Selz) 129. Schöpferische Kräfte 133. — II. Die Reproduktion der Begriffswörter 135: sprachliche Assoziationen 136. Begriffssphären 136. Gesprächslage 137. — III. Die Wortbildung: Bildung neuer Begriffswörter 138. Bildung der „Formen" 138. — IV. Die „Regel" 140. B. Der Sprachwandel 141 I. H. Paul: Lautwandel 142. Wandel der Begriffsbedeutung 143, der Beziehungsbedeutungen 143. Wortbildung 144. — II. W. Wundt: Lautwandel 145. Bedeutungswandel 146. Wortbildung 147. — III. S. Ullmann 149. — IV. Die Bedingungen 149. Die wirkenden Kräfte 154. Wirkung der Triebe 157. Wirkungen der geistigen Akte 158. — V. Tabu- und Sondersprachen 170. Rückblick 172. Verzeichnis der öfter erwähnten Schriften 176 Sachregister 180 VI

Vorwort Es ist eine anerkannte Tatsache, daß „die Krise der Grammatik" nicht erst seit den letzten Jahrzehnten, sondern seit Jahrhunderten anhält. Den Irrtümern und Widersprüchen zwischen Falschem und Richtigem wird man daher nur beikommen können, wenn man dem Für und Wider der Meinungen und ihrer Begründungen im Wandel der Zeiten nachgeht. Vollständigkeit ist dabei nicht möglich, nicht einmal nötig. Man wird also, trotz eigenen Widerstrebens, dazu gedrängt, den Wortlaut der Quellen aufzuzeigen, unter möglichst genauer Angabe der betreffenden Stellen, um so eine Nachprüfung und weitere Aussprache zu ermöglichen. Das ist allerdings eine recht leidige Angelegenheit, zumal in Berlin eine zureichende wissenschaftliche Bibliothek immer noch fehlt und man, abgesehen von den emporstrebenden Seminaren und Instituten der Freien Universität, wesentlich auf den Bücherverkehr mit dem Westen angewiesen ist, den die Universitätsbibliothek in vorbildlicher Weise versieht; Da meine sprachlichen Arbeiten — die „Grundlegung", zwei Abhandlungen der Präger Akademie und die „Grundlinien der deutschen Satzlehre" :— seit langem vergriffen sind, ein Restbestand schließlich den Kriegswirren zum Opfer gefallen ist, glaubte ich, statt der einen oder der anderen Neuauflage besser eine Überarbeitung und wesentliche Erweiterung meiner Forschungen hiermit bieten zu sollen. Nach wie vor wird die Linguistik als empirische Wissenschaft behandelt, d.h. es wird grundsätzlich von den Einzelsprachen bzw. den bereits vorliegenden Einsichten ausgegangen, nicht von einer Idee, und zwar in erster Linie vom Indogermanischen; aber auch von den nichtindogermanischen Sprachen, um jeglicher Einseitigkeit vorzubeugen. Methodologisch knüpfe ich überdies an die vom jüngeren Jac. Grimm (R. Rask und Fr. Bopp) begründete Tradition an, aber auch an die von Wilh. v. Humboldt gewiesene Richtung, unter weitgehender Berücksichtigung der vom Auslände beigesteuerten Erkenntnisse und Betrachtungsweisen. Das Hauptanliegen dieser Schrift betrifft die G r u n d f r a g e n der S a t z l e h r e und der W o r t l e h r e , die schon auf den beiden letzten Internationalen Linguistenkongressen (1948 und 1952) in den Vordergrund der Vollsitzungen und Aussprachen getreten sind; die Lautlehre ist nur gelegentlich gestreift. Da jedes einzelne Problem der Allgemeinen Sprachwissenschaft mit allen anderen eng verquickt ist, gehe ich von der Fragestellung nach dem Sinn und den Hauptproblemen der Allgemeinen

VII

Grammatik aus und versuche, in immer weiter gezogenen Kreisen die nächstliegenden Probleme einer Lösung zuzuführen. Wenn also zuerst die S γ η t a χ im Blickpunkt des Interesses steht, sollen verwandte Fragen der S e m a s i o l o g i e nicht beiseite geschoben und natürliche Zusammenhänge nicht zerrissen werden — und umgekehrt. Es kommt also beidemal auf die Akzentverteilung an. Dabei drängt sich manche Frage vor, deren mögliche Lösung bei dem derzeitigen Stand der Linguistik nur angedeutet werden kann und mithin einer späteren Forschung als Aufgabe gestellt bleibt. Das Ziel der Arbeit ist zunächst die systematische Aufhellung der allgemein sprachlichen Probleme, darüber aber hinaus eine Klärung unseres Kulturbewußtseins sowie der Völker verbindenden Aufgabe unserer Zeit auf Grund der an der menschlichen Sprache gewonnenen objektiven Einsichten in das kategoriale Grundgefüge unseres Seins und Daseins; in sachlich schlichter Sprache unter möglichster Vermeidung neuer Terminologien. Nur die Abgrenzung der (lexikalischen) Begriffsbedeutung von der (syntaktischen) „Beziehungsbedeutung", statt des vieldeutigen Ausdrucks „Funktion", konnte nicht umgangen werden, zumal sich die Fachausdrücke „Beziehungsbedeutung" wie auch „Beziehungsmittel" schon in neueren Grammatiken eine gesicherte Heimat erobert haben. In einem Anhang sind die häufiger wiederkehrenden Schriftwerke verzeichnet, wobei die fettgedruckten Teile der Titel im Text verwendet und in Anführungsstriche gesetzt sind. Schließlich möchte ich nicht verfehlen, Herrn cand. phil. Gerhard Haselbach meinen aufrichtigen Dank für wesentliche Hilfe bei der Aufstellung des Sachverzeichnisses sowie bei der Durchsicht der Korrekturbogen auszusprechen. Berlin-Dahlem, im August 1953 E. Otto

VIII

I Was

ist

Allgemeine

Sprachwissenschaft?

Seit dem erstmaligen Erscheinen der Grammaire générale et raisonnée (auch Grammaire de Port Royal genannt) im Jahre 1660, Nouvelle édition, Paris 1756, ist die Frage einer Allgemeinen Grammatik immer drängender geworden. Die Verfasser L a n c e l o t u n d A r n a u d suchen „les raisons de plusieurs choses qui sont ou communes à toutes les langues, ou particulières à quelques-unes". Sie erklären in der Vorrede, daß es in der Welt nur eine Grammatik für alle Sprachen gibt, weil es nur eine Logik für alle Menschen gibt. Die Einzelsprachen sollen in diesem Rahmen ihre besondere Eigenheit haben. In J o h. S e v. V a t e r s «Auszügen aus zeitgenössischen Autoren" (J. G. Meyer, J. G. C. Neide) wird bald von der Grammatica universalis, bald von Allgemeiner Sprachkunde (Ignatz Mertian) gesprochen; die Bezeichnung philosophische Grammatik wird abgelehnt. K. C h r . F. K r a u s e sagt „Wesensprache", die in eine „Laut-" und in eine „Gestaltwesensprache" zerfällt. Daneben taucht auch die Bezeichnung „Allgemeine Sprachwissenschaft" auf. A. Es ist kaum beachtet worden, daß ebenso H e i n r . P e s t a l o z z i Entscheidendes zu diesem Thema gesagt hat. Er spricht auch von dem „Wesen" der Grundformen jeder Sprache. Diese vereinfachenden Grundformen drücken sich in der Muttersprache aus „als in ihnen selbst liegend und durch die Erfahrung in ihnen selber begründet"; — wie sich doch auch die Sprachkraft nach ewigen Gesetzen entfaltet. Im „Schwanengesang" wie in der „Skizze" zur „Langenthaler Rede" kommt Pestalozzi auf die Idee der „schon so lange gesuchten Allgemeinen Sprachlehre" zurück, auf die „ewigen und in ihrem Wesen unveränderlichen Grundteile aller Sprachen", und wiederum auf das „geistige Wesen" bzw. das „innere Wesen aller Sprachen in dem Dasein ihrer ewigen unveränderlichen Hauptteile". Auch K. F. B e c k e r spricht von einer Allgemeinen Grammatik: „Da die gesprochene Sprache ein organisches Erzeugnis der menschlichen Natur ist, und das ganze Menschengeschlecht nur Eine natürliche Gattung ausmacht; so sind die Grundverhältnisse aller Sprachen auf der logischen sowohl als auf der phonetischen Seite dieselben. Diese allen Sprachen gemeinsamen Grundverhältnisse aus der Idee der Sprache als eines organischen Erzeugnisses der menschlichen Natur zu entwickeln und durch eine vergleichende Zusammenstellung der verschiedenen 1 Otto, Sprachwissenschaft

1

Sprachen nachzuweisen, ist die Aufgabe der A l l g e m e i n e n G r a m matik." A u g . S c h l e i c h e r stellt entsprechend fest, daß „die Sprachen ganzer Teile der Erde, bei aller Verschiedenheit, doch einen übereinstimmenden Charakter zeigen, etwa wie die Floren und Faunen ganzer Erdstriche". Im weiteren Sinne, definiert M i c h e l B r é a l : „La Grammaire générale se propose de montrer le rapport qui existe entre les opérations de notre esprit et les formes du langage." Hinsichtlich der von J. S. Vater erwähnten Grammatica universalis möchte ich schließlich bemerken, daß auf dem VI. Internationalen Linguisten-Kongreß (1948) zwischen „universal" und „allgemein" unterschieden wurde. So erklärte L. H j e l m s l e v : „Un fait linguistique est g é n é r a l s'il est réalisé dans toute langue où les conditions sont les mêmes." Er fügte aber hinzu: „Dans le cas où un fait grammatical se réalise dans toutes les conditions, sans aucune restriction on peut l'appeler u n i v e r s e l . " Ich möchte dagegen annehmen, daß die Bezeichnung „universal", bei aller Gründlichkeit, auf das U m f a s s e n d e , den U m f a n g , die W e i t e geht (vgl. Universum, Universität, Universalsprache etc.); „allgemein" aber auf das G e s e t z l i c h - N o t w e n d i g e , wenn man will: auf das Wesentliche. So auch G. v. d. G a b e 1 e η t ζ und Α. F. Β e r η h a r d i. Und darum handelt es sich hier. Ja, nach A. F. P o t t will „das allgemeine Sprachstudium" die Sprache i m A l l g e m e i n e n ergründen und will nicht „alle Sprachen umfassen"; auch nicht bloß das Allgemeine, sondern ebenso das Abweichende und seine Beziehungen zu dem Systematisch-Allgemeinen betrachten. Desgleichen A. R e i c h 1 i η g. O t t o F u n k e versteht unter „Universal-Grammatik" den Gedanken „einer allen Sprachen zugrundeliegenden gemeinsamen geistigen Struktur", spricht dann aber auch mit Recht von einer universellen künstlichen Sprache1. B. Es leuchtet ein, daß ein Jac. Grimm, namentlich in seinen jüngeren Jahren, für eine „philosophische Behandlungsart der Grammatik", und zwar nach dem Stande der damaligen Philosophie (und Psychologie) 1 Joh. Sev. Vater, „Übersicht", S. 129 ff., 149 ff., 267 ff.; — K. Chr. F. Krause, „Vorlesungen", S. 246, 249; — Heinr. Pestalozzi, hersg. von L.W. Seyffarth, Liegnitz 1899ff., 12. Band, S. 313, 323, 331 ff., 336, 522ff. ; — K. F. Becker, „Ausführliche deutsche Grammatik" (l.Aufl.), Erste Abtig., S. 5 ; — Aug. Schleicher, über die Bedeutung d. Sprache f. d. Naturgeschichte des Menschen, Weimar 1865, S. 25; — Michel Bréal, „Les idées latentes"; — L. Hjelmslev, „Actes" VI, p. 419; — G. v. d. Gabelentz, „Sprachwissenschaft", S. 481; — A. F. Bernhardi, „Sprachlehre", S. 64 f.; — A. F. Pott, Wilh. v. Humboldt und die Sprachwissenschaft I (1880), S. CCLXXVI; — A. Reichling, What is General Linguistics? Lingua I (1948), p. 8, 18; — Otto Funke, Sprachphilosophie und Grammatik, Studia Neophilologica XV, 1—2.

2

nur ein geringes Verständnis haben konnte. Inzwischen haben sich jedoch unsere philosophischen und psychologischen Einsichten wesentlich geändert. Es kann daher eine weitere Klärung des angeschnittenen Problems von der Auseinandersetzung zwischen Husserl und Marty mit gewisser Berechtigung erwartet werden; der erstere ein Philosoph, der letztere ein Psychologe, beide aus der Schule Franz Brentanos. Anton Marty hatte in seinem Hauptwerk, „Untersuchungen" I (Halle 1908), die Logischen Untersuchungen Husserls (II, 1 Halle 1901) einer kritischen Würdigung unterzogen, worauf Husserl in der 2. Auflage (1913) geantwortet hatte. I. Hören wir zunächst A n t o n M a r t y . Als Schüler Brentanos vertritt er eine Psychologie vom empirischen Standpunkt. Er erklärt: 1) Uber die Allgemeine Grammatik „kann nur die Erfahrung Aufschluß geben" („Untersuchungen" I, S. 58); also Empirismus. 2) Als Psychologe vertritt Marty mit H. Steinthal die Ansicht: Die Sprache ist „durchaus n i c h t l o g i s c h e n Charakters, als ob sie methodisch und nach vorbedachtem Plane und System geschaffen wäre". Im Gegenteil: Die Sprachbildung erfolge „ u n b e w u ß t und unbeabsichtigt", „nicht unwillkürlich und wahllos, wohl aber unsystematisch und planlos"*. 3) Also ist „die Sprache nicht wesenseins mit dem Denken". Es besteht „kein strenger und verläßlicher Parallelismus" zwischen Sprache und Denken („Gesammelte Schriften" II, 2, S. 60). Darauf ist später zurückzukommen. 4) Schließlich bestimmt Marty treffend als Aufgabe der Allgemeinen Grammatik: Sie hat vor allem „die allgemeinen Grundlinien und Eigentümlichkeiten des in aller menschlichen Sprache Auszudrückenden oder dessen überall übereinstimmende Kategorien zu beschreiben" („Untersuchungen" I, S. 58). 5) Diese Aufgabe ist methodisch „nicht a priori" zu leisten (ebenda). Wo Marty von „Sprachphilosophie" handelt, erklärt er, daß sie ein Teil der Sprachwissenschaft sei. „ Z u r S p r a c h p h i l o s o p h i e g e h ö r e n a l l e d i e j e n i g e n auf das A l l g e m e i n e u n d Gesetzmäßige gerichteten Fragen der Sprachwissens c h a f t , w e l c h e p s y c h o l o g i s c h e r N a t u r s i n d oder nicht ohne v o r n e h m l i c h e Hilfe der P s y c h o l o g i e gelöst w e r d e n können"3. II. Wesentlich anders E d m u n d H u s s e r l . Er betont wiederholt („Log. Unt." II, 1 S. 336 ff.), im Sinne Kants, daß es von größter Wichtigkeit sei, „Apriorisches und Empirisches scharf zu sondern". Er wendet * „Gesammelte Schriften" II, 2 1920, S. 62; — „Untersuchungen" I, S. 629. * „Psyche und Spradistruktur", S. 83; — vgl. „Untersuchungen" I, S. 4 ff. und S. 19.

1*

3

sich ausdrücklich gegen Martys Auffassung, daß selbst die logisch-grammatischen Erkenntnisse „ihre natürliche Heimat in der Sprachpsychologie" hätten. Er gesteht zu, daß die „obere" Sphäre des Logischen, die auf die „formale Wahrheit" gerichtet ist, „für die Grammatik sicherlich gleichgültig" sei. „Nicht so das Logische überhaupt." Im besonderen unterscheidet Husserl: a.Die a p r i o r i s c h e Grammatik. Wie sich in der Logik das Apriorische vom Empirisch-Praktischen sondert,, ebenso sondert sich auch „in der grammatischen Sphäre das sozusagen ,rein' Grammatische, d. h. eben das Apriorische" vom Empirischen. Für dieses Apriorische sagt Husserl auch, in Anlehnung an Wilh. v. Humboldt, die „idealische Form" der Sprache. Während das Empirische teils „durch die allgemeinen und doch nur faktischen Züge der Menschennatur bestimmt" sei, „teils auch durch die zufälligen Besonderungen der Rasse", des Volkes, des Individuums, sei das Apriorische aber mindestens in seinen primitiven Gestaltungen „selbstverständlich". Diese „apriorischen Fundamente" der Sprache seien ein „ideales Gerüst", das jede Einzelsprache „in verschiedener Weise mit empirischem Material ausfüllt und umkleidet". Man muß, nach Husserl, dieses ideale Gerüst, nach Marty im Sinne einer „Vorlage", „vor Augen haben, um sinnvoll fragen zu können: Wie drückt das Deutsche, das Lateinische, das Chinesische usw. ,den' Existenzialsatz, ,den' kategorischen Satz, ,den' hypothetischen Vordersatz, ,den' Plural, ,die' Modalitäten des .möglich' und .wahrscheinlich', das .nicht' usw. aus?" So werden die vorwissenschaftlichen, empirisch getrübten Vorstellungen überwunden, die uns die historische, etwa lateinische Grammatik an die Hand geben. Dabei ist unter dem „idealen" Gerüst (der „idealischen Form") der menschlichen Sprache nicht etwa ein Durchschnittstypus zu verstehen, sondern zunächst einmal ein Wesenstyp, eine spezifische Kategorie. So möchte ich denn sagen: Allgemeine Sprachwissenschaft schließt eine besondere Stellungnahme zu linguistischen Problemen in sich, aus einer grundsätzlichen Haltung. Mit seiner „reinlogischen" (wie Husserl statt „rein" in der 2. Aufl. sagt) oder „philosophischen" Grammatik knüpft Husserl an die bereits erwähnte Grammaire générale et raisonnée an. b. Die „ u n i v e r s e l l e * Grammatik im weitesten Sinne. Sie zieht, über die apriorische Sphäre hinaus, das „allgemein Menschliche" im empirischen Sinne heran. Diese konkrete, „empirisch-allgemeine" Wissenschaft hat ihren theoretischen Standpunkt „bald in empirischen, bald in apriorischen Wissenschaften". Damit schlägt Husserl ausdrücklich eine Brücke zu Martys Untersuchungen. C. Dazu wäre zu bemerken: In Übereinstimmung mit Franz Brentano betont M a r t y immer den 4

empirisch-psychologischen Charakter seiner Untersuchungen, verwahrt sich aber mit Redit gegen den von Adickes erhobenen Vorwurf des (abwertenden) Psydiologismus1. Man würde der Eigenart der von Brentano und seinen Schülern vertretenen deskriptiven Psychologie in keiner Weise gerecht werden, wenn man diese empirische Psychologie gleichsetzen wollte mit der naturwissenschaftlichen oder der erklärenden Psychologie, wie sie auch von Dilthey abgelehnt ist5. Mit gutem Grund stellt Marty der Allgemeinen Grammatik die Aufgabe, das in aller menschlichen Sprache „ A u s z u d r ü c k e n d e " zunächst einmal zu beschreiben. Ich nehme diese Bezeichnung Martys auf, um sie zweckmäßig im Sinne der im III. Kapitel folgenden Darlegungen zu gebrauchen. Unter dem „Auszudrückenden" kann man die „Leistungen" meinen, die grundsätzlich von jeder Sprache zu erfüllen sind, insofern Sprache der Beeinflussung fremden Seelenlebens, der Mitteilung bzw. der Verständigung dient, z. B. durch Kennzeichnung innensyntaktischer Beziehungen, überdies gehören zur Allgemeinen Grammatik auch die „allgemeinen Grundlinien" des s p r a c h l i c h A u s g e d r ü c k t e n , welche diese Leistungen vollbringen, auf dem Gebiete der Flexion z. B. die sprachlich ausgeprägten Kategorien der Kasus, der Numeri, der Tempora etc. Die ersteren Kategorien (der auszudrückenden Leistungen) könnte man „die philosophischen" nennen oder auch „die apriorischen", insofern sie an der Erfahrung eingesehen werden und notwendig sind. Die letzteren Kategorien (des sprachlich Ausgedrückten) können „empirische" heißen, insofern sie allerdings von Sprache zu Sprache wechseln, aber doch auch auf „allgemeine Grundlinien und Eigentümlichkeiten" der menschlichen Sprache zurückgehen. Soweit ihre Art und Zahl wesentlich bestimmt und umgrenzt ist, könnte man diese allgemeinen sprachlichen Bildungen „fundamental" nennen, z. B. die fundamentalen Wortarten, die gegebenenfalls als Wiedergabe der angeschauten bzw. vorgestellten Wirklichkeit durch Gegenstands-, Eigenschaftswörter etc. die angemessenen („idealen") Sprachmittel sein können. Diese und die apriorischen Kategorien bilden zusammen das „ideale Gerüst" der Sprache, im angegebenen Sinne. Es umfaßt auch, und zwar auf s e m a s i o l o g i s c h e m Gebiete, die Grundstrukturen der B e g r i f f s b e d e u t u n g e n , d. h. die umfassenden Sinnfelder als Rahmen historisch-empirischer Wortbedeutungen. S. das VI. und VII. Kapitel. Und wie steht es mit der g e n e t i s c h e n Frage nach dem W a n d e l der Sprache, der „Bedeutungen" und des Lautkörpers? Vollzieht sich * A. Marty, „Untersuchungen" I, S. 11 ¡ — vgl. dazu Alfr. Kastils letzten Aufsatz i. d. Ztschr. f. Philos. Forsdi. V (1951), S. 402 ff.: Ablehnung des „Psydiologismus" wie auch des „verstiegenen Apriorismus". 5 Vgl. dazu: Anton Marty, „Untersuchungen" I, S. 11 sowie „Gesammelte Schriften" II, 2 S. 57 ff., sowie S. 133 ff. (Auseinandersetzung mit K.Voßler).

5

dieser Wandel in einer bestimmten Richtung? Gibt es a u d i »allgemeine" Eigentümlichkeiten des Wandels? Welches sind die bewegenden Kräfte? Alle diese Probleme rufen nach einer angemessenen Klärung. Man könnte wohl geneigt sein, die auf das Allgemeine u n d Gesetzmäßige gerichtete Forschung auch den Sprachwissenschaftlern zuzugestehen und sie nidit nur den Sprachphilosophen vorzubehalten. Sonst würde die Linguistik (als Wissenschaft) in der Erforschung v o n Einzeltatsachen stecken bleiben und veröden. Haben sich dodi vorwiegend Sprachwissenschaftler und gerade die Junggrammatiker mit der Frage befaßt: Gibt es Lautgesetze? So auch Ed. Wechssler in der Festgabe für H. Suchier, Halle 1900. In Anlehnung an Marty („Untersuchungen" I, S. 5) möchte ich dann sagen, der Sprachwissenschaftler arbeitet .philosophisch", sofern seine Forschung auf d a s Allgemeine und Gesetzmäßige gerichtet ist. Vgl. dazu unten S. 52 ff. Das widerspräche audi nicht Th. Litt, Denken und Sein (Stuttgart 1948, S. 166 ff.). Z u H u s s e r l s Ausführungen w ä r e zu sagen, daß ich nach der obigen Unterscheidung zwischen „universal" und „allgemein" (s. o. S. 2) die Bezeichnung „universelle Grammatik" (auf das „Allgemein-Menschliche" gehend) nicht gelten lassen kann: Sie ist mehr aus Humboldts Zeitalter geboren und für die damalige Vergleichende Sprachwissenschaft passend, für die ja die W e i t e der Blickrichtung charakteristisch war. E. Husserl sondert, wie erwähnt, in der „grammatischen Sphäre" das Apriorische von dem Empirischen, dem allgemein Menschlichen. In ersterer Hinsicht spricht er vom rein Grammatischen, von der idealischen Form der Sprache, von der philosophischen, der reinlogischen Grammatik, welche die Voraussetzungen oder Fundamente behandelt, die für alle Sprachen gleichmäßig in Betracht kommen. Das ist das Logische der Sprache, das Apriori der „Bedeutungsform". Die oben (S. 4) erwähnten Beispiele der apriorischen Grundformen liegen aber nicht auf einer Ebene. Dahin gehören wohl der Existenzialsatz wie der kategoriale Satz, die modalen Sätze etc., nicht aber „der Plural", das „nicht". Denn diese sind bereits sprachlich-empirisch geprägt. Husserl sagt auch an anderer Stelle (auf S. 339) richtiger: die Pluralität, die Negation. Es ist demnach zu unterscheiden das „Auszudrückende" als aufgegebene Leistung der Sprache einerseits und die Grundlinien des in einer konkreten Sprache bereits Ausgedrückten andererseits'. Denn „der" (reinlogische) Existenzialsatz, „der" kategoriale Satz etc. sind an sich logische Fiktionen; sie können ohne sprachliche Formulierung weder vorgestellt noch ausgesprodien werden. W e n n sie aber formuliert sind, z. B. • Husserls Unterscheidung von Unsinn, z. B. ein rundes Viereck, und Widersinn (Absurdität), z.B. ein Mensch und ist läuft auf die Unterscheidung von gedanklich-logischen und sprachlich-grammatischen Unverträglichkeiten hinaus. 6

in unserer Muttersprache: Der Mensch ist sterblich, so sind sie empirische Gebilde einer konkreten Einzelsprache. Da das apriorische und unveränderliche Gerüst der Sprache nicht real ist, sollte man statt ideal wohl besser „ideell" sagen. Ob aber die e m p i r i s c h e n E i n z e l s p r a c h e n in ihrem Wandel der „Vollendung", einem Ideal, dem ,.Editen" zustreben, das ist ein großes Problem, das noch zu erhellen ist. Schließlich sei bemerkt, daß Husserls Beispiele etwas einseitig vom logisch-formalen Gesichtspunkt gewählt sind: Bis auf einen Fall (die Pluralität) sind sie alle „Beziehungsformen" des Prädikats auf das Subjekt (bejahende, verneinende, kategorische usw. Urteile), was wir später, vom linguistischen Standpunkt, „Stellungnahmen zum Satzgedanken" nennen werden. Es wird sich herausstellen, daß es noch andere Leistungen gibt, die ein „Satz" (die Rede) notwendig erfüllen muß. Es bleibe vorläufig dahingestellt, ob der Kreis der Grundformen syntaktischer Art. auch im Hinblick auf semasiologische Gesichtspunkte zu erweitern ist (s. u. das VI. und VII. Kapitel). Es sei hier hinzugefügt, daß Husserl von der objektiven, idealen „Bedeutungseinheit" sagt, daß sie „ist, was sie ist, ob sie jemand im Denken aktualisieren mag oder nicht". Damit — und mit ähnlichen Aussprüchen — wird sein grundsätzlicher Standpunkt gekennzeichnet. Diesem metaphysischen Idealismus kann ich jedoch nicht folgen. Insofern aber Husserl die apriorischen Grundlagen der „Allgemeinen Grammatik" betont, die „apriorischen Fundamente" der Sprache, darf nicht übersehen werden, daß die empirische Erkenntnis keineswegs alle Möglichkeiten wahrer Erkenntnis ausschöpft. Denn, mit Kant gesprochen, wenn auch „alle unsere Erkenntnis m i t der Erfahrung anhebt, so entspringt sie darum doch nicht eben alle a u s der Erfahrung". Gibt es doch neben der Erfahrung noch eine andere Quelle bzw. Bedingung, die uns die Gültigkeit objektiver Wahrheit verbürgt. Diese mögliche Begründung objektiver Allgemeinheit und Notwendigkeit (der Allgemeinen Grammatik) beruht auf der grundsätzlichen Gleichgerichtetheit subjektiver Erkenntnis- (Bewußtseins-) und objektiver Seinskategorien, wie man in Anlehnung an Kants Erörterungen über den obersten Grundsatz aller synthetischen Urteile mit der modernen Ontologie sagen könnte. Wilh. v. Humboldt, auf den Husserl (a.a.O. S. 342) anerkennend hinweist, drückt diesen Tatbestand so aus: „Jedes Begreifen einer Sache setzt, als Bedingung seiner Möglichkeit, in dem Begreifenden schon ein Analogon des nachher wirklich Begriffenen voraus, eine vorhergängige, ursprüngliche Ubereinstimmung zwischen dem Subjekt und Objekt", d. h. „die vollständige Durchschauung des Besonderen" setzt immer die „Kenntnis des Allgemeinen" voraus, unter dem es begriffen wird. Das Begreifen „besteht allemal in der Anwendung eines früher vorhandenen Allgemeinen 7

auf ein neues Besondres". Ähnlich hat sich F r i t z S t r o h ausgesprochen 7 . Auf das Verhältnis von Allgemeiner und Vergleichender Sprachwissenschaft (Sprachvergleichung) ist unten im Kapitel über die Gliederung der Sprachwissenschaft zurückzukommen. Wenn in sprachwissenschaftlichen Werken öfters behauptet wird, daß die Ableitung einer Regel auf i n d u k t i v e m Wege erfolgt, so kann man mit dem Ausdruck.„Induktion" nicht vorsichtig genug umgehen. Denn die Einsicht in das Wesen einer sprachlichen Erscheinung geschieht, wissenschaftlich oder schulisch, immer an einigen oder auch nur an einem einzigen typischen Fall. Mag man diese phänomenologische Klärung durch intuitive Wesensschau nun „ide'ierende Abstraktion" mit Husserl nennen oder nicht, es kommt weniger auf den Namen als auf die Sache an. Und dieses Schauen auf den Kern der Dinge hat im Grunde jeder ernste Wissenschaftler gemeint und geübt. 7 W. v. Humboldt, Uber die Aufgabe des Geschiditschreibers (1821), .Gesammelte Schriften" IV, S. 46 ff. ; — Fritz Stroh, Das Volk und seine Sprache, Deutsche Volkserziehung, Frankfurt (Main) 1939, S. 1: .Diese Ordnung der Erscheinungen durch unsere Sprache kommt nicht allein von den .Dingen' her. Sie wird ja vielmehr von den ordnenden Menschen, von den ausgliedernden völkischea Sprachgemeinschaften gestiftet."

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II Was ist

„Bedeutung"?

Die systematische Durchforschung der Grammatik setzt eine klare Sonderung von Wortlehre und Satzlehre voraus. Sie ist durch die Vermischung von lexikalischer Begriffsbedeutung und syntaktischer Beziehungsbedeutung immer wieder hintangehalten worden. A. J o h n L o c k e erklärt zu Anfang des 2. Kap. des 3. Buches: "The use then of words is to be sensible marks of ideas (Vorstellungen) ; and the ideas they stand for are their proper and immediate signification" (Works, London 1801, 1824). Was ist aber „signification"? Um daher zu klären, was alles dieser Fachausdruck besagen kann, fragen wir zunächst einen Sprachwissenschaftler und sodann einen Psychologen. Nach F e r d. d e S a u s s u r e , „Cours", p. 98 f., 144, eint das sprachliche Zeichen einen Begriff (concept oder besser: signifié) und ein sprachliches Bild (image acoustique oder besser: signifiant). Das ist etwas mager. Vgl. z. B. die Kritik R. H. Robins, Ancient and Mediaeval Grammatical Theory in Europe, London 1951, p. 82 f., Anm. W i l h e l m W u n d t , „Die Sprache" I, S.568ff., unterscheidet an der Wortvorstellung drei zusammengesetzte Komponenten: den akustischmotorischen Lautkörper (a m), die optische Komponente nebst Schreibbewegung (o m t ) und die objektive Sachvorstellung nebst Gefühlston (v g). Es fehlen unter anderem die Gesichtswahrnehmung der vom Munde abgelesenen Sprechbewegung und die Tastwahrnehmungen der Taubstummenschrift. Beschränken wir uns aber auf die Bedeutungskomponente. Die Sachvorstellung (v) ist nicht gleichbedeutend mit der Begriffsbedeutung. Sie kann beim geläufigen Sprechen und Lesen fehlen. Experimentelle Untersuchungen haben erwiesen, daß ein Bedeutungsverständnis von Sätzen und Worten ohne anschauliche Repräsentation sachlicher Inhalte möglich ist. Solch Gegenwärtigsein eines unanschaulich gegebenen Wissens ist von Marbe als „Bewußtseinslage", von N. Ach als „Bewußtheit", von Messer als „Sphärenbewußtheit", von B. Erdmann als „unbewußt erregte Bedeutungsinhalte", von Karl Bühler als „Platzbestimmtheit" innerhalb einer gewissen Ordnung bezeichnet worden. Genauere Angaben finden sich in meiner „Grundlegung" S. 39ff. In der letzteren Definition klingt schon ein Zusammenhang an, der von späteren Linguisten als Feldtheorie tiefer begründet ist. 9

Es ist also zu unterscheiden: eine sachlich-objektive Vorstellungskomponente und die Begriffsbedeutung. Die erstere, die Sachvorstellung, ist von H u s s e r l als bedeutungserfüll ender Akt bezeichnet worden; er ist als illustrierende Anschauung für das Satz- und Wortverständnis äußerwesentlich. Dagegen sind die bedeutungsverleihenden Akte für das sinnbelebte Wort wesentlich. Von der Begriffsbedeutung dieser Akte ist noch der Gefühlston zu sondern, der von Gruppe zu Gruppe, auch von Individuum zu Individuum verschieden sein kann, ζ. B. Volksdemokratie. Mit dieser Unterscheidung von Begriffsbedeütung (bedeutungsverleihenden Akten) und Gefühlston ist es sicherlich nicht getan. Weitere Klärung über das, was „Bedeutung" heißen kann, wird ein kurzer g e s c h i c h t l i c h e r R ü c k b l i c k gewähren. Vgl. außerdem unten: Kap. IV („Gliederung der Sprachwissenschaft"). I. A r i s t o t e l e s unterscheidet, ζ.B. zu Beginn des Organon, ohne scharf zwischen- Wortart und Satzteil zu sondern: 1. onoma und rhema, d.h. Nomen und Verbum. Diese beiden sind allein Ausdrücke, die konventionell etwas bedeuten, etwas zu verstehen geben; 2. die syndesmoi, die Verbindungsmittel: Pronomen, Präposition und Konjunktion. Hier liegt das große Problem, das uns am Herzen liegt. Diese Einteilung geht durch die Jahrhunderte bis in unsere Zeit. J. Vendryes, „Langage", p. 158, unterscheidet ähnlich: 1. Noms et verbes: les éléments vivants, und 2. Outils grammaticaux: prépositions, conjonctions, articles ou pronoms. Gelegentlich (in der Poetik) weist Aristoteles auch auf das arthron, das Gelenk, hin: Artikel (und Pronomen). Auch die späteren A r i s t o t e l i k e r gehen vom Satz aus und unterscheiden: 1. kategorematische Ausdrücke,· diese können als Subjekt bzw. Prädikat einer Aussage stehen, 2. synkategorematische Ausdrücke; sie bedeuten nur in Verbindung mit anderen. Was besagt nun synkategorematischer Ausdruck? Ich greife eine Reihe geschichtlicher Beispiele heraus: Nach der Lehre der S t o a besteht das vollständige einfache Urteil aus Nomen (Substantivum nebst Adjektivum) und Verbum. Das lekton (das „Ausgesprochene"), die Bedeutung, ist (psychologisch) ein Mittleres zwischen Ding und Gedanken1. Seine Existenzweise ist bei den Stoikern 1 Die Unterscheidung von dem „Bezeichneten" und dem „Bezeichnenden* geht bis auf die Stoa zurück. Die Worte bedeuten die im Gedächtnis aufgesparten Allgemeinbilder des Wahrgenommenen, so daß das früher Wahrgenommene durch die Sprache wieder hervorgerufen werden kann. Vgl. F. Man they, „Sprachphilosophie", S. 168,188 f. Im Mittelalter ist der sprachliche Ausdruck nie auf einen Gegenstand als solchen bezogen, sondern nur auf den in der species

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sehr umstritten. Nach dem scharfen Urteil Carl Prantls („Geschichte der Logik" I, S. 415, 136) geht „die erbärmliche Behandlungsweise der Grammatik" auf die Stoa zurück. Ja, Prantl spricht von dem „Blödsinn der stoischen Philosophie". A b a e l a r d (Dialéctica I) nennt die Postprädikamente Nomen und Verbum als Bestandteile des Urteils. Er wirft die uns vor allem interessierende Frage auf, ob die Präpositionen und Konjunktionen Redeteile seien. Auch die S c h u l e d e s P s e l l o s bringt keine Klärung über das Wesen der Synkategorematika. Ich nenne als bedeutsame Vertreter dieser Richtung: Michael Psellos (ll.Jahrh.), W. Shyreswood (Anf. d. 13. Jahrh.), der auf Psellos zurückgeht, und Petrus Hispanus (als Papst Johann XXI., 1277 gest.), ein Schüler Shyreswoods in Paris. In der Lehre vom Urteil unterscheiden die genannten Scholastiker, mit Aristoteles und Priscianus, zwei Redeteile, Nomen und Verbum; die übrigen Teile heißen „Synkategoreumata". Nach C. Ρ r a η 11, „Geschichte der Logik" III, S. 12: „... logica duas tantum ponit partes orationis, scilicet nomen et verbum¡ ceteras autem partes appellat sincategoreumata." Das Synkategoreuma definiert Shyreswood: „Semper enim cum aliquo iungitur in sermone" (Prantl, a.a.O., S. 20). Als Synkategoreumata werden, abgesehen von den obliquen Kasus, besonders genannt: omnis, totus, infinitus, quaiislibet, quantuslibet, uleique, nullus, neuter, praeter, solus, tarnen, non, necessario, contingenter, desinit sowie die Konjunktionen nisi, quin, et, vel, an, ne und sive. Heftige Kontroversen haben dazu ausgelöst besonders est, incipit und si, auch omnis! Es fehlt das angemessene momentum divisionis. Nach M. Heidegger unterscheidet D u n s S c o t u s hinsichtlich der constructio (des Bedeutungszusammenhanges im Satze) vier Arten von Prinzipien: principium materiale, formale, efficiens und finale. Zum principium efficiens constructionis bemerkt er, daß die Bedeutungskategorien, die modi significandi, die Funktion haben, die Abhängigkeit, d. h. die Verknüpfungsmöglichkeit der Bedeutungen zu bestimmen. Sie bereiten gleichsam die constructio vor und bringen die „Bausteine" in Formen. Es fragt sich, inwiefern hier die Begriffsbedeutung (der Präpositionen!) von der syntaktischen Beziehungsbedeutung abgesetzt ist. Gelegentlich unterscheidet Duns Scotus zwischen dem, was das Wort (dictio) bedeutet (significai) und dem, was es mitbedeutet (consignificat) : „Intellectus . . . d u p l i c e m r a t i o n e m (Sinn) ei (voci) tribuit, scilicet rationem significandi, quae vocatur s i g n i f i c a t i o , per quam efficitur signum vel intelligibilis gegebenen Gegenstand. Die modi significandi nehmen von der realen Naturwirklichkeit nur ihren „Ursprung". So erklärt es sich, daß désigné ( < designatum = bezeichneter Gegenstand) schon in scholastischer Zeit als „Bedeutung" fungieren konnte, wie ja auch F. de Saussure die Bezeichnung „signifié" im Sinne von „concept" gebraucht.

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significans, et sic formaliter est dictio; et rationem c o n s i g n i f i c a n d i , quae vocatur m o d u s s i g n i f i c a n d i a c t i v u s (die subjektive Seite des Sprechakts), per quam vox significans fit c o n s i g n u m vel c o n s i g n i f i c a n s et sie f o r m a l i t e r est p a r s o r a t i o n i s " (Wortart!)2. Und die Wortart ist, wie später zu zeigen ist, ein syntaktisches Beziehungsmittel mit einer gewissen Beziehungsbedeutung. Vgl. «Sprache und Sprachbetrachtung", S. 50 Í. (Anm. 12): „Proprium autem verbi est consignificare tempus" (Boethius); der Zeit, durch das Beziehungsmittel der Konjugation ausgedrückt, eignet eben eine gewisse Beziehungsbedeutung 3 ! Audi die R e n a i s s a n c e bringt keine klare Kennzeichnung der Synkategorematika. Ich greife als Beispiel zwei wichtige Vertreter heraus: P i e r r e v o n A i l l y (1350—1426) und P a u l u s N i c o l e t t u s V e n e t u s (gest. 1428). Der erstere bekämpft Duns Scotus' Ansichten über die modi significandi. Er bemerkt, daß die Formen lego

und curro

teils

Kategorematika, teils Synkategorematika sind, ohne aber die ganze Tragweite dieser Einsicht abzusehen. Der letztere kommt dem wahren Sachverhalt auch sehr nahe, hält aber Konjunktionen wie vel weder für kategorematisch noch für synkategorematisch (Prantl, „Gesch. d. Log." III, S. 110,120). Höchst eigenartig ist die Grammaire générale et raisonnée von L a n * M. Heidegger, „Kategorienlehre", S. 129 f., 146 ff. — Separatausgabe „De Modis significandi: B. Joannis Duns Scoti Doct.Subtilis O.F.M. G r a m m a t i c a e s p e c u l a t i v a e nova editio cura et studio P. Fr. Mariani Fernández Garcia". Quaracchi 1902, Cap. I, 1 b fi. (S. 7). Nach M. Grabmann ist Thomas von Erfurt (Anf. d. 14. Jh.) der Verfasser. — C. Prantl, a. a. O. III, S. 20 (Anm. 67), 215 f. 3 Nach F. Manthey, „Sprachphilosophie", S. 78 ff., hat jede dictio: 1. Significatio, d. h. die Bedeutung des Nomens und des Verbums als Bedeutungserlebnis ! 2. Consignificatio, d. h. eine Mitbedeutung, z. B. des VeTbums „als zu einer Zeit sich abspielend", also curro: ich laufe jetzt neben cursus: der Lauf schlechthinI Der Zeitcharakter kann aber auch durch ein Zeitadverbium (heute) angegeben werden. Die consignificatio der Verben besteht eben darin, daß sie die actio in der Zeit bedeutet. Entsprechend hat auch ein Nomen eine Mitbedeutung, insofern es ein männliches (weibliches, sächliches) Geschlecht hat. Es kommt eben darauf an, w i e eine Sache erfaßt wird, d. h. als Ding, Eigenschaft, Tätigkeit (der Wortart nach!). Vgl. Jacques Maritain, Éléments de philosophie II, Paris 1923, p.63f.: significatio „signifie un objet qui à lui seul est quelque chose (aliquid per se)". Consignificatio ( = syncategorematikon) „signifie une simple modification de quelque chose; par exemple .tout', .quelque', ,vite', .facilement' etc.". Siehe auch R. H. Robins, Ancient and Mediaeval Grammatical Theory in Europe, London 1951, p. 80 ff. Was den Unterschied zwischen significatio und modus significandi betrifft, so bezieht sich nach Thomas die erstere auf einen bezeichneten Gegenstand (significatum) ; die verschiedenen modi significandi gehen auf die verschiedenen Arten des Seins bzw. Erkennens (modi essendi, cognoscendi) zurück, als Substanz, als Akzidenz, als Relativum, als Absolutum etc.

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c e l o t - A r n a u d (Nouvelle edition, Paris 1756). In der Vorrede wird ausdrücklich erwähnt, daß es nur eine Grammatik in der Welt für alle Sprachen gibt, worauf bereits hingedeutet ist, daß aber die Einzelsprachen ihre besonderen Eigenheiten enthalten. Die Worte werden folgendermaßen eingeteilt (S. 63): 1. „les uns signifient les objets des pensées: noms, articles, pronoms, participes, prépositions et adverbes", 2. .les autres la forme et la manière de nos pensées, quoique souvent ils ne la signifient pas seule, mais avec l'objet, les verbes, les conjonctions et les interjections" 4 . II. In neuerer Zeit haben sich A. Marty und Edm. Husserl mit demselben Problem auseinandergesetzt. Wenn F r a n z B r e n t a n o (Wahrheit und Evidenz, 1905; ed. O. Kraus, Leipz. 1930, S. 81) gelegentlich behauptet: Partikeln, casus obliqui bedeuten nichts für sich allein, so ist das nicht haltbar 5 . Es kommt auch darauf an, was man unter Partikeln versteht; casus obliqui haben außerdem Beziehungsbedeutungen. M a r t y greift nun schärfer zu und teilt die Ausdrücke in „ s e l b s t b e d e u t e n d e " ( a u t o s e m a n t i s c h e ) und „ m i t b e d e u t e n d e * (synsemantische). 1. A u t o s e m a n t i k a sind Ausdrucksmittel, die schon für sich allein genommen den Ausdruck „eines für sich mitteilbaren psychischen Phänomens bilden". Nach Brentanos Klassifikation der psychischen Phänomene haben wir zu unterscheiden: Vorstellen, begriffliches Urteilen und Interesse-Heischen (Emotionen). Nur die beiden letzteren können nach A. Marty im vollen Sinne als Autosemantika bezeichnet werden. Es wäre also zu sondern: a) Sprachmittel, die b e g r i f f l i c h e Vorstellungen im Hörer wachrufen sollen: „Vorstellungssuggestive", denen eben „eine gewisse Selbständigkeit" zukommt. Sie umfassen: α) fingierte (fiktive) Reden, ζ. B. „unter Umständen dichterische Erzählungen". Marty nennt sie „praktische Autosemantika", insofern sie für sich allein verwendet werden können. ß) „Namen", „theoretische Autosemantika" genannt. Sie umfassen einfache Namen. b) Sprachmittel, die U r t e i l e bedeuten: Aussagen. 4 Nach Otto Funke, Sprachphilosophie und Grammatik, Studia Neophilologica X V , 1—2, nennt J . Wilkins (1668) als Selbstbedeuter (integrales) nur das Nomen {wie das vom Adjektiv abgeleitete Adverb); als Mitbedeuter (partícula) gelten die Kopula, teilweise die Pronomina, primäre Adverbia, Präpositionen, Konjunktionen, Interjektionen, auch die Ableitungssilben der Wortbildung. Für Cooper (Grammatica 1. Anglic. 1685) sind Nomina wie Verba Selbstbedeuter. 5 Im Gegensatz dazu braucht Thomas für die dictiones syncategorematicae auch significare, denotare, designare etc. und sagt, sie hätten eine Bedeutung secundum apparentiam. Vgl. Manthey, „Sprachphilosophie", S. 110 f.

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c) Sprachmittel, die I n t e r e s s e - P h ä n o m e n e bedeuten, Emotive wie Ausruf, Wunsch, Befehl und Frage, insofern sie audi wie b) »wirkliche Reden", selbständige Hauptglieder der Sätze sind. 2. S y n s e m a n t i k a sind syntaktisch gegliederte Redeteile (Redeglieder), insofern sie aus dem Redezusammenhang gelöst sind. Dazu rechnet Marty auch Betonung, Wortstellung, Satzmelodie, „synsemantische Zeichen" genannt (also nicht Redeteile!). Die Synsemantika haben „nur mit anderen Redebestandteilen zusammen eine vollständige Bedeutung". Als Beispiele nennt Marty Adjektiva wie grün und groß, finite Verbalformen wie sitzt, Adverbia, oblique Kasusformen, Bindewörter und Präpositionen. Sitzt, geht und dgl. sind also synsemantisch! die Aristoteliker hätten diese Ausdrücke wohl als kategorematisch bezeichnet, da sie das Prädikat eines Satzes bilden können. Nur Gehender, Sitzender und er geht, er sitzt könnte Marty als autosemantisch gelten lassen. Er bemerkt dazu, daß Partikeln wie wenn, aber allein genommen nicht Ausdruck eines für sich mitteilbaren psychischen Phänomens sind. Denn „ e i g e n t l i c h g e s p r o c h e n haben Wörtchen wie ,aber', .oder', ,und' f ü r s i c h k e i n e n S i n n " . — In einem Brief an Jaberg hat Marty später (16. 10. 1910) zugestanden, daß in manchen Fällen auch Suffixe und Präfixe, zwecks Ableitung von Adjektiven aus Substantiven, synsemantische Funktion (in deskriptivem Sinne) ausüben könnten®. III. Diesen Ausführungen gegenüber scheidet E d m. H u s s e r l : 1. s e l b s t ä n d i g e B e d e u t u n g e n , wenn sie die „volle und ganze Bedeutung eines konkreten Bedeutungsaktes" ausmachen können; 2. u n s e l b s t ä n d i g e B e d e u t u n g e n sind Inhalte, die „nicht für sich, sondern nur als Teile von umfassenderen Ganzen Bestand haben können". Echte Synkategorematika (unselbständige Bedeutungen) sind Flexionspräfixe und -suffixe; sie werden verstanden, selbst wenn sie vereinzelt stehen! Als Träger inhaltlich bestimmter Bedeutungsmomente verlangen sie jedoch nach einer gewissen Ergänzung, die ihrer Form nach durch den gegebenen Inhalt mitbestimmt ist. Wo das Synkategorematikum im Zusammenhang eines selbständig abgeschlossenen Ausdrucks normal fungiert, da hat es „zu dem gesamten Gedanken allzeit eine b e s t i m m t e Bedeutungsbeziehung"! Von einer Partikel („Beziehungswort") wie aber, von einem Genetiv wie des Vaters können wir also sagen, sie hätten immerhin eine Bedeutung. Ein Wortstück wie bi (billig, bissig) hat aber noch keine synsemantische Bedeutung. („Log. Unt." II, 1 S. 306 ff.) • A. Marty, „Untersuchungen" I, S. 206 ff.¡ — „Gesammelte Schriften" II, 2, S. 92; — „Psyche und Spradistruktur", S. 17, 38 f.; — Satz und Wort, Bern 1950, S. 87 f., beide herausgeg. von Otto Funke; — derselbe, „Innere Spradiform", S. 22 f.

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In den .Ideen" I. Buch, faßt Edmund Husserl diese Darlegungen kurz zusammen: „das vereinzelte ,und', .wenn', der vereinzelte Genetiv ,des Himmels' ist verständlich, und doch unselbständig, ergänzungsbedürftig." Es wird sich zeigen, daß zwischen und und beispielsweise dem Genitiv des Himmels weitere Unterscheidungen zu machen sind. Audi das Wörtchen „ergänzungsbedürftig" bedarf der Klärung. Sind doch schließlich audi Wörter wie halten, begierig ergänzungsbedürftig. (Vgl. „Ideen zu einer reinen Phänomenologie" I, Haag 1950, S. 310.) Audi J o h a n n W e r n e r M e i n e r kommt immer wieder in seinem „Versuch", S. XXXVII ff., zunächst auf die Einteilung in selbständige Wörter (Substantiva) und unselbständige Wörter (Adjektiva und Verba) zurück. Zur Frage der Synkategorematika haben sich auch andere Philosophen und Grammatiker geäußert. So spricht A l e x a n d e r P f ä n d e r i n seiner „Logik" (Halle 1929, S. 165 ff.) von reinen „F u n. k t i ο η s b e g r i f f e η" oder auch „Flickwörtern", da solche Synkategorematika „nur mit anderen Wörtern zusammen etwas meinen". Er unterscheidet: 1. die a p p e r z e p t i v e n Funktionsbegriffe, die zeigend (dieser), verbindend (und) oder trennend (ohne, auch nicht), vertauschend und dirigierend (statt, oder) sein können,· 2. die m e n t a l e n Funktionsbegriffe, die fragend, bittend usw. sein können und auch häufig durch die Sprachmelodie ersetzt werden. Weiterhin die abschwächenden, verstärkenden, bedingenden oder disjungierenden Begriffe (vielleicht, notwendigerweise, falls, entweder ... oder); 3. die erläuternden, zugebenden usw. Begriffe (nämlich, freilich etc.). Trotz des Versuchs einer scharfen Gruppierung wird hier doch redit Verschiedenes zusammengestellt. Schließlich als Grammatiker F r i e d r i c h N e u m a n n (Satz u. Wort, Blätter f. dt. Philos. IV, S. 47 ff.). Er sondert: 1. Wörter, die einen Sachverhalt aus Seinszusammenhängen herausheben: Verbum, Substantivum, Adjektivum und adjektivisches Adverbium (als s e l b s t ä n d i g e Wörter); 2. „Syntaktische Wörter", die ein g e r i n g e s M a ß d e r S e l b s t ä n d i g k e i t aufweisen: Binde- und Verhältniswörter. Sie legen die Beziehungen fest zwischen Gliedern eines Seinszusammenhangs, ζ. B. er stieg in den Wagen; 3. Die Gruppe der Prä- und Suffixe, die u n s e l b s t ä n d i g sind. Friedrich Neumann fügt mit Recht bezüglich der Präpositionen hinzu: „Immerhin sind sie noch Klangeinheiten und damit Bedeutungseinheiten, die man aus sprachlichen Gefügen als selbständige Glieder herauslösen kann . . . " — So stehen Meinungen gegen Meinungen. 15

Β. Wenn nun A n t o n M a r t y in diesem Zusammenhang sondert homo und amo als selbstbedeutende Ausdrücke, hominis und amas aber als mitbedeutende; wenn weiterhin H u s s e r 1 die „Partikel" aber und den Genetiv des Vaters in einem Atem nennt, so wird man nach all dem Gegeneinander der Ansichten dahin gedrängt, n i c h t e t w a e i n zelne Wörter nach ihren Bedeutungen klassifizieren z u w o l l e n , s o n d e r n v i e l m e h r an d e n W ö r t e r n z u sondern7: 1. die l e x i k a l i s c h e B e g r i f f s b e d e u t u n g , 2. die s y n t a k t i s c h e M i t b e d e u t u n g , d i e w i r d i e B e z i e h u n g s b e d e u t u n g n e n n e n w o l l e n (vgl. meine .Grundlegung", S. 77). L. B l o o m f i e l d , „Language", p. 265, sagt: „the grammatical (d. h. syntactical!) function of the lexical form". Klingt dodi, wenn man die sprachwissenschaftlichen Werke der letzten Jahrhunderte überblickt, immer wieder, allerdings in recht verschiedenem Sinne, das Wort „Beziehung" auf (Relation, Beziehungsausdruck, Beziehungslaut, Beziehungsfunktion, Beziehungselement usw.), ohne als betonter Fachausdruck im Gegensatz zum „Begriffswort" zu gelten. So in den Schriften von J. G. Schottel, Schleicher, Friedrich Müller, W. Wundt, Cassirer, Husserl, F. de Saussure, L. Bloomfield, K. Bühler, Joh. Lohmann usw. Ich weise besonders auf O. N i e m e y e r s experimentelle Arbeit („Entstehung des Satzbewußtseins", S. 86 ff.) hin¡ er spricht von „Beziehungselementen", von „Beziehungskategorien". I. Werfen wir jedoch, bevor wir unsere These näher erläutern, einen zusammenfassenden Blick auf das durchschrittene Labyrinth der „Kategorematika"-„Synkategorematika" (Syndesmoi) und die daran entzündete Aussprache: 1. A r i s t o t e l e s versteht unter „syndesmoi" nicht syntaktische Beziehungsmittel wie Flexion, Wortstellung, Akzent, sondern meint damit volle Begriffswörter, z. B. Das Buch liegt aui dem Tische, wo die „Beziehung" (Verknüpfung) durch eine Präposition hergestellt wird. Das besondere Interesse der Grammatiker wendet sich daher vor allem der Frage zu, was unter synkategorematischen Ausdrücken zu verstehen sei. So während der Scholastik bis auf unsere Zeit (F. Neumann). 2. Die G r a m m a i r e g é n é r a l e e t r a i s o n n é e gelangt allerdings zu einer Unterscheidung von objets des pensées und forme (manière de nos pensées; vgl. die modification, Anm. 3 auf S. 12). Die Verfasser haben aber noch kein Verständnis für das Wesen der Begriffswörter, wenn sie — im Gegensatz zu Aristoteles und seinen Anhängern — Nomina und Verba auseinanderreißen. 3. In der Unterscheidung von significatio und consignificatio leuchtet 7

Vgl. unter diesem Gesichtspunkt die Unterscheidung von significatio und consignificatio, oben S. 12, Anm. 3.

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bereits eine Ahnung von s y n t a k t i s c h e r B e z i e h u n g s b e d e u t u n g auf, insofern ζ. B. beim Verbum nicht die actio schlechthin, sondern das Wie des Zeitverlaufs (Tempus usw.) ins Auge gefaßt wird. Diese Fälle (ζ. B. homo und curro) werden auch später erörtert bis hin zu Marty und Husserl (amo, aber amas-, homo, aber hominis als Sonderung der Kategorematika bzw. Synkategorematika), ohne daß es zu klaren Scheidungen kommt. 4. M a r t y ist jedoch auf dem richtigen Wege, wenn er beispielsweise die syntaktischen Beziehungsmittel wie Wortstellung, Betonung und Satzmelodie als „ s y n k a t e g o r e m a t i s c h e Z e i c h e n " anspricht. Andererseits wird in neuerer Zeit ganz allgemein von „ B e z i e h u n g " (auch „Funktion") gesprochen, ganz gleichgültig, ob es sich um lexikalische Begriffsbedeutungen oder um syntaktische Beziehungsbedeutungen und noch andere „Beziehungen" handelt. So sagt F. d e S a u s s u r e , „Cours", p. 170: tout (!) repose sur des rapports, seien es nun „syntagmes" oder „rapports associatifs"; siehe die Beispiele weiter unten. L. B l o o m f i e l d , „Language", unterscheidet allerdings zwischen lexical und grammatical form (meaning, function); das ist richtig, wenn man syntactical (statt grammatical) sagt 8 . Und entsprechend unterscheidet E d w . S a p i r , „Language", p. 99 f., 119, zwischen concept (material content) und syntactical relation. Man versteht demgemäß, mit geringen Ausnahmen, unter „rapport" bzw. „relation" bald Bedeutung, bald Beziehungsbedeutung und noch vieles mehr. Wenn man derartig gegen den ersten Grundsatz der Logik, das principium identitatis, verstößt, braucht man sich über den auch sonst beklagten Stand der heutigen Sprachwissenschaft nicht zu wundern 9 . II. Machen wir nunmehr eine Probe aufs Exempel: „Vom Großen Kurfürsten an aber w a r idi parteiisch genug, antikaiserlich z u urteilen und natürlich z u finden, d a ß d e r Siebenjährige Krieg sich vorbereitete." (Bismarck, Gedanken u. Erinnerungen, I. Kap.) Dieser „Satz" ist ein Gefüge von Begriffswörtern, deren Zusammenhang durch Beziehungsmittel gekennzeichnet ist. In dem Satzgefüge sind zu sondern: 1. V o l l w ö r t e r mit B e g r i f f s b e d e u t u n g e n , d. h. B e g r i f f s Auch J . R. Firth, „General Linguistics", p. 85, unterscheidet zwei Arten von Bedeutungen: 1. at the grammatical (besser: syntactical) level (: Kasus, Numerus, Wortart) und 2. at the lexical level. Vgl. Modes of Meaning, Essays and Studies IV (1951), p. 120 f. 8

β „Warum herrscht heute noch auf dem Gebiete der sogenannten Syntax ein chaotischer Zustand? Weil die semasiologisdie Problematik noch im argen liegt, weil die Beschreibung der Bedeutungen eine vielfach mangelhafte ist, weil semasiologisdi Zusammengehöriges getrennt, zu Trennendes vereint wird." A. Marty, „Psyche u. Spradistruktur", S. 42.

2 Otto, Sprachwissenschaft

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Wörter, ζ. Β. von, an, groß, Kuriiirst, aber, ich, parteiisch, genug usw. Zu diesen Begriffswörtern gehören also auch die Präpositionen10. Diese Begriffswörter haben zudem nodi eine B e z i e h u n g s b e d e u t u n g , die durch Beziehungsmittel charakterisiert sind, ζ. B. a) durch F l e x i o n : vom ( du roi); wenn die Wortstellung die Flexion ablöst, bzw. ihre Beziehungsbedeutungen durch „Partikeln" verstärkt werden, dann liegen doch bestimmte „Motive" sprachlichen Wandels vor, die eben zu klären wären, ehe man so allgemein von den Zusammenhängen des Denkens und Sprechens handelt. Aber Wundt läßt nun einmal keine teleologische Betrachtungsweise der Sprache zu — trotz seiner Frage nach den Motiven der Sprachbildung! — und Marty schreckt vorsichtig vor einer „Vermengung" deskriptiver und genetischer Gesichtspunkte zurück, obwohl auch er die Frage der „Entstehung" sprachlicher Ausdrucksweisen nicht ganz vermeiden kann („Wert und Methode", S. 67). Abschließend können wir zu Wundts Typen sagen: 1) Der Versuch einer einheitlichen Ableitung seiner drei Gruppen von Typen wird nicht unternommen. 2) Es liegt jedoch ein sehr ernstes Streben vor, die einzelnen Haupttypen mit den Untergliederungen in Beziehung zu setzen, ζ. B. a.a.O. S. 448 f. Ja, W. Wundt hat sogar einen eigenen Abschnitt über Korrelationen (S. 438 f.) eingefügt, allerdings über die äußere Sprachform. 3) Seine drei großen Typen gehen wohl auf bestimmte Arten von Auffassungen der erlebten Wirklichkeit sowie des Denkens, wie er ganz allgemein sagt, zurück. Sie können aber nicht den Anspruch erheben, geistige Typen zu sein. Wir werden also das Problem der biologischen Antriebe und vor allem der bewegenden Kräfte g e i s t i g e n Strebens nach Ökonomie, nach genauer und schöner Ausdrucksweise, nach sittlicher Rücksichtnahme im gesellschaftlichen Leben und schließlich auch nach den religiösen Gefühlen demütiger Gottergebenheit nicht außer acht lassen können, wenn überhaupt das Problem von strukturierten Typen, nebst ihrem Bezug auf einen geistigen Kern, ernst genommen werden soll. Ihre A b l e i t u n g muß allerdings auf ein späteres Kapitel verschoben werden, das dem verwickelten Problem des „Sprachwandels" nachgeht. C. Das Verhältnis von Sprache und Geist ist wohl oft berührt worden. Ich greife einige Beispiele aus der Fülle der Hinweise heraus. Soweit ich sehe, ist W. v. H u m b o l d t der erste, der über vage Andeutungen früherer Sprachforscher hinaus das Verhältnis von Sprache und der Geistigkeit einer Sprachgemeinschaft ernstlich aufnimmt. Er spricht sich wiederholt dahin aus, daß jede Sprache ihre „Eigentümlichkeit" hat, daß Sprache und Charakter einer Nation „in Eins" zusammengeschmolzen sind, so daß man von dem „Nationalcharakter" der Sprache 82

reden kann, denn das Wesen der Sprache liegt eben in der „Gewalt des Geistes", des „geistigen Strebens". Da «alles in der Sprache geistig ist", kann er auch, ebenso wie H. Pestalozzi, von der „Sprachkraft" sprechen (vgl. oben S. 77). H. P e s t a l o z z i sieht in der Sprache das „Fundament der Kultur", als Wirklichkeit sowie vom Standpunkt der Erziehung. Sprache ist Ausdruck der Wahrheit; sie zeugt von der Vorstellungsweise, die sich unsere Natur selber über alle Dinge dieser Welt macht, und steht mit der „intuitiven Anschauungsweise aller Dinge", mit der Entwicklung unseres Geistes in Harmonie. Da sie den ganzen Schatz unserer durch die Jahrtausende gereiften Volkskultur in sich birgt, kann sie auch zur Grundlage unserer weiteren Geistesentwicklung gemacht werden. Im gleichen Sinn hat sich F r i t z S t r o h ausgesprochen. Wir haben schon oben (S. 64) gesehen, daß G. v. d. G a b e 1 e η t ζ die Gesetzlichkeiten eines strukturierten Wesenstypus erkannt hat: die Abgestimmtheit aller Glieder aufeinander und ihre Beziehung auf einen (geistigen) Kern — statt der phantastischen Aufstellung eines isolierenden (formlosen!) Typus (Chinesisch), den es nicht gibt und nicht geben kann, da keine Sprache ohne syndesmoi, welcher Art auch immer, denkbar ist. Und v. d. Gabelentz sieht zudem in der Grammatik (dem System!) einer Volkssprache die „bündigste Darstellung seiner Denkgewohnheiten". Ja, er entwirft in wenigen Worten ein ganzes Programm zur Erforschung der in einer Sprache vorherrschenden bzw. fehlenden Kategorien: „Um dies zu beantworten, müßte nun wieder die volle geistige Eigenart der Völker und Völkerfamilien, müßten schließlich Geschichte, Länder- und Völkerkunde mit zur Erklärung herbeigezogen werden, vor allem aber auch die Geschichte der Sprachen, soweit sie erreichbar ist." Den nachdrücklichsten Hinweis auf die Geistigkeit menschlicher Sprache verdanken wir dem ersten Bande der Lexis, wo J. L o h m a n n , E r n s t L e w y und W. B r ö c k e r in Anlehnung an W. v. Humboldts „innere Form" die Sprache charakterisieren als „ u n s e r (Laut gewordenes) geistiges S y s t e m" 94 . Jede Sprache ist als Ausdruck des Geistes, eine bestimmte „Denkform" bzw. „Ausdruck des Denkens", „die geistige Wirklichkeit einer menschlichen Gemeinschaft". Also wird der Wesenstypus im tiefsten Grunde nur ein geistiger Typus sein können und alle Gliederungen von Sprachtypen werden letzten Endes auf die im G e i s t e verwandten Völker zurückgehen müssen. 34 W. v. Humboldt, über den Nationalcharakter der Sprachen, „Ges. Schriften" IV, S. 424 ff.; — Grundzüge des allgemeinen Sprachtypus, ebd. V, S. 375 ff., 384, 395; — H. Pestalozzi, Die Sprache als Fundament der Kultur, Sämtliche Werke XIII. Band, Berlin u. Leipzig, S. 35 ff., 48 ff.; — Fritz Stroh, Deutsche Volkserziehung, Das Volk und seine Sprache, Frankfurt (Main) 1939, S. 2; — ders.. Der volkhafte Sprachbegriff, Halle 1933; — G. v. d. Gabelentz, „Sprachwissenschaft", S. 438, 482; — Lexis I, S. 10, 155, 172 ff., 178, 300.

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Und wieder fragen wir: Was ist Geist 35 ? Es ist recht vielerlei darunter verstanden worden. Wir charakterisieren das Geistige, wie es in den Seinsweisen des personalen, objektiven und objektivierten Geistes erscheint, durch folgende Eigenschaften: 1. Es ist material, nicht formal zu bestimmen; 2. es ist ursprünglich irrational, nicht rational; 3. es ist selbstgerichtet; 4. es ist übergreifend; 5. es stellt Forderungen; 6. es ist gefügehaft differenziert. 7. Die Differenzierung verlangt nach ergänzender Integrierung. Darauf kann aber erst gegen Ende der Arbeit, nach Behandlung des Sprachwandels eingegangen werden. Dazu ist im einzelnen zu bemerken: 1. Da das Geistige nicht der mathematisch-physikalischen Sphäre eignet, ist jede formale Bestimmung unzureichend. Wir bestimmen es daher geistes-psychologiscii nach, seinem G e h a l t . Wilh. Dilthey spricht in diesem Sinne von „Bedeutung"; wir sagen „Sinn" (s.u.: „Wortlehre"). 2. Das Geistige ist mit dem beziehenden Denken, dem Verstände, nicht zu erfassen. Es ist daher auch nicht in mathematisch-physikalischer Weise zu „definieren", sondern sinnbezogen nach seinen Qualitäten zu charakterisieren, seinem i r r a t i o n a l e n Wesen gemäß. Darum ist jedes Strukturgefüge kein starres, geschlossenes System, sondern nur eine r i c h t u n g w e i s e n d e A u f g a b e im Hinblick auf den individuell und überindividuell verschiedenen Ausgleich irrationaler Mächte (Kategorien bzw. Kulturgebiete). 3. Dem Geistigen eignet ein Gerichtetsein, eine I n t e n t i o n a u f e t w a s , wie die Brentano-Schule richtig gesehen hat, welcher Gedanke auch der Idee Hegels vom Geiste als einer gelenkten Kraft zugrunde liegt. Ebenso betont W. D i 11 h e y , ζ. Β. im „Aufbau der geschichtlichen Welt", den teleologischen Charakter unseres Seelenlebens wie der Kultursysteme. Ihnen liegt eine Richtung auf einen Zielpunkt zugrunde, nicht auf ein bestimmtes Ziel; vielmehr auf Zielstrebigkeit zur „Realisierung von etwas", von Leistungen (Bd. VII, S. 153, 178, 188, 202 f., 329). Im 8 5 Die Linguistik hat von diesem Problem kaum Kenntnis genommen. Ich verweise auf W . Dilthey, Gesammelte Schriften V und besonders VII (Der Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften); —E. Spranger, „Lebensformen"; ders., Psychologie des Jugendalters, Leipzig 1924 (1. Abschnitt) und Das Echte im objektiven Geiste, N. Hartmann-Denkschrift, Göttingen 1952; — Th. Litt, Individuum und Gemeinschaft, Leipzig 1924; — E. Rothacker, Geschichtsphilosophie, München und Berlin 1934; — H. Heimsoeth, Geschichtsphilosophie in „Systematische Philosophie", Stuttgart und Berlin 1942; — N. Hartmann, „Das Problem des geistigen Seins". Nach H. Heimsoeth, a.a.O., S. 17, ist Geist vor allem Wille und „planendes Wirken".

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Gegensatz zur „kybernetischen" Maschine ist das Geistige selbstgerichtet 36 . 4. Der Sinn des Geistigen ist ü b e r g r e i f e n d , d. h. überindividuell· in mehr oder weniger intensiver und echter Art, und zwar allgemein an a l l e Menschen gerichtet. Die Gleichgerichtetheit, auf der alles Verstehen beruht, waltet nicht nur zwischen Personen, sondern auch zwischen Personen und Sachen, so daß N. Hartmann (Das Problem des Apriorismus in der platonischen Philosophie, 1935) sagen konnte: Die Prinzipien des Subjekts sind zugleich Prinzipien des Objekts 37 . E. Spranger („Lebensformen", S. 92 ff.) stellt in diesem Sinne (subjektive) Ichkreise und (objektive) Gegenstandsschichten gegenüber. 5. Das Geistige trägt n o r m a t i v e n Charakter, d. h. es stellt Geltungsforderungen (Aufgaben) an unser Gewissen. Es scheint nämlich so, als ob im Geistigen eine Tendenz mit der Richtung auf Vollendung, auf das Echte liege. N. H a r t m a n n gesteht, nach der kritischen Untersuchung E. S p r a n g e r s , zunächst dem objektiven Geiste eine gewisse „Richtung" zu, insofern sich in der Weltgeschichte das Echte dauernd durchsetzt und auch im besonderen Bereiche der Wissenschaft ein echter Fortschritt gesichert ist. Darüber hinaus eröffnet sich ein weiteres Kriterium des Echten in der Sphäre des personalen Geistes, und zwar vom wertphilosophischen Standpunkt betrachtet: der Mensch vernimmt den Sollensruf der Werte und kann sich gegen oder für sie in einer „Situation" frei „entscheiden" 38 . Wir haben, im VI. Kapitel, dieser Frage nach der Richtung auf Vollendung, d. h. auf das Echte am sprachlichen Gut, noch weiter nachzugehen. 6. Das Geistige, wie alles Leben, gliedert sich in verschiedene „Richtungen" des „Sinnes" aus bei möglichster Wahrung der Einheit (s.u. „Wortlehre": Sinn). Darauf gründet die Möglichkeit einer vorgegebenen ω Auch H. Leisegang, Denkformen (Berlin 1951, also erst in der 2. Auflage, S. 453), spricht von einem Telos, einer Teleologie im geistigen Bereich der menschlichen Werke. Idi möchte schlichter und weniger mißverständlich dafür „Richtung" sagen. 5 7 Dieser Gedanke, der ein altes Gut philosophischer Überzeugung seit der Stoa darstellt, ist von August Schleidler, über die Bedeutung der Sprache für die Naturgeschichte des Menschen, Weimar 1865, S. 17, so formuliert worden: „Das natürliche System der Sprachen ist. nach meinem Dafürhalten zugleich das natürliche System der Menschheit." 3 3 E. Spranger unterscheidet in den „Lebensformen" zwischen dem objektiven und dem kritisch-objektiven, dem normativen Geist. Dieses überindividuelle NoTmbewußtsein ist vom Kollektivbewußtsein wohl zu unterscheiden (S. 6 f., 15, 70 ff., 335 f., 339). In seinem Beitrag: Das Echte im objektiven Geiste, in der von H. Heimsoeth herausgegebenen Sammlung von Abhandlungen, betitelt: N. Hartmann, Der Denker und sein Werk, Göttingen 1952, S. 34 ff., 43, bemerkt E. Spranger, daß diese Normativität von den Gebieten der Moral, des Rechtes, des Politischen unabtrennbar ist. — Th. Litt, Die Weltbedeutung des Menschen, Ztschr. f. philos. Forschung IV (1950), S. 184ff.

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R a n g o r d n u n g aller G e i s t e s r i c h t u n g e n — nidit nach einer bildlich gemeinten „Höhe", sondern nach ihrer wirklichen „Umfassenheit". Man kann die Sinngehalte der Richtungen (Kategorien und Kultursphären) an oder „mit der Erfahrung", im besonderen an der Sprache und ihrem Wandel einsichtig machen81'. In der nachstehenden Skizze ist die mechanisch-gegenständliche und die biologische Seins-Schicht (Stufe) der geistigen vorausgeschickt, von der wir bisher allein gesprochen haben; alle drei haben ihren Niederschlag in der Sprache gefunden, einschließlich der gegenständlichen Schicht, da ja menschliches Sein und Sprechen auch an diese Umwelt gebunden sind und folglich aus der Sprache erschlossen werden können 40 . Die einzelnen „Schichten" samt ihren „Kategorien" („Unterschichten") sind: I. Die mechanisch-gegenständliche Schicht: Kategorien der Substanz, der Eigenschaft, des Vorgangs und der Relation. II. Die biologische Schicht: Kategorien der Selbst- und der Fremderhaltung (Entfaltung). III. Die geistige Schicht: Kategorien der Theorie und Praxis, der Leistung und Güte, des Absoluten. In dem „Aufbau der realen Welt" hat N . H a r t m a n n vier Schichten unterschieden: die mechanische, biologische, seelische und geistige Schicht, ebenso Th. L i 11 in „Denken und Sein". Da es aber keine Biologie ohne Seele gibt 41 , so kann es audi nur drei Schichten geben: das Mechanisch-Gegenständliche, das Biologische und das Geistige, wohin die systematische Ableitung der Schichten aus der Gliederung der Wortbedeutungen auch drängt (s. unten, VI. Kap.: „Wortlehre"). Auch H. Leisegang (Denkformen, Berlin 1951, S. 447) kennt nur drei Schichten. Damit eröffnen sich drei wesentlich verschiedene „Wirklichkeiten" bzw. erschlossene „Welten". So auch schon W. Dilthey, „Der Aufbau*, S. 84. Methodologisch müssen wir mit Dilthey von der Realität des Lebens ausgehen und durch Analyse „die Mannigfaltigkeit gegliederter Ordnungen" des subjektiven bzw. objektiven Wirkungszusammenhangs — denn beide sind harmonisch aufeinander abgestimmt — vorsichtig bloßlegen. E. S p r a n g e r weist den Geisteswissenschaften die Aufgabe der Analyse individueller und überindividueller Strukturen zu zwecks Klärung des 3 9 Siehe dazu meine Schrift „Sprachwissenschaft u. Philosophie". Ich habe dort die einzelnen Schichten behandelt, wie sie sich aus der Folge sprachwissenschaftlicher Überlegungen ergeben haben. Ich ersetze sie hier durch die s y s t e m a t i s c h e Anordnung. 4 0 Gegen die Bezeichnung „Schicht* sind in letzter Zeit Bedenken laut geworden; doch wird dieser Ausdrude sinngemäß auch schon von W . Dilthey gebraucht, neben „Stufe", z . B . .Der Aufbau*, S. 88, 91, 127, 129, 134 u. ö. 4 1 Ich möchte besonders auf die biologischen Schriften J . von Uexkülls hinweisen.

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Strukturbewußtseins. Er betont den Wert „ordnender Kategorien" statt mystischer Träumereien. N. H a r t m a n n s Anliegen, ontologisch gesehen, ist „Kategorialanalyse". Das „Wissen um Kategorien" gewinnen wir nicht auf apriorischem Wege, auch nicht durch innere Bewußtmachung von Verstandesprinzipien, sondern durch Analyse der erfaßbaren Gegenstände. So erfassen wir zunächst nicht Erkenntnis-, sondern Seinskategorien. Damit ist das Verbindende wie das Trennende beider Auffassungen angedeutet 42 . Zu den einzelnen Schichten ist dann noch zu bemerken: I. Zur mechanisdi-gegeiiständlichen Wirklichkeit. Wie W. v. H u m b ο 1 d t in seiner Akademie-Abhandlung „Uber das vergleichende Sprachstudium" (1820) dargelegt hat („Ges. Sehr." IV, S. 1 ff.), besteht das Wesen der Sprache als einer produktiven Tätigkeit darin, die Materie der Erscheinungswelt in die „Form der Gedanken" zu gießen. Man könne sich Sprache und Geist nie „identisch genug" denken („Ges. Sehr." IV, S. 1 ff.¡ und VII, S. 41 ff.). Danach erscheint die Materie der gegenständlichen „Welt", kategorial angeschaut, als Substanz, Eigenschaft, Vorgang und Relation, sprachlich „geformt" in den vier fundamentalen Wortarten: Substantiv, Adjektiv, Verb und Relationswort (Präposition und Konjunktion), wie in dem Kapitel über die Wortart dargetan ist. So auch H. L i ρ ρ s , wenn er behauptet, daß die Sprache nicht zu lösen sei aus einer bestimmten Weise des „Durchstimmtseins" von der Welt; sie ist, als sinnhafte Rede, der „durchseelte Spiegel" der wahrgenommenen bzw. vorgestellten Wirklichkeiten (Welten) vernünftiger Menschen 43 . Darin liegt die Berechtigung, die „fundamentalen" Wortarten aus der „Form" der gegenständlichen Welt abzulesen (vgl. oben S. 4). II. Zur biologischen Wirklichkeit. K a r l B ü h l e r hat nach verschiedenen Ansätzen schließlich folgendes „Organon-Modell der Sprache" gegeben, das die drei Funktionen: Ausdruck (seitens des „Senders"), Appell (in bezug auf den „Empfänger") und Darstellung (hinsichtlich des „Sachverhalts") umfaßt 44 . Diese drei Funktionen liegen nicht auf einer Ebene, insofern Sender und Empfänger den Akt des Sprechens und Hörens betreffen, die Darstellung sich aber auf das Besprochene, den (dargestellten) Gegenstand bezieht. Ich habe geglaubt, besser: Ausdruck und Eindruck unterscheiden zu müssen, und zwar liegt der Ausdrude in der b i o l o g i s c h e n Sphäre zwischen dem Spannungspaar Entlastung und Anruf, die verschiedensten Abstufungen der bloßen S e l b s t e r h a l 42 W.Dilthey, „Der Aufbau", S. 88, 147 ff. u. ö. ; — E. Spranger, Der gegenwärtige Stand der Geis tes Wissenschaften und die Schule, Leipzig — Berlin 1921 (1925), S. 5, 19; — N. Hartmann, Systematische Philosophie, Stuttgart und Berlin 1942, S. 15 f. 4 3 H. Lipps, „Untersuchungen", S. 290 f. 4 4 Karl Bühler, „Sprachtheorie", S. 24 ff.

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t u η g bis hin zum (unbewußt) fordernden bzw. warnenden Anruf, damit also die F r e m d e r h a l t u n g einschließend 45 . Diese biologische Seite kommt in der menschlichen Sprache in der Art der Stimmodulation, in der Stärke und Verteilung des dynamischen Akzents sowie in der (emphatischen) Wortstellung, auch im Gefühlsgehalt der Worte zum Ausdruck. Wir können also aus diesen Äußerungen tierischen wie menschlichen Trieblebens tiefere Einblicke in das ursprüngliche Wesen der Sprache gewinnen 46 . III. Zur geistigen Wirklichkeit. Wie bereits angedeutet (S. 82) begründet das Streben menschlichen Sprechens nach W a h r h e i t (Weisheit) bzw. Ö k o n o m i e des Schaffens, nach v e r a n t w o r t l i c h e m Handeln bzw. a u f o p f e r n d e m Dienst sowie nach d e m ü t i g e r Ergebung in die Fügung göttlicher Allmacht sowohl die Kategorien der Theorie bzw. Praxis als audi der Leistung bzw. Güte sowie des Absoluten. Das Ganze aller dieser wirkenden Kräfte erzeugt die Sprache als E i n d r u c k , als Mitteilung und Verständigung. Das Verhältnis dieser S c h i c h t e n ist derart, daß die engste, die mechanisch-gegenständliche, und dann die weitere, die biologische Schicht, jeweilig in der nächst umfassenderen, also zuletzt in der geistigen Schicht „aufgehoben", „umgeformt" werden 47 . Dasselbe gilt von den K a t e g o r i e n (Sinnrichtungen) innerhalb der einzelnen Schichten, besonders in der geistigen Schicht: Es wird also der ursprüngliche Sinn jeder Kategorie beibehalten und in jeder weiteren Kategorie auf einen neuen 4 .Sinn hin „ausgerichtet"; in der geistigen Schicht schließlich in der allumfassenden Kategorie des Absoluten geheiligt. Das Ästhetische ist eine Abart des Theoretischen: auf Weisheit hin gerichtet, aber nicht zergliedernd und isolierend, sondern in Symbolen geschaut 48 . Insofern in der sachlich-vorgesellschaftlichen Kategorie die zu 4S Im Grund stimmen damit die Überlegungen G. Révész' überein, der die einseitigen biologischen und anthropologischen Theorien über den Ursprung der Sprache ablehnt; seine Kontakttheorie kommt dann zu einem Ausgleich beider im Falle der menschlichen Kommunikation (Verständigung), und zwar in unserem Sinne. Ursprung und Vorgeschichte der Sprache, Bern 1946, S. 110 ff., 188 ff. (der Zuruf, der Anruf, das Wort). 4 8 Physikalisch bzw. physiologisch gesehen, sprechen wir von „Körper" in der mechanischen, vom „Leib" in der biologischen Wirklichkeit. Für die geistige Wirklichkeit gibt es, wenigstens im Deutschen, dafür keine besondere Bezeichnung. Entsprechend ordnen wir die Seele dem Leibe zu, den Geist dem personalen Sein des Vernunftmenschen. Für diese Unterscheidung bietet die griechische Bezeichnung φυχή keinen Anhalt, eher schon πνεύμα, am besten aber wohl die Dynamik des Aristotelischen Begriffes όρεξι;. 4 7 Der Gedanke der „Umformung" findet sich schon bei Dilthey, Gesammelte Schriften VII, S. 192; — N.Hartmann, Der Aufbau der realen Welt, Berlin 1940, S. 485 ff., sagt „Uberformung". 4 8 Im Anhang meiner Allgemeinen Unterrichtslehre (S. 316) habe ich meine dortigen Ausführungen zu S. 118 in dem folgenden Spannungsgefüge der objek-

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erforschende bzw. zu erschaffende „Sache" nicht „antwortet", kann m a n diese kategoriale Unterschicht des Geistes als diejenige der „individuellen Geistesakte" bezeichnen und die soziale, sittliche K a t e g o r i e der V e r a n t w o r t u n g und Güte als die der „gesellschaftlichen Geistesakte" (E. Spranger). Damit wird die Sonderung einer asozialen und einer sozialen Unterschicht wiederum gerechtfertigt. Die K a t e g o r i e des Absoluten als die dritte, die umfassendste Unterschicht des Geistes greift über das Asoziale und das Soziale nodi hinaus 4 9 . M a n hat geglaubt, dem geistigen A k t des V e r s t e h e n s die Möglichkeit der O b j e k t i v i t ä t absprechen zu müssen, und hat auch v o m Historismus der Geschidite in diesem Sinne gesprochen. Doch glaube idi, durch Beziehung des geschichtlichen Lebens auf die allgemeingültigen, „übergreifenden", apriorischen Kategorien des „Sinnes" jede S u b j e k t i v i t ä t ausschließen zu können und so auf Grund der prinzipiellen Gleichgerichtetheit v o n S u b j e k t und Objekt, Mensch und W e l t , im Kantischen Sinne, w a h r e Erkenntnis zu ermöglichen 5 0 . W e n n uns also die Normativitiven Sinnrichtungen (Kategorien) zusammengefaßt, wobei „Madit" durch den Begriff der verantwortlichen „Leistung" ersetzt ist. Das Absolute — Das Diesseits Q ä> U

Liebe (Güte)



Leistung

Theorie — Praxis (Kunst u. Wissenschaft) (Schaffen) I I τ γ Funktionen: Denken (Phantasie), Motorisches. Vorstellen, Wahrnehmen. Denn alle verantwortliche Leistung, als Ergänzung der Güte, gründet sich auf Theorie (Sinnen) oder Praxis (Können). Das Absolute ist die umfassendste Sphäre. — Audi wenn dieses Spannungsgefüge der geistigen Kategorien dem wirklichen Sachverhalt nicht entsprechen sollte und in diesem oder jenem Sinne abgeändert werden müßte, so weist es immerhin die Richtung, in der die Forschung allein dahin gelangen könnte, die Relativität des Historismus zu überwinden, was seit langem die Sehnsucht des Geisteswissenschaftlers ist. 49 E. Spranger, „Lebensformen", S. 36 ff., 60 ff.; — H. Freyer, Theorie des objektiven Geistes, Leipzig — Berlin 1928, S. 102ff.¡ — Auf dieselben Grundverhältnisse (asozial — sozial) kommen auch H. Rickerts Alternativen hinaus: System der Philosophie I, Tübingen 1921, S. 353 ff.¡ Logos IV (1913), S. 304 ff. 50 In diesem Sinne möchte idi auch E. Wenigere Hinweis verstehen: „Aufgabe des Geschichtsunterrichts ist es, die geistige, überzeitliche Struktur des geschichtlichen Lebens in den Werken der Menschheit sichtbar und lebendig zu machen." Nohl-Pallat, Handbuch der Pädagogik III/l, S. 49. Das ist treffend. Kaum würden aber die Formungstypen aus dem Wesen des Geistes „ableitbar" sein, wie H. Freyer a.a.O., S. 73, annimmt: „Ein S y s t e m der Kulturphilosophie würde die Aufgabe haben, die möglichen Formungstypen aus dem Wesen des Geistes abzuleiten und den Beweis ihrer Vollständigkeit zu führen; eine Aufgabe, die durchaus lösbar ist, die sich freilich nur im Zusammenhang mit der Ableitung 89

tat des Geistes, die audi im Sprechvorgang (Stil) und im Wandel der historischen Sprache waltet, ein Kriterium für den E c h t h e i t s g r a d der einzelnen Sinnkategorien gewährt (s. oben S. 85), so bietet uns der weitere Einblick in die R a n g - O r d n u n g der geistigen Kategorien darüber hinaus auch noch allgemeingültige Maßstäbe für die Angemessenheit sprachlicher Erscheinungen, der stilistisch gemäßen Ausdrucksweise wie des Wandels. Nicht als ob damit ein bequemes Schema des „Wertens" bereitstände, da jedwede Beurteilung der Angemessenheit an objektive Normen auch die Besonderheit der erlebten „Situation" in Rechnung stellen muß. D. Die angegebenen Kategorien des Geistes geben die Richtlinien für die gesuchte Typologie der Sprachen vom geisteswissenschaftlichen Standpunkt, in Sonderheit für ihren zentralen geistigen Kern. Dabei werden folgende Gesichtspunkte zu beachten sein. I. Erstmals hinsichtlich ihrer Intensität, soweit sie in der Sprache in die Erscheinung treten. Wir erläutern dies mit wenigen Beispielen am Bau des Aussagesatzes an einigen typischen Fällen: 1. Das Prädikat des Satzes kann im P a s s i v stehen und mag dann einen Zustand passiver Hingegebenheit und beschaulicher Ruhe ausdrücken, wie es o r i e n t a l i s c h e n Völkern eigen ist 51 . So bedeutet das chinesische wu wei nicht etwa Nichthandeln im Sinne der Trägheit, sondern: Niditbetriebsam-sein. So Laotse, nach Richard Wilhelms Übertragungen: ET (der Berufene) verweilt im Wirken ohne Handeln.— Der Sinn ist ewig ohne Handeln. Was zugleich qualitativ eine Spielart theoretischen Verhaltens einschließt. 2. Der Gegenpol wäre das A k t i v in Verbalsätzen. Also nicht: er erstirbt mir, sondern: ich töte ihn nach Art des ruhelos tätigen Abendlandes. Der nachbedachte, sinnende Epimetheus hat sich zum schaffenden und handelnden Prometheus gewandelt. 3. Zwischen diesen beiden Polen steht der Typus des E m p f i n d u n g s v e r b s : dem Vater geschrieben ist ein Brief oder verwandte Konstruktionen (s. oben S. 74 f.). Diesen Typen entspricht der Sinnwandel der Bezeichnung „Subjekt". Ursprünglich gr. το νποκείμενον = das Zugrundeliegende, von Boethius als subjectum ( < s u b i c i o ) wörtlich übersetzt, war es „Satzgegenstand", des Systems der Kultursysteme lösen läßt." Also eher die mit dieser Welt gegebene und unwandelbare Wesens- und Grundstruktur des geschichtlichen Lebens an der S p r a c h e einsichtig ma dien I Vgl. „Bericht", S. 280 ff. 61 Im Hinblick auf diesen Tatbestand hat K. Jaspers in seiner Psychologie der Weltanschauungen, Berlin 1925, noch die „selbstreflektierte Einstellung" neben den anderen dargelegt, die im wesentlichen meinen geistigen Unterschichten (Kategorien) entsprechen.

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also „von dem etwas ausgesagt wird". Mit Recht so in den Nominalsätzen der formalen Logik, z. B. S ist P, Alle Menschen sind sterblich. In dem Satze: ich töte ihn ist im Idg. das subjectum jedoch zum aktiven „Täter" geworden52. Eine kennzeichnende Wendung I II. Was sodann die Qualität geistiger Wesenstypen betrifft, so verdanken wir G. v. d. G a b e l e n t z wichtige Ansätze53 hinsichtlich des Zusammenhangs von „Volksgeist" und den Erscheinungsformen der Sprache: „Sprachgewohnheiten sind Denkgewohnheiten: was im Denken eines Volkes nach Ausdruck ringt, das findet seinen Ausdruck in der Sprache." In diesem Sinne geht v. d. Gabelentz den U b e r e i n s t i m m u n g e n zwischen M a l a i e n und S e m i t e n nach: die gleiche Wortfolge, Abneigung gegen komplizierte Satzgebilde, woraus v. d. Gabelentz auf Mangel an logischem Bedürfnis schließt. „Begabung" und „Eingreifen in die Weltgeschichte" werden mit dem Verlangen, sich fremde Kulturgüter anzueignen und das Gelernte weiterzuverbreiten, in Beziehung gesetzt. Die Stellung des Verbums vor dem Subjekt wird als Ausdruck lebhafter Sinnlichkeit gedeutet, die lose Aneinanderreihung einfacher Sätze als eine „Gesinnung", die lieber ansammelt als aufbaut, die lieber erzählt als systematisch entwickelt usw. In entsprechender Weise geht der Vergleich zwischen den W e s e n s v e r s c h i e d e n h e i t e n der M a l a i e n und U r a l a l t a i e r einerseits und ihren Sprachgewohnheiten andererseits vor sich: Verhalten und Schicksal sind entgegengesetzt — gegensätzlich auch ihre Sprachen. Der „bedächtige" Uralaltaier baut den Satz Stück für Stück auf: erst nennt er das Subjekt (als „Ursache"), dann die „Erscheinung". Das Bestimmende wird dem Leitglied „vorsorglich" vorausgeschickt. Uberall äußert sich ein ausgeprägter Ordnungssinn. Der „sinnliche und leidenschaftliche" Malaie, der übrigens kein „sanguinischer Augenblicksmensdi" ist, also zu „warten" versteht, stellt zunächst etwas Fertiges hin und bessert dann nach, eine Tat des „Vergnügens" und „mühevollen Fleißes". So auch seine Art praktischen Schaffens. Der bestimmte Artikel, auf Anschaulichkeit hinzielend, ist in den malaiischen Sprachen weit verbreitet, nicht so in den uralaltaischen. Hier Hypertrophie der Kasus, dort dürftiger Ersatz. Alle diese Spracherscheinungen sucht G. v. d. Gabelentz auf die Verschiedenheit geographisch-landschaftlicher Bedingungen („Ursachen"), auf Klima und Bodengestalt, auf die daraus folgende Lebensweise und die sich hieraus ergebenden A n s c h a u u n g s w e i s e n u n d C h a r a k t e r e i g e n s c h a f t e n zurückzuführen. Schließlich werden auch die Sprachen der Bantu- u. a. Völker unter den angegebenen Gesichtspunkten betrachtet54. Vieles ist mehr genial geschaut, weniger fundiert 52 M 54

Siehe Th. Kalepky, Neuaufbau der Grammatik, Leipzig — Berlin 1928, S. 23 f. G. v. d. Gabelentz, „Sprachwissenschaft", S. 387 f., 411 ff., 415 ff. In einer neueren Aibedt (Lexis III, S. 109 ff.) über die „Struktur (!) des Kym-

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Aber ein erster Wurf! In neuerer Zeit hat B. M a l i n o w s k i in seinem wertvollen Beitrag zu Ogden-Richards, „Meaning", auf die Zusammenhänge zwischen Linguistik und Ethnographie, allerdings für einen kleinen Kreis (Trobriand-Spradie), hingewiesen 55 . Wir stehen also erst im Vorhofe der Erforschung und Aufstellung von geistigen Wesenstypen. Die Verwirklichung des ausgerichteten Ziels, die Herausarbeitung von Typen geistiger Wesensverwandtschaft, wie sie G. v. d. Gabelentz vorschwebten, liegt noch in weiter Ferne. Damit vergleiche man die Antworten, die auf dem Pariser Internat. LinguistenKongreß auf die diesbezügliche Fragestellung erfolgt sind: Dans quelle mesure peut-on asseoir sur l'étude des catégories (?) une classification structurelle des langues? „Actes" VI, p. 430. Wohl ist auf dem Gebiete von Einzelsprachen, namentlich der neueren Sprachen, schon mancher Vorstoß in der geforderten Richtung getan. Ich weise hier auf M. D e u t s c h b e i n s , P h . A r o n s t e i n s und F. S t r o fam e y e r s stilistische Arbeiten 56 , auch auf E. Wechßler und K. Voßler und E. R. Curtius hin. Die stilistischen Werke C h. Β a 11 y s tragen einen etwas anderen Charakter, doch werden auch hier französische und deutsche Geistigkeit gegeneinander abgewogen 57 . Systematisch wird die vorliegende Frage behandelt von dem Romanisten E u g e n L e r c h . Er faßt seine Betrachtungen folgendermaßen zurischen" erklärt W. Preusler aus dem raschen Tempo der Rede eine Anzahl „charakteristischer Züge" des Kymrischen: die starke Verwischung der Wortgrenzen und damit zusammenhängend der Anlautwedisel im Zusammenhang der Rede (aller keltischen Sprachen), die lautliche Reduktion vortoniger Silben, vielleicht auch der Ersatz der Flexion beim Nomen und Pronomen durch Wortstellung und Präpositionen etc. Bestehen mit diesem typischen Grundzug gewisse Korrelationen wie die „statische" Auffassung der Welt, die einem „starken Gefühl für das Substantielle" entspricht? M Vgl. auch den Report of the Commission set up by the International Council foT Philos, and Humanit. Studies 1951 (UNESCO); — J. R. Firth, „General Linguistics", p. 77 f. 56 M. Deutsch bein, Neuenglische Stilistik, Leipzig'l932, S. 18 ff. Auch die verstreuten sprachpsychologischen Begründungen seines Systems der neuenglischen Syntax, Cöthen 1917¡ — Fritz Strohmeyer, Der Stil der französischen Sprache, Berlin 1910; ausführliches Material findet sich in meiner Methodik und Didaktik des neusprachlichen Unterrichts, Bielefeld u. Leipzig 1925, S. 338, und in meiner Allgemeinen Erziehungslehre, Leipzig 1928, S. 111 ff.; s. dazu E. Eckhardt, Englische Stilistik, Päd. Zentralbl. 13 (1933), S. 260 ff. 07 Ch. Bally, „Linguistique générale", p. 201 f., 285 ff., 341 ff.: „séquence progressive" des Französischen: Hang zur Verdichtung der Gruppe, „séquence anticipatrice" des Deutschen: Hang zur Verselbständigung. Vorliebe des Französischen für einfache Wörter, Neigung des Deutschen für komplexe Wörter. — Daß man nicht vorsichtig genug sein kann bei der Beurteilung fremder Geistigkeit, beweist M. Bréals Kritik an deutschen Werken („Sémantique", p. 308) sowie W. Wundts Einspruch gegenüber A. Darmesteters Arbeitsweise („Die Sprache" II, S. 567 Anm.).

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sammen: „Damit aber wird ein Zusammenhang angenommen zwischen den Eigenheiten einer Sprache und den seelischen Eigenschaften derer, die diese Sprache s p r e c h e n . . A n anderer Stelle unterscheidet Eug. Lerch zwischen der historischen Forschung und der ahistorisch-psychologischen, ich möchte sagen: phänomenologischen Betrachtungsweise auf linguistischem Gebiete. Er denkt dabei an die apriorische Grammatik und spricht von einem „apriorischen System" der Grammatik 58 . E. Kehren wir nun zu dem Thema zurück, das im Hintergrund aller Erörterungen über den „Typus" stand: Struktur und System, daneben Beziehung (Relation) und zuletzt auch Still 1. „ S t r u k t u r " meint, wie wir gesehen haben, eine gegliederte Ganzheit, deren wesentliche Züge aufeinander „bezogen" und abgestimmt sind, und zwar mit „Beziehung" auf einen geistigen Kern. Nur auf diese Weise können die einzelnen Sprachtypen, vom geisteswissenschaftlichen Standpunkt aus, in sich bestimmt und voneinander gesondert werden. a) „ S t r u k t u r " eignet zunächst einem an und für sich bestehenden „Texte", d. h. der mehr oder weniger abgeschlossenen Einheit — einer Äußerung bis hin zur umfassenden Ganzheit — der historisch gewordenen Sprache. Jede Rede h a t von Natur aus eine Struktur im ganzen und im einzelnen v o r aller gedanklichen Analyse. b) „ S t r u k t u r " bedeutet sodann die durch systematische Analyse einsichtig gemachten „Beziehungen" (Korrelationen) der einzelnen Wesenszüge eines Typus untereinander sowie auf den geistigen K e m eines „Textes". Diese Einsicht setzt eine Kenntnis des grammatisdien Systems der betreffenden Sprachtypen voraus, d. h. ihrer syntaktischen „Beziehungen" und auch des „Gefüges" von Begriffsbedeutungen, was im nächsten Kapitel („Wortlehre") zu zeigen ist. Wir haben bereits erkannt (S.57ff.), daß der Aufbau der Beziehungslehre vom I n h a l t der Beziehungsbedeutungen, also vom grammatischen „System" her auch von dieser Seite zu einem Einblick in die „Struktur" geführt hat. So greifen „Struktur" und „System" ineinander, sich wechselseitig aufhellend, vom Ganzen des Sprachtypus bzw. von den Einzelerscheinungen der betreffenden Sprache her — wie auch die verschiedenen Bedeutungen von „Beziehung"! 2. Vom „Stil" sprechen wir dagegen im Hinblick auf den i n d i v i d u e l l e n S p r e c h a k t59. Wir verstehen also unter dem persönlichen »Stil* die mehr oder weniger bewußte und angemessene Auswahl des 58

E. Lerch, Nationenkunde durch Stilistik, Festschrift für E. Wechßler 1929, S. 357 ff.; Die Aufgaben der romanischen Syntax, Festschrift für Ph. A.Becker, Heidelberg 1922, S. 84 ff. Audi die kurzen Hindeutungen in Lexis I, S. 14 ff. M über die Beziehungen zwischen Stil und Stilistik (Stillehre) siehe meine Broschüre: Was versteht man unter Stil? Leipzig 1914, S. 10 ff.; „Sprache und Sprachbetrachtung", S. 43 ff. — Eug. Coseriu (Sistema, Norma y Habla, Montevideo 1952, S. 71) unterscheidet Sprachsystem und Sprachnorm.

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Sprechenden unter den verfügbaren Sprachmitteln einer Sprachgemeinschaft, und zwar zu einem bestimmten Zweck, d. i. Klarheit bzw. (ästhetische) Anschaulichkeit, Kürze, gütige bzw. verantwortungsbewußte Rücksichtnahme auf den Mitmenschen, religiöse Scheu — dieselben Richtkräfte also, welche den Sprachwandel (s. unten) beherrschen und die, je nach dem Menschentypus, den tiefsten geistigen Ansatzpunkt für den persönlichen Lebens- und Sprachstil des einzelnen Menschen begründen 80 . Wenn man vom »Stil" einer Sprache statt von der „Struktur" gesprochen hat, ζ. B. Fritz Strohmeyer, so ist das im übertragenen Sinne gemeint, insofern auch der Sprachwandel „gewählt" hat unter den menschlichen Sprachmitteln, diesen oder jenen Sinnrichtungen nachgehend, je nach dem «Typus" des entsprechenden Volkes 81 . Wenn wir .Grammatik" sagen, so müßte es vielmehr „ S t i l i s t i k " heißen, soweit die neueren Grammatiker geneigt und befähigt sind, die alte abstrakt-formale Grammatik der Einzelsprachen durch eine sinnund inhaltbezogene Sprachlehre zu ersetzen. Sie geht auf die geistige Struktur, die innere Sprachform im umfassenden Sinne eines Idioms. Es waltet hier das gleiche Verhältnis vor wie zwischen der alten, formalen Logik und der sich anbahnenden neueren Logik, ζ. B. im Sinne des bereits erwähnten H. Lipps. Dagegen wird die Allgemeine Sprachwissenschaft, wie es die Bezeichnung sagt, immer das Allgemeine erforschen, also von Natur „formal" — aber nicht sinnfrei — sein, gleich der Allgemeinen Logik. Hier eröffnen sich große Ausblicke. Damit hoffe ich, wenn auch auf weiten Wegen, das Verhältnis von .Struktur" und System", vor allem von „Beziehung" (relation, rapport) und „Beziehung" (Beziehungsbedeutung), geklärt zu haben. Bei F. de Saussure und seinen Nachfolgern fließt das ineinander (vgl. dazu oben S. 45 f.). Dazu abschließend ein gedrängtes Wort über die von uns vertretene Sprachbetrachtung auf Grund der kategorialen Sinnrichtungen und über ihre Auswirkungen, die im Augenblick noch gar nicht zu übersehen sind. 1. Das aus der Sprache genommene Strukturgefüge der Schichten und Kategorien ist wohl angetan, zur Aufhellung des Selbstbewußtseins, des Selbstverständnisses beizutragen und so eine Phänomenologie des Be6 0 Ähnlich Buffon kann mithin H.Lipps, .Untersuchungen", S . 7 9 , e r k l ä r e n : . M e i n e Sprache — das bin ich selbst I" 6 1 Knud Togeby, Structure (!) immanente de la langue française, Kopenhagen 1951, hat wohl dieser Gedanke vorgeschwebt. — A u d i A. M a r t y kommt diesem Gedanken nahe (a.a.O., S. 142 f.). Er erklärt zunächst, daß „nicht die Sprache als ein Ganzes", sondern . d a s einzelne Bezeichnungsmittel" eine figürliche innere Sprachform habe. Dann gibt er zu, daß verschiedene AusdTucksmittel derselhen Sprache oder Sprachfamilie unter sich . e i n e n einheitlichen Stil (!) zu zeigen pflegen", der auf die allgemeine „Richtung der Phantasie und der Vorstellungsgewohnheiten" hinweist, was man den „Geist oder Genius" der Ausdrucks w e i s e nennt.

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wußtseins, das Selbstverständnis des menschlichen Geistes zu begründen®8, und kann dabei von einem vertieften Geschichtsunterricht (auch auf der Hochschule!) unterstützt werden 63 . Wenn der objèktive Geist, seine Objektivationen in der Kultur und die subjektiven Selbstverwirklichungen im einzelnen wie im Menschentum, eine Mannigfaltigkeit gegliederter Ordnungen in sich enthält und dieses immanente Ordnungssystem zur Herausarbeitung in sich strukturierter Typen weiterdrängt; wenn das eine gemein menschliche Vermögen sich in den Erscheinungsformen der vielen Sprachen kundtut und mittels der Allgemeinen Sprachwissenschaft zu erschließen ist 64 , so sollte doch diese Aufgabe endlich einmal in Angriff genommen werden, und zwar, durch Rückgriff auf die übergreifenden Kategorien unserer Welt, was in unseren Schulen theoretisch schon vorbereitet werden könnte und in eine vernünftige Philosophische Propädeutik einmünden würde. Nur so kommen wir zu einer Konzentration geordneten Wissens unter geordneten Gesichtspunkten gegenüber der Masse erdrückender Einzelerkenntnisse. Das haben die Begründer der Berliner Universität wohl gesehen. Schelling geht auf das „Urwissen" zurück, .von dem alle Wissenschaften ausfließen", und nach Schleiermacher sollte .die wissenschaftliche Form der Einheit und des Zusammenhangs frühzeitig deutlich angeschaut werden" ¡ Fichte fordert ein „Bewußtsein von der notwendigen Einheit alles Wissens", sonst ist der mit Stoffwissen überladene Mensch nur „eine leidlich eingerichtete Maschine" 65 . Das ist auch der einzig richtige Grundgedanke des echten Studium generale, das allerdings in der Praxis wesentlich anders aussieht! Ebenso eines Schuljahres, das zusammenfassend und durchleuchtend unsere Jugend zur wissenschaftlichen Arbeit der Hohen Schulen hinführt. Aber dazu fehlt uns zunächst die darauf vorbereitete Lehrerschaft. Und dafür wären dann wiederum die Hochschulen selbst verantwortlich, welche das 6 2 N. Hartmann, . D a s Problem des geistigen Seins", S. 561 f.; — H. Heimsoeth, Geschichtsphilosophie, Berlin 1942, S. 5; — B. Liebrucks, Bericht über den 3. Kongreß für Philosophie in Bremen 1950, München 1952, S. 100. e s Siehe die Anm. 50, S. 89: Einblick in . d i e geistige, überzeitliche Struktur des geschichtlichen Lebens". Liegt doch auch deT gesamten Leibnizschen Philosophie wie im besonderen seiner C a r a c t e r í s t i c a Universalis die Idee der Ordnung, des alten . o r d o " , zugrunde. 64 W . D i l t h e y , .Der wissenschaft", S. 12.

Aufbau",

S. 147, 213;



G. v. d. Gabelentz,

.Sprach-

6 5 Leicht zugänglich gemacht v o n E. Spranger in F. Meiners Philos. Bibliothek, Bd. 120. — Die Sehnsucht nach Vereinheitlichung des Bildungswesens und der Erkenntnis kommt auch in der neueren amerikanischen Literatur immer wieder zum Ausdruck, w o man von integration, unity (of subjects), . m a j o r i n g " scheme spricht, auch in d e i Idee der units, des functional knowledge im Anschluß an die Field TheoTy, der . G e s t a l t Psychology" und des Behaviorism. Vgl. H a r v a r d Committee, Allgemeinbildung in einem freien Volk, Stuttgart 1949, S. 48 ff., 108 ff., 116 ff. — R. Münch, Lernkunde und Lehrkunst, H a n n o v e r 1952, S. 144 ff.

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gediegene und ernste Fachwissen zunächst einmal auf ein Studium generale hinführen müßten (vgl. oben S. 88 f.). Nur auf Grund eines Systems der Schichten und Kategorien unserer geordneten Welt eröffnet sich audi die Möglichkeit eines wirklichen Einheitsschulgedankens, der meist in der bequemen Form äußerer Organisation stecken bleibt. Ich sehe jedoch wertvolle Ansätze69, in dem aufgewiesenen Sinne, in der Rede des früheren hessischen Kultusministers E. Stein, die weiter durchdacht — vor allem aber einmal praktisch durchgeführt werden müßten. 2. Der systematische Aufriß birgt zugleich den geschichtlichen Weg wissenschaftlicher Forschung in sich: Nach dem Individualismus der Renaissance bricht das Zeitalter vorwiegend m a t h e m a t i s c h - p h y s i k a l i s c h e r Wissenschaft an, das als „Physikalismus" die Folgezeit b i o l o g i s c h e r Forschung weitgehend beherrscht, wie wir jetzt noch, im Fortschritt g e i s t e s w i s s e n s c h a f t l i c h e r M e t h o d e n , wesentlich biologisch denken — und leben, was die Geschehnisse in und nach den beiden Weltkriegen zur Genüge dartun (vgl. dazu W. Dilthey, Ges. Schriften VII, S. 88 ff.). 3. Und damit kommen wir zur Hauptsache. Unsere linguistische Forschung gibt sich den Anschein, als ob das letzte Ziel der Sprachwissenschaft die Sprache sei. Des sind die Berichte über die Intern. LinguistenKongresse unübersehbare Zeugen87. Demgegenüber möchte ich behaupten, daß alle Wissenschaften und vornehmlich die Sprachwissenschaft ihr Ziel verfehlen, wenn sie nicht zum Selbstverständnis des Menschen und der Menschen untereinander führen. Der tiefste Sinn der Linguistik und gerade der Allgemeinen Sprachwissenschaft, also über die Universale (Vergleichende) Sprachwissenschaft hinaus, ist der Mensch, der s p r e c h e n d e M e n s c h , der in der kritischen Begegnung mit seiner Sprache zur Selbsterkenntnis und Selbstüberwindung durchdringt und in der „Aussprache" mit seinen Volksgenossen und mit anderen Völkern zum eigenen und fremden V e r s t e h e n , zum verantwortlichen Dienst am Menschen heranreift. Ein vorzügliches Mittel zur Vollendung dieser erhabenen Aufgabe ist das idiomatische Her- und Hinübersetzen, d.h. aus der fremden und in die fremde Sprache, das sich nicht bescheidet mit einer wörtlichen Wiedergabe der gegebenen Vorlage, sondern eine schöpferische Umsetzung einer ·• Hessische Beiträge zur Schulreform: Die neue Erziehung, S. 23: „Nur von diesem Gefüge der Wirklichkeitsbereiche selbst und der Struktur der Lebenswirklichkeit des Menschen lassen sich die Bildungsgüter in Einzelfächer und Fächergruppen aufgliedern, die der Lebenswirklidikeit wirklich entsprechen." " Aber doch Fr. Stroh, Allgemeine Sprachwissenschaft und Philosophie, Behaghel-Festsdirift, Heidelberg 1934, S. 249, und Symphilosophein, Bericht über den 3. Kongreß für Philosophie in Bremen 1950, München 1952, S. 100, 121 (B. Liebrucks).

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G e i s t e s a r t in eine v ö l l i g a n d e r e in einer besonderen Situation bedeutet — ein idiomatisches Sprechen in zwei verschiedenen Stilebenen, das mit „formaler Grammatik" n i c h t s zu tun hat. Sie beginnt mit dem Verstehen eines strukturierten W e s e n s t y p u s und führt zu seiner Umprägung in eine ganz andere Geistigkeit: zu der Umformung der eigenen Haltung mit Hilfe des hohen Gutes der menschlichen Sprache. So wird M e n s c h e n b i l d u n g möglich. Daher ist das Verstehen, die Aufdeckung und Erschließung von Sprachtypen aus ihrem g e i s t i g e n K e r n eine der wichtigsten Aufgaben der Allgemeinen Grammatik.

t Otto, Sprachwissenschaft

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VI Wortlehre Das Vorstehende ist wesentlich den grundlegenden Fragen der Satzlehre gewidmet. Dabei war es nidit zu vermeiden, die der Satzlehre gezogenen Grenzen zu überschreiten und in das Gebiet der Wortlehre einzubredien, ζ. B. zwecks Unterscheidung von Begriffs- und Beziehungsbedeutung und bei Gelegenheit der Gliederung der Gesamtgrammatik (S. 9 ff., 38 ff.); desgleichen bei der Erörterung über den Sinn der Struktur (S. 62 ff.). Ist doch der sprechende Mensch eine Einheit, also auch die Sprachwissenschaft.. Wir stellen nunmehr die W o r t l e h r e in den Blickpunkt der Erörterung, und zwar die allgemeinen Fragen der Wortlehre, ihrer semantischen Struktur: eine „allgemeine Wortschatzkunde", wie sie ähnlich G. v. d. Gabelentz vorgeschwebt hat („Sprachwissenschaft",. S. 482 ff.). Das Wort umfaßt den akustisch-motorischen Wortkörper, von dem im letzten Kapitel (Sprechakt) noch zu sprechen ist, und die Wortseele, den lebendig machenden Gehalt, der hier im Vordergrund steht. A. Wir schicken einige Bemerkungen zur Klärung wichtiger Fadiausdriicke voraus: Name, Bedeuten, Nennen (Meinen), Bezeichnen, Bedeutung und Sinn. I. Name. A. M a r t y unterscheidet e i n f a c h e Namen, wie ζ. B. Pierd; Tier; Mann, und g e g l i e d e r t e Namen, wie ζ. B. ein großer Mann; ein Mann, welcher ein Verbrechen begangen hat. „Die Namen sind Zeichen unserer Begriffe oder Vorstellungen, indem sie solche in uns erwecken". Namen sind Konkreta. Dagegen sind Ausdrücke wie Vorgestelltes, Gesehenes nach Brentano-Marty keine Namen, da sie weder ein Ding noch die Eigenschaft eines Dinges bedeuten. Diese Ansicht ist nur aus der oben (S. 14) dargelegten Lehre von den auto- und synsemantischen Ausdrücken zu verstehen. Vom Standpunkt der Logik sondert A. S t Ö h r (Lehrb. S. 103 ff.): 1. Nach der Zahl der Exemplare: Gattungsnamen, Eigennamen und Eigenschaftsnamen (Kälte, Gerechtigkeit). 2. Nach dem Vorstellungsinhalt: Geschehnisnamen (Fliegen, Flug), Beharrungsnamen (Liegen, Schlaf), indifferente Namen (Hund, Stein). Weitere Einteilung der indifferenten Namen: a) Gestalten, Figuren, Flächen, Linien usw. 98

b) Stoffnamen, Sammelnamen, Dingnamen, Eigenschaftsnamen, unabgeleitete Eigenscäiaftsträgernamen (hart, rot) usw. Die Unzulänglichkeit solcher Gliederungen verstärkt die Forderung nach einer vertieften Strukturlehre der Semantik. Zur Theorie der immer wieder verkannten A b s t r a k t a sei hier folgendes hinzugefügt. Wir haben in dem Kapitel über die Wortarten festgestellt, daß es deren vier auf Grund der fundamentalen Beziehungsbedeutungen gibt: Substantiv, Adjektiv, Verb und Relationswort. Zwecks freier Verwendung in der Rede als Namen (als Subjekt, Objekt usw.) kann man jede Wortart — nicht jedes Wort —, also die Wörter, die in bezug auf die Wirklichkeit ursprünglich eine Eigenschaft, einen Vorgang oder eine Relation angeben, s p r a c h l i c h zu einem N o m e n umprägen, d. h. ihm kategorial die Beziehungsbedeutung eines Substantivs ermöglichen, ζ. B. schön > Schönheit, wie man umgekehrt von Substantiven andere Wortarten ableiten kann, ζ. B. der Trotz, trotzig, trotzen, trotz. Diese Möglichkeit kategorialer Umwandlung im Rahmen der Satzstruktur gilt wechselseitig zwischen allen vier fundamentalen Wortarten und ihren weiteren Differenzierungen, ζ. B. glücklich, glücklicherweise. Das hat vielleicht John Locke auch gemeint, wenn er bemerkt, daß komplexe Vorstellungen (bzw. essences of mixed modes) der Bequemlichkeit zwecks Verständigung dienen 1 . II. Zwischen Bedeutung und Bedeuten scheidet man wohl tunlichst in dem oben angegebenen Sinne (S. 44), d.h. je nach (historisch gewordenem) Sprachgut bzw. Sprechakt 2 . Die „Bedeutung" eines Wortes umfaßt: a) die Begriffsbedeutung des geschichtlichen Sprachgutes 3 . Sie ist exakt (Dreieck, im wissenschaftlichen Sinne), ζ. T. geregelt (Leutnant) oder vage (Mensch) ; b) den Stimmungsgehalt, je nach Zeit und Ort (Sprachgemeinschaft) variierend, ζ. B. Monarchie*; 1 J o h n Lodce, An Essay Concerning Human Understanding, Of Words, W o r k s 1801 (1824), London, II. Band, 3. Buch, 5. Kap., § 7. 8 Der Gebrauch bei Marty scheint zu schwanken; vgl. .Untersudlungen" I, S. 195 ff., 280, 383 ff., 388, 433. — Die klassische Formulierung John Lockes, a.a.O., 3. Buch, Anfang des 2. Kapitels, bietet wichtige Ansätze: „The use then of words is to be sensible marks of ideas; and the ideas they stand for are thair proper and immediate signification." ' Vgl. A . M a r t y , „Untersuchungen" I, S. 497 ff., 501 ff.¡ — Edm. Husserl, „Logische Untersuchungen" II/l, S. 80 ff. * Nach Torgny T. SegeTStedt, Die Macht des Wortes, Zürich 1947, ist die Sprache „eine Offenbarung des Nationalgeistes" (S. 9), hat eine soziale Funktion (S. 104 ff.) und weist vier „Sinn-Aspekte" auf (mit Richards gesprochen): Man spricht über einen Gegenstand (sense), in einer bestimmten Gefühlshaltung (feeling), nimmt seinen Zuhörern gegenüber eine bestimmte Haltung ein (tone), und zwar zu einem bestimmten Zweck, der unsere Sprache in diesem Sinne modifiziert (intention). Das geht über die linguistische Sphäre hinaus und betrifft bereits die philologische Seite (S. 91 f.).



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c) die durchschimmernde, mehr oder weniger lebendige Begleitvorstellung! Marty sagt dazu: „figürliche innere Sprachform", ζ. B. idi bin entsetzt. Hierher gehören auch die Übertragungen; d) etwaige assoziierte Nebenvorstellungen auf Grund der Lautung (z. B. Xantippe) oder des Gehaltes (z. B. Gott — Güte), also auch sich wandelnde Reproduktionen. Auf das „Bedeuten" im Sprechakt bezieht sich die Unterscheidung von „habituell" und „aktuell" der vagen Ausdrücke, insofern die „übliche Bedeutung", je nach Satzzusammenhang und „Beziehung" auf die Umwelt, variiert. „Habituell" ist die Bedeutung, die ein Ausdruck haben kann; „aktuell" ist das Bedeuten, das ein Ausdruck in der bestimmten Rede gerade hat (cf. A. Marty, „Untersuchungen" I, S. 498 f.). Solche Wörter wie Strauß (Blumen — Tier — Kampf] werden „äquivok" genannt (s. unten „Kontext"). J e nachdem, ob infolge der „Initiative eines Neuerers" (Marty) eine Bedeutungsverschiebung sich später durchsetzt oder verschwindet, wird man von „Bedeutung" bzw. „Bedeuten" sprechen. Hier bricht der Zusammenhang beider Termini auf. Ganz anders sind die „wesentlich subjektiven Ausdrücke" (ich, hier), die von Natur eine Funktion der sich äußernden Person bzw. der Umstände darstellen. III. Benennen und Nennen. Man „benennt" die Vorstellung einer Person oder einer Sache auf Grund ihrer Merkmale, indem man einem sprachlichen „Zeichen" eine Bedeutungsintention zuordnet, was auch mittels eines Bildes (figürliche innere Sprachform) geschehen kann. Hier liegt die Geburt des „Namens". Die Verschmelzung von Sprachkörper und Bedeutung kann naturhaft erfolgen wie im Falle der onomatopoetischen Wörter. Im Akte der Benennungen haben wir es aber zunächst mit mehr oder weniger bewußten bzw. unbewußten Zuordnungen, also äußeren Assoziationen zu tun. Im Laufe der Jahre, der Jahrhunderte durchdringen sich dann Physisches und Psychisches zu einer Einheit, den Gesetzlichkeiten des betreffenden Idioms gemäß, so daß es abwegig ist, hier von „Zeichen" zu sprechen. Sprachkörper und Bedeutung bilden dann vielmehr nur verschiedene Aspekte ein und derselben Sache5, wie man auch, nach Descartes' verhängnisvoller 5 Bei dieser Gelegenheit weise ich hin auf die wichtigen Arbeiten über die „Beziehungen" von Spradikörper (Schallform) und Bedeutung: A. Debrunner, Lautsymbolik in alter und neuester Zeit, Germ.-Rom. Mon. 14 (1926), S. 321 ff.j — G. Ipsen und F. Karg, Schallanalytische Versuche, Heidelberg 1928, S. 248; — G.Bünte, Zur VeTskunst der deutschen Stanze, Halle 1928, S. 24 f. (Saran); — Egon Fenz, Laut, Wort, Sprache und ihre Deutung, Wien 1940, S. 24: Die Bedeutung eines Wortes ist aus der „Lautungsgebärde" der gesprochenen Laute deutbar; — Felix Trojan, Der Ausdrude von Stimme und Sprache, Wien 1948, S. 9: „Lautstilistik" als Lehre von den Schallbildern; — Fr. Kainz, Die Sprache I (1949), S. 101 ff.; — L. Bloomfield, „Language", p. 245 (snake, snail, sneak, snoop); — Κ. Herman, Die Anfänge der menschlichen Sprache, 1936; — L. Klages, „Die Sprache", S. 120 ff. — W. Porzig, „Das Wunder", I. Kapitel.

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Trennung und den verschiedenen Theorien über das Wesen von Leib und Seele, beide nur als verschiedene Betrachtungsweisen desselben Gegenstandes eingesehen hat. Sprache als historisches Kulturprodukt „ist" eben nicht, sondern wandelt sich; sie „wird" in dem dauernden Fluß der Zeiten, einem unerreichbaren Ziel der Vergeistigung, der Vollendung zustrebend. Von dem Benennen zu unterscheiden wäre das .Nennen". Man „nennt" e i n O b j e k t , indem man die Begriffsbedeutung seines Namens unter einem bekannten Begriff subsumiert. Daher können zwei Ausdrücke wohl Verschiedenes aussagen, aber dasselbe „nennen", z.B. ein gleichseitiges Dreieck — ein gleichwinkliges Dreieck. — Ausrufe „nennen" nicht, ζ. B. Hurra! Au! Wie das Benennen und das Nennen, so bezieht sich auch das Meinen auf den Sprechakt. Wir „meinen" in der Rede intentional Objekte der gegenständlichen, biologischen oder geistigen Wirklichkeit®. IV. Unter Bezeichnen sei der Akt zu verstehen, in dem einem Objekt b e g r i f f l i c h ein Name zuerkannt wird7. So entsteht eine „Bezeichnung". V. Bedeutung, Begriffsbedeutung und Sinn. Unter „ B e d e u t u n g " verstehe idi den historischen Gehalt, den ein Wort zu einer bestimmten Zeit hat: Begriffsbedeutung, Stimmungsgehalt usw. (s. oben unter II); unter „ B e g r i f f s b e d e u t u n g " den (mehr oder weniger) logisdien Kern der sich wandelnden Worte; unter „ S i n n " (Sinnrichtung) die überzeitlichen wie die zeitlichen, kategorial gegliederten Gehalte des Geistes, einer Kultursphäre oder einer geistigen Objektivation bzw. Subjektivation. Uber „Geist" siehe oben S. 82 ff. Der „Sinn" wird mittels der geisteswissenschaftlichen (philosophischen) Psychologie erschlossen, nicht mittels der funktionalen Psychologie (s. unten S. 119 f., 154). Man spricht wohl audi vom Sinn eines Satzes und dgl.¡ da aber eine Verwechslung nicht zu befürchten ist, bedarf es keiner neuen Terminologie. B. „Kontext" 8 . Während die klassische Grammatik vom akustisdi6 Vgl. E. Husserl, „Logische Untersuchungen" II, 1, S. 46 f.; — A. Marty, „Untersudlungen" II, 2, S. 84. — Nach L. Landgrebe, „Nennfunktion", S. 98, 109, 131, liegt das Wesen der Nennfunktion im rein theoretischen Verhalten, dem „Vorsatz", bestimmte Laute als Zeichen für etwas zu gebrauchen. 7 Vgl. L. Weisgerber, Die Bedeutungslehre — ein Irrweg der Sprachwissenschaft? German.-Roman. Monatsschr. X V (1927), S. 181 f.; — B. Quadri, Aufgaben und Methoden der onomasiologischen Forschung, Bern 1952, verzeichnet ein umfassendes Material. 8 Ogden-RichaTds verstehen unter context (a.a.O., p. 58) „a set of entities (things or events) related in a certain way; these entities have each a character such that other sets of entities occur having the same characters and relatèd by the same relation; and these occur .nearly uniformly'." Als Beispiel für die örtliche und zeitliche Berührung geben Ogden-Richards das Zusammentreffen von Anstreichen eines Zündholzes und dem Auftreten der Flamme. Vgl. dazu, was weiter unten von det Lehre der Mentalisten gesagt wird.

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motorischen Lautkörper, der äußeren Sprachform, ausging und die ältere Bezeichnungslehre (Onomasiologie)9 auf das Objekt hinzielte, sucht die neuere Forschung die Wortbedeutung im natürlichen Zusammenhang der gesprochenen Rede zu ergründen, überzeugt, daß das einzelne Wort an sich keine selbständige Bedeutung habe. So auch schon L. Landgrebe (a.a.O., S. 72). B. Malifiowski würde dem aus dem Zusammenhang gelösten Wort nur eine „symbolic relativity" zugestehen10. Ob es sich nun darum handelt, das gesprochene Wort angemessen zu verstehen oder in eine andere Sprache zu „übersetzen", so erschließt sich die genaue Bedeutung eines Wortes doch erst stufenweise aus folgenden Zusammenhängen: 1. Im Zusammenhang der gesprochenen Rede bzw. des »Textes". B. Malinowski spricht in diesem Sinne von „context of sign". 2. Im Zusammenhang einer Handlung, einer Gesprächslage: „context of Situation". Denn Sprache (besser: das Sprechen) ist nichts anderes als „a mode of action". 3. Im Zusammenhang der gesamten Kultur, dem ethnographic background. Diese Gesichtspunkte kamen auf dem VII. Intern. Linguisten-Kongreß ausführlich zur Sprache11. J. R. Firth, a.a.O., p. 118 ff., fügt zu den drei Zusammenhängen (contexts) noch drei Arten von „collocations": 1. der üblichen Rede, ζ. Β. a dark (silent) night, a tender love; 2. der poetischen Diktion, ζ. B. Alliterationen bei Swinburne, wie die Folge: straightening... streamers ... straining; 3. der Briefe früherer Zeiten, ζ. B. bei Dr. Johnson, William Wilberforce. Ich glaube wohl, daß sich in bestimmten Verbindungen die Redeweisen der Poesie bzw. höherer Schichten infolge Schulbildung oder gediegener Familientradition bis heute erhalten haben können, auch in anderen Situationen. Vom Gedanken des Gesamtgefüges (context) ziehen sich Verbindungslinien zu der Theorie der „Struktur", die in dem vorstehenden Kapitel ausführlich dargelegt werden. Damit ergeben sich bestimmte „Beziehungen" zwischen „context" und „structure". • Siehe H. SdiucfaaTdt, Sachen und Wörter, Anthropos V I I (1912), S. 827 ff. 10 Β. Malinowski, „Meaning", p. 309 f. 11 „Prel. Reports", p. 5 ff.: J. R. Firth (London), Er. Buyssens (Brüssel), W . H a a s (Cardiff), S. Ulimann (Glasgow) u. a. — Vgl. J. R. Firth, „General Linguistics*, p. 76; ders., Modes of Meaning, Essays and Studies I V (1951), collected by G. Tillotson, London, p. 118 ff. ; — vgl. zudem Ogden-Ridiards, Meaning, und Br. Malinowski, ebd., p. 296 f.: „The utterance has no meaning except in the context of situation" (p. 306).

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Wenn wir von Wortbedeutung sprechen, kann der Gegensatz von „Mentalisten" und „Mechanisten" in der (englisch-)amerikanischen Literatur nicht übergangen werden 12 . Der von J o h n B. W a t s o n in Amerika begründete Behaviorismus — wie auch die russische Reflexologie J. Pawlows — hatte mit Recht die Entartungen des Darwinismus bekämpft, der in seinen Auswüchsen die Erkenntnisse des Seelen- und Geisteslebens der Menschen kritiklos auf die tierische Psyche übertragen hatte, nun aber das Kind mit dem Bade ausschüttete und die Möglichkeit leugnete, die Bewußtseinsvorgänge im Akt des Bedeutens objektiv erfassen zu können. Es wurde die Umwelt als allein entscheidend gewertet für die Entwicklung menschlichen Bewußtseins, da man alle Unterschiede der Menschen als milieu-bedingt und das menschliche Verhalten selbst als reaktiv ansah. Die einschlägigen Experimente wollten demgemäß die Zusammenhänge von Reiz (stimulus) und Antwort (response) aufdecken. So hoffte man, o b j e k t i v e Einsichten in das Bewußtsein des Menschen •wie auch in das Wesen des Bedeutens und der Bedeutung zu erlangen. Solche Erkenntnisse schienen allgemein nachprüfbar und damit o b j e k t i v g ü l t i g zu sein; für diese „mechanistische" Betrachtungsweise war mithin die Reaktion in einer bestimmten „Situation" entscheidend; das Bewußtsein, auch im Erlebnisakt des Bedeutens ward zur Privatangelegenheit gestempelt, zum Phantasiegebilde der Mentalisten. (Vielleicht erweist sich der Rüdegang auf die apriorische Sinnstruktur als wissenschaftlicher.) So auch L e o n a r d B l o o m f i e l d i n seinem Werke: „Language" (New York 1933). In der Vorrede spricht sich der Verfasser gegen den spekulativen Mentalismus und für den wissenschaftlichen Mechanismus aus: .„Mechanism is the necessary form of scientific discourse." Daher schiebt sich auch die deskriptive Grammatik in den Vordergrund, historische Kenntnisse und Erkenntnisse treten zunächst zurück. Das Ziel der induktiven Verallgemeinerung ist die Allgemeine Grammatik: „The general processes of change are the same in all languages and tend in the same direction." Jede Gesprächssituation ist mannigfaltig durchlagert von sachlichen Ereignissen einerseits und sprachlichen Äußerungen (einschließlich der Gesten) andererseits, und zwar als Reize (stimuli) und den entsprechenden Antworten (responses), z.B. (p. 22): Jack und Jill ergehen sich; Jill ist hungrig und gibt ihrem Verlangen angesichts eines Apfelbaumes irgendwie Ausdruck (Reiz). Jack klettert über den Zaun und übergibt seiner Begleiterin (schweigend oder sprechend) einen Apfel, den sie (als Antwort) ißt. Dann werden Mentalismus und mechanistisch-materialistische Theorie gegenübergestellt und die letztere als wissenschaftlich 18 Nähere Erläuterungen zum Thema: Mentalismus — Antimentalismus geben W. E. Collinson, Some recent Trends in Linguistic Theory with special Reference -to Syntactics, Lingua I (1948), p. 307 f., und Ch. Morris in seiner Sdirift: Signs. Language and Behavior, New York 1946.

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anerkannt. Da wir die subjektiven Erlebnisse o b j e k t i v nicht erfassen können, muß man zu indirekten Methoden greifen, zum Experiment, einschließlich der Befragung der Versuchspersonen (Introspektion!), zur Beobachtung der Menschen in der Masse und ihrer Gebärden (p. 32 ff.). Audi Zeichnungen, Schriften und Drucksachen sind heranzuziehen. Diesem Verfahren widerspricht mit Recht J . R. F i r t h , „General Linguistics", p. 83: .You cannot e x c l u d e the fundamental urges, drives, needs and desires of our animal and social nature." H . J . P o s (The Foundation of Word-meanings. Different approaches, Lingua I [1948], p. 281) vermittelt zwischen beiden Wegen der Bedeutungserklärung: 1. dem subjektiven Weg — vom menschlichen Geist aus (activity òf mind) — und 2. dem objektiven Weg von der Struktur der Wirklichkeit (social reality and the world) aus. Der innere und der äußere Faktor ergänzen einander. Und welcher ist der entscheidende hinsichtlich der Gewinnung objektiver Maßstäbe? C. Feldtheorien 13 . Die Bedeutungen sind noch in anderer Weise objektiv bestimmt. In seinem «Mikrokosmos" führt H. L o t ζ e aus, daß ein Gegenstand nur dann „mit Recht" existiert, wenn er Teil eines „gegliederten Systems der Dinge ist", das ganz unabhängig von unserem Gewahrwerden etwas für sich bedeutet. Auf dem Gebiet der Sprache, und zwar zunächst einmal auf dem der Einzelsprache, erwähnt A d o l f S t ö h r als erster, soweit ich sehe, das „Verhältnis der Begriffsfelder", Felder Und Feldganzheiten. Unabhängig von ihm hat G. I ρ s e η gesehen, daß die „Eigenwörter" in einer Sprache nie allein stehen, sondern in „Bedeutungsgruppen" eingeordnet sind, deren gegenständlicher Sinngehalt mit anderen Sinngehalten verknüpft ist. In diesem Sinne spricht G. Ipsen von dem in sich gegliederten „Bedeutungsfeld", in dem die verwandten Wortbedeutungen in einer „Sinneinheit höherer Ordnung" aufgehen, also auch „strukturell" ausgezeichnet sind. Diese Betrachtungen werden von ihm auf die Lautung und auch auf die Syntax ausgedehnt und weisen hinüber zu W. v. Humboldts Begriff der inneren Sprachform und der ihr zugrunde liegenden Weltansicht. W. Ρ o r ζ i g hat an die ersten Gedanken G. Ipsens angeknüpft und ihn weiter angeregt. L. W e i s g e r b e r unterscheidet ein- und mehrschichtige Felder (Zahlenreihe bzw. Farbfeld), die Fächerung der Wortfelder (ζ. B. das Wortgut im Bereiche „Verstoß"), Ableitungs" H. Lotze, Mikrokosmos, Leipzig 1923, V. Buch, S. 246 ff.; — Ad. Stöhr, Lehrbuch der Logik in psychologisierender Darstellung, Leipzig und Wien 1910, S. 44; — J.Trier, Sprachliche Felder, Deutsche Volkserziehung, 4. Heft, Beiträge zum neuen Deutschunterricht, S. 10 ff. — G. Ipsen, Streitberg-Festschrift, Heidelberg 1924, S. 225; — dexs., Der neue Sprachbegriff, Zeitschr. f. Deutschkunde 46 (1932), S. 14 ff.; — W. Porzig, Indogermanisches Jahrbuch 12 (1928), S. 1 fi., 13ff.; — L. Weisgerber, „Deutsche Sprache", S. 61 ff.; — J.Trier, Der deutsche· Wortschatz im Sinnbezirk des Verstandes I, Heidelberg 1931, S. 2, Anm. 20;: — ders., „Bedeutungsforschung", S. 174 ff., 193. 104

typen (Wortbildung) und audi syntaktische Felder. Die Gliederung des Wortschatzes (Natur — Sachkultur — geistige Welt) weist schon hin auf das große Problem des .Begriffswörterbuches" (s. unten). Schließlich hat J. Τ r i e r praktisch die Zusammenhänge des Bedeutungswandels innerhalb eines Sprachfeldes aufgedeckt und kritisch zu G. Ipsens Theorie Stellung genommen. J.Trier wendet sich gegen dessen .wortstoffliche Betrachtungsweise", die von idg. Wörtern, nicht vom Zusammenhang des Inhalts ausgehe. In diesem Sinne stellt er seine .Sprachinhaltsforschung" („Gliederungsforschung"), die sich auf den Sinn des Sprachganzen gründe, der älteren Bedeutungsforschung Ipsens entgegen, die von der Bedeutung und dem Bedeutungswandel e i n z e l n e r Wörter ihren Ausgang nehme (s.unten S. 111 f.). Doch darf man darüber nichtvergessen, daß diese Forschungsrichtung G. Ipsen sehr wertvolle Anregungen verdankt. Nach J. Trier heißt die .Struktur" einer Feldaufteilung untersuchen: ein Stück innere Sprachform aufdecken, in der sich die .Weltanschauung einer Sprache, die wirkliche begriffliche Aufteilung der Welt" darstellt. So knüpfen diese Deutungen an die im vorstehenden Kapitel dargelegten Gedankengänge an. D. Die Wendung zum apriorischen Grundgefüge der Begriffsbedeutungen. Schon W. v. H u m b o l d t hatte sich dahingehend ausgesprochen, daß es in der .Grammatik" (d. h. der Syntax) wie im lexikalischen Teile manche Spracherscheinungen gäbe, die .ganz a priori bestimmt" und von allen Bedingungen einer besonderen Sprache getrennt werden können. Desgleichen hatte sich W. Ρ o r ζ i g als Sprachwissenschaftler, in Anlehnung an E. Husserl, gegen die .Alleinherrschaft der psychologischen Methode" in der Linguistik gewandt. Es sei die Aufgabe der Logik (und Metaphysik), Wesen und Struktur der Bedeutungen darzustellen, ganz unabhängig davon, was und wie ihnen etwas .sachlich" entspreche (s. S. 140). Ebenso hatte L . W e i s g e r b e r auf Husserl hingewiesen: Sprachliche Erörterungen seien allerdings als Vorbereitung für den Aufbau der reinen Logik notwendig, da sich (logische) Urteile kaum ohne sprachlichen Ausdruck vollziehen lassen. Während jedoch auf dem Gebiete der Psychologie mit individuellen Trübungen zu rechnen sei, bleibe die Bedeutung einer Aussage in der Sphäre der idealen Einheiten dasselbe14. Und nun folgt eine kurzgefaßte Darstellung und Kritik der Husserlschen Bedeutungslehre (S. 33 ff.). Doch fragen wir E . H u s s e r l selbstl Wie wir oben (S.3ff.) bemerkt haben, ist es ihm, dem Phänomenologen, wesentlich darum getan, Apriorisches und Empirisches, Logik und Psychologie grundsätzlich zu 14 W. v. Humboldt, über das vergleichende Sprachstudium, .Ges. Sehr." IV, S. 22; — W. Porzig, Aufgaben der idg. Syntax, Streitberg-Festschrift, Heidelberg 1924, S. 128 ff.; — ders., Idg. Forschungen 44 (1927), S. 307 ff.; — L. Weisgerber, Sprachwissenschaft und Philosophie (zum Bedeutungsproblem), Blätter für deutsche Philosophie IV (1930), S. 17 ff.

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sondern. Da wohl ein gewisser Parallelismus zwischen Denken und Sprechen besteht, insofern wir unsere Gedanken sprachlich zum Ausdruck bringen, ist das Logische uns zunächst in einer sprachlich unvollkommenen Gestalt gegeben 15 . Es ist mithin Aufgabe der Logik, die Begriffe erst einmal zu erkenntnistheoretischer Klarheit und Deutlichkeit zu bringen, d . h . also von dem vagen „Bedeuten" aus weiter vorzustoßen zu dem entsprechenden artikulierten, klaren, mit der Fülle exemplarischer Anschauung gesättigten und sich daran erfüllenden Bedeuten. Schreiten wir dann zu dem sinnverleihenden bzw. sinnerfüllenden Erlebnis fort und fragen, was „in" diesen Akten gegeben ist, so weicht die subjektive Betrachtung der o b j e k t i ν e η , indem wir auf die „SacheQ selbst" zurückgehen und mittels der ideïerenden Abstraktion die „Bedeutungen" in ihrer unverrückbaren Identität zur Evidenz bringen. In dieser Sphäre der „idealen Einheiten" bleibt die „Bedeutung" einer (idealen) Aussage, d. h. der von aller Zufälligkeit der Urteilenden unabhängige, identische Bedeutungsgehalt von Begriffen und Sätzen, dasselbe, wer immer sie behauptend aussprechen mag und unter welchen Umständen und Zeiten immer dies geschehe. Ist die (reine) Logik mithin die Wissenschaft von der theoretischen Einheit überhaupt, so ist zugleich evident, daß die Logik die Wissenschaft von „Bedeutungen" als solchen sowie von den rein in ihnen gründenden (idealen) Gesetzen sein muß. Zu diesen Gesetzen gehören die reinen Denkgesetze, welche den apriorischen Zusammenhang der kategorialen Form der „ B e d e u t u n g e n " und ihrer G e g e n s t ä n d l i c h k e i t bzw. Wahrheit ausdrücken. Vgl. dazu o. S. 7 L Für die Logik wie für die Grammatik entstehe nun die Aufgabe, die das Reich der „Bedeutungen" umspannende apriorische Verfassung herauszustellen und das apriorische System der formalen Struktur in einer „Formenlehre der Bedeutungen" zu erforschen, die also alle sachliche Besonderheit der Bedeutung offenläßt 16 . Als Beispiel einer Modifikation nehme man die beiden Sätze: dieser Baum ist grün (prädikativ) — dieser grüne Baum (attributiv). Abgesehen von seiner syntaktischen Funktion (d. h. den Arten der Beziehungsbedeutung), bleibt das Beispiel unge16 Audi M. Heidegger zieht einen Trennungsstrich zwischen Sprechen und Logik (und Psychologie). An und für sich sei jedes Sprechen alogisch. „Die Logik beginnt erst h i n t e r der Sprache oder mittels der Sprache, aber nicht vor ihr oder ohne sie." Der „sprachliche Gedanke" sei eine Sache für sich und wesentlich anderes als der logische Gedanke. Daher lehnt er auch das Zwitterwesen der „logischen Grammatik" ab. Der grammatische Sprachgebraudi läßt sich nicht aus der Logik ableiten. Aber die philosophische Reflexion kann von den Bedeutungen reduktiv zu den kategorialen Momenten zurückgreifen, und die logische Struktur des Geistes kann von der Logik der Sprache aus untersucht werden. M.Heidegger, „Kategorienlehre", S. 161 ff. " E.Husserl, „Log. Untersuchungen" II, 1¡ S. 5 f., 14, 42 f., 91 ff., 325 f.¡ — vgl, dazu A. MaTty, „Untersuchungen" I, S. 56 ff. und E. Husserl, „Log. Untersuchungen" II, 1; S. 340 ff.

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ändert; es hat einen identischen Kern, die Form der Umwandlung untersteht aber apriorischen Gesetzmäßigkeiten. Demnach hat die Sprache nicht nur ihre physiologischen, psychologischen und kulturhistorischen Fundamente, sondern auch ihre apriorischen Fundamente. Es ist die Aufgabe der apriorischen (beziehungsweise der Allgemeinen) Grammatik, solche Gesetzmäßigkeiten der Grundformen von Sätzen zu erforschen. Wie bereits oben (S. 4) dargelegt ist, kann dann auf Grund des „idealen Gerüstes" eine i n h a l t b e z o g e n e Bedeutungslehre (sowie Beziehungslehre) in Angriff genommen werden, die das gemeinsame Werk von Linguisten und — wohl zum größten Teil — von sprachwissenschaftlich geschulten Philosophen sein mag. E. Die sprachlichen Grundlagen. I. In H u m b o l d t s Schriften, ζ. B. sehr stark ausgeprägt in der Arbeit: über das vergleichende Sprachstudium in Beziehung auf die verschiedenen Epochen der Sprachentwicklung („Ges. Schriften" IV, S. 19ff.), drängt sich immer wieder der leitende Gedanke vor, daß jegliche Sprache ihrer „ V o l l e n d u n g " nachstrebe. Was heißt hier „Vollendung"? Weist diese Idee in die Richtung der „idealen" Bedeutungseinheit E. Husserls? Und welches ist diese Richtung im besonderen — und das Ziel? II. L W e i s g e r b e r 1 7 unterscheidet im Rahmen des „Menschheitsgesetzes" der Sprache drei Gesetze: das Gesetz der Sprachgemeinschaft (Sprachsoziologie), das Gesetz der Muttersprache (Sprachpsychologie) und das Gesetz des sprachbedingten Daseins (Sprachphilosophie). Das erstere, das Gesetz der Sprachgemeinschaft, betrifft wesentlich die Muttersprache als „geistschaffende Kraft", d. h. nicht etwa, daß die Muttersprache „den Geist" schlechthin schafft, sondern daß die Muttersprache selbst zunächst einmal geistgeschaffen ist und dazu geistig schaffend wirkt, indem sie aus dem Wesen des menschlichen Geistes die gedankliche Welt «ines Volkes und des einzelnen ausformt. L. Weisgerber knüpft an Humboldts Wort an, daß jede Sprache ein Weg sei, um mit der ihr innewohnenden Kraft die Lebenswelt, d. h. die v o r g e f u n d e n e W i r k l i c h k e i t in das Eigentum des Geistes umzuschaffen. Als treffendes Beispiel kann man die verwandtschaftlichen Verhältnisse der Menschen aufgreifen 18 , die, objektiv betrachtet, für alle 17

L. Weisgerber, Das Gesetz der Sprache, Heidelberg 1951, S. 20 ff. — ders., Von den Kräften der deutschen Sprache I, Die Sprache unteT den Kräften des menschlichen Daseins, Düsseldorf 1949, S. 49; — L. Klages, „Die Sprache", S. 321 ; er sagt kennzeichnend, es liege die Weltanschauung zwischen der Wirklichkeit und der Sprache. 18 Wilhelm Schoof, Die deutschen Verwandtschaftsnamen, Ztschr. f. hochdeutsche Mundarten I (1900), S. 193 ff., untersucht an sehr reichem Material die Präge, welcher Mittel sich die Sprache bedient, um ererbte Bezeichnungen b e g r i f f l i c h und l a u t l i c h zu modifizieren und so neue Begriffe zu schaffen.

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Menschen gleich sind. Die B e z e i c h n u n g e n für die obwaltenden Verwandtschaften sind jedoch in den verschiedenen Sprachen und ihren Mundarten recht verschieden und wechseln auch mit dem W a n d e l der Anschauungen im Rahmen der Zeit. So werden im Nhd. unter Onkel recht verschiedene Beziehungen zu einer gedanklichen Einheit zusammengefaßt: der Vaterbruder, der Mutterbruder, der Mann der Vaterschwestér und der Mann der Mutterschwester. Die Gegebenheiten der biologischgeistigen Wirklichkeit sind mithin durch eine bestimmte Weltansicht auf einen sprachlichen Ausdruck, nämlich Onkel, gebracht. W. v. Humboldt, auf den L. W e i s g e r b e r auch verweist, drückt diese Z u s a m m e n h ä n g e s o a u s : der sprachliche Besitz sei »eine wahre Welt, welche der Geist zwischen sich und die G e g e n s t ä n d e durch die innere Arbeit seiner K r a f t setzen muß". Diese A u s d r u c k s w e i s e schließt g e w i s s e Schwierigkeiten in sich. Einmal ist die objektiv g e g e b e n e Welt selbst ein großes Problem, insofern wir auf die Leistung der Sinne a n g e w i e s e n sind. Inwiefern können diese rassisch durch äußere Umstände abgewandelt sein? Sicher wird ihre „Richtung" durch seelisch-geistige Faktoren bestimmt. Dann bedeutet in dem Ausspruch Humboldts der Begriff . G e i s t " wohl den v o l k h a f t noch nicht differenzierten Geist, a b g e s e h e n v o n jeglicher romantischen Spekulation,· der sprachliche Besitz ( = sich) weist auf den in jeglicher Einzelsprache niedergeschlagenen .eigentümlichen V o l k s g e i s t " hin, den Humboldt als . C h a r a k t e r der Nationen", als .Nationaleigentümlichkeit", die „durch die Sprache durchscheint", die verschiedene . W e l t a u f f a s s u n g " etc. kennzeichnet 1 9 , d. h. dieser Geist ist in den verschiedensten Arten objektiviert (ζ. B. in den verschiedenen Sprachen) und subjektiviert (in sprechenden Menschen), um wirken zu können 4 0 . L. Weisgerber spricht im Hinblick auf die geistige Macht d e s sprachlichen Besitzes v o n einer „gedanklichen Zwischenwelt" (a.a.O., S. 24 f.), die d a s „Wesentliche an der Sprache" ausmacht 2 1 . A l l e Ausdrücke, also auch Tante, Vetter, Neffe etc., sind beheimatet in dieser gedanklichen Zwischenwelt, und zwar gliedhaft geordnet und eingefügt im Rahmen eines Begriffsfeldes, womit wir wieder auf den Gedanken der Feldtheorie stoßen. Desgleichen entstammen alle anderen Wörter 8 2 w i e Unkraut, " W. v. Humboldt, Uber die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues ., „Ges. Schriften" VII, S. 167, 174, 176 f., 186, 190. 20 Vgl. Louis Lavelle, La parole et l'écriture, Paris 1942, Ztsdir. f. philosoph. Forschung I (1946), S. 148, Übersetzung und Interpretation von H. Noadc (Harn-: bürg). 11 Vom Standpunkt der Bildung erklärt Fichte (4. Rede), daß .weit mehr die Menschen von der Sprache gebildet werden, denn die Sprache von den Menschen." . ,·: " Fritz Stroh, Das Volk und seine Sprache. Deutsche Volkserziehung, 4. Heft; Frankfurt (Main) 1939, S. 2. 108

tot etc. der ordnenden Kraft des Geistes. Unkraut ist eine wertende Sicht des Menschen; die Farben, z.B. rot, schließen bereits eine geistige Verarbeitung eines bestimmten Sprachkreises in sich, einen bestimmten Ort in einer gegliederten Ordnung der Farbenwelt (des Farbfeldes), in die sich das heranwachsende Kind allmählich einlebt mit Hilfe des Sprachgutes. Und so ist es auch im Bereiche der abstrakten Wörter, z. B. Selbstgefälligkeit, Überheblichkeit, Eitelkeit, Dünkel etc.23. Auf die entsprechenden Erscheinungen im syntaktischen Bereiche, z. B. der einzelnen Beziehungsmittel, wie auch ganzer Satzbaupläne etc. sei hier, in der Wortlehre, nur andeutend hingewiesen. Was uns nun besonders angeht, ist der geschichtliche Wandel der in der Sprache niedergelegten »gedanklichen Zwischenwelt" und besonders die Richtung, in der sich die Umgestaltung vollzieht. Da sind es wiederum die Bezeichnungen der Verwandtschaftsverhältnisse, die uns weitgehende Förderung bieten. L. Weisgerber weist auf folgende Verschiebungen in dem Ubergang vom Mhd. zum Nhd. hin. Er stellt zunächst grundsätzlich die Tatsache heraus (a.a.O., S. 36), daß im Mhd. genauere Unterscheidungen und schärfere Abgrenzungen der Verwandtschaftsnamen vorliegen als in nhd. Zeit. Noch fehlen die späteren begrifflichen Zusammenfassungen, vielmehr sind im Mhd. die Einzelbeziehungen herausgehoben. So sind z.B. die Blutsverwandten von den angeheirateten mittels besonderer Namen deutlich geschieden und innerhalb der Blutsverwandten die väterliche Sippe von der mütterlichen. Dies offenbart eine spezifische Art des „Denkens" im Sinne W. Wundtsl Das Mhd. verfügt über keine Verwandtschaftswörter, die sich über die drei Bereiche väterlicher, mütterlicher und angeheirateter Verwandten zusammenfassend erstrecken. Um auf das obige Beispiel (nhd. Onkel) zurückzukommen, so finden wir statt der vier in diesem nhd. Ausdruck zusammengefaßten Beziehungen im Mhd.: 1. den vetere (Vaterbruder), 2. den ôheim (Mutterbruder); die angeheirateten Onkel (und Tanten) werden nicht in unmittelbarer Beziehung gesehen. Ebenso ist der Bereich der nhd. Vettern und Kusinen differenziert in veternkinder, basenkinder, ohmenkinder und muhmenkinder. Also vier mhd. Bezeichnungen statt einer einzigen im Nhd. Desgleichen unsere nhd. Neffen und Nichten, Schwager und Schwägerin. Entsprechendes läßt sich für das Idg., als die ältere Schicht, anführen, ebenso auch für das Lateinische. In anderen Sprachstämmen werden, z. B. bei den Naturvölkern, noch andere Unterscheidungen durch besondere Bezeichnungen herausgehoben: der ältere, bzw. der jüngere, der lebende oder tote Verwandte. Auch soziologische, rechtliche und religiöse Gesichtspunkte können zu weiteren Differenzierungen der Namen ^ Ein treffendes Beispiel bietet auch die sprachliche Bearbeitung der Tierstimmen, L. Weisgerber, .Deutsche Sprache", S. 60.

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führen, schließlich audi der Gesichtspunkt, wer der Sprechende ist und; auf welche Person sich die verfügbaren Ausdrücke beziehen (ζ. B. im Uralaltaischen)24. Oft fehlt selbst ein zusammenfassender Name für Vater und Mutter, d. h. Eltern, ζ. B. im Malaiischen (bapa ibuf*. O. J e s p e r s e n erwähnt in diesem Sinne, daß sich in der tsdierkessischen Sprache statt eines (allgemeinen) Ausdrucks für waschen verschiedene Worte finden für ich wasche mich, ich wasche mir den Kopf, ich wasche eines andern Kopf (vgl.: ich wasche einem andern den Kopf!)r ich wasche mein Gesicht etc.86. P. K i r c h h o f f . Verwandtschaftsbezeichnungen und Verwandtenheirat, hat vier Grundtypen für die möglichen Bezeichnungen von Verwandtschaftsbeziehungen der verschiedensten Sprachtypen gefunden, überall werden die Verwandtschaftsbeziehungen anders gesehen und demgemäß gesondert bezeichnet, gelegentlich werden nicht nur, unter Beachtung des Alters, ältere und jüngere Brüder gedanklich-sprachlich unterschieden, sondern auch jüngste Brüder, Schwestern, Cousins und Cousinen. Auf engem Raum wird hier ein umfassendes Material übersichtlich geboten27. Jedenfalls läßt sich, vom genetischen Standpunkt aus, eine gewisse Linie, eine Richtung in der Aufgliederungsordnung des Verwandtschaftsfeldes feststellen: Die Beachtung von Einzelbeziehungen und damit die spezialisierte Unterscheidung durch entsprechende Bezeichnungen weicht allgemeineren (und zugleich logisch klaren) Ausdrücken (vgl. oben S. 80 f.). Es offenbart sich in dieser Tatsache eine Tendenz zur Entlastung des Gedächtnisses, also einer Ökonomie, wie wir sie des öfteren auf syntaktischem Gebiete beim Ubergang von synthetischer zu analytischer Flexionsbildung bzw. zum Ersatz beider durch die Wortstellung (ζ. B. im Englischen und Chinesischen) feststellen konnten. Wenn außerdem die Verwandtschaftsnamen von „unsachlichen" Nebenbedeutungen (des· Alters, des Standes etc.) befreit, auch logisch feiner durchgegliedert wurden, läßt sich ein Zug zur Klarheit, d. h. zu eindeutigen, klaren Bezeichnungsweisen nicht verkennen. Das für das Mhd. Gesagte gilt auch " Steinthal-Misteli, „Charakteristik", S. 346 f. — Vgl. oben S . 7 9 f . " In der Suaheli-Sprache gibt es wenige Adjektivbegriffe für Geschmacksempfindungen, nur bitter und süß. Also muß für salzig eine Umschreibung mit Salz herhalten; wie auch von Farbempfindungen nur schwarz, weiß und rot vorhanden sind, daher blau als Farbe des Himmels wiedergegeben ist. Vgl. R. Thurnwald, Ethno-psychologische Studien an Südseevölkern auf dem Bismarck-Archipel und den Salomo-Inseln, Beiheft z. Ztschr. f. angewandte Psychol., Leipzig 1930» S. 90: Es fehlt ein Wort für blau im Buin. Umgekehrt steht es im Hottentottischen. 26 O. Jespersen, Language, its Nature, Development, and Origin, London — New York 1923, p. 430. In Bantu- und Hamitensprachen werden Dinge, die nahe beim Redenden sind, von denen unterschieden, die weitab stehen. C. Meinhof, „Ergebnisse", S. 198. 27 P. Kirchhoff, Verwandtschaftsbezeichnungen und Verwandtenheirat, Ztschx. f. Ethnologie 64 (1932), S. 41 ff., 45 ff. 110

ganz allgemein von den Sprachen der Naturvölker, die je nach dem Stande ihrer Kultur, oftmals die kompliziertesten Vorgänge bzw. Gegenstände in den verschiedensten Situationen durch einen einzigen Ausdruck bezeichnen; oft auf der anderen Seite eine Lücke im Wortschatz aufweisen, ein logisches Manko. Leider ist uns die Geschichte ihrer Namen wenig oder gar nicht bekannt. H. Paul spricht in einem anderen Zusammenhang von einem „durch alle Völker und Zeiten durchgehenden Gesetz" ; August Schleicher davon, daß „die Sprachen eine im wesentlichen übereinstimmende Geschichte haben", was „aus der Natur des menschlichen Wesens folgt" 28 . Dürften wir somit annehmen, daß sich in dem Streben nach Sparsamkeit, nach Wahrheit und Klarheit des Sprachwandels allgemeine Grundgesetzlidikeiten der menschlichen Sprachgeschichte kundtun? Vgl. dazu oben S. 89 f. III. J o s t T r i e r 2 9 kommt von einem anderen Ausgangspunkt her zu verwandten Fragestellungen. In einer aufsdilußreichen Untersuchung ist er dem geschichtlichen Wandel des deutschen Wortschatzes im Sinnbezirk des Verstandes, also im Rahmen des diesbezüglichen „Feldes" nachgegangen. J. Trier zeigt, daß Vernunft in die Stelle hineinwächst, in der sin und witze in teilweiser Deckung vorher übereinanderlagen. Nach Bildung und Klasse sind kunst und wisheit sehr verschieden, gehören aber doch demselben Felde an. J. Trier führt im einzelnen aus, daß die spannungreichen Auseinandersetzungen (wie klug und gescheit gegenüber weise, kunst gegenüber list, einschließlich des Stimmungsgehaltes etc.) nicht von der besonderen ritterlich-höfischen Geisteshaltung seit der karolingischen Zeit abzulösen sind, sondern eine einmalige Konstellation und Lösung darstellen. So verschieben sich die Grenzen des gegliederten Begriffsfeldes in stetem Fluß, örtlich-regional und zeitlich mit individuellen Differenzierungen. Und nun unsere Fragestellung! Auch J. Trier weitet seine Einzelergebnisse ins Allgemeine. Er sucht, den geschichtlichen Wandel innerhalb des Feldes aus dem Willen einer Gemeinschaft zu begreifen, aus einem Ringen um Wahrheit und Ordnung, wobei schwer zu sagen ist, ob die letzten Schritte jeweils wirklich in der „Richtung" auf letzte Wahrheiten hinführen 30 . Es frage sich, wie sich diese immerfort in sich selbst wandelnden, von Sprache zu Sprache verschiedenen Begriffsgefüge 88

Hexm. Paul, „Prinzipien", S. 126; — Aug. Schleicher, Zur vergleichenden Sprachengeschidite, Bonn 1848, S. 4; — vgl. dazu H. Kunisch, Götze-Festschrift I, Berlin 1943, S. 218 ff., 235 f. („Eindeutigwerden"). 2 * Jost Trier, Der deutsche Wortschatz im Sinnbezirk des Verstandes, Heidelberg 1931, S. 66 ff., 141 ff., 187 ff., 300 und die Tafeln S. 255 u. 298. ·— Vgl. Behaghel-Festsdirift, Heidelberg 1934, S. 181 f. 30 In den „Preliminary Reports", p. 122, handelt A. Martinet von convergent evolution, von the vast chapter of linguistic convergence. Ähnlich Th. Litts Hinweis, „Bericht", S. 124 f.

Ill

verhalten zum letzten, wahren Sein, d. h. ob durch diese Auf- und Umgliederungen einigermaßen „richtige" Grenzen getroffen werden, ja ob die eine der verschiedenen Sprachen „richtiger" als eine andere vorgeschritten, d. h. echter sei; in der Richtung einer angestrebten .Vollendung" (im Sinne Humboldts) bzw. eines „idealen Gerüstes" der apriorischen Grammatik (im Sinne Husserls)? Konkreter gesprochen: in der Richtung des l o g i s c h e n K e r n s der (historischen) Bedeutung, d.h. der B e g r i f f s b e d e u t u n g auf den überzeitlichen „Sinn" der K a t e g o r i e n ? S. o. S. 85! Eigenartigerweise hat vor J.Trier schon W. v. H u m b o l d t fast ebenso gefragt 81 . Er entwirft zwei Gesetze im Rahmen der „Grundzüge" des allgemeinen Sprachtypus: das erste Gesetz „einer richtigen (!) Einteilung des Gedankenstoffes durch die Sprache" und das zweite Gesetz, „daß das Wort nicht zu viele . . . miteinander verknüpfte Bedeutungen in sich fasse", was wir als die Tendenz der Klarheit angesprochen haben. Die Idee einer „richtigen", d.h. o b j e k t i v a n g e m e s s e n e n , gültigen „Einteilung des Gedankenstoffes" hat uns im vorstehenden Kapitel auf das apriorische Strukturgefüge der Schichten und Kategorien hingeleitet, weitgehend geschöpft aus dem Einblick in die grundlegenden Beziehungen syntaktischer Art. Insofern fühle ich mich nun grundsätzlich in Ubereinstimmung mit M. Heideggers Auffassung: „Die Bedeutungskategorien sind die Gestaltideen der möglichen konkreten Bedeutungen. Diese Gestaltideen bestimmen auf Grund ihres eigenen Gehalts ihre gegenseitigen Beziehungen; es liegt in den Bedeutungsformen eine immanente Gesetzlichkeit, die a priori die möglichen Bedeutungszusammenhänge regelt; . . ."32. Was dann die R i c h t u n g des Sprachwandels betrifft, so wird man weiter gedrängt zu der Hypothese, daß auch die sprachlichen Ausprägungen der s y n t a k t i s c h e n Beziehungen einem unbekannten Ziel der „Vollendung" zustreben. So weist der Unterschied von der synthetischen zur analytischen Flexion (versus > Je vers, versum > le vers; indignatio > l'indignation etc.); weiterhin von der Flexion zur Wortstellung und zum Akzent, ganz abgesehen von der Wortart, (lat. ladt indignatio versum > frz. l'indignation iait le vers, mit französischem Akzent gesprochen!) auf eine „nicht umkehrbare" Richtung des Sprachwandels hin, und zwar aus dem Verlangen nach Ökonomie der Kräfte; man könnte sie, trotz des Unterschiedes der Schichten, „irreversibel" nennen, um einen Fachausdruck der Physik zu gebrauchen. Es bleibt vor allem das grundlegende Problem, ob die aus der Sprache erschlossenen Kategorien, und zwar ganz besonders die Kategorien des 81 W. v. Humboldt, Grundzüge des allgemeinen Spr-achtypus, „Ges. Sdir." V, S. 424. 32 M.Heidegger, „Kategorienlehre", S. 145.

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geistigen Lebens, wie sie sowohl der Sprachwandel wie das stilistisch angemessene Sprechen bestimmen — das Streben nach Klarheit und Ökonomie, nach verantwortungsvoller Leistung und nach Güte, nach demütiger Ausdrucksweise — richtig getroffen sind 38 . Das ist nunmehr an der Idee eines „Begriffswörterbuches" noch weiter zu verfolgen. IV. Zuvor noch ein kurzes Wort über den Sinn des „Richtigen" im Wandel der Sprachen und Kulturen auf das Ziel der „Vollendung·' hin, wie Wilh. v. Humboldt annahm. Haben wir Abendländer überhaupt ein Recht von „Natursprachen", von primitiven oder gar zurückgebliebenen Völkern zu reden? W e r sind die Zurückgebliebenen? Woher nehmen wir die Maßstäbe unseres Urteils über Natur- und Kultursprachen? a) Wenn die Sprache einen gewissen Rückschluß auf die W a h l n e h m u n g s - bzw. Beobachtungsfähigkeit zuläßt, so sehen die Naturvölker gewisse E i n z e l h e i t e n sehr genau und bringen sie in komplexen Bezeichnungen zum Ausdruck, wie wir gesehen haben 8 4 . Insofern sind sie uns überlegen. L. Lévy-Bruhls These von der participation mystique ist insofern nicht zu halten (vgl. La mentalité primitive, Paris 1925, p. 17 f., 42, 72 etc.). b) Ganz anders ihr b e z i e h e n d e s D e n k e n . Es ist belastet durch den Mangel an allgemeinen Ausdrücken. c) Noch schwerer fällt die geistige Seite der Intelligenz ins Gewicht, die S e h n s u c h t des Erkennen- und Verstehen-Wollens, was etwas wesentlich anderes ist als die psychischen Funktionen des Verstandes. Die großen Schöpfungen auf dem Gebiete der Wissenschaft und der Kunst wie der Technik sichern dem abendländischen Menschen den Vorrang vor allen andern Völkern der Erde. Auf die notwendige Unterscheidung zweier Arten von Psychologie ist weiter unten zurückzukommen. d) W a s das p r a k t i s c h e S c h a f f e n - W o l l e n , die Weltbemächtigung des täglichen Lebens im Kampfe mit der Umwelt betrifft, so hat uns A. Gehlen gelehrt, daß die „primitiveren" Naturgeschöpfe, wie die Tiere, ihrer Umwelt mehr eingepaßt sind, infolge ihres spezialisierten Körperbaus, als der unspezialisierte homo faber, der sich seine Umwelt erst schaffen muß 35 . Er verwandelt die Natur in Kultur (Zivilisation) mit Hilfe der Technik. Die Richtung geschichtlicher Entwicklung geht also vom spezialisierten Körperbau der „niederen" Lebewesen zum unspezialisierten Menschen, der sich auf Grund seiner hohen Plastizität (und Weltoffenheit) durchsetzt. Der Naturmensch steht zwischen beiden Polen. e) Viel schwerer ist es, Maßstäbe e t h i s c h e r und gar r e l i g i ö s e r 8 3 Ich verweise auf H. Ammanns Ausführungen über Sprachgenossenschaft und Sprachgemeinschaft, Die menschliche Rede, Lahr i. Baden 1925, S. 15 ff. M Vgl. auch D. Brinkmann, Aufstieg und Niedergang unserer Kultur? Universitas II (1947), S. 1291 ff. " A. Gehlen, Der Mensdi, Berlin 1944, S. 31 ff.

8

O t t o , Sprachwissenschaft

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Beurteilung aufzuweisen, sintemal es zwischen den Farbigen Norcl· amerikas, den Bantunegern, den Hottentotten und Eingeborenen Austra- · liens keinen Vergleich gibt, j a Völker wie Indonesier und Chinesen einen Vergleich mit dem Abendländer ablehnen, — sofern man überhaupt von , „dem" Abendländer sprechen darf. Wir haben keine, als allgemeingültig a n e r k a n n t e Rangordnung der Werte; besonders getroffen ist die ältere formale Logik seit W. Diltheys herber Kritik und M. Schelers Untersuchungen. Die Kulturkritik seit Kirkegaard und Nietzsche hat uns die Augen geöffnet über unsere Sittlichkeit und Religiosität. Auch der Orient und die Naturvölker sind in den Strudel hineingerissen: Ihre Kultgebräuche und die feste Tradition geordneter Gesellschaftsverhältnisse, die ihren Niederschlag in der Sprache gefunden haben, gehen der Auflösung entgegen, nicht ohne unsere Schuld. Wenn wir das ethische Ziel, das sich aus unserer „Rangordnung der Werte" (s. oben S. 89 f.) ergibt—der v e r a n t w o r t u n g s b e w u ß t e , g ü t i g e Mensch, im d e m ü t i g e n Dienst am Mitmenschen und an der Gemeinschaft — zugrunde legen, auch dann ist es wahrlich recht schwer zu sagen, wo das „höhere" Menschentum zu finden ist. Denn der „höhere" Stand unserer Technik ist wohl nicht entscheidend für die Einschätzung sittlich-religiöser Menschen! Uber die S p r a c h e „primitiver" Menschen im besonderen können wir dazu sagen, daß sie allerdings ihrer Umwelt angepaßt ist, namentlich die Wortwahl, wie auch die Sprache der westlichen Kulturwelt, deren Wortschatz jedoch auf dem mechanischen, biologischen und geistigen Gebiete viel umfassender ist als derjenige der exotischen Völker, überdies geht der Sprachwandel naturhafter Völker viel langsamer vor sich, deren Lebensformen traditionell stark gebunden sind 36 . V. R u d o l f H a l l i g und W a l t h e r v. W a r t b u r g befürworten die Ausarbeitung eines übernationalen „Begriffssystems", wodurch eine Grundlage geschaffen würde, welche die Darstellung des „Wortschatzes als Gesamtgefüge" ermöglichen könnte, „unabhängig davon, welcher Sprache, welcher Mundart oder welcher Epoche dieses Wortgut angehört" 37 . Dieses Schema wäre somit ein gegliedertes Ordnungsgefüge, das dem sprechenden Menschen schlechthin bzw. der „Welt" naturgegeben, d. h. o b j e k t i v zugrunde liegt. Unter diesem Gesichtspunkt überblicken die Verfasser, im Sinne Wilh. 86 C. Meinhof, „Ergebnisse", S. 188 f., unterscheidet auf Grund überzeugenden Materials frühere (primitivere) Spracfastufen und ursprünglichere Sprachmittel (ζ. B. Stimmführung) gegenüber höher entwickelten Spadiformen. 37 R. Hallig/W. v. Wartburg, Begriffssystem als Grundlage für die Lexikographie, BeTlin (Akademie-Verlag) 1952. Vgl. W. v. Wartburg, Betrachtungen über das Verhältnis von historischer und deskriptiver Sprachwissenschaft Mélanges de Linguistique offerts à Charles Bally, Genf 1939, p. 10 ff.

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v. Humboldts 38 , die bisher nach „Sachgruppen" angelegten Begriffswörterbiiciier von Peter Mark Roget, Th. Robertson, Daniel Sanders, A. Schlessing/H. Wehrle und ganz besonders das umfassende Werk F. Dornseiffs 89 . Alle diese Werke ordnen die Bezeichnungsmittel einer bestimmten Einzelsprache, meist nur zu praktisch-stilistischen Zwecken. Die bisherigen Anordnungen des Wortschatzes könnten zudem nicht auf eine andere Sprache übertragen werden und würden vor allem nicht die angemessene Grundlage für die Erschließung anderer Sprachen ermöglichen. In neuester Zeit sind dazu die „analogischen" bzw. „ideologischen" Wörterbücher von E. G. Carillo und A. de Sola (Madrid 1925), Ch. Maquet (Paris 1936) und J. Casares (Barcelona 1942) erschienen. F. Mezger ergänzt seine rückblickende Ubersicht durch eine eigene Gliederung 40 . In einem Begriffswörterbuch wird man folgerichtig von den Begriffsbedeutungen zunächst einmal ausgehen, wie ich statt „logischen Allgemeinbegriffen" wohl besser sagen möchte. Das physisch-sinnliche Zeichen, der Lautkörper, steht hier dann nur „für etwas". Stimmungsgehalt, mögliche Begleit- und assoziierte Nebenvorstellungen treten zurück. R. Hallig und W. v. Wartburg erheben nun mit Recht folgende Forderungen hinsichtlich der Auswahl und Anordnung der (vorwissenschaftlichen) Begriffsbedeutungen: a) Unter den Vorbegriffen (H.Lipps: „Vorgriffen"), die uns von den verschiedenen Sprachen geboten werden, kann nur eine ökonomisch begrenzte Auswahl getroffen werden, jedoch so, daß in dem zu suchenden Ordnungsschema jeder Seinsbereich vertreten sein muß, gewissermaßen die Leitlinien eines „Gradnetzes", das über den „Globus des sprachlichen Weltbildes gespannt" erscheint. Begriffe, die für die Erschließung eines Bereiches unwesentlich sind, z. B. Gehsteig, brauchen also nicht verzeichnet zu werden. Hier ein fest umrissenes Maß anzugeben, ist wohl kaum möglich. Die Aufzählung wissenschaftlicher Fachausdrücke in Philosophie, den Einzelwissenschaften, Kunst, Technik, Industrie, Verwaltung usw. ist nicht möglich und nicht nötig. Ich möchte sagen, daß man sich in diesem Falle auf die Anführung veranschaulichender B e i s p i e l e zu beschränken hat, daß mithin auch gelehrte Terminologien tunlichst zu vermeiden sind. In den erwähnten Begriffswörterbüchern (D. Sanders, A. Sdilessing und ω

Schon Wilh. v. Humboldt, „Ges. Schriften" V, S. 437, hatte Wörterbücher gefordert, die nach Kategorien geordnet sind. »· F. Dornseiff, Der deutsche Wortschatz nach Sadigruppen, Berlin u. Leipzig 1934 (3. Aufl. 1943 , 4. Aufl. 1954), bespricht eine reiche Literatur. Dazu die Ergänzungen in den „Preliminary Reports", p. 79 f. In den (17) Klassenpräfixen der Bantu-Sprachen könnte man bereits eine (natürliche) Einteilung nach Sachgruppen erblicken. 40 F. Mezger, „Preliminary Reports", p. 84 f.; — vgl. H. Frei, Qu'est-ce qu'un Dictionnaire de phrases? Cahiers F. de Saussure 1, Genf 1941, p. 43 ff. 115

H. Wehrle, P. M. Roget, F. Dornseiff) findet sich neben Begriffswörtern audi manches syntaktische Material. Insofern es hier jedoch um die Klassifizierung von Begriffsbedeutungen, also um eine Angelegenheit der W o r t l e h r e geht, spielen die syntaktischen Prägungen, also auch die Wortarten, keine Rolle, wenn nicht mit dem Wandel der Wortart zugleich ein wesentlicher Bedeutungswandel in begrifflicher Hinsicht verknüpft ist. Es hat sich ergeben, daß wir mit vier fundamentalen Wortarten zu rechnen haben. W i r werden also, wie auch der Entwurf R. Halligs und W . v. Wartburgs bestätigt, Substantiva, Adjektiva, Verba und Relationswörter (Präpositionen und Konjunktionen) im Begriffssystem nebeneinander finden, und zwar hat die „natürliche" Wortart (s. oben S. 26) den Vorrang vor den abgeleiteten Wortbildungen. Wenn demnach F. Dornseiff anführt (a.a.O., S. 217) Bewegung — beweglich neben bewegen, so sind Substantiv und Adjektiv überflüssig neben dem Verbum bewegen: Die drei Worte haben denselben Begriffskern, beziehen sich aber auf einen V o r g a ng in der gegenständlichen Wirklichkeit, was den Ausschlag gibt (vgl. Hallig/ v. Wartburg, S. XX). Anders steht es mit der Präposition trotz neben trotzen, Trotz, trotzig und mehr noch mit der Präposition dank neben danken, Dank, dankbar. Sie sind daher in einem anderen Zusammenhang aufzuführen. Das Kriterium für die Auswahl der Begriffsbedeutungen ist durch Sinn und Aufgabe des Begriffssystems gegeben: Es soll nach Möglichkeit die differenzierten a l l g e m e i n e n Begriffe der menschlichen Sprache schlechthin enthalten, nicht die spezifischen Begriffe einer bestimmten Sprache. Denn letztere sollen erst auf Grund des neutralen .Ordnungsschemas" in ihrer Besonderung als Ausdruck einer typischen Geistigkeit verstanden werden. Also nicht Reichtum neben reich im (allgemeinen) Begriffssystem, wohl aber im Begriffswörterbuch der Einzelsprachen, auch um die Bildungsfähigkeit (Ableitungsmöglichkeiten) der Einzelsprachen aufzuweisen; wenn nicht Reichtum, so ist aber doch ,Besitz" im Begriffssystem anzuführen, das einer anderen Sphäre (einem anderen Felde) angehört, jedoch nicht besitzen (= Besitz haben): die .natürliche" Wortart eignet dem Substantiv Besitz; G. v. d. Gabelentz spricht in diesem Sinne von der „Grundbedeutung" (s. oben S. 26). W o hier die Grenze liegt, ist im einzelnen Falle nicht leicht zu sagen. Es bedarf dazu eingehender Beschäftigung mit den einschlägigen sprachwissenschaftlichen Fragen und vor allem des vertieften Einblicks in den Geist mehrerer Sprachen infolge Sprachkönnens. Von hier aus gesehen, ist es nicht gleichgültig, in welcher Sprache das Begriffswörterbuch abgefaßt ist; es wird gelegentlich auf den angemessenen Ausdruck dieser oder jener Sprache zurückgreifen müssen. Immerhin kann der von R. Hallig und W . v. Wartburg vorgelegte Entwurf, der aus ihrer Berufstätigkeit erwachsen und daher in französischer Sprache niedergelegt ist, mit vollem

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Recht als ein erster und zwar höchst bedeutender „Versuch" dieser großen Idee bezeichnet werden. Fassen wir diese Überlegungen zusammen, so ergeben sich folgende Grundsätze: Es ist sorgfältig zu unterscheiden zwischen den (früheren) »Begriffswörterbüchern" der Einzelsprachen und dem (neuen) Gedanken eines allgemeinen Ordnungsschemas der menschlichen Sprache überhaupt (des Menschengeistes), das Hallig/v. Wartburg mit Recht als „Begriffssystem" kennzeichnen und das «nur" die „Grundlage für die Lexikographie" abgeben soll. N e g a t i v wäre zu sagen: In ein „Begriffssystem" gehören nicht die ζ. T. subjektiv-assoziierten Nebenvorstellungen, also auch nicht der Stimmungsgehalt der Wörter; auch nicht Metaphern (figürliche innere Sprachformen) ; auch nicht das aktuelle Bedeuten eines Wortes in einem bestimmten Kontext (s. oben S. 100); auch nicht die Aufzählung der einzelnen Glieder eines Sprachfeldes, ζ. B. Sonne, Mond, Sterne usw. Es fallen also Hunderte der von Hallig/v. Wartburg angeführten Begriffsbedeutungen (und der sich durchkreuzenden Hinweise) fort. Das alles gehört in die „Begriffswörterbücher" (conceptual dictionaries) der Einzelsprachen, also auch das aktuelle Bedeuten der vagen Ausdrücke, gegebenenfalls mit Angabe der betreffenden Stelle (Kontext) und Situation. P o s i t i v gesprochen, eignen dem „Begriffssystem" nur die Hinweise auf alle Einzelfelder, durch typische Beispiele illustriert, um „lediglich den Ort festzulegen", an dem wissenschaftliche und allgemeine Ausdrücke zu stehen hätten, während die eigenartigen Ausgliederungen eines Feldes (Lagerung, Abgrenzung, Fehlen und Reichtum der Begriffsbedeutungen) den „Begriffswörterbüchern" zu überlassen sind 41 , d. h. die „Begriffe" desBegriffssystems werden sich nicht an den geschichtlichen Begriffsbedeutungen (den mehr oder weniger logischen Kernen) der sich wandelnden .Einzelsprachen orientieren, sondern zu den überzeitlichen Sinnrichtungen des kategorialen Systems hinneigen. Aus den obigen Darlegungen ergibt sich, daß Synonyma in dem gesuchten Begriffssystem keine Stelle haben. Es fragt sich zunächst, weis unter synonymen Ausdrücken zu verstehen ist und ob es überhaupt solche Ausdrücke gibt. Die Ansichten übeT diese letztere Frage sind geteilt 42 . 41 Man prüfe daraufhin die von L.Weisgerber aufgewiesenen FeldeT, „Deutsche Sprache", S. 154 ff., sowie das von W. E. Collinson gesichtete Material, „Transactions" 1939, p. 56 ff. 48 Vgl. A. Marty, „Gesammelte Schriften" 11,2, S. 83 f.: „streng synonyme Namen", und Fr. Kainz, „Sprache", S. 145: „verschiedene sprachliche Ausdrücke für den gleichen Gedankeninhalt"; andererseits B.v. Lindheim, Neue Wege der Bedeutungsforschung, Neuphilol. Ztschr. III, S. 106: „Zwei Worte derselben Sprache" lassen sich „bedeutungsmäßig" nicht zur Deckung bringen, und H, Baul, „Prinzipien", S. 251 f.: „Die Sprache ist allem Luxus abhold".

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Die Antwort hängt davon ab, was man unter „synonym" versteht. Meint man die gesamte Bedeutung, einschließlich Stimmungsgehalt, Begleit- und Nebenvorstellung (s. oben S. 99 f.), so gibt es schwerlich echte Synonyme; denkt man jedoch nur an die Begriffsbedeutung (B. v. Lindheim: „Begriffszusammengehörigkeit"), so kann man eine beschränkte Möglichkeit von Synonymen (in den idg. Sprachen) nicht von der Hand weisen. Mit Recht halten R. Hallig und W. v. Wartburg dafür, daß Bedeutungsschattierungen (z.B. mit Hilfe der franz. Vorsilbe re-: renaître) sowie Gegenbegriffe (frz. dénouer neben nouer) in das Begriffssystem nicht aufzunehmen sind (a.a.O., S. XX). b) Bezüglich der A n o r d n u n g der Begriffsbedeutungen erheben R. Hallig und W. v. Wartburg folgende entscheidende Forderungen: Das System einer strukturellen Gliederung der Begriffe ist so einzurichten, daß sich alles zu einem gefügehaften Ganzen zusammenschließt. Das bis zu einem gewissen Grade „naturgegebene" Gerüst der Welt, in dem alle Begriffe gliedhaft zusammenhängen, wird dann die Einsicht in das Weltbild d e r Sprache ermöglichen und als Grundlage für die Ordnung des Wortschatzes einer bestimmten Einzelsprache dienen und somit zum Einblick in deren Struktur hinführen. Unter Anwendung der phänomenologischen Methode ergibt sich für R. Hallig und W. v. Wartburg die nachstehende Einteilung der Welt und die Ausgliederung ihrer verschiedenen Bereiche: 1. D a s W e l t a l l : Himmel, Erde, Pflanzen, Tiere. 2. D e r M e η s c h als physisches, seelisch-intellektuelles und soziales Wesen; die Organisationen der menschlichen Gesellschaft. 3. M e n s c h u n d W e 11 a 11 : Vorgegebene Grundbegriffe (Beziehungen) wie Sein, (Sinnes-) Qualitäten, Raum, Zeit, Kausalität etc.; Wissenschaft und Technik. Es seien mir einige kritische Bemerkungen zu diesem wohldurchdachten und mit peinlicher Sorgfalt durchgeführten System gestattet: Verglichen mit dem an der neueren Ontologie orientierten Aufriß von Schichten und ihren Kategorien (s. oben S. 87 ff.) wäre zunächst ganz allgemein zu sagen, daß sich beide Anordnungen sehr nahe stehen, zumal auch R. Hallig und W. v. Wartburg grundsätzlich davon überzeugt sind, daß das Selbst und die (gegenständliche) Welt in einem Korrelationsverhältnis stehen. Da die Relationen wie Raum, auch Zeit, Kausalität etc. „vorgegeben" (a priori) sind, „vor mir" waren und „nach mir" sein werden, auch „den Eindruck des vom Ich Abgelösten" machen48, sind sie im Sinne der neueren Ontologie dem Abschnitt 1. (Das Weltall) bzw. der medianisdi-gegenständlichen Schicht einzuordnen. 43

Die Autoren beziehen sich auf H. Freyers „Theorie des objektiven Geistes" und H. Volkelts „Versuch über Fühlen und Wollen". 118

Durch die Einführung und angemessene Abgrenzung der biologischen Schicht würden sich viele Ausdrücke, die sowohl dem Menschen wie dem Tier (und Pflanzen) gemeinsam sind, einheitlich zusammenfassen und unterbringen lassen (s. S. XVI). In dieser Richtung macht bereits F. Dornseiff (Abteilung 7) einen Vorstoß; F. Mezger, a.a.O. S. 84 f., schiebt sehr treffend zwischen der anorganischen Welt und der des Menschen die Organic world ein (einschließlich „man as part of nature"). Die Objektivationen der gesdiiditlichen Welt sowie die entsprechenden subjektiven Regungen verteilen R. Hallig und W. v. Wartburg auf die Rubriken 2. und 3. Sie fügen sich jedoch einheitlich dem Rahmen der „geistigen Welt" ein, gemäß den Strebungen der oben (s. S. 86) aufgewiesenen Ubersicht: Theorie und Praxis, Leistung und Güte, das Absolute. Wenn man die oben (S. 88 f.) gegebenen Attribute des G e i s t i g e n nicht außer acht läßt, also nicht in die Funktionen des Verstandes, ins Formal-Rationale abgleitet; wenn man — vom Subjekt aus gesehen — unter T h e o r i e (einschließlich des Ä s t h e t i s c h e n ) 4 4 die Sehnsucht nach der Wahrheit versteht (vgl. Hallig/v. Wartburg S. XXX oben, XXXIII, XXXIV f.) und unter P r a x i s die Sehnsucht technischen Schaffens, und zwar mit relativ geringstem Kraftaufwand den möglichst größten Erfolg zu erzielen (ebd.: S. XXX ff.) ; weiterhin unter L e i s t u n g die Sehnsucht verantwortungsbewußten „Handelns" und unter Güte die Sehnsucht nach Hingabe und Opferbereitschaft (ebd.: an verschiedenen Stellen); schließlich unter R e l i g i o s i t ä t die Demut gläubigen Herzens (ebd.: S. XXVIII), dann ist die angemessene Einordnung der wesentlichen spezifischen „Tugenden" in die entsprechenden (objektiven) Kategorien nicht zu verfehlen 45 (siehe oben S. 89, Anm. 49, die Rangordnung der fundamentalen Kategorien bzw. Sinnsphären). Diese Bestimmungen des überzeitlichen Sinnes sind also material, keineswegs formal-sinnfrei unter Absehung „inhaltlicher Verschiedenheiten"; diese Verkennung des „Sinnes" hat zu den schwersten Irrtümern verführt, worauf später nodi zurückzukommen ist48. 44

W. Dilthey: „Die Kunst versucht auszusprechen, was das Leben sei." Ich darf bemerken, daß neben der Ethik audi die deutsche Existenzphilosophie (K. Jaspers, M. Heidegger; besonders audi H, Lipps und O. Fr. Bollnow) sowie der französische Existenzialismus (z. B. G. Marcel, Homo Viator, 1949) viel zur Durchleuchtung geistigen Seins beigesteuert haben. 48 Um nicht dem „Psychologismus" zu verfallen, d. h. inhaltlich-historische Sinnerfüllungen in die „Idee" aufzunehmen, bestimmt P.Natorp in seiner „Sozialpädagogik" alle Tugenden formal-gesetzlich (als „rein objektiv", „unbedingtgesetzlich", als „Regel der Regel" etc.); sie fließen daher ineinander. Wenn auch H. Rickert, System der Philosophie I, Tübingen 1921, S. 377, erklärt: „Vor allem haben wir darauf zu achten, daß unsere Begriffe von allen geschichtlichen Besonderheiten frei bleiben, um auf alle denkbaren historischen Erfüllungen bezogen werden zu können. Wir müssen also von allen inhaltlichen (!) Verschiedenheiten auch des Sinnes (!) der Wertungen absehen", so verwechselt βτ (historische) Bedeutimg und überzeitlichen Sinn (s. oben S. 101). 45

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Allerdings gibt es auch allgemeine Eigenschaften geistigen Gerichtetseins, die mehr oder weniger allen Sinnrichtungen zugrunde liegen,, ζ. B. Maß und Tapferkeit (in N. Hartmanns Deutung: Beherrschung und Einsatzbereitschaft), Treue, Besonnenheit, überdies sind R e c h t und K o n v e n t i o n als rationale Regelungen verantwortlicher Leistung bzw. gütiger Rücksichtnahme zu deuten (ebd.: S. XXXII unten). Das Gebiet der W i r t s c h a f t ist wohl zu sondern von ihrer Grundlage, der Technik, und fällt als g e s e l l s c h a f t l i c h e Funktion wesentlich in das Reich verantwortlichen Handelns 47 . Im gesellschaftlichen Bereiche sind die Urgebilde (Schicksalsgemeinschaften) Familie, Volk, Menschheit zu unterscheiden von den mehr rationalen Vergesellschaftungen wie Berufsverbänden, Staat, Kirche etc. (ebd.: S. XXIX unten, XXXII f.). — Uberblickt man die bisherigen „Begriffswörterbücher", zumal F. Dornseiffs Gruppen 6, 7, 13 bis 20, sowie ganz besonders die Anordnung F. Mezgers, so laufen sie wesentlich auf die Gliederung: anorganische — organische Natur — Geistesleben hinaus; im Grunde genommen auch das Begriffssystem R. Halligs und W. v. Wartburgs. Doch würde es sich nicht empfehlen, die subjektive von der objektiven Seite, d. h. die biologischen und geistigen Phänomene des Bewußtseins von den entsprechenden Sachbereichen zu trennen, zumal sie ja, wie angedeutet, Korrelationen bilden und sich wechselseitig bis ins letzte erhellen 48 , was namentlich für ein Begriffswörterbuch gilt. Es fragt sich jedoch, wie das vorliegende „Begriffssystem" R. Halligs und W. v. Wartburgs gewonnen ist. Wohl „an" der Sprache, zum guten Teil aber auch aus philosophischen (psychologischen) Quellen (a.a.O.» S. XIV f.), worauf die Namen und Werke der herangezogenen Philosophen hinweisen (J. Stenzel, H. Freyer, J. Volkelt, E. Cassirer etc.). Kommt es mir doch in diesem Abschnitt ganz besonders darauf an, den vorläufigenAnsatz der Schichten — und Kategorien — (s. oben S. 86) schließlich aus der Sprache zu rechtfertigen. Dieses in sich geschlossene System ist nicht an die Sprache herangetragen, sondern a u s ihrer immanenten Struktur abgelesen; m. a. W. „mit" der Erfahrung (a priori) zum Bewußtsein erhoben — nicht deduktiv aus einem obersten Prinzip abgeleitet — und zwar unter der Voraussetzung, daß eine „übergreifende" Ordnung die ganze Welt des Inneren und des Äußeren durchwaltet. Das ist der einzig " Vgl. dazu und besonders das Verhältnis von Wissenschaft und Kunst (das Ästhetische}, meine Allgemeine Erziehungslehre (1928) sowie Wert und Wirklichkeit (1941). 48 Vgl. Martin Buber, Das Problem des Menschen, Heidelberg 1948, S. 125. „Die Frage, was der Mensch sei, kann nicht durch Betrachtung des Daseins oder des Selbstseins als solches beantwortet werden, sondern nur durch Betrachtung des Wesenszusanimenhangs der menschlichen Person mit allem Sein und ihrer Beziehung zu allem Sein." . . . „Nur wenn wir die menschliche Person in ihrer ganzen Situation, in ihren Beziehungsmöglichkeiten auch zu allem, was nicht sieist, zu fassen versuchen, fassen wir den Menschen." Dazu S. 158. 120

mögliche „Beweis", die einzige aufweisbare Rechtfertigung der sich aufdrängenden Rangordnung der Seinssdiiditen. Uber den a p r i o r i s c h e n Charakter des von R. Hallig und W. v.Wartburg gesuchten Begriffssystems und seiner Schichten (Kategorien) läßt die Ausdrucksweise beider Autoren keinen Zweifel. Sie sprechen, wie wir bereits gesehen haben (S. 118), von .vorgegebenen" „Kategorien" („Leitlinien", „Bewußtseinsletztheiten") einer „strukturellen" Gliederung, von dem „naturgegebenen" Gerüst der Welt wie von dem „naturhaften" Weltbild, von der „Allgemeinverbindlichkeit" eines Schemas, auch wiederholt von dem „gefügehaften Ganzen", in dem sich „gemäß der dem Leben eigenen Logik" eines aus dem anderen ergeben müsse. So leuchtet auch hier, wie bei L. Weisgerber und J. Trier (s. oben S. 108 ff.), eine gewisse „Tendenz" des Sprachgeschehens auf, ein Gerichtetsein auf eine sachgemäße Struktur der Felder, auf das „Richtige" und „Echte" der Sprache, auf das „ideale Gerüst" der apriorischen Grammatik (Husserl), kurz: auf „Vollendung", die W. v. Humboldt als Ziel sprachlichen Wandels vorgeschwebt hat (s. oben S. 4 ff., 105 ff., 112). Scheint dodi im Wandel der Sprachen eine „Organisation" vom Zufälligen zum Notwendigen zu liegen, ein siegreiches Fortschreiten ordnender Prinzipien; sonst wäre die Sprache nicht das große Wunderwerk der Schöpfung49! So schließt sich allmählich der Kreis um die Grundlegung einer Allgemeinen Wortlehre. Die weitere Aus- und Umgliederung der kategorialen Felder und Großfelder durch das Walten der geistigen Kräfte ist schließlich nodi weiter unten („Sprachwandel") ausführlich darzulegen. " Aug. Schleicher, Ztschr. f. vergleichende Sprachforschung 43 (1910), S. 367..

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VII S p r e c h a k t und

Sprachwandel

Die Auseinandersetzungen zwischen E. Bernheim und E. Meyer haben uns die Augen dafür geöffnet, daß es nicht nur Wandlungen (Entwicklungen) des geschichtlichen Lebens gibt (onto- und phylogenetischer Art), sondern auch „Handlungen" 1 . So ist z. B. der Siebenjährige Krieg selbst keine „Entwicklungs"-Erscheinung wie der Wandel der Völker und ihrer Kulturen, wenn er auch zu ihrer Entfaltung beigetragen hat, sondern die Verquickung mancherlei H a n d l u n g s w e i s e n unter bestimmten Voraussetzungen und als Auswirkung vielerlei Motive. So auch der Sprechakt. Auch hier gibt es allgemeine und notwendige Zusammenhänge, deren Erforschung Angelegenheit und Aufgabe der Allgemeinen Sprachwissenschaft ist2. Wer von dieser oder jener Sprache spricht, wird sich dessen bewußt sein, daß sich Sprache nur in Wörterbüchern und Grammatiken verzeichnet, auch in literarischen Erzeugnissen niedergeschlagen hat, eine Art fossilen Daseins fristet, daß aber die Wirklichkeit nur die S p r e c h h a n d l u n g ist, angefangen vom einsamen Selbstgespräch bis hin zur gesamten Gesprächslage im Ganzen des sinnenden, schaffenden und handelnden Menschen. Wie man in der älteren Heilkunde von den möglichen Krankheiten ausging, jetzt aber vom ganzen Menschen in seiner Arbeit und Muße, so jetzt die neuere Linguistik vom sprechenden Menschen, der sich in einer bestimmten Lage mitteilen und verständigen, sich auch von Affekten befreien will. Sprechakt und Sprachwandel sind innig miteinander verwoben. Vollzieht sich doch aller Sprachwandel als geschichtlicher Vorgang allein im Sprechakt. Das Verständnis des Sprachwandels setzt mithin einen gewissen Einblick in die aktuellen Prozesse der Satz- und Wortbildung voraus. Wenn man von Gesetzen auf dem Gebiet der Sprache gesprochen hat, z. B. von „Lautgesetzen", so dachte man zunächst oder auch ausschließlich an die historischen Gesetzlichkeiten des Sprachwandels. Und doch gibt es 1

E. Bernheim, Lehrbuch der historischen Methode und der Geschichtsphilosophie, Leipzig 1908, S. 128; — Ed. Meyer, Zur Theorie und Methodik dex Geschichte, Halle (Saale) 1902, S. 6. 2 Vgl. E. Otto, .Grundlegung", S. 4 ff.; 45 ff.; 73 ff.; Allgemeine Unterrichtslehre, Berlin — Leipzig 1933, S. 170 ff.

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auch Gesetzlichkeiten des „Handelns"; denn auch das Sprechen ist eine Art des Handelns. A. Der Sprediakt Wilh. Wundt bestimmt in seinen „Essays" die Sprechtätigkeit als Gedankenäußerung durch artikulierte Bewegung, also einschließlich der Taubstummensprache 3 . Wir haben mithin gemäß der oben (S. 43) a n gewiesenen Gliederung zu untersuchen: einerseits die p s y c h o p h y s i s c h e n , akustisch-motorischen Vorgänge der Reproduktion und Produktion der Beziehungsmittel bzw. der Begriffswörter; andererseits die p s y c h i s c h e n Erlebnisse des Beziehungs- bzw. des Begriffsbedeutens im Akte der Satzgliederung. Dies geschieht an Hand einer kritischen Stellungnahme zu der vorliegenden Literatur. I. Wirken und Ablauf des Beziehungsbedeutens. a) Auf dem Gebiete der Satzgliederung, der „Formen-" und auch der Wortbildung hatte sich die Linguistik damit abgefunden, von „ A n a l o g i e b i l d u n g e n " zu sprechen, nachdem Η. Ρ a u 1 seine verschiedenen Arten von (stofflich-lautlichen) „ P r o p o r t i o n s g l e i c h u n g e n " aufgestellt und erläutert hatte 4 . Die Schemata Tag : Tages : Tage = Fisch : Fisches : Fische, führen : Führer : Führung = erziehen : Erzieher : Erziehung und dann weiter (unstofflich, auf Grund des „Sprachgefühls"!) pater : mortuus = ¡ilia : puichra = caput : magnum etc., wobei immer, sowohl in der Satzlehre wie in der Wortlehre, das vierte Glied der Proportionsgruppe zu ergänzen war, bleiben aber sehr an der Oberfläche infolge der Schwäche der damaligen Assoziationspsychologie, auch infolge der verfehlten Auffassung des Satzes als Verbindung (seit Aristoteles). Daher die Kritiken Misteiis, Wegeners, Dittrichs, Wundts, Delbrücks, Sütterlins u. a. Dem wäre noch hinzuzufügen, daß H. Paul zunächst wohl vom geschichtlichen Sprachwandel, dann von der aktuellen Sprechtätigkeit handelt, wesentlich jedoch die Flexion als Beziehungsmittel im Auge hat, trotz der späteren Unterscheidung der Beziehungsmittel (§ 86), wo die Präpositionen und Konjunktionen — neben den Hilfszeitwörtern— als „Verbindungswörter" (cf. syndesmoi) aufgeführt werden! b) In diesem Streit der Meinungen bedeutet W. W u η d t s Auffassung der Rede als G l i e d e r u n g einen großen Fortschritt. Wundt definiert den „Satz* als „den sprachlichen Ausdruck für die willkürliche Gliederung einer Gesamtvorstellung in ihre in logische Beziehungen zueinander gesetzten Bestandteile". Abgesehen von den Bestimmungen „willkürlich" und „logische Beziehungen", wird man dieser Definition des Satzes (der • Wilh. Wundt, Essays, Leipzig 1906, S. 286. 4 H. Paul, „Prinzipien", S. 107 ff. Vgl. dazu A. Debrunner, Lautgesetz u. Analbgie. Idg. Forsch. 51 (1933), S.271 ff. 123

Rede) die Zustimmung nicht versagen können 5 . Man kann dann kurz sagen: Die Rede ist die Gliederung einer Gesamtvorstellung; oder, wenn man weiter ausholen will: die Gliederung einer Gesamtvorstellung mittels der in Beziehung gesetzten Begriffsworte 8 . Denn die Beziehung, und zwar in dem oben (III. Kap.) dargelegten Sinne, ist das Wesentliche, Angesehene Sprachforscher, wie B. Delbrück, Sütterlin, O. Dittridu W. Porzig, der Romanist J . Haas, legen Gewicht auf die Abgeschlossenheit des „Satzes". Auf die berühmte Frage John Ries': Was ist ein Satz? ist jedoch zu antworten: eine Abstraktion! Denn die ganze Wirklichkeit besteht nur in der s i t u a t i o n s g e b u n d e n e n R e d e ( s . oben S. 42 f.). Sonst kommen wir schließlich dahin, mit Th. Kalepky ein Kopfnicken als einen ebenso „vollwertigen Satz" wie Du darfst es tun zu betrachten 7 . Auf W. Wundts umfangreiche Unterscheidungen und Begründungen des Lautwandels recht verschiedener Arten einzugehen, ist hier nicht die Stelle, da er wesentlich g e s c h i c h t l i c h e Vorgänge im Auge hat» auch hinsichtlich der „assoziativen Fernewirkungen", wodurch er die Lehre von den Proportionsgruppen (Analogiebildungen) ersetzt 8 . W. Wundts analytische Auffassung der Rede wird weitgehend be~ stätigt durch O. N i e m e y e r s Experimente 9 . Denn der Satz ist keine Verbindung, vielmehr ist e r s t d a s G a n z e dem Bewußtsein gegenwärtig. Die Satzstruktur wird schon mit den ersten Worten, wenigstens in ihren Grundzügen, aufgefaßt, während die Namen erst dann verstanden werden können, wenn sie ausgesprochen sind. Der Begriff des Ganzen bezieht sich auf die formale Struktur des Satzes; denn es ist möglich, daß bei Beginn des Sprechens ein Begriff noch fehlt, ζ. B. wenn wir in dem Verlauf der Rede nach einem passenden Ausdruck suchen („Entstehung des Satzbewußtseins", S. 81 ff.). O. Niemeyer will nicht den historischen Prozeß der Sprachschöpfung untersuchen, sondern den Akt, wie der Mensch die Beziehungsmittel; sprachlicher Darstellung und Verständigung in der gegebenen Sprach5 An anderer Stelle, „Sprachgeschichte und Sprachpsychologie", Leipzig 1901, S. 69 ff., erklärt Warndt, unter logisch: „Gedankenbeziehungen" im psychologischen Sinne zu verstehen. • Vgl. meine Methodik und Didaktik dee neusprachlichen Unterrichts, Bielefeld u. Leipzig 1925, S. 308, und Grundfragen der Linguistik, Idg. Forsch. 52 (1934), S. 181; will man die Rede als historisches Kulturprodukt beschreiben, so könnte man sagen: Sie ist die Gesamtheit der in Beziehung gesetzten Begriffsworte (Method, u. Didakt., S. 197). 7 Th. Kalepky, Neuaufbau der Grammatik, Berlin 1928, S. 9; — J. Ries, . W a s ist ein Satz?". 8 Vgl. H.Pauls Kritik, „Prinzipien", S. 116, Anm. 1, und A.Thumb, Experimentelle Psychologie und Sprachwissenschaft, Germ.-Rom. Monatsschr. III (19111,. S. 7 ff. u. 65 ff. • O. Niemeyer, „Entstehung des Satzbewußtseins" und Methodisches und Tatsächliches zur Sprachpsychologie, Archiv f. d. ges. Psych. 97 (1936), S. 450 ff., 469 f.

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Gemeinschaft erfaßt. Die Versuchsanordnung nähert sich mithin dem Prozeß des kindlichen Sprachverständnisses. 0 . Niemeyer legt daher Gewicht darauf, die Vorgänge des Denkens und Sprechens möglichst zu sondern. Infolgedessen wurde den Vpn. in einer ersten, zweigliedrigen Reihe die „Situation" geboten, ζ. B. zabet — zab; sodann in einer zweiten, dreigliedrigen Reihe die sprachliche Darstellung in Form eines einfachen Satzes: etlskälo — wasmahu — kofreda. Die Satzgliederung wird dabei durch die Vorsilben zum Ausdruck gebracht: etl-, wa- und ko-, also nicht durch Wortstellung, die vielmehr dauernd gewechselt wird. Die mit Präfixen gebildeten Worte wurden als verschiedene Wortarten aufgefaßt (vgl. oben S. 25) und als Kennzeichnung der Satzteile gedeutet (Prädikat — Subjekt — Objekt). Die Aufgabe bestand nunmehr darin, von links nach rechts lesend, mit Hilfe der unteren Reihe auszusagen, was in der oberen vorliegt. Die Ergebnisse waren: 1. Das Wesen des Sprechens liegt in der n a c h t r ä g l i c h e n Aufgliederung des Situations- und Gedankenkomplexes. O. Niemeyer betont daher mit Recht die Bedeutsamkeit der „sukzessiven Attention" (d. h. Aufmerksamkeit bzw. Wundts Apperzeption). 2. Das Streben nach sprachlicher Richtigkeit führt zur Darstellung eines e i n h e i t l i c h e n G a n z e n auf Grund einer „Determination", die „erst das Ganze des Sachverhalts und dann seine Teile darstellen will" verehren bei persönlichem Objekt, Rechnung tragen bei sachlichem Objekt, z.B. les décisions du monde; afrz. millier (ein Tausend), aber z. B. il est el desreain millier ( = dernier millier): am äußersten Ende; frz. la belle affaire = eine schöne Geschichte! Manche älteren Worte werden nur durch Stabreim oder auch den Sinn gehalten, ζ. B. Kind und Kegel. 4) Das Sprachgut i n n e r h a l b d e r s e l b e n S p r a c h e als Bedingung des Aufkommens bzw. Überlebens des Sprachgutes, z.B. Kontaminationen wie engl, boom (Aufschwung, gedeihen) + hoist (hissen) > boost (heben); frz. vouer < votare (geloben) wird gehalten durch voeu (Gelübde), während vocare (herbeirufen, vorladen) untergeht und durch appeler ersetzt wird. Afrz. avertir (aufmerksam machen und ablenken) setzt lat. advertere und avertere voraus. Syntaktisch gesehen, wechseln mhd. die aventiure (das Abenteuer!) und lat. murus (die Mauer) das Geschlecht unter Einfluß von das Abenteuer bzw. die Wand. M N. S. Trubetzkoy, Gedanken über das Indogermanische, Acta Linguistica I (1939), p. 81 ff. 5 5 Für Wolfram gehört zum „Nebensinn" von heize auch die Beziehung zur Vorstellung ouge und umgekehrt, d. h. beide sind „konsoziiert" (Α. Ν oreen). Der „zusammenhaltende Mittelbegriff" ist offenbar Träne, was für einen wehmütigen Gefühlston spricht: dem Herzen werden Augen „zugeschrieben".— Vgl. audi Η. Sperber, Bedeutungslehre, S. 4 ff.

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Auch Volksetymologien setzen den Anklang an ein anderes Wort derselben Sprache voraus, ζ. B. lat. foris (außerhalb) neben frz. ioiêt = Forst; also forestier bedeutet 1. Waldhüter, 2. Fremdling (ital. forestiere) = der von außen Kommende. Saint Mamert wird von den an den Brüsten leidenden (frz. les mamelles) Frauen angerufen; Saint Vincent ist der Schutzherr der französischen Winzer (vignerons). Scherzhaft heißt der Pack träger: Trag-iker, der Bauer: Mystiker (Misti). Auch die gedächtnismäßigen Grundlagen der Paulsdien Analogiebildungen sind hier zu vermerken, dazu die Bildungen, die M. Bréal „irradiations" nennt, wie adolesco, fior esco, senesco etc., die sich wechselseitig stützen auf Grund der Bedeutung (graduelle Vorgänge): on ne grandit, on ne vieillit pas en un instant. 5) Ebenso kann der klanglich-lautliche Bestand eines e i n z e l n e n W o r t e s die Bedingung herstellen für andere lautliche Veränderungen innerhalb desselben Wortes. Hierzu gehören die Fälle der Assimilation und Dissimilation, der i- und u- (o-, a-) Umlaut, die Wirkung des Akzents (Vernersches Gesetz), desgleichen die Pluralbildung des Altaischen, z. B. türk. ot-lar (Kräuter) gegenüber göz-ler (Augen). Voraussetzung dieser Möglichkeiten ist, daß man den Wandel nicht vom Einzellaut, sondern vom Ganzen des Wortes her betrachtet. Denn die zu einem Lautganzen (z. B. einer Silbe) vereinigten Laute werden nicht abgehackt nacheinander artikuliert, sondern die Artikulation erfolgt gleichzeitig, soweit wie möglich. Es ist mithin die alte „Backsteinhypothese" durch die „Koartikulationstheorie" zu ersetzen5®. 6) Die Tatsache, daß die gesamten Wortbedeutungen einer Sprache nicht beziehungslos und willkürlich nebeneinander „leben", sondern gefügehaft in wohldurchgliederten s p r a c h l i c h e n F e l d e r n verkettet sind, ist eine wesentliche Bedingung des Sprachwandels. J. Trier hat in der bereits erwähnten Schrift „Der deutsche Wortschatz im Sinnbezirk des Verstandes" (siehe oben S. 111 f.) gezeigt, daß jedes Feld seine eigene Geschichte hat, indem jeder Begriff den anderen trägt, so daß eine Bedeutungsverschiebung, z. B. des mhd. Wortes wise, die verwandten Bedeutungen mit sich reißt und eine „Umgliederung" des ganzen Feldes zur Folge hat Alle ä u ß e r e n Bedingungen, die Umwelt wie das vorgefundene eigene und fremde Sprachgut, werden mittels der i n n e r e n , psydiophysischen Bedingungen jedes Volkes mit den Sinnen rezipiert, vorgestellt und durchdacht, also jedesmal in eigenartiger Weise verarbeitet und in den, auch wiederum von Volk zu Volk verschiedenen, Sprechorganen artikuliert. Durch diese (innere) Prägung mittels der sensorischen „Funktionen" wird aber noch kein Wandel der Sprache hervorgebracht, 5 6 Paul Menzerath, Die Sprediartikulation als Struktur, Forsch, u. Fortschr. 13 (1937), S. 364 ff.

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sondern nur „bedingt" mit unendlich vielen landschaftlichen und individuellen Differenzen im einzelnen. b) Die wirkenden Kräfte. Erst und allein die bewegenden Mächte, die gerichteten Triebe und intentionalen geistigen Akte sind es, welche die schöpferische Leistung des Sprachwandels hervorrufen 57 . Während also soziologisch gerichtete Geschichtsphilosophen wie K. Marx, Aug. Comte, H. Spencer die „Dynamik" der Geschichte in einer Anpassung an äußere Verhältnisse sehen, vollbringen gerade umgekehrt die geistigen Mächte den Wandel durch Umgestaltung der Bedingungen. Es ist mithin das größte Gewicht auf eine systematische Sonderung von aufnehmenden, verarbeitenden Funktionen und den spontanen Akten des Geistes — neben den Trieben — z u legen, in denen sich die Energeia der Sprache kundtut 58 . Also nicht die alte Einteilung der psychischen Phänomene (Tetens — Kant), welche Gefühl und Willen auseinanderreißt, sondern Geist i s t g e f ü h l s b e t o n t e r W i l l e , eine Einheit, wie sie W. Dilthey, F. Brentano („Interesse") und F. Krüger gelehrt haben 59 . Zu welcher Klassifikation die alte Einteilung des XVIII. Jahrhunderts auf dem Gebiete des Bedeutungswandels führt, zeigt auch die Gliederung E. S t r u c k s 6 0 . Er behandelt im ersten Teil die Sprache als Funktion des Denkens und Vorstellens, im dritten Teil die Sprache als Ausdrude des Fühlens. Der zweite Teil bringt als Mittelglied zwischen Sprache als Ausdruck des Denkens und Ausdrude des Fühlens die Synästhesien (Hören und Sehen, Riechen und Schmecken) und „intermodale Sinneserscheinungen". Am Schluß stehen dann die Wortbedeutungen „als willensbestimmte Wertweiser". Vgl. dazu die einleitenden Bemerkungen zu dem sonst bedeutsamen Werk. Geordneter erscheint H. K r o n a s s e r s Ansatz, wo „psychische" und „physiologische Veranlassungen" — mithin „Bedürfnisse" und Bedingungen — gesondert sind im Rahmen der Hauptgliederung: „Primäre" Demgegenüber behauptet Aug. Schleicher, Die deutsche Sprache, 1874, S. 6: Das Denken — im weitesten Sinne verstanden — ist Hirntätigkeit! 5 8 W. Henzen, Deutsche Wortbildung, Halle 1947, S. 13, 17 ff., drängt bewuflt, wenn auch ohne klare Sonderung, auf die Unterscheidung von seelischen und geistigen Bedürfnissen hin, z. B. Trieb nach Deutlichkeit, Anschaulichkeit, Lebendigkeit, Nachahmung, Bequemlichkeit usw. »· DeT alten Gliederung der psychischen Phänomene entspricht audi die frühere funktionale Einteilung des Bedeutungswandels, wie wir sie (nach •H. Paul) typisch finden bei A. Waag, Bedeutungsentwicklung unseres Wortschatzes, Lahr i. B. 1908: Verengung, Erweiterung des Bedeutungsumfangs! Metapher, Metonymie, Hyperbel, Litotes, Euphemismus, Ironie, woran sich noch einige besondere Gesichtspunkte schließen. Im Gegensatz zu dieser mehr logischen Gliederung hat man (K. Glaser) die Berücksichtigung der „Tendenzen" t e i M. Bréal „philosophisch" genannt. — Vgl. „Bericht" S. 229 (Th. Litt), 232 f£. (L. Landgrebe, W. Schingnitz, H. Hungerland). E. Struck, „Bedeutungslehre", Leipzig u. Berlin 1940.

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und „sekundäre Veranlassungen"; die letzteren sind solche, die sich »rein aus dem Gefüge der Sprache erklären" (S. 193) M . Die Gliederung K a r l S c h m i d t s ist — trotz der Einleitung, S. 6 —, bis auf einen Punkt (Beeinflussung durch ein anderes Wort), p s y c h o l o g i s c h e r Natur: Bedürfnis nach Bedeutungswandel bei Kulturwandel, Bequemlichkeit, Nachahmungstrieb, sinnliche Kraft des Ausdrucks, Deutlichkeit, Zartgefühl, Zorn und Schmerz, Höflichkeit und Eitelkeit, Willkür 82 . Das sind wesentlich Strebungen (Triebe). Aber, wie bereits angedeutet, weder ein einseitiger Idealismus der lebendigen Antriebe noch ein Positivismus der bloßen Bedingungen gibt eine umfassende Deutung des Bedeutungswandels, sondern nur ein R e a l i s m u s , welcher der vollen Wirklichkeit gerecht wird durch Anerkennung beider Faktoren, der Bedingungen wie der wirkenden Kräfte. Diese sind neben den.Triebkräften vor allem die geistigen Strebungen, wie wir sie oben von den psychischen Funktionen abgegrenzt habend. Es leuchtet ein, daß dies dieselben Kräfte sein müssen wie diejenigen, welche den Sprechakt regulieren, wo wir dann von s t i l i s t i s c h e n Gesichtspunkten zu reden pflegen: der Drang nach Klarheit (Wahrheit) lind nach Bequemlichkeit; sodann die sittlichen Mächte, das Verlangen nach rücksichtsvoller und verantwortungsbewußter Ausdrucksweise. Daß auch die Haltung des religiös-demütigen Menschen in Sprache und Sprechen zum Ausdruck kommt, wird niemand bezweifeln. So fügt sich die menschliche Sprech-Handlung der gesamten Wirklichkeit als integrierendes, ja bestimmendes Glied ein, was auch ein entscheidender Gedanke der vorliegenden Arbeit ist. Vgl. oben S. 86 ff., 119 f. H. Kronasser, Handbuch der Semasiologie, Heidelberg 1952, S. 196 f. Karl Schmidt, Die Gründe des Bedeutungswandels, Programm des Kgl. Realgymnasiums zu Berlin 1894. 09 Hinsichtlich dieser hergebrachten Verwechslung von (funktionaler) Psychologie und (geisteswissenschaftlicher) Psychologie erklärt W. Dilthey, Gesammelte Schriften VII, S. 84 f., mit Recht: „Hier ist es nun ein gewöhnlicher Irrtum, für unser Wissen von dieser inneren Seite den psychischen Lebensverlauf, die (funktionale) Psychologie einzusetzen . . . Das Verstehen dieses Geistes ist nicht psychologische Erkenntnis. Es ist der Rückgang auf ein geistiges Gebilde von einer ihm eigenen Struktur und Gesetzmäßigkeit." Derselbe Ubergang, der sich von der älteren Psychologie zu einer „Wissenschaft vom Geist" bereits in Diltheys Aufbau der geschichtlichen Welt vollzieht, läßt sich auch bei H. Freyer (Theorie des objektiven Geistes) verfolgen. Die vorliegende Problematik wird dann klar herausgestellt: E. Spranger, „Lebensformen", S. 3 ff. (Zwei Arten der Psychologie) und neuerdings in seinem Beitrag zu dem von H. Heimsoeth herausgegebenen Sammelband (Nicolai Hartmann. Der Denker und sein Werk, Göttingen 1952, S. 29 ff.) ; — desgleichen von N. Hartmann, „Das Problem des geistigen Seins", S. 48 („Geistiges Sein ist keine psychologische Angelegenheit"). — Entsprechend stellt L. Klages, „Die Sprache", XV. und XVI. Kap., Psychologie u. Charakterkunde gegenüber. — An Stelle d. geistesw. Psychologie sprechen angloamerikanische Werke, da es im englischen kein Wort für „Geist* gibt, besonders auf pädagogischem Gebiet von needs, drives, urges, impulses, purposes, ideals, interests, spontaneous activities usw. 81

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Um diese gesamte Wirklichkeit (Sprediakt und geschichtlich gewordenes Sprachgut) als ein geordnetes strukturiertes Ganzes durdischaubar zu machen, sind wir eben gezwungen, die einzelnen Regungen — Stimmungen, Triebe, geistige Akte — zu Kategorien, wie sie nun einmal unser Dasein beherrschen, s y s t e m a t i s c h z u s a m m e n z u f a s s e n . Wenn daher H. Kronasser (ähnlich K. Schmidt) besonders aufführt: „Bequemlichkeit, Bedürfnis nach Deutlichkeit, Angst, Scham, Prüderie, Eitelkeit, Höflichkeit, Abscheu ..., Ironie, Zorn, Haß, Verachtung, Liebe, Besorgnis, Ubertreibungssucht, Witzbedürfnis, Prahlerei . . N a c h ahmungstrieb u. a.", so fügt er treffend hinzu: „die sich nicht alle aufzählen lassen und in den verschiedenen individuellen oder ethnischen Erlebnissen und Veranlagungen wurzeln, mitunter auch gar keine sprachliche Bezeichnung haben". Denn wer will sich im einzelnen vermessen, alle Erlebnisse, erlebte Bedingungen und Motive unseres Handelns und Sprechens, die in unentwirrbarer Verflechtung zusammenwirken, im besonderen verstandesmäßig erfassen zu können 64 ! Zum Beispiel den Bedeutungswandel, wie er sich vom Mhd. zum Nhd. vollzogen hat in bait (kühn), bekennen (erkennen, erfahren), bescheiden (verständig), ergetzen (vergessen machen, entschädigen), veige (dem Tode ver lallen), verklagen (aulhören zu klagen), versprechen (ausschlagen), vrum (tüchtig), genâde (Huld, Dank), milte (ireigebigjes etc. So werden wir denn grundsätzlich auf das kategoriale Ordnungsgefüge dieser Welt verwiesen, das wir aus dem Sprechakt abstrahiert haben und das im folgenden durch den Einblick in die wirkenden Kräfte des Sprachwandels bestätigt wird"®. Dabei können die nachstehenden veranschaulichenden Beispiele immer nur unter einem der möglichen Gesichtspunkte herausgehoben sein. Zuvor noch eine kurze Bemerkung zum „Nachahmungstrieb", der fast überall, wo von Laut- bzw. Bedeutungswandel gesprochen wird, sein Unwesen treibt. So sagt z. B. H. L. Koppelmann67: Die „Ungenauigkeit der Nachahmung" sei nicht die stärkste „Triebfeder" des Lautwandels. Ihre Mitwirkung sei aber „unentbehrlich". Nach unserer Bestimmung des Geistigen liegt jedoch in „Nachahmung" kein intentionales Moment vor; man muß vielmehr fragen: Nachahmung wozu? Also steht Nachahmung 94

Also werden audi die Phasen des Bedeutungswandels schwer zu durchschauen sein. J. Stöcklein, Bedeutungswandel der Wörter, München 1898, möchte drei Stadien annehmen. 85 Aug. Schleicher, Die deutsche Sprache, Stuttgart 1874, S. 298 f. M Sagt doch auch N. Hartmann, „Das Problem des geistigen Seins*, S. 220: „So kann man am Beispiel der Sprache in nuce die Grundmomente des objektiven Geisteslebens alle beisammen finden." — Humboldt bemüht sich, nach einem Brief an Schiller (20. November 1795), „die Kategorien zu finden, unter welche man die Eigentümlichkeiten einer Sprache bringen könnte, und die Art aufzufinden, einen bestimmten Charakter irgendeiner Sprache zu schildern." 67 H. L. Koppelmann, Ursachen des Lautwandels, Leiden 1939, S. 1. 156

im Dienste der Bequemlichkeit, der Schönheit etc. So mündet die „Nachahmung" in eine der großen geistigen Kategorien ein. — Wir prüfen nunmehr, inwiefern t r i e b h a f t e Regungen bzw. g e i s t i g e Motivationen auf Grund der behandelten Bedingungen den Sprachwandel verwirklicht haben. 1. Wirkungen der Triebe®8. Auf die Rolle des Affektes (Gefühls) im Akt des Sprechens bzw. im Aufbau der Sprache ist verschiedentlich hingewiesen worden, von Vico, Hamann und Herder, in jüngerer Zeit besonders von Jac. van Ginneken, H. Sperber, K. Jaberg, A. Tobler, L. Spitzer, K. Glaser, K. Voßler, E. Gamillscheg, E. Hofmann u. a.ee. Hinsichtlich der Sprache als A u s d r u c k s b e w e g u n g und im Hinblick auf die hiermit verbundene E n t l a s t u n g (Entladung) seelischer Spannungen hat man denn ganz allgemein von „Emphase" gesprochen, z. B. in Fällen wie engl. I am awfully hungry, frz. c'est Sort joli, ich bin sehr (• morbleu, mordi, mordienne-, tête Dieu >têtebleu; par Dieu > parbleu, pardi. Im Englischen ist damned gesellschaftlich verpönt; man sagt z.B. I'll be danged (damned + hanged); im Buche Hiob finden wir segnen statt fluchen; im Französischen, ironisch gemeint, il va vous bénir. Auch der Name des Teufels wird gemieden, entstellt oder ersetzt. Im Deutschen der Düwel, der alt böse Feind, der Gottseibeiuns; frz. diable > diantre, dache (Argot), le vilain, le mauvais, l'autre. F r. Κ a i η ζ weist darauf hin, daß sich das Sakrale, Mysteriöse und Numinose im Bereiche des Laut-, Form- und Bedeutungswandels als wirksam erweist94. Die feierlich-dunklen U-Formen, die aus religiösen Gefühlsmotiven an die Stelle von formgesetzlich hellen Lauten der Beschwörungen und Gebete treten — vergleiche auch die Akzent- und Intonationsänderungen von Liebkosungen — haben lautsymbolischen Eigenwert. Name und Sachen, Wortklang und Wortbedeutung verschmelzen und offenbaren das eigentliche Wesen des Lautkörpers, der nicht „Zeichen" ist, wie eine oberflächliche Sprachbetrachtung der nichtssagenden Verkehrssprache wahrhaben möchte (s. oben S. 163). Unter dem Einfluß ehrfürchtiger Verehrung werden altertümliche Formen und Wörter bewahrt, da ja am Wortlaut und an der Sprachmelodie überlieferter Gebete und Beschwörungen nicht ein Jota geändert werden darf. Damit schließen wir die „Wirkungen" der angegebenen Geisteskräfte. Andere Mächte des Sprachlebens wüßte ich nicht anzugeben, weder aus M Fr. Kainz, Sprachpsychologisches zum Thema „Religion und Sprache", in Die Sprache, Ztschr. f. Sprachwissenschaft I (1949), Wien, S. 101 ff.¡ — W. Horn, Neue Wege der Sprachforschung, Marburg (Lahn) 1939, S. 12 ff.¡ 29 ff.

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der Fachliteratur noch aus eigenen Beobachtungen. — Wir haben oben (S. 86 ff.) das kategoriale Strukturgefüge der geistigen Welt, also auch der Sprache herausgestellt. Innerhalb dieses allgemeinen Rahmens irrationaler Spannungen wandelt sich jegliche Einzelsprache als eigenartiger Ausgleich a l l e r G e i s t e s r i c h t u n g e n unter den besonderen B e d i n g u n g e n einer gegebenen Wirklichkeit. Während also L o g i k die Sprache nur unter dem eindeutigen Gesichtspunkt der Klarheit sieht, bedeutet a l l g e m e i n e G r a m m a t i k die Sicht menschlicher Sprache unter a l l e n Kategorien des Geistes; schließlich die Grammatik der k o n k r e t e n Sprachen, etwa des Griechischen oder des Chinesischen, die wissenschaftliche Betrachtung der betreffenden Sprache als werdenden A u s g l e i c h a l l e r T r i e b - u n d G e i s t e s m ä c h t e eines besonderen Menschentums in seiner sich geschichtlich entfaltenden Umwelt. Eine unausschöpfliche Dynamik ewigen Wandels! Hier liegen die Unterschiede zwischen Logik, Allgemeiner und konkreter Grammatik. Wir haben den Wandel der Laute und der Worte, der Bedeutungen wie der Beziehungsbedeutungen auf ein Streben der Menschen nach Deutlichkeit und Gedrungenheit des Ausdrucks, nach Verantwortlichkeit, Güte und Demut zurückgeführt. Dies darf nicht im äußerlichen Sinn der alten Substitutionslehre aufgefaßtwerden (KarlBühler: aliquid stat pro aliquo), sondern das Wort i s t der Mensch, ist ein gliedhafter Teil des Menschseins. Hans Lipps ist in diesem Sinne zuerst vorgestoßen (s. oben S. 164). Der Wandel muß aber noch umfassender gesehen werden: nicht nur i m Sprechen des klaren und wahren sowie des veranwortungsbewußten M e η sc h e η (Η. Lipps: „Verbindlichkeit" der Sprache), sondern auch des ökonomischen, gütigen und demütigen M e n s c h e n . Aus solchen Urgründen w i r d erst Sprache im ewigen Wandel (s. auch oben S. 100; Lautkörper und Bedeutung als Einheit). V. Im Anschluß an den magisch-mythischen Grundcharakter der Sprache noch einige Bemerkungen über Tabu-und über Sondersprachen — die nicht scharf voneinander zu scheiden sind —, zumal sich hier die verschiedensten der vorstehend aufgewiesenen Motive durchschlingen. Die O b j e k t e der Tabusprache sind besonders das eigene Ich, Verwandte (und Verstorbene), hochgestellte Persönlichkeiten sowie Götter und Dämonen, Körperteile, Krankheiten und Tod, wilde und Haustiere sowie Feuer, Sonne und Mond95. Die E r s a t z b i l d u n g e n entstehen durch Lautveränderungen der Gemeinsprache (Metathesis, Änderungen des An-, In- und Auslauts), Entlehnungen, Antiphrasis, stellvertretende Pronomina, Wunschnamen und Vgl. W. Havers, Neuere Literatur zum Sprachtabu, Akad. d. Wiss. in Wien, philos.-histor. Klasse V (1946), S. 15 ff.; — D. Westermann, Tabu und Sprache in Afrika, FoTsdi. u. Fortsdir. XVI (1940), S. 51 ff.; — Fr. Kainz, .Sprache", S. 248 ff., 255 ff.; — C. K. Ogden/I. A. Richards, „Meaning", S. 63; — vgl. oben S. 147.

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-sätze (weißrussisch gelegentlich die saatfressenden Spatzen als slepci = die Blinden bezeichnet) und Metaphern (Tabu-Euphemismus), die Captatio benevolentiae; Ellipsen; Vermeidung des Nominativs als Tat-Subjekt (lat. si hominem iulminibus occisit), Generalisierung und Tabuplural; Änderung der Wortstellung. Die M o t i v e des Tabu sind magisch-mythische Scheu vor Göttern, Geistern und Dämonen, besonders bei Kulthandlungen und Belehrungen. Es wird angenommen, daß die Geister (und Tiere) die Tabusprache nicht verstehen, wenn schon die Gemeinsprache. Das Wort ist nicht nur heilig und beschwörend, sondern hat auch bezwingende Macht; wer das Wort kennt und nennt, besitzt die Macht. Man denke an das Märchen vom Rumpelstilzchen. Die Tabusprache ist auch der Scheu vor dem Inzest entsprungen im Hinblick auf das Gemeinschaftsbewußtsein primitiver Völker. Sie mag damit der .schonenden Milde", also einem ethischen Motiv erwachsen sein, wie Fr. Kainz bemerkt, vielleicht auch sozial-ästhetischen Neigungen aus dem Verlangen nach kultivierter Redeweise. Sofern das stellvertretende Deckwort im Familienkreise dem praktischen Verkehr dienen sollte, vielleicht aus dem Spieltrieb und einer gewissen Freude an Geheimtuerei geboren ist (D. Westermann), weist es schon zu den Sondersprachen hinüber. Jedenfalls haben Religiosität und Aberglaube zum Sprachwandel beigetragen, auch zum Wortschwund, wenn die eigentlichen Namen durch Tabuwörter — oder durch Schweigen — ersetzt wurden. •— Die Sondersprachen (Rotwelsch, Argot oder Jargon, Slang oder Cant) sind recht verschiedener Art 98 : Gauner-, Handwerksburschen-, Schülerund Studentensprache; die der Berufskreise, der Soldaten und Jäger, der Schiffahrt und Landwirtschaft; des Sports und der Geselligkeit; der verschiedenen Gesellschaftskreise. Die E r s a t z b i l d u n g e n sind morphologisch, der Bedeutung und der Beziehungsbedeutung gemäß, ähnlich denen der Tabusprache: Abwandlungen der heimischen Wörter, Entlehnungen und gelehrte Neubildungen, Wortkürzungen, Abwanderungen in die Sondersprache und Rückwanderung in die Verkehrssprache, beidemal mit Veränderung der Bedeutung usw. Dazu gibt E. Gamillscheg zahlreiche Belege97. Hinsichtlich der M o t i v e , welche die Sondersprachen geschaffen, gewandelt und dem Untergang preisgegeben haben, mögen hier und da magische Einflüsse eingewirkt haben. Sicher ist der Einfluß der Emphase, die Neigung zu kräftiger, ja derber Ausdrucksweise gegenüber abgegriffenen Worten und ihren Bedeutungen; daher die Ablehnung der konven* W. v. Wartburg, Vom Ursprung und Wesen des Argot, Germ.-Rom. MonatssdiT. XVIII (1930), S. 376 ff.; — W. Wundt, »Die Sprache" II, S. 617 ff.; — W. Porzig, Das Wunder der Sprache, München 1950, S. 195 ff. E. Gamillscheg, .Bedeutungslehre", S. 141 ff.

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tionalen Alltagssprache. Das affektgeladene Wort kann dann wieder durch sittliche Tendenzen gesellschaftsfähig gemacht werden. Wer sich der Sondersprache bedient, hat oft eine spielerische Freude am Neuen, am Malerisch-Anschaulichen, am Witzig-Launischen der .Geheimsprache". Er möchte gern anders sein, auffallen; nur interessant, imponierend, amüsant oder keck wirken, wie H. L. Koppelmann mit Bezug auf den Leutnantston, den Backfischj argon sagt. Ein charakteristischer Zug der Sondersprachen liegt im Gefühl der Gemeinschaft, die sich gegen andere Kreise abschließen möchte. Man fühlt sich durch eine bestimmte Sprache, auch durch die Namengebung der einzelnen Glieder, enger miteinander verbunden, glaubt durch einen bestimmten Ton und Akzent eine herzliche Vertraulichkeit zu sichern und zu fördern. Es liegt im Wesen der Geheimsprache, soweit sie nicht auf Fachausdrücken des Berufes beruht, daß das Geheime offenbar wird und das Neue, Eigenartige sich abnutzt. Daher der überaus schnelle Wandel und Verbrauch der Sprachmittel. Die Worte vergehen so schnell, wie sie entstanden sind und sich ausgebreitet haben.— Rückblickend fassen wir zusammen: 1. Der Wandel der Sprachen nach Wortschatz und syntaktischer Fügung ist zurückzuführen auf bestimmte Bedingungen einerseits, auf die spontane Wirkung der Affekte (Emphase) sowie der geistigen Akte andererseits. Solange die Zusammenhänge zwischen Bedingungen und geistigen Akten als willkürlich und zufällig betrachtet werden, darf man schwerlich von einer Sprach - W i s s e n s c h a f t sprechen. Wir werden daher zur Uberzeugung gedrängt, daß zwischen diesen Faktoren gesetzlidie Beziehungen bestehen. Diese Hypothese kann nicht bewiesen, sondern nur an der Erfahrung verifiziert werden. In diesem Sinne definiert M. Bréal das Gesetz als le rapport constant qui se laisse découvrir dans une série de phénomènes 98 . Es gibt verschiedene Arten von Gesetzlichkeiten, je nach der Schicht (s. oben S. 86). In der mechanisch-gegenständlichen Schicht sprechen wir von „ G e s e t z e n " ; hier herrscht N o t w e n d i g k e i t . Nehmen wir den Fall der gleichmäßig beschleunigten Bewegung, so zeigt uns die Fallformel s = | t ! eine notwendige Abhängigkeit verschiedener, quantitativ bestimmter Faktoren, vereinfacht ausgedrückt: Wenn a, so r. Man hat daher in der mathematischen Physik von „funktionaler" Abhängigkeit gesprochen. Die empirisch abgeleiteten Formeln gelten rückblickend, nicht für die Zukunft, für die sie heuristischen Wert haben. In der biologischen Schicht waltet, im Hinblick auf das Auftreten der Mutationen, nur M ö g l i c h k e i t . Wir können daher die vorstehende »8 M. Bréal, „Sémantique", p. 11; — E. Gamillsdieg, a.a.O., S. 192, kommt meinem Standpunkt sehr nahe. 172

Formel durch einen Faktor erweitern und sagen: Wenn a u n d b, so r. Insofern die Sprache in der biologischen Sphäre verwurzelt ist (s. oben: „Triebe"), gelten diese Gesetzlichkeiten audi auf dem Gebiete der Sprache. I. van Ginneken hat den Versuch unternommen, die Mendelsdien Gesetze auch auf die Linguistik anzuwenden". In der geistigen Schicht sind sowohl die unübersehbaren Bedingungen als auch die verschiedenen, in Spannung stehenden Geistesakte in die Formel aufzunehmen: Wenn a und b und c und d so r. Es wäre daher, wegen der Unzahl der beteiligten Faktoren, nicht angemessen, von „Gesetzen" zu reden; wir begnügen uns also mit der Bezeichnung „Gesetzlichkeit". I:i Anbetracht des Wirkens lebendiger Kräfte, die erst den Wandel durchsetzen, herrscht in dieser Schicht des Geistes die F r e i h e i t des vernünftigen Menschen. Damit wird aber dem Zufall kein Zugeständnis gemacht; es soll vielmehr der Unzulänglichkeit menschlicher E i n s i c h t in alle Beziehungen Rechnung getragen werden. Mit dieser Anerkennung allgemein gültiger Erkenntnisse im Bereiche der Sprachwissenschaft ist allein der Charakter einer w i s s e n s c h a f t l i c h e n Linguistik zu retten 100 . In diesem Sinne interpretiere man die junggrammatische These Osthoffs und Brugmanns, sowie Eduard Wechßlers bekannte Kampfschrift101. Siehe dazu oben S. 140 über das Wesen der „Regel". Es gibt nun nicht nur Gesetzlichkeiten der S u k z e s s i o n , des zeitlichen bzw. geschichtlichen Nacheinander, sondern auch solche der K o e x i s t e n z , der Struktur. In diesem Sinne haben wir oben (s. d. V.Kap.) vom T y p u s gesprochen und den Wesenstypus bestimmt als das einheitliche Ganze der wechselseitig aufeinander und auf einen geistigen Kern bezogenen Glieder (S. 67). In Wirklichkeit gibt es keine Sukzession ohne Koexistenz, denn jeglicher Wandel, einschließlich desjenigen der Folge, ist auf geistesgeschichtlichem Gebiet immer Strukturwandel. Dieser Gedanke liegt auch der Lehre von den Sprachfeldern zugrunde. 2. Sowohl im Sprechakt als im Bereiche des historischen Wandels machen sich dieselben Geistesakte geltend. Es hat sich ergeben, daß der Sprachwandel nach großen Gesetzlichkeiten vor sich geht. Denn Sprechen und Sprachwandel ist Leben, ewige Bewegtheit, „allmähliches Werden nach bestimmten Lebensgesetzen", ein Han** Iac. van Ginneken, Die Erblichkeit der Lautgesetze, Idg. Forsch. 45 (1929). leo Dj e (Allgemeine) Sprachwissenschaft soll audi dem Ziele einer „allgemeinen Spradiengesdiicfate* zustreben: G. v. d. Gabelentz, „Sprachwissenschaft", S. 481. — Wenn H. Heimsoeth, Geschichtsphilosophie, Stuttgart und Berlin 1942, S. 43, den Satz bestreitet, daß unter gleichen Umständen stets das Gleiche eintritt, so hat er ganz recht. Es muß eben heißen: unter gleichen Bedingungen u n d Geistesakten. 101 Osthoff-Brugmann, Morphologische Untersuchungen I, Leipzig 1878, S. XIII; — E. Wechßler, Gibt es Lautgesetze? Festgabe für H. Sudiier, Halle (Saale) 1900. 173

dein, das immer zielgerichtet ist. Und auch Wilh. Diltheys Fragestellung geht ja immer aus auf ein Verstehen des zweckhaften Zusammenhangs von Leben und Ausdruck. Diesen Gedanken hat der Pragmatismus aufgenommen: Sprechen als praktisches Handeln (z.B. Grace de Laguna und Charles W.Morris). So ist denn audi aller Laut- und Bedeutungswandel, Verengung und Erweiterung, Sinken und Steigen, der Sdiichtenwechsel und der metaphorische Gebrauch der Wörter nicht nur Bewegtheit, sondern audi Gerichtetheit. Im einzelnen zeigt sich diese Gerichtetheit bzw. Gleichgerichtetheit z. B. in der Konvergenz von ae. dream und sped, wie B. von Lindheim nachgewiesen hat¡ in der gleichgerichteten Verschiebung der pejorativ-affektischen Nuance eines ganzen Begriffskreises (skilful, clever, cunning, sly usw.), den H. Sdireuder verfolgt hat; vgl. dazu afrz. deluer und delaiier, die beide von festmachen (festhalten) zu säumen (versäumen) weitergeschritten sind; ähnlich accompagner (zugesellen) und conduire (< con-ducere) zu begleiten. Diesem Gedanken hat audi A. Meillet, „Linguistique", ein ausgezeichnetes Kapitel gewidmet: Convergences des développements linguistiques. Alle Geisteskräfte des Sprachwandels, d. h. immer des sprechenden Menschen, d i f f e r e n z i e r e n die Sprache in der mannigfaltigsten Weise. Der sprechende Mensch ist aber eine geistige E i n h e i t , verlangt nach E i n h e i t , nach h a r m o n i s c h e m A u s g l e i c h aller seiner Strebungen, im Akt der „Apperzeption", mit W. Wundt gesprochen; man könnte auch „Synthesis" sagen. Damit kommen wir auf die oben (S. 84) offen gelassene Charakteristik des Geistigen zurück: Der Geist „macht ganz". Erst mit dieser Einheit „vollendet" sich die Sprache im Sinne Humboldts, auf das „Richtige" hin, wie J. Trier angedeutet hat, im ewigen Wandel der Sprache, im Akte wechselseitiger D i f f e r e n z i e r u n g und I n t e g r i e r u n g (s. oben S. 107, 111 f.). Diese Gerichtetheit auf das Richtige, das Echte bleibt das Problem. Liegt hier in der Tat ein „Fortschritt" vor (Progress in Language: O. Jespersen), geradlinig, im An- und Abstieg wechselnd, im Kreise, nach Art einer Spirale — wer vermag das zu belegen, zu beweisen 102 ? Jedenfalls können wir sagen, daß es Aufgabe der Allgemeinen Sprachwissenschaft ist, durch Vergleich das „ideale Gerüst" der menschlichen Sprache zu ergründen und von hier aus zu fragen, wie jede Einzelsprache diese kategoriale Grundstruktur der Sprache ausfüllt, um damit das Verständnis der verschiedenen Geisteshaltungen, des „Denkens" der Völker 108 Aug. Schleidier, Uber die Bedeutung der Sprache für die Naturgeschichte des Menschen, Weimar 1865, S. 20; — A. A. Gxünbaum, Sprache als Handlung, Bericht über d. XII. Kongreß d. dtsdi. Ges. f. Psychol., Haniburg 1931, S. 164 ff.; — H. Blanke, Neuphil. Ztschr. IV (1952), S. 324 f.; — B. v. Lindheim, Forsch, u. Fortschr. 24 (1948), S. 110 ff.; ders., Neuphil. Ztschr. III (1952), S. 101 ff.; — H. Sdireuder, Pejorative Sense Development in English I, Groningen 1929; p. 157 ff.; — A. Meillet, „Linguistique" I, p. 61 ff.; — vgl. „Preliminary Reports*, p. 119 ff.

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auf Grund ihres Sprechens und ihrer Sprache zu gewinnen — aus einer grundsätzlich neuen Haltung zur Sprache heraus. Wie die sprachliche Feldforschung sich das Ziel gesetzt hat, von den einzelnen Sinngebieten zu umfassenderen Feldern und schließlich zu „umfassenden Großfeldern" der gesamten Sprache aufzusteigen, so haben audi wir den Versuch gemacht, über die einzelnen Triebe, Stimmungen und Strebungen hinaus, zu fundamentalen Kategorien des Geistes zu gelangen. Wir haben in den Tendenzen der systematischen bzw. anschaulichen Klarheit und der Ökonomie, in dem sittlichen Streben nach Verantwortung und Güte sowie schließlich in der allumfassenden, demütigen Ehrfurcht vor dem Absoluten die letzten verstehbaren Kräfte des Wandels, auch des stilgerechten Sprechens, und damit ein Strukturgefüge gesucht, eine objektive Tafel der Sinnrichtungen („Werte"), die Ch. Renouvier in seinen Essais de critique générale I (1912) mit gutem Grund un tableau de l'esprit humain genannt hat. Wir haben uns bemüht, dieses „so lange gesuchte" System der Kategorien aus der Sprache abzuleiten, eine Forderung, die schon M. Bréal zum höchsten Ziel der vergleichenden Philologie erhoben hat, mit seinen Worten: à surprendre les opérations de la raison humaine. Vermag man doch „am Beispiel der Sprache in nuce alle Grundelemente" des objektiven, wie des subjektiven Geistes beisammenzufinden. So kann uns denn in der Tat ein tieferer Einblick in die Eigentümlichkeiten der Sprachen, in ihr Walten auf das unendliche Ziel der Vollendung hin ein kostbares Hilfsmittel sein „zur Erforschung und Erkennung der Wahrheit und Bildung der Gesinnung und des Charakters". Dieses Wort Wilh. v. Humboldts, in seiner Hinwendung zum Verstehen des Menschen, des Mitmenschen, und zum hilfreichen Tun enthüllt uns den letzten Sinn der Allgemeinen Sprachwissenschaft.

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Verzeichnis der öfter erwähnten Schriften A c t e s du . . . . congrès international des linguistes . . . . IV Kopenhagen 1936 (1938), VI Paris 1948 (1949), VII London 1962 (Preliminary Reports). Bally, Charles: L i n g u i s t i q u e g é n é r a l e et linguistique française. Bern 1950. Becker, Κ. F.i A u s f ü h r l i c h e d e u t s c h e G r a m m a t i k als Kommentar der Schulgrainmatik. Erste und Zweite Abteilung. Frankfurt (Main) 1836—39; (2. Aufl.) I 1842, II 1843. Becker, K. F.: O r g a η i s m der Sprache. Frankfurt (Main) 1841 (2. Aufl.). Becker, K. F.: S c h u l g r a m m a t i k der deutschen Sprache. Frankfurt (Main) 1839 (4. Aufl.). B e r i c h t über den Dritten Deutschen Kongreß für Philosophie (Bremen 1950). Symphilosophein. München 1952. Bemhardi, A. F.: S p r a c h l e h r e . Berlin I 1801, II 1803. Bloomfield, L.: L a n g u a g e . New York 1933 (1951). Bréal, M.: L e s i d é e s l a t e n t e s du langage. Vorlesung, gehalten am 7.12. 1868 im Collège de France. Bréal, M.: Essai de s é m a n t i q u e . Paris 1899. Brandal, V.: E s s a i s de linguistique générale. Kopenhagen 1943. Brunot, Ferd.: L a p e n s é e e t l a l a n g u e . Méthode, principes et plan d'une théorie nouvelle du langage appliquée au français. Paris 1922 (1936). Bühler, Karl: S p r a c h t h e o r i e . Die Darstellungsfunktion der Sprache. Jena 1934. Cassirer, Ernst: Philosophie der s y m b o l i s c h e n F o r m e n , I: Die Sprache. Berlin 1923. Delacroix, Henri: L e l a n g a g e et la pensée. Paris 1924. Dilthey, W.: D e r A u f b a u der geschichtlichen Welt in den Geisteswissensdiaften. Gesammelte Schriften VII. Band (Fortsetzung und Zusätze). Leipzig und Berlin 1927. Dittrich, Ottmar: D i e P r o b l e m e der Sprachpsychologie und ihre gegenwärtigen Lösungsmöglichkeiten. Leipzig 1913. Finck, F. N.: D e r d e u t s c h e S p r a c h b a u als Ausdruck deutscher Weltanschauung. Marburg 1899. Finck, F. N.: Die H a u p t t y p e n des Sprachbaus. Leipzig und Berlin 1923. Firth, J. R.: G e n e r a l L i n g u i s t i c s and Descriptive Grammar. Transactions of the Philological Society 1951. Funke, Otto: I n n e r e S p r a c h f o r m . Reichenberg 1924. Gabelentz, Georg v. d.: Die S p r a c h w i s s e n s c h a f t , ihre Aufgaben, Methoden und bisherigen Ergebnisse. Leipzig 1901. 176

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SACHREGISTER Abstrakta 99, 108. Achsen und Pläne 49 f., 62. Adjektiv s.Wortart. Adverb 18 f., 29, 34. Akzent (dynamischer) 23 f., s. Beziehungsmittel. Allgemeine Sprachwissenschaft s. Sprachwissenschaft. Analogiebildungen (Proportionsgleichungen) 122, 124. Analytische und synthetische Bildungsweisen 20, 69. Analytische und synthetische Methode 39, 49, 60, 67, 123. Annahme 31. Antizipierendes Schema 130 ff. Apriorisch 7, 120. Apriorisches Grundgefttge 93; s. Kategorien, Werttafel. Argot (Slang) 147, 171 f. Arrangement 47, 51, 65 f. Assoziative Beziehungen 45 ff. Das Ästhetische 88 f., 119, 160 f. Ausdruck 1. expression 48 f., 63; s. signifiant. — 2. Opposition: Eindruck 87 f. Ausnahme von der „Regel" 141. AuBensyntaktische Beziehungen 29 f., 57; s. Leistungen. Autosemantika 13 f.; s. Bedeutung. Bedeutung (significatio) 11 ff., 16 ff., 61. —"1. (lexikalische) Begriffsbedeutung (lexical u. dictionary meaning, sense, concept, content; contenu, sens, notion) 9, 11 f., 16 ff., 19 f., 21, 46 ff., 51, 61. — Aristoteliker: kategorematisdie / synkategorematisdie Ausdrücke 10 ff. — Marty: autosemantische (selbstbedeutende) / synsemantische (mitbedeutende) Ausdrücke 13 f. — Husserl: selbständige / unselbständige Bedeutungen 14 f. — Sphärenbewußtheit (Bewußtseinslage, Platzbestimmtheit) 9. — Bedeutungsverleihende und bedeutungserfüllende Akte 10. — Habituelle und aktuelle Bedeutung 100. — Usuelle und okkasionelle Bedeu180

tung 24 (Anm.), 143. — Bedeutung und Sinn (Sinnfelder) 5, 101, 104 ff., 119 f. — Bedeutung und Sprachkörper (Zeichen) 100 (u. Anm.). — Objektive (ideale) Bedeutungseinheit 7. — Kategoriale Grundbedeutung 26 f., 116; s. Kategorien. — 2. (syntaktische) Beziehungsbedeutung (vgl. consignificatio. Funktion) 11 f., 14 ff., 22 ff., 29 ff., 42 ff., 57, 60 f., 62 f., 70, 123. — Vgl. oben unter 1.: synsemantische, synkategorematisdie Ausdrücke und unselbständige Bedeutungen. Bedeutung und Bedeuten 99 f. Bedeutungslehre (Semantik) 40, 47, 50 f., 60. Bedeutungswandel 143, 146, 149 ff., 175. — W a n d e l der Beziehungsbedeutung 143 f. Bedingungen (Umstände, Voraussetzungen) und treibende Kräfte 133 f., 146, 149 ff. Begabung (sprachliche) 141. Begriffssystem und Begriifswörterbuch 60, 114 ff. Begriffswort s. Bedeutung. Bequemlichkeit s. treibende Kräfte, Kategorien. Bestimmungen (Ergänzungen) 56. Bezeichnen 101. Bezeichnungslehre (Onomasiologie) 102.

Beziehung (syntactical relation; relation, rapport) 17, 19 f., 45 ff., 48, 49, 53, 59 ff., 62 f., 70 f., 93. — Rapports associatifs 48. Beziehungslehre 42 ff., 61 ; s. Syntax. Beziehungsmittel 18 ff., 22 ff., 55, 144. — Beziehungsmittel und Begriffswörter 18 f. — Beziehungsmittel und Präpositionen 15 f., 18, 19, 20. — Fundamentale Beziehungsmittel 5, 34 f., 36, 56, 99. — Fakultative Verwendung 28. — Bildung der Beziehungsmittel 138 ff., 144 f. Collocations 102. Constructio 11, 38 ff., 143.

Context s. Zusammenhang. Denken s. Sprechen und Denken. Determination 125, 136 f., 138, 140 f. Determinierende Tendenzen 127 ff. Eigentliche Mitteilung 30, 57; s. Leistungen der Beziehungsmittel. Ergänzungsbedürftige Wörter 14 f.; s. Bedeutung. Erlebnisse 43; s. Sprechen und Sprechwissenschaft. Experimentelle Untersuchungen 124 ff., 130 ff., 138 ff. Expression s. signifiant. Feldtheorien 5, 9, 104 f., 136 f., 153, 175; s. Kategorien. Flexion 18 f., 22 ff., 37, 65 f., 69, 73, 123. — Bildung der Flexion 138 f.; s. Beziehungsmittel. Form (Stoff) 4, 13, 17, 19, 23 (Anm.), 27 f., 39, 41 (Anm.), 46, 57, 60 f., 67 ff., 73 ff. (und Anm.), 133 f. — Denkformen 77 ff. „Funktion" 19 f., 37, 49 f., 61, 89, 143, 148 f. — Funktionsbegriffe 15. Geist (das Geistige, geistige Akte) 84 ff., 108, 174; s. (geisteswissenschaftliche) Psychologie. Gesamt Vorstellung 43. Gesetzlichkeiten (Gesetze der Sukzession, der Koexistenz) 6, 7 f., 64, 172 f.; s. Bedingungen und treibende Kräfte. Gleichgeriditetheit subjektiver Bewußtseins- und objektiver Seinskategorien 7 f., 85 f., 149, 174. Gliedwörter 18, 20, 24 f. Grammatik 41 ff. — Gliederung der Grammatik 61. — Empirische und apriorische Grammatik 3 ff., 7. — Formale und sinngerichtete Grammatik 40 f. — Grammatik und Syntax 43, 45, 47. GroBsdireibung 27, 36. Grundwörter (Grundbedeutung) 25 ff., 56, 116. Güte s. treibende Kräfte, Kategorien. Ideales Gerüst der Sprache 4, 5, 7 u. 32 (ideell), 57, 66, 105 f., 112, 118, 121, 174. Idëierende (Husserl: ideirende) Abstraktion 8. Induktion 1. sprachliche 138. — 2. methodologische 8, 49. Innensyntaktisch 29, 56 f.; s. außensyntaktisch.

Innere Sprachform, Struktur 58. —• Wilh. v. Humboldt 83. — Wundt 77 ff. — Marty 76. Kasus 29, 75; (innensyntaktische) 36. Kategorematika s. Bedeutung. Kategorien 1. Sinnrichtungen, Großfelder, Kultursphären 49, 60, 87 ff., 95, 119, 121, 134, 170, 175. — 2. Grammatische Kategorien 35 f; s. Schichten, Werltafel. Klang — Laut 24 f. Klarheit und Wahrhaftigkeit s. treibende Kräfte und Kategorien Klassifikation der Sprachen (Haupttypen) 68, 71 ff. — Psychologische Klassifikation 68 f. — Isolierende Sprachen 73. — Unvollkommene und vollkommene 69. — S. Sprachbetrachtung. Komplexergänzungen 130 ff. Konsoziationen 144 (Anm.). Konstruieren 36 f. Konvention 165. Konzentration (Einheit) geordneten Wissens 95 f., 174 f. Kopula 20. Korrelation 49. Kulturgebiete s. Kategorien, Werttafel. Lautwandel 142 f., 145 ff., 162. Leistung 1. Verantwortliche Leistung s. Kategorien. — 2. Leistungen der Beziehungsmittel 22 f., 29 ff., 43, 55 ff., 75, 140, 148. — Sie sind obligatorisch für jede Sprache 7, 32. Lexikologie (Lexikographie) 47. Logistik 49 (u. Anm.). Meinen 101. Mentalisten und Medianisten 103 f. Mitbedeutung s. Bedeutung. Morpheme 47. Morphologie 1. Morphologie der Begriffsworte 43, 50, 61. — 2. Morphologie der Beziehungsmittel 38 ff., 43, 47, 50, 52, 55, 61. — Morphologische Klassifikationen 67 f. — Morphologie und Syntax 60 f., 66. Mots vides (mots pleins) 70. Namen 13 f. Natur- und Kultursprachen 80, 109 f , 113 f. Negation 18, 24 (u. Anm.). Nennen und Benennen 100 f. Objektive Erkenntnis 106, 134 f.; s. Gesetzlichkeit, Strukturgefüge.

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Parallelgrammatiken 57 )Anm.). Perseveration 137, 141. Phoneme (Taxeme) 47 f. Phonetik und Phonologie 43, 51. Pläne s. Achsen. Das Praktische 113; s. Kategorien. Psychologie 1. naturwissenschaftliche (erklärende, Funktions-, Psychologie der Elemente) und geisteswissenschaftliche (Struktur-)Psychologie 5, 77, 101, 105, 113, 119, 154 f. (und Anm.). — 2. Empirische (deskriptive) Psychologie 3, 5. Psychologisches Prädikat (logisches Subjekt) 30. Regel 129, 140 f. Relationswörter (Präpositionen, Konjunktionen) 10, 18, 20, 35, 56, 70 f. ¡ s. Beziehung, Beziehungsmittel. Religiosität (das Absolute) 89 f., 119-, s. Kategorien und treibende Kräfte. Das Richtige 112 f., 121, 130. Richtung 4 ff., 7, 84 f., 109ff., 111 ff. u. 121: Richtung auf die „richtige" (angemessene) kategoriale Feldstruktur des apriorischen Grundgefüges; 173 ff. — s. Vollendung, das Richtige u. Kategorien. Satz (im Sinne der Rede) und Satzlehre 17, 42 ff., 61; 123 ff., 128 f. und 138 ff. (Ausgliederung des Satzes). Satzäquivalent 43. Satztypen 72 f., 75, 166. Satzverständnis 27, 125 f. Schema 49. Schichten (Stufen) und Kategorien (Kulturgebiete) 86 ff.; s. Kategorien. Selbständige Bedeutungen 14; s. Bedeutung. Selbstbedeutende Ausdrücke 13; s. Bedeutung. Semanteme 47. Semantik s. Bedeutungslehre. SigniSant (expression) — signifié (notion) 9, 44 f., 48 f., 51. Sinn, Ausgliederungen bzw. Ausprägungen des Geistes 85 f., 101. 119: 1. der normgemäß-überzeitliche Gehalt, z. B. der geistigen Kategorien (Sinnrichtungen).—2. der empirischgetrübte Niederschlag des Geistes, z. B. der Kulturgebiete, der Objektivationen und Subjektivationen des Geistes; daher sprechen wir auch vom „Sinn" der Rede. Recht undKon-

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vention sind rationale Regelungen der irrationalen Sinnrichtungen (Verantwortung und Güte); s. Geist und Kategorien. Situation 63, 103 f., 125, 135, 137. Sondersprachen 171 f.; s. Tabusprachen. Sprache 48. — Sprache (langue, language) und Geist 82 ff. — Sprache und Kultur 94 ff., 175. — Sprache und Selbstverständnis des Menschen 94 ff., 175. — Sprache und verantwortliches Tun 96, 175. Sprachwissenschaft 38 ff. (ihre Gliederung, historischer Rückblick), 41 ff. (Systematik). — 1. Vergleichende (universale, universelle) Sprachwissenschaft 2, 4, 6, 40, 53 (Anm.), 54, 66, 67 ff. — 2. Allgemeine Sprachwissenschaft 1 ff., 3 ff. (Aufgabe), 53 f., 60 f., 94, 97. — Sprachbetrachtung 1. Formale und sinnhafte 40 f., 52 f., 94, 163 f. — 2. Deskriptive und genetische 3, 5 f., 54, 65 ff., 81 ff., 141 ff. (genealogische 65, 67 ff., 69). — Sprachgeographie 72 (Anm.), 91 f. — Sprachphilosophie 3, 6, 54. — Sprachpsychologie 54 f. — Sprachverständnis 126 f. — Sprachwissenschaft u. Sprechwissenschaft (Sprechhandlung: speech, parole) 12, 23, 43 ff., 49, 51 f., 54, 122 ff. Sprechen und Denken 3, 77 ff., 89, 108 f ., 126 f. Stellungnahme zum Sachverhalt 22, 30 ff., 57, 75; s. Leistungen der Beziehungsmittel. Stilistik 93 f., 155. Stimmodulation (Tonfall, dynamischer Akzent) 18, 23 f., 27 (Anm.). Stimmungsgehalt (Gefühlston) 9 f., 135, 157. Struktur 1. Text und System 25 ff., 45 f., 47 ff., 62 ff., 65 ff., 93 ff., 134, 139 f., 173, 175. — 2. Strukturgefüge der Sinnrichtungen; s. Werttafel. Substantiv 36; s. Wortart. Substitutionslehre 163 f., 170. Symbol 163; s. Zeichen. Syndesmoi 10, 18, 32, 123. Synkategorematische Ausdrücke 10 ff. — Synkategorematische Zeichen 17; s. Bedeutung. Synonyma 117 f. Synsemantika 13; s. Bedeutung. Syntagmes (chaîne de la parole) 45 ff., 51, 61.

Syntax 38 ff., 47 f. — Gliederung der Syntax (Morphologie und Beziehungslehre) 55 ff., 60 f. — Ihre Darstellung 39 f., 43, 52, 57 ff.¡ s. Sprachwissenschaft. Synthetische Methode s. Analytische Methode. System 40, 46, 48 f., 62 ff., 93 ff.; s. Struktur 1. Tabusprachen 170 f. Text s. Struktur. Theorie umfaßt Wissenschaft und Kunst (das Ästhetische); s. Kategorien. Treibende Kräfte 82, 87 ff., 104, 134, 142 f., 149. — 1. Triebe 157 f. — 2. Richtkräfte des Geistes (Motive) 94, 110, 119, 154 ff., 158 ff. (Streben nach Klarheit, Anschaulichkeit und Bequemlichkeit, nach Güte, verantwortlicher Leistung und religiöser Demut); s. Werttafel (Kategorien) und Bedingungen. Typus 66 f., 90 ff. (Typologie). — Wesenstypen 23, 67, 71 f., 75, 76 ff., 83, 92 f. — Psychische und geistige Typen 77, 82 ff. — Tattypus und Empfindungstypus 74, 90 f. Unselbständige Bedeutungen s. Bedeutung. L'usage (use) 49. Valeur 44 (u. Anm.), 49. — Syntactic valence 50. Verantwortungsvolle Leistung s. treibende Kräfte und Kategorien. Verb s. Wortart. Vergleichende und Allgemeine Sprachwissenschaft 52 ff.; s. Sprachwissenschaft. Volksetymologie 153. Vollendung (das Echte) 85 f., 107. — Umformung der Schichten 88 f. —

Grundgesetzlichkeiten der Entwicklung 110 f. — Richtung auf Vollendung 7, 112, 121. — Ziel der Vollendung 175. — Durchgeistigung des Lautkörpers 100 f., 161. — Prägung des sprechenden Menschen und der Sprache 164, 170; s. Richtung, das Richtige, Bedeutungswandel. Vollwörter (Begriffswörter) 17 f; s. Bedeutung. Welt als erlebte (vorgestellte) Wirklichkeit; s. Wortart, außensyntaktische Beziehungen. Werttaiel (Rangordnung der Schichten und Kategorien) 86 ff., 89 (Anm.), 105 ff., 114, 118 f., 120 f., 134 f., 155 f., 160, 170, 175. — Strukturgefüge und wissenschaftliche Forschung 96; s. Struktur. Wortart (Redeteil) 11 f., 23, 25 ff., 38 f., 60, 72. — Ihre (fundamentale) Zahl 5, 32 ff., 116, 139, 148. — Ihr Wesen und ihre Quelle (Wirklichkeit) 25 f., 27, 29, 32ff., 56 f. (u. Anm.), 116; — s. Beziehungsmittel, Leistungen. Wortbildung (und determinierende Tendenzen) 74, 127 f., 131 f., 138 f., 144 f., 147 f. — Reproduktion der Begriffswörter 135 ff. Wörterbuch (und Begriffssystem) 51, 114 ff. Wortlehre 42 ff., 61, 65, 69, 98 ff. Wortstellung 18, 23, 25, 65, 73; s. Beziehungsmittel, Leistungen. Wortvorstellung und ihre Komponenten 9 f. Zeichen (signe) 100, 163. Ziel der Allgemeinen Sprachwissenschaft 84 f., 175. Zusammenhang (Context) 101 (Anm.), 102 f., 104 f., 152.

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