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German Pages 222 [236] Year 1913
Staatsminister a. D.
Eduard von Bomhard Staatsrat i. o. D. und Reichsrat der Krone Bayern
Ein Lebens- und Charakterbild, verfaßt nach den Tagebuchaufzeichnungen Eduard von Bomhards von
Ernst Yon Bomhard Geheimer Justizrat in Straßburg, Eis.
Mit 3 Abbildungen und 1 Tafel
München und Berlin 1913 Druck und Yerlag von R. Oldenbourg
Inhalt. Seite
Vorwort und Einleitung 1. Abschnitt. Die Voreltern » Eduard Bomhards Knaben- und Studien2. jahre • Die ersten Jahre des Staatsdienstes 3. » Die Entwicklung der politischen Anschau4. ungen Bomhards. Die Jahre 1848 u. 1849 • 5. Die Jahre der Revolution und der Reaktion » Liebesleben, Braut- und Ehestand . 6. 9 Weitere Beförderungen. Literarische Tätig7. keit « 8. Der Gesangbuchstreit in der protestantischen Kirche, Generalsynode in der Pfalz. Die Kommission in Hannover zur Ausarbei9. » tung einer deutschen Zivilprozeßordnung • 10. Bomhard als Landtagsabgeordneter. » Bomhards Ernennung zum Staatsministcr 11. der Justiz. Das Programm . . . . • Bomhards Wirken als Minister . . . . 12. » Das Jahr 1866 13. » Anfeindungen und Kämpfe. Ministerkrisis. 14. Bomhards Ausscheiden aus dem Ministerium » 15. König Ludwig II. Des Königs Wesen und Sein, Bomhard gegenüber » 16. Bomhards Wirken als Staatsrat im ordentlichen Dienste und als Reichsrat der Krone Bayern. — Schluß Anhang Auszug aus der Stammtafel der Familie von Bomhard.
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Draekhblerveritlehnlg. S. 4 Anmerkung 1 Zeile 2 lies »Oberampfrach« Statt »Oberampfnach«. — S. 26 Z. 16 v. unten lies »mißleiteten« statt mldbrauchten. - S. 94 Zelle 6 von o. lies »zu« statt zur. — S. 116 Abs. 2 erste Zelle lies 4. statt 12. Dezember. — S. 132 Z. 8 v. unten lies »Diese« statt Diesen. — S. 7, letzter Absatz, Zeile 6, S. 35 zweiter Absatz, Zeile 4, Seite 40, Zeile 3 ist Oberau zu lesen: »Muße« statt Muse.
Vorwort und Einleitung. Am 2. Oktober 1886 — dem Jahrestage seiner Geburt — ward das Sterbliche eines Mannes zu Grabe getragen, welcher, geschmückt mit den edlen Eigenschaften eines menschenfreundlichen Herzens und ausgerüstet mit der Gabe eines durchdringenden Verstandes, klaren, vielumfassenden Geistes, durch sein Geschick in Lebensverhältnisse und -Stellungen geführt wurde, in welchen sein Wirken nicht ohne Einfluß auf weite Kreise blieb. Ihm, dem am 30. September 1886 zu München verstorbenen Staatsminister a. D., Staatsrat im ordentlichen Dienst und Reichsrat der Krone Bayern, Ritter Eduard v. Bomhard, war auf der Höhe seines Lebens mit der obersten Leitung der Justizverwaltung auch die Teilnahme an der Leitung der Geschicke seines engeren Vaterlandes, des Königreichs Bayern, beschieden. Selbstverleugnende Pflichttreue, strengste Gewissenhaftigkeit und Gerechtigkeit, aber auch unbeugsame Festigkeit in Verfolgung dessen, was er für das Wahre und Rechte erkannt, dabei ein milder Sinn und warmes Herz für die Nebenmenschen, zumal seine Untergebenen, das waren die vornehmlichsten Charaktereigenschaften des Mannes, dessen Angedenken diese Blätter geweiht sein sollen. Groß und bleibend ist die Verehrung derjenigen, die, ihm näherstehend, seine Ziele und sein Wirken zu verstehen wußten, unbegrenzt und unvergänglich die Liebe derer, denen er ein Vater und Familienhaupt von seltener B d . r . B o m h a r d , Ein Lebens- u. Charakterbild.
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Vorwort und Einleitung.
Herzensgüte und treuer Fürsorge, denen er ein Freund voll aufopfernder Selbstlosigkeit war 1 )! Die nachstehenden Mitteilungen aus Bomhards Leben, großenteils seinen eigenen Aufzeichnungen aus einer von ihm weitergeführten Familienchronik entnommen, sind von allgemein menschlichem Interesse; von diesem aus betrachtet lohnt es doch die Mühe, den Charakter eines edlen, zu Höherem berufenen Mannes sich entwickeln zu sehen und in seinen späteren Lebensäußerungen zu verfolgen. Vieles darunter wird aber auch für die zeitgenössische Staats- und Rechtsgeschichte des engeren Vaterlandes Bayern von Belang sein. In seinem Leben — reich an Erfolgen — blieb dem Staatsmann und Politiker Bomhard auch manche Enttäuschung nicht erspart. Sein Streben, stets nur von bestem Wollen geleitet und auf das gerichtet, was er für das Beste hielt, von vielen anerkannt, wurde doch auch vielfach verkannt und falsch gedeutet. Gewähren nun die von ihm herrührenden, nur zum Zwecke der Selbstbetrachtung gemachten Aufschreibungen einen verlässigen Einblick in sein Inneres, so sind sie vor allem geeignet, da und dort zutage getretene Mißkennung und falsche Beurteilung seiner Bestrebungen in das richtige Licht zu stellen. So möge denn der Zweck dieser Blätter darin erblickt werden, ein treues Lebensbild des seltenen, aufrechten Mannes zu entrollen; denen die ihm als Angehörige und Freunde nahestanden zur Erinnerung, den späteren Generationen des Familienkreises zu Vorbild und Nacheiferung I *) Diese Ausführungen sind einem, in der Beilage zur »Allgemeinen Zeitung« in Nr. 314 vom 12. November 1886 erschienenen Nekrologe entnommen.
1. Abschnitt.
Die Voreltern. Eduard v. Bomhard, auf die Namen Peter Apollonius E d u a r d nach protestantischem Bekenntnisse getauft, ward geboren am 2. Oktober 1809 als Sohn des Johann E r n s t Friedrich Georg Bomhard, Direktors der Kriegs- und Domänenkammer bei der damals Kgl. Preußischen Provinzialregierung zu Bayreuth. Nach der mit dem Spruche »omnia cum sine
— n i l Christo als Überschrift beginnenden Familienchronik,
isto deren erster Eintrag sich auf einen »anno domini« fünfzehnhundert und »?« soundso viel geborenen » H a n n s B o m h a r d « bezieht, waren die ersten bekannten Vorfahren ehrsame Musici1). Der erste von ihnen, von welchem nähere Kunde vorliegt, Sohn des vorigen, war der zu »Ebenheim im Fürstentum Gotha« im Jahre 1601 geborene L o r e n z B o m h a r d , zuerst Stadtmusikus zu '
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»Dännstaedt« (jetzt Tennstaedt) in Thüringen, welcher »anno 1642 von einem wohlweisen Rat der gräflich Schwarzenbergschen Salzstadt Frankenhausen zum Stadtmusico berufen worden, als durch Zulassung Gottes in dem ver*) Es ist wohl annehmbar, daß der Name, welcher der alten deutschen Bezeichnung eines Musikinstrumentes entspricht, auf solchen Kunstgewerbebetrieb eines der Vorfahren zurückzuführen ist. 1*
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1. Abschnitt.
derbten Kriegswesen die Stadt berennet, Kirch' und Schule in Brand gesteckt und also auch sein Haus mit allem Vermögen eingeäschert worden ist«. Auch dessen Sohn J o h a n n C h r i s t o f wurde — »vom Vater in etlichen Instrumenten unterrichtet« — Musiker und t r a t im Jahre 1672 in die Dienste des Markgrafen Johann Friedrich zu Brandenburg-Ansbach, woselbst nun die Familie in mehreren weiteren Generationen dauernde Niederlassung fand. Der Markgraf verwendete ihn auch zu Kurier- und Stafettendiensten zu Kriegszeiten, wobei er allerlei Schicksale erlebte und geringen Dank erntete; er hat sich jedoch, wie es in der Chronik heißt, »als ein guter Christ darin gefaßt und also getröstet: ,dennoch hat Israel Gott zum Trost; si occideris mi domine sperabo tarnen in tel'« Auch s e i n Sohn J o h a n n A u g u s t 1 ) »wurde frühzeitig in der Latinität, auf der Violin und auch im Clavierschlagen« durch Fürsorge des Markgrafen Georg Friedrich unterrichtet, verlegte sich dann aber auf das Violoncellspiel, »weil dieses Instrument nicht an allen Höfen zu finden ist«, und wurde zunächst in Gotha, dann in der fürstlichen Hofkapelle zu Ansbach als Violoncellist angestellt. Später wurde er zum Hofratsregistrator befördert, und schließlich von »Serenissimus« mit dem *) Johann Augusts älterer Sohn war der am 7. Mai 1714 in Ansbach geborene, am 13. März 1762 als Pfarrer in Oberampfnach gestorbene Christian Friedrich Bomhard. Er ist der Stammvater der weitverbreiteten älteren Bomhardschen Linie, deren zahlreiche Angehörige dem Stande der evangelischen Geistlichkeit in Bayern angehören. Sein Sohn war Johann Jakob Bomhard, Pfarrer in Gundelsheim (24. 9. 1756 — 30. 3. 1822), dessen Wirken nicht ohne Einfluß auf die Geschichte der evang. Kirche des rechtsrheinischen Bayerns war. Dieser war der Vater des namhaften Kanzelredners, Kirchenrat Georg Christian August Bomhard (gest. am 23. 7. 1869) zu Augsburg, und des bedeutenden Schulmannes, Schulrat Martin Christian Friedrich v. Bomhard (gest. am 25. 1. 1862) zu Ansbach.
Die Voreltern.
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Titel als »Rath« bedacht. Nicht ohne historisches Interesse ist die von ihm herrührende Chroniknotiz: »1730, den 22. Juli ist der König von Preußen mit seinem Kronprinzen hier gewesen, welcher Letztere mich nach gehaltener Musik zu sich in sein Zimmer holen lassen, da ich dann die Gnade gehabt, denselben von 10 bis 12 in die Nacht mit dem Violoncell der Fleut Travers zu accompagniren.« Der »Kronprinz« war der spätere Friedrich der Große! Einer höheren — akademischen — Ausbildung und dann auch sozialen Stellung durfte sich des vorigen Sohn G e o r g H e i n r i c h erfreuen. Er trat nach absolvierten Universitätsstudien zunächst als Kanzleisekretarius in Hohenlohe-Langenburgische, dann markgräflich ansbachische Dienste, erhielt von Markgraf Christian Friedrich Karl Alexander im Jahre 1763 das Dekret als Wirklicher Konsistorialrat »cum voto et sessione« und später als markgräflicher llof- und Regierungsrat. Er starb 1789 am 3. August und wurde bestattet auf dem Friedhofe zu Ansbach in der noch heute vorhandenen Familiengruft, welche die Inschrift mit Personalbezeichnung und Todestag trägt. Sein Sohn war der Vater Eduards, der bereits genannte Johann E r n s t Georg Friedrich Bomhard. Dieser, am 4. November 1758 zu Ansbach geboren, starb am 8. Juli 1842 zu Bayreuth. Über ihn enthält die damals zu Weimar erschienene Zeitschrift »Neuer Nekrolog der Deutschen« (20. Jahrgang, Nr. 384, S. 1030) eine ausführliche Lebensbeschreibung, deren wesentlicher Inhalt in Kürze nachstehend hier wiedergegeben wird: »Wenn« — so beginnt der Nekrolog — »ein ausgebreiteter Kreis von Verehrern, ein höherer Wirkungskreis und ein durch hervorragende Tugenden geadeltes Leben Anspruch auf einen Platz in diesen Blättern gewähren, so werde er diesem Verstorbenen unter den
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1. Abschnitt.
Ersten eingeräumt.« Er erhielt durch seinen Vater, einen Mann von gründlicher gelehrter Bildung und strengen Grundsätzen eine Erziehung, welche die angeborenen reichen Kräfte entwickelte, und durch die erweckte Liebe zu den schönen Wissenschaften das beste Herz veredelte. Nach vollendeten Studien der Philosophie und der Rechte auf den Universitäten Erlangen und Göttingen trat er in ansbachische Dienste, in denen er im Jahre 1786 zum »Wirklichen Hof- und Regierungsrat« ernannt, und ihm später das Polizeidepartement mit Beisitz im Medizinalkollegium beigelegt wurde. Durch König Friedrich Wilhelm von Preußen wurde er, nachdem die Landeshoheit über die Fürstentümer Ansbach-Bayreuth an die Krone Preußen übergegangen war, unter dem Staatskanzler v. Hardenberg im Jahre 1795 zum Geheimen Kriegsund Domänenrat in Ansbach ernannt und im Jahre 1802 als Direktor der Kriegs- und Domänenkammer nach Bayreuth berufen. Hier wurde ihm auch das Amt als Direktor der Medizinaldeputation und als Scholarch bei dem dort neu organisierten Christian-Ernestinischen Gymnasium übertragen, an dessen Aufblühen er hervorragend tätig wirkte. Der französisch-preußische Krieg, der Durchmarsch französischer Truppenmassen, die Aussaugung des Landes und die sonstigen Drangsale des Krieges brachten ihm sorgen- und mühevolle Tage, in denen sich seine Menschlichkeit und männliche Tatkraft im höchsten Glänze zeigte. Mutvoll trat er der Gefahr entgegen, wenn es galt, für des gedrückten Volkes Wohl zu wirken, und rastlos war er bemüht, dessen Leiden zu lindern. Als im Jahre 1810 die Übergabe des Fürstentums Bayreuth an die Krone Bayern erfolgte, sah er voll Freude mit dieser Epoche die Segnungen des Friedens für die zertretene Provinz zurückkehren; sein für Deutschlands Leiden tieffühlendes Herz segnete den Tag, an welchem sich 1813 Bayerns König Maximilian I. den für Deutschlands Unabhängigkeit verbundenen Mächten anschloß.
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Seine Verdienste um die Provinz in den schweren Leidensjahren, sein rastloser Eifer in dem ihm unter bayerischer Herrschaft übertragenen neuen Wirkungskreis als Direktor der für das bisherige Fürstentum Bayreuth eingesetzten besonderen Finanzadministration wurden am 27. Mai 1816 durch Verleihung des mit dem persönlichen Adel verbundenen Zivilverdienstordens der bayerischen Krone gewürdigt. Erst im Jahre 1828, als Siebenzigjährigpr, zog er sich unter schmeichelhafter Anerkennung seines Monarchen, Ludwig I., in den wohlverdienten Ruhestand zurück. Wie sein öffentliches so war auch sein Privatleben. Mit dem nötigen Ernst verband er stets wahre Humanität; er war ein zuverlässiger Freund, der zärtlichste Gatte und liebevollste Vater; sein Wahrspruch war »tue nichts, was nicht recht, wahr und edel ist«. Seine Ruhestandsmuse füllte er aus mit Fortsetzung der von ihm geliebten Studien der alten römischen und griechischen Klassiker, denen er sich ganz hingab. In seinem Wohnorte Bayreuth, wo Jean Pauls edler Geist gewaltet hatte und fortwirkte, fand er unter dessen Verehrern einen Kreis geistvoller Freunde, mit denen er lebhaften geistigen Verkehr unterhielt. Er lebte der von ihm ausgesprochenen Überzeugung, daß unsre Ewigkeit nicht erst mit unserm leiblichen Tod ihren Anfang nehme, sondern schon diesseits begonnen habe, weil jede schon hienieden begonnene Veredlung nicht ohne Folgen bleibe für ein künftiges fortgesetztes Dasein unsres Geistes. Mit dieser Überzeugung hat er seinen Geist dem Höchsten empfohlen, sein Haus bestellt und trat im hohen Alter von 84 Jahren nach kurzem Krankenlager in Frieden aus dem irdischen Dasein!
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2. Abschnitt.
2. Abschnitt.
Eduard Bomhards Knaben- nnd Studienjahre. Seine Kinder- und K n a b e n j a h r e waren m e h r ernster, als jugendfroh heiterer Art. Die Familie des damaligen, auf sehr vornehmem F u ß e lebenden Regierungspräsidenten bildete aus den durch Geburt und berufliche Stellung angesehensten Familienkreisen gewissermaßen einen kleinen Hof um sich. B o m h a r d s V a t e r glaubte seine Familie jenen gesellschaftlichen Beziehungen des allmächtigen Chefs des Regierungskollegiums nicht entziehen zu dürfen. Die M u t t e r — übrigens eine durch Gottesfurcht und Sittenstrenge als hervorragend gepriesene F r a u — und die Schwestern nahmen an dem geräuschvollen geselligen Treiben in und außer dem Hause teil. Der V a t e r lebte ganz seinem Berufe und wissenschaftlichen Studien. Die Geschwister waren alle sehr viel ä l t e r ; der Eduard am nächsten stehende Bruder, Ludwig, war schon frühzeitig in das Kadettenkorps in München eingetreten. S o fühlte sich Eduard vereinsamt. E r s t später in den Jünglingsjahren, als er sich besser von ihm verstanden wußte, zog ihn der V a t e r mehr und mehr an sich heran und fand bald seine Freude darin, den Sohn möglichst viel in seiner Umgebung zu halten, sei es im Studierzimmer, sei es auf seinen großen weiten Spaziergängen, die gar oft auch zur »Rohrwenzelin«, J e a n Pauls Lieblingsplatz, führten. Dieser unausgesetzt enge Verkehr mit dem gediegenen V a t e r war von größtem und günstigstem Einfluß auf die geistige und sittliche Entwicklung des Sohnes. — Nach beendigten Gymnasialstudien, in denen er sich trefflicher Lehrer zu erfreuen h a t t e , bezog Eduard im J a h r e 1 8 2 8 die Universität Würzburg, um sich zunächst philosophischem, dann dem Studium der Rechtswissenschaft hinzugeben. Schön und heiter verliefen ihm dort die ersten Studienjahre. Besondere
Eduard Bomhards Knaben- und Studienjahre.
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Annehmlichkeiten fand er im Zusammenleben mit dem inzwischen zum Artillerieoffizier herangereiften, dort in Garnison stehenden Bruder Ludwig, der durch männlich gediegenes Wesen in Kameraden- und Familienkreisen sich hoher Achtung erfreute. E r war es, welcher Eduard in nähere Beziehung mit dem von ihm gewählten Studentenkorps »Bavaria« brachte; zwischen ihm und seinen Kameraden einerseits und Eduards Studentenkreise anderseits obwaltete ein freundschaftliches Verhältnis. Durch ihn und einen älteren Korpsbruder, Friedrich Freiherrn v. Kreß 1 ), dem er sich besonders eng angeschlossen hatte, wurde er in dortige Familienkreise eingeführt, welche dem nach sittlich reinen Genüssen in solchen Kreisen verlangenden, Ideales erstrebenden Jüngling viel freudenreiche Stunden boten. Eine Tochter aus dem Schöße einer dieser Familien sollte bald das Lebensglück des jungen Mannes begründen. Mit voller jugendlicher Begeisterung gehörte er der von ihm gewählten Studentenverbindung an, der er auch sein ganzes späteres Leben lang treu anhing, wie er auch an den bei demselben gewonnenen Freunden allezeit unwandelbar festhielt, eingedenk des Wahlspruches des Korps: »pro patria atque a m i c i t i a semper superiores« (»p. p. a. a. ä. s.«). — Die Zugehörigkeit zu einem Studentenkorps, zumal seine Eigenschaft als Senior und Konsenior brachten es mit sich, daß er sich des öfteren auch schlagen mußte, was bei der damals an den bayerischen Universitäten noch gebräuchlichen Art der studentischen Duelle, mit der Stoßwaffe, immer eine ernste Sache war. Seine Stellung zu dieser Frage gibt sich in nachstehender Tagebuchaufzeichnung k u n d ; er schreibt: »Ich kann mir sagen, daß ich durch b r i e f l i c h e Darlegungen — solange ich selbst in Würzburg war, konnte ich nach meiner Meinung darin nicht mitwirken — bei meinen Freunden in Würzburg nicht wenig dazu beigetragen habe, daß 1
) Gestorben als Appellationsgerichtsrat in Nürnberg.
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2. Abschnitt.
auch dort an die Stelle der Stoßwaffen die Hiebwaffen eingeführt und dadurch viele Opfer gespart wurden, die sonst jenen gefährlichen Waffen fielen.« »November 1831 mußte ich mich wieder einmal auf Stoß schlagen; ich war in meinen Anschauungen von wahrer Ehre in verständiger Auffassung vorgerückt, so daß es mir zum ersten Male große Gewissensskrupel verursachte, nachdem ich es doch früher ohne alles Bedenken getan hatte.« — Jedenfalls darf angenommen werden, daß die in verschiedener Beziehung guten Sitten und Grundsätze des Korpslebens einen Zug ritterlicher Schneidigkeit im Charakter Bomhards gefördert und weiter entwickelt haben, welcher auch in seinem späteren Leben und Wirken da und dort gelegentlich zutage getreten ist. Bei aller Empfänglichkeit für die mit voller Jugendlust genossenen Freuden eines heiteren Studentenlebens fand er doch auch schon in Würzburg Zeit und volles Verständnis für die Vorträge seiner dortigen Lehrer, von denen ihn die des Philosophen Joh. Jak. Wagner »über den Staat« besonders anzogen. In die Rechtsstudien wurde er durch die Vorträge der Professoren Kiliani 1 ) (Institutionen des römischen Rechts) und Joh. Adam Seuffert 2 ) (Pandekten) eingeführt. Sein Sinn blieb auch inmitten des studentischen Treibens fortwährend auf sein inneres und geistiges Leben gerichtet. »Ehre« — so lesen wir im Tagebuch des Zwanzigjährigen — »ist der subjektive Glaube des Menschen an seine Würdigkeit, auf d e r Stelle des Lebens zu stehen, auf der er steht, Burschenehre, insbesondere das Bewußtsein, mit Recht als ,honoriger Bursche', als gebildeter Mann geachtet zu werden und ohne Makel des bürgerlichen und akademischen Lebens dazustehen.« Als charakteristisch und im Hinblick auf die spätere Lebensstellung Bomhards merkwürdig erscheint eine in nachstehendem wiedergegebene Betrachtung in seinem Tage') v. Bomhards späterer Kollege als K. B. Staatsrat. 3 ) Nachmals Präsident der Bayer. Abgeordnetenkammer.
Eduard Bomhards Knaben- und Studienjahre.
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buche. Es war im September 1829, als er im Elternhause zu Bayreuth die Ferien verbrachte. Da war eines Abends ein naher Verwandter, der Neffe und Liebling des Vaters, der sachsen-altenburgische Minister Ernst Edler v. Braun, zu Gast im Elternhause; es wurde musiziert; auch der Vetter v. Braun entzückte den Familienkreis durch treffliches Klavierspiel und machte überhaupt durch sein ganzes Wesen auf Eduard einen tiefen Eindruck. Hierüber schreibt dieser in dem Tagebuche: »Über die Stimmung und die Gedanken, die mich beim Nachdenken über alles an diesem Abende durchdrangen, möchte ich so gerne Herr werden und mir Rechenschaft geben, damit ich kein Schwärmer werde, und doch auch, wenn ich so glücklich sein sollte nicht zu irren — indem ich wirklich manche solcher Gedanken für Erzeugnisse eines zu Höherem berufenen Geistes und Gemütes halten zu dürfen glaube —, mir nicht den Vorwurf machen darf, als hätte ich vielleicht ein Talent, einen Vorzug, den ich der göttlichen Vorsehung verdanke, übersehen und also ein Pfund, das ich bekommen, bei mir vergraben. — Bei Gott! ich schreibe dieses, weil ich gerne meine Gedanken f ü r m i c h festhalte, damit sie nicht schnell erloschene Blitze seien, nicht aber damit ich darin irgend etwas für mich selbst Rühmliches sagte, denn was ich habe ist nicht mein Werk, sondern Gottes Gabe! — Überlege ich nun, warum halte ich denn diesen Mann als vom Glücke bevorzugt, so komme ich auf das Resultat, daß er von der Vorsehung ausgezeichnete Gaben erhalten, die er weise benützt, daß sie ihn auf diesen Platz gestellt hat, der seiner Kraft und seinem Wirken der angemessenste ist. Glücklich ist er aber deswegen zu nennen, weil er dabei den Menschen nicht vergessen hat, sondern der herrliche bescheidene Mann noch ist, als fehlten ihm Titel, Orden und Ehrenzeichen. Wem der Himmel diese Gabe verliehen, dem hat er freilich ein großes Glück bereiten wollen, denn er besitzt dadurch
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2. Abschnitt.
bei äußerer Achtung und Glanz die Liebe seiner Freunde und muß das beste Bewußtsein in sich tragen. All dieser Gedanken Resultat ist nun bei mir dieses: Werde kein Schwärmer und lasse dich nie durch äußeren Glanz hinreißen, nach hohen Würden und hoher Stellung zu streben. Strebst du aber dennoch, so gebrauche nie unrechte Mittel und strebe nur danach, weil du glaubst, vermöge deiner Anlagen in einer solchen Stellung das meiste Gute wirken zu können. Sind deine Anlagen wirklich von der Art — sei unbesorgt, Gott läßt sie nicht verloren gehen, er hat sie dir nicht umsonst gegeben, er wird dir auch den Platz anweisen, wo sie am nützlichsten sein werden. Daher benütze sie, suche sie zu erweitern, zu vervollkommnen und erwarte das übrige von oben, vom Geber alles Guten.« In Heidelberg, wo er im Herbste 1830 die Universität bezog, begann für Bomhard der volle Ernst des Berufsstudiums. Die ausgezeichneten Lehrer: Thibaud, der geistreiche geniale Pandektist, Zachariae, der scharfsinnige Staats- und Kirchenrechtslehrer mit seinem funkensprühenden Witz, Mörstadt, der Prozessualist und scharfe Kritiker, Mittermaier mit seiner reichgesammelten Gelehrsamkeit, Rau, der gründliche, neue wissenschaftliche Gesichtspunkte enthüllende Volkswirtschaftslehrer, zogen das jugendlich strebsame Gemüt mächtig an, und mit eisernem, unermüdlichem Fleiße nahm der Jüngling den reichen Wissenschatz in sich auf, den sie darlegten. Lebte er hier ganz den Zielen und Bestrebungen seiner wissenschaftlichen Ausbildung, so wurde er dabei doch mächtig angeregt durch die Schönheit der Natur dieses herrlichen Musensitzes und gefördert durch einen kleinen auserlesent-n Kreis gleichgesinnter Freunde und Studiengenossen. Mit einem derselben schloß er hier bald einen Freundschaftsbund, welcher — bedeutungsvoll für sein ganzes Leben — auch in späteren Jahren von beiden als hochgestellten Staatsmännern fortgesetzt und gepflegt
Eduard Bomhards Knaben- and Stadienjahre.
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wurde. Schon kurz vor dem Abgange von Würzburg hatte er den, wegen einer Duellangelegenheit von Erlangen relegierten Korpsburschen der dortigen Onoldia, stud. jur. Ludwig von der Pfordten, kennen gelernt. Mit ihm — dem späteren Professor der Rechte und Rektor der Universität Leipzig, Bundestagsgesandten, sächsischen und zuletzt bayerischen Staatsminister — bezog Bomhard die Universität Heidelberg. Mit ihm, dem damals kaum zwanzigjährigen Jüngling, feierte er auch am 27. August 1831 dessen glänzendes Doktorexamen, welches den alten ehrwürdigen Thibaud durch des Geprüften seltene Begabung und Kenntnisse zu wahrer Begeisterung erhoben hatte und an der Universität Aufsehen erregte. Bedeutungsvoll ist Bomhards Äußerung aus damaliger Zeit über sein Verhältnis zu ihm in seinem Tagebuch: »Mit von der Pfordten wurde ich immer inniger. Nimmer kann ich Gott dankbar genug sein, daß ich seine Bekanntschaft machte. Möge mir stets sein schönes Beispiel vorleuchten und die herrliche Gedankenwelt, die er vor meinen Augen aufschließt, mir durch eigenen Fleiß, Nachdenken und Auffassung der Welt in ihren tiefsten Seiten immer klarer und heller erscheinen.« Am 27. März 1832 verließ Bomhard schweren Herzens das schöne Heidelberg und wanderte durch die Pfalz über Landau, Karlsruhe, Straßburg, Freiburg, den Schwarzwald (»Himmelreich« und »Höllental«) über Bondorf, Schaffhausen, Konstanz, dann nach der Fahrt über den Bodensee von Lindau über Ulm, Augsburg nach München, um hier seine Studien zunächst fortzusetzen. Am 17. April zog er in München ein. Die Prachtund Kunstbauten und -Sammlungen Ludwigs I. machten großen Eindruck auf ihn; an dem vergnügungssüchtigen Treiben des Münchener Lebens fand er keinen Gefallen. Der Residenzton, das Studentenleben, die Professoren — »dem Studierenden so vornehm ferne stehend« — sagten ihm nicht zu. Er hätte sich verlassen gefühlt,
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3. Abschnitt.
hätte er nicht in befreundeten und verwandtschaftlichen Familien öfter gastliche Aufnahme gefunden. Mit der am 23. Oktober 1832 bestandenen ersten juristischen Prüfung waren seine Universitätsstudien beendet. In den praktischen Dienst trat Bomhard beim Landgerichte1) zu Bayreuth und später beim Landgerichte in Dinkelsbühl als Rechtspraktikant ein. Nachdem er im Jahre 1834 zu Ansbach die Staatsprüfung mit Auszeichnung bestanden hatte, entschloß er sich, lebhaft angezogen durch das öffentlich-mündliche Gerichtsverfahren, wie es in der Rheinpfalz schon lange herrschte, und angeregt durch seinen Vetter, den hervorragenden Juristen Freiherrn v. Holzschuher, Verfasser der bekannten »Kasuistik«, dorthin zu übersiedeln, um dort die rheinische Rechtspflege aus dein Leben kennen zu lernen. Er trat im Januar 1836 bei dem Tribunal (Bezirksgerichte) in Zweibrücken ein, und wurde schon wenige Wochen später als Hilfsarbeiter in das »Parquet« des Generalprokurators am Appellationsgerichte der Pfalz berufen.
3. Abschnitt.
Die ersten Jahre des Staatsdienstes. Am 14. Juli 1836 zum Ergänzungsrichter am Tribunal zu Zweibrücken ernannt, erhielt Bomhard im Juni 1838 die erste statusmäßige Anstellung als Richter am Friedensgerichte zu Zweibrücken. Hiermit hatte er den Eintritt in den Staatsdienst in einer, die Zukunft materiell sichernden, dazu eine befriedigende Wirksamkeit bietenden Stellung errungen. ') Damals unterste Gerichts- und zugleich Verwaltungsbehörde.
Die ersten Jahre des Staatsdienstes.
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Sein Verbleiben in dieser war aber nur von kurzer Dauer. I m Jahre 1839 wurde er zum Substituten des Staatsprokurators am Tribunal zu Landau ernannt. Nur ungern schied er von jenem ihm liebgewordenen Wirkungskreise, welcher ihn in stetem Verkehr mit den Gerichtseingesessenen unterhielt, für deren Rechtsbedürfnisse er Verständnis und offenes Herz hatte. Im J a n u a r 1843 wurde er zum Richter und Untersuchungsrichter am Bezirksgerichte Kaiserslautern und schon im Dezember desselben Jahres zum Staatsprokurator 1 ) am Tribunal zu Landau ernannt. Hier, in einem Berufsleben voll des Kampfes für Aufrechthaltung der gesetzlichen Ordnung, lernte er die Einrichtung der Staatsanwaltschaft in ihrem idealsten Wesen und tiefeingreifend wohltätigem Einflüsse auf eine geordnete, rasche und doch gründliche Rechtspflege kennen. In dieser Berufstätigkeit h a t t e er einerseits auf dem Gebiete des Strafrechts gegen Übeltäter das Gesetz zu wahren, anderseits auf dem der Zivilrechtspflege die Privatrechte der Staatsangehörigen, die Rechte der Minderjährigen und Entmündigten zu wahren und schützen. Darin fand er Befriedigung für ein Ideal, welches er sich in diesem Rechtsinstitut als dem Wächter des Gesetzes und der Sitte auf Grund der rheinischen Gerichtsverfassung gebildet hatte. Hier stählte er zugleich seine K r a f t zu manchen, ihm für später vorbehaltenen Mühen und Kämpfen zur Herbeiführung einer möglichst vollendeten Rechtspflege 2 ). Die Anforderungen des Dienstes als Staatsprokurator, so wie Bomhard diesen auffaßte, waren groß. In aller Morgenfrühe war er Tag für T a g schon auf dem Amte. I m Vorraum seines Arbeitszimmers drängten sich täglich ') Dem entspricht heute die Stelle eines Ersten Staatsanwalts. *) Siehe hierüber: »Eduard Bomhard, Die Zivilrechtspflege in der bayer. Pfalz«, S. 75 ff. München 1861 bei Cotta.
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4. Abschnitt.
zahlreiche Rechtsuchende, denen er — wie er sich berufen und verpflichtet fühlte — bis zum Beginn der Sitzungen mit Aufschluß- und Raterteilung zu Diensten stand. Diese Berufsstellung war es aber auch, in welcher ihm die politischen Zeitläufe die schwierigste — zwar für die Kräftigung männlichen Charakters förderliche, aber mit schweren Prüfungen verbundene Aufgabe brachten, worüber später Näheres auszuführen sein wird.
4. Abschnitt.
Die Entwicklung der politischen Anschauungen Bomhards. Die Jahre 1848 nnd 1849. Bomhard nahm mit seinem lebhaften Geiste und warmen, begeisterungsfähigen Gemüte zu allen Zeiten lebendigsten Anteil an den politischen Fragen. Die Aufzeichnungen in seinem Tagebuche zeigen, wie schon den Jüngling die Nachrichten von den im Jahre 1830 im Juli in Frankreich, im November in Warschau ausgebrochenen Revolutionen mächtig bewegten; welch tiefen Eindruck die als Nachwirkung der ersteren im Großherzogtum Baden wahrnehmbare starke politische Bewegung in Deutschland auf den Heidelberger Studenten machte. Mit Begeisterung schildert er eine Sitzung der Ständeversammlung (Abgeordnetenkammer) im Mai 1831 in Karlsruhe, in welcher ihn die Beredsamkeit und Mäßigung hervorragender Staatsmänner und Parlamentarier wie Welker und Rotteck in ihren Reden für Recht und wahre Freiheit zur Bewunderung fortrissen. In den Februartagen des Jahres 1832 nahm er persönlich teil an den aus Anlaß des Eintritts voller Preßfreiheit in Baden zu Ehren Mittermaiers und der Abgeordneten aus der Ständeversammlung, »der Kämpfer für Freiheit und
Die Entwicklung der polit. Anschauungen Bomhards.
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Bürgerglück« von der Studenten- und Bürgerschaft veranstalteten Huldigungen und Freudenfesten. Seine lebhafteste Mißstimmung spricht er aus über die unglückliche Reaktionsperiode unter dem Minister Fürst Wallerstein in Bayern, über die Verfolgung politisch Verdächtiger, wie der aus ihrem Vaterlande vertriebenen Polen. »Möge« — so schreibt er 1833 »ein Geist edler Vaterlandsliebe Bayerns, Deutschlands Jugend beseelen, dann wird nach Jahrzehnten der Himmel der Freiheit schöner über uns glänzen, als es durch Revolutionen erreichbar ist. Dann wird ein edles Geschlecht den Völkern zeigen, was d e u t s c h e Freiheit i s t . . . . dann wird Tugend, Recht und Wahrheit alle deutschen Stämme zu e i n e r Nation vereinen, wenn auch auf Deutschlands Thronen d e u t s c h e Männer sitzen, die ja aus den edlen alten Fürstenhäusern stammen. Möchte es mir doch gelingen, in den Kreis von Jünglingen, unter denen ich lebe, den Sinn für wahre Sittlichkeit einzuführen, wie er edlen deutschen jungen Männern ziemt und wie nur er allein die Grundlage sein kann für das Gute, das von unserm Jahrhundert erwartet wird, wie er allein ein Gegengewicht sein kann gegen die Rückschritte der Regierungen.« Das Jahr 1848 kam heran I Seit einem Menschenalter lastete schon auf dem deutschen Volke ein durch den österreichischen Kanzler Fürsten Metternich inauguriertes und weiter gefördertes System gewaltsamer Unterdrückung jeglicher Regung vaterländischen Gefühls, des Gefühls für deutsche Finheit und Einigkeit; und mit jenem System Hand in Hand gehend lastete auf dem Volke der Druck polizeilicher Willkür. Nur um so mächtiger regte sich aber bald allenthalben der Drang nach nationaler Einheit und politischer Freiheit. Freiheit der Presse, Beseitigung der Schranken des Vereins- und Versammlungsrechts, der Last der Steuern und des Kriegsdienstes und statt dessen Bewaffnung des Volkes, vor allem aber Errichtung eines deutschen Parlaments, dies E d . v. B o m h a r d , Ein Lebens- u. Charakterbild.
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4. Abschnitt.
waren zunächst die Forderungen der Gesamtheit des deutschen Volkes. Allmählich traten auch die Erscheinungen politischer Gärung zutage, bis endlich — gleich wie im Jahre 1830 — der Ausbruch der Februarrevolution des Jahres 1848 in Paris (Vertreibung König Louis Philipps und Errichtung der Republik) den Gang der Ereignisse auch in Deutschland in Bewegung brachte. Ihm folgte Bomhard mit der ihm eigenen Lebhaftigkeit der Empfindung. Auch er jubelte mit Begeisterung »dem Frühling der deutschen Nation«, dem »Völkerfrühling« entgegen und gab sich dem erhebenden Gedanken hin, ein Wendepunkt sei gekommen, »der in schmerzloser Entbindung ein einiges einheitliches Deutschland gebären und das Angesicht der Welt erneuern werde, so schön, so edel, allen Idealen der Jugend entsprechend«. Auch er glaubte in dem erstandenen deutschen Parlamente in Frankfurt a. M., welches anfangs der Freiheit edlen Ton und schöne Formen hatte, das Bild und Bollwerk wahrer Freiheit zu sehen. Auch in späterer Zeit noch blickte Bomhard auf die ersten Monate jener Entwicklung seit März 1848 mit gehobener Empfindung zurück; über alles, die Menschen wie die Natur — auch diese hatte einen herrlichen Frühling, ein fruchtbares J a h r gebracht — schien ihm ein reiner, jugendlich frischer Duft gebreitet; zumal in der Pfalz, wo keine Frohnden, Zehnten, Jagdund sonstige Feudalrechte den Haß gegen Adel, Geistlichkeit, besitzende Klassen erregten und wo nicht gleich in der ersten Zeit die Bewegung durch blutige Exzesse wie anderwärts besudelt wurde. Fürsten und Völker Deutschlands schienen ihm einig im Streben nach dem einen Ziel, einem einigen starken Deutschland; alle Feindschaften, aller alte Groll, alle eigennützigen kleinen Zwecke schienen ihm in Hintergrund getreten — eine glücklichere Zeit angebrochen! Von Kundgabe seiner Gesinnungen in den zu jener bewegten Zeit häufig tagenden großen Volksversamm-
Die Entwicklung der polit. Anschauungen Bomhards.
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lungen und von diesen selbst hielt sich Bomhard meist zurück. Ihn leitete der Grundsatz, vorsichtig in Taten und Worten, mehr zu Hause ruhig denkend dem Gang der Dinge zu folgen, sein Urteil bedächtig zu fassen; dann aber, und nur dann zu reden und zu handeln, wann und wie es beschworene Pflicht gebietet; wo diese nicht schon die Direktive gibt, dann immer nach den Grundsätzen des Rechts, der Ehre und Treue für das in ruhiger Zeit als gut und richtig Erkannte. Eines Tages aber, im April 1848, gebot ihm die Pflicht als Regierungskommissar bei der Leitung der Wahl zum Parlamente in der Öffentlichkeit in einer Ansprache an die Wahlmänner Stellung zu nehmen. Seine Mahnung ging im wesentlichen dahin, »einen Mann zu wählen, der die Freiheit Deutschlands will, aber nur die Freiheit mit der Herrschaft des Gesetzes, recht, wahr und edel«. Dem hohen Fluge schöner Hoffnungen folgten gar bald niederdrückende Enttäuschungen. Schon nach den ersten Anläufen entgingen dem weiter Blickenden nicht die Gefahren der zu rasch voranschreitenden Bewegung, der Überstürzung der radikalen und extremen Parteien. Auch Bomhard fürchtete, daß den Meilenschritten vom Februar bis Mai 1848 die Ermüdung, aus dieser der Rückschlag folgen werde; er erkannte mit Besorgnis, daß die Bübereien der Hecker- und Struweschen Freischaren einerseits, die damit hervorgerufene Angst der Fürsten anderseits mit Notwendigkeit auf die Reaktion hinarbeiteten. Bei einem Ausfluge hervorragender Mitglieder der Linken des Frankfurter Parlaments im Frühling in die schöne Pfalz, deren Erscheinen dort Tausende von Menschen anzog, ist er Zeuge des Auftretens jener Männer. Mit gemischten Gefühlen folgte er dem begeisternden, hinreißenden, aber den Fanatismus des Volkes heraufbeschwürenden Redestrom eines Robert Blum, Jordan u. a., deren ausschreitendes Wesen nur zur Untergrabung der schönen Entwicklung beitragen konnte. 2*
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4. Abschnitt.
Die vorgeahnte Wendung ließ nicht lange auf sich warten. An die Stelle der Einigkeit trat, namentlich durch die Linke der Nationalversammlung gesät, Mißtrauen; an die Stelle der Einheitsbestrebungen der Partikularismus der Fürsten, der sich eklatant geltend machte, als die Huldigung für den Reichsverweser angeordnet wurde. Reue über zu schnelles Nachgeben und vermeintlich unnötiges Aufgeben von Rechten und von verrosteten Privilegien beschlich die Fürsten; die Leidenschaften des Eigennutzes, des Ehrgeizes, des Strebens, emporzukommen, durchwühlten das Volk in den Individuen. Es begann der Kampf um Festhaltung des Alten auf der einen, um Befestigung des neu Erworbenen auf der andern Seite, aus welchem zuletzt siegreich nur eines hervorging: das Streben der besseren Elemente, aus dem Kampf aller gegen alle die Säulen der Ordnung, Religion und Sitte zu retten, und als deren Stütze und Fundament: d i e M o n a r c h i e — ein Streben, das nun aber von der Reaktion benutzt wurde, um alle Errungenschaften von 1848 »als Giftpflanzen« wieder auszureißen und selbst das Wort »Errungenschaft« zu verdächtigen. So wurde nun auch das alte Übel wieder festgehalten, wurden alle Lehren der Vergangenheit wieder vergessen; so verstießen nun Fürsten und Völker in gleichem Maße gegen die Gebote des Rechts und der Wahrheit: jene, indem sie ihre Verheißungen eine um die andere zurücknahmen oder unerfüllt ließen, dadurch selbst das Beispiel der Untreue gaben, während das Volk durch die beständigen Wühlereien der extremen Umsturzpartei fortwährend aufgeregt und dadurch der Reaktion immer mehr in die Hand gearbeitet wurde. In der T a t zeigten auch die Septemberszenen in Frankfurt a. M. (Ermordung der Fürsten Lichnowski und Auerswald durch die Volksmenge) und die Volkskämpfe in und um Wien, welche Mittel das in seinen Rechten sich gekränkt fühlende Volk zu ergreifen nicht scheut. Sie zeigten aber auch, welch
Lue Entwickelung der polit. Anschauungen Bomhards.
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gewaltige und gefährliche Elemente unter dem Vorwand der Vergeltung für nicht erfüllte Verheißungen gegen die Stützen des Rechts und der Ordnung ankämpfen würden, als Verbündete derer, die wirklich ein einiges, einheitliches, religiös, politisch und sittlich geordnetes, monarchisches Vaterland wollten! »1849: trauriges Jahr« — so schüttet Bomhard sein Herz in seinem Tagebuche aus —, »das in den Erinnerungen an seine schmerzlichen Ereignisse, an seine Enttäuschungen aller Hoffnungen der Besten, in den schrecklichen Folgen, die es für einzelne, für Familien, für das ganze deutsche Vaterland hatte, noch lange Jahre fortleben, das in der Geschichte unsres Vaterlandes dauernd einen dunklen Fleck bilden wird!« Trotz alledem aber hielt Bomhard fest an dem Glauben, daß die weltgeschichtliche Bewegung von 1848 nicht das Ende, sondern der Anfang einer weiteren Entwicklung, die Krisis sei, durch welche sich die Dinge wie die Menschen für eine Umgestaltung vorbereiteten; hielt er fest daran, daß »die alten Hoffnungen auf ein einiges, einheitliches Deutschland, durch den neuen, selbst von den Fürsten mit anscheinendem Stolz getragenen Glanz des »Schwarz-RotGold« neu geweckt — nicht erloschen seien und nicht erlöschen werden. Diese Hoffnungen würden durch Verrätereien, wie die an dem armen, verblutenden SchleswigHolstein, für welches deutsche Eltern ihre Söhne umsonst auf dem Schlachtfelde geopfert sahen, nur immer neue rachedürstende Nahrung finden; und so werde ein S t u r m aus Westen das Gebäude mit entsetzlich wirkender Gewalt überfallen, dem jetzt aus Mangel an Patriotismus, aus Partikularismus die einzig dauernde Grundlage versagt wurde. Es werde dann entweder kein Deutschland mehr geben oder ein einiges, einheitliches, dieses aber gegründet werden auf Strömen von Blut, einer Umwälzung schrecklicher als die französische der 1790 er J a h r e und — gewiß nicht ohne Durchgang durch eine Republik, die
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5. Abschnitt.
trostloser sein wird als der Absolutismus einer unbeschränkten Monarchie.« Bomhard zog für sich aus den Erfahrungen dieser stürmischen Jahre die Lehre, daß in solchen Bewegungen das wahre Wesen des Guten im Volke zugrunde gehe, mindestens in höchster Gefahr des Untergangs schwebe; daß aller Augen zumeist nur auf die Form des Staates gerichtet seien und darüber das Wesen desselben, seine festesten Grundlagen: Religion und Tugend vergessen werden; daß nichts täuschender, vergänglicher sei als die Ideale in der Politik; daß die besten Charaktere in solchen Zeiten unzuverlässig werden, die schwachen und schlechten in Masse zutage treten. Es sei darum ein Gebot der Tugend wie der Vorsicht, nicht allzu schnell um neuer Versuche willen das Erprobte hinzugeben, vielmehr im Getöse des allgemeinen Begeisterungsrausches festzuhalten an den Grundsätzen der Moral und des Christentums, an den ewigen Wahrheiten der Tugend und des Rechts, niemals aber zu glauben, daß ohne sie durch veränderte Staatsformen ein Heil kommen könne. Das wahre Heil könne nur und werde unter allen Umständen kommen, wenn die Menschen t u g e n d h a f t , gesittet und uneigennützig seien. Eigennutz trete aber, wenn der erste Begeisterungstaumel verraucht, vor allen anderen Erscheinungen hervorI
6. Abschnitt.
Die Jahre der Revolution und Reaktion. Durch die in der erregten Zeit gesammelten Erfahrungen in seinen politischen Anschauungen wesentlich geläutert und gefestigt, waltete Bomhard im Verlaufe des Aufruhrs, dann der rückschrittlichen Bewegung seines — die W a h r u n g der Ordnung und Gesetzlichkeit von ihm heischenden Amtes mit den hervorragenden Eigen-
Die Jahre der Revolution und Reaktion.
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Schäften seines Charakters: unerschütterlichem Pflichtgefühl, Festigkeit, Gerechtigkeit, Menschlichkeit. Am 28. März 1849 fand in der Paulskirche zu Frankfurt a. M. unter dem Vorsitze des Parlamentspräsidenten Simson — von seiner Vaterstadt Königsberg gewählt — die Wahl König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen zum erblichen Kaiser der Deutschen s t a t t ; am 3. April wurde ihm von der Deputation des Parlaments unter Simsons Führung die Krone angeboten. Am 28. April gab der König den Befehl, der Abgeordnetenkammer seines Reiches die Ablehnung und damit Zurückweisung der angebotenen Kaiserwürde anzukündigen. Der infolgedessen stattgehabten wichtigen, folgenschweren Parlamentsverhandlung beizuwohnen fand Bomhard Gelegenheit durch die Einladung eines Freundes und Gesinnungsgenossen, des Parlamentsmitgliedes Advokat Kraft aus Nürnberg, welcher auch jener Deputation angehört hatte. (Ihm dankte Bomhard die Mitteilung, daß Prinzessin Wilhelm von Preußen, nachmalige Kaiserin Augusta, sich besondere .Mühe gegeben habe, den König zur Annahme der Kaiserkrone zu bestimmen.) Die Vorgänge in dieser Sitzung — sie fand am 30. April 1849 statt — rissen Bomhard zum Ausrufe hin: »Wehe! Die Revolution und mit ihr der Untergang des Parlaments unvermeidlich!« Er hatte richtig gesehen! Schon in den ersten Tagen des Monat Mai erhob sich allenthalben der Aufstand, dem durch die republikanischen Führer die Losung gegeben war, die Fürsten zur Unterwerfung unter das Parlament und die Reichsverfassung zu zwingen, dessen wahres Ziel auf seiten der Führer aber die »rote Republik« in Deutschland war. Am 1. Mai beschloß eine Volksversammlung in Kaiserslautern die Absetzung der bayerischen und Einsetzung einer provisorischen Regierung. An Bomhard war — wie an alle Beamte — die Aufforderung ergangen, binnen kurzer Frist sich zu erklären, ob
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5. Abschnitt.
er die provisorische Regierung anerkennen wolle und bereit sei, derselben den Eid zu leisten. In der am 8. Mai durch den Präsidenten des Tribunals berufenen Versammlung der ganzen Beamtenschaft Landaus, in welcher einige ängstliche Gemüter sich für Erteilung einer Antwort aussprachen, gab Bomhard seinen Standpunkt dahin kund, daß »schändlicher noch keine Revolution begonnen wurde; man wolle die Beamten vorne dran stellen, um sie, wenn sie nicht wollten, aufs Haupt zu schlagen; die Sache sei Hochverrat; er werde jeden verhaften lassen, der eine Antwort gebe«. Dies wirkte, und es wurde beschlossen, keine Antwort zu geben. Der Aufstand gewann namentlich in der Pfalz rasch an Ausdehnung; allenthalben sammelten sich die Parteigänger der Revolution in Scharen (»Freischaren«), um mit den Waffen in der Hand die provisorische Regierung zu unterstützen und zu verteidigen. Die Soldaten der Garnison gingen in Haufen zu den Freischaren über oder nach Hause; ganze Kompagnien des in Landau garnisonierenden 6. InfanterieRegiments zogen mit Sack und Pack unter Erweisung der militärischen Ehren, aber unaufhaltsam an ihrem Kommandeur vorüber nach den Festungstoren »in die Freiheit«. In Landau — wo am 5. Mai der Kriegs- und Belagerungszustand verkündet worden war und wo man auf Grund bestimmter Anzeichen inneren Verrat in Verbindung mit dem äußeren Feinde und einen Angriff der Freischaren auf die Festung zu fürchten hatte — wurde die Lage für die Staatsdiener, zumal im Hinblick auf jene Meutereien, zu einer geradezu gefahrvollen. In der Festung Rastatt war die revolutionäre Partei bereits zur Oberhand gelangt, und hatten die badischen Behörden viel zu leiden; ein Vorbild, zur Einflößung größter Besorgnis wohl geeignet. Bomhard war von befreundeter Seite gewarnt worden, nicht länger dort zu bleiben, da die revolutionäre Partei beabsichtige, sich an ihm zunächst, als dem entschiedensten Vertreter der Ordnung,
Die Jahre der Revolution und Reaktion.
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im Falle ihres Sieges zu vergreifen. Einzelne Beamte waren denn auch auf das benachbarte französische Gebiet geflüchtet. Dazu war aber Bomhard der Mann nicht; er brachte Frau und Kinder bei Freunden in der Nähe bei Karlsruhe in Sicherheit und blieb auf seinem Posten. Er setzte den Fortgang der gerichtlichen Geschäfte, der Sitzungen in Zivil- wie Strafsachen, ja den Vollzug der Strafurteile »im Namen des Königs« inmitten des revolutionären Treibens durch, bis infolge der Einschließung der Festung durch die Freischaren der Verkehr nach außen und innen unmöglich geworden war. Am 20. Mai war ein Angriff auf die Festung durch die Freischaren unter Führung ihres »Oberst« Blenker (ein Weinhändler aus Worms) erfolgt, aber durch einen einzigen Kanonenschuß abgeschlagen worden. Abgesehen von einigen nächtlichen Ausfällen der Garnison war es zu weiteren ernstlicheren Unternehmungen nicht gekommen; gegenseitige Plänkeleien fanden wohl noch s t a t t ; die »Freischärler« schössen auf die Schildwachen auf den Festungswällen, dazwischen fielen auch einzelne Kanonenschüsse von den Wällen, jedoch ohne namhaften beiderseitigen Erfolg. Am 17. Juni wurde dem Zustande ein Ende gemacht durch das Heranrücken eines preußischen Armeekorps unter dem Kommando des Prinzen Wilhelm von Preußen 1 ), welches die Freischaren vertrieb. Am 21. Juni zog General Fürst T h u m und Taxis an der Spitze eines bayerischen Armeekorps in Landau ein. Die Freischaren wurden zersprengt, massenhaft gefangengenommen und die Gefangenen in den Kasematten von Rastatt und Germersheim untergebracht. Der Aufstand war bewältigt und niedergeworfen. Für Bomhard begann aber nun nach glücklich überwundenen Bedrängnissen der Revolution die schwerste Prüfung — der Kampf gegen die Ausschreitungen der ') Später Kaiser Wilhelm I.
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5. Abschnitt.
Waffengewalt, gegen die nach jedem Umsturzversuche unausbleibliche Militärherrschaft. Fürst Taxis, durch königliche Vollmacht ermächtigt, die Pfalz in Kriegsnötigenfalls auch Belagerungszustand zu erklären, doch aber auch angewiesen, mit Milde und Schonung vorzugehen, verkündete in einer Proklamation an die Bewohner der Pfalz die Erklärung des Kriegszustandes über die Provinz, gleichzeitig aber auch, daß die bürgerliche Gerichtsbarkeit nicht suspendiert werden solle. Der Fürst, welcher gerecht und mit Mäßigung a u f t r a t , verhielt sich den verleumderischen Denunziationen gegenüber, in denen sich niedrige Leidenschaften rachsüchtiger Menschen breit machten, vornehm und ablehnend und ließ die zahlreichen anonymen Anzeigen meist unbeachtet. Dagegen blieben die ihm unterstellten Organe der Militärgewalt nicht frei von dem Einflüsse des stark auftretenden Denunziantentums und liefen in mißverstandenem Diensteifer vielfach Gefahr, zu Werkzeugen der gehässigsten Verfolgungssucht zu werden. Da widersetzte sich Bomhard, wie vorher dem Treiben der revolutionären Elemente, ebenso den mißbrauchten Eiferern der Ordnung; und mit Umsicht und T a t k r a f t wußte er Gesetz und Recht gegen Ausschreitungen zu schützen, unbekümmert d a r u m , daß er sich dem unbegründeten Vorwurf aussetzte, den Aufrührern gegenüber Nachsicht geübt oder ihnen gar Vorschub geleistet zu haben. Anlaß dazu, Übergriffen entgegenzutreten, bot sich schon während der Belagerung der Festung. Wiederholt h a t t e sich der Fall zugetragen, daß bei nächtlichen Truppenausfällen und Patrouillengängen Zivilpersonen in benachbarten Dörfern vergewaltigt wurden; in Queichheim, einem Dorfe bei Landau, wurde auf seinem Dienstgang ein Nachtwächter, in Nußdorf ein Schullehrer erschossen, ohne Veranlassung von Seiten der Getöteten. Nur unter großen Schwierigkeiten und Aufbietung aller Energie vermochte Bomhard die strafrechtliche Verfolgung der Vorkommnisse den Militärbehörden
Die Jahre der Revolution und Reaktion.
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gegenüber zu erwirken; auch unbefugten Verhaftungen von Seiten der letzteren gegen Zivilpersonen war er mit Erfolg entgegengetreten. Nach dem Gefechte am 21. Juni 1849 bei Waghäusel zwischen den preußischen Truppen einerseits und den mit badischen Truppen verbundenen Freischaren anderseits waren an 800 Mann der letzteren, meist junge Leute aus Baden und der Pfalz, gefangen und in die Kasematten der Festung Germersheim verbracht worden. An Bomhard erging dann von seiten seines Vorgesetzten, des Generalprokurators am Appellationsgerichte, die — auch von General Fürst Taxis und dessen Zivilkommissär, Ministerialrat v. Molitor, gezeichnete — Weisung, in Germersheim von den in den dortigen Kasematten eingekerkerten jungen Leuten diejenigen in Freiheit zu setzen, welche sich als Angehörige der Pfalz zu legitimieren vermochten, wenn ihnen nicht besondere Straftaten, sondern nur im allgemeinen Teilnahme am Aufstande zur Last läge. Als Bomhard daraufhin sich dem General Fürsten Taxis vorstellte und die Absicht sofortiger Ausführung kundgab, wurde ihm von diesem seltsamerweise der Bescheid, daß, wenn er dort Gefangene in Freiheit setze, er selbst die Verantwortung zu tragen haben werde, wenn seine Soldaten ohne weiteres auf die Leute schießen würden. Bomhard, der sich trotz solcher Widersprüche ans Werk machte, fand in Germersheim einen greulichen Zustand. Die Luft in den Kasematten war derartig verpestet^ daß schon eine Annäherung an das Eingangstor Ekel erregte; Bomhard drängte sich in den überfüllten Räumen durch die dichten Reihen der händeringend um Hilfe und Befreiung flehenden Gefangenen. Diejenigen, für welche die geforderten Identitäts- und sonstigen Nachweise vorlagen, wurden von ihm einzeln summarisch vernommen und unter Beurkundung der Identität entlassen. In solcher Weise wurden von ihm in zwei Tagen 400 Personen in Freiheit gesetzt; ein einziger derselben wurde später zu unbedeutender
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5. Abschnitt.
Gefängnisstrafe verurteilt, weil er eine Führerschaft übernommen h a t t e ; keiner der übrigen wurde später wieder in H a f t genommen. Ganz eigentümliche Aufklärungen ergaben sich über die Art und Weise, wie einzelne in Gefangenschaft gerieten; unter anderem war einer Militärpatrouille von einem Transport von fünf Gefangenen einer entsprungen; um die Vollzahl von fünf abliefern zu können, ergriffen die Soldaten den nächsten auf dem Felde arbeitenden Bauernburschen und führten ihn als Gefangenen mit fort. Bomhard konnte es natürlich nicht verhindern, daß die in Freiheit gesetzten Leute bei ihrem Austritt aus dem Festangstor ihrer Dankbarkeit Ausdruck gaben, indem sie dem »Staatsprokurator aus Landau« mit ihrem »Freiheitshelden Hecker« ein Hoch ausbrachten. Als charakteristisch seien einzelne weitere Vorfälle angeführt. Der Bürgermeister eines benachbarten Dorfes, der sich kraftvoll der Umsturzpartei in seiner Gemeinde entgegengesetzt hatte, war durch ein schlechtbeleumundetes Subjekt als Teilnehmer an dem Aufstande denunziert worden. Als eine größere Truppenabteilung den Ort zu passieren h a t t e und am Eingange desselben der Bürgermeister mit den Gemeinderatsmitgliedern die Truppen und an ihrer Spitze deren Befehlshaber begrüßen wollte, ließ dieser den Bürgermeister nicht zu Worte kommen, beohrfeigte ihn, nahm ihn in Haft und ließ ihn in Landau in die Festungskasematten bringen. Auf die ihm seitens des Gemeinderats erstattet« Anzeige hin gelang es dem Staatsprokurator durch Mitwirkung des Zivilkommissars v. Molitor, Aufklärung der Sache, Freilassung des Mannes und disziplinare Bestrafung des Kommandeurs der Truppe zu erwirken. In einem anderen Falle verlangte der Komm a n d a n t der Festung die Ausantwortung einer auf Grund Haftbefehls der Zivilbehörde wegen hervorragender Beteiligung am Aufstande in das Zivilgefängnis abgelieferten Zivilperson zwecks Überweisung an das Kriegsgericht. Bomhard verweigerte die Ausantwortung, auch der Dro-
Die Jahre der Revolution und Reaktion.
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h u n g des K o m m a n d a n t e n mit bewaffneter Macht gegenüber, unter Hinweis auf Gesetz und Recht und auf die laut der königlichen Proklamation in Wirksamkeit gebliebene Zivilgerichtsbarkeit, und zwar mit schließlichem Erfolge. Die Lage der Behörden war in jener Zeit politischer Erregung dadurch erschwert, daß die Gesetzgebung der Pfalz über Presse, Vereins- und Versammlungswesen, Majestätsbeleidigung usw. nicht ausreichte, den vielfachen Ausschreitungen politischer Leidenschaften wirksam entgegenzutreten. Seitens des Staatsministeriums der Justiz war an die Staatsanwaltschaft in der Pfalz kurz vor Ausbruch des Aufstandes die Weisung ergangen, Verfolgungen wegen Majestätsbeleidigung nicht mehr einzuleiten, weil das Strafgesetz (der französische code pénal) keine Bestimmung dagegen enthalte und Art. 222 dieses Gesetzes mit Unrecht darauf angewendet werde 1 ). Da konnte es nicht ausbleiben, daß erfolgloses Einschreiten oder Unterlassen dessen gegen oppositionelle Handlungen oder Äußerungen für pflichtwidrige Nachsicht oder Liebäugeln mit dem Umstürze von Rechtsunkundigen gedeutet wurde. So blieb es auch Bomhard nicht erspart, daß es sich Widersacher und Feinde, denen er vermöge seiner Dienstpflicht h a t t e entgegentreten müssen, angelegen sein ließen, ihn als verkappten Freund des Umsturzes, als tendenziösen Beschützer der Aufrührer da und dort mit Erfolg zu verdächtigen. Freilich nur vorübergehend. Die Versuche scheiterten an der Einsicht und Gerechtigkeitsliebe des damaligen Leiters der Justizverwaltung, Minister v. Kleinschrodt, welcher aus bestimmtem Anlaß Gelegenheit fand, von Bomhards Haltung und Auftreten Kenntnis ') Art. 222 c. pén. u. ff. handeln von Beleidigungen und Gewalttätigkeiten gegen obrigkeitliche Personen aus dem Kreise der Verwaltung oder der Gerichte in der Ausübung oder aus Veranlassung der Ausübung ihrer Amtsverrichtungen.
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5. Abschnitt. Die Jahre der Revolution etc.
zu nehmen. Diesen Anlaß gab ein Vorfall, der sich am 11. März 1850 zutrug. An diesem Tage wurde in den Festungsgräben von Landau der Artillerieleutnant Graf Fugger-Glött, welcher, verblendet von schwärmerischer Begeisterung für die deutsche Sache, zu den Freischaren übergegangen war, kriegsrechtlich erschossen. Bei dem des Abends unter dem Zudrang einer großen Menschenmenge stattgehabten Begräbnisse fehlte es nicht an Demonstrationen, und bei Einsenkung des Sarges erscholl aus der Menge der Ruf: »Tod den Tyrannen!« Die gegen den Rufer, einen gewissen Rösner, erstattete Anzeige hatte dem Antrage Bomhards gemäß lediglich die Einstellung jedes weiteren Verfahrens seitens des zuständigen Bezirksgerichts Landau »mangels gesetzlicher Bestimmung« zur Folge. Einige Wochen später ließ Fürst Taxis den Rösner verhaften, in das Militärgefängnis bringen und ordnete die Niedersetzung eines Kriegsgerichts behufs Aburteilung des Rösner an. Das Ansuchen der Militärbehörde um Mitteilung der gerichtlichen Akten lehnte Bomhard unter Verweisung an die ihm vorgesetzte Behörde ab, legte aber gleichzeitig dieser — dem Generalprokurator am Appellationsgerichte — die Akten mit einem auf den rechtskräftigen Beschluß des zuständigen Gerichts hinweisenden Berichte vor. In der Folge erging im Instanzenwege, durch den Generalprokurator, das Staatsministerium der Justiz ein Beschluß des Gesamtministeriums, welcher »die sofortige Freilassung des unzuständigerweise verhafteten Adolf Rösner« anordnete und eine »Mißbilligung des Übergriffs in die Zuständigkeit der in ihrer Wirksamkeit zu erhaltenden Zivilgerichtsbarkeit« aussprach. Der Justizminister v. Kleinschrodt machte bei einer, später in München ihm gewährten Audienz Bomhard gegenüber kein Hehl daraus, daß er heftig angegriffen worden sei, daß man namentlich militärischerseits versucht habe, ihn zu verdächtigen und zu beseitigen, daß
6. Abschnitt.
Liebesleben, Braut- und Ehestand.
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er selbst aber, auf Grund besserer eigener Information sich seiner angenommen, ihn insbesondere auch bei dem König selbst vertreten habe. Schon früher aber, im Herbste 1849, war Bomhard die Genugtuung zuteil geworden, daß in der, wie alljährlich bei Beginn des Justizjahres üblichen feierlichen Plenarsitzung des Appellationsgerichts der Generalprokurator in seiner Eröffnungsrede Veranlassung genommen hatte, Bomhards Haltung zu besprechen und sein Auftreten in der schwierigen Zeit nach allen Seiten hin als richtig anzuerkennen. So war er denn siegreich und glänzend gerechtfertigt aus allen Anfechtungen hervorgegangen. Die Anschläge seiner Widersacher waren es, welche die Aufmerksamkeit der oberen Behörden, ja wohl auch des Königs auf seine Person lenkten. Am 22. Februar 1852 wurde er zum Präsidenten des Bezirksgerichts Landau ernannt.
6. Abschnitt.
Liebesleben, Braut- und Ehestand. Bomhard hatte frühzeitig schon seine Herzenswahl für das Leben getroffen. Unter den Familien, in welchen er in den ersten Studienjahren in VVürzburg gerne verkehrte, fühlte er sich von der des Appellationsgerichtsrates a. D. (Titular-Oberjustizrat) Stecher, dessen Gattin geb. Nuß und deren schönen und liebenswürdigen Töchtern ganz besonders angezogen. Die jüngste der letzteren, Maria Magdalena, war es, welche sich sein Herz erkor; tiefste Zuneigung hatte beide gar bald für immer vereinigt und fest verbunden. Wie rein und edel, wie bedeutungsvoll für sein Seelenleben dieser Herzensbund war, gibt sich aus einer Tagebuchaufzeichnung aus späteren Jahren kund: »Ich möchte nicht jedem raten«,
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6. Abschnitt
so schreibt er, »sein Herz so frühzeitig zu binden, wie ich es in der Liebe zu meinem Lenchen — 1829, 1830 —, von ihr herzlich erwidert, tat. Für mich war diese Liebe wohl
eine
Fügung
Gottes
—
eine
Quelle des
Segens.
Sie war mein Lebenselement; sie erweckte in mir eine Energie des Strebens nach Reinheit der Seele, nach allem Edlen, wie ich sie sonst wohl niemals besessen ein unermüdetes
Ringen
nach der
hätte,
Möglichkeit,
sie
zu
besitzen; Reinheit der Sitte, um ihrer würdig zu bleiben, diese war mein höchster Stolz!
Ich konnte sagen:
»Manch üppige Gestalt trat mir entgegen, manch feurig A u g e winkte rasch mir zu, mich aber hielt dein reines Bild empor 1 Ich dachte dich, ich dachte unsrer Liebe, und all die Brandung der empörten W e l t brach sich an dieses Herzens heil'ger Treue I Sie war die K r a f t für all mein
Jugendleben,
Sie war das Ziel in meinem höchsten
Streben.«
W e n n der Rückblick auf mein vergangenes Leben mich manches sehen läßt, was ich zum zweiten Male anders, besser tun möchte — auf meine reine Treue für die Geliebte meines Herzens, die ich mir in rastlosem
Ringen
zur Gattin erwarb, blicke ich mit Freude und mit Dank gegen G o t t zurück, denn ich fühle es in unzähligen Erscheinungen und Vorkommnissen meines Lebens: »In dem Finden meines Lenchens, in dieser Liebe war seine — Gottes allmächtige und alliebende Hand — ; sie war der Leitstern meines Lebens 1« Nachdem
Bomhard im
Juli 1836 seine
Ernennung
als Ergänzungsrichter am Bezirksgerichte Zweibrücken erhalten hatte, konnte endlich am 26. Juni 1837 die Verlobung
des
Liebespaares
stattfinden.
Sie
wurde
ver-
bunden mit der Feier des 50 jährigen Ehejubiläums der Eltern des Verlobten
und mit dieser festlich
begangen
im Hause des älteren Bruders Eduards, des Rentamtmanns
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Liebesleben, Braut- und Ehestand.
Karl v. Bomhard 1 ) und seiner Gattin Charlotte geb. v. Arnim zu Wunsiedel. Dem greisen Jubelpaare wurde am Abend des festlichen Tages die eigene Jugend in dem jungen, in der Tracht des Jahres 1787 erschienenen Brautpaare, begleitet von Festgedichten, vorgeführt. Besonders beglückt fühlte sich dieses durch die zärtliche Zuneigung von Eltern und Geschwistern des Bräutigams zur Braut. — Mit der im Juni 1838 erhaltenen definitiven Anstellung im Staatsdienste als Friedensrichter in Zweibrücken sah sich Bomhard in der Lage, die Erwählte seines Herzens als Gattin heimzuführen; am 7. August 1838 wurde zu Würzburg die Hochzeit gefeiert, und am 14. September 1838 zog das junge Paar in Zweibrücken ein. Sonnig und heiter verliefen ihm die Jahre; dem munteren Sinn der jungen Frau sagte die lebensfrohe Art der Pfälzer ganz besonders zu. Manch inniger Bund treuer und erprobter Freundschaft wurde an all den Stätten, wohin der Beruf das Familienhaupt mit den Seinen berief, mit gediegenen Familien geschlossen; manch frohes Fest in anregendem Verkehr gefeiert! Wie schön hätte sich da für Bomhard nach den Stürmen und Gemütsbewegungen der Revolutions- und der Reaktionszeit, da er mit der Beförderung zum Bezirksgerichtspräsidenten eine ihn voll und ganz befriedigende Berufsstellung erreicht hatte, an der Seile der trefflichen Gattin, umgeben von fünf blühenden Kindern, das Leben gestalten können! Da griff aber jäh das Schicksal ein und zerstörte mit grausamem Schlage das häusliche Glück! Am 22. Januar 1853 raubte ihm der Tod nach kurzem Leiden infolge eines Gehirnschlages die teure Gattin, die liebende Mutter der Kinder, von denen das jüngste sechs, das älteste zwölf Jahre zählte! »Mit ihr«, so klagt er in dem Tagebuch, »mit meinem geliebten Lenchen ist mir meine Jugend geAuf diesen, als den ältesten Sohn war nach den bestehenden Bestimmungen der »Transmissionsadel« des Vaters übergegangen. B d . r . B o m h a r d , Ein Leben»- u. Charakterbild.
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7. Abschnitt.
storben, denn in sie hatte ich alle meine Jugendideale übertragen, ihr galt das schönste, edelste Empfinden und Streben meiner schönsten Jugendjahre, denn sie war ein reines treues Herz voll Liebe und Wahrheit, wie selten ein weibliches Wesen gefunden wird. Bei aller Freude, die ihr reicher, für Schönes empfänglicher Geist an heiterem, geselligem Leben empfand, war das Kleinste genügend, ihrem kindlichen Herzen die höchste Freude zu gewähren. So stehe ich vom Schmerze gebeugt am Grabe des treusten Weibes, des liebevollsten Mutterherzens. Ich darf nicht fragen, warum mir Gott diese schwere Prüfung auferlegt!? Sie ist furchtbar; ich habe das Gefühl, als ob mir körperlich ein Stück meines Herzens weggerissen wäre! Was wäre selbst die Liebe ohne Hoffnung auf ein Wiedersehen im Jenseits! Der Tod der Geliebten ist der Vater der Unsterblichkeitshoffnung!« In der warmen Teilnahme in weitesten Kreisen sprach sich nicht bloß inniges Mitgefühl für Bomhards und seiner armen Kinder unersetzlichen Verlust, sondern auch höchste Achtung für die Heimgegangene aus. Sie hatte sich bei Niedern wie bei Höhergestellten, denen sie gleiche Achtung zollte, vor allem in den Herzen der Armen, denen sie eine immer hilfsbereite Wohltäterin war, ein Denkmal der Liebe und Verehrung errichtet 1
7. Abschnitt.
Weitere Beförderungen.
Literarische Tätigkeit.
Als Gerichtspräsident erblickte Bomhard seine Hauptaufgabe darin, eine ebenso rasche als gründliche und wissenschaftliche Rechtsprechung herbeizuführen. Er führte in allen Sitzungen, in Zivil- wie in Strafsachen, den Vorsitz; durch ein ausgezeichnetes Richterkollegium unterstützt, vermochte er es durchzuführen, daß stets voll-
Weitere Beförderungen.
Literarische Tätigkeit.
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ständig aufgearbeitet wurde und sich niemals ein Rückstand ergab. Abänderungen der Entscheidungen im höheren Rechtszuge waren nur höchst selten eingetreten. Mit schwerem Herzen schied er aus dieser idealen Richterstellung, aus der liebgewonnenen, ihm und den Seinen zur Heimat gewordenen Stätte, als ihn im November 1857 die Ernennung zum Oberappellationsgerichtsrat (am obersten Gerichtshof des Königreichs) nach München berief. Seinen Abschiedsempfindungen gibt er in dem Tagebuch Ausdruck: »Leb' wohl du kleines, köstlich gelegenes Landau, mit deinen trefflichen Menschen, edlen Freunden, du herrliche Pfalz, du reiches, gesegnetes Land, das Gott vor den französischen Gelüsten bewahren wolle!« Am 4. November 1859 wurde Bomhard zum Oberstaatsanwälte am Appellationsgerichte der Oberpfalz in Amberg ernannt. In dieser Berufsstellung fand er endlich die Muse zu schriftstellerischer Tätigkeit. Veranlassung zu dieser gab ihm zunächst das (1860 bei Christian Kaiser in München erschienene) Werk des Kgl. Oberappellationsgerichtsrats Zink »Über die Ermittlung des Sachverhalts im französischen Zivilprozeß«. Dieses Buch hatte sich die Aufgabe gesetzt, »einen Beitrag vergleichender Studien und beleuchtender Rechtsfälle zur Umbildung des gerichtlichen Verfahrens in deutschen Landen zu bieten«. Es hat bei allen Freunden einer Verbesserung der Zivilrechtspflege auf den Rechtsgebieten des rechtsrheinischen Deutschland begeisterte Aufnahme gefunden und in juristischen Kreisen Epoche gemacht. Ihm konnte die Bedeutung eines Ereignisses beigemessen werden; es war in seiner Wirkung fördernd und bahnbrechend für die Aufnahme wichtiger Grundprinzipien der rheinischen Gesetzgebung in den später zur Entstehung und Einführung gelangten Prozeßordnungen (zunächst der bayerischen, dann der deutschen). Für Bomhard war aber Zink, welcher seine Anschauungen nicht sowohl aus dem praktischen Leben geschöpft haben mochte, als vielmehr 8*
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9. Abschnitt.
aus französischen Fachschriften, in idealer Auffassung da und dort zu weit gegangen, indem er in Anerkennung der Bevorzugung materieller Wahrheit vor dem formalen Rechte in seiner Schilderung diese Bevorzugung übertrieb. So weckte er die Besorgnis, daß von seiten der — an allzu formale und pedantische Gründlichkeitsbestrebung gewohnten Juristen — die Einkehr schrankenloser richterlicher Willkür, eines ungebundenen Gutbefindens aufs Geratewohl und in Bausch und Bogen befürchtet wurde. Darin lag die Gefahr, daß dem einen oder andern Grundprinzip des rheinischen Rechts der Eingang versagt werden möchte. Diese Besorgnis gab Bomhard, welcher aus 20 jähriger Erfahrung von den Vorzügen jener Einrichtungen durchdrungen war und deren Einführung in den älteren Landesteilen Bayerns als einen Segen für diese erhoffte, starke Anregung zur Beleuchtung und teilweisen Widerlegung des Zinkschen Werkes. So entstand die im Jahre 1861 in der literarischartistischen Anstalt der J. G. Cottaschen Buchhandlung in München erschienene Schrift: »Die Zivilrechtspflege in der Bayerischen Pfalz.« Bomhard war es darum zu tun, mit dieser Schrift darzulegen, daß die Vorzüge des französischen Zivilprozesses, wie er sich namentlich in den Rheinlanden ausgebildet hatte, nicht a l l e i n und v o r z u g s w e i s e in der allerdings höchst förderlichen »Beweiswürdigung nach freier Überzeugung« zu suchen seien — welche Zink als die Herrschaft der sog. »universalen Evidenz« zum Ideal der französischen Zivilrechtspflege erhebt. Nach Bomhards Ansicht seien die Vorzüge weit mehr in der Mündlichkeit und Öffentlichkeit des Verfahrens, in der Prozeßleitung durch die Parteien selbst, in der Befreiung des Gerichts von dieser Leitung sowie in der Mitwirkung der Staatsanwaltschaft beim Zivilverfahren zu erblicken. Den Wert der Öffentlichkeit für das Zivilverfahren begründete er damit, daß diese hier eine qualitativ und quantitativ andere ist als im Straf-
Weitere Beförderungen.
Literarische Tätigkeit.
37
verfahren; daß sie in dem Zivilverfahren in Betracht komme als ein Mittel zur Überwachung nicht sowohl des G e r i c h t s , als vielmehr der P a r t e i e n (auch der Anwälte). Dem sei der hohe wissenschaftliche und loyale Standpunkt der pfälzischen Anwaltschaft zu danken, welcher hinwiederum die Grundlage bildete, auf welcher die Macht der Wahrheit im Zivilverfahren ihren Thron gegründet h a t ; d a r i n liege der mächtige Einfluß der Öffentlichkeit unmittelbar auf den Gang des Verfahrens selbst. Der Mitwirkung der Staatsanwaltschaft aber schreibt Bomhard das Verdienst und die Bedeutung zu, daß sie im Verein mit Mündlichkeit und Öffentlichkeit dem Verfahren den Charakter tiefer Sittlichkeit aufpräge, durch den es hoch über jedem andern Prozeßverfahren stehe. Bomhard war darum erfüllt von der Notwendigkeit und Wohltätigkeit des Instituts für das Rechtsleben, wie jenes sich in der Pfalz ausgebildet hatte. Hier konnte die Staatsanwaltschaft als die Beschützerin Bevormundeter, als Wächterin des Gesetzes zum Schutze des Volkes für seine Privatrechte gelten, in dem Maße, daß, wer nur immer ein Anliegen in seinem Rechtsleben hatte, sich — nachdem er Notar, Anwalt, Gerichtsvollzieher vergeblich zu Rate gezogen — in letzter Instanz an den »Staatsprokurator« wendete und bei diesem häufig die uneigennützigste Beratung und energische Hilfe fand. Darum genoß hier das Institut beim Volke — wenn man von Übeltätern absieht — eine gewisse Popularität, während im rechtsrheinischen Bayern, wo die staatsanwaltschaftliche Tätigkeit nur auf die Verfolgung im Strafprozesse beschränkt war und sie sich dem Volke nur von dieser Seite zeigte, auf der Staatsanwaltschaft ein gewisses Odium lastete. Als ein unbegründetes und unberechtigtes Vorurteil bezeichnete es Bomhard, wenn angenommen wurde, daß sich die Staatsanwaltschaft bei ihrer Tätigkeit in der Zivilrechtspflege eine nachteilige Einwirkung
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7. Abschnitt.
auf die Unabhängigkeit der Richter aneignen wollte und konnte. Zu beklagen sei es nach alledem, daß dieses auf den rechtsrheinischen Staatsgebieten herrschende Vorurteil die Staatsanwaltschaft fast vollständig aus der Zivilrechtspflege beseitigt hat, und es erscheine bemerkenswert, daß in Frankreich die Mitwirkung derselben in der Zivilrechtspflege noch unangefochten fortbesteht, und daß sich selbst in der französischen Republik seit 1870 niemals eine Stimme gegen jene Mitwirkung erhoben hat. Die Schrift fand starke Verbreitung und vielfache Anerkennung in den juristischen Kreisen der Praxis wie der Gelehrtenwelt. Mittermaier in Heidelberg erwähnt derselben mehrfach als »beachtenswert«, »als eine der wichtigsten Schriften, die für jeden Juristen reiche Belehrung enthalte.« (S. Archiv für zivilistische Praxis, Bd. 49, S. 216, Anm. 10, 13 ff., Bd. 45, S. 22, Anm. 49.) S. Beilage zur Augsburger Allg. Zeitung Nr. 51 vom 20. Februar 1867, S. 829. Zeitschr. des Anwaltvereins für Bayern, Bd. I, Nr. 16, S. 252. Literar. Zentralblatt für Deutschland von Dr. Zareke, Leipzig 1862, Nr. 45, S. 988. Pfälzer Zeitung 1861, Nr. 242. Schlettersche Jahrbücher 1861, IV, Ziv.-Proz. S. 351 u. a. m. Die im November 1861 in den rechtsrheinischen Kreisen des Königreichs Bayern erfolgte Einführung des Notariats, welches in der Pfalz zum großen Vorteil des Rechtslebens längst in Wirksamkeit war, gab Bomhard Veranlassung zunächst zu einem Aufsatz in der Zeitschr. f. Gesetzgebung und Rechtspflege (Bd. V I I I , S. 528) über die bei Erlaß einer Gebührenordnung für die Notare zu beobachtenden Gesichtspunkte, und dann zu einer weiteren Schrift »Kleiner Leitfaden für die Notare«, 1862 bei Pohl in Amberg erschienen. Beide fanden vielen Beifall in fachmännischen Kreisen und weite Verbreitung. Mit dieser Schrift suchte Bomhard zur Aufklärung über die Vorzüge der Einrichtung für Kultur- und Rechtsleben beizutragen, und namentlich die neuen Notare über
Weitere Beförderungen.
Literarische Tätigkeit.
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die ersten Schwierigkeiten des neuen Berufes hinüberzuführen. Er wollte ihnen praktische Winke geben, die — von amtlichen Instruktionen nicht zu erwarten — aber doch unentbehrlich schienen »für Männer, welche nicht nur die Rechtsfreunde, sondern in gewissem Umfange auch die Lehrer des Volkes werden sollten.« Für Bomhard charakteristisch, aber auch allgemein beachtenswert ist die Mahnung, welche er den Notaren (auf S. 72) erteilt, »sich ernstlich zu bemühen, durch Einfachheit, Klarheit und R e i n h e i t d e s A u s d r u c k s zur E r Ii a l t u n g d e r S c h ö n h e i t u n s r e r S p r a c h e m i t z u w i r k e n u n d b e s o n d e r s d i e tief eing e w u r z e l t e G e w o h n h e i t zu m e i d e n , f r e m d a r t i g e a u s l ä n d i s c h e W ö r t e r in die Urk u n d e n e i n z u s t r e u e n . Die Zeit sei vorüber, wo die Arbeit eines Beamten nach der Schwülstigkeit der Sprache bewertet und für so viel gelehrter gehalten wurde, je mehr sie mit fremden barbarischen Ausdrücken gespickt und je deutlicher in der Redeweise die Perücke des Verfassers zu erkennen war. Viele Menschen gebe es, welche begeistert einstimmten in das Lied: ,Was ist des Deutschen Vaterland', dieses aber in ihrer Sprache jeden Augenblick verleugneten, indem sie ihre Schriften mit einer Unzahl Fremdwörter durchsetzen; und doch fehle es in unsrer ebenso reichen als schönen Sprache nicht an entsprechenden, oft bezeichnenderen und schöneren Worten für die vielen aus Altertum und Ausland eingeschmuggelten Ausdrücke; mit wahrer Liebe zum Vaterlande, zur Muttersprache und einigem edlem Stolze, sich als Angehöriger des gesittetsten und denkendsten Volkes fühlen zu dürfen, werde man gerne zur Erhaltung der Reinheit seiner Sprache mitwirken, auf solche Art auch einen wesentlicheren Beitrag zur Herstellung seiner Einheit leisten, als durch begeisterte Reden darüber.«
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8. Abschnitt.
8. Abschnitt.
Der Gesangbuchstreit in der protestantischen Kirche, Generalsynode in der Pfalz. Nur für kurze Zeit fand Bomhard in seinem immerhin arbeitsreichen amtlichen Wirken als Oberstaatsanwalt die Muse für solche schriftstellerische Tätigkeit. Es traten bald andere, seinem Berufskreise ferner liegende Aufgaben staatlicher Wirksamkeit an ihn heran. In der protestantisch unierten Kirche der Rheinpfalz war ein Kampf zum Ausbruch gekommen zwischen den Vertretern einer streng dogmatischen Glaubensrichtung einer- und einer freieren Meinung anderseits. Dieser trat äußerlich und formell vorzugsweise als Widerstand gegen ein, von dem Konsistorium in Speyer zur Einführung in Aussicht genommenes Gesangbuch zutage. Die Protestanten der streng gläubigen Richtung hatten dem alten Gesangbuche den Vorwurf gemacht, daß es zu wenig Lieder enthalte, daß die Lieder, soweit aus älterer Zeit stammend, zu sehr »verwässert« und verweltlicht seien. Sie verlangten, daß das Gesangbuch durch ein neues, in mehr strenggläubiger Richtung und in kernigerer, derjenigen des großen Reformators näher kommender Sprache ersetzt werden müsse. Die Protestanten freierer Richtung dagegen trugen große Abneigung, an Stelle des den Anforderungen einer modernisierten und geläuterten Ausdrucksweise entsprechenden Gesangbuchs die in veralteter und fast roher Sprache abgefaßten, oft an das Anstößige streifenden Lieder in den Kirchengesang eingeführt zu sehen. Es entbrannte ein heftiger und erbitterter Kampf, welcher den öffentlichen Frieden ernstlich zu gefährden drohte. War es doch schon so weit gekommen, daß sich ganze Gemeinden gegeneinander anfeindeten und befehdeten.
Der Gesangbuchstreit, Generalsynode in der Pfalz.
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Die Staatsregierung erachtete es deshalb für geboten, zur friedlichen Lösung der Frage eine Generalsynode nach Speyer zu berufen. Bomhard wurde durch den König (Maximilian II.) beauftragt, als Kommissar bei dieser die Rechte des Staatsoberhauptes, als summus episcopus der protestantischen Kirche des Königreichs, zu wahren. Er erhielt, vor Beginn seiner Tätigkeit von dem König empfangen, von ihm selbst seine Weisungen, welche im wesentlichen dahin gingen, den Frieden baldmöglichst und vollständig wieder herzustellen. Diese Aufgabe war nach Lage der Verhältnisse eine äußerst schwierige. Der Vorstand des Konsistoriums und mit ihm eine Anzahl gerade der wissenschaftlich und moralisch ausgezeichnetsten weltlichen und geistlichen Mitglieder der Generalsynode stand mit innerer Uberzeugung auf seiten des neuen Gesangbuchs. Vorwiegend die letzteren und ihre Gesinnungsgenossen waren im Jahre 1849 dem Treiben der revolutionären Regierung und deren Organen in Schrift, Rede und Tat mit männlichem Mute und unerschütterlicher Treue für König und rechtmäßige Regierung entgegengetreten. Sie erblickten in dem neuen Gesangbuch ein wesentliches Mittel zur Wiederherstellung des durch die Revolution und die Zeitströmung überhaupt gelockerten religiösen und moralischen Lebens des Volkes, und beharrten darum mit Entschiedenheit auf der von ihnen für nötig erachteten Einführung desselben. Die Kreisregierung und an ihrer Spitze deren Präsident hatten in Anerkennung jener Haltung die konservativen, zuweilen auch reaktionären Bestrebungen solcher Elemente unterstützt, als dieselben mit Strenge gegen diejenigen Mitglieder der Geistlichkeit der Presbyterien einschritten, die sich nicht ganz vorwurfsfrei auf politischem oder kirchlichem Gebiet gehalten hatten. Hierdurch war ein gewisses Machtgefühl in dem Vorstand und den Mitgliedern des Konsistoriums und deren Gesinnungsgenossen entstanden und an den Tag getreten.
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8. Abschnitt.
Seltsamerweise war aber gerade in der Entstehungszeit des Gesangbuchstreites in den Anschauungen des Vorstands der Kreisregierung plötzlich eine Sinnesänderung eingetreten, die in einer sehr grell hervortretenden Hintansetzung und selbst barschen Behandlung der vorher begünstigten Richtung sich geltend machte. Eine wohl begreifliche Verstimmung der Organe und Anhänger dieser Richtung t r a t ein, gepaart mit Mißtrauen gegen die E n t schließungen der Regierung. Sie nahmen Stellung gegen diese, zumal insoweit sie Zugeständnisse in der Gesangbuchsfrage enthielten, von denen man ein weiteres Fortschreiten in antikirchlicher Richtung und Aufopferung des Wohles der Kirche und der Gläubigen an die radikalen Elemente befürchtete. Am 15. Februar 1861 wurde die Generalsynode mit festlichem Zuge der Mitglieder derselben und des Konsistoriums, an dessen Spitze der königliche Kommissar, durch die dichtgedrängten Straßen zur geschmückten protestantischen Stadtkirche und mit feierlichem Gottesdienste in dieser, eröffnet. In der daran sich schließenden ersten Sitzung verkündete Bomhard das ihm vom König mitgegebene, des Königs Liebe für das Pfälzer Volk und seine heißen Wünsche für den Frieden bekundende Manifest. Bomhard gelobte dann selbst feierlich, daß er im Sinne dieses Manifestes seine ganze K r a f t daransetzen werde, ohne Vorliebe für die eine oder andere Anschauung und frei von jeder Parteirichtung das beste der protestantischen Kirche der Pfalz und somit vorzugsweise den Frieden in dieser fördern zu wollen. Hierzu war er — wie nicht leicht ein anderer — die geeignete Persönlichkeit. Er bekannte sich zur Lehre der evangelisch-lutherischen Kirche und stand auf positivem Boden. Der Grundzug seines religiösen Wesens war aber der der mildesten Duldsamkeit gegen Bekenner andern Glaubens und anderer Glaubensrichtungen. Seiner A b s t a m m u n g und Geburt nach Franke, h a t t e er doch
Der Gesangbuchstreit, Generalsynode in der Pfalz.
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die Pfalz, ihre Bewohner u n d E i n r i c h t u n g e n aus langj ä h r i g e r E r f a h r u n g genau k e n n e n gelernt u n d lieb gew o n n e n , sich selbst a b e r d o r t zahlreiche F r e u n d e u n d a u f r i c h t i g e Verehrer erworben. So sah er sich in seinen B e s t r e b u n g e n u n t e r s t ü t z t von einer Anzahl ihm a u s f r ü h e r e r Zeit g u t b e k a n n t e r und wohlgesinnter Männer 1 ). Vor allem t r u g e n a b e r Bonihards Unparteilichkeit, sein festes entschiedenes A u f t r e t e n u n d F e s t h a l t e n a n ger e c h t e n , parteilosen, von E x t r e m e n e n t f e r n t e n G r u n d sätzen zu d e m schließlichen Erfolge bei. Nach sechsw ö c h e n t l i c h e m B e m ü h e n war d a s e r s t r e b t e Ziel eines friedlichen Ausgleichs erreicht. Die Beschlüsse der Generals y n o d e gingen im wesentlichen d a h i n , d a ß d a s n e u e G e s a n g b u c h in d e n j e n i g e n Gemeinden, welche dessen E i n f ü h r u n g bzw. B e i b e h a l t u n g beschließen w ü r d e n , in G e b r a u c h k o m m e n , d a ß in den a n d e r n das alte beibeh a l t e n werden, ein Z w a n g zur E i n f ü h r u n g des neuen a b e r nirgends s t a t t f i n d e n sollte. Beide P a r t e i e n erschienen bef r i e d i g t ; m a n e r k a n n t e , d a ß die S t a a t s r e g i e r u n g nicht gewillt sei, d a ß der Gläubigkeit u n d G o t t e s f ü r c h t i g k e i t zu n a h e getreten w e r d e ; anderseits, d a ß sie ferne d a v o n sei, einem herrschsüchtigen K i r c h e n r e g i m e n t e die B a h n zu ö f f n e n . Nach Beilegung des Streites m u ß t e B o m h a r d d e m K ö n i g in persönlicher Audienz m ü n d l i c h e n V o r t r a g über Ursache des Streits und Mittel, solchen Uneinigkeiten f ü r die Z u k u n f t vorzubeugen, e r s t a t t e n , und sod a n n in schriftlichem Berichte Vorschläge hierzu m a c h e n . Diese wurden fast d u r c h g ä n g i g a n g e n o m m e n u n d t r a t e n auch bald zutage, n a m e n t l i c h in einzelnen P e r s o n a l v e r ä n d e r u n g e n im K u l t u s m i n i s t e r i u m und im p r o t e s t a n t i s c h e n K o n sistorium der Pfalz. E i n auf dem Boden positiven Christent u m s stehendes, den Glauben schützendes, a b e r d e n n o c h milderes und d u l d s a m e r e s K i r c h e n r e g i m e n t t r a t a n die Stelle. M Hier sind u. a. zu nennen der Appellationsgerichtsdirektor Kärner, Mitglied der Synode, Konsistorialräte Borsch und Moschel, Regierungsrat Wand.
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9. Abschnitt.
Der König drückte bei dem persönlichen E m p f a n g Bomhard seine Freude über die Herstellung des Friedens und Anerkennung für seine Mitwirkung hierzu aus. Tiefen Eindruck machte auf Bomhard die aus der Unterredung gewonnene Wahrnehmung, wie des Königs Freude in der aufrichtigsten und innigsten Liebe f ü r sein Volk wurzelte. Die Allerhöchste Anerkennung wurde aber Bomhard durch königliches Handschreiben vom 19. April 1861 ausgesprochen, welcher sodann am 1. J a n u a r 1862 die Verleihung des Ritterkreuzes I. Klasse des Verdienstordens vom hl. Michael folgte. Das Handschreiben h a t folgenden Wortlaut: Wir finden Uns gerne veranlaßt, euch über die besondere Pflichttreue und unermüdete Thätigkeit, mit welcher ihr dem bei der jüngsten Generalsynode zu Speyer von Uns ertheilten Commissorium euch unterzogen und im Sinne friedlicher Ausgleichung und Beruhigung der Gemüther zu wirken b e m ü h t gewesen seid, Unsere volle Anerkennung und besondere Allerhöchste Zufriedenheit hiedurch auszudrücken und lassen euch zugleich eine Abschrift derjenigen Entschließung zur Kenntnißnahme zufertigen, welche Wir unterm heutigen Tage an Unser protestantisches Consistorium in Speyer gerichtet haben. München, den 19. April 1861. gez. Max.
9. Abschnitt.
Die Kommission in Hannover zur Ausarbeitung einer deutschen Zivilprozeßordnung. Die deutsche Bundesversammlung in F r a n k f u r t a. M. hatte auf Vorgehen und Veranlassung der österreichischen Regierung eine Kommission deutscher Juristen zur Ausarbeitung einer Zivilprozeßordnung für ganz Deutschland
Die Kommission in Hannover zur Ausarbeitung etc.
45
nach Hannover zusammenberufen. Am 13. Juli 1862 wurde Bomhard durch König Max zum Mitglied der Kommission für das Königreich Bayern ernannt. Ein Brief des Jugendfreundes und Studiengenossen Bomhards, des damaligen bayerischen Bundestagsgesandten von der Pfordten aus Frankfurt a. M. vom 17. April 1862, in welchem dieser sich über Bomhards Tätigkeit in der pfälzischen Gesangbuchsfrage ausspricht, enthält nachstehende Zeilen: »Mit noch ungeteilterem Interesse habe ich Deine Schrift über die Zivilrechtspflege gelesen, die gründliche, wissenschaftliche Bildung und reiche praktische Erfahrung vereinigt, und die Überschwenglichkeiten des vielfach verdienstlichen Werkes von Zink ebenso mild in der Form als fest in der Sache zurückweist. Du weißt, daß ich lange Zeit Bedenken gegen den mündlichen Zivilprozeß hatte. Ich habe sie übrigens seit Jahren in mir überwunden, noch in München im Kabinet 1 ) für die Reform gewirkt und hier mit Lust das Referat gearbeitet über die Ausarbeitung einer allgemeinen deutschen Zivilprozeßordnung, welche wohl noch in diesem Sommer durch eine Bundeskommission in Hannover begonnen werden wird. Ich wollte Du würdest als bayerischer Kommissär dahin abgeordnet.« Dieser Wunsch sollte sich alsbald erfüllen. Bomhard, welcher seine Ernennung von der Pfordtens Empfehlung zuschreiben zu müssen glaubte, erhielt von diesem auf diesbezügliche Anfrage folgende Zeilen vom 6. August 1862: »Lieber Freund! Auf Deinen lieben Brief vom 4. ds. Mts. muß ich Dir sofort erwidern, daß Du in völligem Irrthum bist, wenn Du« usw. usw. ...»Ich habe es mir seit meinem Rücktritte aus dem Ministerium zum Grundsatze gemacht, mich jeder Einmischung in die Geschäfte zu enthalten und mich nur dann zu äußern, wenn ich gefragt werde. Du verdankst Deine Ernennung eben Dir selbst und Deinen Leistungen, die in München ebenso erkannt worden sind, 1
) in seiner früheren Stellung als Ministerpräsident.
46
9. Abschnitt.
wie von mir, und Du brauchst somit in keiner Weise bange zu haben. Wer Dich vorgeschlagen hat, weiß ich nicht; das kannst Du wohl von Dollmann 1 ) oder Pixis 2 ) hören.« In Wirklichkeit war Bomhard nicht ohne inneren Kampf zum Entschluß für Annahme des wichtigen Auftrags gelangt; er glaubte sich diesem nach seiner bisherigen, fortwährend angestrengten praktischen Tätigkeit, die ihm nur wenig Ruhe gelassen hatte, in Fortsetzung theoretischer Studien gleichen Schritt zu halten, nicht genügend gewachsen zu fühlen. Über seine Zweifel siegte aber das Pflichtgefühl, als ihm der hervorragende Rechtslehrer, Professor der Universität München, Hofrat Dollmann, schrieb, »daß die Wahl der Regierung allgemein als eine glückliche und als eine Garantie für das Zustandekommen des großen Werkes begrüßt werde«, und als auch in öffentlichen Blättern zu lesen stand, »daß man diese Wahl nur als eine im wohlverstandenen Interesse des rechtsrheinischen Bayern wie der Pfalz vorgenommene bezeichnen könne, da dieser Justizbeamte durch seine früheren amtlichen Stellungen vielfache Gelegenheit hatte, sich mit den Licht- und Schattenseiten der links- und rechtsrheinischen prozessualen Einrichtungen aufs innigste vertraut zu machen.« Mit Begeisterung ging er aber an das für das gesamte deutsche Volk bestimmte große Werk, als ihm seine Instruktion die Aufgabe setzte, dahin zu wirken, daß die in der Pfalz geltenden Grundsätze des Zivilprozeßrechts in den auszuarbeitenden Entwurf aufgenommen werden. Lebte er doch der Überzeugung, daß diese Grundsätze den weitestgehenden Ansprüchen der Rechtsbedürfnisse des Volkes entsprachen, und daß sie dem ganzen deutschen Volke zuteil werden konnten und mußten. So erhebend wie ermutigend war für ihn der Gedanke, dazu beitragen zu dürfen, daß dem deutschen Volke auf dem rechten Rheinufer doch auch die Vorzüge ') Professor der Rechte an der Universität in München. ) Oberappellationsgerichtsrat in München.
2
Die Kommission in Hannover zur Ausarbeitung etc.
47
der — lebensvolle Wahrheit fördernden raschen, dabei doch wissenschaftlich gründlichen linksrheinischen — Zivilrechtspflege zuteil werde. Waren doch seiner Anschauung nach im Rechtsleben jener rechtsrheinischen Gebiete materielles Recht und materielle Wahrheit durch einen steifen Formalismus fast ausgeschlossen. Auch ein ermutigendes Wort des Königs hob sein Selbstvertrauen. Als er sich König Max vor der Abreise nach Hannover in Berchtesgaden vorstellte, zog ihn der König in eine Fensternische, zeigte ihm zuvor die herrliche Aussicht auf die prachtvolle Umgebung, besprach dann mit ihm seine Mission und äußerte zum Schlüsse: »In stürmischen Zeiten verlasse ich mich auf meine treuen Beamten und unter diese zähle ich Sie! Ich weiß, daß ich mich auf Sie verlassen kann!« Am 13. September 1862 traf Bomhard in Hannover ein. Die Sitzungen, welche in den durch die Munifizenz der hannövrischen Regierung würdig und zweckmäßig ausgestatteten Räumen des »Lütkeschen Hauses«, Theaterstraße 13, stattfanden, wurden am 15. September durch den damaligen hannövrischen Minister, Erblanddrost v. Bar, eröffnet. Die Mitglieder der Kommission waren folgende: Österreich: v. Rizy, Sektionschef im österr. Justizministerium, Wien; Bayern: Bomhard, Oberstaatsanwalt am Appellationsgericht Amberg; Hannover: Dr. Leonhardt, Oberjustizrat im Justizministerium 1 ); Sachsen: Tauchnitz, Appellationsgerichtsrat, Leipzig 2 ); Württemberg: Frhr. v. Sternenfels, Obertribunalrat in Stuttgart; Baden: v. Stoeßer, Hofgerichtsrat in Bruchsal 3 ); HessenDarmstadt: Dr. Seitz, Generalprokurator am Appellationsgericht in Mainz; Hessen-Kassel: Dr. Büff, Oberappellationsgerichtsrat in Kassel; Mecklenburg-Schwerin: von Später kgl. preuß. Justizminister. ) Hatte auch der Kommission in Nürnberg für das deutsche Handelsgesetzbuch angehört. 3 ) Später Senatspräsident am Oberlandesgericht Karlsuhe. 2
48
9. Abschnitt.
Schade, Justizministerialrat, später v. Arnsberg, Justizministerialrat, Schwerin 1 ); Sachsen-Meiningen: Liebmann, Appellationsgerichtspräsident in Meiningen 4 ); Nassau: Winter, Hofgerichtspräsident in Dillenburg 3 ); Frankf u r t a. M. : Nestle, Appellationsgerichtsrat in Frankfurt a. M. Als Sekretäre waren der Kommission zugeteilt: Oberjustizassessor Struckmann, Hannover 4 ), Assessor Petersen, Hannover 5 ). v. Rizy (Österreich) wurde zum Präsidenten, Dr. Leonhardt (Hannover) zum Referenten, Bomhard (Bayern), Tauchnitz (Sachsen) zu Korreferenten erwählt.
Die Arbeiten wurden sofort in Angriff genommen und mit anhaltendem Fleiße gefördert, führten aber zu schweren Kämpfen und nahmen Geist und Gemüt in aufreibendem Grade in Anspruch. Die Verschiedenartigkeit der von den Kommissionsmitgliedern mitgebrachten Grundsätze und Rechtsanschauungen brachte es mit sich, daß tiefe Gegensätze hervortraten. Das Bestreben der einzelnen, die eigene Überzeugung mit aller Macht der Rede und schärfsten Waffen des Geistes zur Geltung zu bringen, mußte dazu führen, daß die Geister oft heftig aufeinander platzten. Leonhardt h a t t e für Hannover eine, der in Genf geltenden nachgebildete Zivilprozeßordnung ausgearbeitet, welche die Grundsätze der Öffentlichkeit und Mündlichkeit des Verfahrens praktisch verwertete. Diese war in l ) Später Minister in Mecklenburg-Schwerin. *) Im Laufe der Kommissionsdauer gestorben. *) Nach Auflösung der Kommission Regierungspräsident, leitender Ministeriumsvorstand. 4 ) Später Oberlandesgerichtspräsident in Köln. ') Später Senatspräsident am Reichsgericht.
t)ie Kommission in Hannover zur Ausarbeitung etc.
49
Hannover im Jahre 1852 gesetzlich eingeführt worden, hatte dort eine vorteilhafte Umgestaltung des bis dahin in Geltung gewesenen schleppenden, schriftlichen Verfahrens herbeigeführt und deshalb mit Recht in den juristischen Kreisen Deutschlands Beifall gefunden. Dies wurde auch der Anlaß der Erwählung der Stadt Hannover als Sitz der Kommission, deren Mitgliedern sich dort Gelegenheit bot, öffentlich-mündliches Verfahren aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Erklärlich war es daher, daß man dort — stolz auf die Wahl — annahm, es könne nichts besseres, auch nichts anderes geschehen, als daß die dort geltende Zivilprozeßordnung zum Entwurf für eine deutsche erhoben werde. In diesem Sinne war wohl eine Äußerung zu deuten, die der König Georg beim ersten Empfang der Kommissionsmitglieder Leonhardt gegenüber machte: »Er feiere wohl Vaterfreuden.« Bomhard erblickte aber in der hannövrischen Prozeßordnung ein verwässertes Nachbild der französischen, mit dem Gepräge einerseits, als wolle man doch noch etwas Selbsterfundenes schaffen, anderseits als wäre man in der Nachbildung gerne noch weiter gegangen, habe aber den Mut dazu nicht gehabt. E r und ein Teil der übrigen Kommissionsmitglieder waren sich daher darüber klar, daß es so nicht kommen durfte, wie man in Hannover erwartete. Bomhard verhehlte sich aber nicht die Schwierigkeiten, die sich ihm bei Durchführung des ihm aufgegebenen Programms gerade in der Gegnerschaft Leonhardts bieten würden. Diese wurden dadurch erhöht, daß ein Teil der Kommissionsmitglieder die zur Geltung zu bringenden Grundsätze des französischen Prozeßrechts aus politischen Gründen und deutschem Patriotismus bekämpfen zu müssen glaubte, obgleich es sich bei den Vorschlägen Bomhards nicht um einen Abklatsch des französischen, sondern um eine Nachbildung dieses Verfahrens handelte, wie es sich in den deutschen linksrheinischen Gebietsteilen wissenschaftlich und verbessernd Ed.
B o m h a r d , Ein Lebens- und Charakterbild.
4
50
9. Abschnitt.
entwickelt hatte. In seinen Bestrebungen wurde Bomhard da und dort Unterstützung durch die vorurteilslosen Juristen Tauchnitz (Leipzig) und v. Sternenfels (Stuttgart), auch durch den geistreich genialen Büff (Kassel). Letzterer hatte die von Bomhard vertretenen Grundsätze und Einrichtungen in ihrem Wert sehr bald erkannt und anfangs lebhaft verfochten, bis ihm von seiner Regierung Weisungen in anderer Richtung zukamen. Hauptstütze und Gesinnungs- oder Parteigenossen fand aber Bomhard in dem an Wissen und geistiger Kraft hervorragenden Kommissionsmitglied Seitz (Mainz), welchem aus amtlichem Wirken auf dem Boden der rheinischen Gesetzgebung gleiche Erfahrungen zur Seite standen. Anderseits traten freilich auch zwischen diesen beiden Praktikern vereinzelt verschiedene Ansichten über praktische Anwendung zutage, wo sich das französische Verfahren in der Rheinpfalz anders entwickelt hatte als in Rheinhessen. Dies erschien dann den andern Kommissionsmitgliedern als ein Grund zu Bedenken gegen die Klarheit der französischen Gesetzesbestimmungen. In Wirklichkeit war aber diese Erscheinung doch gerade so recht geeignet, die besonders vorteilhafte Eigentümlichkeit des französischen Zivilprozeßgesetzes darzutun. Dieses — gewissermaßen nur ein festes Knochengerüst des Prozeßrechts — ermöglichte der Rechtspflege, durch praktisch und wissenschaftlich geistvolle Anwendung die lebensvollste und beste Rechtsübung herbeizuführen, die sich i n d e n ä u ß e r e n Formen v e r s c h i e d e n gestalten konnte, i m W e s e n a b e r durch das Institut des K a s s a t i o n s h o f s doch wieder i n d e n G r e n z e n d e r R e c h t s e i n h e i t gehalten wurde. So gelang es denn gleichwohl in vielen Richtungen, die durch Bomhard vertretenen Grundsätze zur Aufnahme in den Entwurf zu bringen. Wohl konnte dies oft nicht anders als im Wege des Kompromisses geschehen; internationale Gesetzgebungsarbeiten werden aber wohl kaum
Die Kommission in Hannover zur Ausarbeitung etc. je
anders
Zustandekommen
können;
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erst wenn solche
dann in das praktische Leben eingeführt sein und dahin geführt haben werden, daß man auf allen Geltungsgebieten die
gleichen
Erfahrungen über Vorteile
einer gemeinsamen
Gesetzgebung
und
gemacht
Nachteile
haben
wird,
kann und wird man dazu gelangen, die bessernde Hand an das gemeinsame W e r k zu legen. Mit fast übermäßiger Anstrengung wurden die A r beiten namentlich während des Frühjahrs und Sommers 1864 fortgesetzt.
Im
Juli dieses
Jahres war die erste
Lesung beendigt und damit die wesentliche
Grundlage
für das ganze W e r k einer Prozeßordnung geschaffen. Bei den weiteren Arbeiten konnte sich Bomhard infolge seiner — später zu erörternden — Abberufung zu einem
andern
beteiligen.
Tätigkeitsgebiet
hervorragender des
nicht
mehr
unmittelbar
W o h l aber konnte er sich sagen, daß er in Weise beigetragen
hannövrischen
Entwurfs
und
habe zur damit
Gestaltung
auch
zu
der
später ins Leben getretenen deutschen Zivilprozeßordnung. Es stand wohl bei der Ablehnung der Beteiligung
von
seiten Preußens v o n vornherein kaum zu erwarten, daß der hannövrische Entwurf zum Gesetze für das deutsche Volk
würde
erhoben
werden.
In
seinen
wesentlichen
Grundzügen ist er aber in der Folge doch zur Grundlage geworden für die unter Leitung des Referenten der hannövrischen
Kommission,
des
nachmaligen
preußischen
Justizministers Dr. Leonhardt, geschaffene, im Oktober 1879 für ganz Deutschland in K r a f t getretene Zivilprozeßordnung.
Das lungen
scharfe
Ringen
vermochte
das
in
den
Kommissionsverhand-
freundschaftliche
Einvernehmen
nicht zu stören, welches sich im gesellschaftlichen Verkehr der Kommissionsmitglieder gebildet hatte. W i e die meisten ihre Familien, so hatte auch Bomhard seine Töchter zu 4*
52
9. Abschnitt.
sich nach Hannover gezogen (die Söhne waren durch Beruf in der Heimat zurückgehalten). Enge Freundschafts-, j a Familienbande wurden da geknüpft, welche den mehrjährigen Aufenthalt für alle Zeit überdauerten; und als sich am 17. Dezember 1863 eine Tochter Bomhards mit dem großh.-bad. Kommissar v. Stößer vermählte, nahm daran die ganze »Kommissionsfamilie«, welche das Hochzeitsfest gemeinsam beging, lebhaften und warmen Anteil. Von Seiten des Königs Georg wurden die Kommissionsmitglieder mit Auszeichnung behandelt. Sie wurden schon in den ersten Tagen in Gegenwart des ganzen Hofes in dem Lustschlosse »Herrenhausen« dem König und der Königin vorgestellt und dann zur königlichen Tafel gezogen. Der König hatte ihnen und ihren Familien für die ganze Dauer ihrer Mission bevorzugte Plätze im Kgl. Hoftheater eingeräumt, eine Aufmerksamkeit, welche nicht nur für das gesellige sondern auch für das geschäftliche Leben der Kommission von schätzbarem Einflüsse war. Auch von den Gesellschaftskreisen der Residenz wurden die »deutschen Herren« sehr gefeiert. Man wetteiferte, ihnen und ihren Familien den Aufenthalt so angenehm als möglich zu machen. Der hannövrische Kommissar Dr. Leonhardt verstand es mit seiner hochgebildeten Gemahlin, die Ehren der Repräsentation auf das feinste und liebenswürdigste zu erweisen. Bomhard fand Freude und Befriedigung im Verkehr mit vielen hannövrisch-einheimischen Familien, und es gewährte ihm großes Interesse, den durch sein vornehmes Gepräge imponierenden Hof, den edel angelegten, nur öfter mißleiteten König Georg V., dessen fast zu einfache, liebenswürdige Gemahlin kennen zu lernen. Aus jenen Verkehrskreisen seien erwähnt u. a. die Minister Graf PlatenHallermund, Graf Kielmannsegge, Staatsrat Zimmermann, der hochgelehrte Sekretär und Vorleser 1 ) des Königs, *) eine bei der Blindheit Persönlichkeit.
des Königs
besonders
wichtige
Die Kommission in Hannover zur Ausarbeitung etc.
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Kabinettsrat Lex, Justizminister v. Bar und dessen Nachfolger Windthorst. Letzterer nahm als Ehrenpräsident der Kommission selten an den Beratungen, aber häufig und gerne an den geselligen Vereinigungen der Kommissionsmitglieder und ihrer Familien teil. Der juristisch scharf unterscheidende, geistvolle, dabei gesellig liebenswürdige Herr verstand es, jenen Vereinigungen im Interesse der Erhaltung der Einigkeit unter den streitbaren Juristen eine heitere Würze durch geistreiche witzige Unterhaltung beizumischen. Von ihm sagt Bomhard in einer späteren, hervorragende Persönlichkeiten Hannovers betreffenden Tagebuchaufzeichnung: »Dieser kleine, fast koboldartige Mann mit geistsprühendem Auge, der nun heute als ein Muster von Treue und Anhänglichkeit für seine vertriebene Königsfamilie deren Rechte mit ungeschwächter Kraft und unerschütterlichem Mut verteidigt hat, im preußischen Landtage wie im deutschen Reichstage als der mutvollste, schlagfertigste und wohl beinahe gefürchtete Gegner Bismarcks, dessen innere Regierungsführung besonders in dem für das Wohl Deutschlands höchst bedenklichen Kulturkampfe mit wuchtigen Schlägen bekämpft hat, der sich dadurch bei allen Parteien — selbst denen, die wohl nicht ganz mit Unrecht sein religiöspolitisches Vorgehen als allzu schwarz ansehen — die Bewunderung für seine parlamentarische Begabung und allgemeine Hochachtung für seine Überzeugungstreue und seinen Mut erworben hat!« So bot denn der Aufenthalt in Hannover, mit seinem hochgebildeten Volksstamm, seinen zwar äußerlich reservierten, aber nach näherer Bekanntschaft warmen treuen Menschen für Bomhard neben mühevoller Arbeit eine Quelle reicher Genüsse für Geist und Gemüt, und es knüpften sich daran auch für spätere Zeiten die schönsten Erinnerungen. In Anerkennung seiner dortigen Tätigkeit wurde ihm in der Folge österreichischerseits das Großkreuz des Franz
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Josefsordens, hannövrischerseits das Großkomturkreuz des Ernst Augustordens verliehen. Der ihm von seiten König Ludwigs gewordenen Auszeichnung wird später Erwähnung geschehen.
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Bomhard als Landtagsabgeordneter. Schon im Jahre 1849 wurde Bomhard von einer Partei, welche sich im Laufe der damaligen Bewegung gebildet hatte und welche zwischen demokratisch-revolutionären (»roten«) und den ultramontan-reaktionären (»schwarzen« und »blau-weißen«) Parteien die Mitte hielt, eine Kandidatur für die Abgeordnetenkammer angeboten. Das Programm war gemäßigter Fortschritt, die konstitutionell-monarchische Staatsform, D e u t s c h l a n d s und B a y e r n s Wohl, versöhnliches Wirken nach allen Seiten hin. Er nahm die Kandidatur, das Parteiprogramm zu dem seinigen machend, an, indem er sich zur deutschen Frage dahin erklärte, daß auch aus seinem Herzen der Drang nach Einheit und Kraft unsers deutschen Vaterlandes nicht zu verdrängen sei; daß zur Erreichung dieses Zieles von Völkern wie von Fürsten Opfer gebracht werden müßten, andernfalls trotz aller Bajonette keine dauernde Ruhe kommen, vielmehr den wühlerischen Elementen Tür und Tor geöffnet bleiben werde; daß auf keiner Seite extreme Mittel gebraucht und nur versöhnlich gewirkt werden dürfe; daß sein ganzes Streben den gerechten Wünschen des Volkes, aber nur mit dem Rechte, dem Gesetze, der Ordnung und der konstitutionell-monarchischen Staatsform gehöre, weil es das Volk betrügen hieße, ihm die republikanische aufzudrängen. Sein Wahlspruch sei: »Nichts was nicht recht, wahr und edel ist.« Die Wahl führte aber zum Siege der ultramontan-reaktionären Partei, so daß Bomhard damals zur Ausführung
Bomhard als Landtagsabgeordneter.
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seines Programms noch keine Gelegenheit erhielt. Eine solche zu parlamentarischer Betätigung fand sich 14 Jahre später. Inmitten seiner angestrengten Tätigkeit in Hannover erging an Bomhard aus der Heimat die Anfrage, ob er geneigt sei, die Wahl eines Landtagsabgeordneten für den Wahlkreis Forchheim in Oberfranken anzunehmen. Diese erwiderte er dahin, daß er die Annahme für eine Pflicht gegen das Vaterland ansehe, wenn ihm irgendwo das Vertrauen dazu geschenkt werde. Gleichzeitig gab er seine Anschauungen in einem Programm kund, im wesentlichen dahin, daß er die inneren Zustände Bayerns, wie sie sich unter dem damaligen Ministerium — Frhrn. v. Schrenk — gestaltet haben, für so beglückende, Bayerns lebenskräftige fortschreitende Entwicklung für eine so gesunde und wohltätige halte, daß jeder Patriot wünschen müsse, den König und sein damaliges Ministerium an seiner Seite erhalten zu sehen. Er sei also ministeriell und würde das Ministerium im allgemeinen und wesentlichen unterstützen, wobei jedoch nicht ein jurare in verba magistri gemeint, sondern die Freiheit eigener Überzeugung für das Beste des Landes in einzelnen Fragen gewahrt bleiben solle. Auf dem Gebiete der Gesetzgebung sei er entschieden für die von dem Ministerium begonnene Reform des Zivilprozesses nach den Grundsätzen, welche seit Jahren von der den g e s e t z l i c h e n Fortschritt erstrebenden Partei der Abgeordnetenkammer verlangt wurden. Was die äußere Lage betrifft, so sei er 1. für Bundesreform, aber im großdeutschen Sinne, Deutschland nicht ohne Österreich, nicht ohne Preußen; 2. Gegner des Nationalvereins, weil und insoferne er in seinen Endzwecken zu einer Spaltung Deutschlands führe; 3. für Erhaltung des Zollvereins und für das von der bayerischen Regierung dem Handelsvertrag gegenüber beobachtete System. Schließlich fügte er noch die Mahnung bei, nur offene, ehrenhafte Mittel zur Wahl anzuwenden und ihn nicht etwa so vorteilhaft zu schildern, daß sich die
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Wähler am Ende getäuscht sähen, »da er sich nur zu sehr bewußt sei, daß er g r o ß e n Erwartungen nicht zu entsprechen vermöge.« Am 29. April 1863 fand die Wahl statt, aus welcher Bomhard im ersten Skrutinium als Abgeordneter hervorging. Der Staatsminister der Justiz beglückwünschte ihn zur Wahl in einem sehr schmeichelhaften Schreiben; »diese Wahl könne Sr. Majestät dem König und der Staatsregierung nur erfreulich sein; es dürfte zwar dem Ministerium kaum gelingen, zu dem überaus bedeutungsvollen Werke in Hannover einen entsprechenden Ersatz für ihn zu finden; für den Fall der Annahme der Wahl würde es aber wohl keine Schwierigkeit haben, den erforderlichen Urlaub von der Kammer zu erhalten und dadurch sein Verbleiben in Hannover wenigstens vorderhand zu ermöglichen. Diese Andeutungen entsprächen dem lebhaften Verlangen, ihn weder in Hannover noch später in der Kammer entbehren zu müssen.« Demgegenüber mußte es immerhin als sehr auffallend erscheinen, daß, als in der Abgeordnetenkammer die Erteilung eines längeren Urlaubs für das vorläufige Verbleiben in Hannover auf ernste Schwierigkeiten stieß, der Justizminister mit keinem Wort für die Erteilung eintrat. Diese erfolgte erst nach mehrmaligen vergeblichen Versuchen auf die Vorstellungen eines Abgeordneten hin, wie ungereimt es sei, Bomhard seiner Aufgabe in Hannover zu entziehen und wie unrecht den Wählern gegenüber, ihn in die Lage zu versetzen, auf das Mandat zu verzichten. Ein sehr hoher Staatsbeamter äußerte hierüber Bomhard gegenüber, »so behandelt die souveräne Majorität jeden, den sie noch nicht sicher zu ihren Gehorsamen zählen zu können glaubt.« Für Bomhard bot sich bald Veranlassung, in seiner Eigenschaft als Landtagsabgeordneter eines deutschen Bundesstaats seine Überzeugungen und Anschauungen auf dem Gebiete der deutschnationalen Politik kundzu-
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geben. Der Tod König Friedrichs V I I . und die Thronbesteigung König Christians IX. von Dänemark im November 1863 t r u g schon den Keim großer politischer Ereignisse und der Erschütterung des europäischen Friedens in sich. Nicht Christian I X . — wie es dänischerseits beansprucht wurde —, sondern Herzog Friedrich August von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg war nach den in beiden Herzogtümern in verfassungsmüßiger Rechtswirksamkeit bestehenden Erbfolgegesetzcn der rechtmäßige Herrscher in Schleswig-Holstein. In Dänemark hatte ein rasch betriebenes und sanktioniertes Verfassungsgesetz die uralte Verbindung der Herzogt ü m e r gelöst und Schleswig in Dänemark einverleibt. Eine gewaltige Bewegung h a t t e sich des deutschen Volkes bemächtigt; allenthalben berufene Volksversammlungen sprachen sich gegen die Vergewaltigung und für die Hechte des Herzogs aus; eine Versammlung von Männern aus allen deutschen Landen aus Anhängern der verschiedensten Parteien hatte in Nürnberg über die zu unternehmenden Schritte beraten. Das Ergebnis war die Zusammenberufung der Mitglieder der deutschen Landesvertretungen zu einer Versammlung in F r a n k f u r t a. M. Am 21. Dezember 1863 wurde dort die Versammlung, zu der sich 500 Abgeordnete aller deutschen Landtage eingefunden hatten, durch Dr. Sigmund Müller (Frankfurt a. M.) eröffnet. Durch Akklamation wurden dieser zum Vorsitzenden, die Abgeordneten Frhr. v. Lerchenfeld (Bayern), v. Bennigsen (Hannover) zu Vizepräsidenten erwählt. Von der bereits in Nürnberg bestellten Vorberatungskommission wurde der Versammlung ein A n t r a g folgenden Wortlauts vorgelegt: »Die wirksame Sicherung der Rechte Deutschlands in Schleswig-Holstein beruht auf der Lostrennung der Herzogtümer von Dänemark. Der Tod Friedrichs V I I . hat ihre Verbindung mit Dänemark gelöst. Der Londoner Vertrag vom 8. Mai 1852, ohne Zustimmung der Volks-
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Vertretungen und der berechtigten Agnaten zustande gekommen und vom deutschen Volke nicht anerkannt, begründet kein Thronfolgerecht Christians IX. in Schleswig-Holstein. K r a f t unzweifelhaften Rechts ist Herzog Friedrich von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg zur Erbfolge in den Herzogtümern berufen. Die Geltendmachung der Thronfolge des Herzogs Friedrich ist zugleich die Geltendmachung der Rechte Deutschlands an Schleswig-Holstein. Hieraus entspringt die Verpflichtung des deutschen Volkes, für seine verletzte Ehre, für sein gefährdetes Recht, für seine unterdrückten Stammesgenossen und ihren rechtmäßigen Fürsten jedes nötige Opfer zu bringen. Einmütig in dieser Anschauung übernehmen die hier versammelten Mitglieder deutscher Landesvertretungen die Verpflichtung, mit allen gesetzlichen Mitteln in ihrem Wirkungskreise dahin zu streben, daß 1. wo und soweit dies nicht bereits erfolgt ist, das Recht Herzog Friedrichs anerkannt und die Anerkennung durch den Bund erwirkt werde, 2. ohne Rücksicht auf fremden Einspruch diesem Rechte Geltung verschafft, die Trennung der Herzogtümer von Dänemark vollzogen, ihre Selbständigkeit und unzertrennliche Verbindung sofort hergestellt werde. Sie verpflichten sich ferner, diejenigen deutschen Regierungen zu unterstützen, welche für das volle Recht der Herzogtümer ehrlich und tatkräftig eintreten, und diejenigen Regierungen mit allen verfassungsmäßigen Mitteln zu bekämpfen, welche das Recht und die Ehre Deutschlands in dieser Sache preisgeben.« Als einziger Redner für den Antrag t r a t der bayerische Landtagsabgeordnete Professor Dr. Edel, Würzburg, auf, welcher denselben in glänzender, stürmischen Beifall hervorrufender Rede begründete. Der Antrag wurde unter dem Jubel der ganzen Versammlung einstimmig angenommen. Diese Einstimmigkeit und Einmütigkeit wurde
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jedoch sofort gestört durch den Antrag einer Anzahl Abgeordneter — Dr. Karl Barth und Dr. Marquart Barth, v. Bennigsen, Bluntschli, Cetto, Dr. Duncker, Häußer, v. Hoverbeck, Löwe, Metz, Dr. Müller, Schulze-Delitzsch, Streit, v. Unruh, Vieweg, Dr. Volk, Wiggers — auf Einsetzung eines permanenten Ausschusses, welcher den weiteren Gang der Ereignisse, die Schritte der Regierungen »als Mittelpunkt der gesetzlichen Tätigkeit der deutschen Nation für Durchführung der Rechte der Herzogtümer und ihres rechtmäßigen Herzogs Friedrich VIII.« überwachen sollte. Der Antrag stieß auf heftigen Widerspruch und wurde von den Abgeordneten Moriz Mohl, Brinz, Frhrn. v. Lerchenfeldt, Graf Hengnenberg-Dux, Neuffer, Edel als ungesetzlich und unzulässig, weil über das Mandat der Abgeordneten hinausgehend, lebhaft bekämpft. Der Präsident der bayerischen Abgeordnetenkammer, Graf Hegnenberg-Dux, verlas im Namen einer großen ^ n z a h l gleichgesinnter Abgeordneter die Erklärung, daß ein Ausschuß wie der vorgeschlagene entweder ohne Bedeutung oder, dem Konflikt mit der bestehenden Gesetzgebung ausgesetzt, die Interessen der Herzogtümer eher schädigen als fördern würde, daß man sich daher der Teilnahme an der Beschlußfassung über den Antrag enthalten werde und alle Verantwortung für die Folgen des Beschlusses ablehnen müsse. Den Gegnern des Antrags hatte sich auch Bomhard angeschlossen; auch er sollte damit zu den »Dänen innerhalb Deutschlands« gehören — wie ein Abgeordneter aus Württemberg sich ausgedrückt hatte. Aber er gehörte eben auch in dieser Frage zu denen, welche das von ihnen als Recht Erkannte als solches und durch das Recht selbst unter allen Umständen verteidigen, zu denen, die auf dem Boden des Rechts verbleiben und gegen den ersten Schritt protestieren wollten, welcher, diesen Boden verlassend, zu Ungesetzlichkeiten führen konnte. Der Sache der Herzogtümer aber blieb Bomhard nach wie vor mit Begeisterung zugetan, wie er
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denn auch später sich dem Proteste der Mitglieder deutscher Landesvertretungen gegen die Londoner Konferenz der europäischen Mächte anschloß, welcher Protest diesen Mächten die Zuständigkeit abgesprochen hat, über das Schicksal der Herzogtümer zu entscheiden. Im übrigen fand Bomhard nur selten Veranlassung, an den Landtagsverhandlungen von Hannover aus teilzunehmen; bald wurde er auch dazu berufen, von anderer Stelle aus und in amtlicher Eigenschaft auf parlamentarischem und zugleich gesetzgeberischem Felde tätig zu werden.
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Bomhards Ernennung znm Staatsminister der Justiz. Das Programm. Bei seiner Anwesenheit in München zur Teilnahme an den Landtagsverhandlungen im August 1863 während der Sommerferien der hannövrischen Kommission fand Bomhard Gelegenheit, König Max zum letztenmal zu sehen. Es war am 7. August in der Sommerresidenz in Nymphenburg. Auch damals war der König voll Huld und Gnade gegen seinen getreuen Diener, sprach diesem aber, zu dessen schwerer Sorge, ernste Klagen über seinen Gesundheitszustand aus: »Er sehne sich nach einer Luftund Aufenthaltsveränderung, könne aber, solange die Kammern versammelt seien, eine Entfernung nicht über sich gewinnen, denn er kenne kein anderes Streben als das Glück seines Volkes.« Die Besorgnis um den edlen Fürsten war nur allzu begründet. Bomhard erhielt am 10. März 1864 durch den bayerischen Gesandten in Hannover, Grafen Quadt-Wykradt-Isny, die Kunde von dem nach kurzer schwerer Erkrankung erfolgten Tod des Königs. Er war davon auf das schmerzlichste berührt, denn er verehrte in seinem königlichen Herrn einen Mon-
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archen, welcher das Zepter unter den schwierigsten Verhältnissen ergriffen, unter wechselvollen Ereignissen stets so geführt hat, daß immer sein bester Wille erkennbar war — einen Monarchen, welcher bei seinem Tode dank seinem väterlich treuen Walten über dessen Wohl sein Volk in blühendem Wohlstande, als eines der glücklichsten und bestregierten hinterlassen hat. Noch in den letzten Monaten seines Lebens, beim Kongreß deutscher Fürsten zu Frankfurt a. M., glänzte König Max von Bayern als einer der volkstümlichsten Fürsten. Schon ernstlich leidend, brachte der pflichtgetreue König das für ihn und sein Volk verhängnisvolle Opfer und kehrte, nicht achtend der Gefahr für seine Gesundheit, auf den laut gewordenen Wunsch des Volkes hin aus Italien zurück, als der Tod Friedrichs VII. von Dänemark die dänisch-deutsche Frage auf die Tagesordnung gebracht hatte. Als der Ersten einer sprach er sich für das Recht Herzog Friedrichs von Augustenburg aus. Nach Berichten aus damaliger Zeit war noch am Tage vor seinem Tode die Erbfolge dieses Fürsten und die Anweisung an den Minister zur Beschleunigung der Sache Gegenstand seiner letzten königlichen Entschließung. Nach vollendeter Arbeit rief der König erschöpft aus: »Gottlob, daß ich diese Sache noch erledigt habet« Nach den bisher angeführten mehrfachen Kundgaben von Gewogenheit und Vertrauen des Königs Bomhard gegenüber und nach einer ihm später von dem seinerzeitigen Kabinettssekretär v. Lutz gemachten Äußerung wird man kaum fehlgehen in der Annahme, daß schon bei König Max II. die Berufung Bomhards als Berater der Krone in ernstliche Erwägung gezogen war. Erst wenige Monate hatte der damals 18 jährige König Ludwig II. den Thron bestiegen, als er an Bomhard die Anfrage richten ließ, ob er gegebenenfalls bereit sei, das Amt eines Staatsministers der Justiz zu übernehmen. Inmitten der dringendsten, schwierigsten Arbeit der Kom-
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mission in Hannover erhielt Bomhard zu seiner höchsten Überraschung einen Brief des Chefs des königlichen Kabinetts, Hofrat v. Pfistermeister, d. d. Schloß Berg 17. Mai 1864, des folgenden wesentlichen Inhalts: »Seine Majestät hegen die Absicht, einen Wechsel in der Person des Kgl. Staatsministers der Justiz eintreten zu lassen, und zwar schon im Laufe des gegenwärtigen Sommers, sofern die Verhältnisse einen solchen Personenwechsel begünstigen würden. Unter den Persönlichkeiten, welche von Sr. Majestät dem König für den Ersatz des Frhrn. v. M. ins Auge gefaßt werden, stehen Euer Hochwohlgeboren mit in erster Linie. Ich bin daher von Sr. Majestät beauftragt worden, Hochdieselben um hochgeneigte bestimmte Äußerung zu bitten 1. ob Hoch-Sie geneigt wären, gegebenen Falles die Stelle eines Kgl. Staatsministers der Justiz zu übernehmen, und 2. ob Sie das beiliegende Programm zu dem Ihrigen machen könnten und bereit wären, dasselbe der Wirksamkeit als Justizminister zugrunde zu legen ? Beifügen muß ich diesem zweiten Punkte noch den Wunsch Sr. Majestät des Königs, auch bezüglich einiger der gegenwärtigen Justizministerialreferenten einen Personenwechsel vornehmen zu können — nicht sofort, sondern nach und nach und bei passender Gelegenheit. Wie nun auch Ew. Hochw. Erwiderung ausfallen möge — und Se. Majestät wünschen sehr, daß sie zustimmend lauten möge —, jedenfalls soll ich Ew. Hochw. bitten, von dem Inhalte dieses Schreibens nach keiner Seite hin Mitteilung zu machen und mir die Beilage hochgeneigtest wieder zurückstellen zu wollen. Für den Fall der Annahme bitte ich, dies auf der Beilage selbst für Se. Majestät den König zu bemerken. Genehmigen Sie usw. usw.« Der Inhalt des beigefügten Programms war im wesentlichen folgender: A. Fernhaltung des Parlamentarismus, Erhaltung des Schwerpunktes der Regierungsgewalt in der Hand des Monarchen im Sinn und Geiste der Verfassungsurkunde (Tit. II § 1).
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B. Aufrechterhaltung der bewährten Regierungsgrundsätze Sr. Majestät des Königs Maximilian II. C. Im einzelnen I. Befolgung einer wahrhaft deutschen Politik; jedoch mit ungeschmälerter Aufrechthaltung der Integrität und Selbständigkeit Bayerns, welches an der Spitze der Mittelstaaten bleiben und das bisherige Ansehen nach außen wahren sollte; II. ruhige und gemessene Weiterentwicklung im Innern, also: 1. Fernhaltung einer prinzipiellen Umbildung der Kammer der Reichsräte; insbesondere Abwehr der Übertragung des Wahlprinzips auf deren Konstituirung; 2. Beschränkung des Wirkungskreises der Kammer der Abgeordneten auf ihren jetzigen Rechtsbesitzstand; 3. Ausbau unserer Gesetzgebung im Zivilrecht und Zivilpruzesse, jedoch unter E i n f ü h r u n g der S t a a t s a n w a l t s c h a f t auf letzterem Gebiete; Revision der Gemeindeverfassung, der Heimats-, Ansässigmachungs- und Gewerbegesetzgebung; 4. keine Amnestie für die während der Bewegungsjahre begangenen politischen Delikte; hingegen Rehabilition derer, welche diese nachsuchen; 5. milde Behandlung der Israeliten, jedoch Ausschließung derselben vom Richter- und Verwaltungsdienste; 6. keine Übertragung französischer Einrichtungen auf unser Justizwesen ohne gleichzeitige Heranbildung und Befestigung des Sinnes für ein kräftiges Regiment, wie derselbe bei den Gerichten der Pfalz und in Frankreich besieht; daher Änderung des jetzigen Zustandes, in welchem die Staatsregierung selbst ihres legitimen Einflusses auf die Kontrolle der politischen Haltung des Richterstandes sich begeben h a t ; 7. strengere Handhabung der Disziplin über die Advokaten und Notare; 8. ungeschmälerte Aufrechthaltung der Militärhoheit; insbesondere Abwehr der Versuche, die Ziffer der auszuhebenden Mannschaft und des Armeestandes an die Bewilligung der K a m m e r n zu knüpfen; 9. Fortbestehen der Kanzlei Sr. Majestät, als einer mit dem kontinentalen Konstitutionalismus erfahrungsgemäß durch-
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aus nicht in grundsätzlichem Widerspruche stehenden Einrichtung.« Die ergangene Anfrage, welche ja für ihn die plötzliche E r ö f f n u n g einer glänzenden Z u k u n f t bedeutete, rief in Bomhard nicht etwa das Gefühl der Freude, sondern zunächst einen schweren inneren Kampf hervor. In seiner fast unbegrenzten Bescheidenheit war seine erste Empfindung: »Man täuscht sich in dir, es ist unmöglich, daß du annimmst.« Er selbst schrieb diese E m p f i n d u n g den Wirkungen des Eindruckes eines ständigen Verkehrs mit den Kommissionsmitgliedern, in der T a t einer Auswahl hervorragender Juristen zu, deren Fähigkeiten und Kenntnisse er für »alles was er selbst sei und leiste überbietend « hielt. Wenn er sich nach langem Schwanken und Zögern für die Zusage entschied, so war es, weil in ihm die Erwägung siegte, daß der jugendliche Monarch sich durch eine ablehnende Antwort zurückgestoßen fühlen würde, nachdem er, angewiesen auf uneigennützige Ratgeber von Vaterlandsliebe und Charakter, ihm nun einmal sein Vertrauen zugewendet h a t t e ; daß er dann, wenn es ihm von anderer Seite ebenso ergehe, sein Vertrauen möglicherweise Unwürdigen zuwenden werde. Alles dieses gibt sich auch in Bomhards Antwortschreiben vom 21. Mai 1864 an Hofrat v. Pfistermeister kund. Er spricht darin sein Bedauern über den beabsichtigten Wechsel in der Person des bisherigen Ministers aus, den er als ausgezeichneten Staatsbeamten und Menschen verehrt habe, seine höchste Überraschung über die ihm zugedachte allerhöchste Gnade, sein beschämendes Bewußtsein, dieser nicht in dem Maße würdig zu sein, als eine volle Erfüllung der Erwartungen Sr. Majestät des Königs sie verdiente, das Gefühl seiner Unzulänglichkeit zur Erfüllung der hohen Pflichten dieses wichtigen Staatsamtes. Anderseits glaube er dem Vertrauen des jungen Königs nicht mit Ablehnung begegnen zu dürfen. Fühle er sich doch zu ihm, dem Sohne des ihm unvergeßlichen
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Vaters, dessen Verlust er so tief und schmerzlich bedaure, in Liebe und Pietät hingezogen. So erklärte er sich denn bereit, dem allerhöchsten Wunsche zu entsprechen, jedoch mit dem Vorbehalt und der Bitte, dem König die von ihm gehegten Zweifel an seiner genügenden Befähigung nicht vorzuenthalten und anheimzustellen, sein Auge auf einen befähigteren Mann zu lenken. Seine Aussprache zu dem vorgelegten Programm beschränkte sich auf einzelne Punkte. Er erachtete die durch die bisherigen Reformen in der Gesetzgebung Bayerns bereits angebahnte Übertragung von Einrichtungen der linksrheinischen Rechtspflege, wie sie auch dem bayerischen Zivilprozeßgesetzentwurf zugrunde gelegt sei, für einen großen Fortschritt der Rechtspflege; er habe amtlich und literarisch für Annahme dieser Einrichtungen gewirkt. Gegen diese seine bisherige Tätigkeit könne er nicht handeln, ohne seiner Überzeugung und seiner Ehre zu nahe zu treten. In erster Linie würde er sich für verpflichtet halten, für die Durchführung des bayerischen Entwurfs zum Ausbau unserer Zivilprozeßgesetzgebung zu wirken, für den Fall seiner Nichtannahme aber auch kein Bedenken tragen, den in erster Lesung nahezu vollendeten hannövrischen Entwurf zur Durchführung zu empfehlen. Dieser habe wenigstens die hauptsächlichen und besten linksrheinischen Einrichtungen aufgenommen, und würde bei Reinigung von einigen Mängeln und Inkonsequenzen in zweiter Lesung einen ganz außerordentlichen Fortschritt für die älteren bayerischen Provinzen und einen bedeutenden Schritt zu einer gemeinsamen deutschen Zivilprozeßgesetzgebung bedeuten. Den Punkt des Programms »Heranbildung und Befestigung des Sinnes für ein kräftiges Regiment usw.« fasse er in keinem anderen Sinne auf, als dem der Einwirkung der Staatsanwaltschaft auf Erhaltung einer dem Gesetze entsprechenden prompten, pünktlichen Rechtspflege. Hierfür könne er seine kräftige Mitwirkung zusichern, da er E d . y. B o m h a r d , Ein Lebens- und Charakterbild.
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die Staatsanwaltschaft für das unentbehrliche Komplement der französischen Einrichtungen, für die von diesen gewährten Vorteile halte; das immer mehr steigende Ankämpfen gegen sie charakterisiere sich als der Kampf unrichtiger Freiheitsideen gegen das Prinzip der Erhaltung der Ordnung, welches die Staatsanwaltschaft vertrete. Auch die Disziplin über Advokaten und Notare könne auch in den rechtsrheinischen Teilen des Königreichs mit voller Energie gehandhabt werden, wenn der Staatsanwaltschaft jene lebensvollere Einwirkung im ganzen Gebiet der Zivilrechtspflege eingeräumt werde, wie sie ihr in der Gesetzgebung der Pfalz gewährt ist; es dahin zu bringen, halte er für eine der hauptsächlichsten Aufgaben der Justizverwaltung. Hinsichtlich der Frage der »Änderung des jetzigen Zustandes, in welchem die Staatsregierung selbst sich ihres legitimen Einflusses auf die Kontrolle der politischen Haltung des Richterstandes begeben habe«, erbat er sich nähere Aufklärung, insbesondere darüber, was in dieser Hinsicht von einem neuen Justizminister erwartet werde. Ein daraufhin erfolgtes Schreiben des im königlichen Kabinette verwendeten Ministerialassessors Lutz 1 ) vom 30. Mai 1864 versichert Bomhard der hohen Befriedigung des Königs über seine Bereitwilligkeit, sowie des Königs großen Vertrauens in ihn und bestätigt ihm die Richtigkeit seiner Auffassung der Grundsätze und Forderungen des ihm vorgelegten Programms. Mit den französischen Einrichtungen solle auch der im Justizwesen der Pfalz herrschende Geist übertragen werden, der es verhindere, daß die Staatsregierung, wenn sie den Richter unabhängig stellt, zugleich auf jedweden Einfluß auf die Ausübung der Rechtspflege und die hierzu dienenden Organe Verzicht leisten muß. Der König wolle, daß, während der Richterspruch gänzlich frei ') Der Nachfolger Bomhards als Justizminister.
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bleibe, doch die Regierung noch stark genug zur Handhabung einer gesunden Disziplin über Gerichte, Advokaten und Notare sei. In der Staatsanwaltschaft und in wackeren Gerichtspräsidenten sei das Mittel zur Erreichung dieses Ziels zu sehen. Ein bedeutendes Moment in der Wagschale gegen den Chef des Justizministeriums liege darin, daß verlaute, man beabsichtige, das Institut der Staatsanwaltschaft im Zivilprozeß dem Andringen des Gesetzgebungsausschusses gegenüber fallen zu lassen. Viele gebe es, die der jetzigen Verwaltung die nötige Festigkeit gegen allzu liberale Desiderien absprächen und der Meinung seien, es bedürfe nur eines entschiedenen Wortes auf Seiten der Kammern und ihrer Ausschüsse, um jene von einem ernsten Kampfe für die Prinzipien der strengen Ordnung gegen die Ausflüsse mißverstandener Freiheitsideen abzuhalten. Die wiederholt zum Ausdruck gelangte Konnivenz und Bereitwilligkeit der Staatsregierung zur Aufgabe jeden Widerspruchs gegen die Ausschüsse und ihre Modifikationen habe dazu geführt, daß man vielfach im Volke die Vermutung ausgesprochen habe, es möchte an der nötigen Unabhängigkeit, Selbständigkeit und Kraft gegenüber der Fortschrittspartei fehlen. Hierin wünschte Se. Majestät Wandel zu sehen. Nummernreiterei, strenges Festhalten an der Unterwürfigkeit der unteren Beamten gegen die oberen seien noch die hauptsächlichsten Anzeigen für das Bestehen einer Disziplinargewalt; zu eingreifenden und konsequent durchgeführten Maßregeln haben sich die Appellationsgerichte wohl nur selten verstanden. Die Disziplin über die Advokaten habe mehr dem Namen als der Sache nach bestanden. Namentlich dem Notariat gegenüber entwickelten die Gerichte, wie es scheine, viel zu wenig Ernst, und es sei sehr die Frage, ob unser ohnehin ziemlich häufig angegriffenes Notariat nicht einer unheilvollen Zukunft entgegengehe. Auch da wünsche der König Nachhilfe. Über die politische Haltung der Justiz5*
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11. Abschnitt.
beamten sei von vielen Seiten geklagt worden. Es habe den höchstseligen König sehr geschmerzt, daß bei allen, von der Fortschrittspartei ausgehenden Vereinen und Versammlungen die Justizbeamten vor allem sich beteiligten, und daß so wenige sich laut zu konservativen Grundsätzen bekennen und dem Königtum offen ergeben seien. Wolle auch König Ludwig II. so wenig wie sein Vater eine politische Verfolgung, so glaube er doch, daß mit ernsten freundlichen Worten des Ministers bei gegebener Gelegenheit in diesem Punkte vieles gewirkt werden könne. Für politisch aufgeregte Orte seien mißgrifflich gerade als politische Agitatoren wirkende Beamte und Advokaten vorgeschlagen worden. Wenn der Regierung zugemutet werde, was sich keine republikanische Regierung zumuten lasse, daß sie ihre Gegner nicht allein nicht verfolgt, sondern bevorzugt und ans Licht zieht und immer und immer in Wort und Tat versichert, sie werde ihnen trotz aller Machinationen nicht zürnen, dann erwarte der König, seinen Minister auf seiner Seite zu sehen und ein offenes Bekenntnis zu royalistischen Grundsätzen ohne Rücksicht darauf, ob extreme Parteien seine Liberalität anzweifeln. In seiner Erwiderung vom 9. Juni erklärte sich Bomhard nunmehr für vollständig aufgeklärt und befriedigt; er erachtete' die an einen Minister in dem Programm gestellten Anforderungen als vollkommen begründet, der unzertrennlichen Rücksicht auf das Wohl des Königs und des Volkes angemessen und mit der Verfassung im Einklang. Er erklärte sich, indem er das Programm zu dem seinen machte, nunmehr unbedingt und endgültig zur Annahme bereit. Die in seinem Schreiben vom 9. Juni 1864 gegebene Zusage begleitet er mit der Versicherung, daß Seine Majestät in ihm einen treuen, immer wahren Ratgeber finden solle, der mit Liebe und Treue am Vater hing und der es als sein höchstes Ziel betrachte, diese Anhänglichkeit durch Treue, Liebe und Wahrheit dem
Bomhards Ernennung zum Staatsminister der Justiz.
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Sohne erweisen zu können. Am 28. Juli erfolgte Bomhards Ernennung zum Staatsrat im ordentlichen Dienst und Staatsminister der Justiz. Nach Empfang der telegraphischen Nachricht seiner Ernennung schrieb er in sein Tagebuch: »Mein erstes Gefühl: Halte fest an
Staatsminister Eduard v. Bomhard.
Demut, denn mit dem Demütigen ist Gott und segnet ihn, daß er Gutes und Bleibendes schaffe.« Die öffentlichen Blätter sprachen sich im allgemeinen günstig über des Königs Wahl aus; so die Augsburger Allgemeine Zeitung vom 4. August 1864, Nr. 217, aus München: »AVenn die Entlassung des Justizministers v. M. hier und da vielleicht unangenehm berührt, so wird die Ernennung seines Nachfolgers, des Oberstaatsanwalts Bom-
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11. Abschnitt. Bomhards Ernennung zum Staats minister.
hard, mit allgemeinem Beifall begrüßt werden. Bomhard, Mitglied der Abgeordnetenkammer, ist einer der feinsten Kenner des rheinisch-französischen Zivilverfahrens, wie er durch seine ausgezeichnete Schrift über Zinks »Ermittlung des Sachverhalts« auch literarisch bewiesen h a t . Die Veränderung ist sonach zunächst n u r ein Beweis, wie ernst es dem König um eine gesicherte und rasche D u r c h f ü h r u n g des neuen Verfahrens in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ist.« D e r l i n k s l i b e r a l e Pfälzer Kurier (7. August 1864, Nr. 184) schrieb: »Herrn Bomhard kennen wir als einen humanen, gerechten und wohlwollenden Mann, der ebenso entschieden an Gesetz und Verfassung festhält als sein Vorgänger im Amte. Er hat eine lange Reihe von Jahren in der Pfalz als Beamter gewirkt, kennt die Dinge und Personen aus eigener Anschauung und Erfahrung, also auch die Wünsche und Bedürfnisse unserer Provinz.« Bomhards alter Freund und Studiengenosse, Frhr. von der Pfordten, damals Gesandter Bayerns beim Bundestage in F r a n k f u r t a. M., sagte in einem Glückwunschbrief an Bomhard vom 19. August 1864: »Du glaubst mir, wie herzlich ich mich darüber freue, für den König, für das Land und Dich! Die Zeiten sind schwer; da sind feste und treue Naturen notwendig, wie D u ! Gott gebe Dir Gesundheit und K r a f t ; dann wirst Du viel wirken, und niemand wird sich herzlicher darüber freuen als ich.« Im darauffolgenden Monat November begannen dann die Verhandlungen mit Frhrn. von der Pfordten wegen seines Eintritts in das Ministerium, dessen E r n e n n u n g zum Minister des Königlichen Hauses und des Äußern am 4. Dezember 1864 erfolgte.
12. Abschnitt.
Bomhards Wirken als Minister.
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12. Abschnitt.
Bomhards Wirken als Minister. Schon alsbald nach seinem Eintritt in das Ministerium tauchten zwei Fragen auf, welche für Bomhard mit mancherlei Anfechtungen verbunden waren: Die des Erlasses einer Amnestie für die, infolge des Pfälzer Aufstandes vom Jahre 1849 Verurteilten und die der Reform der Militärgerichtsbarkeit. Das früher schon mehrfach geltend gemachte Verlangen einer solchen Amnestie war stets abgelehnt worden; wohl aus dem Grunde, weil schon im Jahre 1849 eine Amnestie erteilt worden war, den noch nicht Amnestierten aber die Begnadigung in Aussicht gestellt wurde, falls sie sich stellen würden 1 ). Im Frühjahr des Jahres 1865, da man nach dem Thronwechsel den Zeitpunkt für geeignet dazu erachten mochte, wurde die Frage neuerdings in der Tagespresse und dann auch durch einen Antrag in der Kammer der Abgeordneten in Bewegung gebracht. Der König forderte das Gesamtministerium zur Meinungsäußerung darüber auf. Der königliche Erlaß ging davon aus, daß es eine Partei zu geben scheine, welche ihr Verlangen nach Amnestie mit einem gewissen Ungestüm geltend zu machen suche, deren Wünsche vermutlich neuen Widerhall in den Landtagsverhandlungen finden werde. Die Frage, ob dem Verlangen entgegenzukommen sei oder nicht, erscheine für die Autorität der Regierung von sehr großem Belang; es sei deshalb zu wünschen, daß das gesamte Staatsministerium einen und denselben Standpunkt einnehme und diesen mit kräftiger Solidarität vertrete. Ein genügender Grund, von der Ansicht abzugehen, zu der sich S. Verhdlg. der K. d. Abg. Bd. I, S. 422.
Stenogr.
Ber. 1859/1861,
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12. Abschnitt.
die Regierung früher bekannte, scheine nicht zu bestehen; die straffreie Rückkehr in das Vaterland sei bisher keinem Verurteilten verweigert worden, der darum gebeten habe; es könne sich daher bei den weiteren Wünschen nur darum handeln, daß nicht alle Verurteilten um Gnade bitten wollen, und daß solche und andere außer straffreier Rückkehr auch noch die Wiedereinsetzung in die verlorenen politischen Rechte zu erlangen hofften. Mit einem freiwilligen Entgegentragen der Begnadigung würde die Regierung den Schein auf sich laden, als habe sie ein Unrecht gutzumachen, oder als wolle sie, mehr als gut sei, die Vergangenheit der Verurteilten für entschuldbar erklären. Möglicherweise würde sie auch von einzelnen die Zurückweisung der Gnade zu gewärtigen haben. Mit einer bedingungslosen Rehabilitierung würden leicht andere Nachteile verknüpft sein. Die bisweilen aus dem Testamente des Vaters des Königs hergenommenen Gründe erschienen als haltlos, da es sich nicht um eine persönliche Unbill gegen einen bestimmten Monarchen, sondern um Verbrechen gegen die monarchische Staatsordnung handle. Von der Absicht der Zurückweisung des Verlangens könne nur aus den allerwichtigsten und bedeutendsten Gründen abgegangen werden. In dem darauf erstatteten Bericht erklärte der Ministerrat zunächst, bei dem Beschlüsse des Königs zu verharren und dafür solidarisch einzustehen. Er verkannte nicht die zugunsten einer Amnestie sprechenden Erwägungen. Sie würde in weiten Kreisen, nicht bloß bei der Opposition, günstig aufgenommen werden, auch der Autorität des jetzigen Königs nichts vergeben, da die früheren Zurückweisungen nach dem inzwischen liegenden Thronwechsel für ihn nicht präjudiziell seien; die Amnestie würde nur das gewähren, was dem Brauche aller zivilisierten Staaten jeweils nach einem Regierungswechsel entspreche. Auch König Max II. habe seinen Regierungsantritt durch eine Amnestie bezeichnet, und
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zwar unter ungleich mißlicheren Verhältnissen, während eine Amnestie bei gegenwärtiger Sachlage sich in ihren Wirkungen höchst harmlos gestalten würde; es handle sich um längst vergessene politische Vergehungen, deren Urheber, noch 71 an der Zahl, ausschließlich der Pfalz angehörten und teils längst in der Fremde lebten, teils zugrunde gegangen seien. Die etwa Zurückkehrenden würden dem Staate keine Gefahr bringen; eine größere Gefahr könnte aus dem Widerstand der Staatsregierung gegen eine die Amnestie beantragende bedeutende Kammermajorität entstehen. Seine Majestät der König stehe im übrigen zu erhaben, um als Voraussetzung zur Gewährung der Gnade die Begnadigungsbitte einzelner Individuen erwarten zu sollen. Der Ministerrat gelangte aber doch zu der Ansicht, daß die Gründe d a g e g e n überwiegend seien. Die von ihm entwickelten deckten sich im wesentlichen mit den in dem königlichen Erlaß enthaltenen. Von den Verurteilten noch Flüchtigen, um die es sich allein nur handle, könne und müsse gefordert werden, daß sie sich nachträglich dem Gesetze fügten und dadurch eine Bürgschaft gäben für künftiges Wohlvcrhalten, für Anerkennung und Achtung der gewährten Wohltat. Nur wenige seien es übrigens, welche in die Heimat zurückkehren und von einer Amnestie Gebrauch machen könnten; solche aber, die um Begnadigung nicht nachsuchen wollten, verdienten keine Berücksichtigung. Von ihnen sei entweder Zurückweisung der Amnestie oder nach Rückkehr neue Agitation zu erwarten. Dem dürfe die Staatsregierung sich selbst und die öffentliche Ruhe und Ordnung nicht aussetzen. Da trat nun eine Wendung der Umstände ein. An demselben Tage, an welchem nachmittags ein Ausschuß der Abgeordnetenkammer über den Amnestieantrag beriet, fand vormittags die Beratung eines anderen über den Entwurf einer Adresse auf die kurz vorher gehaltene
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Thronrede statt. Der Adreßentwurf war, sich fernhaltend von jeder politischen Anspielung, getragen von begeisterter Liebe zum Vaterlande, aufrichtigster innigster Anhänglichkeit an die Person des Königs und des Königlichen Hauses. Er atmete unbedingtes Vertrauen zum Monarchen, begrüßte mit frohen Hoffnungen dessen Thronbesteigung und gelobte im Namen des bayerischen Volkes unverbrüchliche Treue in guten wie in schlimmen Tagen. Er brachte, einen Standpunkt des Rückblicks einnehmend, dem Könige ehrfurchtsvollste Huldigung zur Thronbesteigung dar, als würde sie in den ersten Tagen der Thronbesteigung dargebracht. Der Adresseentwurf wurde in der Abgeordnetenkammer einstimmig ohne Debatte angenommen. Bomhard, welcher mit einigen anderen Ministern jener Adreßausschußsitzung beigewohnt hatte, hielt es für rätlich, dem Könige vorzuschlagen, nunmehr auch ein Entgegenkommen, und zwar durch Bewilligung der verlangten Amnestie, zu zeigen. Er gab die Initiative zu einer nochmaligen Beratung und Berichterstattung des Ministerrats an den König. Der von Bomhard nach dem Beschlüsse des ersteren verfaßte Bericht sprach unter Darlegung der veränderten Sachlage die Ansicht aus, daß die beschlossene Adresse ein Ereignis von solcher Bedeutung sei, daß es unter Anreihung an die bereits früher dargelegten Betrachtungen gewichtig in die Wagschale z u g u n s t e n der Amnestie falle; unter solchen Umständen werde die Sache nochmals zu allerhöchster Würdigung und Beschlußfassung unterbreitet. Nachdem der König auf den ersten Bericht hin sich gegen die Amnestieerteilung ausgesprochen, nunmehr aber Bomhard dem Könige in mündlichem Vortrag auch seine Gründe f ü r dargelegt hatte, erging die königliche Entschließung dahin: »Ich sehe, daß unter diesen Umständen die Erteilung der Amnestie rätlich erscheint. Ich gewähre sie.«
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Bomhard ließ nun einen Gesetzentwurf ausarbeiten, welcher in vier Artikeln im wesentlichen nachstehende Bestimmungen enthielt: Art. 1, Niederschlagung der rechtskräftig erkannten Strafen sowie der nicht rechtskräftig erledigten Untersuchungen unter Anwendung auf die vor den Militärwie Zivilgerichten anhängig gewordenen Sachen; Art. 2, Rehabilitierung für alle durch Art. 1 Berührte; Art. 3, Einschränkung der Amnestie auf bayerische Staatsangehörige; Art. 4, Zeitpunkt des Eintritts. Die Einschränkung des Art. 3 war auf die Erwägung gegründet, daß die Rädelsführer des Aufstandes Fremde, nicht bayerische Staatsangehörige waren, daß namentlich ein gewisser Haas aus Mainz es war, welcher einen jungen Bauernburschen, der sich der Werbung für die Freischaren zu entziehen suchte, meuchlings niederschoß. Der Entwurf fand die Genehmigung des Königs, welcher Vorlage an den Staatsrat anordnete und Bomhard als Berichterstatter ernannte. — Schon in diesem Stadium hatte Bomhard von hoher Seite wahrhaft strafende Bemerkungen gegen sich ergehen lassen müssen, daß man dem Könige die in jenen Kreisen durchaus mißliebige Amnestie, als deren Urheber man ihn erachtete, vorgeschlagen habe. In der Abgeordnetenkammer erlitt der Gesetzentwurf eine Erweiterung durch Ausdehnung auf alle Angehörige eines deutschen Bundesstaats und dann, in einem vorgeschlagenen Art. 2, auch auf solche Fälle, wenn durch eine, unter Art. 1 fallende Handlung oder zum Zwecke derselben eine Verletzung der Person oder des Eigentums begangen wurde. Erstere Erweiterung erfolgte nicht ohne Vorwissen und Zustimmung des Königs. Minister Frhr. von der Pfordten hatte ohne Kenntnis und Berücksichtigung von Bomhards Beweggrund für die Einschränkung und ohne vorheriges Einvernehmen mit diesem einem
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Mitglied der Abgeordnetenkammer die Zusicherung jenes Zugeständnisses gegeben, was der König dem Frhrn. von der Pfordten auch zugab. — Bei Verhandlung über den so veränderten Gesetzentwurf in der Kammer der Reichsräte mußte Bomhard den herb ausgesprochenen, natürlich nur seiner Person geltenden Tadel aus hohem Munde vernehmen, daß die Staatsregierung sogar Mörder amnestieren wolle I In selbstverleugnender Auffassung der Solidarität des Ministeriums glaubte Bomhard zu dem Vorwurf und über das ihm damit zugefügte Unrecht schweigen zu müssen. Die Kammer der Reichsräte beseitigte den von der anderen Kammer neu eingefügten Art. 2 und verwies die in diesem behandelten Delikte auf den Gnadenweg mittels königlicher Entschließung; dagegen ging sie auf die Amnestierung auch der nicht bayerischen Deutschen ein, zu welcher die Staatsregierung ja ihre Zustimmung schon gegeben hatte. Die Abgeordnetenkammer hielt daraufhin ihren Artikel 2 aufrecht, unter der Modifizierung, daß von der Verfügung des Gesetzes die wegen vorbedachten Mordes für schuldig Befundenen ausgenommen sein sollten. Mit Annahme dieser Fassung in der Abgeordnetenkammer erging dann Gesamtbeschluß der beiden Kammern. Damit war Bomhards Absicht erreicht, daß Meuchelmörder ausgeschlossen blieben. In den diesem Endergebnis vorausgegangenen Verhandlungen der Abgeordnetenkammer gab es höchst leidenschaftliche Erörterungen mit Vorwürfen der Engherzigkeit und Tyrannei gegen die Staatsregierung, deren Spitze sich naturgemäß vornehmlich gegen Bomhard kehrte. Auch die pfälzischen Gerichtsbehörden und der vielgeschmähte seinerzeitige Generalprokurator am Appellationsgerichte der Pfalz wurden heftig angegriffen, wogegen sie Bomhard mit Wärme in Schutz nahm 1 ). Einer der heftigsten Angreifer S. Verhdlg. der Abg.-Kammer. Stenogr. Berichte 1865, Bd. II S. 222, Bd. III S. 151, 159, 162, 163.
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war der Abgeordnete Dr. Edel, welcher doch gelegentlich einer Verhandlung desselben Gegenstandes in der Sitzung der Kammer vom 16. Mai 1861 geäußert hatte: Es wird niemanden einfallen, das ausländische Gesindel, das so viel Unheil über die Pfalz gebracht hat, wieder zurückzurufen. Bomhard führt anläßlich dieser Vorgänge Klage in seinem Tagebuch in dem Ausrufe: »So das Schicksal eines Ministers in jetziger Zeit: von unten als Gegner oder Verkümmerer der von mir selbst schließlich mit Gefahr der Ungnade beantragten Amnestie angefeindet, von oben als Förderer derselben scheel angesehen! Der einzige Trost ist das Bewußtsein, nach Gewissenspflicht und festen Grundsätzen gehandelt zu haben!« Um jene Zeit, Frühjahr 1865, trat durch einen Antrag der Abgeordneten Dr. Arnheim und Dr. Volk eine Frage wieder in stärkere Bewegung, welche seit Erlaß der Verfassungsurkunde wiederholt eingehendere Verhandlungen zwischen den Staatsministerien des Krieges und der Justiz veranlaßt hatte. Es handelte sich um die Frage, ob und inwieweit es geboten sei, das für Militärpersonen zur Anwendung kommende Strafrecht und Strafverfahren auf dem Wege der Gesetzgebung zu regeln. Der König verlangte Bomhards Ansicht hierüber zu hören. Dieser sprach sich entschieden zugunsten einer, als zur Zuständigkeit des Landtags gehörigen, gesetzlichen Reform des Militärstrafwesens aus. Auch in einer, dem Kriegsministerium mitgeteilten, eingehenden, die historische Rechtsentwicklung darlegenden Denkschrift erachtete er das Verlangen gesetzlicher Regelung der militärischen Rechtspflege als im Verfassungsrechte begründet. Seine Darlegungen führten zur Abfassung eines Gutachtens des Gesamtministeriums in diesem Sinne, in dessen Verfolg der König mittels allerhöchster Entschließung eine Kodifikation der Militärgerichtsbarkeit (Strafrecht und Strafprozeß) für gemeine wie militärische Vergehen und Verbrechen bewilligte.
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Wenn auch erst im April 1869 die Regelung dieser Materien durch ein Gesetz erfolgte, so ist doch Bomhard unzweifelhaft das Verdienst zuzuerkennen, durch seine Einwirkung der angeregten Frage sofort eine günstige Aufnahme und Weiterbehandlung bei den maßgebenden Faktoren verschafft zu haben. Freilich waren ihm Mißstimmungen und Verstimmungen in sehr hohen Kreisen auch in dieser Frage nicht ausgeblieben, vielmehr in sehr fühlbarer Weise mehrfach zu erkennen gegeben worden!
Als besonders wichtigen Teil seiner Aufgabe als Justizminister mußte Bomhard die Verbesserung der Zivilrechtspflege in den sieben älteren Provinzen des Königreichs betrachten. Zur Herbeiführung einer solchen hatte die Regierung schon vor seiner Ernennung dem Landtage den im Justizministerium durch namhafte Kenner der linksrheinischen Gesetzgebung (die Juristen Molitor, Petersen, Weiß) sehr sorgfältig ausgearbeiteten Entwurf einer neuen Zivilprozeßordnung für das ganze Königreich zur Beratung, zunächst im Gesetzgebungsausschuß der Abgeordnetenkammer, vorgelegt. Die wesentlichen Grundlagen desselben entsprachen Bomhards Anschauungen und Erfahrungen, wie er sie literarisch dargelegt und auch in der Gesetzgebungskommission in Hannover vertreten hatte. Übereinstimmend mit den Verheißungen des Märzministeriums des Jahres 1848 und vom Volke freudig begrüßt, hatten sie bereits im Grundlagengesetz vom 4. J u n i 1848 (A r t. 13 ff.) gesetzlichen Ausdruck gefunden. Dessen R i c h t u n g s l i n i e n g i n g e n d a h i n , daß d a s V e r f a h r e n i n Z i v i l s a c h e n d i e u n mittelbare,mündlich-öffentlicheVerhandlung vor dem u r t e i l e n d e n G e r i c h t e zur
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w e s e n t l i c h e n G r u n d l a g e e r h a l t e n solle; daß einen wesentlichen Bestandteil der neuen E i n r i c h t u n g die A u f s t e l l u n g von Staatsanwälten hei den Kollegialger i c h t e n bilden soll zur V e r m i t t l u n g der A u f s i c h t der R e g i e r u n g auf die g e s a m t e Rechtspflege, insbesondere zur Einw i r k u n g auf die B e s c h l e u n i g u n g , Volls t ä n d i g k e i t und den g e s e t z l i c h e n Gang der U n t e r s u c h u n g e n , zur D u r c h f ü h r u n g der Anklagen, zur Aufrechthaltung der Disziplin und der D i e n s t e s o r d n u n g und daß bei der A u s f ü h r u n g dieses Sys t e m s h a u p t s ä c h l i c h von den auf dem deutschen linken Rheinufer bestehend e n E i n r i c h t u n g e n , s o w e i t sie sich d u r c h die E r f a h r u n g e r p r o b t haben, ausgeg a n g e n w e r d e n s o l l e . Wie man sieht, waren es auch diese Grundzüge, welche das von Bomhard vor Annahme des Portefeuille aufgestellte Programm durchzogen. Was noch besonders die Heranziehung der Staatsanwaltschaft zur Tätigkeit im Zivilverfahren betrifft, so lag, abgesehen von bereits erörterten Gesichtspunkten, die Erwägung zugrunde, daß zuweilen neben dem privatrechtlichen ein überwiegendes öffentliches Interesse in Frage steht (z. B. in Ehescheidungs-, ehelichen Gütertrcnnungssachen), wobei es durchaus geboten ist, daß der S t a a t durch ein ihn vertretendes Organ sein Augenmerk darauf richte, daß die gesetzlichen Vorschriften über das Verfahren immer gewissenhaft beobachtet werden, auch die Disziplin über die Organe der Rechtspflege ernst gehandhabt werde. Deshalb war in dem Entwürfe der Gedanke des Grundlagengesetzes durchgeführt, daß die Staatsanwaltschaft zur Vermittlung der Aufsicht auf die gesamte Rechtspflege berufen sei, und zwar in der Art, daß deren Mitwirkung obligatorisch oder nur fakul-
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tativ sein solle, je nach der Natur der Sache und nach dem größeren und geringeren Gewicht des öffentlichen Interesses, aber, mit völliger Ausschließung jeglicher Strafgewalt, nur mit ihrem Antrag auf deren Ausübung durch das Richteramt. In der unter erstmaliger Mitwirkung Bomhards am 5. November 1864 stattgefundenen Sitzung des Gesetzgebungsausschusses1) sprach Bomhard die Hoffnung aus, daß die Tätigkeit der gesetzgebenden Faktoren für die Reform der Zivilrechtspflege den doppelten Wert erreichen werde, einmal, in Bayern dasjenige ins Leben zu führen, was für deren Verbesserung als das Ersprießlichste erachtet werden würde, dann, durch fernere Mitwirkung in Hannover dahin zu wirken, daß zugleich auch ein gemeinsamer deutscher Prozeß mit den in Bayern angenommenen Prinzipien zustande gebracht werde. Bomhard erachtete es als seine Pflicht, den Sitzungen des Gesetzgebungsausschusses möglichst oft beizuwohnen. Diese fanden regelmäßig an drei Vormittagen der Woche statt; die Nachmittagsstunden Bomhards waren durch die laufenden Arbeiten, Durchsicht der Referate, Konzepte, Rücksprache mit den Referenten, zahllose Audienzen in Anspruch genommen. So mußten gar oft noch die späten Abendstunden mit Konferenzen über Anträge und Vorschläge für die Ausschuß Sitzungen des folgenden Tages verbracht werden, so daß für ihn der Arbeitstag nicht selten ein zwölf- bis vierzehnstündiger war. Schon in Hannover glaubte Bomhard hier und da die Wahrnehmung gemacht zu haben, daß die politischen Parteifärbungen nicht ganz ohne Einfluß auf die Stellung der einzelnen Kommissionsmitglieder zu wichtigen sachlichen Fragen blieben. Auch im Gesetzgebungsausschuß machte sich der Einfluß der Parteifärbung auf die Beratungen, wie in allen gesetzgeberischen Arbeiten jener Zeit, noch weit fühlbarer geltend, so daß nicht selten !) Verhdlg. der Kammer d. Abg. 1863/65, Beilagenbd. III Ges.-Geb. Aussch. 1. Abt. 1864/65, S. 3.
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das Beste verworfen und minder Gutes an die Stelle gesetzt wurde, nur weil dieses zu den, in der Regel »fortschrittlichen« Parteizwecken dienlicher erschien. So wurde das, was von den Prinzipien des Grundlagengesetzes über die Mitwirkung der Staatsanwaltschaft in den Prozeßentwurf aufgenommen worden war, von den fortschrittlichen Ausschußmitgliedern als Ausfluß reaktionärer Bestrebungen oder als Liebhaberei für »Französisches« bekämpft (dieses auch nach den Strömungen im deutschen Juristentag, wo sich die Antipathie der preußischen Juristen gegen die zu politischen Verfolgungen m i ß b r a u c h t e Staatsanwaltschaft sehr lebhaft offenbarte). Hiernach ist es wohl erklärlich, daß Bomhard, welcher an dem durch 20 jährige staatsanwaltschaftliche wie richterliche Erfahrung Erprobten mit Ernst und Wärme festzuhalten suchte, bei jeder Gelegenheit französische Gesinnung und reaktionäre Bestrebung vorgeworfen wurde. Dadurch wurde freilich seine Freude an der gesetzgeberischen Arbeit getrübt, sein Streben im Interesse gründlich wissenschaftlicher, rascher, minder kostspieliger Rechtspflege gelähmt. Wohl fehlte es den Gegnern der Staatsanwaltschaft nicht an »Gründen«; diese waren aber unschwer zu widerlegen. Das Institut, wie es im Jahre 1848 für die älteren Landesteile geschaffen wurde, als ein nur im Strafverfahren tätiges Organ der Verfolgung, mußte dem Volke mißliebig werden. Hier wurden die staatsanwaltschaftlichen Beamten durch ihre einseitige Tätigkeit als Ankläger der Gefahr ausgesetzt, leidenschaftlich und verfolgungssüchtig zu werden. In der Pfalz aber war ihre Aufgabe zugleich eine zivilrechtliche, bestehend unter anderem in der Wahrung der Rechte ganzer Kategorien von Personen, Aufsicht über Gerichtsvollzieher, Anwaltschaft, Notariat zum Schutze des Volkes gegen Verzögerungen und Übervorteilungen. Dort, in der Pfalz, vermochte sie sich naturgemäß auf einen objektiveren, leidenschaftslosen Standpunkt zu stellen und — nur von E d . v. B o m b a r d , Ein Lebens- u. Charakterbild.
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Übeltätern gefürchtet — das unumschränkte Vertrauen der hilfsbedürftigen Rechtsuchenden zu erwerben. Allerdings mußte zu der in den juristischen Kreisen herrschenden Abneigung gegen die Staatsanwaltschaft das Wirken einzelner Vorstände dieser Behörde an Appellationsgerichten, der Pfalz wie des rechtsrheinischen Bayern beitragen. Diese, zwar hervorragend tüchtige Beamte, brachten es aber durch Übereifer namentlich in der Verfolgung politischer Vergehungen in der der freiheitlichen Bewegung gefolgten Reaktionszeit dazu, der Tätigkeit des Instituts in den Augen der Bevölkerung das Gepräge leidenschaftlicher Verfolgungssucht und der Übergriffsbestrebungen zu geben. Hierbei handelte es sich aber nicht um ein, dem Institut anhaftendes Gebrechen, als vielmehr um Fehler einzelner Persönlichkeiten im Vorgehen einerseits und im Gewährenlassen durch die oberste Justizleitung anderseits. In der Aufgabe und Machtbefugnis der letzteren hätte es gelegen, dem Übereifer und etwaigen Übergriffsbestrebungen Einhalt zu tun, wie dies auch später unter Bomhards Leitung mit Erfolg geschah. Solche Einflüsse persönlicher Art, namentlich aber auch Partei-, Fraktionsrücksichten, an welche sie gebunden waren, mögen es gewesen sein, welche auch die pfälzischen Mitglieder des Gesetzgebungsausschusses bestimmten, bei den Beratungen des Prozeßentwurfs, namentlich soweit es sich um die Mitwirkung der Staatsanwaltschaft handelte, Bomhard im Stiche zu lassen; ja, im entgegengesetzten Sinne zu wirken. So kam es, daß es ihm trotz aller Mühe bei den Beratungen des Zivilprozeß entwurfs nicht gelang, die Wirksamkeit der Staatsanwaltschaft so zu gestalten, wie sie in der Pfalz gesetzlich begründet, so wohltätig und erfolgreich für die Rechtspflege gewirkt hat, und daß sie auch in der neuen deutschen Zivilprozeßordnung fast auf nichts gestellt wurde. War aber auch sein Kampf für dieses Mittel günstiger Einwirkung auf die Rechtspflege ein vergeblicher, so ver-
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mochte er doch in anderer Weise einem frischeren Zuge, der später auch im rechtsrheinischen Bayern durch jene ging, die Wege zu bahnen, und es wurde ihm in späteren Jahren die Genugtuung zuteil, selbst von früheren Gegnern die Erfolge dieser Bestrebungen anerkannt zu sehen 1 ). Aus den oben dargelegten Unterhandlungen des Kgl. Kabinetts mit Bomhard vor seinem Eintritt in das Ministerium ist zu ersehen, daß unter den Beweggründen der Krone zum Wechsel im Ministerium der Wunsch und das Gefühl des Bedürfnisses einer strafferen Disziplin bei den Justizbeamten obenan stand. Bomhard fand in der Tat Gelegenheit, sich von der Berechtigung dieses Verlangens zu überzeugen und wahrzunehmen, daß es mit jener sehr locker aussah; und zwar wohl hauptsächlich infolge der Unzulänglichkeit der bezüglichen Gesetzgebung. Ein Disziplinargesetz, durch welches der Minister die Disziplin durch die G e r i c h t e und deren Organe selbst hätte ausüben lassen können, gab es nicht 2 ); er war daher in der Zwangslage, mit der lockeren, immer laxer werdenden Disziplin fortzufahren oder möglichste Strenge, soweit es die Bestimmungen der Verfassung (IX. Beilage) gestatteten, walten zu lassen, auf die Gefahr der Einbuße aller Popularität hin. Fälle großer Mißstände an einzelnen Gerichten und in deren Personalien, fortgesetzten Unfleißes, beharrlicher Untätigkeit, aller Mahnungen und disziplinären Androhungen unerachtet, widerspenstigen, taktlosen Benehmens gegen Kollegen und Vorgesetzte, ja offenkundig zur Schau getragenen sittenlosen Lebenswandels, skandalösen Familienlebens standen nicht vereinzelt da. Die engen, gesetzlich gegebenen ') Rede des Abgeordneten Feustel, Verhdlg. d. Kammer d. Abg. 1868 Bd. III, Stenogr. Ber. S. 518, 537. ») S. Verhdlg. der 2. Kammer 1867/68, Bd. 4 S. 63, 65 ff. Erst durch Ges. vom 18. August 1879 (Ges.-Bl. 1879 S. 830) u. vom 26. März 1881 (Ges. u. VO.-Bl. 1881 S. 183) wurde Waivdel geschaffen. 6»
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Disziplinarmittel scheinen nur lax gehandhabt worden zu sein. In einem Falle, in welchem es sich um die Person eines Gerichtsvorstandes handelte, gegen welchen die angeordnete Disziplinaruntersuchung zur Evidenz den Beweis offenkundigsten unsittlichen Lebenswandels (Mißbrauch des Amtszimmers zum Tummelplatz unsittlicher Angriffe gegen Frauenspersonen) erbrachte, war an die vorgesetzte Dienstbehörde unter Einsendung der Akten die Anfrage gerichtet, ob und welche Maßregeln nach den Anschauungen des vorgesetzten Kollegiums zu erwarten sein dürften; die Antwort ging dahin, daß wohl kaum der Ausspruch eines Verweises zu erwarten stünde. Wäre aber — entgegen solcher erfahrungsgemäßer Nachsicht und Milde der Disziplinarbehörde — ein energisches Einschreiten durch die allein gebotene Entfernung vom Amte zu erwarten gewesen, so würde eine solche Maßregel wegen der Förmlichkeiten und verschleppenden Beschwerde- und Rekursfristen einen Zeitraum von Jahren in Anspruch genommen haben, währenddessen der öffentliche Skandal fortdauernd Anstoß erregt haben würde. Es blieb also in solchen Fällen kein anderes Mittel zu rascher Beseitigung des Ärgernisses, als das der Anwendung des § 19 der IX. Beilage der Verfassungsurkunde, der Inruhestandversetzung »aus administrativen Erwägungen«. Damit war nur die Entziehung des Rechtes, das Amtskleid zu tragen, verbunden, Titel und voller Gehalt jedoch verblieben. Für die geringe Wirksamkeit dieser Maßregel spricht der Fall eines Richters, welcher trotz aller Mahnungen die ihm zugeteilten Arbeiten unerledigt liegen ließ; auch die Versetzung an ein anderes Gericht auf Grund des angeführten Gesetzes blieb ohne Erfolg. Zur Verantwortung aufgefordert, gab er eine in Versen abgefaßte Erklärung ab, daß ihn auch die Androhung der Disziplinierung nicht zu anderem Verhalten bestimmen könne, da das Strengste, was gegen ihn ausgesprochen werden könne, die Ruhestand Versetzung aus
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administrativen Erwägungen sei, und dies gerade das sei, was er längst erstrebe. — Eines weiteren Kommentars bedarf es nicht! — Ein Assessor an einem rechtsrheinischen Landgerichte, welcher — mit der III. Note im Staatsexamen qualifiziert — mangels der erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse zum Landrichter nicht begutachtet werden konnte, wurde bei gebotener Gelegenheit nach vielfachen Vorgängen gleicher Art zu dem für ihn sich eignenden Sekretariatsdienst an einem Appellationsgerichte ernannt, womit eine Einbuße weder an Rang noch Gehalt verbunden war. Er weigerte sich, die Stelle anzutreten, wozu ihn weder Drohungen noch Strafverfügungen der vorgesetzten Behörde vermochten. Eine vom Justizministerium ausgesprochene Disziplinargeidstrafe wurde nach Beschwerde auf Antrag des Staatsrats durch den König bestätigt, die wegen angeblicher Verfassungsverletzung an die Abgeordnetenkammer gerichtete Beschwerde vom Ausschusse einstimmig als unbegründet erklärt. Die Sache ging dann vor den Staatsrat. Als charakteristisch mag nun die Entschuldigung angeführt werden, welche das Verhalten dieses Beamten in dem die Begnadigung befürwortenden Antrag des Staatsratreferenten darin gefunden hat, daß jener »mehr aus einer irrigen, u n t e r d e m E i n f l ü s s e d e r Z e i t s t r ö m u n g stehenden Auffassung über die ihm zustehenden Rechte« gehandelt habe. Es war in der Tat so: Die Zeitströmung gegen jedes Autoritätsprinzip, der eingerissene unklare Begriff über die Unabhängigkeit der Richter in Verwechslung mit der Unabhängigkeit des Votums. Das Angeführte mag genügen, um Bomhards Anschauung zu rechtfertigen, daß der Bogen der Disziplin im Rahmen der verfassungsmäßig gestatteten Mittel straff angezogen werden müsse. Anlaß zu energischem Vorgehen bot besonders ein seltsam gearteter Fall. Durch Erkenntnis eines rechtsrheinischen Schwurgerichtshofs war ein der öffentlichen Sicherheit höchst gefährlicher Mensch,
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der schon mit fast allen Strafanstalten des Königreichs Bekanntschaft gemacht hatte, wegen Ermordung eines Gendarmen zum Tode verurteilt worden. Die Frage der Begnadigung war nach sorgfältigster Prüfung in den Berichten der Staatsanwaltschaft, des Oberstaatsanwalts, durch den Referenten des Ministeriums, in der Beratung der Ministerialkommission, nach ausführlichem schriftlichen und mündlichen Vortrag des Ministers beim König in allen diesen Instanzen verneint worden. Der König verbeschied die Frage der Begnadigung dahin, daß für diese kein Grund gefunden werden könne. Die Vorbereitungen zur Vollziehung waren getroffen. Da sandten die vier Beisitzer des Schwurgerichtshofs ein Telegramm u n m i t t e l b a r a n d e n K ö n i g , »sie müßten Bedenken gegen den Wahrspruch der Geschworenen hegen; es sei bei der Verhandlung die Qualität des Mordes nicht außer Zweifel gestellt worden, der Mann sei zu begnadigen«. Unter diesen Umständen konnte nichts anderes geschehen, als dem König die Begnadigung anzuraten, die dann auch erfolgte 1 ). Dieser Vorgang, welcher begreiflicherweise höchstes Aufsehen erregte, wurde in allen Kreisen Einsichtiger als eine unzulässige Beeinträchtigung des Rechtes der Geschworenen, des freien Entschlusses und Begnadigungsrechtes der Krone und als ein unerhörter Eingriff in fremde Zuständigkeiten verurteilt. Hatten doch die Mitglieder des Gerichtshofs, wenn sie einstimmig an der Richtigkeit des Wahrspruchs zweifelten, nach der damaligen Gesetzgebung das Mittel der Korrektur durch Verweisung an ein weiteres Schwurgericht! Der Fall veranlaßte eine nähere Untersuchung über die Zustände an dem betreffenden Gerichte, welche dort große Obelstände aufdeckte. Sie bestätigte namentlich eine von den Schwurgerichtsvorsitzenden vielfach gerügte Erscheinung, daß die Richter bei Handhabung der Strafgesetze l
) S. Anhang: Verhandlung der Abgeordnetenkammer über den Antrag v. Stauffenberg, Abschaffung der Todesstrafe.
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regelmäßig von der Meinung beherrscht waren, stets vom gesetzlichen Mindeststrafmaß ausgehen zu müssen; sie zeigte ferner in der Zivilrechtspflege ein Bestreben, womöglich immer dem Beklagten zu helfen, den Sieg des Klägers zu erschweren, ein Vorurteil, welches geeignet war, den Kredit der einheimischen Gewerbetreibenden fremden Geschäftsfreunden und Gläubigern gegenüber zu gefährden. Der neuerliche Vorfall ließ eine radikale Änderung im Gerichtspersonal als unablässig erscheinen, und es erfolgte auf den Antrag des Ministers die Versetzung der betreffenden Richter an andere Gerichte und deren Ersetzung durch eine Auswahl besonders tüchtiger Kräfte. Es zeigte sich bald, daß wahre Hilfe geschaffen war in einer bei dem Gerichte hervortretenden, allen Ansprüchen entsprechenden tüchtigen Rechtspflege. Seit der Einführung der Staatsanwaltschaft an den rechtsrheinischen Gerichten war die Laufbahn der dieser angehörigen Beamten von Stufe zu Stufe auf die Beförderung innerhalb dieses engeren Wirkungskreises beschränkt. Dieses System trug die Gefahr in sich, zur Einseitigkeit der Beamten der Staatsanwaltschaft zu führen. Aus diesem Gesichtspunkte wohl empfahl bereits in der Sitzung des Gesetzgebungsausschusses der Kammer der Abgeordneten vom 18. Dezember 1860 (Beil. Bd. III S. 282) ein hervorragendes Mitglied der F o r t s c h r i t t s p a r t e i unter allseitiger Zustimmung des ganzen Ausschusses dem damaligen Justizminister, »er möge doch die Staatsanwälte von Zeit zu Zeit wieder in eine Richterstelle oder aus einer solchen erst in die Staatsanwaltschaft übergehen lassen«. Am 29. August 1863 erließ dann das Justizministerium an die Oberstaatsanwälte den Auftrag, diejenigen Appellationsgerichtsassessoren und Bezirksgerichtsräte namhaft zu machen, welche zum Eintritt in die Staatsanwaltschaft geneigt seien. Die darauf ergangenen Aufforderungen, sich zu melden, hatten nur ungenügenden Erfolg. Auch Bomhard war von der Ein-
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sieht geleitet, daß der Einseitigkeit juristischer Ausbildung und Tätigkeit in dem einen und dem andern Zweige entgegengewirkt, daß die höchst nachteilige Scheidewand zwischen beiden beseitigt werden müsse. Gestützt auf die günstigen Erfahrungen in der Pfalz, erließ er am 4. September 1864 eine Ministerialentschließung, in welcher er die Durchführung dieses Wechsels für dringend notwendig erklärte und die dazu erforderlichen Anordnungen traf. Dementsprechend erfolgten dann auf Grund der jeweils eingegangenen gutachtlichen Berichte wiederholt Versetzungen als besonders geeignet bezeichneter — vorzugsweise der tüchtigsten — Richterbeamte in den staatsanwaltschaftlichen Dienst. In einzelnen Fällen erfolgte sie auch ohne Zustimmung, doch selbstverständlich in verfassungsmäßig zulässiger Weise unter Vorbehalt aller richterlich pragmatischen Rechte der betreffenden Beamten. In Anstellungs- und Beförderungsfragen ging Bomhard vom Grundsatz des Vorzugs des Dienstalters aus, dieses aber nur bei gleicher Würdigkeit nach Charakter und Wissenschaftlichkeit der Bewerber; dagegen sollte das Dienstalter kein Hindernis gegen Bevorzugung bei hervorragender Tüchtigkeit bilden. In betreff der Qualifikationen forderte eine Justizministerialentschließung (JM.-Bl. 1866 S. 49) in Ergänzung früherer Bestimmungen unter Hinweis auf die für eine sichere, gerechte Behandlung des Anstellungs- und Beförderungswesens notwendige Einheit als nächste verlässige Grundlage von den dazu berufenen Behörden Hintansetzung aller Nebenrücksichten und unbedingte Wahrheit. Es wurde die Erwartung ausgesprochen, daß bei den Qualifikationen mit größter Umsicht, Gewissenhaftigkeit und Unparteilichkeit verfahren werde, und ausdrückliche Begründung bei ungünstiger Qualifizierung der Fleißanwendung, anderseits gegebenenfalls Anführung außerordentlicher und hervorragender Fleißanwendung sowie
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die B e g r ü n d u n g solcher Zensierung v e r l a n g t . Dagegen w u r d e die den B e a m t e n bis d a h i n e i n g e r ä u m t e Berechtigung, Aufschlüsse ü b e r die Q u a l i f i k a t i o n zu erlangen, d a h i n erweitert, solche Aufschlüsse a u c h hinsichtlich der Qualifikation ü b e r K e n n t n i s s e u n d F ä h i g k e i t e n zu verlangen. Begreiflicherweise w i r k t e n A n k ü n d i g u n g und Durchf ü h r u n g aller jener neuen Ideen, G r u n d s ä t z e und Maßn a h m e n auf die S t i m m u n g eines b e t r ä c h t l i c h e n Teils der bayerischen J u r i s t e n w e l t w a h r h a f t g e w i t t e r a r t i g . Sie w u r d e n zumeist m i t großem Unwillen von den, in ihrem falschen U n a b h ä n g i g k e i t s g e f ü h l verletzten R i c h t e r n aufg e n o m m e n und zogen dem Urlieber Abneigung, ja H a ß eines Xeils des R i c h t e r s t a n d e s zu. Dieser fand d a n n Widerhall in der d e m o k r a t i s c h - f o r t s c h r i t t l i c h e n Presse und diente den heftigsten Angriffen in Presse und f o r t s c h r i t t lichen Abgeordnetenkreisen als Unterlage und N a h r u n g s stoff u n t e r den S p i t z m a r k e n »die S t r a f v e r s e t z u n g e n « und »Verquickung d e r S t a a t s a n w a l t s c h a f t m i t d e m Richterstande«. Man sprach von einem K o n f l i k t zwischen Richt e r s t a n d und J u s t i z m i n i s t e r i u m und ging so weit, den Minister der A n t a s t u n g der richterlichen U n a b h ä n g i g k e i t zu verdächtigen, ihn, welcher nicht n u r bei gegebener Gelegenheit öffentlich aussprach, d a ß er diese für ein P a l l a d i u m konstitutioneller Freiheit halte (siehe Verh a n d l u n g e n der K a m m e r der Abgeordneten 1866/67, Bd. 1 S. 277/78, 284, S i t z u n g vom 22. F e b r u a r 1867), sondern auch d u r c h die T a t bewies, d a ß er sie hochhielt und gegen Angriffe zu verteidigen w u ß t e . B o m h a r d ließ sich d u r c h A n f e i n d u n g und Angriffe und die bittere E r f a h r u n g des Verlustes aller P o p u l a r i t ä t im K a m p f e f ü r d a s als das Rechte e r k a n n t e nicht beirren. F ü r sein Vorgehen t r a t e n d e n n doch auch vielfach Zus t i m m u n g e n von Seiten entschiedener F r e u n d e d e r Ordn u n g u n d einer festen k o n s e q u e n t e n Regierung u n d zumal in der sachlich urteilenden Presse h e r v o r ; e n t s p r a c h e n
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doch seine Maßnahmen durchweg den verfassungsmäßigen Bestimmungen, wie das Gegenteil von keiner Seite behauptet werden konnte und auch nirgends behauptet wurde. Als bezeichnend mag aber hier nochmals hervorgehoben werden, wie die Organe der Fortschrittspartei die Durchführung dessen zum Angriffspunkt unter dem Motto: »Verquickung von Staatsanwaltschaft und Richterstand« gemacht haben, was vorher von dieser Seite selbst verlangt worden war; es ist daraus zu ersehen, daß es ihr nicht um die Sache, sondern nur um das Angriffsmittel gegen die Person des energischen und darum ihr unbequemen Ministers zu tun war. Hand in Hand mit seinen Bestrebungen zur Hebung der Rechtspflege im Wege der Gesetzesreform, wie zur Förderung des Geistes der Wissenschaftlichkeit, strenger Pflichterfüllung, der Würde der Beamten im dienstlichen wie im Privatleben durch ernste Handhabung der Disziplin und strenge Gerechtigkeit im Anstellungs- und Beförderungswesen sollte nach Bomhards Sinn eine warme Fürsorge für ihr materielles und geistiges Wohl und eine Bedachtnahme auf Hebung ihrer äußeren Stellung gehen. Ihr Leben sollte dem niederen Druck der elenden Amtsstube, der Trivialität entrückt werden. Diese Fürsorge betätigte sich zunächst in der Herstellung gesunder und würdiger Amtsräume und in der Beschaffung von Gerichtsbibliotheken. Bei der Organisation im Jahre 1852 — Trennung der Verwaltung von der Justiz — waren die Gerichte hinsichtlich ihrer Unterbringung schlecht weggekommen. Gerichtsgebäude, Arbeitszimmer der Beamten, Zeugenzimmer, Sitzungsräume, innere Mobiliareinrichtung mancher Gerichte waren in einem Zustande, der kaum einen menschenwürdigen Aufenthalt gestattete, geschweige denn dem Eindruck entsprach, den das Ansehen und die Würde des Gerichts in den Augen des Publikums erheischt, ja so, daß zuweilen selbst die Gesundheit der dort Beschäftigten ge-
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fährdet war. In der Sitzung der Kammer der Abgeordneten vom 20. Mai 1865 1 ) bei Verhandlung eines Postulats für solche Zwecke nahm Bomhard Veranlassung, seine Anschauungen und Grundsätze hierüber auszusprechen: »Ich verlange,« so äußerte er, »von den Beamten des Justizzweiges die strengste Pflichterfüllung; daß sie von dem Grundsatze ausgehen, der Beamte ist nur des Volkes willen da, nicht das Volk des Beamten wegen! Der Beamte hat die Pflicht, seine ganze Kraft einzusetzen, das rechtliche Interesse des Rechtsuchenden zu fördern, und dieser hat Anspruch auf die Entwicklung der vollsten Kraft des Beamten zu jenem Zwecke. Sollen sie indessen diese Pflichten erfüllen können, so muß auch das Volk durch seine Vertreter für die Verbesserung der Lage der Beamten besorgt sein. Ein fleißiger Beamter — und es gehört der größte Teil unseres Beamtenstandes, ich spreche es mit Freuden aus, zu den Fleißigen und Aufopferungsfähigen — bringt den größten Teil seines Lebens in den Arbeitsräumen zu; er opfert manchen Lebensgenuß seiner Pflicht, seine leiblichen und geistigen Kräfte dem Interesse des Staates, darum muß ihm das Leben und die Pflichterfüllung erleichtert und angenehm gemacht werden, wo es nur immer geschehen kann. Keinen Luxus, aber würdigere, der Gesundheit entsprechendere Geschäftsund Sitzungsräume! Eines liegt mir aber vor allem am Herzen, nämlich die Herstellung von Amtsbibliotheken. Unsere jüngeren Juristen, Rechtspraktikanten und Akzessisten sind sehr^häufig nicht in der Lage, die jüngeren Richter nicht so^besoldet, um sich die zu Studium, Fortbildung gründlicher, wissenschaftlicher Berufserfüllung erforderlichen literarischen Hilfsmittel aus Eigenem beilegen zu können; auch waren unsre Richter bis jetzt nicht in der Lage, dem Studium der juristischen Literatur die für ihren Beruf und geistiges Bedürfnis erforderliche Zeit widmen zu können. Die bisherige Prozeßgesetzgebung l
) S. Verhdlg. d. K. d. Abg. Stenogr. Ber. 1865, Bd. II S. 192.
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nötigte sie, d e n g r ö ß t e n Teil ihrer Zeit auf m e c h a n i s c h e n F o r m a l i s m u s , Vielschreiberei zu v e r w e n d e n . Mit der neuen P r o z e ß o r d n u n g wird ein Z u s t a n d einkehren, wo die R i c h t e r in der Lage sind, die mündlich v o r g e t r a g e n e n Sachen o h n e diese Vielschreiberei n u r geistig zu vera r b e i t e n u n d zu diesem Zweck auch d e m S t u d i u m juristischer L i t e r a t u r die erforderliche Zeit und A r b e i t zuwenden zu k ö n n e n . Dazu müssen sie eine ausreichende Bibliothek zur H a n d h a b e n . Die Mittel zur H e r b e i f ü h r u n g aller dieser Verbesserungen in A n s p r u c h zu n e h m e n , mache ich mir zur heiligen Pflicht!« Auch im Gefängniswesen, der baulichen Anlage und E i n r i c h t u n g der Gefängnisse waren vielfach größte, o f t aller H u m a n i t ä t s p o t t e n d e Mißstände h e r v o r g e t r e t e n . Es befand sich beispielsweise in der »Haupt- und Residenzs t a d t M ü n c h e n « das Polizeigefängnis — b e s t i m m t zur F e s t h a l t u n g polizeigerichtlicher U n t e r s u c h u n g s g e f a n g e n e r und f ü r den Vollzug gerichtlicher Polizeistrafurteile — in den K e l l e r r ä u m e n des G e b ä u d e s der Polizeidirektion. Der G e f ä n g n i s v e r w a l t e r war zugleich der V e r w a l t e r des Administrativ-Polizeigefängnisses; dies f ü h r t e zu b e s t ä n digen Mißhelligkeiten, K o m p e t e n z k o n f l i k t e n bezüglich der Ü b e r w a c h u n g und B e h a n d l u n g der I n h a f t i e r t e n zwischen den O r g a n e n der V e r w a l t u n g und denen der gerichtlichen Polizei. Personen, welche wegen geringfügiger Ü b e r t r e t u n g e n kurze H a f t s t r a f e n zu erstehen h a t t e n , wurden in unterirdischen, d u n k l e n und übelriechenden K e l l e r r ä u m e n mit V a g a b u n d e n und allerlei Gesindel zusammengesperrt. Zur E r m i t t l u n g , Feststellung u n d H e b u n g solcher Mißstände v e r a n l a ß t e B o m h a r d einen R e f e r e n t e n des Ministeriums, eine große Anzahl Gerichtssitze zu bereisen, Berichte ü b e r die bestehenden Z u s t ä n d e zu e r s t a t t e n u n d , wo nötig, u n t e r Zuziehung von Mitgliedern der B a u b e hörden, der V e r w a l t u n g s b e h ö r d e n u n d G e r i c h t s v o r s t ä n d e alles zu gründlicher Abhilfe Erforderliche einzuleiten. In
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zahlreichen Fällen nahm er selbst persönlichen Augenschein an Ort und Stelle und traf dann die nötigen Anordnungen. Solche Besuche waren zugleich dem Zwecke sehr dienlich, die Personalien und sonstigen Zustände an den Gerichten kennen zu lernen. Einer dieser Visitationen verdankten einzelne Bestimmungen einer Ministerialentschließung 1 ) ihre Entstehung, die aus Beweggründen edler Menschlichkeit erflossen waren. Sie betraf die Hausordnung in den Untersuchungsgefängnissen, rügte die hier bestehenden Mißstände, wies die Beamten nachdrücklichst an, streng darüber zu wachen, daß diese Mißstände nicht mehr vorkommen könnten. Die Entschließung ging davon aus, »daß die Gefangenen nicht mehr Übel zu erleiden haben dürften«, als notwendig sei, sich ihrer Person zu versichern; daß Mangel der Reinlichkeit, der frischen Luft und Bewegung mit den Rücksichten auf die Gesundheit der Gefangenen, mit den Grundsätzen der Menschlichkeit, aber auch mit den bestehenden Gesetzen und Verordnungen nicht vereinbar seien. Von besonderem Erfolge war — unter anderem — Bomhards persönliches Eingreifen zur Beschaffung besserer Amtsräume für die Gerichtsbehörden in Zweibrücken gekrönt. Diese waren höchst beengend und ungeeignet, ja unwürdig untergebracht. Ein Teil der Amtsräume des Appellationsgerichts befand sich in einem Flügel des alten herzoglichen Schlosses, dessen mittlerer Teil dem katholischen Gottesdienst als Kirche diente. Ein Anbau und innerer Umbau des Schlosses konnte die würdige und zweckentsprechende Unterbringung sämtlicher Gerichtsbehörden nebst den Gefängnisräumen für Untersuchungsund Strafgefangene ermöglichen. Ein früherer, diesbehufs an den König gerichteter Antrag war von diesem einfach abgewiesen worden. Bomhard wußte, einen günstigen Moment nach einem Vortrag beim König wahrnehmend, die Sache ausführlich zur Sprache zu bringen, des Königs ») Vom 16. März 1866; s. Just.-Min.-Bl. 1866 S. 55.
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Einwand zu heben, daß das Schloß seiner Ahnen nicht in ein Gefängnis umgewandelt werden solle, und erhielt die allerhöchste Genehmigung. Diese veranlaßte ihn, sofort an Ort und Stelle zu reisen, die Sache durch persönliche Unterhandlung mit den beteiligten Kirchenvorständen, mit der Kreisregierung zur Erledigung und Abschluß zu bringen. Im Schlosse sind nun längst sämtliche Justizorgane Zweibrückens mit den erforderlichen Hafträumen bequem und würdig untergebracht. Dieser Erfolg sollte hier auch als Beleg dafür hervorgehoben werden, wie empfänglich der jugendliche König für gewissenhafte Belehrung, wie nachgiebig er solchenfalls war, selbst da, wo er, anfangs anderer Meinung, schon andere Entschließung getroffen hatte. Der König sprach Bomhard Einverständnis und Befriedigung in einem persönlichen Handschreiben darüber aus, daß er sich über Zustände und Personalien an den einzelnen Gerichten durch unmittelbare eigene Anschauung — als »sicherste Quelle der Erfahrung« — unterrichte, ermunterte zur Beibehaltung dieses Systems persönlicher Visitationen und erbat sich zeitweise Berichte über die Hauptergebnisse. Bomhard forderte von den Kammern des Landtags, um nur einen Anfang zur Hebung schlimmster Mißstände und zur Einführung der nötigsten Verbesserungen an Gerichts- und Gefängnisbauten, Amtswohnungen von Landrichtern, zur Beschaffung von Bibliotheken zu machen, einen einmaligen Aufwand von über einer halben Million Gulden, der ihm anstandslos bewilligt wurde. Die rechte Hand Bomhards in dieser Wirksamkeit war der Referent im Ministerium, der damalige Ministerialassessor Fäustle; es ist bekannt, wie dieser als späterer Nachfolger Bomhards im Ministerium das von diesem begonnene Werk weiter entwickelt und ausgebaut hat. Der hohen Meinung Bomhards von der Bedeutung und Wichtigkeit der Rechtspflege im staatlichen Leben
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entsprach sein, auf die Förderung des äußeren Ansehens und der Unabhängigkeit der Justiz wie ihrer Organe gerichtetes Bestreben. Zur Zeit seiner Übernahme des Ministeriums bestand an den damaligen Appellationsgerichten noch das Institut der Appellationsgerichtsassessoren — Mitglieder dieser Gerichtshöfe mit gleicher Geschäftsaufgabe und gleich entscheidendem Votum wie die Appellationsgerichts* räte; an sie wurden in Beziehung auf Fähigkeiten, praktische und wissenschaftliche Tüchtigkeit dieselben Ansprüche gemacht wie an diese; gleichwohl standen sie im Range und dem Gehalte nach hinter diesen, deren Vorteile sie mit der Ratsstelle erst in späten Lebensjahren erreichten. Dieser Zustand erschien ungerecht und für die Unabhängigkeit ihres Votums nicht zweckentsprechend. Bomhard veranlaßte die völlige Beseitigung des Instituts; die Assessorenstellen wurden zu Ratsstellen je nach den vorhandenen Geldmitteln aufgebessert, in welche innerhalb kurzer Zeit die noch vorhandenen Assessoren vorrückten. Damit war diese Assessorenstellung aus der Reihe der bayerischen Richterstellen verschwunden. In der Pfalz mußten auf Grund einer noch bestehenden Kabinettsanordnung bei Besetzung erledigter Justizstellen Gutachten und Vorschläge der Gerichtsvorstände vor der Vorlage an das Justizministerium zuvörderst dem Regierungspräsidenten der Provinz zur Beifügung auch seines Gutachtens — besonders über politische Gesinnung — eingesandt werden. Hierdurch war dort dem obersten V e r w a l t u n g s beamten eine Beurteilung der Anstellungs- und Beförderungsverhältnisse, auch über Disziplinarbeziehungen, des Justizpersonals anheimgegeben, zu welcher jenem die notwendigsten Voraussetzungen fehlten: die Kenntnis der sachlichen Erfordernisse einer in Frage befindlichen Stelle, der persönlichen Befähigung der Bewerber. — Jene Voraussetzungen wurden dann durch unbeglaubigte Ermittlungen, zufällige außeramtliche Mitteilungen, durch Hörensagen usw. er-
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bracht. Sie fanden notorisch öfter derart Beachtung, daß große Mißgriffe gemacht, ausgezeichnet Befähigte gegen minder Tüchtige nachgesetzt wurden, welche Gelegenheit gefunden hatten, ihre besonders auffallend betätigte politische Vorzüglichkeit mehr zur Schau zu bringen. Es war dahin gekommen, daß Anstellungs- und Beförderungskandidaten erst dann der Erfüllung ihrer Wünsche entgegensehen durften, wenn sie durch ihre Bewerbung auch in Speyer etwaige Bedenken zu beseitigen vermochten. Dieser Zustand brachte neben den üblen Folgen der Mißgriffe in der Wahl der Persönlichkeiten eine Beeinträchtigung des Ansehens, der Würde, ja Selbständigkeit der Justizbehörden, des Vertrauens auf das Walten gerechter, sachlich zuverlässiger Grundsätze im Anstellungs- und Beförderungswesen mit sich; er wurde von Justizbehörden und Publikum fortwährend drückend empfunden. Schon nach halbjährigem Wirken als Minister gelang es Bomhard, den Mißstand durch Erwirkung königlicher Entschließung zu beseitigen. Im Laufe einer Debatte in der Abgeordnetenkammer nahm Bomhard die Gelegenheit wahr, mit Wärme für die Würde und das Ansehen des Obersten Gerichtshofs des Königreichs einzutreten. Veranlassung gab ihm dazu eine etwas abfällige Kritik einer Entscheidung und eine, infolge eines Druckfehlers irrtümlich in den stenographischen Bericht gelangte Redewendung, welche einen schweren Angriff auf die Gründlichkeit und Sorgfalt der Entscheidung darstellte. In seiner Entgegnung stellte Bomhard den Satz auf, daß der Gerichtshof »eine Summe von wissenschaftlichen, unabhängigen und gewissenhaftenKräften repräsentiere; daß seine Rechtssprüche wegen ihrer Wissenschaftlichkeit, Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit im Inlande wie in den weitesten Kreisen des Auslandes das höchste Ansehen genießen«. Zu seinem Leidwesen war es Bomhard als Minister nicht vergönnt, die von ihm lebhaft gewünschte und
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beabsichtigte Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Justizbeamten herbeiführen zu können. Seine Bemühungen scheiterten an dem von der Finanzverwaltung geltend gemachten Mangel an Mitteln. In der Tat war, zumal infolge der Kriegsereignisse des Jahres 1866, welches überdies dem Königreiche eine Kriegskontribution von 31 Millionen Gulden auferlegte, die Ebbe in den Finanzen desselben so groß, daß daran nicht zu denken war. Nichtsdestoweniger bot sich ihm auch auf diesem Gebiete Gelegenheit, und er ließ sich diese nicht entgehen, seine Gesinnungen des Wohlwollens den Beamten gegenüber zu betätigen. Im Kriegsjahre 1866, in welchem gleich der übrigen Bevölkerung des Kriegsschauplatzes, der Kreise Unterfranken und Oberfranken, auch die Beamten unter den Kriegsbedrängnissen sehr zu leiden hatten, sandte Bomhard den Ministerialassessor Fäustle in die bedrängten Landesteile mit dem Auftrage, die vorhandenen Notstände zu ermitteln und so weit wie möglich aus den ihm aus dem Dispositionsfond des Justizministeriums zur Verfügung gestellten Geldern Abhilfe zu schaffen. Fäustle berichtet über seine Tätigkeit in einem Briefe vom 12. August 1866: »Die Maßregel wurde von allen Beteiligten mit aufrichtiger Freude und herzlichem Danke begrüßt, und ich beglückwünsche Ew. Exzellenz hierzu um so mehr, als Ihnen auch die Ehre ausschließender Initiative gebührt.« Der Präsident des Appellationsgerichts von Unterfranken schrieb an Bomhard: »Es liegt mir eine Pflichterfüllung ob: der wärmste innigste Dankausdruck im Namen aller derjenigen, welche in der herrschenden Bedrängnis durch Ihre gütige Fürsorge mit einer Unterstützung bedacht wurden. Soweit mir die Verteilung zukam, war ich bemüht, in Ihrem Sinne zu handeln. Es sind Tränen des Dankes für die Gaben geflossen, die mich tief ergriffen haben. Gott lohne Ihnen das gute Werk!« K d . v. B o m h a r d , Ein Lebens- u. Charakterbild.
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Am 21. August 1866 erstattete Bomhard dem König eingehenden Bericht über den Geschäftsgang und die persönlichen Verhältnisse der Beamten bei den vom Kriege heimgesuchten Gerichten der beiden Kreise sowie über sein Eintreten zur Gewährung von Hilfe, wo sie not tat. Er sprach dabei die Absicht aus, für den Fall der allerhöchsten Billigung seines Verfahrens nach dem Maße der noch verfügbaren Mittel des Dispositionsfonds noch weiter für Abhilfe Bedacht zu nehmen, »damit keinem jener braven Beamten des gerichtlichen Dienstes die möglichste Hilfe versagt wird, welche in den schwierigsten Zeitverhältnissen ihre Pflicht erfüllt und daneben mit treuer Hingebung die schweren Lasten des Krieges getragen haben«. Die königliche Entschließung auf dem Rande des Berichtes lautete: »Mit Interesse eingesehen. Ich bin mit Ihrem Verfahren ganz einverstanden und finde es sehr wohl angemessen. Schloß Berg, am 23. August 1866. gez. Ludwig.« Die Appellationsgerichte (jetzt Oberlandesgerichte) rechts des Rheins hatten neben der Stelle des Präsidenten zwei im Range und Gehalt voneinander abgestufte Direktorstellen. Die der zweiten Direktoren wurden regelmäßig aus der Reihe der Räte des Oberappellationsgerichts besetzt. Die Kammer der Abgeordneten hatte bei den Beratungen über die Staatsausgaben für die Finanzperiode 1861 bis 1867 zunächst die Frage einer Gehaltserhöhung bei der Summe von 2500 fl. und darüber im Prinzip verneint, bei der weiteren Beratung aber die Mehrausgabe für Erhöhung des Gehaltes von acht Oberappellationsgerichtsräten (auf 2800 fl.) bewilligt; dagegen wurde beschlossen, eine Erhöhung des Etats der Appellationsgerichte nicht eintreten zu lassen. Danach hatte
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sodann ein Teil der Oberappellationsgerichtsräte ein Gehalt von 2800 fl., wogegen die zweiten Direktoren der Appellationsgerichte, obwohl im Range höher, nur 2500 fl. zu beziehen. Infolgedessen war es zu dem Mißverhältnis gekommen, daß der jüngste der zweiten Direktoren das ihm bereits als Oberappellationsgerichtsrat zustehende Gehalt von 2800 fl. genoß, während eine Anzahl anderer dienstälterer Beamten dieser Kategorie sich mit dem Gehalte von 2500 fl. begnügen mußten. Diese würden sich längst im Genüsse des Gehaltes von 2800 fl. befunden haben, wenn ihnen nicht die B e f ö r d e r u n g vom Oberappellationsgerichtsrat zum zweiten Appellationsgerichtsdirektor zuteil geworden wäre. Diese offenbare Unbilligkeit und Ungereimtheit beschloß Bomhard zu beseitigen. Die Handhabe bot ihm dazu die Allerhöchste Entschließung vom Jahre 1862 1 ), welche als Gehalt der zweiten Direktoren den Betrag von 2500 fl. bestimmte, jedoch eine Erhöhung gegebenenfalls auf 2800 fl. vorbehielt. Er beantragte beim König die Verwirklichung dieses Vorbehalts, indem er in eingehendem Berichte zunächst festzustellen vermochte, daß dadurch eine Überschreitung des Justizetats nicht bedingt würde, daß aber unter dieser Voraussetzung die beantragte Maßnahme nach Lage der verfassungsmäßigen Bestimmungen wie auch nach der Doktrin des Staatsrechts als ein unzweifelhaftes Recht der Krone anzusehen sei2). Der König erkannte Bomhards Darlegung als richtig an, äußerte ihm, daß er auf Maßregeln zur Verbesserung der Lage der Beamten »gerne eingehe« und genehmigte mit Allerhöchster Entschließung vom 7. Oktober 1864 die beantragte Gehaltserhöhung, welche von den beteiligten Beamten mit Freude begrüßt und in der Folge von den Kammern des Landtags nie beanstandet wurde. ») S. Reg.-Bl. 1862 S. 379 ff. ») cf. §§ 1, 6, 8 der IX. Beil. der Verf.-Urk. Bluntschli, Allgem. Staatsrecht Bd. II S. 89 u. 119. Pözl, Staatsr. S. 313 u. 369.
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Der Artikel X X I V § 9 der Dienstespragmatik vom 1. Januar 1805 gewährte den hinterbliebenen Kindern einer bestimmten Kategorie höherer Beamten die fürsorgliche Gunst einer Pensionsberechtigung bis zur V e r s o r g u n g , bei deren Nichteintritt lebenslang. Es war streitig, ob diese Bestimmung auch zugunsten der Hinterbliebenen der Oberstaatsanwälte und der Staatsanwälte am Oberappellationsgericht anwendbar sei. Es gelang Bomhard, bei dem Finanzministerium, sodann auch beim König es dahin zu bringen, daß sie auch für diese als anwendbar erklärt wurde1) — eine Vergünstigung, welche wenigstens mittelbar auch den Richterkreisen zustatten kam, soferne ja auch sie zum Eintritt in das Fach der Staatsanwaltschaft berufen waren. Bomhard hat als Minister selbst seinen richterlichen Unabhängigkeits- und Gerechtigkeitssinn überall betätigt, wo sich Gelegenheit dazu bot. Dafür seien nachstehend einige beachtenswerte Vorgänge angeführt. Der erbliche Reichsrat Max Graf Holnstein aus Bayern (der spätere Oberststallmeister König Ludwigs II.) war wegen eines Zweikampfes mit tödlichem Ausgang zu einjähriger, auf einer Festung zu erstehender Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die Gemahlin des Grafen war die Tochter einer in morganatischer Ehe gebornen Tochter (also die Enkelin) des Prinzen Karl von Bayern, eines Bruders König Ludwigs I. und Großoheims König Ludwigs I I . Graf Holnstein wurde auf Gesuch des Prinzen Karl nach Erhebungen über Wohlverhalten am Straforte auf den Bericht des Justizministers vom König dahin begnadigt, daß er nach Ablauf von Dreivierteilen der Strafzeit aus dem Straforte entlassen werden sollte. Schon vor Ablauf der hiernach vom Ministerium berechneten Frist wendete sich der Prinz in einem Schreiben an den Justizminister, welches ') Ah. Verord. v. 23./11. 1866 Just.-Min.-Bl. 1866 S. 356.
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vorwurfsvolle Vorstellungen darüber enthielt, daß bei B e r e c h n u n g der Strafzeit einige W o c h e n gewährter Strafunterbrechung in die Strafzeit als erstanden n i c h t eingerechnet, dagegen die Monate mit 31 Tagen in dieser Vollzahl zur E r s t e h u n g angesetzt wurden. B o m h a r d setzte daraufhin in einem Schreiben an den Prinzen die rechtliche Lage auseinander und fügte bei, daß er nach dieser Aufklärung sich der Beruhigung hingebe, daß der Prinz zu der Überzeugung gelangen werde, daß er bei andersartiger Behandlung der Angelegenheit geradezu gegen das Gesetz und den ausgesprochenen Willen des Königs gehandelt haben würde, und daß die Gerechtigkeit und Unparteilichkeit, die er sich bei Erfüllung seiner Berufspflicht stets zur Aufgabe mache, den Tadel nicht verdiene, den er in des Prinzen Handschreiben erblicken müsse. In der Sache selbst war es bei der getroffenen Verfügung geblieben. Der ehrwürdige, edle Prinz erwiderte in Worten der Anerkennung der Richtschnur strenger Gerechtigkeit, die den Minister bei Ausübung seines Berufes leite, und mit der B i t t e , aus seiner Erörterung nichts weniger als eine persönliche Differenz zu entnehmen. An Beweisen persönlichen Vertrauens und Wohlwollens ließ er es in der Folgezeit nicht fehlen. E i n anderer Prinz des Königlichen Hauses, einer der nächsten Verwandten des Königs, h a t t e lebhaftes Interesse für zwei höhere J u s t i z b e a m t e . Der eine, K a m m e r herr, sehr beliebt bei Hofe, dereinst auch in besonderer Gunst bei König Max I I . , gab durch ungenügende Leitung eines Gerichts, auch sonstige Unregelmäßigkeiten, zu wiederholten Beschwerden des vorgesetzten Gerichts Anl a ß ; seine Unfähigkeit zur Gerichtsleitung hatte sich zur Evidenz herausgestellt, und es blieb nur die Versetzung an ein höheres Gericht übrig, wo er als Referent noch leidliche Dienste zu verrichten v e r m o c h t e ; in E r m a n g l u n g einer solchen Stelle in der Residenz erfolgte die Ver-
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Setzung in die Provinz, welche, wie vorausgesehen worden war, bei der dem Hofe nahe verbundenen Familie und in den Hofkreisen selbst einen geradezu gefährlichen Sturm gegen den Minister hervorrief. — Der andere der beiden Günstlinge, Bruder eines dem Prinzen näherstehenden Generals, erstrebte unter des Prinzen persönlicher Verwendung die Beförderung an ein höheres Gericht, konnte aber in Ermanglung der Qualifikation nicht begutachtet werden und mußte einem Tüchtigeren nachstehen. Bomhard mußte nun längere Zeit die Ungnade des bis dahin gegen ihn stets wohlwollenden und gütigen Herrn lebhaft empfinden, bis er durch eine offene Vorhaltung des Prinzen Gelegenheit fand, diesem Rede zu stehen und die zwingende Notwendigkeit seiner Maßnahmen eingehend darzulegen. Der Prinz dankte ihm unter Handreichung für die offene Aufklärung mit dem Hinzufügen, daß er sich freue, sich überzeugt zu haben, daß Bomhard doch richtig gehandelt habe. Wiederholt kam Bomhard in die für ihn recht peinliche Lage, Wünschen und Bestrebungen ihm freundschaftlich Nahestehender nicht willfahren zu können, ja diesen entgegentreten zu müssen. Sichtliche Entfremdung früherer Freunde war oft die für ihn schmerzlich fühlbare Folge. Dafür, daß er sich in seinen pflichtgemäßen Entschließungen durch derlei Rücksichten und Erfahrungen nicht beirren ließ, mögen nachstehend anzuführende Vorkommnisse zeugen. Schon bald nach Übernahme des Justizministeriums erkannte er die Notwendigkeit einer Änderung im Personalreferate. Dazu bot die eingetretene Erledigung der Stelle des Generalstaatsanwalts am Obersten Gerichtshof die geeignetste Gelegenheit. Bomhard führte daher die Beförderung des Personalreferenten an diese Stelle herbei, auf welche dieser bei seiner sonstigen hervorragenden Tüchtigkeit allen begründeten Anspruch hatte. Hierdurch fühlte sich aber ein anderer Kandidat, mit welchem
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Bomhard aus alter Dienstzeit her sehr befreundet war, schwer enttäuscht und verletzt. Er überhäufte Bomhard mit Vorwürfen und zeigte sich fortan als erbitterter Gegner, auch dann noch, als ihn Bomhard mit einer ihn hoch auszeichnenden gesetzgeberischen Kommission b e t r a u t hatte. Als tiefe Kränkung seines Freundschaftsgefühls empfand Bomhard das Verhalten eines alten Freundes und langjährigen Mitarbeiters in verschiedenen Gerichtsinstanzen. Seinem Wunsche entsprechend war dieser von der Stelle eines Rates am Obersten Gerichtshofe auf eine höhere Justizstelle in der Provinz befördert worden. Schon nach wenigen Wochen wurde Bomhard durch einen, beiden gemeinsamen Freund die Mitteilung, daß jener durch die Verhältnisse am neuen Wohnort so verstimmt sei, daß er es dort nicht aushalten könne. Bomhard solle Verfügung treffen, daß er wieder in seine vorige Stelle in München eintreten könne. Die eindringlichsten Vorstellungen über die Untunlichkeit einer solchen Maßnahme fanden kein Verständnis, und trotz aller Abmahnung wurde ein Gesuch um Zurückversetzung eingereicht. Schon hatten sich einzelne Organe der Fortschrittspresse der Sache bemächtigt und diese zu einem Angriff gegen Bomhard ausgebeutet unter der unwahren Behauptung, Bomhard habe dem, in seiner politischen Richtung als Landtagsabgeordneter als ultra konservativ und reaktionär bekannten Freunde die Unterstützung seines Rückversetzungsgesuches zugesagt. Auf Bomhards Antrag wies der König das Versetzungsgesuch ab; der E r n a n n t e mußte an den von ihm bereits verlassenen Amtssitz zurückkehren. Dort legte er ein so eigentümliches Benehmen an den Tag, daß seine F r e u n d e nunmehr unter Hinweis auf eine scheinbare Geistesstörung auf E n t h e b u n g von der neuen Stellung und Zurückversetzung drängten. Es kam zu einer Beobachtung und Begutachtung durch zwei hervorragende, in öffentlichem Dienste stehende Ärzte,
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welche die volle körperliche und geistige Fähigkeit des Ernannten zum Antritt der Stelle feststellten. Dieser erfolgte, und damit nahmen alle Weiterungen ein Ende. Auf den über den ganzen Vorgang erstatteten Bericht erging eine »Allerhöchste Entschließung« des Königs, welcher den vollen Beifall zu Bomhards Maßnahmen und große Befriedigung über den Erfolg aussprach, der — »durch Ernst und Festigkeit erzielt — zur Wahrung einer angemessenen Stellung der Regierung geführt habe«. Bei Neubesetzung einer Appellationsgerichtspräsidentenstelle kamen zwei Kandidaten in Frage, von denen der eine Bomhard nach mehrjährigem Zusammenwirken an demselben Gerichtshofe freundschaftlich nahe stand. Bomhards persönlicher lebhafter Wunsch wäre dahin gegangen, diesen, ihm sympathischeren, vor einem anderen Bewerber in Vorschlag bringen zu dürfen. Nach gewissenhafter Erwägung aber glaubte er in Übereinstimmung mit dem Personalreferenten zu der Überzeugung gelangen zu müssen, daß dieser nicht die Erfordernisse eines Appellationsgerichtspräsidenten, voll umfassende Befähigung für die Leitung der Geschäfte, und am wenigsten die Gabe der für diese Stelle erforderlichen Repräsentation besitze, während der andere Bewerber diese Anforderung neben dem Vorzug des höheren Dienstalters in vollem Maße erfüllte. So sah sich Bomhard genötigt, diesem den Vorzug vor seinem Freunde zu geben, auch auf die Gefahr hin, daß er nicht nur diesen sich entfremden, sondern auch einen mit dem Bewerber in nahem Verwandtschaftsverhältnis stehenden Ministerkollegen tief verstimmen werde, dessen Gegnerschaft er denn auch später schwer zu empfinden hatte 1 ). *) »Es ist lich so treiben
Vgl. hiermit: Hohenlohe, Denkwürdigkeiten I. Bd. S. 176: wahr, daß Pfistermeister und Lutz den König absichtisoliert haben, um ungestört ihr Protektionswesen zu in Gemeinschaft mit Pfordten und Bomhard.«
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13. Abschnitt. Das Jahr 1866. Die Erfolge der deutschen Bundesexekution gegen Dänemark um Schleswig-Holstein in der ersten Hälfte des Jahres 1864, insbesondere des siegreichen Eingreifens der preußischen Waffen, hatten zur Erfüllung des heißen Sehnens des deutschen Volkes, zur Befreiung der Elbherzogtümer von der Dänenherrschaft geführt. Der König von Dänemark hatte allen Rechten auf sie zugunsten des Kaisers von Österreich und des Königs von Preußen entsagt. Die Frage der Herrschaft über jene blieb aber damit vorerst unentschieden. So sollte, nachdem der gemeinsame Kampf gegen den Dritten die beiden deutschen Großmächte einander genähert hatte, der Streit darüber, wem der Siegespreis zufiele, den langjährigen Dualismus der beiden bis aufs äußerste steigern und schließlich zur Entscheidung über die Vorherrschaft in Deutschland führen. Die Politik Preußens verfocht den in einem Schreiben Bismarcks an die österreichische Staatskanzlei zum Ausdruck gelangten Standpunkt, »daß die Herzogtümer nicht imstande seien, dem ersten, mit nachhaltiger Macht geführten Stoß einer fremden Macht zu widerstehen, wie die Erfahrungen der Jahre 1848 und 1849 gezeigt hätten. In ähnlicher Weise werde für Schleswig-Holstein, wenn es nur auf seine eigene Kraft angewiesen sei, immer die Gefahr bestehen, daß das Herzogtum Schleswig im ersten Ansturm verloren gehe. Die Folge würde sein, daß der Feind dort eine feste, sehr gefährliche Operationsbasis gewänne und Preußen genötigt wäre, das Land mit großen Opfern wieder zu erobern, wie dies schon geschehen. Dieser Gefahr, der sich Preußen nicht aussetzen dürfe, könne nur vorgebeugt werden, wenn die in SchleswigHolstein vorhandenen Streitkräfte und militärischen Ein-
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richtungen in einem organischen Zusammenhang mit den preußischen sich befänden, wenn die Herzogtümer in militärischer Beziehung einen integrierenden Teil des eigenen Verteidigungssystems Preußens bilden und dieses daher in der Lage sei, einem ernsten Angriff schon dort zu widerstehen und ein Festsetzen des Feindes daselbst zu verhindern«. Man stützte sich preußischerseits auch weiter darauf, daß sich Preußen durch hervorragenden Anteil seiner Truppen an Kampf und Sieg ein besonderes Anrecht auf eine enge Angliederung der Lande erworben habe, eine solche Stärkung Preußens im Norden Deutschlands für des letzteren Handel und Verkehr großen Vorteil erwarten lasse. Man erachtete es für selbstverständlich, daß sich das Verhältnis der Herzogtümer zu einem, der preußischen Oberherrschaft über Norddeutschland günstigen gestalten, daß deren Wehrkraft mit der Preußens verbunden werde. Im Verfolge trat denn auch die preußische Regierung mit bestimmten Ansprüchen, insbesondere auf einzelne territoriale Abtretungen hervor. Mag nun auch auf ihrer Seite die Absicht einer Einverleibung der Herzogtümer nicht von vornherein bestanden haben, so trat der Gedanke an eine solche doch in die Erscheinung, als Preußens Forderungen auf Widerspruch, und namentlich auf das Widerstreben des Prinzen Friedrich von Augustenburg, des Prätendenten, stieß. Seinen Ansprüchen zu begegnen, beauftragte die preußische Regierung ein Kollegium preußischer Rechts- und Staatsrechtsverständiger, die Kronjuristen, mit der Ausarbeitung eines Gutachtens. Der Bescheid derselben ging dahin, daß die Erbfolge in den Herzogtümern durch das dänische Thronfolgegesetz vom Jahre 1853 in rechtsgültiger Weise geregelt worden, der König Christian IX. befugt gewesen sei, die ihm gebührenden Rechte an die Kronen Preußen und Österreich zu übertragen; daher alle Ansprüche des Prinzen von Augustenburg hinfällig seien. Dabei wurde weiter auf das Recht der Eroberer hingewiesen; dieses
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habe die Inhaber der vom Besiegten ihnen übertragenen Herrschaft der Rechenschaft über ihre Maßnahmen bezüglich der Herzogtümer jedem Dritten (auch dem Bundestag) gegenüber überhoben. Gegen die preußischen Forderungen erhob sich fast allseitiger Widerspruch. Auf Seiten der österreichischen Regierung stand fest, daß Preußen durch die Herzogtümer eine Mehrung seiner Macht nicht gewinnen dürfe; Österreichs Interessen und Absichten gingen vielmehr dahin, in den Provinzen einen, auf österreichischer Seite stehenden und deren Politik in der Bundesversammlung unterstützenden Staat erstehen zu sehen. Die Bevölkerung der Herzogtümer und mit ihr übereinstimmend die große Mehrheit, ja nahezu die Gesamtheit des deutschen Volkes erblickte in dem Prinzen Friedrich von Augustenburg ihren rechtmäßigen, nach dem Tode Friedrichs VII. kraft Erbrechts zum Thron berufenen Fürsten. Ein aus Vertrauensmännern der Herzogtümer und Mitgliedern des preußischen Abgeordnetenhauses zusammengetretener Ausschuß räumte einen Teil der preußischen Forderungen ein, nämlich soweit sich diese auf die Verfügung über die schleswig-holsteinischen Wehrkräfte für den Kriegsfall, auf die Sicherung der deutschen Grenzen, Eintritt der Herzogtümer in den Zollverein, Anlegung eines Nordostsee-Kanals bezogen. Die weitergehenden Forderungen wurden, als mit der staatlichen Selbständigkeit des Landes und seines Fürsten — welche nach dem Verlangen Österreichs und der Mittelstaaten aufrecht erhalten werden sollte —, auch als mit dem Selbstbestimmungsrecht des Landes unvereinbar, abgelehnt. Der Konflikt wuchs mit der Stärke und Heftigkeit der Geltendmachung der sich gegenüberstehenden Standpunkte und Forderungen. Man begann auf beiden Seiten zu rüsten. Auch an einzelne Bundesstaaten erging im Gefolge eines unter dem Vorsitz des Kaisers von Österreich gehaltenen Kriegsrats die Aufforderung zur Mo-
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bilisierung der betreffenden Bundeskorps und Aufstellung im Verband der österreichischen Armee. Diese Maßnahme beantwortete Preußen mit den Einleitungen zum Abschluß eines Bündnisses mit Italien, welches nun gleichfalls zu rüsten begann. Die gegenseitigen Abrüstungsaufforderungen blieben erfolglos; die Rüstungen des einen und des andern Teils nötigten zu immer weiteren Steigerungen. Das deutsche Volk im Süden und Norden wollte von einem drohenden Bruderkrieg nichts wissen; mit banger Sorge sah man bei einem solchen der Einmischung Frankreichs entgegen, von welcher man die Gefahr des Verlustes deutscher Gebietsteile am linken Rheinufer befürchten mußte. Hatte doch im Mai 1866 Napoleon III. dem preußischen Minister v. Bismarck den Abschluß eines Offensiv- und Defensivbündnisses vorgeschlagen, in dessen Gefolge an Frankreich als Gegenleistung Teile Rheinpreußens, der Pfalz und Rheinhessens abgetreten werden sollten, und schloß dann Napoleon nach gleichzeitigem Unterhandeln mit Österreich und nach dem Scheitern seiner Vorschläge an Preußen einen Vertrag mit Österreich gegen Preußen ab. Auch das preußische Volk, dessen Vertretung im Abgeordnetenhaus seit Jahren gegen Bismarck und seine Politik in heftiger Opposition stand, war zu einem großen Teil der Annexion der Herzogtümer und dem Kriege abgeneigt; am königlichen Hofe selbst boten dem König nahestehende Familienglieder allen Einfluß auf, diesen von einer Kriegserklärung zurückzuhalten. Wie schwer dem König die Entscheidung wurde, läßt eine Äußerung Bismarcks erkennen, daß es ihn furchtbare Kämpfe gekostet habe, den König zur Uberzeugung zu bringen, »daß wir schlagen müssen«. Der König ließ sich überzeugen, und der Krieg war beschlossene Sache! An die Mitglieder des Bundes erging die Anfrage von seiten Preußens, ob Preußen im Falle eines Angriffs
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Österreichs auf ihren Beistand rechnen dürfe. Als dann Preußen in der Bundestagssitzung vom 9. April 1866 den Antrag gestellt hatte, eine aus direkten Wahlen und allgemeinem Stimmrecht der ganzen Nation hervorgehende Versammlung zusammenzuberufen zur Entgegennahme und Beratung der Vorlagen der deutschen Regierungen über eine Reform der Bundesverfassung, da trat an die Bundesstaaten und somit auch an die bayerische Regierung die Notwendigkeit heran, entscheidende Beschlüsse zu fassen und in dem aufs äußerste zugespitzten Konflikte Stellung zu nehmen. Hierzu kam es in der denkwürdigen Ministerratssitzung vom 9. Mai 1866. In dieser wurde beschlossen, die Einberufung des Landtags zu veranlassen zur Bewilligung der Mittel zur Rüstung und Einberufung des Heeres, um womöglich mit einer Armee von 140 000 Mann in Aktion treten zu können. Die Frage einer bewaffneten Neutralität wurde mit allen gegen e i n e Stimme verneint. Bomhards Erklärungen hierzu gingen nach den von ihm vorliegenden Aufzeichnungen wörtlich dahin: »Die bewaffnete Neutralität beruht auf einem idealen Standpunkte. Man denkt sich, nun wird die lange schwebende Frage des Dualismus in Deutschland entschieden; soll Österreich ferner in Deutschland bleiben und obenan stehen, oder tritt Preußen an seine Stelle. Warten wir in bewaffneter Neutralität ab, für wen das Waffenglück entscheidet und wenden wir uns dann der siegreichen alten oder der aufgehenden neuen Sonne zu, ohne Opfer gebracht zu haben I — Man weiß auch nicht, was Frankreich tun wird; unsre Rheinprovinz steht auf dem Spiele. Österreich hat durch seine elende reaktionäre päpstliche Politik seinen Feinden trefflich in die Hände gearbeitet — Preußen Repräsentant einer höheren Intelligenz — Protestantismus — ist prächtig gerüstet und setzt alles daran, die Suprematie in Deutschland zu erringen I — Also ideal ist jener Standpunkt ganz bequem und ganz
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schön — aber praktisch und ehrenhaft ist die Neutralität nicht und war es niemals gewesen. Der Neutrale wird immer von beiden Seiten verachtet und mit Mißtrauen behandelt und muß, wenn alles zu Ende, zusehen, wenn die andern ihre Angelegenheiten ordnen, muß über sich ergehen lassen, was diese beschließen. Also mitgehen!« Nach Bomhards Aufzeichnungen hat der Ministerrat einstimmig beschlossen, auf die Seite Österreichs zu treten; es werden dort als Entscheidungsgründe für diese Entschließung angeführt: Das Eintreten Österreichs für das Durchdringen des Bundesrechts in Schleswig-Holstein, das aggressive, den Frieden gefährdende Vorgehen und zugleich die hierdurch hervorgerufene Isolierung Preußens. Eine spätere Tagebuchaufzeichnung spricht sich über jene Entscheidung folgendermaßen aus: »Wenn wir damals beschlossen hätten m i t Preußen zu gehen, würden wir von allen Seiten mit Kot beworfen worden sein: ,Ist's wahr, habt ihr beschlossen mit Preußen zu gehen ?' wurde ich zornerregt von dem und jenem angegangen; ,nur um Gotteswillen nicht mit Preußen,' riefen andere. Wären wir nicht ohnehin alle von dem Gefühl durchdrungen gewesen, daß wir auf der Seite des Bundesrechts gegen den Angreifer stehen müssen — die unzweideutig kundgegebene öffentliche Meinung würde uns auf dieselbe Seite g e z w u n g e n und gedrängt haben, die wir nach reiflicher Überlegung wählten. — Als aber alles vorüber, Österreich, das — wie man zu spät erfuhr — nicht einmal gehörig gerüstet hatte (Benedek hatte den Kaiser um alles gebeten, den Krieg nicht ausbrechen zu lassen, da man nicht vorbereitet sei), nun elend niedergeworfen war, da hatten es alle besser gewußt, ,das hätten wir euch voraussagen können, daß es so kommen werde' usw. Kurz: als Preußen den Erfolg hatte, da hatte es nach allgemeiner Anschauung auch das , R e c h t ' , und wer, seiner früheren Rechtsansicht treu, den Erfolg nicht anbetete, der war ein ,Feind Deutschlands', ,ein Ultra-
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montaner'; Bismarck, in der . . . . Offenheit seines Machtbewußtseins, klagte es uns (von der Pfordten) geradezu ins Gesicht:,Euer Fehler war, daß ihr z u ehrlich wäret!'« 1 ) »Der Erfolg ist immer offenbar, die Absicht aber niemals klar; drum wird man in allen Menschengeschichten, immer nur nach dem Erfolge richten!« Lange schwankten die Verhandlungen zwischen den sich gegenüberstehenden Mächten, Österreich und Preußen, hin und her. Von der Pfordtens Vermittlungstätigkeit hatte von Seiten Österreichs das Zugeständnis erreicht, an Preußen den Mitvorsitz im Deutschen Bunde zu gewähren und e i n e n Tag vor Preußen abzurüsten. Noch am 22. Mai schien Bomhard sich der Hoffnung auf friedliche Beilegung hinzugeben, denn er schrieb damals anläßlich der Beförderung eines Sohnes zum Offizier: »Möge er niemals für anderes als für des Vaterlandes Recht und Freiheit gegen den außerdeutschen Feind zu kämpfen haben; nur keinen Kampf gegen deutsche Brüder! Gott allein kann das Vaterland schirmen, also den Mut nicht verloren; Ruhe jetzt und Besonnenheit — Gottvertrauen für Wahrheit und Recht 1« Die Lage wurde aber — auch durch Frankreichs schwankende Haltung — immer bedrohlicher. Nach Preußens Austritt aus dem Deutschen Bund am 14. Juni stand am 16. Juni die Gewißheit des Ausbruchs des Kriegs, des Kriegs Deutscher im Bunde mit dem Italiener gegen Deutsche fest. Als dann allmählich die für Bayern ungünstigen Berichte einliefen, schrieb Bomhard: »Ich sah es wohl, daß dieser Teil unsres staatlichen Daseins schlecht bestellt war, aber dennoch darf man nicht zu ängstlich sein. Würde man theoretisch den Gang der Weltgeschichte ins Auge fassen, wie sie oder vielmehr die Vorsehung immer x
) Vgl. »Graf Otto v. Bray-Steinburg, Denkwürdigkeiten aus seinem Leben«. Leipzig, Verlag von S. Hirzel 1901 S. 102/103.
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wieder dem geistigen Fortschreiten, wenn auch oft über Leichen und rauchende Trümmer, den Sieg verschafft, so möchte man wohl glauben, Preußen müsse als Repräsentant höherer Intelligenz und protestantischer Aufklärung gegenüber Österreich, dem Vorkämpfer eines finstern Ultramontanismus, den Sieg gewinnen; es mag wohl so kommen, denn schon hat ja die Vorsehung die Geschicke der Völker so geleitet, daß es schien, als ob sie dem Unrecht den Sieg verleihe, und welcher von den bestehenden Staaten hätte nicht einen solchen Flecken seiner Geburt zu tragen!? Dennoch, selbst mit der sicheren Aussicht des Unterliegens, kann der rechtlich denkende und fühlende Mann, wie auch eine redliche Regierung die Partei in diesem Kampfe nur g e g e n Preußen ergreifen, weil dort der Rechtsbruch mit den Mitteln der Vergewaltigung gegen das eigene Volk, gegen die schleswig-holsteinschen Herzogtümer, gegen Hannover, Kurhessen, Nassau ins Werk gesetzt wurde, j a sogar mit Hilfe des Auslandes gegen deutsche Bruderstämme. — So m e i n e Anschauung, m e i n GefühlI« Verlauf und Ausgang des Krieges bedürfen hier keiner näheren Erörterung. Von Bomhards Bestreben und Wirken zur Erleichterung der Lage der durch die Kriegsnöte bedrängten Beamtenfamilien im Bereich des Kriegsschauplatzes ist bereits früher berichtet worden. Herzbewegend und von tiefem Gemüte zeugend sind Bomhards Aufzeichnungen bei Empfang der Nachricht von der schweren Verwundung eines Sohnes, über dessen Aufsuchung und Auffinden auf dem Kriegsschauplatze. Zu seiner Freude wurde der bereits Totgesagte bald wieder hergestellt. (Er hat später den Krieg gegen Frankreich mitgekämpft und ist in den zahlreichen ruhmvollen Schlachten der bayerischen Armee unversehrt geblieben und mit dem Eisernen Kreuz geschmückt zurückgekehrt.) Die nach Bayerns Niederlage von Preußen anfangs gestellten Forderungen waren sehr weitgehend. Am
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12. August wurde dem Ministerrat die Alternative gestellt: Ob den Krieg fortsetzen — dies wurde für unmöglich erkannt — oder: A b t r e t u n g von Teilen Bayerns am Inn zum Vorteil Österreichs, wogegen dieses Preußen einen Teil von österreichisch Schlesien versprochen h a t t e ; dieses Ansinnen wurde mit E n t r ü s t u n g zurückgewiesen; »lieber ehrenvoll untergehen« — oder aber Abtretung eines Teils der Pfalz, der Rhön, eines Landstrichs zwischen Hof bis unterhalb Kulmbach, nebst einer ganz beträchtlichen Kriegskontribution an Preußen! Hilfe von Frankreich zu verlangen wurde einstimmig verschmäht, dagegen der Versuch in Erwägung gezogen, Frankreich zu wohlwollender Vermittlung zu bestimmen. Im Laufe des Tages kam ein Telegramm von der Pfordtens aus Nikolsburg, dem preußischen Hauptquartier: »La Françe n'a rien fait pour nous; mais elle demande le Rhin! Möns, le ministre de la Prusse est en conséquence plus conciliant; il a parlé d'une alliance intime avec Bavière. Doit on cultiver cette idée ? Je le conseille — parce que la Françe est perfide et une alliance nationale satisferait toutes les parties!« Mit großer Befriedigung empfiehlt der Ministerrat dem König einstimmig die Bejahung der Anfrage. Bomhard schreibt dazu: »Gott sei's gedankt, wenn es dazu kommt. Ein gemeinsamer Krieg gegen den Erbfeind wird die deutsche Nation heilen; der nationale Aufschwung wird wiederkehren; die Brüder schlagen sich — gegen den Dritten sind sie einigl« Auch die a m 20. August von Freiherrn von derPfordten und dem Gesandten Grafen Bray eingetroffene telegraphische Anfrage: »Pouvons nous signer une alliance avec la Prusse qui nous garantit notre intégrité de territoire. Même si nous devons céder de territoire ?« wird vom Ministerrat einstimmig bejaht. Bomhard wird von diesem beauftragt, dem auf Schloß Berg am Starnbergersee weilenden König über Anfrage und Entscheidung des Ministerrats Vortrag zu erstatten und seine Zustimmung E d . T. B o m h a r d , Ein Lebens- u. Charakterbild.
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zu dieser einzuholen. E r findet den König in großer Erregung und Verwunderung über König Wilhelms Härte gegen Bayern. Bomhard hält demgegenüber nicht zurück mit seiner Ansicht, daß diese auf einer nicht ohne Grund gegen ihn, den König, bestehenden Empfindlichkeit beruhe, weil er ihn — König Wilhelm — seinerzeit in Hohenschwangau nicht empfangen habe. In der Vortragsaudienz kam auch die, bereits im Ministerrat erörterte Frage der Heranziehung französischer Hilfe zur Sprache; zu dieser führte Bomhard dem König gegenüber nach seiner wörtlichen Aufzeichnung folgendes aus: »Abgesehen, daß es dazu längst zu spät wäre, stellte ich dem König die Verwerflichkeit einer solchen Hilfe dar; das ganze bayerische, das deutsche Volk würde sich mit Abscheu von solcher Bundesgenossenschaft abwenden, kein bayerischer Minister sich zur Unterschrift hergeben, ich selbst wäre der erste, der sein Portefeuille zu Eurer Majestät Füßen legen würde; der Verlust der Pfalz würde der Preis solcher Hilfe sein; ich erinnerte den König an seines Großvaters Ludwig I. ausgesprochen deutsche Gesinnung: »Keine Scholle deutscher Erde darf preisgegeben werden.« Nach mehrstündiger Audienz gab der König seine Zustimmung, nicht ohne Bomhard noch ausdrücklich gefragt zu haben, ob er auch für sich persönlich der Ansicht des Ministerrats, ob er nicht als Protestant doch etwas preußenfreundlich sei, worauf dieser erwiderte, daß er bei aller Gegnerschaft gegen Preußens Gewalt- und Annexionspolitik keinen andern Weg kenne als diesen, der auch der einzige in deutschem Interesse sei. — Noch an demselben Abend ging die zustimmende Antwort an von der Pfordten ab, deren Inhalt die wesentliche Grundlage des geschlossenen Friedens bildete. Noch an d e m s e l b e n A b e n d m u ß t e B o m h a r d in der Z e i t u n g » F r ä n k i s c h e r K u r i e r « , e i n e m in N ü r n b e r g e r s c h e i n e n d e n d e m o k r a t i s c h e n B l a t t e , l e s e n , d a ß er zu d e n
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wenigen A u s n a h m e n der Bureaukratie Münchens gehöre, welche den Anschluß B a y e r n s an F r a n k r e i c h f ü r a n g e z e i g t e r a c h t e t e n ! — Auf eine Berichtigung, wie er gerade im entgegengesetzten Sinn gewirkt und sich sogar einen leisen Argwohn des Königs zugezogen hatte, mußte er natürlich verzichten. Sein hierüber tief verletztes Gefühl hat er in seinem Tagebuch in dem Ausruf ergossen, »was hat der Staatsmann qualvoll und schweigend zu erdulden! Doch ein Trost ist das gute Bewußtsein!«
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Anfeindungen und Kämpfe. Ministerkrisis. Bomhards Ausscheiden aus dem Ministerium. Bomhard verhehlte sich schon bei Übernahme des Justizministeriums keineswegs die Schwierigkeiten seiner Aufgabe; er war sich darüber klar, daß sein Weg ein dornenvoller sein werde. Fiel doch seine Verwaltung in eine, schon an sich für jedes Staatswesen schwierige Zeit — die eines Thronwechsels. Eine Reihe schwieriger Fragen stand auf der Tagesordnung — ins Auge gefaßt, teils von den Kammern, teils vom Monarchen; von diesem zur Herbeiführung eines »festeren Regiments« mit der Erwartung der Besserung der Lage, der Eindämmung der dem König offenbar zu weit gehenden fortschrittlichen Strömung 1 ). König Maximilian II. hatte das als reaktionär und polizeiregimentlich verschrieene Ministerium Freiherr von der Pfordten — Graf Reigersberg, auf den Rat des ersteren selbst, entlassen und durch das Ministerium v. Neumayer und Freiherr v. Mulzer ersetzt. l
) S. Abschnitt 11, das Bomhard vorgelegte Programm.
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Mit diesem wurde unter der Signatar »ich will Friede haben mit meinem Volke« — ein Motto, welches nach einer Mitteilung von der Pfordtens auf dessen Rat und eigene Erfindung zurückzuführen ist — eine Ära eröffnet, welche unter den Nachwirkungen der französischen Revolution im Jahre 1848 sich nach und nach zu einer mehr als freisinnigen gestaltete und deren Ansprüche immer begehrlicher und überstürzender wurden. In neuerer Zeit, nach der Thronbesteigung des jungen Königs, traten dann in der Abgeordnetenkammer in der damaligen fortschrittlichen Partei unter den Fahnen der gleichgesinnten Presse Tendenzen hervor, welche dabin zielten, Nutzen aus dem Mangel an Erfahrung des königlichen Jünglings für die Parteibestrebungen zu ziehen und ihm immer weitergehende Konzessionen und Schmälerungen seiner verfassungsmäßigen Kronrechte abzuringen; dazu suchte man ihn durch ungemessene Glorifizierung für die sog. freiheitliche Richtung zu gewinnen. Wer nicht mit diesen Tendenzen übereinstimmte oder vollends den immer weitergehenden Anträgen entgegen-, für Aufrechterhaltung der Rechte der Krone, Beibehaltung der konstitutionellen Garantien des Staats eintrat, der galt als reaktionär und mußte »unschädlich« gemacht werden. Zu ihnen gehörte auch Bomhard, der sich jenen Bestrebungen widersetzte und im Sinne eines weise maßvollen Fortschrittes in Wort und Tat mit seinen Anschauungen nicht zurückhielt. Dementsprechend stand er auf Seiten des am 12. Dezember 1864 neuerdings zum Minister des Kgl. Hauses und des Äußern ernannten Dr. Frhrn. von der Pfordten, 1 ) den er in seinem Widerstand gegen die, von gewissen Regierungskreisen mannigfach gezeigte Nachgiebigkeit gegenüber fortschrittlichen Anträgen der Abgeordnetenkammer unterstützte. ' ) v. d. Pfordten war mittlerweile herrnstand erhoben worden.
in den erblichen Frei-
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Minister von der Pfordten, dessen Berufung schon an und für sich als Zeichen von Reaktionsgelüsten aufgefaßt wurde, hatte sich überdies alsbald durch die von ihm mit großer Energie durchgesetzte Entfernung Richard Wagners aus der Umgebung des Königs mit des Königs Unmut auch die erbitterte Gegnerschaft der Anhänger und politischen Gesinnungsgenossen Wagners zugezogen. Bomhards freundschaftliche Beziehungen zu von der Pfordten (s. oben Abschnitte 2 und 11) blieben nicht unbekannt; es konnte nicht ausbleiben, daß er als Förderer der »reaktionären Ära« von der Pfordten betrachtet wurde. Seine, auf Hebung der Rechtspflege durch ernstere Beamtendisziplin gerichteten Maßnahmen riefen begreiflicherweise leidenschaftliche Erregung weiter demokratisch gesinnter Kreise, heftigen Widerstand eines Teils der Justizbeamten hervor und wurden als reaktionäre, die richterliche Unabhängigkeit gefährdende Bestrebungen gedeutet. Die Früchte und Segnungen seines Wirkens wurden erst später unter seinen, nach gleichen Grundsätzen verfahrenden Nachfolgern v. Lutz und v. Fäustle anerkannt und gewürdigt. Von den auf seine Beseitigung bedachten Widersachern aber wurde als schweres Geschütz in den parlamentarischen Kampf geführt, jene Maßnahmen als reaktionäre Bestrebungen zu kennzeichnen! Für Bomhard war seine persönliche Stellung in dem Gesamtministerium bei seinem Eintritt eine nicht gerade günstige. Die Enthebung des Vorgängers, Frhrn. v. Mulzer, deren Grund und Ursache nur in eng eingeweihten Kreisen bekannt war, kam sehr unerwartet. Sie machte einen verstimmenden Eindruck beim größeren Publikum, ganz besonders aber bei v. Mulzers Anhängern, Gesinnungsgenossen, auch wohl bei seinen Kollegen, einem weiten Kreis hoher Beamten, die gesellschaftlich mit ihm und untereinander verbunden und von großem Einflüsse in den verschiedenen Regierungs- und Gesellschaftskreisen
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Münchens waren, v. Mulzers Ersetzung durch eine in diesen Kreisen unbekannte, wie ein Eindringling aus der Ferne kommende Persönlichkeit, mußte unangenehm berühren und nachteilig für des Nachfolgers Beurteilung wirken, zumal durch die Wahl in der Person des letzteren in jenen Kreisen vielleicht auch noch vorhandene eigene Wünsche und Hoffnungen vereitelt wurden. So liegt es nahe, daß der »Neuling« »scheel« angesehen, nicht gerade freundlich aufgenommen wurde. In späterer Folge mußte Bomhard auch aus hohen und höchsten Hofkreisen heraus Verstimmung und Mißstimmung fühlen wegen seiner mehrfach gezeigten Unzugänglichkeit gegenüber persönlichen Wünschen, denen zu willfahren er mit seiner Pflicht sehr oft nicht zu vereinbaren vermochte 1 ). Gleichwohl hatten sich im Laufe des Zusammenwirkens, auch nach der Berufung von der Pfordtens, die Beziehungen Bomhards zu einzelnen seiner Ministerkollegen angenehm, j a zum Teil freundschaftlich gestaltet. Dann traten aber tief eingreifende, ja schmerzliche Veränderungen ein. Im Januar 1866 starb der von Bomhard hochgeschätzte, wie dieser selbst maßvoll liberal und staatserhaltend, ihm also gleichgesinnte Kultusminister v. Koch. Im Juli 1866 wurde der, ebenso mit Bomhards politischer Richtung übereinstimmende Finanzminister v. Pfeufer aus seiner Stellung verdrängt. Ihm folgte im Finanzministerium der bisherige Handelsminister v. Pfretzschner, welcher durch den Direktor der bayerischen Ostbahnverwaltung, Dr. v. Schlör, ersetzt wurde. Dieser war zweiter Präsident der Abgeordnetenkammer und als Führer der sog. Mittel partei — einer Gruppe der Fortschrittspartei — ein einflußreiches Mitglied dieser Partei und der Kammer. Ihn glaubte Bomhard später durch die pflichtgemäße Behandlung einer Personalfrage *) S. oben Abschn. 12.
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bei Besetzung einer hohen Richterstelle persönlich gegen sich mißstimmt zu haben. In der T a t fand er in ihm in der Folge einen seiner heftigsten Gegner 1 ). Durch diese Veränderungen wurden die ersten Steine » aus dem konservativen Ministerium ausgebrochen, die Bresche gelegt und durch v. Schlörs Eintritt in dieses ward für die fortschrittlichen Neigungen der Abgeordnetenkammer eine namhafte Stütze gewonnen. Auch im Kabinettssekretariat des Königs gingen mit der Zeit eingreifende und wichtige Veränderungen vor sich. Am 5. Oktober 1866 mußte der Jahrzehnte hindurch treu bewährte Ratgeber schon des verstorbenen Königs Maximilian II., Staatsrat v. Pfistermeister, und mit diesem sein Hilfsarbeiter, Appellationsgerichtsrat Lutz, aus dem Kabinettssekretariate ausscheiden. Sie waren in Ungnade gefallen! — Man wird nicht fehlgehen, wenn man dieses Ereignis — wie auch den späteren Austritt von der Pfordtens aus dem Ministerium — in Zusammenhang bringt mit den Machenschaften Richard Wagners und seiner Freunde und Anhänger. Seine Beziehungen zum König, die sich zu einem, diesen in mehr als einer Hinsicht mehr und mehr ganz für sich in Anspruch nehmenden Freundschaftsverhältnis gestalteten, hatten schon lange große Mißstimmung gegen ihn in weiten Kreisen hervorgerufen; in diesen herrschte Übereinstimmung darüber, daß sein Einfluß auf den König ein verderblicher sei, da er ihn zu phantastischer Schwärmerei und träumerischem Nichtstun führe 2 ). Greifbare Anzeichen dafür waren auch schon hervorgetreten; eine schwere Krisis drohte, ähnlich der zu Zeiten der Tänzerin Lola Montez während der Regierung König Ludwigs I. Der Ministerrat mußte auf von der Pfordtens Veranlassung einschreiten und beschloß am 6. Dezember 1865 einstimmig, dem *) S. oben Abschn. 12. *) Vgl. Dr. Th. Puschmann, »eine psychiatrische Studie«, Berlin, B. Behrs Buchhandlung 1873, S. 15, 18 ff., 41 ff., 55 ff.
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König unter Stellung der Kabinettsfrage die Notwendigkeit des Bruches mit Richard Wagner darzulegen. Es erging an ihn wohl infolge dieses geschlossenen Vorgehens, welches in einem Berichte von der Pfordtens an den König diesem die Wahl stellte zwischen der Liebe und dem Glück seines Volkes und der Freundschaft mit Wagner, des Königs Weisung, München und Bayern zu verlassen. Die fortschrittliche Presse aber war es, welche die Sache Richard Wagners leidenschaftlichst vertrat; eine Serie von Artikeln der Münchener »Neueste Nachrichten« (1865, Nr. 333 ff.) enthielten die heftigsten Angriffe gegen das Kabinettssekretariat und gegen Staatsrat v. Pfistermeister, in welchem die Gegnerschaft und der Haß der Anhängerschaft Wagners gegen diesen zutage traten. Die Geschäfte des Kabinetts übernahm der frühere Minister Staatsrat in a. o. D. v. Neumayer. Über diesen Wechsel enthält das Tagebuch folgende Aufzeichnung: »Am 5. Oktober kommt Staatsrat v. Neumayer zu mir und eröffnet mir: Ich muß Ihnen mitteilen, daß ich der neue Pfistermeister bin! Als ich ihm mein Erstaunen ausdrückte, daß er aus seiner wohlverdienten Ruhe sich von seinem tusculum (Miesbach) trennen könne, um d i e s e Stelle zu übernehmen, und daß ich es kaum für Ernst halten könne, eröffnet er mir: daß es Ernst ^pi, und daß er vom König beauftragt sei, mich zu fragen, ob es mir recht sei? Ich antworte: Das wird darauf ankommen, wie sich der neue Pfistermeister zu mir stellt; über den alten hatte ich nicht zu klagen! Er verlangte nun, daß ich ihm meine Meinung offen sage, weil er's dem König anzeigen müsse; worauf ich ihm sagte: Nach meiner Meinung sei Seine Majestät vollständig und, trotz aller gegenteiligen Angriffe in der Presse, berechtigt, sich einen Kabinettssekretär zu halten, soferne er dessen Gehalt auf die Zivilliste über-
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nehme, und sei ebenso völlig ungebunden in der Wahl der Person. — Herr v. Neumayer ging von dieser wohl etwas kühlen Antwort, sichtlich unangenehm berührt, hinweg und scheint auch diesen Eindruck dem König mitgeteilt zu haben, denn dieser frug mich am andern Tage beim Vortrag, was ich denn dem Neumayer geantwortet habe, denn dieser habe eine sonderbare, nicht klare Antwort zurückgebracht. Ich teilte meine Antwort dem König mit und verhehlte ihm auch nicht einige Bedenken. »Die Sache war übrigens schon zwischen dem König und v. Neumayer fertig, und es handelte sich nur noch um die Form.« Was diese betrifft, so sollte dem Neumayer das Amt eines aktiven Ministers (»ohne bestimmtes Portefeuille«) eingeräumt werden. Gegen die Schaffung einer solchen Einrichtung hat sich aber der Ministerrat einstimmig, als mit den Grundsätzen der Verfassung nicht im Einklang, ausgesprochen; so blieb v. Neumayer Staatsrat im außerordentlichen Dienste. Tagebuchaufzeichnung vom 31. Mai 1866: Wir .Minister, seine ganze Umgebung beschwören den König, diesen jugendlichen Adonis, voll Anstand, Schönheit, Geist und Würde, eine Rundreise im Lande zu machen; zum Feste der Wiedervereinigung seines Stammlandes, der Pfalz mit Bayern (6. Mai 1816) zu reisen, wo er ersehnt wird und alle Herzen gewinnen würde, wenn er nur w o 111 e; — er will nicht; er lebt lieber seinen Träumereien, der »Wagnerei« — »die weißgewaschenen Jungfrauen« (die Festjungfrauen) »mag ich nicht!« Er nennt die, welche ihn zu bereden suchen, seine »Dränger, Keuler«! In der Presse aber heißt es: Die Minister sind es, die ihn abhalten, damit er die Wünsche seines Volkes nicht höre, die sich zwischen ihn und die Liebe seines Volkes stellen 1 ). ') S. hierzu Hohenlohe Denkwürdigkeiten Bd. I S. 176.
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Dagegen weitere Tagebuchaufzeichnung vom 10. November 1866: »Der König tritt mit großem Gefolge — G r a f H o l n stein( Oberststallmeister,plötzlich zu h o h e r e i n f l u ß r e i c h e r G u n s t g e l a n g t ) , v. Neumayer, Regierungsrat Baron Feilitzsch (an L u t z ' Stelle im Kabinett) eine Reise nach Franken an. — Der Gedanke ist trefflich; s e i n V o l k soll endlich den hoffnungsvollen, schönen Jüngling, . . . e r soll sein Volk sehen! v. Neumayer hofft auch den König auf diese Weise zu unterhalten, dadurch an Tätigkeit zu gewöhnen — und ohne Zweifel für sich selbst im ganzen Lande Freunde zu erwerben für weitere hohe Geltung und Einfluß. Es werden Titel und Orden mit vollen Händen hinausgeworfen. Es war eine J u b e l r e i s e , denn der König gewann sich, was ihm ein leichtes ist, in Nürnberg, Würzburg, Bayreuth usw. alle Herzen, besonders die der Frauen. Aber der Eindruck hätte ein dauernderer sein können, wenn sie mehr auf innere Anschauungen und Eroberungen und Aneignungen für den König, Menschenund Sachkenntnis, gerichtet gewesen wäre als auf äußeren Prunk.« »10. Dezember — der König kehrt zurück.« »11. Dezember — Lutz bringt mir die Mitteilung, daß der König morgen nach Hohenschwangau geht, und daß — er selbst (nicht Herr v. Neumayer und nicht Baron Feilitzsch) mitzugehen befohlen ist. Herr v. Neumayer ist wieder beseitigt, der König will ihn nicht mehr
Graf
Holnstein
scheint
sich
d a g e g e n in d e r G u n s t d e s K ö n i g s e r h a l t e n z u h a b e n ! — Es geht das Gerücht, Graf Holnstein wirke für sich selbst oder für den F ü r s t e n H o h e n l o h e , zur Beseitigung von der Pfordtens.« v. Pfistermeister war definitiv zurückgetreten, verblieb aber als Staatsrat im ordentlichen Dienst. Lutz war wieder zu voller Gnade gelangt und an Stelle v. Neu-
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Ministerkrisis etc.
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mayer zum Chef des Kabinettssekretariats unter Beförderung zum Ministerialrat ernannt worden. Bomhard hatte ihn über Wasser gehalten. Es hatte sich schon um seine Versetzung an ein Appellationsgericht in der Provinz gehandelt, da zog ihn Bomhard als Beferenten in sein Ministerium, weil er (wie er in seinem Tagebuch notierte) »den tüchtigen Arbeiter nicht zur Seite geschoben sehen wollte, wenn ihn auch der König zur Seite schiebe«. Bomhard schreibt im Tagebuch: »Er versicherte mich, sein Dank für meine Bücksicht auf ihn, und daß ich ihm dieses Zufluchtsplätzchen gesichert, werde niemals erlöschen.« Am Bande steht: »Ob er dies gehalten?!« Nach einigen Monaten ward er Bomhards unmittelbarer Nachfolger 1 ). Am 29. Dezember 1866 erhielt Minister Frhr. von der Pfordten die von ihm erbetene Entlassung. Schon seit längerer Zeit glaubte er mehr und mehr des Königs Abneigung und dessen Absicht zu fühlen, den Fürsten Hohenlohe zu berufen. In der Tat hatte er des Königs Gunst verscherzt. Bomhard war mit von der Pfordtens Auftreten dem König gegenüber nicht immer einverstanden; »er sei zu schroff, unnachsichtlich und schonungslos manchen jugendlichen Fehlern des Monarchen gegenüber gewesen,« was ihm Bomhard oft vorgehalten, was des Königs Mißstimmung gegen ihn erregt und zweifellos sein beklagenswertes Scheiden aus dem Amte zur Folge gehabt habe. Gewiß hatte auch sein energisches ') Aus einem Briefe Lutz' an Bomhard: . . . . Herr v. Neumayer wird Ew. Exzellenz vielleicht zu sprechen suchen, um zu sagen, daß gegen meine Übernahme ins Ministerium k e i n Bedenken obwaltet, wenn er anders Wort hält. Ob Exzellenz darauf achten wollen, muß ich Ihrer Gnade anheimgeben; vom Oberstaatsanwalt bitte ich aber wenigstens einstweilen Herrn v. Neumayer nicht zu sprechen. M ü n c h e n , 9. November 1866. Ew. Exz. dankbarster Diener J. L u t z .
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14. Abschnitt.
Vorgehen gegen Richard Wagner dazu beigetragen, des Königs Unwillen gegen ihn aufs höchste zu steigern und in dem König den dringenden Wunsch zu erwecken, an seiner Stelle einen Minister zu sehen, welcher sich geneigt zeigte, seiner Passion für Wagner nicht entgegenzutreten 1 ). Aber von der Pfordtens Ausscheiden bedeutete nicht n u r einen Wechsel der Personen; die Ursachen lagen tiefer. Sie waren gegeben durch die Wandlung, welche nach dem Kriege in der politischen Lage, in der öffentlichen Meinung weiter Kreise eingetreten war. Wenn auch die Charaktergegensätze und die daraus sich ergebenden, mehr äußerlichen und vielfach auf Vorurteil beruhenden Stimmungsgegensätze zwischen süddeutscher und norddeutscher, namentlich preußischer Bevölkerung anhielten, so ward doch nach den Entscheidungen des Krieges die vorher allgemein herrschende haßerfüllte Stimmung gegen Preußen wesentlich herabgemindert und vielfach durch andere Anschauungen verdrängt. Hierzu hatte nicht wenig in den vom Krieg betroffenen Gegenden die disziplinierte Haltung der preußischen Truppen, hatte ferner beigetragen die Mäßigung Preußens in seinen Kriegsentschädigungsforderungen, die begehrliche Haltung Frankreichs mit dem Verlangen nach Kompensation durch Abtretung deutschen Gebietes am Rhein, wogegen Preußen seinen Schutz verhieß; anderseits das schnöde Verhalten Österreichs durch Schließung seines Separatwaffenstillstandes und Separatfriedens. Es machte sich nach den schweren Niederlagen das Verlangen nach einer andern Leitung der Politik, nach Betretung neuer Bahnen im Sinne deutschnationaler Richtung, aber unter entschiedener Anlehnung an Preußen geltend, und Hand in Hand damit in den ausgesprochen fortschrittlichen Kreisen *) Vgl. »Denkwürdigkeiten« des Fürsten Chlodwig v. Hohenlohe-Schillingsfürst (im Auftrage des Prinzen Alexander zu Hohenlohe-Schillingsfürst herausgegeben von Friedr. Curtius; Stuttgart u. Leipzig, Deutsche Verlagsanstalt 1907) Bd. I S. 178.
Anleindungen und Kämpfe.
Ministerkrisis etc.
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nach einem Wechsel der Personen zugunsten einer inneren Politik in entschieden demokratisch-fortschrittlichem Sinn. Die Krisis hatte schon bald nach dem Friedensschluß begonnen. Den Reigen eröffneten die »Münchener Neueste Nachrichten«, welche am 10. Oktober 1866 ein neues Ministerium verkündeten: »von der Pfordten und v. Bomhard müssen a b ; v. Neumayer wird Ministerpräsident, v. Mulzer wieder Justizminister.« In Wirklichkeit waren es aber die Bestrebungen des Fürsten Hohenlohe-Schillingsfürst, welche den Gang der Ereignisse bestimmten, und die Mittel, welche dieser in Bewegung setzte, um das von ihm schon lange ins Auge gefaßte Ziel nach politisch leitender Betätigung in Bayern zu erreichen. Zu diesem Ziele war er gelangt, als ihn der König am 31. Dezember 1866 zum Minister des Kgl. Hauses und des Äußern und zum Vorsitzenden des Ministerrats ernannte 1 ). Fürst C h l o d w i g Karl Viktor zu HohenloheSchillingsfürst, Prinz zu Ratibor und Corvey, entstammt dem alten fränkischen Herrschergeschlecht, dessen Fürstentum im Jahre 1806 durch die napoleonische Rheinbundakte mediatisiert und unter württembergische und bayerische Staatsoberhoheit gestellt wurde. Er war nach Beendigung seiner juristischen Studien in den preußischen Staatsdienst getreten, in welchem er als Auskultator bis zur Übernahme der Standesherrschaft Schillingsfürst verblieb. Nach vorübergehender diplomatischer Betätigung in einer ihm, auf Veranlassung des deutschen Reichsverwesers im Jahre 1848 übertragenen Mission an verschiedene europäische Höfe, nahm er seinen Sitz als Standesherr in der bayerischen Kammer der Reichsräte. Hier vertrat er eine ausgesprochen liberale Richtung, welche ') Angesichts der Veröffentlichungen in den »Denkwürdigkeiten des Fürsten Hohenlohe-Schillingsfürst« glaubte der Verfasser in den Mitteilungen aus Bomhards Tagebuch über die betreffenden Vorgänge sich seinerseits eine Zurückhaltung nicht auferlegen zu sollen.
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14. Abschnitt.
sich namentlich gegen die Politik der Regierung geltend machte, soweit diese mehr nach der österreichischen Seite hinneigte. Fürst Hohenlohes Aufzeichnungen in den im Auftrage seines Sohnes, Prinzen Alexander HohenloheSchillingsfürst, herausgegebenen »Denkwürdigkeiten«1) lassen erkennen, daß er sich schon lange mit dem Gedanken an seine Berufung auf den bayerischen Ministerposten getragen hatte. Schon um das Jahr 1859 hatte er dem König Max II. seine Dienste angeboten, und dann im Jahre 1865 zu gleichem Zwecke eine Annäherung an König Ludwig II. und den Gewinn dessen Vertrauens gesucht. Er nimmt in seinen Aufzeichnungen Notiz von einem Presseartikel, welcher ihm vorwerfe, daß er jedesmal in München erscheine, wenn ein Ministerwechsel bevorstehe. Seine Zeit war nach dem Friedensschluß mit Preußen und mit dem Verlangen der allmählich zu größerer Macht gelangten fortschrittlichen Elemente nach Neugestaltung der Dinge gekommen. Nicht ohne Schwierigkeiten und mancherlei Schwankung in seinen Aussichten hatte er sich durchgesetzt; die »Denkwürdigkeiten« zeugen davon 2 ). Sie enthüllen aber auch die Fäden und die Beziehungen, die er angeknüpft, die Bearbeitung der Presse, die er veranlaßt hat, um seinen Zweck zu erreichen8). So geschieht in einer Aufzeichnung der Eventualität Erwähnung, daß alle Minister ihre Entlassung nehmen würden, wenn er in das Ministerium eintreten würde (nach einer Aufzeichnung Bomhards hat in der Tat der Minister v. Schlör von der Pfordten gegenüber erklärt, »daß e r mit Hohenlohe nicht Minister sein könne«). Mächtige Förderung fand Fürst Hohenlohe zunächst in der Umgebung des Königs, von Seiten des Oberststallmeisters Grafen Holnstein 4 ); nach Hohenlohes eigener ') Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu HohenloheSchi Hingsfürst Bd. I S. 84, 92 f., 137 f. *) cf. Denkw. Bd. I S. 182, 191 Abs. 3. ») »Denkwürdigkeiten« Bd. I S. 178. < O 1-H o < p ta
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Entwicklungsgeschichte Bayerns Von
Dr. M. Doeberl
Professor an der Universität Manchen
I. Band: Von den ältesten Zeiten bis zum westfälischen Frieden 6 2 4 S e i t e n gr. 8°.
G e h e f t e t M k . 12*50, in L e i n w a n d gebunden M k . 1 4 . — in H a l b f r a n z g e b u n d e n M k . 1 4 . 5 0
II. Band: Vom westfälischen Frieden bis zum König Maximilian I. 4 9 6 S e i t e n g r . 8°. G e h e f t e t M k . 1 1 . 5 0 , in L e i n w a n d gebunden M k . 1 2 . 5 0 , in H a l b f r a n z g e b u n d e n M k . 1 3 . 2 0 Wenn je ein Buch einem wirklichen Bedürfnis entgegengekommen ist, so ist dies der Fall bei Doeberls Entwicklungsgeschichte Bayerns. Wie schon im Titel ausgedrückt ist, kommt es Doeberl hauptsächlich darauf an, die Entwicklung Bayerns darzustellen, und zwar nach allen den Gesichtspunkten, welche der historischen Betrachtung Oberhaupt unterliegen. Er will nicht eine Geschichte nur der einzelnen Fürsten geben, nicht nur die kriegerischen oder nur die politischen Ereignisse schildern, sondern er zieht alle inneren und äußeren Erscheinungen, welche das Staatsleben teils bedingen, teils durch dieses hervorgerufen werden, in den Kreis seiner Betrachtung. Das ganze g e w a l t i g e M a t e r i a l i s t von der hohen W a r t e der W i s s e n s c h a f t l i c h k e i t aus ges i c h t e t . Der Eindruck des Buches als eines Ganzen ist zu tiefgehend, als daß man sagen möchte, wo man mehr oder weniger gewünscht hätte. Man f r e u t s i c h , e n d l i c h e i n e p r ä c h t i g e G e s c h i c h t e des A n t e i l s B a y e r n s a n d e r K u l t u r zu b e s i t z e n . Ein warmer nationaler Grundton durchzieht Doeberls Entwicklungsgeschichte, von dem Engeren richtet sich der Blick stets auf das Weitere, auf die Geschichte des deutschen Gesamtvaterlandes. Möge Doeberls Buch weiteste Verbreitung finden und zu erhöhter Pflege der vaterländischen Geschichte beitragen. Allgemeine Zeitung
Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Von
Dr. Heinrich von Sybel Volksausgabe. Dritte Auflage. (Erscheint im November 1913.) Sieben B ä n d e . (Inhaltlich identisch mit der zuerst e r s c h i e n e n e n G r o ß - O k t a v A u s g a b e , die seit m e h r e r e n J a h r e n vergriffen ist.) In L e i n w a n d g e b u n d e n , m i t d e m B i l d n i s des V e r f a s s e r s und ausführlichem Sachregister Mk. 2 5 . — A u f gutes, s t a r k e s P a p i e r g e d r u c k t , in b i e g s a m e m E i n b a n d mit Lederrücken ca. M k . 3 0 . — . . . Wer immer die deutsche Gegenwart verstehen lernen will, der wird gut tun, sich mit dieser grundlegenden Darstellung der Reichsgründung, diesem Volksbuche im besten Sinne, redit gründlich bekannt zu machen. Jeder Deutsche sollte diesem vortrefflichen Werke in seiner Bücherei einen Ehrenplatz anweisen. Wissen . . . Die Persönlichkeit Sybels selber, seine echt nationale Gesinnung und seine ebenso echt freiheitliche Auffassung verleihen dem Werk besondem Anreiz und sichern ihm das dauernde Interesse der Leser. Das deutsche Volk wird, davon sind wir Uberzeugt, mehr und mehr gerade dieses Werk schätzen lernen. Wiesbadener Zeitung