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German Pages 124 [128] Year 1868
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BEHLIN DRÜCK UND V E R L A G VON GEORG REIMER 1868.
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G e s c h l e c h t , welchem E D U A R D G E R H A R D 1 angehörte — ehemals gewöhnlich G i e r d t genannt — war in B r i e g hcimisch. Im J a h r 1656 wurde dort M a r t i n G e r h a r d , Sohn des „ehrbaren und vorsichtigen M a r c u s G i e r d t , R o t h g e r b e r s " g e b o r e n , der als angesehener R a t h s verwandter 1666 starb, durch ein stattliches Denkmal in der P f a r r k i r c h e geehrt. Im J a h r 1639 wurde der in mehreren Zweigen blühenden F a milie durch P a u l R a p h a e l von Nitschen Com. P a l . Caes. ein W a p p e n ertheilt, das s p ä t e r der wappenkundige B e r n d dem F r e u n d e heraldisch erläuterte, rechts auf schwarzem Grunde ein goldner Greif — wie zur V o r b e d e u t u n g — auf drei grüuen Bergen schreitend, links drei schrägrechte silberne Balken auf rothem Grund. — Das R o t h g e r b e r h a n d w e r k blieb lange in der Familie g e ü b t ; der Zweig, welchem E d u a r d G e r h a r d a n g e h ö r t e , hatte sich durch mehrere Generationen der Theologie zugewandt. D e r G r o s s v a t e r D a v i d G o t f r i e d G e r h a r d ' (geb. 1734 gest. 1808), der unbemittelte Sohn eines früh verstorbenen L a n d p r e d i g e r s , wurde erster Geistlicher an der Elisabethkirche in Breslau und feierte im J . 1803 1
Gerhards ist ausser nekrologischen Artikeln der Berliner Zeitungen (Nat-Ztg. 1867 N. 2*41, Spenersche Ztg. 1867 Beil. N. 120. 121) gedacht von B. S t a r k Äugst». Allg. Ztg. 1867 Beil. 164, 165. A d . M i c h a e l i s Greuzboten 1867 II S. 445 ff. E. C u r t i u s Gött. Gel. Nachr. 1867 S. 265ff. F r i e d e r i c h s und H ü b n e r arch. Anz. 1867 S. 81 ff. J . L e s s i n g preuss. Jahrb. X X I S. 339 ff S p a c h Bull, de la soc. pour la conserv. des monuin. bist. d'Alsace II, 5 p. 85ff. N. Jahrb. f. Philol. 1867 II S. 475ff. Zeitschr. f. bild. Kunst 1867 Beil. N. 14 S. 120 f. — Für diesen Aufsatz lag mir der gesammte wohlgeordnete handschriftliche Nachlass, Tagebücher, Reisenotizen, Correspondenz, Geschäftspapiere durch das Vertrauen seiner Wittwe vor. Von unschätzbarem Werth waren mir daneben die fast vollständig erhaltenen Briefe Gerhards an seiue Eltern, welche mir von seinen Schwestern vertrauensvoll übergeben und durch Aufzeichnung ihrer Erinnerungen ergänzt und erläutert wurden. 5 Dav. Gotfr. Gerhards Leben, von ihm selbst beschrieben. Bresl. 1812. 1
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sein fünfundzwanzigjähriges Jubiläum als Inspector der Breslauischen Kirchen und Schulen. Bei seinen theologischen Studien in Halle war er mit dem gleichalterigen J o h . A u g . N ö s s e l t 1 (geb. 1734 gest. 1807) befreundet worden, und eine theologische F r a g e n wie Familienangelegenheiten betreffende Correspondenz erhielt beide in fortdauernder Verbindung. Als Gerhard seinen Sohn J o h . D a v . F r i e d r i c h (geb. 19. Dec. 1768) Ostern 1786 auf die Universität Halle zum Studium der Jurisprudenz entsandte 2 , fand dieser im Nösseltschen Hause seine Wohnung und brachte, als Muster von Fleiss und Solidität gerühmt, zwei J a h r e im engsten Verkehr mit der trefflichen Familie zu. Eine W a r n u n g seines V a t e r s , der ihm zwar „den U m g a n g mit honetten Frauenzimmern in ansehnlichen Häusern" nicht wehren wollte, „weil solcher zur Bildung eines Jünglings viel beitragen könne", wiewohl dazu in Halle nicht viel Gelegenheit sei, aber ihn crmahnte „nicht unvermerkt in seinem noch unerfahrenen Herzen eine geheime Neigung entstehen zu lassen" — diese W a r n u n g war vergeblich gewesen. Sein Interesse für die zweite, erst zwölfjährige Tochter Nösselts S o p h i e (geb. 15. F e b r . 1776) wurde so lebhaft und innig, dass er beim Scheiden im H e r b s t 1788 der Mutter seine Neigung gestand. Diese versprach ihm ihren Schutz und Beistand; sie hatte zu dem jungen Manne ein so festes Vertrauen gefasst, dass sie auf ihrem Todbette (März 1793) der Tochter den Wunsch ans H e r z legte, Gerhard ihre H a n d zu geben. Dadurch wurde diese bestimmt die Bewerbung eines reichen und liebenswürdigen L i e f l ä n d e r s , dem sie bei einem längeren Besuch in J e n a im Griesbachschen Hause eine tiefe Leidenschaft eingeflösst h a t t e , zurückzuweisen 3 und folgte dem als Regierungsrath angestellten Gerhard nach der am 3. Dec. 1794 vollzogenen 1
L e b e n , Charakter und V e r d i e n s t e D . A . N ö s s e l t s von A . H . N i e m e y e r . H a l l e 1809. 2 V o r mir l i e g t die „ W o h l g e m e i n t e v ä t e r l i c h e I n s t r u c t i o n für m e i n e n ä l t e s t e n S o h n J o h . D a v . F r . Gerhard b e i s e i n e r v o r h a b e n d e n A b r e i s e auf die H a l l i s c h e U n i v e r s i t ä t zur m ö g l i c h s t e n E r w e c k u n g und B e f e s t i g u n g s e i n e r S e e l e auf den g u t e n W e g e n d e s F l e i s s e s , der T u g e n d und wahren G o t t s e l i g k e i t a u s vollem H e r t z e n a u f g e s e t z t d. 26. A p r i l 1786", ein wohl a u s g e a r b e i t e t e r , s t r e n g d i s p o n i r t e r , m i t B i b e l s p r ü c h e n r e i c h l i c h durchflochtener k l e i n e r T r a c t a t , den er d e m S o h n e w e n i g s t e n s alle W o c h e einmal d u r c h z u l e s e n anempfahl. Später wurde s i e E d u a r d m i t g e t h e i l t , a l s d i e s e r in B e r l i n s t u d i r t e . 3 Im J a h r 1 8 1 3 kam der V e r s c h m ä h t e a l s S t a a t s r a t h im G e f o l g e d e s K a i s e r s A l e x a n d e r nach B r e s l a u und ü b e r z e u g t e sich von d e m h ä u s l i c h e n Glück der e i n s t g e l i e b t e n Frau. E r erklärte s i e h bereit, Gerhard e i n e g l ä n z e n d e S t e l l u n g im r u s s i s c h e n S t a a t s d i e n s t zu v e r s c h a f f e n u n d , da er kinderl o s war, E d u a r d zu s i c h zu n e h m e n und zu a d o p t i r e n ; w a s natürlich dankbar a b g e l e h n t wurde.
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Vermählung nach P o s e n 1 . Inmitten des geistigen Verkehrs der blühenden Universität, durch den Vater mit seinen berühmten Freunden Gleim, Jerusalem, E b e r t u. a. bekannt, hatte sie, lebhaften Geistes und leicht erregten Gefühls, Interesse für Litteratur und Kunst gewonnen; in J e n a war sie namentlich mit dem Schillerschen Kreise in nahe Berührung gekommen. In der Einöde P o s e u s , wie es damals war, bot ihr nur das innige Zusammenleben mit dem geliebten Manne, der durch Poesie und die von beiden mit Vorliebe geübte Musik, dasselbe zu schmücken bestrebt war, Ersatz für das, was sie daheim zurückliess. In P o s e n ist F r i e d r i c h W i l h e l m E d u a r d G e r h a r d am 29. Nov. 1795 geboreu; allein schon im J a h r 1797 wurde der Vater nach B r i e g versetzt®. Von hier aus unternahmen sie 1797 eine Reise nach Halle zum Grossvater Nösselt 3 , der 1799 seinen Kindern diesen Besuch erwiederte 4 ; im J a h r e 1800 erfolgte Gerhard's Versetzung als Oberamts- und Oberconsistorialrath (später Oberlandesgerichtsrath) nach Breslau5. E d u a r d " wuchs in streng kirchlicher Zucht des elterlichen und grosselterlichen Hauses heran, zweimaliger Besuch der Kirche am Sonntag war Kegel, und zu seinen ersten Gedächtnissübungen gehörten die Sountagstexte, welche er bei seinem Vater lernte; den ersten Unterricht übernahm die Mutter, dann eine Mädchenschule. Lernen und Spielen theilte er mit seinem zärtlich geliebten, ungewöhnlich begabten jüngeren Bruder K a r l (geb. 1797). Bei einem Besuch beim Grossvater in Halle im Sommer 1803 besuchten sie die Schule von Mnnitius, und E d u a r d konnte dem Vater berichten: „Ich werde im Lateinischen bald in die erste Abtheiluug kommen, denn ich bin schon so weit, dass ich audio ganz genau kann, im Französischen bin ich auch der erste in der zweiten Abtheilung. Im Rechnen kann ich schon die Grundsätze von den Brüchen. a Zum Beweis seiner geographischen Studien schickte er eine selbst gefertigte illuminirte Karte von Pommern. Einen schweren Schlag versetzte dem bis dahin ungetrübten Glück der 1
D. G. Gerhards Leben S. 97 ff. D. G. Gerhards Leben S. 99. 3 Am Abend ehe sie das elterliche Haus wieder verliesseu, ertrank der jüngere Sohn N ö s s e l t s beim Baden in der Saale. Niemeyer N ö s s e l t I S. 121. II S 258. 4 Niemeyer N ö s s e l t I S. 63. 5 D. G. Gerhards Leben S. 105. 6 Gerhard hat 186(j in Norderney angefangen biographische Erinnerungen zu dictiren, die leider nur bis zur Universitätszeit gehen. Dieses schöne Bruchstück ist, wie seine bei der Promotion eingereichte V i t a , im A n h a D g uiitgetheilt. Einen gedrängten „liUerarischenLebenslauf- 1 gab er ini archäol. Anzeiger 186G S. 97 ff. 5
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Familie K a r l s am 12. Oct. 1805 durch ein hitziges Nervenfieber erfolgter T o d . U m der tief gebeagten Mutter, die diesen V e r l u s t nie wieder ganz verwinden konnte und dann mit verdoppelter Aengstlichkeit ü b e r dem ihr gebliebenen Sohn wachte, einigen T r o s t zu g e w ä h r e n ' , Hess ihr Mann sie mit E d u a r d und der kleinen Schwester A g n e s im Sommer 1806 wieder zu ihrem Y a t e r nach Halle reisen. Hier g i n g sie schweren Zeiten entgegen. W e n i g e T a g e nach ihrer A n f a n g October erfolgten E n t b i n d u n g wurde H a l l e von den Franzosen besetzt, flüchtige P r e u s s e n und plündernde F e i n d e drangen in ihre Wochenstube ein. Im December wurde ihr Mann, welcher ihr nachgekommen w a r , um sie nach H a u s e zu geleiten, durch sein A m t nach Breslau zurückgerufen, wo er die schwere Belagerungszeit mit ,durchzumachcn h a t t e , und musste sie unter so misslichen Verhältnissen zurücklassen 2 . Im J a n u a r 1806 starb der j ü n g s t geborene K n a b e J u l i u s , im März ihr V a t e r , zu tief getroffen durch die Auflösung der Universität und aller altgewohnten V e r h ä l t n i s s e ' . I m Mai kehrte die Mutter mit E d u a r d , der ein fleissiger Schüler des P ä d a g o g i u m s gewesen w a r , und A g n e s nach Breslau zu ihrem M a n n zurück 4 , begleitet von ihrer ältesteu Schwester A u g u s t e , welche, nachdem sie dem V a t e r treu zur Seite gestanden hatte, nun der Gerhardschen Familie bis zu ihrem T o d e (1837) angehörig blieb. E d u a r d bezog nun am 30. J u n i 1807 das E l i s a b e t a n u m , wo er in die zweite Ordnung aufgenommen 5 , und Michaelis 1808 nach Prima versetzt w u r d e , in der er allmählich bis zum Primus aufrückte. Bei der O s t e r p r ü f u n g 1810 wünschte er den abgehenden Commilitonen Glück, sehr bezeichnend in einer Rede „über die nothwendige Ignoranz eines Sludirenden"; bei seinem eigenen A b g a n g von der Schule Ostern 1812 hielt er die A b s c h i e d s r e d e , wiederum sehr charakteristisch „über das Selbstlob der homerischen Heldenu, in griechischer Sprache. E r hatte sich bei Schneider S a x o durch Mittheilung des von ihm erkauften Spaldingschen H a n d e x e m p l a r s des griechischen W ö r t e r b u c h s so insinuirt, dass der alte H e r r dieses specimen mit ihm durchging. Unermüdliche Uebungen im Recitiren musste Schwester A g n e s mit ihm theilen, seit 1
D. G. Gerhards Leben S. 114 f. Einen liebevollen Trostbrief N ö s s e l t s au seine Tochter theilt Niemeyer II S. 260 mit. 2 D. G. Gerhards L e b e n S. 117 f. 120. 3 Niemeyer N ö s s e l t I S. 67. 4 D. G. Gerhards L e b e n S. 127. t Unter einem Gedichte, welches die Zuhörer der zweiten Ordming ihrem würdigen Lehrer Hrn. Prof. Etzler als einen B e w e i s reiner L i e b e an seinem Geburtstag den 28- Nov. 1807 widmeten, ist Gerhard und unter andereD Wernicke a u s Breslau aufgeführt.
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dem Tode des Bruders seine treue Genossin, an der er auch seinen Eifer im Repetiren ausliess, so dass er sie nicht einmal mit dem Hebräischen verschonte. E r war musterhaft fleissig, weit über die Aufgaben und Anforderungen der Schule hinaus; früh entwickelten sich in ihm die Anlagen und Neigungen des Büchergelehrten. Seine Muster waren die „grossen batarischen Philologen", Hemsterhuis und Kuhnkens Biographien wurden eifrig studirt, nach der dort angegebenen Methode eine umfassende Lecture der Classiker begonnen und mit dem emsigsten Fleiss in weitschichtigen, wohlgeordneten Adversarien hauptsächlich sprachliche und stilistische Collectaneen aufgespeichert. Sein Eifer für Gelehrtengeschichte und Bibliographie war so gross, dass er allen Ernstes eine Fortsetzung von Jöchers Gelehrtenlexicon unternahm und mit der Wärterin seiner Mutter einen Vertrag schloss, ihn jeden Morgen um 3 Uhr zu wecken; endlich wurde er ertappt, wie er die Lichtstümpfchen für seine Lucubrationen bei Seite brachte. Genosse und Förderer dieser Studien war sein Schulkamerad F r . A u g . E d . W e r n i c k e (geb. 1T94). Der Vater desselben, Advocat in Breslau, war schon 1804 gestorben und hatte die Erziehung der Kinder seiner nicht bemittelten Wittwe überlassen. Frühzeitig zum strengsten, seiner Gesundheit nachtheiligen Fleiss angehalten, gab Wernicke eine gleiche Richtung auf gelehrte Philologie, mit noch entschiednerer Vorliebe für grammatische Beobachtung, schon als Knabe kund. Als derselbe im Frühjahr 1811 das Gymnasium verlassen hatte und nach Berlin gegangen war, wo er ein eifriger Zuhörer F. A. Wolfs und zu dessen näherem Verkehr zugelassen wurde, schrieben sich die jungen Freunde regelmässig. Merkwürdig ist in diesem Briefwechsel, der mit aller Sorgfalt und Prätention einer gelehrten Correspondenz geführt wurde, die steife Pedanterie in Inhalt und Form. Namentlich Wernickes Briefe lauten wie ungeschickte Uebersetzungen aus dem Lateinischen; erst kurz vor seinem Tode verliert sich diese auffällige TJngelenkheit, während Gerhard, nachdem er Breslau verlassen hatte, alle Steifheit des schriftlichen Ausdrucks rasch völlig abstreifte. Wernicke macht aus Wolfs Vorlesungen Mittheilungen, auch, was Gerhard am meisten am Herzen liegt, über Auswahl und Reihenfolge der zu lesenden Autoren und die zweckmässige Anlage von Adversarien; Gerhard berichtet dagegen aus seiner Lecture. Grossen Platz nehmen bibliographische Notizen ein, Büchertitel und Recensionen werden aufgezeichnet Und besprochen, mit Vorliebe anonyme Recensenten aus ihrem Versteck gezogen, wobei Wernicke manchen Anonymus nach Wolfs Angaben enthüllen konnte. Gerhard hatte bei der Katalogisirung der grossväterlichen Bibliothek im J a h r 1808 eifrig geholfen, war auf der Gymnasialbibliothek unermüdlich thätig und suchte sich auch bei
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der Ordnung der neuen Centraibibliothek nützlich zu machen. Mit dieser Neigung zur Bücherkenntniss war ein unersättlicher H a n g zum Büchererwerb verbunden, die Mittel und den R a u m , über welche er verfügeu konnte, weit überschreitend. Verbote und Ermahnungen führten zwar thränenreiche Scenen herbei, halfen aber nichts; immer wieder erschienen grosse Bücherhaufen und unerschwingliche Rechnungen; bis die Privatersparnisse E d u a r d s zum Schein dafür in Anspruch genommen wurden. Auch während der Universitätszeit und darüber hinaus standen seine Bücheranschaffungen mit seinen Mitteln nicht im rechten Yerhältniss und hielten seine Finanzen in unbequemer Unordnung. Die italienische Reise machte auch hierin einen Abschluss. Die Bücherliebhaberei blieb freilich; noch in späteren J a h r e n , als er hierin, wie überhaupt, strenge Disciplin hielt, gestand er, dass schon die Musterung einer" wohlgepflegten philologischen Bibliothek ihm einen besonderen Genuss gewähre. Aber auch die Methode seines jugendlichen Studireus hat dauernden Einfluss auf ihn behalten. Bis zuletzt hielt er fest an regelmässiger, zusammenhängender Lecture der Classiker und neuerer Arbeiten, theils nach allgemeinen Gesichtspunkten, theils für besondere Untersuchungen, lind zwar stets mit der F e d e r iu der Hand. Sorgfältige Excerpte wurden entweder in sachlich geordnete Adversarien eingetragen oder vergegenwärtigten in kurzen Andeutungen den Inhalt des gelesenen Buchs. Diese Studienweise gab er auch dann nicht auf, als er selbst zu lesen und zu schreiben verhindert war, und nur diese Sammlungen, deren Gebrauch ihm strenge Ordnung und sein vorzügliches Gedächtniss erleichterten, erklären e s , wie er unter so eigentümlichen Hindernissen seine Arbeiten so fortsetzen und vollenden konnte. Denn unverkennbar bleibt auch der Einfluss der „grossen batavischen Philologen". Gerhard legte fortdauernd Werth auf genaue und vollständige Angabe der Quellen, wie auf reichliche litterarische Nachweisungen, und er liess es sich angelegen sein, diese Beigaben der Erudition, wie er sie gern nannte, auch durch die äusserliche Anordnung bequem und praktisch einzurichten. Die philologischen Interessen nahmen Gerhard auf der Schule fast ausschliesslich in Anspruch. Seine Fortsehritte im Klavierspiel waren mässig, die Erfolge des Tanzuuterrichts ganz unbefriedigend, und wenn er, und zwar nur iu Folge mütterlicher Anweisungen, an den geselligen Zusammenkünften der jugendlichen Mitglieder des näheren Familien- und Freundeskreises Theil nahm, so geschah es mit Seufzen und Missverguügeu. Sein zurückhaltendes Wesen, sein oft spöttisches Abweisen von Sachen und Personen, die ihm nicht genehm waren, machten seinen Eltern wegen einseitiger Yerstandesbilduug Sorge, und noch am T a g e vor seiner Confirmation legte seine Mutter ihm in einem ausführlichen
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Schreiben (20. Mai 1810) mit warmer Beredsamkeit unter Verweisung auf seine beiden Grossväter ans H e r z , wie wissenschaftliche Bildung allein ohne Gemüth und echte Religiosität dem Leben die wahre Bedeutung nicht zu geben vermöge'. Am 30. März 1812 wurde Gerhard unter dem ersten Rector der Yiadrina Berends immatriculirt und von Augusti als Decan in die theologische Facultät aufgenommen. So wünschte es der Vater, der auf Philologie nicht viel gab, und dem die philologische Laufbahn wenig zu versprechen schien, wie er denn nie ganz mit den Studien des Sohnes einverstanden war uud später auch die archäologische Wendung derselben, die ihm als praktischen Juristen ganz fern lag, nur mit zweifelhaften Blicken ansah. Am liebsten hätte er ihn für die diplomatische Laufbahn bestimmt; so hielt er die auch durch die Familicntradition begünstigte Theologie für sicherer. Gerhards Studien aber waren uud blieben trotz der Facultätsinscription die philologischen. Eine Unterbrechung brachten ihnen während des Sommers 1813 die Kriegsläuftc. So sehr Gerhard auch wünschte, dem Aufrufe folgend unter die Waffen zu treten, so war doch bei der schwächlichen Gesundheit des rasch aufgewachsenen Jünglings daran nicht zu denken. Als der Vater den Auftrag erhielt, die Kassen nach der Festung Neisse in Sicherheit zu bringen, begleitete die Familie ihn dahin (26. Mai) und begab sich, als Neisse in Belagerungszustand erklärt wurde, nach dem drei Meilen entfernten Städtchen Zuckmautl in Oesterr. Schlesien. Der kleine mit Flüchtlingen überfüllte Ort bot äusserst mangelhafte Wohnung und Verpflegung, keine regelmässigen politischen Nachrichten, keinen gebildeten Umgang, keine litterarischen Hülfsmittel ausser den mitgebrachten wenigen Classikern, nicht einmal immer genügendes Schreibmaterial dar. So wurde dieser Aufenthalt für Gerhard eine harte Geduldsprobe; auch die schöne Umgebung, die zu häufigen Excursionen veranlasste, konnte sein philologisches Gewissen nicht völlig beruhigen. In Breslau hatte er zwar nicht viel versäumt, H e i n d o r f , auf den er vorzugsweise angewiesen war, musste, durch die politische Aufregung und Unruhe sehr gestört und 1
N o c h s p ä t e r s c h r i e b er dem V a t e r (19. A u g . 1813), er f ü r c h t e dun o f t g e ä u s s e r t e n V o r w u r f d e s M a n g e l s an T h e i l n a h m e f ü r a l l e s , w a s niclit g r a d e ihn s e l b s t a n g i n g e . E r m e i n t e zwar, M a n g e l an T h e i l n a h m e für e i n e n g r o s s e n T h e i l d e r n ä h e r e n und e n t f e r n t e r e n U m g e b u n g sei e i n e m zu v e r z e i h e n , d e r durch seine erwählte B e s c h ä f t i g u n g reichliche E n t s c h ä d i g u n g fände für das, w a s ihm e t w a d o r t a b g e h e n m ö c h t e ; z u m a l d a e r , d e s s e n W a h l s p r u c h sei „sich vom H a l b e n zu e n t w ö h n e n " , n i c h t s h a l b t h u n u n d n i c h t s H a l b e s w e r d e n w o l l e , was in Beiner W i s s e n s c h a f t , wie e r m i t Z u v e r s i c h t b e h a u p t e n k ö n n e , s c h w e r e r s e i als in a n d e r e n .
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angegriffen, nach Reinerz ins Bad gehen. Der alte S c h n e i d e r , der selbst auf seine Vorlesungen wenig Gewicht legte, in denen doch namentlich manches Sachliche zu lernen war, las im Seminar C i c e r o s B r a t n s nnd veranlasste dabei zn litterarhistorischsn Arbeiten 1 . H e i n d o r f las nur exegetische Vorlesungen über griechische und lateinische Schriftsteller, in denen er den Standpunkt festhielt, dass er künftige Gymnasiallehrer heranzubilden habe, und vorzugsweise auf sorgfältige grammatische Erklärung ausging; auch im Sommer verfolgte er dieselbe Richtung. E r verfuhr dabei weder unlebendig noch geistlos, seine Vorlesungen, die auch von älteren Männern besucht wurden *, fanden bei den fähigeren Zuhörern dauerndes Interesse*. Auch Gerhard verkannte später nicht, dass ihm durch Heindorf allein eigentlich wissenschaftliche Anregung geboten wurde 4 , aber genügen konnte ihm die einseitige Unterweisung nicht, zumal nach einer Richtung, die er aus eigenem Antrieb schon eifrig verfolgt hatte. Allein Disciplinen, die ihm höchst nothwendig waren, wie auch sein Vater ihm auf seine Klagen zugestand, Antiquitäten, Litteraturgeschichte, Encyclopädie, kamen gar nicht vor, und seine Missstimmung wurde dadurch noch genährt, dass sein Freund Weruicke ihm alle diese Herrlichkeiten in Berlin zeigte. Die Abneigung der Eltern, den Sohn von sich zu geben, wurde dann durch ein an sich unerfreuliches Ereigniss besiegt. Heindorf las in seinem Hause, bei ziemlicher Kälte in einem schlecht geheizten Zimmer. Da fanden die Zuhörer eines Tages an der Thür des Auditoriums ein Epigramm angeschlagen, in welchem sie
1 Eine Seminararbeit Gerhards de L. Caelio Antipatro et de Sileno kitlorico graeco (4. Mai 1813), zum Theil nach Schneiders Anweisung umgearbeitet (1. Nov. 1813), hat einen sehr gelehrten Zuschnitt und konnte es mit mancher Doctordissertation aufnehmen. Auch eine für den Vater zum Weihnachten 1812 geschriebene Abhandlung behandelt auf Anlass von Ciceros Brutus gelehrt und kritisch Fragen aus der römischen Litteraturgeschichte. Solche Arbeiten fehlten nicht auf dem Weihnachtstische des Vaters; eine frühere aus der Knabenzeit handelt „über da» Olüch der eretgeborne Sohn zu sein1'. 1 Fr. v. Raumer Lebenserinnerungen I S. 247. J Ed. Müller biogr. Erinn. an Otfr. Müller (vor dessen Kl. Sehr. I S. XII f.). * Es war nicht ohne Einwirkung der persönlichen Verstimmung, wenn er seinem Vater von Berlin schrieb (5 Juni 1814): „Bei Schneider lernte ich Sachk e n n t n i s und historische Notizen, bei Heindorf hörte ich kleine Sprachbemerkungen ohne Rücksicht auf den Geist der Sprache vorgetragen, ohne philologischen Geist, der bei solchen Sachen doch das Hauptstück ist, ausgemittelt; und in nicht wenig anmassendem Ton wurden jene Sächelchen vorgebracht als entnommen aus den tiefsten Tiefen der Philologie. Gewiss hast Du immer die Sache genauer erkanut, wenn Du von d i e s e r Philologie nicht viel halten wolltest."
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aufgefordert wurden, zur Erwärmung jeder sein Stück Holz mitzubringen. Der schwindsüchtige, im höchsten Grade reizbare Heindorf sah in dem unbesonnen übermüthigen Streich überlegte Bosheit, und da ihm Gerhard als Urheber von einem Ccmmilitonen —• den dafür der Verruf traf — denuncirt wurde, brachte er die Sache zur Anzeige und Gerhard erhielt vor dem akademischen Senat einen "Verweis. Damit aber und mit der schlechten Behandlung, welche er Gerhard fortan widerfahren Hess, nicht zufrieden, war Heindorf kleinlich genug, in Berlin durch Briefe und bei seinem Aufenthalt im J a h r 1815 durch Erzählungen die Begebenheit in der gehässigsten Weise darzustellen und Gerhard dadurch einen schweren Stand zu bereiten. Bei Böckh, der ausdrücklich aufgefordert wurde, Gerhard nicht ins Seminar aufzunehmen, gelang es bald, den ungünstigen Eindruck zu überwinden, mit Buttmann und Schleiermacher wurde ein persönlich gutes Verhältniss dadurch unmöglich gemacht. Auch in höheren Kreisen behauptete sich der Klatsch, nach mehreren Jahren noch musste Gerhard bei Süvern und anderen Staatsräthen über die bereitwillig als Uebereilung zugestandene Jugendsünde sich ausweisen. Den "Vater, der nicht verkennen konnte, dass der Sohn mit Recht unbefriedigt war, mochte die nunmehr unerträglich gewordene Stellung desselben mehr als die von diesem eröffnete Aussicht, dass man in Berlin die Bücher geliehen bekommen könne, die man in Breslau" nothwendig kaufen müsse, geneigt machen, ihn nach Berlin ziehen zu lassen. Den Ausschlag gab ein Gedicht desselben zu des Vaters Geburtstag (19. Dec. 1813). Die Neigung und Leichtigkeit sich in Versen auszusprechen war Gerhard vom Grossvater und Vater her angeboren, er befriedigte dadurch ein inneres Bedürfniss. In jüngeren Jahren suchte er in Stunden tiefer Aufregung und innerer Bedrängniss, die er nicht leicht vor Anderen laut werden liess, die Einsamkeit, am liebsten im Freien, um die stürmische Empfindung in Verse zu fassen, welche später flüchtig aufgeschrieben, aber Niemand mitgetheilt, bald in sentimentaler Erregung, bald in sarkastischer Bitterkeit aussprachen, was sein Herz bewegte. In heiteren Augenblicken liebte er es, an Geschwister und Befreundete oft lange Briefe in Knittelversen zu richten, in denen er seiner humoristischen Laune und der Lust am Necken die Zügel schiessen liess. Auch später auf seinen Pilgerfahrten erweckten bedeutende Momente und Situationen in ihm eine poetische Stimmung, welche in sorgfältig ausgearbeiteten Gedichten, meistens symbolischen Charakters, ihren Ausdruck fand, die sich an nahe Stehende zu richten pflegten und in diesen Kreisen nun auch mitgetheilt wurden. Und bis zuletzt fanden ihn festliche oder sonst bedeutsame Anlässe in der Familie oder bei Freunden stets zu ernsten oder heiteren poetischen Spenden bereit; Geschenke,
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durch welche er auf feine Weise Freude zu machen wusste, waren in der Regel von sinnigen Yersen begleitet. In jenem Gedichte sprach er dem Yater sein Streben und seine Wünsche, und wie sehr sie mit der ihn umgebenden Wirklichkeit im Widerspruch standen, offen und herzlich aus. Nach den glücklichen Jahren der Kindheit sei seine Seele von dem Streben nach dem Höchsten erfüllt worden, Und ich floh der Jugend Tänze, warf die Festeskleider hin. Denn des Ruhmes heil'ge Kränze fesselten den stolzen Sinn. Von des Lebens Gütern allen ist der Ruhm das höchste doch. Ist der Leib in Staub zerfallen, lebt der grosse Name noch. Jahre sind dahin gegangen, eilig rollt das Rad der Zeit; Noch mit glühendem Verlangen such ich, was mir keiner beut. Zu des Berges lichten Höhen klimmt' ich gern den Felsenweg. Keinen Führer kann ich sehen, Tiefen seh ich, keinen Steg. Ali der Oder seichtem Strande kann das Schöne nicht erblühn. Immer nur nach fernem Lande streb' ich unablässig hin. Armes Herz! dahin geschwunden ist des Jünglings Wonnetraum. Traur'ge Jahre ; Tage, Stunden le'b ich — ach, ich lebe kaum! Soll die Klage nimmer schwinden, schuell das Leben mir verbliihu, 0 so nehmt was ihr zu finden, hohe Götter, mir verliehn! Nehmt des Geistes freies Streben, nehmt ihm j.;de gute Kraft! Zieht mich in das wilde Leben, das dem Pöbel Freude schafft! Doch an dem festlichen Tage sollen seine Klagen schweigen, nur sciue Wünschc für den Vater laut werden; und zum Schluss heisst es dann
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Dass so fröhlich denn sich ende, wie du es beginnst, das Jahr. Sieh! in deine Vaterhände leg ich meine Wünsche dar. Habe väterliche Blicke, lieber Vater, auch für mich! Stosse nicht dies Herz zurücke, ach, es sehnt nach Liebe sich. Mit der glücklich errungenen Zustimmung seiner Eltern trat Gerhard A n f a n g A p r i l , nachdem T a g s zuvor die Nachricht von dem Einzug der Preussen in Paris angelangt war, in Begleitung eines treuen Freundes und Studiengenossen die Reise nach Berlin an 1 . M o r i z H e r r n . E d . M e i e r (geb. 1796) war, nachdem er das Gymnasium in seiner Vaterstadt Glogau absolvirt und noch ein J a h r die Prima des Gymnasiums zum grauen Kloster in Berlin besucht h a t t e , Ostern 1813 als Philolog in Breslau inscribirt worden. E r wurde bald mit Gerhard bekannt und gleicher wissenschaftlicher Eifer führte rasch zu gemeinsamen Studien in täglichem Verkehr; auch Heindorfs Ungunst theilten die beiden Freunde, wiewohl sie entschieden unter seinen Zuhörern die waren, au deren Streben und Leistungen er die meiste Freude hätte haben können. In Berlin stellten sie ihre Freundschaft auf die gefährliche Probe des Zusammenwohnens. Wiewohl aufrichtige Begeisterung für ihre Wissenschaft, die sie mit schwärmerischer Idealität auffassten, strenge Anforderungen an ihre Arbeitskraft und ihre Gesinuung, Herzensgüte und jugendliche Zuneigung sie fest mit einander verbanden, waren doch die Verschiedenheiten ihrer Naturen und Gewohnheiten so gross, dass sie nicht immer als wünschenswerthe gegenseitige E r g ä n z u n g wohlthätig wirkten. Gerhard war durch Feinheit und Eigenthümlichkeit der geistigen A n l a g e , durch Raschheit und Formgewandtheit entschieden der überlegene; er fühlte diese Ueberlegenheit und machte sie nicht immer schonend gelten. Meier war auch von Herzen willig dieselbe anzuerkennen, es machte ihm aufrichtige F r e u d e , den geliebten F r e u n d zu bewundern und zur Geltung zu bringen; dabei war er zu jeder Aufopferung und Dienstleistung unermüdlich bereit, in den sich oft wiederholenden Verlegenheiten bei Geld- und Bücherangelegenheiten half er immer aus, wo es eine Besorgung und Mühwaltung zu übernehmen galt, war er stets bei der H a n d . Diese Hingebung machte ihn nicht blind gegen die Schwächen des F r e u n d e s ; mit ehrlichstem Freimuth mahnte und warnte er, wo er in wissenschaft-
1
O t f r . M ü l l e r bezog um dieselbe Zeit die Universität ¡d Breslau (Ed. Müller biogr. Erinn. S XI) und ging von da Ostern 1816 nach Berlin, als
EDUARD
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GEBHARD
licher oder sittlicher Hinsicht nicht zustimmen konnte, und meistens mit richtigem Gefühl.
Das nahm nun auch Gerhard, dem es E r n s t mit sich
und der Freundschaft w a r ,
in gleichem Sinn auf;
aber M e i e r
wie ein leidenschaftlicher L i e b h a b e r , Ansprüche an ihn, wurden.
machte,
die ihm lästig
V o n N a t u r offenherzig, der Mittheilung bedürftig, sprach M e i e r
sich über gemüthliche A n g e l e g e n h e i t e n wie über seine Studien gern aus, das letzte um so lieber,
als er langsam und mit A n s t r e n g u n g
arbeitend
sich durch theilnehmendes Gespräch g e f ö r d e r t fühlte; gleiche Mittheilsamkeit nahm er als
ein P f a n d
der
Freundschaft in Anspruch.
Gerhard
d a g e g e n , von Hause aus zurückhaltend, sprach auch über seine Studien nicht g e r n , theilte
um
ungestört
lieber erst fertige
seinen eigenen W e g Arbeiten
mit.
gehen zu können,
Dergleichen
nahm
und
nun M e i e r
wie ein A t t e n t a t auf, und wenn er masslos heftig herauspolterte, machte Gerhards kühles A b w e i s e n und ironisches Spotten die Sache nicht besser, so dass es schliesslich zu heftigen Auftritten kam,
und es blieb
nicht
einmal immer dabei, dass „ d e r eine den Büchern, der andere dem M a n t e l des anderen schädlich w u r d e " . „Zank
mit M e i e r "
ein E n d e
U m der stehenden R u b r i k im T a g e b u c h
zu machen, entschlossen
sie
sich
endlich
( A p r i l 1815) gesondert zu wohnen; täglicher V e r k e h r mit den gewohnten F o l g e n dauerte fort, so lange beide zusammen in Berlin waren. war aber diese Freundschaft in ihrem Gemüth g e w u r z e l t , ehrlich
war
Strebens,
die
Gemeinsamkeit
ihres
dass ihre gegenseitige
schwankt hat.
wissenschaftlichen
und
Anhänglichkeit
später
treue
S o fest
so wahr
und
sittlichen nie
ge-
I n den ersten Jahren nach der Trennung blieben sie durch
mancherlei A n l ä s s e
eng
verbunden;
später,
als
verschiedene
Lebens-
stellungen, verschiedene A u f g a b e n und Richtungen der Studien sie äusserlich mehr trennten, wurde doch das alte Verhältniss durch B r i e f w e c h s e l und öfteres bis
Zusammenkommen
zu M e i e r s T o d e
mit der alten
(1851) lebendig
erhalten,
Wärme wobei
und die
Herzlichkeit Erinnerungen
an den Sturm und D r a n g der Berliner Studieuzeit nur j o v i a l e H e i t e r k e i t erregtenMit W e r n i c k e
war der Verkehr durch die i h m , um sich in Berlin
halten zu können, auferlegten Beschäftigungen, besonders seitdem er H a u s lehrer bei Uhden das
Verhältniss
geworden w a r , ununterbrochen
hatte vor W e r n i c k e ,
dem
äusserlich ein innig
fleissige
beschränkt,
übrigens
freundschaftliches.
Studien, scharfe
blieb
Gerhard
Beobachtungsgabe
auch bei seinen Lehrern als einem viel versprechenden Gelehrten A c h t u n g erworben hatten, grossen R e s p e c t , und ohne F r a g e hat dieser auf G e r hards Studien iu Berlin einen bestimmenden Eiufluss geübt. scharfes Urtheil
und
seine
Neigung
g e p f l e g t im U m g a n g mit W o l f
zu
epigrammatischem
und geschärft
Wernickes Sarcasmus,
durch das allmählich sieb
E D U A R D GERHARD
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mehr uud mehr entwickelnde Brustleiden, sagten Gerhard zu; er läugnete nicht, auch in dieser Beziehung von Wernicke gelernt zu haben. Von Abhängigkeit konnte übrigens dabei nicht die Rede sein, beide standen sich bei lebhafter gegenseitiger Anerkennung in einem vertrauensvollen, geistig angeregten Verkehr durchaus selbständig gegenüber. Gerhards äussere Lage war zwar gesichert, legte ihm aber, wenn nicht Entbehrungen, doch Einschränkungen auf, so dass er die sich darbietenden Gelegenheiten, durch Unterrichtgeben uud Corrigiren seine Existenz zu verbessern, nicht ungenutzt lassen durfte. Stipendien, schon in Breslau genossen, bildeten die Haupteinnahme; dazu kamen Zuschüsse vom Vater, die nicht regelmässig fixirt waren und nur auf detaillirte Rechnungsabgabe erfolgten, mitunter steuerten Mutter und Grossmutter ausserordentliche Goldstücke bei. Trotz der weiten Entfernung kamen mit Frachtfuhr und Schiffsgelegenheit nicht selten so reichliche Sendungen aus der mütterlichen Vorrathskammer, um durch häusliche Verpflegung der magern Berliner Kost nachzuhelfen, dass der Beistand der Freunde erforderlich, auch gern geleistet wurde. Auch ein ausser Gebrauch gekommenes Klavier wurde ihm auf seinen Wunsch nachgeschickt: er hatte sich in der letzten Zeit mit mehr Eifer im Klavierspiel geübt und hoffte darin eine zerstreuende und bildende Unterhaltung zu finden. Allein es kam doch nicht dazu, das Instrument wurde später fast unbenutzt wieder nach Breslau transportirt. E r fand in Berlin eine zahlreiche Vetternschaft vor, auch war ihm durch Empfehlungen von Breslau der Zutritt zu manchen befreundeten Familien eröffnet; indessen unterhielt er diesen Verkehr mehr aus Pflichtgefühl, das auch von Hause her wach gehalten wurde, als zu eigener Befriedigung. Diese Weise geselliger Unterhaltung behagte ihm nicht, das Gespräch schien ihm selten lohnend, an Kartenspiel und jeux d'esprit fand er kein Vergnügen, noch weniger am Tanzen. Zwar wurde noch ein Versuch mit einer Tanzstunde gemacht, aber sie brachte ihn zu dem Ultimatum „Ich bin verdorben zum Drehtanz." So war denn die Zeit seines Berliner Aufenthalts wesentlich durch das, was ihn nach Berlin geführt hatte, erfüllt, durch die bei grösseren Hülfsmitteln unter Anregung bedeutender Lehrer mit dem angestrengtesten Fleiss und Eifer betriebenen Studien. Bücher, von der Bibliothek und von Freunden entliehen, waren stets in Massen in seiner Stube zusammengehäuft, Journale wurden in der grossen Leseanstalt von Kralowsky 1 regelmässig gelesen, vor allem die Vorlesungen, welche so schmerzlich empfundene Lücken ausfüllen sollten, mit Eifer besucht 2 . 1
Gubitz Erlebnisse I S. 94 f. Gerhard wurde unter Rudolphis Rectorat am 23. April 1814 von Solger als Decan ins Album der philosophischen Pacultät eingetragen. 2
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EDUARD GERHARD
Eine Vorlesung, die den grössten Eindruck auf ihn machte, waren die gleich im Sommersemester 1814 angenommenen I n s t i t u t i o n e n bei S a v i g n y . Vor dem V a t e r , der sich wunderte, dass er als Philolog das mit 2 F r d ' o r theuer bezahlte Colleg hörte, rechtfertigte er sich ausführlich. Einen besseren Docenten als Savigny werde man nicht finden, alles sei tief durchdacht und mit einer Klarheit ganz frei vorgetragen, die Bewunderung verdiene. E s sei ihm immer, als läse er bloss für Philologen und als spielten die J u r i s t e n , die vor ihm sässen, er eine klägliche Rolle. „Allerdings praktische Juristeu bilden, aber nach seinem I d e a l ; sie sollen nicht bloss den Buchstaben des Gesetzes anwenden können, sie sollen es auch verstehen. Da aber alles neuere positive R e c h t , es sei in einem Gesetzbuch dargestellt oder nicht, aus einer Mischung besteht von Gewohnheitsrecht in d e r . I d e e eines jeden Volks entstanden, und von römischem R e c h t , so müssen J u r i s t e n , um das diese Mischung darstellende, nicht willkührlich von oben her gegebene Gesetzbuch zu verstehen, die beiderseitigen Rechte in den verschiedenen Epochen ihrer Ausbildung in der Idee des Volks so gründlich als möglich kennen lernen. Da aber diese Ausbildung sich nur erkennen liisst, indem man das ganze Rechtsgebäudc und jede einzclue Rechtslehre von ihrer Entstehung an bis zu ihrer Verfälschung verfolgt, so beschäftigen sich die Vorlesungen nicht bloss mit dein Justinianischen Recht, sondern es muss hauptsächlich die frühere E n t w i c k l u n g des Rechts betrachtet werden; die Institutionen werden nur gebraucht, wenn am E n d e der Geschichte j e d e r Lehre kurze Zeit bei der Justinianischen Zeit zu verweilen ist. SO kann ich also, obgleich künftig nicht J u r i s t , doch diese Vorlesungen sehr wohl brauchen. Schlimm genug, dass so viele Philologen gar nichts wissen vom römischen Rechte und daher keinen römischen Schriftsteller gehörig verstehen können. So wenig ich glaube, dass viele der zuhörenden J u r i i t e u sich zu seinem Ideal erheben werden, so überzeuge ich mich immer mehr, dass eine solche historische Vorlesung durchaus lür den Philologen gemacht ist, wenn er auch wirklich bei einer Einseitigkeit verharren sollte, die seinem Studium am wenigsten ziemt." P a n d e k t e n , die er sich auch zu hören vorgeuotumeu hatte, las damals Savigny zu seinem Bedauern nicht. F . A. W o l f las im Sommer 1814 nur ein Publicum über A e s c h y l u s E u i n e n i d e n, wo er in der allgemeinen Einleitung über die Tragiker stecken blieb, da er schon im Juni ins Bad ging. Als Gerhard ihn um die angekündigten Privata mahnte, meinte Wolf, die Zeiten seien zwar vorbei, wo ihm 80 Zuhörer zu wenig gewesen wären, aber bei der grössten Neigung zum Lesen könne er es doch für den Augenblick nicht thun. Als er sich dann zur Badereise entschloss, für die er Geld brauchte, schlug er
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M e t r i k an. Hoch erfreut g r a d e diese Vorlesung zn hören, die ihm so sehr nöthig sei, meldete sich G e r h a r d ; Wolf wiederholte ihm mehrmals nachdrücklich, es sei kein Publicum und ehe nicht 12 Goldfritze beisammen seien, fange er nicht an. Gerhard war gern bereit seinen letzten Friedrichsd'or daran zu wenden, aber die übrigen fanden sich nicht ein, und aus der Metrik wurde nichts. Im Wintersemester, wo die Universität ein ganz anderes Ansehen gewann und die zuströmenden Zuhörer alle Auditorien füllten, war Wolf ausserordentlich fleissig; er las vier Gollegien, die Gerhard alle eifrig besuchte. „Die von ihm nach löblicher alter Sitte lateinisch gehaltene öffentliche Vorlesung über B i o n und M o s c h u s , " schrieb er dem Vater (14. Nov. 1814) „in der es oft schwer hält Sitze zu bekommen, bringt freilich des B e k a n n t e n , namentlich mir [der eifrig betriebenen alexandrinischen Studien wegen] Bekannten soviel, dass es oft schwer hält, ein edles Weizenkorn zu holen; dennoch höre ich fleissig zu, theils um den Mann.nicht zu kränken, der auf so etwas hält, theils des Geistes wegen, mit dem er alles, auch das Trivialste, zu behandeln und vorzutragen weiss. Ein Privatissimum über A e s c h y l u s A g a m e m n o n ist am wenigsten befriedigend, mir indess noch mehr als Anderen, weil ich eine in Breslau gehörte E r k l ä r u n g vor Augen h a b e , in welcher durch banausische und geistlose Behandlung der herrliche, unter Heroen und Göttergestalten webende Dichter in gar niedrige, seiner unwürdige Sphäre herabgezogen wurde. A b e r weit bedeutender sind die beiden übrigen Wolfschen Vorlosungen. Seine E n c y c l o p ä d i e und seine E r k l ä r u n g des C i c e r o d e o f f i c i i s ist nicht mit Golde zu bezahlen. Dort der echte wissenschaftliche Geist, der zuerst würdige Ideen von der Wissenschaft uns miltheilt, sei es vom Ganzen oder vom Einzelnen; hier die heitere Behandlungsart, durch die unbedeutend scheinende Dinge hervorgehoben werden, und der scharfe, eindringende Geist der Kritik, der zeigt, wo es Noth thut, und wo alles Quälen und Zerren vergeblich ist. Diesen Vorlesungen verdanke ich sehr viel." Auch noch im Sommersemester 1815 hörte er bei Wolf I l i a s , und da dieser es ihm so nahe legte, dass nicht gut auszuweichen war, auch A r i s t o p h a n e s . Nicht so wohl glückte es mit dem persönlichen Verkehr. E r besuchte zwar Wolf zum Thee und begleitete ihn auf Spatziergängen, aber zu einer recht freien Unterhaltung wollte es nicht kommen. „Eine gewisse Scheu habe ich besonders bei seinen Gesprächen über wissenschaftliche Gegenstände;" schrieb er (7. J a n . 1815) „Ideen, die ihn ganz erfüllen, will nur er darlegen, daher spricht er allein und lässt keine Zwischenrede, am wenigsten eine widersprechende a u f k o m m e n , der Zuhörer muss Zuhörer bleiben. Man möchte glauben, der Pluss der Rede werde nur darum nicht gehemmt, damit j a keine fremde Meinung sich erheben möchte.
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EDUARD GERHARD
Die von seinen Vorlesungen gewonnenen Eindrücke" fügt er hinzu „bleiben mir ungetrübt." Im Sommer 1814 hörte er auch A e s c h i n e s über den Kranz bei Im. B e k k e r , der ihm „in grammatischen Dingen über alle ging" und „treffliche Sachen wörtlich aus seinen Heften ablas." Den nachhaltigsten Einfluss aber gewann durch Vorlesungen und persönlichen Verkehr B ö c k h auf ihn. „ B ö c k h s Colleg über g r i e c h i s c h e A n t i q u i t ä t e n ist ganz trefflich. E s will nicht viel sagen, wenn ich behaupte nicht zu wissen, wer in Göttingen oder in Breslau oder sonst wo ein solches Collegium lesen könnte" (14. Mai 1814). „Sein Plan umfasst weit mehr als die fragmentarischen Notizen, die sonst als Antiquitäten gegeben wurden; nichts ist ihm verhasster als alles ähnliche unphilosophische Treiben. Nur ist der Zuschnitt so gross gemacht, dass ich fürchte, er wird gegen das Ende seiner Vorlesungen gewaltig jagen müssen; es wäre zu bedauern, wenn jetzt weniger bedeutende Sachen auf Kosten wichtigerer zu weitläufig durchgenommen werden sollten" — (3. Juni 1814). Diese Befürchtung traf ein. Wiewohl Böckh in der letzten Zeit 12 Stunden wöchentlich statt 4 las, konnte er doch von fünf Abschnitten nur einen wirklich durchnehmen, von den übrigen musste eine Uebersicht genügen. Im Winter war eins der Hauptcollegien Böckhs die M e t r i k . „Hier ist der Mann Koryphäus, er hat seinen Gegenstand durchdrungen." Dazu kamen die Uebungen des philologischen S e m i n a r s , an deren Leitung seit dem Winter auch B u t t m a n n Theil hatte. E s schien ihm freilich mit dem Seminar eine andere Sache als mit den Vorlesungen, aber doch war es ein ganz anderes Institut als das Breslauer. „Zwar pflegen die Interpretationsübungen mitunter langweilig zu werden, doch bloss mitunter und im Ganzen lernt man doch manches dabei. Eine andere Hebung wird jede Woche einmal gehalten, gewöhnlich Fragen über schwierige Gegenstände, die die Mitglieder sich vorlegen und über die oft lange und heftig gestritten wird, theils Abhandlungen die vorgelesen und besprochen werden." Dies Seminar besuchte Gerhard so lange er in Berlin war. Mit Böckh kam nun auch ein regelmässiger Verkehr zu Stande, der nicht nur wissenschaftlich anregte, sondern auch für litterarische Arbeiten und die künftige Lebensstellung förderlich zu werden versprach. Böckh war damals im vollen Zuge seiner grossen Arbeiten. Nachdem der Text des Pindar 1811 erschienen war, hatte er so eben die Bücher de metris Pindari, die für Gerhard ein Gegenstand des sorgfältigsten Studiums wurden, und die kritischen Anmerkungen abgeschlossen — das Nachwort ist vom 16. Mai 1814 datirt. E r war eifrig mit der Ausarbeitung des Staatshaushalts der Athener beschäftigt und tief in den Vorarbeiten zu der eng damit zusammenhängenden Sammlung der griechischen Inschriften.
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Der belebende Hauch einer solchen geistigen Thätigkeit durchdrang auch den Verkehr mit den Schülern, die selbst zu unmittelbarer Theilnahme herangezogen wurden. Die Inschriften verlangten vielfache, zwar zum Theil mechanische, aber doch nur von kundigen Arbeitern auszuführende Hülfeleistung; für diese wurde Gerhard bestimmt in Aussicht genommen. Beim P i n d a r aber wünschte Böckh, um für die neuen Arbeiten Zeit zu gewinnen, eine Theilung der Arbeit. Am 8. März 1815 machte er Gerhard den Vorschlag die Bearbeitung der S c h o l i e n zu übernehmen. Er überliess ihm den bereits gesammelten Apparat und erklärte sich bereit dafür zu sorgen, dass von Göttingen und anderswoher wichtige Handschriften zur Vergleichung herbeigeschafft — eine der bedeutendsten war in Breslau —, und der mit dem Verleger abgeschlossene Contract auf Gerhard übertragen würde. Gerhard ging gern an eine Arbeit, die wissenschaftlich fördernd und durch die Gemeinschaft mit dem berühmten Meister ehrenvoll, auch für die nächste Zeit eine lohnende Thätigkeit versprach. E r machte sich also mit Eifer zunächst an die genaue Vergleichung der Handschriften, eine Arbeit, die sehr nachtheilig auf seine Augen wirkte und das Leiden, über welches die ersten Klagen im Juni 1815 laut werden, vielleicht nicht hervorrief, aber jedenfalls in einer Weise begünstigte, dass der unglückliche Verlauf desselben wesentlich auf diese so zur Unzeit den Augen zugemuthete Ueberanstrengung zurückzuführen ist. Er wurde dadurch gezwungen von der eigentlichen Bearbeitung abzustehen und seine Vorarbeiten Böckh zurückzugeben, der sie dann zum Abschluss b r a c h t e E i n etwas späterer Vorschlag Böckhs, Gerhard möge auch die Bearbeitung des erklärenden C o m m e n t a r s übernehmen, indem er sich' anheischig machte, D i s s e n , der sich zur Theilnahme bereit erklärt hatte, zum Abtreten seines Antheils zu bestimmen, konnte unter den traurigen Umständen kaum in ernstliche Erwägung gezogen werden; er zeigt, was Böckh von Gerhard hielt und was er von ihm erwartete. Die Herbstferien hatte Gerhard zu einem Besuche bei dem mit der jüngsten Schwester seiner Mutter in T e i c h a bei Halle verheiratheten Prediger L e i s t e verwendet. Ausser dem gemüthlich wohlthuenden Auf1
In der vom 10. Nov. 1818 datirten Vorrede sagt Böckh: Scholia quum initio aperaseem Eduardum Oerhardum, meum olim auditorem, virum doctum et ingenioaum, qui haud exiguam in ii» operam collocaverat, esse recenaiturum ; quod ia mox triati et miaeranda luminum valetudine laborare coepit, copiis, quas ille tanta induatria aollertiaque collegerat, mecum liberaliter communicatis ipse me ad absolvendam rem accinxi; quodque illiua maxime nomine eruditis tradere cupiveram commune opus iam meo nomine coactus sum in lucem emittere. Das für die Bearbeitung der Scholien bedungene Honorar fiel zur Hälfte Gerhard zu.
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enthalt in der Familie wurden die weiter gehenden lleisepläne schlechtes Wetter und anderes Missgeschick gestört. mit Bedauern Haus
und Garten
des Grossvaters
durch
In H a l l e , wo er vernachlässigt fand,
suchte er N i e m e y e r und S c h ü t z auf, der ihm a l s e i n sehr angenehmer Gesellschafter erschien, der zu erzählen wisse. der Kircheuräthin G r i e s b a c h
In J e n a
freundlich aufgenommen.
ausserdem den Hofr. E i c h s t ä d t , "
ward er von „ I c h besuchte
berichtet er dem Vater (15. Sept.
18i4), „nicht sowohl weil ich dies grosse Thier zu gebrauchen gedachte, als weil ich neugierig war ihn kennen zu lernen.
Man sieht dem Manne
die Impertinenz nicht eben an, höchstens einen gewissen Grad Dummheit und Kriecherei; ein sehr nichtssagendes Gesicht.
Doch befand ich mich
auf ein Stündchen dort recht wohl; der Mann wusste zu erzählen." W e i m a r waren die grossen Leute für ihn nicht sichtbar.
In
Aus Vor-
sehen, in der Meinung zum Bibliothekar zu kommen, suchte er auf, „einen deus minorum gentium, was er selbst nicht glaubt.
Hund Da nun
der Mann sich zwar freute von mir als eine Merkwürdigkeit Weimars aufgesucht zu werden, aber auch als solche geehrt sein wollte, so hatte ich wenig Lust ihm den Gefallen
zu thun und suchte bald die Thür."
In G o t h a verfehlte er J a c o b s . Da es ursprünglich nur auf ein jähriges Studium in Berlin abgesehen war, suchte er bald nach seiner Rückkehr von der Ferienreise die N o t wendigkeit eines längeren Aufenthaltes seinem Vater darzuthun.
„Wie
viel weiter würde ich sein, müsste ich nicht zwei ganze J a h r e bereuen, in denen eine geistlose und handwerksmässige Methode die Alten durch Interpretation zu schänden, die sich für Philologie ausgab, mich fast bis zuletzt auf falschem Wege fortführte, so dass, da ich durch jenes Orakel der Afterpropheten
getäuscht auch Deiner Erinnerung zu wenig folgte
und andere leichter dort zu treibende Studien vernachlässigte, mir nichts übrig bleibt als Abscheu vor jenem Treiben und der vergebliche Wunsch die schlecht durchlaufene Bahn noch einmal beginnen zu können. mir am meisten Noth that, wissenschaftliche
Was
philologische Vorlesungen
zu hören, war dort nicht möglich; daher es denn kommt, dass, nachdem ich iu Berlin vier treffliche Collegia von der Art bcsucht habe oder besuche,
so grosse Lücken mir noch auszufüllen übrig bleiben.
I c h will
nicht von den Pandecten reden, die billig jeder Philolog bei dem trefflichen Savigny hören sollte; aber wie könnte ich bestehen ohne Kenntnisse von
alter Kunst, ohne Geschichte
der Philosophie, Mythologie,
Litteraturhistoric u. a., was nur hier gelehrt werden kann?
Mir ist in
der That schrecklich zu Muthe, wenn ich mir alle diese Lücken vorhalte, einsehe, wie unmöglich es ist sobald sie auszufüllen, und dann wiederum die grossen Schwierigkeiten bedenke, die einer langen Fortdauer meiner
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EDUARD GERHARD Studien im W e g e stehen.
Ohne noch
künftigen Sommer einige
Vor-
leAungeu hier gehört zu haben, ist es mir nicht möglich an A b g a n g von der Universität zu denken.
F r o h werde ich sein, wenn ich die haupt-
sächlichsten philologischen Collegia gehört h a b e , andere von mir nicht zu vernachlässigende K e n n t n i s s e werden mit der Zeit auch noch getrieben werden.
In B r e s l a u noch einmal als Student eine V o r l e s u n g zu
hören, daran denke ich nicht.
Unter den Verhältnissen, die ich dort zu
erwarten h a b e , ist es mir unmöglich in einer solchen Gestalt zurückzukehren, d a s s mir mancher dort viel, anderswo weuig geltende Mauu thun und s a g e n dürfte, w a s ihm beliebte.
U n d das würde nicht zu vermeiden
sein, wenn ich nicht vorher promovirt hätte und zwar nur hier, wo dergleichen mehr E h r e bringt als anderswo, wo es mir als
Seminaristen
weniger K o s t e n macht als anderswo, wo mir nicht K a b a l e n und Chikanen im W e g e stehen, wie a n d e r s w o " (14. Nov. 1814).
E s fanden sich dann
auch Mittel, besonders durch eifrigeres Stundengeben, den Aufenthalt für den S o m m e r in sichere A u s s i c h t zu nehmen. E i n e in den Osterferien beabsichtigte Reise nach G ö t t i n g e n niusstc unterbleiben;
allein die Nachricht
von N a p o l e o n s Rückkehr von
hätte beinahe seine Studien gänzlich unterbrochen.
Elba
„ E i n ganz anderer
Ideeukreis entsteht, w a s sonst die S e e l e füllt schwindet seit heute früh [28. M ä r z 1815], d a die Nachricht alles erfüllt von der F l u c h t des Besiegten.
Den H e r r e n , die sich die F e d e r zerkauen, um Materialien zu
liefern zum künftigen codex diplomaticus, ist ein Dintenklecks gefahren über d a s schöne Werk. war g e f l o s s e n , zu bedürfen
S o mancher T r o p f e n kostbaren deutschen Blutes
und noch nicht g e n u g ;
die
nicht
mehr
schienen g a b e n der S e l b s t s u c h t R a u m ,
ein
der
Einigkeit
Gottesschlag
musste unter sie fahren, d a s s sie endlich sähen, was Noth thäte.
Denn
ist auch die G e g e n w a r t betrübt, so hoffe ich doch nun eiue fröhliche Zukunft.
Freilich wird es wieder Mühe kosten den L ö w e u zu bändigen,
mehr vielleicht als vorher; aber d a ebeu wird es sich zeigen, was noch deutscher Sinn und deutsche K r a f t v e r m a g . "
Er
war entschlossen der
Aufforderung zum K r i e g s d i e n s t zu folgen, auch der G e d a n k e an den Schmerz, den der Mutter dieser E n t s c h l u s s machen würde, liess ihn nicht schwanken.
U m sie wenigstens vorzubereiten, schrieb er seinem Oheim,
„dem Antiphilologus", P r e d i g e r N ö s s e l t (dem Verfasser der bekannten Weltgeschichte für Töchter).
„ D a s s meine Studien mir mehr waren, als
blosser Zeitvertreib, mochte man schon
damals sehen können, als ich
sie wenn auch mit ziemlich beschränkten Ansichten doch mit E i f e r und Liebe trieb.
Versuuken in meine Studien, in denen ich mir schon nach
dein Höchsten zu streben schien, wagte ich keinen Blick über Schreibtisch hinaus; von
meinen
der Welt und dein L e b e n trennte mich eine
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EDUARD GERHARD.
ungeheure Kluft, jene hätten zu Grunde gehen können, hätte man mich nur sitzen gelassen, ich hätte nichts dawider gehabt. Die Zeiten haben sich geändert. Meine Studien sind mir noch so theuer wie sonst, aber ein freierer Blick über sie und ihr Yerhältniss zu dem Uebrigen hat mir jene unglückselige Gleichgültigkeit genommen. Wenn wiederum die Schneelawine von Westen her sich niederzusenken droht über unser deutsches Land, um ihm politisches Leben schnell und geistiges langsam zu rauben, wenn es dann Sache aller edlen deutschen Männer und Jünglinge ist alle für einen zu stehen, kann ich nicht zurückbleiben und guten oder bösen Ausgang ruhig abwarten. Aus Erkenntniss dieser Pflicht fühle ich mich aufgefordert Kriegsdienste und, falls ich für diese auch jetzt noch unfähig erfunden werden sollte, eine andere Anstellung im Kriegswesen zu suchen. Allein der Gedanke an meine Mutter macht mir den Entschluss schwer; ihrer Liebe für mich würde es schwer werden mich in Gefahr zu wissen, ihre Furcht würde grösser sein als die fröhliche Aussicht auf meine rühmliche Rückkehr. Und so würde ich immer noch schwanken und die Entscheidung von einem Briefe aus Breslau erwarten, hätte nicht der Berghauptuiaun Gerhard mich bestimmt mich gestern als einer zu melden, der dem Vaterland zu dienen bereit ist" (4. April 1815). Zunächst kostete es wiederholte Eingaben, Laufereien und Plackereicn, ehe er nur eine autorisirte Untersuchung durch einen Militärarzt erlangte, der ihn „wegen zarten Knochenbaues, schwacher Brust, geschwollner Schilddrüsen" für untüchtig erklärte. Gegen die Bewerbung um eine Bureaustelle erklärte sich namentlich Böckh, da dies ganz überflüssig sei; sie unterblieb, als Meier mit der seinigen abgewiesen war. Da durch den Ausbruch des Kriegs seine Lage ebenso wie die Universität in ihrer Wirksamkeit in Frage gestellt wurde, bemühte er sich zunächst sein Examen zu beschleunigen. E r hatte sich von ernsten homerischen Studien ausgehend in Berlin eindringlich mit A p o l l o n i o s R h o d i o s beschäftigt und, wiewohl Wolf mit diesen Studien nicht recht zufrieden war, schon im Februar Böckh seinen Plan einer kritischen Ausgabe mit ausführlichen Prolegomenen mitgetheilt, welche ihm als Habilitationsschrift dienen sollte. Böckh missbilligte dies zwar nicht, rieth aber zunächst zu einer kritischen Abhandlung. Der Rath erwies sich als praktisch, denn für eine Ausgabe war kein Buchhändler zu finden. Gerhard hielt sich nun an die Ausarbeitung der Abhandlung und reichte am 16. April die auf den Apollonios unmittelbar bezüglichen Kapitel ein. Am 24. April fand das Examen Statt, bei dem ausser Böckh als Decan nur Rühs und Erman gegenwärtig waren. Böckh allein examinirte, zunächst an die Abhandlung anknüpfend, dann über Prytanen,
EDUARD GERHARD.
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„von denen ich nichts wusste", den attischen Senat, die Thcile Griechenl a n d s n. a., und entliess Gerhard mit grossem L o b e , indem er ihm bemerkte, er habe gleich bei der ersten Bekanntschaft gesehen , „das« er ihm Hecori sein werde". Am 29. April hielt Gerhard eine Vorlesung vor der Facultät, an welche sich ein Colloquium anschloss; die feierliche Promotion wurde noch aufgeschoben, da der Ritus in den Statuten nicht bestimmt war und erst festgestellt werden sollte; auch verlangte die F a c u l t ä t , dass vorher wenigstens ein Theil der Abhandlung gedruckt vorliege. Nachdem alles überstanden war, berichtete er nach Hause und erzählte Meier und Wernicke seine Thaten. Meier nahm die Verheimlichung als einen Verrath au der Freundschaft sehr übel, um so mehr, d a er G e r h a r d , ohne zu ahnen wozu, seinen schwarzen Frack geliehen hatte — was in späteren J a h r e n nicht wohl thunlich gewesen wäre —, wie sie auch in ihrer gemeinschaftlichen Wohnung nur einen gemeinschaftlichen H u t gehabt hatten. Die nächste A u f g a b e war die Abhandlung zu vollenden und zum Druck zu befördern. Ein A n t r a g an Schwetschke in Halle wurde trotz Böckhs Empfehlung abgelehnt; dann erklärte sich Fleischer in Leipzig bereit, zwar ohne Honorar zu zahlen, doch lieferte er für eine mässige Entschädigung die grosse Anzahl von 90 Freiexemplaren auf Schreibpapier, die nöthig w a r ; da Gerhard als Seminarmitglied eine Beisteuer von 50 Thlr. erhielt, die grade die eigentlichen Promotionskosten deckten, kam er noch billig davon. Nach beendigtem Examen wurde auch die F r a g e aufgeworfen, ob es nicht am besten für ihn sei jetzt nach Breslau zurückzukehren, allein dagegen erklärte er sich energisch (16. Mai 1815). „ F ü r meine wissenschaftliche Ausbildung und meine künftige Beförderung ist es zweckmässig noch einige Zeit länger in Berlin zu bleiben. Um grössere Vielseitigkeit zu erlangen werden manche Vorlesungen mir nützlich sein, die doch das beste Mittel sind, eine schnelle und klare Uebersicht über manche Doctrinen zu erhalten. I n Breslau würde ich füglich keine Vorlesung mehr hören können, wenn ich künftig da dociren will, es wird aber auch keine da gelesen, wie ich sie mag. Der U m g a n g gelehrter Mänuer wird viel zu meiner Bildung in Berlin thun, in Breslau suche ich vergebens solche, wie ich sie mag. An litterarischcn Hülfsmitteln fehlt es mir in Berlin nicht oft, in Breslau so lange, als ich mir nicht selbst das Nothwendigste angeschafft haben werde. Ich lebe hier in einer glücklichen Verborgenheit, bis ich auftreten will, besser vorbereitet als ich j e t z t b i n ; wenige kümmern sich um mich, weil grössere Lichter da sind; auswärts werde ich durch mein Büchlein und was etwa darauf folgt soviel bekannt als ich grade will. Anders in Breslau; hier kann und will ich obscur sein, dort giuge es nicht an. Das unvermeid-
22
EDUARD GERHARD
liehe Geschwätz der Gegner, das Ansehen anderer mir gleichgültiger, aber gegen die ich mich fühle, der leere Dunst, den die Herren um sich blasen und blasen werden, würden mich antreiben dem Schwatzen Einhalt zu thnn, den Dunst zu zerstreuen und eine richtigere Meinung zu begründen; dazu müsste ich einen höheren Ton anschlagen als ich mag und der ohne ähnlichen Dunst sich nicht erreichen lässt. Wollte ich in Breslau meine Zeit mit vornehmthuenden, nicht seienden Vorlesungen ausfüllen, weiteren Studien auf die nächsten J a h r e den Abschied gebend, so könnte ich mein Lebelang in Breslau Privatdocent bleiben. Bleibe ich dagegen in Berlin, so machen mir Vorlesungen und andere unzeitige Arbeiten keinen Kummer, ich lasse von Zeit zu Zeit etwas von mir hören und bleibe solchen Leuten in gutem Andenken, die mich wenn es Noth thut schnell und glücklich befördern können." Ausser bei Wolf hörte er bei S c h l e i e r m a c h e r — dessen Predigten er häufig, und allein mit Befriedigung, hörte und auf dessen D i a l e k t i k er das Semester vorher nur um das Honorar zu sparen verzichtet hatte — G e s c h i c h t e d e r P h i l o s o p h i e und diese Vorlesung war e s , die ihn gewaltig anzog und eigentlich innerlich beschäftigte. Ausserdem trieb er, seitdem die Abhandlung fertig war, hauptsächlich Kunstgeschichte nach Winckelmann, Fiorillo und nach Hirtsehen Heften, die er sich abschrieb. Anregung dazu uud F ö r d e r u n g verdankte er T ö l k e n , der sich im Winter habilitirt hatte, und bei dem er R e l i g i o n s g e s c h i c h t e d e r A l t e n hörte. Dies führte zu einer näheren Bekanntschaft, welche durch gemeinsame Beschäftigung mit H e s i o d belebt wurde. Gerhard erhielt das eben fertig gewordene Buch über das Basrelief von Tölken zum Geschenk, als er sich als erster Zuhörer zur K u n s t g e s c h i c h t e meldete, die nachher der Krieg nicht zu Stande kommen Hess. Im Wintersemester hörte sie Meier, den sie lebhaft für alte Kunst enthusiasmirte, ohne die er sich keine Alterthumswissenschaft mehr denken könne. Auf Gerhard wirkte Tölken damals durch lebendige Mittheilungen anregend ein, auch im folgenden Winter verkehrten sie freundschaftlich mit einander und Tölkens Briefe aus der nächsten Zeit sprechen herzliche Theilnahme aus. Als sie nach J a h r e n in Berlin als Collegen an der Universität und am Museum zusammentrafen, erneuete sich das alte Verhältniss nicht wieder, Tölken war in einem zerstreuenden Verkehr bequem und den lässig betriebenen archäologischen Studien fast abtrünnig geworden; das verzieh Gerhard nicht und sprach von ihm fast nur mit einer gewissen Ironie. Von älteren Philologen verkehrte Gerhard, doch nicht eigentlich näher, mit C o n r . S c h n e i d e r , Prof. am Joachimsthalschen Gymnasium, und dem eifrigen Wolfianer W a l c h . Zu den jüngeren, welche sich damals in Berlin zusammenfanden und später einen Namen in der Wissenschaft
23
EDUARD GERHARD erlangt
haben,
L. D ö d e r l e i n ,
mit
denen
auch
Gerhard
befreundet wurde,
K. G ö t t l i n g . , F r . O s a n n .
gehören
Eine vorübergehende Be-
k a n n t s c h a f t bei einem B e s u c h war P o p p o , mit dem es s p ä t e r zu einem so u n a n g e n e h m e n Z u s a m m e n s t o s s kam. D a r ü b e r n a h t e der mehrmals h i n a u s g e s c h o b e n e T a g d e r P r o m o t i o n heran.
Am
Di g a m m a
1. J u l i
1815
promovirte
nach
ihn
einer
Böckh,
Vorlesung
der
über
Gerhards
die
neuere
über
das
Einrichtung
redete, als ersten D o c t o r rite p r o m o t u s der j u n g e n Universität.
Zugegen
waren U h d e n , B e k k e r , T ö l k e n — „sonst nichts V o r n e h m e s " B a l d n a c h h e r machte er
sich auf den d r i n g e n d e n W u n s c h
seiner
M u t t e r , die ihm auch das R e i s e g e l d schickte, auf die Heimreise. Die K u n s t studien veranlassten ihn ü b e r D r e s d e n zu gehen, wo er sieh die S a m m lungen ansah und die B e k a n n t s c h a f t von B ö t t i g e r , H a r t m a n n machte.
Kügelgen
und
Die M u t t e r f a n d er in dem B a d e F l i n s b e r g ,
das
sie bei dem nervösen L e i d e n , von welchem sie in früheren J a h r e n häufig und a n d a u e r n d heimgesucht w u r d e , öfter b e s u c h t e , wo er seinen letzten V e r s u c h im T a n z e n machte.
M i t ihr h e i m g e k e h r t verlebte er sechs an-
g e n e h m e W o c h e n bei den Seinigen manchem d e r B r e s l a u e r Gelehrten.
und in freundlichem V e r k e h r
mit
Zu diesen g e h ö r t e seit dem S o m m e r
der neu ernannte P r o f e s s o r F r z . P a s s o w ,
den G e r h a r d in Berlin
in
W o l f s V o r l e s u n g e n und sonst wohl getroffen hatte, ohne mit ihm b e k a n n t zu w e r d e n 2 ; j e t z t t r a t e n sie in ein näheres V e r h ä l t n i s s .
D a n e b e n war
er fleissig an der V e r g l e i c h u n g "der B r e s l a u e r P i n d a r s c h o l i e n und schrieb unter d e r
Chiffre Des[irfmus] i r f u s n i t i s ] seine ersten R e c e n s i o n c n f ü r
die J e u a i s c h e L i t t e r a t u r z e i t u n g ,
durch die er auch eine E r w e r b s q u e l l e
sich zu eröffnen hoffte 3 .
1
Dos Diplom besagt, dass Böckh im Namen der Facultät Eduardo
hardo
postquam
diaertationem
narum
nomine
phicum
cum laude
inscriptam
inititutis
facultatis
doctori»
et artium
2
summa
doctam
exhibuerat sustinuerat,
candidati liberalium
debent, magislri
atque
ingeniosam
ac non solum verum
etiam
ordini ornamenta
lectionum
ientamen in ceteris,
eximie
et examen
et honores
philoso-
quac praestare
satisfeceral,
Oer-
Apolloniaex
philosophiae
contulit.
Früher hatte er geschrieben „Prof. Passow hieselbst privatisirend und fleissiger Zuhörer W o l f s , impertinent und bescheiden nach Umständen, wird als Professor der alten Litteratur nach Breslau gehen; es wird dann dort besser werden, aber auch noch nicht gut. — Dass ein so talentvoller Mann wider seinen eigenen Willen nach Breslau gehen muss, um seine bis jetzt erhaltenen 1000 Thlr. nicht umsonst hier zu verzehren, bedauert Wolf sehr, er habe hier so schöne Gelegenheit sich weiter auszubilden." 3 Die Recensionen Gerhards in der Jenaer Litteraturzeitung, vom Sommer 1815 bis Ostern 1816 geschrieben, betreffen:
24
EDUARD GEBHARD
Nachdem von Neuem überlegt war, ob er nicht in Breslau bleiben sollte und auch der T ä t e r nun für den Aufenthalt in Berlin war, kehrte er Anfang October dahin zurück. E r hatte das bestimmte Gefühl, dasg er sich vor anderen, auch älteren, auszeichne, was er. durch sein Buch documentirt zu sehen hoffte, er traute sich die K r a f t zu weiter zu kommen in wissenschaftlichen Leistungen, wenn ihm nur Zeit und Spielraum gegeben würde. Sein Absehen war entschieden auf die Stellung eines akademischen Lehrers gerichtet, und dafür erschien auch die Zeit günstig; in Breslau, Königsberg und Halle sollte etwas für Philologie geschehen, schon war die Gründung einer rheinischen Universität im Werk, die ebenfalls Aussichten eröffnete. E s kam also darauf an die Aufmerksamkeit und Theilnahme der leitenden Personen zu verdienen und zu gewinnen. Um aber sich auszeichnen zu können, „um den unruhig strebenden Geist auszutoben" war es sein heisser Wunsch eine wissenschaftliche Reise zu unternehmen, was freilich nur mit Staatsunterstützung für ihn möglich war. Veranlassung dazu konnte das Corpus inscriptionum bieten, zu dessen Hülfsarbeiten ihn Böckh schon herangezogen hatte, und die ohne Reisen gar nicht zu beschaffen waren; auch war verlautet von Reisen, die im Interesse der öffentlichen Bibliotheken unternommen werden sollten. Bei solchen Plänen lag ihm vor allen daran die nächste Zeit für wissenschaftliche Arbeiten frei zu haben; ein A m t d. h. eine Anstellung an einer Schule, die seine Angehörigen ihm znm Geburtstag in nächster Zeit wünschten, war ihm ein Schreckbild. Das ganze Gebiet
Tzetzarum scholia iu Lycophronem ed. Müller (J. L. Z. 1815 Erg. Bl. N. 88 ff. S. 313 ff.) Sprengel Neue Kritik der klassischen römischen Dichter (J. L. Z. 1816 Febr. N. 16 S. 249 ff). Demosthenes de Corona ed. Harless. — Die Reden des AeschineB und DemostheDes über die Krone übers, v. Fr. v. Raumer. — Aeschinis et Demosthenis orationes de Corona ed. I. Bekker. — Aeschinis operr. Demosthenis opera. ed. Tauchn. (J. L. Z. 1817 März N. 55 S. 433 ff). [Der Freund, dessen kritische Einfälle hier mitgetheilt werden, ist P a b s o w.] Creuzer Meletemata I. (J. L. Z. 1817 April N. 67 S 59 f.). Dionysii Hai. de comp. verb. ed. Schaefer. — ed. Göller (J. L. Z. 1817 Erg. Bl. N. 33 S. 257 ff). Alle diese Recensioneu gehen ins Einzelne ein und sind in gehaltenem Ton geschrieben; dass das verrückte Buch von Sprengel nicht nach Verdienst verspottet wird, hatte freilich die beschneidende Redaction verschuldet. Eine Recension von Morells lexicon gracc. prosod. ed. Maltby in der Wiener allg. Litt. Ztg. habe ich nicht gesehen.
EDUARD
26
GERHARD
seiner Wünsche, antwortete er seinem Vater, Hesse sich in die Worte zusammenfassen : W a s von den Göttern ich bitte mit L u s t mein L e b e n zu schmücken? Wohlsein und leidliches Geld und bei den Edleren Gunst; Und was ein Gott mir gebeut, es zu schaffen mit kräftiger Sorgfalt. Ward mir auch manches vergönnt, vieles doch bleibt mir zurück.
Böckh hatte ihm einstweilen 50 Thlr. für Abschreiben griechischer Inschriften ansgemittelt, Correcturen, Recensionen, Privatstunden schafften den nothdürftigen Unterhalt, so mochte es gewagt werden. Bald langte nun auch das endlich fertig gewordene Buch an, dessen Aushängebogen er schon in Breslau empfangen hatte'. Mehreren Gelehrten und den Staatsräthen, auch dem Minister Schuckmann brachte er dasselbe selbst, wobei er denn mancherlei Erfahrungen machte. Böckh war überrascht und erfreut über die Dedication, welche ihm unerwartet k a m ' . Wolf ward dagegen durch dieselbe sehr verstimmt; er spöttelte über den grossen Druck, über die Dedication 3 , über das Buch und den Verfasser, den er von jetzt an fallen liess; gar manche abschätzige Stichelei wurde Gerhard zugetragen 4 . Bernhardi fragte ihn, ob er es selbst geschrieben habe und lobte es dann ungelesen. Buttmann war unnahbar, da Heindorf, der den Winter seiner Gesundheit wegen in Berlin zubrachte, „wie eine Klette an ihm hing". Passow, dem er es zusandte mit der Bitte es zu recensiren, lehnte dies zu seinem Bedauern ab. Gerhard hatte, von der überlieferten Thatsache ausgehend, dass Apollonios Rhodios sein Gedicht zweimal bearbeitet hatte, die verschiedenen Lesarten je nach den Quellen, durch welche sie uns überliefert sind, darauf geprüft, inwieweit sie Zeugniss für diese verschiedenen Bearbeitungen ablegen und für die Herstellung eines Textes, welcher die letzte Ausgabe des Dichters darstellen soll, zu verwerthen sind; zur Verbesserung desselben waren dann mancherlei eigene Beiträge gegeben. Der zweite Theil beschäftigte sich mit subtilen Detailuntersuchungen über Feinheiten des Versbaus im epischen Hexameter. Die Schrift zeugte unverkennbar von umfassender, sorgfältiger Leetüre, von feiner Beobachtung und kritischem Talent, sie zeigte eine für eine Erstlingsarbeit ungewöhn1
LECTIONES
APOLI.ONIANAE.
8CR1PSIT
EDUARDUB
OERHARDIUS
(LeipZ.
1816),
mit dem N e b e n t i t e l sive de fontibus emendationis Apollonianae. 5 Augutto Boechhio praeeeptori parenti amico d. auetor. 3 Uhden fragte W e r n i c k e , auf welche W e i s e Gerhard mit B ö c k h verwandt sei. 1 W o l f liess j e t z t Gerhard wiederholt durch den P e d e l l um einen Friedrichsdor angeblich rückständigen Honorars mahnen, über d e s s e n rechtzeitige Zahlung er sich durch die Quittung der Quästur ausweisen konnte.
26
EDUARD
GERHARD
liehe Reife und Sicherheit; sie war knapp und stramm geschrieben, B e c k wurde ein paarmal geringschätzig behandelt, H e r m a n n häufig angegriffen, aber mit Gründen und in achtungsvoller H a l t u n g , der man freilich die Abneigung wohl anmerken konnte 1 . Gegen E n d e des J a h r e s erschien eine Recension 5 , die Anfangs B e c k zugeschrieben wurde, als deren Verfasser aber H e r m a n n sich ergab, kurz und hart. Die ersten Kapitel fanden im Allgemeinen Zustimmung, die letzten metrischen wurden verworfen", Einzelheiten unbarmherzig gerügt, obwohl die Fähigkeit Ausgezeichnetes zu leisten anerkannt wurde. „ A b e r " hiess es „der junge V e r f a s s e r , der wahrscheinlich sich für sich ganz allein auf seiner Stube bildete (denn hätte er in irgend einer litterarischen Anstalt seine Studien betrieben, so wüssten wir in der T h a t nicht, was wir von der Disciplin und Manier derer, denen seine Leitung anvertraut war, denken sollten), hat sich in dem süssen Gefühl seiner Unfehlbarkeit auf eine so unerreichbare H ö h e gestellt und in der vollen Ueberzeugung von der Nichtigkeit aller Philologen ausser ihm sich so bis zur Impertinenz potenzirt, d a s s , indem er überall sein ineptum und futile ausspricht, das einzige Zeichen von Bescheidenheit, das in dem Buche zu finden ist, darin besteht, dass er nicht das Motto auf den Titel gesetzt hat /• xuvoif (XIII S. 474* ff.); U e b e r d i e l ' r o c h u r i s t e r i e u (XIV S. 148 ff.); Wo l a g d a s a t l i e u i s c h e E l e u s i n i o u ? (XVIII S. 300ff..; A r i a d n e s T ö d t u n g (XVIII S . 4 4 1 f f ) . In üar Zeitschrift f i i r Alterthumswitsenxchaft: U e b e r die c t r u s k i s e h e n G ö t t e r n a m e n (1847 S. 673ff.); U e b e r d e n h e s i o d i s c h e n H y m n u s a u f H e k a t e (1852 S. 97 ff.j. 1
BERLINS
(Berl. 1836). NEU
ANTIKE
BILDWERKE
BESCHRIEBEN
VON
EDUARD
GERMARD.
I
Das Verzeichnis der Vasenbilder wurde vervollständigt durch
ERWORBENE
ANTIKE
DENKMÄLER
DES
KÖN.
MUSEUMS
ZV
BERLIN.
EDUARD
101
GERHARD
ihm d u r c h d i e hülfreicbe Betheiligung des M u s e u m s möglich in m e h r e r e n trefflich a u s g e s t a t t e t e n K u p f e r w e r k e n an erlesenen Beispielen zu zeigen, welche S c h ä t z e die Y a s e n s a m m l u n g T h o n g e f ä s s e n besitzt 1 .
in j e d e r G a t t u n g von
bemalten
A n den A n s c h a f f u n g e n f ü r da» M u s e u m
nahm
er l e b h a f t e n A n t h e i l und g l a u b t e sich d a s V e r d i e n s t beimessen zu d ü r f e n , nicht allein werthvolle E r w e r b u n g e n vermittelt, sondern auch u u p a s s e n d e verhütet zu h a b e n .
S e i n e Reisen, wiewohl s p ä t e r nicht mehr zu diesem
in b e s o n d e r e m A u f t r a g u n t e r n o m m e n ,
Zweck
h a t t e n ihn doch
immer
auch im A u g e und seine ausgebreitete B e k a n n t s c h a f t mit K u n s t h ä n d l e r n 1 und
Sammlern
brachte
ihm
fortwährend Gelegenheit
käufliche
Kunst-
werke in V o r s c h l a g zu b r i n g e n 3 .
E r war d a d u r c h , was bei l ä n g e r e m
A u f e n t h a l t in Italien
die archäologischen
meidlich
schon durch
Studien
unver-
w u r d e , selbst mit in den Kunstliandel gezogen worden.
grösstc Theil
neu
entdeckter Monumente
findet sich
bei den
Der Kunst-
h ä n d l e r n und ist nur d u r c h sie kenuen zu lernen; daher wendet sich d e r a r c h ä o l o g i s c h e V e r k e h r wesentlich mit ihneu z u , u n d schon um sie geneigt zu e r h a l t e n , alles zu zeigen, beschreiben oder zeichnen zu lassen, muss m a n c h e s g e k a u f t werden. Gelegenheit
N i c h t selten gilt es auch die g ü n s t i g e
auf eigene G e f a h r zu n u t z e n ; im I n t e r e s s e des
Museums
g l a u b t e er manches a u c h ohne A u f t r a g , also einstweilen f ü r sich, k a u f e n zu m ü s s e n ,
weil keine Zeit mit A n f r a g e n zu verlieren war.
D a z u kam
endlich die V e r f ü h r u n g d e r Liebhaberei, welcher keiner entgeht, der sich
BESCHRIEBEN VON EDUARD GERHARD.
I (Berl. 1836V
I I (Berl. 1840).
III m i t
zwei N a c h t r ä g e n (Berl. 1846). S p ä t e r e r s c h i e n e n n o c h kurze populäre , L e i t f a d e n " fürs M u s e u m : VERZEICHNIS
HARD ( B e r l . SAMMLUNG 1
DER
1858). DER
ABGÜSSE
GRIECHISCHE
HERAUSGEGEBEN
VON
APULISCHE
VON
UND
VON
ETRUSKISCHE AUSGEGEBEN
UND
GERHARD DBS
(Berl.
(Berl.
KÖN.
EDIARD
(Berl.
GER-
1860).
1860). DBS
KON.
MUSEUMS,
KON.
ML'SEL'MS,
1840).
VAS KN B I L D E R (Berl.
VON
SPIEGEI.
(Berl.
TRINKSCHALEN
DES
HER-
1843).
MUSEUMS
ZU
BERLIN,
HERAUSOEGEBEN
1845).
UND GEFÄSSE
DES KON. M U S E U M S VON
Candelori,
EDUARD
ZU B E H I . 1 N
GI'.HHARD
Capranesi,
^Borl.
UND
1848.
Vescovali,
ANDERER 50).
Gargiulo,
u. v. a.
A u c h für K ö n i g F r i e d r i c h W i l h e l m
m a h n t h a t t e , wenn er n a c h Berlin k ä m e , ersten Jahre von
BEARBEITET
SCI L P T U R E N
GERHARD
HERAUSGEGEBEN
' Campanari, 1
ANTIKE
CAMPANISCHE
VASENBILDER
TRINKSCHALEN
Barone
I
NRI
UND T E H H A C O T T E N ,
ETRUSKISCHE
EDUARD
EDUARD
EDUARD G E R H A R D
SAMMLUNGEN,
BILDHALERWERKE
THONGEFÄSSE
öfter bei sich sah,
Kunstwerken.
IV.,
der Gerhard brieflich g e -
„bei ihm anzuklopfen" und ihn d i e
erhielt er wiederholt A u f t r ä g e
zum A n k a u f
102
EDUARD GERHARD
mit alter K u n s t a b g i e b t , und j e d e r u n t e r l i e g t , d e r in den V e r k e h r d e s K u n s t h a n d e l s gezogen wird. S o brachte auch G e r h a r d eine nicht unbedeutende Sammlung zu S t a n d e , welche er zum Theil nach u n d nach dem Museum iiberliess. Den wichtigsten Bestandtheil derselben bildeten die e t r u s k i s c h e n S p i e g e l , durch Zahl u n d B e d e u t u n g hervorr a g e n d — unter ihnen der einzige Semelespiegel und eine R e i h e durch Darstellung und Inschriften ausgezeichneter —, von G e r h a r d theils aus V o r l i e b e , theils aus N o t h , weil mancher Spiegel nur durch den A n k a u f für ihn zugänglich w u r d e , sorgsam zusammeugebracht. Diese mochte er in keinem anderen Museum als dem B e r l i n e r wissen. A u s s i c h t e n , sie in E n g l a n d günstig zu verkaufen, Hess er unberücksichtigt u n d wartete l i e b e r , b's ihm im Sommer 1859 die B e f r i e d i g u n g wurde, d a s s sie f ü r das Museum a n g e k a u f t w u r d e n , d a s nun wohl in dieser A b t h e i l u n g keinen Rivalen zu scheuen hat. D a g e g e n mochte er sich von einer erlesenen V a s e n S a m m l u n g , in der sich nur kleine K a b i n e t s stücke befanden, und seiner sehr reichen S a m m l u n g von antiken R i n g e n , G e m m e n und P a s t e n bis zuletzt nicht t r e n n e n ; es steht zu hoffen, d a s s auch diese ins Berliner Museum gelangen. Uebrigens dankte es G e r h a r d , der als er Italien verliess noch „in einem Schlamm von S c h u l d e n s t e c k t e " , diesen dilettantischen Versuchen im K u n s t h a n d e l , dass er bei seiner strengen O r d n u n g und S p a r s a m k e i t einiges, wenn auch nicht bed e u t e n d e s V e r m ö g e n e r w a r b , das zufolge seiner testamentarischen V e r f ü g u n g nach dem T o d e seiner Wittwe und Schwestern zu einem Theil zur G r ü n d u n g eines Stipendiums an der Berliner Universität verwendet, zum anderen der Berliner Akademie zufallen wird. D a s s nicht alle Vorschläge G e r h a r d s a n g e n o m m e n , nicht alle E r w e r b u n g e n , welche er veranlasste, gebilligt w u r d e n , liegt in der N a t u r der Sache. A u c h ist nicht zu verkennen, dass sich dabei nicht allein eine leicht begreifliche Vorliebe für gewisse KuDstzweige, welche ihn wissenschaftlich besonders interessirten, wohl geltend m a c h t e , sondern dass der S t a n d p u n k t , welchen er ü b e r h a u p t der alten K u n s t g e g e n ü b e r e i n n a h m , ihn auch die Museen wesentlich als Hülfsmittel des wissenschaftlichen Studiums auffassen Hess, so dass für ihn bei E r w e r b u n g e n d a s gelehrte Interesse vorzugsweise maassgebend wurde. A m meisten W i d e r s p r u c h fand G e r h a r d , auch bei der artistischen Commission, so lange dieselbe b e s t a n d ' , rücksichtlich des a r c h ä o l o g i s c h e n A p p a r a t s , auf dessen B e g r ü n d u n g und V e r m e h r u n g er beson-
1 Mitglieder derselben waren F r . T i e c k , L e v e z o w , R a u c h , W a c h und S c h i n k e l .
Waagen,
Schlesinger,
EDUARD GERHARD
103
1
deres Gewicht legte . D a er es als eine wesentliche A u f g a b e der Verwaltung der Kunstsammlungen ansah, sowohl für das Verständniss derselben beim Publicum als für ihre wissenschaftliche Yerwerthung Sorge zu tragen, erkannte er in einem A p p a r a t , der mit einer erlesenen Bibliothek Abbildungen publicirter wie unedirter Kunstwerke in möglichster Vollständigkeit vereinigte, eine nothwendige E r g ä n z u n g der Museen. U n d in der T h a t sind solche Sammlungen, wie sie in dieser A r t herzustellen keine Bibliothek verpflichtet ist, nothwendig, wenn vom Museum aus die wissenschaftliche Behandlung der Kunstwerke ausgehen soll. G e r h a r d , der dieses Bedürfniss überall, wo Archäologie als wissenschaftliches Bildungsmittel getrieben wird, erkannte, ruhte nicht, bis es gelang im J a h r 1851 auch bei der Universität für die akademischen Studien einen archäologischen A p p a r a t zu begründen. Beim Museum a b e r , meinte m a n , würden durch den A p p a r a t dem eigentlichen Zweck, der Anschaffung von Kunstwerken die Mittel unpassend beschränkt; auch muthmasste m a n , er solle hauptsächlich für Gerhard das Material zu Publicationen beschaffen. Allerdings sah er sich mit Recht als den wissenschaftlichen Verwalter einer Sammlung an, die durch Publication ihre beste Verwendung erhielt, aber dass seine Gesichtspunkte und Intentionen bei diesem A p p a r a t andere und weiter greifende waren, zeigt, ganz abgesehen von der Liberalität, mit welcher er ihm gehörige Zeichnungen dem A p p a r a t übergab, der unerschöpfliche Reichthum dieser die verschiedensten Richtungen verfolgenden Sammlung 2 . Der General-Intendant Graf v. B r ü h l , unter welchem Gerhard beim Museum eintrat, verkehrte nicht nur mit seinen Beamten in liebenswürdigen, feinen Formen, er ging auch mit aufrichtigem Antheil auf Gerhards besondere Intentionen ein und vertrat ihn persönlich gelegentlich gegen die unverkennbar ungünstige Stimmung des Ministeriums A l t e n s t e i n ; sein T o d (1837) war für Gerhard ein schwerer Verlust. Zu H e r r n v. O l f e r s , der als Generaldirector (1839) die Leitung der Museen übernahm, trat Gerhard in ein persönlich gutes Vernehmen, dessen äusserliche Haltung sich stets gleich blieb, wiewohl er mehr als den bureaukratisch abgemessenen Ton der amtlichen Verhandlungen ein Zurückschieben seiner Wirksamkeit empfinden musste, das wohl mehr seiner Stellung als seiner Person galt. Denn bei der zunehmenden Centrali-
1
DER
ÜBER
ARCHÄOLOGISCHE
UNIVERSITÄT
BERLIN
VOX
SAMMLUNGEN EDUARD
UND
GERHARD.
STUDIEN.
ZUR
JUBELFEIER
Berl. 1860. 'Vgl. arch. Ztg.
1858 S. 205 ff. 2 Der letzte Abschluss dieses Apparats durch Ordnen und Inventarisiren geschah im Jahr 1865 durch M i c h a e l i s unter Gerhards Anleitung.
104
EDUARD GERHARD
sation
der V e r w a l t u n g ,
vor welcher schon
die a r t i s t i s c h e
Commission
b e s e i t i g t w a r , e r s c h i e n a u c h d e r w i s s e n s c h a f t l i c h e B e i r a t h eines A r c h ä o l o g e n ziemlich ü b e r f l ü s s i g u n d seine aus e i n e r g a n z a n d e r e n A n s c h a u u n g h e r v o r g e h e n d e n A n s p r ü c h e m e i s t l ä s t i g . , I n d e r T h a t k a m m a n c h e s zusammen,
wodurch
werden konnte. richtig
Gerhard
in
solchen Verhältnissen
wohl
unbequem
M i t b e w u s s t e r C o n s e q u e n z v e r f o l g t e er d a s einmal a l s
erkannte, und
d a e r in d e n B e h ö r d e n ,
instituten nur Mittel s a h ,
deren
der Staat
wie in a n d e r e n
Staats-
sich zu seinen Z w e c k e n be-
dient, h i e l t e r sich b e r e c h t i g t f ü r die A u f g a b e n seines B e r u f s j e n e M i t t e l in A n s p r u c h zu n e h m e n , nirgend
und eingedenk
d a s s d a s gutta
so g i l t wie in s o l c h e n B e z i e h u n g e n ,
cavat
h a r r l i c h k e i t A n l i e g e n wie B e s c h w e r d e n i m m e r w i e d e r v o r 1 . e r in d e r A m t s p r a x i s g e l e r n t ,
lapidem
b r a c h t e er mit z ä h e r B e Auch hatte
d a s s n i c h t selten d e r k ü r z e s t e W e g
Ziel w a r , a u s z u f ü h r e n o h n e a n z u f r a g e n u n d n a c h t r ä g l i c h e
zum
Genehmigung
zu s u c h e n , die z w a r n i c h t l e i c h t v e r w e i g e r t , a b e r u n g e r n e r t h e i l t w e r d e . Endlich
konnte
geschäftlichen schweren.
eine c h a r a k t e r i s t i s c h e E i g e n t ü m l i c h k e i t wie
den
wissenschaftlichen
Verkehr
der F o r m
m;t
den
Gerhard
er-
D e n I n g r i m m u n d H o h n , mit w e l c h e m e r in d e r J u g e n d
das
S c h l e c h t e a u f s u c h t e u m es zu b e k ä m p f e n u n d d e m W a h r e n u n d R e c h t e n zum S i e g zu v e r h e l f e n , h a t t e er in h a r t e r S c h u l e d u r c h s t r e n g e züchtigung gebändigt,
wiewohl seine G e s i n n u n g
S i t t l i c h e n u n d W a h r e n sich nie g e ä n d e r t h a t .
in
allen
Selbst-
Fragen
des
A l l e i n er k a m m e h r u n d
m e h r zu d e r A n s i c h t , „ d a s s m a n U e b e l s t ä n d e , die man in f r e m d e r N a t u r nicht brechen
könne,
d u r c h S e l b s t ü b e r w i n d u n g heilen
sich m e h r e r r e i c h e n l a s s e , w e n n m a n
solle", u n d
sich m i t d e n M e n s c h e n
dass
vertrage,
als w e n n m a n sie b e k ä m p f e , u n d diese b i l d e t e sich in I t a l i e n e i g e n t ü m lich a u s .
Dort ganz besonders
ist d a s
Studinm
der Kunst
von A u f s e h e r n , S a m m l e r n , K u n s t h ä n d l e r n , D i l e t t a n t e n ,
abhängig
Localantiquaren,
d e r e n G u n s t g e w o n n e n u n d e r h a l t e n sein will, u n d die n a m e n t l i c h W i d e r spruch War
meist um so w e n i g e r e r t r a g e n , j e m e h r
nun
sie ihn
herausfordern.
hier o h n e eine g e w i s s e D i p l o m a t i e n i c h t d u r c h z u k o m m e n ,
wurde er gänzlich eingenommen H ö f l i c h k e i t , mit d e r e n F o r m e n unangenehme
Begegnungen
durch
so
die Z i e r l i c h k e i t u n d G r a z i e d e r
die I t a l i e n e r im V e r k e h r a n g e n e h m e wie
zu u m k l e i d e n v e r s t e h e n ;
auch
das
Rheto-
1 Dies erstreckte sich auch auf seine persönliche Stellung; glänzend, wie man es Dach dem Ruf, welchen er g e n o s s , erwarten mochte, wurde sie nie. Sein Gehalt als Archäolog des Museums betrug 1150 Thlr., im Jahr 1855 auf 1400 Thlr., im Jahr 1861 auf 1500 Thlr. erhöht. Als Professor wurde er im Jahr 1843 mit 250 Thlr. Gehalt angestellt, der im Jahr 1860 auf 400 Thlr. vermehrt wurde.
EDUARD GERHARD
105
rische und die Concelti ihrer Redeweise gefielen ihm. D a s L e b e n in Rom führte ihn in die verschiedensten Kreise vornehmer Reisenden mancher Nationalität und in diplomatische Cirkel, deren Conversation mehr blanke R e c h e n p f e n n i g e als Goldstücke in Umlauf zu setzen pflegt. Seine wissenschaftlichen Gedanken aber führten ihn in j e n e dunkle Tiefe der menschlichen S e e l e , aus der nur Symbole und Bilder aufsteigen, welche die Schärfe des präcisen A u s d r u c k s scheuen. So bildete er sich, bei eifriger L e c t u r e der späteren Goetheschen Schriften, eine gewisse schwebende T e m p e r a t u r der S p r a c h e aus, die anderen oftmals zu errathen aufgab, u n d , wenn dies nicht immer gleich g e l a n g , zu wirklichen Miss Verständnissen oder auch zu unerwarteten A u f k l ä r u n g e n führen konnte. Diese Ausdrucksweise, a n f a n g s vielleicht angeeignet, war ihm später natürlich, wie namentlich erfahren hat, wer unter seinem Dictat schrieb. N a c h d e m G e r h a r d im J a h r 1836 nach L e w e z o w s T o d e mit der V e r w a l t u n g der V a s e n und Terracotten commissarisch b e a u f t r a g t war, wurde er im J a h r 1855 z u m D i r e c t o r der A b t h e i l u n g der S c u l p t u r e n , womit die Aufsicht über die G i p s a b g ü s s e vereiuigt w a r , ernannt. Dies war nicht allein eine äusserliche V e r b e s s e r u n g , es war auch eine ehrenvolle B e f ö r d e r u n g , denn diese Abtheilung gilt als die erste im R a n g e . A b e r Gerhard wäre seinen besonderen Studien und Neigungen nach lieber bei den V a s e n geblieben und auch später noch gern dahin wieder zurückgekehrt. Schwerer traf es ihn, d a s s durch das neue, zugleich eingeführte Museumsstatut vom 12. Dec. 1854 die Stellung und Befugniss eines Archäologen aufgehoben und alles, was auf eine ans Museum geknüpfte wissenschaftliche Thätigkeit B e z u g h a t t e , beseitigt wurde. D a s empfand er nicht bloss als eine persönliche Verletzung, sondern als eine schwere B e s c h ä d i g u n g der Wirksamkeit des Museums. V e r g e b e n s suchte er durch E i n g a b e n an Minister und K ö n i g dieselbe abzuwenden und die alte Einrichtung wiederherzustellen. Die F r e u d i g keit war ihm genommen, da er dem M u s e u m , an dem er so sehr hing, nicht mehr in der Weise dienen k o n n t e , die er f ü r die einzig richtige hielt; es hätte nicht noch anderer Verstimmungen bedurft, um ihm dasselbe in den letzten J a h r e n zu verleiden. Im Sommer 1839 suchte Gerhard den N o r d e n auf, zuerst K o p e n h a g e n , dann L o n d o n , wo der zweite B e s u c h , wie er erwartet hatte, bei längerem A u f e n t h a l t ihm das Gefühl der Unbehaglichkeit benahm u n d reiche A u s b e u t e brachte. Im September 1840 trat er wieder einen R ö m e r z u g a n ; die Reise führte ihn diesmal über T u r i n und von G e n u a zu W a s s e r nach C i v i t a v e c c h i a . I n R o m wohnte er zum erstenmal bei B r a u n , „der ausser seiner treuen Persönlichkeit eine E n e r g i e und vielseitige Thätigkeit entwickelte, deren erfrischendes und
106
EDUARD G E R H A R D
gedeihliches Element unschätzbar w a r " , in cata Tarpeia nnd erfreute sich bei milden H e r b s t t a g e n der herrlichen Aussicht auf Colosseum, P a l a t i n und Aventin von seiner loggia aus. Institutsangelegenheiten u n d A u f t r ä g e des K ö n i g s hielten ihn fest, so doch dass er weniger selbst zu arbeiten als andere zu treiben hatte. „ I c h schwelge hier" schrieb e r „im wohlthätigen Nachsommer alten B e k a n n t s e i n s , aber es fehlt doch g a r zu viel um sich heimisch zu fühlen wie vormals. Die mächtigsten, belebendsten Gestalten meines ältesten F r e u n d e s k r e i s e s sind verschwunden, eine die ihm noch angehörte [Kestner] mahnt mich halb gespenstisch an die Zeit meiner alten Bestrebungen. J ü n g e r e könnens bei allem Wohlwollen mir nicht ersetzen. E h e ich einpacke werde ich noch ein p a a r einsame G ä n g e nach H a u p t s t ü c k e n sonstiger Begeisterung richten, wie ich gestern ohne S t a c k e l b e r g und ohne sonstige liebe L e u t e Villa Pamfili besuchte. Bevor ich abreise quellen wohl Anemonen d o r t auf; wann und mit wem soll ich sie dort pflücken? Ich muss allerorts und tagtäglich hier überschwellen von freudigem Dank und von tiefem S c h m e r z ; dass meines Bleibens hier nicht sei, ist jeglichen T a g e s Motto, u n d „wo ist mein B l e i b e n ? " das Motto des heutigen." Das H u l d i g u n g s fest Friedrich Wilhelms I V . wurde auch in R o m f r e u d i g b e g a n g e n , mit r e g e r Theilnahme vernahm er, wie daheim alles in neue B e w e g u n g kam. „ I c h werde Berlin begrüssen wie Epimenides, der ausgeschlafen hat. M a n c h e s Günstige m a g sich vorbereiten, a b e r wie es gehen w i r d , ist freilich noch nicht klar. D a s verflossene halbe J a h r ist einem L u s t r a m a n d e r e r Zeiten zn vergleichen, wir wollen nicht gefühllos g e g e n den W a n d e l der Zeit bleiben." N a c h einem Ausflug nach N e a p e l kehrte G e r h a r d im M a i 1841 nach B e r l i n zurück. Im A u g u s t g i n g er nach F r a n k f u r t , wo die F ü r s t i n von C a n i n o die bis zuletzt zurückgestellten erlesensten Vasen aus den Vulcenter A u s g r a b u n g e n zum V e r k a u f gestellt hatte. W ä h r e n d G e r h a r d des sich verzögernden Eintreffens von H r n . v. Olfers oder dessen Bescheidung h a r r t e , langte T h i e r s c h im S e p t e m b e r mit unbedingter Vollmacht von K ö n i g L u d w i g versehen an, kaufte den vorzüglicheren Theil der Vasen für München und Hess f ü r Berlin nur eine N a c h l e s e übrig. A b e r war diese V a s e n u n t e r n e h m u n g ohne sein Verschulden gescheitert, so glückte ihm was nicht von ihm unternommen w a r : in F r a n k f u r t faud er ohne gesucht zu h a b e n — eiue Lebensgefährtin. „Mein studirendes W a n d e r l e b e n " hatte er vor J a h r und T a g im tiefsten V e r t r a u e n geschrieben „würde ich herzlich gern und für die S u m m e meines übrigen L e b e n s mit einer F r a u g e f ü h r t h a b e n , wenn g r a d e eine von dem Schlage disponibel g e w e s e n , wie ich, bei schmalen Mitteln und Widerwillen gegen F r a u b a s e u s c h a f t , bei meiner einsilbigen
EDUARD GERHARD
107
Innigkeit und meinem Bedürfniss eine selbständig mich ergänzende Geisteskraft mir g e g e n ü b e r zu haben, bei meinen A n s p r ü c h e n anf N a c h sicht und das ungleich grössere Maass meines Bedürfnisses gebrauche. W e n i g e s von solchen Anforderungen läs6t sich anerziehen; auch bin ich zu alt um noch P r o b e j a h r e zu verlieren. Die Verschiedenheit der N a turen ist g r o s s , der M e n s c h hat keine höhere Verpflichtung als eine fremde N a t u r zu respectiren, aber es wäre eben darum ein Frevel, wollte man hin und her versuchen sich zusammen zu gesellen, wo nur A c h t u n g und nicht N e i g u n g d a s B a n d wäre. E b e n weil ich an solche Verschiedenheiten glaube, g l a u b e ich auch an die unfehlbare Berührung der Naturen die sich verwandt sind; wenn ich in dieser Wendezeit meines L e b e n s noch ein Individuum finde, das mir z u p a s s t e , so würde ich es vermuthlich in den drei ersten T a g e n meiner Bekanntschaft wissen." U n d so geschah es. Bei dem preussischen Geschäftsträger R . v. S y d o w , der schon in R o m als L e g a t i o n s s e c r e t ä r mit Gerhard befreuudet und in F r a n k f u r t sein gastlicher Hauswirth war, traf er E m i l i e v. R i e s s , die Tochter des kurhessischen B u n d e s t a g s g e s a n d t e n Geheimerath v. R i e s s , und wusste sofort, d a s s er die verwandte N a t u r gefunden habe. N a c h wenigen Begegnungen e r b a t er sich von dem vortrefflichen V a t e r die Erlaubniss mit der T o c h t e r in einen Briefwechsel zu treten; sehr bald führte dieser zu völliger E i n i g u n g und zur vorläufig stillen Verlobung, die am 29. Dec. 1841 auch eine öffentliche wurde. A m 5. J u l i 1842 war in F r a n k f u r t die H o c h z e i t , der eine Reise in die S c h w e i z und nach O b e r i t a l i e n folgte, von welcher das E h e p a a r am 18. A u g . in B e r l i n eintraf, herzlich empfangen von G e r h a r d s Mutter und S c h w e s t e r 1 . K e i n e leichte L e b e n s a u f g a b e erwählte sich das dreiundzwanzigjährige M ä d c h e n , als sie dem älteren M a n n e ihre H a n d reichte. Zwar trat sie nicht u n g e p r ü f t ins L e b e n , denn seit ihrem dreizehnten J a h r e war sie die treue Pflegerin der M u t t e r , die sie nicht lange vor der Verlobung verloren h a t t e , in langwieriger schwerer Krankheit g e w e s e n , und hatte dadurch au ihrem zärtlich geliebten V a t e r und ihren j ü n g e r e n Geschwistern ganz andere Pflichten zn erfüllen g e h a b t , als sie gewöhnlich 1 Auch das Institut nahm litterarischen Antheil am Fest. Von B r a u n erschien Artemis Hymnia und Apollon mit dem Armband, eine Spiegelzeichnung, Herrn Prof. Ed. Gerhard zu seiner Vermählung mit Frl. Em. v. Biest (Rom 1842) und von F o r t u n a t o L a u c i , den Gerhard als ragionere des Instituts, bei welchem er auch wenn es noth that über die Eleganz des italienischen Stils wachte, angestellt und geschult hatte, Inlorno un anticho specchio metallico. Epistola al ch. cav. Od. Gerhard in occasion di tue nozze colla gentildonna Sign. Em. de Riess Rom 1842.'.
108
EDUARD
GERHARD
der T o c h t e r und S c h w e s t e r zukommen.
Jetzt
aber wurde sie in eine
ganz fremde S p h ä r e eingeführt, in der sie ihre geistige L e b e n s l o f t sollte.
Ist
es der F r a u
Bedürfoiss
auf die geistigen
finden
Interessen
des
Mannes einzugehen, ist es ihr eine hohe Befriedigung, wenn sie an seinen wissenschaftlichen Arbeiten Antheil nehmen kann, so war doch Gerhard in so e i g e n t ü m l i c h e r W e i s e
von
seiner A r c h ä o l o g i e
unermüdlicher T h ä t i g k e i t betriebenen Studien, Pläne,
erfüllt,
seine mit
Unternehmungen,
nahmen ihn so in Anspruch, dass die F r a u , welche sein L e b e n wirklich theilen wollte, auch ohne die geringste A n l a g e
zur gelehrten F r a u
zu
besitzen, sich nicht allein am geistigen Genuss der alten K u n s t begnügen lassen
durfte, sondern sich auch an seinen
gungen betheiligen musste.
archäologischen
Beschäfti-
Dazu kam, dass seine Augenschwäche ausser
so manchen Hülfsleistungen, welche weibliches Zartgefühl und Geschick mit leiser S c h o n u n g b i e t e t , die F r a u archaeologicis in Anspruch
nahm.
als L e c t o r und S e c r e t ä r
E t r u s k i s c h e Spiegel
auch in
zu beschreiben
ist für eine F r a u eine A u f g a b e , welche noch grössere H i n g e b u n g an den dictirenden Mann als bei diesem an die W i s s e n s c h a f t voraussetzt.
Solchen
dem weiblichen W e s e n fremden A u f g a b e n mit F r e u d e und Befriedigung zu g e n ü g e n ,
weil sie in der Natur und L e b e n s s t e l l u n g des M a n n e s be-
gründet sind, ist die natürliche A e u s s e r u n g der F r a u e u l i e b e ; von solcher Theilnahme an männlichem Thun nicht weiter berührt zu werden, als sie die feinsten E l e m e n t e geistiger B i l d u n g zuführt, ist nur einer reinen und klaren,
zugleich
festen und elastischen N a t u r g e g e b e n .
richtig gesehen, er hatte in der F r a u ,
welche ihm durch
G e r h a r d hatte Geraütlistiefe,
Wahrhaftigkeit, Frömmigkeit verwandt war, die Natur gefunden, welche durch
ursprüngliche
Heiterkeit,
Eiufachheit
und
Unbefangenheit
die
manche Schwierigkeit
dar.
seinige ergänzend selbständig ihm ganz angehörte. Den jungen Haushalt
einzurichten
bot
B e i der für Berlin beschränkten Einnahme wurden anfangs der Geschicklichkeit im Haushalten und der eigenen Betheiligung A u f g a b e n gestellt, an welche die j u n g e F r a u , wiewohl in einer zurückgezogenen Häuslichkeit a u f g e w a c h s e n , seine
Person
Geselligkeit
so nicht gewöhnt war.
von exemplarischer seines
ausgebreiteten
Hauses
Dabei machte G e r h a r d ,
Einfachheit
Ansprüche.
V e r k e h r und die vielen
Er
und M a s s i g k e i t , stand
auf R e i s e n
in B e r l i n
für
an die in einem
angeknüpften
Ver-
bindungen brachten es mit sich, dass er fortwährend von durchreisenden Freunden
und Bekannten
italienische,
aufgesucht
wurde,
von ihm stets gepriesene,
denen er nicht allein die
freundliche Dienstfertigkeit
g e g e n b r a c h t e , denen er auch nach deutscher S i t t e sein H a u s öffnete. verstand
Es in
war ihm eine besondere B e f r i e d i g u n g , grösseren
Gesellschaften
wie
ent-
gastlich
dass seine F r a u es
in kleinerem K r e i s e es
den
EDUARD GERHARD
109
Gästen angenehm und behaglich zu machen. A b e r er selbst war zu lange auf Reisen, zu lange selbständig gewesen, um nicht manche kleine Angewöhnungen des Junggeselleulebens mitzubringen, die erst allmählich der liegel des Hausstandes sich fügten. Die Wohnung blieb nach wie vor mit der Mutter uud den Schwestern gemeinsam, sein Hauswesen hatte Gerhard von A n f a n g an selbständig gestellt. W i e herzlich vou beiden Seiten das Entgegenkommen war, wie gern von beiden Seiten Rücksicht genommen wurde, so bedurfte es doch einiger gegenseitiger F ü g u n g und Gewöhnung, die neue Gemeinsamkeit und Selbständigkeit zu einer überall behaglich passenden zu machen. Gerhard war von jeher ein musterhafter Sohn gewesen. A u c h in den J a h r e n , da er unter schwerem Druck seinen eigenen W e g suchte, war er nicht allein bereit dem kindlichen Gehorsam alles nachzusetzen, er empfand es tief, dass er den Eltern die F r e u d e nicht machen konnte, die er ihnen so gern machen wollte, er verkannte nie in den S o r g e n , Zweifeln, Vorwürfen, mit welchen die Mutter seinen unsicheren L e b e n s g a n g begleitete, den Ausdruck ihrer zärtlichen L i e b e , ihrer warmen Theilnahme an seinem äusseren und inneren Wohlergeheu. Das Widerstreben, mit welchem er in den schlimmsten Fällen von ihrer Bereitwilligkeit bei knappen Verhältnissen mit ihrem geringen eigenen Vermögen ihm beizuspringen Gebrauch machte, hatte seine Dankbarkeit nur um so inniger gemacht, seit dem Tode des Vaters bot er alles auf, um auch vou dieser Seite Vergeltung zu üben uud blieb die Stütze der Mutter. Diese sah uun mit Stolz und Befriedigung auf den S o h n , der auf seinem W e g e mehr geleistet uud erreicht hatte, als sie einst hoffte; in ruhig behaglicher L a g e , frei von den körperlichen L e i d e n , welche ihre jüngeren J a h r e getrübt hatten, erfreute sie sich im Kreise ihrer Kinder eines glücklichen Alters. Gerhards erster Gang jeden Morgen war seine Mutter zu begrüssen; an keinem A b e n d kam er nach Hause ohne zu f r a g e n , ob er die Mutter noch sehen könne. Täglich waren sie beisammen, in ihrem Sommeraufenthalt besuchte er sie T a g um T a g , er war für Lecture und Unterhaltung jeder A r t besorgt. Im J a h r lSo? machte ihr Tod, der wie der des Vaters an Gerhards Geburtstag (29. Nov.) erfolgte, diesem schönen Zusammenleben ein Ende. Da Gerhard dann die W o h n u u g aufgeben musste, trennte er sich auch vou seinen Schwestern. Die Tagesordnung Gerhards war und blieb eine sehr geregelte; die Zeit auszukaufen verstand er von jeher in ungewöhnlicher Weise. Der Vormittag war ausschliesslich wissenschaftlichen Arbeiten und gelehrter Correspondenz bestimmt, um die Mittagsstunde pflegte er seine Vorlesungen zu halten, daran schloss sich der erst in der letzten Zeit völliger Ermattung aufgegebene Gang ins Museum, wo er pflichtgemäss eine
EDUARD GERHARD
110
Stande in verschiedenen Beschäftigungen zubrachte. Bis er um 4 Uhr zn Tische ging fanden sich dann noch einige Arbeitsstunden, nach Tisch, wenn die Dämmerung herankam, war die Zeit für Besuche. Diese nnd am Abend Gesellschaft, im eigenen Hanse oder auswärts, waren ihm seiner Angen wegen, die dann Schonung verlangten, und weil er nach anstrengender Arbeit ohne eigene Beschäftigung leicht müde wurde, eine angenehme Zerstreuung. Aber vor der Gesellschaft gab es immer noch freie Zeit, in der die Frau ihm vorlas, was an ruhigen häuslichen Abenden auch nach dem Thee, anf Reisen selbst im Wagen geschah. Die Lecture bezog sich fast nur auf das Alterthum, namentlich wurden viel Uebersetzungen von Classikern gelesen, neue Litteratur und Geschichte kamen nur ausnahmsweise daran. Früher war Gerhard dem Gange der deutschen Poesie mit grosser Theilnahme gefolgt, wie seine überall angestrichenen Handexemplare und die stets ihm zu Gebote stehenden Citate bezeugten. G o e t h e kannte er aus gründlichem Studium aufs genaueste, einzelne Lieblingsbücher, wie R ü c k e r t s L i e b e s f r ü h l i n g , H e i n e s B u c h d e r L i e d e r wusste er auswendig. Der gesellige Verkehr war in den ersten Jahren nach seiner Verh e i r a t u n g ein sehr lebendiger, die Kreise, in welchen er sich bewegte, sehr ausgebreitet, und, wie es die Verhältnisse mit sich bringen, wechselnd; später verengerte er sich, namentlich durch Gerhards wie seiuer Frauen Kränklichkeit, mehr und mehr. Einen näheren Freundeskreis bildete die g r i e c h i s c h e G e s e l l s c h a f t , welche Gerhard, dem alten Zuge folgend, auch jetzt wieder zu wechselnder griechischer Lecture und munterer Geselligkeit um sich versammelte 1 ; auch sprach sich sein Behagen wohl gelegentlich wieder in einem griechischen Gedicht aus 1 . Ausserdem
1
Mitglieder derselben waren, nicht alle gleichzeitig, H. A b e k e n , J. B r a n d i s , 6 . v. B u n s e o , E. C u r t i u s , K. L e p s i u s , v. T h i l e , W a t t e nb a c h , W i e s e , und als Tischgenossen P e t e r s und C. v. S c h l ü z e r . * An E. C u r t i u s , ala A r i s t o p h a n e s F r ö s c h e gelesen wurden: Xoitialip BIHQ(ù>i xaX «Tip ßq/öf 71(>OÌ{VTÌ;, xrjQvxii Htìofilou ii /Jé /(luai/jf 'Alf QoJiitis tütu/far aol 7iäaav ÌH' ölßia nävia ytviotttu tv/öfilit', olxttiS' äyoi'T» Tiijy ilixiùniia xoùpiji', iijv Xa^ixtaat tfdtjv, KoQuäatoiov àylaòv igvo;,
Xoißiii uir onfi Joi i f i Vj/i»» i)cJtdi oii oc,
EDUARD GERHARD
111
knüpfte der U m g a n g natürlich an die Collegenschaft der Universität und Akademie an. M i t G r i m m s , welche G e r h a r d in Göttingen kennen lernte, führte die L a n d s m a n n s c h a f t mit seiner F r a u zu einem besonders nahen F r e u n d s c h a f t s v e r h ä l t n i s s ; S t e f f e n s waren der G e r h a r d s c h e n Familie von Breslau her b e f r e u n d e t , bei S c h e l l i n g s h a t t e G e r h a r d in München v e r k e h r t ; ausser dem alten Genossen P a n o f k a wurde ein V e r k e h r besonders mit L e p s i u s , C u r t i u s , L a c h m a n n , H o m e y e r , T r e n d e l e n b u r g , H a u p t , M o m r a s e n und mit P e t e r s unterhalten, der als treuer Berather in ärztlichen und anderen praktischen F r a g e n ihnen zur Seite stand. E i n näherer U m g a n g fand auch S t a t t mit dein Minister E i c h h o r n , der im grosselterlichen H a u s e der F r a u G e r h a r d eine kurze Zeit H a u s l e h r e r gewesen w a r , mit S a v i g n y , W i n t e r f e l d , B e u t h , K o r t ü m und dem alten F r e u n d e G e r s t ä c k e r . G e r h a r d s Schwiegervater hatte sich a u s b e d u n g e n , seine T o c h t e r jedes J a h r vier W o c h e n bei sich zu sehen. Diese Reise wurde in Verbindung gesetzt mit der längeren F e r i e n r e i s e zu wissenschaftlichen Zwecken, welche alljährlich möglich zu machen eine H a u p t a u f g a b e der sorglichen Oekonomie war, und bei denen je länger je mehr die B e g l e i t u n g seiner F r a u ihm B e d ü r f n i s s wurde. V o r allem musste er mit ihr I t a l i e n b e s u c h e n ; er glaubte noch etwas in ihrem Zusammenleben zu vermissen, so lange sie diese E r f a h r u n g nicht theilten. Die gründliche A b n e i g u n g gegen Berlin, mit welcher er dort eingezogen war, hatte sich zwar verloren, allein ein F o r t l e b e n in italienischen E r i n n e r u n g e n , das ihn immer wieder d o r t h i n z o g , hörte nie auf. W e n n G e r h a r d italienisch sprach, wenn er mit. drastischer Mimik E r l e b n i s s e , A n e k d o t e n , W i t z w o r t e aus Italien erzählte, schien er ein a n d e r e r zu w e r d e n ; wer ihn so nicht gekannt h a t , dem fehlt eine der e i g e n t ü m l i c h s t e n und liebenswürdigsten Seiten seines W e s e n s S o benutzte er denn gleich die Sommerferien im J a h r 1843, um seine F r a u durch die französische Schweiz über den S i m p l o n nach M a i l a n d u n d G e n u a , von da zu W a s s e r nach R o m zu f ü h r e n , wo sie mit J a c . G r i m m zusammentrafen. N a c h einem nur dreiwöchentlichen A u f e n t h a l t daselbst machten sie die Rückreise ü b e r
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Ein Lieblingsgedanke Gerhards war es Elogia urbis Romae, alte und neue Zeugnisse zum Preise der ewigen Stadt, bei allen Kapitolsgenossen gesammelt, drucken zu lassen. Er ging mit einer gedruckten kleinen Blumenlese, in der er mit allen Namen — A r c h ä o l o g u s , P h i l o d a n t e s , D e s i d e r i u s , O d o a r d o , G e r a n t h e s — auftritt, voran, aber sein vivat tequens zum Schluss fand keine Nachfolge.
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EDUARD
GEBHARD
F l o r e n z , V e n e d i g , P a d u a , V e r o n a und durch T y r o l . Im folgenden J a h r besuchte Gerhard mit W e l c k e r und B r a u n L o n d o n , holte dann seine F r a u zur Reise nach W i l d b a d ab, und ging zum Bes c h l u ß derselben mit M e i e r nach D r e s d e n zur Philologen Versammlung Der kurze Besuch Roms hatte aber mehr neuen Reiz als volle Befriedigung gebracht, er rüstete für den nächsten Winter einen längeren Aufenthalt daselbst zu. Aufaug September 1845 traten sie von F r a n k f u r t aus die Reise a u , diesmal über die G o t t h a r d s s t r a s s e , gingen aber nach kurzem Verweilen in R o m auf drei Wocheu nach N e a p e l , wo Gerhard dem Gelehrtencongress beiwohnte. Der Aufenthalt in R o m während des Wiuters erhielt eineu besonderen Reiz durch W e l c k e r s Anwesenheit, der mit Gerhards in der cusu Tui/idu in B r a u n s Nachbarschaft wohnte, aber er wurde durch eine lange, schwere Krankheit der F r a u empfindlich gestört. Den Gedanken, auch diese Einbusse durch einen neuen Römerzug auszugleichen, hat Gerhard wohl noch lauge Zeit festgehalten, aber es war ihm nicht mehr beschieden denselben zur Ausführung zu bringen. I n den nächsten J a h r e n strebte er wo möglich ausser der Erholung auch einen wissenschaftlichen Gewinn zu erzielen und daher Orte aufzusuchen, in welchen Kunstsammlungen zu untersuchen waren, von denen meistens, besonders wenn keine oder ungenügende Cataloge vorhanden waren, ein gedrängter, übersichtlicher Bericht bald darauf mitgetheilt wurde. So besuchte er im J a h r 1847 die Hauptstädte B e l g i e n s und P a r i s , 1849 L e y d e n 1 und K a r l s r u h e ' , 1851 wieder L o n d o n und P a r i s , 1852 M ü n c h e n 4 , 1854 W i e n in Gemeinschaft mit W e l c k e r 5 . Im J a h r 1856 benutzte er den Aufenthalt seiner F r a u im Bade von Bertrich, um die Sammlungen in P a r i s ' und den süddeutschen Museen 7 gründlich zu mustern, und traf mit seiner F r a u sehr verguügt wieder zusammen, dass er seinen Augen das habe bieten dürfen. Allein er hatte seinen Augen zu viel zugemuthet. Kaum war er nach B e r l i n zurückgekehrt, als die drohende Gefahr ganz zu erblinden eintrat. Eine lange schwere Cur mit fortgesetzten Blutentziehungen bei einem Aufenthalt im Dunkeln und Zugpflastern, wozu eiu Karbunkel 1 Gerhard besuchte auch die Philologenversammlungen iu J e n a (.1840,\ B e r l i n a850), G ü t t i n g e n 1852), A l t e n b u r g (1854), B r e s l a u ; 1857), F r a n k f u r t a. M. (.1861., H e i d e l b e r g (.1865). 1 Arch. Auz. 1849 S. 81 ff. 3 Arch. Anz. 1851 S. 25 ff. 4 Arch. Anz. 1852 S. 209 ff. vgl. 1855 S. 87 ff. 5 Arch. A u z . 1854 S. 37 ff. 9 Arch. Anz. 1857 S. 37 ff. ' Arch. Anz. 1857 S. 41 ff.
EDUARD
kam, wehrte wenigstens das Aeusserste ab.
Allein nachdem er sich so-
weit erholt h a t t e , dass an eigene T h ä t i g k e i t das Vorlesen hatte nie aufgehört — , Ansehen
von Kunstwerken
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GERHARD
wieder zu denken war
musste er auf L e s e n ,
oder Abbildungen
gänzlich
—
Schreiben,
verzichten, um
sich den S c h i m m e r des L i c h t e s zu bewahren, welcher ihm cinigermaassen freie B e w e g u n g gestattete.
Mit merkwürdiger Geschicklichkeit
wusste
er sich dabei zu behelfen, dass ein Unkundiger selbst über die V o r s i c h t getäuscht w«rden k o n n t e , welche er unvermerkt anwendete. gen
zu halten
war ihm
er die Uebungen
freilich nun unmöglich
in seinem Hause
t r a f er dann E i n r i c h t u n g e n , A r b e i t möglich
wurde.
fort.
durch
Vorlesun-
gemacht,
doch
welche auch eine geordnete
Die H ü l f e ,
welche seine F r a u und
ihm anfaugs leisteten, überstieg auf die Dauer deren K r ä f t e . nun ein j u n g e r P h i l o l o g ,
setzte
S o b a l d er sich gefasst hatte, stetige
Schwester E s wurde
der Neigung für archäologische Studien hatte,
angenommen, der M o r g e n s uud Nachmittags in bestimmten Stunden ihm als Amanuensis zur Seite stand. Arbeiten abzuschliessen, die P a p i e r e
Zuuächst kam es darauf an, angefangene
dann wurden seine
Sammlungen
geordnet und die laufende Correspondenz
inventarisirt,
besorgt.
Bald
unternahm er neben der archäologischen Zeitung auch wieder die A u s führung selbständiger Arbeiten, und der Amanuensis musste, ausser vor lesen und unter seinem D i c t a t schreiben, sein Gehülfe bei der A r b e i t sein. untrüglichem
Gedächtniss
und
unter seiuer Anleitung
auch
Diese Aufgabe war nur bei Gerhards
seinen
wohlgeordneten
Collectuneen
zu
lösen, aber sie blieb eine ausserordentlich schwierige,
die er durch die
Zähigkeit seiner Ansprüche
Dagegen
dieser
Verkehr
nicht immer erleichterte.
auf eine W e i s e
fühlte
in die Kenutniss der Monumente
und
Litteratur, wie der Probleme der archäologischen P\>rschutig ein, wie sie für Studirende sonst nicht zu erreichen i s t ' . ein zweiter,
meistens ein S c h ü l e r ,
A b e n d s wurde dann noch
beschäftigt,
um leichtere Arbeiten,
Correcturen, B r i e f e , die zurückgeblieben waren, zu erledigen 5 . es ihin mit s o l c h e r , gelehrten A p p a r a t des
Gelang
wohl geschulten Hülfe schwierige, durch gehäuften verwickelte Arbeiten
Details zu S t a n d e zu b r i n g e n ,
mit der sorgfältigsten
so bleibt
die Hingebung
Akribie au
die
wissenschaftliche Aufgabe, die durch kein Hemmuiss zu besiegende Aus-
Die Stelle eines Amanuensis haben bei Gerhard eingenommen K . v. J a n , O. D o n y , F . F e d d e , Ch. M a t t h i e s s e n , R. K u k u l e , L . W e n i g e r , V . V a l e n t i n , E . B o r m a n n , H. H e y d e i n a n n . 1 An einem derselben musste Gerhard erleben, dass er einen bedeutenden Diebstahl an seiner Bibliothek verübte, was die gerichtliche Bestrafung desselben zur Folge hatte. 1
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tiDÜARD GERHARD
dauer nicht minder bewundernswürdig als die geschickte Handhabung einer solchen Methode. Es konnte nicht fehlen, dass zu der resignirenden Zurückgezogenheit, welche ihm das Augenleiden auferlegte, auch schmerzliche Verluste hinzutraten, welche das Alter immer einsamer machen. Nach dem frühen Tode seines Brnders H e r m a n n (1855) verlor er in demselben J a h r (1857) seine M u t t e r und seinen S c h w i e g e r v a t e r , mit so manchem lieben Reisegefährten und Fachgenossen schieden auch alte f r e u n d e wie M e i e r (1851J, P a n o f k a (1856), B u n s e n (1860) vor ihm. Besonders hart traf ihn der unerwartete und vorzeitige Tod E m . B r a u n s (1856), der nicht allein seinem Herzen einen schweren Schlag versetzte, sondern auch seine Stellung zum Institut wesentlich änderte. In Braun sah er seinen Schüler, der seinen Anschauungen gemäss seine Aufgabe als Archäolog und als Leiter des Instituts auffasste. W i e manche Extravaganz und Unordnung er ihm auch nachzusehen hatte, er vergass es nicht, dass Braun, als nach Bunseus W e g g a n g (1837) das Institut in grosser Gefahr stand, nicht nur zu erreichen wusste, dass Fürst M e t t e r n i c h die Präsidentschaft übernahm, sondern dass Cardinal M a i in einer Festadunanz zu Ehren des Grosslürsten A l e x a n d e r erschien (1839) uud dadurch das Institut anerkannte. Gerhard hatte deshalb auch, als Braun bei einer späteren Krisis (1853) durch eine nicht glückliche, nachher wieder aufgegebene Veränderung in den Publicationeu des Instituts eine buchhändlerische Speculation versuchte, trotz aller Bedenken ihm nachgegeben 1 . W. U e n z e n , der an Brauns Stelle trat, hatte seine opferwillige Hingebung an das Institut bereits hinlänglich erprobt •— er, der stets alle Arbeiten zu übernehmen bereit gewesen ist, wenn sie ihm auch nur deshalb zufielen, weil andere sie nicht thateu — und war Gerhard unwandelbar anhänglich uud ergeben; allein er vertrat wesentlich die epigraphischen Studien, welche für Gerhard in zweiter Linie standen. Für die Archäologie trat H. B r u n n ein, durch laugjährigen Aufenthalt in Rom im Institut heimisch geworden, allein kein Schüler Gerhards folgte er in wissenschaftlichen Fragen wie iu der Leitung der Institusgeschäfte nicht selten abweichenden Ansichten und war ihm auch im persönlichen Verkehr nicht nahe getreten. Es war nicht zu vermeiden, dass Gerhard das Gefühl überkam, dem Institut, mit dem er sich verwachsen fühlte, entfremdet zu werden. Im J a h r 1861 wurde seine Frau von einem schweren Kopfleiden 1 Gerhard hat Braun einen Nachruf gestiftet in der Angsb. Allg. Ztg. 1856 N. 287, N. Preuss. Ztg. 1856 N 258, Winckelmannsprogr. 1856 S. 11 f., arch. Anz. 1857 S 47 f.
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EDUARD GEBHARD befallen,
das
sie
auf
längere
Zeit
von
jedem
T h ä t i g k e i t fern hielt u n d nur sehr l a n g s a m
Verkehr
und
aller
und allmählich ihr wieder
die T h e i l n a h m e an seinem T h u n und T r e i b e n g e s t a t t e t e , welcher er nicht mehr entsagen konnte. verengende K r e i s die j ä h r l i c h e n
Dadurch
w u r d e nicht allein
d e r so schon sich
des geselligen V e r k e h r s noch m e h r b e s c h r ä n k t ,
R e i s e n n a h m e n eine a n d e r e R i c h t u n g .
Die
der F r a u v e r l a n g t e einen A u f e n t h a l t in einem N o r d s e e b a d ,
auch
Gesundheit
Norderney,
W y k , B l a n k e n b e r g e , wohin er sie ?/.