Staats- und verwaltungsrechtliche Gesetze des Reiches und Preußens: Nebst Gewerbeordnung und Gaststättengesetz. Textausgabe mit den nötigsten Verweisungen, Paragraphenüberschriften und Sachreg [Reprint 2021 ed.] 9783112408803, 9783112408797


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German Pages 1530 [1514] Year 1931

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Staats- und verwaltungsrechtliche Gesetze des Reiches und Preußens: Nebst Gewerbeordnung und Gaststättengesetz. Textausgabe mit den nötigsten Verweisungen, Paragraphenüberschriften und Sachreg [Reprint 2021 ed.]
 9783112408803, 9783112408797

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3 h Ja] Lehrausgabeu Deutscher Gesetze ö nja herausgegeben Don

Professor Dr. O. Bühler, Münster i. W.

Staats- und verwaltungsrechtliche Gesetze des Reiches und Preußens nebst

Gewerbeordnung und Gaststättengesetz Textausgabe mit den nötigsten Verweisungen, paragraphenllberschriften

und Sachregister von

Dr. Ottmar Bühler o. ö Professor der Rechte an der Universität Münster i. W.

Berlin und Leipzig 1931

Walter d e Gruyter LCo. vormals G. I. Göschen'sche Berlagshandlung — I. Guttentag, Verlags­ buchhandlung — Georg Reimer — Karl I. Trübner — Beit & Tomp

Teil I.

Staatsrechtliche Gesetze des Reiches und Preußens nebst Gewerbeordnung und Saststättengesetz

Teil II

Verwaltungsgesetze des Reiches und Preußens

3a] Lehrausgaben Deutscher Gesetze [3a herausgegeben von

Professor vr.O. Bühler, Münster i. W.

Staatsrechtliche Gesetze des Reiches und Preußens sowie

Gewerbeordnung und Gaststättengesetz Textausgabe mit den nötigsten Verweisungen, Paragraphenüberschriften und Sachregister von

Dr. Ottmar Bühler o. ö. Professor der Rechte an der Universität Münster i. W.

Berlin und Leipzig 1931

Walter deGruyterLCo. vormals G. Göschen'sche Berlagshandlung — I. Guttentag, Verlags­ buchhandlung — Georg Reimer — Karl I. Trübner — Veit & Comp.

Archiv.Nr. 23 03 31.

Vorwort. Die Auswahl und Redigierung der aufgenommenen Gesetze richtete sich bei diesem Bande nach denselben Grundsätzen wie bei den Verwaltungsgesetzen (1930). Nur für die dort über den Zweck der einzelnen Gesetze unterrichtenden einleitenden Be­ merkungen schien mir bei den staatsrechtlichen Gesetzen, deren Bedeutung sich aus ihrem Titel im allgemeinen ohne weiteres ergibt, kein so großes Bedürfnis vorhanden zu sein, ich habe von solchen im Interesse der Raumersparnis daher abgesehen. Trotz allen Strebens nach mäßigem Umfange auch dieses Bandes ist doch u. a. die alte Preußische Verfassung von 1850 mit ausgenommen worden, da von ihr zurzeit überhaupt keine Ausgabe mehr erhälllich ist und sie im staatsrechllichen Unterricht doch so notwendig gebraucht wird. Daß auch die Gewerbeordnung (nebst dem Gaststättengesetz) diesem Bande hinzugefügt wurde, geschah auf Gmnd der Er­ fahrung, die mir von einer ganzen Reihe von Kollegen bestättgt wurde, daß dieses in unseren öffentlich-rechtlichen Vorlesungen und Übungen außerordentlich oft gebrauchte Gesetz, wenn es nur in einer besonderen Ausgabe erhälllich ist, gar zu oft eben nicht in der Hand des Hörers ist, wenn wir es dort voraussetzen. Die staats- und verwaltungsrechtlichen Gesetze werden auch in einem Gesamtbande abgegeben, in dem zugleich die wichllgsten Nachttäge zu den Verwaltungsgesetzen, namenllich das Polizei­ verwaltungsgesetz von 1931, mit eingebunden sind (während diese Nachttäge dem Verwaltungsgesetzband allein nur lose beigegeben werden können). Hier ist dann also in einem Bande alles ge­ boten, was für die öffenllich-rechllichen Übungen benötigt wird und damit ein Wunsch erfüllt, den wohl manche mit mir ge­ teilt haben werden.

Münster (Wests.), Okwber 1931. Dechaneistraße 19.

— in —

Ottmar Bühler.

Zur Beachtung: Cb es sich um Reichs- oder Preußische Gesetze handelt, ist je­ weils, weuu nötig durch Zusatz des Herausgebers, leuutlich gemacht. Paragrapheniiberschrtste» tu eckige« Slammeru stamme« vom Herausgeber, solche in runde« Klammern a«S dem amtliche« Text.

Inhaltsübersicht. A. Geordnet nach Eachgegenstänben (zugleich nach der Folge der Nummern). I. Verfassungen. 1. Reichsverfassung. Vom 11. August 1919 . . la. Reichsverfassung. Vom 16. April 1871 .... lb. Aufruf des Rates der BolkSbeauftragten. Vom 12. November 1918 lc. tReichs-fGesetz über die vorläufige Reichsgewalt. Vom 10. Februar 1919 16. ^Reichs-^llbergangsgesetz. Vom 4. März 1919 . 2. Preußische Verfassung. Vom 30. November 1920 2a. Preußische Derfassungsurkunde. Vom 31. Januar 1850 3. fReichS-Mepublirschutzgesetz. Vom 25. März 1930 4. ^ReichS-^ Verordnung über die Teutschen Flaggen. Dom 11. April 1921/5. Mai 1926

II. Gesetzgebende Organe und Gesetzgebung. 1. Reichstag und Landtag: 5. Reichswahlgesetz. Vom 6. Mär- 1924 .... 5a. Preuß. Wahlgesetz fLandeswahlgesetzs. Vom 28. Oktober 1924 6. Reichsstimmordnnng. Vom 14. März 1924 (Aus­ zug) 7. fReichS-) Gesetz über die Befriedung der Ge­ bäude deS Reichstags und der Landtage. Vom 8. Mai 1920 8. (Reichs-) Gesetz über die Entschädigung der Mit­ glieder deS Reichstags. Vom 15. Dezember 1930 9. Geschäftsordnung für den Reichstag. Vom 12.De­ zember 1922/31. März 1931

Sette 1—47 47—73

73—74 74—76 77—78 78—96

97—117 117—122

122—125

126—139

126—139

139—147

147—148 148—150

150—174

JnhattSütersicht. Seite 2. ReichSrat und Staat-rat: 10. fPreutz.) Gesetz über * die Bestellung von Mit­ gliedern de- ReichSratS durch die Provinzial­ verwaltungen. Bom 3. Juni 1921 11. sPreuß.) Gesetz über die Wahlen -um Staatsrat. Bom 16. Dezember 1920 3. ReichSwirtschaftSrat: 12. (Reichs-)Verordnung über den vorläufigen ReichswirtschastSrat (Auszug). Bom 4. Mai 1920 4. Gesetzgebung:

174—176 177—183

183-189

13.



(Reichs-) Gesetz über den Volksentscheid. Bom 27. Juni 1921 189—198 13a. (Preuß.) Gesetz über das Verfahren bei Volks­ begehren und Volksentscheiden. Dom 8. Januar 1926 198—205 14. (Reich--) Gesetz zur Ausführung des Art. 18 der 205—207 RB. Dom 8. Juli 1922 14a. (Preuß.) Gesetz über die Angliederung Waldecks. 208—217 Bom 25. Juli 1928 14b. (Reichs-) Gesetz über die Bereinigung Waldecks mit Preußen. Bom 7. Dezember 1928 .... 217—218 15a. (ReichS-)ErmächtigungSgesetz. Dom 13. Oktober 1923 218 15b. (ReichS-)ErmächtigungSgesetz. Dom 8. Dezember 219 1923 16. (ReichS-)Gesetz über die Verkündung von Rechts­ verordnungen. Bom 13. Oktober 1923 .... 219— 220 16a. (Preuße Gesetz über die Verkündung von Rechts­ 220— 221 verordnungen. Bom 9. August 1924 17a. Nachweisung der Verordnungen auf Grund von 221 Art. 48 in den Jahren 1919—1931...................... 17b. Inhaltsübersichten der Dezember-Notverordnung 222—224 1930 und der Juni-Notverordnung 1931

III. Reichspräsident und Reichsminister; Vollziehung. 18.

19. 20.

(ReichS-)Gesetz über die Wahl des ReichSpräsideuten. Bom 6. März 1924 RetchSministergesetz. Bom 27. März 1930 Geschäftsordnung der Reichsregierung. Bo in 3. Mai 1924

225—226 227—235

235—244

IV. versassungSgerichtSbarkeit. 21.

Reichs-Gesetz über den StaatSgerichtShof. 9. Juli 1921

Bom

245—251

Inhaltsübersicht. Seite

22. Reichs-Gesetz zur Ausführung des Art. 13 der RV. vom 8. April 1920 ... .

V. Beamtenrecht. 23. Reichsbeamtengeseh. Bom 17. Mai 1907 . . . 24. (Preuß.) Gesetz betr. die Dienstvergehen der nicht­ richterlichen Beamten. Bom 21. Juli 1852 . 25. Reichsbesoldungsgcsetz. Bom 16. Dezember 1927 25a. Preuß. Besoldungsgesetz. Dom 17. Dezember 1927

V I. Wehrmacht. 26. (Reichs-)Wehrgesetz. Vom 23. März 1921 (Aus­ zug)

251—252

253—295 296—317 317—332 333—334

335—348

VII. Finanzen. 27. (ReichS-WnanzausgleichSgese-. Bom 27. April 349—354 1926 (Auszug) 28. (Reichs-)Besteuerungsgesetz. Bom 10. August 1925 354—359 28a. (Reichs-)Gesetz über die Pauschalierung der BerwaltungSkostenzuschüsse. Vom 17. Juli 1930 . . 360—363 29. ReichShanShaltsordnnng. Bom 31. Dezember 363—402 1922/14. April 1930 29a. (Preuß.) Gesetz betr. den Staatshaushalt (Komp403—417 tabilitStsgese-) Bom 11. Mai 1898 29b. Reichshaushaltsgesetz für das Rechnungsjahr 1931 417—423 29c. Preuß. Haushaltsgesetz für das Rechnungsjahr 423—427 1931 30. Reichsschuldenordnung. Bom 13. Februar 1924 427—434 (Auszug)

VIII. Der Staatsbürger. 31. Reichs- und StaatsangehörigkeitSgeseh. Bom 22. Juli 1913 32. (ReichS-Wersonenstandsgesetz. Bom 6. Februar 1875 (Auszug) 33. (ReichS-MeizügigkeitSgesetz. Bom 1. November 1867 33a. (Preuß.) Gesetz über die Aufnahme neuanzie­ hender Personen. Bom 31. Dezember 1842 (Auszug) . . 33b. (ReichS-Waßgesetz. Bom 12. Oktober 1867 . . 34. (ReichS-WuslieferungSgeseh. Vom 23. Dezember 1929 (Auszug)

435—445

446—451 451—455

455— 456 456— 459

459—463

Znhaltsüderficht.

Seite (Preuß.) Gesetz über die Aufhebung der StandesVorrechte des Adels. Bom 23. Juni 1920 . 35a. (Preuß.) Verordnung betr. die Änderung der Familiennamen. Bom 3. November 1919 . . 36. (ReichS-Wreßgeseh. Bom 7. Mai 1874 .... 37. (Reichs-)LumnltschLdengesetz. Bom 12. Mai 1920 38. (Reichs-Wrnndfchnlg efetz. Bom 28. April 1920 . 35.

463—472

472—474 474—483 483—488 488—490

IX. Reichs-Berkehrsgesetze.

39.

(Reichs-) Gesetz über das Postwesen des Teutschen Reichs (ReichSpostgesetz). Bom 28. Oktober 1871 39a. Reichspostfinanzgesetz. Bom 18. März 1924 40. (Reichs-) Gesetz betr. den Staatsvertrag über den Übergang der Staatseisenbahnen auf das Reich. Bom 30. April 1920 41. (Reichs-)Gesetz über die Teutsche Reichsbahngesell­ schaft (Reichsbahugesetz). Vom 13. Marz 1930 . 42. (Reichs-)Gesetz betr. den Staatsvertrag über den Übergang der Wasserstraßen auf das Reich. Bom 29. Juli 1921 43. (Reichs-) LuftverkehrSgesetz. Dom 1. August 1922 (Auszug)

491 497 497-504

505—518 518- 536

536-

547

548—554

X. Staatskirchenrecht.

44. 45.

(Preuß.) gelischen (Preuß.) Heiligen

Gesetz betr. den Vertrag mit den Evan­ Landeskirchen. Bom 26. Juni 1931 . Gesetz betr. den Vertrag mit dem Stuhl. Vom 3. August 1929 ....

555- -560 560—ü67

XI. A»S dem Gewerberecht.

46. Gewerbeordnung für das Teutsche Reich. Bom 21. Juni 1869 47. (ReichS-Waststättengesetz. Bom 28. April 1930 .

Sachregister

568—713 714—730

731 -748

I»tzalUü»»rficht.

Monat und Tag

Jahr

!

Seite der Sammlung

B. Geordnet nach der Zeitfolge.

Überschrift des Gesetzes

i !

1842

31. De».

1850

31. Jan.

1852 1 21. Juli 1 1 12. Ott. 1867

1. 21. 16. 28.

! 1

1 1 1

lPreuß.i Gesetz über die Aufnahme neu* anziehender Personen....................................... Berfassungsurkunde für den preußischen Staat..................................................................... fPreuß.i Gesetz bett, die Dienstvergehen der nichtrichterlichen Beamten lPreuß.Diszipli*«rgef«|]............................................................. lReicht-IPaßgrsttz ................................................ lReichS-VreizügigkeitSgefetz..............................

Nov. Juni ; Gewerdeorduuug für das Deutsche Reich . April i Berfassung des Deutschen Reichs...................... Ott. ! tRetchS-^Gesetz über das Postwesen des i Deutschen Reich» lReichSpostgesetzi .... 1874 7. Mai lReichS-Wretzsesetz............................................... 1875 6. Febr. lReichSas Patzwefen und die Fremdenpolirei; 5. das Ärmenwefen und die Wandererfürsorge; 8. das Presse-, Vereins» und Versammlungswesen; 7. die Bevölkerunggpolitik, die Mutterschasts-, Säuglings-, Kinder- und Jugendfürsorge; 8. das Gesundheitswesen, das Deterinärwefen und den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge; 9. das Arbeitsrecht, die Versicherung und den Schutz der Ar­ beiter und Angestellten sowie den Arbeitsnachweis; 10. die Einrichtung beruflicher Vertretungen für da» Reichs­ gebiet; 11. die Fürsorge für die Kriegsteilnehmer und ihre Hinter­ bliebenen; 12. das Entetanungsrecht; 13. die Vergesellschaftung von Naturschätzen und wirtschaft­ lichen Unternehmungen sowie die Erzeugung, Herstellung, Verteilung und Preisgestaltung wirtschaftlicher Güter für die Gemetnwirtschaft; 14. den Handel, das Mast- und Gewichtswesen, die Ausgabe von Papiergeld, da» Bankwesen sowie da» Äörsenwesen; 15. den Verkehr mit Nahrung»- und Genutzmitteln sowie mit Gegenständen de» täglichen Bedarfs; 16. da» Gewerbe und den Bergbau; 17. das Versicherungswesen; 18. die Seeschiffahrt, die Hochsee- und die Küstenfischerei; 19. die Eisenbahnen, die Binnenschiffahrt, den Verkehr mit Kraftfahrzeugen zu Lande, zu Wasser und in der Lust, sowie den Bau von Landstratzen, soweit e» sich um den allgemeinen Verkehr und die Landesverteidigung handelt; 20. das Theater- und Lichtspielwesen. lNeichrabgabengesetzger««»!

Akt. 8.

Das Reich hat ferner die Gesetzgebung über die Abgaben und sonstigen Einnahmen, soweit sie ganz oder teilweise für seine Zwecke in Anspruch Genommen werden. Nimmt da» Reich Ab­ gaben oder sonstige Einnahmen in Anspruch, die bisher den Län­ dern Zuständen, so hat es auf die Erhaltung der Lebensfähigkeit der Länder Rücksicht zu nehmen').

*) Hierzu ist da» Finanzausgleich, gesetz 6. 27. April 1926 ergangen (unten Nr. 27).

11

1. Die Utrfefluue de» Deutschen Reich» (1916).

sBedarfsgesetz-eLangs

Akt. 9.

Soweit ein Bedürfnis für den Erlab einheitlicher Vor­ schriften vorhanden ist, hat das Reich die Gesetzgebung über: 1. die Wohlfahrtspflege: 2. den Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit.

lSrnndsatzgesetz-rdnn-s

Alft. 10.

Das Reich kann im Wege der Gesetzgebung Grundsätze auf­ stellen für: 1. die Rechte und Pflichten der Religionsgesellschaften: 2. da» Schulwesen einschliesslich des Hochschulwesens und das wissenschaftliche Büchereiwesen: 3. das Recht der Beamten aller öffentlichen Körperschaften: 4. das Bodenrecht, die Bodenverteilung, das Anstedlungs- und Heimstättenwesen, die Bindung des Erundbefitzes, das Wohnungswesen und die Bevölkerungsverteilung: 5. da» Bestattungswesen.

sGrundsa-gesetgebnuss

Art. 11.

Da» Reich kann im Wege der Gesetzgebung Grundsätze über die Zulässigkeit und Erhebungsart von Landesabgaben auf­ stellen'), soweit sie erforderlich find, um 1. Schädigung der Einnahmen oder der Handelsbeziehungen de» Reichs, 2. Doppelbesteuerungen, 3. übermäßige oder verkehrshindernde Belastung der Be­ nutzung öffentlicher Berkehrswege und Einrichtungen mit Gebühren, 4. steuerliche Benachteiligungen eingeführter Waren gegen­ über den eigenen Erzeugnissen im Berkehre zwischen den einzelnen Landern und Landesteilen oder 5. Ausfuhrprämien auszufchliegen oder wichtige Gesellschaftsinteressen zu wahren.

sv»rlil«fi-e

Laude»«esetzg«b»»i1

Akt. 12.

(1) Solange und soweit das Reich von seinem Gesetzgebungs­ rechte keinen Gebrauch macht, behalten die Länder das Recht der Gesetzgebung. Dies gilt nicht für di« ausschließliche Gesetzgebung de» Reich». (2) Gegen Landesgesetze, die sich auf Gegenstände de» Ar­ tikel 7 Ziffer 13 beziehen, steht der Reichsregierung, sofern da-

*) Siehe das Finanzausgleichsgesetz v. 27. April 1926 (unten Nr. 27).

1. Di» Verfassung ke» Deutschen »eich, (1919).

[1

durch das Wohl der Gesamtheit im Reiche berührt wird, ein Einspruchsrecht zu.

sReichSrecht unk Lande,rechts

Art. 13.

(1) Reichsrecht bricht Landrecht. (2) Bestehen Zweifel oder Meinungsverschiedenheiten dar­ über, ob eine landesrechtliche Vorschrift mit dem Reichsrecht ver­ einbar ist, so kann die zuständige Reichs- oder Lanveszentralbehörbe nach näherer Vorschrift eines Reichsgesetzes') die Ent­ scheidung eines obersten Gerichtshofs des Reichs anrufen. sAusführnng

ker Reich^esetzef Art. 14.

Die Reichsgesetze werden durch die Landesbehörden aus­ geführt, soweit nicht die Reichsgesetze etwas anderes bestimmen. sReichsansstcht] Art. 15. (1) Die Reichsregierung übt die Aufsicht in den Angelegen­ heiten aus, in denen dem Reiche das Recht der Gesetzgebung zusteht. (2) Soweit die Reichsgesetze von den Landesbehörden auszuführen find, kann die Reichsregierung allgemeine Anweisungen erlassen. Eie ist ermächtigt, zur Überwachung der Ausführung der Reichsgesetze zu den Landeszentralbehörden und mit ihrer Zustimmung zu den unteren Behörden Beauftragte zu entsenden. (3) Die Landesregierungen find verpflichtet, auf Ersuchen der Reichsregierung Mängel, die bei der Ausführung der Reichs­ gesetze hervorgetreten find, zu beseitigen. Bei Meinungsver­ schiedenheiten kann sowohl die Reichsregierung als die Landes­ regierung die Entscheidung des Staatsgerichtshofs anrufen, falls nicht durch Reichsgesetz ein anderes Gericht bestimmt ist.

sReichsbeamt» in ken Säubern] Akt. 16. Die mit der unmittelbaren Reich-verwaltung in den Län­ dern betrauten Beamten sollen in der Regel Landesangehörige sein. Die Beamten, Aimestellten und Arbeiter der Reichsver­ waltung find auf ihren Wunsch in ihren Heimatgebieten zu ver­ wenden, soweit dies möglich ist und nicht Rücksichten auf ihre Ausbildung oder Erfordernisie des Dienstes entgegenstehen.

[®etfa|fung bet Sänket] Akt. 17. (!) Jedes Land mutz eine freistaatliche Verfassung haben. Die Volksvertretung mutz in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer

*) Dieses ist am 8. April 1920 ergangen (unten Nr. 22).

1]

1. Sie »trfefiMeg bt> Deutsche» Reich» (1*U).

und geheimer Wahl von allen reichsdeutschen Männern und Frauen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt wer­ den. Die Landesregierung bedarf des Vertrauen» der Volks­ vertretung. (2) Die Grundsätze für die Wahlen zur Volksvertretung gelten auchfür die Eemetndewahlen. Jedoch kann durch Landes­ gesetz die Wahlberechtigung von der Dauer des Aufenthalts in der Gemeinde bis zu einem Jahr« abhängig gemacht werden.

(Reegliebetuifl der 88xbe*J

Akt. 18*).

(1) Die Gliederung des Reich» in Länder soll unter mög­ lichster Berücksichtigung des Willens der beteiligten Bevölkerung der wirtschaftlichen und kulturellen Höchstleistung de» Volkes dienen. Die Änderung de« Gebiets von Ländern und di« Neu­ bildung von Ländern innerhalb de» Reichs erfolgen durch ver« fassungsänderndes Reichsgesetz. (2) Stimmen die unmittelbar beteiligten Länder zu, so be­ darf e» nur eine» einfachen Reichsgesetzes. (3) Gin einfache» Reichsgesetz genügt ferner, wenn eine» der beteiligten Länder nicht zustimmt, die Eebietsänderuna oder Neubildung aber durch den Willen der Bevölkerung gefordert wird und ein überwiegende» Reichsinteresse ste erheischt. (1) Der Wille der Bevölkerung ist durch Abstimmung festzu­ stellen. Die Reichsregierung ordnet die Abstimmung an, wenn ein Drittel der zum Reichstag wahlberechtigten Einwohner de» abzutrennenden Gebiet» e» verlangt. (5) Zum Beschluß einer Eebiet»änder«ng oder Neubildung find drei Fünftel der abgegebenen Stimmen, mindesten» aber die Stimmenmehrheit der Wahlberechtigten erforderlich. Auch wenn es sich nur um Abtrennung eines Teile» eines preußischen Regierungsbezirke», eines bayerischen Kreise» oder in anderen Ländern eines entkorechenden Verwaltungsbezirkes handelt, ist der Wille der Bevölkerung de» ganzen in Betracht kommenden Bezirke» festzustellen. Wenn ein räumlicher Zusammenhang de» abzutrennenden Gebiet» mit dem Gefamtbezirke nicht besteht, kann auf Grund eine» besonderen Retchsgesetze» der Wille der Bevölkerung de» abzutrennenden Gebiet» al» ausreichend erklärt werden. (6) Nach Feststellung der Zustimmung der Bevölkerung hat die Retchsregierung dem Reichstag ein entsprechendes Gesetz zur Beschlußfassung vorzulegen. *) Hierzu Gesetz zur Ausführung bei Art. 18 der RB. v. 8. Juli 1922 (unten Nr. 14).

1. Tie Lersassung deS Deutschen Reichs (1919).

[1

(7) Entsteht bei der Vereinigung oder Abtrennung Streit über die BermögenZauZeinandersetzUng, so entscheidet hierüber auf Antrag einer Partei der Staatsgerichtshos für das Deutsche Reich. sverfaffungSstreitigkeite«!

Art. 19.

(1) Über Berfassungsstreitigkeiten innerhalb eines Landes, in dem kein Gericht zu ihrer Erledigung besteht, sowie über Streitigkeiten nichtprivatrechtlicher Art zwischen verschiedenen Ländern oder zwischen dem Reiche und einem Lande entscheidet auf Antrag eines der streitenden Teile der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich, soweit nicht ein anderer Gerichtshof des Reichs zuständig ist. (2) Der Reichspräsident vollstreckt das Urteil des Staats­ gerichtshofs.

Zweiter Abschnitt. Der Reichstag,

(Zusammensetzung!

Art. 20.

Der Reichstag besteht aus den Abgeordneten des deutschen Volkes. (Eutschlietzungssreiheit der Abgeordnete«! Art. 21,

Die Abgeordneten sind Vertreter des ganzen Volkes. Sie sind nur ihrem Gewisien unterworfen und an Aufträge nicht gebunden. l«ahl der Abgeordnete«!

Art. 22.

(1) Die Abgeordneten werden in allgemeiner, gleicher, un­ mittelbarer und geheimer Wahl von den über zwanziä Jahre alten Männern und Frauen nach den Grundsätzen der Verbältniswahl gewählt. Der Wahltag muh ein Sonntag oder öffent­ licher Ruhetag sein. (2) Das Nähere bestimmt das Reichswahlgesetz'). lwahlperiode!

Art. 23.

(1) Der Reichstag wird auf vier Jahre gewählt. Spätestens am sechzigsten Tage nach ihrem Ablauf mutz die Neuwahl statt­ finden. (2) Der Reichstag tritt zum ersten Male spätestens am dreißigsten Tage nach der Wahl zusammen.

') Dieses ist am 27. April 1920 ergangen; jetzt gellende Fassung v. 6. März 1924 (unten Nr. 5).

1]

1. Die Verfassung des Deutschen Reichs (1919).

(Zusammentritt, Schluß Les Reichstages,

Art. 24.

(1) Der Reichstag tritt in jedem Jahre am ersten Mittwoch des November am Sitze der Reichsregierung zusammen. Der Präsident des Reichstags muh ihn früher berufen, wenn es der Reichspräsident oder mindestens ein Drittel der Reichstagsmit­ glieder verlangt. (2) Der Reichstag bestimmt den Schluß der Tagung und den Tag des Wiederzusammentritts. (Auflösung!

Art. 25.

(1) Der Reichspräsident kann den Reichstag auflösen, jedoch nur einmal aus dem gleichen Anlaß. (2) Die Neuwahl findet spätestens am sechzigsten Tage nach der Auflösung statt. (Wahl LeS Präsidiums, Geschäftsordnung,

Art. 26.

Der Reichstag wählt seinen Präsidenten, desien Stellver­ treter und seine Schriftführer. Er gibt sich seine Geschäfts­ ordnung^). ,Zwischenprafidium,

Art. 27.

Zwischen zwei Tagungen oder Wahlperioden führen Präsi­ dent und Stellvertreter der letzten Tagung ihre Geschäfte fort. (Rechte Le- Präsidenten,

Art. 28.

Der Präsident übt das Hausrecht und die Polizeigewalt im Reichstagsgeoäude aus. Ihm untersteht die Hausverwaltung; er verfügt über die Einnahmen und Ausgaben des Hauses nach Maßgabe des Reicksbaushalts und vertritt das Reich in allen Rechtsgeschäften und Rechtsstreitigkeiten seiner Verwaltung. (Öffentlichkeit,

Art. 29.

Der Reichstag verhandelt öffentlich. Auf Antrag von fünfzig Mitgliedern kann mit Zweidrittelmehrheit die Öffentlichkeit aus­ geschlossen werden. (VerhandlnngSberichte,

Art. 30.

Wahrheitsgetreue Berichte über die Verhandlungen in den öffentlichen Sitzungen des Reichstags, eines Landtags oder ihrer Ausschüsse bleiben von jeder Verantwortlichkeit frei. x) Erlassen 1922; jetzt geltende Fassung v. 31. Mär; 1931 (unten Nr. 9).

- S

1. Dir Verfassung des Teutfchen Reichs (1919). (Wahlprüfungsgerichts

[1

Art. 31.

(1) Bei dem Reichstag wird ein Wahlprüfungsgericht ge­ bildet. Es entscheidet auch über die Frage, ob ein Abgeordneter die Mitgliedschaft verloren hat. (2) Das Wahlprüfungsgericht besteht aus Mitgliedern des Reichstags, die dieser für die Wahlperiode wählt, und aus Mit­ gliedern des Reichsverwaltungsgerichts, die der Reichspräsident auf Vorschlag des Präsidiums dieses Gerichts bestellt. (3) Das Wahlprüfungsgericht erkennt auf Grund öffentlicher mündlicher Verhandlung durch drei Mitglieder des Reichstags und zwei richterliche Mitglieder. (4) Außerhalb der Verhandlungen vor dem Wahlprüfungs­ gerichte wird das Verfahren von einem Reichsbeauftragten ge­ führt, den der Reichspräsident ernennt. Im übrigen wird das Verfahren von dem Wahlprüfungsgerichte geregelt. «Beschlußfassung!

Art. 32.

(1) Zu einem Beschlusse des Reichstags ist einfache Stimmen­ mehrheit erforderlich, sofern die Verfassung kein anderes Stimmenverhältnis vorschreibt. Für die vom Reichstag vor­ zunehmenden Wahlen kann die Geschäftsordnung Ausnahmen zulassen. (2) Die Beschlußfähigkeit wird durch die Geschäftsordnung geregelt. (Minister- und Lander­ vertreter im Reichstags

Art. 33.

(1) Der Reichstag und seine Ausschüsse können die Anwesen­ heit des Reichskanzlers und jedes Reichsministers verlangen. (2) Der Reichskanzler, die Reichsminister und die von ihnen bestellten Beauftragten haben zu den Sitzungen des Reichstags und seiner Ausschüsse Zutritt. Die Länder sind berechtigt, in diese Sitzungen Bevollmächtigte au entsenden, die den Stand­ punkt ihrer Regierung zu dem Gegenstände der Verhandlung darleaen. (3) Auf ihr Verlangen müssen die Regierungsvertreter wäh­ rend der Beratung, die Vertreter der Reichsregierung auch außerhalb der Tagesordnung gehört werden. (4) Sie unterstehen der Ordnungsgewalt des Vorsitzenden. (Untersuchungsausschüsse!

Art. 34.

(1) Der Reichstag hat das Recht und auf Antrag von einem Fünftel seiner Mitglieder die Pflicht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Diese Ausschüsse erheben in öffentlicher Verhandlung

1]

1. Tie Verfass««- deS Deutsche« Reich- (1919).

die Beweise, die sie oder die Antragsteller für erforderlich er­ achten. Die Öffentlichkeit kann vom Untersuchungsausschuß mit Zweidrittelmehrheit ausgeschlossen werden. Die Geschäftsord­ nung regelt das Verfahren des Ausschusses und bestimmt die Zahl seiner Mitglieder. (2) Die Gerichte und Verwaltungsbehörden find verpflichtet, dem Ersuchen dieser Ausschüsse um Beweiserhebungen Folge zu leisten- die Akten der Behörden find ihnen auf Verlangen vor-ulegen. (3) Auf die Erhebungen der Ausschüsse und der von ihnen ersuchten Behörden finden die Vorschriften der Strafprozeßord­ nung sinngemäße Anwendung, doch bleibt das Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis unberührt. l Ständige AuSschüsses

Art. 35.

(1) Der Reichstag bestellt einen ständigen Ausschuß für aus­ wärtige Angelegenheiten, der auch außerhalb der Tagung des Reichstags und nach der Beendigung der Wahlperiode oder der Auflösung des Reichstags bis zum Zusammentritte des neuen Reichstags tätig werden kann. Die Sitzungen dieses Ausschusses find nicht öffentlich, wenn nicht der Ausschuß mit Zweiorittelmehrbeit die Öffentlichkeit beschließt. (2) Der Reichstag bestellt ferner zur Wahrung der Rechte der Volksvertretung gegenüber der Reichsregierung für die Zeit außerhalb der Tagung und nach Beendigung einer Wahlperiode oder der Auflösung des Reichstags bis zum Zusammentritt des neuen Reichstags einen ständigen Ausschuß*). (3) Diese Ausschüsse haben die Rechte von Untersuchungs­ ausschüssen. sJmmunität der Abgeordnete«!

Art. 36.

Kein Mitglied des Reichstags oder eines Landtags darf zu irgendeiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines Berufs getanen Äußerungen gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb der Versammlung zur Verantwortung gezogen werden, lllrrverfolgbarkeit der togetrbnctcn]

Art. 37.

(1) Kein Mitglied des Reichstags oder eines Landtags kann ohne Genehmigung des Hauses, dem der Abgeordnete angehört,

1) Art. 35 Absatz 2 in der Fassung des Gesetze- v. 15. Dez. 1923 (RGBl. I S. 1185).

1. Die Verfassung des Deutschen Reich» (1919).

[1

während der Sitzungsperiode wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, es sei denn, daß das Mitglied bei Ausübung der Tat oder spätestens im Lause des folgenden Tages festgenommen ist. (2) Die gleiche Genehmigung ist bei jeder anderen Beschrän­ kung der persönlichen Freiheit erforderlich, die die Ausübung des Abgeordnetenberufs beeinträchtigt. (3) Jedes Strafverfahren gegen ein Mitglied des Reichstags oder eines Landtags und jede Haft oder sonstige Beschränkung seiner persönlichen Freiheit wird auf Verlangen des Hauses, dem der Abgeordnete angehört, für die Dauer der Sitzungs­ periode aufgehoben. iZeuguiSvetweigeruugSrechtl

Art. 38.

(1) Die Mitglieder des Reichstags und der Landtage find berechtigt, über Personen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Ab­ geordneten Tatsachen anvertrauen, oder denen ste tn Ausübung ihres Abaeordnetenberufs solche anvertraut haben, sowie über diese Tatsachen selbst das Zeugnis zu verweigern. Auch in Be­ ziehung auf Beschlagnahme von Schriftstücken stehen fie den Per­ sonen gleich, die ein gesetzliches Zeugnisverweigerungsrecht haben. (2) Eine Durchsuchung oder Beschlagnahme darf in den Räumen des Reichstags oder eines Landtags nur mit Zu­ stimmung des Präsidenten vorgenommen werden. l Urlaub für beamtete Abgeordnete!

Art. 39.

(1) Beamte und Angehörige der Wehrmacht bedürfen zur Ausübung ihres Amtes als Mitglieder des Reichstags ooer eines Landtags keines Urlaubs. (2) Bewerben fie sich um einen Sitz in diesen Körperschaften, so ist ihnen der zur Borbereitung ihrer Wahl erforderliche Urlaub zu gewähren. lFreifahrt, Aufwandsentschädigung!

Art. 40.

Die Mitglieder des Reichstags erhalten das Recht zur fteien Fahrt auf allen deutschen Eisenbahnen sowie Entschädigung nach Maßgabe eines Reichsgesetzes*). t) Siehe hierzu daö Gesetz über die Entschädigung der Mitglieder des Reichstags v. 15. Dez. 1930 (unten Nr. 8).

1]

1. Dir Verfassung des Deutsche« Reichs (ISIS).

sVor-u-Srechte des ReichStagSV-rftaude-j

Art. 40 a1).

(1) Die Vorschriften der Artikel 36, 37, 38 Abs. 1 und 39 Abs. 1 gelten für den Präfidenten des Reichstags, feine Stell­ vertreter und die ständigen und ersten stellvertretenden Mit­ glieder der im Artikel 35 bezeichneten Ausschüsse auch für die Zeit zwischen zwei Tagungen (Sitzungsperioden) oder Wahl­ perioden des Reichstags. (2) Das gleiche gilt für den Präfidenten eines Landtags, seine Stellvertreter und die ständigen und ersten stellvertretenden Mitglieder von Ausschüssen eines Landtags, wenn fie nach der Landesverfassung außerhalb der Tagung (Sitzungsperiode) oder Wahlperiode tätig werden können. (3) Soweit Artikel 37 eine Mitwirkung des Reichstags oder eines Landtags vorsteht, tritt der Ausfchutz zur Wahrung der Rechte der Volksvertretung an die Stelle des Reichstags und, falls Ausschüsse des Landtags fortbestehen, der vom Landtag bestimmte Ausschuß an die Stelle des Landtags. (4) Die im Abs. 1 bezeichneten Personen haben zwischen zwei Wahlperioden die im Artikel 40 bezeichneten Rechte.

Dritter Abschnitt.

Der Reichspräsident und die Reichsregierung.

lWahl des Reichspräsidenten,

Art. 41.

(1) Der Reichspräsident wird vom ganzen deutschen Volke gewählt. (2) Wählbar ist jeder Deutsche, der das fünfunddreißigste Lebensjahr vollendet hat. (3) Das Nähere bestimmt ein Reichsgesetz-).

sAmtSeid deS Reichspräsidenten^

Art. 42.

(1) Der Reichspräsident leistet bei

der Übernahme seines Amtes vor dem Reichstag folgenden Eid: Ich schwöre, daß ich' meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, leinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, die Verfassung und die Gesetze des Reichs *) Artikel 40a ist eingefügt durch d. G. v. 22. Mai 1926 (RGBl. I S. 243). a) Dieses ist am 6. März 1924 ergangen (unten Nr. 18).

1. Tie Versagung des Teutschen Reichs (1919).

[1

wahren, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Eerechtiakeit gegen jedermann üben werde. (2) Die Beifügung einer religiösen Beteuerung ist zulässig. lAmtSdauer; strafrechtliche Verfolgbarkeit!

Art. 43.

(1) Das Amt des Reichspräsidenten dauert sieben Jahre. Wiederwahl ist zulässig. (2) Vor Ablauf der Frist kann der Reichspräsident auf An­ trag des Reichstags durch Volksabstimmung abgesetzt werden. Der Beschluß des Reichstags erfordert Zweidrittelmehrheit. Durch den BHchluß ist der Reichspräsident an der ferneren Aus­ übung des Amtes verhindert. Die Ablehnung der Absetzung durch die Volksabstimmung gilt als neue Wahl und hat die Auflösuna des Reichstags zur Folge. (8) Der Reichspräsident kann ohne Zustimmung des Reichs­ tags nicht strafrechtlich verfolgt werden.

^Trennung bei Gewalten!

Art. 44.

Der^Reichspräsident kann nicht zugleich Mitglied des Reichs­ tags fein. ,Völkerrechtliche Vertretung

des Reiches,

Art. 45.

(1) Der Reichspräsident vertritt das Reich völkerrechtlich. Er schließt im Namen des Reichs Bündnisse und andere Verträge mit auswärtigen Machten. Er beglaubigt und empfängt die Gesandten. (2) Kriegserklärung und Friedensschluß erfolgen durch Reicbsgesetz. (3) Bündnisse und Derträae mit fremden Staaten, die sich auf Gegenstände der Reichsgesetzgebung beziehen, bedürfen der Zustimmung des Reichstags. ,Ernennung der Reichsbeamten und Offiziere,

Art. 46.

Der Reichspräsident ernennt und entläßt die Reichsbeamten und die Offiziere, soweit nicht durch Gesetz etwas anderes be­ stimmt ist. Er kann das Ernennungs- und Entlassungsrecht durch andere Behörden ausüben lassen. lOberbefehl über die Wehrmacht!

Art. 47.

Der Reichspräsident hat den Oberbefehl über die gesamte Wehrmacht des Reichs.

1]

1. Die Lerfassunß de- Deutschen Reichs (1819).

sReichSexeknti-n, Ausnahmezustands Art. 48. (1) Wenn ein Land die ihm nach der Reichsverfassung oder den Reichsgesetzen obliegenden Pflichten nicht erfüllt, kann der Reichspräsident es dazu mit Hilfe der bewaffneten Macht an­ halten. (2) Der Reichspräsident kann, wenn im Deutschen Reiche die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich gestört oder ge­ fährdet wird, die zur Wiederherstellung der öffentlichen Eicher­ belt und Ordnung nötigen Maßnahmen treffen, erforderlichen­ falls mit Hilfe der bewaffneten Macht einschreiten. Zu diesem Zwecke darf er vorübergehend die in den Artikeln 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153 festgesetzten Grundrechte ganz oder zum Teil außer Kraft setzen. (3) Von allen gemäß Abs. 1 oder Abs. 2 dieses Artikels ge­ troffenen Maßnahmen hat der Reichspräsident unverzüglich dem Reichstag Kenntnis zu geben. Die Maßnahmen sind auf Ver­ langen des Reichstags außer Kraft zu setzen. (4) Bei Gefahr lm Verzüge kann die Landesregierung für ihr Gebiet einstweilige Maßnahmen der in Abf. 2 bezeichneten Art treffen. Die Maßnahmen sind auf Verlangen bey Reichs­ präsidenten oder des Reichstags außer Kraft zu setzen. (5) Das Nähere bestimmt ein Reichsgesetz*). sBegnndigungs Art. 49. (1) Der Reichspräsident übt für das Reich das Begnadi­ gungsrecht aus. (2) Reichsamnestien bedürfen eines Reichsgesetzes, lvegenzeichnnng der Ministers Art. 50. Alle Anordnungen und Verfügungen des Reichspräsidenten, auch solche auf dem Gebiete der Wehrmacht, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Eegenzeichnuim durch den Reichskanzler oder den zuständigen Reichsminister. Durch die Gegenzeichnung wird die Verantwortung übernommen.

(Stellvertretung M Reichspräsidenten! Art. 51. (1) Der Reichspräsident wird im Falle seiner Verhinderung zunächst durch den Reichskanzler vertreten. Dauert die Ver­ hinderung voraussichtlich längere Zeit, so ist die Vertretung durch ein Reichsgesetz zu regeln.

*) Bisher noch nicht ergangen.

1. Die Verfassung des Teutschen Reichs (1919).

[1

(2) Kas gleiche gilt für den Fall einer vorzeitigen Erledi­ gung der Präsidentschaft bis zur Durchführung der neuen Wahl. (Zusammensetzung der ReichSregiernngs

Art. 52.

Die Reichsregierung besteht aus dem Reichskanzler und den Reichsministern. (Ernennung, Entlassung der Ministers

Art. 53.

Der Reichskanzler und auf seinen Vorschlag die Reichs­ minister werden vom Reichspräsidenten ernannt und entlassen. (Parlamentarismus!

Art. 54.

Der Reichskanzler und die Reichsminister bedürfen zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Reichstags. Jeder von ihnen mutz ^urücktreten, wenn ihm der Reichstag durch ausdrücklichen Beschluß sein Vertrauen entzieht. (GeschaftSorduurider ReichSregiernngs

Art. 55.

Der Reichskanzler führt den Vorsitz in der Reichsregierung und leitet ihre Geschäfte nach einer Geschäftsordnung, die von der Reichsregierung beschlosien und vom Reichspräsidenten ge­ nehmigt toirS1). (Verantwortlichkeit de- Reichs­ kanzler- und der Ministers

Art. 56.

Der Reichskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür gegenüber dem Reichstag die Verantwortung. Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Reichsminister den ihm anvertrauten Geschäftszweig selbständig und unter eigener Ver­ antwortung gegenüber dem Reichstag. (GeschLftSdereich der ReichSregiernngs

Art. 57.

Die Reichsminister haben der Reichsregierung alle Gesetz­ entwürfe, ferner Angelegenheiten, für welche Verfassung oder Gesetz dieses vorschreiben, sowie Meinungsverschiedenheiten über Fragen, die den Geschäftsbereich mehrerer Reichsminister be­ rühren, zur Beratung und Beschlußfassung zu unterbreiten.

x) Die Geschäftsordnung der Reichsregierung trägt das Datum v. 3. Mai 19*24 (unten Nr. 20).

1]

1. Die Verfassung deS Deutschen Reichs (ISIS).

lBeschlutzfasiung bet Reichsrcgierungl

Art. do.

Die Reichsregierung saht ihre Beschlüsse mit Stimmenmehr­ heit. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Bor­ fitzenden^). (Ministeranklage)

Art. 59.

Der Reichstag ist berechtigt, den Reichspräsidenten, den Reichskanzler und die Reichsminister vor dem Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich anzuklagen, dah' sie schuldhafterrveise die Reichsverfassung oder ein Reichsgesetz verletzt haben. Der An­ trag auf Erhebung der Anklage müh von mindestens hundert Mitgliedern des Reichstags unterzeichnet sein und bedarf der Zustimmung der für Verfassungsänderungen vorgeschriebenen Mehrheit. Das Nähere regelt das Reichsgesetz über den Staatsgerichtshoff). Vierter Abschnitt. Der Reichsrat. (Aufgabe)

Art. 60.

Zur Vertretung der deutschen Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Reichs wird ein Reichsrat gebildet. (Stimmrecht der Länder)

Art. 613*).*

(1) Im Reichsrat hat jedes Land mindestens eine Stimme. Bei den größeren Ländern entfällt auf 700 000 Einwohner eine Stimme. Ein Überschuh von mindestens 350 000 Einwohnern wird 700 000 gleichgerechnet. Kein Land darf durch mehr als zwei Fünftel aller Stimmen vertreten sein. (2) (Deutschösterreich erhält nach seinem Anschluß an das Deutsche Reich das Recht der Teilnahme am Reichsrat mit der seiner Bevölkerung ent­ sprechenden Stimmenzahl. Bis dahin haben die Vertreter Deutschösterreichs beratende Stimme*).) *) Siehe hierzu die Abweichungen nach der Reichshaushallsordnung (unten Nr. 29) (§§ 20, 21, 128) und der GeschO. der Reichsregierung (§ 32) (unten Nr. 20). 2) Siehe unten Nr. 21. 3) Art. 61 in der Fassung d. G. v.. 24. März 1921 (RGBl. S. 440). In der ursprünglichen Fassung entfiel auf 1 Million Einwohner eine Stimme. Ein Überschuß, der der Einwohnerzahl des kleinsten Landes gleichkam, wurde einer vollen Million gleichgerechnet. *) Der Absatz 2 des Art. 61 hat infolge Widerspruchs mit Art. 80 des Versailler Vertrags gemäß Art. 178 Abs. 2 der Reichsverfassung keine Geltung.

1. Die Verfassung deS Deutschen Reich- (1919).

[1

(3) Die Stimmenzahl wird durch den Reichsrat nach jeder allgemeinen Bolkszählung neu festgesetzt. (Ausschüsse!

Art. 62.

In den Ausschüssen, die der Reichsrat aus seiner Mitte bildet, führt kein Land mehr als eine Stimme. (Zusammensetzung!

Art. 63.

(1) Die Länder werden im Reichsrät durch Mitglieder ihrer Regierungen vertreten. Jedoch wird die Hälfte der preußischen Stimmen nach Maßgabe eines Landesgesetzes^) von den preußi­ schen Provinzialverwaltungen bestellt. (2) Die Länder sind berechtigt, so viele Vertreter in den Reichsrat zu entsenden, wie sie Stimmen führen. (Einberufung!

Art. 64.

Die Reichsregierurm muß den Reichsrat auf Verlangen von einem Drittel seiner Mitglieder einberufen. I Beteiligung der Reich-regierung!

Art.

03.

Den Vorsitz im Reichsrat und in seinen Ausschüffen führt ein Mitglied der Reichsregierung. Die Mitglieder der Reichsregieruna haben das Recht und auf Verlangen die Pflicht, an den Verhandlungen des Reichsrats und seiner Ausschüsse teilzunehmen. Sie müssen während der Beratung auf Verlangen jederzeit gehört werden. (Geschäftsgang,

Art. 66.

(1) Die Reichsregierung sowie jedes Mitglied des Reichsrats sind befugt, im Reichsrät Anträge zu stellen. (2) Der Reichsrat regelt seinen Geschäftsgang durch eine Ge­ schäftsordnung'). (3) Die Vollsitzungen des Reichsrats find öffentlich. Rach Maßgabe der Geschäftsordnung kann die Öffentlichkeit für ein­ zelne Beratungsgegenstände ausgeschlossen werden. (4) Bei der Abstimmung entscheidet die einfache Mehrheit der Abstimmenden. x) Preutz. Gesetz über die Bestellung von Mitgliedern deS ReichsratS durch die Provinzialverwaltungen v. 3. Juni 1921 (unten Nr. 10). ') Diese ist am 20. Nov. 1919 ergangen. Bühler, Staatsrecht.

2

1]

1. Die Verfassung de- Teutschen Reichs (1919).

[Mitwirkung hei der Reich-Verwaltungs

Mtt. 67.

Der Reichsrat ist von den Reichsministerien über die Füh­ rung der Reichsgeschäste auf dem Laufenden zu halten. Zu Be­ ratungen über wichtige Gegenstände sollen von den Reichs­ ministerien die zuständigen Ausschüsse des Reichsrats zugezogen werden.

Fünfter Abschnitt. Die Reichsgesetzgebung. [(Einbringung von ReichSgesetzens

Art. 68.

(1) Die Gesetzesvorlagen werden von der Reichsregierung oder aus der Mitte des Reichstags eingebracht. (2) Die Reichsgesetze werden vom Reichstag beschlossen. [Zuftimmnng deS ReichSratSs

Art. 69.

(1) Die Einbringung von Gesetzesvorlagen der Reichs­ regierung bedarf der Zustimmung des Reichsrats. Kommt eine Übereinstimmung zwischen der Reichsregierung und dem Reichs­ rat nicht zustande, so kann die Reichsregierung die Vorlage fleichwohl einbringen, hat aber hierbei die abweichende Auf­ astung des Reichsrats darzulegen. (2) Beschließt der Reichsrat eine Gesetzesvorlage, welcher die Reichsregierung nicht zustimmt, so hat diese die Vorlage unter Darlegung ihres Standpunkts oeim Reichstag einzubringen. [Verkündung der Reich-gesetzes

Art. 70.

Der Reichspräsident hat die verfassungsmäßig zustande ge­ kommenen Gesetze auszufertigen und binnen Monatsfrist im Reichsgesetzblatt zu verkündens. [Inkrafttreten der Gesetzes

Art. 71.

Reichsgesetze treten, soweit sie nichts anderes bestimmen, mit dem vierzehnten Tage nach Ablauf des Tages in Kraft, an dem das Reichsgesetzblatt in der Reichshauptstadt ausgegeoen wor­ den ist. [Aussetzung der Verkündung!

Art. 72.

Die Verkündung eines Reichsgesetzes ist um zwei Monate auszusetzen, wenn es ein Drittel des Reichstags verlangt. Gex) Wegen der Verkündung von Rechtsverordnungen siehe d. lÄ. v. 13. Cft. 1923 (unten Nr. 16).

1. Tie Verfassung deS Teutschen Reichs (1919).

[1

setze, die der Reichstag und der Reichsrat für dringlich erklären, kann der Reichspräsident ungeachtet dieses Verlangens ver­ künden.

sVolksbegehren und Volksentscheids

Art. 73.

(1) Ein vom Reichstag beschlossenes Gesetz ist vor seiner Ver­ kündung zum Volksentscheid zu Dringen, wenn der Reichspräsident binnen eines Monats es bestimmt. (2) Ein Gesetz, dessen Verkündung auf Antrag von mindestens einem Drittel des Reichstags ausgesetzt ist, ist dem Volksentscheid zu unterbreiten, wenn ein Zwanzigstel der Stimmberechtigten es beantragt. (3) Ein Volksentscheid ist ferner herbeizuführen, wenn ein Zehntel der Stimmberechtigten das Beaehren nach Vorlegung eines Gesetzentwurfs stellt. Dem Volksbegehren muh ein aus­ gearbeiteter Gesetzentwurf zugrunde liegen. Er ist von der Re­ gierung unter Darlegung ihrer Stellungnahme dem Reichstag zu unterbreiten. Der Volksentscheid findet nicht statt, wenn der begehrte Gesetzentwurf im Reichstag unverändert angenommen worden ist. (4) Uber den Haushaltsplan, über Abgabengesetze und Vesoldungsordnungen kann nur der Reichspräsident einen Volks­ entscheid veranlasien. (5) Das Verfahren beim Volksentscheid und beim Volks­ begehren regelt ein Reichsgesetz'). lEinspruch des Reichsratss Art. 74. (1) Gegen die vom Reichstag beschlossenen Gesetze steht dem Reichsrat der Einspruch zu. (2) Der Einspruch muh innerhalb zweier Wochen nach der Schlußabstimmung im Reichstag bei der Reichsregierung ein­ gebracht und spätestens binnen zwei weiteren Wochen mit Grün­ den versehen werden. (3) Im Falle des Einspruchs wird das Gesetz dem Reichstag Aur nochmaligen Beschlußfassung vorgelegt. Kommt hierbei keine Übereinstimmung zwischen Reichstag und Reichsrat zustande, so kann der Reichspräsident binnen drei Monaten über den Gegen­ stand der Meinungsverschiedenheit einen Volksentscheid an­ ordnen. Macht der Präsident von diesem Rechte keinen Gebrauch, so gilt das Gesetz als nicht zustande gekommen. Hat der Reichstag mit Zweidrittelmehrheit entgegen dem Einspruch des Reichsrats

x) Reichsgesetz über den Volksentscheid v. 27. Juni 1921 (unten Nr. 13). 9*

1. Die Verfassung des Teutschen Reichs (1619).

1]

beschlossen, so hat der Präsident das Gesetz binnen drei Monaten in der vom Reichstag beschlossenen Fassung zu verkünden oder einen Volksentscheid anzuordnen.

(Außerkraftsetzung eine- ReichstagSbeschlusseSs

Art. 75.

Durch den Volksentscheid kann ein Beschlug des Reichstags nur dann außer Kraft gesetzt werden, wenn sich die Mehrheit der Stimmberechtigten an oer Abstimmung beteiligt.

lVerfaflungSauderndeS Reichsgesetz)

Art. 76.

(1) Die Verfassung kann im Wege der Gesetzgebung geändert werden. Jedoch kommen Beschlüsse des Reichstags auf Abänderung der Verfassung nur zustande, wenn zwei Drittel der gesetzlichen Mitgliederzahl anwesend find und wenigstens zwei Drittel der An­ wesenden zustimmen. Auch Beschlüsse des Reichsrats auf Abände­ rung der Verfassung bedürfen einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen. Soll auf Volksbegehren durch Volks­ entscheid eine Verfassungsänderung beschlossen werden, so ist die Zustimmung der Mehrheit der Stimmberechtigten erforderlich. (2) Hat der Reichstag entgegen dem Einspruch des Reichs­ rats eine Verfassungsänderung beschlossen, so darf der Reichs­ präsident dieses Gesetz nicht verkünden, wenn der Reichsrat binnen zwei Wochen den Volksentscheid verlangt, (verordnung-recht der Reich-regierung) Art. 77. Die zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen allge­ meinen Verwaltungsvorschriften erläßt, soweit die Gesetze nichts anderes bestimmen, die Reichsregierung. Sie bedarf dazu der Zustimmung des Reichsrats, wenn die Ausführung der Reichs­ gesetze den Landesbehörden zusteht. Sechster Abschnitt. Die Reichsverwaltung.

(SnßereS)

Art. 78.

(1) Die Pflege der Beziehungen zu den auswärtigen Staaten ist ausschließlich Sache des Reichs. (2) In Angelegenheiten, deren Regelung der Landesgesetz­ gebung zustebt, können die Länder mit auswärtigen Staaten Vertrage schließen,' die Verträge bedürfen der Zustimmung des Reicks. (3) Vereinbarungen mit fremden Staaten über Veränderung der Reichsgrenzen werden nach Zustimmung des beteiligten

1. Tie Verfassung des Teutschen AeichS (1919).

[1

Landes durch das Reich abgeschlossen. Die Grenzveränderungen dürfen nur aus Grund eines Retchsgesetzes erfolgen, soweit es sich nicht um bloße Berichtigung der Grenzen unbewohnter Ge­ bietsteile handelt. (4) Um die Vertretung der Interessen zu gewährleisten, die sich für einzelne Länder aus ihren besonderen wirtschaftlichen Beziehungen oder ihrer benachbarten Lage zu auswärtigen Staaten ergeben, trifft das Reich im Einvernehmen mit den beteiligten Ländern die erforderlichen Einrichtungen und Maß­ nahmen.

sLandeSverteidigungs Art. 79. Die Verteidigung des Reichs ist Reichssache. Die Wehrver­ fassung des deutschen' Volkes wird unter Berücksichtigung der be­ sonderen landsmannschaftlichen Eigenarten durch ein Reichsgesetz einheitlich geregelt'). sKolouiens Art. 80. Das Kolonialwesen ist ausschließlich Sache des Reichs.

fHandelSflottej Art. 81. Alle deutschen Kauffahrteischiffe bilden Handelsflotte. ^Zollgebiets

eine einheitliche

Art. 82.

(1) Deutschland bildet ein Zoll- und Handelsgebiet, umgeben

von einer gemeinschaftlichen Zollgrenze. (2) Die Zollgrenze fällt mit der Grenze gegen das Ausland zusammen. An der öee bildet das Gestade des Festlandes und der Aum Reichsgebiet gehörigen Inseln die Zollgrenze. Für den Lauf der Zollgrenze an der See und an anderen Gewässern können Abweichungen bestimmt werden. (3) Fremde Staatsgebiete oder Gebietsteile können durch Staatsverträge oder Übereinkommen dem Zollgebiete ange­ schlossen werden. (4) Aus dem Zollgebiete können nach besonderem Erfordernis Teile ausgeschlossen werden. Für Freihäfen kann der Ausschluß nur durch ein verfassungsänderndes Gesetz aufgehoben werden. (5) Zollausschlüsse können durch Staatsverträge oder Über­ einkommen einem fremden Zollgebiet angeschlossen werden. (6) Alle Erzeugnisse der Natur sowie des Gewerbe- und Kunstfleißes, die sich im freien Verkehre des Reichs befinden, ') Diese Regelung ist durch das W e h r g e s e tz v. 23. März 1921 (unten Nr. 26) erfolgt.

1]

1. Tie Verfassung drS Teutschen Reichs (1919).

dürfen über die Grenze der Länder und Gemeinden ein-, ausoder durchgeführt werden. Ausnahmen find auf Grund eines Reichsgesetzes zulässtg. jZölle und Verbrauchssteuern)

Art. 83.

(1) Die Zölle und Verbrauchssteuern werden durch Reichs­

behörden verwaltet. (2) Bei der Verwaltung von Reichsabgaben durch Reichs­ behörden sind Einrichtungen vorzusehen, die den Ländern die Wahrung besonderer Landesinteressen auf dem Gebiete der Landwirtschaft, des Handels, des Gewerbes und der Industrie ermöglichen. sDurchführuug der Reichsabgabengesetzes

Art. 84.

Das Reich trifft durch Gesetz die Vorschriften über: 1. die Einrichtung der Abgabenverwaltung der Länder, so­ weit es die einheitliche und gleichmäßige Durchführung der Reichsabyabengesetze erfordert: 2. die Einrichtung und Befugnisse der mit der Beaufsichtiguny der Ausführung der Reichsabgabengesetze betrauten Behörden' 3. die Abrechnung mit den Ländern' 4. die Deraütung der Verwaltungskosten bei Ausführung der Reichsabgabengesetze. sReichShauShalts

Art. 851).

(1) Alle Einnahmen und Ausgaben des Reichs müssen für

jedes Rechnungsjahr veranschlagt und in den Haushaltsplan ein­ gestellt werden. (2) Der Haushaltsplan wird vor Beginn des Rechnungsjahrs durch ein Gesetz festgestellt. (3) Die Ausgaben werden in der Regel für ein Jahr be­ willigt ; sie können in besonderen Fällen auch für eine längere Dauer bewilligt werden. Im übrigen stnd Vorschriften im Reichshaushaltsgesetz unzulässig, die über das Rechnungsjahr hinausreichen oder fich nicht auf die Einnahmen und Ausgaben des Reichs oder ihre Verwaltung beziehen. (4) Der Reichstag kann im Entwürfe des Haushaltsplans ohne Zustimmung des Reichsrats Ausgaben nicht erhöhen oder neu einsetzen. *) Für die Reichspost gelten die Sondervorschristen des § 15 Ab satz 2 des Reichspo st finanzgesetzes v. 18. März 1924 (unten Rr. 39a).

I. Tie Bersassung deS Teutschen Reichs (1919).

[1

(5) Die Zustimmung des Reichsrats kann gemäß den Vor­ schriften des Artikel 74 ersetzt werden.

sRechnungslegungs Art. 861).2 Über die Verwendung aller Reichseinnahmen legt der Reichsfinanzminister in dem folgenden Rechnungsjahre zur Ent­ lastung der Reichsregierung dem Reichsrat und dem Reichstag Rechnung. Die Rechnungsprüfung wird durch Reichsgesetz3) geregelt. sAnleihegesetzej Art. 871). Zm Wege des Kredits dürfen Geldmittel nur bei außer­ ordentlichem Bedarf und in der Regel nur für Ausgaben zu werbenden Zwecken beschafft werden. Eine solche Beschaffung sowie die Übernahme emer Sicherheitsleistung zu Lasten des Reichs dürfen nur aus Grund eines Reichsgesetzes3) erfolgen. sPost- und Telegraphenwesenj

Art. 88.

(1) Das Post- und Telegraphenwesen samt dem Fernsprech­

wesen ist ausschließlich Sache des Reichs. (2) Die Postwertzeichen stnd für das ganze Reich einheitlich. [(3)*) Tie Reichsregicrung erläßt mit Zustimmung des Reichsrats die Verordnungen, welche Grundsätze und Gebühren für die Benutzung der Verkehrseinrichtungen festsetzen. Sie kann diese Befugnis mit Zu­ stimmung des Reichsrats auf den Reichspostminister übertragen. (4) 4)5Zur beratenden Mitwirkung in Angelegenheiten des Post-, Telegraphen- und Fernsprechverkehrs und der Tarife errichtet die Reichs­ regierung mit Zustimmung des Reichsrats einen Beirat.]

(5) Verträge über den Verkehr mit dem Ausland schließt allein das Reich. sReichSeiseubahnj

Art. 896).

(1) Aufgabe des Reichs ist es, die dem allgemeinen Verkehre dienenden Eisenbahnen in sein Eigentum zu übernehmen und als einheitliche Verkehrsanstalt zu verwalten. 9 Für die Reichspost gelten die Sondervorschristen des § 15 Absatz 2 des Reichspo itflnanzgeseyes v. 18. März 1924 (unten Nr. 39a). 2) Dies ist geschehen durch die Reichshaushaltsordnung v. 1922, jetzige Fassung v. 14. April 1930 (RGBl. II S. 693) (unten Nr. 29). 3) Siehe die Reichsschuldenordnung v. 13. Febr. 1924 (unten Nr. 30). 4) Die Absätze 3 und 4 des Art. 88 sind durch das Reichspostfinanz­ gesetz v. 18. März 1924 (unten Nr. 39a) aufgehoben worden. 5) Der Übergang der Staatsbahncn auf das Reich ist durch den Staatsvertrag v. 30. April 1920 (unten Nr. 40) erfolgt.

1]

1. Tie Verfassung M Deutschen Reich- (1919).

(2) Die Rechte der Länder, Privateisenbahnen zu erwerben, sind auf Verlangen dem Reiche zu übertragen. sEnteignuugsbefuguiS für Reichsbahnen)

Art. SV.

Mit dem Übergang der Eisenbahnen übernimmt das Reich die Enteignunasbefugnis und die staatlichen Hobeitsrechte, die sich auf das Eisenbahnwesen beziehen. Über den Umfang dieser Rechte entscheidet im Streitfall der Staatsgerichtshof. sEiseubahnverordnungen)

Art. 91.

Die Reichsregierung erlaßt mit Zustimmung des Reichsrats die Verordnungen, die den Bau, den Betrieb und den Verkehr der Eisenbahnen regeln. Sie kann diese Befugnis mit Zustim­ mung oes Reichsrats auf den zuständigen Reichsminifter über­ tragen. lSonderverwaltuug der ReichSeisenbahneu)

Art. 921).

Die Reichseisenbahnen sind, ungeachtet der Eingliederung ihres Haushalts und ihrer Rechnung in den allgemeinen Haus­ halt und die allgemeine Rechnung des Reichs, als ein selb­ ständiges wirtschaftliches Unternehmen zu verwalten, das feine Ausgaben einschließlich Verzinsung und Tilguna der Eisenbahn­ schuld selbst zu bestreiten und eine Eisenbahnrücklage anzu­ sammeln hat. Die Höhe der Tilguna und der Rücklage sowie die Verwendungszwecke der Rücklage find durch besonderes Gesetz zu regeln. lEisenbahubeirate)

Art. 93.

Zur beratenden Mitwirkung in Angelegenheiten des Eisen­ bahnverkehrs und der Tarife errichtet die Rerchsregierung für die Reichseisenbahnen mit Zustimmung des Reichsrats Beiräte. )ReichSeisenbah«mouopol)

Art. 94.

(!) Hat das Reich die dem allgemeinen Verkehre dienenden Eisenbahnen eines bestimmten Gebiets in seine Verwaltung übernommen, so können innerhalb dieses Gebiets neue, dem all­ gemeinen Verkehre dienende Eisenbahnen nur vom Reiche oder mit seiner Zustimmung aebadt werden. Berührt der Bau neuer oder die Veränderung bestehender Reichseisenbahnanlagen den Geschäftsbereich der Landespolnei, so hat die Reichseisenbahnver­ waltung vor der Entscheidung die Landesbehörden anzuhören.

*) Siehe hierzu das R e i ch s b a h n g e s e tz v. 13. März 1930 (unten Nr. 41).

1. Tie Verfassung des Teutschen Reichs (1919).

[1

(2) Wo das Reich die Eisenbahnen noch nicht in seine Ver­ waltung übernommen bat, kann es für den allgemeinen Verkehr oder dre Landesverteidigung als notwendig erachtete Eisen­ bahnen kraft Reichsgesetzes auch gegen den Widerspruch der Länder, deren Gebiet durchschnitten wird, jedoch unbeschadet der Landeshoheitsrechte, für eigene Rechnung anlegen oder den Bau einem anderen zur Ausführung überlassen, nötigenfalls unter Verleihung des Enteignungsrechts. (3) Jeoe Eisenbahnverwaltung mutz sich den Anschluß anderer Bahnen auf deren Kosten gefallen lassen. lAufficht über RtchtreichSbahneuI

Art. 95.

(1) Eisenbahnen des allgemeinen Verkehrs, die nicht vom Reiche verwaltet werden, unterliegen der Beaufsichtigung durch das Reich. (2) Die der Reichsaufsicht unterliegenden Eisenbahnen find nach den gleichen vom Reiche festgesetzten Grundsätzen anzulegen und auszurüsten. Sie sind in betriebssicherem Zustand zu er­ halten und entsprechend den Anforderungen des Verkehrs aus­ zubauen. Personen- und Güterverkehr sind in Übereinstimmung mit dem Bedürfnis zu bedienen und auszugeftalten. (3) Bei der Beaufsichtigung des Tarifwesens ist auf gleich­ mäßige und niedrige Eisenbahntarife hinzuwirken.

lTisenbahue« und Landesverteidigung!

Art. 96.

Alle Eisenbahnen, auch die nicht dem allgemeinen Verkehre dienenden, haben den Anforderungen des Reichs auf Benutzung der Eisenbahnen zum Zwecke der Landesverteidigung Folge zu leisten. (Übernahme der Wasserstraßen auf das Reichs)

Art. 97.

(1) Aufgabe des Reichs ist es, die dem allgemeinen Verkehre dienenden Wasserstraßen in sein Eigentum und seine Verwaltung zu übernehmen. (2) ftod) der Übernahme können dem allgemeinen Verkehre dienende Wasserstraßen nur noch vom Reiche oder mit seiner Zustimmung angelegt oder ausgebaüt werden. (3) Bei der Verwaltung, dem Ausbau oder dem Neubau von Wasserstraßen sind die Beoürfnisse der Landeskultur und der

1]

1. Tie Verfassung deS Teutschen Reichs (1919).

Wasserwirtschaft im Einvernehmen mit den Ländern zu wahren. Auch ist aus deren Förderung Rücksicht zu nehmen. (4) Jede Wasserstratzenverwaltung hat sich den Anschluß anderer Binnenwasserstraben aus Kosten der Unternehmer ge­ fallen zu lassen. Die gleiche Verpflichtung besteht für die Her­ stellung einer Verbindung zwischen Binnenwasserstratzen und Eisenbahnen. (5) Mit dem Übergänge der Wasserstraben erhalt das Reich die Enteignungsbefugnis, die Tarifhoheit sowie die Strom- und Schiffahrtspolizei. (6) Die Ausgaben der Strombauverbände in bezug auf den Ausbau natürlicher Wasserstraßen im Rhein-, Weser- und Elbgebiet sind auf das Reich zu übernehmen. lWasserstrahenbeirätcj

Art. 98.

Zur Mitwirkung in Angelegenheiten der Wasserstraßen wer­ den bei den Reichswasserstraben nach näherer Anordnung der Reichsregierung unter Zustimmung des Reichsrats Beiräte gebildet. sBefahruugSabgabenj

Art. 99.

(1) Auf natürlichen Wasserstraßen dürfen Abgaben nur für solche Werke, Einrichtungen und sonstige Anstalten erhoben werden, die zur Erleichterung des Verkehrs bestimmt sind. Sie dürfen bei staatlichen und kommunalen Anstalten die aui Hertellung und Unterhaltung erforderlichen Kosten nicht über­ teigen. Die Herstellungs- und Unterhaltungskosten kür Antalten, die nicht ausschließlich zur Erleichterung des Verkehrs, andern auch zur Förderung anderer Zwecke bestimmt sind, dürfen nur zu einem verhältnismäßigen Anteil durch Schiffahrts­ abgaben aufgebracht werden. Als Herstellungskosten gelten die Zinsen und Tilgungsbeträge für die aufgewandten Mittel. (2) Die Vorschriften des vorstehenden Absatzes finden An­ wendung auf die Aogaben, die für künstliche Wasserstraßen so­ wie für Anstalten an solchen und in Häfen erhoben werden. (3) Im Bereiche der Binnenschiffahrt können für die Be­ messung der Befahrungsabgaben die Gesamtkosten einer Wasser­ straße, eines Stromgebiets 'oder eines Wasierstraßennetzes zu­ grunde gelegt werden. (4) Diese Bestimmungen gelten auch für die Flößerei auf schiffbaren Wasserstraßen. (5) Auf fremde Schiffe und deren Ladungen andere oder höhere Abgaben zu legen als auf deutsche Schiffe und deren Ladungen, steht nur dem Reiche zu.

1. Die Verfassung deS Deutschen Reichs (1919).

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(6) Zur Beschaffung von Mitteln für die Unterhaltung und den Ausbau des deutschen Wasferftratzennetzes kann das Reich die Schiffabrtsbeteiligten auch auf andere Weise durch Gesetz zu Beiträgen Heranziehen. (Beitragspslicht anderer Beteiligter!

Art. 100.

Zur Deckung der Kosten für Unterhaltung und Bau von Binnenschiffahrtswegen kann durch ein Reichsgesetz auch heran­ gezogen werden, wer aus dem Bau von Talsperren in anderer Weise als durch Befahrung Nutzen zieht, sofern mehrere Länder beteiligt find oder das Reich die Kosten der Anlage trägt.

sSeezeichens

Art. 101.

Aufgabe des Reichs ist es, alle Seezeichen, insbesondere Leuchtfeuer, Feuerschiffe. Bojen, Tonnen und Baken in sein Eigentum und seine Verwaltung zu übernehmen. Rach der Übernahme können Seezeichen nur noch vom Reiche oder mit seiner Zustimmung hergestellt oder ausgebaut werden. Siebenter Abschnitt. Die Rechtspflege. IUnabhängigkeit der Richteri

Art. 102.

Die Richter find unabhängig und nur dem Gesetz unter­ worfen. sDie ordentliche Gerichtsbarkeit)

Art. 103.

Die ordentliche Gerichtsbarkeit wird durch das Reichsgericht und durch die Gerichte der Länder ausgeübt. sStellung der Richters

Art. 104.

(1) Die Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit werden auf Lebenszeit ernannt. Sie können wider ihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidung und nur aus den Gründen und unter den Formen, welche die Gesetze bestimmen, dauernd oder zeit­ weise ihres Amtes enthoben oder an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt werden. Die Gesetzgebung kann Alters­ grenzen festsetzen, bei deren Erreichung Richter in den Ruhe­ stand treten. (2) Die vorläufige Amtsenthebung, die kraft Gesetzes ein­ tritt, wird hierdurch nicht berührt. (3) Bei einer Veränderung in der Einrichtung der Gerichte oder ihrer Bezirke kann die Landesjustizverwaltung unfreiwillige

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1. Die Verfassung M Deutschen Reich» (1-19).

Versetzungen an ein anderes Gericht oder Entfernungen vom Amte, jedoch nur unter Belassung des vollen Gehalts, verfügen. (4) Auf Handelsrichter, Schöffen und Geschworene finden diese Bestimmungen keine Anwendung. von Ausnahmegerichte«!

Art. 105.

Ausnahmegerichte find unstatthaft. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Die gesetzlichen Bestimmun­ gen über Kriegsgerichte und Standgerichte werden hiervon nicht berührt. Di? militärischen Ehrengerichte find aufgehoben. sAufhebuug der Militärgerichtsbarkeit!

Art. 106.

Die MilitäMrichtsbarkeit ist auszuheben, außer für Kriegs­ zeiten und an Bord der Kriegsschiffe. Das Nähere regelt ein Reichsgesetz**).

Art. 107.

sverwaltuugSgerichtel

Zm Reiche und in den Ländern müssen nach Maßgabe der Gesetze Verwaltungsgerichte zum Schutze der einzelnen gegen Anordnungen und Verfügungen der Verwaltungsbehörden be­ stehen.

Art. 108.

IStaatSgerichtShofj

Nach Maßgabe eines Reichsgesetzes wird ein Staatsgerichts­ hof für das Deutsche Reich errichtet.

Zweiter Hauptteil. Grundrechte und Srunbpflichten der Deutschen. Erster Abschnitt. Die Einzelperson. sGleichheit vor de« Gesetz!

Art. 109.

(1) Alle Deutschen find vor dem Gesetze gleich. (2) Männer uno Frauen Laben grundsäAich dieselben staats­ bürgerlichen Rechte und Pflichten. (3) Öffentlich-rechtliche Vorrechte oder Nachteile der Geburt oder des Standes sind aufzuheben-). Adelsbezeichnungen gelten 9 Siehe hierzu das Gesetz über die Aufhebung der Militärgerichts­ barkeit v. 17. Aug. 1920 (RGBl. S. 1579). *) Das ist in Preußen durch bas Gesetz über die Aufhebung der Standesvorrechte des Adels und die Auflösung der Hausvermögen v. 23. Juni 1920 (unten Nr. 35) geschehen.

1. Die Verfassung deS Deutschen Reich- (1919).

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nur als Teil des Namens und dürfen nicht mehr verliehen werdens. (4) Titel dürfen nur verliehen werden, wenn sie ein Amt oder einen Beruf bezeichnen; akademische Grade sind hierdurch nicht betroffen. (5) Orden und Ehrenzeichen dürfen vom Staat nicht ver­ liehen werden. (6) Kein Deutscher darf von einer ausländischen Regierung Titel oder Orden annehmen. lReichSund Staatsangehörigkeit!

Mtt. 110.

(1) Die Staatsangehörigkeit im Reiche und in den Ländern wird nach den Bestimmungen eines Reichsgesetzes') erworben und verloren. Jeder Angehörige eines Landes ist zugleich Reicbsangehöriger. (2) Zeder Deutsche hat in jedem Lande des Reichs die gleichen Rechte und Pflichten wie die Angehörigen des Landes selbst.

lstreizügigkeit im Reichs

Art. 111.

Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Reiche. Zeder hat das Recht, sich an beliebigem Orte des Reichs auf­ zuhalten und niederzulassen, Grundstücke zu erwerben und jeden Nahrungszweig zu betreiben. Einschränkungen bedürfen eines Reichsgesetzes'). sAuSwauderungSfreiheit, RichtanSliefernng von Deutschen,

Art. 112.

Zeder Deutsche ist berechtigt, nach außerdeutschen Ländern auszuwandern. Die Auswanderung kann nur durch Reichsgesetz beschränkt werden. (2) Dem Ausland gegenüber haben alle Reichsangehörigen inner- und außerhalb des Reichsgebiets Anspruch auf den Schutz des Reichs. (3) Kein Deutscher darf einer ausländischen Regierung zur Verfolgung oder Bestrafung überliefert werden. (1)

*) Das Nähere ist in Preußen durch § 22 deS in Anmerkung 2 auf Seite 28 näher bezeichneten Gesetzes geregelt. ^-Reichsund Staatsangehörigkeitsgesetz v. 22. Juli 1913 (unten Nr. 31). s) Siehe das Freizügigkeitsgesetz v. 1. Nov. 1867 (unten Nr. 33).

1. Die Verfassung M Teutschen Reich- (1919). [Schutz fremdsprachlicher VolkSteiles

Art. 113.

Die fremdsprachigen Volksteile des Reichs dürfen durch die Gesetzgebung und Verwaltung nicht in ihrer freien, volkstüm­ lichen Entwicklung, besonders nicht im Gebrauch ihrer Mutter­ sprache beim Unterricht, sowie bei der inneren Verwaltung und der Rechtspflege beeinträchtigt werden. [Freiheit der Persons

Art. 114.

(1) Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Eine Beein­ trächtigung oder Entziehung der persönlichen Freiheit durch die öffentliche Gewalt ist nur auf Grund von Gesetzen zuläsfig. (2) Personen, denen die Freiheit entzogen wird, sind spätestens am darauffolgenden Tage in Kenntnis zu setzen, von welcher Behörde und aus welchen Gründen die Entziehung der Freiheit angeordnet worden ist- unverzüglich soll ihnen Gelegen­ heit gegeben werden, Einwendungen gegen ihre Freiheitsent­ ziehung vorzubringen. [Unverletzlichkeit der Wohuungs

Art. 115.

Die Wohnung jedes Deutschen ist für ihn eine Freistätte und unverletzlich. Ausnahmen sind nur auf Grund von Gesetzen zulässig. [Ächte Strafe ohne vorher­ gehende Strasaudrohungs

Art. 116.

Eine Handlung kann nur dann mit einer Strafe belegt wer­ den, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde. [Brief, «ad PoftgeheimuiSs

Art. 117.

Das Briefgeheimnis sowie das Post-, Telegraphen- und Fernsprechaeheimnis find unverletzlich. Ausnahmen können nur durch Reichsgesetz zugelasien werden. [Freie MeinungSautzerungs

Art. 118.

(1) Jeder Deutsche hat das Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen Gesetze seine Meinung durch Wort, Schrift, Druck, Bild oder in sonstiger Weise frei zu äutzern. An diesem Rechte darf ihn kein Arbeits- oder Anstellungsverhaltnis hin­ dern, und niemand darf ihn benachteiligen, wenn er von diesem Rechte Gebrauch macht.

1. Tie Verfassung des Teutschen Reichs (1919).

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(2) Eine Zensur findet nicht statt, doch können für Lichtspiele durch Gesetz abweichende Bestimmungen getroffen werden. Auch sind zur Bekämpfung der Schund- und Schmutzliteratur sowie zum Schutze der Jugend bei öffentlichen Schaustellungen und Darbietungen gesetzliche Maßnahmen zulässig**).

Zweiter Abschnitt. Das Gemeinschaftsleben. IDie Ehe,

Art. 119.

(1) Die Ehe steht als Grundlage des Familienlebens und der Erhaltung und Vermehrung der Nation unter dem beson­ deren Schutz der Verfassung. Sie beruht auf der Gleichberechti­ gung der beiden Geschlechter. (2) Die Reinerhaltung, Gesundung und soziale Förderung der Familie ist Aufgabe des Staats und der Gemeinden. Kinder­ reiche Familien haben Anspruch auf ausgleichende Fürsorge. (3) Die Mutterschaft hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge des Staats. lErziehuugSrecht und -pflicht der Elterus

Art. 120.

Die Erziehung des Nachwuchses zur leiblichen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit ist oberste Pflicht und natürliches Recht der Eltern, über deren Betätigung die staatliche Gemein­ schaft wacht^). (Fürsorge für uneheliche Kinder!

Art. 121.

Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche, seelische und gesellschaft­ liche Entwicklung zu schaffen wie den ehelichen Kindern. (Schutz der Jugend!

Art. 122.

(1) Die Jugend ist gegen Ausbeutung sowie gegen stttliche, geistige oder körperliche Verwahrlosung zu schützen. Staat und Gemeinde haben die erforderlichen Einrichtungen zu treffen. (2) Fürsorgemaßregeln im Wege des Zwanges können nur auf Grund des Gesetzes angeordnet werden. *) In Ausführung des Art. 118 Abs. 2 ist das Gesetz zur Be­ wahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzschriften v. 18. Dez. 1926 (RGBl. I S. 505) ergangen, abgedruckt Verwaltungsgesetze Nr. 30. *) Siehe hierzu das Jugendwohlfahrtsgesetz v. 9. Juli 1922 (RGBl. I 2. 633).

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1. Die Verfassung deS Deutschen Reich- (ISIS).

fBerfammlmrgSfreiheits

Art. 1231).

(1) Alle DeutsLen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder besondere Erlaubnis friedlich und unbewaffnet zu ver­ sammeln. (2) Versammlungen unter freiem Himmel können durch Reichsgesetz anmeldepflichtig gemacht und bei unmittelbarer Ge­ fahr für die öffentliche Sicherheit verboten werden-). lveremSfreiheits

Art. 1241).

(1) Alle Deutschen haben das Recht, zu Zwecken, die den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen, Vereine oder Gesellschaften zu bilden. Dies Recht kann nicht durch Vorbeugungsmastregeln beschränkt werden. Für religiöse Vereine und Gesellschaften gelten dieselben Bestimmungen. (2) Der Grwero der Rechtsfähigkeit steht jedem Verein gemäh den Vorschriften des bürgerlichen Rechts frei. Er darf einem Vereine nicht aus dem Grunde versagt werden, daß er einen politischen, sozialpolitischen oder religiösen Zweck verfolgt, («ahlsreiheits

Art. 125.

Wahlfreiheit und Wahlgeheimnis sind gewährleistet. Nähere bestimmen die Wahlgesetze. sBitt- und Beschwerderechtes

Das

Art. 126.

Jeder Deutsche hat das Recht, sich schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständige Behörde oder an die Volksver­ tretung zu wenden. Dieses Recht kann sowohl von einzelnen als auch von mehreren gemeinsam ausgeübt werden. (Gemeindliche Selbstverwaltung!

Art. 127.

Gemeinden und Gemeindeverbände haben das Recht der Selbstverwaltung innerhalb der Schranken der Gesetze. sZugang zu den öffentlichen Ämtern!

Art. 128.

(1) Alle Staatsbürger ohne Unterschied find nach Maßgabe der Gesetze und entsprechend ihrer Befähigung und ihren Leistungen zu den öffentlichen Ämtern zuzulasien. M Daneben gilt noch das Reichsvereinsgesetz v. 19. April 1908 (Der waltungsgesetze Nr. 32). ’) Auf Grund des Art. 123 Abs. 2 ist auch das Reichsgesetz über die Befriedung der Gebäude des Reichstag- und der Landtage v. 8. Mai 1920 ergangen (unten Nr. 7).

1 Die Verfassung deS Deutschen Reichs (1919).

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(-) Alle Ausnahmebestimmungen gegen weibliche Beamte werden beseitigt. (3) Die Grundlagen des Beamtenverhältnisses sind durch Reichsgesetz zu regeln1). fRechtsstellung der Beamtens

Art. 129.

(1) Die Anstellung der Beamten erfolgt auf Lebenszeit, so­ weit nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung werden gesetzlich geregelt. Die wohlerworbenen Rechte der Beamten find unverletzlich. Für die vermögensrechtlichen Ansprüche der Beamten steht der Rechts­ weg offen. (2) Die Beamten können nur unter den gesetzlich bestimmten Boraussetzungen und Formen vorläufig ihres Amtes enthoben, einstweilen oder endgültig in den Ruhestand oder in ein anderes Amt mit geringerem Gehalt versetzt werden. (3) Gegen jedes dienstliche Straferkenntnis muh ein Be­ schwerdeweg und die Möglichkeit eines Wiederaumahmever­ fahrens eröffnet sein. Zn die Nachweise über die Person des Beamten sind Eintragungen von ihm ungünstigen Tatsachen erst vorzunehmen, wenn dem Beamten Gelegenheit gegeben war, sich über sie zu äußern. Dem Beamten ist Einsicht in seine Personal­ nachweise zu gewähren. (4) Die Unverletzlichkeit der wohlerworbenen Rechte und die Offenhaltung des Rechtswegs für die vermögensrechtlichen An­ sprüche werden besonders auch den Berufssoldaten gewährleistet. Im übrigen wird ihre Stellung durch Reichsgesetz geregelt'). fLtaatsbürgerlichr Rechte der BeamtenI

Art. 130.

(1) Die Beamten sind Diener der Gesamtheit, nicht einer

Partei. (2) Allen Beamten wird die Freiheit ihrer politischen Ge­ sinnung und die Vereinigungsfreiheit gewährleistet. (3) Die Beamten erhalten nach näherer reichsgesetzlicher Be­ stimmung besondere Beamtenvertretungen.

9 Für die Reichsbeamten ist eine reichsrechtliche Regelung des Be­ amtenverhältnisses durch das R e i ch s b e a m t e n g c s e tz v. 17. Mai 1907 (unten Nr. 23) erfolgt. 2) Diese Regelung ist durch das W e h r g e s e tz v. 23. März 1921 (unten Nr. 26) erfolgt.

Buhler, Ltaatsrechr.

3

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1. Die Berfaffung des Teutschen Reichs (1919).

sHaftuug de- Staates und der Gemeinde für Beamtenverschuldeus

Art. 131.

(1) Verletzt ein Beamter in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienste der Beamte steht. Der Rückgriff gegen den Beamten bleibt vorbehalten. Der ordentliche Rechtsweg darf nicht ausgeschlossen werden. (2) Die nähere Regelung liegt der zuständigen Gesetz­ gebung ofc1). sPflicht zur Übernahme von Ehrenämtern!

Art. 132.

Zeder Deutsche hat nach Maßgabe der Gesetze die Pflicht zur Übernahme ehrenamtlicher Tätigkeiten. ^Persönliche Dienstpflichten!

Art. 133.

(1) Alle Staatsbürger sind verpflichtet, nach Maßgabe der Gesetze persönliche Dienste für den Staat und die Gemeinde zu leisten. (2) Die Wehrpflicht richtet sich nach den Bestimmungen des Reichswebrgesetzes. Dieses bestimmt auch, wieweit für An­ gehörige Der Wehrmacht zur Erfüllung ihrer Aufgaben und zur Erhaltung der Manneszucht einzelne Grundrechte einzuschränken sind. s Steuerpflichts

Art. 134.

Alle Staatsbürger ohne Unterschied tragen im Verhältnis ihrer Mittel zu allen öffentlichen Lasten nach Maßgabe der Gesetze bei.

Dritter Abschnitt. Religion und Religionsgesellschasten. s Gewissensfreiheit!

Art. 135.

Alle Bewohner des Reichs genießen volle Glaubens- und Eewiffensfreiheit. Die ungestörte Religionsübung wird durch die

J) Siehe hierzu das Reichsgcscy über die Haftung des Reichs für seine Beamten v. 22. Mai 1910 (RGBl. S. 798) und daS preuß. Gesetz über die Haftung deS Staates und anderer Verbände für Amtspflichtverletzungen von Beamten bei Ausüb ung der öffentlichen Ge­ rn a l t v. 1. August 1909 (GS. S. 691) in der Fassung b. G. v. 14. Mai 1914 (GS. S. 117) — Verwaltungsgesetze Nr. 50b u. c.

1. Die Verfassung deS Deutschen Reichs (1919).

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Verfassung gewährleistet und steht unter staatlichem Schutz. Die allgemeinen Staatsgesetze bleiben hiervon unberührt. Maat und Religionsfreiheit! Art. 136.

(1) Die bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten werden durch die Ausübung der Religionsfreiheit weder bedingt noch beschränkt. (2) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte so­ wie die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. (3) Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren. Die Behörden baben nur soweit das Recht, nach der Zugehörigkeit zu einer Rengionsgesellschaft zu fragen, als da­ von Rechte und Pflichten abhängen oder eine gesetzlich ange­ ordnete statistische Erhebung dies erfordert. (4) Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feier­ lichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Be­ nutzung einer religiösen Eidesform gezwungen werdens. ^Rechtsstellung der Religionsgesellschaftens Art. 137.

(1) Es besteht keine Staatskirche. (2) Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet. Der Zusammenschluß von Religionsgesell­ schaften innerhalb des Reichsgebiets unterliegt keinen Be­ schränkungen. (3) Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre An­ gelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde. (4) Relißionsgesellschaften erwerben die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes. (5) Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie solche bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften zu einem Verbände zusammen so ist auch dieser Verband eine öffentlichrechtliche Körperschaft. (6) Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürger*) Siehe hierzu die übergangsvorschrift in Art. 177.

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1. Die Verfassung drS Deutschen Reich» (1919).

lichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestim­ mungen Steuern zu erheben. (7) Den Religionsgesellschaften werden die Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Welt­ anschauung zur Aufgabe machen. (8) Soweit die Durchführung dieser Bestimmungen eine weitere Regelung erfordert, liegt diese der Landesgesetz­ gebung ob. (BermSgeu-rechte der ReligiouSgefellschaften)

Art. 138.

(1) Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln be­ ruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften wer­ den durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf1). (2) Das Eigentum und andere Rechte der Religionsgefellschaften und religiösen Vereine an ihren für Kultus-, Unter­ richts- und Wohltätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stif­ tungen und sonstigen Vermögen werden gewährleistet. (Sonntagsruhe)

Art. 139.

Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage blei­ ben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung ge­ setzlich geschützt. (ReligiouSauSüduug der HeereSangehörigeu)

Ätt. 140.

Den Angehörigen der Wehrmacht ist die nötige freie Zeit zur Erfüllung ihrer religiösen Pflichten zu gewähren. (Seelsorge im Heer und de« öffentl. «ustalten)

Art. 141.

Soweit das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge im Heer, in Krankenhäusern, Strafanstalten oder sonstigen öffent­ lichen Anstalten besteht, find die Religionsgesellschaften zur Vor­ nahme religiöser Handlungen zuzulassen, wobei jeder Zwang fernzuhalten ist. Vierter Abschnitt. (Freiheit der Kunst und Wissenschaft)

Bildung und Schule.

Art. 142.

Die Kunst, die Wifienschaft und ihre Lehre find frei. Der Staat gewährt ihnen Schutz und nimmt an ihrer Pflege teil. Bgl. auch Art. 173.

1. Zit Verfassung des Teutschen Reichs (1919).

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sIugendbildrmgj Art. 143. 11) Für die Bildung der Jugend ist durch öffentliche An­ stalten zu sorgen. Bei ihrer Einrichtung wirken Reich, Länder und Gemeinden zusammen. 12) Die Lehrerbildung ist nach den Grundsätzen, die für die höhere Bildung allgemein gelten, für das Reich einheitlich zu regeln. (3) Die Lehrer an öffentlichen Schulen haben die Rechte und Pflichten der Staatsbeamten. , Schulaufsicht, Art. 144. Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staa­ tes ; er kann die Gemeinden daran beteiligen. Die Schulaufsicht wird durch hauptamtlich tätige, fachmännisch vorgebildete Be­ amte ausgeübt.

fAllgemeine Schulpflicht) Art. 145. Es besteht allgemeine Schulpflicht. Ihrer Erfüllung dient grundsätzlich die Volksschule mit mindestens acht Schuljahren und die anschließende Fortbildungsschule bis zum vollendeten achtzehnten Lebensjahre. Der Unterricht und die Lernmittel in den Volksschulen und Fortbildungsschulen sind unentgeltlich. sAufbau des öffeutl. Schul­ wesens! Art. 146*). (1) Das öffentliche Schulwesen ist organisch auszugestalten. Auf einer für alle gemeinsamen Grundschule baut sich das mittlere und höhere Schulwesen aus. Für diesen Aufbau ist die Mannigfaltigkeit der Lebensberufe, für die Aufnahme eines Kindes in eine bestimmte Schule sind seine Anlage und Neigung, nicht die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung oder das Religionsbekenntnis seiner Eltern maßgebend. (2) Innerhalb der Gemeinden sind indes auf Antrag von Erziehungsberechtigten Volksschulen ihres Bekenntnisses oder ihrer Weltanschauung einzurichten, soweit hierdurch ein ge­ ordneter Schulbetrieb, auch im Sinne des Abs. 1, nicht beein­ trächtigt wird. Der Wille der Erziehungsberechtigten ist mög­ lichst zu berücksichtigen. Das Nähere bestimmt die Landesgesetzgeoung nach den Grundsätzen eines Reichsgesetzes. (3) Für den Zugang Minderbemittelter zu den mittleren und höheren Schulen sind durch Reich, Länder und Gemeinden

Hierzu ist das Gesetz über die Grundschulen und Aufhebung d e r Vorschulen v. 28. April 1920 (unten Nr. 38) ergangen.

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1. Die Verfassung des Deutschen Reich- (1919).

öffentliche Mittel bereitzustellen, insbesondere ErziehungsbeiSen für die Eltern von Kindern, die zur Ausbildung auf tleren und höheren Schulen für geeignet erachtet werden, bis zur Beendigung der Ausbildung. sPrivatschuleus

Art. 147.

(1) Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen be­ dürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Lan­ desgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die Privat­ schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurüchtehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaft? liche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend ge­ sichert ist. (2) Private Volksschulen sind nur zuzulasien, wenn für eine Minderheit von Erziehungsberechtigten, deren Wille nach Ar­ tikel 146 Abs. 2 zu berücksichtigen ist, eine öffentliche Volksschule ihres Bekenntnisses oder ihrer Weltanschauung in der Gemeinde nicht besteht oder die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pä­ dagogisches Interesse anerkennt. (3) Private Vorschulen find aufzuheben. (4) Für private Schulen, die nicht als Ersatz für öffentliche Schulen dienen, verbleibt es bei dem geltenden Recht. sStaatsbürgerliche Erziehung!

Art. 148.

(1) In allen Schulen ist sittliche Bildung, staatsbürgerliche Gesinnung persönliche und berufliche Tüchtigkeit im Geiste des deutschen Volkstums und der Völkerversöynung zu erstreben. (2) Beim Unterricht in öffentlichen Schulen ist Bedacht zu nehmen, daß die Empfindungen Andersdenkender nicht verletzt werden. (3) Staatsbürgerkunde und Arbeitsunterricht sind Lehrfächer der Schulen. Zeder Schüler erhält bei Beendigung der Schul­ pflicht einen Abdruck der Verfassung. (4) Das Volksbildungswesen, einschließlich der Volkshoch­ schulen, soll von Reich, Ländern und Gemeinden gefördert werden. (ReligiouSuuterricht, theologische Fakultäten)

Art. 149.

(1) Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach der Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien (weltlichen) Schu­ len. Seine Erteilung wird im Rahmen der Schulgesetzgebung

1. Tie Verfassung deS Teutschen Reichs (1919).

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geregelt. Der Religionsunterricht wird in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der betreffenden Religionsgesellschaft unbescha­ det des Aussichtsrechts des Staates erteilt. (2) Die Erteilung religiösen Unterrichts und die Vornahme kirchlicher Verrichtungen bleibt der Willenserklärung der Lehrer, die Teilnahme an religiösen Unterrichtsfächern und an kirch­ lichen Feiern und Handlungen der Willenserklärung desjenigen überlassen der über die religiöse Erziehung des Kindes zu be­ stimmen hat*). (3) Die theologischen Fakultäten an den Hochschulen bleiben erhalten.

sHeimat- und Kunstschutz)

Art. 150.

(1) Die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Natur

sowie die Landschaft genießen den Schutz und die Pflege Des Staates. (-’) Es ist Sache des Reichs, die Abwanderung deutschen .Kunstbesitzes in das Ausland zu verhüten. FünfterAbschnitt. Das Wirtschaftsleben. ^Freiheit im Wirtschaftsleben) Art. 151. (1) Die Ordnung des Wirtschaftslebens muh den Grundsätzen der Gerechtigkeit mit dem Ziele der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle entsprechen. In diesen Gren­ zen ist die wirtschaftliche Freiheit des Einzelnen zu sichern. (2) Gesetzlicher Zwang ist nur zulässig zur Verwirklichung bedrohter Rechte oder im Dienst überragender Forderungen des Gemeinwohls. (3) Die Freiheit des Handels und Gewerbes wird nach Maß­ gabe der Reichsgesetze gewährleistet.

sDertragSfreiheit)

Art. 152.

(1) Im Wirtschaftsverkehr gilt Vertragsfreiheit nach Maß­ gabe der Gesetze. (2) Wucher ist verboten. Rechtsgeschäfte, die gegen die guten Sitten verstoßen, sind nichtig.

sDaS Eigentum)

Art. 153.

(1) Das Eigentum wird von der Verfassung gewährleistet.

Sein Inhalt und seine Schranken ergeben stch aus den Gesetzen. >2) Eine Enteignung kann nur zum Wohle der Allgemein9 Ziehe hierzu das Gesetz über d i e religiöse Äinbererziehung v. 15. Juli 1921 (RGBl. Z. 939).

1. Die Berfaffune M Deutsche» Reichs (1919).

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heit und auf gesetzlicher Grundlage vorgenommen werden. Sie erfolgt gegen angemessene Entschädigung, soweit nicht ein Reichs­ gesetz etwas anderes bestimmt. Wegen der Höhe der Ent­ schädigung ist im Streitfälle der Rechtsweg bei den ordentlichen Gerichten offen zu halten, soweit Reichsgesetze nichts anderes bestimmen. Enteignung durch das Reich gegenüber Ländern, Gemeinden und gemeinnützigen Verbänden kann nur gegen Ent­ schädigung erfolgen. (3) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich Dienst sein für das Gemeine Beste.

sDaS Erbrechts Art. 154. (1) Das Erbrecht wird nach Maßgabe des bürgerlichen Rechtes gewährleistet. (2) Der Anteil des Staates am Erbgut bestimmt sich nach den Gesetzen. sBodeuverteiluug

und -Nutzung!

Art. 165.

(1) Die Verteilung

und Nutzung des Bodens wird von Staats wegen in einer Weise überwachst, die Mißbrauch ver­ hütet und dem Ziele zustrebt, jedem Deutschen eine gesunde Wohnung und allen deutschen Familien, besonders den kinder­ reichen, eine ihren Bedürfnissen entsprechende Wohn- und Wirtsckaitsheimstätte zu sichert). Kriegsteilnehmer sind bei dem zu schaffenden Heimstättenrecht besonders zu berücksichtigen. (2) Grundbesitz, dessen Erwerb zur Befriedigung des Wohnungsbedürfmsses, zur Förderung der Siedlung^) und Urbar­ machung oder zur Hebung der Landwirtschaft nötig ist, kann ent­ eignet werden. Die Fideikommisie find aufzulösen. (3) Die Bearbeitung und Ausnutzung des Bodens ist eine licht des Grundbesitzers gegenüber der Gemeinschaft. Die ertsteigerung des Bodens, die ohne eine Arbeits- oder Kapi­ talaufwendung auf das Grundstück entsteht, ist für die Gesamt­ heit nutzbar zu machen. (4) Alle Bodenschätze und alle wirtschaftlich nutzbaren Natur­ kräfte stehen unter Aufsicht des Staates. Private Regale sind im Wege der Gesetzgebung auf den Staat zu überführen.

g

*) Hierzu ist das Reichsheim st ättengesetzv. 10. Mai 1920 (RGBl. S. 962) ergangen. ’) Siehe hierzu das Reichssiedlungsgesetz v. 11. Aug. 1919 (RGBl. S. 1429).

1. Die Verfassung des Deutschen Reichs (1919)»

(Vergesellschaftung)

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Art. 156.

(1) Das Reich kann durch Gesetz, unbeschadet der Entschädi­ gung, in sinngemäßer Anwendung der für Enteignung geltenden Bestimmungen, für die Vergesellschaftung geeignete private wirt­ schaftliche Unternehmungen in Gemeineigentum überführen. Cs kann sich selbst, die Länder oder die Gemeinden an der Ver­ waltung wirtschaftlicher Unternehmungen und Verbände be­ teiligen oder sich daran in anderer Weise einen bestimmten Ein­ fluß sichern. (2) Das Reich kann ferner im Falle dringenden Bedürfnisses zum Zwecke der Gemeinwirtschaft durch Gesetz wirtschaftliche Unternehmungen und Verbände auf der Grundlage der Selbst­ verwaltung zusammenschließen mit dem Ziele, die Mitwirkung aller schaffenden Volksteile zu sichern, Arbeitgeber und Arbeitnebmer an der Verwaltung zu beteiligen und Erzeugung, Her­ stellung, Verteilung, Verwendung, Preisgestaltung sowie Ein­ und Ausfuhr der Wirtschaftsgüter nach gemeinwirtschaftlichen Grundsätzen zu regeln. (3) Die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften und deren Vereinigungen sind auf ihr Verlangen unter Berücksichtigung ihrer Verfassung und Eigenart in die Gemeinwirtschaft einzu­ gliedern. (Schutz der Arbeitskraft, Arveitsrecht)

Art. 157.

(1) Die Arbeitskraft steht unter dem besonderen Schutz des Reichs. (2) Das Reich schafft ein einheitliches Arbeitsrecht. (Schutz der geistigen Arbeit)

Art. 158.

(1) Die geistige Arbeit, das Recht der Urheber, der Erfinder und der Künstler genießt den Schutz und die Fürsorge des Reichs. (2) Den Schöpfungen deutscher Wissenschaft, Kunst und Tech­ nik ist durch zwischenstaatliche Vereinbarung auch im Ausland Geltung und Schutz zu verschaffen. (Bereinigungsfreiheit)

Art. 159.

Die Vereinigungsfreiheit zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedinaungen ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Alle Abreden und Maßnahmen, welche diese Freiheit einzuschränken oder zu behindern suchen, sind rechtswidrig.

1. Die Verfassung deS Deutschen Reichs (1919). sArbeitSverhaltniS und staatsbürgerliche Rechte)

Art. 160.

Wer in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis als An­ gestellter oder Arbeiter steht, hat das Recht auf die zur Wahr­ nehmung staatsbürgerlicher Rechte und, soweit dadurch der Betrieb nicht erheblich geschädigt wird, zur Ausübung ihm über­ tragener öffentlicher Ehrenämter nötige freie Zeit. Wieweit ihm der Anspruch auf Vergütung erhalten bleibt, bestimmt das Gesetz.

l Sozialgesetzgebung!

Art. 161.

Zur Erhaltung der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit, zum Schutz der Mutterschaft und zur Vorsorge gegen die wirtschaft­ lichen Folgen von Alter, Schwäche und Wechselfällen des Lebens schafft das Reich ein umfassendes Versicherungswesen unter mahgebender Mitwirkung der Versicherten. (Zwischenstaatlicher Arbeiterschutzl

Art. 162.

Das Reich tritt für eine zwischenstaatliche Regelung der Rechtsverhältnisse der Arbeiter ein, die für die gesamte ar­ beitende Klasse der Menschheit ein allgemeines Minoestmah der sozialen Rechte erstrebt. sArbeitSpflicht und Recht auf Arbeit!

Art. 163.

(1) Jeder Deutsche hat unbeschadet seiner persönlichen Frei­ heit die sittliche Pflicht, seine geistigen und körperlichen Kräfte so zu betätigen, wie es das Wohl der Gesamtheit erfordert. C2) Jedem Deutschen soll die Möglichkeit gegeben werden, durch wirtschaftliche Arbeit leinen Unterhalt zu erwerben. So­ weit ihm angemesiene Arbeitsgelegenheit nicht nachgewiesen werden kann, wird für seinen notwendigen Unterhalt gesorgt. Das Nähere wird durch besondere Reichsgesetze bestimmt). sTchutz deS Mittelstandes!

Art. 164.

Der selbständige Mittelstand in Landwirtschaft, Gewerbe und Handel ist in Gesetzgebung und Verwaltung zu fördern und gegen Überlastung und Aufsaugung zu schützen. sReichSarbeiterrat, Reichswirtschastsrat!

Art. 165.

(1) Die Arbeiter und Angestellten sind dazu berufen, gleichberechtigt in Gemeinschaft mit den Unternehmern an der Rege*) Siehe das Reichsgesetz über Arbeitsvermittlung losenversicherung v. 16. Juli 1927 tNHBl. I S. 187).

und

Arbeits­

1. Tie Verfassung deS Teutschen Reich- (1919).

[1

lung der Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie an der gesamten wirtschaftlichen Entwicklung der produktiven Kräfte mitzu­ wirken. Die beiderseitigen Organisationen und ihre Verein­ barungen werden anerkannt. (2) Die Arbeiter und Angestellten erhalten zur Wahrneh­ mung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Interessen gesetzliche Vertretungen in Betriebsarbeiterräten sowie in nach Wirtschafts­ gebieten gegliederten Bezirksarbeiterraten und in einem Reichs­ arbeiterrat. (3) Die Bezirksarbeiterräte und der Reichsarbeiterrat treten zur Erfüllung der gesamten wirtschaftlichen Ausgaben und zur Mitwirkung oei der Ausführung der Sozialifierungsgesetze mit den Vertretunben der Unternehmer und sonst beteiligter Volks­ kreise zu Bezrrkswirtschaftsräten und zu einem Reichswirtschaftsrat'j zusammen. Die Bezirkswirtschaftsräte und der Reichswirtschaftsrat sind so zu gestalten, day alle wichtigen Be­ rufsgruppen entsprechend ihrer wirtschaftlichen und sozialen Be­ deutung darin vertreten sind. (4) Sozialpolitische und wirtschaftspolitische Gesetzentwürfe von grundlegender Bedeutung sollen von der Reichsregierung vor ihrer Einbringung dem Reichswirtschaftsrat zur Begut­ achtung vorgelegt werden. Der Reichswirtschaftsrat hat das Recht, selbst solche Gesetzesvorlagen zu beantragen. Stimmt ihnen die Reichsregierung nicht zu, so hat sie trotzdem die Dorlage unter Darlegung ihres Standpunkts beim Reichstag einzubrrngen. Der Rerchswirtschaftsrat kann die Vorlage durch eines seiner Mitglieder vor dem Reichstag vertreten lassen. (5) Den Arbeiter- und Wirtschaftsraten können auf den ihnen überwiesenen Gebieten Kontroll- und Verwaltungsbefug­ nisse übertragen werden. (6) Aufbau und Aufgabe der Arbeiter- und Wirtschaftsräte sowie ihr Verhältnis zu anderen sozialen Selbstverwaltungs­ körpern zu regeln, ist ausschließlich Sache des Reichs.

Übergangs- und Schlutzbeftimmungen. Art. 166. Bis zur Errichtung des Reichsverwaltungsgerichts tritt an seine Stelle für die Bildung des Wahlprüfungsgerichts das Reichsgericht.

iWahlprüfuugsgericht)

*) Hierzu siehe die Verordnung über den Vorläufigen Reichswirt­ schaftsrat v. 4. Mai 1920 (unten Nr. 12).

1]

1. Die Verfassung deS Deutschen Reichs (1919).

l Umgestaltung Met Lander)

Art. 167.

(1) Die Bestimmungen deS Artikel 18 Abf. 3 bis 6 treten erst -Wei Jahre nach Verkündung der Reichsverfassung in Kraft. (2 u. 3) ^Bedeutungslos!**). lPreutzische Reich-ratSftiarmeu)

«rt. 168»).

Bis zum Erlaß des im Artikel 63 vorgesehenen Landesgesetzes, aber höchstens bis zum 1. Juli 1921, können die sämtlichen preußischen Stim­ men im Reichsrat von Mitgliedern der Regierung abgegeben werden.

sDie verwaltnng her Zölle und verbranchSftenerus

Alt. 169.

(1) Der Zeitpunkt deS Inkrafttreten- der Bestimmung im Ar­ tikel 83 Abs. 1 wird durch die Reichsregierung festgesetzt. (2) Für eine angemessene Übergang-zeit kann die Erhebung und Verwaltung der Zölle und Verbrauchssteuern den Ländern auf ihren Wunsch belassen werden.

sDie Postverwaltuug)

Art. 170.

(1) Die Post« und Telegraphenverwaltungen Bayern- und Württembergs gehen spätestens am 1. April 1921 auf das Reich über3). (2) Soweit bi- zum 1. Oktober 1920 nach keine Verständigung über die Bedingungen der Übernahme erzielt ist, entscheidet der Staatsgericht-hof. (3) Bis zur Übernahme bleiben die bisherigen Rechte und Pflichten Bayerns und Württembergs in Kraft. Der Post- und Telegraphen­ verkehr mit den Nachbarstaaten deS Auslandes wird jedoch ausschließ­ lich vom Reiche geregelt.

sDie Eisenbahnen und Wasserstraße«)

Art. 171.

(1) Die Staatseisenbahnen*), Wasserstraßen3) und Seezeichen gehen spätestens am 1. April 1921 auf das Reich über.

*) Tie Absätze 2 und 3 sind durch das Gesetz, betr. Oberschlesien, v. 27. Nov. 1920 (RGBl. S. 1987) angefügt. Sie enthalten Vorschriften über die Bildung und Organisation eines Landes Oberschlesien. Nach­ dem die Bildung eines Landes Oberschlesien durch die Volksabstimmung v. 3. Sept. 1922 abgelehnt ist, haben die beiden Absätze keine Bedeutung mehr. *) Art. 168 in der Fassung des G. v. 6. Aug. 1920 (RGBl. S. 1565).

s) Der Übergang ist bereits am 1. April 1920 erfolgt.

*) Auch die Staatseisenbahnen sind bereits am 1. April 1920 aus

1. Die Verfassung deS Deutschen Reich- (1918).

[1

(2) Soweit bis zum 1. Oktober 1920 noch keine Verständigung über die Bedingungen der Übernahme erzielt ist, entscheidet der Staats­ gerichtshof.

l Staatsgerichtshof) Art. 172. Bis zum Inkrafttreten des Reichsgesetzes über den Staatsgerichtshof übt seine Befugnisse ein Senat von sieben Mitgliedern aus, wovon der Reichstag vier und das Reichsgericht aus seiner Mitte drei wählt. Sein Verfahren regelt er selbst. lStaatSleiftungeu an die Kirche)

Art. 173.

Bis zum Erlaß eines Reichsgesetzes gemäß Artikel 138 bleiben die bisherigen auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleiftungen an die Religions­ gesellschaften bestehen. ! Schule)

Art. 174.

Bis zum Erlaß des in Artikel 146 Abs. 2 vorgesehenen Reichsaesetzes bleibt es bei der bestehenden Rechtslage. Das Gesetz hat Gebiete des Reichs, in denen eine nach Bekenntnissen nicht getrennte Schule gesetzlich besteht, besonders zu berück­ sichtigen. lKriegSteilnehmer)

Art. 175.

Die Bestimmung des Artikel 109 findet keine Anwendung auf Orden und Ehrenzeichen, die für Verdienste in den KriegSjahren 1914 bis 1919 verliehen werden sollen.

^Vereidigung der Beamten und Angehörigen der Wehrmacht)

Art. 176.

Alle öffentlichen Beamten und Angehörigen der Wehrmacht sind aus diese Verfassung zu vereidigen. Das Nähere wird durch Verordnung des Reichspräsidenten bestimmt. sEideSform)

Art. 177.

Wo in den bestehenden Gesetzen die Eidesleistung unter Be­ nutzung einer religiösen Eidessorm vorgesehen ist, kann die das Reich übergegangen. Vgl. daS Gesetz, betr. den Staatsvertrag über den Übergang der Staatseisenbahnen auf das Reich, v. 30. April 1920 (unten Nr. 40). 5) Der Übergang der Wasserstraßen ist auf Grund des Gesetzes, betr. den Staatsvertrag über den Übergang der Wasserstraßen auf daS Reich, v. 29. Juli 1921 (unten Nr. 42), erfolgt.

1]

1. Die Verfassung deS Teutschen Reichs (1919).

Eidesleistung rechtswirksam auch in der Weise erfolgen, daß der Schwörende unter Weglassung der religiösen Eidesform erklärt: „ich schwöre". 3m übrigen bleibt der in den Gesetzen vor­ gesehene Inhalt des Eides unberührt. ,Aushebung früherer Gesetz« und Verordnungen!

Art. 17o.

(1) Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 16. April 1871

und das Gesetz über die vorläufige Reichsgewalt vom 10. Fe­ bruar 1919 sind ausgehoben. (2) Die übrigen Gesetze und Verordnungen des Reichs blei­ ben in Kraft, soweit ihnen diese Verfassung nicht entgegensteht. Die Bestimmungen des am 28. Juni 1919 in Versailles unter­ zeichneten Friedensvertrags werden durch die Verfassung nicht berührt. Mit Rücksicht auf die Verhandlungen bei dem Er­ werbe der Insel Helgoland kann zugunsten ihrer einheimischen Bevölkerung eine von Artikel 17 %&\.2 abweichende Regelung getroffen werdens. (3) Anordnungen der Behörden, die auf Grund bisheriger Gesetze in rechtsgültmer Weise getroffen waren, behalten ihre Gültigkeit bis zur Aufhebung tm Wege anderweiter Anord­ nung oder Gesetzgebung. sErsatz der früheren durch die neuen Reichseinrichtungens Art. 179.

(1) Soweit in Gesetzen oder Verordnungen auf Vorschriften und Einrichtungen verwiesen ist, die durch diese Verfassung auf­ gehoben sind, treten an ihre Stelle die entsprechenden Vor­ schriften und Einrichtungen dieser Verfasiung. Insbesondere treten an die Stelle der Nationalversammlung der Reichstag, an die Stelle des Staatenausschusses der Reichsrat, an die Stelle des auf Grund des Gesetzes über die vorläufige Reichsgewalt ge­ wählten Reichspräsidenten der auf Grund dieser Verfasiung ge­ wählte Reichspräsident'). (2) Die nach den bisherigen Vorschriften dem Staatenausfchuh zustehende Befugnis zum Erlah von Verordnungen geht auf die Reichsregierung über, sie bedarf zum Erlah der Ver­ ordnungen der Zustimmung des Reichsrats nach Maßgabe dieser Verfasiung.

*) Art. 178 Abs. 2 Satz 3 ist eingefügt durch G. v. 6. Aug. 1920 (RGBl. S. 1566). 2) Vgl. hierzu das Ubergangsgesetz v. 4. März 1919 (unten Nr. 16).

la. ReichSversaffung von 1871.

[la

sübergaugSbestimmrmgen für den Reichspräsidenten und die Rationalverfammlungj Art. 180.

Bis zum Zusammentritt des ersten Reichstags gilt die Nationalversammlung als Reichstag. Der von der National­ versammlung gewählte Reichspräsident führt sein Amt bis zum 30. Juni 19251). ^Inkrafttreten der ReichsVerfassung!

Art. 181.

Das Deutsche Volk hat durch seine Nationalversammlung diese Verfassung beschlossen und verabschiedet. Sie tritt mit dem Tage ihrer Verkündung in Kraft. Schwarzburg, den 11. August 1919.

Der Reichspräsident. Ebert. Das Reichsministerium. Bauer. Erzberger. Hermann Müller. Dr. David. Noske. Schmidt. Schlicke. Giesberts. Dr. Mayer. Dr. B el I.

1 a. Reichsverfassung von 1871. Verfassung des Deutschen Reichs. Dom 16. April 18712). Seine Majestät der König von Preußen im Namen des Nord­ deutschen Bundes, Seine Majestät der König von Bayern, Seine Majestät der König von Württemberg, Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Baden und Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Hessen und bei Rhein für die südlich vom Main belegenen Teile des Großherzogtums Hessen, schließen einen ewigen Bund zum Schutze des Bundesgebietes und des innerhalb desselben gültigen Rechtes, sowie

1) Art. 180 ist durch das Gesetz v. 27. Okt. 1922 (RGBl. I S. 801) neugefaßt. 2) Die Bekanntmachung dieser Verfassung erfolgte durch das an­ schließend abgedruckte Einführungsgesetz v. 16. April 1871 (RGBl. S. 63).

la]

la. NeichSverfaffuntz von 1871.

zur Pflege der Wohlfahrt des Deutschen Volkes. Dieser Bund wird den Namen Deutsches Reich führen und wird nachstehende

Verfassung haben.

1. VnndeSgebiet.

Art. 1. Das Bundesgebiet besteht aus den Staaten Preußen mit Lauen­ burg, Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, MecklenburgSchwerin, Sachsen-Weimar, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg, Braun­ schweig, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Koburg-Gotha, Anhalt, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, Waldeck, Reuß älterer Linie, Reuß jüngerer Linie, Schaumburg-Lippe, Lippe, Lübeck, Bremen und Hamburg.

II. Reichsgese-gehnng.

sReichSrecht geht vor Landesrecht!

Art. 2.

Innerhalb dieses Bundesgebietes übt das Reich das Recht der Ge­ setzgebung nach Maßgabe deS Inhalts dieser Verfassung und mit der Wirkung aus, daß die Reichsgesetze den Landesgesetzen vorgehen. Die Reichsgesetze erhalten ihre verbindliche Kraft durch ihre Verkündigung von Reichs wegen, welche vermittelst eines Reichsgesetzblattes geschieht. Sofern nicht in dem publizierten Gesetze ein anderer Anfangstermin seiner verbindlichen Kraft bestimmt ist, beginnt die letztere mit dem vierzehnten Tage nach dem Ablauf desjenigen Tages, an welchem das betreffende Stück des Reichsgesetzblattes in Berlin ausgegeben worden ist.

jGemeinsameS Judigeuatj

Art. 3.

(1) Für ganz Deutschland besteht ein gemeinsames Jndigenat mit der Wirkung, daß der Angehörige (Untertan, Staatsbürger) eines jeden Bundesstaates in jedem anderen Bundesstaate als Inländer zu be­ handeln und demgemäß zum festen Wohnsitz, zum Gewerbebetriebe, zu öffentlichen Ämtern, zur Erwerbung von Grundstücken, zur Erlangung des Staatsbürgerrechtes und zum Genusse aller sonstigen bürgerlichen Rechte unter denselben Voraussetzungen wie der Einheimische zuzulassen, auch in betreff der Rechtsverfolgung und des Rechtsschutzes demselben gleich zu behandeln ist. (2) Kein Deutscher darf in der Ausübung dieser Befugnis durch die Obrigkeit seiner Heimat, oder durch die Obrigkeit eines anderen Bundesstaates beschränkt werden. (3) Diejenigen Bestimmungen, welche die Armenversorgung und die Aufnahme in den lokalen Gemeindeverband betreffen, werden durch den im ersten Absatz ausgesprochenen Grundsatz nicht berührt.

la. Reich-Verfassung vsn 1871.

[la

(4) Ebenso bleiben bis auf weiteres die Verträge in Arast, welche zwischen den einzelnen Bundesstaaten in Beziehung aus die Übernahme von Auszuweisenden, die Verpflegung erkrankter und die Beerdigung verstorbener Staatsangehörigen bestehen. (5) Hinsichtlich der Erfüllung der Militärpflicht im Verhältnis zu dem Heimatlande wird im Wege der Reichsgesetzgebung das Nötige ge­ ordnet werden. (6) Dem Auslande gegenüber haben alle Deutschen gleichmäßig An­ spruch auf den Schutz des Reichs. lKonkurriereude Gesetzgebungskompetenz des Reichs, Akt. 4. Der Beaufsichtigung seitens deS Reichs und der Gesetzgebung des­ selben unterliegen die nachstehenden Angelegenheiten: 1. die Bestimmungen über die Freizügigkeit, Heimats- und Nieder­ lassungsverhältnisse, Staatsbürgerrecht, Paßwesen und Frem­ denpolizei und über den Gewerbebetrieb, einschließlich des Ver­ sicherungswesens, soweit diese Gegenstände nicht schon durch den Artikel 3 dieser Verfassung erledigt sind, in Bayern jedoch mit Ausschluß der Heimats- und Niederlasiungsverhältnisie, des­ gleichen über die Kolonisation und die Auswanderung nach außerdeutschen Ländern; 2. die Zoll- und Handelsgesetzgebung und die für die Zwecke des Reichs zu verwendenden Steuern; 3. die Ordnung des Maß-, Münz- und Gewichtssystems, nebst Fest­ stellung der Grundsätze über die Emission von fundiertem und unsundiertem Papiergelde; 4. die allgemeinen Bestimmungen über das Bankwesen; 5. die Erfindungspatente; 6. der Schutz des geistigen Eigentums; 7. Organisation eines gemeinsamen Schutzes des Deutschen Handels im AuSlande, der Deutschen Schiffahrt und ihrer Flagge zur See und Anordnung gemeinsamer konsularischer Vertretung, welche vom Reiche ausgestattet wird; 8. das Eisenbahnwesen, in Bayern vorbehaltlich der Bestimmung im Art. 46, und die Herstellung von Land- und Wafferstraßen im Interesse der Landesverteidigung und d-S allgemeinen Verkehrs; 9. der Flößerei- und SchiffahrtSbetrieb auf den mehreren Staaten gemeinsamen Wafferstraßen und der Zustand der letzteren, sowie die Fluß- und sonstigen Wasserzölle; desgleichen die Seeschiffahrts­ zeichen (Leuchtfeuer, Tonnen, Baken und sonstige Tagesmarken?).

l) In der Fassung des G. v. 3. März 1873 (RGBl. S. 47). Bühler, Staat-recht. 4

la. ReichSverfafsung von 1871.

la]

10. daS Post- und Telegraphenwesen, jedoch in Bayern und Württem­ berg nur nach Maßgabe der Bestimmung im Art. 52; 11. Bestimmungen über die wechselseitige Vollstreckung von Erkennt­ nissen in Zivilsachen und Erledigung von Requisitionen über­ haupt; 12. sowie über die Beglaubigung von öffentlichen Urkunden; 13. die gemeinsame Gesetzgebung über das gesamte bürgerliche Recht, das Strafrecht und das gerichtliche Verfahrens; 14. daS Militärwesen deS Reichs und die Kriegsmarine; 15. Mahregeln der Medizinal- und Veterinärpolizei; 16. die Bestimmungen über die Presse und das Vereinswesen.

[Organe der ReichSgesetz-

gctang]

Art. 5.

(1) Die Reichsgesetzgebung wird ausgeübt durch den Bundesrat und den Reichstag. Die Übereinstimmung der Mehrheitsbeschlüsse beider Versammlungen ist zu einem Reichsgesetze erforderlich und aus­ reichend. (2) Bei Gesetzesvorschlägen über das Militärwesen, die Kriegs­ marine und die im Art. 35 bezeichneten Abgaben gibt, wenn im Bundes­ rate eine Meinungsverschiedenheit stattfindet, die Stimme deS Prä­ sidiums den Ausschlag, wenn sie sich für die Aufrechterhaltung der be­ stehenden Einrichtungen ausspricht.

III [Zusam»ense-nng deS BnndeSratSs

BundeSrat.

Art. 6.

(1) Der BundeSrat besteht aus den Vertretern der Mitglieder des Bundes, unter welchen die Stimmführung sich in der Weise verteilt, dah Preuhen mit den ehemaligen Stimmen von

Hannover, Kurheffen, Holstein, Nasiau und Frankfurt führt, Bayern

17 Stimmen 6 4 4 3 „ 3 Sachsen............................................... 2 Württemberg 1 Baden 1 Hessen ............................................... 1 Mecklenburg-Schwerin . . . . 2 Sachsen-Weimar 1 MeÄenburg-Strelitz . . . .

Oldenburg 9 In der Fassung des G. v. 20. Tez. 1873 (RGBl. S. 379). Braunschweig Sachsen-Meiningen — 50 -

la. Reichsverfassung von 1871.

Sachsen-Altenberg . Sachsen-Koburg-Gotha . Anhalt Schwarzburg-Rudolstadt . Schwarzburg-Sondershausen Waldeck Reuß älterer Linie . . . Reuß jüngerer Linie . . Schaumburg-Lippe . . . Lippe ... Lübeck Bremen Hamburg

[la

1 Stimmen . .

1 . . .

1 1

1

zusammen 58 Stimmen. (2) Jedes Mitglied des Bundes kann so viel Bevollmächtigte zum Bundesrate ernennen, wie ^s Stimmen hat, doch kann die Gesamtheit der zuständigen Stimmen nur einheitlich abgegeben werden. sZuständigkeit des Bundesratsj Art. 7. (1) Der Bundesrat beschließt: 1. über die dem Reichstage zu machenden Vorlagen und die von dem­ selben gefaßten Beschlüsse; 2. über die zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen allge­ meinen Berwaltungsvorschriften und Einrichtungen, sofern nicht durch Reichsgesetz etwas anderes bestimmt ist; 3. über Mängel, welche bei der Ausführung der Reichsgesetze oder der vorstehend erwähnten Vorschriften oder Einrichtungen hervortreten. (2) Jedes Bundesglied ist befugt, Vorschläge zu machen und in Vortrag zu bringen, und das Präsidium ist verpflichtet, dieselben der Beratung zu übergeben. (3) Die Beschlußfassung erfolgt, vorbehaltlich der Bestimmungen in den Art. 5, 37 und 78, mit einfacher Mehrheit. Nicht vertretene oder nicht instruierte Stimmen werden nicht gezählt. Bei Stimmengleichheit gibt die Präsidialstimme den Ausschlag. (4) Bei der Beschlußfassung über eine Angelegenheit, welche nach den Bestimmungen dieser Berfaffung nicht dem ganzen Reiche gemein­ schaftlich ist, werden die Stimmen nur derjenigen Bundesstaaten ge­ zählt, welchen die Angelegenheit gemeinschaftlich ist. jBnndesratsansschüssej

Art. 8.

(1) Der Bundesrat bildet aus seiner Mitte dauernde Ausschüsse 1. für das Landheer und die Festungen; 2. für das Seewesen;

la]

la. NeichSverfasfuns von 1871.

3. für Zoll- und Steuerwesen; 4. für Handel und Verkehr; 5. für Eisenbahnen, Post und Telegraphen; 6. für Justizwesen; 7. für Rechnungswesen. (2) In jedem dieser Ausschüsse werden außer dem Präsidium min­ destens vier Bundesstaaten vertreten sein, und führt innerhalb derselben jeder Staat nur eine Stimme. In dem Ausschuß für das Landheer und die Festungen hat Bayern einen ständigen Sitz, die übrigen Mitglieder desselben, sowie die Mitglieder des Ausschusses für das Seewesen werden vom Kaiser ernannt; die Mitglieder der anderen Ausschüsse werden von dem Bundesrate gewählt. Die Zusammensetzung dieser Ausschüsse ist für jede Session des Bundesrates resp, mit jedem Jahre zu erneuern, wobei die ausscheidenden Mitglieder wieder wählbar sind. (3) Außerdem wird im Bundesrate aus den Bevollmächtigten der Königreiche Bayern, Sachsen und Württemberg und zwei, vom Bundes­ rate alljährlich zu wählenden Bevollmächtigten anderer Bundesstaaten ein Ausschuß für die auswärtigen Angelegenheiten gebildet, in welchem Bayern den Vorsitz führt. (4) Den Ausschüssen werden die zu ihren Arbeiten nötigen Beamten zur Verfügung gestellt. sRechte der vundesratSutitglirt«] Akt. S. Jedes Mitglied des Bundesrates bat das Recht, im Reichstage zu erscheinen und muß daselbst auf Verlangen jederzeit gehört werden, um die Ansichten seiner Regierung zu vertreten, auch dann, wenn dieselben von der Majorität des Bundesrates nicht adoptiert worden sind. Nie mand kann gleichzeitig Mitglied des Bundesrates und des Reichstages sein. sSchutz der vuudesratSMitglieder, Art. 10. Dem Kaiser liegt es ob, den Mitgliedern des Bundesrates den üblichen diplomatischen Schutz zu gewähren.

IV. Präsidium. sRechte des Kaisers,

Art. 11.

(1) Das Präsidium des Bundes steht dem Könige von Preußen -u, welcher den Namen Deutscher Kaiser führt. Der Kaiser hat das Reich völkerrechtlich zu vertreten, im Namen des Reichs Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, Bündnisse und andere Vertrage mit fremden Staaten einzugehen, Gesandte zu beglaubigen und zu empfangen. (2) Zur Erklärung des Krieges im Namen des Reichs ist die Zu-

la. ReichSverfafsung von 1871.

[la

stimmung des Bundesrates erforderlich, es sei denn, daß ein Angriff aus das Bundesgebiet oder dessen Küsten erfolgt). (3) Insoweit die Verträge mit fremden Staaten sich auf solche Gegenstände beziehen, welche nach Art. 4 in den Bereich der Reichsgesetz­ gebung gehören, ist zu ihrem Abschluß die Zustimmung des Bundesrates und zu ihrer Gültigkeit die Genehmigung des Reichstages erforderlich*).

Art. 12. Dem Kaiser steht es zu, den Bundesrat und den Reichstag zu be­ rufen, eröffnen, zu vertagen und zu schließen.

Art. 13. Die Berufung des Bundesrates und des Reichstages findet alljähr­ lich statt und kann der Bundesrat zur Vorbereitung der Arbeiten ohne den Reichstag, letzterer aber nicht ohne den Bundesrat berufen werden.

Art. 14. Die Berufung des Bundesrates muß erfolgen, sobald sie von einem Drittel der Stimmenzahl verlangt wird.

sBorfitz im ««ndesrat, Alt. 15"). (1) Der Vorsitz im Bundesrate und die Leitung der Geschäfte steht dem Reichskanzler zu, welcher vom Kaiser zu ernennen ist. (2) Der Reichskanzler kann sich durch jedes andere Mitglied des Bundesrates vermöge schriftlicher Substitution vertreten lassen. *) Durch Gesetz v. 28. Okt. 1918 (RGBl. S. 1274) haben die Ab­ sätze 2 und 3 des Art. 11 folgende Fassung erhalten: (2) Zur Erklärung des Krieges im Namen des Reichs ist die Zu­ stimmung des Bundesrats und Reichstags erforderlich. (3) Friedensverträge sowie diejenigen Verträge mit fremden Staaten, welche sich auf Gegenstände der Reichsgesetzgebung beziehen, bedürfen der Zustimmung des Bundesrats und des Reichstags. -) Dem Artikel 15 sind durch d. G. v. 28. Okt. 1918 (RGBl. S. 1274) folgende Absätze angefügt worden: (3) Der Reichskanzler bedarf zu seiner Amtsführung des Vertrauens des Reichstags. (4) Der Reichskanzler trägt die Verantwortung für alle Handlungen von politischer Bedeutung, die der Kaiser in Ausübung der ihm nach der Reichsverfassung zustehenden Befugnisse vornimmt. (5) Der Reichskanzler und seine Stellvertreter sind für ihre Amts­ führung dem Bundesrat und dem Reichstag verantwortlich.

la]

la. NeichSverfafsung von 1871.

(Vorlagen an den Reichstag!

Ätt. 16.

Die erforderlichen Vorlagen werden nach Maßgabe der Beschlüsse des BundeSrates im Namen des Kaisers an den Reichstag gebracht, wo sie durch Mitglieder des Bundesrares oder durch besondere von letzterem zu ernennende Kommissaricn vertreten werden.

(Verkündung der Reichsgesetzes

Art. 17.

Dem Kaiser steht die Ausfertigung und Verkündigung der gesetze und die Überwachung der Ausführung derselben zu. Die nungen und Verfügungen des Kaisers werden im Namen deS erlassen und bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung des kanzlers, welcher dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt1).

[Seamtenernennnng]

Reichs­ Anord­ Reichs Reichs­

Art. 18.

(1) Der Kaiser ernennt die Reichsbeamten, läßt dieselben für das Reich vereidigen und verfügt erforderlichen Falles deren Entlassung. (2) Den zu einem Reichsamte berufenen Beamten eines Bundes­ staates stehen, sofern nicht vor ihrem Eintritt in den Reichsdienst im Wege der Reichsgesetzgebung etwas anderes bestimmt ist, dem Reiche gegenüber diejenigen Rechte zu, welche ihnen in ihrem Heimatlande aus ihrer dienstlichen Stellung zugestanden hatten.

(VnnbeSegehition]

Art. 19.

Wenn Bundesglieder ihre verfassungsmäßigen BundeSpslichten nicht erfüllen, können sie dazu im Wege der Exekution angehalten werden. Diese Exekution ist vom Bundesrate zu beschließen und vom Kaiser zu vollstrecken.

V. Reichstag. I»«ichs«agSwahlI

Akt. 20.

(1) Der Reichstag geht aus allgemeinen und direkten Wahlen mit geheimer Abstimmung hervor. (2) Bis zu der gesetzlichen Regelung, welche im § 5 deS Wahlgesetzes vom 31. Mai 1869 (Bundesgesctzbl. 1869 2. 145) Vorbehalten ist, werden in Bayern 48, in Württemberg 17, in Baden 14, in Hessen südlich des Main 6 Abgeordnete gewählt, und beträgt demnach die Gesamtzahl der Abgeordneten 382’). x) Der letzte Halbsatz des zweiten Latzes des Artikel 17 von „welcher . . . bis übernimmt" ist durch d. G. v. 28. Okt. 1918 (RGBl. S. 1274) gestrichen worden. *) Hinzu kamen noch 15 Abgeordnete autz Elsaß-Lothringen, so daß die Gesamtzahl der Reichstagsabgeordnelen sich auf 397 belief, s®. v. 25. Juni 1873 (RGBl. S- 161b

la. Reich»» erfaffun, »»n 1871.

(Seante)

[la

Art. 21.

(1) Beamte bedürfen keines Urlaubs zum Eintritt in den Reichstag. (2) Wenn ein Mitglied des Reichstages ein besoldetes Reichsamt oder in einem Bundesstaat ein besoldetes Staatsamt annimmt oder im Reichs- oder Staatsdienste in ein Amt eintritt, mit welchem ein höherer Rang oder ein höheres Gehalt verbunden ist, so verliert es Sitz und Stimme in dem Reichstag und kann seine Stelle in demselben nur durch neue Wahl wieder erlangen'). ^Öffentlichkeit der verhandlung««i

Art. 22.

(1) Die Verhandlungen des Reichstages sind öffentlich. (2) Wahrheitsgetreue Berichte über Verhandlungen in den öffent­ lichen Sitzungen des Reichstages bleiben von jeder Verantwortlich­ keit frei. lGefetzesinitiativel

8frt. 23.

Der Reichstag hat das Recht, innerhalb der Kompetenz des Reichs Gesetze vorzuschlagen und an ihn gerichtete Petitionen dem Bundesrate resp. Reichskanzler zu überweisen. l«uslösim, des Reichria,«I Akt. 24. Tie Legislaturperiode des Reichstages dauert fünf2) Jahre. Zur Auslösung des Reichstags während derselben ist ein Beschluß des Bundesrats unter Zustimmung des Kaisers erforderlich.

^Neuwahl bei Auslösung!

Art. 25.

Im Falle der Auflösung des Reichstages müssen innerhalb eines Zeitraumes von 60 Tagen nach derselben die Wähler und innerhalb eines Zeitraumes von 90 Tagen nach der Auflösung der Reichstag versammelt werden.

sveschrankung der Vertagung des Reichst«,s> Akt. 26. Ohne Zustimmung des Reichstages darf die Vertagung desselben die Frist von 30 Tagen nicht übersteigen und während derselben Session nicht wiederholt werden. ') Art. 21 Abs. 2 ist durch G. v. 28. Okt. 1918 (RGBl. S. 1273) ausgehoben worden. -) Ursprünglich betrug sie nur drei Jahre. Die Änderung ist durch G. v. 19. März 1888 (RGBl. S. 110) erfolgt. Während des Krieges ist die Wahlperiode des Reichstags durch die G. v. 16. Okt. 1916, 23. Juli 1917 und 18. Juli 1918 um je ein Jahr, zuletzt bis zum 12. Januar 1920 verlängert worden.

la]

la. Neichsverfassung von 1871.

lVahlprüfung anb SeschLftSorbnniig]

Ätt. 27.

Der Reichstag prüft die Legitimation seiner Mitglieder und ent» scheidei darüber. Er regelt seinen Geschäftsgang und seine Disziplin durch eine Geschäftsordnung und erwägt seinen Präsidenten, seinen Vizepräsidenten und Schriftführer.

sBeschlaßfahigkeit des Reichstags, Art. 28. (1) Der Reichstag beschließt nach absoluter Stimmenmehrheit. Zur Gültigkeit der Beschlußfassung ist die Anwesenheit der Mehrheit der gesetzlichen Anzahl der Mitglieder erforderlich. [(2) Bei der Beschlußfassung über eine Angelegenheit, welche nach den Bestimmungen dieser Verfassung nicht dem ganzen Reiche gemein­ schaftlich ist, werden die Stimmen nur derjenigen Mitglieder gezählt, die in Bundesstaaten gewählt sind, welchen die Angelegenheit gemein­ schaftlich ist.]1).

[Steine Bindung an Auftrage,

Art. 29.

Die Mitglieder des Reichstages sind Vertreter des gesamten Volkes und an Aufträge und Instruktionen nicht gebunden.

sverantwortuugSfreiheit bet «bgeorbnetentatigteitl

Akt. 30.

Kein Mitglied des Reichstages darf ;u irgendeiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines Berufes getanen Äußerungen gerichtlich oder disziplinarisch verfolgt oder sonst außerhalb der Versammlung zur Verantwortung gezogen werden.

sAbgeorduetenimmuuitat,

Art. 31.

(1) Ohne Genehmigung des Reichstages kann kein Mitglied desselben während der Sitzungsperiode wegen einer mit Strafe bedrohten Hand­ lung zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, außer wenn es bei Ausübung der Tat oder im Laufe des nächstfolgenden Tages er­ griffen wird. (2) Gleiche Genehmigung ist bei einer Verhaftung wegen Schulden erforderlich. (3) Auf Verlangen des Reichstages wird jedes Strafverfahren gegen ein Mitglied desselben und jede Untersuchungs- oder Zivilhast für die Dauer der Sitzungsperiode aufgehoben.

M Absatz 2 des Art. 28 ist durch das G. v. 24. Febr. 1873 (RGBl. S. 45) gestrichen worden.

— 3(i —

la. ReichSv erfaffung vvu 1871.

[la

lEntlchadigung

Akt. 32.

de« Abgeordneten!

Tie Mitglieder des Reichstages dürfen als solche keine Besoldung beziehen. Sie erhalten eine Entschädigung nach Maßgabe des Gesetzes*).

VI. Zoll- und HandelSwesea.

IZollgtbie«,

Akt. 33.

(1) Teutschland bildet ein Zoll- und Handelsgebiet, umgeben von gemeinschaftlicher Zollgrenze. Ausgeschlossen bleiben die wegen ihrer Lage zur Einschließung in die Zollgrenze nicht geeigneten einzelnen Gebietsteile. (2) Alle Gegenstände, welche im freien Verkehr eines Bundesstaates befindlich sind, können in jeden anderen Bundesstaat eingeführt und dürfen in letzterem einer Abgabe nur insoweit unterworfen werden, als daselbst gleichartige inländische Erzeugnisse einer inneren Steuer unter­ liegen.

sFreihäfenj

Art. 34.

Tie Hansestädte Bremen und Hamburg mit einem dem Zweck ent­ sprechenden Bezirke ihres oder des umliegenden Gebietes bleiben als Freihäfen außerhalb der gemeinschaftlichen Zollgrenze, bis sie ihren Einschluß in dieselbe beantragend.

lAuSschließliche Gesetzgebungs­ kompetenz des ReicheSs

Art. 35.

(1) Tas Reich ausschließlich hat die Gesetzgebung über das ge­ samte Zollwcsen, über die Besteuerung des im Bundesgebiete ge­ wonnenen Salzes und Tabaks, bereiteten Branntweins und Bieres und aus Rüben oder anderen inländischen Erzeugnissen dargestellten Zuckers und Syrups, über den gegenseitigen Schutz der in den einzelnen Bundes­ staaten erhobenen Verbrauchsabgaben gegen Hinterziehungen, sowie über die Maßregeln, welche in den Zollausschlüssen zur Sicherung der gemein­ samen Zollgrenze erforderlich sind. (2) In Bayern, Württemberg und Baden bleibt die Besteuerung des inländischen Branntweins und Bieres der Landesgesetzgebung Vor­ behalten. Die Bundesstaaten werden jedoch ihr Bestreben darauf richten, eine Übereinstimmung der Gesetzgebung über die Besteuerung auch dieser Gegenstände herbeizuführen.

9 Nach der ursprünglichen Fassung des Artikels erhielten die Ab­ geordneten auch keine Entschädigung. Durch G. v. 21. Mai 1906 (RGBl. S. 467) ist dem Art. 32 die obige Fassung gegeben worden. 2) Seit dem lä. Cftobcr 1888 sind die beiden Hansestädte in die gemeinschaftliche Zollgrenze miteinbezogen.

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la. ReichSverfasiung von 1871.

lZollverwaltirrrgl

Art. 36.

(1) Die Erhebung und Verwaltung der Zölle und Verbrauchssteuern (Art. 35) bleibt in jedem Bundesstaate, soweit derselbe sie bisher ausgeübt hat, innerhalb seines Gebietes überlassen. (2) Der Kaiser überwacht die Einhaltung des gesetzlichen Verfahrens durch Reichsbeamte, welche er den Zoll« ober Steuerämtern und den Direktivbehörden der einzelnen Staaten, nach Vernehmung des Aus­ schusses des Bundesrates für Zoll- und Sleuerwesen, beiordnet. (3) Die von diesen Beamten über Mängel bei der Ausführung der gemeinschaftlichen Gesetzgebung (Art. 35) gemachten Anzeigen werden dem Bundesrate zur Beschlußnahme vorgelegt.

lVerwaltuugsvorschriftenj

Art. 37.

Bei der Beschlußnahme über die zur Ausführung der gemeinschaft­ lichen Gesetzgebung (Art. 35) dienenden Verwaltungsvorschriften und Einrichtungen gibt die Stimme des Präsidiums alsdann den Ausschlag, wenn sie sich für Aufrechterhaltung der bestehenden Vorschrift oder Ein­ richtung ausspricht.

jErtragSverteilaugj

Art. 38.

(1) Der Ertrag der Zölle und der anderen in Art. 35 bezeichneten Abgaben, letzterer soweit sie der Reichsgesetzgebung unterliegen, fließt in die Reichskasse. (2) Dieser Ertrag besteht aus der gesamten von den Zöllen und den übrigen Abgaben aufgekommenen Einnahme nach Abzug: 1. der auf Gesetzen oder allgemeinen Berwaltungsvorschriften be­ ruhenden Steuervergütungen und Ermäßigungen, 2. der Rückerstattungen für unrichtige Erhebungen, 3. der Erhebungs- und Verwaltungskosten, und zwar: a) bei den Zöllen der Kosten, welche an den gegen das Ausland gelegenen Grenzen und in dem Grenzbezirke für den Schutz und die Erhebung der Zölle erforderlich sind, b) bei der Salzsteuer der Kosten, welche zur Besoldung der mit Erhebung und Kontrollierung dieser Steuer auf den Salz­ werken beauftragten Beamten aufgewendet werden, c) bei der Rübenzuckersteuer und Tabaksteuer der Vergütung, welche nach den jeweiligen Beschlüssen des BundeSrateS den einzelnen Bundesregierungen für die Kosten der Verwaltung dieser Steuern zu gewähren ist, d) bei den übrigen Steuern mit fünfzehn Prozent der Gesamt­ einnahme. (3) Die außerhalb der gemeinschaftlichen Zollgrenze liegenden Ge­ biete tragen zu den Ausgaben des Reichs durch Zahlung eines Aversums bei. (4) Bayern, Württemberg und Baden haben an dem in die Reichs-

la. ReichSverfassun- von 1871.

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taffe fliehenden Ertrage der Steuern von Branntwein und Bier und an dem diesem Ertrage entsprechenden Teile des vorstehend erwähnten Aversums keinen Teil. lAbschlüff» bet Bundesstaate«!

Akt. 39.

(1) Die von den Erhebungsbehörden der Bundesstaaten nach Ablauf eines jeden Vierteljahres aufzustellenden Quartal-Extrakte und die nach dem Jahres- und Bücherschlusse aufzustellenden Finalabfchlüsse über die im Laufe des Vierteljahres beziehungsweise während des Rechnungs­ jahres fällig gewordenen Einnahmen an Zöllen und nach Art. 38 zur Reichskasse fliehenden Verbrauchsabgaben werden von den Direktivbehörden der Bundesstaaten, nach vorangegangener Prüfung, in Haupt­ übersichten zusammengestellt, in welchen jede Abgabe gesondert nachzu­ weisen ist, und es werden diese Übersichten an den Ausschuh des BundeSrateS für das Rechnungswesen eingesandt. (2) Der letztere stellt auf Grund dieser Übersichten von drei zu drei Monaten den von der Kasse jedes Bundesstaates der Reichskasse schuldigen Betrag vorläufig fest und setzt von dieser Feststellung den Bundesrat und die Bundesstaaten in Kenntnis, legt auch alljährlich die schließliche Feststellung jener Beträge mit seinen Bemerkungen dem Bundesrate vor. Der Bundesrat beschließt über diese Feststellung. jZollvereinigungSvertrags

Aki. 40.

Die Bestimmungen in dem Zollvereinigungsvertrage vom 8. Juli 1867 bleiben in Kraft, soweit sie nicht durch die Vorschriften dieser Ver­ fassung abgeändert sind und so lange sie nicht auf dem im Art. 7, be­ ziehungsweise 78 bezeichneten Wege abgeändert werden. VII. Eisenbahnwesen. jStrategische Eisenbahnen!

Akt. 41.

(1) Eisenbahnen, welche im Interesse der Verteidigung Deutschlands oder im Interesse des gemeinsamen Verkehrs für notwendig erachtet wer­ den, können kraft eines Reichsgesetzes auch gegen den Widerspruch der Bundesglieder, deren Gebiet die Eisenbahnen durchschneiden, unbeschadet der LandeShoheitsrechte, für Rechnung deS Reichs angelegt oder an Privatunternehmer zur Ausführung konzessioniert und mit dem Expro­ priationsrechte ausgestattet werden. (2) Jede bestehende Eisenbahnverwaltung ist verpflichtet, stch den Anschluß neu angelegter Eisenbahnen auf Kosten der letzteren gefallen zu lassen. (3) Die gesetzlichen Bestimmungen, welche bestehenden Eisenbahn­ unternehmungen ein Widerspruchsrecht gegen die Anlegung von Parallel­ oder Konkurrenzbahnen einräumen, werden, unbeschadet bereits er­ worbener Rechte, für das ganze Reich hierdurch aufgehoben. Ein solches

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la. «eichSvrrfafiun- von 1871.

Widerspruchsrecht kann auch in den künftig zu erteilenden Konzessionen nicht weiter verliehen werden.

sGemeinsame vrundsatze für die Eisenbahnverwaltungj

Art. 42.

Die Bundesregierungen verpflichten sich, die Teutschen Eisenbahnen im Interesse des allgemeinen Verkehrs wie ein einheitliches Netz ver­ walten und -u diesem Behuf auch die neu herzustellenden Bahnen nach einheitlichen Normen anlegen und ausrüsten zu lassen.

I«usstchtS«cht de» Reiche»,

Akt. 43.

Es sollen demgemäß in tunlichster Beschleunigung übereinstimmende Betriebseinrichtungen getroffen, insbesondere gleiche Bahnpolizei­ reglements eingeführt werden. Das Reich hat dafür Sorge zu tragen, daß die Eisenbahnverwaltungen die Bahnen jederzeit in einem die nötige Sicherheit gewährenden baulichen Zustande erhalten und dieselben mit Betriebsmaterial so auörüsten, wie das Verkehrsbedürfnis eS erheischt.

|®emeia,ame Pflichte» der Eise«rah»verw»lt»»-e«s

Art. 44.

Die Eisenbahnverwaltungen sind verpflichtet, die für den durch­ gehenden Verkehr und zur Herstellung ineinandergreifender Fahrpläne nötigen Personenzüge mit entsprechender Fahrgeschwindigkeit, desgleichen die zur Bewältigung deS Güterverkehrs nötigen Güterzüge einzuführen, auch direkte Expeditionen im Personen- und Güterverkehr, unter Ge­ stattung deS Überganges der Transportmittel von einer Bahn auf die andere, gegen die übliche Vergütung einzurichten.

IReichSkontrolle Biet M

Akt. 45.

Dem Reiche steht die Kontrolle über das Tarifwesen zu. Das­ selbe wird namentlich dahin wirken: 1. daß baldigst auf allen Deutschen Eisenbahnen übereinstimmende Betriebsreglements eingeführt werden; 2. daß die möglichste Gleichmäßigkeit und Herabsetzung der Tarife erzielt, insbesondere, daß bei größeren Entfernungen für den Transport von Kohlen, Koks, Holz, Erzen, Steinen, Salz, Roh­ eisen, Düngungsmitteln und ähnlichen Gegenständen ein dem Bedürfnis der Landwirtschaft und Industrie entsprechender er­ mäßigter Tarif, und -war zunächst tunlichst der Einpfennigtaris eingeführt werde.

fSoudertarife i» Rotzelteuj

Art. 46.

(1) Bei eintretenden Notständen, insbesondere bei ungewöhnlicher Teuerung der Lebensmittel, sind die Eisenbahnverwaltungen verpflichtet, für den Transport, namentlich von Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten und

la. ReichSversassung von 1871.

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Kartoffeln, zeitweise einen dem Bedürfnis entsprechenden, von dem Kaiser auf Vorschlag des betreffenden BundeSratSausschusseS festzustellen­ den, niedrigen Spezialtarif einzuführen, welcher jedoch nicht unter den niedrigsten auf der betreffenden Bahn für Rohprodukte geltenden Satz herabgehen darf. (2) Die vorstehend sowie die in den Art. 42 bis 45 getroffenen Be­ stimmungen sind auf Bayern nicht anwendbar. (3) Dem Reiche steht jedoch auch Bayern gegenüber das Recht zu, im Wege der Gesetzgebung einheitliche Normen für die Konstruktion und Ausrüstung der für die Landesverteidigung wichtigen Eisenbahnen aus­ zustellen.

IBenutzung für verteidigungSzweckej

Art. 47.

Den Anforderungen der Behörden i-utzung der Eisenbahnen zum Zweck haben sämtliche Eisenbahnverwaltungen Insbesondere ist das Militär und alles mäßigten Sätzen zu befördern.

des Reichs in betreff der Beder Verteidigung Deutschlands unweigerlich Folge zu leisten. Kriegsmaterial zu gleichen er­

VIII. Poft. NN- Telegrapheuwesen. lReichSpoft- und TelegraphenVerwaltung!

Ätt. 48.

(1) DaS Postwesen und das Telegraphenwesen werden für das ge­ samte Gebiet des Deutschen Reichs als einheitliche StaatSverkehrsanstalten eingerichtet und verwaltet. (2) Die im Art. 4 vorgesehene Gesetzgebung deS Reichs in Post- und Telegraphenangelegenheiten erstreckt sich nicht aus diejenigen Gegen­ stände, deren Regelung nach den in der Norddeutschen Post- und Tele­ graphenverwaltung maßgebend gewesenen Grundsätzen der reglementarischen Festsetzung oder administrativen Anordnung überlassen ist.

^Einnahmen und Ausgabe«!

Ult. 49.

Die Einnahmen deS Post- und Telegraphenwesens sind für das ganze Reich gemeinschaftlich. Die Ausgaben werden aus den gemein­ schaftlichen Einnahmen bestritten. Die Überschüsse fließen in die Reichs­ kasse (Abschnitt XII).

lOberfte Leitung deS Postund TelegrapheuweseuS!

Art. 50.

(1) Dem Kaiser gehört die obere Leitung der Post- und Telegraphen­ verwaltung an. Die von ihm bestellten Behörden haben die Pflicht und daS Recht, dafür zu sorgen, daß Einheit in der Organisation der Ver­ waltung und im Betriebe deS Dienstes, sowie in der Qualifikation der Beamten hergestellt und erhallen wird.

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la. RrichSverfassung von 1871.

(2) Dem Kaiser steht der Erlab der reglementarischen Festsetzungen und allgemeinen administrativen Anordnungen sowie die ausschließliche Wahrnehmung der Beziehungen zu anderen Post- und Telegraphenver­ waltungen zu. (3) Sämtliche Beamte der Post- und Telegraphenverwaltung sind verpflichtet, den Kaiserlichen Anordnungen Folge zu leisten. Diese Ver­ pflichtung ist in den Diensteid aufzunehmen. (4) Die Anstellung der bei den Verwaltungsbehörden der Post und Telegraphie in den verschiedenen Bezirken erforderlichen oberen Beamten (z. B. der Direktoren, Räte, Oberinspektoren), ferner die Anstellung der zur Wahrnehmung des Aufsichts- usw. Dienstes in den einzelnen Be­ zirken als Organe der erwähnten Behörden fungierenden Post- und Telegraphenbeamten (z. B. Inspektoren, Kontrolleure) geht für daS ganze Gebiet des Deutschen Reichs vom Kaiser aus, welchem diese Be­ amten den Diensteid leisten. Ten einzelnen Landesregierungen wird von den in Rede stehenden Ernennungen, soweit dieselben ihre Ge­ biete betreffen, behufs der landesherrlichen Bestätigung und Publikation rechtzeitig Mitteilung gemacht werden. (5) Tie anderen bei den Verwaltungsbehörden der Post und Tele­ graphie erforderlichen Beamten, sowie alle für den lokalen und tech­ nischen Betrieb bestimmten, mithin bei den eigentlichen Betriebsstellen fungierenden Beamten usw. werden von den betreffenden Landes­ regierungen angestellt. (6) Wo eine selbständige Landespost- resp. Telegraphenverwaltung nicht besteht, entscheiden die Bestimmungen der besonderen Verträge.

(Vefta»etf*6fiel

Art. 51.

(1) Bei Überweisung des Überschusses der Postverwaltung für all­ gemeine Reichszwecke (Art. 49) soll, in Betracht der bisherigen Ver­ schiedenheit der von den Landespostverwaltungen der einzelnen Gebiete erzielten Reineinnahmen, zum Zwecke einer entsprechenden Ausgleichung während der unten festgesetzten Übergangszeit folgendes Verfahren beobachtet werden. (2) AuS den Postüberschüssen, welche in den einzelnen Postbezirken während der fünf Jahre 1861 bis 1865 aufgekommen sind, wird ein durchschnittlicher Jahresüberschutz berechnet, und der Anteil, welchen jeder einzelne Poftbezirk an dem für das gesamte Gebiet deS Reichs sich darnach Heraussiellenden Postüberschusse gehabt hat, nach Prozenten fest­ gestellt. (3) Nach Maßgabe des auf diese Weise festgestelltin Verhältnisses werden den einzelnen Staaten während der auf ihren Eintritt in die Reichspostverwaltung folgenden acht Jahre die sich für sie auS den im Reiche aufkommenden Postüberschüssen ergebenden Quoten aus ihre son­ stigen Beiträge zu Reichszwecken zugute gerechnet. (4) Nach Ablauf der acht Jahre hört jene Unterscheidung auf, und

la. Reichsverfassung von 1871.

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fließen die Postüberschüste in ungeteilter Aufrechnung nach dem im Art. 49 enthaltenen Grundsatz der Reichskasse zu. (5) Von der während der vorgedachten acht Jahre für die Hanse­ städte sich herausstellenden Quote des Postüberschusses wird alljährlich vorweg die Hälfte dem Kaiser zur Disposition gestellt zu dem Zwecke, daraus zunächst die Kosten für die Herstellung normaler Posteinrich­ tungen in den Hansestädten zu bestreiten.

sReservatrechte Bayerns und Württembergs!

Art. 52.

(1) Die Bestimmungen in den vorstehenden Art. 48 bis 51 finden

auf Bayern und Württemberg keine Anwendung.

An ihrer Stelle gelten

für beide Bundesstaaten folgende Bestimmungen.

(2) Dem Reiche ausschließlich steht die Gesetzgebung über die Vor­ rechte der Post und Telegraphie, über die rechtlichen Verhältnisse beider

Anstalten zum Publikum, über die Portofreiheiten und das Postlaxwesen, jedoch ausschließlich der reglementarischen und Tarifbestimmungen für den internen Verkehr innerhalb Bayerns, beziehungsweise Württem­ bergs, sowie unter gleicher Beschränkung, die Feststellung der Gebühren für die telegraphische Korrespondenz zu. (3) Ebenso steht dem Reiche die Regelung des Post- und TelegraphenverkehrS mit dem Auslande zu, ausgenommen den eigenen un­ mittelbaren Verkehr Bayerns, beziehungsweise Württembergs mit seinen dem Reiche nicht angehörenden Nachbarstaaten, wegen besten Regelung es bei der Bestimmung im Art. 49 deS PostvertrageS vom 23. November 1867 bewendet. (4) An den zur Reichskaste fließenden Einnahmen deS Post- und Telegraphenwesens haben Bayern und Württemberg keinen Teil.

IX. Marine und Schiffahrt. sKriegSmarinef

Art. 531).

(1) Die Kriegsmarine deS Reichs ist eine einheitliche unter dem Oberbefehl des Kaisers. Die Organisation und Zusammensetzung bet-

i) Die obige Fassung deS Art. 53 beruht auf dem G. v. 26. Mai 1893 (RGBl. S. 185). Durch dieses Gesetz ist der fünfte Absatz deS Art. 53 gestrichen worden. Der Absatz 5 ist ersetzt durch Art. n des ge­ nannten Gesetzes. Nach Art. n d. G. v. 26. Mai 1893 bestimmte der Kaiser für jedes Jahr die Zahl der in daS Heer und in die Marine einzustellenden Rekruten. Die Gesamtzahl der Rekruten wurde durch die Kontingentsverwaltungen auf die Armeekorpsbezirke verteilt. Die Ver­ teilung des Ersatzbedarfs der Kriegsmarine erfolgte durch daS preuß. Kriegsministerium. — Durch G. v. 28. Okt. 1918 (RGBl. S. 1274) ist dem Absatz 1 deS Art. 53 folgender Satz hinzugefügt worden: Die Er-

la. NeichSverfaffun- von 1871.

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selben liegt dem Kaiser ob, welcher die Offiziere und Beamten der Marine ernennt, und für welchen dieselben nebst den Mannschaften eidlich in Pflicht zu nehmen sind. (2) Der Kieler Hasen und der Jadehafen sind ReichSkriegShäfen. (3) Der zur Gründung und Erhaltung der Kriegsflotte und der damit zusammenhängenden Anstalten erforderliche Aufwand wird auS der Reichskasse bestritten. (4) Die gesamte seemännische Bevölkerung des Reichs, einschließlich des Maschinenpersonals und der Schiffshandwerker, ist vom Dienste im Landheere befreit, dagegen ;um Dienste in der Kaiserlichen Marine ver­ pflichtet.

^Einheitliche Handelsflottei

Art. 54.

(1) Die Kauffahrteischiffe aller Bundesstaaten bilden eine einheit­ liche Handelsmarine. (2) Tas Reich hat das Verfahren zur Ermittelung der Ladungs fähigkeit der Seeschiffe zu bestimmen, die Ausstellung der Meßbriefe, sowie der Schiflszertifikate zu regeln und die Bedingungen festzu­ stellen, von welchen die Erlaubnis zur Führung eines Seeschiffes ab­ hängig ist. (3) In den Seehäfen und auf allen natürlichen und künstlichen Wasserstraßen der einzelnen Bundesstaaten werden die Kauffahrteischiffe sämtlicher Bundesstaaten gleichmäßig zugelasien und behandelt. Die Ab­ gaben, welche in den Seehäfen von den Seeschiffen oder deren Ladungen für die Benutzung der Schiffahrtsanstalten erhoben werden, dürfen die zur Unterhaltung und gewöhnlichen Herstellung dieser Anstalten er­ forderlichen Kosten nicht übersteigen. (4) Auf allen natürlichen Wasierstraßen dürfen Abgaben nur für die Benutzung besonderer Anstalten, die zur Erleichterung deS Verkehrs bestimmt sind, erhoben werden. Diese Abgaben, sowie die Abgaben für die Befahrung solcher künstlichen Wasserstraßen, welche Staatseigentum sind, dürfen die zur Unterhaltung und gewöhnlichen Herstellung der Anstalten und Anlagen erforderlichen Kosten nicht übersteigen. Auf die Flößerei finden diese Bestimmungen insoweit Anwendung, als dieselbe auf schiffbare Wasierstraßen betrieben wird. (5) Aus fremde Schiffe oder deren Ladungen andere oder höhere Abgaben zu legen, als von den Schiffen der Bundesstaaten oder deren Ladungen zu entrichten sind, steht keinem Einzelstaate, sondern nur dem Reiche zu.

sMariueslaggenI

Art. 55.

Die Flagge der Kriegs- und Handelsmarine ist schwarz-weiß-rot.

nennung, Versetzung, Beförderung und Verabschiedung der Offiziere und Beamten der Marine erfolgt unter Gegenzeichnung deS Reichskanzlers.

la. NeichSverfassung von 1871.

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X. Kousulatwese«.

Art. 56. (1) Tas gesamte Konsulatwesen deS Deutschen Reichs steht unter der Aufsicht des Kaisers, welcher die Konsuln, nach Vernehmung des Ausschusses des Bundesrates für Handel und Verkehr, anstellt. (2) In dem Amtsbezirk der deutschen Konsuln dürfen neue Landeskonsulate nicht errichtet werden. Die deutschen Konsuln üben für die in ihrem Bezirk nicht vertretenen Bundesstaaten die Funktionen eines Landeskonsuls aus. Tie sämtlichen bestehenden LandeSkonsulate werden aufgehoben, sobald die Organisation der deutschen Konsulate dergestalt vollendet ist, das; die Vertretung der Einzelinteressen aller Bundesstaaten als durch die deutschen Konsulate gesichert von dem Bundesrate anerkannt wird. XL Reichskriegswesen.

lAllgemeine Wehrpflicht!

Art. 57.

Jeder Deutsche ist wehrpflichtig und kann sich in Ausübung dieser Pflicht nicht vertreten lassen.

sGleichheit -er Lastens Art. 58. Tie Kosten und Lasten des gesamten Kriegswesens des Reichs sind von allen Bundesstaaten und ihren Angehörigen gleichmäßig zu tragen, so daß weder Bevorzugungen, noch Prägravationen einzelner Staaten oder Klassen grundsätzlich zulässig sind. Wo die gleiche Verteilung der Lasten sich in natura nicht herstellen läßt, ohne die öffentliche Wohlfahrt zu schädigen, ist die Ausgleichung nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit im Wege der Gesetzgebung festzustellen. sWehrverfaffungs Art. 591). (1) Jeder wehrfähige Teutsche gehört sieben Jahre lang, in der Regel vom vollendeten zwanzigsten bis zum beginnenden achtundzwan­ zigsten Lebensjahre, dem stehenden Heere, die folgenden fünf Lebens­ jahre der Landwehr ersten Aufgebots und sodann bis zum 31. März des Kalenderjahrs, in welchem das neununddreißigste Lebensjahr vollendet wird, der Landwehr zweiten Aufgebots an. (2) Während der Dauer der Dienstpflicht im stehenden Heere sind die Mannschaften der Kavallerie und reitenden Feldartillerie die ersten drei, alle übrigen Mannschaften die ersten zwei Jahre zum ununter­ brochenen Dienste bei den Fahnen verpflichtet. (3) In bezug auf die Auswanderung der Reservisten sollen ledig­ lich diejenigen Bestimmungen maßgebend sein^ welche für die Aus­ wanderung der Landwehrmänner gelten.

rj Die obige Fassung des Art. 59 beruht auf dem G. v. 15. April 1905 RGBl. S. 249) Art. I. Bi hl er, Staatsrecht.

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la. Reichsverfassung von 1871.

sFriedenspräsenzstarkes Art. 60. Die Friedenspräsenzstärke des Deutschen Heeres wird bis zum 31. Dezember 1871 auf ein Prozent der Bevölkerung von 1867 normiert, und wird pro rata derselben von den einzelnen Bundesstaaten gestellt. Für die spätere Zeit wird die Friedenspräsenzstärke des Heeres im Wege der Reichsgesetzgebung^) festgestellt. sMg. Einführung der Preuß. Militärgesetzgebungs Art. 61. (1) Nach Publikation dieser Berfassung ist in dem ganzen Reiche die gesamte Preußische Militärgesetzgebung ungesäumt einzuführen, so­ wohl die Gesetze selbst, als die zu ihrer Ausführung, Erläuterung oder Ergänzung erlassenen Reglements, Instruktionen und Reskripte, nament­ lich also das Militärstrafgesetzbuch vom 3. April 1845, die Militärstraf­ gerichtsordnung vom 3. April 1845, die Verordnung über die Ehrengerichte vom 20. Juli 1843, die Bestimmungen über Aushebung, Dienstzeit, Servis- und Verpflegungswesen, Einquartierung, Ersatz von Flurbeschädi­ gungen, Mobilmachung usw. für Krieg und Frieden. Die Militärkirchenordnung ist jedoch ausgeschlossen. (2) Nach gleichmäßiger Durchführung der Kriegsorganisation des Deutschen Heeres wird ein umfassendes Reichsmilitärgesetz dem Reichs­ tage und dem Bundesrate zur verfassungsmäßigen Beschlußfassung vor­ gelegt werden.

sBeitrage zu den Heeresausgabens Art. 62. (1) Zur Bestreitung des Aufwandes für das gesamte Deutsche Heer und die zu demselben gehörigen Einrichtungen sind bis zum 31. Dezemher 1871 dem Kaiser jährlich soviel mal 225 Taler, in Worten zweihundert­ fünfundzwanzig Taler, als die Kopfzahl der Friedensstärke des Heeres nach Art. 60 beträgt, zur Verfügung zu stellen. Vgl. Abschnitt XII. (2) Nach dem 31. Dezember 1871 müssen diese Beiträge von den ein­ zelnen Staaten des Bundes zur Reichskasse fortgezahlt werden. Zur x) Seit 1872 hat man statt mit einer bestimmten Quote der Be­ völkerung die Friedenspräsenzstärke zahlenmäßig durch Gesetz, und zwar im allgemeinen durch ein Sondergesetz, in den Jahren 1905 bis 1911 durch das Reichshaushallsgesetz festgelegt. Die Präsenzstärke betrug ursprünglich 401000 Mann. Sie wurde aber im Laufe der Jahre bis zum Kriege auf 661000 Mann erhöht. Jedoch waren in dieser Präsenzziffer seit 1893 die Unteroffiziere nicht enthalten. Die Fest­ setzung der Präsenzstärke hatte aber nicht die Bedeutung, daß die fest­ gesetzte Zahl unter allen Umständen während des ganzen Jahres auf­ rechterhalten werden mußte; sie war vielmehr ursprünglich eine Maxi­ malziffer', seit 1893 gab sie die Jahresdurchschnittsstärke des stehenden deutschen Heeres an.

1 a. NetchSverfafiung von 1871.

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Berechnung derselben wird die im Art. 60 interimistisch sestgestellte Friedenspräsenzstärke solange festgehallen, bis sie durch ein Reichsgesetz abgeändert ist. (3) Die Verausgabung dieser Summe für das gesamte Reichsheer und dessen Einrichtungen wird durch das EtatSgesetz festgestellt. (4) Bei der Feststellung des MilitärauSgabeetatS wird die auf Grundlage dieser Verfassung gesetzlich feststehende Organisation des Reichsheeres zugrunde gelegt.

jEmheitliche Organisation dk» ReichsheereSI

Art. 63.

(1) Die gesamte Landmacht deS Reichs wird ein einheitliches Heer bilden, welche- in Krieg und Frieden unter dem Befehle des Kaisers steht. (2) Die Regimenter usw. führen fortlaufende Nummern durch das ganze Deutsche Heer. Für die Bekleidung sind die Grundfarben und der Schnitt der Königlich Preußischen Armee maßgebend. Dem betreffenden Kontingentsherrn bleibt es überlassen, die äußeren Abzeichen (Kokarden usw.) zu bestimmen. (3) Der Kaiser hat die Pflicht und das Recht, dafür Sorge zu tragen, daß innerhalb des Teutschen Heeres alle Truppenteile voll­ zählig und kriegStüchtig vorhanden sind und daß Einheit in der Organi­ sation und Formation, in Bewaffnung und Kommando, in der Aus­ bildung der Mannschaften, sowie in der Qualifikation der Offiziere her­ gestellt und erhallen wird. Zu diesem Behufe ist der Kaiser berechtigt, sich jederzeit durch Inspektionen von der Verfassung der einzelnen Kon­ tingente zu überzeugen und die Abstellung der dabei Vorgefundenen Mängel anzuordnen. (4) Der Kaiser bestimmt den Präsenzstand, die Gliederung und Ein­ teilung der Kontingente des ReichSheeres, sowie die Organisation der Landwehr, und hat das Recht, innerhalb des Bundesgebietes die Garni­ sonen zu bestimmen, sowie die kriegsbereite Aufstellung eines jeden Teils des Reichsheeres anzuordnen. (5) Behufs Erhaltung der unentbehrlichen Einheit in der Admini­ stration, Verpflegung, Bewaffnung und Ausrüstung aller Truppenteile des Deutschen Heeres sind die bezüglichen künftig ergehenden Anord­ nungen für die Preußische Armee den Kommandeuren der übrigen Kontingente, durch den Art. 8 Nr. 1 bezeichneten Ausschuß für daS Landheer und die Festungen, zur Nachachtung in geeigneter Weise mit­ zuteilen.

|Se ««Watt, Art. 46. Dem Könige allein steht die vollziehende Gewalt zu. Er ernennt und entläßt die Minister. Er befiehlt die Verkündigung der Gesetze und erläßt die zu deren Ausführung nötigen Verordnungen.

Ivberdese-l «der da» Heer>

Art. 46.

Der König führt den Oberbefehl über das Heer.

iAnftelluug der Beamten]

Art. 47.

Der König besetzt alle Stellen im Heere sowie in den übrigen Zweigen des Staatsdienste-, sofern nicht das Gesetz ein anderes ver­ ordnet.

]Krie-SerllSruug und Staat-Verträge]

Akt. 48.

Der König hat das Recht, Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, auch andere Verträge mit fremden Regierungen zu er­ richten. Letztere bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Zustimmung der Kammern, sofern eS Handelsverträge find, oder wenn dadurch dem Staate Lasten oder einzelnen Staatsbürgern Verpflichtungen auferlegt werden. lBeguadi-uugsrecht]

Art. 49.

(1) Der König hat das Recht der Begnadigung und Strafmilderung. (2) Zugunsten eines wegen seiner Amtshandlungen verurteilten Ministers kann dieses Recht nur auf Antrag derjenigen Kammer au-geübt werden, von welcher die Anklage ausgegangen ist.

2 a]

Sa. Die Preußische Verfassung von 1850.

(3) Der König kann bereit- eingeleitete Untersuchungen nur aus Grund eine- besonderen Gesetze- niederschlagen.

^Verleihung von Ehrenzeichens

Art. 50.

(1) Dem Könige steht die Verleihung von Orden und anderen mit Vorrechten nicht verbundenen Auszeichnungen zu. (2) Er übt da- Münzrecht nach Maßgabe des Gesetze-.

sBerufung der Kammer«!

Art. 51.

Der König beruft die Kammern und schließt ihre Sitzungen. Er kann sie entweder beide zugleich oder auch nur eine auflösen. Es muffen aber in einem solchen Falle innerhalb eines Zeitraum- von sechzig Tagen nach der Auflösung die Wähler und innerhalb eines Zeitraums von neunzig Tagen nach der Auflösung die Kammern versammelt werden.

svertagnng der Kammer«!

Art. 52.

Der König kann die Kammern Verlagen. Ohne deren Zustimmung darf diese Vertagung die Frist von dreißig Tagen nicht übersteigen und wahrend derselben Session nicht wiederholt werden.

lErbmonarchiej

Art. 53.

Die Krone ist, den Königlichen Hausgesetzen gemäß, erblich in dem Mann-stamme de- Königlichen Hause- nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatischen Linealfolge.

|»eaj86tigteit bei »inig»]

Alt. 54.

(1) Der König wird mit Vollendung des achtzehnten Lebensjahre­ volljährig. (2) Er leistet in Gegenwart der vereinigten Kammern das eidliche Gelöbnis, die Verfassung de- Königreichs fest und unverbrüchlich zu halten und in Übereinstimmung mit derselben und den Gesetzen zu regieren.

IReal. «ob Perfoaalnnionenl

Art. 55.

Ohne Einwilligung beider Kammern kann der König nicht zugleich Herrscher fremder Reiche sein.

pRietctjüttigtot bei IWiige)

Art. 56.

Wenn der König minderjährig oder sonst dauernd verhindert ist, selbst zu regieren, so übernimmt derjenige volljährige Agnat (Art. 63), welcher der Krone am nächsten steht, die Regentschaft. Er hat sofort die Kammern zu berufen, die in vereinigter Sitzung über die Not­ wendigkeit der Regentschaft beschließen.

2a. Die Preußische Verfass»«- »an 1850. [Wahl eine- Regenteus

[2 a

Art. 67.

Ist kein volljähriger Agnat vorhanden und nicht bereit- vorher gesetzliche Fürsorge für diesen Fall getroffen, so hat das StaatSministerium die Kammern zu berufen, welche in vereinigter Sitzung einen Regenten erwählen. Bis zum Antritt der Regentschaft von feiten des­ selben führt das Staatsministerium die Regierung.

jRechte de- Regenten!

Art. 68.

(1) Der Regent übt die dem Könige zustehende Gewalt in dessen Namen aus. Derselbe schwört nach Einrichtung der Regentschaft vor den vereinigten Kammern einen Eid, die Berfassung des Königreichs fest und unverbrüchlich zu halten und in Übereinstimmung mit der­ selben und den Gesetzen zu regieren. (2) BiS zu dieser Eidesleistung bleibt in jedem Falle daS bestehende gesamte Staatsministerium für alle Regierungshandlungen verant­ wortlich.

Art. 69.

jKronrentes

Dem Kron-Fideikommißfond- verbleibt die durch daS Gesetz vom 17. Januar 1820 auf die Einkünfte der Domänen und Forsten an­ gewiesene Rente. Titel IV.

jRechte der Ministers

Bo« de» Minister«.

Art. 60.

(1) Die Minister, sowie die zu ihrer Vertretung abgeordneten Staatsbeamten haben Zutritt zu jeder Kammer und müssen auf ihr Verlangen zu jeder Zeit gehört werden. (2) Jede Kammer kann die Gegenwart der Minister verlangen. (3) Die Minister haben in einer oder der anderen Kammer nur dann Stimmrecht, wenn sie Mitglieder derselben sind.

sMimfteranva-es

Art. 61.

(1) Die Minister können durch Beschluß einer Kammer wegen deS Verbrechens der Bersassungsverletzung, der Bestechung und des verrateangeklagt werden. Uber solche Anklage entscheidet der oberste Gerichts­ hof der Monarchie in vereinigten Senaten. Solange noch zwei oberste Gerichtshöfe bestehen, treten dieselben zu obigem Zwecke zusammen. (2) Die näheren Bestimmungen über die Fälle der Verantwortlich­ keit, über daS Verfahren und über die Strafen werden einem beson­ deren Gesetze Vorbehalten*).

*) Dieses Gesetz ist jedoch nie ergangen, so daß es tatsächlich eine Ministeranklage in Preußen vor 1918 nicht gab.

2 a]

Sa. Die Preußische Bersassuag tzsa 1850. TitelV.

sGesetzgedead« ödaalt]

voa dem ficrauaera. Art. 62.

(1) Die gesetzgebende Gewalt wird gemeinschaftlich durch den König und durch -Wei Kammern ausgeübt. (2) Die Übereinstimmung des König- und beider Kammern ist zu jedem Gesetze erforderlich. (3) Finanzgesetzentwürfe und Staatshaushaltsetats werden zuerst der -weiten Kammer vorgelegt; letztere werden von der ersten Kammer im ganzen angenommen oder abgelehnt.

[NotverordaaagSrecht]

Art. 63.

Nur in dem Falle, wenn die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder die Beseitigung eines ungewöhnlichen Notstandes es dringend erfordert, können, insofern die Kammern nicht versammelt sind, unter Verantwortlichkeit des gesamten StaatsministeriumS Ver­ ordnungen, die der Verfassung nicht zuwiderlaufen, mit Gesetzeskraft er° lasten werden. Dieselben sind aber den Kammern bei ihrem nächsten Zusammentritt zur Genehmigung sofort vorzulegen.

[Öese-e-iaitiative]

Alki. 64.

(1) Dem Könige sowie jeder Kammer steht das Recht zu, Gesetze vorzuschlagen. (2) GesetzeSvorschläge, welche durch eine der Kammern oder den König verworfen worden stnd, können in derselben Sitzungsperiode nicht wieder vorgebracht werden.

lBUdaag der ersten Kammer!

Alkt. 65—681).

[Btt. I d. G. v. 7. Mai 1853:] (1) Die erste Kammer wird durch Königliche Anordnung gebildet, welche nur durch ein mit Zustimmung der Kammern zu erlassendes Gesetz abgeändert werden kann. (2) Die erste Kammer wird zusammengesetzt auS Mitgliedern, welche der König mit erblicher Berechtigung oder auf Lebenszeit beruft. *) Die Art. 65 bis 68 sind durch Art. 2 d. G. v. 7. Mai 1853 (GS. S. 181) aufgehoben und durch Art. I de- Gesetzes ersetzt worden. Die Art. 65—68 halten folgenden Wortlaut:

sZasammensetznag!

Art. 65.

(1) Die erste Kammer besteht: a) aus den großjährigen Königlichen Prinzen; b) aus den Häuptern der ehemals unmittelbaren reichsständischen Häuser in Preußen — und aus den Häuptern derjenigen Fa­ milien, welchen durch Königliche Verordnung das nach der Erst-

2 t. Die Preußische Serftffttng gen 1850.

[2 a

I3a|««*titfe»e*g der zweiten Kammer! ritt. vv. Die zweite Kammer besteht auS dreihundertundfünszig*) Mitgliedern. Tie Wahlbezirke werden durch daS Gesetz sestgestellt. Sie können auS gebürt und Linealfolge zu vererbende Recht auf Sitz und Stimme in der ersten Kammer beigelegt wird. In dieser Verordnung werden zugleich die Bedingungen festgesetzt, durch welche dieseRecht an einen bestimmten Grundbesitz geknüpft ist. Das Recht kann durch Stellvertretung nicht ausgeübt werden und ruht wäh­ rend der Minderjährigkeit oder während eine- Dienstverhält­ nisses zu der Regierung eines nichtdeutschen Staats, ferner auch solange der Berechtigte seinen Wohnsitz außerhalb Preußens hat; c) aus solchen Mitgliedern, welche der König auf Lebenszeit er­ nennt. Ihre Zahl darf den zehnten Teil der zu a und b ge­ nannten Mitglieder nicht übersteigen; d) aus neunzig Mitgliedern, welche in Wahlbezirken, die daS Gesetz feststellt, durch die dreißigfache Zahl derjenigen Urwähler (Art. 70), welche die höchsten direkten Staatssteuern bezahlen, durch direkte Wahl nach Maßgabe des Gesetzes gewählt werden; e) auS dreißig, nach Maßgabe des Gesetze- von den Gemeinderäten gewählten Mitgliedern auS den größeren Städten des Landes. (2) Die Gesamtzahl der unter a bis c genannten Mitglieder darf die Zahl der unter d und e bezeichneten nicht übersteigen. (3) Eine Auflösung der ersten Kammer bezieht sich nur auf die auS Wahl hervorgegangenen Mitglieder.

Art. SS. (1) Die Bildung der ersten Kammer in der Artikel 65 bestimmten Weise tritt am 7. August deS Jahres 1852 ein. (2) Bis zu diesem Zeitpunkte verbleibt es bei dem Wahlgesetze für die erste Kammer vom 6. Dezember 1848. jLegiSlatnrperiodes Art. 67. Die Legislaturperiode der ersten Kammer wird aus sechs Jahre festgesetzt. lPassive- Wahlrechts Art. 68. (1) Wählbar zum Mitgliede der ersten Kammer ist jeder Preuße, der das vierzigste Lebensjahr vollendet, den Vollbesitz der bürgerlichen Rechte infolge rechtskräftigen richterlichen Erkenntnisse- nicht verloren und bereit- fünf Jahre lang dem preußischen StaatSverbande an­ gehört hat. (2) Die Mitglieder der ersten Kammer erhalten weder Reisekosten noch Diäten.

*) Die Zahl der Mitglieder ist seither mehrfach erhöht worden und betrug schließlich 443.

L». Die Preußische versaffMlD Ue» 1850.

2»]

einem oder mehreren Kreisen oder auS einer oder mehreren der größeren Städte bestehen. I«ahlr«chq

Art. 701).

(1) Jeder Preuße, welcher daS fünfundzwanzigste Lebensjahr voll­ endet hat und in der Gemeinde, in welcher er seinen Wohnsitz hat, die Befähigung zu den Gemeindewahlen besitzt, ist stimmberechtigter Ur­ wähler. (2) Wer in mehreren Gemeinden an den Gemeindewahlen teilzu­ nehmen berechtigt ist, darf daS Recht als Urwähler nur in einer Ge­ meinde auSüben. IWahlversahrenI

Akt. 71').

(1) Auf jede Bollzahl von zweihundertundfünfzig Seelen der Bevölkerung ist ein Wahlmann zu wählen. Die Urwähler werden nach Maßgabe der von ihnen zu entrichtenden direkten Staatssteuern in drei Abteilungen geteilt, und zwar in der Art, daß auf jede Abteilung ein Dritteil der Gesamtsumme der Steuerbeträge aller Urwähler fällt. (2) Die G-samtsumme wird berechnet: a) qemeindeweise, falls die Gemeinde einen Urwahlbezirk für sich bildet; b) bezirksweise, falls der Urwahlbezirk aus mehreren Gemeinden zu­ sammengesetzt ist. (3) Die erste Abteilung besteht auS denjenigen Urwählern, auf welche die höchsten Steuerbeträge bis -um Belaufe eines DritteilS der Gesamtsteuer fallen. (4) Die zweite Abteilung besteht aus denjenigen Urwählern, auf welche die nächst niedrigeren Steuerbetrage bis zur Grenze des zweiten DritteilS fallen. (5) Die dritte Abteilung besteht auS den am niedrigsten besteuerten Urwählern, auf welche daS dritte Dritteil fällt. (6) Jede Abteilung wählt besonders, und zwar ein Dritteil der zu wählenden Wahlmänner. (7) Die Abteilungen können in mehrere Wahlverbände eingeteilt werden, deren keiner mehr als fünfhundert Urwähler in sich schließen darf. (8) Die Wahlmänner werden in jeder Abteilung auS der Zahl der stimmberechtigten Urwähler des Urwahlbezirks ohne Rücksicht auf die Abteilungen gewählt.

Art. 72*). (1) Die Abgeordneten werden durch die Wahlmänner gewählt. (2) DaS Nähere über die Ausführung der Wahlen bestimmt daS *) Art. 70—72 waren durch Art. 115 suspendiert.

2». Die Preußische Verfassung vsu 1850.

[2a

Wahlgesetz, welche- auch die Anordnung für diejenigen Städte zu treffen hat, in denen an Stelle eines Teils der direkten Steuern die Mahlund Schlachtsteuer erhoben wird. sLegi-latur-eriodej

Ätt. 73.

Die Legislaturperiode des Hause- der Abgeordneten dauert fünf Jahres).

[VaffiM Wahlrecht, Art. 74. (1) Zum Abgeordneten der zweiten Kammer ist jeder Preuße wähl­ bar, der das dreißigste Lebensjahr vollendet, den Vollbesitz der bürger­ lichen Rechte infolge rechtskräftigen richterlichen Erkenntnisses nicht ver­ loren und bereits drei Jahre dem preußischen Staatsverbande an­ gehört hat. (2) Der Präsident und die Mitglieder der Oberrechnungskammer können nicht Mitglieder eines der beiden Häuser de- Landtage- fein'). sReuwahl der Kammer«!

Art. 75.

Die Kammern werden nach Ablauf ihrer Legislaturperiode neu gewählt. Ein gleiches geschieht im Falle der Auflösung. In beiden Fällen sind die bisherigen Mitglieder wieder wählbar.

sSinberuf««- der Kammer»! Art. 763). Die beiden Häuser de- Landtage- der Monarchie werden durch den König regelmäßig in dem Zeitraum von dem Anfänge de- MonatNovember jeden Jahre- bi- zur Mitte de- folgenden Januar, und außerdem, so oft eS die Umstände erheischen, einberufen. sBer»f««- der Kammer«! Art. 77. (1) Die Eröffnung und die Schließung der Kammern geschieht durch den König in Person oder durch einen dazu von ihm beauftragten Minister in einer Sitzung der vereinigten Kammern. (2) Beide Kammern werden gleichzeitig berufen, eröffnet, vertagt und geschloffen. (3) Wird eine Kammer aufgelöst, so wird die andere gleichzeitig vertagt.

sWahlprüs»«-, Beamte! Art. 78. (1) Jede Kammer prüft die Legitimation ihrer Mitglieder und ent­ scheidet darüber. Sie regelt ihren Geschäftsgang und ihre Disziplin n Durch G. v. 27. Mai 1888 (GS. periode auf fünf Jahre festgesetzt worden. Jahre. ') Absatz 2 des Art. 74 ist durch d. S. 277) hinzugefügt worden. •) Art. 76 ist neugefaßt durch d. G. v.

S. 137) ist die Legislatur­ Ursprünglich betrug sie drei

G. v. 27. März 1872 (GS. 18. Mai 1857 (GS. S. 369).

2s]

2a. Die Preußische Verfassung den 1850.

durch eine Geschäftsordnung und erwählt ihren Präsidenten, ihre Vize­ präsidenten und Schriftführer. (2) Beamte bedürfen keines Urlaubs zum Eintritt in die Kammer. (3) Wenn ein Kammrrmitglied ein besoldetes StaatSamt annimmt oder im Staatsdienste in ein Amt eintritt, mit welchem ein höherer Rang oder ein höheres Gehalt verbunden ist, so verliert eS Sitz und Stimme in der Kammer und kann seine Stelle in derselben nur durch neue Wahl wieder erlangen. (4) Niemand kann Mitglied beider Kammern sein.

svffeutlichkeit der Sitzungen!

Art. 79.

Die Sitzungen beider Kammern sind öffentlich. Jede Kammer tritt auf den Antrag ihres Präsidenten oder von zehn Mitgliedern zu einer geheimen Sitzung zusammen, in welcher dann zunächst über diesen Antrag zu beschließen ist.

|Stf*laM86«ehit]

AU. 80.

(1) Keine der beiden Kammern kann einen Beschluß fasten, wenn nicht die Mehrheit der gesetzlichen Anzahl ihrer Mitglieder anwesend ist. Jede Kammer faßt ihre Beschlüste nach absoluter Stimmenmehrheit, vorbehaltlich der durch die Geschäftsordnung für Wahlen etwa zu be­ stimmenden Ausnahmen. (2) Da- Herrenhaus kann keinen Beschluß fasten, wenn nicht min­ desten- sechzig der nach Maßgabe der Verordnung vom 12. Oktober 1854 (GS. S. 541—544) zu Sitz und Stimme berufenen Mitglieder an­ wesend flnb1).

sAdreffeu an de« Königs

Art. 81.

(1) Jede Kammer hat für sich das Recht, Adresten an den König zu richten. (2) Niemand darf den Kammern oder einer derselben in Person eine Bittschrift oder Adresse überreichen. (3) Jede Kammer kann die an sie gerichteten Schriften an die Minister überweisen und von denselben Auskunft über eingehende Be­ schwerden verlangen.

sUnterfuchnng-koMMisfianenj

Art. 82.

Eine jede Kammer hat die Befugnis, behufs ihrer Information Kommissionen zur Untersuchung von Tatsachen zu ernennen.

[Äeittt vindnng an Anftragel

Art. 83.

Die Mitglieder beider Kammern sind Vertreter des ganzen Volkes. Sie stimmen nach ihrer freien Überzeugung und sind an Aufträge und Instruktionen nicht gebunden.

*) Der Absatz 2 des Art. 80 ist durch G. v. 30. Mai 1855 (GS. S. 316) angefügt worden.

2 a. Tie Preußische Verfassung vsn 1850. sVerautwortlichkeit und Jmmuuitat der Ldgeordueteus

[2 a

Art. 84.

(1) Sie können für ihre Abstimmungen in der Kammer niemals, für ihre darin ausgesprochenen Meinungen nur innerhalb der Kammer auf den Grund der Geschäftsordnung (Art. 78) zur Rechenschaft ge­ zogen werden. (2) Kein Mitglied einer Kammer kann ohne deren Genehmigung während der Sitzungsperiode wegen einer mit Strafe bedrohten Hand­ lung zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, außer wenn eS bei Ausübung der Tat oder im Laufe des nächstfolgenden Tages nach derselben ergriffen wird. (3) Gleiche Genehmigung ist bei einer Verhaftung wegen Schulden notwendig. (4) Jedes Strafverfahren gegen ein Mitglied der Kammer und eine jede Untersuchungs- oder Zivilhaft wird für die Dauer der Sitzungs­ periode aufgehoben, wenn die betreffende Kammer es verlangt.

sEntschLdigung der Abgeordnete»!

Art. 85.

Die Mitglieder der zweiten Kammer erhalten aus der Staatskasse Reisekosten und Diäten nach Maßgabe des Gesetzes. Ein Verzicht hier­ auf ist unstatthaft. Titel V I. von der richterliche» Gewalt. ^Richterliche ««walt,

Art. 86.

(1) Die richterliche Gewalt wird im Namen des Königs durch unab­ hängige, keiner anderen Autorität als der des Gesetze- unterworfene Gerichte ausgeübt. (2) Die Urteile werden im Namen deS Königs ausgefertigt und vollstreckt.

I Unabhängigkeit der Richter,

Art. 87.

(1) Die Richter werden vom Könige oder in dessen Namen auf ihre Lebenszeit ernannt. (2) Sie können nur durch Richterspruch aus Gründen, welche die Gesetze vorgesehen haben, ihres Amte- entsetzt oder zeitweise enthoben werden. Die vorläufige AmtSsuSpension, welche nicht kraft des Gesetzes cintritt, und die unfreiwillige Versetzung an eine andere Stelle oder in den Ruhestand können nur auS den Ursachen und unter den Formen, welche im Gesetze angegeben sind, und nur auf Grund eines richterlichen Beschlusses erfolgen. (3) Auf die Versetzungen, welche durch Veränderungen in der Orga­ nisation der Gerichte oder ihrer Bezirke nötig werden, finden diese Be­ stimmungen keine Anwendung.

2 b]

2 a. Die Preußische Verfassung von 1850.

l««M.r»sch«stttch< ««richt«!

Art. 87 a.

Bei der Bildung gemeinschaftlicher Gerichte für preußische Gebietsteile und Gebiete anderer Bundesstaaten sind Abweichungen von den Bestimmungen des Artikels 86 und des ersten Absatzes im Artikel 87 zulässig^.

sRebeuSmter der Richter, Art. 88. [ist durch Gesetz vom 30. April 1856 (GS. S. 297) aufgehoben.. Der Artikel 88 lautete: Den Richtern dürfen andere besoldete Staatsämter fortan nicht übertragen werden. Ausnahmen sind nur auf Grund eineGesetzes zulässig. fOr-unisatioa der Gerichte,

Art. 89.

Die Organisation der Gerichte wird durch das Gesetz bestimmt.

[Befähigung zu» Richteramt,

Art. 90.

Zu einem Richteramte darf nur der berufen werden, welcher sich zu demselben nach Vorschrift der Gesetze befähigt hat.

ltzaudelS- «ud Gewerbe­ gerichte,

Art. 91.

(1) Gerichte für besondere Klassen von Angelegenheiten, insbesondere Handels- und Gewerbegerichte sollen im Wege der Gesetzgebung an den Orten errichtet werden, wo das Bedürfnis solche erfordert. (2) Die Organisation und Zuständigkeit solcher Gerichte, daS Ver­ fahren bei denselben, die Ernennung ihrer Mitglieder, die besonderen Verhältnisse der letzteren und die Tauer ihres Amtes werden durch daS Gesetz festgestellt. [öta einziger oberster Gerichtshof,

Art. 92.

ES soll in Preußen nur ein oberster Gerichtshof bestehen. lvsseatlichkeit der GerichtsVerhandlung,

Art. 93.

(1) Die Verhandlungen vor dem erkennenden Gerichte in Zivil- und Strafsachen sollen öffentlich sein. Tie Öffentlichkeit kann jedoch durch einen öffentlich zu verkündenden Beschluß des Gerichts ausgeschlossen werden, wenn sie der Ordnung oder den guten Sitten Gefahr droht. (2) In anderen Fällen kann die Lffentlichkeit nur durch Gesetze beschränkt werden.

*) Art. 87a ist durch d. G. v. -ugefügt.

11*2

19. Febr. 1879 (GS. S. 18) hin-

21.

[2a

Die Preußische Berfaffun- von 1850.

jSchwurgerichtes

Art. 94.

Bei Verbrechen erfolgt die Entscheidung über die Schuld des An­ geklagten durch Geschworene, insoweit ein mit vorheriger Zustimmung der Kammern erlassenes Gesetz nicht Ausnahmen bestimmt. Die Bildung deS Geschworenengerichts regelt das Gesetzt).

lHochverratSgttichtSH.fi

Art. 95.

Es kann durch ein mit vorheriger Zustimmung der Kammern zu erlassendes Gesetz ein besonderer Gerichtshof errichtet werden, dessen Zuständigkeit die Verbrechen des Hochverrat- und diejenigen Verbrechen gegen die innere und äußere Sicherheit des Staat-, welche ihm durch da- Gesetz überwiesen werden, begreift»).

sKompetenzkoufliktes

Art. 96.

Die Kompetenz der Gerichte und Verwaltungsbehörden wird durch das Gesetz bestimmt, über Kompetenzkonflikte zwischen den Verwaltung-und Gerichtsbehörden entscheidet ein durch da- Gesetz bezeichneter Gerichtshof.

jKonsliktSerhebungj

Art. 97.

Die Bedingungen, unter welchen öffentliche Zivil- und Militär­ beamte wegen durch Überschreitung ihrer Amt-befugnisse verübter Rechts­ verletzungen gerichtlich in Anspruch genommen werden können, bebcstimmt das Gesetz»). Eine vorgängige Genehmigung der vorgesetzten Dienstbehörde darf jedoch nicht verlangt werden. ») Artikel 94 ist durch G. v. 21. Mai 1852 (GS. S. 249) neugesaßt worden. Die ursprüngliche Fassung lautete: „Bei den mit schweren Strafen bedrohten Verbrechen, bei allen politischen Verbrechen und bei allen Preßvergehen, welche da- Gesetz nicht ausdrücklich au-nimmt, erfolgt die Entscheidung über die Schuld deS Angeklagten durch Geschworene. Die Bildung de- Geschworenengericht- regelt da- Gesetz." ») Artikel 95 ist durch d. G. v. 21. Mai 1852 (GS. S. 249) neu gefaßt. In der bisherigen Fassung lautete er: „ES kann durch ein mit vorheriger Zustimmung der Kammern zu erlassende- Gesetz ein besonderer Schwurgericht-Hof errichtet werden, dessen Zuständigkeit die Verbrechen de- Hochverrat- und diejenigen schweren Verbrechen gegen die innere und äußere Sicherheit de- Staat-, welche chm durch da- Gesetz überwiesen werden, begreift. Die Bildung der Geschworenen bei diesem Gerichte regelt da- Gesetz." a) In Ausführung de- Art. 97 ist die Konflikt-erhebung geregelt worden durch die Gesetze vom 13. Febr. 1854 (GS. S. 86) und vom 1. August 1909 (GS. S. 691). Da die Konfliktserhebung jedoch mit dem

Bühler, Staatsrecht.

8

2a]

La.

Die Preußische Bersofiuug vou 1850.

Titel VII. Vou de» uicht zu« Richterftande gehörigen Staatsbeamten,

«rt. 98. Die besonderen Rechtsverhältnisse der nicht zum Richterslande ge­ hörigen Staatsbeamten, einschließlich der Staatsanwälte, sollen durch ein Gesetz geregelt werden, welches, ohne die Regierung in der Wahl der ausführenden Organe zweckwidrig zu beschränken, den Staatsbeamten gegen willkürliche Entziehung von Amt und Einkommen angemessenen Schutz gewährt.

Titel VIII. Von den Finanzen. IStaal-h-aShal»!

Art. 99.

(1) Alle Einnahmen und Ausgaben des Staats müssen für jedes Jahr im voraus veranschlagt und auf den Staatshaushaltsetat ge bracht werden. (2) Letzterer wird jährlich durch ein Gesetz festgestellt. sErhebung vou Steuerns

Art. 100.

Steuern und Abgaben für die Staatskasse dürfen nur, soweit sie in den Staatshaushaltsetat ausgenommen oder durch besondere Gesetze angeordnet sind, erhoben werden.

sSteuerprivilegieus

Art. 101.

(1) In betreff der Steuern können Bevorzugungen nicht eingesührt werden. (2) Die bestehende Steuergesetzgebung wird einer Revision unter­ worfen und dabei jede Bevorzugung abgeschafft.

,Sebllhr«»I

Aki. 102.

Gebühren können Staats- oder Kommunalbeamte nur aus Grund des Gesetzes erheben. [Stea«ealei6Am 1 liche Anmerkungis Bei beabsichtigten Abweichungen von dem im Ältestenrat vereinbarten Geschäftsplan deS Reichstag- hat die betreffende Fraktion möglichst vorher den Präsidenten und die Frak­ tionen zu verständigen (vgl. Drucksache Nr. 6309 und StenBer. der 400. Sitzung, I. Wahlperiode 1920 1924).

- li>3 -

9]

9. Geschäftsordnung für den Reichstag (1922/81).

(Wahlen dnrch allgemeine Zustimmung!

§ 18.

Die Vorstandsmitglieder können, wenn kein Widerspruch erhoben wird, auch durch Zuruf in einem oder in mehreren Wahlgängen ge­ wählt werden.

(Ausgadeu des Präsidenten!

§ 19.

(1) Der Präsident regelt die Geschäfte deS Reichstags. Er hat die Würde und die Rechte des Reichstags zu wahren und seine Arbeiten zu fördern, besonders die Verhandlungen gerecht und unparteiisch zu leiten und die Ordnung im Hause zu handhaben. Er hat beratende Stimme in allen Ausschüssen. (2) Bon ihm oder in seinem Auftrage werden die für die Reichs­ tagsverwaltung erforderlichen Verträge abgeschlossen und die Ausgaben zur Deckung der ReichStagSbedürfnisse innerhalb deS Haushaltsplans zur Zahlung auf die Reichskasse angewiesen. (3) Der Präsident stellt nach den gesetzlichen und allgemeinen Ver­ waltungsvorschriften die planmäßigen Beamten deS Reichstags an und versetzt sie in den Ruhestand. Er hat Lohnangeftellte anzunehmen und zu entlassen. Er bildet die oberste Behörde der Reichstagsbeamten.

(Stellvertreter des Präsidenten!

§ 20.

Der Präsident bestimmt im Einvernehmen mit seinen Stellvertre­ tern die Reihenfolge der Vertretung. Sind Präsident und Stellvertreter gleichzeitig verhindert, so übernimmt der Alterspräsident die Leitung.

(Aufgaben der Schriftführer!

§ 21.

Die Schriftführer unterstützen den Präsidenten; besonder- haben sie die Schriftstücke vorzulesen, die Verhandlungen zu beurkunden, die Red­ nerliste zu führen, die Namen aufzurufen, die Stimmen zu sammeln und zu zählen, die Berichtigung der stenographischen Sitzungsberichte zu überwachen und die äußeren Angelegenheiten des Reichstags nach Wei­ sung des Präsidenten zu besorgen. Der Präsident verteilt die Geschäfte unter sie.

(Stellvertreter der Schriftführers

§ 22.

Sind die gewählten Schriftführer zu einer Sitzung deS Reichstags nicht in ausreichender Zahl erschienen, so ernennt der diensttuende Prä­ sident die Stellvertreter aus den Mitgliedern. (Verhandlungen des Vorstandes!

§ 23.

(1) Einberufung und Leitung deS Vorstandes liegt dem Präsidenten ob. Der Vorstand ist beschlußfähig, wenn die Mehrheit seiner Mitglieder anwesend ist. Die Beschlüsie werden mit einfacher Stimmenmehrheit

9. Geschäftsordnung für den Reichstag (1922/31).

[9

gefaßt, bei Stimmengleichheit gibt die Stimme deö Vorsitzenden den AuSfchlag. (2) über die Verhandlungen des Vorstandes wird eine Urkunde aus­ genommen, die die Namen der Anwesenden, den Gegenstand der Ver­ handlungen, die Beschlüsse und, soweit der Vorstand eS bestimmt, auch die Gründe der Beschlüsse feststellt. Sie wird vom Präsidenten und Schriftführer unterzeichnet.

sAufgabe« des Vorstandes)

§ 24.

Der Vorstand stellt den Entwurf deS Haushaltsplans für den Reichstag fest. Er verfügt über die Verwendung der dem Reichstag vorbehaltenen Räume im ReichstagSgebäude und regelt den Verkehr durch eine Hausordnung. Er beschließt über die Benutzung der Bücher­ sammlung und Akten des Reichstags.

l»üch«r«r«»rsch»ii

§ 25.

Der Präsident beruft in der ersten Tagung nach der Neuwahl deS Reichstags für dessen Dauer neun Mitglieder in den Büchereiausschuß. Die Mitglieder werden von den Fraktionen vorgeschlagen.

5. Ausschüsse. I Ständige Ausschüsse)

§ 26.

(1) Nach den Vorstandswahlen werden zur Vorbereitung der Ver­ handlungen ständige Ausschüsse eingesetzt: 1. für die Wahrung der Rechte der Volksvertretung; 2. für auswärtige Angelegenheiten; 3. für die Geschäftsordnung; 4. für Petitionen; 5. für den Reichshaushalt; 6. für Steuersragen; 7. für Handelspolitik); 8. für Volkswirtschaft; 9. für soziale Angelegenheiten; 10. für BevölkerungSpolitik; 11. für Wohnungswesen; 12. für Bildungswesen; 13. für Rechtspflege; 14. für Beamtenangelegenheiten; 15. für Berkehrsangelegenheiten. (2) Der Reichstag kann auch noch andere ständige Ausschüsse ein­ setzen. M lAmtliche Anmerkung:) Aus Beschluß des Ältestenrats v. 22. Juni 1928 anstatt des Ausschusses für die Rechnungen eingefügt.

9]

veschästSOrdumtg für Heu Reichstag (1922/81).

|6»*>trantoi1fei

§ 27.

Für einzelne Angelegenheiten kann der Reichstag Sonderausschüsse bestellen. fÄiialie»et|^lNrften werden im Benehmen mit dem Zweckverband aufgestellt. Die Holzverwertung erfolgt durch die preußische Forftvervaltung. (4) Weitere Einzelheiten hinsichtlich der Verwaltung der Forsten, der Berechnung und Erhebung der Verwaltungskosten und der Ver­ wertung der Forstanfälle bleiben der Regelung durch ein Übereinkommen zwischen dem Preußischen Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten und der Waldeckischen Domänenkammer bzw. dem Zweckverband vorbehalten. • U. (1) Die im unmittelbaren waldeckischen Staatsdienst und im Dienste deS waldeckischen DomanialvermögenS stehenden Beamten werden unter Wahrung ihres Dienst- und PensionSalterS als preußische un­ mittelbare Staatsbeamte übernommen. (2) Die Rechtsstellung der von Preußen übernommenen Beamten und die der bereits im Ruhestand befindlichen waldeckischen unmittel­ baren Staats- und Domanialbeamten sowie die ihrer Witwen und Waisen bestimmt sich von der Bereinigung ab nach den preußischen Vorschriften. Die Verordnung, betr. die einstweilige Bersetzung der unmittelbaren Staatsbeamten in den Ruhestand, vom 26. Februar 1919 (Gesetzsamml. S 83) mit ihren Abänderungen und Ergänzungen findet jedoch, soweit eS sich nicht um den Landesdirektor und den Präsidenten der Domänenkammer handelt, nur mit der Maßgabe Anwendung, daß

14 a. (Preuß.) Gesetz über die Bereinigung Waldeck» ant Preußen (1928). [14a

Beamte, deren Ämter infolge der Vereinigung wegsallen, nur dann auf Wartegeld gesetzt werden können, wenn sie auf Erfordern ihr Einver­ ständnis mit einer ihrer bisherigen Tätigkeit entsprechenden Beschäftigung tm öffentlichen Dienst außerhalb des Staatsdienstes nicht erklären. (3) Auch bezüglch der Besoldungen, Ruhegehälter, Witwen- und Waisengelder der Volksschullehrpersonen finden die preußischen Be­ stimmungen alsbald Anwendung. Tas gleiche gilt für staatliche Zuschüsse -um Gehalt, -um Ruhegehalt und zur Hinterbliebenendersorgung der Geistlichen. (4) Die nach Abs. 1 übernommenen Beamten erhalten, sofern sie bei der Bereinigung das 60. Lebensjahr überschritten haben, das Recht, im Falle ihrer ersten Versetzung an einen außerhalb DaldeckS belegenen Dienstort binnen eines Monats nach Zugang der Bersetzungsverfügung ihre sofortige Zurruhesetzung unter Zubilligung des erdienten Ruhe­ gehalt- zu fordern. Eine Versetzung kann von Preußen schon vor der Bereinigung mit Wirkung vom Tage derselben verfügt werden. 8 12.

Die in Waldeck bestehenden öffentlich-rechtlichen Kör­ perschaften werden, soweit sie nicht aufgelöst werden, solche des preußischen Landesrechts. 8 13.

(1) Im Gebiete des Freistaats Waldeck treten mit dem 1. April 1932 die int Regierungsbezirk Kassel geltenden preußischen Gesetze, Verordnungen und Bcrwaltungsvorschristen in Kraft und die Waldeckischen Gesetze, Verordnungen und Verwaltungs­ vorschriften außer Kraft, soweit sich nicht aus den §§ 3, 4, 6, 10 und 11 des Vertrags und aus Abs. 2 und 3 dieses Paragraphen etwas an­ deres ergibt. (2) Das Preußische Staatsministcrium kann im Gebiete deS Frei­ staats Waldeck auch schon vor der Vereinigung mit Wirkung von dieser ab durch Verordnung vorhandene preußische Gesetze und von ihm erlassene Verordnungen einführen und waldeckische Gesetze und Verord­ nungen ganz oder teilweise aufheben. ES kann auf dem gleichen Wege einzelne preußische und waldeckische Gesetze und Verordnungen von der Wirkung des Abs. 1 ganz oder teilweise, vorübergehend oder dauernd oder unter Vorbehalt späterer Verordnung auSnehmen. (3) Die Wirkung des Abs. 1 und die Zuständigkeit des Preußischen Staatsminister'lums gemäß Abs. 2 Sutz 1 erstreckt sich nicht auf die folgen­ den Waldeckischen Gesetze: a) diejenigen Staatsgesetze, welche landeskirchliche Angelegenheiten betreffen, b) die Verordnung über die bei Verjährung der Servituten erforder­ liche Zeit vom 18. Februar 1831 (RegBl. S. 9), c) das Gesetz, betreffend die Regelung der Verhältnisse des StiftS

14a] 14a. lPreuß.1 GesetzAber die Sminigmig Waldeck» mit Preußen (1828).

Schaaken, Dom 3. Marz 1880 (RegBl. S. 6) nebst AbänderungSgesetz vom 20. Februar 1893 (RegBl. S. 47), d) da» Gesetz über das Anerbenrecht bei land- und forstwirtschaft­ lichen Besitzungen Dom 27. Dezember 1909 (RegBl. 1910 S. 1), e) da- Gesetz, betreffend die Bermögen-au-einandersetzung -wischen dem Staate Waldeck-Pyrmont und dem Fürstlichen Hause, Dom 8. April 1921 (RegBl. S. 37), f) da- Gesetz über die Gestaltung der RechtSDerhältnisse de- WaldeckPhrmonter Domanialdermögenbei einer staatsrechtlichen Trennung der im Staate Waldeck-Pyrmont bereinigten ehemaligen Fürstentümer Waldeck und Pyrmont Dom 8. April 1921 (RegBl. S. 49). Diese Gesetze können nur im Wege förmlicher Gesetzgebung geändert oder aufgehoben werden. (4) Soweit in den somit nach der Bereinigung in Kraft bleibenden Waldeckischen Gesetzen und Verordnungen die Zuständigkeit Don Waldecki­ schen Stellen (Behörden) Dorgesehen ist, treten mit der Vereinigung die entsprechenden preußischen Stellen (Behörden) ein; erforderlichenfalls geschieht die Anpassung dieser Gesetze und Verordnungen an die Deranderten staatsrechtlichen Verhältnisse durch Verordnung des Preußi­ schen Staatsministeriums. Hl. Preußen wird in Arolsen für die drei Waldeckischen Kreise ein Hochbauamt und eine KreiS kasse , Don der gleichzeitig die Geschäfte einer Forstkasse wahrzunehmen sind, in Torbach, sofern die Stadt Dienst- und Wohnräume zur Verfügung stellt, ein Eichamt und in Arolsen, Torbach und Bad Wildungen je ein K a t a st e r a m 1 solange aufrechterhalten, als nicht Deränderte Umstände eine anderweite Organisation erfordern.

• 15. (1) Da- Lande-gymnasium in Torbach und das Reform» Realgymnasium in Arolsen werden als preußische Staatsanstalten über» nommen und Don Preußen al- solche nach Maßgabe der besonderen Bedingungen, unter denen die Verstaatlichung im Freistaat Waldeck erfolgt ist, aufrechterhallen werden, sofern nicht ein so erhebliche- Nach­ lassen der Schülerzahl erfolgt, daß die Aufrechterhaltung nicht mehr gerechtfertigt werden kann. (2) Die Aufrechterhaltung der städtischen Realschule in Bad Wildüngen wird unter entsprechender Voraussetzung Don Preußen gewähr» leistet; die Zahlung eines angemessenen Bedürfniszuschusses zu dieser Schule wird zugesichert. »16. (1) Die Aufrechterhaltung der in Waldeck Dorhandenen land­ wirtschaftlichen Schulen wird bei einer angemessenen Be-

14 b. IReichö-I Gesetz über die Bereinigung WaldeckS mit Preußen (1928).

[14b

teiligung der Kreise oder Gemeinden an den Kosten entsprechend von Preußen zugesichert. (2) Der Preußische Staat, der Bezirksverband des Regierungsbezirks Kassel und die Landwirtschaftskammer in Kassel sind mit der zunächst versuchsweisen Errichtung einer „Theoretischen Ackerbauschule" in Arolsen oder Mengeringhausen einverstanden und werden sich an den Kosten einer solchen Anstalt, solange ihre Aufrechterhaltung gerechtfertigt werden kann, in dem in Preußen üblichen Umfange beteiligen.

3 17. Die Waldeckischen Kreissparkassen werden nach der Dereinigung an dem in Preußen aus Anlaß der Aufwertung der Spar­ kassenguthaben von 12% auf 15% gebildeten Ausgleichsfonds teilnehmen. § 18. Bon den Kosten einer Regulierung der Eder wird der Preußische Staat die Hälfte bis -um Höchstbetrag von 500 000 Wl — in Buchstaben: fünfhunderttausend Reichsmark — tragen.

8 19. (1) Der Preußische Staat wird die dem Zweckverband zur Last fallende staatliche Grundvermögens st euer während der ersten zehn Jahre nach der Bereinigung außer Hebung lassen bzw. erstatten. (2) Die durch diesen Vertrag oder ;u seiner weiteren Durchführung geschehenden Übereignungen gehen frei von Steuern, Stempeln, Ge­ bühren und Gerichtskosten vor sich. Grundbuchliche Berichtigungen er­ folgen aus Antrag der neuen Eigentümer nach Maßgabe dieses Staats­ vertrags. § 20. Als Tag des Inkrafttretens des die Bereinigung aussprechenden ReichsgesetzeS soll der 1. April 1929 vorgesehen werden. Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten diesen Vertrag unter­ zeichnet und untersiegelt.

14 b. sReichS-sSesetz über die Vereinigung von Walbeck mit Preußen. Dom 7. Dezember 1928 (RSDl. I 6. 401).

Der Reichstag hat das folgende Gesetz beschlossen, das mit Zustimmung des Reichsrats hiermit verkündet wird, nachdem zur Vermeidung von Zweifeln festgestellt ist, dah die Erforder­ nisse verfassungändernder Gesetzgebung erfüllt find:

15a]

15a. |1ti*e.]ema*tieaegh«|e|l -

§1. Das Land Waldeck wird mit dem Lande Preußen vereinigt.

8 2. Infolge der Vereinigung erhalten alle Staatsangehörigen des Lande» Waldeck die preutzifL« Staatsangehörigkeit,- di« waldeckische Staatsangehörigkeit erlischt.

§8. Das Gesetz tritt mit dem 1. April 1929 in Kraft.

15a. [Tteicfjd-] Ermächtigungsgesetz. Dom 13. Oktober 1-23 (RGBl. I 6. -43).

§1. (1) Di« Reichsregierung wird ermächtigt, die Maßnahmen -u treffen, welche sie aus finanziellem, wirtschaftlichem und sozialem Gebiete für er­ forderlich und dringend erachtet. Dabei kann von den Grundrechten der ReichSversassung abgewichen werden. (2) Die Ermächtigung erstreckt sich nicht aus Regelung der ArbeitSzeit und auf Einschränkungen der Renten und Unterstützungen der Ver­ sicherten und Rentenempfänger in der Sozialversicherung sowie der Klein­ rentner und Leistungen auS der Erwerbslosenversicherung. (3) Die erlassenen Verordnungen sind dem Reichstag und dem Reich-rat unverzüglich zur Kenntnis zu bringen. Sie sind auf Verlangen des Reichstags sofort aufzuheben.

82. Dieses Gesetz tritt mit dem Tage der Verkündung in Kraft. ES tritt mit dem Wechsel der derzeitigen Reichsregierung ober ihrer partei­ politischen Zusammensetzung, spätesten- aber am 31. März 1924, außer Kraft.

16. [Reich»-) Gesetz über die Berküubuug m RechtSversrbmmgen (1828).

[16

15b. sReichS-s Ermächtigungsgesetz. Dom 8. Dezember 1923 (RGBl. I S. 1179). §1. (1) Die Reichsregierung wird ermächtigt, die Maßnahmen zu treffen, die sie im Hinblick aus die Rot von Bolk und Reich für erforderlich und dringend erachtet. Line Abweichung von den Vorschriften der Reichsverfaffung ist nicht zulässig. Dor Erlaß der Verordnungen ist ein Aus­ schutz des Reichsrats und ein Ausschuß des Reichstags von 15 Mitgliedern in vertraulicher Beratung zu hören. (2) Die erlassenen Verordnungen sind dem Reichstag und dem Reichsrat unverzüglich zur Kenntnis zu bringen. Sie find aufzuheben, wenn der Reichstag oder der Reichsrat dies verlangt. Im Reichstag find für das Aufhebungsverlangen zwei Lesungen erforderlich, zwischen denen ein Zeitraum von mindestens drei Tagen liegen mutz. (3) Der im Abs. 1 genannte AuSschutz der Reichstags ist ebenso über Anträge zu Verordnungen aus Grund des Gesetzes vorn 13. Oktober 1923 (Reichsgesetzbl. I S. 943) zu hören, soweit der Reichstag dies beschließt.

8 2. Dieses Gesetz tritt mit dem Tage der Verkündung in Kraft. tritt am 15. Febvuar 1924 außer Kraft.

Es

16. [RelchS-s Gesetz über die Verkündung von I^chtsverordnungen. Dom 13. Oktober 1923 (RSDl. I 6.959). (Ort >tr Bttlilelmul

§ 1.

(1) Rechtsverordnungen des Reichs werden im Reichsgesetz­

blatt oder im Reichsministerialblatte (Zentralblatt für das Deutsche Reich) oder im Deutschen Reichsanzeiger verkündet. Di« Verkündung an einer dieser Stellen genügt auch dann, wenn durch frühere Gesetze und Verordnungen eine bestimmte Art der Verkündung vorgeschrieben ist. (2) Für Rechtsverordnungen in Besoldungsangelegenheiten ist die Verkündung im Reichsbesoldungsblatte, für Rechtsverord­ nungen, der Post« und Telegraphenverwaltung die Verkündung in einem Amtsblatt de« Reichspoftministeriums ausreichend. Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend.

16a] Ha. sPrentzs Gesetz 8. b. StrfSnbimg

»echtteererdnungr« (1924).

(3) Verordnungen auf Gründ des Artikel 48 der Reichsoerfafiung können auch in anderer als der im Abf. 1 Satz 1 vor­ gesehenen Weife verkündet werden.

lJnkrasttrrten]

§ 2.

Rechtsverordnungen des Reichs treten, soweit sie nichts anderes bestimmen, mit dem auf di« Verkündung folgenden Tage in Kraft.

ISchlutzbeftiMMN»-«»]

§ 3.

Dieses Gesetz tritt am 1. November 1923 in Kraft. Von diesem Zeitounkt an kann für die Zukunft die Rechtswirksamkeit de« Verkündung von Rechtsverordnungen, die früher in einer dem 8 1 Abf. 1 und 2 entsprechenden Weife erfolgt ist, nicht in Frage gestellt werden.

16 a. [Preus}.] Gesetz über die Verkündung von Rechisverordnungen. Dom S. August 1924 ( stimmte GewerbSzweige beilegen. Der (Eintritt dieser Wirkung ist davon abhängig zu machen, daß der Besitzer des PrüfungSzeugnisieS in dem Ge­ werbe oder in dem Zweige des Gewerbes, in welchem die Anleitung der Lehrlinge erfolgen soll, eine bestimmte, auf nicht mehr als drei Jahre festzusetzende Zeit hindurch persönlich tätig gewesen ist. (7) sDer BundeSrat^) Die Reichsregierung ist befugt, für einzelne Gewerbe nach Anhörung der Handwerkskammern Ausnahmen von den Bestimmungen im Abs. 1 zuzulaffen.

[Bestie» mehrerer Befreite]

§ 129a*1).

(1) Wer für einen gesondert betriebenen Zweig eines Gewerbes den Voraussetzungen des $ 129 entspricht, ist berechtigt, auch in den übrigen Zweigen diese! Gewerbe- Lehrlinge anzuleiten. (2) Wer für ein Gewerbe den Voraussetzungen deS § 129 entspricht, ist berechtigt, auch in den diesem verwandten Gewerben Lehrlinge anzu­ leiten. Welche Gewerbe al- verwandte Gewerbe im Sinne dieser Bestim­ mung anzusehen sind, bestimmt die Handwerkskammer. (3) Dem Unternehmer eine- Betrieb-, in welchem mehrere Gewerbe vereinigt sind, kann die untere Verwaltungsbehörde nach Anhörung der Handwerkskammer die VefugniS erteilen, in allen zu dem Betriebe ver­ einigten Gewerben oder in mehreren dieser Gewerbe Lehrlinge anzuleiten, wenn er für eine- der Gewerbe den Voraussetzungen de! § 129 entspricht. Zu Arbeiten in denjenigen Gewerben seine- Betrieb-, für welche er zur Anleitung von Lehrlingen nicht befugt ist, darf er die Lehrlinge nur in» soweit heranziehen, al- e- dem Zwecke der Ausbildung in ihrem Gewerbe nicht widerspricht.

jAbschrift des Lehrvertrag! für die Jnnnngj

§ 129 b.

(1) Gehört der Lehrherr einer Innung an, so ist er verpflichtet, eine Abschrift deS Lehrvertrag! binnen vierzehn Tagen nach Abschluß desselben der Innung einzureichen; er kann hierzu durch die OrtSpobizeibehörde angehalten werden. (2) Die Innungen können bestimmen, daß der Abschluß de! Lehr« vertrag! vor der Innung erfolgen soll. In diesem Falle ist dem Lehr­ herrn und dem Vater oder Vormunde deS Lehrlinge! eine Abschrift de! Lehrvertrag! auSzuhändigen.

*) Siehe Anm. 1 zu § 16. i) § 129a in der Fassung d. G. v. 30. Mai 1908 (RGBl. S. 356).

46. Gewerbeordnung für das Deutsche Reich (1869).

jVorschrifte« über die Zahl der Lehrliuges

[46

§ 130.

Soweit durch ß)cn Bundesrats) die Reichsregierung oder die Landes­ zentralbehörde auf Grund des § 128 Abs. 2 Vorschriften über die zulässige Zahl von Lehrlingen nicht erlassen sind, ist die Handwerkskammer und die Innung zum Erlasse solcher Vorschriften befugt.

lLehrzeitj

§ 130 a.

(1) Die Lehrzeit soll in der Regel drei Jahre dauern, sie darf den Zeitraum von vier Jahren nicht übersteigen. (2) Bon der Handwerkskammer kann mit Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde die Dauer der Lehrzeit für die einzelnen Gewerbe oder Gewerbszweige nach Anhörung der beteiligten Innungen und der im § 103 a Abs. 3 Ziffer 2 bezeichneten Vereinigungen festgesetzt werden. (3) Die Handwerkskammer ist befugt, Lehrlinge in Einzelfällen von der Innehaltung der festgesetzten Lehrzeit zu entbinden. sGesellenprüfungj

§ 1312).

(1) Den Lehrlingen ist Gelegenheit zu geben, sich nach Ablauf der Lehrzeit der Gesellenprüfung (§ 129 Abs. 1) zu unterziehen. (2) Die Landeszentralbehörden können den Prüfungszeugnissen von Lehrwerkstätten, gewerblichen Unterrichtsanstalten oder von Prüfungs­ behörden, welche vom Staate für einzelne Gewerbe oder zum Nachweise der Befähigung zur Anstellung in staatlichen Betrieben eingesetzt sind, die Wirkung der Zeugnisie über das Bestehen der Gesellenprüfung beilegen. (3) Die Abnahme der Gesellenprüfungen (Abs. 1) erfolgt durch Prü­ fungsausschüsse. Bei jeder Zwangsinnung wird ein Prüfungsausschuß gebildet, bei anderen Innungen nur dann, wenn ihnen die Ermächtigung zur Abnahme der Prüfungen von der Handwerkskammer erteilt ist. So* weit für die Abnahme der Prüfungen für die einzelnen Gewerbe nicht durch Prüfungsausschüsie der Innungen und die im Abs. 2 bezeichneten Lehrwerkstätten, gewerblichen Unterrichtsanstalten und Prüfungsbehörden gesorgt ist, hat die Handwerkskammer die erforderlichen PrüfungSauSschüsie zu errichten.

lPrüfrmgSauSschüffq

§ 131a.

(1) Die PrüfungSauSschüsie bestehen auS einem Vorsitzenden und mindestens zwei Beisitzern. (2) Der Vorsitzende des Prüfungsausschusses wird von der Hand­ werkskammer bestellt. Bon den Beisitzern wird bei dem Prüfungsaus­ schuß einer Innung die Hälfte durch diese, die andere Hälfte auS der

*) Siehe Anm. 1 zu 8 16. ») § 131 in der Fassung d. G. v. 30. Mai 1908 (RGBl. S. 356).

46]

46. Gewerbeordnung für das Deutsche Reich (1869).

Zahl der Gesellen, welche eine Gesellenprüfung bestanden haben, durch den Gesellenausschuß bestellt. Bei den von der Handwerkskammer er­ richteten Prüfungsausschüssen werden auch die Beisitzer von der Hand­ werkskammer bestellt; die Hälfte der Beisitzer muß ans Gesellen bestehen. (3) Die Bestellung der Mitglieder der Prüfungsausschüsse erfolgt in der Regel auf drei Jahre. (4) Während der ersten sechs Jahre nach dem Inkrafttreten dieser Bestimmungen können auch Gesellen (Gehilfen), welche die Gesellenprüfung nicht abgelegt haben, gewählt werden, wenn sie eine" Lehrzeit von mindestens zwei Jahren zurückgelegt haben. sZiel und Gang der Prüfung!

§ 181 b.

(1) Die Prüfung hat den Nachweis zu erbringen, daß der Lehrling die in seinem Gewerbe gebräuchlichen Handgriffe und Fertigkeiten mit ge­ nügender Sicherheit ausübt und sowohl über den Wert, die Beschaffung, Aufbewahrung und Behandlung der zu verarbeitenden Rohmaterialien, als auch über die Kennzeichen ihrer guten oder schlechten Beschaffenheit unterrichtet ist. (2) Im übrigen werden das Verfahren vor dem Prüfungsausschüsse, der Gang der Prüfung und die Höhe der Prüfungsgebühren durch eine Prüfungsordnung geregelt, welche von der höheren Verwaltungsbehörde im Einvernehmen mit der Handwerkskammer erlassen wird. Kommt ein Einvernehmen nicht zustande, so entscheidet die Landeszentralbehörde. (3) Durch die Prüfungsordnung kann bestimmt werden, daß die Prüfung auch in der Buch- und Rechnungsführung zu erfolgen hat. In diesem Falle ist der Prüfungsausschuß befugt, einen besonderen Sachver­ ständigen zuzuziehen, welcher an der Prüfung mit vollem Stimmrechte teilnimmt. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. (4) Die Kosten der Prüfung werden, sofern diese von dem Prü­ fungsausschuß einer Innung abgehalten wird, von letzterer, im übrigen von der Handwerkskammer getragen. Diesen fließen die Prüfungs­ gebühren zu.

,Meldung zur Prüsungl

§ 181c1).

(1) Der Lehrling soll sich nach Ablauf der Lehrzeit der Gesellenprü­ fung unterziehen. Die Innung und der Lehrherr sollen ihn dazu an­ halten. (2) Das Gesuch um Zulassung zur Prüfung hat der Lehrling an den Prüfungsausschuß zu richten. Dem Gesuche sind das Lehrzeugnis (§ 127 c) und, sofern der Prüfling während der Lehrzeit zum Besuch einer Fortbildungs- oder Fachschule verpflichtet war, die Zeugnisse über den Schulbesuch beizufügen. i) § 131 o in der Fassung d. G. v. 30. Mai 1908 (RGBl. S. 356).

— 684 —

46. vewer-eordmm- für da- Deutsche Reich (186V).

[46

(3) Der Prüfungsausschuß Hal das Ergebnis der Prüfung auf dem Lehrzeugnis oder Lehrbriefe zu beurkunden. Wird die Prüfung nicht be­ standen, so hat der Prüfungsausschuß den Zeitraum zu bestimmen, vor dessen Ablaufe di« Prüfung nicht wiederholt werden darf. (4) Die Prüfungszeugnisse sind kosten- und stempelftei.

sBeaustaudung von Beschlüsse« d« PrSf»»--aa»schüff«I

§ 132.

Der Vorsitzende ist berechtigt, Beschlüffe des Prüfungsausschusses mit aufschiebender Wirkung zu beanstanden. Uber die Beanstandung ent­ scheidet die Handwerkskammer (§ 103 e Zifftr 6).

sPrüfuugSdorschrifte«)

§ 132 a.

Die Landeszentralbehörden sind befugt, die Bestellung der PrüfungSausschüsie, das Verfahren bei der Prüfung, die Gegenstände der Prüfung sowie die Prüfungsgebühren abweichend von den Vorschriften der §§ 131 bis 132 zu regeln, dabei darf jedoch hinsichtlich der bei der Prüfung -u stellenden Anforderungen nicht unter das im § 131b Abs. 1 bestimmte Maß herabgegangen werden.

Illa. Meistertitel.

sBerechtig««g ->r Sifrung]

§ 1331).

(1) Den Meistertitel in Verbindung mit der Bezeichnung eines Handwerke- dürfen nur Handwerker führen, welche für diese- Handwerk die Meisterprüfung bestanden und daS vierundzwanzigste Lebensjahr zu­ rückgelegt haben. (2) Die Befugnis zur Führung des Meistertitels m Verbindung mir einer anderen Bezeichnung, die auf eine Tätigkeit im Baugewerbe hin­ weist, insbesondere des Titels Baumeister und Baugewerksmeister, wird durch sden Bundesrats) die Reichsregierung geregelt. Bis zum Jnkrast. treten des BundesratsbeschluffeS darf ein solcher Titel nur dann geführt werden, wenn die Landesregierung über die Befugnis zu seiner Führung Vorschriften erlassen hat, und nur von denjenigen Personen, welche diesen Vorschriften entsprechen. sDer BundeSrat)') Die Reichsregierung kann ferner Vorschriften über die Führung deS Meistertitels in Ver­ bindung mit sonstigen Bezeichnungen erlassen, die auf eine Tätigkeit im Handwerke Hinweisen. (3) Zur Meisterprüfung (Abs. 1) sind in der Regel nur solche Perfönen zuzulassen, welche eine Gesellenprüfung bestanden haben und in dem Gewerbe, für welches sie die Meisterprüfung ablegen wollen, minde­ sten- drei Jahre al- Geselle (Gehilfe) tätig gewesen, oder welche nach t) § 133 to der Fassung d. G. v. 30. Mai 1908 (RGBl. S. 366). *) Siehe Anm. 1 zu 8 16.

46]

46. Gewerbeordnung für Na» Deutsche Reich (1869).

§ 129 Lbs. 6 zur Anleitung von Lehrlingen in diesem Gewerbe befugt sind. Die Abnahme der Prüfung erfolgt durch Prüfungskommissionen, welche auS einem Dorsitzenden und vier Beisitzern bestehen. (4) Die Entscheidung der Prüfungskommission, welche die Zubaflung der Meisterprüfung (Abs. 1) ablehnt, kann binnen zwei Wochen durch Beschwerde bei der höheren Verwaltungsbehörde angefochten werden. Diese hat, bevor sie der Beschwerde stattgibt, die Handwerkskammer zu hören. (6) Die Errichtung der Prüfungskommissionen erfolgt nach Anhörung der Handwerkskammer durch Verfügung der höheren Berwattungs­ behörde, welche auch die Mitglieder ernennt; die Ernennung erfolgt auf drei Jahre. (6) Die Prüfung hat den Nachweis der Befähigung zur selbständi­ gen Ausführung und Kostenberechnung der gewöhnlichen Arbeiten des Gewerbe- sowie der zu dem selbständigen Betriebe desselben sonst not­ wendigen Kenntnisie, insbesondere auch der Buch- und Rechnungs­ führung zu erbringen. (7) Das Verfahren vor der Prüfungskommission, der Gang der Prüfung und die Höhe der Prüfungsgebühren werden durch eine von der Handwerkskammer mit Genehmigung der Landeszentralbehörde zu er* lassende Prüfungsordnung geregelt.

(8) Die Kosten der Prüfungskommissionen fallen der Handwerks­ kammer zur Last, welcher die Prüfungsgebühren zuslietzen.

(9) Die Prüfungszeugnisse sind kosten- und stempel frei. (10) Der Meisterprüfung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen können von der LandeSzentralbehö^e die Prüfungen bei Lehrwerkstätten, gewerblichen Unterrichtsanstatten oder bei Prüfungsbehörden, welche vom Staate für einzelne Gewerbe oder zum Nachweise der Befähigung zur An> stellung in staatlichen Betrieben eingesetzt sind, gleichgestellt werden, sofern bei denselben mindestens die gleichen Anforderungen gestellt werden wie bei den im Abf. 1 vorgesehenen Prüfungen.

IIIb. Verhältnisse der Betriebsbeamten, Werkmeister, Techniker. [««feHUte eaebiauia»fxiftl

§ 133a.

Da» Dienstverhältnis der von Gewerbeunternehmern gegen feste Bezüge beschäftigten Personen, welche nicht lediglich vorübergehend mit der Leitung oder Beaufsichtigung deS Betriebs oder einer Abteilung des­ selben beauftragt (BetriebSbeamte, Werkmeister und ähnliche Angestellte) oder mit höheren technischen Dienstleistungen betraut sind (Maschinen­ techniker, Vautechniker, Schemiker, Zeichner und dergleichen), kann, wenn nicht etwas anderes verabredet ist, von jedem Teile mit Ablauf jedes

46. Severbeordnuug für da- Deutsche Reich (1868).

[46

Kalendervierteljahrs nach sechs Wochen vorher erklärter Aufkündigung aufgehoben werdens.

fvertragliche KüudiguugSfristeuj

§ 133aa.

(1) Wird durch Vertrag eine kürzere oder längere Kündigungsfrist bedangen, so mutz sie für beide Teile gleich sein; sie darf nicht weniger als einen Monat betragen. (2) Die Kündigung kann nur für den Schluß eines Kalendermonats zugeiassen werden. (3) Die Vorschriften deS Abs. 1 finden auch in dem Falle An­ wendung, wenn das Dienstverhältnis für bestimmte Zeit mit der Ver­ einbarung eingegangen wird, daß eS in Ermangelung einer vor dem Ab­ laufe der Dertragszeit erfolgten Kündigung alS verlängert gelten soll. (4) Eine Vereinbarung, die diesen Vorschriften zuwiderläust, ist nichtig.

(Ausnahme»)

§ 133 ab.

(1) Die Vorschriften deS § 133aa finden keine Anwendung, wenn der Angestellte ein Gehalt von mindestens fünftausend Mark für das Jahr bezieht. (2) Sie bleiben ferner außer Anwendung, wenn der Angestellte für eine außereuropäische Niederlassung angenommen ist und nach dem Ver­ trage der Arbeitgeber für den Fall, daß er daS Dienstverhältnis kündigt, die Kosten der Rückreise des Angestellten zu tragen hat.

(«u Wislawfttat']

§ 133 ac.

Wird ein Angestellter nur zur vorübergehenden Aushilfe genommen, so finden die Vorschriften W § 133aa keine Anwendung, eS sei denn, daß daS Dienstverhältnis über die Zeit von drei Monaten hinaus fortgesetzt wird. Die Kündigungsfrist muß jedoch auch in einem solchen Falle für beide Teile gleich sein. (Fristlose Kündigung)

§ 133 b.

Jeder der beiden Teile kann vor Ablauf der vertragsmäßigen Zeit und ohne Innehaltung einer Kündigungsfrist die Aufhebung deS Dienst­ verhältnisses verlangen, wenn ein wichtiger, nach den Umständen deS Falles die Aufhebung rechtfertigender Grund vorliegt.

(Kündigung-gründe der Arbeitgeber)

§ 133 C.

(1) Gegenüber den im § 133a bezeichneten Personen kann die Auf­ hebung deS Dienstverhältnisses insbesondere verlangt werden:

i) Siehe hierzu daS Gesetz über die Fristen für die Kündigung von Angestellten v. 9. Juli 1926 (RGBl. I S. 399).

46]

46. vrwerbesrdmm- für bal Deutsche Reich (1869).

1. wenn sie beim Abschlüsse deS Dienstvertrags den Arbeitgeber durch Borbringung falscher oder verfälschter Zeugnisse hintergangen oder ihn über das Bestehen eine- anderen, sie gleichzeitig verpflichtenden Dienstverhältnisses in einen Irrtum versetzt haben; 2. wenn sie im Dienste untreu sind oder daS Vertrauen mißbrauchen; 3. wenn sie ihren Dienst unbefugt verlassen oder den nach dem DienstVertrag ihnen obliegenden Verpflichtungen nachzukommen, beharr­ lich verweigern; 4. wenn sie durch anhaltende Krankheit oder durch eine längere Frei­ heitsstrafe oder Abwesenheit an der Verrichtung ihrer Dienste ver­ hindert werden; 5. wenn sie sich Tätlichkeiten oder Ehrverletzungen gegen den Arbeit­ geber oder feinen Vertreter zuschulden kommen lassen; 6. wenn sie sich einem unsittlichen Lebenswandel ergeben. (2) In dem Falle zu 4 bleibt der Anspruch auf die vertragsmäßigen Leistungen deS Arbeitgebers für die Dauer von sechs Wochen in Kraft, wenn die Verrichtung der Dienste durch unverschuldetes Unglück ver­ hindert worden ist. Jedoch mindern sich die Ansprüche in diesem Falle um denjenigen Betrag, welcher dem Berechtigten aus einer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung bestehenden Krankenversicherung oder Unfall­ versicherung -ukommt.

lKüudigungSgrüube der Arbeitnehmer)

§ 183 d.

Die im § 133a bezeichneten Personen können die Auflösung des Dienstverhältnisses insbesondere verlangen: 1. wenn der Arbeitgeber oder seine Vertreter sich Tätlichkeiten oder Ehrverletzungen gegen sie zuschulden kommen lassen; 2. wenn der Arbeitgeber die vertragsmäßigen Leistungen nicht ge­ währt; 3. wenn bei Fortsetzung deS Dienstverhältnisses ihr Leben oder ihre Gesundheit einer erweislichen Gefahr ausgesetzt sein würde, welche bei Eingehung deS Dienstverhältnisses nicht zu erkennen war.

lSchabeu-erfatzpfUchtj

§ 133 e.

Auf die im § 133 a bezeichneten Personen finden die Bestimmungen der §§ 124 b und 125 Anwendung, dagegen nicht die Bestimmungen deS § 119 a.

§ 183t (1) Eine Vereinbarung -wischen dem Gewerbeunternehmer und einem der im § 133a bezeichneten Angestellten, durch die der Angestellte für die Zeit nach der Beendigung deS Dienstverhältnisses in seiner ge­ werblichen Tätigkeit beschränkt wird, ist für den Angestellten nur inso­ weit verbindlich, als die Beschränkung nach Zeit, Ort und Gegenstand

(44

46. Sewerbeorbttuu- für da» Deutsche «eich (1666).

nicht di« Grenzen überschreitet, durch welche eine unbillige Erschwerung seines Fortkommens ausgeschloffen wird. (2) Die Vereinbarung ist nichtig, wenn der Angestellte zur Zeit deAbschluffes minderjährig ist.

IV. Besondere Bestimmungen für Betriebe, in denen in der Regel mindestens zehn Arbeiter beschäftigt werde n1). sAuweuduu-Sbereichj § 133g. Die Bestimmungen der §§ 133 h bis 139 aa finden Anwendung auf Gesellen, Gehilfen, Lehrlinge und sonstige gewerbliche Arbeiter mit Aus­ nahme der Betriebsbeamten, Werkmeister, Techniker (§§ 133 a bis 133 f).

A. Bestimmungen für Betriebe, l* denen in der Regel «iudeftenzwauzig Arbeiter beschSstigt werde«. sAllgemeiueSj § 133h. Auf Betriebe, in denen in der Regel mindesten- zwanzig Arbeiter beschäftigt werden, finden die nachfolgenden Bestimmungen der §§ 134 bis 134 h Anwendung. Dies gilt für Betriebe, in denen regelmäßig zu gewiffen Zeiten des Jahre- ein vermehrtes Arbeit-bedürfnis eintritt, schon dann, wenn zu diesen Zeiten mindestens zwanzig Arbeiter be­ schäftigt werden.

sLohnverwirkun-I § 134*). (1) Den Unternehmern ist untersagt, für den Fall der rechts­ widrigen Auflösung deS ArbeitSverhältniffeS durch den Arbeiter die Ver­ wirkung des rückständigen Lohne- über den Betrag deS durchschnittlichen Wochenlohns hinaus auszubedingen. Auf die Arbeitgeber und Arbeiter m solchen Betrieben finden die Bestimmungen deS § 124b keine An­ wendung. (2) Den Arbeitern ist bei der regelmäßigen Lohnzahlung ein schristlicher Beleg (Lohnzettel, Lohntüte, Lohnbuch usw.) über den Betrag des verdienten Lohne- und der einzelnen Arten der vorgenommenen Ab­ züge auszuhändigen. sArbeitSardnuug, H 134 a—g.]

[Mfoemiatf]

§ 134a.

(1) Für jeden Betrieb ist innerhalb vier Wochen nach Inkraft­ treten dieses Gesetzes oder nach der Eröffnung des Betrieb- eine Ar* *) Abschnitt IV in der Fassung d. G. v. 28. Dez. 1908 (RGBl. S. 667). ») § 134 Abs. 2 in der Fassung d. G. v. 27. Dez. 1911 (RGBl. 1912 S. 139).

Bühier, StaatSrecht.

44

4t]

46. •ttoerlttrbmmg für bei Dentsche Reich (1869).

beitSordnung -u erlassen. Für die einzelnen Abteilungen des Betrieb­ oder für die einzelnen Gruppen der Arbeiter können besondere Arbeits­ ordnungen erlassen werden. Der Erlaß erfolgt durch AuShang (§ 134 e Abs. 2). (2) Die Arbeitsordnung muß den Zeitpunkt, mit welchem sie in Wirksamkeit treten soll, angeben und von demjenigen, welcher sie erläßt, unter Angabe deS Datum- unterzeichnet sein. (3) Abänderungen ihre- Inhalt- können nur durch den Erlaß von Nachträgen oder in der Weise erfolgen, daß an Stelle der bestehenden eine neue Arbeit-ordnung erlassen wird. (4) Die Arbeit-ordnungen und Nachträge zu denselben treten frühe­ sten- zwei Wochen nach ihrem Erlaß in Geltung.

I3«5«U]

§ 134b.

(1) Die Arbeitsordnung muß Bestimmungen enthalten: 1. über Anfang und Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit, sowie der für die erwachsenen Arbeiter vorgesehenen Pausen; 2. über Zeit und Art der Abrechnung und Lohnzahlung mit der Maßgabe, daß die regelmäßige Lohnzahlung nicht am Sonntage stattfinden darf. Ausnahmen können von der unteren Verwal­ tungsbehörde zugelassen werden; 3. sofern e- nicht bei den gesetzlichen Bestimmungen bewenden soll, über die Frist der zulässigen Aufkündigung sowie über die Gründe, au- welchen die Entlassung und der Austritt au- der Arbeit ohne Aufkündigung erfolgen darf; 4. sofern Strafen vorgesehen werden, über die Art und Höhe der­ selben, über die Art ihrer Festsetzung und, wenn sie in Geld be­ stehen, über deren Einziehung und über den Zweck, für welchen sie verwendet werden sollen; 5. sofern die Verwirkung von Lohnbeträgen nach Maßgabe der Bestimmung deS § 134 Abs. 1 durch Arbeit-ordnung oder ArbeitSvertrag ausbedungen wird, über die Verwendung der verwirkten Beträge. (2) Strafbestimmungen, welche da- Ehrgefühl oder die guten Sitten verletzen, dürfen in die Arbeit-ordnung nicht ausgenommen werden. Geldstrafen dürfen die Hälfte deS durchschnittlichen TagesarbeitSverdiensteS nicht übersteigen; jedoch können Tätlichkeiten gegen Mitarbeiter, erhebliche Verstöße gegen die guten Sitten sowie gegen die zur Aufrecht­ haltung der Ordnung de- Betrieb-, zur Sicherung eine- gefahrlosen Betrieb- oder zur Durchführung der Bestimmungen der Gewerbeordnung erlassenen Vorschriften mit Geldstrafen bi- zum vollen Betrage deS durchschnittlichen Tage-arbeitSverdienste- belegt werden. Alle Strafgelder müssen zum Besten der Arbeiter deS Betrieb- verwendet werden. DaS Recht deS Arbeitgebers, Schadensersatz zu fordern, wird durch diese Be­ stimmung nicht berührt.

46. vewerteordnnng für da- Deutsche Reich (1866).

14«

(3) Dem Betriebsinhaber bleibt überlassen, neben den im Abs. 1 unter 1 bis 5 bezeichneten, noch weitere die Ordnung des Betriebs und das Verhalten der Arbeiter im Betriebe betreffende Bestimmungen in die Arbeitsordnung aufzunehmen. Mit Zustimmung eines ständigen Arbeiterausschusses können in die Arbeitsordnung Vorschriften über das Verhalten der Arbeiter bei Benutzung der zu ihrem Besten getroffenen mit dem Betriebe verbundenen Einrichtungen sowie Vorschriften über das Verhalten der minderjährigen Arbeiter außerhalb des Betriebs aus­ genommen werden.

[Ver»i»dlichkeit[

§ 134 C.

(1) Der Inhalt der Arbeitsordnung ist, soweit er den Gesetzen nicht zuwiderläuft, für die Arbeitgeber und Arbeiter rechtsverbindlich. (2) Andere als die in der Arbeitsordnung oder in den §§ 123 und 124 vorgesehenen Gründe der Entlastung und des Austritts auS der Arbeit dürfen im ArbeitSvertrage nicht vereinbart werden. Andere als die in der Arbeitsordnung vorgesehenen Strafen dürfen über den Arbeiter nicht verhängt werden. Die Strafen müssen ohne Verzug fest­ gesetzt und dem Arbeiter zur Kenntnis gebracht werden. (3) Die verhängten Geldstrafen sind in ein Verzeichnis einzutragen, welches den Namen des Bestraften, den Tag der Bestrafung sowie den Grund und die Höhe der Strafe ergeben und aus Erfordern dem im § 139 b bezeichneten Beamten jederzeit zur Einsicht vorgelegt werden muß.

§134(1. (Gestrichen durch § 104 Ziff. V deS Betriebsrätegesetzes vom 4. Fe­ bruar 1920 (RGBl. S. 147).]

(Bekanntgabe]

§ 134 e1).

(1) Die Arbeitsordnung sowie jeder Nachtrag zu derselben ist binnen drei Tagen nach dem Erlaß in zwei Ausfertigungen der unteren Ver­ waltungsbehörde einzureichen. (2) Die Arbeitsordnung ist an geeigneter, allen beteiligten Arbeitern zugänglicher Stelle auSzuhängen. Der AuShang muß stets in lesbarem Zustande erhalten werden. Die Arbeitsordnung ist jedem Arbeiter bei seinem Eintritt in die Beschäftigung zu behändigen.

[Sei S»rschrif«wi»eigleii[

§ 134 k.

(1) Arbeitsordnungen und Nachträge zu denselben, welche nicht vor­ schriftsmäßig erlassen sind, oder deren Inhalt den gesetzlichen Bestimmungen zuwiderläust, sind aus Anordnung der unteren BerwaltungSi) § 134 e in der Fassung 4. Febr. 1920 (RGBl. S. 147).

deS § 104

deS BetriebSrätegefetzeS v. 44*

46]

46. Vewerresrdmm- für da» Deutsche Reich (1866).

behörde durch gesetzmäßige Arbeitsordnungen zu ersetzen oder den gesetz­ lichen Vorschriften entsprechend abzuändern. (2) Gegen diese Anordnung sinket binnen zwei Wochen die Be­ schwerde an die höhere Verwaltungsbehörde statt.

lklber-auK-vorschristj

§ 134 g.

Arbeit-ordnungen, welche vor dem Jnkrasttreten dieses Gesetzes er­ lassen worden find, unterliegen den Bestimmungen der §§ 134 a biS 134 c, 134 e Abs. 2 und des § 134f und sind binnen vier Wochen der unteren Verwaltungsbehörde in zwei Ausfertigungen einzureichen. Auf spätere Abänderungen dieser Arbeitsordnungen und auf die seit dem 1. Januar 1891 erstmalig erlassenen Arbeitsordnungen finden die §§ 134 d und 134 e Abs. 1 Anwendung.

§ 134h. (Gestrichen durch § 104 Ziff. V des Betriebsrätegesetzes vom 4. Fe­ bruar 1920 (RGBl. S. 147).]

B. Befti»«»«ge» für alle Betriebe, in bene» in der Regel mindestens -eh« Arbeiter beschäftigt werde« [H 1341—139 aa].

[WSgemcivH]

§ 134L

Auf Betriebe, in denen in der Regel mindesten- zehn Arbeiter be­ schäftigt werden, finden, unbeschadet deS § 133 b, die nachfolgenden Be­ stimmungen der §§ 135 bis 139aa Anwendung. Die- gilt für Betriebe, in denen regelmäßig zu gewissen Zeiten deS Jahre- ein vermehrtes ArbeitsbedürfniS eintritt, schon dann, wenn zu diesen Zeiten mindestens zehn Arbeiter beschäftigt werden.

sveschSstiguag da» Äiebete]

§ 135.

(1) Kinder unter dreizehn Jahren dürfen nicht beschäftigt werden. Kinder über dreizehn Jahre dürfen nur beschäftigt werden, wenn sie nicht mehr zum Besuche der Volksschule verpflichtet sind. (2) Die Beschäftigung von Kindern unter vierzehn Jahren darf die Dauer von sechs Stunden täglich nicht überschreiten. (3) Junge Leute zwischen vierzehn und sechzehn Jahren dürfen nicht länger als zehn Stunden täglich beschäftigt werden.

sArbeit-ftLube» Jugendlicher]

§ 186.

(1) Die Arbeitsstunden der jugendlichen Arbeiter (§ 135) dürfen nicht vor sechs Uhr morgens beginnen und nicht über acht Uhr abends dauern. Zwischen den Arbeitsstunden müssen an jedem Arbeits­ tage regelmäßige Pausen gewährt werden. Für jugendliche Arbeiter, welche nur sechs Stunden täglich beschäftigt werden, muß die Pause mindesten- eine halbe Stunde betragen. Den übrigen jugendlichen

46/Geverbesrdmm- für das Deutsche Reich (1869).

[46

Arbeitern muß mindestens mittags eine einstündige sowie vormittags und nachmittags je eine halbstündige Pause gewährt werden. Eine Bor- und Nachmittagspause braucht nicht gewährt zu werden, sofern die jugendlichen Arbeiter täglich nicht länger als acht Stunden beschäftigt werden, und die Dauer ihrer durch eine Pause nicht unterbrochenen Arbeitszeit am Bor- und Nachmittage je vier Stunden nicht übersteigt. (2) Während der Pausen darf den jugendlichen Arbeitern eine Be­ schäftigung im Betrieb überhaupt nicht und der Aufenthalt in den Arbeitsräumen nur dann gestaltet werden, wenn in denselben diejenigen Teile des Betriebs, in welchen jugendliche Arbeiter beschäftigt sind, für die Zeit der Pausen völlig eingestellt werden oder wenn der Aufenthalt im Freien nicht tunlich und andere geeignete Aufenthaltsräume ohne unverhältnismäßige Schwierigkeiten nicht beschafft werden können. (3) Nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit ist den jugendlichen Arbeitern eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden zu gewähren. (4) An Sonn- und Festtagen sowie während der von dem ordent­ lichen Seelsorger für den Katechumenen- und Konfirmanden-, Beichtund Kommunionunterricht bestimmten Stunden dürfen jugendliche Ar­ beiter nicht beschäftigt werden.

sArbetteriuueu]

§ 137.

(1) Arbeiterinnen dürfen nicht in der Nachtzeit von acht Uhr abendbis sechs Uhr morgens und am Sonnabend sowie an Vorabenden der Festtage nicht nach fünf Uhr nachmittags beschäftigt werden. (2) Die Beschäftigung von Arbeiterinnen darf die Dauer von zehn Stunden täglich, an den Vorabenden der Sonn- und Festtage von acht Stunden, nicht überschreiten. (3) Zwischen den Arbeitsstunden muß den Arbeiterinnen eine min­ destens einstündige Mittagspause gewährt werden.

(4) Nach Beendigung der täglichen Arbeit-zeit ist den Arbeiterinnen eine ununterbrochene Ruhezeit von mindesten- elf Stunden zu gewähren.

(5) Arbeiterinnen, welche ein Hauswesen zu besorgen haben, sind auf ihren Antrag eine halbe Stunde vor der Mittag-pause zu entlassen, sofern diese nicht mindesten- ein und eine halbe Stunde beträgt. (6) (Gestrichen durch das Gesetz vom 16. Juli 1927 (RGBl. S. 184).] (7) Arbeiterinnen dürfen nicht in Kokereien und nicht zum Trans­ porte von Materialien bei Bauten aller Art verwendet werden.

sAr-eU außerhalb bei Betriebs]

§ 137 L.

(1) Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern darf für die Tage, an welchen sie in dem Betriebe die gesetzlich zulässige Arbeitszeit hin-

46]

46. GewerHesrduuug für bal Deutsche «eich (1869).

durch beschäftigt waren, Arbeit zur Verrichtung außerhalb des Betriebs vom Arbeitgeber überhaupt nicht übertragen oder für Rechnung Dritter überwiesen werden. (2) Für die Tage, an welchen die Arbeiterinnen oder jugendlichen Arbeiter in dem Betriebe kürzere Zeit beschäftigt waren, ist diese Über­ tragung oder Überweisung nur in dem Umfange zulässig, in welchem DurchschnittSarbeiter ihrer Art die Arbeit voraussichtlich in dem Betriebe während des Restes der gesetzlich zulässigen Arbeit-zeit würden Herstellen können, und für Sonn- und Festtage überhaupt nicht. (3) Bei Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen des Abs. 2 kann die zuständige Polizeibehörde aus Antrag oder nach Anhörung deS zuständigen Gewerbeaufsichtsbeamten (§ 139b) im Wege der Verfügung für einzelne Betriebe die Übertragung oder Überweisung solcher Arbeit entsprechend den Bestimmungen deS Abs. 2 beschränken oder von beson­ deren Bedingungen abhängig machen. Bor Erlaß solcher Verfügungen hat der Gewerbeaufsichtsbeamte beteiligten Arbeitgebern und Arbeitern, wo ständige ArbeiterauSschüsie (§ 134 h) bestehen, diesen Gelegenheit zu geben, sich zu äußern. (4) Gegen die Verfügung der Polizeibehörde steht dem Gewerbe­ unternehmer binnen -Wei Wochen die Beschwerde an die höhere Ver­ waltungsbehörde zu. Gegen die Entscheidung der höheren Verwaltungs­ behörde ist binnen vier Wochen die Beschwerde an die Zentralbehörde zulässig; diese entscheidet endgültig.

lArr-eigepfUcht]

§ 138.

(1) Sollen Arbeiterinnen oder jugendliche Arbeiter beschäftigt wer­ den, so hat der Arbeitgeber vor dem Beginne der Beschäftigung der OrtSpoli-eibehörde eine schriftliche Anzeige zu machen. In der Anzeige sind der Betrieb, die Wochentage, an welchen die Beschäftigung statt­ finden soll, Beginn und Ende der Arbeitszeit und der Pausen sowie die Art der Beschäftigung anzugeben. Eine Änderung hierin darf, ab­ gesehen von Verschiebungen, welche durch Ersetzung behinderter Arbeiter für einzelne Arbeitsschichten notwendig werden, nicht erfolgen, bevor eine entsprechende weitere Anzeige der Behörde gemacht ist. (2) In jedem Betriebe hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, daß in denjenigen Räumen, in welchen jugendliche Arbeiter beschäftigt werden, an einer in die Augen fallenden Stelle ein Verzeichnis der jugendlichen Arbeiter unter Angabe ihrer Arbeitstage sowie des Beginn- und Endes ihrer Arbeit-zeit und der Pausen auSgehängt ist. Ebenso hat er dafür zu sorgen, daß tn den betreffenden Räumen eine Tafel auSgehängt ist, welche in der von der Zentralbehörde zu bestimmenden Fassung und in deutlicher Schrift einen AuSzug auS den Bestimmungen über die Be­ schäftigung der Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeiter enthält.

4®. vewerberrduun- für da» Deutsche Reich (1868).

sAuSuahmeuj

[46

§ 138 a.

(1) Wegen außergewöhnlicher Häufung der Arbeit kann auf Antrag des Arbeitgeber- die untere Verwaltungsbehörde auf die Dauer von zwei Wochen die Beschäftigung von Arbeiterinnen über sechzehn Jahre bis neun Uhr abends an den Wochentagen außer Sonnabend unter der Voraussetzung gestatten, daß die tägliche Arbeitszeit zwölf Stunden nicht überschreitet und die zu gewährende ununterbrochene Ruhezeit nicht weniger als zehn Stunden beträgt. Innerhalb eine- Kalenderjahrs darf die Erlaubnis einem Arbeitgeber für seinen Betrieb oder für eine Ab­ teilung seines Betriebs für mehr als vierzig Tage nicht erteilt werden. (2) Für eine zwei Wochen überschreitende Dauer kann die gleiche Erlaubnis nur von der höheren Verwaltungsbehörde und auch von dieser für mehr als vierzig Tage, jedoch nicht für mehr al- fünfzig Tage im Jahre nur dann erteilt werden, wenn die Arbeitszeit für den Betrieb oder die betreffende Abteilung des Betriebs so geregelt wird, daß die tägliche Dauer im Durchschnitte der BetriebStage deS Jahres die regelmäßige gesetzliche Arbeit-zeit nicht überschreitet. (3) Der Antrag ist schriftlich zu stellen und muß den Grund, auS welchem die Erlaubnis beantragt wird, die Zahl der in Betracht kommenden Arbeiterinnen, da- Maß der längeren Beschäftigung sowie den Zeitraum angeben, für welchen dieselbe stattfinden soll. Der Bescheid der unteren Verwaltungsbehörde auf den Antrag ist binnen drei Tagen schriftlich zu erteilen. Gegen die Versagung der Erlaubnis steht die Be­ schwerde an die vorgesetzte Behörde zu. (4) Die untere Verwaltungsbehörde hat über die Fälle, in welchen die Erlaubnis erteilt worden ist, ein Verzeichnis zu führen, in welches der Name deS Arbeitgeber- und die für den schriftlichen Antrag vor­ geschriebenen Angaben einzutragen sind. (5) Die untere Verwaltungsbehörde kann die Beschäftigung von Arbeiterinnen über sechzehn Jahre, welche kein Hau-wesen zu besorgen haben und eine Fortbildungsschule nicht besuchen, bei den im § 105 c Abs. 1 unter Ziffer 3 und 4 bezeichneten Arbeiten an Sonnabenden und Vorabenden von Festtagen nachmittags nach fünf Uhr, jedoch nicht über acht Uhr abends hinaus, unter der Voraussetzung gestatten, daß diese Arbeiterinnen am folgenden Sonn- oder Festtage arbeitsfrei bleiben. Die Erlaubnis ist schriftlich zu erteilen. Eine Abschrift derselben ist in denjenigen Räumen, in welchen die Arbeiterinnen beschäftigt werden, an einer in die Augen fallenden Stelle au-zuhängen.

lLr,u,lIchk.it«fLLeI

§ ISS.

(1) Wenn Naturereignisse oder Unglücksfälle den regelmäßigen Betrieb einer Anlage unterbrochen haben, so können Ausnahmen von den im § 135 Abs. 2, 3, in § 136, § 137 Abs. 1 bis 4 vorgesehenen Be­ schränkungen auf die Dauer von vier Wochen durch die höhere Ver-

46]

41. Gewerdesrdium- für Ul Deutsche Reich (186t).

waltungSbehörde, auf längere Zeit durch den (Reichskanzlers) zuständi­ gen Reich-minister zugelassen werden. In dringenden Fällen solcher Art sowie zur Verhütung von UnglückSsällen kann die untere Ver­ waltungsbehörde, jedoch höchstens auf die Dauer von vierzehn Tagen, solche Su-nahmen gestatten. (2) Denn die Natur des Betriebs oder Rücksichten auf die Arbeiter in einzelnen Anlagen es erwünscht erscheinen lasten, daß die Arbeitszeit der Arbeiterinnen oder jugendlichen Arbeiter in einer anderen als der durch 8 136 Lbs. 1, 2, 4, § 137 Abs. 1, 8 vorgesehenen Weise geregelt wird, so kann aus besonderen Antrag eine anderweile Regelung hinsicht­ lich der Pausen durch die höhere Verwaltungsbehörde, im übrigen durch den flieichSkanzler^) zuständigen Reichsminister gestattet werden. Jedoch dürfen in solchen Fällen die jugendlichen Arbeiter nicht länger als sechs Stunden beschäftigt werden, wenn zwischen den Arbeitsstunden nicht Pausen von zusammen mindesten- einstündiger Dauer gewährt werden. (3) Die auf Grund vorstehender Bestimmungen zu treffenden Ver­ fügungen müssen schriftlich erlassen werden. Bor Erlaß von Ver­ fügungen auf Grund de- Abs. 2 ist den Arbeitern und, wo ständige ArbeiterauSschüsse aus Grund reichsgesetzlicher oder landesgesetzlicher Vorschriften bestehen, diesen Gelegenheit zu geben, sich gutachtlich zu äußern.

iJuremdliche und Arbeiteriuneus

§ 139 a.

(1) (Der BundeSrat^) Die Reichsregierung ist ermächtigt: 1. die Verwendung von Arbeiterinnen sowie von jugendlichen Ar­ beitern für gewisse Gewerbezweige, die mit besonderen Gefahren für Gesundheit oder Sittlichkeit verbunden sind, gänzlich zu unter­ sagen oder von besonderen Bedingungen abhängig zu machen; 2. für Anlagen, die mit ununterbrochenem Feuer betrieben werden, oder die sonst durch die Art deS Betriebs auf eine regelmäßige Tag- und Nachtarbeit angewiesen sind sowie für solche Anlagen, deren Betrieb eine Einteilung in regelmäßige Arbeitsschichten von gleicher Dauer nicht gestattet oder seiner Natur nach aus bestimmte Jahreszeiten beschränkt ist, Ausnahmen von den im § 135 Abs. 2, 3, g 136, § 137 Abs. 1 bis 3 vorgesehenen Bestimmungen zuzu­ lassen, soweit 8 136 Abs. 3 in Betracht kommt, jedoch nur für männliche jugendliche Arbeiter; 3. für gewisse Gewerbezweige, soweit die Natur de- Betriebs oder die Rücksicht auf die Arbeiter eS erwünscht erscheinen lassen, die Abkürzung oder den Wegfall der für jugendliche Arbeiter vor» geschriebenen Pausen zu gestalten;

*) Siehe Anmerkung 1 zu § 104 i. *) Siehe Anm. 1 zu 8 16.

46. Skwerdeordium- für da- Deutsche Reich (1869).

s4G

4. für Gewerbezweige, in denen regelmäßig zu gewissen Zeilen deS Jahres ein vermehrtes Arbeitsbedürfnis eintritt, auf höchstenvierzig Tage im Kalenderjahr Ausnahmen von den Bestim­ mungen des § 137 Abs. 1, 2, 4 mit der Maßgabe zuzulassen, daß die tägliche Arbeitszeit zwölf Stunden, an Sonnabenden acht Stunden nicht überschreitet, und die zu gewährende ununter­ brochene Ruhezeit nicht weniger als zehn Stunden beträgt. In der ununterbrochenen Ruhezeit müssen die Stunden zwischen zehn Uhr abends und fünf Uhr morgen- liegen; 5. für Gewerbezweige, in denen die Verrichtung der Nachtarbeit zur Verhütung des Verderbens von Rohstoffen oder des Mißlingenvon Arbeit-erzeugnissen dringend erforderlich erscheint, Ausnahmen von den Bestimmungen de- § 137 Abf. 1 bi- 4 mit der Maßgabe zuzulassen, daß die ununterbrochene Ruhezeit an höchsten- sechzig Tagen im Kalenderjahre bis auf achteinhalb Stunden täglich her­ abgesetzt werden darf. (2) In den Fällen zu 2 darf die Dauer der wöchentlichen Arbeit-» zeit für Kinder sech-unddreißig Stunden, für junge Leute sechzig, für Arbeiterinnen achtundfünfzig Stunden nicht überschreiten. Die Nacht­ arbeit darf in vierundzwanzig Stunden die Dauer von zehn Stunden nicht überschreiten und muß in jeder Schicht durch eine oder mehrere Pausen in der Gesamtdauer von mindestens einer Stunde unterbrochen sein. Die Tagschichten und Nachtschichten müssen wöchentlich wechseln. (3) In den Fällen zu 3 dürfen die jugendlichen Arbeiter nicht länger als sechs Stunden beschäftigt werden, wenn zwischen den Arbeitsstunden nicht eine oder mehrere Pausen von zusammen mindesten- einstündiger Dauer gewährt werden. (4) In den Fällen zu 4 darf die Erlaubnis zur Überarbeit für mehr al- vierzig Tage, jedoch nicht für mehr al- fünfzig Tage dann erteilt werden, wenn die Arbeitszeit in der Weise geregelt wird, daß ihre tägliche Dauer im Durchschnitte der Betriebslage des Jahres die regel­ mäßige gesetzliche Arbeitszeit nicht überschreitet. (5) Die durch Beschluß sdeS Bunde-rat-s*) der Reich-regierung ge­ troffenen Bestimmungen find zeitlich zu begrenzen und können auch für bestimmte Bezirke erlassen werden. Sie sind durch da- Reich-gesetzblatt zu veröffentlichen und dem Reichstage bei seinem nächsten Zusammen­ tritte zur Kenntnisnahme vorzulegen.

sAllgemeine Vorschriften!

§ 139 a a.

Auf die Arbeiter in den unter Abschnitt IV fallenden Betrieben finden im übrigen die Bestimmungen der §§ 121 bis 125 oder, wenn sie als Lehrlinge anzusehen sind, die Bestimmungen der §§ 126 bi- 128 Anwendung.

9 Siehe Anm. 1 zu 8 16.

46]

46. •eürrletrbttimg für la» Deutsche Reich (1869).

V. Aufsicht. § 139 b1). (1) Die Aufsicht über die Ausführung der Bestimmungen der 88 105 a, 105b «bs. 1, der 88 105o bis 105h, 120a bis 120f, 133g bis 139aa ist ausschließlich oder neben den ordentlichen Polizeibehörden besonderen von den Landesregierungen zu ernennenden Beamten zu über­ tragen. Denselben stehen bei Ausübung dieser Aufsicht alle amtlichen Befugnisse der Ortspolizeibehörden, insbesondere das Recht zur jederzeitigen Revision der Anlagen zu. Sie sind, vorbehaltlich der Anzeige von Gesetzwidrigkeiten, zur Geheimhaltung der amtlich zu ihrer Kennt­ nis gelangenden Geschäfts- und BetriebSverhältnisse der ihrer Revision unterliegenden Anlagen zu verpflichten. (2) Die Ordnung der ZuständigkeitSverhältnisse zwischen diesen Be­ amten und den ordentlichen Polizeibehörden bleibt der verfassungs­ mäßigen Regelung in den einzelnen Bundesstaaten Vorbehalten. (3) Die erwähnten Beamten haben Jahresberichte über ihre amt­ liche Tätigkeit zu erstatten. Diese Jahresberichte oder Auszüge aus den­ selben sind hem sBundeSratj**) ReichSrat und dem Reichstage vorzulegen.

(4) Die auf Grund der Bestimmungen der §§ 105 a bis 105 h, 120 a bis 120f, 133g bis 139aa auszuführenden amtlichen Revisionen müssen die Arbeitgeber zu jeder Zeit, namentlich auch in der Nacht, während des Betriebs gestatten. (5) Die Arbeitgeber sind ferner verpflichtet, den genannten Be­ amten oder der Polizeibehörde diejenigen statistischen Mitteilungen über die Verhältnisse ihrer Arbeiter zu machen, welche (vorn BundeSrat]») von der Reichsregierung oder von der LandeSzentralbehörde unter Fest­ setzung der dabei zu beobachtenden Fristen und Formen vorgeschrieben werden.

VI. Gehilfen, Lehrlinge und Arbeiter in offenen Verkaufsstellen. 8139 c. (1) In offenen Verkaufsstellen und den dazu gehörenden Schreib­ stuben (Kontore) und Lagerräumen ist den Gehilfen, Lehrlingen und Arbeitern nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununter­ brochene Ruhezeit von mindestens zehn Stunden zu gewähren.

‘) In der Fassung d. G. v. 28. Dez. 1908 (RGBl. S. 667) und 27. Dez. 1911 (RGBl. 1912 S. 139). ») An die Stelle des Bundesrats ist gem. § 3 deS Übergangsgesetzes (oben Nr. Id) in Verbindung mit Art. 179 RV. der ReichSrat getreten. •) Siehe Anm. 1 zu 8 16.

46. SewerHeordmmg für das Deutsche Reich (1869).



(2) In Gemeinden, welche nach der jeweilig letzten Volkszählung mehr als zwanzigtausend Einwohner haben, muß die Ruhezeit in offenen Verkaufsstellen, in denen -Wei oder mehr Gehilfen und Lehrlinge be­ schäftigt werden, für diese mindestens elf Stunden betragen; für kleinere Ortschaften kann diese Ruhezeit durch Ortsstatut vorgeschrieben werden. (3) Innerhalb der Arbeitszeit muß den Gehilfen, Lehrlingen und Arbeitern eine angemessene Mittag-pause gewährt werden. Für Ge­ hilfen, Lehrlinge und Arbeiter, die ihre Hauptmahlzeit außerhalb des die Verkaufsstelle enthaltenden Gebäudes einnehmen, muß diese Pause mindesten- ein und eine halbe Stunde betragen.

sAuS«ah«e»)

§ 139 (L

Die Bestimmungen des § 139 c finden keine Anwendung 1. auf Arbeiten, die zur Verhütung des Verderbens von Waren unverzüglich vorgenommen werden müssen, 2. für die Ausnahme der gesetzlich vorgeschriebenen Inventur sowie bei Neueinrichtungen und Umzügen, 3. außerdem an jährlich höchstens dreißig von der Ortspolizeibehörde allgemein oder für einzelne Geschäftszweige zu bestimmenden Tagen.

§ 139 e. (1) Bon neun Uhr abends bis fünf Uhr morgen- müssen offene Verkaufsstellen für den geschäftlichen Verkehr geschloffen sein. Die beim Ladenschluß im Laden schon anwesenden Kunden dürfen noch bedient werden. (2) Uber neun Uhr abend- dürfen Verkaufsstellen für den geschäft­ lichen Verkehr geöffnet sein 1. für unvorhergesehene Notfälle, 2. an höchsten- vierzig von der Ortspolizeibehörde zu bestimmenden Tagen, jedoch bi- spätesten- zehn Uhr abends, 3. nach näherer Bestimmung der höheren Verwaltungsbehörde in Städten, welche nach der jeweilig letzten Volkszählung weniger als zweitausend Einwohner haben, sowie in ländlichen Gemeinden, sofern in denselben der Geschäftsverkehr sich vornehmlich auf ein­ zelne Tage der Woche oder auf einzelne Stunden de- Tage­ beschränkt.

(3) Die Bestimmungen der §§ 139 c und 139 d werden durch die vorstehenden Bestimmungen nicht berührt.

(4) Während der Zeit, wo die Verkaufsstellen geschloffen sein muffen, ist da- Feilbieten von Waren auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder an anderen öffentlichen Orten oder ohne vorherige Bestellung von Hau- zu Hau- int stehenden Gewerbebetriebe (§ 42b Abs. 1 Ziffer 1) sowie im Gewerbebetrieb im Umherziehen (§ 55 Abs. 1 Ziffer 1) der-

«]

46. GeverHesrduung für M Deutsche Reich (1869).

boten. Ausnahmen können von der Ortspolizeibehörde zugelaffen werden. Die Bestimmung deS § 55» Abs. 2 Satz 2 findet Anwendung.

sAuSuahm«)

§ 139 L

(1) Auf Antrag von mindesten- zwei Dritteln der beteiligten Ge­ schäftsinhaber kann für eine Gemeinde oder mehrere örtlich unmittelbar zusammenhängende Gemeinden durch Anordnung der höheren Verwal­ tungsbehörde nach Anhörung der Gemeindebehörden für alle oder ein­ zelne Geschäftszweige angeordnet werden, daß die offenen Verkaufsstellen während bestimmter Zeiträume oder während des ganzen Jahres auch in der Zeit -wischen acht und neun Uhr abends und zwischen fünf und sieben Uhr morgens für den geschäftlichen Verkehr geschlossen sein muffen. Die Bestimmungen der §§ 139 c und 139 d werden hierdurch nicht berührt. (2) Auf Antrag von mindestens einem Drittel der beteiligten Ge schäftSinhaber hat die höhere Verwaltungsbehörde die beteiligten Ge­ schäftsinhaber durch ortsübliche Bekanntmachung oder besondere Mit teilung zu einer Äußerung für oder gegen die Einführung des Laden­ schlusses im Sinne des vorstehenden Absatzes auszufordern. Erklären sich zwei Drittel der Abstimmenden für die Einführung, so kann die höhere Verwaltungsbehörde die entsprechende Anordnung treffen. (3) sDer BundeSrat^) Die Reich-regierung ist befugt, Bestimmungen darüber zu erlassen, in welchem Verfahren die erforderliche Zahl von Geschäftsinhabern festzustellen ist. (4) Während der Zeit, wo Verkaufsstellen auf Grund des Abs. 1 geschloffen sein müssen, ist der Verkauf von Waren der in diesen Ver­ kaufsstellen geführten Art sowie daS Feilbieten von solchen Waren auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder an anderen öffentlichen Orten oder ohne vorherige Bestellung von HauS zu HauS im stehenden Ge Werbebetriebe (8 42b Abs. 1 Ziffer 1) sowie im Gewerbebetrieb im Um­ herziehen (§ 55 Abs. 1 Ziffer 1) verboten. Ausnahmen können von der Ortspolizeibehörde zugelaffen werden. Die Bestimmung des § 55a Abs. 2 Satz 2 findet Anwendung.

[eefteuifft »et Miteil

§ 139 g.

(1) Die Polizeibehörden sind befugt, int Wege der Verfügung für einzelne offene Verkaufsstellen diejenigen Maßnahmen anzuordnen, welche zur Durchführung der im § 62 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs ent­ haltenen Grundsätze in Ansehung der Einrichtung und Unterhaltung der Geschäftsräume und der für den Geschäftsbetrieb bestimmten Vorrich­ tungen und Gerätschaften sowie in Ansehung der Regelung deS Ge­ schäftsbetriebs erforderlich und nach der Beschaffenheit der Anlage aus­ führbar erscheinen.

*) Siehe Anm. 1 zu § 16.

46. Gewerkeordmmg für da» Deutsche «eich (1866).

[46

(2) Die Bestimmungen im § 120 d Abs. 2 bis 4 finden entsprechende Anwendung.

lEiurichtuug der ArbeitSraamej

§ 139 h1).

(1) Durch Beschluß sdes Bundesrats^) der Reichsregierung können Vorschriften darüber erlassen werden, welchen Anforderungen die Laden-, Arbeils- und Lagerräume und deren Einrichtung sowie die Maschinen und Gerätschaften zum Zwecke der Durchführung der im § 62 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs enthaltenen Grundsätze zu genügen haben. Die Be­ stimmung im § 120 g findet Anwendung. (2) Soweit solche Vorschriften durch Beschluß sdeS Bundesrats^) der Reichsregierung nicht erlassen sind, können sie durch Anordnung der im 6 120e Abs. 2 bezeichneten Behörden erlassen werden.

(3ert»ilbuMgif**iiWliesetz (1883).

letzterer cufit1)* *Stellvertreter, über deren Einberufung das GeschästsrMlativ bestimmt. (4) Wählbar ist mit Ausnahme des Oberprästdenten, der Regierungspräsidenten, der Vorsteher [Äonigh^er] staatlicher Polizeibehörden, der Landräte und der Beamten des Provinzial­ verbandes jeder zum Provinziallandtage wählbare Angehörige des Deutschen Reichs. Mitglieder des Vrovinzialrats können nicht Mitglieder des Bezirksausschusses sein. (5) Im übrigen finden auf die Wahlen beziehungsweise die gewählten Mitglieder die Bestimmungen der §§ 11, [12 und 13p) sinngemäße Anwendung. (LttellmirenI

§ 29.

Wo der Geschäftsumfang es erfordert, können durch [Königlichel Verordnung des vtaatsministeriums') Abteilungen des Bezirksausschusses für Teile des Regierungsbezirks gebildet werden. In solchen Fällen gehören der Vorsitzende und, sofern nicht für oie verschiedenen Abteilungen besondere Ernennungen erfolgen, die ernannten Mitglieder allen Abteilungen an. Die gewählten Mitglieder und deren Stellvertreter müssen für jede Abteilung gesondert bestellt werden. Im übrigen gelten die für den Bezirksausschuß gegebenen Vorschriften sinngemäß für jede Abteilung.

IStellvertretmiß im Bsrsitzj

§ 80.

Der Vorsitz im Bezirksausschüsse sieht in Bebinderungsfällen von dem Regierungspräsidenten beziehungsweise dem Derwaltungsgerichtsdirektor auf das zweite ernannte Mitglied, sodann auf den Stellvertreter des Verwaltunasgerichtsdirektors über. Der Regierungspräsident gilt als behindert in allen Fällen, in welchen über eine Beschwerde gegen die Verfügung eines Re­ gierungspräsidenten verhandelt wird.

IRebeubeschLstigunzj

§ 31.

[Den ernannten Mitgliedern darf eine Vertretung des Regierungspräsidenten oder eine Hilfsleistung in den diesem persönlich überwiesenen Geschäften nicht aufgetragen toctbcn4)]. Beide nehmen an den Plenarberatungen der Regierung nach Maßgabe der für die Regierungsmitglieder bestehenden Vorschriften teil. Im übrigen ist ihnen die Führung eines anderen Amtes nur ge-

i) Früher vier, f. G. v. 25. 7. 1922 (GS. S. 195) § 1 Abf. 1, s. oben Anm. 1 zu 8 10. *) Jetzt die an deren Stelle getretenen Bestimmungen. ’) Gemäß Art. 82 Pr2. *) Gestrichen durch das KriegsG. v. 13. 5. 1918 (GS. S. 53).

2. LandeSvervaltmrgS-esetz (1888). stattet, wenn dasselbe ein richterliches ist oder ohne Vergütung geführt wird.

sTisziplinarrechts

§ 32.

(1) Die gewählten Mitglieder und stellvertretenden Mitglie­ der werden durch den Vorsitzenden vereidigt. Alle Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder unterliegen in dieser ihrer Eigenschaft den Vorschriften des Gesetzes, betreffend die Dienst­ vergehen der Richter usw., vom 7. Mai 1851 (Eesetzsamml. S. 218), beziehungsweise des Gesetzes vom 26. März 1856 (Gesetzsamml. S. 201). (2) Disziplinargericht ist der Erste oder der Neunte Senat1) des Oberverwaltungsgerichts; der Vertreter der Staatsanwaltschaft wird von dem Präsidenten des Oberverwal­ tungsgerichts ernannt.

lBeschlußfaflung) § 33. (1) Der Bezirksausschuß ist bei

Anwesenheit von fünf Mit­ gliedern, in Streitsachen unter Fürsoraeverbänden') bei An­ wesenheit von drei Mitgliedern beschlußfähig, unter denen sich in allen Fällen mit Einschluß des Vorsitzenden min­ destens zwei ernannte, [barunter ein zum Richteramte befähigtes,)3) und ein gewähltes Mitglied befinden mutz. (2) Die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit gefaßt. Bei gerader Stimmenzahl scheidet, wenn nutzer dem Vorsitzenden zwei ernannte Mitglieder anwesend sind, das dem Dienftalter nach jüngste ernannte, wenn autzer dem Vorsitzenden nur ein ernanntes Mitglied anwesend ist, das dem Lebensalter nach jüngste gewählte Mitglied mit der Maßgabe aus, daß das Stimmrecht vorzugsweise

[1. unter den ernannten Mitgliedern einem zum Richteramte be­ fähigten, sofern eS dessen zur Beschlußfähigkeit bedarf, 2. im übrigen)4) dem Berichterstatter verbleibt*).

§ 34.

sKostens (1)

Die gewählten Mitglieder und deren Stellvertreter er-

i) s) 3) *) 5) Walrat

S. Anm. 1 zu tz 14. Früher Armenverbände, s. unten bei § 39 ZustG. Gestrichen durch daS Kriegsgesetz v. 13. 5. 1918. Weggefallen infolge der Streichung in tos. 1. Wie beim Kreis- (Stadt-) Ausschuß (§ 40). Anders beim Provin» (§ 15).

2]

2.'LaudeSverwaltuugSgefetz (1883).

halten Tagegelder und Reisekosten nach den für Staatsbeamte [oct vierten RangklaffM bestehenden gesetzlichen Bestimmungen. (2) Alle Einnahmen des Bezirksausschusses fliehen zur Staatskasse. Derselben fallen auch alle Ausgaben zur Last. §85. In den Hoheuzolleruschen Landen kommen in betreff des BezirksauSfchuffeS die Bestimmungen der §§ 28, 80, 82, 33, 34 mit der Maß­ gabe zur Anwendung, daß die zu wählenden Mitglieder von dem LandeSauSfchuffe aus der Zahl der zum Kommunallandtage wählbaren An­ gehörigen deS LandeSkommunalverbandeS gewählt werden. Der Regie­ rungspräsident, die Oberamtmänner und die Beamten des Landeskom munalverbandeS sind von der Wählbarkeit ausgeschloffen.

III. Abschnitt. Kreisbehörden. § 36. An der Spitze der Verwaltung des Kreises steht der Landrat. Derselbe führt den Vorsitz im Kreisausschusse. Im übriaen wird die Zusammensetzung des Kreisausschusses durch die Kreisord­ nungen geregelt.

ISandrat und KreiSauSschuhs

IStadtauSschuß » MagistratSverf.I § 37. (1) Der Stadtausschuh besteht aus dem Bürgermeister be­ ziehungsweise deffen gesetzlichem Stellvertreter als Vorsitzendem und vier Mitgliedern, welche vom Magistrate lkollegialischen Gemeindevorstande) aus seiner Mitte [für die Dauer ihres Haupt­ amtes)') gewählt werden. (2) Für Fälle der Behinderung sowohl des Bürgermeisters wie seines gesetzlichen Stellvertreters wählt der Stadtaus/chuh den Vorsitzenden aus seiner Mitte. Derselbe bedarf der Bestäti­ gung des Regierungspräsidenten, in dem Stadtkreise Berlin des Obervräfidenten der Provinz Brandenburg. (3) Der Vorsitzende oder ein Mitglied des Stadtausfchuffes muh zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst oefahtgt sein. lStadtauSschuß I. Bürgermeisterei»» ers.)

§ 88.

(1) In Stadtkreisen, in denen der Bürgermeister allein den

Gemeindevorstand bildet, werden die auher dem Vorsitzenden zu i) Rangklaffen gibt eS nicht mehr, s. G. v. 3. 1. 1923 (GS. S. 3). Dom M. b. I. ist mangels gesetzlicher Regelung Stufe TH das. für anwendbar erllärt worden — Berf. v. 6. 3. 1924, I A 126 II —. •) S. jetzt § 6 b. ö. v. 25. 7. 1922, oben bei § 12.

L. LandrSvenoattrmgSresetz (1888).

[2

bestellenden Mitglieder von der Gemeindevertretung aus der Zahl der Gemeinvebüraer gewählt. fAbs. 2—4 betr. die Dauer der Wahl überholt durch § 6 b. (3. d. 25. 7. 1922, s. oben bei § 12. In Abs. 6 sind dadurch die Worte: „der Wahl" weggefallen.j (5) Für die im Laufe der Wahlperiode ausscheidenden Mit-

alieder haben Ersatzwahlen stattzufinden. Die Ersatzmänner bleiben nur bis zum Ende desjenigen Zeitraums in Tätigkeit, für welchen die Ausgeschiedenen gewählt worden. (6) Zm übrigen gelten in betreff der Wählbarkeit, sder Wahl,) der Einführung und der Vereidigung der Mitglieder, sowie des Verlustes ihrer Stellen unter einstweiliger Enthebung von denselben, die für unbesoldete Magistratsmitglieder be­ stehenden gesetzlichen Vorschriften. lDisziplinarverfahren)

§ 89.

(1) Die gewählten Mitglieder des Kreis- (Stadt-) Aus­ schusses können aus Gründen, welche die Entfernung eines Be­ amten aus seinem Amte rechtfertigen (§ 2 des Gesetzes vom 21. Zuli 1852, betreffend die Dienstvergehen der nichtrichterlichen Beamten), im Wege des Disziplinarverfahrens ihrer Stellen enthoben werden. (2) Für das Disziplinarverfahren gelten die Vorschriften des genannten Gesetzes mit folgenden Maßgaben: (3) Die Einleitung des Verfahrens, sowie die Ernennung des Untersuchungskommisiars erfolgt durch den Regierungs­ präsidenten. (4) Die entscheidende Behörde erster Instanz ist der Bezirksausschutz, die entscheidende Behörde zweiter Instanz der Erste oder der Neunte Senats des Oberverwaltungsgerichts. (5) Der Vertreter der Staatsanwaltschaft wird für die erste Instanz von dem Regierungspräsidenten, für die zweite Instanz von dem Minister des Innern ernannt. IBeschlußsaffuniI

§ 40.

Der Kreis« (Stadt«) Ausschuß ist beschlußfähig, wenn mit Einschluß de» Vorsitzenden drei Mitglieder anweieiw lind. Die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit gefaßt. Ist eine gerade Zahl von Mitgliedern anwesend, so nimmt da» dem Lebens­ alter nach jüngste gewählte Mitglied an der Abstimmung nicht teil. Dem Berichterstatter steht jedoch in allen Fällen Stimm­ recht zu. *) S. Anm. 1 zu 8 14.

Bühler, verwaltu«a»gesetze.

2]

2. BeibtÄierwelhmelgtfet (188$).

IV. Abschnitt.

«ehSrde» für den Stadtkreis Berlin.

|OterpräfUtnt| § 41. (1) Der Oberpräsident der Provinz Brandenburg ist zugleich Oberoräfident von Berlin. (2) Ungleichen fungieren das Prooinzialschulkollegium, [bas Medizinalkollegtum'), die Generalkoinmiffion')] und die Direktion der Rentenbank für die Provinz Brandenburg auch für den Stadt­ kreis Berlin.

lKegt«uae»pristbe»tI

§ 42.

(1) An Stelle des Regierungspräsidenten fuhrt der Ober­ präsident die Aufsicht des Staat» über die Berwaltung der Ge­ meindeangelegenheiten der Stadt Berlin. Auf welch« Behörden die sonstigen Zuständigkeiten der Regierungsabtetlungen des Innern zu Potsdam in betreff Berlins übergehen, wird durch [Königliches Berordnung des Staatsministeriums') bestimmt. (2) Im übrigen, und soweit nicht sonst die Gesetze anderes bestimmen, tritt für den Stadtkreis Berlin an die Stell« des Regierungspräsidenten der Polizeipräsident von Berlin.

IPreviusialret «. $e|irt8anifi$.| § 43. (1) An die Stelle des Provinzialrats tritt in den Fällen, in welchen derselbe in erster Instanz beschließt, der Oberpräfident, in den übrigen Fällen der zuständige Minister. (2) Für den Stadtkreis Berlin besteht «in besonderer Bezirksausschutz. Auf denselben finden di« Bestimmungen der §§ 28, 30 Satz 1, 31 Satz 3, 32, 33, 34 mit folgenden Maßgaben AnWendung: 1. An Stelle der Regierungspräsidenten tritt ein vom Etaatsministertum') ernannter Präsident. Die Er­ nennung dieses Beamten kann im Nebenamte auf die Dauer seine» Hauptamtes in Berlin erfolgen. Beamte des Polizeipräsidiums find von dieser Ernennung ausgeschlosien. 2. [wegen Ziff. 2 f. § 39 b. Groß-Berlin-Gesetzes 6. 27. 4. 1920 (TS. S. 123).] (3) Zur Zuständigkeit des Bezirksausschusses für den Stadt­ kreis Berlin gehören die im Derroaltungsstreitverfahren zu be­ handelnden Angelegenheiten und diejenigen im LesHluhverfahren zu behandelnden Angelegenheiten, welche im einzelnen

*) Heute gerichtSarztliche Ausschüsse für die Provinz, Beschluß deS StaatSministeriumS v. 30. 4. 1921 (GS. S. 372). *) S. oben bei § 16. 3) Gemäß Art. 82 Abs. 1 PrB.

2. LandeSverwaltimßSßesetz (1888).

[2

durch die Gesetze seiner Zuständigkeit überwiesen werden- in betreff der übrißen im Beschlukverfahren au behandelnden An­ gelegenheiten tritt für den Stadtkreis Berlin der Oberprästdent an die Stelle des Bezirksausschusses, soweit nicht in den Gesetzen ein anderes bestimmt ist. sKirchliche Sertoaltung] § 44. (1) In Angelegenheiten der kirchlichen Verwaltung tritt für den Stadtkreis Berlin an die Stelle der Regierungsabteilung für Kirchen- und Schulwesen der Polizeipräsident. (2) Bezüglich der Verwaltung fdes landesherrlichen Patronats itnbp) des Schulwesens verbleibt es bei den bestehenden Be­ stimmungen.

§45. ^Aufgehoben durch Gesetz vom 15. 11. 1919, GS. S. 1920.]

§46. [Sufgeboben, s. $ 41 «bf. 2 d. G. v. 24. 6. 1891, GS. S. 175.]

irtsripli»«»erfahre«] § 47. Für diejenigen Kategorien der in Berlin angestellten Be­ amten, bezüglich deren nicht die Zuständigkeit einer anderen Behörde in Disziplinarsachen begründet ist, behält es bei den Bestimmungen des § 25 des Gesetzes vom 21. Juli 1852 mit der Matzgabe sein Bewenden, daß die Einleitung des Disziplinar­ verfahrens, sowie die Ernennung de» Untersuchungskommissar» und de» Vertreters des Staatsanwalts für die erste Instanz dem Oberpräsidenten von Berlin zusteht.

V. Abschnitt.

Stellung der Behörden.

irtenstaufficht] § 48. (1) Die dienstliche Aussicht über die Geschäftsführung de» Kreis« (Stadt«) Ausschusses wird von dem Regierungspräfidenten, in Berlin von dem Oberpräfidenten, die Aufficht über die Ge» ichäftsMrung de» Bezirksausschusses von dem Obervräfidenten, die Aufficht über die Geschäftsführung des Provinzialrat» von dem Minister des Innern gerührt. (2) Vorstellungen gegen die geschäftlichen Aufstchtsverfügun« ;en des Regierungspräfidenten unterliegen der endgültigen Bechlutzfaslung des Oberpräfidenten, Vorstellungen gegen oie Aufichtsverfügungen des Oberpräfidenten der endgültigen Befchlugässung de» Minister» de» Innern. (3) Di« Aufsichtsbehörden find zur Vornahme allgemeiner Geschästsrevifionen befugt.

*) Überholt.

r. 8«nbr»»tneolfamgl|t|tt (1883). IRechtshilse, ®n»d|ung8rttl)t)

§'49.

Die im § 48 bezeichneten Behörden haben sich gegenseitig Rechtshilfe zu leisten. Sie haben den geschäftlichen Aufträgen und Anweisungen der ihnen im Znstanzenzuge vorgesetzten Be­ hörden Folg« zu leisten.

Dritter Titel.

I. A b lAechtsmittest

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t t.

Verfahren.

Allgemeine Vorschriften.

§ 50.

(1) Das Ersetz bestimmt, in welcher Weise Verfügungen (BeSielbe, Beschlüsse) in Verwaltungssachen angefochten werden nnen. Zur ersten Anfechtung dienen in der Regel die Be­ schwerde oder die Klage im Verwaltungsstreitverfahren. (2) Die Beschwerde ist ausgeschlossen, soweit das Verwal­ tungsstrritverfahren zugelassen ist, vorbehaltlich abweichender besonderer Bestimmungen des Gesetzes. (3) Unberührt bleibt in allen Fällen die Befugnis der staat­ lichen Aufsichtsbehörden, innerhalb ihrer gesetzlichen Zuständigkeit Verfügungen und Anordnungen der Nachgeordneten Behörden außer Kraft zu setzen, oder diese Behörden mit Anweisungen zu versehen.

istristn.1 § 51. Wo die Gesetz« für die Anbringung der Beschwerde gegen Beschlüsi« des Kreis- (Stobt«) Ausschusses, des Bezirksausschusses oder des Provinzialrats, oder der Klage beziehungsweise des Antrag» auf mündliche Verhandlung im Derwaltungsftreitverfabren eine andere als eine zweiwöchentliche Frist vorschreiben, beträgt die Frist fortan zwei Lochen. Da» gleiche gilt von [ben] der im § 11 de» Gesetze» vom 14. August 1876, betreffend die Verwaltung der den Gemeinden und öffentlichen Anstalten gehörigen Holzungen in den Provinzen Preußen. Brandenburg, Pommern, sPosen.s Schlesien und Sachsen (Gesetzsamml. 6. 373), (unb im 8 91 des Gesetzes vom 1. April 1879, betieffenb bie Bildung von Wassergenossenschasten, (Gesetzsamml. 6. 297)]i) vorgeschriebenen Fristlrns. lstriftmtrtin» n. .laust § 52. (1) Die Fristen für die Anbringung der Beschwerde und der Klage beziehungsweise de» Antrag» auf mündliche Verhandlung *) Das S. v. 1.4.1879 ist aufgehoben durch § 399 Ziff. 1 des Wasser­ gesetze, v. 7. 4. 1913 (60. 0. 53), unten Nr. 46.

2« LandeSverwaltuugSgesetz (1883).

[2

im Berwaltungsstreitverfahren, sowie alle Fristen im Derwaltungsstreitversahren sind präklusivisch und beginnen, sofern nicht die Gesetze anderes vorschreiben, mit der Zustellung. Für die Berechnung der Fristen find die bürgerlichen Prozetzgesetze*) maßgebend. (2) Bezüglich der Beschwerde kann die angerufene Behörde in Fällen unverschuldeter Fristversäumung Wiederein­ setzung in den vorigen Stand gewähren. (3) Für eine im Berwaltungsstreitverfahren zu gewährende Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind lediglich die für das Berwaltungsstreitverfahren besonders getroffenen Bestimmungen maßgebend (§ 112). (Aufschiebende Wirkung)

§ 53.

Die Anbringung der Beschwerde, sowie der Klage beziehungs­ weise des Antrags auf mündliche Verhandlung im Verwaltungsstrertverfahren hat. sofern nicht die Gesetze anderes vorschreiben, aufschiebende Wirkung. Verfügungen, Bescheide und Beschlüsse können jedoch, auch wenn dieselben mit der Beschwerde oder mit der Klage beziehungsweise dem Antrag aus mündliche Verhand­ lung im Berwaltungsstreitverfahren angefochten find, zur Aus­ führung gebracht werden, sofern letztere nach dem Ermessen der Behörde ohne Nachteil für das Gemeinwesen nicht ausgesetzt bleiben kann, vorbehaltlich der Bestimmung im § 133 Absatz 3 dieses Gesetzes. (Berw.streitverfahren und Beschlutzverfahren)

§ 54.

(1) Das Verfahren des Kreis- (Stadt-j Ausschusses und des Bezirksausschusses in Angelegenheiten der allgemeinen Landes­ verwaltung ist entweder das Berwaltungsstreitverfahren oder das Beschlußverfahren. (2) Das Verwaltung-st reitverfabren tritt in allen Angelegenheiten ein, in welchen die Gesetze von der Ent­ scheidung in streitigen Verwaltungssachen oder von der Erledi­ gung der Angelegenheit im Streitverfahren oder durch Endurteil oder von der Klage bei dem Kreisausschusse, dem Bezirksaus­ schüsse oder einem Berwaltungsgerichte sprechen, und wo sonst dieses Verfahren gesetzlich vorgeschrieoen ist. (3) In allen anderen Angelegenheiten ist das Verfahren des Kreis- (Stadt-) Ausschusses und des Bezirksausschusses das B e schlußverfahren. i) Jetzt BGB. §§ 186—193.

2. £tnbe8»erw«lhnig8gefe3 (1883V

2]

(4) Das Oberverwaltungsgericht verfährt in ben durch be­ sondere gesetzliche Vorschriften bezeichneten Angelegenheiten im Beschlußverfahren, sonst im Verwaltungsstreitverfahren'); der Provinzialrat nur tm Beschlußverfahren. [Sufgoltn bei r»rfitzende»s

§ 55.

Der Vorsitzende des Kreis» (Stadt») Ausschusses, des Bezirks­ ausschusses und de» Provinzialrats beruft das Kollegium, leitet und beaufsichtigt den Geschäftsgang und sorgt für die prompt« Erledigung der Geschäfte. Er bereitet die Beschlüsse der Behörde vor und trägt für deren Ausführung Sorge. Er vertritt die Behörde nach außen, verhandelt namens derselben mit anderen Behörden und mit Privatpersonen, führt den Schriftwechsel und zeichnet alle Schriftstücke namens der Behörde.

§ 56. Soweit Geschäftsgang und Verfahren de» Kreis- (Stadt») Ausschusses, des Bezirksausschusses und des Provinzialrat» nicht durch di« nachstehenden oder durch besondere gesetzliche Bestim­ mungen geregelt find, werden dieselben durch Regulative') ge­ ordnet, welche der Minister des Innern erläßt.

|örtl. 8u#änMg!tU|

§ 57.

(1) Di« örtliche Zuständigkeit für das Lerwaltungsstreit- und

Beschlufflierfahren bestimmt sich, wie folgt: (2) Zuständig in erster Instanz ist: 1. in Angelegenheiten, welch« fich auf Grundstücke beziehen, die Behörde der telegenen Sache; 2. in allen sonstigen Fällen die Behörde desjenigen Bezirk» (Kreis, Regierungsbezirk, Provinz), in welchem die Per­ son w o h nt oder die Korporation beziehungsweise öffent­ liche Behörde ihren Sitz hat, welche im Derwaltungsstreitverfahren in Anspruch genommen wird oder aus deren Angelegenheit fich di« Beschlußfassung bezieht. Wenn die Korvoration oder öffentliche Behörde ihren Sitz außerhalb ihre» räumlichen Bezirks bat, ist diejenige Be­ hörde zuständig, welcher dieser Bezirk angehört. *) Früher nur im BerwaltungSstreitverfahren, s. BO. v. 12. 3. 1924 (GS. S. 132). ») Erlassen am 28. 2. 1884 (MBliv. S. 35, 37, 41).

2. LanbeSverwaltun-Sgefetz (1883).

[2

Bezüglich des Kommunalverbandes der Provinz Brandenburg ist der Bezirksausschutz zu Potsdam zu­ ständig. IZweifelSfLüe) § 58. (1) Sind die Grundstücke in mehreren Bezirken belegen, oder ist es zweifelhaft, zu welchem Bezirke sie gehören, so wird die zuständige Behörde 1. für daS Berwaltungsstreitversahren durch den Bezirksausschuß und, wenn die Grundstücke in verschiedenen Regierungsbezirken liegen, durch das Oberverwaltungsgericht, 2. für das Beschlußverfahren durch den Regierungspräsidenten, den Oberpräsidenten oder den Minister des Innern, je nachdem die betreffenden Bezirke demselben Regierungsbezirke, derselben Pro­ vinz, aber verschiedenen Regierungsbezirken, oder verschiedenen Provinzen angehören, endgültig bestimmt. (2) Dasselbe findet statt, wenn die Personen oder Korporationen, deren Angelegenheit den Gegenstand der Entscheidung oder Beschluß­ fassung bildet, in mehreren Bezirken wohnen oder ihren Sitz haben.

I«uSnLh»e»l

§ 59.

Ist bei einer Angelegenheit, welche zur Zuständigkeit des Kreis- (Stadt-) Ausschusses gebürt, die betreffende Kreiskorpo­ ration (Stadtgemeinde) als solche beteiligt, so wird 1. kur das Verwaltungsstreilverfahren von dem Bezirksaus­ schüsse und, wenn ein Stadtkreis beteiligt ist, von dem Oberverwaltungsgerichte, 2. für das Beschluhverfahren von dem Regierungspräsi­ denten, für Berlin von dem Oberpräfidenten ein anderer Kreis- oder Stadtausschutz mit der Entscheidung oder Beschlußfassung beauftragt. sDollstreckuusI

§ 60.

(1) Die Vollstreckung im Verwaltungsstreitverfahren und im Beschlußverfahren erfolgt im Wege des Derwaltungszwanasverfahrens. Die Vollstreckung wird namens der Behörde, welche in der ersten Instanz entschieden beziehungsweise bethlossen hatte, von deren Vorsitzendem verfügt, über Beschwer­ en gegen die Verfügungen des Vorsitzenden entscheidet die Be­ hörde. Gegen die Entscheidung der Behörde findet innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an die im Instanzenzuge zunächst höhere Behörde statt. (2) Die Entscheidung der letzteren ist endgültig.

2]

2. L«lde»»«»awmr»iesetz (1883).

II. Abschnitt.

LerValtungsstreitverfahre«.

L von der Ausschließung iwb Ablehnung der Gerichlspersonen. [•rfinbe] § 61. (1) Die Bestimmungen der bürgerlichen Prozetzgesetze») über Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen finden für das Benoaltungsstreitverfuhren finngemätze Anwendung. (2) Aus der innerhalb seiner Zuständigkeit geübten amtlichen Tätigkeit des Landrats beziehungsweise des Regierungspräsi­ denten darf kein Grund zur Ablehnung desselben wegen Besorg­ nis der Befangenheit entnommen werden. sULlehnuagSbrschlußl

§ 62.

(1) über das Ablehnungsgesuch beschließt das Gericht, welchem der Abgelehnte anaehört, und wenn der Borsitzende des Kreis- (Stadt-) oder Bezirksausschusses abgelehnt werden soll, das nächst höhere Gericht. (2) Der Beschluß, durch welchen das Gesuch für begründet er­ klärt wird, ist endgültig. Wird das Gesuch für unbegründet er­ klärt, so steht der mit demselben zurückgewiesenen Partei inner­ halb zwer Wochen die Beschwerde an das im Jnstanzenzuge zu­ nächst höhere Gericht zu. Das letztere entscheidet endgültig. Die Verhandlung über die Ablehnung erfolgt in nicht öffentlicher Sitzung. (3) Das im Jnstanzenzuge zunächst vorgesetzte Gericht ent­ scheidet desgleichen endgültig und bestimmt das zuständige Ge­ richt, wenn das Gericht, dem das ausgeschlosiene ober abgelehnte Mitglied angehört, bei desien Ausscheiden beschlußunfähig wird. L von de« verfahren in erster Instanz. § 63.

sEiureichune der Klages

Die Klage ist bei dem zuständigen Gericht schriftlich einzu*) Die hier maßgebenden §§ 41—49 ZPO. enthalten folgende UuSschließuugSgrüude: Beteiligung am Rechtsstreit (als Mitberechtigter, Mit- oder Regreßverpflichteter); nahe Verwandtschaft mit einer Partei (Heirat, Verwandtschaft oder Schwägerschaft in gerader Linie, Adoption, Verwandtschaft (Schwägerschaft) bis zum 3. (2.) Grade der Seitenlinie); Prozeßvollmacht, Beistandschaft, gesetzliche Vertretungs­ macht (auch frühere) für einen Beteiligten; Mitwirkung im selben Ver­ fahren als Borderrichter (auch Schiedsrichter), Zeuge oder Sachver­ ständiger; Ablehnung-gründe: Ausschließungsgründe und Besorgnis der Be­ fangenheit (wegen deS letzteren f. aber auch § 61 Abf. 2 LBG.).

2. LandeSverwaltungSgesetz (1883).

reichen. Die Klage erklärt werden, stellen und sind die Anspruchs, sowie die zu bezeichnen. IBescheidl

[2

beim Kreisausschusse kann zu Protokoll erder Klage ist ein bestimmter Antrag zu Person des Beklagten, der Gegenstand des den Antrag begründenden Tatsachen genau

§ 64.

(1) Stellt sich der erhobene Anspruch sofort als recht­ lich unzulässig oder unbegründet heraus, so kann die Klage ohne weiteres durch einen mit Gründen versehe­ nen Bescheid zurückgewiesen werden. (2) Scheint der erhobene Anspruch dagegen rechtlich be­ gründet, so kann oem Beklagten ohne weiteres durch einen mit Gründen versehenen Bescheid die K l a g l o s st e l l u n g des Klägers aufgegeben werden. (3) Namens des Kreisausschusses und namens des Bezirksausschusies steht auch dem Vorsitzenden der Erlaß eines solchen Bescheides au1)(4) Zn oem Bescheide ist den Parteien au eröffnen, dak sie befugt seien, innerhalb zwei Wochen, vom Tage der Zustellung ab, entweder die Anberaumung der mündlichen Verhandlung zu beantragen oder dasjenige Rechtsmittel einzulegen, welches zulässig wäre, wenn der Bescheid als Entscheidung des Kollegiums ergangen wäre. (5) Wird mündliche Verhandlung beantragt, so muß dieselbe zunächst stattfinden. (6) Hat dnei der Beteiligten mündliche Verhandlung be­ antragt, ein anderer das Rechtsmittel eingelegt, so wird nur dem Antrag auf mündliche Verhandlung ttattgeaeben. (7) Wirb weder mündliche Verhandlung beantragt, noch das Rechtsmittel eingelegt, so gilt der Bescheid als endgültiges Urteil. ISe-enerklärung)

§ 65.

(1) Wird ein Bescheid nach den Bestimmungen des § 64 nicht erlassen, so ist die Klage dem Beklagten mit der Aufforderung zuzufertigen, seine Gegenerklärung innerhalb einer bestimmten, von einer bis zu vier Wochen zu bemessenden Frist schriftlich einaureichen. Wenn das Verfahren bei dem Kreisausschusse an­ hängig ist, so kann die Gegenerklärung auch zu Protokoll erklärt werden. i) Abs. 3 i. d. F. d. G. v. 13. 5. 1918 (GS. S. 53) Art. 1 zu 3. Früher bedurfte der Bors. d. BezirkSauSsch. der Zustimmung der er­ nannten Mitglieder.

2]

2. La»be»»«r»«ltmtg»gesetz (188$).

(2) Die Frist kann in nicht schleunigen Sachen der Regel nach nicht über zwei Wochen verläimert werden. Die Gegen­ erklärung des Beklagten wird dem Kläger zugefertigt.

|®itfajte, Abschriften) § 66. (1) Allen Schriftstücken find die als Beweismittel in bezug (irnommenen Urkunden im Original oder in Abschrift beizu« ügen. Bon allen Schriftstücken und deren Anlagen find Dupli­ kate «inzureichen. (2) Da» Gericht kann geeianetensalls gestatten, daß statt der Einreichung von Duplikaten bte Anlagen selbst zur Einficht der Beteiligten in seinem Geschästslokale offengelegt werden. lvescheid nach Schrifwechfell § 67. Erscheint durch die Erklärung der Parteien das Sach- und Rechtsverhältnis genügend geklärt, so kann auf Grund dieser Erklärungen das Gericht oder namens desselben der Vorfitzende auch ohn« mündliche Verhandlung seine Entscheidung in der Form eine» mit Gründen versehenen Bescheids fällen. Dabei gelten die Bestimmungen des § 64'). sDtiinbllche Berieeblung] § 68. (1) Hat dagegen auch nur eine Partei die Anberaumung der mündlichen Verhandlung gefordert oder erachtet das Gericht ein« solche für erforderlrch, so werden die Parteien zur münd­ lichen Verhandlung unter der Verwarnung geladen, dast beim Ausbleiben nach Lage der Verhandlungen werde entschieden werden. (2) Da» Gericht kann zur Aufklärung des Sachverhältnisses da» oersönllche Erscheinen einer Partei anordnen. (3) Den Parteien steht es ftei, ihre Erklärungen, auch ohne dazu besonders aufgefordert zu sein, vor dem Termine schriftlich einzureichen und zu ergänzen. Das Duplikat solcher Erklä­ rungen ist der Gegenpartei zuzufertigen. Kann dres nicht mehr vor dem Termine zur mündlichen Verhandlung bewirkt werden, so ist der wesentlich« Inhalt der Erklärungen in dieser Verhand­ lung mitzuteilen. [Wnlr. ans minbl. Berh. statt Klagei § 69. (1) Wo die Gesetze zur Einleitung des Verwaltungsstreit­ oerfahren» statt der Klage den Antrag auf mündliche Verhand­ lung im Verwaltungsstreitverfahren geben, erfolgt auf den An­ trag ohne weiteres die Vorladung der Parteien zur mündlichen Verhandlung. *) I. d. F. b. Ätiegg®. v. 13. 5. 1918 (GS. S. 53) Art. 1 zu 4.

2. LandeSvervaltuu-Sgesetz (1888).

[2

(2) Der Antrag muh alles enthalten, was nach § 63 für den Klageantrag erfordert wird, soweit dasselbe nicht aus den Vor­ verhandlungen bei der Behörde sich ergibt.

^Beiladung!

§ 70.

Das Gericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die Beiladung Dritter, deren Interesse durch die zu erlassende Ent­ scheidung berührt wird, verfügen. Dre Entscheidung ist in diesem Falle auch den Beigeladenen gegenüber gültig. IRegeln f. b. mündl. Verhandlung!

§ 71.

(1) In der mündlichen Verhandlung sind die Parteien oder ihre mit Vollmacht versehenen Vertreter zu hören. (2) Dieselben können ihre tatsächlichen oder rechtlichen An­ führungen ergänzen oder berichtigen und die Klage aoandern, insofern durch die Abänderung nach dem Ermessen oes Gerichts das Derteidigunasrecht der Gegenpartei nicht geschmälert oder eine erhebliche Verzögerung des Verfahrens nicht Herbeigeführt wird. Sie haben sämtliche Beweismittel anzugeben und, soweit dies nicht bereits geschehen, die schriftlichen ihnen zu Gebote stehenden Beweismittel vorzuleaen; auch können von ihnen Zeugen zur Vernehmung vorgeführt werden. (3) Der Vorsitzende oes Gerichts hat dahin zu wirken, daß der Sachverhalt vollständig aufgeklärt und die sachdienlichen An­ träge von den Parteien getaut werden. (4) Er kann einem Mitglieds des Gerichts gestatten, das Fragerecht auszuüben. (5) Eine Frage ist zu stellen, wenn das Gericht diese für an­ gemessen erachtet. lÖffeullichkeit, SitzuugSp.lizeil

§ 72.

(1) Die mündliche Verhandlung erfolgt in öffentlicher Sitzung des Gerichts. (2) Die Öffentlichkeit kann durch einen öffentlich zu verkün­ digenden Beschluß ausgeschlossen werden, wenn das Gericht dies aus Gründen des öffentlichen Wohls oder der Sittlichkeit für angemessen erachtet. (3) Der Vorsitzende kann aus der öffentlichen Sitzung jeden Zuhörer entfernen lassen, der Zeichen des Beifalls oder des Mißfallens gibt oder Störung irgendeiner Art verursacht. (4) Parteien, Zeugen, Sachverständige, welche den zur Aus­ rechthaltung der Ordnung erlassenen Befehlen des Vorsitzenden nicht gehorchen, können auf Beschluß des Gerichts aus dem Sitzungszimmer entfernt werden. Gegen die bei der Verhand­ lung beteiligten Personen wird sodann in gleicher Weise ver­ fahren, wie wenn sie sich freiwillig entfernt hätten.

2]

8.

(1888).

§ 78. (1) Sie Parteien Rnb in der Wahl der von ihnen zu be­ stellenden Bevollmächtigten nicht beschränkt. (2) Da» Gericht kann Vertreter, welche, ohne Verwal­ tungsrechtsräte oder') Rechtsanwälte zu sein, die Vertretung vor dem Gerichte geschäftsmäßig betreiben, zurück­ weisen. Eine Anfechtung dieser Anordnung findet nicht statt. (3) Gemeindevorsteher, welche als solche legitimiert find, be­ dürfen zur Vertretung ihrer Gemeinden einer besonderen Voll­ macht nicht.

(Bt)fcM.

§ 74.

(1) Liegt einer öffentlichen Behörde als Partei die Wahr­ nehmung des öffentlichen Interesses ob, so kann auf deren An­ trag der Regierungspräsident für die mündliche Verhandlung vor dem Bezirksausschüsse und der Ressortminister sür die mündliche Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgerichte einen Kommissar zur Vertretung der Behörde bestellen. (2) Ser Regierungspräsident beziehungsweise der Ressort­ minister kann in geeigneten Fällen auch ohne Antrag einer Partei einen besonderen Kommissar zur Wahrnehmung des öffentlichen Interesses für die mündliche Verhandlung bestellen. Ser Kommissar ist vor Erlaß de» Endurteils mit seinen Aus­ führungen und Anträgen zu hören, zur Einlegung von Rechts­ mitteln aber nicht befugt. (3) Ser Vorsitzende de» Kreis- (Stadt-) Ausschusses be­ ziehungsweise de» Bezirksausschusses und der Ressortminister hat behufs der erforderlichen Wahrnehmung des öffentlichen Inter­ esse» einen Kommissar zu bestellen, wenn das Gesetz die öffent­ liche Behörde, welche die Rolle de» Kläger» ober de» Beklagten wahrzunehmen hat, nicht bezeichnet. IMederschristl

§ 76.

über die mündliche Verhandlung ist entweder von einem vereidigten Protokollführer oder einem Mitglieds de» Gerichts­ hof» eine Niederschrift zu verfassen').

§ 76. Sa» Gericht oder namens desselben der Borfitzende ist beK, geeignetenfalls schon vor Anberaumung der mündlichen Handlung Untersuchungen an Ort und Stelle zu veranlassen, *) Clngtfügt durch § 12 Ziff. 1 b. (3. v. 25. 5. 1926, unter Nr. 5. *) 6 75 i. b. F. b. ®. v. 13. 5. 1918 (AS. S. 53). Früher stet» besonberer Protokollführer notwendig.

L. Lan-eSverrvaltMl-Sßesetz (1888).

2]

Zeugen und Sachverständige zu laden und eidlich zu vernehmen, überhaupt den angetretenen oder für erforderlich erachteten Be­ weis in vollem Umfange zu erheben'). sBeaaftragter Richter, ersuchte Beh.) §

77.

(1) Das Gericht kann die Beweiserhebung durch eines feiner Mitglieder oder erforderlichenfalls durch eine zu dem Ende zu ersuchende sonstige Behörde bewirken lassen. Es kann verord­ nen, daß die Beweiserhebung in der mündlichen Verhandlung stattfinden soll. (2) Die Beweisverhandlungen find unter Zuziehung eines vereidigten oder von der betreffenden Behörde durch Handschlag zu verpflichtenden Protokollführers aufzunehmen,' die Parteien find zu denselben zu laden. ISeugeit — Sachverständiges

§ 78.

(1) Hinsichtlich der Verpflichtung, fich al» Zeuge oder Sach­ verständiger vernehmen zu lassen, sowie hinsichtlich der im Falle de» Ungehorsams zu verhängenden Strafen kommen die Bestim­ mungen der bürgerlichen Prozeßgesetze») mit der Maßgabe zur Anwendung, daß im Falle des Ungehorsams die zu erkennende Geldbuße den Betrag von eintausend') Mark nicht über­ steigen darf. (2) Gegen di« «in« Strafe oder die Nichtverpflichtung de» Zeugen oder Sachverständigen aussprechende Entscheidung steht den Beteiligten innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an da» im Instanzenzuge zunächst vorgesetzte Gericht, gegen die in zweiter Instanz ergangene Entscheidung de» Bezirksaurschufie» die wettere Beschwerde an da» Oberverwaltungsgericht zu.

|8tedlȟrblgneg|

§ 79.

lvergicht a| eünbl. Lerh.s

§ 80.

Das Gericht hat nach seiner freien, aus dem ganzen In­ begriffe der Verhandlungen und Beweise geschöpften Überzeu­ gung zu entscheiden. Beim Ausbleiben der betreffenden Partei oder in Ermangelung einer Erklärung derselben können die von der Gegenvartet vorgebrachten Tatsachen für zugeftanden erachtet werden. Die Entscheidungen dürfen nur die zum Streitverfahren vorgeladenen Parteien und die in demselben erhobenen An­ sprüche betreffen. Die Entscheidung kann ohne vorgängige Anberaumung einer *) $ 76 Abs. 3 ersetzt durch § 3 Abs. 2 Satz 2 ff. d. GemeindewahlGesetzes, unten Nr. 15a.]

sRecht-ruittel im Kalle von g 10]

§ 11.

der Gemeindevertretung (§ 10) bedarf keiner Genehmigung oder Bestätigung von seiten des Gemeinde­ vorstandes oder der Aufsichtsbehörde. Gegen den Beschluß der Gemeindevertretung findet die Klage im Verwaltungsstrettverfahren statt. Die Klage steht in den Fällen des § 10 auch dem Gemeindevorstande zu. (1) Der Beschluß

(2) Die Klage hat in den Fällen des § 10 unter 1 und 2 keine aufschiebende Wirkung, jedoch dürfen Ersatzwahlen vor er­ gangener rechtskräftiger Entscheidung nicht vorgenommen werden.

*) Gegenstandslos, f. BO. v. 24. Jan. 1919 (GS. S-13).

8]

8.8«|änM|rcit»et|t* (1888).

|3»*inkigMt M ve,«u»sch.)

§ 12.

Der Bezirksausschust beschlietzt. soweit die Beschlutzfasiung nach den Gemeindeverfassungsgesetzen der Aufsichtsbehörde -"steht, 1. über die Zahl der aus jeder einzelnen Ortschaft einer Etadtgemeinde zu wählenden Mitglieder der Gemeinde­ vertretung, 2. über die Vornahme außergewöhnlicher Ersatzwahlen zur Gemeindevertretung oder in den Eemeindevorstand.

lvesiiittguug ein Wahlen)

§ 13.

(1) Soweit die Bestätigung der Wahlen von Gemeindebeamten nach Mahaabe der Eemeindeversasiungsgesetze den Ausfichtsbehörden zusteht, erfolgt dieselbe durch den Regie­ rungspräsidenten. (2) Die Bestätigung kann nur unter Zustimmung des Be­ zirksausschusses versagt werden. Lehnt der Bezirksausschutz die Zustimmung ab, so kann dieselbe auf den Antrag des Siegte« rungspräsidenten durch den Minister des Innern ergänzt werden. (3) Wird die Bestätigung vom Regierungspräsidenten unter Zustimmung des Bezirksausschusses versagt, so kann dieselbe auf Antrag des Eemeindevorstande» oder der Gemeindevertretung von dem Minister des Innern erteilt werden.

leaitigtett »an Wahle»)

§ 14.

über die Gültigkeit von Wahlen solcher Gemeinde­ beamten, welche der Bestätigung nicht bedürfen, beschlietzt, soweit die Beschlußfassung der Ausfichtsbehörde zusteht, der Be zirksausschuß.

)vt»»fta»d«ag) § 15. (1) Beschlüsse der Gemeindevertretung oder des kollegialischen Gemeindevorftande», welche deren Befugnisse über­ schreiten oder die Gesetze verletzen, hat der Gr« meindevorstand, beziehungsweise der Bürgermeister, entstehen« denfalls auf Anweisung der Ausfichtsbehörde, mit aufschieben­ der Wirkung unter Angabe der Grunde zu beanstanden. Gegen die Verfügung des Eemeindevorstandes (Bürgermeisters) steht der Gemeindevertretung beziehungsweise dem kollegialischen Ee­ meindevorstande die Klage im Berwaltungsstreitverfahren zu. (2) Die in den Gemeindeverfassungsgesetzen begründete Be­ fugnis der Ausfichtsbehörde, au» anderen als den vorstehend an­ gegebenen Gründen eine Beanstandung der Beschlüsse der Ee-

3. ZuständizkeitSgesetz (1888).

[8

meindevertretung oder des kollegialischen Gemeindevorstandes herbeizuführen, wird aufgehoben. IBerSutzerung von Sunstbesttz usw., OrtSstatuten usw.)

§ 16.

(1) Gemeindebeschlüsse über die Veräußerung oder wesent­ liche Veränderung von Sachen, welche einen besonderen wissenschaftlichen, historischen oder Kunftwert haben, insbesondere von Archiven oder Teilen derselben, unterliegen der Genehmi­ gung des Regierungspräsidenten. (2) Hinsichtlich der Verwaltung der Gemeindewaldungen be­ wendet es oer den bestehenden Bestimmungen. (3) Zm übrigen beschließt der Bezirksausschuß über die in den Eemeindeverfässungsgesetzen der Aufsichtsbehörde vorbehal­ tene Bestätigung (Genehmigung) von Ortsstatuten und sonstigen die städtischen Eemeindeangelegenheiten betreffenden Gemeinvebeschlüssen. (Statt Abs. 4 und 5 s. jetzt Kommunalabgabengesetz §§ 77 und 78, unten Nr. 19.]

lBezirttauSschutz all AusfichtSbeh.)

§ 17.

(1) Der Bezirksausschuß beschließt, soweit die Beschlußfassung nach den Eemeindeverfässungsgesetzen der Aufsichtsbehörde zufteht, 1. abgesehen von den Fällen des § 15 über die zwischen dem Gemeindevorstande und der Gemeindevertretung be­ ziehungsweise dem Bürgermeister und dem kollegialischen Gemeindevorstande entstehenden Meinungsver­ schiedenheiten, wenn von einem Teile auf Ent­ scheidung angetragen wird und zugleich die Angelegenheit nicht aus fich beruhen bleiben kann, 2. an Stelle der Gemeindebehörden im Falle ihrer durch widersprechende Interessen herbeigeführten Beschluß­ unfähigkeit, 3. an Stelle der nach Maßgabe der Gemeindeverfassungs­ gesetze aufgelösten Gemeindevertretung. (2) Der Bezirksausschuß beschließt ferner an Stelle der Auf­ sichtsbehörde: 4. über die Art der gerichtlichen Zwangsvoll­ streckung wegen Geldforoerungen gegen Staotgemeinden (§ 15 zu 41) des Einführungsgesetzes zur Deutschen Zivilprozeßordnung vom 30. Januar 1877, Reichsgesetzbl. S. 244), *) Jetzt § 15 zu 3 das. (0. v. 17. Mai 1898, RGBl. S. 332). Die Be­ stimmung lautet:

8]

8. 8i#axMt!dtt|tfet (1888). 5. übet die Feststellung und den Ersatz der Defekte der Gemeiudeveamten nach Matzgabe der Verordnung vom 24. Januar 1844 (Gesetzsamml. 6.52); der Beschluß ist vorbehaltlich des ordentlichen Rechtswege» endgültig.

lZustiiudißktU b. •eatttabnerp.]

§ 18.

(1) Auf Beschwerden und Einsprüche, betreffend: 1. da» Recht zur Mitbenutzung der öffentlichen Gemeinde­ anstalten, sowie zur letindjme an den Nutzungen und Er­ trägen de» Gemeiudeoermögeu», 2. die Heranziehung ober die Veranlagung zu den Gemeinde­ lasten, beschltetzt der Gemeindevorstand. (2) Gegen den Beschlug findet die Klage im Derwaltungsftrettverfahren statt. (3) Der Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren unter­ liegen desgleichen Streitigkeiten zwischen Beteiligten über ihre in dem öffentlichen Rechte begründete Berechtigung oder Ver­ pflichtung zu den im Absatz 1 bezeichneten Nutzungen beziehungs­ weise Lasten. sStatt Lbs. 4 s. jetzt § 69 klbs. 3 des Kommunalabgabe ngesetze», unten Nr. 19.)

(6) Die Beschwerden und die Einsprüche, sowie die Klage habenkeine aufschiebende Wirkung. I3»«ng»«tatifierun»I

§ 19.

(1) Unterläßt oder verweigert eine Stadtgemeinde, die ihr gesetzlich obliegenden, von der Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Zuständigkeit festgeftellten Leistungen auf den Haushalts­ etat zu bringen oder außerordentlich zu genehmigen, so verfiigt der Regierungspräsident unter Anführung der Gründe die Ein­ tragung in den Etat beziehungsweise die Feststellung der außer­ ordentlichen Ausgabe. (2) Gegen die Verfügung de» Regierungspräsidenten steht der Gemeinde die Klage bet dem Oberverwaltungsgerichte zu. 15. Unberührt bleiben . . . . . . die lande-gesetzlichen Vorschriften über die Zwangsvollstreckung wegen Teldforderungen gegen den FiSkuS, eine Körperschaft, Stif­ tung oder Anstalt deS öffentlichen Rechts oder eine unter der Ver­ waltung einer öffentlichen Behörde stehende Körperschaft oder Stiftung, soweit nicht dingliche Rechte verfolgt werden; 4. usw.

ß 1. 2. 3.

3. 8uft2nbt|teUI{t|et (1883).

[8

(3) Eine Feststellung des Stadtetats durch die Aufsichts­ behörde findet fortan nicht statt; auch in den Städten von Reu­ vorpommern und Rügen ist jedoch eine Abschrift des Etat« gleich nach seiner Feststellung durch die städtischen Behörden der Auf­ sichtsbehörde einzureichen. I Disziplinarverfahren!

§ 20.

(1) Bezüglich der Dienstvergehen der Bürgermeister, Bei­ geordneten, Magiftratsmitglieder und sonstigen Gemeinde­ beamten kommen die Bestimmungen des Gesetzes vom 21. Juli 1852 mit folgenden Maßgaben zur Anwendung: 1. Gegen die Bürgermeister, Beigeordneten und Magistrats­ mitglieder, sowie gegen die sonstigen Gemetndebeamten kann an Stelle der Bezirksregierung und innerhalb des derselben bisher zustehenden Ordnungsstrafrechts der Re« gierungsprästdent Ordnungsstrafen festsetzen. Gegen die Strafverfügungen des RyterungsprSstoenten findet inner­ halb zwei Wochen die BeHwerde an den Oberpräfldenten, gegen den auf die Beschwerde ergehenden Beschluß des Ooerpräfidenten findet innerhalb zwei Wochen die Klag« bei dem Obervrrwaltungsgertchte statt. In Berlin findet gegen die Strafverfügungen des Oberprastdenten, in den Hohenzollernschen Landen findet gegen die Strafverfügungen des Regierungspräsidenten') innerhalb zwei Wochen unmittelbar

die Klage bet dem OberverwaltungEttchte statt. 2. Gegen die Strafverfügungen de» Bürgermeister» findet innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an den Regie­ rungspräsidenten, und gegen den auf die Beschwerde er­ gehende« Beschluß de» Regierungspräsidenten innerbalb zwei Wochen die Klage bei dem Oberverwaltungsgerichte

3. In dem Verfahren auf Entfernung aus dem Amte wird die Einleitung des Berfahren» von dem Regierungspräfidenten beziehungsweise dem Minister des Innern verfügt und von demselben der Untersuchungskommissar ernannt; an die Stell« der Bezirksreaterung beziehungsweise de» Diszipltnarhofes tritt al» entscheidende Diszipllnarbehörde erster Instanz der Bezirksausschuß; an di« Stelle de» Staatsministeriums tritt das Oberverwaltungsgericht; den Vertreter der Staatsanwaltschaft ernennt bei dem Bezirksausschüsse der Regierungspräsident, bei dem Ober­ verwaltungsgerichte der Minister de» Innern. *) S. jetzt den (inhaltlich übereinstimmenden) § 107 der DemO. f. Hohenzollern vom 2. Juli 1900 (00.0.189).

3. SustLudigkeiUgefetz (1883).

8]

(2) Zn dem vorstehend bezüglich der Entfernung au» dem Amte vorgesehenen Verfahren ist entstehendenfall» auch über die Tatsache der Dienftunfähigkett der Bürgermeister, Beigeord­ neten, Magistratsmitglieder und sonstigen Gemeindebeamten Entscheidung zu treffen. (3) Gegen Mitglieder der Gemeindevertretung findet ein Disziplinarverfahren nicht statt.

[Statt Hbf. 4 f. jetzt § 7 Hbf. 1, § 25 deS ftontmunalbeamten g e f e * e i, unten Nr. 49.] |8etwalhmgl|eri4t 1. Znftan,]

§ 21.

(1) Zuständig in erster Instanz ist im Derwaltungsstreitverfahren für die in diesem Titel vorgesehenen Fälle, sofern nicht im einzelnen ander» bestimmt ist, der Bezirksausschuss, für den Stadtkreis Berlin in den Fällen de» 8 8 Absatz 2, § 9 und § 15 das Oberverwaltungsgericht. Die Frist zur Anstellung der Klage beträgt in allen Fällen zwei Wochen. (2) Die Gemeindevertretung beziehungsweise der kollegialische Gemeindtvorstand können zur Wahrnehmung ihrer Rechte im Verwaltungsstreitverfahren einen besonderen Vertreter be­ stellen. (3) Gegen die Entscheidung de» Bezirksausschusses in den Fällen des § 18 unter 2 ist nur das Rechtsmittel der Revision zulässig.

[„»leiten-]

§ 22.

(1) Die Bestimmungen dieses Abschnitt» kommen zur Anwen­ dung im Geltungsbereiche der Stadteordnung für di« sechs östlichen Provinzen vom SO. Mat 1853 (Gesetzsamml. 6.261) auch auf die § 1 Absatz 2 daselbst erwähnten Ortschaften

Provinz Schleswig-Holstein auch auf die §§ 94 ff. de» Gesetzes vom 14. April 1869 (Gesetzsamml. 6. 589) erwähnten Flecken. [Der letzte Teil von § 22 Hbf. 1, sowie § 22 Hbf. 2 und

§23 sind ersetzt durch die LOO. f. Hessen-Nassau v. 4. Huguft 1897 (00.0.301) und d. ® e m £>. f. Hohenzollern v. 2. Juli 1900 (00.0.189).]

V. Titel. Nngrlegenheite» der Landgemeinde» «nd der selbständigen Gntsbezirke. [Aussicht]

§ 24.

(1) Die Aufsicht des Staates Über die Verwaltung der Ange­ legenheiten der Landgemeinden, der Ämter in der Provinz West-

3. SuständigkeitS-esetz (1888).

[8

falen und der Bürgermeistereien^) in der RLeinprovinz, sowie der GutsLezirke wird, unbeschadet der Vorschriften der Kreisordnunaen und der in den Gesetzen geordneten Mitwirkung des Krersausschusses und des Bezirksausschusses, in erster Instanz von dem Landrate als Vorsitzenden des Kreisausschuffes, in höherer und letzter Instanz von dem Regierungspräsidenten geübt. (2) Beschwerden bei den Aufsichtsbehörden in den vorbezeich­ neten Angelegenheiten find in -allen Instanzen innerhalb zwei Wochen anzubringen. ISrenzänderung)

§25.

Der Kreisausschuh beschließt, soweit die Beschlußfassung nach den Eemeindeverfassungsgesetzen der Aufsichtsbehörde zu­ steht, über die Veränderung der Grenzen der ländlichen Ge­ meindebezirke und der Eutsbezirke. (1)

sAbs. 2 aufgehoben, f. §22 der rh«in. und der Wests. KreiSordnung. Die dadurch in Abs. 3 u. 4 erforderlichen Streichun­ gen sind durch Kleindruck kenntlich gemacht.!

(3) In den im Absatz 1 bezeichneten Fällen findet neben der Beschlußfassung des Kreisausschusses die in den Gemeindeversassunasaefetzen vorgeschriebene Anhörung des Kreistages nicht mehr statt. An die Stelle der sonst für kommunale Bezirks»«!änderungen, einschließlich der Fälle der »weiten Absätze», in den Gemeindeverfassunasgesetzen vorgeschriebenen Anhörung de» Kreis­ tage» tritt di« Anhörung des Kreisausschusses. (4) über die infolge einer Veränderung der Grenzen der Landgemeinden und Eutsbezirke, sowie der tn Absatz 2 erwähnten Ämter und Bürgermeistereien») notwendig werdende Auseinander­ setzung zwischen den Beteiligten beschließt der Kreisausschuh, vorbehaltlich der den letzteren gegeneinander zustehenden Klage im Verwaltungsstreitverfahren. fSreniftreitigkeitenj

§ 26.

Streitigkeiten über die bestehenden Grenzen der länd­ lichen Gemeinde« und Gutsbezirke, sowie über die Eigenschaft einer Ortschaft als Gemeinde oder eines Gut» al» Eutsbezirk» unterliegen der Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren. (2) über die im ersten Absätze bezeichneten Angelegenheiten beschriebt vorläufig, sofern es das öffentliche Interesse erheischt, der Kreisausschuh. Bei dem Beschlug behalt es bi» zur rechts­ kräftigen Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren sein Be­ wenden. (1)

*) Auch diese führen jetzt den Namen Ämter, s. § 2 d. C.|

§112.

Die Befugnis, gemäß § 51 der Reichsgewerbeordnuna die fernere Benutzung einer gewerblichen Anlage wegen über­ wiegender Nachteile und Gefahren für das Gemein­ wohl zu untersagen, steht dem Bezirksausschüsse zu.

IBeschwerdel

§ 113.

n den Fällen der §§ 109 bis 112 findet die Beschwerde an Nnister für Handel und Gewerbe statt. So­ fern bei Stauanlagen Landeskulturinteressen in Betracht kommen, ist der Minister für Landwirtschaft zuzuziehen.

S

B. Gewerbliche Konzessionen.

ISS 38. 34 «ewO.I § 114. (1) Über Anträge auf Erteilung der Erlaubnis zum Betriebe der Gastwirtschaft oder Schankwirtschast, zum Kleinhandel mit Branntwein oder Spiritus, sowie zum Betriebe des Pfandleihgewerbes und zum Handelmit Giften (W 33, 34 der Reichsgewerbeordnung) beschließt der Kreis- (Stadt-) Ausschuß. (2) Mrd die Erlaubnis versagt, so steht dem Antragsteller innerhalb zwei Wochen der Antrag auf mündliche Verhandlung im Derwaltungsstreitverfahren vor dem Kreis- (Stadt-) Aus­ schüsse zu. (3) über Anträge aufErteilung der Erlaubnis zum Betriebe der Gastwirtschaft, aum Ausschenken von Branntwein oder von Wein, Bier oder anderen geistigen Getränken, sowie zum Klein­ handel mit Branntwein oder Spiritus, ist zunächst die Gemeindeund die Ortspolizeibehörde zu hören. Wird von einer dieser Behörden Widerspruch erhoben, so darf bie Erteilung der Er­ laubnis nur auf Grund mündlicher Verhandlung im Verwaltungsftreitverfabren erfolgen. (4) Die Entscheidung des Bezirksausschusses ist endgültig. (5) In den zu einem Landkreise gehörigen Städten mit mehr als 10 000 Einwohnern tritt an die Stelle des Kreisausschusses der Magistrat (kouegialische Gemeindevorftand).

8. zuftiladi,kett»,»setz (1888).

8]

19 80 Ms. 1, § 82 6t»C.|

§ 115.

(1) über die Anträge auf Erteilung: a) der Konzession zu Privatkranken-, Privatentbindungs- und Privatirrenanstalten (§ 30 Absatz 1 der Reichsgewerbeordnung), b) der Erlaubnis zu Schauspielunternehmungen (§ 32 a. a. O). beschriebt der Bezirksausschuß. (2) Gegen den die Konzession (Erlaubnis) versagenden Be­ schluß findet innerhalb zwei Wochen der Antrag auf mündliche Verhandlung im Verwaltungsstrertverfahren start. (3) Für die im Lerwaltungsstreitverfahren in den Fällen zu a zu treffenden Entscheidungen find die von den Medizinal­ aufsichtsbehörden innerhalb ihrer gesetzlichen Zuständigkeit getrofienen allgemeinen Anordnungen über die gesundheitspolizetlichen Anforderungen, welche an die baulichen und sonstigen technischen Einrichtungen der unter a bezeichneten Anstalten zu stellen sind, maßgebend.

|§ 48 etwc., 9 5 Pretzges.s § 116. Gegen Verfügungen der Ortspolizeibehörde, durch welche die Erlaubnis zum gewerbsmäßigen öffentlichen Verbreiten von Druckschriften (§ 43 der Reichsgewerbeordnung) versagt, »der die nicht gewerbsmäßige öffentliche Verbreitung von Druck­

zwei Wochen die Klage bei dem Kreisausschusse, in Stadtkreisen und in den zu einem Landkreis« gehörigen Städten mit mehr als 10 000 Einwohnern bet dem Bezirksausschüsse statt. sLegittmatiaattarlen. Sandergewertescheins

§ 1171).

(1) Gegen Verfügungen der unteren Verwaltungsbehörden, durch welche Reichsangehörigen [bei Legitimationrschein) d i e Legitimationskart« 1. zum Ankauf von Waren oder zum Aufsuchen von Waren­ bestellungen (83 44. 44a der Reichsgewerbeordnung) oder [2. zum Gewerbebetrieb int Umherziehen (8 58 Nr. I und 2 der R«ich»gewerdeordnung)s

versagt worden ist, findet innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Bezirksausschüsse statt, über Anträge wegen Erteilung von *) Die Neufassung entspricht den Änderungen der Gewerbeordnung zu den S5 44, 44a das. durch da» Ges. d. 1. Juli 1883 (RGBl. S. 169).

s. ZustimdißkeitSßesetz (1888).

[8

sLegitimationsscheinenI Wander Gewerbescheinen für alle [anberen] Arten des Gewerbebetriebes im Umherziehen beschließt

der Bezirksausschuß. Gegen den versagenden Beschluß findet innerhalb aöci Wochen der Antrag auf mündliche Verhandlung im Berwaltungsstreitverfahren statt. (Revision)

§ 118.

Zn den Fällen der §§ 115, 116 und 117 ist gegen die End­ urteile des Bezirksausschusses nur das Rechtsmittel der Revision zulässig. 185 35, 37, 53 SewO.I

§ US.

Der Kreisausschuß, in Stadtkreisen und in den zu einem Landkreise gehörigen Städten mit mehr als 10 000 Ein­ wohnern der Bezirksausschuß, entscheidet auf Klage der zuständigen Behörde: 1. über die Untersagung des Betriebes der im § 35 der Reichsgewerbeordnung und der im § 37 o. et O. gedachten Gewerbe; 2. über die Zurücknahme von Konzessionen zum Betriebe der East- und Schankwirtschaft, zum Kleinhandel mit Branntwein und Spiritus, sowie zum Betrieve des Pfandleihgewerbes und zum Handel mit Giften (§ 53 a. a. O.). (Zurücknahme v. Approbat. usw.)

§ 120.

Der Bezirksausschuß entscheidet auf Klage der zuständigen Behörde über die Zurücknahme: 1. der im vorstehenden § 119 Nr. 2 nicht gedachten, im § 53 der Reichsgewerbeordnuna aufgeführten Approbationen, Genehmigungen und Bestallungen, mit Ausnahme der Konzessionen der Markscheider; [2. der Konzessionen der Versicherungsunternehmer, sowie der Aus­

wanderungsunternehmer und Agenten;]1) [3. der Konzessionen der Handelsmakler;)*)

4. der Patente der Stromschiffer (§ 31 Absatz 3 der Reichs­ gewerbeordnung) ; 5. der Prüfungszeugnisse der Hebammen (§ 30 Absatz 2 Gegenstandslos seit den Gesetzen über die privaten Versicherungs­ unternehmungen, v. 12. Mai 1901 (RGBl. S. 139), und über das AusWanderungsWesen, v. 9. Juni 1897 (RGBl. S. 463). *) Die Handelsmakler sind heute freie Gewerbetreibende, s. Art. 13 Abs. 3 pr. AusfG. z. BGB., v. 20. Sept. 1899 (GS. S. 177).

8]

8. AustLudiLkettSlesetz (1888).

(Neue Zuständi-keilens

§ 121.

Insofern durch Reichsgesetz bestimmt wird, daß außer den in §§ 114 vis 120 aufgeführten Gewerbetreibenden noch andere einer Konzession (Approbation, Genehmigung Bestallung) zum Gewerbebetriebe bedürfen oder noch anderen Gewerbetreioenden der Gewerbebetrieb untersagt oder die ihnen erteilte Konzession zurückaenommen werden kann, so wird die zur Erteilung der Konzession, Untersagung des Gewerbebetriebes, beziehungsweise Zurücknahme der Konzession zuständige Behörde durch (Königliches Verordnung des Staatsministeriums-) bestimmt'). C. Ortsstatuten.

§122. Der Bezirksausschuh beschließt über die Genehmi­ tt u n g von Ortsstatuten, betreffend gewerbliche Angelegenheiten (§ 142 der Reichsgewerbeordnung und §57 Nr. 2 der Verord­ nung vom 9. Februar 1849, Gesetzfamml. S. 93).

D. Innungen.

§123. (Weggesallen infolge der späteren Änderungen der GewO.j sInnungöstatutens

§ 1248).

(1) Der Bezirksausschuß beschließt über die Genehmigung von Innungsstatuten und deren Abänderung (§ 84 der Reichs­ gewerbeordnung). (2) Gegen den die Genehmigung versagenden Beschluß findet innerhalb 8wei Wochen der Antrag auf mündliche Verhandlung im VerwaÜungsstreltverfahren statt. (3) Gegen oie Entscheidung des Bezirksausschusies ist nur das Rechtsmittel der Revision zulässig. lAuslLsunß, «ufstchq

§ 125.

(1) Der Entscheidung des Bezirksausschusies unterliegen Streitigkeiten zwischen Ortsgemeinben und Innungen infolge der Auflösung der letzteren gemäß § 98a der Reichsgewerbe­ ordnung. i) GemLH Art. 82 Abs. 1 der preuß. Berf. ’) S. die BO. 31. Dez. 1883 (GS. 1884 S. 7), v. 20. Aug. 1894 (GS. S. 161), v. 30. Juli 1900 (GS. S. 161). s) Die Hinweise in §§ 124 ff. entsprechen den späteren Änderungen der GewO.

[3

8. Zuständigkeit-gesetz (1883).

(2) Ingleichen findet in den Fällen des 8 96 Absatz 7, § 101 Absatz 4 oer Reichsgewerbeordnung innerhalboer gesetzlichen Frist von vier Wochen gegen die dort erwähnten Entscheidungen der Aufsichtsbehörde die Klage bei dem Bezirksausschüsse statt. iSchlietzung)

§ 126.

(1) Der Bezirksausschuß entscheidet auf Klage der Aufsichtsbehörde über die Schließung einer Innung oder eines gemein­ samen Innungsausschusses (§§ 97, 102 der Reichsgewerbeordnung). (2) Der Bezirksausschuß kann vor Erlaß des Endurteils nach Anhörung des Innungsvorstandes oder des gemeinsamen In­ nungsausschusses die vorläufige Schließung der Innung oder oes gemeinsamen Znnungsausfchusses anordnen, welche alsdann bis zum Erlaß des Endurteils fortdauert. L. M ä r k t e. (Kram- und Biehmärkte) § 127. (1) Der Provinzialrat beschließt über die Zahl, Zeit und

Dauer der Kram- und Biehmärkte. (2) Gegen den Beschluß findet die Minister für Handel und Gewerbe statt.

Beschwerde

an

den

IWrchenmärktr) § 128. (1) Der Bezirksausschuß beschließt über die Zahl, Zeit und

Dauer der Wochenmarrte, über die fernere Gestattung oes her­ kömmlichen Wochenmarktverkehrs mit gewissen Handwerkerwaren von feiten der einheimischen Verkäufer (§ 64 der Reichs­ gewerbeordnung), sowie darüber, welche Gegenstände außer den rm 8 66 a. a. O. aufgefübrten nach Ortsgewohnheit und Bedürf­ nis im Regierungsbezirke überhaupt oder an gewissen Orten zu den Wochenmarktsartrkeln gehören. (2) Die Festsetzung über Zahl, Zeit und Dauer der Wochen­ märkte erfolgen unter Zustimmung der Gemeindebehörden des Marktories. sEntschädigungSansprüchel

§ 129.

Sofern bei Aufhebung von Märkten der in den 88 127 und 128 bezeichneten Art Entschädigungsansprüche von Marktberechtigten in Frage kommen, bedürfen die bezüglichen Beschlüsse der Zustimmung des Ministers für Handel und Gewerbe. lMarttstandSgelderl

§ 130.

li) Der Bezirksausschuß beschließt über die Einführung neuer, sowie über die Erhöhung oder Ermäßigung oder ander-

8]

8. Austin,«,tritt,«letz (1888).

weite Regulierung bestehender Marktstandsaelder (Gesetz vom 26. April 1872, betreffend die Erhebung von Marktstandsgeldern, Eesetzsamml. 6.513). (2) Bei der Bestimmung des § 5 Absatz 2 des Gesetzes vom 26. April 1872 behält es fein Bewenden.

F. Öffentlich« Schlachthäuser.

§131. (1) Der Bezirksausschuß beschließt: 1. über die Genehmigung der auf Grund der 88 1 bis 4 des Gesetze» vom 18. Mä» 1868'), betreffend Vie Errichtung öffentlicher, ausschließlich zu benutzender Schlachthäuser (Eesetzsamml. S. 227), gefaßten Eemeindebeichlüsse, so­ wie über die Bestätigung von Berträgen zwilchen einer Gemeinde und einem Unternehmer in betreff der Er­ richtung eines öffentlichen Schlachthauses (8 12 a. o. D.); 2. über Entschädigungsansprüche der Eigentümer und Nutzungsberechtigten von Privatschlachtanstalten wegen des ihnen durch die Errichtung öffentlicher, ausschließlich zu benutzender Schlachthäuser zugefügten Schadens (§8 v bis 11 a. a. O). (2) An den Fällen zu 1 findet die Beschwerde an den Minister für Handel und Gewerbe, in den Fällen zu 2 nur der ordentliche Rechtsweg gemäß § 11 6.0.O. statt.

6. Kehrbezirke.

§182. Der Bezirksausschuß beschließt über die Einrichtung, Auf­ hebung oder Veränderung der Kehrbezirke für Schornsteinfeger (8 39 der Reichsgewerbeordnung). H. Ablösung gewerblicher Berechtigungen.

§133. (1) Der Bezirksausschuß entscheidet über Anträge aus Ab­ lösung von Gewerbeberechtigungen und auf Entschädigung für aufgehobene Gewerbeberechtigungen. (2) Gegen die Endurteile de» Bezirksausschusses findet unter Ausschluß anderer Rechtsmittel nur die Berufung an das Ober­ verwaltungsgericht statt. *) Geändert zuletzt durch Ges. v. 26. Aug. 1921 (GS. S- 495) § 11.

3. ZuständiMtSgesetz (1883).

[8

XVII. Titel. Handelskammern, kaufmännische Korporationen, Börsen. 88 134,135. [Ersetzt durch daS HandelSkammergesetz vom 19. Aug. 1897 (GS. S. 355), ferner G. v. 2. Juni 1902 (GS. S. 161), v. 14. Jan. 1921 (GS. S. 223), VO. v. 31. Oki. 1923 (GS. S. 501) und v. 1. April 1924 (GS. S. 194).]

lKaufm. Korporationen! 8 136. Gegen Beschlüsse des Vorstandes einer kaufmännischen Kor­ poration über die Aufnahme, die Suspension oder die Ausschliehuna von Mitgliedern, die Gültigkeit der Dorstandswahlen, die Rechte und Pflichten der Mitglieder und die Verhängung von Ordnungsstrafen gegen Mitglieder findet, soweit nach dem Statut gegen dergleichen Beschlüsse der Rekurs an eine Behörde zulässig ist, an Stelle desselben innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Bezirksausschüsse statt.

[Börsen]

8 137.

Gegen Beschlüsse der Handelskammer oder des Vorstandes einer kaufmännischen Korporation, durch welche die Erlaubnis zum Besuche der der Aufsicht der Handelskammer oder kauf­ männischen Korporation unterstellten Börse versagt, auf Zett oder für immer entzogen, eine Beschwerde über unrichtige Ein­ schätzung zu den Börsenbeiträgen zurückgewiesen, oder über einen Hanoelsmakler eine Ordnungsstrafe verhängt wird, findet, so­ weit nach der Börsen- oder Maklerordnung gegen dergleichen Beschlüsse der Rekurs an eine Behörde zulässig ist, an Stelle des­ selben innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Bezirksaus­ schüsse statt.

[Revifion]

8 188.

Gegen die Endurteile des Bezirksausschusses in den Fällen der §§ 135 bis 137 ist nur das Rechtsmittel der Revifion zulässig.

[Spritzenverbände]

XVIII. Titel. Feuerlöschwesen. 8 139.

(1) Der Kreisausschutz beschließt, soweit die Vorschriften über das Feuerlöschwesen nicht entgegenstehen, über die Genehmigung und erforderlichenfalls über die Anordnung zur Bildung, Ver­ änderung und Aushebung von Verbänden mehrerer Landgemein­ den oder Gutsbezirke behufs gemeinschaftlicher Anschaffung und Unterhaltung von Feuerspritzen (Spritzenverbänden).

8]

3. Zuftin»i,teU»,»fktz (1883).

(2) über die gemeinschaftlichen Angelegenheiten jedes Spritzenverbandes, insbesondere über die Aufbringungsweise und die Verteilung der Kosten, find, soweit dies notwendig ist, die erforderlichen Festsetzungen durch ein unter den Beteiligten zu vereinbarende» Statut, welches der Bestätigung des Kreis­ ausschusses bedarf, zu treffen. Kommt eine Vereinbarung über da» Statut binnen einer von dem Kreisausschusse zu bemessenden Frist nicht zustande, oder wird dem Statute die Bestätigung wiederholt versagt, so stellt der Kreisausschuh das Statut fest.

§ 140. (1) Über die infolge Veränderung oder Aufhebung eines Spritzenverbandes notwendig werdende Auseinandersetzung zwischen den Beteiligten beschließt der Kreisausschuh. (2) Gegen den Beschlug findet innerhalb zwei Wochen der Antrag auf mündliche Verhandlung im Verwaltungsstreitver­ fahren statt. (3) Streitigkeiten zwischen den beteiligten Gemeinden oder Eutsbezirken über ihre Berechtigung oder Verpflichtung zur Teilnahme an den Nutzungen beziehungsweise Lasten des Eprttzenverbandes unterliegen der Entscheidung des Kreisausschusse» im Lerwaltungsstrertverfahren.

XIX. Titel. -tlf-kassen.

§§ 141,142. fFortgesallen. Seit Aufhebung de- HilfSkassengesetzcs («es. ». S0. De,. 1911, RSBl. S. 139) unterstehen die Hilfskassen dem «es. über d. priv. BersicherungSunternchmungen v. 15. Mai 1901 (RSBl. 0.139).]

XX. Titel. Baupolizei, flseuer- u. baupel. Verfchr.)

§ 143.

Der Bezirksausschuß beschließt über di« Anwendung der in den Städten geltenden feuer- und baupolizeilichen Vor­ schriften bei Gebäuden auf solchen zum platten Lande gehörigen Grundstücken, welche innerhalb der Städte oder im Gemenge mit städtischen bebauten Grundstücken liegen, gemäß den Vorschriften der Verordnung vom 17. Juli 1846 (Gesetzsamml. S. 399). skifenbahnhanderbeiter]

§ 144.

über die Anwendung der Bestimmungen der Verordnung vom 21. Dezember 1846, betreffend die bei dem Bau von Eisen­ bahnen beschäftigten Handarbeiter (Gesetzsamml. 1847 6. 21),

8. Zustündi-keitSßesetz (1888).

[3

auf andere öffentliche Bauausführungen (Kanal- und ELausseebauten usw.) gemäß § 26 der gedachten Verordnung beschließt: 1. insoweit es sich um Bauten der Kreise, Amts-, Wegever­ bände oder Gemeinden bandelt, der Regierungspräsident unter Zustimmung des Bezirksausschusses,' 2. insoweit es sich um Bauten des Provinzialverbandes handelt, der Ooerpräsident unter Zustimmung des Pro­ vinzialrats; 3. für den Stadtkreis Berlin der Oberpräsident.

IBaudiSpenS) § 145. (1) Über Dispense von Bestimmungen der Baupolizeiord­ nungen beschließt nach Maßgabe dieser Ordnungen der Kreisausschuß, in Stadtkreisen uno in den zu einem Landkreise aehörtgen Städten von mehr als 10 000 Einwohnern der Bezirks­ ausschuß, soweit die Angelegenheit nicht nach diesen Ordnungen zur Zuständigkeit anderer Organe gehört. Verfügungen der letzteren unterliegen der Anfechtung nur im Wege der Be­ schwerde an die Aufsichtsbehörde. (2) Der Bezirksausschuß tritt in betreff der Zuständigkeit zur Erteilung von Dispensen tn allen Fällen an die Stelle der Be­ zirksregierung. (3) Zur Einlegung der Beschwerde gegen den Beschluß ist auch die zur Trteiluna der Bauerlaubms zuständige Behörde befugt, welcher der Beschluß zuzuftellen ist. (4) Gegen die Beschlüsse des Bezirksausschusses in erster Jn'anz und des gemäß Abs. 1 entscheidenden Regierungspräsidenten indet binnen aroei Wochen die Beschwerde an den Ober­ präsidenten statt, oer endgültig entscheidet).

f

sFluchtlinienzesetzl § 146. (1) Die 83 17 und 18 des Gesetzes, betreffend die Anlegung und Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften, vom 2. Juli 1875 (Gesetzsamml. S. 561) werden aufgehoben. (2) Die Wahrnehmung der in den 88 5, 8, 9 a.a. O. dem Kreisausschusse angelegten Funktionen liegt für den Stadtkreis Berlin dem Minister der öffentlichen Arbeiten, für die übriaen Stadtkreise, sowie für die zu einem Landkreise gehörigen Stabte mit mehr als 10 000 Einwohnern dem Bezirksausschüsse ob. Die Bestätigung der Statuten nach den §§12 und 15 a. a. O. erfolgt für den Stadtkreis Berlin durch den Minister des Innern.

9 Abs. 4 neugefaßt durch Art. 4 § 5 des WohnGef. v. 28. März 1918 (GS. S. 23).

8]

8. ZuftLudirkeiU-esetz (1888).

XXI. Titel. Dis»e«trrtio«s- «md A«stedel»ngs)achen. § 147.

sGnmdftück-teUun-e» usw.)

Die §§ 22 und 23 deS Gesetze- vom 25. August 1876, betreffend die Verteilung der öffentlichen Lasten bei Grundstück-teilungen und die Gründung neuer Ansiedelungen in den Provinzen Preußen, Bran­ denburg, Pommern, Posen, Schlesien, Sachsen und W e st f a l e n (Gesetzsamml. S. 405), treten außer Kraft. IReufiedlungen)

§ 148.

(1) Die in den §§ 1 bi- 4 de- Lauenburgischen Gesetze- vom 4. No­ vember 1874, betreffend die Gründung neuer Ansiedelungen im Herzog­ tum Lauenburg (Offizielle- Wochenbl. S. 291), dem Landrate zu­ gewiesene Entscheidung über die Gestattung neuer Ansiedelungen ist von der Ort-polizeibehörde zu treffen. (2) Gegen den Bescheid, welcher mit Gründen zu versehen und dem Antragsteller sowie denjenigen, welche Widerspruch erhoben haben, zu eröffnen ist, steht den Beteiligten innerhalb zwei Wochen die Klage im Verwaltungsstreitverfahren bei dem Krei-au-schusie zu. IZerstückeluu-eu)

§ 149.

Im Geltungsbereiche de- Lauenburgischen Gesetze- bont 22. Januar 1876, betreffend die Berteilung der öffentlichen Lasten bei Grundstück-zerstückelungen (Offizielle- Wochenblatt S. 11), tritt 1. an die Stelle der im § 12 Absatz 2 den Beteiligten und der Pa­ tronat-behörde offen gehaltenen Beschwerde gegen die Lastenverteilung, innerhalb der dort bestimmten Frist von zwei Wochen, die Klage beim Krei-au-schusie im Verwaltungsstreitverfahren und 2. an die Stelle der vorläufigen Festsetzung de- Landrat- über die Lastenverteilung (§ 16 a. a. O.) die vorläufige Festsetzung durch Beschluß deS KreisauSschusieS, gegen welchen eine Beschwerde nicht stattfindet.

XXII. Titel. SuteigUAngssachen. §150. (Befuteiflt btt „Stjitfärtgitrung“, »rrsahrens

(1) Di« Befugnisse und Obliegenheiten, welche in dem Gesetze vom 11. Juni 1874 über die Enteignung von Grundeigentum (Eesetz-Samml. 6. 221) den Bezirksregierungen (Landrosteien) veigelegi worden find, werden in den Fällen der 8815,18 bis 20, 24 und 27 von dem Regierungspräsidenten, in den Fällen der 88 3, 4, 5, 14, 21, 29, 32 bis 35 und 53 Absatz 2 von dem Bezirks­ ausschüsse im Beschluhverfahren, in dem Stadtkreise Berlin von der ersten Abteilung des Polizripräfidiums, wahrgenommen.

3. Auftiindigkeittgesetz (1883).

[8

(2) Auch gehm auf den Bezirksausschutz beziehungsweise die erste Abteilung des Polizeipräsidiums in Berlin die nach den 88 142 ff. des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 sffie« fetzsamml. 6. 705) der Bezirksregierung zustehenden Befug­ nisse über. (3) Gegen die in erster Instanz gefotzten Beschlüsse des Bezirksausschusses beziehungsweise der ersten Abteilung des Polizei­ präsidiums findet, soweit nicht der ordentliche Rechtsweg zulässig ist, innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an den Minister für Handel und Gewerbe*) statt. (4) Bei der für die Erhebung der Beschwerde in § 34 des Gesetzes vom 11. Juni 1874 bestimmten Frist von drei Tagen behält es sein Bewenden. [ffiegebaunaterialien] § 151. (1) Die nach § 53 Absatz 1 des Gesetzes vom 11. Juni 1874 dem Landrate (in Hannover der betreffenden Obrigkeit) zu­ gewiesene Entscheidung ist durch Beschlug des Kreis- (Stadt-) Ausschusses zu treffen. (2) Der § 56 des gedachten Gesetzes tritt nutzer Kraft,

(enteign, z. Banbeltulhir] § 152. Soweit nach den für Enteignungen im Jnteresie der Landes­ kultur im § 54 Nr. 1 des Gesetzes vom 11. Juni 1874 aufrecht­ erhaltenen Gesetzen, in Verbindung mit dem Gesetze über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883, der Regie­ rungspräsident über di« Enteignung Entscheidung zu Irenen haben würde, beschlietzt der Bezirksausschutz, jedoch — unbeschadet der Borschriften im § 97 des gegenwärtigen Gesetzes — mit Aus­ nahme der Enteignungen für die Zwecke von Deichen, welche einem Detchverbande angehören, und für die Zwecke der Siel­ anstalten in den Berbandsbezirken. (Entschädig, i. FestungSrayans § 153. Der Bezirksausschutz beschlietzt endgültig vorbehaltlich des ordentlichen Rechtswege» über die Feststellung der Entschädigung in den Fällen der §8 39 ff. des Reichsgesetzes vom 21. Dezember 1871, betreffend die Beschränkungen de» Grundeigentum» in der Umgebung von Festungen (Reichsgesetzbl. 6.459).

XXIII. Titel. Personenstand und Staatsangehörigkeit. |6tnnbelbe«mtee] § 154. (1) Die staatliche Aufsicht über die Amtsführung der Standes­ beamten wird in den Landgemeinden und Gutsbezirken von dem

*) Seit ®. b. 15. Aug. 1921 (SS. S. 487) tos. le.

— 93 —

3. ZustLndiLkeitSresetz (1883).

8]

Landrat als Vorsitzenden des Kreisausschusses, in höherer In­ stanz von dem Regierungsvräfidenten und dem Minister des Innern, in den Stavtgemeinden von dem Regierungspräsidenten, m höherer Instanz von dem Oberprästdenten und dem Minister des Innern, im Stadtkreise Berlin von dem Oberprästdenten und in höherer Instanz von dem Minister des Innern geführt. [8bf. 2 gestrichen durch Art. 132 oeS preußFGB.]

(3) Die Festsetzung der Entschädigung jüi die Wahrn^mung der Geschäfte des Standesbeamten in den Fällen des 8 7 Matz 2 des ReichsAesetzes vom 6. Februar 1875 (§ 5 Absatz 1 oes Gesetzes vom 8. Marz 1874) erfolgt in den Stadtgemeinden durch die Gemeindevertretung, für vte Landgemeinden durch Beschluß des Kreisausschusses. Beschwerden über die Festsetzung find in beiden Fällen innerhalb zwei Wochen bei dem Bezirksausschüsse anzu­ bringen. Der Beschluß des Bezirksausschusses ist endgültig.

§ 155. Gegen den Bescheid der höheren Verwaltungsbehörde, durch den der Antrag auf Aufnahme, auf Einbürgerung und auf Ent­ lassung in den im 8 40 Abs. 1 des Reichs- und Staatsangehörigkettsgefetzes vom 22. Juli 1913 lReichsaesetzbl. 6. 583) aufge­ führten Fällen abaelehnt worden ist, findet innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Oberverwaltungsgerichte statt').

lStaat-angehSrißkeits

XXIV. Titel.

Stenerangelegenheiten. §156.

^Beseitigt schon durch § 85 deS EinkStG. vom 24. Juni 1891.] XXV. Titel. Ergänzende, Übergangs- und Schlnßbestimmnngen. Mitwirkung anderer Minister,

§ 157.

Durch den in dem gegenwärtigen Gesetze vorgeschriebenen Be­ schwerdezug an einen bestimmten Minister wird die in den bestehenden Vorschriften begründete Mitwirkung anderer Minister bei Erledigung der Beschwerde nicht berührt. lEisendahnangelegeuheitenl

§ 158.

Durch die den Behörden in diesem Gesetze beigelegten Befugnisse zur Entscheidung beziehungsweise Beschlußfassung in Wegebausachen und in wasserpolizeilichen Angelegenheiten werden die der LandeSpolizeibehörde und dem Minister für Handel und Gewerbe') nach §§ 4 und 14 deS Gesetzes über die Eisenbahnunternehmungen vom

M Fass, nach G. v. 18. Juni 1914 (GS. S. 118). ’) Nach dem in Anm. 1 zu § 160 Abs. 3 erwähnten Gesetz.

3. Zustäudi-keit-tesetz (1883).

[3

3. November 1838 (Gesetzsamml. S. 505) und nach § 7 deS Gesetze- vom 1. Mai 1865 (Gesetzsamml. S. 317) zustehenden Befugnisse in Eisenbahn­ angelegenheiten nicht berührt. lEisenbahnuntern., Tarif]

§ 159.

(1) Die in den §§ 7 und 22 des Gesetze- über die Eisenbahnunter­ nehmungen vom 3. November 1838 und nach § 9 de- Gesetze- vom 1. Mai 1865 (Gesetzsamml. S. 317) der Bezirksregierung beigelegten Befugnisse gehen auf den Minister für Handel und Gewerbe*) über. (2) In Streitsachen zwischen Eisenbahngesellschaften und Privat­ personen wegen Anwendung des Bahngeld- und deS Frachttarifs (§ 35 des ersteren Gesetzes) entscheidet fortan der ordentliche Richter. lBeschreitung des Rechtsweg-]

§ 160.

(1) In den Fällen der §§ 1, 18, 34, 44, 46, 47, 54 und 140 deS gegenwärtigen Gesetzes, ssowie des § 53 des Gesetzes, betreffend die Bil­ dung von Wassergenossenschaften, vom 1. April 1879 (Gesetzsamml. S. 297)]*) ist die Zuständigkeit deS Kreis- (Stadt-) Ausschusses, deS Be­ zirksausschusses und deS Oberverwaltungsgerichts auch insoweit begrün­ det, al- bisher durch § 79 Titel 14 Teil II Allgemeinen Landrecht-, be­ ziehungsweise §§ 9, 10 deS Gesetze- über die Erweiterung deS Rechts­ weges vom 24. Mai 1861 (Gesetzsamml. S. 241) oder sonstige bestehende Vorschriften der ordentliche Rechtsweg für zulässig erklärt war. (2) Der Grundsatz, daß die Entscheidungen unbeschadet aller privat­ rechtlichen Verhältnisse ergehen (§ 7 deS Gesetzes über die allgemeine 2andesverwaltung vom 30. Juli 1883), bleibt hierbei unberührt.

(Vorschriften für Berlin]

§ 161.

(1) Für den Stadtkreis Berlin ist der BezirkSausschutz auch in den Fällen der §§ 14, 17 Nr. 2 und 5, 110, 111, 112, 123, 128, 130, 132, 145 und 154 Absatz 3 dieses Gesetzes zuständig, desgleichen in den Fällen der 20 Abs. 4, 21 Abs. 1, 22 der Ausführungsverordnung vom 17. April 1924 (Gesetzsamml. S. 210) zur Verordnung über die Fürsorgepflicht vom 13. Februar 1924 (ReichSgesetzbl. I S. 100) in der Fassung deS Gesetzes vom 17. Februar 1926 (Gesetzsamml. S. 79)'). (2) In den Fällen der §§ 115, 117, 124 fund 141?) beschriebt für den Stadtkreis Berlin an Stelle des Bezirksausschusses der Polizeipräsi-

*) Nach dem in Anm. 1 zu § 150 Abs. 3 erwähnten Gesetz. *) Durch das Wassergesetz beseitigt (§ 399 Abs. 1 das.). *) Fass. deS Abs. 1 nach den BO. v. 12. April 1924 (GS. S. 210), v. 20. Juni 1924 (GS. S. 557) und dem Ges. v. 29. März 1927 (GS. S. 33). *) § 141 aufgehoben, s. Anm. bei § 141.

4]

4. BenvaltunßSßerichtSßesetz (1875/1880).

dent; gegen den versagenden Beschluß desselben findet innerhalb -Wei Wochen die Klage bei dem Bezirksausschüsse statt.

lLinwshner-ahls § 162. Maßgebend für die Berechnung der Einwohnerzahl einer Stadt ist in betreff der Bestimmungen diese- Gesetze- die durch die jedesmalige letzte Volkszählung ermittelte Zahl der ortSanwesenden Zivilbevölkerung.

lZukrafttretrns § 163. (1) DaS gegenwärtige Gesetz tritt gleichzeitig mit dem Geseße über die allgemeine Laude-verwaltung vom 30. Juli 1883 in Kraft. (2) Bezüglich der vor diesem Zeitpunkte anhängig gemachten Sachen sind die Vorschriften des § 154 Absatz 3 deS letzteren Gesetzes maßgebend.

ISeftittett «»rlchriste«!

§ 164.

(1) Mit dem Tage deS Inkrafttretens deS gegenwärtigen Gesetzekommt das Gesetz, betreffend die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden und der VerwaltungsgerichtSbehörden usw., vom 26. Juni 1876 (Gesetzsammt S. 297), in allen seinen Teilen in Wegfall. (2) Jngleichen treten mit dem gedachten Zeitpunkte alle mit den Vorschriften deS gegenwärtigen Gesetzes in Widerspruch stehenden Be­ stimmungen außer Kraft.

4. Gesetz, betreffend die Verfassung der Verwaltung-gerichte und das VerwaltungSstreiwerfahren. Dom 3- Sufi 1875 (SG. 6. 375) und 2. August 1880 (06. 6. 315). (Der Inhalt deS Gesetzes ist jetzt größtenteils in da- LandeSBerwGes. ausgenommen; die §§ 1—16a, 31—87a, 89 sind durch § 154 des LandeSverwaltungSgesetzeS gestrichen, gültig sind nur noch die nachstehenden Bestimmungen über da- Oberverwaltungsgericht.j

Titel IV. von dem Oberoermaltungsgerlchte. IZusannueusetzun-s

§ 17.

(1) Das Oberverwaltungsgericht besteht aus einem Präsiden­ ten, den Eenatspräfidenten (§ 26) und der erforderlichen Anzahl

[4

4. VerwaltMl-SgerichtS-esetz (1875/1880).

von Räten. Die eine Hälfte der Mitglieder des Oberverwaltunasgerichts muh zum Richteramte, die andere Hälfte zur Dekleioung von höheren Verwaltungsämtern befähigt fein. (2) Zum Mitgliede des OLerverwaltungsgerichts kann nur ernannt werden, wer das 30. Lebensjahr vollendet hat.

(Ernennung) § 18. Die Mitglieder des Oberverwaltungsgerichts werden [auf den Vorschlag deS Staatsministeriums vom Könige) vom Staatsminiftetium1) ernannt. Die Ernennung erfolgt auf Lebenszeit. [Äfbenamt] § 19. Die Mitglieder deS Oberverwaltungsgerichts können ein besoldetes Nebenamt nur in den Fällen bekleiden, in denen das Gesetz die Über­ tragung eines solchen Amtes an etatSmäßig angestellte Richter gestattet.

! Disziplinarverfahren) § 20. Die Mitglieder deS Oberverwaltungsgerichts unterliegen, Vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 21 ff., keinem Disziplinarverfahren.

§ 21. Ist ein Mitglied zu einer Strafe wegen einer entehrenden Hand­ lung oder zu einer Freiheitsstrafe von längerer als einjähriger Dauer rechtskräftig verurteilt, so kann eS durch Plenarbeschluß deS Oberver­ waltungsgerichts seines Amtes und seines Gehalts für verlustig erklärt werden. IBrrl. Enthebung) § 22. (1) Ist wegen eines Berbrechens oder Vergehens das Hauptverfahren gegen ein Mitglied eröffnet, so kann die vorläufige Enthebung des­ selben von seinem Amte durch Plenarbeschluß deS Oberverwaltung-gerichtS ausgesprochen werden. (2) Wird gegen ein Mitglied die Untersuchungshaft verhängt, so tritt für die Dauer derselben die vorläufige Enthebung von Recht- wegen ein. (3) Durch die vorläufige Enthebung wird daS Recht auf den Genuß deS GehaltS nicht berührt.

§ 23. Wenn ein Mitglied durch ein körperliches Gebrechen oder durch Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zur Erfüllung seiner Amtspflichten dauernd unfähig wird, so tritt seine Bersetzung in den Ruhestand gegen Gewährung eines Ruhegehalts ein.

0 Gemäß Art. 82 Abs. 1 Prv. Bühler, verwaltuug-gesetze.

7

4]

4. Verwaltung»,erichtSgesetz (1875/1880).

IZwangSvers. i. b. Ruhestand)

§ 24.

Wird die Bersetzung eine- Mitgliedes in den Ruhestand nicht be­ antragt, obgleich die Voraussetzungen derselben vorliegen, so hat der Präsident an daS Mitglied die Aufforderung zu erlassen, binnen einer bestimmten Frist den «Antrag zu stellen. Wird dieser Aufforderung nicht Folge geleistet, so ist die Bersetzung in den Ruhestand durch Plenarbeschluß des Oberverwaltungsgerichts auszusprechen.

IBersahreu)

§ 25.

Für daS nach Maßgabe der §§ 21, 22 Absatz 1 und leitende verfahren gellen die folgenden Bestimmungen:

§ 24

einzu­

1. Der Präsident ernennt auS der Zahl der Mitglieder des OberVerwaltungsgerichts einen Kommissar. Der Kommissar har die daS Verfahren begründenden Tatsachen zu erörtern, erforderlichenfalls den Beweis unter Vorladung des beteiligten Mitgliedes zu erheben und darüber Bericht zu erstatten. Der Bericht ist dem beteiligten Mitgliede zuzufertigen. 2. Bor der Beschlußfassung findet eine mündliche Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgerichte statt. In derselben kann die münd­ liche Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen erfolgen. DaS beteiligte Mitglied beziehungsweise sein Kurator ist zu hören. 3. DaS beteiligte Mitglied kann sich deS Beistandes oder der Ver­ tretung eines RechtSanwalteS bedienen, jedoch ist daS OberverwaltungSgericht befugt, daS persönliche Erscheinen deS Mitgliedes unter der Warnung anzuordnen, daß bei seinem Ausbleiben ein Vertreter desselben nicht werde zugelassen werden. 4. Die Einleitung deS Verfahrens gegen den Präsidenten erfolgt durch den Stellvertreter desselben auf Grund eines jPlenarbeschlusseS deS OberverwaltungSgerichtSj.

ISeuate, Präsidium!

§ 26.

(1) Das Oberverwaltungsgericht kann auf Beschluß des Staatsministeriums in Senate eingeteilt werden. (2) Das Präsidium bezeichnet bei Beginn jedes Geschäfts­ jahres und mindestens auf die Dauer desselben für jeden Senat die ständigen Mitglieder und für den Fall ihrer Berhinderung die erforderlichen Vertreter. (3) In gleicher Weise erfolgt nach Maßgabe des hierfür erlasienen Regulativs (§ 30) die Verteilung der Geschäfte unter die Senate. (4) Das Präsidium besteht aus dem Präsidenten, den Senats­ präsidenten und dem dem Dienstalter nach, bei gleichem Dienst-

4. VervaltmigS-erichtSgefeh (1875/1880).

[4

alter dem der Geburt nach ältesten Mitglieds. Das Präsidium entscheidet nach Stimmenmehrheit; im Falle der Stimmengleich­ heit gibt die Stimme des Präfidenten den Ausschlag. lPräfident)

§ 27.

(1) Dem Präsidenten gebührt der Vorsitz im Plenum und in demjenigen Senate, welchem er sich anschließt- in den anderen Senaten führt ein Senatspräfident den Vorsitz. (2) Im Falle der Verhinderung des ordentlichen Vorsitzenden führt den Vorlltz im Plenum derjenige Senatsvräfident und in den Senaten derjenige Rat des Senats, welcher das gedachte Amt am längsten bekleidet, und bei gleichem Dienstalter der­ jenige, welcher der Geburt nach der Älteste ist. IBtschluhfaffungl

§ 28.

(1) Zur Fällung gültiger Beschlüsse des Oberverwaltungs­ gerichts ist die Teilnahme von wenigstens fünf Mitgliedern er­ forderlich. (2) Die Zahl der Mitglieder, welche bei Fassung eines Be­ schlusses eine entscheidende Stimme führen, muh in allen Fällen eine ungerade sein. Ist die Zahl der anwesenden Mitglieder eine gerade, so hat der zuletzt ernannte Rat und bei gleichem Dienstalter der der Geburt nach jüngere Rat kein Stimmrecht. Dem Berichterstatter steht jedoch in allen Fällen Stimmrecht zu. iPlenarentscheidung)

§ 29.

(1) Will ein Senat des OberverwaltungsJerichts in einer Rechtsfrage von einer früheren Entscheidung eines anderen Se­ nats oder des Plenums abweichen, so ist über die streitige Rechtsfrage die Entscheidung des Plenums des Gerichtshofes einzuholen. Dieselbe erfolgt in allen Fällen ohne vorgängige mündliche Verhandlung. Vor der Entscheidung des Plenums ist jedoch den von den Ressortministern zur Wahrnehmung des öffentlichen Interesses bestellten Kommissarien Gelegenheit zu geben, sich schriftlich über die zur Entscheidung stehende Rechts­ frage zu äußern. (2) Die Entscheidung der Rechtsfrage durch das Plenum ist in der zur Entscheidung stehenden Sache bindend. (3) Soweit die Entscheidung der Sache eine vorgängige mündliche Verhandlung erfordert, erfolgt dieselbe durch den er­ kennenden Senat auf Grund einer erneuten mündlichen Ver-

4]

4. VerwLltm,,SßrrichtS,esetz (1875/1880).

Handlung, zu welcher die Parteien unter Mitteilung der ergan­ genen Entscheidung der Rechtsfrage zu laden find'). (4) Zur Fassung von Plenarentscheidungen ist die Teilnahme von wenigstens zwei Dritteln aller Mitglieder erforderlich.

8

[Äegulattol •)

80.

(1) Im übrigen wird der Geschäftsgang und die Verteilung der Ge­ schäfte unter die Senate durch ein Regulativ geordnet, welches daS Ple­ num des Oberverwaltungsgerichts zu entwersen und dem Staatsministerium zur Bestätigung einzureichen hat. (2) Die Ernennung der erforderlichen Subalternund Unter­ beamten bei dem Oberverwaltungsgerichte erfolgt, insoweit sie nicht durch daS GeschäftSregulativ dem Präsidenten überwiesen wird, durch das Staatsministerium.

IDisziplinarverf. d. Unterdramteus § 80 a. Die Disziplin über die bei dem Oberverwaltungsgerichte angestellten Subaltern- und Unierbeamten übt der Präsident mit denjenigen Befug­ nissen, welche nach dem Gesetze betreffend die Dienstvergehen der nicht richterlichen Beamten usw., vom 21. Juli 1852, den Ministern in An­ sehung der ihnen untergeordneten Beamten zustehen. Die Einleitung des Disziplinarverfahrens auf Entfernung aus dem Amte, die Ernennung des UntersuchungSkommissarS und des Vertreters der Staatsanwaltschaft erfolgt durch den Präsidenten; entscheidende Behörde erster und letzter Instanz ist daS Oberverwaltungsgericht.

88 81-87 a. ^Gestrichen, f. vor H 17.]

lHmchtamtl. titigtritl

8 88.

Die Stelle eine» Mitgliedes des Oberverwaltungsgerichts darf als Nebenamt fortan nicht mehr verliehen werden.

8 89. gestrichen, f. vor § 17.] >) Hbf. 1—3 (früher Hbf. 1) t. i>. F. d. ) Nach d. G. v. 9. Juli 1927 (RGBl. I S. 175). Bisher „Gerichtsschreiber".

8]

8. »empetenikeustM« (1879).

lSchriftwechiell § 9. (1) Innerhalb der Frist eines Monats, die mit der Zustellung der Benachrichtigung beginnt, können die Parteien bei dem Gericht erster Instanz einen Schriftsatz über den Kompetenzkonflikt einreichen. (2) Der Schriftsatz muß von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Öffentliche Behörden, sowie Personen, welche zum Richteramt befähigt sind, können den Schriftsatz ohne Zuziehung eines Rechtsanwalts ein­ reichen. (3) Das Gericht hat der Verwaltungsbehörde und der Gegenpartei den Schriftsatz in Abschrift mitzuteilen. Die erforderliche Zahl von Abschriften ist von der Partei einzureichen. (4) Sind innerhalb der Frist Schriftsätze nicht eingegangen, so hat das Gericht der Verwaltungsbehörde davon Anzeige zu machen. sFortgau- de- Verfahrens!

§ 10.

(1) Nach Eingang der Schriftsätze der Parteien oder, wenn Schrift­ sätze nicht eingegangen sind, nach Ablauf der im § 9 bestimmten Frist sendet das Gericht die Akten mittels gutachtlichen Bericht- an da- OberlandeSgericht, welches ihn unter Beifügung feine- Gutachtens dem Justiznlinister überreicht. (2) Der Justizminister sendet die Akten und die Gutachten der Ge­ richte an den Gerichtshof zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte und setzt davon den beteiligten VerwaltungSchef in Kenntnis.

]Benoaltrm--chef, Zurück», d. Äs.]

§ 11.

(1) Die Provinzialverwaltungsbehörden haben an den beteiligten VerwaltungSchef Anzeige von der Erhebung de- Kompetenzkonflikt- zu erstatten und unter Vorlegung der Erklärungen der Parteien gutachtlich zu berichten. (2) Der VerwaltungSchef kann dem Gerichtshof eine schriftliche Er­ klärung über den Kompetenzkonflikt mitteilen. (3) Er ist befugt, den Kompelenzkonflitt zurückzunehmen. In diesem Falle werden die Akten von dem Gerichtshof an den Justizminifter und von diesem an da- Gericht, bei welchem die Sache anhängig war, zu­ rückgesandt. DaS Gericht hat den Parteien die Zurücknahme de- KompetenzkonfliktS von Amts wegen anzuzeigen.

imsnkl. Strlenblung]

§ 12.

Die Entscheidung des Gerichtshost» über den Kompetenzkonflikt erfolgt auf Grund mündlicher Verhandlung in öffentlicher Sifcung. Die Vorschriften der §8 169 bis 183 des Eerichtsvergssungsaesetzes über Öffentlichkeit und Sitzungspolizei, sowie die orschrtsten der 83 159 ff. der Zivilprozeßordnung über di« Auf­ nahme eine» Protokoll» finden entsprechende Anwendung. — HO —

8. SOMpetenzkonpittr (1879).

[8

ILadung, Projetzvertretung usw.) § 13. (1) Der Termin zur mündlichen Verhandlung wird von dem Vor­ sitzenden von Amts wegen bestimmt. (2) Die Parteien sind zu dem Termin von AmtS wegen zu laden. Das Erscheinen der Parteien oder eines Vertreters ist nicht erforderlich. (3) Die Parteien müssen sich, wenn sie in dem Termin verhandeln wollen, durch einen Rechtsanwalt vertreten lasten. Diese Vorschrift findet auf öffentliche Behörden und aus Personen, welche zum Richteramt befähigt sind, keine Anwendung. (4) Die Bestimmung des Termins ist dem beteiligten Verwaltung-chef anzuzeigen. Derselbe kann einen Beamten mit seiner Vertretung beauftragen. (Berichterstattung, Verfahren) § 14. In dem Termin zur mündlichen Verhandlung gibt ein von dem Vorsitzenden beauftragte- Mitglied des Gerichtshofes eine Darstellung der bisher stattgefundenen Verhandlungen. Sodann werden die Vertreter der Parteien und der von dem Verwaltung-chef abgeordnete Beamte gehört. (Urteil) § 15. (1) Das Urteil kann nur von denjenigen Mitgliedern gefällt werden, welche der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung beigewohnt haben. (2) Die Verkündung des Urteils erfolgt in dem Termin, in welchem die mündliche Verhandlung geschlosten wird, oder in einem sofort anzu­ beraumenden Termin, welcher nicht über eine Woche hinaus angesetzt werden soll. (3) In dem Urteil sind die Namen der Mitglieder, welche bei der Entscheidung mitgewirkt haben, anzugeben.

lAuSferti-un-en der Urteile) § 16. Die Ausfertigungen der Urteile sind von dem Vorsitzenden zu unter­ schreiben und mit dem Gerichtssiegel zu versehen. IZustellung de- Urteil-) § 17. (1) Eine Ausfertigung deS Urteils ist dem VerwaltungSches, eine andere mit den gerichtlichen Akten dem Justizminister mitzuteilen. (2) Der Justizminister übersendet die Ausfertigung deS Urteil- mit den Akten an das Gericht, bei welchem die Sache anhängig war. DaGericht hat den Parteien das Urteil von AmtS wegen zustellen zu lasten.

ld-ericht-Kst. b. Uuzul. b. RechtSw.)

§ 18.

Ist der Rechtsweg für unzulässig erkannt, so werden GerichtSkosten nicht erhoben und die bereit- erhobenen zurückgezahlt; eine Erstattung der den Parteien erwachsenen Kosten findet nicht statt.

8]

8. Kompete-rkonstMe (1878).

ILtustellun, der Zwau-Svollstr.) § 19. (1) Ist zur Zeit der Erhebung des KompetenzkonfliktS ein in dem Rechtsstreit erlassenes Urteil vorläufig vollstreckbar, so hat daS Gericht, bei welchem die Sache anhängig ist, die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung von AmtS wegen anzuordnen. Gegen diese Ent­ scheidung findet kein Rechtsmittel statt. (2) Wird der Rechtsweg für zulässig erkannt oder der Kompetenzkonflikt zurückgenommen, so ist die Entscheidung von AmtS wegen wieder aufzuheben. ISebStzrenfreiheit, Koste»)

§ 20.

DaS durch die Erhebung eines Kompetenzkonflikts veranlaßte Ver­ fahren ist gebühren- und stempelfrei. Bare Auslagen werden nicht in Ansatz gebracht. Eine Erstattung der den Parteien erwachsenen Kosten findet nicht statt.

Pkgd. KomPetenzkonstikt)

§ 21.

(1) Haben in einer Sache einerseits die Gerichte und anderer­

seits die Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichte ihre Unzuständigkeit endgültig ausgesprochen, weil von den Gerichten die Verwaltungsbehörden oder Venoaltungsgerichte und von diesen die Gerichte fiir zuständig erachtet find, so entscheidet der Gerichtshof über den Kompetenzronflitt auf Antrag einer bei der Sache beteiligten Partei. (2) Der Antrag ist bei dem Gericht anzubringen, bei welchem die Sache in erster Instanz anhängig war. Der Antrag ist der Gegenpartei von Amts wegen zuzustellen. Diese kann innerhalb der Frist eines Monats einen Schriftsatz über den Kompetenz­ konflikt einreichen. (3) Zm übrigen finden die Vorschriften der 83 9 bis 17, 20 dieses Gesetzes entsprechende Anwendung. (4) Der Gerichtshof hat in seinem Urteil die demselben entgeaenstebenden Entscheidungen aufzuheben und die Sache zur anoerweiten Verhandlung und Entscheidung an die betreffende Instanz zu verweisen. (6) Diese Vorschriften finden keine Anwendung, wenn die Unzuständigkeit der Gerichte von dem Reichsgericht ausge­ sprochen Ifr). Hierzu Art. 3 d. G. v. 22. Mai 1902 (GS. S. 145):]

(1) Hat in einer Sache das Reichsgericht die Unzuläsfigkeit des Rechtswegs ausgesprochen, so können die Verwaltungs*) § 21 Abs. 5 eingefügt durch S. v. 22. Mai 1902 (GS. S. 145), s. im übrigen auch oben Anm. 3 zu.§ 4.

st

6. Verwalttmg-zwanßSversa-rea (1866).

behörden oder Lerwaltungsgerichte sich nicht deshalb für unzu­ ständig erklären, weil fie den Rechtsweg für zulässig erachten. (2) Hatten vor der Entscheidung des Reichsgerichts die Verwaltungsbehörden oder VerroaltungSHerichte sich aus dem bezeichneten Grunde endgültig für unzuständig erklärt, so Lat auf Anttag einer bei der Sache beteiligten Partei diejenige Instanz, von welcher die Unzuständigkeit endgültig ausge­ sprochen worden ist, die frühere Entscheidung aufruheben und nach Maßgabe der Vorschrift des Abs. 1 anderweitige Entschei­ dung zu treffen- die Sache kann zur anderweitigen Entschei­ dung an eine Borinstanz -urückverwiesen werden. (AuSeinaadersrtzungSbehördea) § 22. Bei Anwendung der Vorschriften dieser Verordnung gelten die AuseinandersetzungSbehörden als Verwaltungsbehörden.

iübergaagSVOrschrist)

§ 23.

Auf die Erledigung der vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung anhängig gewordenen Kompetenzkonflitte finden die bisherigen Bestim­ mungen über daS Verfahren Anwendung.

(Inkrafttreten) § 24. Diese Verordnung tritt gleichzeitig mit dem GerichtSverfassungSgesetze in Kraft.

9. Verordnung, betreffend das DerwaltungSzwangSverfahren wegen Beitreibung von Geldbeträgen. Dom 15. November 1899 (ung0ge>ietl

§ 1.

Die Zwangsvollstreckung wegen aller derjenigen Abgaben, Gefalle und sonstigen Geldbeträge, welche nach den bestehenden Vorschriften der Beitreibung im Berwaltungszwanasverfabren unterliegen, erfolgt ausschließlich nach den Vorschriften dieser Verordnung. Rechtsweg, Rechtsmittel!

§ 2.

(1) Inwieweit über die Verbindlichkeit zur Entrichtung der geforderten Geldbeträge der Rechtsweg stattfindet, rrchtet sich nach den hierüber bestehenden Vorschriften. (2) Wegen vermeintlicher Mangel des Zwangsverfahrens, dieselben mögen die Form der Anordnung oder die der Aus­ führung oder die Frage betreffen, ob die geofändeten Sachen zu den pfändbaren gehören, ist dagegen, unbeschadet der besonderen Vorschriften über die Rechtsmittel im Falle der zwangsweisen Ausführung polizeilicher Verfügungen, nur die Beschwerde bei der vorgesetzten Dienstbehörde des Beamten zulässig, dessen Ver­ fahren angefochten wird. IZwangSverfa-ren gegen Dritte!

§ 3.

(1) Soweit nach den Vorschriften deS bürgerlichen Rechtes Dritte, insbesondere Erben, Ehegatten, Eltern oder Nießbraucher, kraft Gesetzes zu der Leistung oder zur Duldung der Zwangsvollstreckung verpflichtet sind, kann das Zwangsverfahren auch gegen diese Personen angeordnet werden. Die Vorschriften der 6S 735 bis 749, 778, 779, 781 bis 784, 786 der Zivilprozeßordnung finden mit der Maßgabe entsprechende Anwen­ dung, daß die Anordnung des Zwangsverfahrens an die Stelle des nach den §§ 735 bis 749 zur Zulässigkeit der gerichtlichen Zwangsvollstreckung erforderlichen oder genügenden vollstreckbaren Titels tritt. (2) Durch die Geltendmachung der dem Erben nach den §§ 2014, 2015 des Bürgerlichen Gesetzbuchs -ustehenden Einreden wird die Zwangsvollstreckung in den Nachlaß nicht gehemmt, wenn der beizu­ treibenden Forderung das im § 61 Nr. 2 oder 3 der Konkursordnung bezeichnete Vorrecht zusteht. (3) Wird feiten- einer der im Abs. 1 benannten Personen die Ver­ pflichtung zu der Leistung oder zur Duldung der Zwangsvollstreckung bestritten oder werden aus Grund der §§ 781 bis 784, 786 der Zivil» Prozeßordnung Einwendungen erhoben, so entscheidet hierüber derjenige, für dessen Rechnung die Zwangsvollstreckung stattfindet. Gegen die den Widerspruch oder die erhobene Einwendung zurückweisende Entscheidung steht entweder die Beschwerde bei der vorgesetzten Aufsichtsbehörde oder innerhalb einer AuSschlußfrist von einem Monate nach der Zustellung die

8. Sm»alhmeei»angeetrfaine (1888).

[9

gerichtliche Klage zu. Di« Anbringung deS einen Rechtsmittel» schließt das andere aus. Die Klage ist gegen denjenigen, für dessen Rechnung die Zwangsvollstreckung stattfindet, zu richten. Auf die Einstellung der Zwangsvollstreckung und di« Aufhebung bereits erfolgter Vollstreckungs­ maßregeln finden die Vorschriften der §§ 769, 770 der Zivilprozeßord­ nung entsprechende Anwendung.

svollstreckungsbeh-rdel

§ 4.

(1) Diejenigen Behörden oder Beamten, welchen die Ein­ ziehung der der Beitreibung im Verwaltungszwangsverfahren unterliegenden Geldbeträge zufteht, bilden di« zur Anordnung und Leitung des Zwangsverfahrens zuständigen Vollstreckungs­ behörden. Auf die Beamten der Korporationen, welche nach den bisherigen Vorschriften zur eigenen Zwangsvollstreckung nicht berechtigt find, findet diese Bestimmung nicht Anwendung. (2) Die Behörde, welcher die Einziehung einer gerichtlich erkannten Geldstrafe obliegt» ist zugleich Bollstreckungsbehörde für die mit der Einziehung der Strafe verbundene Beitreibung der Kosten. Diese Beitreibung erfolgt nach den für di« Bei­ treibung der Strafe geltenden Vorschriften. (3) Fehlt es an einer nach den vorstehenden Vorschriften zuständigen Vollstreckungsbehörde, so hat die Bezirksregierung (Polizeipräsidium in Berlin) eine solche zu bestimmen. (4) Den zuständigen höheren Verwaltungs- und den Auf­ sichtsbehörden ist es gestattet, die Funktionen der Vollstreckungs­ behörde selbst zu übernehmen. ILrsucht« Behörde!

§ 5.

Mutz eine BollstreckungSmaßregel außerhalb deS Geschäftsbezirkes der Vollstreckungsbehörde zur Ausführung gebracht werden, so hat die entsprechende Behörde desjenigen Bezirkes, in welchem die Ausführung erfolgen soll, auf Ersuchen der Vollstreckungsbehörde das Zwangsver­ fahren auszuführen. Insoweit von der ersuchten Behörde die Pfändung körperlicher Sachen und deren Versteigerung auSgeführt wird, tritt diese an die Stelle der Vollstreckungsbehörde. IBollziehun-Sbeamtel

§ 6.

(1) Die Vollstreckungsbehörde hat das Zwangsverfahren durch die ihr beigegebenen Dollziehungsbeamten oder durch die­ jenigen Beamten, deren fie stch als solcher zu bedienen hat, aus­ zufuhren. (2) Fehlt es derselben an solchen Beamten, so tarnt die Bezirksregrerung (Polizeipräsidium in Berlin) eine andere Vollstreckungsbehorde bestimmen.

9. VerwalvagSzWangSverfatzre« (1899).

•]

(3) Die Lollziehungsbeamten müssen eidlich verpflichtet werden. (4) Die Ausführung der Zwangsvollstreckung wegen der in Angelegenheiten der Justizverwaltung beizutreibenoen Geld­ beträge findet durch die Gerichtsvollzieher statt' den Gerichts­ vollziehern kann die Ausführung einer Zwangsvollstreckung auch in anderen Fällen übertragen werden. Die Gerichtsvollzieher haben an Stelle der Vorschriften der §§ S, 10, 14, 15, 22 bis 31 die für den Zivilprozetz geltenden Vorschriften zu beobachten. § 7.

Der Zwangsvollstreckung soll in der Regel eine Mahnung desjenigen, gegen welchen dre Zwangsvollstreckung vorzunebmen ist, mit dreitägiger Zahlungsfrist vorhergehen. In betreff der Gerichtskosten vertritt die Mitteilung der Kostenrechnung die Stelle der Mahnung. lMlitiirperfsne»)

§ 8.

(1) Gegen eine dem aktiven Heere ober der aktiven Marine an­ gehörende Militärperson darf die Zwangsvollstreckung erst beginnen, nachdem von derselben die Vorgesetzte Militärbehörde Anzeige erhalten hat. Der Vollstreckungsbehörde ist auf verlangen der Empfang der An­ zeige zu bescheinigen. (2) Soll die Zwangsvollstreckung gegen eine dem aktiven Heere oder der aktiven Marine angehörende Person deS Soldatenstandes in Kasernen und anderen militärischen Dienstgebauden ober auf KriegSfahr zeugen erfolgen, so hat die Vollstreckungsbehörde die zuständige Militär­ behörde um die Zwangsvollstreckung zu ersuchen. Die gepfändeten Ge­ genstände find dem von der Vollstreckungsbehörde bezeichneten Beamten zu übergeben. lZustellungeuI

§ 9.

Auf die Zustellungen finden die Vorschriften der Zivilprozeßordnung') über Zustellungen, die von AmtS wegen erfolgen, mit folgenden Maß­ gaben entsprechende Anwendung.

lOform der Zustellung)

§ 10.

(1) Die Beglaubigung einer bei der Zustellung zu übergebenden Ab­ schrift (§ 210 der Zivilprozeßordnung) ist nicht erforderlich. (2) Die für Zustellungen zur Nachtzeit und an Sonntagen und allgemeinen Feiertagen notwendige Erlaubnis (§ 188 a. a. O.) wird von der BollstreckungSbehörde erteilt. Die Niederlegung deS Schriftstücks im

') ZPO. 88 208 (166—207) bis 213.

9.

Verwattims-Mtm-Soerfahren

(1899).

[•

Falle des § 182 a. a. O. findet bei der OrtSbehörde oder der Postanstall des ZustellungSorts statt. (3) Die dem Gerichtsschreiber und GerichtSdiener obliegenden Ge schäfte werden von den dazu bestimmten Beamten wahrgenommen.

I Ausland, Exterritoriale usw.) § 11. (1) In den Fällen der §§ 199 bi- 201 der Zivilprozeßordnung er­ folgt die Zustellung in der dort vorgeschriebenen Weise. (2) Eine in einem anderen deutschen Staate zu bewirkende Zustel­ lung erfolgt mittels Ersuchen der zuständigen Behörde desselben. (3) Die Zustellung wird durch da- schriftliche Zeugnis der ersuchten Behörden oder Beamten, daß die Zustellung erfolgt sei, nachgewiesen,

löffeutliche Zustellung) § 12. (1) Ist der Aufenthalt deS Schuldner- unbekannt, so kann die Zu­ stellung an denselben durch Anheftung deS zuzustellenden Schriftstücks an der zu Aushängen der BollstreckungSbehörde bestimmten Stelle er­ folgen. Die Zustellung gilt als bewirkt, wenn seit der Anheftung zwei Wochen verstrichen sind. Auf die Gültigkeit der Zustellung hat eS keinen Einfluß, wenn das Schriftstück von dem Orte der Anheftung zu früh entfernt wird. (2) Diese Art der Zustellung ist auch dann zulässig, wenn bei einer im Auslande zu bewirkenden Zustellung die Befolgung der für diese be­ stehenden Vorschriften unausführbar ist oder keinen Erfolg verspricht oder wenn die Zustellung auS dem Grunde nicht bewirkt werden kann, weil die Wohnung einer nach den §§ 18, 19 deS Gerichtsverfassung-gesetzeS der Gerichtsbarkeit nicht unterworfenen Person der Ort der Zu­ stellung ist.

ILegittmatton des vollz.Beamten)

§ 13.

Dem Schuldner und Dritten gegenüber wird der Vollziehungsboamte zur Vornahme der Zwangsvollstreckung durch den ihm erteilten und auf Verlangen einer beteiligten Person Vorsteigenden schriftlichen Auftrag der Vollstreckungs­ behörde ermächtigt. l Durch such., Widerstand, Protokoll)

§ 14.

(1) Der Vollziehungsbeamte hat die im § 758, mit Aus­

nahme des Schlußsatzes'), sowie in den §§ 759*), 762*) der 9 Durchsuchung: Öffnung verschlossener Türen usw., notfalls An­ wendung von Gewalt, gegebenenfalls mit polizeilicher (nicht mili­ tärischer) Hilfe. ’) Bei Widerstand oder bei Abwesenheit deS Schuldners und sämt­ licher zu seinem Hausstände gehörigen erwachsenen Personen muß der

9]

9. »erwaltuußSzwimgSverfahren (1899).

^tb^fIi^t°T^nUn8 bCm ®cri^t50°nalt^cr

beigelegten Rechte

(Bollstreckung jur Nachtzeit usw.) (2) Die Bestimmungen des § 761*1) a. a. O. finden mit der Maßgabe Anwendung, daß die OrtspolizeibHörde für die Er­ teilung der Erlaubnis zur Vornahme einer Bollftreckungshandlung zuständig ist.

[Wufferbmmint, SHttdlungen]

§ 15.

(1) Die Aufforderungen und sonstigen Mitteilungen, welche zu den Bollstreckungshandlungen gehören, stnd von dem BollziehungSbeamten mündlich zü erlassen und vollständig in das Protokoll auszunehmen. (2) Kann die mündliche Ausführung nicht erfolgen, so hat die BollstreckungSbehörde demjenigen, an welchen die Aufforderung oder Mittei­ lung zu richten ist, eine Abschrift deS Protokolls zu übersenden.

Kasten) § 16. Die Kosten der Mahnung und der Zwangsvollstreckung fallen dem Schuldner zur Last: sie stnd zugleich mit dem zur Zwangsvollstreckung stehenden Ansprüche beizutreiben. II. Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen. A. Allgemeine Bestimmungen. lPfandunßl § 17. (1) Die Zwangsvollstreckung in das bewegliche vermögen erfolgt durch Pfändung. Sie darf nicht weiter ausgedehnt werden, als zur Deckung der beizutreibenden Geldbeträge und der Kosten der Zwangs­ vollstreckung erforderlich ist. (2) Die Pfändung hat zu unterbleiben, wenn sich von der Ver­ wertung der zu pfändenden Gegenstände ein Überschuh über die Kosten der Zwangsvollstreckung nicht erwarten läßt.

Vollziehungsbeamte zwei erwachsene Personen oder einen Gemeinde» oder Polizeibeamten als Zeugen zuziehen. *) über jede Bollstreckungshandlung muh der Bollz.Beamte ein Pro­ tokoll aufnehmen, daS den wesentlichen Hergang beurkundet, Namen und — soweit möglich — Unterschrift der Beteiligten enthält und von ihm unterschrieben ist. i) Bei Nachtzeit, d. i. vom 1. April bis 30. September die Zeit von 21.00—4.00 Uhr, vom 1. Oktober bis 81. März die Zeit von 21.00 bis 6.00 Uhr, an Sonntagen und an allgemeinen (nicht nur ge­ setzlichen) Feiertagen darf der Bollziehungsbeamte nur mit Erlaubnis der in §. 14 Abs. 2 bezeichneten Behörde vollstrecken.

9 VervaltungSzwangSversahren (1899).

(Schutz gegen die Pfändungl

[9

§ 18.

(1) Gegen die Pfändung kann sich der Schuldner nur schützen, wenn derselbe entweder eine Fristbewilligung vorzeigt oder die vollständige Be­ richtigung des beizutreibenden Geldbetrags durch Quittung oder durch Vorlegung eines PostscheinS nachweist, auS welchem sich ergibt, daß der beizutreibende Geldbetrag an die für die Einziehung zuständige Stelle eingezahlt ist. (2) Zur Empfangnahme von Geldbeträgen ist der Vollziehungs­ beamte nur nach Maßgabe des ihm erteilten schriftlichen Auftrags er­ mächtigt.

lWiderspruchSklagej

§ 19.

(1) Behauptet ein Dritter, daß ihm an dem gepfändeten Gegenstand ein die Veräußerung hinderndes Recht zustehei) oder werden nach Maß­ gabe der 88 772»), 773») oder 7744* )* *der Zivilprozeßordnung Einwendungen erhoben, so ist der Widerspruch gegen die Pfändung erforderlichenfalls im Wege der Klage geltend zu machen. (2) Auf die Einstellung weiterer und die Aufhebung bereits er­ folgter Vollstreckung-maßregeln finden die Vorschriften der §§ 769, 770») der Zivilprozeßordnung Anwendung. (3) Der Pfändung einer Sache kann ein Dritter, welcher sich nicht im Besitze der Sache befindet, auf Grund eines Pfand- oder Vorzugs­ recht- nicht widersprechen; er kann jedoch seinen Anspruch auf vorzugs­ weise Befriedigung aus dem Erlös im Wege der Klage geltend machen, ohne Rücksicht darauf, ob seine Forderung fällig ist oder nicht.

i) vgl. § 771 ZPO. ») Wenn auf dem Gegenstand ein (relatives) gesetzliche- oder ge­ richtliches Veräußerungsverbot lastet (§§ 135, 136 BGB.). ») Bei Vollstreckungen in eine Borerbschaft kann der Nacherbe Widerspruch erheben, wenn sein Recht dadurch gefährdet oder vereitelt wird (§ 2115 BGB.). 4) Bei Vollstreckungen gegen die ein selbständige- Erwerb-geschäft betreibende Ehefrau in da- Gesamtgut oder da- eingebrachte Gut kann der Mann Widerspruch erheben, wenn sein Einspruch gegen den Betrieb des ErwerbSgeschästeS oder der Widerruf seiner Einwilligung dazu recht» zeitig in da- Güterrechtsregister eingetragen worden ist (§ 741 ZPO.). °) Da- Prozeßgericht, d. i. da- Gericht, vor dem die Widerspruch-klage erhoben ist, und in dringenden Fällen (vorläufig) da- Vollstreckungs­ gericht, d. i. da- Amt- gericht, in besten Bezirk da- Zwangsverfahren stattfindet, können auf Antrag die Einstellung oder Aufhebung von Bollstreckungsmaßnahmen anordnen (§ 769 ZPO.). Auch im Urteil deS ProzeßgerichtS über die Widerspruchsklage kann über die Maßnahmen des § 769 ZPO. entschieden werden (§ 770 ZPO.).

•]

9. 8rr»aUimg»i»tegmrfo|fte (1899).

(4) In den im Lbs. 1 und 3 bezeichneten Fällen ist die Klage aus­ schließlich bei dem Gerichte zu erheben, in besten Bezirke die Pfändung erfolgt ist. Wird die Klage gegen denjenigen, für besten Rechnung die Zwangsvollstreckung stattfindet, und den Schuldner gerichtet, so find diese als Streitgenosten anzusehen.

fGewährleistungSansprüche)

§ 20.

Wird ein Gegenstand auf Grund der Pfändung veräußert, so steht dem Erwerber wegen eine- Mangel- im Rechte oder wegen eine- Man­ gels der veräußerten Sache ein Anspruch auf Gewährleistung nicht zu. lOstenbarungSeid)

§ 21.

(1) Hat die Pfändung zu einer vollständigen Deckung der beizutreibenden Geldbeträge nicht geführt oder wird glaubhaft gemacht, daß durch Pfändung eine vollständige Deckung nicht zu erlangen sei, so ist der Schuldner auf Antrag der für die Einziehung de- Geldbetrag- zustän­ digen Stelle verpflichtet, ein Verzeichnis seine- vermögen- vorzulegen, in betreff seiner Forderungen den Grund und die Beweismittel zu 6czeichnen, sowie den Offenbarung-eid dahin zu leisten: daß er nach bestem Misten fein vermögen so vollständig ange­ geben habe, al- er dazu imstande sei. (2) Für die Abnahme des Offenbarung-eid- ist das Amtsgericht zu­ ständig, in besten Bezirke der Schuldner seinen Wohnfitz oder in Er­ mangelung eine- solchen seinen Aufenthaltsort hat; für da- Verfahren gelten die Vorschriften der §§ 900 bi- 915 der Zivilprozeßordnung; jedoch ist die Vorauszahlung der Verpflegung-kosten nicht erforderlich, wenn die Leistung de- Offenbarung-eid- wegen solcher Geldbeträge beantragt ist, welche an den Staat zu entrichten find.

8. Zwangsvollstreckung in körperliche Sachen. lBoreahme der Pfände»,)

§ 22.

(1) Die Pfändung der im Gewahrsame de- Schuldner- befindlichen körperlichen Sachen wird dadurch bewirkt, daß der Vollziehung-beamte dieselben in Besitz nimmt. (2) Andere Sachen al- Geld, Kostbarkeiten und Wertpapiere find im Gewahrsame de- Schuldner- zu belasten, softrn nicht hierdurch die Ve. friedigung de- Gläubiger- gefährdet wird. Werden die Sachen im Ge­ wahrsame de- Schuldner- belassen, so ist die Wirffamkeit der Pfändung dadurch bedingt, daß durch Anlegung von Siegeln oder auf sonstige Weise die Pfändung ersichtlich gemacht ist.

(3) Der Vollziehung-beamte hat den Schuldner von der geschehenen Pfändung in Kenntnis zu setzen.

9. Berwalt»n-Szwa»g-»erfahrea (1899).

(Gewahrsam eine- Tritten)

ft

§ 23.

Die vorstehenden Bestimmungen finden entsprechende Anwendung auf die Pfändung von Sachen, welche sich im Gewahrsam eines zur Herausgabe bereiten Dritten befinden. (Früchte auf dem Halm)

§ 24.

(1) Früchte, die von dem Boden noch nicht getrennt sind, können gepfändet werden, solange nicht ihre Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen erfolgt ist. Die Pfändung darf nicht früher als einen Monat vor der gewöhnlichen Zeit der Reife erfolgen. (2) Ein Gläubiger, der ein Recht auf Befriedigung aus dem Grund­ stücke hat, kann der Pfändung nach Maßgabe des § 19 Abs. 1 dieser Verordnung widersprechen, sofern nicht die Pfändung für einen im Falle der Zwangsvollstreckung in das Grundstück vorgehenden Anspruch erfolgt ist (Nicht pfändbare Sachen)

§ 25.

(1) Die in dem § 811 der Zivilprozeßordnung bezeichneten Sachen sind der Pfändung nicht unterworfen**). (2) Die Vorschriften der §§ 8129) und 8133) der Zivilprozeßordnung finden entsprechende Anwendung. (öffentliche Versteigerung usw.) § 26. Die gepfändeten Sachen sind auf schriftliche Anordnung der Voll­ streckungsbehörde und zwar in der Regel durch den VollziehungS-

*) Nicht gepfändet werden dürfen: Die zur ange­ messenen Lebenshaltung erforderlichen Gegenstände (Betten, Kleider, Küche, und Nahrung--, Feuerung-- und Beleuchtungsmittel auf vier Wochen bzw. da- Geld dafür auf zwei Wochen, alle für den Beruf oder die anderweite (persönliche) Erwerb-tätigkeit des Schuldner- erforderlichen Gegenstände (auch anständige Kleidung, soweit sie dazu gehört), ferner bei Offizieren, Beamten, Ärzten ein gewisser Geldbetrag (§ 811 Ziff. 8), da- zum Betrieb einer Apotheke Erforderliche, für den täglichen Gebrauch bestimmte religiöse, Schul- oder Lehrbücher; ferner, soweit sie in Ge­ brauch genommen oder zur unmittelbaren Verwendung bestimmt sind, Familienbücher, Trauringe, Orden und Ehrenzeichen, künstliche Glied­ maßen, Brillen und dgl., Bestattung-gegenstände. *) Hausrat-gegenstände, die einen unverhältnismäßig geringen Er­ lös erwarten lassen, sollen nicht gepfändet werden. 8) Bei Pfändungen gegen einen Landwirt ist unter bestimmten Vor­ aussetzungen nach § 813 ZPO. ein landwirtschaftlicher Sachverständiger zuzuziehen.

9]

9. v er» altULgSzwanß-v erfahre» (1899).

beamten öffentlich zu versteigern; Kostbarkeiten sind vor der Versteige­ rung durch einen Sachverständigen abzuschätzen. Gepfändete- Geld hat der Vollziehung-beamte an die Bollstreckungsbehörde abzuliefern; die Wegnahme de- Gelde- durch den Vollziehung-beamten gilt als Zahlung von feiten de- Schuldner-.

(Zeit und Ort der Versteigerung) § 27. (1) Die Versteigerung der gepfändeten Sachen darf nicht vor Ab­ lauf einer Woche seit dem Tage der Pfändung geschehen, sofern nicht der Schuldner sich mit einer früheren Versteigerung einverstanden erklärt oder dieselbe erforderlich ist, um die Gefahr einer beträchtlichen Wert­ verringerung der zu versteigernden Sache abzuwenden oder um unver» hältni-mäßige Kosten einer längeren Aufbewahrung zu vermeiden. (2) Die Versteigerung erfolgt in der Gemeinde, in welcher die Pfändung geschehen ist. Zeit und Ort der Versteigerung sind unter allgemeiner Bezeichnung der zu versteigernden Sachen öffentlich bekanntzu­ machen. Auf Ersuchen der Vollstreckung-behörde ist der Ort-vorsteher verpflichtet, der Versteigerung beizuwohnen oder einen Gemeinde- oder Polizeibeamten mit der Beiwohnung zu beauftragen. (3) Die Vorschriften de- § 18 finden aus die Versteigerung ent­ sprechende Anwendung. (verfahre») § 28. (1) Bei der Versteigerung ist nach den Vorschriften der §§ 816 Abs. 4, 817 Abs. 1 bi- 3, 818 der Zivilprozeßordnung zu verfahren. (2) Die Empfangnahme de- Erlöse- durch den versteigernden Be­ amten gilt al- Zahlung von feiten de- Schuldners.

unk EiNtrsachtn, § 29. Gold- und Silbersachen dürfen nicht unter ihrem Gold- oder Silber­ werte zugeschlagen werden. Wird ein den Zuschlag gestattende- Gebot nicht abgegeben, so kann der Verkauf au- freier Hand zu dem Preise bewirkt werden, welcher den Gold- oder Silberwert erreicht. (Wertpapiere) § 80. Gepfändete Wertpapiere sind, wenn sie einen Börsen- oder Markt­ preis haben, au- freier Hand zum Tageskurse zu verkaufen und, wenn sie einen solchen Preis nicht haben, nach den allgemeinen Bestimmungen zu versteigern. (Früchte auf de« Halm (g 24)1

§ 81.

Die Versteigerung gepfändeter, von dem Boden noch nicht getrenn­ ter Früchte ist erst nach der Reife zulässig. Sie kann vor oder nach der Trennung der Früchte erfolgen; im letzteren Falle hat der Vollziehungs­ beamte die Aberntung bewirken zu lassen.

9. verwaltungSzwangSverfahreu (1899).

(RamenSpa-iet)



§ 32.

Lautet ein gepfändetes Wertpapier auf Namen, so ist die VollstreckungSbehörde berechtigt, die Umschreibung auf den Namen deS Käu­ fers oder, wenn es sich um ein auf Namen umgeschriebenes Inhaber­ papier handelt, die Rückverwandlung in ein Jnhaberpapier zu erwirken und die hierzu erforderlichen Erklärungen an Stelle des Schuldners ab­ zugeben.

lAbweich. «nertn. b. «»llstrvkh.I

§ 33.

Auf Antrag des Schuldners oder aus besonderen Zweckmäßigkeits­ gründen kann die Vollstreckungsbehörde anordnen, daß die Verwertung einer gepfändeten Sache in anderer Weife oder an einem anderen Orte, als in den vorstehenden Paragraphen bestimmt ist, stattzufinden habe oder daß die Versteigerung durch eine andere Person als den BollziehungSbeamten vorzunehmen sei.

sAnschlußpfändungl

§ 84.

(1) Zur Pfändung bereits gepfändeter Sachen genügt die in das Protokoll aufzunehmende Erklärung des Vollziehungsbeamten, daß er die Sachen zur Deckung der ihrer Art und Höhe nach zu bezeichnenden Geldbeträge pfände. Der Schuldner ist von der weiteren Pfändung in Kenntnis zu setzen. (2) Ist die erste Pfändung im Auftrag einer anderen VollftreckungSbehörde oder durch einen Gerichtsvollzieher erfolgt, so ist dieser Voll­ streckungsbehörde beziehungsweise dem Gerichtsvollzieher eine Abschrift des Protokolls zuzustellen. (3) Eine entsprechende Verpflichtung hat der Gerichtsvollzieher, welcher im Wege der gerichtlichen Zwangsvollstreckung eine bereits im Auftrag einer BollstreckungSbehörde gepfändete Sache pfändet. lversteig. bei Anschlußpfändung)

§ 35.

(1) Wenn eine mehrfache Pfändung desselben Gegenstandes im Auf­ trage verschiedener Vollstreckungsbehörden oder im Auftrag einer VollftreckungSbehörde und durch Gerichtsvollzieher stattgefunden hat, so be­ gründet ausschließlich die erste Pfändung die Zuständigkeit zur Ausfüh­ rung der Versteigerung. (2) Die Versteigerung erfolgt für alle beteiligten Gläubiger auf Be­ treiben eines jeden derselben. (3) Die Verteilung des Erlöses erfolgt nach der Reihenfolge der Pfändungen oder, falls die sämtlichen Beteiligten über die Verteilung einverstanden sind, nach der getroffenen Vereinbarung. (4) Ist der Erlös zur Deckung der Forderungen nicht ausreichend und verlangt der Gläubiger, für welchen die zweite oder eine spätere Pfändung erfolgt ist, ohne Zustimmung der übrigen beteiligten Gläubiger

9]

9. Ner»awmgSrwanßSDerfatzre« (1899).

eine andere Verteilung als nach der Reihenfolge der Pfändungen, so ist die Sachlage unter Hinterlegung deS Erlöse- demjenigen Amtsgericht, in dessen Bezirke die Pfändung stattgefunden hat, anzuzeigen. Dieser An­ zeige sind die aus daS Verfahren sich beziehenden Schriftstücke beizufügen. Die Verteilung erfolgt nach Maßgabe der Vorschriften der §§ 873 bis 882 der Zivilprozeßordnung. (5) In gleicher Weife ist zu verfahren, wenn die Pfändung für mehrere Gläubiger gleichzeitig bewirkt ist.

0. Zwangsvoll st reLung in Forderungen und andere Vermögensrechte. lOeldforderunsens § 86. (1) Soll eine Geldforderung gepfändet werden, so hat die vollstreckungSbehörde durch schriftliche Verfügung dem Drittschuldner zu ver­ bieten, an den Schuldner zu zahlen. (2) Zugleich hat die Vollstreckung-behörde an den Schuldner durch schriftliche Verfügung da- Gebot zu erlassen, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere der Einziehung derselben, zu enthalten. (3) Mit der Zustellung der Verfügung an den Drittschuldner ist die Pfändung al- bewirkt anzusehen. Bon dieser Zustellung ist der Schuld­ ner in Kenntnis zu setzen. § 37.

ltztzpOthekeuforderunsI

Zur Pfändung einer Forderung, für welche eine Hypothek besteht, ist außer dem Pfändung-beschlusse die Aushändigung de- Hypotheken« briefs an die BollstreckungSbehörde erforderlich. Die Vorschriften deS § 830 der Zivilprozeßordnung finden entsprechende Anwendung.

Wechsel,

§ #8.

Pa»iaq

Die Pfändung von Forderungen auS Wechseln und anderen Papieren, welche durch Indossament übertragen werden sönnen1), wird dadurch bewirkt, daß der BollzieHungSbeamte diese Papiere in Besitz nimmt,

lüberweisimßl § 89. Die gepfändete Geldforderung ist demjenigen, für dessen Rechnung die Zwangsvollstreckung erfolgt, durch die Vollstreckungsbehörde zur Ein­ ziehung zu überweisen; dieselbe hat beglaubigte Abschriften der Verfü­ gung dem Schuldner und dem Drittschuldner -ustellen zu lassen. Wirkung der überweisungj

§ 40.

(1) Die Überweisung ersetzt die förmlichen Erklärungen deS Schuld­ ners, von welchen nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechte- die Be-

*) Z. B. § 363 HGB.

der

Namensscheck

und

die

sieben

Wertpapiere

de-

9. BerwaltunsSzwaui-v erfahre» (1899).

[t

rechtigung zur Einziehung der Forderung abhängig ist. Bei Überwei­ sung einer Forderung, für welche eine Hypothek besteht, findet der § 837 der Zivilprozeßordnung entsprechende Anwendung. (2) Der Überweisungsbeschluß gilt, auch wenn er mit Unrecht er­ lassen ist, zugunsten deS Drittschuldners dem Schuldner gegenüber so lange alS rechtsbeständig, bis er aufgehoben wird und die Aufhebung zur Kenntnis deS Drittschuldners gelangt. (3) Der Schuldner ist verpflichtet, die zur Geltendmachung der Forderung nötige Auskunft zu erteilen und die über die Forderung vor­ handenen Urkunden herauSzugeben. Im Weigerungsfälle sind die Ur­ kunden auf Anordnung der BollstreckungSbehörde dem Schuldner durch den BollziehungSbeamten Wegzunehmen. (4) Werden die herauSzugebenden Urkunden nicht vorgefunden, so kann von dem Schuldner die Ableistung deS OffenbarungSeidS dahin. daß er die Urkunden nicht besitze, auch nicht Wiste, wo dieselben sich befinden, gefordert werden. (5) DaS Gericht kann eine der Lage der Sache entsprechende Ände­ rung der vorstehenden EideSnorm beschließen.

(6) Für die Zuständigkeit deS Gerichts und das Verfahren finden die Vorschriften deS § 21 entsprechende Anwendung. (7) Befindet sich eine herauSzugebende Urkunde im Gewahrsam eineDritten, so ist demjenigen, für dessen Rechnung die Zwangsvollstreckung erfolgt, der Anspruch deS Schuldners auf Herausgabe derselben nach Maßgabe des tz 39 zu überweisen.

lErtlärimgea de» Drittschuldner»!

§ 41.

(1) Auf verlangen deS Gläubiger- hat der Drittschuldner binnen zwei Wochen, von der Zustellung der im § 36 Abs. 1 bezeichneten Ver­ fügung an gerechnet, dem Gläubiger zu erklären: 1. ob und inwieweit er die Forderung als begründet anerkenne und Zahlung zu leisten bereit sei; 2. ob und welche Ansprüche andere Personen an die Forderung machen; 3. ob und wegen welcher Ansprüche die Forderung bereit- für andere Gläubiger gepfändet sei.

(2) Die Aufforderung zur Abgabe dieser Erklärung kann in die vor­ gedachte Verfügung ausgenommen werden. Der Drittschuldner hastet dem Gläubiger für den auS der Nichterfüllung seiner Verpflichtung ent­ stehenden Schaden. (3) Die Bestimmungen der §§ 841 bis 843 der Zivilprozeßordnung frnden Anwendung.

V. VerwaltuntzS-waugSv erfahre» (18--). ISor>fänbimg]1) § 42. (1) Schön vor der Pfändung kann die für die Einziehung zu­ ständige Stelle durch die Vollstreckungsbehörde dem Drittschuldner und dem Schuldner die Benachrichtigung, daß die Pfändung devorstehe, zu­ stellen lassen mit der Aufforderung an den Drittschuldner, nicht an den Schuldner zu zahlen, und mit der Aufforderung an den Schuldner, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere der Einziehung der­ selben, zu enthalten. (2) Die Benachrichtigung an den Drittschuldner hat die Wirkung eines Arrestes (§ 930 der Zivilprozeßordnung), sofern die Pfändung der For­ derung innerhalb drei Wochen bewirkt wird. Die Frist beginnt mit dem Tage, an welchem die Benachrichtigung zugestellt ist.

(Andere Ansprüche! § 43. Die Zwangsvollstreckung in Ansprüche, welche die Herausgabe oder Leistung körperlicher Sachen zum Gegenstände haben, erfolgt nach den Vorschriften der §§ 36 bis 42 unter Berücksichtigung der nachstehenden Bestimmungen.

(Herausgabe beweglicher Sachen! § 44. (1) Bei der Pfändung eine- Anspruchs, welcher eine bewegliche förperliche Sache betrifft, hat die BollstreckungSbehörde anzuordnen, daß die Sache an den zu bezeichnenden VollziehungSbeamten herauszugeben sei. (2) Lus die Verwertung der Sache finden die Vorschriften über die Verwertung gepfändeter Sachen Anwendung.

(Herausgabe «nbewegl. Sachen! § 45. (1) Bei Pfändung eines Anspruchs, welcher eine unbewegliche Sache betrifft, hat die Vollstreckungsbehörde anzuordnen, daß die Sache an einen auf ihren Antrag vom Amtsgerichte der belesenen Sache zu be­ stellenden Sequester herauSzugeben sei. (2) Ist der Anspruch auf Übertragung deS Eigentums gerichtet, so hat die Auslastung an den Sequester als Vertreter deS Schuldners zu erfolgen. Mit dem Übergänge deS Eigentums auf den Schuldner erlangt derjenige, für dessen Rechnung die Zwangsvollstreckung erfolgt, eine Sicherungshypothek für seine Forderung. Der Sequester hat die Ein­ tragung der SicherungShypothek zu bewilligen. (3) Die Zwangsvollstreckung in die herausgegebene Sache wird nach den für die Zwangsvollstreckung in unbewegliche Sachen geltenden Vor­ schriften bewirkt. PÜcht pfändbare Forderungen) § 46*). (1) Die Verbote und Beschränkungen, die für die Pfändung

von Forderungen und Ansprüchen nach der Zivilprozeßordnung i) Da- Gegenstück zu § 845 ZPO. ») 8 46 i. d. F. d. BO. v. 16. März 1926 (GS. S. 103) Art. I Ziff. 1.

9. VerwaltungSzwangSv erfahre« (1890).

(•

(§S 850—852)9 und anderen reichsrechtlichen Vorschriften be­ stehen, gelten auch für das Verwaltungszwangsverfahren. (2) Bei der Einziehung von Disziplinarstrafen und von solchen Zwangsstrafen, welche durch die Vorgesetzte Dienttbehörde festgesetzt sind, unterließt die Pfändung des Diensteintommens und der Pension der Zivilbeamten, der Geistlichen sowie der Arzte und Lehrer an öffentlichen Anstalten keinen Beschrän­ kungen. Die zur Bestreitung eines Dienstaufwandes bestimmten Einkünfte find auch in diesem Falle der Pfändung nicht unter­ worfen.

§47. ^Gestrichen durch Art. I Ziff. 2 der BO. v. 16. März 1926 (GT T. 103).]

sLersahren b. Auschlutzpfändrrn-I § 48. (1) Ist eine Forderung auf Anordnung mehrerer Vollstreckungs­ behörden oder auf Anordnung einer BollstreckungSbehörde und eine4) S. hierzu daS Gesetz, betr. die Beschlagnahme deS Arbeit-- oder Dienftlohnes, vom 21. Juni 1869 (BundeSgesetzbl. S. 242) (letzte Ände­ rung vom 17. Mai 1898) und vor allem die Lohnpfändungs­ verordnung in der Fassung deS Gesetze- vom 2 7. Februar 1 928 (RGBl. I S. 45), inSbes. § 1 das. Danach sind vom L rb e i t S oder Dien st lohn (nicht vom Beamtengehalt, f. dar. unten!) 7,50 Ml täglich, 45 wöchentlich, 195 A-l «wnatlich sowie ein Drittel deS Mehrbeträge- unpfändbar (§ 1 tos. 1 a. o. O.). Bei gesetzlicher Unterhaltspflicht (auch für uneheliche Kinder) erhöht sich unter gewissen Voraussetzungen diese UnpfändbarkeitSgrenze ($ 1 tos. 2 und 3 a. a. O.).

DaS Beamtengehalt bzw. Pension (auch der Soldaten) ist nur pfändbar in Höhe eines Drittel- von dem 195 3UH monatlich über­ steigenden Betrag (§ 850 tos. 1 Ziff. 7—9, tos. 2 ZPO ). (Tine — daVerwaltung-zwangsverfahren nicht berührende — Ausnahme ent­ hält § 850 tos. 4 ZPO.). Ferner sind (völlig) unpfändbar die Forderungen au- der Sozial­ versicherung u. ä. ($ 850 Ziff. 3—5), Soldatengehalt im Felde und auf in Dienst gestellten Kriegsschiffen (§ 850 Ziff. 6), Alimentenforderungen (§ 850 Ziff. 2).

Im übrigen sind Forderungen nur pfändbar, soweit sie übertragbar sind (§ 851 ZPO., AuSn. tos. 2 das.).

Ein Pflichtteil-anspruch (§§ 2303 ff. BGB.) sowie der Rückforderungs­ anspruch des Schenker- (§ 528 BGB.) ist nur dann pfändbar, wenn er vertraglich anerkannt oder recht-hängig geworden ist (5 852 ZPO.).

•]

9. »tn>elhmgw«igl»trf6jrte (1890).

Gericht- gepfändet, so finden die Vorschriften der §§ 853 big 856 der Zivilprozeßordnung entsprechende Anwendung. (2) In Ermangelung eines nach §§ 853, 854 zuständigen Amts' gericht- findet die Hinterlegung bei der Hinterlegungsstelle desjenigen Amtsgerichts statt, in besten Bezirke die Vollstreckung-behörde, deren PfändungSversügung dem Drittschuldner zuerst zugestellt worden, ihren Sitz hat.

llnbrrr Vermögensrechte) § 49. (1) Auf die Zwangsvollstreckung in andere Vermögensrechte, welche nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung in da - unbewegliche Vermögen sind, finden die vorstehen­ den Bestimmungen entsprechende Anwendung. (2) Ist ein Drittschuldner nicht vorhanden, so ist die Pfändung mit dem Zeitpunkt als bewirkt anzusehen, in welchem dem Schuldner daGebot, sich jeder Verfügung über das Recht zu enthalten, zugestellt ist. (3) Ein unveräußerliches Recht ist in Ermangelung besonderer Borschrifien der Pfändung insoweit unterworfen, als die Ausübung einem anderen überlasten werden kann. (4) Die Vollstreckung-behörde kann bei der Zwangsvollstreckung in unveräußerliche Rechte, deren Ausübung einem anderen überlasten werden kann, besondere Anordnungen erlassen. Sie kann insbesondere bei der Zwangsvollstreckung in Nutzungsrechte eine Verwaltung anordyen. In diesem Falle wird die Pfändung durch Übergabe der zu benutzenden Sache an den Verwalter bewirkt, sofern sie nicht durch Zu­ stellung der Pfändung-verfügung bereit- vorher bewirkt ist. (5) Ast die Veräußerung de- Rechtes selbst zulässig, so kann auch diese Veräußerung unter der gleichen Voraussetzung von der VollstreckungSbedörde angeordnet werden. (6) Auf die Zwangsvollstreckung in eine R e a l l a st , eine Grundschuld oder eine Rentenschuld finden die Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in eine Forderung, für welche eine Hypothek besteht, entsprechende Anwendung. (7) Bezüglich der Zwang-verwaltung und Wiederverpachtung ver­ pachteter Grundstücke und Gerechtsame behält eS bei den besonderen Be­ stimmungen deS § 42 der Verordnung vom 26. Dezember 1808 (Gesetzfamud. von 1806 bis 1810 S. 464) und der Allerhöchsten Order vom 31. Dezember 1P5 (Gesetzsamml. für 1826 S. 6) sein Bewenden**).

sriuzelbeßimmunge«) >) § 50. Die Bestimmungen der §§ 858 bis 863 der Zivilprozeßordnung') finden entsprechende Anwendung. *) j 49 Abs. 7 betrifft die Zwangsvollstreckung wegen Pachtgeldforde­ rungen für verpachtete fiskalische (und diesen gleichgestellte) Grundstücke. •) Schiff-part, Gesellschaftsanteile (6 705 BGB ) können gepfändet

[9

9. Vervaltungszvangsverfahren (1899).

[6rfu»te Behörde, f. auch § 5| § 60 a1). (1) Um die Ausführung von Maßregeln der Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte kann die Vollstreckungs­ behörde die entsprechende Behörde desjenigen Bezirks, in welchem der Schuldner seinen Wohnsitz oder Aufenthaltsort hat, ersuchen. (2) In diesem Falle tritt die ersuchte Behörde, soweit von ihr dir Zwangsvollstreckung ausgeführt wird, an die Stelle der Vollstreckungs­ behörde.

IDL Zwangsvollstreckung in das unbewegliche vermögen. lAllgemeineS) § 61. (1) Die Zwangsvollstreckung in daS unbewegliche Vermögen erfolgt nach den für gerichtliche Zwangsvollstreckungen bestehenden Vorschriften"). Die erforderlichen Anträge sind durch die Vollstreckungsbehörde zu stellen. (2) Anträge auf Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung sind nur zulässig, sobald feststeht, daß durch Pfändung die Beitreibung des Geldbetrags nicht erfolgen kann. (3) Die Vollstreckbarkeit der Forderung und die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung nach Maßgabe des Abs. 2 unterliegen nicht der Be­ urteilung des Gerichts oder Grundbuchamts. (4) In den besonderen Rechten der bestehenden Kreditverbände bei der Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung der zu ihnen gehörigen oder von ihnen beliehenen Güter wird durch die Bestimmungen dieser Verordnung nicht- geändert. lAechtSnachsolger b. SicherungShyp.) § 62. Ist eine SicherungShypothek eingetragen, so ist im Falle der Deräußerung deS belasteten Grundstück- die Zwangsvollstreckung in An­ sehung des Grundstücks gegen den Rechtsnachfolger zulässig. Die Vor­ schriften des § 3 Abs. 3 finden Anwendung.

IV. Arrest. §53. Soweit ein Arrest zur Sicherung der Zwangsvollstreckung wegen einer im Derwaltung-zwangSverfahren beizutreibenden Geldforderung

werden; Anteil am Gesamtgut, Recht der Verwaltung und Nutznießung, Recht der elterlichen Nutznießung sind überhaupt nicht, die Früchte deS eingebrachten Gutes und die Nutzungen der Borerbschast nur beschränk; pfändbar. i) 8 50a eingefügt durch BO. v. 18. März 1904 (GS. S. 36). ’) 88 864 bi- 871 ZPO. (SicherungShypothek) und daS Zwangsversteigerung-gesetz vom 24. März 1897 (ZwangSversteigerung und Zwangsverwaltung). vühler, verwaltungSgejetze.

9

9. OerwattLngSiwLuiSserfahreu (1899).

6]

zulässig ist, erfolgt die Vollziehung desselben unter entsprechender An­ wendung der Vorschriften dieser Verordnung. Die Vorschriften der Zollund Steuergesetze über die Beschlagnahme zoll- oder steuerpflichtiger Ge­ genstände werden hierdurch nicht berührt.

V. Äoftew der ZwanAsvollftreckimg. Mahngebühr)

§ 54*).

(1) Für die Mahnung (§ 7) wird eine Gebühr erhoben (Mahn­ gebühr). (2) Die Mahngebühr beträgt von dem Betrage (§ 60) bis zu 100 Reichsmark einschließlich 1 vom Hundert, von dem Mehrbeträge % vom Hunden, mindesten- jedoch 20 ReichSpsennig») (3) Die Gebührenschuld entsteht, sobald der Mahnzettel zur Post gegeben oder dem mit der Behändigung Beauftragten übergeben wird oder sobald Auftrag zur mündlichen Mahnung erteilt wird. (4) Die Mahngebühr wird nicht erhoben, wenn der Auftrag zur Mahnung zurückgenommen wird, bevor der Beauftragte Schritte zur Ausführung des Auftrags unternommen hat. (5) Erfolgt die Mahnung durch öffentliche Bekanntmachung, so wird keine Mahngebühr erhoben.

lvtbührenpfi. Wit t. S*OftrSerf.|

§ 55.

Im Vollstreckungsverfahren werden Gebühren erhoben: 1. für die Pfändung von Sachen, für die Wegnahme der vom Schuldner herauszugebenden Urkunden sowie für die Pfändung von Forderungen oder anderen Vermögensrechten (P f ä n dungSgebühr, § 66); 2. für die Versteigerung und für den freihändigen Verkauf von Gegenständen (Versteigerungsgebühr, § 57); 3. für die Abschrift einer Niederschrift (Schreibgebühr, § 58).

lPfLnduLgSgebühr)

§ 56.

(1) Die PfändungSgebühr (§ 55 Nr. 1) betragt von dem Betrage (§ 60) bis zu 100 Reichsmark einschließlich 1)4 vom Hundert, von dem Mehrbeträge % vom Hundert, mindestens jedoch 60 Reichspfennig»).

*) An die Stelle deS früheren § 54 find durch VO. v. 16. Mai 1923 (GS. S. 271) die §§ 54—65 getreten und dadurch §§ 55, 56 zu §§ 66, 67 geworden. «) § 54 «bf. 2 und § 56 Abs. 1 i. d. F. d. VO. v. 31. Oktober 1925 (GS. S. 153).

9. VervLltmlgSjvanrSvrrfahreu (1899).

[9

(2) Die Gebührenschuld entsteht: 1. sobald der Auftrag zur Pfändung von Sachen oder zur Weg­ nahme von Urkunden dem Bollziehungsbeamten zugehl; 2. sobald die Bollstreckungsbehörde die Verfügung, durch die eine Forderung oder ein anderes Vermögensrecht gepfändet wird, unterzeichnet hat. (3) Die Pfändungsgebühr wird nicht erhoben: 1. wenn die Bollstreckungsbehörde den Bollstreckungsauftrag zurücknimmt, bevor der Bollziehungsbeamte Schritte zur Ausführung deS Auftrags unternommen hat; 2. wenn die Bollstreckungsbehörde von der Zustellung der Ver­ fügung, durch die eine Forderung oder ein anderes Vermögens­ recht gepfändet wird, Abstand nimmt. (4) Wird die Pfändung von Sachen abgewendet (§ 18), so ist 1. die volle Pfändungsgebühr zu entrichten, wenn an den Boll­ ziehungsbeamten, nachdem er sich zur Vornahme der Pfändung an Ort und Stelle begeben hat, gezahlt wird; 2. die halbe PfändungSgebühr, mindestens aber das Dreifache der Briefgebühr (§ 59), zu entrichten, wenn an den Bollziehungs­ beamten gezahlt wird, bevor er sich an Ort und Stelle begeben hat, oder wenn die Pfändung in anderer Weise als durch Zahlung abgewendet wird, nachdem der Bollziehungsbeamte an Ort und Stelle erschienen ist; 3. keine PfändungSgebühr zu entrichten, wenn die Pfändung in anderer Weise alS durch Zahlung abgewendet wird, bevor sich der Bollziehungsbeamte an Ort und Stelle begeben hat. (5) Wird die Pfändung als Anschlußpfändung (§ 34) ausgesührt, so wird dadurch die Gebührenschuld nicht berührt. Das gleiche gilt, wenn ein Pfändungsversuch erfolglos bleibt, weil pfändbare Sachen nicht vor­ gefunden werden oder weil die Voraussetzungen deS § 17 Abs. 2 vorliegen. (6) Werden wegen desselben Anspruchs mehrere Forderungen oder andere Vermögensrechte gepfändet, so wird die Pfändungsgebühr nur einmal erhoben.

IBerstei-enmßSßtbühr)

§ 57.

(1) Die BersteigerungSgebühr (§ 55 Nr. 2) beträgt von dem Betrage (§ 60) bis zu 100 Reichsmark einschließlich 2 vom Hundert, von dem Mehrbeträge 1 vom Hundert, mindestens jedoch 60 Reichspfennig*). (2) Die Gebührenschuld entsteht, sobald der Auftrag zur Bersteigerung oder zum freihändigen Verkaufe dem Bollziehungsbeamten oder dem sonstigen Beauftragten zugehl.

0 Abs. 1 i. d. F. d. BO. v. 31. Oktober 1925 (GS. S. 153). 9*

9. BerwawMßSjwangSverfLhreu (1899).

•]

(3) Die Versteigerungsgebühr wird nicht erhoben, wenn die VollstreckungSbehörde den Auftrag zur Versteigerung oder zum freihändigen Verkauf zurücknimmt, bevor der Beauftragte Schritte zur Ausführung des Auftrags unternommen hat. (4) Wird die Versteigerung oder der freihändige Verkauf abgewendet (§ 27 Abs. 3), so finden die Bestimmungen deS § 56 Abf. 4 mit der Maß­ gabe entsprechende Anwendung, daß auch im Falle deS § 56 Abf. 4 Nr. 1 nur die halbe BersteigerungSgebühr, mindestens aber daS Dreifache der Briefgebühr (§ 59), zu entrichten ist.

ISchreib-ebühr)

§ 58.

(1) Die Schreibgebühr (§ 55 Nr. 3) beträgt das Doppelte der Brief­ gebühr (§ 59). Umfaßt die Abschrift mehr als zwei Seiten, so ist für

jede weitere angesangene Seite ebenfalls das Doppelte der Briefgebühr (§ 59) zu entrichten. (2) Die Gebührenschuld entsteht, sobald die Erklärung, durch die die Abschrift bestellt wird, dem Bollziehungsbeamten oder der Bollstreckungs­ behörde zugeht. (3) Die Schreibgebühr wird nicht erhoben, wenn die Bestellung zu­ rückgenommen wird, bevor mit der Anfertigung der Abschrift begonnen worden ist.

(Sritfgetair o» «a»sta»I

§ 69.

Briefgebühr im Sinne dieser Verordnung ist der Betrag, der an dem Tage, an dem die Gebührenschuld entsteht, für die Beförderung eines Briefes bis zu zwanzig Gramm im Fernverkehre zu entrichten ist. (Berechnung)

§ 60.

(1) Der Berechnung der Gebühren wird der Gesamtgoldwert der Beträge zugrunde gelegt, derentwegen gemahnt oder vollstreckt tont)1). Bei Feststellung de- Betrag-, von dem die Gebühren berechnet werden, werden Zinsen und Kosten nicht berücksichtigt, wenn sie als Neben­ schulden zusammen mit einer Hauptschuld geltend gemacht werden. Bei Ausführung einer Versteigerung oder bei einem Verkauf aus freier Hand wird die BersteigerungSgebühr von dem Erlöse berechnet, soweit er nicht die Summe der beizutreibenden Beträge übersteigt.

(2) Zur Berechnung der Gebühren wird der nach Abs. 1 maßgebende Betrag auf den nächsten durch zehn teilbaren Reichsmarkbetrag, die Ge­ bühren selbst werden auf den nächsten durch fünf teilbaren Reichs­ pfennigbetrag nach unten abgerundet'). *) § 60 Abs. 1 i. d. F. d. BO. v. 12. April 1924 (GS. S. 209). ’) § 60 Abs. 2 i. d. F. d. VO. v. 28. November 1924 (GS. S. 741).

9. BervaltungSzwangSverfahren (1899).

[9

(Bollstr. gegen Gesamtschuldner) §61. (1) Wird gegen Eheleute wegen eines Anspruchs vollstreckt, für den die Eheleute als Gesamtschuldner haften, so werden Pfändungs- und Bersteigerungsgebühren nur einmal erhoben. Für die Gebühren haften die Eheleute als Gesamtschuldner. (2) Wird in anderen Fällen gegen mehrere Schuldner vollstreckt, so sind die Gebühren, auch wenn der Bollziehungsbeamte mehrere BollstreckungSmahnahmen bei derselben Gelegenheit vornimmt, von jedem Bottstreckungsschuldner besonders zp entrichten. ) Verwendung der Mahngebühr)

§62.

Die int Mahnverfahren entstehenden baren Auslagen sind aus der Mahngebühr zu decken. )AuSlagen)

§ 63.

(1) Im Bollstreckungsverfahren sind die Reise- und ZehrungSkosten des Bollziehungsbeamten von dem Bollstreckungsschuldner nicht zu erstatten. (2) Die übrigen baren Auslagen, die im Dollstreckungsverfahren ent­ stehen, hat der BollstreckungSschuldner zu erstatten. Zu den Auslagen gehören insbesondere: 1. die Post-, Fernsprech- und Telegrammgebühren; 2. die Kosten, die durch öffentliche Bekanntmachung, insbesondere durch Einrücken in öffentliche Blätter, entstehen; hierzu gehören auch die nach den Vorschriften deS Gerichtskostengesetzes zu berech­ nenden Schreibgebühren für Schriftstücke, die zum Aushange be­ stimmt sind, dagegen nicht die durch öffentliche Bekanntmachung der Mahnung entstehenden Auslagen; 3. die Beträge, die den zum Offnen von Türen oder Behältniflen zugezogenen Personen zu zahlen sind, ferner die Kosten der Be­ förderung, Verwahrung und Beaufsichtigung gepfändeter Sachen, die Kosten der Aberntung gepfändeter Früchte und der Erhaltung gepfändeter Tiere; 4. die an Zeugen und Sachverständige zu zahlenden Beträge (§ 64); 5. die Gerichtskosten und in den Fällen deS § 35 etwaige Gebühren und Auslagen deS Gerichtsvollziehers. (3) Die Pflicht zur Erstattung solcher Auslagen, die bei Ausführung einer BollstreckungSmahnahme erwachsen, entsteht, sobald der Auftrag zu der Bollstreckungsmaßnahme dem Vollziehungsbeamten oder dem sonstigen Beauftragten zugeht oder sobald die BollstreckungSbehörde die Verfügung, durch die eine Forderung oder ein anderes Vermögensrecht gepfändet wird, unterzeichnet. (4) Findet zur Versteigerung oder zum freihändigen Verkaufe von Sachen, die bei mehreren BollstreckungSfchuldnern gepfändet worden sind,

9]

9. BerwaltunsSzwarlgSversahrru (1899).

ein einheitliches Verfahren statt, so werden die Auslagen, die in diesem Verfahren entstehen, auf die beteiligten BollstreckungSschuldner verteilt. Dabei ist aus die besonderen Umstände des einzelnen Falles, insbesondere auf Wert, Umfang und Gewicht der Gegenstände, billige Rücksicht zu nehmen. IZeußengelder usw.)

§ 64.

(1) Zeugen und Sachverständigen ist auf Antrag eine Entschädigung zu gewähren. (2) Die Entschädigung darf die Gebühr einschließlich des Teuerungs­ zuschlags nicht übersteigen, die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten auf Grund der Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige (in der jeweils geltenden Fassung)') gewährt werden sann.

lUmrtgn.t.Ml.i.Mi., Mritnk.] §

64 a2).

(1) Auf die Umrechnung eines Reichsmarkbetrags in einen Gold markbetrag und umgekehrt finden die Vorschriften der Goldabgabenver­ ordnung vom 18. Januar 1924 (Gesetzsamml. S. 40) Anwendung. (2) Der Gesamtbetrag der Kosten (Gebühren und Auslagen), der von einem Schuldner zu entrichten ist, wird auf den nächsten durch fünf teilbaren Goldpfennigbetrag nach unten abgerundet.

lAu-ULhme für Gerichtsvollzieher) § 65. Für Zwangsvollstreckungen, die durch Gerichtsvollzieher ausgeführt werden, gelten die Bestimmungen der §8 54 bis 64 n i ch t.

lAuszahlungl

§ 66.

(1) Die Gebühren des VollziehungSbeamten und alle anderen Kosten der Zwangsvollstreckung werden von der Vollstreckungsbehörde aus den eingegangenen Geldern entnommen. (2) Bei Unzulänglichkeit dieser Gelder werden, soweit für den ein­ zelnen Fall nicht anderweite Bestimmungen maßgebend sind, zunächst die in Ansatz gebrachten Gebühren deS Bollziehungsbeamten, sodann die übrigen Kosten der Zwangsvollstreckung berichtigt; soweit die letzteren auS den eingegangenen Geldern nicht gedeckt werden, sind dieselben unbe­ schadet der bestehenden anderweiten Vorschriften von demjenigen zu tragen, für dessen Rechnung die Zwangsvollstreckung erfolgt.

*) Die zurzeit geltende Fassung ist vom 21. Dezember 1925 (RGBl. I S. 471). ’) § 64a eingefügt durch BO. v. 12. April 1924 (GS. S. 209), Art. I Ziff. 7.

10. BerwaltungSgedührengesetz (1023).

IInkrafttreten, AuSfBest.s

[10

§ 67.

(1) Diese Verordnung tritt gleichzeitig mit dem Bürgerlichen Gesetz­ buch in Kraft. (2) Die zur Ausführung derselben erforderlichen Anordnungen*) haben die beteiligten Ministerien gemeinschaftlich zu erlassen').

lO.GesetzüberstaatlicheDerwaltungSgebühren. Dom 29. September 1923 (GS. S. 455). sGebühreodflicht, Gebührenfreiheit) § 1. (1) Für einzelne auf Veranlassung der Beteiligten vor­ genommene Amtshandlungen staatlicher Organe, die im wesent­ lichen im Interesse einzelner erfolgen, werden Verwaltungsgeoühren für die Staatskasse erhoben. Die Erhebung erfolgt auf Grund von Gebührenordnungen (§ 4). (2) Gebührenfrei find solche Amtshandlungen, die über­ wiegend im öffentlichen Interesse erfolgen, und der mündliche verkehr. Gebühren werden nicht erhoben beim verkehre der Behörden untereinander, es sei denn, datz fie einem Dritten als Veranlasser zur Last zu legen find. sAmtShandl. nichtstaatl. Organe)

§ 2.

Die Bestimmung des 8 1 gilt auch für die kraft staatlichen Auftrags vorgenommenen Amtshandlungen von nichtftaatlicyen Organen. FünHia vom Hundert der hierfür erhobenen Gebühren fliegen in oie Kasse derjenigen Stelle, deren Organ die gebühren­ pflichtige Amtshandlung vorgenommen hat. [Äelnt Gebührrn-flicht nach anderen Gesetzen)

§ 3.

(1) Soweit auf Grund dieses Gesetzes die Erhebung einer Gebühr oder Gebuhrenfreiheit vorgeschrieben ist, wird Die Er­ hebung von anderweitigen Gebühren ausgeschlossen, insbesondere *) Erlassen als „Anweisung vom 28. November 1899 |it Ausführung der verordn»«- vom 15. November 1899, betreffend daS verw»lt»»gSzwang-verfahren Wege» Beitreibung von Geldbeträge»" (ZBlAD. 1900 S. 44), ergänzt durch Anweisungen v. 4. Juli 1904 (ZBlAB. S. 246) und 20. Juli 1912 (JMBl. S. 355). 2) Der (hier früher folgende) Gebührentarif ist durch Art. 2 der BO. v. 16. Mai 1923 (GS. S. 271) beseitigt worden.

10]

10. 8er»ertii«gegrtä6«eet|t| (1028).

auch die Erhebung von Gebühren nach § 6 des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 1893 (Gesetzsamml. 6.152) und SA 4 und 24 des Kreis- und Provinzialabgabenaesetzes vom 23. April 1906 6.159). beide in der Fassung des Gesetzes vom 26. August 1921 (Gesetzsamml. 6.495), sowie die Erhebung von Sporteln und ähnlichen Abgaben, gleichviel ob fie auf Gesetz, Verordnung oder Herkommen beruhen. (2) Das entsvrechende gilt für die Erhebung der Stempel­ steuer. Inwieweit die Erhebung einer Stempelsteuer neben der Gebühr ganz oder teilweise ausgeschlossen wird, wird durch di« vom Staatsmintsterium oder von den zuständigen Ministern gemäß 84 zu erlassenden Gebührenordnungen bestimmt. (3) Werden bei der Vornahme einer Amtshandlung be­ sondere bare Auslagen notwendig, so kann deren Erstattung auch neben der Zahlung einer Gebühr verlangt werden. Dies gilt auch beim Verkehr« der Behörden untereinander. l«»tihre»,rdumtgn»)

§ 4.

(1) Die Gebührenordnungen (§ 1) erläßt das Staatsmini­ sterium'). In denjenigen Anaelegenheiten, die eine gleichmäßige Regelung für alle Geschäftsbereiche nicht erfordern, übt diese Befugnis jeder Minister für seinen Geschäftsbereich au». Eine Übertragung der Befugnis auf Nachgeordnete Stellen in besonderen Fallen ist zulässig. Soweit nicht hiernach der Finanz­ minister selbst zuständig ist, ist sein Einventändnis erforderlich. (2) Die Gebühren sollen unter Berücksichtigung der Kosten des betreffenden Verwaltungszweige» festgesetzt werden. (3) Die Gebührenordnungen sind nach näherer Anordnung des Staat-Ministerium» zu veröffentlichen. (4) Jede Gebührenordnung ist dem Landtage zur Kenntnis­ nahme vorzulegen und muß auf dessen Verlangen wieder auf­ gehoben werden.

(Befrtümite]

§ 6.

Die Minister find befugt, innerhalb ihrer Zuständigkeit von der Erhebung von Gebühren im Ginzelfalle oder für Fälle bestimmter Art au» sachlichen oder persönlichen Billigkeits­ gründen ganz oder zum Teil abzusehen und diese Befugnis auf Nachgeordnete Stellen zu übertragen; soweit «» fich nicht um einen Gebührenerlaß im Einzelfalle handelt, ist da» Einver­ ständnis des Finanzministers erforderlich. *) Gegenwärtig gilt die vom 30. Dezember 1926 ((30. S. 327) i. d. F. der Verordnung vom 24. Juli 1930 (

[Selbstverwaltung!

§ 9.

Die Stadtgemeinden sind Korporationen des Rechts; denselben stehtdieSelbstverwaltung ihrer heiten nach näherer Vorschrift dieses Gesetzes zu').

[Magistrat u. btadtverardnete!

öffentlichen Angelegen­

§ 10.

n den Städten wird ein Magistrat (kollegialischer Geevorstand) und eine Stadtverordnetenversammlung ge­ bildet, welche nach näherer Vorschrift dieses Gesetzes dieseloen vertreten. Der Magistrat ist die Öbrigkeit der Stadt und ver­ waltet die städtischen Gemeindeangelegenheiten. Die Aus­ nahmen bestimmt Titel VIII.

S

§ 11. Stadt ist befugt, besondere statutarische Anord­ nungen zu treffen: 1. über solche Angelegenheiten der Stadtaemeinden sowie über solche Rechte und Pflichten ihrer Mitglieder, binfichtlich deren das gegenwärtige Gesetz Verschiedenbeiten gestattet oder keine ausdrücklichen Bestimmungen enthält; 2. über sonstige eigentümliche Verhältnisse und Einrich­ tungen'). (2) Dergleichen Anordnungen bedürfen der Bestätigung des Bezirksausschusses, wenn sie die Bildung oder Zusammensetzung der städtischen Körperschaften betreffen. Insoweit die Anord-

[Statuten!

(1) Jede

88 5—11 WeftfStO. = 88 fr-11 VstlStO. i) ’) ’) gesetzes

S. §§ 2, 3 GemWahlGes. (unten Nr. 15a). S. Art. 70 ff. Prverf., Art. 127 RBerf. Zisf. 2 in der infolge der Bestimmungen des Kommunalabgabcn notwendig gewordenen Fassung.

11. Östliche Stäbtetrbnung mit westfälischer (1853/1856).

[11

nungen sich aus Gegenstände beziehen, hinsichtlich deren die Genehmigung von Eemerndebeschlüssen in anderen Gesetzen vor­ geschrieben ist, behält es dabei sein Bewendens.

Titel II. Bon der Zusammensetzung und Wahl der Stadtverordneten­ versammlung.

88 12-27. (Ersetzt durch das Gemetndewahlgesctz (unten Nr. 15a) und §§ 18 bis 21 des G. vom 18. Juli 1919 (GS. S. 118).]

fSinführung der Gewählten) § 28. (Wegen Abs. 1 s. Anm. zu §§ 12—27.] (2) Der Magistrat hat die Einführung der Gewählten und deren Verpflichtung durch Handschlag an Eides Statt anzuordnen.

Titel III. Bon der Zusammensetzung und Wahl des Magistrats.

l^ufammenfetz. d. Magistrat-) § 29. (1) Der Magistrat besteht aus dem Bürgermeister^ einem Beigeordneten oder zweiten Bürgermeister als besten Stellver­ treter, einer Anzahl von Schöffen lStadträten, Ratsherren, Ratsmännern) und, wo das Bedürfnis es erfordert, noch aus einem oder mehreren besoldeten Mitgliedern (Syndikus. Käm­ merer, Schulrat, Baurat usw.). Es gehören zum Magistrat in Stadtgemeinden von weniger als 2 500 Einwohnern 42 Schöffen, -----------------2 501 bis> 10 000 6 30 000 10 001 8 60 000 30 001 » 60 001 „ 100 000 10 (2) Bei mehr als 100 000 Einwohnern treten für jede weileren 50 000 Einwohner zwei Schöffen hinzu. §5 12—27 WestfStO. ebenso weggefallen und ersetzt wie 88 12—27 LftlStO. 8 28 «estsStO. = § 28 ÖftlStO.

i) Abs. 2 i. d. F. de- ®. v. 13. Mai 1918 (GS. S. 53). Die § 21 Abs. 4 der StO. bett. Vorschrift ist mit dessen Beseitigung weggefallen 2. im Tert Anm. zu §§ 12—27.

11]

11. Lstltche StLtztrsrvmmr eit westfälischer (1858/1866).

(3) Wo die Zahl der Mitglieder des Magistrats bisher eine andere gewesen ist, verbleibt es bei dieser Zahl, bis durch sta­ tutarische Anordnung, welcher überhaupt abweichende Fest­ setzungen über die Zahl der Magistratsmitglieder vorbehalten werden, eine Änderung getroffen ist. [Sürgermeiftfr]

§ 30.

[Äbf. 1—4 ersetzt durch die neue Gemeindewahlgesetzgebung.)

(5) Personen, welche die in dem Gesetze vom 7. Februar 1835 (GS. 6. 18) bezerchneten Gewerbe betreiben, können nicht Bürgermeister sein. IWahlzeit,

§ 31.

(Der Beigeordnete und die Schöffen (§ 29) werden auf sechs Jahre,I») der Bürgermeister und die übrigen besoldeten Magi­

stratsmitglieder werden auf zwölf Jahre von der Stadtverord­ netenversammlung gewählt. Auch können Beigeordnete mit Be­ soldung angeftellt werden, und erfolgt in diesem Falle deren Wahl gleichfalls auf zwölf Jahre. Wegen Hbf. 2 f. § 30 Hbf. 1—4.)

8 29 WeftfStO.: (1) Der Magistrat besteht au» dem Bürgermeister, einem Beigeordneten oder zweiten Bürgermeister als dessen Stellver­ treter, einer Anzahl von Schöffen (Stadträten, Ratsherren, Ratsmännern) und, wo das Bedürfnis es erfordert, noch au» einem oder mehreren besoldeten Mitgliedern (Syndikus, Käm­ merer, Schulrat, Baurat usw.). Es gehören zum Magistrat in Stadtgemeinden von weniger als 2 500 Einwohnern 2 Schöffen, 2501 bis 10000 „ 4 „ , 10 001 „ 30 000 „ 6 (2) Bei mehr al» 30 000 Einwohnern treten für jede weite­ ren 20000 Einwohner zwei Schöffen hinzu. (3) Wo die Zahl der Mitglieder de» Magistrats bisher eine andere gewesen ist, verbleibt es bei dieser Zahl, bi» durch sta­ tutarische Anordnung, welcher überhaupt abweichende Fest­ setzungen über die Zahl der Magistratsmitglieder vorbehalten werden, «ine Änderung getroffen ist. 88 $0—33 WeftfStO. = §§ 30-33 LftlStO. *) S. jetzt § 9 des GemWT., unten Nr. 15a.

11. Lstliche StLbteordnung mit westfLlischer (1853/1R56).

lAbstimmungl lS. § 30 «bs. 1—4.)

§ 32.

IBestätigungl

§ 33.

[11

(1) Die gewählten Bürgermeister, Beigeordneten, Schöffen und besoldeten Magistratsmitglieder bedürfen der Bestätigung. Die Bestätigung steht zu: 1. dem [Äönige] Staatsministerium') hinsichtlich der Bürger­ meister und Beigeordneten in Städten von mehr als 10 000 Einwohnern; 2. dem Regierungspräsidenten') hinsichtlich der Bürger­ meister und Beigeordneten in Städten, welche nicht über 10 000 Einwohner haben, sowie hinüchtlich der Schöffen und der besoldeten Magiftratsmitglieoer in allen Städten, ohne Unterschied ihrer Gröhe. (2) Wird die Bestätigung') versagt, so schreitet die Stadt­ verordnetenversammlung zu einer neuen Wahl. Wird auch diese Wahl nicht bestätigt, so ist der Regierungspräsident berechtigt, die Stelle einstweilen auf Kosten der Stadt kommissarisch ver­ walten zu lassen. (3) Dasselbe findet statt, wenn die Stadtverordneten die Wahl verweigern oder den nach der ersten Wahl nicht Bestätig­ ten wieder erwählen sollten. (4) Die kommissarische Verwaltung dauert so lange, bis die Wahl der Stadtverordnetenversammlung, deren wiederholte Vornahme ihr jederzeit zusteht, die Bestätigung des Staats­ ministeriums beziehungsweise des Regierungspräsidenten er­ langt hat. |8ertlbigung|

§ 34.

(1) Die Mitglieder des Magistrats werden vor ihrem Amts­ antritt durch den Bürgermeister in öffentlicher Ätzung der Stadtverordnetenversammlung in Eid und Dflicht genommen; der Bürgermeister wird vom Regierungspräsidenten oder einem von diesem zu ernennenden Kommissar in öffentlicher Sitzung der Stadtverordnetenversammlung vereidet. (2) MaMratsmitgliedern, welche ihr Amt mindestens neun Jahre mit Ehren bekleidet haben, kann in Übereinstimmung mit der Stadtverordnetenversammlung von dem Magistrat das Prä­ dikat „Stadtältester" verliehen werden. 8 34 WeftfStO.-8 34 Abs.l ÖstlStO. 1) Gemäß Art. 82 PrB. ') S. § 13 ZustG., oben Nr. 3.

11]

11. östliche ktadtesrdumcg mit westfälischer (1853/1866).

Titel IV.

Bon den Versammlungen und Geschäften der Stadtverordneten. IZuständi-keit)

§ 35.

(1) Die Stadtverordnetenversammlung bat über alle Gemeindeangelegenheiten zu beschliehen, soweit dieselben nicht ausschlietzlich dem Magistrate überwiesen find. Sie gibt ihr Gut­ achten über alle Gegenstände ab, welche ihr zu Diesem Zwecke durch die Aufstchtsbehörden vorgelegt werden. Uber andere als Gemeindeangeleaenheiten dürfen die Stadtverordneten nur dann beraten, wenn solche durch besondere Gesetze oder in einzelnen Fällen durch Aufträge der Aufsichtsbehörde an ste gewiesen find. (2) Die Stadtverordneten find an keinerlei Instruktion oder Aufträge der Wähler soder der Wahlbezirkes) gebunden. sZustimumnß d. Äagiftratl)

§ 36.

Die Beschlüsse der Stadtverordneten bedürfen, wenn ste solche Angelegenheiten betreffen, welche durch das Gesetz dem Magistrat zur Ausführung überwiesen find, der Zustimmung des letzteren. Versagt dieser die Zustimmung, so hat er die Gründe dieser Versagung der Stadtverordnetenversammlung mirzuteilen. Erfolgt hierauf keine Verständigung, zu deren Herbeiführung sowohl von dem Magistrate als den Stadtverord­ neten die Einsetzung einer gemeinschaftlichen Kommission ver­ langt werden kann, [so ist die Entscheidung der Regierung herbeizuholenp). — Die Stadtverordnetenversammlung darf ihre Be­ schlüste in keinem Falle selbst zur Ausführung bringen. lverwaltungSksntrOllel

§ 87.

Die Stadtverordnetenversammlung kontrolliert die Verwal­ tung. Sie ist daher berechtigt, sich von der Ausführung ihrer Beschlüsse und der Verwendung aller Gemeindeeinnahmen Über­ zeugung zu verschaffen. Sie kann zu diesem Zwecke von dem Magistrat die Einsicht der Akten verlangen und Ausschüsse aus ihrer Mitte ernennen, ru welchen der Bürgermeister ein Mit­ glied des Magistrats abzuordnen befugt ist.

65 85-46 WeftfStO. = 88 35-46 ÖftlStO. i) Wahlbezirke gibt es nicht mehr, § 6 GemWG., unten Nr. 15a. ’) S. jetzt § 17 Nr. 1 ZustV. Vgl. auch § 15 ZustG. (Beanstandung).

.11. östliche StädteArdmmg mit westfälischer (1853/1856).

[11

[Stadtversrdnetenvvrsteher) § 88. (1) Die Stadtverordnetenversammlung wählt jährlich einen Vorsitzenden sowie einen Stellvertreter desselben und einen Schriftführer sowie einen Stellvertreter desselben aus ihrer 3Jhttc; doch kann auch die Stelle des Schriftführers ein von den Stadtverordneten nicht aus ihrer Mitte gewählter, in öffent­ licher Sitzung hierzu von dem Bürgermeister vereideter Proto­ kollführer vertreten. [Diese Wahlen erfolgen in dem im § 32 vorge­ schriebenen Verfahren^).! Durch die Geschäftsordnung lK 48) können über die Stellvertretung des Vorsitzenden und des Schriftführers und über ihre Wahl abweichende Bestimmungen getroffen werdens. (2) Die Stadtverordneten versammeln sich, so ost es ihre Geschäfte erfordern. (3) Der Magistrat wird zu allen Versammlungen eingeladen und kann sich durch Abgeordnete vertreten lassen. Die Stadt­ verordneten können verlangen, daß Abgeordnete des Magistrats dabei anwesend sind. Der Magistrat muh gehört werden, so oft er es verlangt.

I3ufammentreten|

§ 39.

Die Zusammenberufung der Stadtverordneten geschieht durch den Vorsitzenden; sie mutz erfolgen, sobald es von einem Viertel der Mitgneder oder von dem Magistrat verlangt wird.

sEinderufungl § 40. (1) Die Art und Weise der Zusammenberufung wird ein für allemal von der Stadtverordnetenversammlung festgestellt. (2) Die Zusammenberufungerfolgt unter Angabe der Gegen­ stände der Verhandlung,- mit Ausnahme dringender Fälle muh dieselbe wenigstens zwei freie Tage vorher statthaben.

| Begehn. SitzungStagej

§ 41.

Durch Beschluß der Stadtverordneten können auch regel­ mäßige Sitzungstage festgesetzt, es müsien jedoch auch dann die Gegenstände der Verhandlung mit Ausnahme dringender Fälle mindestens zwei freie Tage vorher den Stadtverordneten und dem Magistrat angezeigt werden.

(Beschlußfähigkeit,

§ 42.

Die Stadtverordnetenversammlung kann nur beschließen wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder zugegen ist. Durch

i) S. oben im Text zu § 32. ’) Abs. 1 Satz 3 angefügt durch G. v. 13. Mai 1918 (GS- S. 53) Art. 2 Ztff. 2.

11]

11. Lftttche StLLte-rvmm, mit westfalischer (1853/1866 K

Demeindebeschluß kann bestimmt werden, daß die Versammlung auch beschlunfahra ist. wenn mehr als ein Drittel der Mitglieder zugegen ist1). Die Versammlung ist stets beschlußfähig'), wenn vie Stadtverordneten, zum zweiten Male zur Verhandlung über denselben Gegenstand zusammenberufen, dennoch nicht in genü­ gender Anzahl erschienen find. Bei der zweiten Zusammen­ berufung mutz auf diese Bestimmung ausdrücklich hingewiesen werden. fveschlußfassmigl § 43. Die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Borsitzenden. Wer nicht mitftimmt' wird zwar als anwesend betrachtet, die Stim­ menmehrheit wird aber lediglich nach der Zahl der Stimmenden festgestellt.

(9ult4Iitftung] § 44. (1) An Verhandlungen über Rechte und Verpflichtungen der Stadtgemeinde darf derjenige nicht teilnehmen, dessen Interesse mit dem der Gemeinde in Widerspruch steht. Kann wegen dieser Ausschließung eine beschlußfähige Versammlung nicht gehalten werden, so hat der Magistrat, oder wenn auch dieser au» dem vorgedachten Grunde einen gültigen Beschluß zu Men nicht beKist, der Bezirksausschuß') für die Wahrung des «eindeinteresie» zu sorgen und nötigenfalls «inen besonderen Vertreter für die Stadtgemeinde zu bestellen. (2) Sollt« ein Prozeß der Stadtgemeinde gegen alle oder mehrere Mitglieder des Magistrats aus Veranlassung ihrer Amtsführung notwendig werden, ko hat der Regierungs­ präsident') auf Antrag der Stadtverordnetenversammlung zur Führung des Prozesses einen Anwalt zu bestellen.

jvssmtlichkettf § 45. Die Sitzungen der Stadtverordneten find öffentlich. Für einzelne Gegenstände kann durch besonderen Beschluß, welcher in geheimer Ätzung gefaßt wird, di« Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Die Sitzungen dürfen nicht in Wirtshäusern und Schenken gehalten werden. *) Art. 2 ’) *)

§ 42 Satz 2 und die verändert« Fassung von Satz 3 beruhen auf de« 0. vom 13. Mai 1918 (GS. S. 53). Gemäß §§ 17 Nr. 2 (für Berlin), 161 ZustG. (oben Nr. 3). § 7 ZG. (Berlin: Oberpräsiden«).

11. Östliche Ltädteordnung mit westfälischer (1853/1856).

(SitzungSpolizei)

[11

§ 46.

Der Vorsitzende leitet die Verhandlungen, eröffnet und schließt die Sitzungen und handhabt die Ordnung in der Ver­ sammlung. Er kann jeden Zuhörer aus dem Sitzungszimmer entfernen lassen, welcher öffentliche Zeichen des Beifalls oder des Mißfallens gibt oder Unruhe irgendeiner Art verursacht*). lBeschluhbuchs § 47. (1) Die Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung und die

Namen der dabei anwesend gewesenen Mitglieder find in ein besonderes Buch einzutragen. Sie werden von dem Vorsitzenden und wenigstens drei Mitgliedern unterzeichnet. (2) Dem Magistrat müssen alle Beschlüsse der Stadtverord­ neten, auch diejenigen, welche ihm durch das Gesetz zur Ausfüh­ rung nicht überwiesen find, mitgeteilt werden. sveschäftSprdnunßl § 48. (1) Den Stadtverordnetenversammlungen bleibt überlassen,

unter Zustimmung des Magistrats eine Geschäftsordnung abzu­ fassen und darin Zuwiderhandlungen der Mitglieder gegen die zur Aufrechterhaltung der Ordnung gegebenen Vorschriften mit Strafen zu belegen- diese Strafen rönnen nur in Geldbußen bis zu 15 Reichsmark und bei mehrmals wiederholten Zuwiderhand­ lungen in der auf eine gewisse Zeit oder für die Dauer der Wahlperiode zu verhängenden Ausschließung aus der Versamm­ lung bestehen. (2) Versagt der Magistrat seine Zustimmung, so tritt das in 8 36 vorgeschriebene Verfahren ein'). lvemeindevermögenl § 49. (1) Die Stadtverordneten beschließen über die Benutzung des

Gemeindevermögens,- die Deklaration vom 26. Juli 1847 (ES. S. 327) bleibt dabei maßgebend. (2) über das Eememdevermögen, welches nicht der Ge­ meindekorporation in ihrer Gesamtheit gehört, kann die Stadt-

47 Abf.l und 2 WestfStO. - 8 47 VstlStO. 47 ALf.3 WeMStO. = §48 üstlStO. (in einem Absatz). 8 48, 49 WestfStO. = 88 49, 50 ÖstlStO. Die Befugnisse des Vorsitzenden sind erweitert durch § 21 des G. v. 18. Juli 1919 (ÄS. S. 118). ’) Als Ergänzung hierzu s. § 10 Ziff. 3, § 11 und § 17 (Anfechtung) ZG.

11]

11. östliche 6täNteerbtttt*e mit westfälischer (1858/1858).

verordnetenversammlung nur insofern beschließen, als sie dazu durch den Willen der Beteiligten oder durch sonstige Rechtstitel berufen ist. (3) Auf das Vermögen der Korporationen und Stiftungen flaben die zur Stadtgemeinde gehörenden Einwohner (§ 3) als olche und auf dasjenige Vermögen, welches bloß den Hausbefitzern oder anderen Klassen der Einwohner gehört, haben andere Personen keinen Anspruch. (4) In Ansehung der Verwaltung und Verwendung des Vermögens der Stiftungen bewendet es bei den stiftungsmäßigen Bestimmungen. Soweit es hierbei auf den Begriff des Bürgers ankommt, find die Bestimmungen des gegenwärtigen Gesetzes (§ 5) an fich selbst nicht maßgebend.

§ 60.

sKunstbefitz usw., Anleihen)

Die Genehmigung des Bezirksausschusses*), im Falle der Nummer 2 des Regierungspräsidenten*), ist erforderlich:

sZiff. 1 und 4 gestrichen durch Art. 2 Ziss. 4 deS O. v. 13. Mai 1918, GS. S. 63.] 2. zur Veräußerung oder wesentlichen Veränderung von Sachen, welche einen besonderen wissenschaftlichen, histo­ rischen oder Kunftwert haben, namentlich von Archiven oder Teilen derselben3. zu Anleihen, durch welche die Gemeinde mit einem Schuldenbestande belastet, oder der bereits vorhandene ver­ größert wird.

sZifs. 4 gestrichen, s. Ziff. 1.] lwemeindewaldungen]

^Hierzu s. g 18 Abs. 2 ZuftS.:

Hinfichtlich der Veräußerung der Gemeindewal­ dungen bewendet es bei den bestehenden Bestim­ mungen.] itzrlä- aul «rundstückSverk.)

§ 51.

Der Erlös veräußerter Grundstücke und grundstücksgleicher Rechte ist nicht zur Deckung laufender Ausgaben zu verwenden').

S g Abs. 7 g

50 »1.1 WeftfStO. § 51 LstlStO. 50 Abs. 2—6 WeftfStO. aufgehoben, f. deshalb und wegen unten § 47 RheinStO. 51 8H. 1—5 WeftfStO. = §52 Abs. 1-^5 üstlStO. Abj.8 = § 48 Abs.8 RheinStO.

11. Lftliche Eläbtterbnune mit westfälischer (1853/1850). (8emtinbtnu(pingtn|

[11

§52.

(Abs. 1, 2 und 5 durch die Beseitigung der Einzugs- und Eintritts­ gelder (G. v. 2. März 1867, GS. S. 361) weggefallen.] (3) Die Teilnahme an den Gemeindenutzungen (§ 50 Nr. 4)

kann außerdem von der Entrichtung einer jährlichen Abgabe und anstatt oder neben derselben von Entrichtung eines Einkaufs­ geldes abhängig gemacht werden, durch deren Entrichtung aber die Ausübung des Bürgerrechts niemals bedingt wird. (4) Alle derartigen Beschlüsse bedürfen der Genehmigung des Bezirksausschusses'). Die mit dem Besitze einzelner Grundstücke verbundenen oder auf sonstigen besonderen Rechtstiteln be­ ruhenden Nutzungsrechte sind den Bestimmungen dieses Para­ graphen nicht unterworfen. (Abs. 5 weggefallen, s. oben zu Abs. 1 und 2.]

§§ 53, 54. (Durch daS Kommunalabgabengesetz (unten Nr. 19) überholt bzw aufgehoben (f. insbesondere dessen §§ 1, 2, 68).]

sPartik.»»setz,s

§ 55.

Die in bezuy auf die Behandlung der Gemeindewal­ dungen für die einzelnen Landesteile erlassenen Gesetze und Bestimmungen bleiben in Kraft, bis ihre Abänderung im ge­ setzlichen Wege erfolgt sein wird. 88 52, 53 WeftfStO. = 88 53, 54 SstlStO.

68 54, 55, 56 WeftfStO.: [Gkmti*beto«Ibu«gta) tz 54. Bei Berwaltung der Eemeindewaldnngen sind die Beiord­ nung vom 24. Dezember 1816 und die in Gemäßheit derselben erlassenen und zu erlassenden Reglements zu beachten. sSemeiudeeinnehmers 8 55. Der Gemeindeeinnehmer wird von den Stadtverordneten gewählt, welche auch die von demselben, sowie von anderen Gemetndebeamten zu leistenden Kautionen zu bestimmen haben. IZuftSudi,teils 8 56. Der Magistrat hat als Ortsobrigkeit und Gemeindeoerwaltungsbehörd« insbesondere folgende Geschäfte: 1. ll. SstlStO. Ziffer 1); 2. (f. SstlStO. Ziffer 2);

') Nach § 16 Abs. 3 ZS.

11]

11. Lstliche kttttttrbmm, mit Westfälischer (1853/185«).

(Zuständigkeit]

Titel V. Seit Le» Geschäfte« de» Magistrat». § 5t.

Der Magistrat hat al» Ortsobria kett und Ge­ meindeverwaltungsbehörde insbesondere folgende Geschäfte: 1. di« Gesetze und Beiordnungen sowie die Dersügungen der ihm vorgesetzten Behörden auszuführen; 2. die Beschlüsse der Stadtverordnetenver­ sammlung vorzubereiten und, sofern er sich mit denselben einverstanden erklärt, zur Ausführung zu bringen. Der Magistrat ist verpflichtet, die Zustimmung und Ausführung zu versagen, wenn von den Stadtverordneten ein Beschluß gefaßt ist, welcher deren Befugnisie über­ schreitet, gesetz- oder rechtswidrig ist, das Staatswohl oder bas Gemeindeinteresie verletzt. In Fällen dieser Art ist nach den Bestimmungen im § 86l) zu verfahren: 3. di« städtischen Gemeindean st alten zu verwalten und diejenigen, für welche besondere Berwaltungen ein­ gesetzt sind, zu beaufsichtigen; 4. die Einkünfte der Stadtgemeinde zu verwalten, di« auf dem Etat oder besonderen BeschlMsen der Stadtverordneten beruhenden Einnahmen und Aus­ gaben anzuweisen und da» Rechnung»- und KasienwHen ui überwachen. Bon jeder regelmäßigen Kassenreoision ist der Stadtverordnetenversammlung Kenntnis zu geben, damit sie ein Mitglied oder mehrere abordnen könne, um diesem Geschäfte beizuwohnen; bei außerordentlichen Kas­ senrevisionen ist der Borfitzende oder ein von demselben ein für allemal bezrichnete» Mitglied der Stadtverord­ netenversammlung zuzuziehen; 5. da» Eigentum der Stadtgemeinde zu ver­ walten und ihre Recht« zu wahren;

Dasselbe gilt für den Fall, wenn der Bürgermeister die Ernennung des gewählten Einnehmer» (§ 55) beanstanden !n müssen glaubt; 3. s.vftlStO. Ziffer 3); 4. 5. . vstlStO. Zitter 4); i) S .vftlStO. auch 85 15,Ziffer 17, 215); ZustB. Samml. Nr. 8.

11. Sstliche btLdteordnung mit westfLlischer (1858/1866).

[11

6. di e Gemeindebeamten, nachdem die Stadtverord­ neten darüber vernommen worden, anzuftellen und KU beaufsichtigen. Die Anstellung erfolgt nach Maßgabe des Kommunalbeamtengesetzes vom 30. Juli 1899 (GS. S. 141). Die von den Gemeindebeamten zu leistenden Kautionen bestimmt der Magistrat nach Anhörung der Stadtverordnetenversammlung. Städten bis zu 10 000 Einwohnern (§ 30 Ziffer 2) können die Geschäfte des Gemeindeeinnehmers nach Vernehmung der Stadt­ verordnetenversammlung und mit Zustimmung des Bezirksausschusses*) dem Kämmerer übertragen werden; 7. die Urkunden und Akten der Stadtgemeinde aufzu­ bewahren; l Vertretung; zweite Unters d)rift]

8. die Stadtgemeinde nach außen zu vertreten und namens derselben mit Behörden uno Privatpersonen zu verhan­ deln, den Schriftwechsel zu fuhren und die Gemeinde­ urkunden in der Urschrift zu vollziehen. Die Ausferti­ gungen der Urkunden werden namens der Stadtgemeinde von dem Bürgermeister oder seinem Stellvertreter gültig unterzeichnet; werden in denselben Verpflichtungen der Stadtgemeinde übernommen, so muh noch die Unterschrift eines Magistratsmitgliedes hinzukommen; in Fällen, wo die Genehmigung der Aufsichtsbehörde erforderlich ist, mutz dieselbe in beglaubigter Form der gedachten Ausfertigung beigefügt werden; 9. die städtischen Gemeindeabgaben und Dienste nach

6. die Gemeindebeamten, nachdem die Stadtverordneten dar­ über vernommen worden, anzuftellen und dieselben, ein­ schließlich des Gemeindeeinnehmers (§ 55), zu beaufsich­ tigen; die Anstellung erfolgt nach Maßgabe des Kommu­ nalbeamtengesetzes; 7. (s.SstlStO. Zister 7); 8. (s.LftlStO. Ziffer 8); 9. die städtischen Gemeindeabgaben und Dienste nach den Gesetzen und Beschlüssen auf die verpflichteten zu ver­ teilen, die Hebeliften (Nollen) aufzustellen und, nachdem vom Bürgermeister vollstreckbar erklärt find, die Bei­ reibung zu verfügen. Die Hebelisten müssen, bevor die­ selben vollstreckbar erklärt werden, vierzehn Tage offen­ gelegt sein. *) S. Anm. 1 zu § 50.

11]

11. vsllichr ktädteerdmm, mit weftsiilisch« (1858/1856). den Gesetzen und Beschlüssen auf die Verpflichteten zu ver­ teilen uno die Beitreibung zu bewirken.

lBefchluhsassung) § 67. (1) Der Magistrat kann nur beschließen, wenn mindestens ein Drittel seiner Mitglieder zugegen ist'). (2) Die Beschlusse werden nach Stimmenmehrheit ge­ faßt. Bei Stimmengleichheit ist die Stimme des Borfitzenden entscheidend. Den Dorfitz führt der Bürgermeister oder sein Stellvertreter. Der Borfinende ist verpflichtet, wenn ein Beschluß des Magistrats dessen Befugnisse überschreitet, gesetz- oder rechts­ widrig fit, das Staatswohl oder das Gemeindeintrresse verletzt, die Ausführung eines solchen Beschlusses zu beanstanden und die Entscheidung der Regierung einzuholen'). Der Beigeordnete nimmt auch außer dem Falle der Stellvertretung an den Verhandlungen Und Beschlüssen teil. (3) Bei Beratungen über solche Gegenstände, welche das Privatinteresse eines Mitgliedes des Magistrat» oder seiner An­ gehörigen berühren, muß dasselbe fich der Teilnahme an der Beratung und Abstimmung enthalten, auch fich während der Beratung au» dem Sitzungszimmer entfernen. IBesugniss» M Snrgmn.J § 58. (1) Der Bürgermeister leitet und beauffichtigt den ganzen Geschäftsgang der städtischen Derwaltung. (2) In allen Fällen, wo die vorherige Beschlußnahme durch den Magistrat «inen nachteiligen Zeitverlust verursachen würde, muh der Bürgermeister die dem Magistrat obliegenden Geschäfte vorläufig allein besorgen, iedoch dem letzteren in der nächsten Sitzung behufs der Bestätigung oder anderweitigen Beschluß­ nahme Bericht erstatten. (3) Zur Erhaltung der nötigen Disziplin steht dem Bürger­ meister das Recht zu, den Gemeindebeamten Geldbuhen bis zu neun Reichsmark') auszulegen (§§ 15, 19 des Gesetzes vom 21. Juli 1852, GS. S. 465)'). §9 57—59 «estfStv. - §§ 57—59 LftlStO.

>) Abs. 1 i. d. Fassung d. @. v. 13. Mai 1918 ((33. S. 53). *) Da6 Verfahren richtet sich beute nach §§ 15, 17 Ziff. 1 ZuslG ») Abs. 3 in der durch VO. v. 2. Juli 1926 (GS. S. 192) und durch den Wegfall der Arreststrafe (G. ti. 25. März 1917, GS. S. 49) gebotenen Fassung.

11. östliche Stäbtrtrbnung mit westfälischer (1853/1856).

[Teputationens

[11

8 SS.

(1) Zur dauernden Verwaltung oder Beaufsichtigung ein­ zelner Geschäftszweige, sowie zur Erledigung vorübergehender Aufträge können besondere Deputationen entweder blog aus Mitgliedern des Magistrats oder aus Mitgliedern beider Ge­ meindebehörden oder aus letzteren und stimmfähigen Bürgern gewählt werben. Zur Bildung gemischterDeputationen aus beiden Stadtbehörden ist der übereinstimmende Beschluß beider erforderlich. (2) Zu dielen Deputationen und Kommissionen, welche übrigens in allen Beziehungen dem Magistrate untergeordnet sind, werden die Stadtverordneten und stimmfähigen Bürger von der Stadtverordnetenversammlung gewählt, die Magiltratsmitglieder dagegen von dem Bürgermeister ernannt, welcher auch unter letzteren den Vorsitzenden au bezeichnen hat. (3) Durch statutarische Anordnungen können nach den eiyentümlichen örtlichen Verhältnissen besondere Festsetzungen über die Zusammensetzung der bleibenden Derwaltungsoeputationen getroffen werden. [OrtSbezirkrl

§ 60.

(1) Städte von gröberem Umfange oder von zahlreicherer Bevölkerung werden von dem Magistrat nach Anhörung der Stadtverordneten in Ortsbezirke geteilt. (2) Jedem Bezirk wird ein Bezirksvorsteher vor­ gesetzt, welcher von den Stadtverordneten aus den stimmMigen Bürgern des Bezirks auf sechs Jahre erwählt und vom Magi­ strat bestätigt wird. In gleicher Weise wird für den Fall der Verhinderung des Bezirksvorstehers ein Stellvertreter desselben angestellt. (3) Die Bezirksvorsteher find Organe des Magistrats und verpflichtet, seinen Anordnungen Folge zu leisten, ihn nament­ lich in den örtlichen Geschäften des Bezirks zu unterstützen. IMagistratSberichtl

§ 61.

Jedes Jahr, bevor sich die Stadtverordnetenversammlung mit dem Hausbaltsetat beschäftigt, hat der Magistrat in oPentlicher Sitzung derselben über die Verwaltung und den Stand 8 60 «61.1 WestfStO.: Alle Staotgemeinden von grobem Umfange oder von zahl­ reicher Bevölkerung werden von dem Magistrate nach Anhörung der Stadtverordneten in Ortsbezirke einaeteilt. Abs. 2 u. 3 - § 60 Abs. 2 u. 3 ÖstlStO.

11]

11. Lftllche BtiMwbnung mit weftfLltscher (1858/1856).

der Gemeindeanaelepenheiten einen vollständigen Bericht zu er­ statten. Tag und Stunde werden wenigstens zwei freie Tage vorher in der Gemeinde bekanntgemacht. ■Aufgaben b. Bürgerin.) § 62. (1) Der Bürgermeister hat nach näherer Bestimmung der Gesetze folgende Geschäfte zu besorgen: I. wenn die Handhabung der Ortspolizei nicht sKöniglichen] staatlichen Behörden übertragen ist: 1. die Handhabung der Ortspolizei; 2. die Verrichtungen eines Hilfsbeamten der ^gerichtlichen Polizei] Staatsanwaltschaft'); 3. die Verrichtungen eines sPolizeianwaltr] Amt» an walt »'), vorbehaltlich der Befugnis der Behörden, in den Fällen 2 und 3 andere Beamten mit diesen Geschäften zu beauftragen. Dem Bürgermeister am Sitz eine» Gericht» kann die Vertretung der sPolizeianwaltfchaft] Amtsanwaltkchaft') bei dem Gericht auch für die übrigen Gemein­ den des Eerichtsbezirks gegen angemessene Entschädigung übertragen werden, in deren Hinsicht nähere Bestimmun­ gen vorbehalten bleiben. II. Alle örtlichen Geschäfte der Kreis-, Bezirks-, Provinzialund allgemeinen Staatsverwaltung, namentlich auch da» Führen der IPersonenftandrreMer] Standesregister'), sofern nicht andere Behörden dazu bestimmt find. (2) Einzelne dieser unter I. und II. erwähnten Geschäfte können mit Genehmigung de» Regierungspräsidenten') einem anderen Magistratamitgliede übertragen werden.

lvrtbpolizrlverorbnunßtu] § 63. In betreff der Befugnis der Stadtbehörden, ortspolizeiliche Verordnungen zu erlassen, kommen die darauf bezüglichen Gesetze zur Anwendung').

§S 61-62 westfStO. = 88 61—62 LftlStO. *) § 152 ®v®. •) § 142 ®8®., §§ 64, 65 pteufc. «0.(38®. vom 24. April 1878 (®0. S. 230). ') 88 4 ff. Perfonenstandsgesetz vom 6. Febr. 1875. *) 8 7 Zust®. •) 88 5 ff. de, PolBerw®. (unten Nr. 26) und 88 136 ff. 88®. (oben Nr. 2).

11. östliche Städteorbnun- mit westfälischer (1853/1856).

[11

Titel VI. Bon den Gehaltern und Pensionen. (Gehalt unb Entschädigung!

§ 64.

(1) Der Normaletat aller Besoldungen wird von dem Magi­ strat entworfen und von den Stadtverordneten festgesetzt. (2) Ist ein NormalLesoldungsetat überhaupt nicht oder nur für einzelne Teile der Verwaltung festgestellt, so werden die in solcher Weise nicht vorgesehenen Besoldungen vor der Wahl f s ^^Hinsichtlich der Bürgermeister und der besoldeten Magi­

stratsmitglieder unterliegt die Festsetzung der Besoldungen in allen Fällen der Genehmigung des Bezirksausschusses^). Der Regierungspräsident') ist ebenso befugt als verpflichtet, zu ver­ langen, daß ihnen die zu einer zweckmäßigen Verwaltung an­ gemessenen Besoldungsbeträge bewilligt werden. (4) Den Beigeordneten, insofern ihnen nicht eine Besoldung besonders beigelegt ist (8 31), können mit Genehmigung des Bezirksausschusses**) feste EntschädigungsbetrLge bewilligt werden. IAbs. 4 S. 2 weggefallen, s. jetzt | 4 b. BO. v. 31. Jauuar 1919, (ÄS. S. 15:]

Durch Gemeindebeschluß kann für die Mitglieder der Gemeindevertretungen eine angemessene Entschädigung für die Teilnahme an Sitzungen der Gemeindevertretungen (Deputationen. Kommissionen) festgesetzt werden; im all­ gemeinen ist dann aber nur eine Vergütung feftzusetzen, welche dem entgangenen Arbeitsverdienst entspricht. IPenfisnl

§ 65.

Den Bürgermeistern und den besoldeten Mitgliedern des Magistrats sind, fofctn nicht mit Genehmigung des Bezirks­ ausschusses') eine Vereinbarung wegen der Pension getroffen ist, bei eintretender Dienstunfähigkeit, oder wenn sie nach ab­ gelaufener Wahlperiode nicht wiedergewählt werden, folgende Pensionen zu gewähren: K des Gehalts nach 6 jähriger Dienstzeit,

iS 63—64 WestfStO. 63-64 SstlStO. i 65 WestfStO. = § 65 OstlStO. (mit denf. Abänderungen). i) § 16 ZustG. ') § 7 ZuftD. •) Ersetzt durch § 14 Abs. Bühler, VerwaltungSgefetze.

1 d. KommunalbeamtenG. (Sammt. 11

11]

11. östliche Städte,rdnuug mit westfälischer (1853/1856).

[tos. 2 beseitigt durch das VleichstelluugSgesetz vom 8. Juli 1920 (GS. S. 383), dieses wiederum teilweise überholt durch § 43 des Preuß. BesoldG. vom 17. Dezember 1927 (GS. S. 223). [tos. 3 durch § 7 deS Kommunalbeamtengesetzes ersetzt, mit der Maßgabe, daß der Rechtsweg gemäß Art. 129 tos. 1S. 4 RB. offen steht.)

(4) Die Pension fallt fort oder ruht insoweit, als der Pen­ sionierte durch anderweitige Anstellung im Staats- oder Ge­ meindedienste ein Einkommen oder eine neue Pension erwirbt, welche mit Zurechnung der ersten Pension sein früheres Ein­ kommen übersteigens **).

[Etat,

Titel VII. von de« Semeindehaushalte. § 66.

(1) Über alle Ausgaben, Einnahmen und Dienste, welche sich im voraus bestimmen lallen, entwirft der Magistrat [spätestens im Oktobers), einen Haushaltsetat. [Mit Zustimmung der ytadtver«

ordneten kann die Etatsperiode bis auf drei Jahre verlängert werden*).)

(2) Der Entwurf wird acht Tage lang, nach vorheriger Ver­ kündigung, in einem oder mehreren von dem Magistrat zu be­ stimmenden Lokalen zur Einsicht aller Einwohner der Stadt oftengeleat und alsdann von den Stadtverordneten festgestellt. Eine Abschrift des Etats wird sofort der Aufsichtsbehörde ein­ gereicht.

IHauShaltSführunsI

§ 67.

(1) Der Magistrat hat dafür zu sorgen, datz der Haushalt nach dem Etat geführt werde.

SS 66-67 «estfStO. = §§ 66-67 ÖftlStO. Nr. 49). Diese Vorschrift wiederum ist beseitigt durch tz 1 deS G. v. 8. Juli 1920 (GS. S. 383) und § 43 b. Preuß. vesoldv. v 17. Dezember 1927 (GS. S. 223). Höchstsatz jetzt nach 29 Dienstjahren */100 (wie bei unmittelbaren Staatsbeamten). i) tos. 4 ist noch in Geltung, da der (übrigen- inhaltlich gleich­ lautende) § 13 deS KommunalbeamtenG. auf Magistratsmitglieder nicht anwendbar ist. ’) Siehe zu §§ 64, 65 da- S,«m«»albeu«te»gesetz, unten Nr. 49. *) Muß jetzt, § 95 tos. 1 KommunalabgabenG. entsprechend, Jauuar heißen (früher Rechnungsjahr — Kalenderjahr), ist aber im Text nicht geändert worden. *) Durch § 95 KommunalabgabenG. (§ 96 tos. 5 das.) beseitigt, unten Nr. 19.

11. östliche Städteordnung mit westfälischer (1858/1856).

[11

(2) Ausgaben, welche außer dem Etat geleistet werden sollen, bedürfen der Genehmigung der Stadtverordneten. skinziehun-I

§ 681).

Die Gemeindeabgaben und die Geldbeträge der Dienste (8 54), sowie die Abgaben für die Teilnahme an den Nutzungen (§ 52) und die sonstigen Gemeindegefälle werden von den Säu­ migen im Steuerexekutionswege beigetrieben. lZahreSrechnungs

§ 69.

Die Iahresrechnung ist von dem Einnehmer vor dem 1. Mai?) des folgenden Jahres zu legen und dem Magistrat einzureichen. Dieser hat die Rechnung zu revidieren und solche mit seinen Erinnerungen und Bemerkungen den Stadtverordneten zur Prüfung, Feststellung und Entlastung vorzulegen. sFestft. b. ZahreSrechnung)

§ 70.

(1) Die Feststellung der Rechnung muh vor dem 1. (Oktober?)

bewirkt sein. (2) Der Magistrat bat der Aufsichtsbehörde sofort eine Ab­ schrift des Feststellungsoeschlusies vorzulegen. (3) Durch statutarische Anordnungen können auch andere Fristen, als vorstehend für die Legung und Feststellung der Rech­ nung bestimmt find, festgesetzt werden. sLagerbuchl

§ 71.

Über alle Teile des Vermögens der Stadtgemeinde hat der Magistrat ein Lagerbuch zu führen. Die darin vorkommenden

tz 68 WestfStO.^ 8 68 ÖstlStO., aber statt „(8 54)“ 53)“ und statt „(§ 52)“ „(§ 51)“ (s. auch Anm. zu 8 68 ÖstlStO.).

8 69 Abs.l ®cftf6tD. = S 69 ÖstlStO. Abs. 2: |£)ffenlc0nng] (2) Rach erfolgter Festsetzung der Rechnung wird dieselbe während vierzehn Tage zur Einsicht der Gemeinoeglieder offen­ gelegt. 8 70 WeftsStO. - 870 ÖstlStO. 8 71 WeftfStO. - 3 71 ÖstlStO. i) Nicht beseitigt durch § 90 KommunalabgabenG., da welterreichend als dieser. *) Muß jetzt August heißen (s. Anm. 3 -u § 66).

11]

11. Östliche etäbtmbmmi mit westfälischer (1853/1856).

Veränderungen werden den Stadtverordneten bei der Rechnungsabnahme zur Erklärung vorgelegt. Titel VIII.

vo« der Einrichtu«- der städtische« verfassuug ohne koLegialischen Semeiudevorstand für Städte, welche nicht mehr «lo 2500 Einwohner haben. lBorauSsetzunßtnI

§ 72.

In Städten von nicht mehr als 2500 Einwohnern kann auf Antrag der Gemeindevertretung unter Genehmigung sder Regierung! des Bezirksausschusses*) die Einrichtung getroffen werden, datz 1. die Zahl der Stadtverordneten bis auf [fe#s]*2) vermindert und 2. statt des Magistrats nur ein Bürgermeister, welcher den Vorsitz in der Stadtverordnetenversammlung mit Stimmrecht au führen bat, und zwei oder dret Schöffen, welche den Bürgermeister au unterstützen und in Verhinderungsfällen zu vertreten haben, gewählt werden. IStellun- b. Bürgerm s

§ 73.

Wird eine Einrichtung nach Maßgabe der Bestimmung unter 2 in tz 72 getroffen, so gehen alle Rechte und Pflichten, (Titelüberschrift: von der Einrichtung der städtischen Verfassung ohne kollegialischen Semeindevorstand.) lvoraussetzuuoeul g 72 WestfStO. In Städten, wo die Gemeindevertretung durch einen nach zweimal, mit einem Zwischenraum von mindestens acht Tagen vorgenommener Beratung zu fassenden Beschluß darauf anträgt, kann mit Genehmigung des Bezirksausschusses die Einrichtung getroffen werden, oah statt des Magistrats nur ein Bürger­ meister, welcher auch den Vorsitz in oer Stadtverordnetenver­ sammlung mit Stimmrecht zu fuhren hat. und zwei oder drei Schöffen resp, ein Beigeordneter, welche oen Bürgermeister zu unterstützen und in Verhinderungsfällen zu vertreten haben, gewählt werden. (Früher hieß eS: Genehmigung der Regierung, f. deshalb Anm. 1 zu § 72 OstlStO.I

*) Gemäß § 16 «bs. 3 ZustG. 2) Die Mindest-ahl der Stadtverordneten beträgt nach - 4 GemWG. (unten Nr. 15a) jetzt 11.

11. östliche Städteordnung mit westfälischer (1858/1856).

[11

welche in den Vorschriften der Titel I bis VII dem Magistrat beigelegt sind, auf den Bürgermeister mit denjenigen Modifika­ tionen über, welche sich als notwendig daraus eraeben, daß der Bürgermeister zugleich stimmberechtigter Vorsitzender der Stadt­ verordnetenversammlung ist. Demselben fteyt insonderheit ein Recht der Zustimmung zu den Beschlüssen der Stadtverordneten nicht zu,' er ist aber in den im zweiten Satze unter 2 des § 56 be­ zeichneten Fallen die Ausführung der Beschlüsse der Stadtver­ ordnetenversammlung zu beanstanden und, wenn diese bei noch­ maliger Beratuna bei ihrem Beschlusse beharrt, die Beschluß­ fassung des Bezirksausschusses*) einzubolen verpflichtet'). — Am übrigen finden bei den Städten, welche die vorgedachte Einrich­ tung angenommen haben, die Vorschriften der Titel I bis VII gleichfalls, jedoch mit oer Matzaabe Anwendung, daß die Schöffen zugleich Stadtverordnete^sein können, und oah es ge­ nügt, wenn die Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung (§ 47) nur von dem Vorsitzenden und einem Mitgliede unter­ zeichnet werden. T i t e l IX. Von der Verpflichtung tut Annahme von Stellen und von dem Ausscheiden aus denselben wegen Verlustes des Bürgerrechts.

lAnnahmetzflicht, AälehnungSgr.s

§ 74.

(1) Ein jeder stimmfähiger') Bürger ist verpflichtet, eine unbesoldete Stelle in der Gemeindeverwaltung oder Vertre­ tung anzunehmen, sowie eine angenommene Stelle mindestens drei Jahre lang zu versehen. (2) Zur Ablehnung oder zur früheren Niederlegung einer solchen Stelle berechtigen nur folgende Entschuldigungsgründe: 1. anhaltende Krankheit, 2. Geschäfte, die eine häufige oder lange dauernde Abwesen­ heit mit sich bringen; 3. ein Alter über sechzig Jahre: 4. die früher stattgebaote Verwaltung einer unbesoldeten Stelle für die nächsten drei Jahre; o. die Verwaltung eines anderen öffentlichen Amtes; 6. ärztliche oder wundärztliche Praxis; 8 73 WeftfStO.---8 73 vstlSLO.

1) Gemäß § 16 Abs. 3 ZustG2) Verfahren: §§ 15 oder 17 ZustG. 3) § 2 GemWG. (unter Nr. 15a).

11]

11. Lstliche Städteordnuu, mit westfälischer (1868/1856).

7. sonstige besondere Verhältnisse, welche nach dem Ermessen der Stadtverordnetenversammlung eine gültige Entschul­ digung begründen. (3) Wer sich ohne einen dieser Entschuldigungsgründe weigert, eine unbesoldete Stelle in der Gemeindeverwaltung oder Vertretung anzunehmen oder die noch nicht drei Zabre lang versebene Stelle ferner zu versehen, sowie derjenige, welcher stch der Verwaltung solcher Stellen tatsächlich entzieht, kann durch Beschluß der Stadtverordneten auf drei bis sechs Hahre der Ausübung des Bürgerrechts verlustig erklärt und um ein Achtel bis ein Viertel stärker zu den direkten Gemeindeabgaben yerangezogen werden**). sAuSscheiden) § 75. (1) Wer eine das Bürgerrecht voraussetzende Stelle in der Ver­ waltung oder Vertretung der Stadtgemeinde belleidet, scheidet aus der­ selben auS, wenn er des Bürgerrecht- verlustig geht'). (2) Die zu den bleibenden Verwaltung-deputationen gewählten stimmfähigen Bürger (§ 59) und anderen von der Stadtverordneten­ versammlung auf eine bestimmte Zeit gewählten unbesoldeten Gemeindebeamten, zu denen jedoch die Schöffen nicht zu rechnen sind, können durch einen übereinstimmenden Beschluß de- Magistrat- und der Stadtver­ ordneten auch vor Ablauf ihrer Wahlperiode von ihrem Amte ent

bunden werden.

Titel X. von der Oberaufsicht über die Stadtverwaltung.

88 76—78. (Ersetzt in der Hauptsache durch §J 7, 15, 21, 19 Zustv. (Aufsichts­

behörden, Beanstandung, verwaltuug-streitverfahre« dafür, Zwa«--etat).f lAuflSsuu- d. Stadtparlament-I

(1) Durch

ministeriums') gelöst werden.

§ 79.

sKönigliches Verordnung sauf Antrags des Staats­

kann

eine

Stadtverordnetenversammlung auf­

1) Ein weiterer Satz ist hier weggesallen, da eine Bestätigung des Beschlusse- gemäß § 11 ZustG. nicht mehr erforderlich ist. i) § 75 Abs. 1 letzter Halbsatz betraf da- „Ruhen" der Ausübung de- Bürgerrechts, § 7 Abs. 2 und 3. Diese Bestimmungen sind jetzt weg­ gesallen, s. oben au § 7 Abs. 2 und 3. •) Gemäß Art. 82 Abs. 2 pr. Verf.

11. östliche Stadteordnung mit westfälischer (1853/1856).

[11

(2) Es ist sodann eine Neuwahl derselben anzuordnen und mutz diese sinnen sechs Monaten vom Tage der Auflösungs­ verordnung an erfolgen. Bis zur Einführung der neugewählten Stadtverordneten find deren Verrichtungen ourch den Bezirksausschuh als Beschlutzbehörde^) zu besorgen. ITisziplinarrechtl

§ 80.

In betreff der Dienstvergehen der Bürgermeister, der Mit­ glieder des Vorstandes und der sonstigen Gemeindebeamten kommen die darauf bezüglichen Gesetze zur Anwendung. T i t e l XI. Aussührungs- und Übergangsbestimmungen. lAuSführungSbestimmungenl § 81. Die zur Ausführung diese- Gesetzes erforderlichen Bestimmungen werden von dem Minister deS Innern getroffen.

88 82—85. sEnthalten gegenstandslos gewordene Übergangsbestimmungen.]

i 81 WestfStO. = §79 ÖstlStO. ! 82 West StO. = § 80 ÖtlStO. i 83 Weft StO. = 8 81 vtlStO. s| 84-87 VeftfStO. wie §§ 82—85 OstlStO., s. hierzu oben. Gemäß § 17 Ziff. 3 ZustG. minister bestellte „Kommissorien".

Früher besondere, vom Innen­

12]

12. Ctäbtmbming für bte Xh»iupr»»i»i (1856).

12. Städteorbnung für dle Rheinprovlnz. Dom 15. Mal 1856 (GS. ©.406). Inhalt. Titel „









I. von den Grundlagen der städtischen Verfassung §§ 2 bis 10. II. Bon der Zusammensetzung und Wahl der Stadtverordnetenversammlung 11 bis 27 III. von der Wahl des Bürgermeisters und der Beigeordneten (Magistratspersonen) . . . 28 bis 33 IV. Von den Geschäften der Stadtverordneten­ versammlung U 34 bis 52 V. Bon den Geschäften de- Bürgermeisters . . §5 53 bis 57. VI. Von den Gehältern und Pensionen . . . . §§ 68 und 59. VII. Von dem Gemeindehaushalte §§ 60 618 66. VIII. Von der Einrichtung der Verfassung mit kollegialischem Magistrat 66 bis 78 IX. Bon der Verpflichtung zur Annahme von Stellen und von dem Ausscheiden aus denselben wegen Verlustes des Bürgerrechts §§ 79 und 80. X. Bon der Oberaufsicht über die Stadtververwaltung §j 81 bis 87. XI. Ausführung-- und Übergangsbestimmungen . §$ 88 bis 94.

fvei gleichlautenden Bestimmungen ist auf die entsprechenden §§ der OstlStO. (oben Nr. 11) verwiesen. Unbedeutende Abweichungen in der Fassung sind dabei nicht berücksichtigt^ lUuwendunrSgebleq

§ 1.

(1) Die gegenwärtige Städteordnung kommt für Provinziallanotage im Stande der Städte vertretenen^)

die saus dem Gemeinden von mehr als 10 000 Einwohnern zur Anwendung, sowie für diejenigen Städte von geringerer Einwohnerzahl, in denen zur Zeit der Berkündiguna der Gemeindeordnung vom 11. Marz 1850 die revidierte Etäoteordnuna vom 17. März 1831 galt. (2) Durch Verordnung des Etaatsminifteriums'j kann nach Anhörung des Provinziallandtages die gegenwärtige Städte­ ordnung auch anderen Gemeinden der Ryemprovinz auf ihren Antrag verliehen werden'). *) Seit der Provinzialordnung vom 29. Juni 1875 gibt es keinen Stand der Städte mehr. ') Gemäß Art. 82 Abf. 1 PrBerf. ') Abs. 2 mit Rücksicht auf § 21 Abs. 2 der RheinKrO. vom 30. Mai 1887 (GS. S. 209) und den Wegfall des StädteftandeS neugefaßt.

12. Stabteordnung für die Nheinprovinz (1856).

[12

Titel I. Bon den Grundlagen der städtischen Verfassung. lStadtbezirks

§ 2.

(1) Au dem städtischen Gemeindebeztrke (Stadtbezirke)

ge­

hören alle innerhalb dessen Grenzen gelegenen Grundstücke. [Hbf. 2 überholt durch das G. v. 27. Dezember 1927, unten Nr. 14. Die infolge der Ein- bzw. Umgemeindung entstehenden Auseinander­ setzungsstreitigkeiten entscheidet der Bezirksausschuß (§ 8 Abs. 2 ZustG).] Abs. 3 = vstlTtO. 5 2 «ds. 8. Abs. 4 = vstlStO. 8 2 «ds. S Satz 1. Einwohners

§ 3.

Die | 3 vftlStO.

sNechte u. Pstichten, vemeindelastms § 4. Abs. 1 und 21) = vftlSM. ß 4 Ms. 1 und 2. sJm übrigen ist § 4 wie die entsprechenden Vorschriften oer OstlStO. durch das Kommunalabgabengesctz beseitigt bis auf Abs. 8:]

(8) Denjenigen Staatswaldungen, welche seither von den nach dem Grundsteuerfuhe verteilten Gemeindelasten befreit worden find, verbleibt fernerhin diese Befreiung, dagegen bleibt auch das Regulativ wegen Heranziehung der Etaatswaldungen zum Wegebau vom 17. November 1841 (GS. S. 405) fort­ bestehen. IBürgerrechts

§ 5.

sFortgefallen, f. vftlStO. 8 6-1

tEhrenbürgerrechts

§ 6.

sAbs. 1 fortgesallen durch 8 4 d. BO. v. 24. Januar 1919, GS. S. 13.] (2) Die Stadtverordnetenversammlung ist im Einverständ­

nisse mit dem Bürgermeister befugt, Männern und Frauen'), welche sich um die Stadt verdient gemacht haben (, ohne Rücksicht auf die oben gedachten besonderen Erfordernisse), das Ehrenbürger­ recht zu erteilen, wodurch keine städtischen Verpflichtungen ent­ stehen. sverlust bei VürßerrechtSs

§ 7,

Wie vftlStO. 8 7. x) § 4 Abs. 2 Satz 2 RheinStO (Armenverwaltung) ist weggefallen. S. jetzt die Fürsorgegesetzgebung, unten Nr. 51a^-c. ») § 1 des G. v. 16. Juli 1919 (GS. S. 113).

12]

12. StiLterrdmm- für die Rheinprsviaz (1856).

lSelLstverwaltung)

§ 8.

Wie VftlStO. | S.

§ 9, Der Bürgermeister und die Stadtverordnetenversammlung haben nach näherer Bestimmung dieses Gesetzes dre Stadt­ gemeinde zu vertreten. Der BürgermeÜier ist die Obrigkeit der Stadt und verwaltet die städtischen Eemeindeangelegenheiten. (Die Ausnahmen bestimmt Titel VIII.)

(Sertretuni der Stadt)

lStatuten) Wie VftlStO. | 11.

§10.

Titel II. Box her Zusammensetzung und Wahl der Stadtverordneteneetfemmlxng. §§ 11-26. Wie §§ 12—27 VftlStO. beseitigt durch die neue Gemeindewahlgesetzgebung.s sEinführung u. Beipflichtung] § 27. [Hbf. 1 weggefallen wie §§ 11—26.]

(2) Der Bürgermeister hat die Einführung der Gewählten und deren Verpflichtung durch Handschlag an Eides Statt zu be­ wirken. Titel III. van der Wahl de« Bürgermeister, und der Beigeordneten lMagiftratrperfonen). IBeigeerdaetes § 28.

Neben dem Bürgermeister sind zwei, oder wo es das Be­ dürfnis erfordert, mehrere Beigeordnete zu wählen. Die Bei­ geordneten find bestimmt, einzelne Amtsgefchäfte, welche der Bürgermeister ihnen aufträgt, *u besorgen, und diesen in Ver­ hinderungsfällen und wahrend der Grlätiguna des Amtes nach der mit Genehmigung des Bezirksausschusses*) von der Stadtverordnetenversammlung festzusetzenden Reihenfolge zu vertreten. §29. [Beseitigt wie § 30 VftlStO.] *) Semätz $ 16 tos. 3 ZustS.

12. €iäbttwknunt fär bte Nheinbrodinj (1856).

IW-Hlzeiq

[12

§ 30.

(1) Der Bürgermeister wird auf zwölf Jahre [, die Beigeordneten dagegen werden auf sechs Jahres^) von bet otabtöerotbneten* Versammlung gewählt. Auch können Beigeordnete durch Be­ schluß der Stadtverordnetenversammlung mit Besoldung ange­ stellt werden. Ihre Wahl erfolgt in diesem Falle auch auf zwölf Jahre. sAds. 2 durch § 14 d. GemWG. beseitigt. Danach ist Wahl auf Lebenszeit nicht mehr möglich.)

§31. (Beseitigt wie § 32 OstlStO.s

IBestätigung,

§ 322).

(1) Die gewählten Bürgermeister und Beigeordneten be­ dürfen der Bestätigung. Die Bestätigung steht zu: 1. dem Staatsministerium') in Städten von mehr als 10 000 Einwohnern; 2. dem Regierungspräsidenten*) in Städten, welche nicht über 10 000 Einwohner haben. (2) Wird die Bestätigung versagt, so streitet die Stadtver­ ordnetenversammlung zu einer neuen Wahl. Wird auch diese Wahl nicht bestätigt, so steht dem Staatsministerium') be­ ziehungsweise dem Regierungspräsidenten*) die Ernennung auf höchstens zwölf Jahre zu. (3) Dasselbe findet statt, wenn die Stadtverordneten die Wahl verweigern oder den nach der ersten Wahl nicht Bestätig­ ten wieder wählen sollten. |$ertibigung| § 33. Die Beigeordneten werden vor ihrem Amtsantritte durch den Bürgermeister in öffentlicher Sitzung der Stadtverordneten­ versammlung in Eid und Pflicht genommen; der Bürgermeister wird vom Regierungspräsidenten oder einem von diesem zu ernennenden Kommissar in öffentlicher Sitzung der Stadtver­ ordnetenversammlung vereidigt.

i) Nach §§ 9, 14 Abs. 2 deS GemWG. (unten Nr. 15a) endet das Amt der Beigeordneten jetzt mit Ablauf der Wahlzeit der Stadtverord­ neten, von denen sie gewählt sind. ’) S. wegen der Versagung der Bestätigung § 13 Abs. 2 und 3 ZustG. (oben Nr. 3). •) Art. 82 Abs. 1 Pr. V. *) Gemäß § 13 Abs. 1 ZustG.

18. Btättmbeueg für die

12]

(1856).

Titel IV. S«n den SeschSstr» der Stadtverordnetenversammlung. IS»stiiu»i,te«q

§ 34.

Die vstlStO. | 85, wobei aber an die Stelle des Magistrats der Bürgermeister tritt.

[Ätine Exekrttionszewalt, nur 8rn»altung8lrntr*öe]

§ 85.

Die Stadtverordnetenversammlung darf ihre Beschlüsse in keinem Falle selbst ausführen. Sie kontrolliert die Verwaltung und ist dccher berechtigt, sich von der Ausführung ihrer Befchlüsie und der Verwendung aller Gemeinde-Einnahmen Überzeugung zu verschaffen. Sie kann zu diesem Zwecke die Akten einsehen und Ausschüsse aus ihrer Mitte ernennen, zu denen der Bürger­ meister, wenn er nicht selbst hinzutreten will, einen Beigeord­ neten abzuordnen befugt ist. |St|*lutfe|fung, «.rsitzl

§ 86.

(1) Die Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung werden nach Stimmenmehrheit gefaßt. (2) Den Vorfitz in der Stadtverordnetenversammlung führt der Bürgermeister und bei dessen Verhinderung der stellver­ tretende Beigeordnete mit vollem Stimmrechte und bei Stim­ mengleichheit mit entscheidender Stimme. (3) Wer in der Stadtverordnetenversammlung nicht mit­ stimmt, wird zwar al« anwesend betrachtet, di« Stimmenmehr­ heit wird aber lediglich nach der Zahl der Stimmenden fest­ gestellt. ICtakmifnttil

§ 87.

Die Stadtverordneten versammeln sich, fo oft es di« Ge­ schäft« erfordern. Die Zusammenberufung derselben geschieht durch den Borfitzenden; sie mutz erfolgen, sobald es von einem Viertel der Mitglieder verlangt wird.

|t«|flKbnii|| Wie epietc. t 40.

§ 88.

[fttgtta. Eitzunßl Wie VstlStO. » 41.

§ 89.

lvesihluhsLhizkeiq Wie VstlStO. I 42.

§ 40.

12. Städteordnung für die Xheinprovinz (1856).

sAusschließung, Prozeß -eg. Mag.)

[12

§ 41.

(1) An Verhandlungen über Rechte und Verpflichtungen der Stadtgemeinde darf derjenige nicht teilnehmen, dessen Interesse mit dem der Gemeinde in Widerspruch steht. Kann wegen dieser Ausschließung eine beschlußfähige Versammlung nicht gehalten werden, so hat der Bürgermeister für die Wahrung des Ge­ meindeinteresses zu sorgen und nötigenfalls einen besonderen Vertreter für die Stadtgemeinde zu bestellen. Wenn auch der Bürgermeister aus dem vorgedachten Grunde an dem Beschlusse teilzunehmen nicht befugt ist, beschließt an Stelle der Stadtver­ ordnetenversammlung der Bezirksausschuß*). (2) Sollte ein Prozeß der Stadtgemeinoe gegen Magistrats­ personen, aus Veranlassung ihrer Amtsführung notwendig werden, so hat der Regierungspräsident') auf Antrag der Stadt­ verordnetenversammlung einen Vertreter der Gemeinde zur Führung des Prozesses zu bezeichnen; jeder Vertreter bat den von der Stadtverordnetenversammlung vorgeschlagenen Anwalt zu bestellen. I Öffentlichkeit! Wie vftlStO. 8 45.

§ 42.

ILißungS-olizei! Wie vftlStO. 8 46.

§ 43.

IBeschlubbuchl

§44.

(1) Die Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung find mit Anführung der dabei gegenwärtig gewesenen Mitglieder in ein besonderes Buch einzutragen, und sowohl von dem Vorfitzen­ den als von wenigstens drei Mitgliedern zu unterschreiben. l Geschäftsordnung!

(2) Der Stadtverordnetenversammlung bleibt überlassen, eine Geschäftsordnung abzufassen, und darin Zuwiderhandlungen der Mitglieder gegen die zur Aufrechterhaltung der Ordnung gegebenen Vorschriften mit Strafen zu belegen; die Strafen rönnen nur in Geldbußen bis zu fünfzehn Reichsmark und bei mehrmals wiederholten Zuwiderhandlungen in der auf eine ge­ wisse Zeit oder für die Dauer der Wahlperiode zu verhängenden Ausschließung aus der Persammlung bestehen'). *) Gemäß § 17 Abs. 2 ZustG. ’) Gemäß § 7 ZustG. 3) Wegen der Zuständigkeit der Stadtverordnetenversammlung zur Verhängung der Ordnungsstrafen im Einzelfall s. § 10 Abs. 1 Ziff. 3 ZustG., wegen des weiteren Verfahren- § 11 Abs. 1, § 21 ZustG.

12]

12. €tibtrerbnung für die Nheinproviaz (1856).

ISeweinbev erwögen)

§ 45.

(1) Die Stadtverordnetenversammlung beschließt über die Benutzung des Gemeindevermögens- die Deklaration vom 26. Juli 1847 ((56. S. 327) bleibt für die betreffenden Landes­ teile maßgebend. [Abs. 2 ersetzt durch § 18 ZustG.) (3) Über das Vermögen, welches nicht der Gemeindekorpo-

ration in ihrer Gesamtheit gehört, kann die Stadtverordneten­ versammlung nur insofern beschließen, als fie dazu durch den Willen der Beteiligten oder durch sonstige Rechtstitel berufen ist. (4) Auf das Vermögen der Korporationen und Stiftungen sowie auf dasjenige, welches einzelnen Klassen von Einwohnern angehört, haben die Mitglieder der Gemeinde als solche keinen Anspruch. (5) In Ansehung der Verwaltung und Verwendung des Vermögens der Stiftungen bewendet es bei den stiftungs­ mäßigen Bestimmungen. ISenehm. b. Aufsichtsbehörde)

§ 46.

Abs. 1 Ziff. 1—4 wie vstlStO. | 50.

über Berechtigungen der vtadtgemeinde, oder über die Substanz des Gemeinde­ vermögens, oder zu Vergleichen über Gegenstände dieser Art, 6. ju einseitigen Berzichtleistungen und zu Schenkungen seitens der Stadtgemeinde. (2) In Prozessen gegen den Fiskus und zu Regreßklaaen gegen Mitglieder der Staatsbehörden ist eine Genehmigung des Regierungspräsidenten*) nicht erforderlich. 5. zur Anstellung von Prozessen

ISrundstücke)

§ 47.

Abs. 1 wie vstlStO. » 51. [3m übrigen ist § 47 RheinStO. durch Art. 2 Ziff. 5 des KriegSvereinfachungSgesetzeS v. 13. Mai 1918 (GS. S. 63) aufgehoben. Wegen der Gültigkeit des Abs. 7 besteht Streit, da sich eine „entsprechende Be­ stimmung^ in der OftlStO. nicht findet.) (7) Verpachtungen von Grundstücken und Gerechtsamen der Stadt­ gemeinden müssen öffentlich an den Meistbietenden geschehen; Aus­ nahmen hiervon sind nur mit Genehmigung des Bezirksausschusses gestattet.

*) Nach § 7 ZustG.

12. Städteordnung für die Nheinprovinz (1856).

lEinkaufSgeld, jährt. Abgabe)

(12

§ 48.

(Abs. 1 (betr. Einzugsgeld) aufgehoben durch G. v. 2. März 1867, GS. S. 361.] (Abs. 2 (betr. Hausstandsgeld) ausgehoben durch § 4 b. BO. v. 24. Januar 1919, GS. S. 13.] (3) Die Teilnahme an den Gemeindenutzungen (§ 46 Nr. 4) kann (außerdem] von der Entrichtung einer jährlichen Abgabe und anstatt oder neben derselben von Entrichtung eines Einkaufs­ geldes abhängig gemacht werden, (durch deren Entrichtung aber die Ausübung des Bürgerrechts niemals bedingt ist]1). Die Verpflichtung zur Zahlung des Einkaufsgeldes, sowie der demselben ent­ sprechenden jährlichen Abgabe ruht, solange auf die Teilnahme an den Gemeindenutzungen verzichtet öltir). (4) Alle derartigen Beschlüsse bedürfen der Genehmigung des Bezirksausschusses'). (Abs. 5 ausgehoben wie Abs. 2.] (6) Die mit dem Besitze einzelner Grundstücke verbundenen oder aus sonstigen besonderen Rechtstiteln beruhenden Nutzungs­ rechte find den Bestimmungen dieses Paragraphen nicht unter­ worfen.

88 t»»te| »rsteher oll Gem.virstand]

§ 3.

Gemeindevorstand ist auch in der Rheinprovinz, der Gemeindevorsteher. Gr beruft die Gemeindevertretung und führt den Borfitz mit vollem Stimmrecht.

- sie -

14. SemeindeversassmrgSuovelle (1927). (Wahl der Amtsverordnetenl

[14

§ 4.

(1) Für die Wahl der zu wühlenden Amtsverordneten bildet das Amt einen Wahlbezirk. (2) Auf die Wahl der Amtsverordneten finden die Vor­ schriften des Gemeindewahlgesetzes über die Wahl der Gemeinde­ verordneten entsprechende Anwendung. (Bürgermeister)

§ 6.

(1) Der Bürgermeister ist in der Regel ehrenamtlich zu be­ stellen. Auch die Beigeordneten find in oer Regel ehrenamtlich zu bestellen. (2) Im Falle eines besonderen Bedürfnisses können durch Amtsbeschluß einzelne der im Abs. 1 genannten Stellen als be­ soldete eingerichtet werden. (3) Der Bürgermeister ist zu den Sitzungen der Gemeinde­ vertretung einzuladen. (4) Die Beschlüsse der Gemeindevertretung find dem Bürger­ meister möglichst vor der Ausführung schriftlich mitzuteilen. (Wahl u. Bestätigung M Bürger« Meisters, der Beigeordneten^)

§ 6.

(1) Der Bürgermeister und die Beigeordneten werden von der Amtsvertretung gewählt, und zwar der besoldete Bürger­ meister und die besoldeten Beigeordneten auf 12 Jahre, die Ehrenbürgermeister auf 6 Jahre, die unbesoldeten Beigeordneten nach jeder Neuwahl der Amtsvertretung. (2) Die gewählten Bürgermeister und Beigeordneten be­ dürfen der Bestätigung durch die Aufsichtsbeböroe. Wegen der Zugehörigkeit des Gewählten zu einer politischen Partei darf die Bestätigung nicht versagt werden. Die Bestätigung kann von der Aufsichtsbehörde nur unter Zustimmung der Beschlustbebörde versagt werden. Der Beschluß, durch den die Beschlutzbehörde die Bestätigung versagt, ist mit Gründen zu versehen. Lehnt die Beschlußbehörde die Zustimmung ab, so kann auf Antrag der Aufsichtsbehörde der Regierungspräsident sie ergänzen. Versagt die Aufsichtsbehörde unter Zustimmung der Beschlußbehörde die Bestätigung, so kann aus Antrag des Bürgermeisters oder der Amtsvertretung der Regierungspräsident sie erteilen. Gegen die Entscheidung des Regierungspräsidenten findet die Be­ schwerde an das Staatsminifterium statt. Vor Versagung der Bestätigung ist in allen Fällen dem Gewählten Gelegenheit zur Äußerung zu geben. *) Früher Vorschlag und Ernennung.

14]

14. Semeindeverfafiun-SnOvrlle (1927).

lvesLhigun-, Wählbarkeit^

§ 7.

Der Bürgermeister und die besoldeten Beigeordneten müssen diezur Sttwalhimi des Amtes erforderliche Befähigung besitzen. Wählbar zum Bürgermeister und Beigeordneten ist jhebei, der nach dem Gemeindewahlgesetze wählbar ist, mit der Maßgabe, daß für den besoldeten Bürgermeister und die be­ soldeten Beigeordneten der Wohnsitz nicht Voraussetzung der Wählbarkeit ist. Der Bürgermeister darf nicht gleichzeitig Bei­ geordneter sein. lNsmmifiar. Sürgermelter]

§ 8.

(1) Bei Erledigung einer Büraermeisterstelle kann mit Zustimmuna der Amtsvertretung die vorläufige Verwaltung einem Kommissar übertragen werden, den der Oberpräfident ernennt. (2) Vor der kommissarischen Bestellung eines Bürgermeisters muß die Amtsvertretung gehört werden. Sie hat das Recht, von sich aus dem Oberprästdenten Vorschläge zu machen. Dieser soll nur in äußerst dringenden Fällen von den Vorschlägen ab­ weichen. (3) Die kommissarische Verwaltung darf in der Regel die Dauer eines Jahres nicht überschreiten. lAmt al- Ssamnmalverband)

§ 9.

(1) Selbstverwaltungsangelegenheiten der Gemeinden können durch Beschluß der Amtsvertretung für das ganze Gebiet oder für Teile des Amtes mit der Wirrung übernommen werden, daß sie damit den zu dem Amte gehörigen Landgemeinden gegenüber gesetzlich dem Amte vorbehalten werden. Das gleiche gilt von solchen Angelegenheiten, die von Zweckverbänden über­ nommen sind, die aus Landgemeinden innerhalb des Amtes bestehen. (2) Gegen den Beschluß steht jeder Gemeinde des Amtes oder dem Zweckverbande binnen zwei Wochen der Einspruch zu. Über den Einsvruch beschließt die Beschlußoehörde. In dem Be­ schluß ist gegebenenfalls auch die Verpflichtung des Amtes zur Übernahme der den gleichen Aufgaben dienenden Einrichtungen der einzelnen Gemeinden oder des Zweckverbandes sowie zur Leistung einer angemessenen Entschädigung für diejenigen Auf­ wendungen festzustellen, welche die einzelnen Gemeinden oder der Zweckverband für die übernommenen Einrichtungen ge­ macht haben. (3) Wird eine Selbstverwaltungsangelegenheit nur für Teile des Gebietes des Amtes auf das Amt übernommen, so sind die­ jenigen Gemeinden, auf welche sich die Übernahme nicht erstreckt,

14. SemeindeversassungSnvvelle (1927).

[14

von den Kosten, die durch Übernahme dieser Angelegenheit er­ wachsen, freizulassen. [SHt»trtimg de- Bürgermeister­ bet der Finanzverw. d. Gem.)

§ 10.

Durch Amtssatzung kann eine Mitwirkung des Bürger­ meisters bei der Aufstellung des Haushaltsplanes und der Jahresrechnung sowie bei der Verwaltung und Beaufsichtigung des Rechnungs- und Kastenwesens der einzelnen Landgemeinden in dem Umfange beibehalten oder eingeführt werden, wie sie gcmäft §§ 46, 48, 49 der Landgemeindeordnung für die Provinz WeMlen bejteht. [Auslösung der Sut-be-irke)

§ 11.

(1) Die bestehenden selbständigen Gutsbezirke sind auf­ zulösen. (2) Sie find entweder mit Landgemeinden oder Stadtgemein­ den zu vereinigen oder mit anderen Gutsbezirken zu einer neuen Landgemeinde oder Stadtgemeinde zusammenzulegen oder allein für sich im ganzen oder in Teilen in Landgemeinden oder Stadt­ gemeinden umzuwandeln. (3) Bei dieser Regelung ist in erster Linie auf die Schaffung leistungsfähiger Gemeinden sowie daraus Rücksicht zu nehmen, daß einheitlich bewirtschafteter Grundbesitz einer und derselben Gemeinde zugelegt wird. (4) über die Art der Auflösung (Abs. 2) beschließt das Staatsministerium. In jedem Kreise ist binnen einer vom Staatsministerium zu bestimmenden Frist durch den Kreisausschuß nach Anhörung der beteiligten Gemeinden und Gutsbesitzer ein Plan aunuftellen. Wird der Plan innerhalb dieser Hrist nicht aufgestellt, so entscheidet das Staatsministerium von Amts wegen. (5) Dabei soll von der Auflösung eines Eutsbezirkes Ab­ stand genommen werden, wenn seine Vereinigung nnt anderen Gemeinden oder seine Zusammenlegung mit anderen Guts­ bezirken zu einer neuen Gemeinde nach Lage der Verhältnisse ausgeschlossen und seine Umwandlung in eine selbständige Ge­ meinde nrcht möglich ist, weil sich ein eigenes Gemeindeleben wegen geringer Einwohnerzahl oder räumlicher Trennung der Wohnstätten nicht entwickeln kann. [Auseinandersetzung »egen der Auflösung der SutSdezirke!

§ 12.

(1) Über die infolge dieser Regelung notwendig werdenden Auseinandersetzungen zwischen den beteiligten Gemeinden und Gutsbesitzern beschließt die Beschlußbehörde.

14]

14. emrialtuttftlfuiileeiitne (1*27).

(2) Bei der Auseinandersetzung können Grundstücke, Gerech­ tigkeiten, Anlagen und Einrichtungen, die im Privateigentum« de» Gutsbesitzer» stehen, aber dem Gemeingebrauche dienen, der Gemeinde übereignet werden. (3) Bet der Auseinandersetzung ist die Mehr, oder Minder­ belastung, di« der Gutsbesitzer infolge der Auslösung de» Guts­ bezirke» im ganzen erfährt, in billiger Weise zu berücksichtigen. Die Übereignung (Abt. 2) ist nur gegen vollständige Entschädi­ gung zulässig. Wegen der Höhe der Entschädigung steht den Be­ teiligten gegen den endgültigen Beschluß der Beschluhbehörde binnen einem Monate di« Klage im ordentlichen Rechtswege zu. (4) Die BeschluhbehSrde ist befugt, Unschädlichkeit-attest« ge­ mäß Artikel 20 des Ausführungsgesetzes zur Grundbuchordnung vom 26. September 1899 auszustellen.

[fllergeeeettgelun]

§ 18.

Bi» zur Auflösung de» einzelnen Gutsbezirke» gilt folgendes: 1. Auf die Gutsbezirke finden die für Landgemeinden gelten­ den Borschristen entsprechende Anwendung, soweit sie nicht da» Bestehen einer Gemeindevertretung (Gemeindever­ sammlung/zur Voraussetzung haben. 2. Für den Bereich eine» selbständigen Gutsbezirke» ist der Besitzer de» Gute» Träger der öffentlich-rechtlichen Rechte und Pflichten, deren Träger für den Bereich eines Eemeindebeztrke» di« Gemeind« ist, mit den hinsichtlich ein­ zelner dieser Rechte und Pflichten au» den Gesetzen folgen­ den Maßgaben. 8. Die obrigkeitlichen Geschäfte übt für den Gutrbezirk der Gutsvorsteher au». 4. Der Gutsvorsteher wird vom Kreisausschuh bestellt. Der Kreisausschuh kann al» solchen entweder «ine im Guts­ bezirke wohnende geeignet« Persönlichkeit oder, wenn «in« solche nicht vorhanden ist, einen benachbarten Gemeinde­ vorsteher oder «ine andere geeignete Persönlichkeit be­ stellen. Für einzelne Teil« de» Gutsbezirkes können be­ sondere Gutsvorsteher bestellt werden. 5. Der Gutsbesitzer hat dem Gutsvorsteher auf Antrag eine angemessene Vergütung für die Besorgung der obrigkeit­ lichen Geschäfte zu zahlen. Über die Vergütung beschlieht im Streitfälle der Kreirauslchuh endgültig.

lKiirßliche ermtlnbra

ta Ät|.-Se|. R»>Ienj]

§ 14.

Auf die sogenannten fürstlichen Gemeinden in den Kreisen Wetzlar und Neuwied (Rea.-Bez. Koblenz) finden di« g§ 11 bis 13 entsprechende Anwendung.

15. Vr»rki5ew«hli»s«tze.

[IS*

lInkrafttretn», «u»fü4nmfle«tetifuinen]

§ 15. (1) Dieses Gesetz tritt mit dem auf die Verkündung folgen­ den Tage in Kraft. (2) Mit demselben Zeitpunkte treten die entgegenstehenden Vorschriften der geltenden Eemeindeverfassungsgesetze außer Kraft. (3) Der Minister des Innern erläßt die zur Ausführung dieses Gesetzes nötigen Anweisungen').

15. Gemeindewahlgesetze. [Sie durch die RB. Art. 17 nötig gewordene Neuordnung de- GemeindewahlrechtS ist in eigenartiger Weise auS Anlatz von Neuwahlen in den nachstehenden Gesetzen und Verordnungen erfolgt.!

a) Gesetz über die vorläufige Regel«»- der Gemeindewahle« lSe«ei«dewahlgesetz). Dom 9. April 1923 ((56.6.83) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Februar 1924 ((5Ö. 6.97). l»a»l,ett1

§ 1.

Die Gemeindevertretungen der Städte und Landgemeinden sind neu zu Wahlen. Zum Wahltage wird der 4. Mai 1924 bestimmt, über

die Dauer der Wahlzeit') wird in den neuen Gemeindeverfas­ sungsgesetzen Bestimmung getroffen werden. sWahlberrchtigung, Wahlbarteitf

§ 2.

(1) Wahlberechtigt find alle über 20 Jahre alten reichsdeutSen Manner und Frauen, die leit ununterbrochen 6 Monaten ,ren Wohnfitz im wemeindeaebiete haben. Wählbar find die­ jenigen Wahlberechtigten, die das 25. Lebensjahr vollendet haben. Voraussetzung der Wahlberechtigung ist die Eintragung in die Bürgerlifte (§ 3 Abs. 2) oder der Besitz eines Wahlscheins *) Ergangen find: 1. Vorläufige erste AuSfuhrungSanweisung vom 28. Dezember 1927 (MVliV. S. 1171 ff.), als endgültige erste AuSfAnw. datiert vom 31. Januar 1928 (MBliV. 6.96); 2. Zweite AuSfAnw. vom 25. Februar 1928 (MBliV. S. 199); 3. Dritte AuSfAnw. vom 24. Januar 1929 (MBliV. S. 95). ’) Vier Jahre, tz 2 d. G. v. 18. April 1928, unten Nr. 15c.

15a]

15. •entinbetoa|I(tfe*t.

S Abs. 3); für die Voraussetzung der Wählbarkeit ist der ahltag maßgebend. (2) Wahlberechtigt und wählbar ist nicht: 1. wer entmündigt ist oder unter vorläufiger Vormundschaft oder wegen geistiger Gebrechen unter Pflegschaft steht: 2. wer die bürgerlichen Ehrenrechte nicht besitzt. (3) Die Ausübung der Wahlberechtigung ruht für die Sol­ daten während der Dauer der Zugehörigkeit zur Wehrmacht. (4) Behindert in der Ausübung ihres Wahlrecht» find Per­ sonen, die weaen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche in einer Heil» oder Pfleaeanstalt unteraebracht find, ferner Straf- und Untersutbungsaefangene sowie Personen, die infolge gerichtlicher oder polizeilicher Anordnung in Verwahrung gehalten werden. Angenommen find Personen, die fich au» politischen Gründen in Schutzhaft befinden. (5) Wahlberechtigung und Wählbarkeit gehen verloren, wenn eine ihrer Voraussetzungen wegfällt. (6) Die durch feindliche Maßnahmen aus den besetzten Ge­ bieten verdrängten wähwaren und wahlberechtigten Personen find unbeschadet ihrer Wahlberechtigung und Wählbarkeit an ihrem Wohnfitz auch da wahlberechtigt, wo fie fich am Wahltag aufhalten.

S

fVärgerlifte, Sahlschein]

§ 8.

(1) Zur Ausübung der Wahlberechtigung ist die Eintragung in die rechtsgültig festgestellte Bürgerlifte oder die Erteilung eines Wahlschein, erforderlich. (2) In die Bürgerliste ist einzutraarn, wer am Wahltage gemäß 8 2 wahlberechtigt ist. Die Bürgerlifte ist spätesten, fünf Wochen vor dem Wahltag« zwei Wochen lang öffentlich auszulegen. Der Eemeindevorstand gibt Ort und Zelt öffentlich bekannt und weift auf di« Einspruchsfrist hin. Einsprüche find bis zum Ablaufe der Äuslegungssrist bei dem Eemeindevorstand anzubringen: erachtet er einen Einspruch nicht für begründet, so hat er ihn unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach Ablauf der Auslegungsfrist, der Befchlutzbehörde vorzulegen, welche darüber binnen zwei Wochen endgültig beschließt. Hier­ auf wird die Bürgerliste geschloßen. (3) Einen Wahlschein erhalten aus Antrag: 1. di« im K 2 Abs. K genannten Personen: 2. Wahlberechtigte, die nicht in die Bürgerlifte eingetragen find, wenn ihrem Einspruch erst nach Schluß der BürgerÜjte pattgegeben ist: 3. Wahlberechtigte, die wegen Ruhen» der Wahlberechtigung (§ 2 Abs. 3) oder wegen Behinderung in der Ausübung

15. Gemeindewahlgesetze.

[16a

(§ 2 Abs. 4) in die Bürgerliste nicht eingetragen oder ge­ strichen waren, wenn der Grund hierfür nach Ablauf der Einspruchsfrist weggefallen ist. (4) Für die Rechtsgültigkeit der Stimmabgabe ist allein die Eintragung in die Bürgerliste oder der Besitz eines Wahlscheins maßgebend. [Zahl der Stadtverordneten^

§ 4.

Die Zahl der Stadtverordneten muh mindestens elf be­ tragen. Diese Grundzahl kann durch Ortssatzung erhöht werden bis zu 15 000 Einwohnern für jede angefangenen 1000, bei mehr als 15 000 bis zu 30 000 Einwohnern für jü)e ange­ fangenen weiteren 2000 bei mehr als 30 000 bis zu 60 000 Einwohnern für jede angefanaenen weiteren 3000 bei mehr als 60 000 bis zu 300 000 Einwohnern für jede angefanaenen weiteren 10 000 bei mehr als 300 000 Einwohnern für jede angefangenen weite­ ren 15 000 um je einen Stadtverordneten, aber nicht über hundert hinaus. [Wahlversahren)

§ 5.

Die Wahl ist unmittelbar und geheim. Jeder Wähler hat eine Stimme. Die Wahl erfolgt nach den Grundsätzen des Ver­ hältniswahlrechts nach Mangave einer von dem Minister des Innern au erlassenden Wahlordnung*). Die Verbindung von Wahlvorschlägen und die Bildung von Wahlbezirken ist unzu­ lässig- zuläffig bleibt die Bildung von Abftimmungsbezirken. I Wahlergebnis, Einspruch gegen die Gültigkeit)

§ 6.

(1) Das Wahlergebnis ist von dem Gemeindevorstande fest­

zustellen und öffentlich bekanntzumachen. (2) Die nach §4 au verteilenden Sitze sind auf die Wahlvorschläae nach der Reihenfolge der Höchstzahlen zu verteilen, die sich durch Vollrechnung, Halbteilung, Drittelung, Viertelung usw. der auf die Wahlvorschläge entfallenden Summenzahlen ergeben, über die Zuteilung des letzten Sitzes entscheidet bei gleichen Höchstaahlen das Los. (3) Gegen die Gültigkeit der Wahl kann jeder Wahlberech­ tigte binnen zwei Wochen nach der Bekanntmachung oei dem Gemeindevorftgnd Einspruch erheben. *) Ergangen am 13. Februar 1924 (MBliV. S. 163). geltende Fassung ist vom 26. Juli 1929 (MBliB. S. 640).

Die zurzeit

15a]

15. 6tettia>t»«)lgefett.

(4) Die neue Gemeindevertretung hat über die Einsprüche sowie über die Gültigkeit der Wahl von Amt» wegen in fol­ gender Weise zu beschließen: 1. wird die Wahl eine» oder mehrerer Gewählten wegen Mangel» der Wählbarkeit für ungültig erachtet, so ist nur die Wahl dieser Personen für ungültig zu erklären; 2. wird für festgestellt erachtet, daß bei der Vorbereitung der Wahl oder bei der Wahlhandlung Unregelmäßigkeiten vorgekommen find, die auf da» Wahlergebnis von Ein­ fluß gewesen sein können, so ist die ganze Wahl für un­ gültig zu erklären; 3. wird die Feststellung de» Wahlergebnisses für unrichtig erachtet, so ist die Feststellung aufzuheben und «ine neue Feststellung des Wahlergebnisses anzuordnen. (5) Gegen den Beschluß der Gemeindevertretung steht dem, der den Einspruch erhoben hat, und dem, dessen Wahl für un­ gültig erklärt ist, die Äloae im Verwaltungsstreitverfahren zu. Eine Klage, die infolge Zurückweisung de» Einspruch» erhoben wird, darf mit dem Klageantrag« nicht über den Einspruchs­ antrag hinausgehen. Die Klage hat aufschiebende Wirkung außer in den Fällen, in denen die Wahl für gültig oder nur gemaß Abi. 4 Nr. 1 für ungültig erklärt worden ist. In letztem Falle tritt der Ersatzmann gemäß § 8 Satz 1 nicht eher ein, al» der Beschluß unanfechtbar geworben oder im Verwaltungsstreit­ verfahren rechtskräftig bestätigt ist. (6) Ast die ganze Wahl endgültig für ungültig erklärt, so hat binnen längstens drei Monaten eine Neuwahl ftattzufinden. (7) Ist die Feststellung des Wahlergebnisse» endgültig auf­ gehoben, so hat der Eemeindevorstand da» Wahlergebnis neu festzusteüen. Er ist hierbei an die Grundsätze der endgültigen Entscheidung gebunden. (8) Sufjbie Bekanntmachung und die Nachprüfung de» be“........................................... richtigten Wahlergebnisses (Abs. 7) finden die Vorschriften der Abs. 1 bis 5 und 7 Anwendung.

[WalUttbtn au» b. 6tm.eertr.J

§ 7.

Fällt eine Voraussetzung der Wählbarkeit während der Wahlzeit fort, so scheidet der Eemeindevertreter au» der Ge­ meindevertretung au». Darüber, ob dieser Fall vorliegt, be0«ließt im Streitfall« die Gemeindevertretung. Gegen den eschluß steht dem Gemeindevertreter binnen zwei Wochen di« Klage im Berwaltungsstreitverfahren zu. Die Klage hat kein« aufschiebende Wirkung, jedpch tritt der Ersatzmann gemäß § 8 nicht vor rechtskräftiger Entscheidung ein.

[15a

15. Gemeindewahlgesetze. [RachräckenI

§ 8.

Wenn ein Gemeindevertreter die Wahl ablehnt oder vor Ablauf der Mahlzeit ausscheidet, oder wenn die Wahl eines einzelnen Gemeindevertreters für ungültia erklärt ijt, so tritt an seine Stelle der Bewerber, der in demselben Vorschläge hinter den Gewählten an erster Stelle berufen ist. Die Reihenfolge, in der die Bewerber zu berufen find, kann durch die Mehrheit der noch wahlberechtigten Unterzeichner des Wahlvorschlages ge­ ändert werden. Die Änderung mutz dem Gemeindevorstande bis zum Ablaufe von zwei Wochen nach Erledigung der Äelle mit­ geteilt werden. Die Feststellung des Ersatzmannes erfolgt durch den Gemeindevorstand. Auf die Bekanntmachung und die Nach­ prüfung der Feststellung finden die Vorschriften des § 6 Abs. 8 Anwendung. Zst ein weiterer Bewerber in demselben Wahlvorscklage nicht vorhanden, so bleibt der Gemeinoevertretersttz unbesetzt. (Neuwahl d. untefelfr. Beigeordn., Gemeindevorsteher, Sch'sffenj

§ 9.

(1) Gleichzeitig mit der Wablzeit der jetzigen Gemeindever­ tretungen endigt ott Wahlzeit der im Amte befindlichen, auch der auf Lebenszeit gewählten unbesoldeten Maaistratsmitglieder (Beigeordneten), unbesoldeten Gemeinde- (Kirchspiels-. Dorf- und Bauernschasts-) Vorsteher sowie unbesoldeten Schöffen. Die Neuwahlen haben alsbald nach der Neuwahl der Gemeindever­ tretungen stattzufinden; die Ausscheidenden bleiben bis zur Ein­ führung der Neugewählten im Amte. Die Wahlzeit der Neu­ gewählten endigt gleichzeitig mit der Wahlzeit der neuen Ge­ meindevertretung; die Ausscheidenden bleiben bis zur Einfüh­ rung der Neugewählten im Amte. § 8 Satz 1 bis 5 finden ent­ sprechende Anwendung. Zst ein Bewerber auf dem Wahlvorichlage nicht mehr vorhanden, so wird der Ersatzmann durch die Mehrheit der Unterzeichner des Wahlvorschlags und, soweit fie nicht mehr Gemeindevertreter find, ihrer Ersatzmänner bestimmt. (2) Wählbar zu unbesoldeten Maaistratsmitgliedern (Bei­ geordneten) unbesoldeten Gemeinde- (Kirchspiels-, $otf. und Bauernschasts.) Vorstehern sowie unbesoldeten Schöffen find die zur Gemeindevertretung nach § 2 wählbaren Personen. (Neuwahl d. U«1Svertretuu-en)

§ 10.

(1) Gleichzeitig mit der Wahlzeit der Gemeindevertretungen endigt die Mahlzeit der Amtsvertretunaen*) in der Rheinpro­ vinz und der Amtsvertretungen in der Provinz Westfalen. Die x) Vgl. § 2 des Gesetzes vom 27. Dezember 1927, oben Nr. 14.

Bühler, Verwaltung-gesetze.

15

16a]

15. Semeiudewahl-esetze.

ausscheidenden Mitglieder bleiben bis zur Einführung der Neu­ gewählten in Tätigkeit. (2) Die gewählten Abgeordneten der Amtsvertretungen') in der Rheinprovinz und oie gewählten Amtsverordneten der Amisvertretungen in der Provinz Westfalen werden gleiLzeitig mit den Gemeindevertretungen neu gewählt. Die Zahl der mr jede Bürgermeisterei- oder Amtsvertretungij zu wählen­ den Abgeordneten oder Amtsverordneten bestimmt sich nach dem zurzeit zeltenden Kreisausschußbeschluß oder Amtsstatute. Auf die Wahl finden die §§ 2 ms 8 mit der Maßgabe Anwendung, daß an die Stelle des Wohnsitzes im Gemeindegebiete der Wohnsitz im Bezirke der Landbürgermeisterei oder*) des Amtes tritt und baß grundsätzlich jede Gemeinde einen besonderen Wahlbezirk bildet. Gemeinden, welche nur einen Abgeordneten oder Amts­ verordneten zu wählen babem sind zu Wahlbezirken zu vereiniScn, die durch Beschluß des Kreisausschusses so festzusetzen find, aß jeder Wahlbezirk mindestens zwei Abgeordnete ober Amts­ verordnete zu wählen hat. (3) Abs. 1 und 2 finden auf die Wahl der zu wählenden Ge­ meindeverordneten der Kirchspielslandgemeinden in den Kreisen Husum, Norderdithmarschen und Süoerdithmarschen mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß die Zahl der für jede Kirchspielslanbaemeinde zu wählenden Gemeindeverordneten sich nach dem zurzeit geltenden Eemeindeftatute bestimmt.

§11. ^Enthielt eine einmalige Übergang-Vorschrifts

l$«i«e»»rbeMe Stellen besoldeter Bürgermeister ns».s

§ 12.

(1) Die Stellen der besoldeten Bürgermeister,Maaistratsmitglieder (Beigeordneten), Gemeinde­ vorsteher und Schössen dürfen von den bisherigen Ge­ meindevertretungen nur besetzt werden, wenn die Wahl «ine Mehrheit von mindestens % der tatsächlich vorhandenen Mit­ glieder der Gemeindevertretung ergeben hat. (2) Soweit die im Abs. 1 genannten Personen aus Grund einer Präsentation der Gemeindevertretung durch di« Bürger­ schaft gewählt werden, findet auf die Präsentation durch die Gemeindevertretung Abs. 1 Anwendung; die Wahl durch die Bürgerschaft erfolgt geheim durch verdeckte Stimmzettel.

§13. ((©eänbert durch Gesetz vom 31. Dezember 1926, GS. S. 367) ent­ hielt inzwischen bedeutungslos gewordene VbergangSvorschriften.f

*) Sgl. § 2 deS Ges. v. 27. Dezember 1927, oben Nr. 14.

15. vemeindewahlgesetze.

[15b

[Wahlzeit d. besold. Bürger«, usw.) § 14. (1) Soweit die in den §§ 12 [unb 13] genannten Personen bisher auf Lebenszeit gewählt werden können oder muffen oder bisher auf Lebenszeit ernannt werden, wird die Wahl- oder Amtszeit auf 12 Z a h r e beschränkt. (2) Soweit die im § 9 genannten Personen bisher auf Lebenszeit gewählt werden können und muffen, endigt in Zu­ kunft ihre Wahlzeit gleichzeitig mit derjenigen der Gemeinoevertretung, die sie gewählt hat.

§§ 15—17. [enthielten einmalige UbergangSvorschriften.j

[Neuwahlen)

§ 18.

Auf Neuwahlen von Vertretungskörperfchasten, die in Städten. Landgemeinden Landbürgermeistereien, Ämtern und Kirchspielslandgemeinden im Einzelfalle vor dem Inkrafttreten der neuen Städte- und Landgemeindeordnung stattfmden, finden die Vorschriften der § 1 Satz 3, §§ 2 bis 10, 14 Anwendung.

[Serlta] § 19. Auf die Stadtgemeinde Berlin findet dieses Gesetz keine Anwendung. [$elg«Ian»] § 20. Aus die Gemeinde Helgoland finden die Vorschriften dieses Gesetzes keine Anwendung. Der Zeitpunkt der Neuwahl der Gemeindevertretung in Helgoland wird durch die neue Landgemeindeordnung bestimmt. [Übergangsvorschrift) § 21. Die entgegenstehenden Vorschriften der GemeindeverfaffungSgesetze und der sonstigen Gesetze werden aufgehoben. [AuSführungSbeftimmmtgen) § 22. Der Minister deS Innern erlätzt die Bestimmungen zur Ausführung diese- Gesetzes. b) Gesetz tut Ergänzung des Gesetzes Sber die vorläufige Rege­ lung der Gemeinoewahlen (Gemeindewahlgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Februar 1924 (GS. 6.99).

vom 14. Juni 1924 (GS. S. 551) in der Fassung deS Gesetzes vom 24. Juli 1924 (GS. S. 591). [Wahl b. vemeindevorsteher, Bei­ geordneten, Schöffen in Landgem.) § 1. (1) Die Gemeinde- (Sauernkfiafts*, Dorf-) Vorsteher, Bei­ geordneten, Stellvertreter und Schöffen in Landgemeinden wer15*

16b]

15. vemeiubewahlsesetze.

den, soweit die Wahl durch die Gemeindevertretung (Gemeinde­ rat, Gemeindeausschuk) geschieht, nurvonden gewählten Gemeindeverorvneten gewählt. (2) Bei der in den Kreisen Aorderdithmarsche«, Süderdithmarsche« und H«s«m von den Kirchspielslandgemeindevertretungen vorzunehmen­ den Wahl der Gemeindevorsteher und Stellvertreter sind die Bauern schaftS- (Dorf-) Vorsteher als Mitglieder der Gemeindevertretung nur dann stimmberechtigt, wenn sie gemäß § 9 oder § 16 deS Gemeindewahl' gesetzeS vom 12. Februar 1924 neu gewählt sind und wenn bei ihrer Wahl die Vorschrift desAbs. 1 Anwendung gefunden hat; der Kirchspiels landgemeindevorsteher und sein Stellvertreter sowie im Kreise Husum die KoogSvorsteher sind nicht stimmberechtigt.

l»a»lr«cht,

§ 2.

sAbs. 1 enthielt eine einmalige UbergangSvorschrist.s

(2) Für die Wahlberechtigung in den Gemeindeversamm­ lungen gelten die Vorschriften der §§ 2 und 3 des Gemeinde­ wahlgesetzes. lWahl d. Bürger«, usw. in Stiidten] § 3.

Die Bürgermeister und sonstigen Magistratsmitglieder in Städten mit Magistratsverfassung werden, soweit bis­ her ihre Wahl in anderer Weise als durch die Bürgerschaft oder Gemeindevertretung (Stadtverordnetenversammlung, oürgerschaftliches Kollegium) allein stattfindet, fortan nur von den gewählten Mitgliedern der Gemeindevertretung ge­ wählt. ^Verfahren]

§ 4.

(1) Die Wahlen werden, wenn niemand widerspricht, durch Zuruf, sonst durch Abgabe von Stimmzetteln vollzogen. Bei der Zettelwahl wird, wenn mehrerealeichartige unbesoldete Wahl­ zellen zu besetzen find, in einem Wahlgange nach den Grundsätzen der Verhältniswahl, wenn nur eine unbesoldete Wahlftelle, oder wenn mehrere ungleichartige unbesoldete oder wenn besoldete Wahlstellen zu besetzen find, für jede Stelle in besonderem Wahl­ gange nach Stimmenmehrheit gestimmt. (2) Wrrd nach den Grundsätzen der Verhältniswahl abgeimmt, so find die Wahlftellen auf die Wahlvorschläge nach der Reihenfolge der Höchstzahlen zu verteilen, die sich durch Voll­ rechnung, Halbteilung, Drittelund Viertelung usw. der auf die Wahlvorschläge entfallenden Strmmzahlen ergeben, über die Zuteilung der letzten Wahlftelle entscheidet bei gleichen Höchst­ zahlen das Los. (3) Wird nach Stimmenmehrheit abgestimmt, so ist derjenige gewählt, für den mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen

5

15. Semembevahlgesetze.

[15 c

abgegeben find. Wird dies Ergebnis im ersten Wahlgange nicht erreicht, so findet zwischen denjenigen Personen, welche dre meisten Stimmen erhalten haben, eine engere Wahl statt, die, wenn auf mehr als vier Personen Stimmen gefallen find, auf diejenigen vier zu beschränken ist, die im ersten Wahlgange die meisten Stimmen erhalten Haven. Werden auch im zweiten Wahlgange nicht mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen für eine Perscm abgegeben, so findet unter den zwei Personen, oie bei der zweiten Abstimmung die meisten Stimmen erhalten haben, eine engere Wahl statt. Bei Stimmengleichheit entscheidet das vom Vorsitzenden zu ziehende Los, wer in die engere Wahl zu bringen oder im dritten Wahlgange gewählt ist. [Präsentation^

§ 5.

Soweit eine Präsentation von Magistratsmitgliedern stattfindet, steht das Recht der Präsentation der Stadtverordnetenversammlung zu. § 4 findet entsprechende Anwendung.

[Wahl b. die Gemeinbeangehörigenj § 6.

(1) Die Vorschrift des 82 Abs. 2 findet auch in den Fällen Anwendung, in denen die Wahlen von sämtlichen Wahlberech­ tigten einer Gemeinde vorzunevmen find. (2) Wenn die letzte Wahl zur Gemeindevertretung nicht länger als sechs Monate hinter dem Wahltage zurücklieat, kann durch Gemeindebeschlutz bestimmt werden, dast den Wahlen die Büraerlisten zugrunde zu legen find, auf Grund deren die Wahl zur Gemeindevertretung stattgefunden hat. [Inkrafttretens

§ 7.

(1) Dieses Gesetz tritt mit dem Tage seiner Verkündung in

Kraft. sAbs. 2 und 3 enthielten einmalige llbergangsvorschristen.s fAuSführungsbestiwmlmgens

§ 8.

Der Minister des Innern erläht die Bestimmungen zur Aus­ führung dieses Gesetzes. c) Gesetz über die Festsetzung -er Gemeindewahlen. Vom 18. April 1928 (GS. S. 99) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. November 1928 (GS. S. 207), geändert durch Gesetz vom 26. Februar 1929 (GS. S. 7). [Zeitpunkt der Renwahlj

§ 1.

Die Gemeindevertretungen der Städte und Landgemeinden sowie die Amisvertretungen in der Rheinprovinz und der Provinz Westfalen sind

15c]

15. Semeiudewahlgefetze.

bis zum 31. Dezember 1929 neu zu wählen. Die Wahlen dürfen nicht vor dem 30. September stattfinden.

lWahlzelt] 82 (1) Die Dauer der Wahlzeit beträgt für sämtliche Gemeinde­ vertretungen, Amtsvertretungen und Vertretungen der Kirchsoielslandgemeinden vier Jahre. Einzelne Neuwahlen, die aus besonderem Anlaß während der laufenden Wahlzeit erfolgen, gelten nur bis zum Ablaufe der allgemeinen Wahlzeit. Finden sie innerhalb zwölf Monaten vor Ablauf der allgemeinen Wahlzeit statt, so endet die Wahlzeit erst gleichzeitig mit der nächsten allgemeinen Wahlzeit. (2) Das Staatsministerium wird ermächtigt, für die allge­ meinen Neuwahlen (§ 1 in Verbindung mit Äbf. 1 Satz 1) den Wahltag zu bestimmen. (Neuwahl der Deputatisnen usw.]

§ 3.

Nach jeder Neuwahl der Gemeindevertretungen find die ge­ wählten Mitglieder aller Gemeindedeputationen und -kommisfionen neu zu wählen. (Schleswig-Holstein]

§ 4.

Im Geltungsbereiche der Städteordnung für die Provinz Schles­ wig-Holstein werden fortan die unbesoldeten MagiftratSmitglieder nur von den gewählten Mitgliedern der Gemeindevertretung gewählt. (Kreigewordrne Stellen]

§ 5.

(1) 88 12 und 20 des Gemeindewahlgesetzes vom 9. April 1923 in oer Fassung der Bekanntmachung vom 12. Februar 1924 lGS. S. 99) finden Anwendung. (2) 1) 8 12 des Gemeindewahlgesetzes vom 9. April 1923 in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Februar 1924 (GS. 6. 99) findet keine Anwendung auf die Stellen der besoldeten Bürgermeister, Magistratsmitglieder (Beigeordneten), Ge­ meindevorsteher und Schöffen solcher Gemeinden, deren Ge­ meindevertretungen nach dem 1. März 1928 neugewählt worden beten Bürgermeister, Magistratsmitglieder (Beigeordneten), Gemeinde­ vorsteher und Schöffen, die vor dem Zusammentritt der durch die allge­ meinen Neuwahlen (§ 1, § 2 Abs. 2) neugewählten Gemeindevertretunx) tos. 2 und 3 angefugt durch daL Gesetz vom 26. Februar 1929.

- 230 —

16 a. RuhrumgemeindungSgesetz (1928).

[16 a

gen abläuft, durch die Gemeindevertretung bis zum 31. März 1930 ver­ längert werden, wenn der Stelleninhaber zustimmt.

§ 6.

[Inkrafttretens

Dieses Gesetz tritt mit dem auf die Verkündung folgenden Tage in Kraft.

[AuSfiihrungSanweisungens

§ 7.

Der Minister deS Innern erläßt die zur Ausführung dieses Gesetzes nötigen Anweisungen*).

16a. Gesetz über die kommunale Neugliederung des rheinisch-westfälischen Industriegebiets. (Auszug.)

Dom 29. Juli 1929 (SG. 6. 91). (Nachdem die Frage der kommunalen Gliederung deS rheinisch-west­ fälischen Industriegebiete- in Eingemeindung-gesetzen vom 26. Februar 1926 (GS. S. 53) betr. namentlich Gelsenkirchen und Recklinghausen und vom 22. März 1928 (GS. S. 17) betr. namentlich Dortmund Teil­ regelungen erfahren hatte, erging am 29. Juli 1929 ein Gesetz, da- für den ganzen übrigen Teil de- hier sehr weit gezogenen Industriegebietedie seit langem angestrebte Gesamtregelung brachte. An Bestimmungen von allgemeiner und dauernder Bedeutung, die hier allein wiederzugeben waren, enthielt diese- Eingemeindung-gesetz von 1929 selbst nur die über die zwischengemeindlichen Arbeitsgemein­ schaften (§ 61); von den übrigen Bestimmungen, welche den Umfang der Umgemeindung im einzelnen umschreiben, bringen wir mit den §§ 1—4 nur sozusagen einige Proben; angefügt ist die eigenartige UbergangSlösung für Krefeld in § 7. Da- dem Eingemeindung-gesetz von 1929 beigegebene Einfüh­ rung-gesetz ist von allgemeiner Bedeutung einmal durch die Rege» lung der Einwirkung der Umgemeindungen auf da- OrtS- und KreiSrecht, die Polizeiverordnungen und die Beamtenverhältnisse, weiter durch die Aufhebung der Bestimmungen über daS Ausscheiden von Stadt- und Landkreisen für ganz Preußen und wird insoweit wiedergegeben.f

*) Runderlasse des M. d. I. vom 31. März 1928 (MBliB. S. 369), vom 18. November 1928 (MBlÄ. S. 1118) und vom 13. Dezember 1928 (MBliB. S. 1188).

!räflbenten]

§ 25.

(1) Soweit nach den Gesetzen bei den Aufgaben, die durch dieses Gesetz dem Verband übertragen werden (§§ 1, 13, 16 bis 21), eine Zuständigkeit des Regierungspräsidenten oder Oberprafidenten vorgesehen ist, tritt an die Stelle des ersteren der Verbandspräfident, an die Stelle des letzteren der zuständige Minister. (z) Findet nach den Gesetzen argen die Entscheidung des Oberprafidenten die Klage beim Oberverwaltungsgerichte statt, so ist fie unter Fortfall der Beschwerde an den Minister gegen die Entscheidung des Derbandsprästdenten gegeben. [Hbf. 3 und 4 enthalten Vorschriften über wertere Zuständigkeiten des Berdandspräsidenten.j

[8trbanM8rtt]

§ 26.

(1) Soweit nach den Gesetzen bei den Aufgaben, die durch dieses Gesetz dem Verband oder dem Derbandspräfidenten über­ tragen werden, eine Zuständigkeit des Bezirksausschusses oder des Provinjialrats vorgesehen ist, tritt an ihre Stelle der Derbandsrat. Das gleiche gilt füt diejenigen Verwaltunasgebiete, in denen der Verbandsprästoent nach § 25 dieses Gesetzes als Aufsichtsbehörde bestimmt ist, und für das Verwaltunasftreitverfahre« gegen baupolizeiliche Verfügungen (§ 128 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 —

17. RuhrfieblungSverbanöS-esetz (1920).

[17

Gesetzsamml. 6. 195V). Ist in den Gesetzen gegen den Beschluß des Bezirksausschusses Beschwerde an den Provinzialrat ge5eben, fällt diese fort, soweit in diesem Gesetze nicht etwas aneres bestimmt ist. (2) Der Verbandsrat besteht aus dem Verbandspräfidenten als Vorsitzenden und mindestens drei weiteren zu ernennenden Mitgliedern und fünf von der Verbandsversammlung nach den Grundsätzen der Verhältniswahl zu wählenden Mitgliedern. Die ernannten Mitglieder find Staatsbeamte- sie find auf Lebenszeit oder für die Dauer der Bekleidung ihres Hauvtamts zu ernennen. Von ihnen mutz einer die Fähigkeit zum Richter­ amt, einer die Fähigkeit -um höheren Verwaltungsdienst und einer die Fähigkeit aum höheren technischen Verwaltungsdienste besitzen. Gins von oen Mitgliedern ist zum dauernden Ver­ treter des Vorsitzenden zu bestellen. Wählbar jjum Mitglied ist jeder Angehörige eines rum Verbände gehörigen Stabt- und Landkreises, der die Wählbarkeit zur Verbandsversammlung be­ sitzt. Für jedes gewählte Mitglied ist ein Stellvertreter zu wählen. Die Mitglieder der Verbanosverfammlung und des Verbandsausschusies können nicht Mitglieder des Verbandsrats sein. Die Vorschriften über die Durchführung der Wahl der Mitglieder erläßt der Verbandspräfident. (3) Die gewählten Mitglieder find nach jeder Neuwahl der Verbandsversammlung neu zu wählen. Die bisherigen bleiben bis zur Neuwahl im Amte. (4) Im übrigen ftnden auf den Verbandsrat die §§ 32, 33 und 34 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 (wesetzsamml. 6.195) und das Regulativ vom 28. Februar 1884 zur Ordnung des Geschäftsganges und des Verfahrens bei den Bezirksausschüflen (Ministerialblatt für die preußische innere Verwaltung S. 37) sinngemäße Anwendung. lBerfahreuf § 27. (1) Gegen die Entscheidungen des Lerbandsdirektors, Verbandsausschusies, Verbandspräfidenten und Verbandsrats find, soweit in diesem Gesetze nicht etwas anderes bestimmt ist. die Rechtsmittel gegeben, die nach den Gesetzen gegen die Entschei­ dungen der Behörden zugelassen find, an deren Stelle fie treten. (2) Nach diesem Gesetze seitens des Verbandsdirektors als Ortspolizeibehörde ergehende Entscheidungen gelten für den Rechtsmittelwea als Entscheidungen der Ortspolizeibehörde eines Stadtkreises. *) Oben Nr. 2.

18]

18. Z»eck»«t«w,»es»tz (1811).

[8erifftnHi4ungtn]

§ 28.

Die amtlichen Veröffentlichungen des Verbandes erfolgen durch die Amtsblätter der Regierungen in Arnsberg, Düssel­ dorf und Münster. lKchluftt-lmuunA«»!

§ 29.

(1) Das Eefetz tritt am 15. Juni 1920 in Kraft.

Die die Wahl der Verbandsorgane und die Ernennung de» Verbands» Präsidenten betreffenden Bestimmungen sowie die Vorschrift im S 16 Ziffer 3 treten sofort in Kraft. Den Zeitzuntt des Jntraft» tretens der Vorschriften im §20 bestinynt der Verbandspräsident. (2) Die Zuständigkeit der bisherigen Verwaltungsbehörden, Beschlutzbehörden und Verwaltungsaerichte bleibt in denjeniaen Sachen, di« beim Inkrafttreten diese» Gesetze» bereit» in erster Instanz anhängig find, unberührt. (3) Die zuständigen Minister find mit der Ausführung dieses Gesetze» beauftragt. Der Lerbandspräfident ist alsbald nach Ver­ kündung de» Gesetzes zu ernennen.

18. ZwecköerbanbSgesetz. Dom 19. Süll 1911 ((36. 6.115). MeseS allgemeine oder gemeinpreußische ZweckverbandSgesetz, daS im Gegensatz steht zu den Spezialgesetzen, die den Zweckverband GroßBerlin (1911—1920) und den RuhrsiedlungSverband (1920) schufen, hat in Preußen den Typ der Zusammenfassung von Gemeinden zu bestimm­ ten Zwecken geschaffen, von dem Gebrauch gemacht wird, wenn eine öffentlich-rechtliche Form dieser Zusammenschlüsse erstrebt und nicht eine privatrechtliche vorgezogen wird.s lFreivilliger Zweckverbands

§ 1.

Städte, Landgemeinden, Gutsbezirke*), Bürgermeistereien'), Ämter und Landkreise können behufs Erfüllung einzelner kom­ munaler Aufgaben jeder Art miteinander zu Zweckverbänden im Sinne dieses Gesetzes verbunden werden, wenn die Beteiligten damit einverstanden find, über die Bildung des Zweckoerbandes beschriebt der Kreisausschub, bei Beteiligung von Städten oder Landkreisen der Bezirksausschuß ') Degen dieser vgl. §§ 11 ff. d. G. v. 27. Dezember 1927. oben Nr. 14. ’) Diese heißen jetzt auch „Amte r", und der bisherige „Amtmann" in Westfalen „Bürgermeister", § 2 d. G. v. 27. Dezember 1927, oben Nr. 14.

18. ZweckverLandSgeseh (1911). lAwangSjweckverbandl

[18

8 2.

(1) Sind die Beteiligten nicht einverstanden, so ist die Bil­ dung eines Zweckverbandes nur zur Erfüllung von solchen kom­ munalen Aufgaben, welche allen Beteiligten gesetzlich obliegen, und nur dann zulässig, wenn die Bildung des Zweckverbandes im öffentlichen Interesse notwendig ist. (2) Der Oberpräfident kann, wenn er diese Voraussetzungen für vorliegend erachtet, auf Antrag von mindestens einem Drittel der Beteiligten oder auf Antrag oer Kommunalaufsichtsbehörde anordnen, daß zunächst der Kreisausschuß (Bezirksausschuß) über die Ergänzung der mangelnden Zustimmung Beschluß faßt. Die Beschlußfanung erfolgt auf Grund mündlicher Verhandlung (§ 119 Äbs. 1 und 3 des Gesetzes über die allgemeine Lanbesverwaltuna vom 30. Juli 1883, Gesetzfamml. 6.195). (3) Gegen den auf Beschwerde von dem Bezirksausschuß oder von dem Provinzialrate Zefaßten Beschluß steht den Beteiligten binnen vier Wochen die Klage bei dem Oderverwaltungsaerichte zu. Die Klage kann nur darauf gestützt werden, daß die Auf­ gabe, zu deren Erfüllung der Zweaverband gebildet werden soll, den Beteiligten nicht gesetzlich obliege. (4) Nach Ergänzung des mangelnden Einverständnisses der Beteiligten beschließt der Oberpräfident über die Bildung des Zweckverbandes. (5) Die Bildung eines Zweckverbandes nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmungen unterbleibt, sofern und solange ein

schädigung einräumt. Darüber, oo die vorangegebenen Voraus­ setzungen vorhanden find, sowie über die Höbe der Entschädigung beschließt im Streitfälle der Kreis- (Bezirks-) Ausschuß, dem auch die Entscheidung über sonstige aus diesem Verhältnis ent­ stehende Streitigkeiten zusteht. sAbs. 6 betraf den durch Die Bildung von Groh-Berlin weggefallenen Zweckverband Groh-Berlin, s. Groh-Berlin-G. vom 27. April 1920 (GS. S. 123 § 3.]

(Gemeinden und SutSdezirkel

§ 8.

Gemeinden können nach Maßgabe des § 1 mit Eutsbezirken*) auch zur gemeinschaftlichen Festsetzung und Durchführung von Straßen- uno Baufluchtlinienplänen verbunden werden. *) Wegen dieser siehe auch §§ 11 ff. d. G. d. 27. Dezember 1927, oben Nr. 14.

18]

18. 3»t6btrt tage vom 7. Oktober 1925, GS. S. 123. — Dieses Gesetz ist hier nicht mitabgedruckt.s (Einführung der Abzeerdneten]

§ 21.

(1) sDie Namen der nrugewählten Abgeordneten sind von dem Oberpräsidenten durch di« Amtsblätter der Provinz bekanntzumachen.]')

(2) Die Einführung derselben erfolgt durch den vorfitzenden des Provinziallaavtages. (51 22—24 weggefallen wie §§ 9—20.] Zweiter Abschnitt, von de» Versammlung«« der Provinziallandtage. Einberufung de» Prodinziallaudtage».

§ 25.

(Etnberusungs

Der Provinziallandtag wird von dem (Königes Staatsministe­ rium') alle zwei Jahre wenigsten» einmal berufen, außerdem aber so oft es die Geschäft« erfordern.

§ 26. Die Ladung der Mitglieder, die Eröffnung und Schließung des Provinziallandtage» erfolgt durch den Oberpräfidenten der Provii« als staatlichen') Kommifiarius oder den für ihn in dieser Eigenschaft ernannten Stellvertreter.

[fiebuni der Mitglieder ul».]

(Königlicher]

Staatlicher') Kommiffari»» bei de» Proviuziallaudtagr.

§27. Der (Königliches staatliche') Kommifiarius ist die Mittels­ person bei allen Verhandlungen der Staatsbehörden mit dem Provinziallandtage. (1)

') Abf. 1 weggefallen wie §§ 9—20. *) Gemäß Art. 82 PrB.

cri

2L ibstliche ProviA-ialordmmll (1875),

(2) Der Kommissarius teilt dem Provmziallandtage die Vorlagen der Staatsregieruna mit und empfängt die von ihm abzuaebenden Erklärungen uno Gutachten. (3) Der IKöniglichej staatliches Kommissarius, sowie die zu seiner Vertretung oder Unterstützung aoaeordneten Staats­ beamten find befugt, den Sitzungen des Provinziallandtages und der von ihm zur Borberertuna seiner Beschlüsse gewählten Kommissionen beizuwohnen; dieselben müssen auf Verlangen zu jeder Zeit gehört werden. Öffentlichkeit der Sitzuugeu des Provluziallaudtages.

§28. Die Sitzungen des Provinziallandtages lind öffentlich. Für einzelne Segenftände kann durch besonderen, in geheimer Sitzung gefahten Beschluß die Qfsentlichkeit ausgeschlossen werden.

BeschlnhsLhigkrit ktl Provlnziallandtoges. §29. (1) Der Provinziallandtaa kann nur beschließen, wenn mehr als die Hälfte der [im § 10]») vorgeschriebenen Mitgliederzahl anwesend ist. (2) Als anwesend gelten auch diejenigen Mitglieder, welche sich der Abstimmung enthalten.

Fassung der Beschlüsse «ach absoluter Stimmenmehrheit.

§80. Der Provinziallandtag faßt seine Beschlüsse nach Stimmen­ mehrheit. Die Stimmenmehrheit wird ohne Mitzahlung der­ jenigen festgestellt» di« sich der Abstimmung enthalten haben. Bet Stimmengleichheit gilt der gestellte Antrag al» abgelehnt. Teilnahme der Mitglieder M Pevdinzialansschusses, M LandeSdirrVor» und der obere» Beamte» an de» Sitzungen beb Provinziallandtages.

§81. (1) Die Mitglieder des Provinzialausschusses, sowie der Landesditektor (Landeshauptmann) und die ihm zugeordneten obe­ ren Beamten (§§ 87 und 93) können, sofern fie nicht selbst Mit­ glieder de» Provinziallandtages find, den Sitzungen desselben mit beratender Stimme beiwohnen. *) Gemäß Art. 82 PrB. *) Jetzt gilt h 3 des zu $§ 9—20 zitierten Gesetzes.

Bühlor. Berwaltmlgtgesetze.

22

21]

21. östlich« ^rMtnjhltrMnmg (1875).

(2) Der Provinziallandtag tonn jedoch beschließen, einzelne, die Mitglieder des Provinzialausschusses, den Landesdirektor oder die ihm zugeordneten oberen Beamten persönlich berüh­ rende Gegenstände In deren Abwesenheit und in geheimer Sitzung zu verhandeln, sofern dieselben nicht Mitglieder de» Provinziallandtages find. Wahl de» Vorsitzeuden M Prodinziallandtage» km» s«t»«O Stellvertreter».

§82. (1) Unter dem Vorsitze de» an Jahren ältesten Mitgliedes, welchem die beiden jüngsten Mitglieder als Schriftführer und Stimmzähler zur Seite stehen, wählt der Provinziallandtag nach näherer Vorschrift sor» diesem Gesetze betgefügten Wahlreglemtn«P) «inen Vorsitzenden und «inen Stellvertreter. (2) Dieselben fungieren während der Sitzungsperiode und in der darauf folgenden Zwischenzeit bi» zum Zusammentritte des nächsten Prootnziallandtage». Geschistlor»»»»» »«• Provinziallanbtage».

§88. iO>esetz (1850).

l0rt0»,»,ei] § 1. (1) Die örtliche Polizeiverwaltung wird von den nach den Vorschriften der Gesetze') dazu bestimmten Beamten') im Namen des [Äönigfi] Staates geführt — vorbehaltlich der im § 2 des gegenwärtigen Gesetzes vorgesehenen Ausnahme. (2) Die Ortspolizeibeamten sind verpflichtet, die ihnen von der vorgesetzten Staatsbehörde in Polizeiangelegenheiten er­ teilten Anweisungen zur Ausführung zu bringen. (3) Zeder der sich in ihrem Verwaltungsbezirke aufhält oder daselbst ansässig ist, mutz ihren polizeilichen Anordnungen Folge leisten. lStaatliche Polizeivervaltungens § 2. 3n Gemeinden, wo sich eine Bezirtsregierung oder ein Land­ gericht') befindet, sowie in Festungen und in Gemeinden von mehr als 10 000 Einwohnern, kann die örtliche PolUeiverwaltung durch Beschluh des Ministers des Innern besonderen Staatsbeamten übertragen werden. Auch in anderen Gemeinden kann aus dringenden Gründen dieselbe Einrichtung zeitweise eingeführt werden'). fPolizeikosten)') § 3. Die Kosten der örtlichen Polizeiverwaltung sind, mit Aus­ nahme der Gehälter der von der Staatsregierung im Falle der Anwendung des 8 2 angestellten besonderen Beamten, von den Gemeinden zu bestreiten.

lBessndere Borfchr. M Reg.Präf.l § 4. (1) Über die Einrichtungen, welche die örtliche Polizeiverwaltuna erfordert, kann der Regierungspräsident') besondere Vorschriften erlassen. (Satz 2 veraltet.! r) Die ursprüngliche Fassung sprach von Gemeindeordnung und erwähnte einzelne Gemeindebeamte. ’) Die ursprüngliche Fassung ist veraltet. 3) Für die Reg-Bez Münster, Arnsberg und Düsseldorf wurde durch Gesetz vom 19. Juli 1911 (GS. S. 147) die Ermächtigung de- § 2 Satz 1 auch auf Gemeinden und Gutsbezirke schlechthin ausgedehnt, für den Reg -Bez. Oppeln geschah dasselbe durch G. v. 19. Juni 1912 (GS. S. 182). Seit 1919 hat der Innenminister von diesen Befugnissen in weitestgehendem Maße Gebrauch gemacht, sodaß Anfang 1930 in 45 Städten mit etwa 16 Millionen Einwohnern staatliche Polizeiverwalrung bestand. *) S. das Gesetz v. 2. August 1929, unten Nr. 27. 5) Dieser ist insoweit an die Stelle der Bezirksregierung getreten, § 18 LBG.

26. PolizeiverwaltungSgesetz (1850).

[26

(2) Die Ernennung aller Polneibeamten, deren Anstellung den Gemeindebehörden zusteht, bedarf der Bestätigung der Staatsregierung. [OrtS-olizeiverordnungen)

§ 5.

(1) Die mit der örtlichen Polizeiverwaltung beauftragten Behörden find befugt, nach Beratung mit dem Gemeindevorftanbc1) ortspolizeiliche, für den Umfang der Gemeinde gültige Vorschriften zu erlassen und gegen die Nichtbefolgung derselben Geldstrafen bis zum Betrage von 150 Reichsmark) anzudrohen. [Abf. 2 weggefallen, s. Anm. 2.]

(3) Die Regierungspräsidenten') haben über die Art der Verkündung der orkspolizeilichen Vorschriften, sowie über die Formen, von deren Beobachtung die Gültigkeit derselben ab­ hängt, die erforderlichen Bestimmungen zu erlassen. (Gegenstände b. C. P. Strorb.]

§ 6.

Zu den Gegenständen der ortspolizeilichen Vorschriften gehören: a) der Schutz der Personen und des Eigentums' b) Ordnuna, Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen, Brücken, Ufern und Gewässernc) der Marktverkehr und das öffentliche Feilhalten von Nah­ rungsmitteln ' d) Ordnuna und Gesetzlichkeit bei dem öffentlichen Zu­ sammensein einer größeren Anzahl von Personene) das öffentliche Interesse in bezuaauf die Aufnahme und Beherbergung von Fremden - die Wein-, Bier- und Kaffee­ wirtschaften und sonstige Einrichtungen zur Verabreichung von Speisen und Getränkenf) Sorge für Leben und Gesundheit' g) Fürsorge gegen Feuersgefahr bei Bauausführungen, sowie gegen gemeinschaolicbe und gemeingefährliche Handlungen, Unternehmungen und Ereignisse überhaupth) Schutz der Felder, Wiesen, Weiden, Wälder, Baumpflan­ zungen, Weinberge usw.i) Vgl. *) Art. Butzen, vom 3) S. §

dazu § 143 LBG. I, HI der BO. über die BermögenLstrafen, Geldstrafen und 6. Februar 1924 (RGBl. I S. 44). 144 Abs. 2 LBG.

26]

26. PolizeiverwaltungSgrsetz (1850). i)

alles andere, was im besonderen Inter­ esse der Gemeinden und ihrer Anaehdrigen polizeilich geordnet werden muß*1)-2 3 4

Zustimmung der vem.Dertt.)

§ 7.

Zu Verordnungen über Gegenstände der landwirtschaftlichen Polizei ist die Zustimmung der Gemeindevertretung*) erforderlick. Die Beratung erfolgt unter dem Vorfitze des mit der ört­ lichen Polizeiverwaltung beauftragten Beamten. lAbschrift der Verordnung)

§ 8.

Von jeder ortspolizeilichen Derordnuna ist sofort eine Ab­ schrift an die zunächst vorgesetzte Staatsbehörde einzureichen. *) Ergänzend u. a. das Gesetz, betreffend die Befugnis der Polizeibehörden zum Erlasse von Polizei. Verordnungen über die Verpflichtung zar Hilfeleistung bei Branden. Bom 21. Dezember 1904 (GS. S. 291). sEinziger Paragraph.) (1) Soweit das Feuerlöschwesen nicht durch OrtSstatut geregelt ist, können Polizeiverordnungen über die Verpflichtung der Einwohner zur persönlichen Hilfeleistung bei Bränden, insbesondere zum Eintritt in eine Pflichtfeuerwehr, über die Regelung der hiermit verbundenen per­ sönlichen Dienstpflichten, über die Gestellung der erforderlichen Gespanne und über die Verpflichtung zur Hilfeleistung bei Bränden in der Um­ gegend, erlassen werden. (2) Solche Polizeiverordnungen gehören im Sinne deS § 143 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 (Gesetzsamml. S. 195) nicht zum Gebiete der Sicherheitspolizei. (3) Sie treten außer Kraft, soweit da- Feuerlöschwesen durch ein OrtSstatut geregelt wird. (4) DaS OrtSstatut ist an die Bestimmungen deS § 68 des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 1893 (Gesetzsamml. S. 152) nicht gebunden. Hingewiesen sei ferner auf die Ermächtigung zum Erlaß von Polizeiverordnungen in folgenden Spezialgesetzen: BerunftaltungSgesetz von 1902, wiedergegeben oben Nr. 28 bei § 8. Gesetz über hie Regelung des KörwefeuS und des Pferderennwesens durch Polizeiverorduuugeu vom 4. August 1922, GS. S. 225 (mit Ände­ rung durch Gesetz vom 15. März 1927, GS S. 37). Moorschutzgesetz vom 20. August 1923 (GS. S. 400) § 2. Gesetz zur Erhaltung de- Baumbestandes und Erhaltung und Frei­ gabe von Üferwegen im Interesse der volkSgefundheit vom 29. Juli 1922 (GS. S. 213). ’) Vgl. dazu § 143 LVG.

26. PslizeiverwaltungSgesetz (1850).

126

§§»,10. [Seit. Änderung und Aufhebung der Polizeiverordnungen, find er­ setzt durch § 145 Lv«.s

§11. sBetr. Polizeiverordnungsgewalt des Regierungspräsidenten, ist er­ setzt durch 8 137 «Vs. 2 LBG.s

(Zuständigkeit deS Neg.Präs.)

§ 12.

Die Vorschriften der Regierungspräsidenten') (§ 11) können sich auf die im § 6 dieses Gesetzes angeführten und alle anderen Gegenstände beziehen, deren polizeiliche Regelung durch die Verhältnisie der Gemeinden oder des Bezirks erfordert wird.

§13. ^Ersetzt durch § 139 LBT.s

§14. Die Befugnis der Bezirksregierungen, sonstige allgemeine Verbote und Strafbestimmungen in Ermangelung eines bereits be­ stehenden gesetzlichen Verbotes mit höherer Genehmigung zu erlassen, ist a u f g e h o b e n.

§15. Es dürfen in die polizeilichen Vorschriften (§§ 5 und 11) keine Bestimmungen ausgenommen werden, welche mit den Gesetzen oder den Verordnungen einer höheren Instanz im Widersprüche stehen.

(Aufhebung durch den vt. d. 3.]

§ 16.

(1) Der Minister des Innern ist befugt, soweit Gesetze nicht entgeaenstehen, jede polizeiliche Vorschrift durch einen förmlichen Beschluß außer Kraft zu setzen. (2) Die Genehmigung des [tiönigg] Staatsministeriums') ist hierzu erforderlich, wenn die polizeiliche Vorschrift von dem [Äöntge] Staatsministerium') oder mit dessen Genehmigung er­ lassen war.

(Nachprüfung d. Gesetzmäßigkeit)

§ 17.

Die Strafgerichte haben über alle Zuwiderhandlungen gegen polizeiliche Vorschriften (§§ 5 und H) zu erkennen, und 1) S. Anm. 5 zu § 4. 2) Gemäß Art. 82 PrB.

27]

27. P,li,eik»sten,»setz (1929).

dabei nicht die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit, sondern nur die gesetzliche Gültigkeit jener Vorschriften nach den Bestim­ mungen der §§ 5, 11 und 15 dieses Gesetzes in Erwägung zu ziehen.

§ 18.

l«rs-tzfreihe«ttftr-se]

Für den Fall des Unvermögens des Angeschuldigten ist aus verhältnismäßige Haftstrafe') zu erkennen. sSatz 2 weggcfallen, s. Sinnt. 3.]

[ältere Polizeiverordnun-enl

§19.

Die bisher erlassenen polizeilichen Vorschriften bleiben so lange in Kraft, bis sie in Eemätzheit dieses Gesetzes aufgehoben werben.

§20. (Infolge §§ 132, 133 LVG. veraltet.)

§ 21.

[echlußdestimmungl

Alle diesem Gesetze entgegenstehenden Bestimmungen sind aufgehoben.

27. Polizeikostengesetz. Dom 2. August 1929 (GS. S. 162). (Das Gesetz regelt unter Scheidung von unmittelbaren und mittel­ baren Polizeikosten die Verteilung der Kosten der Ausübung der Polizei -Wischen Staat und Gemeinde und -wischen mehreren Gemeinden. Die wichtigsten Neuerungen der Regelung von 1929 gegenüber derjenigen von 1908 sind in § 3 enthalten.)

[Unmitte», u. mitte». Pol.-K.stenf

§ 1.

(1) Unmittelbare Kosten der örtlichen Polizeiverwal­ tung sind sämtliche persönlichen Bezüge (einschließlich der Ruhe­ gehälter, Wartegelder und Derforgungsbezüge) der Polizei­ beamten, der bei der Polizei beschäftigten Angestellten und Ari) Zuwiderhandlungen gegen polizeiliche Vorschriften sind stets Über­ tretungen im S. v. tz 1 des Reichsstrafgesetzbuchs. Daher kommt als Ersatzfreiheitsstrafe nur Haft in Frage. Die Bemessung und der Höchst­ betrag (6 Wochen) richten sich nach 8 29 RStrGB.

27. Polizeikostengesetz (1929).

s27

beiter und der Beamten des Nacbtwachdienstes, Witwen- und Waisengelder für Hinterbliebene Vieser Beamten, Tagegelder, Reise- und Umzugskosten, Wohnungs- und Notstandsbeihilfen, Unterstützungen, Ausgaben auf Grund der Reichsversicherungsgesetzgebuna, aus Hastpflichtfällen, zur Beschaffung, Anmietung und Unterhaltung aller Liegenschaften, die polizeilichen Zwecken dienen, einschließlich der Ginrichtungsgegenstände, Kosten für Verpflegung, Bekleidung, Ausrüstung und ärztliche Behandlung, Bildung, Fürsorge, Unterricht und Leibesübung, für Geschäfts­ bedürfnisse, Polizeigefängniskosten, Kosten der örtlichen Schlacht­ vieh- und Fleischbeschau sowie alle sonstigen Ausgaben, welche entstehen, um die Polizeibehörde zum Erlaß ihrer Anordnungen instand zu setzen, und Die Kosten der Anordnungen selbst. (2) Mittelbare Polizeikosten der örtlichen Polizeiver­ waltung sind solche, die infolge der Verwaltungstätigkeit der Polizei zur Herstellung polizeimäßiger Zustände in der Außen­ welt entstehen. lGrundsätzl. Kostenderteilungl

§ 2.

(1) Die unmittelbaren und mittelbaren Kosten der örtlichen Polizeiverwaltung werden von den Gemeinden und den Ge­ meindeverbänden, welche einen Ortspolizeibezirk bilden, ge­ tragen- ihnen fallen auch die Einnahmen aus der örtlichen Po­ lizeiverwaltung zu. (2) Soweit in Gemeinden und Gemeindeverbänden die ört­ liche Polizeiverwaltuna von einer staatlichen Behörde geführt wird oder sich daselbst staatliche Einrichtungen für Aufgaben der örtlichen Polizeiverwaltungen, insbesondere staatliche Polizei­ bereitschaften und Kommandos oder einzelne staatliche Polizeibeamte befinden, bestreitet der Staat die durch die staatliche Verwaltung und die Verwendung staatlicher Beamter entstehen­ den unmittelbaren Polizeikosten. Er erhebt alle Einnahme^ die aus den von ihm zu erledigenden polizeilichen Ausgaben ent­ stehen. (3) Die Kosten für die Einrichtung und Unterhaltung von Richtungsschildern (Wegweisern), Eefahrentafeln, von polizei­ lichen Gebots- und Verbotstafeln, der Bezeichnung von Straßen verschiedener Ordnung, von Einbahnstraßen, Parkplätzen und Übergangswegen, der Signaleinrichtungen und Verkehrstürme einschließlich der Stromkosten für den Betrieb der Verkehrs­ signale, sowie die Kosten aller derartigen im Interesse der Leich­ tigkeit und Sicherheit des Verkehrs erforderlichen Einrichtungen, Anlagen und baulichen Maßnahmen trägt der Wegeunterhaltungsvflichtige. Alle derartigen Einrichtungen sind dem Wegeunteryaltungspflichtigen, soweit sie nicht schon bisher in seinem

27]

27. Polizeikostengesetz (1929).

Eigentums standen, unentgeltlich zu überlassen. Art, Umfang und technische Ausgestaltung der Einrichtungen richten sich nach den Anforderungen der Verkehrspolizeibehörde nach einheitlich vom Mrnister des Innern zu erlassenden Vorschriften. lvem.zuschüffebristaatl.Pol.Berw.I § 3.

(1) Zu den dem Staate ßemätz § 2 Abs. 2 zur Last fallenden Kosten der örtlichen Polhewerwaltung leisten die Gemeinden, in denen die örtliche Polizeiverwaltung von einer staatlichen Behörde geführt wird, einen Beitrag. Als örtliche Polizeiver­ waltung, jedoch nicht als staatliche Behörde im Sinne dieses Ge­ setzes, ist der Landrat m der Provinz Hannover und der Dlftriktskommissar in der Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen, als Ortspolizeibe^irk im Sinne des 6 4 dieses Gesetzes ist in beiden Landesteilen die Gemeinde anzusehen. (2) Für das Rechnungsjahr 1930 find 48 Millionen W als Beitrag zu zahlen. Für die folgenden Rechnungsjahre ändert fich der Beitrag in demselben Verhältnis, in dem die um die Ist­ einnahmen verminderten Istausgaben des Staates für die Po­ lizei im jeweils vorangeganaenen Rechnungsjahre zu denen für das Rechnungsjahr 1927 steten. Die Höhe wird jeweils durch die Minister des Innern und der jtinamcn endgültig festgesetzt. Hierbei find die Einnahmen und Ausgaben der Polizei in dem Verhältnisse der Gesamtzahl des Etats der Polrzeibeamten yi dem der Landjägereibeamten zu kürzen. Von der Gesamtzahl der Landjäaereibeamten find jedoch die in verstaatlichten Poli­ zeibezirken stationierten Landjäaereibeamten aozurechnen. (3) Der Beitrag wird auf die beteiligten Gemeinden zur Hälfte nach der Bevölkerungszahl im Sinne der für die Ver­ teilung der Reichseinkommen- und Körperschaftsteuer auf die Gemeinden maßgebenden Bestimmungen des Preußischen Ausführunasgesetzes zum Finaniausgleichsgesetze, aui Hälfte nach Maßgabe der Beträge verteilt, dre ihnen nach dem Stande des 31. März aus dem reinen Eemeindeanteil an Einkommen- und Körperschaftsteuer nach den reichsrechtlichen Rechnungsanteilen für bas vorangegangene Rechnungsjahr rechnerisch zugeslofien wären, soweit diese Rechnunasanterle den Berechnungen für die landesrechtliche Verteilung der Einkommen- und Körperschaft­ steuer zugrunde gelegt worden find. Der Beitrag ist in vrertelzährlichen Raten im voraus zu entrichten. (4) Soweit die örtliche Polizeiverwaltung nur für Teile eines Gemeindebezirkes von einer staatlichen Behörde geführt wird, ist der auf die Gemeinde entfallende Beitrag nur nach der Bevölkerungszahl (Abs. 3) des verstaatlichten Gemeindeteils und nach den im Verhältnisse der Gesamtbevölkerungszahl

27. Polizeikostengefetz (1929).

[27

(Abs. 3) zu der Bevölkerungszahl (Abs. 3) des verstaatlichten Eemeindeteils gekürzten Reichseinkommen- und Körperschaft­ steuerbeträgen (Abs. 3) zu berechnen.

[Sonberfäsle]

§ 4.

(1) Die Kosten der Ausführung eines ihr von der poli­ zeilichen Aufsichtsbehörde erteilten polizeilichen Auftrags trägt die örtliche Polizeiverwaltung. (2) Bei vorübergehender Verwendung von Polizeibeamten in einem anderen Ortspolizeibezirke sind alle aus dieser Ver­ wendung entstehenden Mehrkosten als Polizeikosten desjenigen örtlichen Polizeibezirkes anzusehen, in dem die Beamten Ver­ wendung finden. Vorstehende Bestimmung findet keine Anwen­ dung auf die Verwendung von Landiägereibeamten innerhalb der Landgemeinden desjenigen Landkreises, dem die Beamten zugeteilt sind. (3) Dient der Zweck eines von der volizeilichen Aufstchtsbehörbe erteilten polizeilichen Auftrags (Abs. 1) oder der vor­ übergehenden Verwenoung von Polizeibeamten in einem ande­ ren Ortspolizeibezirk (Abs. 2) seiner Art nach überwiegend der Aufrechterhaltung der Staatssicherheit oder der öffentlichen Rübe, Sicherheit und Ordnung eines über den Bereich einer örtlichen Polizeiverwaltung hinausgehenden Gebiets, so^pnd die Mehrkosten dieses Auftrags oder dieser auswärtigen Verwen­ dung auf Antrag der betreffenden örtlichen Polizeiverwaltung auf oie Staatskasie zu übernehmen. (4) Werden Polizeibeamte zur Erfüllung polizeilicher Auf­ gaben vorübergehend in einer Ortschaft untergebracht, in der reine staatliche Unterkunft vorhanden ist oder die vorhandene nicht ausreicht, so hat die Gemeinde ihnen gegen Entschädigung Unterkunft zu gewähren. (5) Den zur Probedienstleistung in der Eemeindepolizei ab­ geordneten Schutzpolizeibeamten sind Dienstbezüge in der Höhe zu gewähren, wie sie den in andere Dienstzweige der staatlichen Polizei übernommenen kündbaren Schutzpolizeibeamten zustehen. Die Gemeinde hat diesen Beamten ferner für die Dauer des Probedienstes die Wohnungsbeihilfe und im Falle ihrer end­ gültigen Anstellung im Eemeindedienfte die Umzuaskosten, beide Bezüge in der Höhe zu gewähren, wie sie gleichbesoldeten Staatsbeamten zustehen.

[Gtmelndtgebäude s.staatl. Polizei)

§ 6.

Gemeinden und Gemeindeverbände, in denen die örtliche Volizeiverwaltung einer staatlichen Behörde oder einem Staatsoeamten übertragen worden ist oder wird, sind verpflichtet, die

27]

27. Pslizeikostengesetz (1920).

Grundstücke, Gebäude, Gebäudeteile, Einrichtungen und Geräte, die schon zuvor den Zwecken der örtlichen Polizeiverwaltung gedient haben, auf Anfordern dem Staate gegen angemessene Entschädigung nach Bedarf zur Verfügung zu stellen. Die Überlassuna der vorhandenen Akten und Karteien geschieht unent­ geltlich. Die Gemeinden bleiben ferner verpflichtet, die in chrem Eigentums stehenden Grundstücke, Gebäude, Gebäudeteile, Einrichtungen und Geräte, die bereits beim Inkrafttreten des Polizeikostengesetzes vom 3. Juni 1908 (Gesetzsamml. S. 149) den Zwecken der staatlichen Ortspolizeiverwaltuna unentgelt­ lich dienten, auch ferner für die Dauer des Bedarfs der staat­ lichen Ortspolizeibehörde für diese Zwecke unentgeltlich zu be­ lasten. §«.

Die bestehenden Verträge über die Hergabe von Grundstücken usw. (§ 5) zur Benutzung für die staatlichen Ortspolizeiverwaltungen werden durch die Bestimmungen dieses Gesetzes nicht berührt. lAuSschlußfrist für Ansprüche]

§ 7.

Alle geldlichen Ansprüche aus diesem Gesetz erlöschen, wenn sie nicht innerhalb zweier Jahre, nachdem die ven Anspruch be­ gründenden Tatsachen dem Ämpruchsberechtiaten bekannt ge­ worden find, gegenüber dem Verpflichteten schriftlich geltend gemacht werden. lEntfcheidung v»n Stteiligkeiten)

§ 8.

(1) Der Regierungspräsident entscheidet! 1. bei Streitigkeiten aus den £§ 1, 2, 4 und 5; 2. über die Unterverteilung in den Fallen des § 4 Abf. 1 und 2; 3. über die Übernahme von Kosten auf die Staatskasse, § 4 Abfi 3. Für Berlin tritt an die Stelle des Regierungspräsidenten der Oberpräsident. Gehören die Parteien oder Streitgenossen mehreren Regierungsbezirken derselben Provinz an, so bestimmt der Oberprästdent, andernfalls der Minister des Innern, den für die Entscheidung zuständigen Regierungs- bzw. Oberpräsi­ denten. (2) Gegen die Entscheidung des Regierungspräsidenten ist binnen einer Ausschluhfrist von zwei Wochen oie Klage im Verwaltung s st reitverfahren beim Bezirksausschuß und gegen dessen (rnhMidung binnen einer Ausschluhfrllt von zwei Wochen die Revision an das Oberverwaltungsgericht ge­ geben. Die Revision kann nur darauf gestützt werden,

[27

27. Polireik.stengesrtz (1929).

a) dah die angefochtene Entscheidung auf der Nichtanwen­

dung oder auf der unrichtigen Anwendung des bestehen­ den Rechtes beruhe, b) daß das Verfahren an wesentlichen Mängeln leide. (3) Die Zulässiakeit der Revision ist durch einen 1000 W übersteiaenden Beschwerdegegenstand bedingt. (4) Eeaen die Entscheidung des Oberpräsidenten der Pro­ vinz Branoenburg und von Berlin im Falle des Abs. 1 Satz 2 ist innerhalb einer Ausschluhfrist von zwei Wochen die Klage beim Oberverwaltungsgerichte gegeben- die Zulässigkeit der Klage ist durch einen 1000 jM übersteigenden Beschwerdegegen­ stand bedingt. (o) Die vom Regierungspräsidenten über die Einrichtungen und Maßnahmen, welche die örtliche Polizeiverwaltung erfor­ dert, erlasienen Vorschriften und Anordnungen unterliegen nicht den Rechtsmitteln des Abs. 2. (6) Gegen die Verfügungen der Derkehrspolizeibehörde auf Grund des § 2 Abs. 3 sind die allgemeinen Rechtsmittel gegen polizeiliche Verfügungen gegeben mit der Maßgabe, dah gegen die Verfügungen eines staatlichen Polizeiverwalters stets oie Beschwerde an den Regierungspräsidenten (ßegen die des Poli­ zeipräsidenten in Berlin an den Oberprasidenten) oder die Klage beim Bezirksausschüsse stattfindet. (7) Erachtet der in Anspruch Genommene zu der ibm ange­ sonnenen Leistung aus Gründen des öffentlichen Rechtes statt seiner einen anderen für verpflichtet, so ist das Rechtsmittel zu­ gleich gegen diesen zu richten. [Ausgleich aus Sleuerüberweif.)

§ 9.

(1) Aus dem Anteile, der gemäß den Vorschriften des § 11 des Preußischen Ausführungsgesetzes zum Finanzausgleichsgesetz auf die Gesamtheit der Gemeinden mit mehr als 2000 Einwoh­ nern entfällt'), erhalten die Gemeinden uno Gemeindeverbände für jeden von der Auffichtsbehörde bestätigten, überwiegend mit polizeilichen Diensten beschäftigten kommunalen Polizeivollzugsoeamten vorweg einen Ausgleichsbetrag von 1000 TM im Rech­ nungsjahre 1930, von 2000 W im Rechnungsjahre 1931 und von 3000 Ml vom Rechnungsjahre 1932 an. (2) Die hierfür erforderliche Gesamtsumme wird auf die Ge­ meinden mit mehr als 2000 Einwohnern nach demselben Maßstab umgelegt wie die zweite Hälfte des Gesamtbeitrags der Ge­ meinden mit staatlicher Polizei zu den Kosten dieser Polizei (vgl-HAbs. 3). x) § 11 a. a. O. regelt und Körperschaftsteuer.

die Überweisungen

aus

der Einkommen-

28]

28. BerunstaltungSgefetz (1907).

(Inkrafttretens § 10. (1) Dieses Gesetz tritt am 1. April 1930 in Kraft. Mit dem­ selben Zeitpunkte treten doS Polizeikostengesetz vom 3. Juni 1908 (Gesetzsamml. S. 149), daS Gesetz über die Änderung deS Polizeikosten-

gesetzeS vom 6. November 1924 (Gesetzsamml. S. 727), § 7 Lbs. 3 deS Gesetzes, betreffend den Erlaß polizeilicher Strafverfügungen wegen Übertretungen, vom 23. April 1883 (Gesetzsamml. S. 65), ferner alle bisherigen Bestimmungen über Verteilung der Polizeikosten, Zuschüsse und Beihilfen zu den Polizeikosten und über Einnahmen aus der Polizeiverwaltung sowie alle auf diesem Gebiete bestehenden örtlichen oder für Teile des Staatsgebiets geltenden Sonderbestimmungen außer Kraft. Die Vorschriften des § 7 Abs. 1 und 2 des Gesetzes, betreffend den Er­ laß polizeilicher Strafverfügungen wegen Übertretungen, vom 23. April 1883 (Gesetzsamml. S. 65) bleiben unberührt. (2) Soweit jedoch in der Rheinprovinz bisher die von den staat­ lichen Polizeibehörden festgesetzten Polizeistrafen den Gemeinden zuge­ flossen sind, erhalten die Gemeinden weiterhin im ersten Jahre des Inkrafttretens dieses Gesetzes zwei Drittel und int zweiten Jahre des Inkrafttretens noch ein Drittel dieser Strafgelder.

§ 11.

(Ausführung]

Die Minister deS Innern und der Finanzen sind mit der Aus­ führung dieses Gesetzes beauftragt.

28. Gesetz gegen die Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich hervorragenden Gegenden.

Dom 15. Juli 1907 (SS. S. 260). (Nachdem das bei § 8 erwähnte erste VerunstaltungSgesetz von 1902 die unter § 10 II 17 ALR. nicht fallende Bekämpfung der Verunstaltung der Polizei als Aufgabe grundsätzlich zugewiesen hatte, geschieht dasselbe in erheblich vergrößertem Umfang durch daS vorliegende Gesetz, das jedoch als Form der Regelung die ortsstatutarische Vorsicht.) (Aufgabe der Baupolizei]

§ 1.

Die baupolizeiliche Genehmigung zur Ausführung von Bauten und baulichen Änderungen ist zu versagen, wenn dadurch Straßen oder Plätze der Ortschaft oder das Ortsbild gröblich verunstaltet werden würden.

28. BerunstaltungSgesetz (1907). (Schutz des OrtS- u. StratzenbildeS)

[28

§ 2.

(1) Durch Ortsstatut kann für bestimmte Straßen und Plätze von geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung vorgeschrieben werden, daß die baupolizeiliche Genehmigung zur Ausführung von Bauten und baulichen Änderungen zu versagen ist, wenn dadurch die Eigenart des Orts- oder Straßenbildes beeinträch­ tigt werden würde, ferner kann durch Ortsstatut vorgeschrie­ ben werden, daß die baupolizeiliche Genehmigung zur Ausführuna baulicher Änderungen an einzelnen Bauwerken von ge­ schichtlicher oder künstlerischer Bedeutung und zur Ausführung von Bauten und baulichen Änderungen in der Umgebung solcher Bauwerke zu versagen ist, wenn ihre Eigenart oder der Ein­ druck, den ste Hervorrufen, durch die Bauausführung beeinträch­ tigt werden würde. (2) Wenn die Bauausführung nach dem Bauentwürfe dem Gepräge der Umaebung der Baustelle im wesentlichen entsprechen würde und die Kosten der trotzdem auf Grund des Ortsstatuts geforderten Änderungen in keinem angemessenen Verhältnisse zu den dem Bauherrn zur Last fallenden Kosten der Bauaus­ führung stehen würden, so ist von der Anwendung des Orts­ statuts aozusehen. (Anbring. v. Reklameschildern usw.) § 3.

Durch Ortsstatut kann vorgeschrieben werden, bah die An­ bringung von Reklameschildern, Schaukasten. Aufschriften und Abbildungen der Genehmigung der Baupolizeibehörde bedarf. Die Genehmigung ist unter den gleichen Voraussetzungen zu ver­ sagen, unter denen nach den §§ 1 und 2 die Genehmigung zu Bauausführungen zu versagen ist. (BebauungSvorschriften)

§ 4.

Durch Ortsstatut können für die Bebauung bestimmter Flächen wie Landhausviertel, Badeorte, PraHtftratzen besondere, über das sonst baupolizeilich zulässige Maß Hinausgehende An­ forderungen gestellt werden. (Anhörung Sachverständiger)

§ 5.

Der Beschlußfassung über das Ortsstatut hat in den Fällen der 88 2 und 4 eine Anhörung Sachverständiger vorauszugehen, (verfahren im Falle des § 2]

§ 6.

(1) Sofern in dem auf Grund des 8 2 erlassenen Ortsstatute keine anderen Bestimmungen getroffen werden, stnd vor Ertei­ lung oder Versagung der Genehmigung Sachverständige und der

28]

28. BerunftaltungSgesetz (1907).

Gemeindevorstand zu hören. Will die Baupolizeibehörde die Genehmigung gegen den Antrag des Gemeindevorstandes er­ teilen, jo hat sie ihm dieses durch Bescheid mitzuteilen. Gegen den Bescheid steht dem Gemeindevorstand innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an die Ausstchtsbehörde zu. (2) In Gemeinden, in denen der Gemeindevorstand nicht aus einer Mehrheit von Personen besteht und der Gemeindevor­ steher (Bürgermeister) zugleich Ortspolizeiverwalter ist, tritt an die Stelle des Gemeindevorstandes, sofern nicht in dem Orts­ statut etwas anderes bestimmt wird, der Gemeindebeamte, wel­ cher den Gemeindevorsteher in Behinderungsfällen zu ver­ treten hat.

§7. Für selbständige GutSbe-irke können die dem Ortsstatute Vorbehalt tenen Vorschriften nach Anhörung des Gutsvorstehers von dem Kreis« ausschuh erlassen werden. Der Beschluß des KreiSausschusses bedarf der Bestätigung deS Bezirksausschusses. Die Bestimmungen des § 2 Abs. 2, § 5 und § 6 finden sinngemäß Anwendung. sSchutz der Landschaft)

§ 81).

(1) Der Regierungspräsident ist befugt, mit Zustimmung des Bezirksausschusses für landschaftlich hervorragende Teile des Re­ gierungsbezirkes vorzufchreioen, daß die baupolizeiliche Geneh­ migung zur Ausführung von Bauten und baulichen Änderungen außerhalb der Ortschaften versagt werden kann, wenn dadurch das Landschaftsbilo gröblich verunstaltet werden würde und dies durch die Wahl eines anderen Bauplatzes oder eine andere Baugestaltung oder die Verwendung anderen Baumaterials vermieden werden kann. *) Ten Schutz der Landschaft speziell gegen Verunzierung durch Re­ klameschilder bezweckte auch daS weiter in Geltung gebliebene Gesetz gegen Ne Verunstaltung landschaftlich hervorragender Gegenden vom 2. Juni 1902 (GS. S. 159):

Einziger Paragraph.

Die Landespolizeibehörden sind befugt, zur Verhinderung der Ver> unstaltung landschaftlich hervorragender Gegenden solche Reklameschilder und sonstige Aufschriften und Abbildungen, welche daS Landschaftsbild verunzieren, außerhalb der geschloffenen Ortschaften durch Polizei-Ver­ ordnung auf Grund deS Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 (GS. S. 195) zu verbieten und zwar auch für einzelne Kreise oder Teile derselben.

29. NeichSschußwaffengefetz (1928).

[29

(2) Vor Versagung der Genehmigung find Sachverständige und der Gemeindevorstand zu hören. Zn Gemeinden, in denen der Gemeindevorstand nicht aus einer Mehrheit von Personen be­ steht und der Gemeindevorsteher (Bürgermeister) zugleich Ortslolizeiverwalter ist, tritt an die Stelle des Gemeindevorstandes, ofern nicht durch Ortsstatut etwas anderes bestimmt wird, der Gemeindebeamte, welcher den Gemeindevorsteher in Behmderungsfällen zu vertreten hat.

29. Reichsgesetz über Schußwaffen und Munition. Dom 12. April 1928 (RSDl. I E. 143). [Das Gesetz stellt mit den sehr weitgehenden Einschränkungen sür den Waffenbesitz, die es bringt, eines der einschneidendsten Reichspolizei­ gesetze dar, die wir bis jetzt haben. Auf Grund von § 28 deS G. er­ ging die Ausführungsverordnung vom 13. Juli 1928, RGBl. I e. 198.]

Abschnitt I. Allgemeines. § 1.

l Schußwaffen, Munition!

(1) Schutzwaffen im Sinne dieses Gesetzes find Waffen, bei denen ein Geschoß oder eine Schrotladung mittels Entwicklung von Explosivgasen oder Druckluft durch einen Lauf getrieben wird. (2) Als Munition im Sinne dieses Gesetzes gilt fertige Mu­ nition zu Schußwaffen sowie Schießpulver leoer Art. (3) Fertige oder voraearbeitete wesentliche Teile von Schuß­ waffen oder Munition stehen fertigen Gegenständen dieser Art gleich.

Abschnitt II. Die Herstellung von Schußwaffen und Munition. lGenehmigungSpflicht) § 2. (1) Wer gewerbsmäßig Schußwaffen oder Munition her­ stellen, bearbeiten oder lnstandsetzen will, bedarf der Genehmi­ gung. Als Herstellung von Munition gilt auch das Wiederladen von Patronen. (2) Die Genehmigung oder ihre Rücknahme darf nicht von der Prüfung der Bedürfnisfrage abhängig gemacht werden.

29]

29. ReichSschichvaffeugefetz (1928).

(3) Für die Errichtung von Pulverfabriken oder sonstigen Anlagen zur Munitionsbereitung bleibt daneben die Genehmi­ gung nach 8 16 der Gewerbeordnung für das Deutsche Reich im bisherigen umfang erforderlich.

(Anfechtung der Versagung)

§ 8.

Die Verfügung, durch die die Genehmigung zum Gewerbe­ betriebe versagt oder zurückgenommen wird, kann nach den für das Rechtsmittelverfahren gegen polizeiliche Verfügungen gel­ tenden Vorschriften der Landesgesetze angefochten werden. Wo

nach diesen ein verwaltungsgerichtlrches Verfahren nicht besteht oder für Fälle dieser Art nicht zulässig ist, finden die Vor­ schriften der 88 20 und 21 der Gewerbeordnung für das Deut­ sche Reich Anwendung.

(Rechtskraft der Versagung)

§ 4.

Ist die Genehmigung endgültig versagt oder zurückgenom­ men worden, so kann ein neuer Antrag aus Erteilung der Ge­ nehmigung erst gestellt werden, wenn seit der Zustellung der endgültigen Entscheidung mindestens drei Jahre verflossen sind. Abschnitt III.

(GenehmignngSpflicht)

Der Handel mit Schußwaffen und Munition. § 5.

(1) Wer gewerbsmäßig Schußwaffen oder Munition erwer­ ben, feilhalten oder anderen überlasten oder wer gewerbsmäßig den Erwerb oder das Überlasten solcher Waren vermitteln oder sich gewerbsmäßig aum Erwerb oder überlasten solcher Waren erbieten will, bedarf der Genehmigung. (2) Die Vorschriften des 8 2 Abs. 2 und der 88 3, 4 gelten entsprechend.

§«. Die Genehmigung nach 8 5 darf nicht erteilt werden 1. Trödlern. 2. den im 8 16 Abs. 1 Satz 2 bezeichneten Personen; Aus­ nahmen find in den Grenzen des 8 16 Abs. 3 zulästig.

§7. (1) Verboten ist der Handel mit Schußwaffen oder Munition 1. im llmherziehen, 2. auf Jahrmärkten, Schützenfesten und Messen mit Aus­ nahme der Mustermessen.

29. Reichöschutzwaffengesetz (1928).

[29

(2) Nicht unter das Verbot des Abs. 1 Nr. 2 fällt das Feil­ halten und Überlassen der auf den Schießständen benötigten Munition. 8 8. Öffentlichen und privaten Pfandleihen ist das Be­ leihen von Schußwaffen und Munition verboten.

§ 9.

[MarkterungSpflicht)

(1) Vom Ablauf von sechs Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes ab dürfen im Inland nur solche Schußwaffen gewerosmäßig feilgehalten oder anderen überlassen werden, die die Firma oder das eingetragene Warenzeichen des Herstellers oder des Händlers (§ 5) und eine fortlaufende Herstellungsnummer tragen. (2) Schußwaffen, die nicht die Firma oder das eingetragene Warenzeichen eines inländischen Herstellers tragen, müssen außer der Herftellungsnummer die Firma oder das eingetragene Warenzeichen eines im Inland wohnenden Händlers tragen. Erwerb, Führe«, Einfuhr und Besttz von Schußwaffen und Munition.

Abschnitt IV.

lErwrrbscheinl

§ 10.

(1) Schußwaffen oder Munition dürfen nur gegen Aushän­ digung eines behördlich ausgestellten Waffen- oder Munitionserwerofcheins überlasten oder erworben werden. (2) Der Erwerbschein gilt für die Dauer eines Jahres vom Tage der Ausstellung ab gerechnet, soweit nicht eine kürzere Geltungsdauer auf ihm vermerkt ist. (3) Abs. 1 gilt nicht für 1. die Überlastung von Schußwaffen oder Munition auf einem polizeilich genehmigten Schießstand zur Benutzung lediglich auf diesem Schießstand' 2. die Versendung von Schußwaffen oder Munition un­ mittelbar in das Ausland; dem Ausland im Sinne dieser Vorschrift stehen aleich: a) die Zollausschlüffe, mit Ausnahme von Helgoland und der Badischen Zollausschlüste, b) die Freibezirke, c) die Freizone von Lübeck; 3. die Übermittlung von Schußwaffen und Munition durch Personen, die gewerbsmäßig Euterversendungen besorgen oder ausführen, insbesondere durch Spediteure, Fracht­ führer, Verfrachter eines Seeschiffes, die Post oder die Eisenbahn. Bühler, Verwaltung-gesetze. 25

29]

29. ReichSschuhvaffeugesetz (1928).

(Btfrtiungtn]

§ 11.

Eines Waffen- oder Munitionserwerbscheins bedürfen nicht: 1. Behörden des Reichs oder der Länder sowie die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft, 2. Gemeindebehörden, denen die oberste Landesbehörde den Erwerb ohne Erwerbschein gestattet hat, 3. die im 8 5 bezeichneten Gewerbetreibenden, die sich durch eine behördliche Bescheinigung ausweisen.

§12. Eines Waffenerwerbscheins bedürfen nicht Inhaber von Waffenscheinen in dem darin genehmigten Umfang.

§13. Eines Munitionserwerbscheins bedürfen nicht Inhaber eines Waffenerwerbscheins oder Waffenscheins xum Erwerbe der zu den betreffenden Waffen gehörigen Munition. lAn-eigepflicht tri Vererbung)

§ 14.

Wer Schußwaffen oder Munition von Todes wegen erwirbt, hat dies unter Angabe der Art und Zahl, bei Schießpulver des Gewichts, der von ihm erworbenen Schußwaffen oder Munition binnen sechs Wochen nach dem Tage, an dem er von dem Er­ werbe Kenntnis erlangt hat, der zuständigen Behörde anzu­ zeigen. lWaffenschein]

§ 15.

(1) Wer außerhalb seiner Wohnung, seiner Geschäftsräume oder seines befriedeten Besitztums eine Schußwaffe führt, muß einen behördlich ausgestellten Erlaubnisschein (Waffenschein) bei sich tragen. Als Führen einer Schußwaffe gilt nicht ihr Ge­ brauch auf polizeilich genehmigten Schießständen. (2) Der Waffenschein ist, sofern seine Geltung nicht aus­ drücklich auf einen bestimmten engeren Bezirk beschränkt wird, für das gaittc Reichsaebiet gültig. Im Scheine kann das Füh­ ren der Waffen auf bestimmte ausdrücklich bezeichnete Gelegen­ heiten und Örtlichkeiten beschränkt werden. (3) Der Waffenschein gilt für die Dauer eines Jahres vom Tage der Ausstellung ab gerechnet, soweit nicht eine kürzere Gel­ tungsdauer auf ihm vermerkt ist.

[$erfagunglgriinbe]

§ 16.

(1) Waffen- (Munitions-) Erwerbscheine oder Waffenscheine dürfen nur an Personen, gegen deren Zuverlässigkeit

29. NeichSschußwaffkngesetz (1928).

[29

keine Bedenken bestehen, ausgestellt werden, Waffenscheine aukerdem nur bei Nachweis eines Bedürfnisses. Die Aus­ stellung hat insbesondere zu unterbleiben 1. an Personen unter zwanzig Jahren, 2. an Entmündigte oder geistig Minderwertige; 3. an Zigeuner oder nach Zigeunerart umherziehende Per­ sonen4. an Personen, die wegen Zuwiderhandlungen gegen die §§ 81, 83 bis 90, 105, 106, 107, 107a, HO bis 120, 122, 123 Abs. 2, 88 124 bis 130, 181a, 211 bis 216, 223 bis 228, 240, 241, 243, 244, 249 bis 255, 292 bis 294, 296, 340, 361 Nr. 3, 4, 5 und 10 des Strafgesetzbuchs, gegen § 148 des Dereinszollgesetzes vom 1. Juli 1869 [Bundesgesetzbl. 6. 317), gegen das Gesetz gegen den verbrecherischen und gemein­ gefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen vom 9. Juni 1884 (ReichsaeseHbl. 6. 61), gegen die Verordnung des Nates der Volksbeauftragten über Waffenbesitz vom 13. Januar 1919 (Reichsgesetzbl. S. 31. 122), gegen das Gesetz über die Entwaffnung der Bevölkerung vom 7. Au­ gust 1920 (Reichsgesetzol. S. 1553), gegen die §§ 1,2, 4 bis 7, 8 Nr. 3, § 19 des Gesetzes zum Schutze der Repu­ blik vom 21. Juli 1922 [Reichsgesetzbl. 1 S. 585) oder gegen die Vorschriften dieses Gesetzes zu einer Freiheits­ strafe von mehr als zwei Wochen rechtskräftig verurteilt worden sind, wenn seit der Verbüßung, der Verjährung oder dem Erlasse der Strafe noch nicht fünf Jahre ver­ flossen find- ist die Strafe nach einer Probezeit erlasien, so läuft die Frist von fünf Jahren von dem Beginne der Probezeit, 5. an Personen, gegen die auf Zulässigkeit von Polizeiauf­ sicht oder auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt worden ist, für die Dauer der Zulässigkeit der Polizeiauf­ sicht oder des Verlustes der bürgerlichen Ehrenrechte. (2) Die obersten Landesbehörden können durch Verordnung bestimmen, daß Zuwiderhandlungen gegen landesrechtliche Straf­ vorschriften den Zuwiderhandlungen gegen die im Abs. 1 Nr. 4 bezeichneten reichsrechtlichen Bestimmungen gleichgestellt werden. (3) Ausnahmen von Abs. 1 Nr. 1, 3 und 4 können auf An­ trag von der zuständigen Behörde bewilligt werden.

[Nichtberechtigimg zum Besitz!

§ 17.

(1) Personen, denen nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 ein Waffen(Munitions-) Erwerbschein oder ein Waffenschein nicht ausge­ stellt werden darf, find, wenn nicht eine Ausnahme nach § 16 25*

29]

29. ReichSschutzwaffenresetz (1928).

Abf. 3 bewilligt ist, auch zum Besitze von Schußwaffen oder Mu­ nition nicht berechtigt. lVblieserungSpslicht)

(2) Personen, die zum Besitze von Schußwaffen oder Muni­ tion nicht berechtigtfind, haben die in ihrem Besitze befindlichen Schußwaffen und Munition unverzüßlich der zuständigen Be­ hörde gegen Empfangsbescheinigung in Verwahrung zu geben. Haben sie einen gesetzlichen Vertreter, so liegt ihm diese Ver­ pflichtung ob. Sofern diese Person oder ihre gesetzlichen Ver­ treter über die Schußwaffen oder Munition nicht binnen sechs Monaten zugunsten eines im Sinne dieses Gesetzes Berechtigten durch Abtretung des Herausaabeansvruchs verfügen, kann die zuständige Behörde die Übereignung der Schußwaffen und Mu­ nition an sich gegen Zahlung des gemeinen Wertes verlangen. Der Eigentumsübergang kommt durch Zustellung des ent­ sprechenden Bescheids zustande. Gegen die Festsetzung des ge­ meinen Wertes ist unter Ausschluß des Rechtswegs nur die Be­ schwerde im Auffichtswege binnen zwei Wochen zulässig. fAuSnahme davon)

(3) Die zuständige Behörde kann ausnahmsweise dem zur Ablieferung Verpflichteten den weiteren Besitz der Schußwaffen und Munition auf jederzeitigen Widerruf gestatten, wenn nach Lage des Einzelfalls die Gewähr besteht, dan von den Gegen­ ständen kein unzuläsiiger Gebrauch gemacht wird. fWidrrnrf der Scheine)

§ 18.

(1) Der Waffen- (Munitions-) Erwerbschein oder der Waf­ fenschein ist durch die zuständiae Behörde zu widerrufen und einzuziehen, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung des Scheines nicht gegeben waren oder nicht mehr vorliegen. (2) Im Falle des Widerrufs kann die zuständige Behörde zugleich die Ablieferung der Schußwaffen und Munition ver­ langen. Die Vorschriften im § 17 Abs. 2 gelten entsprechend.

§19. (1) Eines Waffen- (Munition--) ErwerbscheinS oder eines Waffen­ scheins bedürfen hinsichtlich der ihnen dienstlich gelieferten Schutzwaffen oder Munition nicht 1. die Angehörigen der deutschen Wehrmacht, die Polizeibeamten deS Reichs und der Länder sowie die GrenzaufsichtS- und Zollfahndungsbeamten der ReichSfinanzverWallung; 2. Beamte oder Angestellte, denen von der zuständigen Reichs- oder Landesbehörde daS Recht zum Führen von Schutz-

29. NeichSschußwaffengefetz (1928).

[29

Waffen bei bestimmt zu bezeichnenden dienstlichen Anlässen ver­ liehen ist oder auf Grund gesetzlicher Vorschriften zusteht. An stelle des Waffenscheins tritt bei ihnen eine entsprechende Be­ scheinigung der vorgesetzten Dienst- oder der Aufsichtsbehörde (2) Werden den im Abs. 1 bezeichneten Personen Schußwaffen oder Munition dienstlich nicht geliefert, oder ist das Führen anderer als der dienstlich gelieferten Schußwaffen geboten, so ist die vorgesetzte Dienst­ oder die Aufsichtsbehörde befugt, ihnen eine Bescheinigung auszustellen, aus der das Recht zum Erwerbe der Schußwaffen und der Munition oder zum Führen der Schußwaffen ersichtlich ist.

§20. (1) Ist nach der Landesgesetzgebung die Erhebung von Gebühren für die Ausstellung des Waffenerwerbscheins oder des Waffenscheins zu­ lässig, so bestimmt sich die Festsetzung dieser Gebühren nach den durch die Reichsregierung mit Zustimmung des Reichsrats festgesetzten Grund­ sätzen. (2) Für Ausstellung eines MunitionserwerbscheinS werden Gebühren nicht erhoben. [Wirkung deS Jagdscheins^ §21. (1) Der Jahresjagdschein eines deutschen Landes berechtigt im gesamten Reichsgebiete während der Dauer seiner Gültig­ keit den Inhaber zum Erwerbe von Jagdwaffen und Faustseuerwaffen in dem darin vermerkten Umfang und zum Erwerbe von Munition für Jagd- und Faustfeuerwaffen. (2) Der Jagdschein eines deutschen Landes berechtigt im ge­ samten Reichsgebiete während der Dauer seiner Gültigkeit den Inhaber zum Führen von Jagdwafsen auf der Jagd, beim Jagd­ schutz und llbungsschietzen sowie auf den dazu gehörigen Hinund Rückwegen. In dem gleichen Umfang berechtigt der Jagd­ schein auch zum Fuhren einer Faustfeuerwaffe.

[Einfuhr von Waffenj §22. (1) Die Einfuhr von Schußwaffen und Munition ist nur auf Grund eines Waffen- (Munitlons-) Erwerbscheins (§ 10), eines Waffenscheins (§ 15) oder eines Jagdscheins (§ 21) in dem Um­ fang gestattet, in dem diese Scheine zum Erweroe von Schutz­ waffen oder Munition berechtigen. (2) Diese Vorschrift findet keine Anwendung auf die Einfuhr durch die im § 11 bezeichneten Behörden und Gewerbetreibenden.

§23. (1) Zum Besitz eines Waffen - oder Munitionslagers (Abs. 2), das nicht zu einem nach Maßgabe dieses Gesetzes genehmigten (§§ 2, 5) Gewerbebetriebe gehört oder sich nicht im Besitz einer der im

29]

2V. ReichSschußvaffengesetz (1928).

§ 11 Nr. 1 und 2 bezeichneten Behörden befindet, ist die Genehmi­ gung der zuständigen Behörde erforderlich. Die Genehmigung darf nur Personen erteilt werden, gegen deren Zuverlässigkeit keine Beden­ ken bestehen. Auf die Erteilung der Genehmigung finden die Vor­ schriften des § 16 Abs. 1 Satz 2, Lbs. 2, 3, auf ihren Widerruf die Vor­ schriften der §§ 17, 18 entsprechende Anwendung. (2) Al- Waffenlager gilt ein Bestand von mehr als fünf Schuß­ waffen der gleichen Art, als Munitionslager ein Bestand von mehr als hundert Patronen. Bei Jagdwaffen gilt als Waffenlager ein Bestand von mehr als zehn Jagdwaffen, als Munitionslager ein Bestand von mehr als tausend Jagdpatronen.

fEtockflinten und dgl.)

§ 24.

(1) Die Herstellung, der Handel, die Einfuhr, das Führen sowie der Besitz von Schußwaffen, die zum schleunigen Zerlegen über den für Jagd- und Sport-wecke allgemein üblichen Umfang hinaus besonders eingerichtet oder in Stöcken, Schirmen, Röhren oder in ähnlicher Weise verborgen sind (sogenannte W i l d d i e b S g e w e h r e), ist verboten. (2) Verboten ist auch die Herstellung, der Handel, die Einfuhr, das Führen sowie der Besitz von Schußwaffen, die mit einer Vorrichtung zur Dämpfung des SchußknallS oder mit Gewehrschein Werfern versehen sind. Das Verbot erstreckt sich auch auf die bezeich­ neten Vorrichtungen allein. Für die Herstellung solcher Waffen oder Vorrichtungen zur Ausfuhr können auf Antrag Ausnahmen bewilligt werden.

Abschnitt V.

Strafbestimmungen. §25.

(1) Mit Gefängnis bis zu drei Jahren und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen wird bestraft, wer vorsätzlich oder fahrlässig den Bestimmungen dieses Gesetzes zuwider 1. Schußwaffen, Munition oder die int § 24 Abs. 2 bezeichneten Vor­ richtungen herstellt, bearbeitet, instandsetzt, beleiht, erwirbt, feilhält, anderen überläßt, den Erwerb oder daS Überlassen ver­

mittelt, sich zum Erwerb oder Überlassen erbietet, einführt oder besitzt, 2. Schußwaffen führt, 3. die ihm gemäß § 14 obliegende Anzeige nicht oder nicht rechtzeitig e r st a t 1 e t. (2) Neben der Strafe können die Schußwaffen, die Munition oder die Vorrichtungen, aus die sich die strafbare Handlung bezieht, ohne Rücksicht darauf, ob sie dem Täter gehören, eingezogen werden. Ist die Verfolgung oder Verurteilung einer bestimmten Person nicht durchführbar, so kann auf die Einziehung der Schußwaffen, der Muni­ tion oder der Vorrichtungen selbständig erkannt werden.

29. NeichSschußwaffengesetz (1928).

[29

§26. Wer es vorsätzlich oder fahrlässig unterläßt, zu verhindern, daß eine zu seiner Hausgemeinschaft gehörige und seiner Aufsicht oder Erziehung unterliegende Person unter zwanzig Jahren den Vorschriften dieses Gesetzes zuwider Schußwaffen, Munition oder die im § 24 Abs. 2 bezeichneten Vorrichtungen herstellt, bearbeitet, instandsetzt, beleiht, er­ wirbt, feilhält, anderen überläßt, den Erwerb oder daS Überlassen ver­ mittelt, sich zum Erwerb oder Überlassen erbietet, einführt, besitzt oder Schußwaffen führt, wird gemäß § 25 dieses Gesetzes bestraft.

§27. (1) Wer d i e zur Durchführung dieses Gesetzes von der Reichsregierung erlassenen Vorschriften (§ 28) vorsätzlich oder fahrlässig übertritt, wird mit Geldstrafe bis zu ein­ hundertfünfzig Reichsmark oder mit Hast bestraft. (2) Wer den im Abs. 1 bezeichneten Vorschriften vorsätzlich zuwider­ handelt, nachdem er wegen ihrer vorsätzlichen oder fahrlässigen Über­ tretung zweimal rechtskräftig verurteilt ist, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft. Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn seit der Rechtskraft der letzten Verurteilung bis zur Begehung der neuen Tat mehr als drei Jahre verflossen sind.

Abschnitt VI.

Schluß- und Übergangsbestimmungen.

[Durchführungsbestimmungen)

§28.

Die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Vor­ schriften erläßt die Reich-regierung mit Zustimmung des R e i ch s r a t s. Sie kann darin insbesondere Bestimmungen über die Beaufsichtigung der Herstellung von Schußwaffen oder Munition, über den Handel mit diesen Gegenständen und über den Geschäftsbetrieb, ein­ schließlich der Buchführung, der in den §§ 2, 5 bezeichneten Gewerbe­ treibenden treffen. Sie kann ferner für bestimmte Arten von Schuß­ waffen oder Munition Ausnahmen von den Vorschriften diese- Gesetzes

zulassen.

[Landesrecht)

§ 29.

(1) Der Erlaß weitergehender Beschränkungen über die Herstellung, den Handel, den Erwerb, da- Führen und den Besitz von Schußwaffen oder Munition durch die Länder ist unzulässig. Dies gilt auch hin­ sichtlich solcher Schußwaffen und Munition, für die gemäß § 28 Satz 3 Ausnahmen von den Vorschriften diese- Gesetze- zugelassen sind. (2) Soweit Beschränkungen der im Abs. 1 bezeichneten Art bestehen, treten sie spätestens sechs Monate nach dem Inkrafttreten dieses Ge­ setzes außer Kraft.

29]

29. ReichSschußwaffengesetz (1928).

lübergangSvsrschristen] § 80. (1) Wer beim Inkrafttreten diese- Gesetze- ein nach seinen Vor­ schriften (§§ 2, 5) genehmigungspflichtige- Gewerbe betreibt oder ein nach § 23 genehmigungspflichtige- Waffen- oder Munitionslager besitzt, hat die Genehmigung binnen einem Monat nach dem Inkrafttreten die­ se- Gesetzes zu beantragen. (2) Die Strafbarkeit gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 1 tritt in diesem Falle erst mit Ablauf eine- Monat- nach dem Inkrafttreten diese- Gesetze­ oder, fall- der Antrag innerhalb dieser Frist gestellt ist, mit Ablauf eine- Monat- nach seiner endgültigen Ablehnung ein.

§81. Bei Personen, die beim Inkrafttreten dieses Gesetze- Schußwaffen oder Munition besitzen, ohne nach den Vorschriften diese- Gesetze- hierzu berechtigt zu sein, tritt die Strafbarkeit gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 1 erst mit dem Ablauf von sechs Wochen nach dem Inkrafttreten diese- Ge­ setze- ein.

§32. Auf die in den §§ 2, 5 bezeichneten Gewerbebetriebe finden die Vor­ schriften der Gewerbeordnung insoweit Anwendung, al- nicht in diesem Gesetze besondere Bestimmungen getroffen sind.

(Versailler Vertrag)

§ 83.

Unberührt bleiben die Vorschriften de- Gesetzes über den Friedens­ schluß zwischen Deutschland und den alliierten und assoziierten Mächten vom 16. Juli 1919 (Reich-gesetzbl. S. 687) sowie die zu seiner Ausfüh­ rung ergangenen gesetzlichen Bestimmungen und Anordnungen der Reich-regierung.

lInkrasttreteu]

§ 34.

(1) Diese- Gesetz tritt mit dem 1. Oktober 1928 in Kraft. Gleich­ zeitig wird die Verordnung de- Rate- der Volk-beauftragten über Waffenbesitz vom 13. Januar 1919 (Reich-gesetzbl. S. 31, 122) aufgeHoden. (2) Die aus Grund der bisherigen lande-rechtlichen Vorschriften aus­ gestellten, zum Erwerbe von Schußwaffen oder Munition oder -um Führen von Schußwaffen berechtigenden Bescheinigungen verlieren, mit Au-nahme der Jagdscheine, spätesten- sechs Monate nach dem Inkraft­ treten dieses Gesetze- ihre Gültigkeit.

30. NeichS-Schund- und Lchmutzgesetz (1926).

[80

30. Reichsgesetz zur Bewahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzschriflen Dom 18. Dezember 1926 (RGBl. I S. 505). l Aufnahme in Liste, Wirkung!

§ 1.

(1) Zum Schutze der Heranwachsenden Jugend werden Schund- und Schmutzschriften in eine Liste ausgenommen. Sie sind, sobald ihre Aufnahme in die Litte öffentlich bekanntgemacht ist, im ganzen Reichsgebiete folgenden Beschränkungen unter­ worfen: 1. sie dürfen im Umherziehen weder feilgehalten noch ange­ boten oder angekündigt werden,- auch dürfen auf sie keine Bestellungen im Umherziehen gesucht oder entgegengenom­ men werden: 2. sie dürfen im stehenden Gewerbe, von Haus zu Haus oder auf öffentlichen Wegen, Strahen. Plätzen oder an anderen öffentlichen Orten nicht feilgeooten, anaekündigt sowie innerhalb der Verkaufsräume und in Schaufenstern oder an anderen von der Stratze aus sichtbaren Orten nicht zur Schau gestellt werden: auch dürfen Bestellungen auf sie nicht gesucht werden: 3. sie dürfen Personen unter 18 Jahren weder zum Kaufe anaeboten noch innerhalb des gewerblichen Betriebs ent­ geltlich oder unentgeltlich überlasten werden. (2) Reichs-, Staats- und Gemeindebehörden haben die Bervflichtuna, dafür Sorge zu tragen, dah in keiner ihrer Einrich­ tungen Kindern oder Jugendlichen Bücher oder Schriften zu­ gänglich gemacht werden, die in die Liste der Schmutz- oder Schundschriften ausgenommen sind. (3) Werden mehr als zwei Nummern einer periodischen Druckschrift, die innerhalb Jahresfrist erschienen sind, auf die Liste gefegt, so kann auch die periodische Druckschrift als solche auf die Dauer von drei bis zwölf Monaten auf die Liste gefetzt werden. Politische Tageszeitungen und politische Zeitschriften werden hiervon nicht betroffen. (4) Als auf die Liste gesetzt gilt auch eine angeblich neue Schrift, die sich sachlich als eine bereits auf die Liste gesetzte Schrift darstellt. (5) Eine Schrift kann wegen ihrer politischen, sozialen, reli­ giösen, ethischen oder weltanschaulichen Tendenz als solcher nicht auf die Liste gesetzt werden.

80]

30. NeichS'Schuud. und -kchmutzgefetz (1926).

[friiftttDtn]

§ 2.

(1) Die Entscheidung darüber, ob eine Schrift auf die Liste gesetzt werden soll, erfolgt durch Prüfstellen, die von dem Reichs­ minister des Innern im Einvernehmen mit den Landesregie­ rungen nach Bedarf errichtet werden. Ihre Zuständigkeit wird räumlich avgegrenzt. Die Entscheidungen der Prüfstellen haben gi das gesamte Reichsgebiet Gültigkeit. Zur Entscheidung über nträae gegen Aufnahme einer Schrift in die Lifte oder auf Streichung sowie üoer Beschwerden (§ 4) wird eine Oberprüfstelle in Leipzig gebildet. (2) Antragsberechtigt find die Landeszentralbehörden und die Landesjugendämter. (3) Die Entscheidungen sind dem Vorsitzenden der Oberprüffelle mitzuteilen. Dieser bat die Schriften, deren Aufnahme in ie Lifte ausgesprochen ist, binnen drei Wochen öffentlich be­ kanntzumachen. Die Bekanntmachung unterbleibt einstweilen, wenn das Reich oder ein Land gemätz § 4 die Entscheidung der Oberprüfstelle oeantragt. (Zusammensetzuns]

§ 3.

(1) Die Prüfstelle setzt sich aus einem beamteten Vorsitzenden und acht Sachverständigen zusammen. Von den Sachverständigen find je zwei zu entnehmen den Kreisen 1. der Kunst und Literatur, 2. des Buch- und Kunsthandels, 3. der Augendwohlfahrt und der Jugendorganisationen, 4. der Lehrerschaft und der Volksbildungsorganisationen. Der Reichsminister des Innern ernennt auf Grund von Vorschlägen der beteiligten Verbände von jeder dieser Grupven auf drei Jahre eine Anzahl Sachverständiger unter Berücksichti­ gung der Vertreter der Körperschaften des öffentlichen Rechtes nach Artikel 137 der Reichsverfasiung. Die Heranziehung im Einzelfall erfolgt nach einem bestimmten Plane durch den Vor­ sitzenden. (2) Rur bei Übereinstimmung von wenigstens sechs Mitglie­ dern der Prüfstelle ist eine Schrift in die Liste auszunehmen. sBerfahren]

§ 4.

(1) Das Reich, jedes Land sowie der Verfasser und der Verleger können bei der Overprüfstelle einen Antrag gegen Aufnahme einer Schrift in die Liste oder auf Streichung einer Schrift von der Liste stellen. Der Antrag kann von dem Verfasser oder Verleger nur binnen zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung gestellt werden. Ist ein Än-

80. ReichS-Echund- und Lchmutzgefetz (1926).

[30

trag gegen Aufnahme oder auf Streichung abgelehnt worden, so darf er vor Ablauf eines Jahres von keiner Seite erneuert werden. (2) Lehnt die Prüfstelle den Antrag ab, eine Schrift auf die Liste zu setzen, so können die Antraasberechtiaten, der Vorsitzende oder zwei an der Entscheidung beteiligte Beisitzer innerhalb zwei Wochen seit dem Tage der Entscheidung Beschwerde bei der Oberorüsstelle einlegen. (ä) Ist ein Antrag gegen Aufnahme in die Liste oder auf Streichung gestellt, so kann der Vorsitzende der Oberorüfstelle veranlassen, dah die öffentliche Bekanntmachung der Entscheidung der Prüfstelle einstweilen bis zur Entscheidung der Oberprüfstelle unterbleibt. (4) Die Oberprüfstelle besteht aus einem Vertreter des Reichsministeriums des Innern als Vorsitzenden, sechs vom Reiwsrat gewählten Beisitzern und aus Sachverständigen der im 8 3 Abs. 1 Satz 2 bezeichneten Gruppen, die vom Reichsminister des Innern auf drei Jahre ernannt werden. Sie entscheidet in der Besetzung von fieoen Mitgliedern, die aus dem beamteten Vorsitzenden, zwei Beisitzern und je einem Sachverständigen der obenbezeichneten Gruppen bestehen. Die Entscheidungen erfol­ gen mit einfacher Mehrheit. Soll indessen der Antrag gegen Aufnahme in die Lifte ober auf Streichung abgelehnt ooer der Beschwerde aus § 4 Abs. 2 stattgegeben werden, so mutz die Mehrheit wenigstens fünf Stimmen betragen. (5) Bei geschäftlicher Anpreisung von Schriften ist der Hin­ weis darauf verboten, dah ein Verfahren aus Aufnahme der Schrift in die Liste anhängig oder anhängig gewesen ist. 1 Kostens

§ 5.

(1) Tie Kosten der Errichtung der Reichsprüfstellen trägt daS Reich. (2) Die Kosten deS Verfahrens bei der Oberprüfstelle trägt int Falle der Ablehnung der Verleger, wenn er das Verfahren be­ antragt hat.

[Strasbestimmungens

§ 6.

(1) Wer vorsätzlich den Bestimmungen der §§ 1 und 4 Abs. 5 zuwiderhandelt, und wer die Liste (§ 1) zum Zwecke deS Anpreisens ab­ druckt oder vervielfältigt, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft. Wer die Tat fahrlässig begeht, wird nur mit Geldstrafe bestraft. (2) In besonder- leichten Fällen kann von Strafe abgesehen werden. (3) Neben der Strafe ist bei vorsätzlicher Zuwiderhandlung auf Ein­ ziehung der zur Begehung der Tat gebrauchten oder bestimmten Schriften zu erkennen, auch wenn sie weder dem Täter noch einem

81]

31. «riqs.Lilhtstzielgesetz (1820).

Teilnehmer gehören. Auf die Einziehung kann selbständig erkannt werden, wenn die Verfolgung oder Verurteilung einer bestimmten Per­ son nicht ausführbar ist.

lAu-führung-bestimmunsen)

§ 7.

Der Reich-minister des Innern wird ermächtigt, mit Zustimmung deS ReichsratS AuSsührungsbestimmungen zu diesem Gesetze zu erlassen.

31. ReichS-Lichtspielgesetz. Dom 12. Mal 1920 (RSDl. 6. 953),

mit Änderung (zu 8 4) durch (5. v. 23. Dezember 1922 (RGBl. 1923 I 6. 26). (Zulassung»,wann

§ 1.

Prüfung »•» Bildstreifen. (1) Bildstreifen (Filme) dürfen öffentlich nur vorgeführt oder *um Zwecke der öffentlichen Vorführung im Inland und Ausland in den Verkehr gebracht werden, wenn sie von den amtlichen Prüfungsstellen (§§ 8,13) zuaelassen find. Der öffentlichen Vor­ führung von Bildstreifen werden Vorführungen in Klubs, Ver­ einen und anderen geschlossenen Gesellschaften gleichgestellt. Einer Zulassung bedarf nicht die Vorführung von Bildstreifen yi ausschließlich wissenschaftlichen oder künstlerischen Zwecken in öffentlichen oder als öffentlich anerkannten Btldungs» oder For­ schungsanstalten. (2) Die Zulassung eines Bildstreifens erfolgt auf Antrag. Sie ist zu versagen, wenn die Prüfung ergibt, datz die Vorführung des Bildstreifen» geeignet ist, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit zu gefährden, das religiöse Empfinden zu verletzen, verrohend oder entfittlichend zu wirken, das deutsche Ansehen oder die Beziehungen Deutschlands zu auswärtigen Staaten zu gefährden. Die Zulassung darf wegen einer politischen, sozialen, religiösen» ethischen oder Weltanschauungstendenz als solcher nicht versagt werden. Die Zulassung darf nicht versagt werden aus Gründen, die auherhalb des Inhalts der Bildstreifen liegen. (3) Bildstreifen, bei denen die Gründe der Versagung der Zulassung nur hinfichtlich eines Teiles der dargestellten Vorgänge zutreffen, find zuzulafien, wenn die beanstandeten Teile aus den zur Vorführung gelangenden Positiven ausgeschnitten und der Prüfungsstelle übergeben werden, auch der Prüfungsstelle Sicherheit dafür gegeben ist, daß die beanstandeten Teile nicht verbreitet werden.

31. SlelchS-Lichtspielgrsetz (1920).

(Beschränkte Zulassung)

[81

§ 2.

Bildstreifen von wissenschaftlicher oder künstlerischer Bedeu­ tung, gegen deren unbeschränkte Borführung Bedenken gemäß § 1 vorliegen, können zur Borführung vor bestimmten Personen­ kreisen zugelassen werden. (Zugmdfilme)

§ 8.

(1) Bildstreifen, zu deren Vorführung Jugendliche unter acht­ zehn Jahren zugelassen werden sollen, bedürfen besonderer Zu­ lassung. (2) Von der Vorführung vor Jugendlichen find außer den im § 1 Abs. 2 verbotenen alle Bildstreifen auszuschliehen, von welchen eine schädliche Einwirkung auf die sittliche, geistige oder gesundheitliche Einwirkung oder eine Überreizung der Phantasie der Jugendlichen zu besorgen ist. (3) Auf Antrag des gemeindlichen Jugendamts oder eines Jugendamts des Bezirkes oder, falls kein Jugendamt besteht, auf Antrag der Schulbehörde kann unbeschadet weitergehender landesgesetzlicher Vorschriften die Gemeinde oder ein Gemeinde­ verband nach Anhörung von Vertretern der Organisationen für Jugendpflege zum Schutze der Gesundheit und der Sittlichkeit weitere Bestimmungen für die Zulassung der Jugendlichen fest­ setzen, au deren Innehaltung die Unternehmer oer Lichtspiele verpflichtet find. Diese können Einspruch gegen die Festsetzung bei der zuständigen Stelle erheben. (4) Kinder unter sechs Jahren dürfen zur Vorführung von Bildstreifen nicht zugelassen werden. lWiderruf der Zulassung)

§ 4.

(1) Die Zulassung eines Bildstreifens kann auf Antrag einer

Landeszentralbehörde durch die Obervrüfungsstelle für das Reich oder ein bestimmtes Gebiet widerrufen werden, wenn das Zu­ treffen der Voraussetzungen der Versagung (§§ 1, 3) erst nach der Zulassung hervortritt. (2) Der Widerruf erfolgt aus Grund erneuter Prüfung. In dem Verfahren ist einem Vertreter der antragstellenden Landes­ zentralbehörde Gelegenheit zur Äußerung zu geben. (3) Wird der Bildstreifen, gegen den Widerruf beantragt ist, nicht binnen einer von der Oberprüfstelle gesetzten Frist zur ung vorgelegt, so kann der Widerruf ohne erneute Prüfung gen1).

a

*) Abs. 3 hinzugefügt durch G. v. 23. Dez. 1922.

81]

31. AeichS.Lichtfpielgesetz (1920).

§ 5.

[Umfang der Prüfung)

(1) Die Prüfung der Bildstreifen umfaßt die Bildstreifen selbst, den Titel und den verbindenden Tert in Wort und Schrift. (2) Die zur Vorführung von Bildstreifen gehörige Reklame an den Geschäftsräumen und öffentlichen Anschlagstellen und die Reklame durch Verteilung von Druckschriften beoarf. soweit sie nicht bereits von der Prufunasstelle genehmigt worden ist, der Genehmigung der Ortspolizeibehörde. Sie darf nur unter den Voraussetzungen des § 1 Abf. 2, § 3 Abs. 2 versagt werden.

§ 6.

[Zulassung durch Ortspolizei)

Bildstreifen über Tagesereignisse und Bildstreifen, die lediglich Landschaften oarstellen, find von der Ortspolizeibehörde, sofern kein Versagungsgrund im Sinne der 88 1 und 3 gegeben ist, für ihren Bezirk selbständig zuzulassen, ohne daß es einer Entscheidung der Prüfungsstellen bedarf. [Wiedervorlegung nach Ablehnung]

§ 7.

Ist die Zulassung eines Bildstreifens von einer Prüfungs­ stelle abgelehnt, so darf der Bildstreifen, auch in abgeanderter Form, erner Prüfungsstelle nur unter Angabe dieses Umstandes wieder vorgelegt werden. Prüfungsftellen. [PrüfungSstellen und Oderprüfungsstelle]

8

o.

(1) Prüfungsstellen werden nach Bedarf an den HauptfiKen der Filmindustrie errichtet'). Ihre Zuständigkeit wird räumlich abgegrenzt. Zur Entscheidung über Beschwerden (§ 13) wird eine Oberprüfungsstelle in Berlin gebildet. (2) Die von einer Prüsungsstelle erfolgte Zulassung der Bildstreifen hat für das gesamte Reichsgebiet Gültigkeit. [Zuf.fetzung der PrüfungSstellen]

§ 8.

(1) Die Prüfungsstellen setzen sich aus beamteten Vorsitzenden und Beisitzern zusammen. Von den Beisitzern ist je ein Viertel den Kreisen des Lichtspielgewerbes und der auf den Gebieten der Kunst und Literatur bewanderten Personen, die Hälfte den auf den Gebieten der Volkswohlfahrt, der Volksbildung oder der Iugendwohlfahrt besonders erfahrenen Personen zu entnehmen. Mit Ausnahme der Vertreter des Lichtfvrelgewerbes dürfen Bei­ sitzer an diesem Gewerbe nicht geschäftlich oder beruflich be­ teiligt sein. ') PrüfungSstellen sind in Berlin und München errichtet.

31. ReichSLichtspielgesetz (1920).

[81

(2) Die Mitglieder der Prüfungsstellen werden vom Reichs­ minister des Innern ernannt. Die Beamten sollen Persönlich­ keiten von pädagogischer und künstlerischer Bildung sein. Bei der Auswahl der Beamten und Beisitzer sind auch Frauen heranzu­ ziehen. Bei der Auswahl der Beisitzer aus den Kreisen des Licht­ spielgewerbes sind die Angestellten und Arbeiter dieses Gewerbes ausreichend zu berücksichtigen. Die Beisitzer werden auf die Dauer von drei fahren auf Grund von Vorschlagslisten der beteiligten Verbände ausgewählt.

§ 10.

lBkisttzer,

(1) Die Beisitzer find von dem Vorsitzenden für die Dauer ihrer Tätigkeit durch Handschlag darauf zu verpflichten, daß sie nach bestem Wisien uno Eewisien ohne Ansehen der Person ihr Urteil abgeben wollen. (2) Sie erhalten Anwesenheitsgelder und Ersatz der Reise­ kosten.

Prüfungsverfahren, § 11.

s Förmlichkeiten der Entscheidung)

(1) Die Prüfungsstelle entscheidet in der Besetzung von fünf Mitgliedern, die aus einem beamteten Vorsitzenden und vier Beisitzern bestehen. Von den Beisitzern ist einer dem Lichtspiel­ gewerbe und zwei den Kreisen der auf den Gebieten der Volks­ wohlfahrt, der Volksbildung oder der Zugendwohlfahrt beson­ ders erfahrenen Personen zu entnehmen. (2) Bei Prüfung der Bildstreifen, die zur Vorführung in Zugendvorstellungen bestimmt sind, find auch Zugendliche im Alter von 18 bis 20 Zähren nach Bestimmung der Ausschüsse für Zugendwohlfahrt zu hören. (3) Hat der Vorsitzende keine Bedenken, so kann er die Zulaffung auch ohne Zuziehung von Beisitzern aussprechen. Auf Verlangen zweier Beisitzer hat die Prüfungsstelle zu entscheiden.

^Beschwerde)

§ 12.

(1) Wird ein Bildstreifen von einer Prüfungsstelle ganz oder teilweise verboten, so steht dem Antragsteller gegen den Bescheid (5 15) innerhalb zwei Wochen vom Tage der Zustellung an das Recht der Beschwerde zu.

(2) Das gleiche Recht steht dem Vorsitzenden sowie zwei bei der Entscheidung beteiligten Mitgliedern oer Prüfungsstelle zu. Die Beschwerde ist in der Sitzung einzulegen.

81]

31. ReichS-Lichtf-ielgesetz (1920).

fOderprüfungSstelle]

§ 13.

(1) Auf Beschwerden entscheidet endgültig die Oberprüfungs-

stelle in der Besetzung von fünf Mitgliedern, die aus einem beamteten Vorsitzenden und vier Beisitzern bestehen. Die Vor­ schriften desL 11 finden Anwendung. (2) Die Mitglieder der Prüfungsstelle, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, find zu den Verhandlungen zu laden, wenn ihre schriftliche Äußerung nach Ansicht der Obervrüfungsftelle nicht genügt- an der Beschlußfassung nehmen sie nicht teil. Der Antragsteller oder ein von ihm bestellter Vertreter ist auf Ver­ langen zu hören. §14. über die Zulassung eines Bildstreifens wird, abgesehen von dem Falle des § 6, dem Antragsteller eine Zulassungskarte aus­ gestellt.

§15. Bei Ablehnung eines Bildstreifens ist dem Antragsteller ein schrist. licher Bescheid zuzustellen, der auf Antrag mit Gründen zu ver­ sehen ist.

§16. Für die Prüfung der Bildstreifen und die Ausstellung der Zu­ lassungskarten werden Gebühre« erhoben. Die Gebührenpflicht wird durch eine Ordnung geregelt, die von ver Reichsregierung mit Zu stimmung des ReichSratS erlassen wird. Auf Verlangen der Prüfungs­ stelle ist der Antragsteller verpflichtet, bei Stellung des Antrags Vor­ schuß zu leisten.

Übergangs- und Strafbestimmungen. §17. Bildstreifen, d i e vor Inkrafttreten dieses G e fetzes hergeftellt und bereits im Berkehre find, sind innerhalb eines Jahres, nachdem dieses Gesetz Gesetzeskraft erlangt hat, einer Prüfungsstelle (§ 8) vorzusühren. Nach Ablauf dieser Frist finden die Vorschriften dieses Gesetzes auch auf die Vorführung dieser Bildstreifen Anwendung. BiS zur Prüfung dieser Bildstreifen durch die Prüfungs­ stellen unterliegt ihre Zulassung der Genehmigung der einzelnen Orts­ polizeibehörde oder der bisher zuständigen Landesstelle. Sie sind nur zuzulassen, wenn keine Bedenken gemäß §§ 1, 3 entgegenstehen.

§18. (1) Wer vorsätzlich entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes Bild­ streifen oder Teile von solchen, die von den zuständigen Behörden ver-

[32

32. NeichSvereinSgefetz (1908).

boten, nicht zugelassen oder deren Zulassung widerrufen ist, vorführt oder zum Zwecke der öffentlichen Vorführung im Inland oder Ausland inden Verkehr bringt, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren und mit Geldstrafe bis zu hunderttausend Mark oder mit einer dieser Strafen bestraft. Handelt der Täter fahrlässig, so wird er mit Geldstrafe bis zu zehntausend Mark bestraft. (2) In gleicher Weise wird bestraft, wer vorsätzlich Bildstreifen, die zur Vorführung vor Jugendlichen nicht zugelassen sind (§ 3 Abs. 1), in Jugendvorstellungen vorführt.

§19. (1) Wer eine nicht genehmigte Reklame benutzt (§ 5 Abs. 2) oder einer Prüsungsstelle einen bereits abgelehnten Bildstreifen unter wissentlicher Verschweigung dieses Umstandes vorlegt (§ 7) oder wer Jugendliche den Bestimmungen des § 3 entgegen zu den allge­ meinen Vorstellungen zuläßt, wird mit Geldstrafe bis zehntausend Mark bestraft. (2) Handelt der Täter fahrlässig, so wird er mit Geldstrafe bi- zu dreitausend Mark bestraft.

§20. (1) Neben der Strafe kann aus Einziehung deS Bildst r e i f e n s erkannt werden, ohne Unterschied, ob er dem Verurteilten gehört oder nicht. Ist die Verfolgung oder die Verurteilung einer bestimmten Person nicht ausführbar, so kann auf Einziehung des Bild­ streifens selbständig erkannt werden. (2) Außerdem kann, sofern der Täter vorsätzlich gehandelt hat, bizu drei Monaten und bei wiederholtem Rückfall dauernd der schuldigen Person das Betreiben deS Gewerbe- untersagt werden.

32. Reichsvereinsgesetz. Dom 19. April 1908 (NSDl. 6. 635). [DaS BereinSgesetz gilt noch, soweit eS nicht durch den Ausruf deS RatS der VolkSbeauftragten vom 12. November 1918 (RGBl. 1303) und die ReichSverfasiung (Art. 123, 124, 137, 159) außer Kraft gesetzt ist. (Art. 178 Abs. 2 RB.) über einzelnes besteht Streit. Die Zweifelhafren Bestimmungen sind (im Kleindruck) im Text mit abgedruckt. Der Reichsminister deS Innern betrachtet, wie aus der Begründung deS Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung deS BereinSgesetzeS (Reichstagsdrucks. IV 1928 Nr. 1083 — ausgegeben am 8. Juni 1929) hervorgeht, die §§ 6, 6, 7, 9 und 17 als mit der Ver­ fassung in Widerspruch stehend.j

Bühler, Berwaltungsgesetze.

26

82]

32. NeichsvereinSgesetz (1308).

[VereinSfreiheit)

§ 1.

(1) Alle Reichsangehörigen haben das Recht, zu Zwecken, die den Strafgesetzen nicht zuwiverlaufen, Vereine zu bilden und sich zu versammeln. Dieses Recht unterliegt polizeilich nur den in diesem Gesetz und anderen Reichsgesetzen enthaltenen Beschrän­ kungen. (2) Die allgemeinen ficherbeitspolizeilichen Bestimmungen des Landesrechts finden Anwendung, soweit es sich um die Ver­ hütung unmittelbarer Gefahr für Leben und Gesundheit der Teilnehmer an einer Versammlung handelt. [Strafbare Vereine)

§ 2.

(1) Ein Verein dessen Zweck den Strafgesetzen') zuwider­ läuft, kann aufgelöst werden. (2) Die Auflösungsverfügung kann im Wege des Berwaltungsstreitverfahrens und, wo ein solches nicht besteht, im Wege des Rekurses nach Maßgabe der Vorschriften der §§ 20, 21 der Gewerbeordnung angefochten werden. (3) Die endgültige Auflösung eines Vereins ist öffentlich bekanntzumachen. [Politische Vereine)

§ 3.

(1) Jeder Verein, der eine Einwirkung auf politische An­

gelegenheiten bezweckt (politischer Verein), muß einen Vorstand und eine Eichung haben. (2) Der Vorstand ist verpflichtet, binnen einer Frist von zwei Wochen nach Gründung des Vereins die Satzung sowie das Verzeichnis der Mitglieder des Vorstandes der für den Sitz des Vereins zuständigen Polizeibehörde einzureichen. Uber die er­ folgte Einreichung ist eine kostenfreie Bescheinigung zu erteilen. (3) Ebenso ist jede Änderung der Satzung sowie jede Ände­ rung in der Zusammensetzung des Vorstandes binnen einer Frist von zwei Wochen nach dem Eintritte der Änderung anzuzeigen. (4) Die Satzung sowie die Änderungen find in deutscher Fassung einzurerchen. Ausnahmen von dieser Vorschrift können von der höheren Verwaltungsbehörde zugelassen werden. ') Dazu kommt, wegen der militärischen Vereine, Art. 177 des Versailler Vertrags, s. das Ausführungsgesetz zum Friedensvertrag, vom 31. August 1919 (RGBl. S. 1530), § 22, und das Gesetz vom 23. März 1921 (RGBl. S. 235). Durch die genannten Gesetze müssen Vereine, die durch ihre Satzungen oder ihr Verhalten mit den Vor­ schriften des Art. 177 VB. in Widerspruch stehen oder treten, aufgelöst werden.

32. NeichSvereinSgefetz (IDOS).

fWahlvorbereitende vereine!

[82

§ 4.

Personenmehrheiten, die vorübergehend zusammentreten, um im Auftrage von Wahlberechtigten Vorbereitungen für be­ stimmte Wahlen zu den auf Gesetz oder Anordnung von Behör­ den beruhenden öffentlichen Körperschaften zu treffen, aelten vom Tage der amtlichen Bekanntmachung des Wahltags brs zur Beendigung der Wahlhandlung nicht als politische Vereine. lAnzeigrpflichtf.pol.versamml!

§ 51).

Wer eine öffentliche Versammlung zur Erörterung politischer An­ gelegenheiten (politische Versammlung) veranstalten will, hat hiervon mindestens 24 Stunden vor dem Beginne der Versammlung unter An­ gabe des Ortes und der Zeit bei der Polizeibehörde Anzeige zu er­ statten. Uber die Anzeige ist von der Polizeibehörde sofort eine kosten­ freie Bescheinigung zu erteilen.

lAuSnahmen v. b. Anzeigepflicht!

§ 61).

(1) Einer Anzeige bedarf es nicht für Versammlungen, die öffentlich bekanntgemacht worden sind; die Erfordernisse der Bekanntmachung be­ stimmt die Landeszentralbehörde. (2) Einer Anzeige bedarf es ferner nicht für Versammlungen der Wahlberechtigten zum Betriebe der Wahlen zu den auf Gesetz oder Anord­ nung von Behörden beruhenden öffentlichen Körperschaften vom Tage der amtlichen Bekanntmachung des Wahltags bis zur Beendigung der Wahl­ handlung. (3) Das gleiche gilt für Versammlungen der Gewerbetreibenden, ge­ werblichen Gehilfen, Gesellen, Fabrikarbeiter, Besitzer und Arbeiter von Bergwerken, Salinen, Aufbereitungsanstallen und unterirdisch betriebenen Brüchen und Gruben zur Erörterung von Verabredungen und Bereini­ gungen zum Behufe der Erlangung günstiger Lohn- und Arbeitsbedin­ gungen, insbesondere mittels Einstellung der Arbeit oder Entlassung der Arbeiter.

[Bersamml. unter freiem Himmel!

§ 71) 2).

(1) Öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge auf öffentlichen Straßen oder Plätzen bedürfen der Genehmigung der Polizeibehörde.

J) Tie Anzeigepflicht (§§ 5, 5, 9) und die Genehmigungspflicht (§ 7) sind beseitigt durch Art. 123 Abs. 1 RV., schon vorher durch Ziff. 2 des Ausrufs der Bolksbeaustragten. Da dies aber nicht in allen Beziehungen unbestritten ist, werden die §§ 5—9 mitabgedruckt. 2) Jedoch läßt Art. 123 Abs. 2 RB. die Einführung einer An­ meldepflicht für Versammlungen unter freiem Himmel zu. — Nach § 1

32]

82. AeichSvereinSgesetz (1808).

(2) Die Genehmigung ist von dem Veranstalter mindestens vierund­ zwanzig Stunden vor dem Beginne der Versammlung oder deS Auszugs unter Angabe deS OrteS und der Zeit nachzusuchen. Sie ist schriftlich zu erteilen und darf nur versagt werden, wenn auS der Abhaltung der Versammlung oder der Veranstaltung deS Auszugs Gefahr für die ösfentliche Sicherheit zu befürchten ist. Im Falle der Verweigerung ist dem Veranstalter sofort ein kostenfreier Bescheid mit Angabe der Gründe zu erteilen. lAuSnahmen von $ 7]

§ 81).

Eine Versammlung, die in einem geschlossenen Raume veranstaltet wird, ist nicht schon deshalb als Versammlung unter freiem Himmel anzusehen, weil außerhalb deS Versammlungsraums befindliche Personen an der Erörterung teilnehmen, oder weil die Versammlung in einen mit dem Versammlungsräume zusammenhängenden umfriedeten Hof oder Garten verlegt wird.

(Anzeige statt Genehmigung]

§ 91).

(1) Der Landeszentralbehörde bleibt eS überlassen zu bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen für Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge die Genehmigung durch Anzeige oder öffentliche Bekanntmachung ersetzt wird. (2) Gewöhnliche Leichenbegängnisse sowie Züge der HochzeitSgesellschäften, wo sie hergebracht sind, bedürfen der Anzeige oder Genehmigung nicht. Der LandeSzentralbehörde bleibt eS überlassen, zu bestimmen, daß auch andere Aufzüge der Anzeige und Genehmigung nicht bedürfen, und daß Aufzüge, die durch mehrere Ortschaften führen, nur einer Polizei­ behörde angezeigt und von ihr genehmigt zu werden brauchen.

§ 10, Jede öffentliche politische Versammlung mutz einen Leiter haben. Der Veranstalter ist berechtigt, die Leitung selbst zu übernehmen, fie einem andern zu üoertragen oder die Wahl des Leiters durch die Versammlung xii veranlassen. Der Leiter oder, solanae dieser nicht bestellt ist, der Veranstalter bat für Rübe und Ordnung in der Versammlung zu sorgen. Er ist befugt, die Versammlung für aufgelost zu erNären.

(Leiter der polit. Versammlung]

§ H. Niemand darf in einer öffentlichen Versammlung oder einem Aufzuge, der auf öffentlichen Straßen oder Plätzen statt**

(Wafienverdot]

deS Gesetze- über die Befriedung der Gebäude deS Reichstags und der Landtage vom 8. Mai 1920 (RGBl. S. 909) sind Versammlungen und Umzüge innerhalb deS befriedeten Bannkreise- dieser ParlamentSgebäude verboten. *) S. Anm. 1 und 2 zu § 7.

32. ReichSvereinSgesetz (1908).

[32

finden soll, bewaffnet erscheinen, es sei denn, datz er vermöge öffentlichen Berufs zum Waffentragen berechtigt oder zum Er­ scheinen mit Waffen behördlich ermächtigt ist.

§12. (Enthielt Vorschriften über den Gebrauch der deutschen Sprache in öffentlichen Versammlungen und ist aufgehoben durch das Gesetz, be­ treffend die Abänderung des Vereinsgesetzes, vom 19. April 1917 (RGBl. S. 361.] (Beauftragte der Polizeibehörde)

§13.

(1) Beauftragte, welche die Polizeibehörde in eine öffentliche Versammlung (§fc 5, 6, 7, 8, 9 [, 12]?) entsendet, haben sich unter Kundgebung ihrer Eigenschaft dem Leiter oder, solange dieser nicht bestellt ist, dem Veranstalter der Versammlung zu er­ kennen zu geben. (2) Den Beauftragten mutz ein angemessener Platz ein­ geräumt werden. Die Polizeibehörde darf nicht mehr als zwei Beauftragte entsenden. [Auslösung der Versammlung)

§ 14.

(1) Die Beauftragten der Polizeibehörde sind befugt, unter Angabe des Grundes oie Versammlung für aufgelöst zu erklären, 1. (Ziffer 1 betraf die Fälle des § 12 Abs. 3, s. das.]; 2. wenn die Genehmigung nicht erteilt ist (§ 7)3);

3. wenn die Zulassung der Beauftragten der Polizeibehörde (§ 13 Abs. 1) verweigert wird4. wenn Bewaffnete, die unbefugt in der Versammlung an­ wesend sind, nicht entfernt werden (§ 11); 5. wenn in der Versammlung Anträge oder Vorschläge er­ örtert werden, die eine Aufforderung oder Anreizung zu Verbrechen oder nicht nur auf Antrag zu verfolgenden Vergehen enthalten6. (Ziffer 6 betraf Fälle des § 12, s. das.] (2) Ist eine Versammlung für aufgelöst erklärt worden, so hat die Polizeibehörde dem Leiter der Versammlung die mit Tatsachen zu belegenden Gründe der Auflösung schriftlich mitzu­ teilen, falls er dies binnen drei Tagen beantragt.

[Anfechtung der Auflösung)

§ 15.

Auf die Anfechtung der Auflösung einer Versammlung finden die Vorschriften des § 2 Abs. 2 Anwendung. i) S. Anm. 1 zu §§ 5, 6 u. 7, Anm. 2 zu § 7 u. Anm. 1 zu §§ 8,9. -) S. Anm. 1 u. 2 zu § 7.

32]

32. NeichSvereinSgesetz (1908).

l Entfernung der Anwesenden)

§ 16.

Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, sind alle Anwesenden verpflichtet, sich sofort zu entfernen.

l Jugendliche]

§ 171).

Personen, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, dürfen nicht Mitglieder von politischen Vereinen sein und weder in den Versammlungen solcher Vereine, sofern es sich nicht um Veranstaltungen zu geselligen Zwecken handelt, noch in öffentlichen politischen Versamm­ lungen anwesend sein. lArbettgeder' u. nehmerverbände] § 17a2). Die Vorschriften der §§ 3, rz1) über politische Vereine und deren Versammlungen') find auf Vereine von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zum Behufe der Erlangung günstiger Lohn- und Arbeitsbedingungen nicht aus dem Grunde anzuwenden, weil diese Vereine auf solche Angelegenheiten der Sozialpolitik oder der Wirtschaftspolitik einzuwirken bezwecken, die mit der Er­ langung oder Erhaltung günstiger Lohn- oder Arbeitsbedin­ gungen oder mit der Wahrung oder Förderung wirtschaftlicher oder gewerblicher Zwecke zugunsten ihrer Mitglieder oder mit allgemeinen beruflichen Fragen im Zusammenhänge stehen.

IStrasdestimmungen]

§18.

Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünftig Mark, an deren Stelle im Unvermögensfalle Haft tritt, wird bestraft: 1. wer als Vorstand oder als Mitglied des Vorstandes eines Vereins den Vorschriften über die Einreichung von Satzungen und Verzeichnissen (§ 3 Abs. 2 bis 4) zuwiderhanoelt; 2. wer eine Versammlung ohne die durch §§ 5, 6, 7, 8, 9 dieses

Gesetzes vorgeschriebene Anzeige oder Bekanntmachung veranstaltet oder leitet3); 3. wer als Veranstalter oder Leiter einer Versammlung den Beauftragten der Polizeibehörde die Einräumung eines angemessenen Platzes verweigert (§ 13 Abs. 2); 4. wer sich nach Erklärung der Auflösung einer Versammlung nicht sofort entfernt (g 16);

') § 17 beseitigt durch Ziff. 2 des Aufrufs der Volksbeauftragten. S. aber die Anm. im Text vor § 1. 2) § 17a eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des Vereinsgesetzes, vom 26. Juni 1916 (RGBl. S. 635). 3) S. Anm. 1 ju 5, 6 u. 7, Anm. 2 zu tz 7 u. Anm. 1 zu §§ 8, 9.

32. ReichSvereinSgesetz htn»eie-kletz (1896).

8«)

36. lReichS-s Telegraphenwegegesetz. Dom 18. Dezember 1899 (RSDl S. 705). sDas Gesetz bringt für eine bestimmte Art öffentlich-recht kicher Eigentumsbeschränkungen eine grundsätzlich wich­ tige Regelung.! sDurchführuu- der leit» grapheuliuieus

§ 1.

(1) Die Telegraphenverwaltung ist befugt, die Verkehrswege für ihre zu öffentlichen Zwecken bienenden Telegraphenlinien au benutzen, soweit nicht dadurch der Gemeingebrauch der Verrehrsweae dauernd beschränkt wird. Als Verkehrswege im Sinne dieses Gesetzes gelten, mit Einschluß des Luftraums und des Erdkörpers, die öffentlichen Wege. Plätze, Brücken und die öffentlichen Gewässer nebst deren dem öffentlichen Gebrauche dienenden Ufern. (2) Unter Telegraphenlinien find die Fernsprechlinien mit­ begriffen.

sveuutzung der Verkehrsweges

§ 2.

(1) Bei der Benutzung der Verkehrswege ist eine ErSwerung ihrer Unterhaltung und eine vorübergehende Beränkung ihres Gemeingebrauchs nach Möglichkeit zu ver­ meiden. (2) Wird die Unterhaltung erschwert, so hat die Telegraphen­ verwaltung dem Unterbaltungspflichtigen die aus oer Er­ schwerung erwachsenden Kosten zu ersetzen. (3) Nach Beendigung der Arbeiten an der Telegraphenlinie hat die Telegraphenverwaltung den Verkehrsweg so bald als möglich wieder instand zu setzen, sofern nicht der Unterhaltungs­ pflichtige erklärt hat, die Instandsetzung selbst vornehmen zu wollen. Die Telegraphenverwaltung hat dem Unterhaltungs­ pflichtigen die Auslagen für die von ihm voraenommene In­ standsetzung Hu vergüten und den durch die Arbeiten an der Telegraphenlinie entstandenen Schaden zu ersetzen.

sErlSsche« deS Benutzungs­

rechts!

§ 3.

(1) Ergibt sich nach Errichtung einer Telegraphenlinie, daß sie den Gemeingebrauch eines Verkehrswegs, und zwar nicht nur vorübergehend, beschränkt oder die Vornahme der au seiner Unterhaltung erforderlichen Arbeiten verhindert oder oer Aus­ führung einer von dem Unterhaltungspflichtigen beabsichtigten

36. Reichs leltgraphenwegegesetz (1899).

[86

Änderung des Verkehrswegs entgegensteht, so ist die Telegraphenlinie, soweit erforderlich, abzuändern oder gänzlich zu beseitigen. (2) Soweit ein Verkehrsweg eingezogen wird, erlischt die Befugnis der Telegraphenverwaltung zu seiner Benutzung. (3) In allen diesen Fällen hat die Telegrapbenverwaltung die gebotenen Änderungen an der Telegraphenlinie auf ihre Kosten zu bewirken.

lBaumpflarr-rmgen)

§ 4.

(1) Die Baumpslanzungen auf und an den Verkehrswegen sind nach Möglichkeit zu schonen, auf das Wachstum der Bäume ist tunlichst Rücksicht zu nehmen. Ausästungen können nur inso­ weit verlangt werben, als sie zur Herstellung der Telegraphen­ linien oder zur Verhütung von Betriebsstörungen erforderlich sind; sie sind auf das unbedingt notwendige Matz zu beschränken. (2) Die Telegraphenverwaltuna hat dem Besitzer der Baum­ pflanzungen eine angemesiene Frist zu setzen, innerhalb welcher er die Ausättungen selbst vornehmen kann. Sind die Ausästunjen innerhalb der Frist nicht oder nicht genügend vorgenommen, o bewirkt die Telegraphenverwaltung die Ausästungen. Dazu ist sie auch berechtigt, wenn es sich um die dringliche Verhütung oder Beseitigung emer Störung yandelt. (3) Die Telegrapbenverwaltung ersetzt den an den Baum­ pflanzungen verursachten Schaden und die Kosten der auf ihr Verlangen vorgenommenen Ausästungen.

f

lRückstcht aus vorhandene Anlagen)

§ 5.

(1) Die Telegraphenlinien sind so auszufübren, datz sie vor­ handene besondere Anlagen (ber Wegeunteryaltung dienende Einrichtungen, Kanalisations-, Wasier-, Gasleitungen, Schienen­ bahnen, elektrische Anlagen und dergleichen) nicht störend beein­ flussen. Die aus der Herstellung erforderlicher Schutzvorkehrungen erwachsenden Kosten hat Die Telegraphenverwaltung zu tragen. (2) Die Verlegung oder Veränderung vorhandener beson­ derer Anlagen kann nur gegen Entschädigung und nur dann verlangt werden, wenn die Benutzung des Verkehrswegs für die Telegravhenlinie sonst unterbleiben mühte und die besondere Anlage anoerweit ihrem Zwecke entsprechend untergebracht werden kann. (3) Auch beim Borbandensein dieser Voraussetzungen hat die Benutzung des Verkehrswegs für die Telegraphenlinie zu

86]

36. Reichs Telegraphenwe-egesetz (1899).

unterbleiben, wenn der aus der Verlegung oder Veränderung der besonderen Anlage entstehende Schaden gegenüber den Kosten, welche der Telearaphenverwaltung aus oer Benutzung eines anderen ihr aut Verfügung stehenden Verkehrswegs er­ wachsen, unverhältnismäßig groß rst. (4) Diese Vorschriften finden auf solche in der Vorbereitung befindliche besondere Anlagen, deren Herstellung im öffentlichen Interesse liegt, entsprechende Anwendung. Eine Entschädigung auf Grund des Abs. 2 wird nur bis zu dem Betrage der Auf­ wendungen gewährt, die durch die Vorbereitung entstanden find. Als in der Vorbereitung begriffen gelten Anlagen, sobald fie auf Grund eines im einzelnen ausgearbeiteten Planes die Ge­ nehmigung des Auftraggebers und^ soweit erforderlich, die Ge­ nehmigungen der zuständigen Behörden und des Eigentümers oder des sonstigen Nutzungsberechtigten des in Anspruch ge­ nommenen Weges erhalten haben. lSpätere Anlagen]

§ 6.

(1) Spätere besondere Anlagen sind nach Möglichkeit so aus­ zuführen. daß fie die vorhandenen Telegraphenlinien nicht störend oeeinflussen.

(2) Dem Verlangen der Verlegung oder Veränderung einer Telegraphenlinie mutz auf Kotten der Telegraphenverwaltung ftattgegeben werden, wenn sonst die Herstellung einer späteren besonderen Anlage unterbleiben müßte oder wesentlich erschwert werden würde, welche aus Gründen des öffentlichen Interesses, insbesondere aus volkswirtschaftlichen oder Verkehrsrückfichten, von den Wegeunterhaltungspflichtigen oder unter überwiegender Beteiligung eines oder mehrerer derselben zur Ausführung ge­ bracht weroen soll. Die Verlegung einer nicht lediglich dem Orts-, Vororts- oder Nachbarortsverkehr dienenden Telegrapbenlinie kann nur dann verlangt werden, wenn die Tele­ graphenlinie ohne Aufwendung unverhältnismäßig hoher Kotten anderweitig ihrem Zwecke entsprechend untergebracht weroen kann. (3) Muß wegen einer solchen späteren besonderen Anlage die schon vorhandene Telegraphenlinie mit Schutzvorkehrungen ver­ sehen werden, so find die dadurch entstehenden Kosten von der Telegraphenverwaltung zu tragen. (4) Überläßt ein Wegeunterhaltunaspflichtiger seinen Anteil einem nicht unterhaltungspflichtigen Dritten, so find der Tele­ graphenverwaltung die durch die Verlegung oder Veränderung oder durch die Herstellung der Schutzvorkehrungen erwachsenden Kosten, soweit fie auf dessen Anteil fallen, zu erstatten.

3fl. Reichs Telegraphenwegegesetz (1899).

s36

(5) Die Unternehmer anderer als der in Abs. 2 bezeichneten besonderen Anlagen haben die aus der Verlegung oder Ver­ änderung der vorhandenen Telegraphenlinien oder aus der Herstellung der erforderlichen Schutzvorkehrungen an solchen erwacysenden Kosten zu tragen. (6) Auf spätere Änderungen vorhandener besonderer An­ lagen finden die Vorschriften der Abs. 1 bis 5 entsprechende Anwendung. sPlan der Telegraphenlime)

§ 7.

(1) Vor der Benutzung eines Verkehrswegs zur Ausführung neuer Telegrapbenlinien oder wesentlicher Änderungen vorhan­ dener Telegrapyenlinien hat die Telegraphenverwaltung einen Plan aufzustellen. Der Plan soll die in Aussicht genommene Richtungslinie, den Raum, welcher für die oberirdischen oder unterirdischen Leitungen in Anspruch genommen wird, bei ober­ irdischen Linien auch die Entfernung oer Stangen voneinander und deren Höhe, soweit dies möglich ist, angeben. (2) Der Plan ist, sofern die Unterhaltungspflicht an dem Verkehrsweg einem Bundesstaat, einem Kommunalverband oder einer anderen Körperschaft des öffentlichen Rechtes obliegt, dem Unterhaltungspflichtiaen, andernfalls der unteren Verwaltungs­ behörde mitzuterlen' diese hat, soweit tunlich, die Unterhaltung^ pflichtigen von dem Eingänge des Planes zu benachrichtigen. Der Plan ist in allen Fällen, in denen die Verlegung oder Ver­ änderung einer der im § 5 bezeichneten Anlagen verlangt wird oder die Störung einer solchen Anlage zu erwarten ist, dem Unternehmer der Anlage mitzuteilen. (3) Außerdem ist der Plan bei den Post- oder Telegraphen­ ämtern, soweit die Telegraphenlinie deren Bezirke berübrt, auf die Dauer von vier Wochen öffentlich auszulegen. Die Zeit der Auslegung soll mindestens in einer der Zeitungen, welche im betreffenden Bezirke zu den Veröffentlichungen der unteren Verwaltungsbehörden dienen, bekanntgemacht werden. Die Auslegung kann unterbleiben, soweit es sich lediglich um die Führung von Telegraphenlinien durch den Luftraum über den Verkehrswegen handelt. sEinspruch gegen den Plans

§ 8.

Telegraphenverwaltung ist zur Ausführung des Planes befugt, wenn nicht gegen diesen von den Beteiligten oinnen vier Wochen bei der Behörde, welche den Plan aus­ gelegt hat, Einspruch erhoben wird. (1) Die

86]

SV. NeichSTelegraptzenwegegesetz (1890).

(2) Die Einspruchsfrist beginnt für diejenigen, denen der Plan gemäß den Vorschriften des § 7 Abs. 2 mitgeteilt ist, mit der Zustellung, für andere Beteiligte mit der öffentlichen Aus­ legung. (3) Der Einspruch kann nur darauf gestützt werden, daß der Plan eine Verletzung der Vorschriften der §§ 1 bis 5 dieses Gesetzes oder der auf Grund des § 18 erlassenen Anordnungen enthält. (4) über den Einspruch entscheidet die höhere Verwaltungs­ behörde. Eeaen die Entscheidung findet, sofern die höhere Verwaltungsbehörde nicht zugleich Landes-Zentralbehörde ist, binnen einer Frist von zwei Mocken nach oer Zustellung die Beschwerde an die Landes-Zentralbehörde statt. Die LandesZentralbehörde hat in allen Fällen vor der Entscheidung die Zentral-Telegraphenbehörde zu hören. Auf Antrag der Tele­ graphenverwaltung kann die Entscheidung der höheren Verwal­ tungsbehörde für vorläufig vollstreckbar erklärt werden. Wird eine für vorläufig vollstreckbar erklärte Entscheidung aufgehoben oder abgeändert, so ist die Telegraphenverwaltung aum Ersätze des Schadens verpflichtet, der dem Gegner durch die Ausführung der Telegraphenlmie entstanden ist. Mitteilung bei Plavei a« onbete Behörde«!

§ 9.

Auf Verlangen einer Landes-Zentralbehörde ist den von ihr bezeichneten öffentlichen Behörden Kenntnis von dem Plane durch Mitteilung einer Abschrift zu geben.

iüberschreituug bei Planes)

§ 10.

Wird ohne wesentliche Änderung vorhandener Telegraphen­ linien die Überschreitung des in dem ursprünglichen Plane für die Leitungen in Anspruch genommenen Raumes beabstchtigt und ist davon eine weitere Beeinträchtigung der Baumpflanzungen durch Ausästungen au befürchten, so ist oen Eigentümern der Baumpflanzungen vor der Ausführung Gelegenheit zur Wahr­ nehmung ihrer Interessen zu geben. lveausfichtiguug «sw. der Leitungen!

§ 11.

Die Reichstelegraphenverwaltung kann die Straßenbau- und Dolizeibeamten mit der Beauffichtigung und vorläufigen Wieder­ herstellung der Telegraphenleitungen nach näherer Anweisung

36. NeichSTele-ra-henvegegesetz (1890).

186

der Landes-Zentralbehörde beauftragen- sie hat dafür den Be­ amten im Einvernehmen mit der ihnen vorgesetzten Behörde eine besondere Vergütung zu bezahlen. »Luftraum anderer Gründstücke,

§ 12.

(1) Die Telegraphenverwaltung ist befugt, Telegraphen­ linien durch den Luftraum über Grundstücken, die nicht Ver­ kehrswege im Sinne dieses Gesetzes find, zu führen, soweit nicht dadurch die Benutzung des Grundstücks nach den zur Zeit der Serstelluna der Anlage bestehenden Verhältnissen wesentlich beeinträchtigt wird. Tritt später eine solche Beeinträchtigung ein, so hat die Telegraphenverwaltung auf ihre Kosten die Leitungen zu beseitigen. (2) Beeinträchtigungen in der Benutzung eines Grundstücks, welche ihrer Natur nach lediglich vorübergehend find, stehen der Führung der Telegravhenunien durch den Luftraum nicht entgegen, doch ist der entstehende Schaden zu ersetzen. Ebenso ist für Beschädigungen des Grundstücks und seines Zubehörs, die infolge der Führung der Telegraphenlinien durch den Luftraum eintreten, Ersatz zu leisten. (3) Die Beamten und Beauftragten der Telegraphenverwaltung, welche sich als solche ausweisen, sind befugt, zur Vor­ nahme notwendiger Arbeiten an Telegraphenlinien, insbeson­ dere zur Verhütung und Beseitigung von Störungen, die Grund­ stücke nebst den darauf befindlichen Baulichkeiten und deren Dächern mit Ausnahme der abgeschlossenen Wohnräume während der Tagesstunden nach vorheriger schriftlicher Ankündigung zu betreten. Der dadurch entstehenoe Schaden ist zu ersetzen.

sErsatzansprüches

§ 13.

(1) Die auf den Vorschriften dieses Gesetzes beruhenden Er­ satzansprüche verjähren in zwei Jahren. Die Verjährung be­ ginnt mit dem Schlüsse des Jahres, in welchem der Anspruch entstanden ist. (2) Ersatzansprüche aus den §§ 2, 4, 5 und 6 find bei der von der Landes-Zentralbehörde bestimmten Verwaltungsbehörde geltend zu machen. Diese setzt die Entschädigung vorläufig fest. (3) Gegen die Entscheidung der Verwaltungsbehörde steht binnen einer Frist von einem Monat nach der Zustellung des Bescheids die gerichtliche Klage zu. (4) Für alle anderen Ansprüche steht der Rechtsweg so­ fort offen.

86]

36. Reichs Telegraphenwegegesetz (1899).

I3»ftSudige Behörden]

§ 14.

Die Bestimmung darüber, welche Bebörde in jedem Bundes­ staat untere und höhere Verwaltungsbehörden im Sinne dieses Gesetzes sind, steht der Landes-Zentralbehörde zu. (Benutznng von Eisenbahngefönte]

§ 15.

Die bestehenden Vorschriften und Vereinbarungen über die Rechte der Telegraphenverwaltuna aut Benutzung des Eisen­ bahngeländes werden durch dieses Gesetz nicht berührt. sReichitelegraphenverwaltung]

§ 16.

Telegraphenverwaltung im Sinne dieses Gesetzes ist die Reichstelegraphenverwaltung, [bie Königlich bayerische und die Königlich Württembergische Telegravhenverwaltungs^). sHeereitelegraph]

§ 17.

Die Vorschriften dieses Gesetzes finden auf Telegraphen­ linien, welche die Militärverwaltung oder die Marineverwaltung für ihre Zwecke Herstellen läßt, entsprechende Anwendung. lAnordnnng bei ReichSpostMinisters]

§ 18.

Unter Zustimmung des Reichsrats') kann der Reichspost­ minister') Anordnungen') treffen: 1. über das Mah der Ausästungen; 2. darüber, welche Änderungen der Telegraphenlinien im Sinne des § 7 Abf. 1 als wesentlich anzusehen find; 3. über die Anforderungen, welche an den Plan auf Grund des § 7 Abs. 1 im einzelnen zu stellen sind; 4. über die unter Zuziehung der Beteiligten vorzunehmenden Ortsbesichtigungen und über die dabei entstehenden Kosten; 5. über das Einspruchsversahren und die dabei entstehenden Kosten; x) Die letzteren beiden sind weggefallen gemäß Art. 170 RB. und AuSfG. dazu vom 27. April 1920 (RGBl. S. 643). ') Art. 179 RB., Übergangsgesetz vom 4. März 1919 (RGBl. S. 285) §§ 3 und 5. ') Bom 26, Januar 1900 (RGBl. S. 7), geändert durch BO. vom 12. Dezember 1924 (RGBl. I S. 775) Anlage 1 Nr. 4.

•36. Reichs Telegraphenwegegtsetz (1899).

[36

6. über die Höhe der den Straßenbau- und Polizeibeamten zu gewährenden Vergütungen für die im Interesse der Reichstelegraphenverwaltung geforderten Dienstleistungen l Inkrafttretens

§ 19.

(1) Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1900 in Kraft. l2) Aus die vorhandenen, zu öffentlichen Zwecken dienenden Linien der Telegraphenverwaltung (§§ 16 und 17) findet dieses Gesetz Anwendung, soweit nicht entgegenstehende besondere Ver­ einbarungen getroffen sind.

87]

87. «eich».zM»s„fttz (1874).

V. Gesundheilsrecht.

37. ReichS-Zmpfgesetz. Dom 8. April 1874 (NSDI. 6. 31). sDaS seit 1874 nicht veränderte Gesetz schasst von Reichs wegen die Grundlage für den Impfzwang, der als besonders weitgehender Eingriff in die persönliche Freiheit zwar immer wieder angefochten, bis jetzt aber nicht abgeschafft worden ist.]

lZmpspflichti,.)

§ 1.

Der Impfung mit Schutzpocken soll unterzogen werden: 1. jedes Kind vor dem Abläufe des auf fein Geburtsjahr folgenden Kalenderjahres, sofern es nicht nach ärztlichem Zeugnis (§ 10) die natürlichen Blattern überstanden hat; 2. jeder Zögling einer öffentlichen Lehranstalt oder einer Privatschule, mit Ausnahme oer Sonntags« und Abendhulen, innerhalb des Jahres, in welchem der Zögling as zwölfte Lebensjahr zurücklegt, sofern er nicht nach ärztlichem Zeugnis m den letzten fünf Jahren die natür­ lichen Blattern überstanden hat oder nut Erfolg geimpft worden ist.

f

[«ulna|mtn atm J«»>zwang)

§ 2.

(1) Ein Jmpfpflichtiger (§ 1), welcher nach ärztlichem Zeug­ nis ohne Gefahr für fein Leben oder für seine Gesundheit nicht geimpft werden kann, ist binnen Jahresfrist nach Aufhüren des diese Gefahr begründenden Zustandes der Impfung zu unter­ ziehen.

(2) 06 diese Gefahr noch fortbesteht, hat in zweifelhaften Fällen der zuständige Jmpfarzt (§ 6) endgültig zu entscheiden. lWiedkrholuu, der 3m*fun(]

§ 3.

(1) Ist eine Impfung nach dem Urteile des Arztes (§ 5) erfolglos geblieben, so mutz sie spätestens im nächsten Jahre und, falls fie auch dann erfolglos bleibt, im dritten Jahre wieder­ holt werden. (2) Die zuständige Behörde kann anordnen, daß die letzte Wiederholung der Impfung durch den Jmpfarzt (§ 6) vor­ genommen werde.

[37

37. ReichSImpfgesetz (1874).

(Nachholung der Impfung)

§ 4.

Ist die Impfung ohne gesetzlichen Grund (§§ 1, 2) unter­ blieben, so ist ste binnen einer von der zuständigen Behörde zu setzenden Frist nachzuholen. (Kontrolle üb. d. Erfolg d. Impfung)

§ 5.

Jeder Impfling mutz frühestens am sechsten, spätestens am achten Tage nach der Impfung dem impfenden Ärzte vorgestellt werden. (Impfbezirk und Zmpfarzt)

§ 6.

fi) 3n jedem Bundesstaate werden Impfbezirke gebildet, deren jeder einem Zmpfarzte unterstellt wird. (2) Der Zmpfarzt nimmt in der Zeit vom Anfang Mai bis Ende September jeden Jahres an den vorher bekanntzumachen­ den Orten und Tagen für die Bewohner des Jmpfbezirks Impfungen unentgeltlich vor. Die Orte für die Vornahme der Jmvfungen, sowie für die Vorstellung der Impflinge (§ 5) werden so gewählt, dah kein Ort des Bezirks von dem nächst belegenen Jmpforte mehr als fünf Kilometer entfernt ist. (Liste der Impfpflichtigen)

§ 7.

(1) Für jeden Impfbezirk wird vor Beginn der Impfzeit eine Liste der nach § 1 Ziffer 1 der Impfung unterliegenden Kinder von der zuständigen Behörde ausgestellt. Über die auf Grund des § 1 Ziffer 2 iiir Impfung gelangenden Kinder haben die Vorsteher der betresfenden Lehranstalten eine Liste anzufertigen. (2) Tie Jmpfärzte vermerken in den Listen, ob die Impfung mit oder ohne Erfolg vollzogen, oder ob und weshalb sie ganz oder vorläufig unterblieben ist. (3) Nach dem Schlüsse des Kalenderjahres sind die Listen der Be­ hörde einzureichen. (4) Tie Einrichtung der Listen wird durch den Bundesrat*) fest­ gestellt.

(Impfung durch andere Ärzte)

§ 8.

(1) Auster den Jmpfärzten sind ausschliestlich Arzte befugt, Impfungen vorzunehmen. f2) Sie haben über die ausgeführten Impfungen in der im § 7 vorgeschriebenen Form Listen zu führen und dieselben am Jahresschluh der zuständigen Behörde vorzulegen.

*) Jetzt die Art. 179 RB.

Reichsregierung

Bühler, Berwaltungsgesetze.

mit

Zustimmung

des

Reichsrats,

29

87]

37. ReichS-Jmpfgesetz (1874).

lBeschaffung der Lymphe] § 9. (1) Die Landesregierungen haben nach näherer Anordnung des BundeSratsl) dafür zu sorgen, datz eine angemessene Anzahl von Jmpfinftituten zur Beschaffung und Erzeugung von Schutzpockenlymphe ein­ gerichtet werde. (2) Die Jmpfinstitute geben die Schutzpockenlvmphe an die öffent­ lichen Jmpfärzte unentgeltlich ab und haben über Herkunft und Abgabe derselben Listen zu führen. (3) Die öffentlichen Jmpfärzte sind verpflichtet, auf Verlangen Schutzpockenlymphe, soweit ihr entbehrlicher Vorrat reicht, an andere Arzte unentgeltlich abzugeben.

§ 10.

(Impfschein]

(1) Über jede Impfung wird nach Feststellung ihrer Wir­ kung (§ 5) von dem Arzte ein Impfschein ausgestellt. In dem Impfschein wird, unter Angabe des Dor- und Zunamens des Impflings, sowie des Jahres und Tages seiner Geburt, be­ scheinigt, entweder, dah durch die Impfung der gesetzlichen Pflicht genügt ist, oder. oah die Impfung im nächsten Jahre wiederholt werden muh. (2) In den ärztlichen Zeugnissen, durch welche die gänzliche oder vorläufige Befreiuna von oer Impfung (§§ 1, 2) nach­ gewiesen werden soll, wiro. unter der für den Impfschein vor­ geschriebenen Bezeichnung der Person, bescheinigt, aus welchem Grunde und auf wie lange die Impfung unterbleiben darf. (Formular] §11. (1) Der BundesraN) bestimmt daS für die vorgedachten Bescheini­ gungen (§ 10) anzuwendende Formular. (2) Tie erste Ausstellung der Bescheinigung erfolgt stempel- und gebührenfrei. (Nachweis der Impfung]

§ 12.

Eltern, Pflegeeltern und Vormünder sind gehalten, aus amtliches Erfordern mittels der vorgeschriebenen Bescheinigunaen (§ 10) den Nachweis zu führen, dah die Impfung ihrer Kinder und Pflegebefohlenen erfolgt oder aus einem gesetzlichen Grunde unterblieben ist. (Impfung in Schulen]

§ 13.

(1) Die Vorsteher derjenigen Schulanstalten, deren Zöglinge dem Impfzwangs unterliegen (§ 1 Ziffer 2), haben bei der i) Jetzt die Art. 179 RV.

Reichsregierung

mit

Zustimmung

deS

ReichsratS,

37 ReichS-Impfgefetz (1874).

[87

Aufnahme von Schülern durch Einfordern der vorgeschriebenen Bescheinigungen festzustellen, ob die gesetzliche Impfung erfolgt ist. M Sie haben dafür zu sorgen, daß Zöglinge, welche während des Besuches der Anstalt nach § 1 Ziffer 2 impfpflichtig werden, dieser Verpflichtung genügen. l3) Ist eine Impfung ohne gesetzlichen Grund unterblieben, so haben sie auf deren Nachholung zu dringen. (4) Sie sind verpflichtet, vier Wochen vor Schluß des Schul­ jahres der zuständigen Behörde ein Verzeichnis derjenigen Schüler vorzulegen, für welche der Nachweis der Impfung nicht eroracht ist. [Strafen für Eltern ufto.)

§ 141).

m Eltern, Pflegeeltern und Vormünder, welche den nach § 12 ihnen obliegenden Nachweis zu führen Unterlasten, werden mit einer Geldstrafe bis zu zwanzig Mark bestraft. Eltern, Pflegeeltern und Vormünder, deren Kinder und Pflegebefohlene ohne gesetzlichen Grund und trotz erfolgter amt­ licher Aufforderung der Impfung oder der ihr folgenden Ge­ stellung (§ 5) entzogen geblieben sind, werden mit Geldstrafen bis zu fünfzig Mark oder mit Haft bis zu drei Tagen bestraft. [Strafen für Ärzte u. Schulleiter)

§ 151).

Ärzte und Schulvorsteher, welche den durch § 8 Absatz 2, § 7 und durch § 13 ihnen auferlegten Verpflichtungen nicht nach­ kommen, werden mit Geldstrafe bis zu einhundert Mark bestraft. [Unbefugte Impfungen)

§ 161).

Wer unbefugterweise (§ 8) Impfungen vornimmt, wird mit Geldstrafe bis zu einhundertsünfzig Mark oder mit Haft bis zu vierzehn Tagen bestraft. [Fahrläffigkeit bei Impfung)

§ 17*).

Wer bei der Ausführung einer Impfung fahrlässig handelt, wird mit Geldstrafe bis zu fünfhundert Mark oder mit Gefängnisstrafe bis zu drei Monaten bestraft, sofern nicht nach dem Strafgesetzbuch eine härtere Strafe eintritt.

i) Siehe hierzu die VO. über Vermögensstrafen und Bußen vom 6. Februar 1924 (RGBl. I S. 44).

38. ReichSseuchen,efetz (1900).

88]

(Übergangs- u. Schlußtestimmun,.) § 18.

(1) Die Vorschriften dieses Gesetzes treten mit dem 1. April 1875 in Kraft. (2) Die einzelnen Bundesstaaten werden die zur Ausführung er­ forderlichen Bestimmungen treffen. (3) Die in den einzelnen Bundesstaaten bestehenden Bestimmungen über Zwangsimpfungen bei dem Ausbruch einer Pockenepidemie werden durch dieses Gesetz nicht berührt.

38. Reichsgesetz, betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten (Reichsseuchengesetz). Dom 30. Suni 1900 (RGBl. ©. 306). Anzeigepslicht (Seuchen)

§ 1.

(1) Jede Erkrankung und jeder Todesfall an Aussatz (Levra), Cholera (astatischer), Fleck­ fieber (Flecktyphus), Gelbfieber, Pest (orien­ talischer Beulenpest), Pocken (Blattern). sowie jeder Fall, welcher den Verdacht einer dieser Krankheiten erweckt, ist der für den Aufenthaltsort des Erkrankten oder den Sterbeort zuständigen Polizeibehörde unverzüglich anzujeigen (2) Wechselt der Erkrankte den Aufenthaltsort, so ist dies unverzüglich bei der Polizeibehörde des oisherigen und des neuen Aufenthaltsorts zur Anzeige zu bringen. (verpflichtete Personen)

§ 2.

(1) Zur Anzeige sind verpflichtet: 1. der zugezogene Arzt, 2. der Haushaltungsvorstand, 3. jede sonst mit der Behandlung oder Pflege des Erkrankten beschäftigte Person, 4. derjenige, in dessen Wohnung oder Behausung der Erkrankungs- oder Todesfall sich ereignet hat, 5. der Leichenschauer. (2) Die Verpflichtung der unter Nr. 2 bis 5 genannten Per­ sonen tritt nur dann ein, wenn ein früher genannter Ver­ pflichteter nicht vorhanden ist.

[38

38. Reichöseuchen-esetz (1900).

(Krankenhäuser usw.]

§ 3.

(1) Für Krankheits- und Todesfälle, welche sich in öffentlichen

Kranken-, Entbindungs-, Pflege-, Gefangenen- und ähnlichen Anstalten ereignen, ist der Vorsteher der Anstalt oder die von der zuständigen Stelle damit beauftragte Person ausschließlich zur Erstattung der Anzeige verpflichtet. (2) Auf Schiffen oder Flößen gilt als der zur Erstattung der Anzeige verpflichtete Hausbaltungsvorstand der Schiffer oder Floßfuhrer oder deren Stellvertreter. Der Bundesrat*) ist er­ mächtigt, Bestimmungen darüber zu erlassen, an wen bei Krankheits- und Todesfällen, welche auf Schiffen oder Flößen vor­ kommen, die Anzeige zu erstatten ist. (Form der Anzeige]

§ 4.

Die Anzeige kann mündlich oder schriftlich erstattet werden. Die Polizeibehörden haben aus Verlangen Meldekarten für schriftliche Anzeigen unentgeltlich zu verabfolgen. §5. (1) Laudesrechtliche ^Bestimmungen, welche eine weitergehende Anzeigepflicht begründen, werden durch dieses Gesetz nicht berührt. (2) Durch Beschluß des Bundesrats') können die Vorschriften über die Anzeigepflicht 1 bis 4) auf andere als die im § 1 Abs. 1 ge­ nannten übertragbaren Krankheiten ausgedehnt werden.

(Polizei und Arzt]

Ermittelung der Krankheit. § 6.

(1) Die Polizeibehörde muß, sobald sie von dem Ausbruch oder dem Verdachte des Auftretens einer der im § 1 Abs. 1 ge­ nannten Krankheiten (gemeingefährliche Krankheiten) Kenntnis erhält, den zuständigen beamteten Arzt benachrichtigen. Dieser hat alsdann unverzüglich an Ort und Stelle Ermittelungen über die Art, den Stand und die Ursache der Krankheit vor­ zunehmen und der Polizeibehörde eine Erklärung darüber ab­ zugeben, ob der Ausbruch der Krankheit festgestellt oder der Verdacht des Ausbruchs begründet ist. In Notfällen kann der beamtete Arzt die Ermittelung auch vornehmen, ohne daß ihm eine Nachricht der Polizeibehörde zugegangen ist. (2) In Ortschaften mit mehr als 10000 Einwohnern ist nach den Bestimmungen des Abs. 1 auch dann zu verfahren, wenn

i) Jetzt die Art. 179 II RV.

Reichsregierung

mit

Zustimmung

des

Reichsrats,

38]

38. Reichsseuchengesetz (1900).

Erkrankungs- oder Todesfälle in einem räumlich abgegrenzten Teile der yrtschaft, welcher von der Krankheit bis dahin ver­ schont geblieben war, vorkommen. (3) Die höhere Verwaltungsbehörde kann Ermittelungen über jeden einzelnen Krankheits- oder Todesfall anordnen. Solange eine solche Anordnung nicht getroffen ist, sind nach der ersten Feststellung der Krankheit von dem beamteten Arzte Ermittelungen nur im Einverständnisse mit der unteren Verwaltungs­ behörde und nur insoweit vorzunehmen, als dies erforderlich ist, um die Ausbreitung der Krankheit örtlich und zeitlich zu verfolgen. [Untersuchungöbefugnis des Arztes] § 7.

(1) Dem beamteten Arzte ist, soweit er es zur Feststellung der Krankheit für erforderlich und ohne Schädigung des Kranken für zulässig hält, der Zutritt zu dem Kranken oder zur Leiche und die Vornahme der zu den Ermittelungen über die Krank­ heit erforderlichen Untersuchungen zu gestatten. Auch kann bei Cholera-, Gelbfieber- und Pestverdacht eine Öffnung der Leiche polizeilich angeordnet werden, insoweit der beamtete Arzt dies zur Feststellung der Krankheit für erforderlich hält. (2) Der behandelnde Arzt ist berechtigt, den Untersuchungen, insbesondere auch der Leichenöffnung beizuwHnen. (ö) Die in KL 2 und 3 aufgetührten Personen sind ver­ pflichtet, über alle für die Entstehung und den Verlauf der Krankheit wichtigen Umstände dem beamteten Arzte und der zuständigen Behörde auf Befragen Auskunft zu erteilen. [Schutzmaßregeln der Polizei]

88.

nach dem Gutachten des beamteten Arztes der Ausbruch der Krankheit festgestellt oder der Verdacht des Ausbruchs be­ gründet, Jo hat Die Polizeibehörde unverzüglich die erforderlichen Schutzmatzregeln zu treffen. [Vorläufige Matzreg. durch den Arzt) § 9.

Bei Gefahr im Verzüge kann der beamtete Arzt schon vor dem Einschreiten der Polizeibehörde die zur Verhütung der Verbreitung der Krankheit zunächst erforderlichen Matzregeln anordnen. Der Vorsteher der Ortschaft hat den von dem beam­ teten Arzte getroffenen Anordnungen Folge zu leisten. Von den Anordnungen hat der beamtete Arzt der Polizeibehörde sofort schriftliche Mitteilung zu machen' sie bleiben so lange in Kraft, bis von der zuständigen Behörde anderweite Verfügung ge­ troffen wird.

38. Reichsseuchengesetz (1900).

[38

§ 10. Für Ortschaften und Bezirke, welche von einer gemein­ gefährlichen Krankheit befallen oder bedroht sind, kann durch die zuständige Behörde angeordnet werden, dah jede Leiche vor der Bestattung einer amtlichen Besichtigung (Leichenschau) zu unter­ werfen ist. Schutzmahregeln. (Allgemeines) § 11. [Leichenschau)

(1) Zur Verhütung der Verbreitung der gemeingefährlichen Krank­ heiten können für die Tauer der Krankheitsgefahr Absperrungs- und Aufsichtsmaßregeln nach Maßgabe der §§ 12 bis 21 polizeilich angeordnet werden. (2) Tie Anfechtung der Anordnungen hat keine aufschiebende Wirkung.

(Beobachtung)

§ 12.

Kranke und krankheitS- oder ansteckungsverdächtige Personen können einer Beobachtung unterworfen werden. Eine Beschränkung in der Wahl des Aufenthalts oder der Arbeitsstätte ist zu diesem Zwecke nur bei Personen zulässig, welche obdachlos oder ohne festen Wohnsitz sind oder berufs- oder gewohnheitsmäßig umherziehen.

(Kontrolle von Reisenden)

§13.

Tie höhere Verwaltungsbehörde kann für den Umfang ihres Be­ zirkes oder für Teile desselben anordnen, daß zureisende Personen, so­ fern sie sich innerhalb einer zu bestimmenden Frist vor ihrer Ankunft in Ortschaften oder Bezirken ausgehalten haben, in welchen eine gemein­ gefährliche Krankheit ausgebrochen ist, nach ihrer Ankunft der Orts­ polizeibehörde zu melden sind. (Absonderung)

§ 14.

(1) Für kranke und krankheits- oder ansteckungsverdächtige Personen kann eine Absonderung angeordnet werden. (2) Tie Absonderung kranker Personen hat derart zu erfolgen, daß der Kranke mit anderen als den zu seiner Pflege bestimmten Personen, dem Arzte oder dem Seelsorger nicht in Berührung kommt und eine Verbreitung der Krankheit tunlichst ausgeschlossen ist. Angehörigen und Urkundspersonen ist, insoweit es zur Erledigung wichtiger und dringen­ der Angelegenheiten geboten ist, der Zutritt zu dem Kranken unter Be­ obachtung der erforderlichen Maßregeln gegen eine Weiterverbreitung der Krankheit gestattet. Werden auf Erfordern der Polizeibehörde in der Behausung des Kranken die nach dem Gutachten des beamteten Arztes zum Zwecke der Absonderung notwendigen Einrichtungen nicht

38]

38. NeichSfeuchengesetz (1900).

getroffen, so kann, falls der beamtete Arzt es für unerläßlich und der behandelnde Arzt es ohne Schädigung deS Kranken für zulässig erklärt, die Überführung des Kranken in ein geeignetes Krankenhaus ober in einen anderen geeigneten Unterkunftsraum angeordnet werden. (3) Auf die Absonderung krankheitS- ober ansteckungsverdächtiger Personen finden die Bestimmungen des Abs. 2 sinngemäße Anwendung. Jedoch dürfen krankheits- oder ansteckungsverdächtige Personen nicht in demselben Raume mit kranken Personen untergebracht werden. An­ steckungsverdächtige Personen dürfen in demselben Raume mit krank­ heitsverdächtigen Personen nur untergebracht werden, soweit der be­ amtete Arzt es für zulässig hält. (4) finden, (5) kungen

Wohnungen ober Häuser, in welchen erkrankte Personen sich be­ können kenntlich gemacht werden. Für das berufsmäßige Pflegepersonal können Berkchrsbeschränangeordnet werden.

veschr. von Handel und Verkehr)

§ 15.

Die Landesbehörden sind befugt, für Ortschaften und Bezirke, welche von einer gemeingefährlichen Krankheit befallen oder bedroht sind, 1. hinsichtlich der gewerbsmäßigen Herstellung, Behandlung und Auf­ bewahrung sowie hinsichtlich des Vertriebs von Gegenständen, welche geeignet sind, die Krankheit zu verbreiten, eine gesund­ heitspolizeiliche Überwachung und die zur Verhütung der Ver­ breitung der Krankheit erforderlichen Maßregeln anzuordnen; die Ausfuhr von Gegenständen der bezeichneten Art darf aber nur für Ortschaften verboten werden, in denen Cholera, Fleckfieber, Pest oder Pocken ausgebrochen sind,

2. Gegenstände der in Nr. 1 bezeichneten Art vom Gewerbebetrieb im Umherziehen auszuschließen, 3. die Abhaltung von Märkten, Mesien und anderen Veranstal­ tungen, welche eine Ansammlung größerer Menschenmengen mit sich bringen, zu verbieten oder zu beschränken, 4. die in der Schiffahrt, der Flößerei ober sonstigen Transport­ betrieben beschäftigten Personen einer gesundheitspobizeilichen Überwachung zu unterwerfen und kranke, krankheits- ober an­ steckungsverdächtige Personen sowie Gegenstände, von denen anzu­ nehmen ist, daß sie mit dem Krankheitsstoffe behaftet sind, von der Beförderung auszuschließen, 5. den Schiffahrts- und Flößereiverkehr auf bestimmte Tageszeiten zu beschränken. I^Schul- und UnterrichtSbefuch]

§ 16.

Jugendliche Personen aus Behausungen, in denen Erkrankungen vorgekommen sind, können zeitweilig vom Schul- und Unter-

38. RrichSseuchengefetz (1900).

[38

richtsbcsuche fcrtigcbalicn werden. Hinsichtlich der sonstigen für die schulen anzuordnenden Schuymaßregeln bewendet es bei den landes­ rechtlichen Bestimmungen.

[Brunnenbknntzung usw.s

§17.

In Ortschaften, welche von Cholera, Flecksicber, Pest oder Pocken befallen oder bedroht sind, sowie in deren Umgetfenb kann die B e Nutzung von Brunnen, Teichen, Seen, Wasserläufen, Wasser­ leitungen sowie der dem öffentlichen Gebrauch« dienenden Bade-, Schwimm-, Wasch- und Bedürfnisanstalten verboten oder beschränkt werden. [Räumungs

§18.

Tie gänzliche oder teilweise Räumung von Wohnungen und Gebäuden, in denen Erkrankungen vorgekommen sind, sann, insoweit der beamtete Arzt es zur wirksamen Bekämpfung der Kraukheit für unerläßlich erklärt, ungeordnet werden. Den betroffenen Be­ wohnern ist anderweit geeignete Unterkunft unentgeltlich zu bieten. [TeeinfrftionJ

§ 19.

(1) Für Gegenstände und Räume, von denen anzunehmen ist, daß sie mit dem Krankheitsstoffe behaftet sind, kann eine Desinfektion angeordnet werden. (2) Für Reisegepäck und Handelswaren ist bei Aussatz, Cholera und Gelbfieber die Anordnung der Desinfektion nur dann zulässig, wenn die Annahme, daß die Gegenstände mit dem Krankheitsstofse behaftet sind, durch besondere Umstände begründet ist.

(3) Ist die Desinfektion nicht ausführbar oder im Verhältnisse zum Werte der Gegenstände zu kostspielig, so kann die Vernichtung ange­ ordnet werden.

[Ungeziefers

§ 20.

Zum Schutze gegen Pest können Maßregeln zur Vertilgung und Fernhaltung von Ratten, Mäusen und anderem Ungeziefer angeordnet werden.

[Leichenbestattung usw.s

§ 21.

Für die Aufbewahrung, Einsargung, Beförderung und B e stattung der Leichen von Personen, welche an einer gemein­ gefährlichen Krankheit gestorben sind, können besondere Borsichtsmaßregeln angeordnet werden.

38]

38. «eich»Ieuch»n,»setz (1900).

[8u8|nl)rune8beftimmungrn] Tie Bestimmungen

§22. über die

Ausführung der

§§ 12 bis 21 vorgesehenen Schutzmaßregeln, infettion, werden vom Bundesrats erlassen. lPflichten der Gemeinden j

insbesondere

in

der

den Des-

§ 23.

Die zuständige Landesbehörde kann die Gemeinden oder die weiteren Kommunalverbände dazu anbalten, diejenigen Ein­ richtungen, welche zur Bekämpfung der gemeingefährlichen Krankheiten notwendig sind, zu treffen. Wegen Aufbringung der erforderlichen Kosten findet die Bestimmung des § 37 Äbs. 2 Anwendung. Einschleppung aus dem Auslands

§ 24.

(1) Zur Verhütung der Einschleppung der gemeingefährlichen Krank­ heiten aus dem Auslande sann der Einlaß der Seeschiffe von der Erfüllung gesundheitspolizeilicher Vorschriften abhängig gemacht sowie 1. der Einlaß anderer dem Personen- oder Frachtverkehre dienenden Fahrzeuge, 2. die Ein- und Durchfuhr von Waren und Gebrauchsgegenständen, 3. der Eintritt und die Beförderung von Personen, welche aus dem von der Krankheit befallenen Lande kommen, verboten oder beschränkt werden. (2) Der sBundesrat^) ist ermächtigt, Vorschriften über die hiernach zu treffenden Maßregeln zu beschließen. Soweit sich diese Vorschriften auf die gesundheitspolizeiliche Überwachung der Seeschiffe beziehen, können sie auf den Schiffsverkehr zwischen deutschen Häfen erstreckt werden.

§25. Wenn eine gemeingefährliche Krankheit im Ausland oder im K ü st e n g e b i e t e des Reichs ausgebrochen ist,so bestimmt der Reichskanzler*2) oder für das Gebiet des zunächst bedrohten Bundes­ staats im Einvernehmen mit dem Reichskanzler?) die Landesregierung, wann und in welchem Umfange die gemäß § 24 Abs. 2 erlassenen Vor schriften in Vollzug zu setzen sind.

sGesundheitSpässej § 26. Der Bundesrat^) ist ermächtigt, Vorschriften über die Ausstellung von Gesundheitspässen für die aus deutschen Häfen ausgehen­ den Seeschiffe zu beschließen. !) Jetzt: Reichsregierung mit Zustimmung deß Art. 179 II RV. 2) Jetzt: Reichsminister des Innern, RV. Art. 179.

Reichsrats,

38. ReichSseuchrrigesetz (1900).

[38

§ 27.

[Leuchenforschun-^j

Ter Bundesrats ist ermächtigt, über die bei der Ausführung wissenschaftlicher Arbeiten mit Krankheits­ erregern zu beobachtenden Borsichtsmatzregeln sowie über den Ver­ kehr mit Krankheitserregern und deren Aufbewahrung Vorschriften zu erlassen.

Entschädigungen. LW Arbeitshinderung)

§ 28.

(1) Personen, welche der Invalidenversicherung unterliegen, haben für die Zeit, während der sie auf Grund des § 12 in der BZahl des Aufenthalts oder der Arbeitsstätte beschränkt oder auf Grund des § 14 abgesondert sind, Anspruch auf eine Entschädi­ gung wegen des ihnen dadurch entgangenen Arbeitsverdienstes, vei deren Berechnung als Tagesarbeitsverdienst der drei­ hundertste Teil des für die Invalidenversicherung maßgebenden Zahresarbeitsverdienstes zugrunde zu legen ist. V2) Dieser Anspruch fällt weg, insoweit auf Grund einer auf gesetzlicher Verpflichtung beruhenden Versicherung wegen einer mit Erwerbsunfähigkeit verbundenen Krankheit Unterstützung gewährt wird oder wenn eine Verpflegung aus öffentliche Kosten stattfindet. (Kür (degrnftänbe]

§ 29.

Für Gegenstände, welche infolge einer nach Maßgabe dieses Gesetzes polizeilich angeordneten und überwachten Desinfektion derart beschädigt worden sind, daß sie zu ihrem bestimmungsinäßigen Gebrauche nicht weiter verwendet werden können, oder welche auf polizeiliche Anordnung vernichtet worden sind, ist, vorbehaltlich der in §§ 32 und 33 angegebenen Ausnahmen, auf Antrag Entschädigung zu gewähren.

§30. Als Entschädigung soll der gemeine Wert des Gegenstandes gewährt werden ohne Rücksicht auf die Minderung des Wertes, welche sich aus der Annahme ergibt, daß der Gegenstand mit Krankheitsstosf behaftet sei. Wird der Gegenstand nur beschädigt oder teilweise ver­ nichtet, so ist der verbleibende Wert auf die Entschädigung anzurechnen.

§31. Die Entschädigung wird, sofern ein anderer Berechtigter nicht be­ kannt ist, demjenigen gezahlt, in dessen Gewahrsam sich der bex) Vgl. Anm. 1 zu § 22.

38]

38. ReichSseuchen-esetz (1900).

schädigte oder vernichtete Gegenstand zur Zeit der Desinfektion befand. Mit dieser Zahlung erlischt jede Entschädiguugsverpflichtung aus § 29.

§32. Eine Entschädigung auf Grund dieses Gesetzes wird nicht gewährt: 1. für Gegenstände, welche im Eigentume des Reichs, eines Bundes­ staats oder einer kommunalen Körperschaft sich befinden; 2. für Gegenstände, welche entgegen einem auf Grund des § 15 9h. 1 oder deS § 24 erlassenen Verbot aus- oder eingeführt wor­ den sind.

§33. Der Anspruch auf Entschädigung fällt weg. 1. wenn derjenige, welchem die Entschädigung zustehen würde, die beschädigten oder vernichteten Gegenstände oder einzelne der­ selben an sich gebracht hat, obwohl er wußte oder den Um­ ständen nach annehmen mußte, daß dieselben bereits mit dem Krankheitsstoffe behaftet oder auf polizeiliche Anordnung zu des­ infizieren waren; 2. wenn derjenige, welchem die Entschädigung zustehen würde ober in dessen Gewahrsam die beschädigten oder vernichteten Gegen­ stände sich befanden, zu der Desinfektion durch eine Zuwider­ handlung gegen dieses Gesetz oder eine auf Grund desselben ge­ troffene Anordnung Veranlassung gegeben hat. [Äeftrn, Ausschlußsristen, Verjähren]

§ 34.

Die Kosten der Entschädigungen sind aus öffentlichen Mitteln zu bestreiten. Im übrigen bleibt der landesrechtlichen Regelung Vorbehalten, Bestimmungen darüber zu treffen: 1. von wem die Entschädigung zu gewähren und wie dieselbe auf zu bringen ist, 2. binnen welcher Frist der Entschädigungsanfpruch geltend zu machen ist, 3. wie die Entschädigung zu ermitteln und festzustellen ist.

Allgemeine Vorschriften. § 35.

(Trinkwasserversorgung usw.)

(1) Die dem allgemeinen Gebrauche dienenden Einrichtungen für Versorgung mit Trink- oder Wirtschaftswasser und für Fortschafsuny der Abfallstoffe sind fortlaufend durch staatliche Beamte zu überwachen.

38. ReichSseuchen,esrtz (1900).

[38

(Pflichten der Gemeindens

(2) Die Gemeinden sind verpflichtet, für die Beseitigung der vorgefundenen gesundheitsgefährlichen Mihstände Sorge zu tragen. Sie können nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit zur Herstellung von Einrichtungen der im Abs. 1 bezeichneten Art, sofern dieselben jum Schutze gegen übertragbare Krankheiten erforderlich sind, jederzeit angehalten werden. (3) Das Verfahren, in welchem über die hiernach gegen die Gemeinden zulässigen Anordnungen zu entscheiden ist, richtet sich nach Landesrecht. [Beamtete Ärzte

§ 36.

(1) Beamtete Arzte im Sinne dieses Gesetzes sind Arzte, welche vom Staate angestellt sind oder deren Anstellung mit Zustimmung des Staates erfolgt ist. (2) An Stelle der beamteten Arzte können im Falle ihrer Behinderung oder aus sonstigen dringenden Gründen andere Arzte zugezogen werden. Innerhalb des von ihnen übernommenen Auftrags gelten die letzteren als beamtete Arzte und sind befugt und verpflichtet, diejenigen Amts­ verrichtungen wahrzunehmen, welche in diesem Gesetz oder in den hierzu ergangenen Ausführungsbestimmungen den beamteten Ärzten über­ tragen sind.

[Zuständigkeit, ftofltii]

§37.

(1) Tie Anordnung und Leitung der Abwehr- und Unterdrückungs­ maßregeln liegt den Landesregierungen und deren Or g a n e n ob. (2) Tie Zuständigkeit der Behörden und die Aufbringung der ent­ stehenden Kosten regelt sich nach Landesrecht. (3) Tie Kosten der auf Grund des £ 6 angestellten behördlichen Er Mittelungen, der Beobachtung in den Fällen des § 12, ferner auf Antrag die Kosten der auf Grund des § 19 polizeilich angeordneten und über­ wachten Tesinsektion und der auf Grund des § 21 angeordneten beson­ deren Vorsichtsmaßregeln für die Aufbewahrung, Einsargung, Beförde­ rung und Bestattung der Leichen sind aus öffentlichen Mitteln zu be­ streiten. (4) Tie Landesregierungen bestimmen, welche Körperschaften unter der Bezeichnung Gemeinde, weiterer Kommunalverband und kommunale Körperschaft zu verstehet! sind.

[BerwaltungShilfe)

§ 38.

Die Behörden der Bundesstaaten sind verpflichtet, sich bei der Be­ kämpfung übertragbarer Krankheiten gegenseitig zu unterstützen.

38]

38. ReichSseuchengesetz (1900).

fReichSheer und -marine]

§ 39.

(1) Die Ausführung der nach Maßgabe dieses Gesetzes zu ergreifen den Schutzmaßregeln liegt, insoweit davon 1. dem aktiven Heere oder der aktiven Marine angehörende Militär Personen, 2. Personen, welche in militärischen Dienstgebäuden oder auf den zur (Kaiserlichen) Reichsmarine gehörigen oder von ihr gemieteten Schissen und Fahrzeugen untevgebracht sind, 3. marschierende oder auf dem Transporte befindliche Militärper fönen und Truppenteile des Heeres und der Marine sowie die Ausrüstungs- und Gcbrauchsgegenstände derselben, 4. ausschließlich von der Militär- oder Marineverwaltung benutzte Grundstücke und Einrichtungen betroffen werden, den Militär - und Marinebehörden ob. (2) Auf Truppenübungen finden die nach diesem Gesetze zulässigen Verkehrsbeschränkungen keine Anwendung. (3) Der Bundesrat') hat darüber Bestimmung zu treffen, inwieweit von dem Auftreten des Verdachts und von dem Ausbruch einer übertrag baren Krankheit sowie von dem Verlauf und dem Erlöschen der Krank­ heit sich die Militär- und Polizeibehörden gegenseitig in Kenntnis zu setzen haben. [6i|tnbal)n, Poft)

§ 40.

(1) Für den Eisenbahn-, Post- und Telegraphenverkehr sowie für Schiffahrtsbetriebe, welche im Anschluß an den Eisenbahnverkehr geführt werden und der staatlichen Eisenbahnaufsichtöbehörde unterstellt sind, liegt die Ausführung der nach Maßgabe dieses Gesetzes zu ergreifenden Schutzmaßregeln ausschließlich den zuständigen Reichs- und Landes­ behörden ob. (2) Inwieweit die auf Grund dieses Gesetzes polizeilich angeordneten Verkehrsbeschränkungen und Desinfektionsmaßnahmen 1. auf Personen, welche während der Beförderung als krank, krankheits- oder ansteckungsverdächtig befunden werden, 2. auf die im Dienste befindlichen oder aus dienstlicher Veranlassung vorübergehend außerhalb ihres Wohnsitzes sich aufhaltenden Be­ amten und Arbeiter der Eisenbahn-, Post- und Telegraphenver waltungen sowie der genannten Schiffahrtsbetriebe Anwendung finden, bestimmt der Bundesrat').

[*u|W]

§ 41.

(1) Dem Reichskanzlers liegt ob, die Ausführung dieses Gesetzes und der auf Grund desselben erlassenen Anordnungen zu überwachen.

') Vgl. Anm. 1 zu Z 22. 2) Vgl. Anm. 2 zu § 25.

38. ReichSseuchengesetz (1900).

[38

(2) Wenn zur Bekämpfung der gemeingefährlichen Krankheiten Maß­ regeln erforderlich find, von welchen die Gebiete mehrerer Bundesstaaten betroffen werden, so hat der Reichskanzler*) oder ein von ihm be­ stellter Kommissar für Herstellung und Erhaltung der Einheit in den Anordnungen der Landesbehörden zu sorgen und zu diesem Behufe das Erforderliche zu bestimmen, in dringenden Fällen auch die Landesbehör­ den unmittelbar mit Anweisungen zu versehen.

[Benachrichtigung des ReichSgesundheitsamts^

§ 42.

Ist in einer Ortschaft der Ausbruch einer gemeingefährlichen Krankheit festgestellt, so ist das ^Kaiserliche) Reichsgesundheitsamt hiervon sofort auf kürzestem Wege zu benachrichtigen. Der Bundesrat2) ist ermächtigt zu bestimmen, inwieweit im späteren Verlaufe dem sKaiserlichen) Reichsgesundheitsamte Mitteilun­ gen über Erkrankungs- und Todesfälle zu machen sind. [ReichsgesundheitSrat)

§43.

(1) Zn Verbindung mit dem sKaiserlichen) Reichsgesundheits-

amte wird ein Reichsgesundheilsrat gebildet. Die Geschäftsordnung wird vom Reichskanzlers mit Zustimmung des Bundesrats*) festgestellt. Die Mitglieder werden vom Bundes­ rate*) gewählt. (2) Der Reichsgesundheitsrat hat das Gesundheitsamt) bei der Erfüllung der diesem Amte zugewiesenen Aufgaben zu unter­ stützen. Er ist befugt, den Landesbehörden auf Ansuchen Rat zu erteilen. Er kann sich, um Auskunft zu erhalten, mit den ihm zu diesem Zwecke zu bezeichnenden Landesbehörden unmittelbar in Verbindung setzen, sowie Vertreter absenden, welche unter Mit­ wirkung der zuständigen Landesbehörden Aufklärungen an Ort und Stelle einziehen. Strafvorschriften^). [Benutzung infizierter Gegenstände!

§44.

(1) Mit Gefängnis bis zu drei Jahren wird bestraft: 1. wer wissentlich bewegliche Gegenstände, für welche eine Des­ infektion polizeilich angeordnet war, vor Ausführung der un­ geordneten Desinfektion in Gebrauch nimmt, an andere überläßt oder sonst in Verkehr bringt;

*) Vgl. Anm. 2 zu tz 25. 2) Vgl. Anm. 1 au § 22. 3) D. i. das Reichsgesundheitsami. *) Jetzt Reichsrat, Art. 179 RV. 5) Siehe hierzu die VO. über Vermögensstrafen und Bußen vom 6. Februar 1924 (RGBl. I S. 44).

38]

38. NeichSseuchengesetz (1900).

2. wer wissentlich Kleidungsstücke, Leibwäsche, Bettzeug oder sonstige bewegliche Gegenstände, welche von Personen, die an einer gemeingefährlichen Krankheit litten, während der Erkran­ kung gebraucht oder bei deren Behandlung oder Pflege benutzt worden sind, in Gebrauch nimmt, an andere überläßt oder sonst in Verkehr bringt, bevor sie den auf Grund des § 22 vom Bundesrates beschlossenen Bestimmungen entsprechend desinfiziert worden sind; 3. wer wissentlich Fahrzeuge oder sonstige Gerätschaften, welch« zur Beförderung von Kranken oder Verstorbenen der in Nr. 2 bezeichneten Art gedient haben, vor Ausführung der polizei­ lich angeordneten Desinfektion benutzt oder anderen zur Benutzung überläßt. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann auf Geldstrafe bi» zu eintausendfünfhundert Mark erkannt werden.

[Unterlassung von Anzeigen ufto]

§ 45.

Mit Geldstrafe von zehn bis einhundertfünfzig Mark oder mit Haft nicht unter einer Woche wird bestraft: 1. wer die ihm nach den §§ 2, 3 oder nach den auf Grund des § a vom Bundesrat*) beschlossenen Vorschriften obliegende A n zeige unterläßt oder länger als vierundzwanzig Stunden, nachdem er von der anzuzeigenden Tatsache Kenntnis erhalten hat, verzögert. Tie Strafverfolgung tritt nicht ein, wenn die Anzeige, obwohl nicht von dem zunächst Verpflichteten, doch recht­ zeitig gemacht worden ist; 2. wer im Falle des § 7 dem beamteten Arzte den Zutritt zu dem Kranken oder zur Leiche oder die Vornahme der erforderlichen Untersuchungen verweigert; 3 wer den Bestimmungen im § 7 Abs. 3 zuwider über die daselbst bezeichneten Umstände dem beamteten Arzte oder der zuständigen Behörde die Auskunft verweigert oder wissentlich unrichtige Angaben macht; 4. wer den auf Grund des § 13 erlassenen Anordnungen zuwiderhandelt.

[Atchtbefolgung v. Anordnungen)

§ 46.

Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft wird, sofern nicht nach den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen eine höhere Strafe verwirkt- ist, bestraft: 1. wer den im Falle des § 9 von dem beamteten Arzte oder dem Vorsteher der Ortschaft getroffenen vorläufigen Anordnungen oder den auf Grund des § 10 von der zu­ ständigen Behörde erlassenen Anordnungen zuwiderhandelt;

*) Vgl. Anm. 1 zu § 22.

[39

39. LandeSseuchengesetz (1905).

2. wer den auf Grund deS § 12, des § 14 Abs. 5, der §§ 15, 17, 19 bis 22 getroffenen Polizeilichen Anordnungen zuwiderhandelt; 3. wer den auf Grund der §§ 24, 26, 27 erlassenen Vorschriften zu­ widerhandelt.

SchlrchLestimmungen.

§47. Die vom Bundesrate^) zur Ausführung dieses Gesetzes erlassenen allgemeinen Bestimmungen sind dem Reichstage zur Kenntnis mitzu­ teilen. [Landesrecht) § 48.

Landesrechtliche Vorschriften über die Bekämpfung anderer als der im § 1 Abs. 1 genannten übertragbaren Krankheiten werden durch dieses Gesetz nicht berührt. [Inkrafttretens § 49. Dieses Gesetz tritt mit dem Tage der Verkündung in Kraft.

39. Gesetz, betreffend die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten [LandeSseuchengesetz). (Auszug.) Dom 28. August 1905 (GG. E. 373), die 88 1—3, 6, 8 und 35 in der Fassung vom 25. Februar 1927 (GS. S. 41). [über den Kreis der vom Reichsseuchengesetz erfaßten allergefähr­ lichsten Seuchen hinaus werden durch dieses Landesgesetz für die in seinem § 1 genannten ansteckenden Krankheiten ähnliche Maßnahmen vorgesehen wie im Reichsgesetz, zu dem das Landesgesetz übrigens zu­ gleich auch gewisse Ausführungsbestimmungen bringt (vgl. §§ 15 ff.). Das vorliegende Gesetz umfaßt nicht die Tuberkulosebekämpfung, der vielmehr ein besonderes Gesetz vom 4. August 1923, GS. S. 374, gewidmet ist.)

[Seuchen)

Erster Abschnitt. § 1.

Anzeigepflicht.

(1) Außer den in dem § 1 des Reichsgesetzes, betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, vom 30. Juni 1900 9 Vgl. Anm. 1 zu § 22. Bühler, Verwaltungsgesetze.

30

39. LandeSseuchrngtsetz (1905).

39]

(Reichsaesetzbl. 6. 306) aufgeführten Fällen der Anzeigepflicht — bei Aussatz (Lepra), Cholera (astatischer), Fleckfieber (Flecktyohus), Gelbfieber, Pest (orientalischer Beulenpett), Pocken (Blattern) — ist Jcbe Erkrankung und jeder Todesfall an Diphtherie (Rachenbräune), Gehirnentzündung, epidemischer (Encephalitis lethargica sive epidemica, hyperkinetica, akinetica, chronica), Genickstarre, übertragbarer, Kindbettfieber (Wochenbett-, Puerperalfieber), Kin­ derlähmung, epidemischer, Körnerkrankheit (Gra­ nulöse, Trachom). Rückfallfieber (Febris recurrens), Ruhr, übertragbarer (Dysenterie), Scharlach (Scharlach­ fieber), Typhus (Unterleibstyphus), Milzbrand. Rotz, Tollwut (Lvsta) sowie Bihverletzungen durch tolle oder der Tollwut verdächtige Tiere, Fleisch-, Fisch - und Wurst­ vergiftung. Trichinose sowie auch jeder Verdachtsfall an Typhus (Unterleibstyphus) der für den Aufenthaltsort des Erkrankten oder den Sterbeort zuständigen Polizeibehörde innerhalb vierundzwanzig Stunden nach erlangter Kenntnis anzuzeigen. (2) Als typhusverdächtia gelten auch solche anscheinend ge­ sunde Personen, deren Ausscheidungen die Erreger des Typhus enthalten (Bazillenträger, Typhusdauerausscheider). (3) Wechselt der Erkrankte beziehungsweise bei Typbus auch der Typhusverdächtige die Wohnung oder den Aufenthaltsort, so ist dies innerhalb vierundzwanzig Stunden nach erlangter Kenntnis bei der Polizeibehörde, bei einem Wechsel des Aufent­ haltsorts auch bei derjenigen des neuen Aufenthaltsorts, zur Anzeige zu bringen.

lLerpflichtete Personen)

§ 2.

(1) Zur Anzeige sind verpflichtet:

1. der zugezogene Arzt' 2. der Haushaltungsvorstand; 3. jede sonst mit der Behandlung oder Pflege des Erkrank­ ten beschäftigte Person­ al. derjenige, in dessen Wohnung oder Behausung der Erkrankungs- oder Todesfall sich ereignet pat; 5. der Leichenschauer. (2) Die Verpflichtung der unter Nr. 2 bis 5 genannten Per­ sonen tritt nur dann ein, wenn ein früher genannter Verpflich­ teter nicht vorhanden ist. (3) Bei Typhusdauerausscheidern find nur die unter 1 und 2 genannten Personen zur Anzeige verpflichtet.

39. Landesseuchengeseh (1905).

sKranktuhäuser usw.)

[39

§ 3.

M Für Krankheits- und Todesfälle, welche sich in öffentlichen Kranken-, Entbindungs-, Pflege-, Gefangenen- und ähnlichen Anstalten ereignen, ijt der Vorsteher der Anstalt oder die von der zuständigen Stelle damit beauftragte Person ausschließlich zur Erstattung der Anzeige verpflichtet. (2) Auf Schiffen oder Flößen gilt als der zur Erstattung der Anzeige verpflichtete Haushaltungsvorstand der Schiffer oder Floßfuhrer oder deren Stellvertreter. (3) Dieselben Personen haben auch die für Typhusdaueraus­ scheider vorgeschriebene Anzeige zu erstatten. (4) Der Minister der Medninalangelegenheiten^) ist er­ mächtigt, im Einvernehmen mit dem Minister für Handel und Gewerbe Bestimmungen darüber zu erlassen, an wen bei Krankheits- und Todesfällen, welche auf Schiffen oder Flößen vor­ kommen, die Anzeige zu erstatten ist. [fronn der Anrrigr)

§ 4.

Die Anzeiae kann mündlich oder schriftlich erstattet werden. Mit Aufgabe zur Post gilt die schriftliche Anzeige als erstattet. Die Polizeibehörden haben auf Verlangen Melde­ karten für schriftliche Anzeigen unentgeltlich zu verabfolgen. I Ausdehnung auf andere Krankh.)

§ 5.

Das Staatsministerium ist ermächtigt, die in den 1 bis 4 des gegenwärtigen Gesetzes enthaltenen Bestimmungen über die Anzeigepflicht für einzelne Teile oder den ganzen Umfang der Monarchie) des Staates auch auf andere übertragbare Krankheiten vor­ übergehend a u s z u d e h n e n , wenn und solange dieselben in epidemischer Verbreitung auftreten.

Zweiter Abschnitt.

Ermittelung der Krankheit. §6.

(1) Auf Erkrankungen, Verdacht der Erkrankungen und Todesfälle an Gehirnentzündung, epidemischer, Genickstarre, übertragbarer, Kindbett­ fieber, Kinderlähmung, epidemischer, Typhus (Unterleibstyphus) sowie auf Erkrankungen und Todesfälle an Rückfallfieber, Ruhr, übertragbarer, Milzbrand, Rotz, Tollwut, Bißverletzungen durch tolle oder der Tollwut verdächtige Tiere, Fleisch-, Fisch- und Wurstvergiftung, Trichinose finden die in den § § 6 big 1 0 des Reichsgesetzes, betreffend die Be­ kämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, enthaltenen Bestimmungen

i) Jetzt der Minister für Volkswohlfahrt (Beschluß der Pr. Staats­ regierung vom 7. November 1919, GS. S. 173).

39]

39. LandeSfevcheugesetz (1905).

über die Ermittelung der Krankheit entsprechend« Anwendung. Befindet sich jedoch der Kranke in ärztlicher Behandlung, so ist dem be­ amteten Arzte der Zutritt untersagt, wenn der behandelnde Arzt erklärt, daß von dem Zutritte des beamteten Arztes eine Gefährdung der Ge­ sundheit oder des Lebens der Kranken zu befürchten ist. Dor dem Zutritte des beamteten Arztes ist dem behandelnden Arzte Gelegenheit M dieser Erklärung zu geben. (2) Außerdem ist bei Kindbettfieber oder Verdacht desselben dem be­ amteten Arzte der Zutrrtt nur mit Zustimmung des Haushaltungsvor­ standes gestattet. (3) Auch kann bei Typhus- oder Rotzverdacht eine Öffnung der Leiche polizeilich angeordnet werden, insoweit der beamtete Arzt dies zur Fest­ stellung der Krankheit für erforderlich hält. (4) Bei Diphtherie, Körnerkrankheit und Scharlach hat die Orts­ polizeibehörde nur die ersten Fälle ärztlich feststellen zu lasten, und dies auch nur dann, wenn sie nicht von einem Arzte angezeigt sind. (5) Personen, gegen die begründeter Verdacht besteht, daß in ihren Ausscheidungen Typhuserreger enthalten sind, haben auf Erfordern des beamteten Arztes oder der Polizeibehörde ihre Ausscheidungen zur bak­ teriologischen Untersuchung zur Verfügung zu stellen.

§7. Das Staatsministerium ist ermächtigt, die in dem § 6 Abs. 1 des gegenwärtigen Gesetzes bezeichneten Bestimmungen ganz oder teilweise für einzelne Teile oder den ganzen Umfang [bet Monarchie) des Staates auch auf andere als die daselbst aufgeführten übertragbaren Krankheiten vorübergehend auSzudehnen, wenn und solange dieselben in epidemischer Verbreitung auftreten.

Dritter Abschnitt.

Schutzmatzregeln.

§8. Zur Verhütung der Verbreitung der nachstehend genannten Krankheiten können für die Dauer der Krankheitsgefahr die Absperrungs- und Aufstchtsmatzregeln der §§ 12 bis 19 und 21 des Reichsgesetzes, betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen polizeilich ungeordnet werden, und zwar oei: 1. Diphtherie (Rachenbräune): Absonoerung kranker Personen (§ 14 Abs. 2), jedoch mit der Maßgabe, daß die Überführung von Kindern in ein Krankenhaus oder in einen andern geeigneten Unterkunfts­ raum gegen den Widerspruch der Eltern nicht angeordnet werden darf, wenn nach der Ansicht des beamteten Arztes oder des be­ handelnden Arztes eine ausreichende Absonderung in der Wohnung sichergestellt ist. [Zisf. la^-13 sowie die

39. LandeSseuchengeseh (1905).

[39

§§9-11

enthalten weitere Schutzmaßregeln für die verschiedenen in § 1 auf­ gezählten Krankheiten, die den entsprechenden Reichsbestimmungen nach­ gebildet sind.j Vierter Abschnitt.

Verfahren und Behörden.

[Orte- und LandeSpolizeibthördenj § 12. (1) Die in dem Reichsyesetze, betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, und in dem gegenwärtigen Gesetze den Polizeibehörden überwiesenen Obliegenheiten wer­ den, soweit das aegenwärtige Gesetz nicht ein anderes bestimmt, von den Ortspolizeibehörden wahrgenommen. Der Landrat ist befugt, die Amtsverrichtungen der Ortspolizeibehörden für den einzelnen Fall einer übertragbaren Krankheit zu übernehmen. (2) Die Zuständigkeit der Landespolizeibehörden auf dem Gebiete der Seuchenbekämpfung wird durch die Bestimmung des Abs. 1 nicht berührt. (3) Gegen die Anordnungen der Polizeibehörde finden die durch das Landesverwaltunasgesetz gegebenen Rechtsmittel statt. (4) Die Anfechtung der Anordnungen hat keine aufschiebende Wirkung.

[Beamtete Ärzte!

§ 13. (1) Beamtete Arzte im Sinne des Reichsgesetzes, betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, und des gegen­ wärtigen Gesetzes sind die Kreisärzte, die Kreisasiistenzärzte, soweit sie mit oer Stellvertretung von Kreisärzten beauftragt sind, sowie die mit der Wahrnehmung der kreisärztlichen Ob­ liegenheiten beauftragten Stadtärzte in Stadtkreisen, die Hasenund Quarantäneärzte in Hafenorten, außerdem die als Kom­ missare der Regierungspräsidenten, der Oberpräsidenten oder des Ministers derMedrzinalangelegenheiten') an Ort und Stelle entsandten Medizinalbeamten. (2) Die Vorschrift des § 36 Abs. 2 des vorbezeichneten Reichs­ gesetzes findet auf die in dem § 1 des gegenwärtigen Gesetzes bezeichneten Krankheiten entsprechende Anwendung.

Fünfter Abschnitt.

Entschädigungen.

[Entschädigung für Gegenstände! § 14. Die Bestimmungen der §§ 29 bis 34 Satz 1 des Reichsgesetzes, betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, finden a-uf

*) Jetzt des Ministers für Volkswohlfahrt (siche Anm. 1 zu 8 3).

39]

39. LandeSseuchengefetz (1905).

diejenigen Fälle entsprechende Anwendung, in welchen auf Grund der §§ 8 und 11 des gegenwärtigen Gesetzes die Desinfektion oder Ver­ nichtung von Gegenständen polizeilich angeordnet worden ist. Der An­ spruch auf Entschädigung fällt jedoch weg, wenn der Antragsteller den Verlust ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie not­ wendigen Unterhalts zu tragen vermag.

[Zuständige Behörden)

§ 15.

(1) Die Festsetzung der Entschädigungen in den Fällen der §§ 28 bis 33 des Reichsgesetzes, betreffend die Bekämpfung gemein gefährlicher Krankheiten, und des § 14 des gegenwärtigen Gesetzes er­ folgt durch die Ortspolizeibehörde. (2) Gegen die Entscheidung findet unter Ausschluß des Rechtswegs innerhalb einer Frist von einem Monate nur die Beschwerde an die Aufsichtsbehörde, in Berlin an den Lberpräsidenten, statt. Die Entscheidung dieser Beschwerdeinstanz ist endgültig.

88 18-24. (Enthalten fahrens.j

[Arztkosten]

Einzelheiten

des

Entschädigungsver

Sech st er Abschnitt. § 25.

Kosten.

Die Kosten, welche durch die amtliche Beteiligung des beamteten ArzteS bei der Ausführung des Reichsgesetzes, betreffend die Be­ kämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, sowie bei der Ausführung des gegenwärtigen Gesetzes entstehen, fallen der Staatskasse zur Last. Das gleiche ist der Fall, wenn es sich um die ärztliche Feststellung von Scharlach, Körnerkrankbeit und Diphtherie handelt (§ 6 Abs. 4).

[Rosten für Desinfektion usw.]

§ 26.

(1) Im übrigen findet die Vorschrift des § 37 Abs. 3 des Reichsgesetzes, betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, aus diejenigen Fälle, in welchen die daselbst bezeichneten Schutzmaßregeln auf Grund der Bestimmungen des gegenwärtigen Ge­ setzes angeordnet werden, mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß die Kosten der Desinfektion und* der besonderen Vorsichtsmaßregeln für die Aufbewahrung, Einsargung,* Beförderung und Bestattung der Leichen nur dann aus öffentlichen Mitteln zu bestreiten sind, wenn nach Feststellung der Polizeibehörde der Zahlungspflichtige ohne Beeinträch­ tigung des für ihn und seine Familie notwendigen Unterhalts diese Kosten nicht zu tragen vermag. Unter den gleichen Voraussetzungen sind die Kosten, welche durch die nach § 8 des gegenwärtigen Gesetzes oder nach § 14 des vorbezeichneten Reichsgesetzes vorgesehene Absonde-

[39

3S. LandeSfeuchengesetz (1905).

rung in Krankenhäusern oder in anderen geeigneten» Unterkunftsräumen entstehen, aus öffentlichen Mitteln zu bestreiten, wenn die abgeson­ derten Personen während der Dauer der Absonderung nicht in einer ihre Arbeitsfähigkeit beeinträchtigenden Weise erkranken. Wegen der Anfechtung der hierüber ergangenen Entscheidung findet die Vorschrift des § 15 Abs. 2 Anwendung. 2 6 Abs. 2,

88 27, 28 enthalten Einzelheiten über die (Gutsbezirk), Kreis und Staat.] [Pflichten der Gemeindens

Kostenvcrteilung

zwischen

Gemeinde

§29.

(1) Die Gemeinden sind verpflichtet, diejenigen Einrichtungen,

welche zur Bekämpfung der übertragbaren (§ 1 Abs. 1) Krank­ heiten notwendig sind, zu treffen und für deren ordnungs­ mäßige Unterhaltung zu sorgen. (2) Die Kreise sind befugt, diese Einrichtungen an Stelle der Gemeinden zu treffen und zu unterhalten. [Anordnungen gemäß § 29]

§ 30.

(1) Die Anordnung zur Beschaffung der im §29 bezeichneten

Einrichtungen erläßt die Kommunalaufsichtsbehörde. (2) Gegen die Anordnung findet innerhalb zwei Wochen die Beschwerde und zwar bei Landgemeinden an den Kreisausschuß, in den Hohenzollernschen Landen an den Amtsausschuß, bei Stadtgemeinden an den Bezirksausschuß und mit Ausnichme der Hohenzollernschen Lande in weiterer Instanz an den Pro­ vinzialrat statt. Wird die Beschwerde auf die Behauptung mangelnder Leistungsfähigkeit zur Ausführung der Anordnung gestützt, so ist auch über die Höhe der von der Gemeinde zu ge­ währenden Leistung au beschließen. Gegen die Entscheidung des Provinzialrats, in den Hohenzollernschen Landen gegen die Entscheidung des Bezirksausschusses, steht den Parteien die Klage im Verwaltungsstreitverfahren innerhalb derselben Frist beim Oberverwaltungsaericht zu. Auf diese Klage findet die Vorschrift des § 127 Abs. 3 des Gesetzes über die allgemeine Lanbesverwaltung vom 30. Juli 1883 entsprechende Anwendung. Sofern die Provinz an den Kosten teilzunehmen hat, steht die Beschwerde beziehungsweise Klage auch der Provinzialverwal­ tung zu. [Kostenanteil v» Provinz u. Staat]

§ 31.

Reicht die im Beschlußverfahren festgesetzte Leistung der Ge­ meinde nicht zur Ausführung der ungeordneten Einrichtung aus,

40]

40. ReichS-GeschlechtSkrankengesetz (1927).

so trägt, sofern die Kommunalauffichtsbehörde ihre Anordnung aufrechthült, die Provinz die Mehrkosten. Die Hälfte derselben ist vom Staate zu erstatten.

[Ersatzvornahme in bring. Kälten] §32. M Bei dringender Gefahr im Verzüge kann die Kommunal­ aufsichtsbehörde nach Anhörung der Kommunalbehörde die An­ ordnung zur Durchführung bringen, bevor das Verfahren nach § 30 eingeleitet oder zum Abschlüsse gebracht ist. (2) Die Kosten der Einrichtung trägt in diesem Falle der Staat, sofern die Anordnung der Kommunalaufsichtsbehörde aufgehoben wird. (3) Reicht die im Beschlußversahren festgesetzte Leistung zur Deckung der Kosten nicht aus, so greift die Bestimmung des § 31 Platz.

[Rosien lanbes-olizeil. Mahn ] § 33. Unberührt bleibt die Verpflichtung des Staates, diejenigen Kosten tragen, welche durch landespolizeiliche Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten entstehen. Siebenter Abschnitt. Strasvorschriften.

88 34-36. [Hie Strasvorschriften entsprechen im wesentlichen denen des ReichSgeseyes.j

Achter Abschnitt. SchlutzbestimmLNge«.

88 37, 38. [Ubergangsvorschristen, Inkrafttreten.i

40. Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten. Dom 18. Februar 1927 (RGBl. I S 61). [Tas Gesetz hat in erster Linie gesundheitspolizeilichen Charakter und bringt als solches neue, sehr weitgehende Befugnisse zur Bekämpfung der drei von ihm erfaßten Seuchen; cs ändert in den 16 und 17 aber auch die rechtlichen Grundlagen der Sitten­ polizei sehr weitgehend.]

40. Reichs GeschlechtSkrankengesetz (1027).

[40

[Tie drei Geschlechtskrankheiten) § 1. Geschlechtskrankheiten im Sinne dieses Gesetzes sind Syphi­ lis^ Tripper und Schanker ohne Rücksicht darauf, an welchen Körperteilen die Krankheitserscheinungen auftreten.

[Behandlungspflicht) § 2. (1) Wer an einer mit Ansteckungsgefahr verbundenen Ge­ schlechtskrankheit leidet und dies weih oder den Umständen nach annehmen mutz, hat die Pflicht, sich von einem für das Deut­ sche Reich approbierten Arzte behandeln zu lassen. Eltern, Vor­ münder und sonstige Erziehungsberechtigte sind verpflichtet, für die ärztliche Behandlung ihrer geschlechtskranken Pflegebefohle­ nen zu sorgen. (2) Durcb Ausführungsbestimmungen ist dafür Sorge zu traaen, datz die Behandlung der Minderbemittelten, die keinen Anspruch auf anderweitige ärztliche Behandlung haben oder denen die Behandlung auf Grund einer Versicherung wirtschaft­ liche Nachteile bringen könnte, aus öffentlichen Mitteln sicher­ gestellt wird. [Zusammenwirkende Behörden)

§ 3.

Die Durchführung der aus diesem Gesetz erwachsenden ge­ sundheitlichen Aufgaben ist Eesundheitsbehörven zu übertragen, die sich mit den Beratungsstellen für Geschlechtskranke, den Pflegeämtern und den sonstigen Einrichtungen der sozialen Für­ sorge möglichst im Einvernehmen zu halten haben. Die Be­ amten der Ordnungs- und Wohlfahrtspolizei haben die Durch­ führung der gesundheitlichen und sozialfürsorgerischen Aufgaben, insbesondere das Eingreifen der Fürsorgestellen Minderjähri­ gen gegenüber, in jeder Weise zu unterstützen.

[Untersllchnngspflicht, Zwangshcil.) § 4. (1) Die zuständige Eesundheitsbehörde kann Personen, die dringend verdächtig sind, geschlechtskrank zu sein und die Ge­ schlechtskrankheit weiterzuoerbreiten, anhalten, ein ärztliches Zeugnis, nur in begründeten Ausnahmefällen ein von einem durch die zuständige Gesundheitsbehörde benannten Arzte aus­ gestelltes Zeugnis über ihren Gesundheitszustand vorzulegen oder sich der Untersuchung durch einen solchen Arzt zu unter­ ziehen. Auf Antrag des untersuchenden Arztes können solche Personen angehalten werden, wiederholt derartige Gesundheits­ zeugnisse beizudringen. (2) Personen, die geschlechtskrank und verdächtig sind, die Geschlechtskrankheit weiterzuverbreiten, können einem

40]

40. ReichSSefchlechtSfranfengefetz (1927).

Hei lverfahren unterworfen, auch in ein Kran­ kenhaus verbracht werden, wenn dies zur Verhütung der Ausbreitung der Krankheit erforderlich erscheint. (3) Anzeigen, deren Urheber nicht erkennvar sind, dürfen nicht beachtet werden. Personen, die mit Namensnennung andere einer Geschlechtskrankheit bezichtigen, sind zunächst mündlich zu vernehmen und die Anzeigen erst dann weiter zu verfolgen, wenn die Vernehmung ergeben hat, daß ein ausreichender An­ halt für die Richtigkeit der behaupteten Tatsachen vorhanden ist. (4) Soweit andere Mittel zur Durchführung der in Abs. 1,2 vorgesehenen Maßnahmen nicht ausreichen, ist die Anwen­ dung unmittelbaren Zwanges zulässig. Ärzt­ liche Eingriffe, die mit einer ernsten Gefahr für Leben oder Gesundheit verbunden sind, dürfen nur mit Einwilligung des Kranken vorgenommen werden. Die Reichsregierung bestimmt, welche ärztlichen Eingriffe insbesondere hierunter fallen.

[Strafbarfeit des Beischlafs]

§ 5.

(1) Wer den Beischlaf ausübt, obwohl er an einer mit An­ steckungsgefahr verbundenen Geschlechtskrankheit leidet und dies weiß oder den Umständen nach annehmen muß, wird mit Ge­ fängnis bis zu drei Jabren bestraft, sofern nicht nach den Vor­ schriften des Strafgesetzbuchs eine härtere Strafe verwirkt ist. (2) Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. Ist der Täter ein Angehöriger des Antragstellers, so ist die Zurücknahme des Antrags zulässig. (3) Die Strafverfolgung verjährt in sechs Monaten.

[Strafbarfeit der Heirat]

§ 6.

(1) Wer weiß oder den Umständen nach annehmen muß, daß er an einer mit Ansteckungsgefahr verbundenen Geschlechtskrank­ heit leidet und trotzdem eine Ehe eingeht, ohne dem anderen Teile vor Eingehung der Ehe über seine Krankheit Mitteilung !gemacht zu haben, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren be­ traft. (2) Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. Die Zurück­ nahme des Antrags ist zulässig. (3) Die Strafverfolgung verjährt in sechs Monaten.

[Behandl. nur durch approb. Ärzte] § 7. (1) Die Behandlung von Geschlechtskrankheiten und Krank­ heiten oder Leiden der Geschlechtsorgane ist nur den für das Deutsche Reich approbierten Ärzten gestattet. Verboten ist, solche Krankheiten anders als auf Grund eigener Wahrnehmung

40. ReichS-Geschlechtskranken-esetz (1927).

[40

zu behandeln (Fernbehandlung) oder in Vorträgen, Schriften, Abbildungen oder Darstellungen Ratschläge für die Selbst­ behandlung zu erteilen. (2) Wer einen anderen einem der im Abs. 1 enthaltenen Ver­ bote zuwider behandelt oder sich zu einer solchen Behandlung öffentlich oder durch Verbreitung von Schriften, Abbildungen oder Darstellungen, wenn auch in verschleiernder Weise, erbietet, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft. (3) Gleiche Strafe trifft den Arzt, der sich zur Behandlung der im Abs. 1 bezeichneten Krankheiten in unlauterer Weise erbietet. [Belehrung durch den Arzt) § 8. (1) Wer eine geschlechtskranke Person ärztlich untersucht oder

behandelt, soll sie üoer die Art der Krankheit und über die An­ steckungsgefahr sowie über die Strafbarkeit der in §§ 5, 6 be­ zeichneten Handlungen belehren und ihr hierbei ein amtlich ge­ nehmigtes Merkblatt aushändigen. (2) Fehlt dem Kranken die zur Erkenntnis der Ansteckungs­ gefahr erforderliche Einsicht, so soll die Belehrung und die Aus­ händigung des Merkblatts an denjenigen erfolgen, der für das persönliche Wohl des Kranken zu sorgen hat. [Anztigkpflicht des Arztes)

§ 9.

(1) Wer eine Person, die an einer mit Ansteckungsgefahr ver­

bundenen Geschlechtskrankheit leidet, ärztlich behandelt, hat der im 8 4 bezeichneten Gesundheitsbehörde Anzeige zu erstatten, wenn der Kranke sich der ärztlichen Behandlung oder Beobach­ tung entzieht oder wenn er andere infolge seines Berufs oder seiner persönlichen Verhältnisse besonders gefährdet. (2) Die oberste Landesbehörde kann bestimmen, daß die An­ zeige anstatt der Gesundheitsbehörde einer Beratungsstelle für Geschlechtskranke zu erstatten ist. Kommt der Kranke den An­ weisungen der Beratungsstelle nicht nach, so hat diese der Ge­ sundheitsbehörde Kenntnis zu geben. [Geheimhaltungspflicht)

§ 10.

(1) Wer als Beamter oder Angestellter einer Gesundheits­

behörde oder einer Beratungsstelle unbefugt offenbart, was ihm über Geschlechtskrankheiten eines andern oder ihre Ursache oder über die sonstigen persönlichen Verhältnisie der Beteiligten dienstlich bekannt geworden ist, wird mit Geldstrafe oder mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft.

40]

40. Reichs Geschlechtskranke«,esetz (1027).

(2) Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. Den Antrag kann auch die Eesundheitsbehörde stellen. (3) Die Offenbarung ist nicht unbefugt, wenn sie von einem in der Gesundheitsbehörde oder in einer Beratungsstelle tätigen Arzte oder mit Zustimmung eines solchen Arztes an eine Be­ hörde oder an eine Person gemacht wird, die ein berechtigtes gesundheitliches Interesse daran hat, über die Geschlechtskrank­ heit des andern unterrichtet zu werden. (Verbot der Kurpfufcherreklame]

§11.

(1) Wer Äum Zwecke der Heilung oder Linderung von Ge­ schlechtskrankheiten Mittel, Gegenstände oder Verfahren öffent­ lich oder durch Verbreitung von Schriften, Abbildungen oder Darstellungen, wenn auch in verschleiernder Weise, ankündigt oder anpreift oder solche Mittel oder Gegenstände an einem all!gemein zugänglichen Orte ausstellt, wird mit Gefängnis bis zu echs Monaten und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Stra­ fen bestraft. (2) Straflos ist, soweit nicht anderweitige reichs- oder landes­ rechtliche Vorschriften entaegenstehen, die Ankündigung oder An­ preisung dieser Mittel oder Gegenstände an Arzte oder Apo­ theker oder an Personen, die mit solchen Mitteln oder Gegen­ ständen erlaubterweise Handel treiben, oder in wissenschaftlichen, ärztlichen oder pharmazeutischen Fachzeitschriften. lAufklärungSvorträge]

§12.

Vorträge. Schriften, Abbildungen und Darstellungen, die nur der Aufklärung über die Geschlechtskrankheiten, insbeson­ dere über ihre Erscheinungsformen, dienen, sind straflos, soweit sie nicht unter die Strafbestimmungen des § 7 fallen. [ÄontroOt der Verhütungsmittel)

§ 13.

U) Die Reichsregierung kann das Inverkehrbringen von Mit­ teln oder Gegenständen, Die zur Verhütung von Geschlechts­ krankheiten dienen sollen, von dem Ergebnis einer amtlichen Prüfung abhängig machen und das Inverkehrbringen hierfür nicht geeigneter Gegenstände verbieten. Sie kann auch Vor­ schriften über das Äusstellen, Ankündigen oder Anpreisen der hiernach zugelassenen Mittel oder Gegenstände treffen. (2) Wer Mittel oder Gegenstände, die aus Grund des Abs. 1 Satz 1 vom Verkehr ausgeschlossen find, in Verkehr bringt, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft. Ebenso wird bestraft, wer einer nach Abs. 1 Satz 2 getroffenen Vorschrift zuwiderhandelt.

40. NeichS-GeschlechtSkrankengesetz (1927).

^Strafbare Sorglosigkeiten bei Stillen von flinbern]

[40

§14.

(1) Mit Gefängnis bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen wird bestraft, sofern nicht nach den Vorschriften des Strafgesetzbuchs eine härtere Strafe verwirkt ist, 1. eine weibliche Person, die ein fremdes .(rind stillt, obwohl sie an einer Geschlechtskrankheit leidet und dies weiß oder den Um­ ständen nach annehmen muß: 2. wer ein syphilitisches .(Lind, für dessen Pflege er zu sorgen bat, von einer anderen Person als der Mutter stillen läßt, obwohl er die Krankheit des Kindes kennt oder den Umständen nach kennen muß;

3. wer ein sonst geschlechtskrankes Kind, für dessen Pflege er ju sorgen hat, von einer anderen Person als der Mutter, ohne sie vorher über die Krankheit und die gebotenen Vorsichtsmaßnahnten durch einen Arzt mündlich unterweisen zu lassen, stillen läßt, ob Wohl er die Krankheit des Kindes kennt oder den Umständen nach kennen muß; 4. wer ein geschlechtskrankes Kind, obwohl er die Krankheit kennt oder den Umständen nach kennen muß, in Pflege gibt, ohne den Pflegeeltern von der Krankheit des Kindes Mitteilung zu machen.

(2) Straflos ist das Stillen oder Stillenlasseu eines syphilitischen Kindes durch eine weibliche Person, die selbst an Syphilis leidet.

fdeSgl. bei Bervendg. v. Ammen)

§ 15.

(1) Mit Geldstrafe bis zu einbundertfünfzig Reichsmark oder mit Haft wird bestraft: 1. eine Amme, die ein fremdes Kind stillt, ohne im Besitz eines unmittelbar vor Antritt der Stellung ausgestellten ärztlichen Zeugnisses darüber zu sein, daß an ihr keine Geschlechtskrankheit nachweisbar ist;

2. wer zum Stillen eines Kindes eine Amme in Dienst nimmt, ohne sich davon überzeugt zu haben, daß sie im Besitze dcS in Nr. 1 bezeichneten Zeugnisses ist; 3. wer, abgesehen von Notfällen, ehi Kind, für dessen Pflege er zu sorgen hat, von einer anderen Person als der Mutter stillen läßt, ohne vorher im Besitz eines ärztlichen Zeugnisies darüber zu sein, daß eine gesundheitliche Gefahr für die Stillende nicht besteht.

(2) Die Vorschriften des Abs. 1 finden im Falle des § 14 Abs. 2 keine Anwendung.

40]

40. NeichS-SeschlechtSkrankeugesetz (1027).

§16. Tas Strafgesetzbuch toird abgeändert wie folgt: I. § 180 erhält folgenden zweiten und dritten Absatz: Als Kuppelei gilt insbesondere die Unterhaltung eines Bor­ dells oder eines bordellartigen Betriebs. Wer einer Person, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, Wohnung gewährt, wird auf Grund des Abs. 1 nur dann bestraft, wenn damit ein Ausbeuten der Person, der die Wohnung gewährt ist, oder ein Anwerben oder ein Anhalten dieser Person zur Unzucht verbunden ist. II. Im tz 184 wird hinter Nr. 3 folgende Vorschrift eingesügt. 3a) wer in einer Sitte oder Anstand verletzenden Weist Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zur Verhü tung von Geschlechtskrankheiten dienen, öffent­ lich ankündigt, anpreist oder solche Mittel oder Gegenstände an einem dem Publikum zugänglichen Orte ausstellt. III. § 361 Nr. 6 erhält folgende Fassung: wer öffentlich in einer Sitte oder Anstand verletzenden oder andere belästigenden Weise zur Unzucht aufforderl oder sich dazu anbietet; IV Im 5 361 wird hinter Nr. 6 eingefügt: 6a) wer gewohnheitsmäßig zum Zwecke des Erwerbes in der Nähe von Kirchen oder in der Nähe von Schulen oder an deren -um Besuche durch Kinder oder Jugendliche bestimmten Örtlichkeiten oder in einer Wohnung, in der Kinder oder jugend­ liche Personen zwischen drei und achtzehn Jahren wohnen, oder in einer Gemeinde mit weniger als fünfzehntausend Einwohnern, für welche die oberste Lcmdesbehörde -um Schutze der Jugend oder des öffentlichen Anstandes eine entsprechende Anordnung ge­ troffen hat, der Unzucht nachgeht. V. Im § 362 Abs. 3 Satz 2 werden die Worte „Im Falle des § 361 Nr. 6" durch die Worte „In den Fällen des § 361 Nr. 6, 6a" ersetzt. (Keine Kasernierungen]

§ 17.

Wohnungsbeschränkungen auf bestimmte Straßen oder Häuserblocks zum Zwecke der Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht (Kasernierungen) sind verboten. fDurchführungsvorschriften] § 18. Die zur Durchführung dieses Gesetzes, insbesondere für das Zu­ sammenwirken der Behörden mit den Einrichtungen der sozialen Für­ sorge notwendigen Vorschriften werden von der obersten Landesbehürde erlassen. Die Aufbringung der entstehenden Kosten regelt sich nach Landesrecht.

41. RtichS Viehseuchen«tI«tz (190»).

[41

Oiifraitirtttn] § 19. (1) Dieses Gesetz tritt am 1. Oktober 1927 in Kraft. (2) Mit dem gleichen Tage treten die Verordnung zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten vom 11. Dezember 1918 und die Verordnung über Fürsorge für geschlechtskranke Heercsangehörige vom 17. Dezember 1918 (Reichsgesetzbl. S. 1431, 1433) außer Kraft.

41. ReichS-Diehseuchengesetz. Dom 26. Juni 1909 (NSDl. 6.519), mit Änderungen (zu §§ 1 und 81) durch E. v. 18. Juli 1928 (RGBl. I 6. 289). (Auszug.) (Das nicht nur für solche rechtlicher

Gesetz schafft die Grundlage für weitgehende Maßnahmen zur Bekämpfung schon ausgebrochencr Seuchen, sondern auch vorbeugender Art (§§ 17 ff.); von allgemeiner verwaltungs­ Bedeutung sind seine Entschädigungsvorschriften (§§ 66 ff.)]

l®runbbegtifff]

§ 1.

(1) Das nachstehende Gesetz regelt das Verfahren zur Be­

kämpfung übertragbarer Viehseuchen, mit Ausnahme der Rin­ derpest). (2) Dieb im Sinne dieses Gesetzes sind alle nutzbaren Haus­ tiere einscmietzlich der Hunde, der Katzen und des Geflügels sowie der Bienen. (3) Schlachtvieh im Sinne dieses Gesetzes ist Vieh, von dem anzunehmen ist, daß es behufs Verwendung des Fleisches zum Genusse für Menschen alsbald geschlachtet werden soll. (4) Als verdächtige Tiere gelten im Sinne dieses Gesetzes: Tiere, an denen sich Erscheinungen zeigen, die den Aus­ bruch einer übertraßbaren Seuche befürchten lassen (der Seuche verdächtige Tiere); Tiere, an denen sich solche Erscheinungen zwar nicht zeigen, rücksichtlich deren jedoch die Vermutung vorliegt, daß sie oen Ansteckungsstoff ausgenommen haben (der Ansteckung verdäch­ tige Tiere). *) Dieser gilt ein besonderes Gesetz (vorn 7. April 1869) — hier nicht abgedruckt.

41]

41. NeichSBiehseuchengesetz (1909).

(Zuständigkeit der Länder)

8 2.

(1) Die Anordnung und die Durchführung der Bekcimpfungsmatzregeln liegen den Landesregierungen und deren Orga­ nen ob. (2) Die Mitwirkung der Tierärzte, die vom Staate angestellt sind oder deren Anstellung vom Staate bestätigt ist (beamtete tieiänte), richtet sich nach den Vorschriften dieses Gesetzes. An Stelle oer beamteten Tierärzte können im Falle ihrer Behinde­ rung oder aus sonstigen Gründen andere approbierte Tierärzte zuö^ogen werden. Diese sind innerhalb des ihnen erteilten Auftrags befugt und verpflichtet, alle Amtsverrichtungen wahr­ zunehmen, die in diesem Gesetze den beamteten Tierärzten übertragen sind. (3) Die näheren Bestimmungen über das Verfahren, über die Form, von deren Beobachtung die Gültigkeit der auf Grund dieses Gesetzes zu erlassenden Anordnungen abhänat, über die Zuständigkeit der Behörden und Beamten und über die Be­ ber durch das Verfahren entstehenden Kosten sind von den Einzelstaaten mit der Maßgabe zu treffen, daß gegen die Anordnungen der Polizeibehörden zur Bekämpfung der Vieh­ seuchen im Jnlande (§§ 9 ff.) ein Beschwerdeverfahren zuzu­ lassen ist.

(Militär-, Staatsverwaltung, usw.)

§ 3.

(1) Rücksichtlich der eigenen Viehbestände der Militärverwal­ tung, in den Remontedepots nur rückflchtlich der eigenen Pferde­ bestände, bleiben die Matzregeln zur Ermittlung und Unter­ drückung von Seuchen, soweit davon nur das Eigentum dieser Verwaltung betroffen wird, den Militärbehörden überlassen. (2) Die gleichen Befugnisse haben das ^Kaiserliches Reichs­ gesundheitsamt und diejenigen zur wissenschaftlichen Erfor­ schung übertragbarer Krankheiten bestimmten staatlichen An­ stalten, bei denen ein Tierarzt angestellt ist, rücksichtlrch aller eigenen Viehbestände. (3) Ferner können 1. den Vorständen der (landesherrlichen unb] Staatsgestüte, 2. den Vorständen der tierärztlichen Lehranstalten und der

anderer Anstalten von ähnlicher Art wie die im Abs. 2 und im Abs. 3 Nr. 2 bezeichneten von den Landesregierungen die gleichen Befugnisse rücksichtlich aller dort aufgestellten Viehbestände übertragen werden.

*) Reichsministers des Innern, RB. Art. 179.

41. ReichSViehseuchengesetz (1909).

[41

(4) Zn den Fällen der Abs. 1 bis 3 finden die ferneren Be­ stimmungen dieses Gesetzes sinngemäße Anwendung, in den Fällen des Abs. 2 und des Abs. 3 Nr. 2, 3 jedoch nur mit den Einschränkungen, die stch aus dem Zwecke der wissenschaftlichen Arbeiten ergeben. (5) Die Militärbehörden haben die Polizeibehörden der Stand-, Unterkunsts- und Marschorte von dem Auftreten eines Seuchenverdachts und von dem Ausbruch einer Seuche, sowie bei Seuchenausbrüchen in nicht kasernenmäßig untergebrachten Viehbeständen auch von den getroffenen Schutzmaßregeln sofort au oenachrichtigen und von dem Verlaufe sowie dem Erlöschen der Seuche tu Kenntnis zu setzen. (6) Die Pflicht der Benachrichtigunader Polizeibehörden vom Verdacht, Ausbruch, Verlauf und Erloschen einer Seuche liegt auch den im Abs. 2 genannten Anstalten und den nach Abs. 3 mit selbständigen Befugnissen versehenen Vorständen ob, falls die Seuche oder der Seuchenverdacht nicht das Ergebnis wissen­ schaftlicher Versuche ist, die zu den Aufgaben der Anstalten und Institute gehören. sAutzerordentl. ReichSbefugnifiel

§ 4.

(1) Dem Reichskanzler*) liegt ob, die Ausführung dieses Gesetzes und der auf Grund desselben erlassenen Änoronungen zu überwachen. (2) Tritt die Seuche in einem für den inländischen Vieh­ bestand bedrohlichen Umfang im Ausland auf, so hat der Reichs­ kanzlers die Regierungen der beteiligten Bundesstaaten zur An­ ordnung und einheitlichen Durchführung der nach Maßgabe dieses Gesetzes erforderlichen Abwehrmaßregeln zu veranlassen. (3) Tritt die »veuche in einer solchen Gegend des Reichsgebiets oder in einer solchen Ausdehnung auf, daß von den zu ergrei­ fenden Maßregeln notwendig die Gebiete mehrerer Bundes­ staaten betroffen werden münen, so hat der Reichskanzlers oder ein von ihm verteilter Reichswmmissar für Herstellung und Er­ haltung der Einheit in den seitens der Landesbehörden zu treffenden oder getroffenen Maßregeln zu sorgen und au diesem Behufe das Erforderliche anzuordnen, nötigenfalls auch die Be­ hörden der beteiligten Bundesstaaten unmittelbar mit Wei­ sungen zu versehen. sBervaltungShilfes

§ 6.

Die Behörden der Bundesstaaten sind verpflich­ tet, sich bei der Bekämpfung der Viehseuchen gegenseitig zu unterstützen. *) S. Anm. 1 zu § 3. Bühler, BerrvaltungSgesetze.

41]

41. ReichS-Viehseuchengesetz (1909).

L Abwehr der Einschleppung aus dem Auslande. (Einfuhrverbot!

§ 6-

Die Einfuhr von Tieren, die an einer übertragbaren Seuche leiden, und von verdächtigen Tieren (§1 Abf. 4) sowie von Erzeugnissen solcher Tiere ist verboten. Dasselbe gilt für die Kadaver und Teile von Tieren, die an einer übertragbaren Seuche gefallen sind oder zur Zeit des Todes an einer solchen gelitten haben oder seuchenverdächtig gewesen find, endlich für Gegenstände jeder Art, von denen nach oen Umständen des Falles anzunehmen ist, daß sie Träger des Ansteckungsstoffs find. (Weitergrhende Beschränkungen)

§ 7.

(1) Zum Schutze gegen die Gefahr der Einschleppung von übertragbaren Seuchen der Haustiere aus dem Auslande kann die Einfuhr lebender oder toter Tiere, tierischer Erzeugnisse oder Robstofse sowie von Gegenständen, die Träger des Anfteckungsstons sein können, allgemein oder für bestimmte Erenzstrecken verboten oder beschränkt werden. (2) Zu demselben Zwecke kann der Verkehr mit Tieren im Grenzbezirke solchen Bestimmungen unterworfen werden, die geeignet find, im Falle der Einschleppung einer Weiterverbrei­ tung der Seuche vorzubeugen. Die Bestimmungen find, soweit erforderlich, auch auf tierische Erzeugnisse und Rohstoffe sowie auf solche Gegenstände auszudebnen, die Trager von Ansteckuimsstoffen sein rönnen. Auch kann für die Grenzbezirke eine Re­ vision des vorhandenen Viehbestandes und eine regelmäßige Kon­ trolle über den Ab- und Zugang von Vieh angeoronet werden. (3) Die nach Abs. 2 zulässigen Bestimmungen können nur ge­ troffen werden, wenn und solange gegenüber dem angrenzenden Ausland Einfuhrverbote oder Beschränkungen gemäß Abs. 1 an­ geordnet find. (Bekanntmachung von Verboten)

§ 8.

(1) Von dem Erlasse, der Aufhebung oder Veränderung einer der im ß 7 bezeichneten Anordnungen ist unverzüglich dem Reichskanzlei) Mitteilung zu machen. (2) Die verfügten Verbote und Beschränkungen sind ohne Verzug öffentlich bekanntzumachen.

*) S. Anm. 1 zu § 3.

41. Reichs Viehseuchengesetz (1909).

[41

II. Bekämpfung von Viehseuche« im Jnlande. 1. Allgemeine Vorschriften. a) Anzeigepflicht.

(Verpflichtete Personen! § 9. (1) Bricht eine Seuche aus, auf die sich die Anzeigepflicht er­ streckt (8 10), oder zeigen sich Erscheinungen, die den Ausbruch einer solchen Seuche befürchten lassen, so hat der Besitzer des betroffenen Viehes unverzüglich der Polizeibehörde oder einer anderen von der Landesregierung zu bezeichnenden Stelle An­ zeige zu machen, auch die kranken und verdächtigen Tiere von Orten, an denen die Gefahr der Ansteckung fremder Tiere besteht, fernzuhalten. (2) Die gleichen Pflichten hat, wer in Vertretung des Be­ sitzers der Wirtschaft vorneht, wer mit der Aufsicht über Vieh an Stelle des Besitzers veauftragt ist, wer als Hirt, Schäfer, Schweizer, Senne entweder Vieh von mehreren Besitzern oder solches Vieh eines Besitzers, das sich seit mehr als vierundzwanzig Stunden außerhalb der Feldmark des Wirtschaftsbetriebs des Besitzers befindet, in Obhut hat, ferner für die auf dem Trans­ porte befindlichen Tiere deren Begleiter und für die in fremdem Gewahrsam befindlichen Tiere der Besitzer der betreffenden Ge­ höfte, Stallungen, Koppeln oder Weideflächen. (3) Zur unverzüglichen Anzeige sind auch die Tierärzte und alle Personen verpflichtet, die sich mit der Ausübung der Tiereilkunde oder gewerbsmäßig mit der Kastration von Tieren eschäftigen, ingleichen die Fleischbeschauer einschließlich der Trichinenschauer, ferner die Personen, Die das Schlächtergewerbe betreiben, sowie solche, die sich gewerbsmäßig mit der Bearbei­ tung, Verwertung oder Beseitigung geschlachteter, getöteter oder verendeter Tiere oder tierischer Bestandteile beschäftigen, wenn sie, bevor ein polizeiliches Einschreiten stattgefunden hat, von dem Ausbruch einer der Anzeigepflicht unterliegenden Seuche 10) oder von Erscheinungen, die den Ausbruch einer solchen Seuche befürchten lassen, Kenntnis erhalten.

S

[Setroffenr Studjtn] §10. (1) Seuchen, aus die sich die Anzeigepflicht erstreckt, sind: 1. Milzbrand, Rauschbrand, Wild- und Rinderseuche; 2. Tollwut, 3. Rotz: 4. Maul- und Klauenseuche, 5. Lungen­ seuche des Rindviehs,' 6. Pockenseuche der Schafe; 7. Beschäl­ seuche der Pferde, Bläschenausschlag der Pferde und des Rindviehs; 8. Räude der Einhufer und der Schafe; 9. Schweine­ seuche, sofern sie mit erheblichen Störungen Des Allgemein31*

41]

41. «eichS-Biehseuchengesetz (1600).

befindens der erkrankten Tiere verbunden ist, und Schweine­ pest; 10. Rotlauf der Schweine einschließlich des Nesselfiebers (Backsteinblattern); 11. Geflügelcholera und Hühnerpest; 12. äußerlich erkennbare Tuberkulose des Rindviehs, sofern fie sich in der Lunge in vorgeschrittenem Zustande befindet oder Euter, Gebärmutter oder Darm ergriffen hat. (2) Der Reichskanzlers ist befugt, die Anzeigepflicht auch für andere Seuchen einzuführen und für einzelne Seuchen wider­ ruflich aufzuheben.

b) Ermittlung der Seuchenausbrüche. (Aufgaben d. beamteten Tierarztes §11.

(1) Ist eine Anzeige erfolgt (§§ 9, 10) oder der Ausbruch einer Seuche oder der Verdacht eines Seuchenausbruchs sonst zur Kenntnis der Polizeibehörde gelangt, so hat diese sofort den beamteten Tierarzt zuzuziehen (vgl. jedoch § 14) und inzwischen dafür zu sorgen, daß die kranken und, abgesehen von der Tuber­ kulose (§ 10 Abs. 1 Nr. 12), auch die verdächtigen Tiere mit Tieren aus anderen Ställen nicht in Berührung kommen. Der beamtete Tierarzt hat die Art, den Stand und die Ursachen der Krankheit zu ermitteln und sein Gutachten darüber abzugeben, ob durch den Befund der Ausbruch der Seuche festgestellt oder der Verdacht eines Seuchenausbruchs begründet ist und welche besonderen Maßregeln zur Bekämpfung der Seuche erforderlich erscheinen. (2) In eiligen Fällen kann der beamtete Tierarzt schon vor polizeilichem Einschreiten die sofortige vorläufige Einsperrung und Absonderung der erkrankten und verdächtigen Tiere, nötigenfalls auch deren Bewachung sowie nach Vorschrift der Landesregierungen sonstige dringliche Maßnahmen zur Ver­ hütung der Werterverbreitung der Seuche anordnen. Die ge­ troffenen vorläufigen Anordnungen find dem Besitzer der Tiere oder dessen Vertreter entweder zu Protokoll oder durch schriftliche Verfügung zu eröffnen, auch ist davon der Polizeibehörde unver­ züglich Anzeige zu machen. (3) Auf Ersuchen des beamteten Tierarztes hat der Vor­ steher des Seuchenorts für die vorläufige Bewachung der er­ krankten und verdächtigen Tiere sowie für die Durchführung der dringlichen Maßregeln zu sorgen. (T'ötunr zu Diagnssezveckeaj

§ 12.

Wenn über den Ausbruch einer Seuche nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes nur mittels Tötung und Zerlegung *) S. Anm. 1 zu 8 3.

41. Reichs Biehfeuchengesetz (1909).

[41

eines verdächtigen Tieres oder nur mittels Impf- oder Blut­ probe Eewihheit zu erlangen ist, so tonnen diese Maßregeln von der Polizeibehörde angeordnet werden. lGutachtl. GrtUruitfl b. itcrnr|fre| §13.

Auf die gutachtliche Erklärung des beamteten Tierarztes, dah der Ausbruch der Seuche festgestellt sei, oder daß der be­ gründete Verdacht eines Seuchenausbruchs vorliege, hat die Polizeibehörde die erforderlichen Schutzmahregeln nach diesem Gesetz und den zu dessen Ausführung erlassenen Vorschriften (§ 79) zu treffen und wirksam durchzuführen. I Selbständige Befugnis der Polireif §

14.

li) Ist der Ausbruch der Maul- und Klauenseuche, des Bläschenausschlags der Pferde oder des Rindviehs, des Rotlaufs der Schweine, der Eeflügelcholera oder der Hühnerpest (§ 10 Abs. 1 Nr. 4, 7, 10, 11) durch das Gutachten des beamteten Tierarztes festgestellt, so kann die Polizeibehörde auf die Anzeige neuer Seuchenausbrüche in dem Seuchenorte selbst oder in unmittelbar angrenzenden Ortschaften sofort die erforderlichen Schutzmahregeln anordnen, ohne daß es einer nochmaligen Zuziehung des beamteten Tierarztes bedarf. Dieser ist jedoch durch die Polizei­ behörde von jedem weiteren Seuchenfalle zu benachrichtigen. *2) Das gleiche kann für die Schweineseuche (§ 10 Abs. 1 Nr. 9) und für diejenigen Seuchen, auf die gemäß § 10 Aos. 2 die Anzeigepflicht ausgedehnt worden ist, von den Landes­ regierungen bestimmt werden. fAupehung anderer lirrärjtr]

§ 15.

i.i) In allen Süllen, in denen dem beamteten Tierarjte die Feststellung des Krankheitszustandes eines verdächtigen Tieres obliegt, ist es dem Besitzer unbenommen, das Gutachten eines anderen approbierten Tierarztes einzuholen. Die Anordnung und die Ausführung der Schutzmahregeln werden hierdurch nicht aufgehalten. Bei Ermittlung einer Seuche durch Zerlegung eines Tieres sind aber die für die Feststellung der Seuche er­ forderlichen Teile aufzubewahren, falls der Besitzer oder dessen Vertreter bei Mitteilung des amtstierärztlichen Befundes sofort erklärt, dah er das Gutachten eines anderen approbierten Tier­ arztes einzuholen beabsichtigt. Die Aufbewahrung hat unter sicherem Verschluh oder unter Überwachung auf Kosten des Be­ sitzers so zu geschehen, dah eine Verschleppung von Krankheits­ keimen nach Möglichkeit vermieden wird. (2) Die vorgesetzte Behörde hat im Falle erheblicher Meinungsverschiedenheit zwischen dem beamteten Tierarzt und

41]

41. ReichS-Biehseuchengesitz (1909).

dem von dem Besitzer zugezogenen approbierten Tierarzt über den Ausbruch oder Verdacht einer Seuche, oder wenn aus sonstigen Gründen erhebliche Zweifel über die Richtigkeit der Angaben des beamteten Tierarztes obwalten, sofort ein tier­ ärztliches Obergutachten einzuziehen und dementsprechend das Verfahren zu regeln. lüberwachung der Märkte)

§ 16.

(1) Alle Viehmärkte sowie die Viebhöfe und Schlachthüfe einschließlich der öffentlichen Schlachthäuser find durch beamtete Tierärzte zu beaufsichtigen. (2) Jahr- und Wochenmärkte, auf denen Vieh nur in ge­ ringem Umfange gehandelt wird, können von den Landes­ regierungen ausnahmsweise von der Beaufstchtigung befreit werden. (3) Die Beausiichtigung kann auf die zu Handelszwecken oder zum öffentlichen Verkaufe zusammengebrachten Viehbestände, auf die zu Zuchtzwecken öffentlich ausgestellten männlichen Zuchttiere, auf öffentliche Tierschauen, auf die durch obrigkeitliche Anord­ nung veranlaßten Zusammenziehungen von Vieh, auf orivate Schlachthäuser und Gastställe, auf Ställe und Betriebe von Viehhändlern und Abdeckern sowie auf gewerbliche Viehmäste­ reien ausgedehnt werden. c) Schutzmaßregel n gegen Seuchengefahr. (Allgemeine Maßnahmen)

§ 17.

Zum Schutze argen die ständige Gefährdung der Viehbe­ stände durch Viehseuchen können folgende Maßnahmen ange­ ordnet werden: 1. Amtstierärztliche oder tierärztliche Untersuchung von Vieh vor dem Verladen und vor oder nach dem Entladen im Eisenbahn- und Schiffsverkehrs; 2. Verbot oder Beschränkung des Treibens von Lieh, das sich im Besitze von Viehhändlern befindet, auf öffentlichen Wegen und des Treibens von Vieh auf dem Wege zum oder vom Markte sowie Beschränkung des Treibens von Wanderherden; 3. Beibringung von Ursprungs- und Gesundheitszeugnissen üt das im Besitze von Viehhändlern befindliche und für »as auf Märkte oder öffentliche Tierschauen gebrachte Vieh; 4. Führung von Kontrollbüchern durch die Viehhändler und Kennzeichnung von Vieh; 5. Regelung der Einrichtung und des Betriebs von Molke­ reien, insbesondere für Sammelmolkereien das Verbot

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41. ReichSBiehseuchengesetz (1909).

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16.

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der Abgabe oder der sonstigen Verwertung von Mager­ milch und anderen Milchrückständen, sofern nicht vorher eine Erhitzung bis au einem bestimmten Wärmegrad und für eine bestimmte Zeitdauer stattgefunden hat' Verbot des Umherziehens mit Zuchthengsten zum Decken von Stuten und Beschränkung des Handels mit Vieh, der ohne vorgängige Bestellung entweder außerhalb des Ge­ meindebezirkes der gewerblichen Niederlassung des Händ­ lers oder ohne Begründung einer solchen stattfindet; Überwachung der beim Bergwerks- oder Schiffahrtsbetrieb und der beim Gewerbebetrieb im Umherziehen benutzten Zugtiere; Bezeichnung der Hunde durch Halsbänder mit Namen und Wohnort oder Wohnung des Besitzers; Einführung von Deckregistern für Pferde und Rindvieh; Herstellung von undurchlässigem Boden auf Viehladestellen fiir den öffentlichen Verkehr; Reinigung und Desinfektion der zur Beförderung von Vieh, tierischen Erzeugnissen oder tierischen Rohstoffen dienenden Fahrzeuge mit Einschluß von Schiffen sowie der bei einer solchen Beförderung benutzten Behältnisse und Gerätschaften und der Ladeplatze; Regelung der Einrichtung und des Betriebs von Vieh­ ausstellungen, Viehmärkten, Viehhöfen, Schlacbthöfen und gewerblichen Schlachtstätten, insbesondere auch räumliche Trennung der Viebyöfe von den Schlachthöfen, Anlegung getrennter Zu- uno Abfuhrwege für Viehmärkte, Vieh­ höfe und Schlachthöfe sowie Beroot des Abtriebs von Vieh von Schlachtmehmärkten zu anderen Zwecken als zur Schlachtung oder zum Auftrieb auf andere Schlachtvieh­ märkte,' Regelung der Einrichtung und des Betriebs von Gast­ ställen und Ställen von Viehhändlern; Regelung der Einrichtung und des Betriebs von Abdecke­ reien einschließlich der Anlagen zur gewerbsmäßigen Be­ seitigung oder Verarbeitung von Kadavern und tierischen Teilen,' Regelung der Beseitigung oder der Reinigung von Ab­ wässern und Abfällen in Gerbereien, Fell- und Häute­ handlungen,' Regelung des Verkehrs mit Viehseuchenerregern und ihrer Aufbewahruna sowie Bestimmung der Vorsichtsmaßregeln, die bei der Ausführung wissenschaftlicher Arbeiten mit solchen Erregern zu beobachten sind;

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41. NeichS-Viehfeuchen,esetz (1909).

17. Regelung der Herstellung und Verwendung von Impf­ stoffen, die zum Schutze gegen Viehseuchen oder zu oeren Heilung bestimmt find; 18. Regelung des Gewerbebetriebs der Viehkastrierer. lvessudere Maßnahmen!

§ 18.

Zum Schutze gegen eine besondere Seuchengefabr und für deren Dauer können unter BerückstLtiguna der beteiligten Wirtscbafts- und Verkehrsinteressen die nachstehenden Maßregeln (§§ 19 bis 30) angeordnet werden.

§19. 1. (1) Absonderung, Bewachung oder polizeiliche Beobachtung der an der Seuche erkrankten, der verdächtigen und der für die Seuche empfänglichen Tiere. (2) Beschränkungen des Personenverkehr- inner­ halb der Räumlichkeiten (Gehöft, Stall, Standort, Hofraum, Weidefläche, DiehauSstellung, Marktplatz usw.), in denen sich derartige Tiere be­ finden, und auf öffentlichen Wegen. (3) Für Räumlichkeiten, in denen sich nicht kranke oder verdächtige, sondern nur für die Seuche empfängliche Tiere befinden, und aus öffentlichen Wegen darf die Beschränkung de- Personenverkehrs nur angeordnet werden, soweit sie in diesem Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist. (4) Der Besitzer eines der Absonderung oder polizeilichen Beobachtung unterworfenen Tieres ist verpflichtet, solche Einrichtungen zu treffen, daß das Tier für die Dauer der Absonderung oder Beobachtung die ihm bestimmte Räumlichkeit nicht verlassen kann und außer aller Be­ rührung und Gemeinschaft mit anderen Tieren bleibt. Auch dürfen die Kadaver abgesonderter, bewachter oder polizeilich beobachteter Tiere nicht ohne polizeiliche Genehmigung geöffnet oder beseitigt werden.

§20. 2. (1) Beschränkungen derBenutzung,der Verwertung oder des Transport- kranker oder verdächtiger Tiere, ihrer Kadaver, der von ihnen stammenden Erzeugniffe oder solcher Gegenstände, die mit kranken oder verdächtigen Tieren oder ihren Kadavern in Berührung ge­ kommen oder sonst geeignet find, die Seuche zu verschleppen. (2) Beschränkungen des Transport- und der Benutzung der für die Seuche empfänglichen und solcher Tiere, die geeignet sind, die Seuche zu verschleppen. (3) Verbot oder Beschränkung deS Handels mit Tieren, der ohne vorgängige Bestellung entweder außerhalb deS Gemeindebezirkes der ge­ werblichen Niederlassung des Händlers oder ohne Begründung einer solchen stattfindet.

41. Reichs-Biehseuchengesetz (1909).

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§21. 3. (1) Berbot des gemeinschaftlichen Weideganges von Lieven ans den Viehbeständen verschiedener Besitzer und der Be­ nutzung bestimmter Weideflächen, ferner der gemeinschaftlichen Be­ nutzung von Brunnen, Tränken und Schwemmen und des Verkehrs mit seuchenkranken oder verdächtigen Tieren ans öffentlichen oder gemein­ schaftlichen Straßen und Triften. (2) Verbot des freien Umherlaufens, der Haustiere mit Ausnahme der Katzen und des Geflügels.

§22. 4. (1) Sperre des Stalles oder sonstigen Standort- seuchen­ kranker oder verdächtiger Tiere, des Gehöfts, des Ortes, der Weide­ fläche, der Feldmark oder eines ohne Rücksicht auf Feldmarkgrenzen bestimmten, tunlichst eng zu bemessenden Gebiets gegen den Verkehr mit Tieren und mit solchen Gegenständen, die Träger des Ansteckungsstoffs sein können. (2) Die Sperre der Feldmark oder eines über die Feldmark hinaus­ gehenden Gebiets darf erst dann verfügt werden, wenn der Ausbruch der Seuche durch das Gutachten des beamteten Tierarztes festgestellt ist und wenn die Seuche ihrer Beschaffenheit nach eine größere und allge­ meinere Gefahr einschließt. (3) Die Sperre kann auf einzelne Straßen oder Teile des Ortes oder der Feldmark beschränkt werden. (4) Die Sperre eines Stalles oder sonstigen Standorts, eines Gehöfts oder einer Weidefläche verpflichtet den Besitzer, die zur wirksamen Durch­ führung der Sperre vorgeschriebenen Einrichtungen zu treffen.

§23. 5. Impfung der für die Seuche empfänglichen Tiere, tierärzt­ liche Behandlung der erkrankten und der verdächtigen Tiere sowie Be­ schränkungen in der Befugnis zur Vornahme von Heilverfahren.

§24. 6. (1) Tötung der an der Seuche erkrankten oder verdächtigen Tiere. (2) Die Tötung darf nur in den Fällen angeordnet werden, die in diesem Gesetz ausdrücklich vorgesehen find. (3) Die Vorschrift unverzüglicher Tötung der an einer Seuche er­ krankten oder verdächtigen Tiere findet, wo sie in diesem Gesetz enthalten ist, keine Anwendung auf Tiere, die einer der Staatsaufsicht unter­ worfenen höheren Lehranstalt übergeben sind, um dort für deren Zwecke verwendet zu werden, ferner auf Tiere, die unter staatlicher Aufsicht für die Erforschung oder Bekämpfung von Seuchen benutzt werden.

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41. NeichS.Biehseuchen,esetz (1909). §25.

7. Tötung von Tieren, die bestimmten Verkehrs- oder Nutzungs­ beschränkungen oder der Absperrung unterworfen sind und in verbots­ widriger Benutzung oder außerhalb der ihnen angewiesenen Räumlich­ keit oder an Orten betroffen werden, zu denen der Zutritt verboten ist.

§26. 8. Unschädliche Beseitigung der Kadaver oder Kadaver­ teile (Fleisch, Häute, Blut, Eingeweide, Hörner, Klauen usw.), der Streu, des Düngers oder anderer Abfälle von kranken oder verdächtigen Tieren.

§27. 9. (1) Reinigung und Desinfektion der Ställe. Standorte, Ladestellen, Marktplätze und Wege, die von kranken oder ver­ dächtigen oder von zusammengebrachten und für die Seuche empfäng­ lichen Tieren benutzt sind. (2) Reinigung und Desinfektion oder, falls diese Mahnahmen sich nicht wirksam durchführen lassen, unschädliche Beseitigung des Düngers, der Streu- und Futtervorräte, der Gerätschaften, Kleidungsstücke und sonstigen Gegenstände, die mit kranken oder verdächtigen Tieren in Be­ rührung gekommen sind oder von denen sonst anzunehmen ist, dah sie Ansteckungsstoffe enthalten. (3) Erforderlichenfalls auch Reinigung und Desinfektion von Tieren, die Träger des Ansteckungsstoffs sein können, und von Personen, die mit kranken oder verdächtigen Tieren in Berührung gekommen sind. (4) Die Durchführung dieser Mahregeln erfolgt unter Beobachtung etwaiger Anordnungen des beamteten Tierarztes und unter polizeilicher Überwachung.

§28. 10. Einstellung oder Beschränkung der Vieh­ märkte, der Jahr- und Wochenmärkte, der Körungen, Biehversteigerungen und öffentlichen Tierschauen. Diehversteigerungen auf dem eigenen nicht gesperrten Gehöfte des Besitzers können nur dann ver­ boten werden, wenn Tiere zum Verkaufe kommen, die sich weniger als drei Monate im Besitz« des Versteigerers befinden.

§29. 11. AmtStierärztliche oder tierärztliche Untersuchung der am Seuchenort oder in desien Umgegend vorhandenen, für die Seuche empfänglichen Tiere.

§30. 12. O f fen t liche Bekanntmachung des Ausbruchs der Seuche. Ist diese Bekanntmachung erfolgt, so muh auch das Erlöschen der Seuche unverzüglich öffentlich bekanntgemacht werden.

41. «eichS.Biehse»chenresetz (1909).

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2. Besondere Vorschriften für einzelne Seuchen.

§31. Bei den nachbenannten Seuchen greifen folgende besonderen Vorschriften mit der Maßgabe Platz, daß außerdem alle nach den sonstigen Vorschriften dieses Gesetzes zulässigen Maßregeln ange­ ordnet werden können.

§§32-61. (Enthalten diese besonderen Vorschriften für Milzbrand, Tollwut, Notz, Maul- und Klauenseuche ufto.]

3. Besondere Vorschriften für Viehhöfe und Schlachthöfe einschließlich öffentlicher Schlachthäuser. (Allgemeines]

§ 62.

Auf die Viehhöfe und Schlachthöfe einschließlich der öffentlichen Schlachthäuser und auf das daselbst aufgestellte Vieh finden die vor­ stehenden Bestimmungen dieses Gesetzes mit den Änderungen Anwendung, die sich aus den nachfolgenden besonderen Borschristen ergeben. (Verwahrung der Tiere)

§63.

Mrd unter dem daselbst aufgestellten Vieh der AuSbruch einer über­ tragbaren Seuche ermittelt oder zeigen sich bei solchem Vieh Erscheinungen, die nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes den AuS­ bruch einer solchen Seuche befürchten lasten, so sind die erkrankten und alle verdächtigen Tiere sofort in polizeiliche Verwah­ rung zu nehmen und von jeder Berührung mit den übrigen auSzuschließen. [ Sperre]

§ 64.

Nach Feststellung deS SeuchenauSbruchS können B i e h h ö f e und Schlach 1 höfe einschließlich der öffentlichen Schlachthäuser ganz oder teilweise für die Dauer der Seuchengefahr gegen den Abtrieb der für die Seuche empfänglichen Tiere gesperrt werden. (Schlachtung]

§ 65.

(1) Soweit Schlachtvieh in Frage kommt und die Art der Krankheit es gestattet (vgl. §§ 32, 35, 88, 43 Abs. 2), kann der Besitzer der er­ krankten oder verdächtigen Tiere oder sein Vertreter angehalten werden, die sofortige Schlachtung unter Aufsicht des beamteten Tierarztes in den dazu bestimmten Räumen vorzunehmen. (2) Die Schlachtung kann in dringenden Fällen auch ohne vorherige Benachrichtigung des Besitzers oder seines Vertreters vorgenommen und auf alles andere in der betreffenden Räumlichkeit vorhandene, für die

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41. Reichs viehsemhengesetz (1809).

Seuche empfängliche Schlachtvieh ausgedehnt werden. Den Besitzern der so geschlachteten Tiere ist unverzüglich von der Schlachtung Mit­ teilung zu machen. 4. EntschLdignng für Viehverlnste. (Solle der Gewährung)

§ 66.

Vorbehaltlich der in diesem Gesetze bezeichneten Ausnahmen ist eine Enttchädigung zu gewähren: 1. für Tiere, die auf polizeiliche Anordnung getötet oder nach dieser Anordnung an derjenigen Krankheit gefallen find, die zu der Anordnung Veranlassung gegeben hat 2. für Tiere, die nach rechtzeitig erstatteter Anzeige an Rotz oder Lungenseuche gefallen find, wenn die Voraussetzungen gegeben waren, unter denen die polizeiliche Anordnung der Tötung erfolgen muß3. für Tiere, von denen anzunehmen ist, daß fie infolge einer wlizeilich angeordneten Impfung einaegangen ftnb: ür Rinder und Pferde, oie an Milzbrand oder Rausch­ band gefallen find oder an denen nach dem Tode eine dieser Krankheiten festgestellt worden ist.

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(LautzeSrechtliche Vorschriften)

§ 67.

(1) Die Bestimmungen darüber: 1. von wem die Entschädigung zu gewähren und wie fie auf­ zubringen ist, 2. wie die Entschädigung im einzelnen Falle zu ermitteln und festjustellen ist, nd von den Einzelstaaten zu treffen, jedoch mit der Maßgabe, atz die Entschädigungen für Tiere, die auf polizeiliche Anord­ nung getötet worden find, aus Staatsmitteln bestritten werden müssen: a) in vollem Umfange, wenn die Tiere nicht mit der Seuche behaftet waren, derentwegen die Tötung angeordnet worden ist, b) mindestens zur Hälfte, wenn fie mit Maul- und Klauen­ seuche behaftet waren, c) mindestens zu einem Drittel, wenn fie mit Tuberkulose (§ 10 Abs. 1 Nr. 12) behaftet waren, und wenn in den Fällen zu b und c die Tötung wegen der dort genannten Seuche erfolgt ist. (2) Mit diesen Maßgaben bleiben die in dieser Hinstcht in den Einzelstaaten bestehenden Vorschriften unberührt. Mit der gleichen Einschränkung und insoweit solche Vorschriften nicht entgegenstehen, find die Landesregierungen befugt, zu bestimmen,

5

41. Reichs Biehseuchengesetz (1609).

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daß die Entschädigungen bis zum Eintritt einer anderweiten landesverfassungsmäßigen Regelung durch Beitrage der Be­ sitzer der oetreffenden Tiergattungen nach Maßgabe oer über die Verteilung und Erhebung der Beiträge von oer Landesregie­ rung zu treffenden näheren Anordnung aufgebracht werden. (3) Zn allen Fällen sollen jedoch die Vorschriften der §§ 68 bis 73 dieses Gesetzes dabei maßgebend sein. ltzöhe der Entschädigung)

8 68.

(1) Der Entschädigung wird der gemeine Wert des Tieres zu­

grunde gelegt, und zwar, abgesehen von der Tuberkulose (8 10 Abs. 1 Nr. 12), ohne Rücksicht auf den Minderwert, den das Tier dadurch erlitten hat, daß es von der Seuche ergriffen oder der Impfung unterworfen worden ist. Die Entschädigung beträgt bei den mit Rotz behafteten Tieren drei Viertel, bei den mit Milzbrand, Rauschbrano, Lungenseuche oder Tuberkulose (§ 10 Abs. 1 Nr 12) behafteten Tieren vier Fünftel, im übrigen die volle Höhe des in der angegebenen Weise berechneten Wertes. (2) Auf die zu leistende Entschädigung werden angerechnet. 1. die aus Privatverträgen zahlbare Versicherungssumme, und zwar bei Rotz zu drei Viertel, bei Milzbrand, Rausch­ brano, Lungenseuche und Tuberkulose (§ 10 Abs. 1 Nr. 12) au vier Fünftel, in allen anderen Fällen zum vollen Betrage2. der Wert derjenigen Teile des getöteten Tieres, welche dem Besitzer nach Maßgabe der polizeilichen Anordnungen zur Verfügung bleiben. sEntschädigungSberechtigter)

§69.

(1) Die zu leistende Entschädigung wird, sofern ein anderer

Berechtigter nicht bekannt ist, demjenigen gezahlt, in dessen Ge­ wahrsam oder Obhut sich das Tier zur Zeit des Todes befand. (2) Mit dieser Zahlung ist jeder Entschädigungsanspruch Dritter erloschen.

§70. Keine Entschädigung wird gewährt: 1. für Tiere, die dem Reiche, den Einzelstaaten oder zu den landes­ herrlichen Gestüten gehören; 2. für Tiere, die der Vorschrift des § 6 zuwider in daS Reichsgebiet eingeführt sind; 3. für Tiere, die innerhalb einer bestimmten Frist vor der Fest­ stellung der Seuche in daS Reichsgebiet eingeführt sind, wenn nicht der Nachweis erbracht wird, daß ihre Ansteckung erst nach der Einführung in das Reichsgebiet stattgefunden hat. Diese Frist

41]

41. ReichSBiehfeuchengesetz (1909).

beträgt bei Milzbrand, Rauschbrand und bei Maul- und Klauenfeuche 14 Tage, bei Rotz 90 Tage, bei Lungenseuche 180 Tage und bei Tuberkulose (§ 10 Abs. 1 Nr. 12) 270 Tage.

§71. Durch Landesrecht kann die Entschädigung der sagt werden: 1. für Tiere, die an einer ihrer Art oder dem Grade nach Unheilbaren und unbedingt tödlichen Krankheit gelitten haben, eS sei denn, daß diese Krankheit bestanden hat in Milzbrand, Rausch­ brand, Rotz, Lungenseuche, Maul- und Klauenseuche oder Tuber­ kulose (§ 10 Abs. 1 Nr. 12), oder daß das Tier an einer infolge polizeilich angeordneter Impfung ausgetretenen Krankheit ver­ endet ist; 2. für da- in Diehhöfen oder in Schlachthöfen einschließlich der öffentlichen Schlachthäuser aufgestellte Schlachtvieh; 3. für Hunde und Katzen, die aus Anlaß der Tollwut getötet sind (§§ 12, 36, 39, 40).

§72. Der Anspruch auf Entschädigung fällt weg: 1. wenn der Besitzer der Tiere oder der Vorsteher der Wirtschaft, der die Tiere angehören, oder der mit der Aussicht über die Tiere an Stelle des Besitzers Beauftragte vorsätzlich oder fahrlässig den Vorschriften der §5 9, 10 zuwider die ihm obliegende Anzeige unterläßt oder länger als vierundzwanzig Stunden, nachdem er von der anzuzeigenden Tatsache Kenntnis erhalten hat, verzögert, es sei denn, daß die Anzeige von einem anderen Verpflichteten rechtzeitig gemacht worden ist; , 2. wenn der Besitzer eine- der Tiere mit der Seuche behaftet ge­ kauft oder durch ein anderes Rechtsgeschäft unter Lebenden er­ worben hat und von diesem kranken Zustande beim Erwerbe des Tiere- Kenntnis hatte; 3. im Falle des § 25, oder wenn dem Besitzer oder desien Vertreter die Nichtbefolgung oder Übertretung der angeordneten Schutzmaß­ regeln zur Abwehr der Seuchengesahr zur Last fällt.

§73. Wenn zur Bestreitung der Entschädigungen Beiträge nach Maß­ gabe des vorhandenen Tierbestandes erhoben werden, dürfen diese Bei­ träge für Tiere, die dem Reiche, den Einzelstaaten oder zu den landes­ herrlichen Gestüten gehören, und im Falle des § 71 Nr. 2 für daS in Viehhöfen oder in Schlachthöfen einschließlich öffentlicher Schlachthäuser aufgestellte Schlachtvieh nicht beansprucht werden.

[41

41. NeichS-Biehseuchengksetz (1909).

III. Strafvorschriften. sBorfätzliche Zuwiderhandlungen!

§74.

(1) Mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe von fünfzehn bis zu dreitausend Mark wird bestraft:

1. wer vorsätzlich den Vorschriften der §§ 6, 32 bis 34, 36 bis 38, 41, des § 43 Abs. 2, des § 45, des § 51 Abs. 2, der §§ 56, 57, des § 61 Abs. 3, 4 zuwiderhandelt;

2. wer vorsätzlich den Vorschriften der §§ 9, 10 zuwider die ihm ob­ liegende Anzeige unterläßt oder länger als vierundzwanzig Stun­ den, nachdem er von der anzuzeigenden Tatsache Kenntnis er­ halten hat, verzögert oder es unterläßt, die kranken und die ver­ dächtigen Tiere von Orten, an denen die Gefahr der Ansteckung fremder Tiere besteht, fernzuhalten; die Strafverfolgung wegen unterlassener oder verzögerter Anzeige tritt nicht ein, wenn die Anzeige von einem anderen Verpflichteten rechtzeitig gemacht worden ist; 3. wer vorsätzlich den auf Grund des § 7 Abs. 1, des § 11 Abs. 1, 2, der §§ 19 bis 23, 26 bis 28, 35, 39, 40, deS § 43 Abs. 1, der §§ 47, 48, 58, 59, des § 61 Abs. 2, der §§ 63, 64, 78 von der zuständigen Behörde oder dem beamteten Tierarzte getroffenen Anordnungen zuwiderhandelt;

4. wer vorsätzlich die gemäß § 17 Nr. 4, § 61 Abs. 2 angebrachten Kennzeichen unbefugterweise beseitigt oder verändert;

5. wer vorsätzlich Kadaver, die auf polizeiliche Anordnung vergraben sind, oder Teile von solchen unbefugterweise ausgräbt oder wer vorsätzlich Kadaver, die auf polizeiliche Anordnung vergraben waren, oder Teile von solchen unbefugterweise an andere über­ läßt oder an sich bringt. (2) Neben der Gefängnisstrafe kann auf tausendfünfhundert Mark erkannt werden.

lFahrläsfige Zuwiderhandlungen!

Geldstrafe

bis

zu

ein­

§75.

(1) Mit Geldstrafe von zehn bis einhundertfünfzig Mark oder mit Haft nicht unter einer Woche wird bestraft, wer den im § 74 Abs. 1 Nr. 1, 2 bezeichneten Vorschriften aus Fahrlässigkeit zuwiderhandelt.

(2) Eine Bestrafung wegen fahrlässiger Verzögerung der in den §§ 9, 10 vorgeschriebenen Anzeige findet nur statt, wenn die Anzeige länger als vierundzwanzig Stunden nach erhaltener Kenntnis von der anzu­ zeigenden Tatsache verzögert worden ist. Die Strafverfolgung wegen fahrlässiger Unterlasiung oder Verzögerung der Anzeige tritt nicht ein, wenn die Anzeige von einem anderen Verpflichteten rechtzeitig gemacht worden ist.

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41. Reichs-Viehseuchen,esetz (1909).

§76. Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder nrit Hast wird bestraft: 1. wer außer den Fällen des § 74 Abs. 1 Nr. 3 den auf Grund dieses Gesetzes getroffenen Anordnungen zuwiderhandelt; 2. wer eine der im § 74 Abs. 1 Nr. 4, 5 bezeichneten Handlungen aus ^Fahrlässigkeit begeht.

Einziehung]

§ 77.

(1) Im Falle der Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften des § 6 oder gegen die auf Grund deS § 7 Abs. 1 getroffenen Anordnungen ist neben der Strafe auf die Einziehung der verbotswidrig ein geführten Tiere, Kadaver und Teile von Tieren, tierischen Erzeugnisie und Rohstoffe sowie der Gegenstände, die Träger des Ansteckungsstoffs sein können, zu erkennen, ohne Unterschied, ob sie dem Verurteilten gehören oder nicht. (2) Ist die Verfolgung oder Verurteilung einer bestimmten Person nicht ausführbar, so kann auf die Einziehung selbständig erkannt werden.

IV. Schlußbeftimmungen.

§78. Zur wirksamen Ausführung der in den §§ 7, 16, 17, 19 bis 29 bezeichneten Maßregeln kann eine Anzeige über das Vorhandensein, den Ab- und Zugang oder über Ortsveränderungen von Tieren oder über die in den §§ 16 und 17 aufgeführten Betriebe, Unternehmungen und Veranstaltungen vorgeschrieben werden.

§7». (1) Die näheren Vorschriften Über die Anwendung und Ausführung der nach den §§ 16 bis 30 zulässigen Maßregeln erläßt der Bundesrat*) unter Berücksichtigung der in den §§ 32 bis 65 gegebenen besonderen Bestimmungen. DaS gleiche gilt für die nach § 78 zulässigen Maßregeln, soweit sie sich auf die vorstehend bezeichneten Paragraphen beziehen. (2) Weitergehende Vorschriften Über die Anwendung und Ausfüh­ rung der im Abs. 1 bezeichneten Bestimmungen können die obersten Landesbehörden oder mit deren Ermächtigung die höheren Polizeibehör­ den innerhalb der Schranken dieses Gesetzes anordnen. (3) Vor dem Erlasse der im Abs. 1 bezeichneten Vorschriften und vor der Entscheidung der obersten Landesbehörden über solche nach Abs. 2

1) Jetzt die Art. 179 RB.

Reichsregierung

mit

Zustimmung

des

ReichSrats,

[41

41. RrichS-Liehseuchen-esetz (1909).

zulässige weitergehende Vorschriften, die auf Grund der §§ 16, 17 er­ gehen, sind Vertretungen der beteiligten Berufsstände zu hören. Bei Gefahr im Verzüge kann die vorherige Anhörung unterbleiben: die Anhörung muß alsdann aber sobald als möglich nachgeholt werden. Welche Vertretungen zu Höven sind, wird tm Falle deS Abs. 1 vom Bundesrat**), im Falle des Abs. 2 von den obersten Landesbehörden be­ stimmt. Die Gültigkeit der Vorschriften hängt von der vorgeschriebenen Anhörung nicht ab.

§80. (1) Beschwerden des Besitzers gegen Anordnungen, die auf Grund der §§ 7, 11 bis 15, 18 bis 65, des § 78, soweit dieser sich auf die vorstehend bezeichneten Paragraphen bezicht, oder der dazu erlassenen Ausführungsbestimmungen getroffen sind, haben keine aufschic bende Wirkung. (2) Beschwerden gegen Anordnungen auf Grund anderer Bestim­ mungen haben nur dann aufschiebende Wirkung, wenn die Ausführung ohne Nachteil für das Gemeinwohl ausgesetzt bleiben kann.

§81. Das Gesetz, betreffend die Beseitigung von Ansteckungsstoffen bei Biehbesörderungen auf Eisenbahnen, vom 25. Februar 1876 (Reichsgesetzbl. S. 163) wird durch daS gegenwärtige Gesetz nicht berührt.

(Inkrafttretenl

§ 82.

(1) Der Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes wird durch Kaiserliche Verordnung mit Zustimmung des Bundesrats bestimmt^). (2) Mit demselben Zeitpunkte tritt das Gesetz vom 23. Juni 1880/1. Mai 1894, betreffend die Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen (Reichsgesetzbl. 1894 S. 409), außer Kraft. *) Die Reichsregierung mit Zustimmung des Reichsrats, RB Art. 179 H. *) Bestimmt wurde durch BO. v. 29. März 1912 der 1. Mai 1912.

Bühler BerwaltungSgesehe.

32

42]

42. FluchM»te»,«I«tz (1875).

VI. Bau-, Wohnungs- und Enteignungsrecht. 42. Gesetz, betreffend die Anlegung und Deränderung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften (Fluchtlinlengesetz). Dom 2. Süll 1875 (GS. 6. 561)1). ^Während die meisten Mittel- und Kleinstaaten längst das gesamte Baurecht in Baugesetzen oder Bauordnungen geregelt haben, ist eine solche Kodifikation in Preußen noch nicht gelungen. Nur das Verhältnis des St r a ß e n an lieg e rS zur Polizei und Gemeinde ist im vorliegenden Fluchtliniengesetz geregelt; die eigentlichen Bauvorschriften werden in örtlichen Baupolizeiver Ordnungen erlassen. Das Fluchtliniengesetz ist auch alS solches längst als reformbedürftig erkannt; der Entwurf eines Städte^ baugesetzeS, daS zu seiner Ablösung bestimmt ist, konnte bis jetzt aber nicht verabschiedet werdens ^Festsetzung der Fluchtlinien^

§ l2).

(1) Für die Anlegung oder Veränderung von Straßen und Plätzen (auch Gartenanlagen, Spiel- und Erholungsplätzen) in Städten und ländlichen Ortschaften lind die Straßen- und Bau­ fluchtlinien vom Gemeindevorstand im Einverständnisse mit der Gemeinde oder deren Vertretung, dem öffentlichen Bedürfnis entsprechend unter Zustimmung der Ortspolizeibehörde fest­ zusetzen. (2) Die Ortspolizeibehörde kann die Festsetzung der Flucht­ linien verlangen, wenn die von ihr wahrzunehmenden polizei­ lichen Rücksichten oder ein hervorgetretenes Bedürfnis nach Klein- oder Mittelwohnungen die Festsetzung fordern; im letz­ teren Falle bedarf sie jedoch der Einverständniserklärung der Kommunalaufsichtsbehörde. (3) Zu einer Straße im Sinne dieses Gesetzes gehört der Straßendamm und der Bürgersteig. *) Mit Änderungen durch das Wohnungsgesetz vom 28. März 1918 (GS. S. 23) Art. I. ’) § 1 i. d. F. d. WohnungSgesetzeS.

42. Fluchtliniengesetz (1875).

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(4) Die Straßenfluchtlinien bilden reaelmäßig zugleich die Baufluchtlinien, das heißt die Grenzen, über welche hinaus die Bebauung ausgeschlossen ist. Aus besonderen Gründen kann aber eine hinter die Straßenfluchtlinie zurückweichende Bau­ fluchtlinie festgesetzt werden. [Bebauungsplan]

§ 21).

(1) Die Festsetzung von Fluchtlinien (§ 1) kann für einzelne Straßen Stratzenteile und Plätze (auch Gartenanlagen, Spielund Erholungsplätze) oder, nach dem voraussichtlichen Bedürf­ nisse der näheren Zukunft, durch Aufstellung von Bebauungs­ plänen für größere Grundflächen erfolgen. (2) Handelt es sich infolge von umfasienden Zerstörungen durch Brand oder anoere Ereignisse um die Wiederbebauung ganzer Ortsteile, so ist die Gemeinde verpflichtet, schleunigst darüber zu beschließen, ob und inwiefern für den betreffenden Ortsteil ein neuer Bebauungsplan aufzustellen ist und ein­ tretendenfalls die unverzügliche Feststellung des neuen Be­ bauungsplanes zu bewirken. [Richtlinien]

§ 31).

(1) Bei Festsetzung der Fluchtlinien ist auf das Wohnungs­ bedürfnis sowie die Förderung des Verkehrs, der Feuerstcherheit und der öffentlichen Gesundheit Bedacht zu nehmen, auch darauf zu halten, daß eine Verunstaltung der Straßen und Plätze sowie des Orts- und Landschaftsbildes nicht eintritt. (2) Es ist deshalb für die Herstellung einer genügenden Breite der Straßen und einer guten Verbindung der neuen Bauanlagen mit oen bereits bestehenden Sorge zu tragen. (3) Im Interesse des Wohnungsbedürfnisses ist ferner dar­ aus Bedacht zu nehmen, daß in ausgiebiger Zahl und Größe Plätze (auch Gartenanlaaen, Spiel- und Erholungsplätze) vor­ handen sind, daß die Möglichkeit gegeben ist, an geeigneter Stelle Kirchen- und Schulbauten zu errichten, daß für Wohn­ zwecke Baublöcke von angemesiener Tiefe und Straßen von ge­ ringerer Breite entsprechend dem verschiedenartigen Wohnungsbedürfnisie geschaffen werden, und daß durch die Festsetzung Baugelände entsprechend dem Wohnungsbedürfnisse der Bebau­ ung erschlosien wird. [Inhalt der Festsetzung]

§ 4.

Jede Festsetzung von Fluchtlinien (§ 1) muß eine genaue Bezeichnung der davon betroffenen Grundstücke uno Erunostücksx) §§ 2, 3 i. d. F. d. WohnungSgesetzeS.

42]

42. NuchttiLieniesrtz (1875).

teile und eine Bestimmung der Höhenlage, sowie der beabsich­ tigten Entwässerung der betreffenden Straßen und Plätze ent­ halten. lversagung d. pslizeil. Zustimmung] § 51).

(1) Die Zustimmung der Ortsoolizeibehörde (§ 1) darf nur versagt werden, wenn die von ihr wahrzunehmenden polizei­ lichen Rücksichten oder ein hervoraetretenes Bedürfnis nach Klein- oder Mittelwohnungen (§ 3 Abs. 3) die Versagung for­ dern. Soweit die Zustimmung wegen eines hervorgetretenen Bedürfnisses nach Klein- oder Mittelwohnungen versagt wird, bedarf es des Einverständnisses der Kommunalaufsichtsbehörde (2) Will sich der Gemeindevorstand bei der Versagung nicht beruhigen, so beschließt auf sein Ansuchen der Kreisausschuß. (3) Derselbe beschließt auf Ansuchen der Ortsoolizeibehörde über die Bedürfnisfrage, wenn der Gemeindevorstand die von der Ortspolizeibehörde verlangte Festsetzung (§ 1 Abs. 2) ab­ lehnt. An Stelle des Kreisausschusses tritt in Stadtkreisen und den einem Landkreise angehörigen Städten von mehr als 10 000 Einwohnern der Bezirksausschuß, in Berlin der Minister der öffentlichen Arbeiten-), soweit ein solches Ansuchen auf ein hervorgetretenes Bedürfnis nach Klein- oder Mittelwobnungen gestützt wird, darf es nur im Einverständnisse mit der Kommunalaufstchtsbehörde ergehen. lAnhSnms anderer Behörden]

§ 6.

Betrifft der Plan der beabsichtigten Festsetzungen (8 4) eine Festung, oder fallen in denselben öffentliche FlüsseChausseen, Eisenbahnen oder Bahnhöfe, so hat die Ortspolizeibehöroe dafür zu sorgen, daß den beteiligten Behörden recht­ zeitig zur Wahrung ihrer Interessen Gelegenheit gegeben wird. lOffenlegunz]

§ 7.

(1) Rach erfolgter Zustimmung der Ortspolizeibehörde, be«des Kreisausschusses (§ 5), bat der Gemeindevorstand lan zu jedermanns Einsicht offenzulegen. Wie letzteres geschehen soll, wird in der ortsüolichen Art mit dem Bemerken oekanntgemacht, daß Einwendungen gegen den Plan innerhalb *) § 5 t. d. F. deS WohnungSgefetzeS. -) DaS Ministerium für öffentliche Arbeiten ist vom 1. April 1921 ab aufgelöst. Die Fluchtlinienangelegenheiten sind schon seit dem 1. No» vember 1919 dem Ministerium für Bolkswohlfahrt zu­ geteilt.

42. Fluchtliniengesetz (1875).

[42

einer bestimmt zu bezeichnenden präklusivischen Frist von min­ destens vier Wochen bei dem Gemeindevorstande anzubringen sind. (2) Handelt es sich um Festsetzungen, welche nur einzelne Grundstücke betreffen, so genügt statt oer Offenlegung und Be­ kanntmachung eine Mitteilung an die beteiligten Grundeigen­ tümer. [Gintttnbunfltn]

§ 8.

Uber die erhobenen Einwendungen (§ 7) hat. soweit die­ selben nicht durch Verhandlung zwischen dem Eemeindevorstande und den Beschwerdeführern zur Erledigung gekommen, der Kreisausschuß zu beschließen. Sind Einwendungen nicht er­ hoben oder ist über dieselben endgültig (§ 16) beschlossen, so hat der Demeindevorstand den Plan förmlich festzustellen, zu jedermanns Einsicht offenzulegen und, wie dies geschehen soll, ortsüblich bekanntzumachen. lBeteilig. mehrerer Ortschaften^

§ 9.

(1) Sind bei Festsetzung von Fluchtlinien mehrere Ort­ schaften beteiligt, so hat eine Verhandlung darüber zwischen den betreffenden Gemeindevorttänden stattzufmden. (2) Uber die Punkte, hinsichtlich deren eine Einigung nicht zu erzielen ist, beschließt der Kreisausschuß. l Abänderung der Fluchtlinien!

§ 10.

(1) Jede, sowohl vor als nach Erlaß dieses Gesetzes getrof­ fene Festsetzung von Fluchtlinien kann nur nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmungen aufgehoben oder abgeändert werden. (2) Zur Festsetzung neuer oder Abänderung schon bestehen­ der Bebauungspläne in den Städten Berlin, Potsdam, Eharlottenbura und deren nächster Umgebung bedarf es sKöniglicherj der Genehmigung des Staatsministeriums*). IWirkung der Cffrnlegung]

§ 11*2).

Mit dem Tage, an welchem die im 8 8 voraeschriebene Offenlegung beginnt, tritt die Beschränkung des Grundeigen­ tümers^ daß Neubauten, Um- und Ausbauten über die Flucht­ linie hinaus versagt werden können, endgültig ein. Gleichzeitig erhält die Gemeinde das Recht, die ourch die festgesetzten Straßenfluchtlinien für Straßen und Plätze (auch GartenJ) Gemäß Art. 82 PrB. 2) In der Fassung des Wohnungsgesetzes.

42]

42. Fluchtlinienßefetz (1875).

anlagen, Spiel* und Erholungsplätze) bestimmte Grundfläche dem Eigentümer zu entziehen. (Bauverbot f. unfertige Straßen]

§ 121).

(1) Durch Ortsstatut kann festgestellt werden, daß an Straßen oder Straßenteilen, welche noch nicht gemäß den bau­ polizeilichen Bestimmungen des Orts für den öffentlichen Ver­ kehr und den Anbau fertig hergestellt sind, Wohngebäude, die nach dielen Straßen einen Ausgang haben, nicht errichtet wer­ den dürfen. (2) Das Ortsstatut hat die näheren Bestimmungen inner­ halb der Grenze vorstehender Vorschrift festzufetzen und bedarf der Bestätigung des Bezirksausschusses, in Berlin des Ministers des Innern. Gegen den Beschluß des Bezirksausschusses ist innerhalb einer Ausschlußfrist von zwei Wochen die Beschwerde bei dem Provinzialrate zulässig'). (3) Nach erfolgter Bestätigung ist das Statut in ortsüblicher Art bekanntzumachen. (4) Von dem Verbote kann Dispens erteilt werden, falls ein Bedürfnis für Klein- oder Mittelwohnungen besteht, be­ gründete Aussicht vorbanden ist, daß der Eigentümer diesem Bedürfnisse durch den Bau entsprechender, gesunder und zweck­ mäßig eingerichteter Wohnungen Rechnung trägt, und falls kein überwiegendes berechtigtes Eemeindeinteresse entgegensteht. Weist die Gemeinde nach, daß geeignete Maßnahmen ergriffen nd, um dem Bedürfnisse für Klein- oder Mittelwohnungen urch Errichtung von Häusern mit höchstens einem Obergeschoß über dem Erdgeschoß ausreichend Rechnung zu tragen, uno ist die Gewähr gegeben, daß diese Maßnahmen auch zur Durch­ führung gelangen werden, so darf der Dispens zur Errichtung von Gebäuden mit mehr Stockwerken nicht erteilt werden. (5) Ist durch Gemeindebeschluß bestimmt, daß erst nach Zahlung oder Sicherstellung der gemäß § 15 dieses Gesetzes oder gemäß § 9 des Kommunalabgaoengefetzes vom 14. Juli 1893 (Gesetzsamml. S. 152) von der Gemeinde festgesetzten Beiträge Wohngebäude errichtet werden dürfen, so darf der Dispens vor erfolgter Zahlung oder Sicherstellung nicht erteilt werden. (6) über die Erteilung des Dispenses beschließt im Streit­ fälle der Bezirksausschuß. (7) Unter den gleichen Voraussetzungen kann der Bezirks­ ausschuß beschließen, daß die Gemeinde, soweit sie eine öffent­ liche Wasserleitung, Ableitung der Schmutzwässer oder Be-

E

*) In der Fassung des WohnungSgesetzeS. ’) Die Fassung von Abs. 2 Satz 2 folgt aus § 146 ZG. und §§ 51, 153 LBG.

42. Fluchtliniengesetz (1875).

[42

leuchtung als Gemeindeanstalt unterhält, den Eigentümern nach Maßgabe der allgemeinen örtlichen Bestimmungen die Benutzung dieser Anstalt gewährt.

[6ntfd)äbtgungJ § 131). (1) Eine Entschädigung kann wegen der nach den Bestim­ mungen des § 12 eintretenden Beschränkung der Baufreiheit überhaupt nicht, und wegen Entziehung oder Beschränkung des von der Festsetzung neuer Fluchtlinien betroffenen Grundeigen­ tums nur in folgenden Fällen gefordert werden: 1. wenn die zu Straßen und Plätzen (auch Gartenanlagen, Spiel- und Erholungsplätzen) bestimmten Grundflächen auf Verlangen der Gemeinde für die öffentliche Benutzung abgetreten werden; 2. wenn die Straßen- oder Baufluchtlinie vorhandene Ge­ bäude trifft und das Grundstück bis zur neuen Flucht­ linie von Gebäuden freigelegt wird; 3. wenn die Straßenfluchtlime einer neu anzulegenden Straße ein unbebautes, aber zur Bebauung geeignetes Grundstück trifft, welches zur Zeit der Feststellung dieser Fluchtlinie an einer bereits bestehenden und für den öffentlichen Verkehr und den Anbau fertiggestellten an­ deren Straße belegen ist, und die Bebauung in der Flucht­ linie der neuen Straße erfolgt. (2) Die EnAhädigung wird in allen Fällen wegen der zu Straßen und Plätzen (auch Gartenanlagen, Sznel- und Er­ holungsplätzen) bestimmten Grundfläche für Entziehung des Grundeigentums gewährt. Außerdem wird in denjenigen Fällen der Nr. 2, in welchen es stch um eine Beschränkung des Grund­ eigentums infolge der Festsetzung einer von der Etraßenfluchtlinie verschiedenen Baufluchtlinie handelt, für die Beschränkung des bebaut gewesenen Teiles des Grundeigentums (§ 12 des Gesetzes über Enteignung von Grundeigentum vom 11. Juni 1874) Entschädigung gewahrt. (3) In allen oben gedachten Fällen kann der Eigentümer die Übernahme des ganzen Grundstücks verlangen, wenn dasselbe durch die Fluchtlinie entweder ganz oder soweit in Anspruch genommen wird, daß das Restgrunostück nach den baupolizei­ lichen Vorschriften des Ortes nicht mehr zur Bebauung ge­ eignet ist. (4) Bei den Vorschriften dieses Paragraphen ist unter der Bezeichnung Grundstück jeder im Zusammenhänge stehende Grundbesitz des nämlichen Eigentümers begriffen.

*) § 13 i. d. F. des Wohnungsgesetzes.

42]

42. Fluchtlinien-esetz (1875).

Wirk. fr. Kluchtlinieufeststell.]

§ 13 a1).

(1) Mil dem Zeitpunkt, an dem für eine Strafte, einen Straßenteil oder Platz die Fluchtlinien förmlich festgestellt find, erhält die Gemeinde das Recht, ein an die Fluchtlinie der Straße, des Straßenteils oder des Platzes angrenzendes Grund­ stück, soweit es nach den Laupolizeilichen Vorschriften des Ortes nicht zur Bebauung geeignet ist, dem Eigentümer gegen Ent­ schädigung zu entziehen. Bei Straßen, Straßenteilen oder Plätzen, für die Fluchtlinien nicht förmlich festgestellt find, ent­ steht das Recht der Gemeinde mit dem Zeitpunkt, an dem die Straße, der Straßenteil oder der Platz gemäß den baupolizei­ lichen Vorschriften des Ortes für den öffentlichen Verkehr und fiir den Anoau fertig hergestellt ist. Will die Gemeinde dieses Recht ausüben, Ja hat sie dies unter genauer Bezeichnung der zu enteignenden Fläche dem Eigentümer mitzuteilen mit dem Hin­ weise, daß Einwendungen aegen die Entziehung binnen einer Ausschlußfrist von vier Wochen bei dem Gemeindevorstand anzu­ bringen find. Über Einwendungen beschließen die int § 8 dieses Gesetzes und im § 146 des Gesetzes über die Zuständigkeit der Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsbehörden vom 1. August 1883 (Gesetzsamml. 6. 237) berufenen Behörden. (2) Sind die nach Abs. 1 entzogenen Grundflächen weder zu­ sammen noch in Verbindung mit anderen der Gemeinde ge­ hörigen Grundstücken zur Bebauung geeignet, so ist die Ge­ meinde verpflichtet, die entzogenen Grunoflachen den Eigen­ tümern der angrenzenden Grundstücke auf ihr Verlangen gegen Erstattung der Aufwendungen nebst Zinsen zu übereignen. Sie hat, wenn mehrere Grundstücke angrenzen und eine Verein­ barung mit den Eigentümern nicht erzielt wird, einen Plan für die zweckmäßige Zuteilung der entzogenen Grundflächen sowie eine Kostenverteilung aunustellen. Der Plan und die Kosten­ verteilung find zur Einficht der Beteiligten offenzulegen. Die Offenlegung ist ortsüblich bekanntzumachen mit dem Hinweise, daß Einwendungen binnen einer Ausschlußfrist von vier Wochen seit dem Tage der Bekanntmachung bei dem Gemeindevorstand anzubringen find. Den aus dem Grundbuch ersichtlichen Eigen­ tümern tst, soweit tunlich, besondere Mitteilung au machen. Über die Einwendungen beschließen die im Abs. 1 bezeichneten Behörden. (3) Die im Abs. 2 Satz 1 der Gemeinde auferlegte Verpflich­ tung erlischt gegenüber denjenigen Eigentümern, welche sich nicht binnen drei Monaten seit Aufforderung der Gemeinde zur Übernahme der Grundfläche verpflichten.

1) § 13a eingefügt durch daS Wohnungsgesetz.

42. Fluchtliniengefetz (1875).

[42

(4) Der § 13 Abs. 4 findet Lei den Vorschriften dieses Para­ graphen gleichfalls Anwendung. (5) Die vorstehenden Bestimmungen finden auch Anwen­ dung, wenn für eine Straße, einen Straßenteil oder Platz vor Inkrafttreten dieser Vorschrift die Fluchtlinien förmlich fest­ gestellt find. (6) Das aleiche gilt, wenn Lei Straßen, Strahenteilen oder Plätzen, für Die Fluchtlinien nicht förmlich festgestellt find, die Straße, der Straßenteil oder der Platz vor Inkrafttreten dieser Vorschrift gemäß oen Laupolizeilicken Vorschriften Des Ortes für den öffentlichen Verkehr und oen Anbau fertig hergestellt ist.

[verfahren! § 141). (1) Für die Feststellung der nach § 13 und § 13a Abs. 1 zu gewährenden Entschädigungen und die Vollziehung der Enteig­ nung kommen die KZ 24 ff. des Gesetzes über Enteignung von Grundeigentum vom 11. Juni 1874 zur Anwendung. (2) Streitigkeiten üLer Fälligkeit des Anspruchs auf Ent­ schädigung gehören zur gerichtlichen Entscheidung. (3) Die Entschädigungen sind, soweit nicht ein aus beson­ deren Rechtstiteln Verpflichteter dafür aufzukommen hat, von der Gemeinde aufzubringen, innerhalb deren Bezirk das be­ treffende Grundstück belegen ist. irrtaflatuten]

§ 14a2).

Das Gesetz, betreffend die Umlegung von Grundstücken in Frankfurt a. M., vom 28. Juli 1902 (Gesetzsamml. S. 273) und das Gesetz wegen Abänderung des § 13 des vorbenannten Ge­ setzes vom 8. Juli 1907 (Gesetzsamml. S. 259) können für den Bezirk einer Gemeinde durch Ortsstatut eingeführt werden. Das Ortsstatut bedarf der Bestätigung durch den Bezirks­ ausschuß. (Anlieger- u. Unternehmerbeiträgef

§ 151).

(1) Durch Ortsftatut kann festgesetzt werden, daß bei der An­

legung einer neuen oder bei der Verlängerung einer schon be­ stehenden Straße, wenn solche zur Bebauung bestimmt ist, sowie bei dem Anbau an sckon vorhandenen bisher unbebauten Straßen und Straßenteilen von dem Unternehmet der neuen Anlage oder von den angrenzenden Eigentümern — von leüteren sobald fie Gebäude an der neuen Ttraße errichten — die Freilegung, erste Einrichtung, Entwässerung und Beleuchtungs­ vorrichtung der Straße in der dem Bedürfnisse entsprechenden *) §§ 14, 15 i. d. F. des Wohnungsgesetzes. 2) § 14a eingefügt durch das Wohnungsgesetz.

42]

42. FluchMnien-efetz (1875).

Weise beschafft, sowie deren zeitweise, höchstens jedoch fünfjährwe Unterhaltung, bzw. ein verhältnismäßiger Beitrag oder der Ersatz der zu allen diesen Maßnahmen erforderlichen Kosten geleistet werde. Zu diesen Verpflichtungen können die angren­ zenden Eigentümer nicht für mehr als oie Hälfte der Straßen­ breite, und wenn die Straße breiter als 26 m ist, nicht für mehr als 13 m der Straßenbreite herangezogen werden. (2) Bei Berechnung der Kosten find die Kosten der gesamten Straßenanlage und bzw. deren Unterhaltung zusammenzurech­ nen und den Eigentümern nach Verhältnis der Länge ihrer, die Straße berührenden Grenze zur Last zu legen1). Wird die Straßengrenze eines Grundstücks, defien Eigentümer zu Straßen­ kosten herangezogen ist, später dadurch verlängert, daß mit dem Grundstück eine Grundfläche wirtschaftlich vereinigt wird, für welche die Straßenkosten noch nicht bezahlt find, so sind dem Eigentümer die auf die Verlängerung entfallenden Straßen­ kosten nachträglich zur Last zu legen. (3) Das Ortsstatut hat die näheren Bestimmungen innerhalb der Grenze vorstehender Vorschrift festzusetzen. Bezüglich seiner Bestätigung, Anfechtbarkeit und Bekanntmachung gelten die im § 12 gegebenen Vorschriften. (4) Für die Haupt- und Residenzstadt Berlin bewendet es bis zu dem Zustandekommen eines solchen Statuts bei den Bestimmungen des Regulativs vom 31. Dezember 1838.

(Erlaß von Beiträgen usw.]

§ 15 a2).

(1) Durch Ortsstatut kann bestimmt werden, daß die im vor­ stehenden Paragraphen und im 8 S des Kommunalabgaben­ gesetzes vom 14. Juli 1893 (Gefetzsamml. S. 152) geregelten Beiträae sowie die im 8 6 daselbst bezeichneten Gebühren für Gebäuoe an Straßen, die ihrer Lage und Ausstattung nach für Wohnungen der Minderbemittelten besonders geeignet erscheinen und für den Ausbau mit Häusern mit höchstens einem OberBoß über dem Erdgeschosse bestimmt find (Kleinwohnungsen), ganz oder teilweise erlassen oder gestundet werden en, sofern die Gebäude hauptsächlich für Wohnungen der bezeichneten Art oder für aemeinnützige Einrichtungen zugunsten der Minderbemittelten (Kinderfürsorge, Fortbildung, Erholung und dergleichen) bestimmt find. Wird die Zweckbestimmung der Gebäude später geändert, so können von dem jeweiligen Eigen­ tümer des Grundstücks die Beiträge und Gebühren nachträglich verlangt werden, soweit ste erlassen oder noch gestundet find. 1) Siehe hierzu § 10 deS Kommunalabgabengesetzes, oben Nr. 19. ’) § 15a eingefügt durch daS Wohnungsgesetz.

43. WohnungSgesetz (1918).

[43

(2) Das Ortsstatut kann hinsichtlich der Straßen, der Ge­ bäude und der Wohnungen die Voraussetzungen näher festsetzen, unter denen die Vergünstigung eintritt.

§16. ^Ersetzt durch § 121 LBG-, s. auch § 51 bas.]

§§ 17, 18. ,Aufgehoben durch § 146 Abs. 1 ZustG.] lSchlutzvorschriftens

§ 19.

Alle den Bestimmungen dieses Gesetzes entgegenstehenden allgemeinen und besonderen gesetzlichen Vorschriften werden hierdurch aufgehoben. (2) Alle Bestimmungen der im Verwaltungswege erlassenen Bauordnungen, sonstigen polizeilichen Anordnungen und Orts­ statuten, welche mit den Vorschriften dieses Gesetzes in Wider­ spruch stehen, treten außer Kraft. (1)

§ 201). Der Minister der öffentlichen Arbeiten») wird mit der Aus­ führung dieses Gesetzes beauftragt.

(AuSführungsbestimmungkn)

43. preußisches WohnungSgesetz. Dom 28. März 1918 (GS. S. 23). lDas Gesetz brachte den Anfang der in der Nachkriegszeit dann so bedeutsam gewordenen staatlichen Wohnungspolitik und ist mit seinen Ermächtigungen für die Polizei, die über den Rahmen von § 10 II 17 hinausgehen, heute noch in Geltung.]

Artikel 1. süberschrieben „Baugelände", brachte Änderungen zum Fluchtl i n i e n g e s e tz von 1875, die bei dessen Wiedergabe (oben Nr. 42) bereits berücksichtigt sind.]

Artikel 2. sBetraf die Enteignung mit Rücksicht auf das Wohnungsbedürfnis, batte Geltung nur bis 31. Dezember 1928.]

*) § 20 i. d. F. deS Wohnungsgesetzes. ») S. Anm. 2 zu § 5 Abs. 3.

43]

43. WshmmgSgesetz (1918).

Artikel 3. Cingcmeinbung und Umgemeindung. §1. Zn § 2 Nr.5 der Landgemeindeordnung für die sieben östlichen Provinzen der Preutzischen Monarchie vom Zuli 3. 1891 (Gesetzsamml. S. 233) wird unter d folgende Vor­ schritt eingestellt: d) wenn die Rücksicht auf das Wohnungsbedürfnis die Ein­ gemeindung oder Umgemeindung erheischt'). 8 2.

Soweit andere Gemeindeverfassunasgesetze eine Eingemein­ dung oder Umgemeindung davon abhängig machen, daß das öffentliche Interesse die Eingemeindung oder Umgemeindung erfordert, findet die Vorschrift im § 1 entsprechende Anwendung.

Artikel 4. BaupolizeUiche Vorschriften. lve-enstLnde der Bauordnungen)

§ 1.

Durch die Bauordnungen kann insbesondere geregelt werden: 1. die Abstufung der baulichen Ausnutzbarkeit der Grund­ stücke, ebenso daß, wo Fluchtlinien nicht festgestellt find, nur offene Bauweise mit Gebäuden von nicht mehr als einem Obergeschoß über dem Erdgeschosse zulässig ist, 2. die Ausscheidung besonderer Ortsteile, Straßen und Plätze, für welche die Errichtung von Anlagen nicht zuaelasien ist, die beim Betriebe ourch Verbreitung übler Dünste, durch starken Rauch oder ungewöhnliches Geräusch Gefahren, Nachteile oder Belästigungen für die Nachbar­ schaft oder das Publikum überhaupt herbeizuführen ge­ eignet find: 3. die Ausscheidung besonderer Ortsteile, Straßen und Plätze, in denen nur die Errichtung von Wohngebäuden mit Nebenanlagen oder nur die Errichtung von gewerb­ lichen Anlagen mit Nebengebäuden zuaelassen ist, 4. der Verputz und Anstrich oder die Äusfugung der vor­ nehmlich Wohnzwecken dienenden Gebäude und aller von Straßen, Plätzen oder anderen öffentlichen Verkehrslachen aus sichtbaren Bauten sowie die einheitliche Getoltunfl des Straßenbildes, uno zwar unter Berückfichtigungdes Denkmal- und Heimatschutzes5. die Vorlage von Bauzeichnungen für alle Außenflächen von Wohngebäuden-

E

*)

Oben bei Nr. 13 bereit- berücksichtigt.

[48

43. W-hnungSgesetz (1918).

6. unter welchen Bedingungen Eartenhäuschen (Lauben) nicht als Wohnhäuser (Wohngebäude) im Sinne des § 13 ff. des Gesetzes, betreffend oie Gründung neuer Annedlungen in oen Provinzen Ostpreußen, Westoreutzen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien, Sachsen und Westfalen, vom 10. August 1904 (Gesetzsamml. S. 227), des 8 1 des Gesetzes, betreffend die Gründung neuer Anstedkungen im Herzoatume Lauenburg, vom 4. November 1874 (Amtl. Wochenblatt für das Herzogtum Lauenburg S. 291 ff.) und des § 12 des Gesetzes, betreffend die An­ legung und Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften, vom 2. 5uli 1875 (Gesetzsamml. S. 561) anzusehen sind. sReg. f. Ausfuhr, b. Wohngebäudes

§ 2.

(1) Insofern die bauliche Entwicklung eS erfordert, haben die Bau­ ordnungen für die Ausführung der Wohngebäude, besonders hinsichtlich der Standfestigkeit, Tragfähigkeit, Feuersicherheit, Verkehrssicherheit und Raumhöhen unterschiedliche Vorschriften zu geben, je nachdem sich diese auf Gebäude größeren oder kleineren Umfange- beziehen. (2) Geben Bauordnungen für größere Bezirke gleichzeitig Bestim­ mungen für größere und kleinere Gemeinden, so haben sie hinsichtlich der Höhe der Gebäude, der bebaubaren Flachen und der Geschoßzahl unterschiedliche Bestimmungen zu treffen, welche die besonderen Berhältnifle der Gemeinden berücksichtigen.

(3) Für Stadtkreise sollen die Bauordnungen OrtHwlizeiverordnungen erlösten werden.

lBrandgiebelj

in

der

Regel

als

§ 3.

Durch die Bauordnungen sollen Bestimmungen eingeführt werden, durch die überall dort, wo die offene Bauweise üblich und wirtschaftlich durchführbar ist, die Errichtung von Wohnhäusern mit frei­ st ehenden Brandgiebeln verhindert wird.

lLrlsstraßenj

§ 4.

(1) Sofern die Verhältnisse es erfordern, sollen durch Polizeiverord­ nungen für die Herstellung und Unterhaltung der OrtSftraßen ab­ gestufte Vorschriften je nach deren Bestimmung (Hauptver­ kehrsstraßen, NebenverkehrSstraßen, Wohnstraßen, Wohnwege usw.) ge­ geben werden. (2) Durch Polizeiverordnung kann auch im Wohnungsintereste für Wohnstraßen, Wohnwege und andere LrtSstraßen, die dem Zugänge zu Wohngebäuden dienen, der Fuhrwerksverkehr beschränkt werden.

48]

48. »Ohnunzlßesetz (1818).

[tnberung bei ZustS]

§ 5.

Der Abs. 4 deS § 145 des Gesetzes über die Zuständigkeit der Ver­ waltung-- und Verwaltung-gerichtsbehörden tont 1. August 1883 (Gesetzsamml. S. 237) erhalt folgende Fassung: Gegen die Beschlüsse deS Bezirksausschusses in erster Instanz und deS gemäß Abs. 1 entscheidenden Regierungspräsidenten findet binnen 2 Wochen die Beschwerde an den Oberpräsidenten- statt, der endgültig entscheidet.*)

Artikel 5. Benutzung der Gebäude. I. Allgemeine Vorschriften über die Benutz»«- der Gebäude zum Wohnen nud Schlafen (WohnnngSordnnngen). (Erlaß von WohnungSorbnungen]

§ 1.

(1) Die Benutzung der Gebäude zum Wohnen und Schlafen kann durch allgemeine Vorschriften (Wohnungsordnungen) im Wege der Polizeiverordnung geregelt werden. In der Regel sollen die Wohnungsordnungen als Orts- oder Kreispolizeiverordnungen erlassen werden. (2) Für Gemeinden und Gutsbezirke mit mehr als 10 000 Einwohnern find solche Wohnungsordnungen zu erlassen. (3) Hst in Gemeinden, für die von Ortspolizeibehörden Wohnungsoronungen erlassen werden sollen, die Polizei unter mehrere Behörden geteilt, so gilt als Ortspolizeibehörde die­ jenige Behörde, welcher die Baupolizei übertragen ist. (Wohn. und Schlafräume]

§ 2.

(1) Durch die Wohnunasordnungen istvorzuschreiben, daß als Wohn- oder Schlafräume (auch Küchen) nur solche Räume benutzt werden dürfen, welche zum dauernden Aufent­ halte von Menschen baupolizeilich genehmigt find. (2) Ausnahmen find nur zulässig für Gebäude, die zur Zeit des Inkrafttretens des Wohnungsgesetzes bereits bewohnt waren. §3.

(1) Die Wohnungsordnungen können ferner insbesondere Vorschriften treffen über: 1. erne den gesundheitlichen Anforderungen entsprechende bauliche Beschaffenheit und Instandhaltung der Wohnund Schlafräume (auch Küchen), der Hausflure, Treppen, Höfe und sonstigen der gemeinsamen Benutzung der Haus­ bewohner dienenden Teile des Hauses; *) Oben bei Nr. 3 bereits berücksichtigt.

43. WohnungSgesetz (1918).

[43

2. eine den Anforderungen des Familienlebens entsprechende Trennung der von verschiedenen Haushaltungen benutzten Wohn- und Schlafräume (auch Küchen) voneinander; 3. die Zahl und die Beschaffenheit der erforderlichen Koch­ stellen, Wasserentnahmestellen, Ausgüsse, Aborte, wobei in städtischen Verhältnissen in der Regel zu fordern ist, daß ein Ävort von höchstens zwei Familien benutzt werden darf; 4. die im gesundheitlichen und sittlichen Interesse zulässige Belegung der Wohn- und Schlafräume (auch Küchen); 5. die Einrichtung, Ausstattung und Unterhaltung der von Dienst- oder Arbeitgebern ihren Dienstboten, Gewerbegebilfen (Gesellen, Gehilfen, Lehrlingen), Handlungs­ gehilfen, Handlungslehrlingen oder sonstigen Angestellten oder Arbeitern zugewiesenen Schlafräume; 6. die Bedingungen, unter denen die Aufnahme nicht zur Familie aehöriger Personen gegen Entgelt als Zimmer­ mieter (Zimmerherren), Einlieger (Einlogierer, Miet-, Kost- und Quartiergänger) oder Schlafgänger (Schläfer, Schlafleute, Schlafsteller, Schlafgäste, Schlafburschen und -mädchen) statthaft ist; 7. die zur Durchführung der getroffenen Bestimmungen den Beteiligten, namentlich hinsichtlich der Anzeigen, Aus­ hänge usw. obliegenden Verpflichtungen. (2) Für Städte über 10 000 Einwohner sollen die Wohnungs­ ordnungen die vorstehenden Bestimmungen enthalten. II. Besondere Vorschriften über die Unterbringung von Arbeiter«. §4.

(1) Durch Polizeiverordnungen, durch welche die UnterbrinSuno von Arbeitern geregelt wird, müssen Mindestanforderungen insichtlich der Beschaffenheit, Einrichtung, Ausstattung und Unterhaltung der Unterkunstsräume und ihres Zubehörs fest­ gesetzt sowie die zur Durchführung der Bestimmungen erforder­ lichen Vorschriften, insbesondere hinsichtlich der Anzeigen, Aus­ hänge usw. vorgesehen werden. (2) Die gemeinschaftlichen Wohnraume für Arbeiter (Ar­ beiterkasernen) müssen so eingerichtet sein, datz in der Regel für lebe Familie ein besonderer abschließbarer Raum vorhanden ist, der den allgemeinen Ansprüchen an Gesundheit und Sittlichkeit entspricht. (3) Für lediges Arbeitspersonal müssen Räume zur Ver­ fügung stehen, die die Trennung der Geschlechter ermöglichen.

43]

43. »,hmW,S,rfetz (1618).

Artikels. Wohnungsaufficht.

I. Örtliche WohuuugSaufficht. (Aufgabe des Wohnungsamtes)

§ 1.

(1) Die Aufsicht über das Wohnungswesen ist eine Gemeindeanaelegenheit. Sie liegt, unbeschadet der allgemeinen gesetzlichen Befugnisse der Ortspolizeibehörden, dem Gemeindevorftand ob. Er hat sich von den Zuständen im Wohnungswesen fortlaufend Kenntnis zu verschaffen, auf die Fernhaltuna und Beseitigung von Mißständen sowie auf die Verbesserung der Wohnungsverhaltnisse, namentlich der Minderbemittelten, hinzuwirken und die Befolgung der Vorschriften der Wohnungsordnung zu über­ wachen. (2) Für Gemeinden mit mehr als 100 000 Einwohnern ist zur Durchführung der Wohnungsaufsicht ein Wohnungsamt zu errichten. Zur Durchführung der Wohnungsaufstcht find ein oder mehrere für diesen Dienftzweig geeignete Personen einzustellen. für Gemeinden von mehr als 50 000 bis 100 000 Einwohnern ann durch Anordnung der Aufsichtsbehörde die Errichtung eines den vorstehenden Bestimmungen entsprechenden Wohnungsamts vorgeschritten werden. Für Gemeinden von mehr als 10 000 bis 50 000 Einwohnern kann durch Anordnung der Aufsichtsbehörde die Anstellung besonderer sachkundiger beamteter (besoldeter oder ehrenamtlich tätiger) Wohnungsaufseher vorgeschrieben werden. Mehrere Gemeinden können nch mit Genehmigung der staatlichen Aufsichtsbehörde zur Errichtung eines gemeinsamen Wohnungsamts für ihre Bezirke vereinigen. Unter der gleichen Voraussetzung kann auch ein weiterer Kommunalverband für seinen Bezirk oder Teile seines Bezirkes ein gemeinsames Woh­ nungsamt errichten. (3) Dem Wohnungsamte können von der Gemeinde, sofern sich mehrere Gemeinden zur Errichtung eines gemeinsamen Wohnungsamts vereinigt haben, durch übereinstimmende BeChlüsse der beteiligten Gemeinden und, sofern die Errichtung urch einen weiteren Kommunalverband erfolgt, durch Beschluß des letzteren andere verwandte Aufgaben übertragen werben. Sofern nicht für die Nachweisung kleinerer Wohnungen durch andere Einrichtungen in ausreichender Weise gesorgt ist, find in Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern gemeindliche Woh­ nungsnachweise zu errichten. Zugleich ist durch Polizeiverord­ nung den Vermietern solcher Wohnungen die Pflicht zur An­ meldung verfügbarer Wohnungen und zur Abmeldung ver­ mieteter Wohnungen aufzuerlegen.

;

43. Wohmm-Sgeseh (1918).

[48

§ 2. (1) Die mit der Wohnungsaufsicht betrauten Personen |btb berechtigt, bei Ausübung der Wohnungsaufsicht alle Räume, bie zum Aufenthalte von Menschen benutzt werden, sowie die dcnn« gehörigen Nebenräume, Zugänge, Aborte zu betreten. Sie haben den Wohnungsinhaber oder dessen Vertreter bei dem Beginne der Besichtigung mit dem Zwecke ihres Erscheinens bekanntzu­ machen und sich unaufgefordert durch öffentliche Urkunde über ihre Berechtigung auszuweisen. (2) Die Besichtigung mutz so vorgenommen werden, daß eine Belästigung der Beteiligten tunlichst vermieden wird. Sie darf nur in der Zeit von 9 Uhr morgens bis 6 Uhr abends, bei Wohnungen, in die Einlieger oder Schlafgänger ausgenommen werden, nur in der Zeit von 5 Uhr morgens bis 10 Uhr abends erfolgen. (3) Der Wohnungsinhaber oder sein Vertreter ist ver­ pflichtet. über dre Art der Benutzung der Räume wahrheits­ gemäß Auskunft zu erteilen. IWohnungSbefichtigung,

lArt der Abhilfe,

§ 3.

Soweit sich bei Ausübung der Wohnungsaufsicht ergibt, daß die Wohnung hinsichtlich ihrer Beschaffenheit oder Benutzung den an ne zu stellenden Anforderungen nicht entspricht, ist Ab­ hilfe in der Regel zunächst durch Rat. Belehrung oder Mahnung zu versuchen. Läßt sich auf diese Weise Abhilfe nicht schaffen, so ist der Eemeindevorstand befugt, die erforderlichen Anord­ nungen zu erlassen- auf die Anordnungen finden die §§ 127 bis 129, 132, 133 des Landesverwaltungsgesetzes vom 30. Juli 1883 (Gesetzsamml. S. 195), soweit sie sich auf Maßnahmen der Ortspolizerbehörden beziehen, entsprechende Anwendung. ^Dienstanweisung,

§ 4.

Die Ausübung der Wohnungsaufsicht ist für solche Gemeinden, für welche gemäß Artikel 5 § 1 eine Wohnungsordnung erlassen ist, durch eine von dem Gemeindevorstande festzusetzende Dienstanweisung zu regeln.

II. Bezirks-Wohnungsausstchtsbeamte.

8 5. Den Regierungspräsidenten, für den Landesvolizeibezirk Berlin dem Oberpräsidenten, sind zur Ausübung der Aufsicht über die Tätigkeit der Gemeinde- und Ortspolizeibehörden (§ 1), soweit sich dazu ein Bedürfnis ergibt, Wohnungsaumchtsbeamte beizugeben. Diesen Beamten stehen bei Ausübung ihrer DienstBühler, Berwaltungsgesetze. 33

Obliegenheiten die Befugnisse der mit der örtlichen Wohnungs­ aufsicht betrauten Personen (§ 2) zu. Artikel 7. Gemeinsame Vorschriften für die Wohnungs­ ordnungen und die Wohnungsaufsicht.

(Für welche Wohnungen?]

§ 1.

(1) Den Wohnungsordnungen (Artikel 5 I) und der Woh­ nungsaufsicht (Artikel 6) unterliegen: 1. Wohnungen, die einschließlich Küche aus vier oder weniger jum dauernden Aufenthalte von Menschen bestimmten Räumen bestehen,2. größere Wohnungen, in denen nicht zur Familie gehörige Personen gegen Entgelt als Zimmermieter (Zimmer­ herren), Einlieger tEinlogierer, Miet-, Kost- und Quartieraänger) oder vchlafgänaer (Schläfer, Schlafleute, Schlafsteller, Schlafgäste, Schlafburschen und -mädchen) ausgenommen werden; 3. Wohn- oder Schlafräume, die von Dienst- oder Arbeit­ gebern ihren Dienstboten, Gewerbeaebilfen (Gesellen, Gebilfen, Lehrlingen), Handlungsgehilfen, Handlungslehrlingen oder sonstigen Angestellten oder Arbeitern zugewiesen find^ 4. solche Wohn- oder Schlafräume in Mietwohnungen, die im Keller oder in einem nicht vollausgebauten Dach­ geschosse ließen; 5. Ledigenheime und Arbeiterloaierhäuser. (2) Eigenwohnungen der im Abs. 1 Nr. 1 bezeichneten Art in Gebäuden, die ausschließlich von einer Familie bewohnt werden, sollen, sofern nicht in ihnen Personen gemäß Nr. 2 ausgenommen werden, den Wohnungsordnungen nur dann unterstellt werden, wenn dafür ein besonderes Bedürfnis vorliegt. lZwang zu« Wohnungswechsel]

§ 2.

Auf Grund der Wohnungsordnungen sollen Anforderungen, die den Wohnungsinhaber zu einem Wohnungswechsel nötigen, bei Mietwohnungen in der Regel nur gestellt werden, wenn die Wohnungen nach Erlaß der Wohnungsordnung bezogen werden oder das Mietverhältnis nach diesem Zeitpunkte verlängert oder trotz Zulässigkeit der Kündigung oder länger als sechs Monate fortgesetzt wird. lMehrrre Mieter, verbünd. Räume]

§ 3.

(1) Wohnungen, die von mehreren Mietern gemeinschaftlich gemietet werden, gelten hinsichtlich der Zahl der Räume (§ 1 Abs. 1 Nr. 1) als zwischen ihnen geteilt.

43. WohmmgSgeseh (1918).

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(2) Räume, die miteinander in unmittelbarer offener Ver­ bindung stehen (Zimmer und Alkoven, Butzen und dergleichen), gelten als ein Raum.

84. sBetraf Vorrechte des Königshauses usw., die durch G. v. 23. Juni 1920, bett. Aufhebung der Standesvorrechte, aufgehoben wurden (s. § 41 Ziff. 79 das.).,

Artikel 8. sSah die Bereitstellung staatlicher Mittel in Höhe von einmalig 20 Mill. Mark vor. Ist durch Ausführung erledigt.^

Artikel lEinwohnerzahl)

9. Schlich- und Übergangsbestimmungen. § 1.

Maßgebend für die Berechnung der Einwohnerzahl einer Gemeinde oder -eines Gutsbezirkes -ist hinsichtlich der Bestimmungen dieses Gesetzes die durch die jedesmal letzte Volkszählung ermittelte Zahl der ortsan­ wesenden Zivilbevölkerung. (Denkmal« und Heimatichntzj

§ 2.

(1) Bei der Aufstellung und Anwendung dev Bau- und Wohnungs­ ordnungen und bei der Ausübung der Wohnungsaufsicht ist, soweit nicht ein überwiegendes Interesse der Gesundheit oder der Sittlichkeit ent­ gegensteht, das Interesse des Denkmal- und Heimatschutzes zu berück­ sichtigen. (2) In Zweifelsfällen sind Sachverständige zu hören.

lJnkrafttreten usw.j § 3. (1) Dieses Gesetz tritt am 1. April 1918 in Kraft. (2) Bestehende Wohnungsordnungen bleiben bis zum Ablauf eines Jahres nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes in Geltung, soweit sie nicht schon vorher durch Wohnungsordnungen gemäß Artikel 5 dieses Gesetzes ersetzt worden- sind. (3) Bereits vor Inkrafttreten dieses Gesetzes können zu seiner Aus­ führung Wohnungsordnungen erlassen und die zu diesem Behufe not­ wendigen Anordnungen und Beschlüsse erlassen werden.

44a]

44 a. EitteiznunßSßesetz (1874).

44 a. deset) über die Enteignung von Grundeigentum. Dom 11. Juni 1874 (SS.