Staatliches Gebührenrecht für Zahnärzte als Verfassungsproblem: Die Erste Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Zahnärzte auf dem Prüfstand des Grundgesetzes [1 ed.] 9783428539734, 9783428139736

Die Gebührenpositionen für die Abrechnung privatzahnärztlicher Leistungen nach der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) v

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Staatliches Gebührenrecht für Zahnärzte als Verfassungsproblem: Die Erste Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Zahnärzte auf dem Prüfstand des Grundgesetzes [1 ed.]
 9783428539734, 9783428139736

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Schriften zum Gesundheitsrecht Band 27

HELGE SODAN

Staatliches Gebührenrecht für Zahnärzte als Verfassungsproblem Die Erste Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Zahnärzte auf dem Prüfstand des Grundgesetzes

Duncker & Humblot · Berlin

HELGE SODAN

Staatliches Gebührenrecht für Zahnärzte als Verfassungsproblem

Schriften zum Gesundheitsrecht Band 27 Herausgegeben von Professor Dr. Helge Sodan, Freie Universität Berlin, Direktor des Deutschen Instituts für Gesundheitsrecht (DIGR), Präsident des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin a.D.

Staatliches Gebührenrecht für Zahnärzte als Verfassungsproblem Die Erste Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Zahnärzte auf dem Prüfstand des Grundgesetzes

Von Universitätsprofessor Dr. Helge Sodan

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2012 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1614-1385 ISBN 978-3-428-13973-6 (Print) ISBN 978-3-428-53973-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-83973-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Während sich in anderen Rechtsbereichen der Regelungseifer von Gesetz- und Verordnungsgebern in häufigen Änderungen von Vorschriften und in oftmals umfangreichen Reformwerken niederschlägt, blieb die Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) vom 22. Oktober 1987 bis vor kurzem nahezu unverändert. Mit der Ersten Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Zahnärzte vom 5. Dezember 2011 (nachfolgend abgekürzt: GOZ-Novelle) wurden – abgesehen von der zum 2. Januar 2002 erfolgten währungsbedingten Umstellung des in § 5 Abs. 1 Satz 3 GOZ genannten Punktwertes von Pfennigen auf Cent – erstmals die seit dem 1. Januar 1988 geltenden Gebührensätze der GOZ mit Wirkung zum 1. Januar 2012 teilweise geändert. Während die Gebührenpositionen der GOZ damit 24 Jahre lang auf dem Stand von 1988 verharrten, lässt sich für diesen Zeitraum ein Anstieg der Verbraucherpreise von über 50 % feststellen. Auch ohne Anpassung der Gebührensätze der GOZ durch den Verordnungsgeber kam es allerdings seit 1988 zu einer Ausweitung des nach der GOZ abzurechnenden Honorarvolumens. Hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen der GOZ-Novelle von 2011 prognostiziert die Bundesregierung in der Begründung ihres Verordnungsentwurfs einen Honorarzuwachs von rund 6 %, bezogen auf das aktuelle Honorarvolumen und Abrechnungsgeschehen. Die meisten Gebührensätze wurden durch die GOZ-Novelle jedoch nicht angehoben. Die vorliegende Schrift beruht auf einem im Auftrag der Bayerischen Landeszahnärztekammer erstellten Rechtsgutachten, welche zu den Gründungsmitgliedern des Deutschen Instituts für Gesundheitsrecht (DIGR) gehört. Die Arbeit untersucht die Frage, inwieweit die GOZ-Novelle von 2011 mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbar ist. Für diese Prüfung ist insbesondere das in Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Grundrecht der Berufsfreiheit maßgebend, vor allem in seiner Funktion als Abwehrrecht. Das Problem der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung von Eingriffen in dieses Grundrecht wirft zunächst die Frage auf, ob der Bund überhaupt die notwendige Verbandskompetenz zur Regelung der zahnärztlichen Gebühren besitzt. Darüber hinaus bedarf es der Klärung, inwieweit die GOZ-Novelle die Vorgaben in § 15 des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde (ZHG) als Ermächtigungsgrundlage eingehalten hat. Soweit nämlich eine Rechtsverordnung des Bundes nicht von ihrer „einfachgesetzlichen“ Ermächtigungsgrundlage gedeckt ist, verstößt sie nicht nur gegen das „einfachgesetzliche“ Bundesrecht, sondern zugleich auch gegen Art. 80 Abs. 1 GG, der Anforderungen für den Erlass von Rechtsverordnungen regelt. Fraglich ist überdies, inwieweit sich die GOZ-Novelle mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und sonstigem höherrangigen Recht vereinbaren lässt. Ein Verstoß gegen das Grundrecht der Be-

6

Vorwort

rufsfreiheit wird hier schließlich auch im Hinblick auf eine staatliche Schutzpflicht geprüft. Für wertvolle Diskussionen und Hinweise danke ich sehr folgenden Repräsentanten der Bayerischen Landeszahnärztekammer: dem Präsidenten, Herrn Prof. Dr. Christoph Benz, dem Vizepräsidenten, Herrn Zahnarzt Christian Berger, und dem Hauptgeschäftsführer, Herrn Rechtsanwalt Peter Knüpper. Für Unterstützung bei der Drucklegung danke ich herzlich Herrn Assessor Dr. Nils Schaks und Herrn stud. iur. Jann Ferlemann, Freie Universität Berlin. Zu Dank verpflichtet bin ich ferner Herrn Dr. Florian R. Simon (LL.M.) und Frau Birgit Müller, Duncker & Humblot GmbH, für die überaus zügige Veröffentlichung der Arbeit und die weiterhin sehr wohlwollende Förderung der „Schriften zum Gesundheitsrecht“. Berlin, im August 2012

Helge Sodan

Inhaltsverzeichnis Erster Teil Einleitung

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A. Berechnung der Vergütungen für privatzahnärztliche Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . 14 B. Finanzielle Erwägungen des Verordnungsgebers zur Novellierung der GOZ . . . . . . . 16 C. Zur Historie der Gebührenordnungen für privatzahnärztliche Tätigkeiten . . . . . . . . . 17 Zweiter Teil Zur Verfassungsmäßigkeit der GOZ-Novelle von 2011

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A. Grundrecht der Berufsfreiheit als Abwehrrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I. Eröffnung des Schutzbereichs der Berufsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 1. Sachlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2. Personeller Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 II. Eingriffe in den Schutzbereich der Berufsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Grundrechtseingriffe . . . . . . . . . . . . . . 28 1. Formelle Verfassungsmäßigkeit des § 15 ZHG als Ermächtigungsgrundlage für die GOZ-Novelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 a) Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 b) Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 c) Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 d) Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 aa) Problemaufriss – Sperrwirkung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG? . . . . . . . 31 bb) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum ärztlichen Gebührenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 cc) Einwände gegen die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . 34 e) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

8

Inhaltsverzeichnis 2. Materielle Verfassungsmäßigkeit des § 15 ZHG als Ermächtigungsgrundlage für die GOZ-Novelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3. Formelle Verfassungsmäßigkeit der GOZ-Novelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4. Materielle Verfassungsmäßigkeit der GOZ-Novelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 a) Vereinbarkeit der GOZ-Novelle mit den Vorgaben des § 15 ZHG . . . . . . . . 39 aa) Anforderungen des § 15 ZHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 (a) Interessen von Zahnärzten und Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 (b) Berechtigte Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 (c) Bezogen auf die einzelne Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 (d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 bb) Subsumtion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 (a) Fehlende Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Zahnärzte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 (b) Fehlerhaftes Verfahren wegen inkonsequenter Anwendung einer Berechnungsmethode? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 (c) Unzulässige Berücksichtigung der Interessen der staatlichen Beihilfestellen und privaten Krankenversicherungsunternehmen . . . . . 56 (d) Unzulässiges Unterschreiten von BEMA-Sätzen . . . . . . . . . . . . . . . 57 cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 b) Vereinbarkeit der GOZ-Novelle mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 aa) Legitimer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 bb) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 cc) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 dd) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 ee) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 c) Vereinbarkeit der GOZ-Novelle mit sonstigem höherrangigen Recht . . . . . 67 aa) Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 bb) Rechtfertigung der Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 IV. Rechtsfolgen der Verfassungsverstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1. Nichtigerklärung als regelmäßige Rechtsfolge einer verfassungswidrigen Norm 71 2. Feststellung der Unvereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz . . . . . . . . . . 71 V. Pflicht des Verordnungsgebers zur kontinuierlichen Beobachtung und gegebenenfalls erforderlichen Nachbesserung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

Inhaltsverzeichnis

9

B. Grundrecht der Berufsfreiheit als staatliche Schutzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 I. Herleitung grundrechtlicher Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 II. Staatliche Schutzpflicht zum Erlass eines Gebührenrechts für privatzahnärztliche Behandlungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 III. Weite Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Dritter Teil Zusammenfassung in Leitsätzen

85

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

Abkürzungsverzeichnis a. A. Abs. a. F. AOK AöR Art. Aufl. Az. BBhV

anderer Ansicht Absatz alte Fassung Allgemeine Ortskrankenkasse Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift) Artikel Auflage Aktenzeichen Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung) Bd. Band BEMA Einheitlicher Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen ber. berichtigt BerlVerfGH Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin Beschl. Beschluss BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BMG Bundesministerium für Gesundheit BR-Drucks. Drucksache des Bundesrates BR-Plenarprotokoll Bundesrat, Stenographischer Bericht BSG Bundessozialgericht BSGE Entscheidungen des Bundessozialgerichts BT-Drucks. Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Drucksache Buchst. Buchstabe BUGO-Z Gebührenordnung für Zahnärzte vom 18. März 1965 BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGK Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVerwGE Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Doppelbuchst. Doppelbuchstabe DÖV Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) DVBl. Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) f., ff. folgende FamRZ Zeitschrift für das gesamte Familienrecht – Ehe und Familie im privaten und öffentlichen Recht Fn. Fußnote GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland GOÄ Gebührenordnung für Ärzte

Abkürzungsverzeichnis GOZ GOZ-Novelle HOZ Hrsg. insbes. JR Kammerbeschl. Kap. KZBV Ls. LVerfGE

MedR Mio. MoMiG m. w. N. Nachw. n. F. NJW NJW-RR Nr. Nrn. NVwZ NVwZ-RR NZS OVG PartGG PKV PreuGO rd. RGBl. Rn. S. SGb. SGB V sog. SozR u. a. Urt. u.s.w. VGH Vgl./vgl. v. H. Vorb.

11

Gebührenordnung für Zahnärzte Erste Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Zahnärzte Honorarordnung für Zahnärzte Herausgeber insbesondere Juristische Rundschau (Zeitschrift) Kammerbeschluss Kapitel Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung Leitsatz Entscheidungen der Verfassungsgerichte der Länder Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, MecklenburgVorpommern, Niedersachsen, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen Medizinrecht (Zeitschrift) Millionen Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen mit weiteren Nachweisen Nachweise neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Nummer Nummern Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ-Rechtsprechungs-Report Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht Oberverwaltungsgericht Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe (Partnerschaftsgesellschaftsgesetz) Private Krankenversicherung Preußische Gebührenordnung für approbierte Ärzte und Zahnärzte rund Reichsgesetzblatt Randnummer Seite(n) Die Sozialgerichtsbarkeit (Zeitschrift) Fünftes Buch Sozialgesetzbuch sogenannte(n) Entscheidungssammlung zum Sozialrecht unter anderem Urteil und so weiter Verwaltungsgerichtshof Vergleiche/vergleiche vom Hundert Vorbemerkungen

12 VSSR VVDStRL VwVfG WIP WRV ZHG

Abkürzungsverzeichnis Vierteljahresschrift für Sozialrecht Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsverfahrensgesetz Wissenschaftliches Institut der Privaten Krankenversicherung Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919 (Weimarer Reichsverfassung) Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde

Erster Teil

Einleitung Mit der Ersten Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Zahnärzte vom 5. Dezember 20111 (nachfolgend abgekürzt: GOZ-Novelle) wurden – abgesehen von der mit Wirkung zum 2. Januar 2002 erfolgten währungsbedingten Umstellung des in § 5 Abs. 1 Satz 3 GOZ genannten Punktwertes von Pfennigen auf Cent2 – erstmals die seit dem 1. Januar 1988 geltenden Gebührensätze in der GOZ3 teilweise geändert. In den mehr als 24 Jahren ihrer Geltung gab es zwar bereits einige Reformbestrebungen4, jedoch wurde zuvor keines dieser Vorhaben umgesetzt.5 Eine Novellierung der GOZ wurde zunehmend als dringlich erachtet, da die ursprüngliche GOZ den Fortschritt in der Zahnmedizin nicht nachvollzogen hatte und somit zahlreiche Behandlungsmethoden nicht adäquat abgedeckt wurden. In der Begründung des Verordnungsentwurfs der Bundesregierung vom 21. September 2011 heißt es hierzu: „II. Ausgangslage und wesentlicher Inhalt der Neuregelung 1. Notwendigkeit einer umfassenden Novellierung der GOZ Das Gebührenverzeichnis der GOZ ist seit 1988 inhaltlich nicht verändert worden und bleibt zunehmend hinter dem Stand der medizinischen und technischen Entwicklung zurück. Dies hat zur Folge, dass Leistungen, die in ihrer Erbringungsweise wesentlichen Änderungen unterlagen oder die im Gebührenverzeichnis noch nicht enthalten waren, nur analog abgerechnet werden können, während andere Leistungen des Gebührenverzeichnisses obsolet geworden sind, so dass dieses das heutige Leistungs- und Abrechnungsgeschehen nur unzureichend widerspiegelt. Zwischen allen Beteiligten ist deshalb die Notwendigkeit einer Überarbeitung des Gebührenverzeichnisses der GOZ unter Berücksichtigung der medizinischen und technischen Entwicklung unbestritten.“6 1

BGBl. I, S. 2661. Siehe Art. 18 des Gesetzes über den Beruf der Podologin und des Podologen und zur Änderung anderer Gesetze vom 4. Dezember 2001 (BGBl. I, S. 3320). 3 Vom 22. Oktober 1987 (BGBl. I, S. 2316). Siehe hierzu Tilman Clausen, Das Vergütungsrecht der Heilberufe, in: Terbille (Hrsg.), Münchener Anwalts Handbuch Medizinrecht, 2009, § 7 Rn. 184 ff.; Rüdiger Zuck, Gebührenordnung für Zahnärzte, 2012. 4 Vgl. die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage in der 16. Wahlperiode, BT-Drucks. 16/6577. 5 Bezüglich anderer Berufe wurde eine Anpassung der Gebühren deutlich früher als erforderlich angesehen und auch durchgeführt. Siehe im Hinblick auf Steuerberater BRDrucks. 1021/97, S. 21 f. (weniger als 10 Jahre), und Rechtsanwälte BT-Plenarprotokoll 15/76, S. 6620 (Strässer), 6621 (Schmidt), 6623 (Montag) [ebenfalls weniger als 10 Jahre]. 6 BR-Drucks. 566/11, S. 33. 2

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1. Teil: Einleitung

Darüber hinaus verharrten jedoch auch die Vergütungen für die zahnärztlichen Leistungen auf dem Stand von 1988.7 Bezogen auf das Basisjahr 1991 ist in Deutschland der Verbraucherpreisindex bis 2010 um fast 45 % gestiegen8, während die Gebührenpositionen der GOZ unverändert geblieben sind. Bezieht man die Zeiträume von 1988, als die GOZ in Kraft trat, bis 1991 sowie ab 2010 ein, so dürfte ein Anstieg der Verbraucherpreise von über 50 % zu verzeichnen sein.

A. Berechnung der Vergütungen für privatzahnärztliche Tätigkeiten Gemäß § 1 Abs. 1 GOZ9 bestimmen sich die Vergütungen für die beruflichen Leistungen von Zahnärzten nach der GOZ, soweit nicht durch ein Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist. Vorrang gegenüber der GOZ genießt der einheitliche Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen (BEMA), den die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V)10 mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen durch einen Bewertungsausschuss als Bestandteil des Bundesmantelvertrages vereinbart.11 Damit richtet sich – nur – die Vergütung privatzahnärztlicher Tätigkeiten nach der GOZ.12 Die Gebühren für eine zahnärztliche Behandlung werden nach der GOZ wie folgt ermittelt: Gebühren im Sinne der GOZ sind Vergütungen für die im Gebührenverzeichnis der Anlage 1 genannten zahnärztlichen Leistungen (§ 4 Abs. 1 GOZ). Die Bemessung der Gebühren für Leistungen des Gebührenverzeichnisses ist in § 5 GOZ 7 Siehe dazu, dass bereits die zum 1. Januar 1988 in Kraft getretene GOZ im Vergleich zu der Gebührenordnung für Zahnärzte von 1965 nach der Vorstellung des Verordnungsgebers „nicht zu einer Änderung des Gebührenvolumens führen“ sollte, nachfolgend S. 18. Im Jahr 2001 nahm das BVerfG eine Verfassungsbeschwerde, mit der die Nichtanhebung des Punktwerts gerügt wurde, nicht zur Entscheidung an mit der Begründung, eine „Verletzung von Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten“ sei „nicht ersichtlich, solange der Beschwerdeführer von den Gestaltungsmöglichkeiten, die ihm die Gebührenordnung für Zahnärzte eröffnet, keinen Gebrauch“ mache (BVerfG, Kammerbeschl. vom 13. Februar 2001, Az. 1 BvR 2311/00, juris). 8 Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung, Jahrbuch 2011. Statistische Basisdaten zur vertragszahnärztlichen Versorgung einschließlich GOZ-Analyse, S. 14. 9 Sofern nicht anders gekennzeichnet, beziehen sich die Angaben zur GOZ im Folgenden auf deren aktuelle Fassung, welche die GOZ durch die Erste Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Zahnärzte vom 5. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2661) erhalten hat. 10 Vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I, S. 2477), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Regelung der Entscheidungslösung im Transplantationsgesetz vom 12. Juli 2012 (BGBl. I, S. 1504). 11 Vgl. zu Einschränkungen des Anwendungsbereichs der GOÄ Peter M. Hermanns/Gert Filler/Bärbel Roscher, GOÄ 2012. Gebührenordnung für Ärzte, 6. Aufl. 2012, S. 1 ff. 12 Vgl. BR-Drucks. 566/11, S. 32.

A. Berechnung der Vergütungen für privatzahnärztliche Tätigkeiten

15

geregelt. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift bemisst sich die Höhe der einzelnen Gebühr grundsätzlich nach dem Einfachen bis Dreieinhalbfachen des Gebührensatzes (sog. Gebührenrahmen). Gebührensatz ist der Betrag, der sich ergibt, wenn die Punktzahl der einzelnen Leistung des Gebührenverzeichnisses mit dem Punktwert vervielfacht wird (§ 5 Abs. 1 Satz 2 GOZ). Der Punktwert beträgt für zahnärztliche Leistungen derzeit 5,62421 Cent (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GOZ).13 Innerhalb des Gebührenrahmens sind die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen (§ 5 Abs. 2 Satz 1 GOZ). In der Regel darf eine Gebühr nur zwischen dem Einfachen und dem 2,3-fachen des Gebührensatzes bemessen werden; ein Überschreiten des 2,3-fachen des Gebührensatzes ist nur zulässig, wenn Besonderheiten der genannten Bemessungskriterien dies rechtfertigen (§ 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ). Man spricht insoweit von einer Regelspanne, deren Höchstsatz der sog. Schwellenwert bildet.14 Die GOZ erlegt dem einzelnen Zahnarzt jedoch kein unabdingbares Gebührenregime auf. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GOZ kann durch Vereinbarung zwischen Zahnarzt und Zahlungspflichtigem grundsätzlich15 eine von der Gebührenordnung abweichende Gebührenhöhe festgelegt werden. Hierbei ist jedoch Folgendes zu berücksichtigen: Nehmen Beihilfeberechtigte einen Zahnarzt unter Abweichung von der Gebührenordnung in Anspruch, müssen sie für den sich aus der Rechnung ergebenden Differenzbetrag selbst aufkommen, sofern dieser nicht von einer gegebenenfalls abgeschlossenen privaten Zusatzkrankenversicherung übernommen wird. 13 Den Punktwert für ärztliche bzw. zahnärztliche Leistungen hatten GOÄ und GOZ ursprünglich jeweils auf „elf Deutsche Pfennige“ festgesetzt (siehe § 5 Abs. 1 Satz 3 GOZ vom 22. Oktober 1987 [BGBl. I, S. 2316] sowie § 5 Abs. 1 Satz 3 GOÄ in der Fassung von Art. 1 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) Doppelbuchst. aa) der Dritten Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Ärzte vom 9. Juni 1988 [BGBl. I, S. 797]). Speziell für Ärzte wurde durch Art. 1 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) und Art. 4 der Vierten Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) vom 18. Dezember 1995 (BGBl. I, S. 1861) mit Wirkung zum 1. Januar 1996 der Punktwert von 11 auf 11,4 Deutsche Pfennige angehoben. In der Verordnungsbegründung heißt es: „Im Hinblick auf die zwischenzeitlich eingetretene Verzögerung ist eine in ihrem Umfang der Verordnung entsprechende Punktwertanhebung sachgerecht“ (BR-Drucks. 688/95, S. 5). Eine solche Anhebung wurde für die Zahnärzte hingegen unterlassen. Nach der zum 2. Januar 2002 erfolgten währungsbedingten Umstellung auf 5,82873 Cent (siehe § 5 Abs. 1 Satz 3 GOÄ in der Fassung von Art. 17 des Gesetzes über den Beruf der Podologin und des Podologen und zur Änderung anderer Gesetze vom 4. Dezember 2001 [BGBl. I, S. 3320]) divergieren die Punktwerte für Ärzte und Zahnärzte immer noch. Siehe zu dem daraus folgenden verfassungsrechtlichen Problem S. 68 ff. 14 Siehe im Hinblick auf die nahezu identische Vorschrift für ärztliche Leistungen Jürgen Miebach, in: Uleer/Miebach/Patt (Hrsg.), Abrechnung von Arzt und Krankenhausleistungen, 3. Aufl. 2006, § 5 GOÄ 2.8 bis 2.9; vgl. auch Marie-Luise Pannke, in: Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht, 2011, § 5 GOZ Rn. 1 ff. 15 § 2 Abs. 1 Satz 2 GOZ n. F. erklärt die Vereinbarung einer abweichenden Punktzahl (§ 5 Abs. 1 Satz 2 GOZ) oder eines abweichenden Punktwertes (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GOZ) für unzulässig. Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 GOZ n. F. dürfen Notfall- und akute Schmerzbehandlungen nicht von einer Vereinbarung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GOZ n. F. abhängig gemacht werden.

16

1. Teil: Einleitung

Denn die einschlägigen Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder begrenzen die Gewährung von Beihilfen im Krankheitsfall regelmäßig auf den von der GOZ vorgezeichneten Gebührenrahmen.16

B. Finanzielle Erwägungen des Verordnungsgebers zur Novellierung der GOZ Zu den finanziellen Auswirkungen der GOZ-Novelle heißt es in der Begründung des Verordnungsentwurfs der Bundesregierung vom 21. September 2011 wie folgt: „III. Finanzielle Auswirkungen Insgesamt führt das neue Gebührenverzeichnis nach weitgehend übereinstimmender Berechnung der BZÄK und des BMG zu einer Steigerung des nach der GOZ abzurechnenden Honorarvolumens von rd. 6,0 v.H. oder rd. 345 Mio. Euro pro Jahr. Der Honorarzuwachs von rd. 6,0 v.H. bezieht sich auf das aktuelle nach GOZ abzurechnende Honorarvolumen und Abrechnungsgeschehen und nicht auf das Honorarvolumen und Abrechnungsgeschehen des Jahres 1988. Das nach GOZ abzurechnende Honorarvolumen ist seit der letzten GOZ-Novellierung 1988 auch ohne Anpassung der GOZ-Honorare gestiegen. Dies geht u. a. auf Mengen- und Struktureffekte zurück, wie z. B. auf die Erbringung und Berechnung von zahnärztlichen Leistungen, die bisher nicht im Gebührenverzeichnis der GOZ enthalten sind und die mit Analogbewertungen berechnet werden. Neben den Einnahmen sind im Hinblick auf Kostenentwicklungen insbesondere die Betriebsausgaben der Zahnarztpraxen sowie die sich ergebenden Einnahme-Überschüsse zu berücksichtigen. Da die Betriebsausgaben zahnärztlicher Praxen nicht getrennt nach GOZ-Leistungen und vertragszahnärztlichen Leistungen erfasst werden, ist auch eine Gesamtbetrachtung der Einnahmen, Betriebsausgaben und der sich ergebenden Einnahme-Überschüsse aus privatzahnärztlicher und vertragszahnärztlicher Tätigkeit anzustellen. Betrachtet man die um Fremdlaborausgaben bereinigten Einnahmen und Betriebsausgaben für vertragszahnärztliche und privatzahnärztliche Tätigkeit je Praxisinhaber (Deutschland alle Länder) von 1992 bis 2008, so zeigt sich, dass sich die durchschnittlichen Einnahmen, die Betriebsausgaben sowie die daraus resultierenden Einnahme-Überschüsse zwischen rd. 19 v.H. und rd. 21 v.H. erhöht haben. Im gleichen Zeitraum ist die Zahl der Praxisinhaber um rd. 25 v.H. angestiegen. Vor diesem Hintergrund ist der vorgesehene Honorarzuwachs von rd. 6,0 v.H. bei den nach GOZ abzurechnenden Honoraren vertretbar. Eine darüber hinausgehende Honorarsteigerung ist angesichts der Belastung der öffentlichen Haushalte im Hinblick auf die Ausgaben der Beihilfe und die Kostenbelastung der privaten Haushalte nicht realisierbar. Unter Einbeziehung aller Aspekte ist angesichts der Höhe des bereits mit dem neuen Gebührenverzeichnis zu erwartenden Honoraranstiegs von rd. 6,0 v.H. der Punktwert nicht anzuheben. Sollte sich im Rahmen der Nachbeobachtung der Entwicklung der Ausgaben für privat16 Siehe etwa die Regelungen in § 6 Abs. 1 und 3 der Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung – BBhV) vom 13. Februar 2009 (BGBl. I, S. 326), zuletzt geändert durch Art. 1 der Zweiten Verordnung zur Änderung der Bundesbeihilfeverordnung vom 13. Juli 2011 (BGBl. I, S. 1394).

C. Historie der Gebührenordnungen für privatzahnärztliche Tätigkeiten

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zahnärztliche Leistungen zeigen, dass der tatsächliche Honoraranstieg nach Inkrafttreten der Verordnung unter oder über 6,0 v.H. liegt, wird eine Anhebung bzw. Absenkung des Punktwertes zu prüfen sein.“17

C. Zur Historie der Gebührenordnungen für privatzahnärztliche Tätigkeiten Die Novellierungen der Gebührenordnungen für Zahnärzte hatten in der Vergangenheit stets die Aufgabe, die Regelungstexte an die – insbesondere infolge des medizinischen Fortschritts – geänderten Verhältnisse anzupassen und angemessene Vergütungen für die zahnärztlichen Leistungen sicherzustellen. Die Gebührenordnung für Zahnärzte vom 18. März 196518 (BUGO-Z) ersetzte die Preußische Gebührenordnung für approbierte Arzte und Zahnärzte vom 1. September 192419 (PreuGO). Während die PreuGO teilweise einen Steigerungsfaktor von 20 für einzelne Leistungen zuließ, wurde der Steigerungsfaktor in § 2 Satz 1 BUGO-Z – vorbehaltlich anderer Bestimmung – auf das Sechsfache der Sätze des anliegenden Gebührenverzeichnisses begrenzt. Der Berichterstatter äußerte sich im Bundesrat zu dem Entwurf der BUGO-Z wie folgt: „Die Gebührenordnung soll die Preugo aus dem Jahre 1924 ablösen. Die Mindestsätze der Preugo sind der wirtschaftlichen Entwicklung entsprechend 1953 und 1957 erhöht worden. Sie reichen, wie allgemein anerkannt wird, für eine gerechte Honorierung der ärztlichen Tätigkeit nicht mehr aus. Von einer weiteren Erhöhung der Preugosätze hat die Bundesregierung mit Recht abgesehen, weil die Preugo in Struktur und Wertrelation veraltet ist.“20

Die Neuregelung der GOZ im Jahre 198721 ähnelte in weiten Teilen der aktuellen GOZ. Sie enthielt erstmals keinen festen Betrag in Geld für die zahnärztlichen Leistungen, sondern Punktmengen. Die Wertigkeit der zahnärztlichen Leistungen zueinander wurde in diesen Punkten ausgedrückt, die dann mit dem Punktwert (damals „elf Deutsche Pfennige“, § 5 Abs. 1 Satz 3 GOZ a. F.) multipliziert werden mussten, um den einfachen Gebührensatz der jeweiligen Leistung zu erhalten. Darüber hinaus wurde der Steigerungsfaktor auf den 3,5-fachen Satz begrenzt. Zuvor 17

BR-Drucks. 566/11, S. 35 ff. BGBl. I, S. 123. Siehe in historischer Hinsicht auch Karl-Heinz Wichmann, Zur Neuordnung des ärztlichen und zahnärztlichen Gebührenrechts, NJW 1965, 1064 ff. sowie Walther Weissauer, Zur Neuordnung des ärztlichen und zahnärztlichen Gebührenrechts, NJW 1966, 382 ff. 19 Volkswohlfahrt – Amtsblatt und Halbmonatsschrift des Preußischen Ministeriums für Volkswohlfahrt, S. 371. Siehe hierzu Renate Hess/Marlis Hübner, Vergütungsrecht der Heilberufe, in: Wenzel (Hrsg.), Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, 2. Aufl. 2009, Kap. 11 Rn. 4. 20 Bundesrat, Bericht über die 278. Sitzung am 12. Februar 1965, S. 26 (Junker). 21 Siehe hierzu Manfred Lieber, Die neue Gebührenordnung für Zahnärzte, NJW 1988, 742 ff. 18

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1. Teil: Einleitung

war der 6-fache Satz der höchste Steigerungsfaktor. Auch wurden die Anforderungen an von der GOZ abweichende Vereinbarungen zwischen Zahnarzt und Patient verschärft.22 Die GOZ vollzog mit einigen Jahren Verzögerung eine Entwicklung nach, die für privatärztliche Leistungen bereits mit der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) vom 12. November 198223 stattgefunden hatte. In der Begründung der Bundesregierung zur GOÄ heißt es wörtlich wie folgt: „Die im Gebührenverzeichnis der GOÄ festgelegten Gebührensätze sind seit 1965 nicht angehoben worden. Die in der Zwischenzeit eingetretene wirtschaftliche Entwicklung haben die Ärzte dadurch ausgeglichen, daß sie nach und nach ein Mehrfaches der Einfachsätze liquidieren. Die durchschnittliche Liquidationshöhe ist auf diese Weise bis zum Jahre 1981 auf das etwa Dreieinhalbfache der Einfachsätze des Gebührenverzeichnisses angestiegen. Die Spannenregelung der geltenden GOÄ hat allerdings nicht die Aufgabe, die unterlassene Anpassung der Einfachsätze an die wirtschaftliche Entwicklung auszugleichen; sie soll es vielmehr ermöglichen, unter Berücksichtigung aller Umstände im Einzelfall eine angemessene Vergütung zu erreichen.“24

Vielmehr sollte nunmehr der Punktwert die Aufgabe haben, die wirtschaftliche Entwicklung zugunsten der Zahnärzte zu berücksichtigen.25 Die Umstellung von der BUGO-Z auf die GOZ a. F. erfolgte „kostenneutral“. So heißt es in den Materialien zu dieser neuen Verordnung: „Die GOZ von 1965 wird – unter Einschluß auch der neu aufgenommenen Leistungsbereiche – auf der Grundlage des gegenwärtigen Gebührenvolumens im wesentlichen kostenneutral auf die neue GOZ umgestellt. […] Insgesamt soll die neue Gebührenordnung nicht zu einer Änderung des Gebührenvolumens führen.“26

Eine weitere im vorliegenden Zusammenhang wichtige Änderung bezog sich auf die Kriterien für die Bestimmung des Steigerungsfaktors. § 2 Satz 2 BUGO-Z lautete: „Innerhalb dieses Rahmens sind die Gebühren und Entschädigungen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des einzelnen Falles, insbesondere der Schwierigkeit der Leistung, des Zeitaufwandes, der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Zahlungspflichtigen sowie der örtlichen Verhältnisse nach billigem Ermessen zu bestimmen.“27 Die Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie die örtlichen Verhältnisse wurden in der GOZ von 1987 nicht mehr als Kriterien aufgegriffen, da jene als nicht leistungsbezogene Aspekte für die Ermittlung der Vergütung nicht relevant seien. Wörtlich heißt es in der Verordnungsbegründung: 22 Vgl. Lieber (Fn. 21), 743. Auch die GOZ-Novelle von 2011 legt dem Zahnarzt weitere Informationspflichten zugunsten des Patienten auf, vgl. den Überblick in BR-Drucks. 566/11, S. 39 ff. sowie die entsprechende Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrats in der Anlage zu BR-Drucks. 566/11. 23 BGBl. I, S. 1522. 24 BR-Drucks. 295/82, S. 8 f. 25 Vgl. BR-Drucks. 276/87, S. 49. 26 BR-Drucks. 276/87, S. 58. 27 Die Hervorhebungen befinden sich nicht im Original.

C. Historie der Gebührenordnungen für privatzahnärztliche Tätigkeiten

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„Es ist nicht Aufgabe des Zahnarztes, über unterschiedliche Preise bei gleichen Leistungen einen sozialen Ausgleich herbeizuführen. Das Kriterium der örtlichen Verhältnisse wird nicht mehr aufgenommen, da es nicht leistungsbezogen und gegenüber den anderen Kriterien von untergeordneter Bedeutung ist.“28

Die Begründung der Bundesregierung zur GOÄ, in der diese Kriterien bereits 1982 gestrichen wurden, formuliert bezüglich des Merkmals der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Zahlungspflichtigen sowie der örtlichen Verhältnisse ebenso unmissverständlich: „Dieses Merkmal wird heute als überholt und mit den Grundsätzen einer leistungsgerechten Vergütung nicht vereinbar gesehen.“29

Die Entwicklung von der PreuGO und BUGO-Z bis hin zur GOZ-Novelle von 2011 ist also dadurch gekennzeichnet, dass der Steigerungsfaktor deutlich eingeschränkt wurde und mittlerweile nur bis 3,5 reicht. Darüber hinaus haben sich auch die Kriterien gewandelt, die für die Ermittlung des Steigerungssatzes heranzuziehen sind. Festzuhalten bleibt, dass die letzten Reformen in Bezug auf die privatzahnärztlichen Vergütungen kostenneutral erfolgen sollten und sich der Gebührenrahmen zunehmend verengte, der Punktwert trotz Wertverlustes jedoch konstant blieb. Bereits im Jahr 2004 stellte die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts fest, dass die Margen im privatzahnärztlichen Bereich besonders schmal seien.30 Vor diesem Hintergrund ergibt sich die nachfolgend zu beantwortende Frage, inwieweit die GOZ-Novelle von 2011 mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbar ist.

28

BR-Drucks. 276/87, S. 68 f. BR-Drucks. 295/82, S. 9. 30 BVerfGK 4, 144 (148). Siehe zu dieser Entscheidung Hess/Hübner (Fn. 19), Kap. 11 Rn. 26 ff. 29

Zweiter Teil

Zur Verfassungsmäßigkeit der GOZ-Novelle von 2011 Für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der GOZ-Novelle von 2011 ist insbesondere das in Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland31 (GG) gewährleistete Grundrecht der Berufsfreiheit maßgebend. Zunächst ist problematisch, ob der Bund überhaupt die Gesetzgebungskompetenz zum Erlass der GOZ hat. Darüber hinaus bedarf es der Klärung der Frage, inwieweit die GOZ-Novelle die Vorgaben in § 15 des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde (nachfolgend abgekürzt: ZHG)32 als Ermächtigungsgrundlage eingehalten hat. Soweit nämlich eine Rechtsverordnung nicht von ihrer „einfachgesetzlichen“ Ermächtigungsgrundlage gedeckt ist, verstößt sie nicht nur gegen das „einfachgesetzliche“ Bundesrecht, sondern zugleich auch gegen Art. 80 Abs. 1 GG, der Anforderungen für den Erlass von Rechtsverordnungen regelt.33 Wichtige Aspekte, die im Falle der GOZ-Novelle für einen solchen Verstoß sprechen könnten, sind – die fehlende Betätigung des Ermessens seitens des Verordnungsgebers, da die Novellierung der GOZ kostenneutral erfolgen sollte; – das Abstellen auf die Interessen der staatlichen Beihilfestellen und Unternehmen der privaten Krankenversicherung, obwohl deren Belangen nach § 15 ZHG nicht Rechnung zu tragen ist; – das teilweise Unterschreiten der im System der gesetzlichen Krankenversicherung für entsprechende Leistungen geltenden Vergütungen; – die fehlende Konsequenz in der Anwendung der Prämissen des Verordnungsgebers bei der Berechnung der angemessenen Vergütung. 31 BGBl., S. 1, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 93) vom 11. Juli 2012 (BGBl. I, S. 1478). 32 In der Fassung der Bekanntmachung vom 16. April 1987 (BGBl. I, S. 1225), zuletzt geändert durch Art. 33 des Gesetzes zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen vom 6. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2515). 33 Eckart Klein, in: Benda/Klein, Verfassungsprozeßrecht. Ein Lehr- und Handbuch, 2. Aufl. 2001, Rn. 733; Helge Sodan/Jan Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht. Staats- und Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2012, § 53 Rn. 15.

A. Grundrecht der Berufsfreiheit als Abwehrrecht

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Fraglich ist überdies, inwieweit sich die GOZ-Novelle mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbaren lässt. Ein Verstoß gegen das in Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Grundrecht der Berufsfreiheit kommt aus zwei Perspektiven in Betracht, zunächst und zuvörderst in seiner abwehrrechtlichen Dimension (hierzu sogleich A.), aber auch im Hinblick auf eine grundrechtliche Schutzpflicht (siehe B.).

A. Grundrecht der Berufsfreiheit als Abwehrrecht Die GOZ-Novelle von 2011 könnte wegen Verstoßes gegen die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG verfassungswidrig sein. In Betracht kommt zunächst eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG unter dem Aspekt des Abwehrrechts. Insbesondere durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wurden in den letzten Jahrzehnten verschiedene Schutzrichtungen der durch das Grundgesetz gewährleisteten Grundrechte aufgezeigt, welche sich als „Dimensionen“34 dieser Grundrechte35 bezeichnen lassen. Nach wie vor ist jedoch die abwehrrechtliche Dimension der Grundrechte von besonderer Bedeutung. Das Bundesverfassungsgericht sieht die „Sinnmitte“ der „vom Grundgesetz verbürgten materiellen Grundrechte“ in dem „Schutz der privaten natürlichen Person gegen hoheitliche Übergriffe“.36 In ständiger Rechtsprechung bezeichnet es daher die Abwehr von Staatsmacht als zwar nicht ausschließliche, aber doch primäre Funktion der Grundrechte.37 Zur Begründung dient insbesondere die historische Entwicklung der Grundrechte38. Der auf Unterlassen staatlicher Maßnahmen gerichtete Abwehrcharakter der Grundrechte wird plastisch etwa in den Worten, dass „dem Einzelnen um der freien und selbstverantwortlichen Entfaltung seiner Persönlichkeit willen ein ,Innenraum‘ verbleiben muß, in dem er ,sich selbst besitzt‘ und ,in den er sich zurückziehen kann, zu dem die Umwelt keinen Zutritt hat, in dem man in Ruhe gelassen wird und ein Recht auf Einsamkeit genießt‘“39. Eine pointiert liberale Grundrechtssicht liegt etwa auch der „Sphärentheorie“ zugrunde, welche das Bundesverfassungsgericht im sog. Elfes-Urteil40 und fortan 34

Siehe etwa Horst Dreier, Dimensionen der Grundrechte, 1993, S. 27 ff., 41 ff.; Martin Morlok, Selbstverständnis als Rechtskriterium, 1993, S. 289, 300, 384 f.; H. H. Klein, Die grundrechtliche Schutzpflicht, DVBl. 1994, 489 (492 f.). 35 Siehe hierzu näher Helge Sodan, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz. Beck’scher KompaktKommentar, 2. Aufl. 2011, Vorb. Art. 1 Rn. 9 ff. 36 BVerfGE 61, 82 (101). 37 Siehe etwa BVerfGE 7, 198 (204 f.); 13, 318 (325 f.); 21, 362 (369); 68, 193 (205). 38 Siehe dazu Sodan/Ziekow (Fn. 33), § 20. 39 BVerfGE 27, 1 (6). 40 BVerfGE 6, 32 (41).

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2. Teil: Zur Verfassungsmäßigkeit der GOZ-Novelle von 2011

fast wortgleich in ständiger Rechtsprechung41 für das in Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit vertritt: Danach sei dem einzelnen Bürger eine Sphäre privater Lebensgestaltung verfassungskräftig vorbehalten, so dass „ein letzter unantastbarer Bereich menschlicher Freiheit“ bestehe, welcher der Einwirkung der gesamten öffentlichen Gewalt entzogen sei; ein Gesetz, das in ihn eingreife, könne nie Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung sein. Speziell in Art. 12 Abs. 1 GG sieht das Bundesverfassungsgericht die primäre Funktion verankert, „die eigenpersönliche, selbstbestimmte Lebensgestaltung abzuschirmen, also Freiheit von Zwängen oder Verboten im Zusammenhang mit Wahl und Ausübung des Berufes zu gewährleisten“.42 Das klassisch-liberale Grundrechtsverständnis gründet auf der konstitutionellen Staatsrechtslehre43 und geht von dem „fundamentalen Verteilungsprinzip des bürgerlichen Rechtsstaates“ aus: Danach ist „die Freiheit des Einzelnen prinzipiell unbegrenzt, während die Befugnis des Staates zu Eingriffen in diese Sphäre prinzipiell begrenzt ist“.44 „Auf der einen Seite also die ursprunghafte, nicht rechtfertigungsbedürftige, grundsätzlich umfassende Freiheit des Individuums, auf der anderen die notwendig rechtlich gebundene und beschränkte, auf Rechtfertigung verwiesene Staatsgewalt.“45 Die Grundrechte werden insoweit als „rechtliche Umhegungen vorstaatlicher, natürlicher Freiheit“ angesehen, die als „staatsfreie Sphäre“ des Individuums gegen den staatlichen Herrschaftsbereich abgegrenzt wird.46 Zur Sicherung einer möglichst ungehinderten Entfaltung des einzelnen Bürgers durch größtmögliche Freiheitsschonung sind der Betätigung des Staates rechtliche Schranken gesetzt; in die Freiheit darf also nur unter Wahrung bestimmter formeller und materieller Anforderungen – insbesondere des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – eingegriffen werden. Das Abwehrrecht soll dem Bürger einen status negativus im Sinne der Lehre von Georg Jellinek gewährleisten, der folgende „allumfassende Formel“ entwickelt hat: „Das Individuum soll vom Staate zu keiner gesetzwidrigen Leistung herangezogen werden und hat demnach einen auf Anerkennung seiner Freiheit beruhenden Anspruch auf Unterlassung und Aufhebung der diese Norm überschreitenden obrigkeitlichen Befehle. Alle Freiheit ist einfach

41 Siehe etwa BVerfGE 6, 389 (433); 7, 198 (220 f.); 27, 344 (350 f.); 32, 373 (378 f.); 33, 367 (376 f.); 35, 202 (220, 232); 39, 1 (42). 42 BVerfGE 33, 303 (331). 43 Siehe dazu die Darstellung von Eberhard Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht. Kritische Untersuchungen zur Dogmatik und Theorie der Freiheitsrechte, 1976, S. 3 ff., 158 ff. 44 Carl Schmitt, Verfassungslehre, 1928, S. 126. 45 Josef Isensee, Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, in: ders./ Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 191 Rn. 9. 46 Fritz Ossenbühl, Die Interpretation der Grundrechte in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1976, 2100 (2101); vgl. auch Ernst-Wolfgang Böckenförde, Grundrechtstheorie und Grundrechtsinterpretation, NJW 1974, 1529 (1537 f.).

A. Grundrecht der Berufsfreiheit als Abwehrrecht

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Freiheit von gesetzwidrigem Zwange.“47 Die Freiheitsrechte erhalten auf diese Weise die Funktion, die Bürger vor dem Missbrauch staatlicher Macht zu schützen. Eine Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG in seiner abwehrrechtlichen Funktion liegt stets dann vor, wenn in den Schutzbereich der Berufsfreiheit (dazu sogleich unter I.) eingegriffen wird und dieser Eingriff (siehe nachfolgend II.) verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt ist (dazu III.).

I. Eröffnung des Schutzbereichs der Berufsfreiheit 1. Sachlicher Schutzbereich Zunächst müsste der Schutzbereich der Berufsfreiheit eröffnet sein. Nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG haben alle Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden. Der Wortlaut dieser Vorschriften legt den Schluss nahe, dass damit insgesamt vier verschiedene Grundrechte gewährleistet sind: (1) die Berufswahlfreiheit, (2) die Freiheit der Wahl des Arbeitsplatzes, (3) die Freiheit der Wahl der Ausbildungsstätte und (4) die Berufsausübungsfreiheit. Schon seit langem ist jedoch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt, dass es sich insoweit nur um vier Teilgarantien eines „einheitlichen, allerdings in sich gegliederten Grundrechts“ der Berufsfreiheit48 handelt. Bereits im grundlegenden sog. Apotheken-Urteil aus dem Jahre 1958 formuliert das Bundesverfassungsgericht, Art. 12 Abs. 1 GG enthalte „ein einheitliches Grundrecht (der ,Berufsfreiheit‘) jedenfalls in dem Sinn, daß der Regelungsvorbehalt des Satz 2 sich ,dem Grunde nach‘ sowohl auf die Berufsausübung wie auf die Berufswahl“ erstrecke.49 Zur Begründung führt das Bundesverfassungsgericht aus: Die „Begriffe ,Wahl‘ und ,Ausübung‘ des Berufes lassen sich nicht so trennen, daß jeder von ihnen nur eine bestimmte zeitliche Phase des Berufslebens bezeichnete, die sich mit der andern nicht überschnitte; namentlich stellt die Aufnahme der Berufstätigkeit sowohl den Anfang der Berufsausübung dar wie die gerade hierin – und häufig nur hierin – sich äußernde Betätigung der Berufswahl; ebenso sind der in der laufenden Berufsausübung sich ausdrückende Wille zur Beibehaltung des Berufs und schließlich die freiwillige Beendigung der Berufsausübung im Grunde zugleich Akte der Berufswahl. Die beiden Begriffe erfassen den einheitlichen Komplex ,berufliche Betätigung‘ von verschiedenen Blickpunkten her“.50 In seiner neueren Rechtsprechung siedelt das Bundesverfassungsgericht den 47

Georg Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl. 1905, S. 103. Rüdiger Breuer, Freiheit des Berufs, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 170 Rn. 56 – ohne die Hervorhebungen. 49 So BVerfGE 7, 377 (402). 50 BVerfGE 7, 377 (401). 48

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2. Teil: Zur Verfassungsmäßigkeit der GOZ-Novelle von 2011

Schutz freier Berufsausübung ausdrücklich bereits in Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG an.51 Nach der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts gehört „zur rechtlichen Ordnung der Berufstätigkeit auch die Vorstufe der Berufsausbildung als integrierender Bestandteil eines einheitlichen Lebensvorgangs“52. Als „Verfassungsrichterrecht hat sich der Grundsatz der Einheitlichkeit der Berufsfreiheit durchgesetzt“.53 Auch in jüngster Zeit spricht das Bundesverfassungsgericht noch immer von der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG.54 Das Bundesverfassungsgericht definiert den Beruf im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG als „auf Erwerb gerichtete Tätigkeit […], die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient“.55 Sämtliche Voraussetzungen treffen zweifellos auf die Tätigkeit eines niedergelassenen Zahnarztes zu.56 Art. 12 Abs. 1 GG schützt nämlich insbesondere auch die Ausübung sog. Freier Berufe und damit die selbständigen Berufstätigkeiten u. a. der Ärzte, Zahnärzte, Mitglieder der Rechtsanwaltskammern, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Ingenieure und Architekten.57 Die Freiheit des Berufs umfasst sowohl die Freiheit der Berufswahl als auch die Freiheit der Berufsausübung. Nach einer häufig verwendeten „Faustformel“ betrifft die Berufswahl das „Ob“ und die Berufsausübung das „Wie“ der beruflichen Betätigung. Die Berufsausübungsfreiheit umfasst „die Gesamtheit der mit der Berufstätigkeit, ihrem Ort […], ihren Inhalten […], ihrem Umfang, ihrer Dauer, ihrer äußeren Erscheinungsform, ihren Verfahrensweisen und ihren Instrumenten zusammenhängenden Modalitäten der beruflichen Tätigkeit und umgreift so eine Reihe

51 Siehe BVerfGE 85, 248 (256); 94, 372 (389); 95, 173 (181); 101, 331 (346); vgl. dazu BerlVerfGH, LVerfGE 12, 15 (22 f.). 52 BVerfGE 41, 251 (261); vgl. ferner BVerfGE 33, 303 (329 f.); 59, 172 (205); BerlVerfGH, LVerfGE 12, 15 (22). 53 Otto Depenheuer, Freiheit des Berufs und Grundfreiheiten der Arbeit, in: Badura/Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. II, 2001, S. 241 (250). 54 Siehe etwa BVerfGE 106, 275 (298); 110, 141 (156); 110, 274 (287 f.). 55 So BVerfGE 102, 197 (212); 111, 10 (28); 115, 276 (300); fast wortgleich BVerfGE 97, 228 (252 f.); 110, 141 (156); 115, 205 (229). Siehe dazu näher Sodan (Fn. 35), Art. 12 Rn. 9. 56 Siehe etwa BVerfGK 4, 144 (147 f.) sowie Helge Sodan, Verfassungsrechtliche Grundlagen der Krankenversicherung, in: ders. (Hrsg.), Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 2010, § 2 Rn. 81 ff. 57 Siehe zu einer Begriffsbestimmung des Freien Berufs und den davon erfassten Berufsgruppen § 1 Abs. 2 des Gesetzes über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe (Partnerschaftsgesellschaftsgesetz – PartGG) vom 25. Juli 1994 (BGBl. I, S. 1744), zuletzt geändert durch Art. 22 des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 (BGBl. I, S. 2026); Helge Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung. Ein verfassungs- und verwaltungsrechtlicher Beitrag zum Umbau des Sozialstaates, 1997, S. 36 ff., 91 ff.; Friedhelm Hufen, Grundrechtsschutz der Leistungserbringer und privaten Versicherer in Zeiten der Gesundheitsreform, NJW 2004, 14 f.

A. Grundrecht der Berufsfreiheit als Abwehrrecht

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von Einzelfreiheiten“.58 Ferner steht die beruflich genutzte Vertragsfreiheit unter dem Schutz der Freiheit des Berufs.59 Dazu gehören die Preis-, Vertriebs- und Absatzfreiheit.60 „Die Freiheit, einen Beruf auszuüben, ist untrennbar verbunden mit der Freiheit, eine angemessene Vergütung zu fordern.“61 Die Forderung einer angemessenen Vergütung für privatzahnärztliche Tätigkeit ist damit durch die Berufsausübungsfreiheit eines niedergelassenen Zahnarztes geschützt. Das Bundesverfassungsgericht stellte etwa im Hinblick auf Gebührenvorschriften für Notare fest, dass als Prüfungsmaßstab „Art. 12 Abs. 1 GG anzuwenden“ ist.62 In Bezug auf durch das Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetz geänderte Vorschriften der Reichsversicherungsordnung, die u. a. die Vereinbarung eines einheitlichen Leistungsverzeichnisses für die abrechnungsfähigen zahntechnischen Leistungen vorsahen, formulierte das Bundesverfassungsgericht wie folgt: „Die Vorschrift enthält eine Preisregelung, welche die Adressaten im Bereich ihrer beruflichen Betätigung trifft. Prüfungsmaßstab ist daher in erster Linie Art. 12 Abs. 1 GG als lex specialis für das Gebiet des Berufsrechts.“63

Genauso unmissverständlich entschied das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf gesetzliche Vergütungsregelungen für Konkursverwalter nach der damaligen Konkursordnung64, bezüglich Vergütungsregelungen von Berufsbetreuern65 sowie hinsichtlich Preisregelungen, die für Inhaber zahntechnischer Labore, Apotheker, Arzneimittelgroßhändler und pharmazeutische Unternehmen66 relevant waren. In der letztgenannten Entscheidung formulierte das Bundesverfassungsgericht wie folgt: „Jede Preisreglementierung berührt die berufliche Betätigung, enthält also eine Berufsausübungsregelung.“67

In engem Zusammenhang mit der beruflich genutzten Vertragsfreiheit steht auch die Wettbewerbsfreiheit, welche als das Recht auf den Versuch verstanden werden kann, sich durch freie Leistungskonkurrenz als Anbieter und Nachfrager auf dem 58 Thomas Mann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 6. Aufl. 2011, Art. 12 Rn. 79. 59 Siehe BVerfGE 117, 163 (181); 123, 186 (252 f.); 126, 286 (300); 128, 157 (176). 60 Sodan (Fn. 35), Art. 12 Rn. 14. 61 BVerfGE 88, 145 (159); vgl. etwa auch BVerfGE 47, 285 (321); 101, 331 (347); 106, 275 (298); 110, 226 (251); BVerfGK 4, 144 (147 f.). Siehe dazu näher Sodan (Fn. 57), S. 290 ff.; ders., Das Beitragssatzsicherungsgesetz auf dem Prüfstand des Grundgesetzes, NJW 2003, 1761 (1763 f.). 62 So BVerfGE 47, 285 (318). 63 BVerfGE 68, 193 (216); vgl. auch bereits BVerfGE 38, 61 (79). 64 BVerfGE 88, 145 (159); vgl. auch den Kammerbeschl. hinsichtlich der Sachverständigenvergütung von vorläufigen Insolvenzverwaltern, BVerfGK 6, 399 (401 ff.). 65 BVerfGE 101, 331 (347); vgl. auch BVerfG (Kammerbeschl.), NJW-RR 2000, 1241. 66 BVerfGE 114, 196 (244). 67 BVerfGE 114, 196 (244) – ohne die Hervorhebung.

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2. Teil: Zur Verfassungsmäßigkeit der GOZ-Novelle von 2011

Markt gegenüber anderen durchzusetzen68. Sie wird durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt, soweit das Verhalten der Unternehmen bzw. Unternehmer im Wettbewerb Bestandteil ihrer Berufsausübung ist.69 Das Bundesverfassungsgericht formuliert im Zusammenhang mit der Erörterung der Berufsfreiheit sogar, die „bestehende Wirtschaftsverfassung“ enthalte „den grundsätzlich freien Wettbewerb der als Anbieter und Nachfrager auf dem Markt auftretenden Unternehmer als eines ihrer Grundprinzipien“.70 Entsprechend dem Prinzip der grundsätzlich von staatlichen Einflüssen freien Marktwirtschaft gewährleistet Art. 12 Abs. 1 GG allerdings „keinen Anspruch auf Erfolg im Wettbewerb“.71 Staatliche Regelungen der Gebührensätze für privatzahnärztliche Behandlungen betreffen daher die Freiheit des einzelnen Zahnarztes, angemessene Vergütungen für seine Tätigkeiten zu fordern, und beschränken den Preiswettbewerb zwischen den einzelnen Zahnärzten. Der sachliche Schutzbereich des Grundrechts der Berufsfreiheit ist durch die GOZ-Novelle von 2011 somit eröffnet.72 2. Personeller Schutzbereich Ausweislich des Wortlauts in Art. 12 I 1 GG sind Grundrechtsträger der Berufsfreiheit alle Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG. Ausländer können sich zum Schutz ihrer freien beruflichen Betätigung auf das Auffanggrundrecht des 68 Helge Sodan, Gesundheitsbehördliche Informationstätigkeit und Grundrechtsschutz, DÖV 1987, 858 (860); ders., Vorrang der Privatheit als Prinzip der Wirtschaftsverfassung, DÖV 2000, 361 (364); vgl. auch BGHZ 23, 365 (370); Wolfgang Fikentscher, Wettbewerb und gewerblicher Rechtsschutz. Die Stellung des Rechts der Wettbewerbsbeschränkungen in der Rechtsordnung, 1958, S. 79; Rupert Scholz, Entflechtung und Verfassung, 1981, S. 94. 69 BVerfGE 32, 311 (317); 46, 120 (137); BVerwGE 71, 183 (189); vgl. auch BVerfGE 115, 205 (229). 70 BVerfGE 32, 311 (317); vgl. auch BVerfGE 106, 275 (298); BVerwGE 71, 183 (189). 71 BVerfGE 106, 275 (299); BVerfG (Kammerbeschl.), NVwZ 2009, 1486; vgl. ferner BVerfGE 110, 274 (288); 118, 1 (19). 72 Nach einer vom BVerfG häufig verwendeten Abgrenzungsformel berührt die GOZNovelle von 2011 hingegen nicht die in Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsfreiheit: Denn „Art. 14 Abs. 1 GG schützt das Erworbene, das Ergebnis der Betätigung, Art. 12 Abs. 1 GG dagegen den Erwerb, die Betätigung selbst […]. Greift somit ein Akt der öffentlichen Gewalt eher in die Freiheit der individuellen Erwerbs- und Leistungstätigkeit ein, so ist der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG berührt; begrenzt er mehr die Innehabung und Verwendung vorhandener Vermögenswerte, so kommt der Schutz des Art. 14 GG in Betracht“ (BVerfGE 30, 292 [335]; fast wortgleich BVerfGE 84, 133 [157]; 85, 360 [383]; 102, 26 [40]; vgl. auch BVerfGE 121 317 [345]). Regelungen der Gebührensätze für privatzahnärztliche Behandlungen berühren vor allem die individuelle Erwerbs- und Leistungstätigkeit des einzelnen Zahnarztes. Selbst wenn man hier mit Rücksicht auf die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte sog. Privatnützigkeit (siehe dazu Sodan [Fn. 35], Art. 14 Rn. 2) des Eigentums an Medizinprodukten, die bei der zahnärztlichen Behandlung zur Anwendung kommen, neben der Berufsfreiheit auch die Eigentumsfreiheit für einschlägig hielte, ergäbe sich für die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der GOZ-Novelle kein anderes Ergebnis, als es in Anwendung von Art. 12 Abs. 1 GG nachfolgend herzuleiten sein wird.

A. Grundrecht der Berufsfreiheit als Abwehrrecht

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Art. 2 Abs. 1 GG berufen, der das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und damit die allgemeine Handlungsfreiheit gewährleistet; denn das Grundgesetz trifft nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts mit den „Deutschen-Grundrechten“ keine Entscheidung zum Ausschluss des Schutzes von deren Freiheitsgehalten durch das Auffanggrundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG für Nicht-Deutsche.73

II. Eingriffe in den Schutzbereich der Berufsfreiheit Beeinträchtigungen grundrechtlicher Schutzbereiche erfolgen in den meisten Fällen durch „klassische Grundrechtseingriffe“, die in Ge- oder Verboten bestehen, welche den Betroffenen staatlicherseits zielgerichtet mit unmittelbarer Wirkung auferlegt werden.74 In diesem Sinne versteht das Bundesverfassungsgericht „unter einem Grundrechtseingriff im Allgemeinen“ einen rechtsförmigen Vorgang, „der unmittelbar und gezielt (final) durch ein vom Staat verfügtes, erforderlichenfalls zwangsweise durchzusetzendes Ge- oder Verbot, also imperativ, zu einer Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten führt“.75 Die unmittelbare Beeinträchtigung ist dadurch gekennzeichnet, dass eine beeinträchtigende Wirkung ohne Hinzutreten weiterer Faktoren bereits im Verhalten öffentlicher Gewalt selbst liegt.76 Die GOZ-Novelle führt zu solchen Eingriffen. Die Vergütungen für die privatzahnärztlichen Tätigkeiten sind grundsätzlich auf die in der GOZ festgelegten Sätze beschränkt. Mehr als das 2,3-fache des jeweiligen Gebührensatzes kann der Zahnarzt nur verlangen, wenn hierfür besondere Gründe vorliegen und der Zahnarzt diese darlegt.77 Zwar ist es im Einzelfall ausnahmsweise möglich, eine Vergütung mit dem Patienten auszuhandeln; hierfür sind jedoch ebenfalls strenge Anforderungen zu erfüllen. Unbeschränkte Vertragsfreiheit besteht auch insofern nicht.78 So regelt etwa der durch die GOZ-Novelle von 2011 eingefügte § 2 Abs. 1 Satz 3 GOZ n. F., dass Notfall- und akute Schmerzbehandlungen nicht von einer Vereinbarung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GOZ n. F. abhängig gemacht werden dürfen. Dementsprechend ist das Bundesverfassungsgericht im Hinblick sowohl auf die GOÄ79 als auch die GOZ80 von Eingriffen in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ausgegangen. Auch in anderem Zusammenhang hat das Bundesverfas73

Siehe dazu BVerfGE 78, 179 (196 f.). Helge Sodan, Leistungsausschlüsse im System der gesetzlichen Krankenversicherung und Grundrechtsschutz von Leistungsanbietern, SGb. 1992, 200 (201). 75 So BVerfGE 105, 279 (300). 76 Helge Sodan, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung. Großkommentar, 3. Aufl. 2010, § 42 Rn. 395. 77 Vgl. S. 15, 59. 78 Siehe dazu näher S. 59 f. 79 BVerfGE 68, 319 (327). 80 BVerfGK 4, 144 (147 f.). 74

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sungsgericht festgestellt, dass jede Preisreglementierung eine Berufsausübungsregelung enthält.81

III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Grundrechtseingriffe Mit der Feststellung, dass ein Eingriff in den Schutzbereich eines Freiheitsrechts vorliegt, ist jedoch die Frage noch nicht beantwortet, ob das Grundrecht auch tatsächlich verletzt ist. Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Eingriff zulässig, d. h. verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Grenzen für grundrechtliche Freiheiten sind im Interesse eines geordneten Zusammenlebens in einem Staat unvermeidlich. Gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG kann die Berufsausübung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden. Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit in Gestalt von Rechtsverordnungen, wie hier durch die GOZ-Novelle von 2011, können somit zulässig sein. Der Erlass von Rechtsverordnungen ist seinerseits jedoch nur zulässig, wenn kein Verstoß gegen Art. 80 GG vorliegt. Durch ein formelles Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigt werden. Art. 80 Abs. 1 GG stellt somit eine spezielle und ausdrückliche Ausformung des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes und des Vorrangs des Gesetzes dar.82 Art. 80 Abs. 1 GG setzt somit voraus, dass eine in formeller (dazu sogleich unter 1.) sowie materieller (siehe nachfolgend 2.) Hinsicht verfassungsmäßige Ermächtigungsgrundlage für die Rechtsverordnung besteht und diese selbst formell (dazu 3.) sowie materiell (siehe 4.) mit höherrangigem Recht vereinbar ist. 1. Formelle Verfassungsmäßigkeit des § 15 ZHG als Ermächtigungsgrundlage für die GOZ-Novelle Zunächst müsste § 15 ZHG als Ermächtigungsgrundlage für die GOZ-Novelle von 2011 in die Gesetzgebungskompetenz (Verbandskompetenz) des Bundes fallen. § 15 Satz 1 ZHG ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats die Entgelte für zahnärztliche Tätigkeit in einer Gebührenordnung zu regeln. Die Gebührenordnung muss Mindest- und Höchstsätze für die zahnärztlichen Leistungen enthalten (§ 15 Satz 2 ZHG). Bei der Festsetzung dieser Sätze ist den berechtigten Interessen der Zahnärzte und der zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten Rechnung zu tragen (§ 15 Satz 3 ZHG). 81

Siehe etwa BVerfGE 114, 196 (244). Theodor Maunz, in: ders./Dürig, Grundgesetz. Kommentar, Bd. V, Art. 80 Rn. 3 f. (Stand der Kommentierung: 1978); Andreas Haratsch, in: Sodan (Hrsg.), Grundgesetz. Beck’scher Kompakt-Kommentar, 2. Aufl. 2011, Art. 80 Rn. 2. 82

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Ausweislich der Grundsatzvorschrift des Art. 30 GG ist die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben Sache der Länder, soweit das Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zulässt. Als Spezialnorm konkretisiert Art. 70 Abs. 1 GG die grundsätzliche Verteilung der Staatsgewalt im Hinblick auf die Kompetenz zum Erlass von Gesetzen. Danach haben die Länder das Recht zur Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. Nach Art. 72 Abs. 1 GG haben im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Art. 74 Abs. 1 GG listet zahlreiche Rechtsmaterien auf, die der konkurrierenden Gesetzgebung unterliegen. a) Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG § 15 Satz 1 ZHG ermächtigt zum Erlass einer Gebührenordnung für zahnärztliche Leistungen, also einen Teilbereich des zahnärztlichen Berufsrechts. Aus diesem Grund könnte der Bund die Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG haben. Nach dieser Bestimmung erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung u. a. auf „die Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen“. In der Literatur wird teilweise der Erlass des ZHG auf den Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG gestützt.83 Hierbei wird jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Bund nur zu Regelungen hinsichtlich der Berufszulassung befugt sei, nicht hingegen zu Regelungen über die Berufsausübung, die Fort- und Weiterbildung sowie das Kammerrecht; außerhalb der Mindestanforderungen an die Berufszulassung verbleibe es bei der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder.84 Das Bundesverfassungsgericht führt im sog. Facharzt-Beschluss aus dem Jahr 1972 aus, „ärztliche Berufe“ im Sinne dieser Kompetenznorm seien lediglich die Berufe des Arztes, Zahnarztes und Tierarztes.85 Der Bund besitze die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit nur für die Zulassung zu diesen Berufen; der Begriff „Zulassung“ sei „wortgetreu auszulegen“86 und umfasse „im wesentlichen die Vorschriften, die sich auf Erteilung, Zurücknahme und Verlust der Approbation oder auf die Befugnis zur Ausübung des ärztlichen Berufs“ bezögen; die „Regelung der ärztlichen Weiterbildung nach Erteilung der Approbation und damit die gesamte Regelung des Facharztwesens“ gehöre „dagegen zur ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit der Länder.“87 Die GOZ regelt nicht die Voraussetzungen einer Zulassung zum Beruf des Zahnarztes, sondern die Art und Weise der Berufsaus83 84 85 86 87

Heinz Haage, Zahnheilkundegesetz, 2012, Einleitung Rn. 5. Haage (Fn. 83), Einleitung Rn. 5 f. So BVerfGE 33, 125 (154). BVerfGE 33, 125 (154); ebenso BVerfGE 4, 74 (83); 17, 287 (292). BVerfGE 33, 125 (154 f.); vgl. ferner bereits BVerfGE 7, 18 (25).

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2. Teil: Zur Verfassungsmäßigkeit der GOZ-Novelle von 2011

übung. Der Bund kann sich dementsprechend nicht auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG als Kompetenznorm stützen. b) Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG weist dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis hinsichtlich der wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und der Regelung der Krankenhauspflegesätze zu. Charakteristisch für den Begriff des Krankenhauses ist die dortige stationäre Behandlung.88 § 15 ZHG sowie die hierauf beruhende GOZ sind nicht auf die stationäre Behandlung von Patienten beschränkt, sondern sie regeln in großem Umfang auch die ambulante zahnärztliche Versorgung, so dass Art 74 Abs. 1 Nr. 19a GG ebenfalls als Kompetenztitel des Bundes ausscheidet. c) Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG Die Regelung des § 15 ZHG als Ermächtigungsgrundlage für die GOZ kann der Bundesgesetzgeber auch nicht auf den Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG („Sozialversicherung“) stützen. Denn Kennzeichen der Sozialversicherung im Sinne dieser Vorschrift ist u. a. das Merkmal der Trägerschaft durch selbständige Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts.89 Daran fehlt es jedoch bei Vorschriften über die privatzahnärztlichen Tätigkeiten, die gerade nicht der gesetzlichen Krankenversicherung unterfallen.90 d) Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG Möglicherweise lässt sich die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der GOZ als „Recht der Wirtschaft“ im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG und damit als Rechtsmaterie der konkurrierenden Gesetzgebung qualifizieren. Der Begriff „Recht der Wirtschaft“ im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG ist nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts weit zu verstehen.91 Zu ihm sollen nicht nur diejenigen Vorschriften gehören, welche die Erzeugung, Herstellung und Verteilung von Gütern des wirtschaftlichen Bedarfs betreffen, sondern auch alle anderen das wirtschaftliche Leben und die wirtschaftliche Betätigung als solche regelnden Normen. Hierzu werden Gesetze mit wirtschaftsregu-

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Haratsch (Fn. 82), Art. 74 Rn. 38. Vgl. BVerfGE 11, 105 (113); 63, 1 (34 f.); 87, 1 (34); Maunz (Fn. 82), Art. 74 Rn. 171 (Stand der Kommentierung: 1984). Vgl. ferner Markus Zimmermann, Sozialversicherung und Privatversicherung im Kompetenzengefüge des Grundgesetzes. Dargestellt unter besonderer Berücksichtigung der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung, 2009, S. 250 ff. 90 Vgl. BVerfGK 4, 144 ff. 91 Kritisch zu dieser Judikatur Philip Kunig, Die Legende vom „weiten“ Begriff des „Rechts der Wirtschaft“. Wider den leichthändigen Umgang mit Art. 74 Nr. 11 GG, JR 1986, 491 ff. 89

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lierendem oder wirtschaftslenkendem Inhalt gezählt.92 Das Bundesverfassungsgericht vertrat in einem Beschluss aus dem Jahr 1984 die Auffassung, dass § 11 BÄO, die Parallelvorschrift des § 15 ZHG für die ärztliche Gebührenordnung, auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG („Recht der Wirtschaft“) gestützt werden könne.93 Überträgt man diese Rechtsprechung auf den zahnärztlichen Bereich, so hätte der Bund die Gesetzgebungskompetenz zur Regelung des zahnärztlichen Gebührenrechts; § 15 ZHG wäre in formeller Hinsicht verfassungsgemäß.94 Auch wenn das Bundesverfassungsgericht anlässlich der Überprüfung einer nahezu identischen Regelung bereits davon ausgegangen ist, dass sich zumindest für die Ermächtigung zum Erlass der GOÄ eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG bejahen lässt, bestehen erhebliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Entscheidung. Denn in systematischer Hinsicht berücksichtigt die Entscheidung nur unzureichend die begrenzten Gesetzgebungskompetenzen des Bundes für das Gesundheitswesen aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 und 19a GG. Da die sog. Föderalismusreform I95 nicht nur den Geltungsbereich des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG geschmälert hat, sondern insgesamt dadurch gekennzeichnet war, die Kompetenzen der Länder zu stärken, besteht hinreichender Anlass zu einer kritischen Überprüfung der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts zur Reichweite von Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG. aa) Problemaufriss – Sperrwirkung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG? In einem Beschluss aus dem Jahr 195496 äußerte sich das Bundesverfassungsgericht ausführlich zur möglichen Notwendigkeit der restriktiven Auslegung von Kompetenztiteln infolge der grundgesetzlichen Einordnung des ärztlichen Zulassungsrechts als Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG. Hauptsächlicher Gegenstand dieser Entscheidung war die Frage, ob die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte bundesgesetzlich geregelt werden darf. Eine Bundes92

BVerfGE 68, 319 (330); vgl. ferner BVerfGE 8, 143 (148 f.); 26, 246 (254); 28, 119 (146); 29, 402 (409); 55, 274 (308 f.); 67, 256 (275). 93 Siehe BVerfGE 68, 319 (327 ff.); so auch BVerfG (Kammerbeschl.), NJW 1992, 737; Beschl. vom 19. April 1991, 1 BvR 1301/89, juris. 94 Auch die Bundesregierung ging von der Übertragbarkeit der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung auf den zahnärztlichen Bereich aus, vgl. BR-Drucks. 276/87, S. 46. 95 Siehe das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl. I, S. 2034); vgl. ferner das Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I, S. 2098). Siehe zur Neuordnung der Gesetzgebungskompetenzen durch die Föderalismusreform etwa auch Hans-Werner Rengeling, Föderalismusreform und Gesetzgebungskompetenzen, DVBl. 2006, 1537 ff.; Hans-Jürgen Papier, Aktuelle Fragen der bundesstaatlichen Ordnung, NJW 2007, 2145 ff.; Helge Sodan, Kontinuität und Wandel im Verfassungsrecht. Zum 60-jährigen Jubiläum des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, NVwZ 2009, 545 (549 f.). 96 BVerfGE 4, 74 ff.

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kompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG verwarf das Gericht aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Bestimmung. In dieser Entscheidung sprach das Bundesverfassungsgericht erstmals von der Notwendigkeit der wortgetreuen Auslegung der Formulierung „die Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen“. Dies zeige ein Vergleich mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG, der die konkurrierende Gesetzgebung auf „die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung“ erstrecke. „Dieser auffallende Unterschied im Wortlaut der Bestimmungen ist nicht nur ein Wechsel im Ausdruck, sondern Kennzeichen einer inhaltlich verschiedenen Abgrenzung der Gesetzgebungszuständigkeiten: Bei den Heilberufen ist die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes auf das Zulassungswesen beschränkt.“97 Dafür sprächen auch die Verhandlungen im Parlamentarischen Rat und in seinen Ausschüssen. Näher setzte sich das Gericht zudem mit der Frage auseinander, ob die ärztliche Berufsgerichtsbarkeit unter den Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG im Hinblick auf die dort genannte Gerichtsverfassung und das gerichtliche Verfahren fallen könnte. Die Antwort des Bundesverfassungsgerichts hätte insoweit kaum deutlicher ausfallen können: „Die allgemeine Formulierung ,die Gerichtsverfassung und das gerichtliche Verfahren‘ sollte nicht auch die ärztliche Standesgerichtsbarkeit umfassen. Es geht nicht an, dem Bunde durch eine weite Auslegung des Art. 74 Nr. 1 GG eine Kompetenz zuzuweisen, die ihm nach der klaren Formulierung der Nr. 19 des gleichen Artikels vorenthalten ist.“98 In einem Beschluss aus dem Jahr 1964 zum Hebammengesetz äußerte sich das Bundesverfassungsgericht noch konkreter zu den Folgerungen der notwendigen wortgetreuen Auslegung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG insbesondere im Zusammenhang mit der Bundeskompetenz für die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG: „Während also der Bund für Rechtsanwaltschaft, Notariat und Rechtsberatung nicht nur die Zulassung zum Beruf, sondern auch die Berufsausübung einschließlich Gebührenwesen usw. regeln kann, ist er bei den ärztlichen und anderen Heilberufen auf den Erlaß von Vorschriften über die Zulassung zum Beruf beschränkt.“99 Nimmt man das Bundesverfassungsgericht hier beim Wort, so wäre die Zuständigkeit des Bundes für die Regelung des zahnärztlichen Gebührenrechts ausgeschlossen. Das Bundesverfassungsgericht verneinte zudem im sog. Facharzt-Beschluss von 1972 eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes auf dem Gebiet des Facharztwesens: „Sind somit ,ärztliche Berufe‘ im Sinne des Art. 74 Nr. 19 GG lediglich die Berufe des Arztes, Zahnarztes und Tierarztes, so besitzt der Bund die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit lediglich für die Zulassung zu diesen Berufen. […] Die Regelung der ärztlichen Weiterbildung nach Erteilung der Approbation und damit 97

BVerfGE 4, 74 (83) – ohne die Hervorhebungen. BVerfGE 4, 74 (85) – ohne die Hervorhebungen. Die Untergliederung des Art. 74 GG in zwei Absätze erfolgte erst durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27. Oktober 1994 (BGBl. I, S. 3146). 99 BVerfGE 17, 287 (292). 98

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die gesamte Regelung des Facharztwesens gehört dagegen zur ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit der Länder.“100 Bis dahin ging die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung also davon aus, dass die Gesetzgebungszuständigkeit für ärztliche Berufe mit Ausnahme der Zulassungsregelungen ausschließlich bei den Ländern liegt.101 Demnach wäre der Bund für das (zahn)ärztliche Gebührenrecht nicht zuständig. Das Bundesverfassungsgericht leitete dabei die erhebliche Beschränkung der Gesetzgebungskompetenzen des Bundes auf dem Gebiet des (zahn)ärztlichen Berufsrechts aus der Systematik der einzelnen Kompetenztitel des Art. 74 GG ab. bb) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum ärztlichen Gebührenrecht Das Bundesverfassungsgericht setzte sich 1984 ausführlich mit der Kompetenz des Bundes zur Regelung des ärztlichen Gebührenrechts in der GOÄ auseinander und relativierte dabei seinen bisherigen Standpunkt zur Sperrwirkung der Bundeskompetenz zur Regelung der Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG. Es räumte zwar ein, die in den Art. 74 und 75 GG aufgezählten Materien der Gesetzgebung seien nicht jeweils für sich in abstrakter Deutung zu bestimmen; ihre gegenseitige Abgrenzung ergäbe sich vielmehr „aus dem Gesamtgefüge der grundgesetzlichen Kompetenzvorschriften“.102 Das Bundesverfassungsgericht bestätigte damit die Notwendigkeit der systematischen Auslegung103 der Kompetenztitel. Bei der Auslegung der Art. 70 ff. GG komme jedoch ferner dem geschichtlichen Zusammenhang der deutschen Gesetzgebung sowie der Entstehung der einzelnen Kompetenztitel und deren Handhabung in der Staatspraxis besondere Bedeutung zu.104 Die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers für den Erlass des § 11 BÄO ergibt sich nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts aus der Kompetenz für das Recht der Wirtschaft. Das Bundesverfassungsgericht verwies hierbei auf den historischen Hintergrund der Gebührenordnung für Ärzte.105 Bereits die Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund vom 21. Juni 1869106 traf in ihrem § 80 Abs. 2 eine einheitliche Regelung hinsichtlich des ärztlichen Honorars, welche wie folgt lautete: „Die Be100

BVerfGE 33, 125 (154 f.). So auch Christian Starck, Regelungskompetenzen im Bereich des Art. 12 Abs. 1 GG und ärztliches Berufsrecht, NJW 1972, 1489; Manfred Hagedorn, Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Gebührenordnung für Ärzte, NJW 1985, 2177 f. 102 So BVerfGE 68, 319 (328); vgl. ferner BVerfGE 7, 29 (44). 103 Siehe allgemein zur Bedeutung der systematischen Auslegung Sodan/Ziekow (Fn. 33), § 2 Rn. 11 ff. 104 BVerfGE 68, 319 (328); vgl. ferner BVerfGE 61, 149 (174 ff.). 105 Siehe BVerfGE 68, 319 (328 ff.). 106 BGBl., S. 245. 101

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zahlung der approbirten Aerzte u.s.w. (§. 29 Absatz 1.) bleibt der Vereinbarung überlassen. Als Norm für streitige Fälle im Mangel einer Vereinbarung können jedoch für dieselben Taxen von den Centralbehörden festgesetzt werden.“ Diese Vorschrift wurde später in ein Reichsgesetz übernommen; die ärztliche Tätigkeit wurde dem Gewerbewesen zugerechnet, für welches das Reich die Gesetzgebungszuständigkeit besaß.107 Unter der Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919108 (sog. Weimarer Reichsverfassung – WRV) galt diese Rechtslage fort. Das Reich hatte nun jedoch neben der Gesetzgebungszuständigkeit für das Gewerbe (Art. 7 Nr. 16 WRV) auch die Kompetenz für das Gesundheitswesen (Art. 7 Nr. 8 WRV). Die Bundesstaaten und später die Länder erließen stets unter Bezugnahme auf die Ermächtigung der soeben genannten gewerberechtlichen Norm Gebührenordnungen.109 Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts „zeigt auch die Staatspraxis“, dass „die Regelung der ärztlichen Gebühren unter dem Grundgesetz weiterhin als eine Materie der Bundesgesetzgebung angesehen und dem Recht der Wirtschaft zugeordnet worden ist“.110 Das Bundesverfassungsgericht vertrat ferner die Ansicht, neben dem rechtshistorischen Hintergrund des Kompetenztitels des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG sprächen auch Sinn und Zweck der Vorschrift für die Zuständigkeit des Bundes zur Regelung der ärztlichen Gebühren; es verwies insoweit auf den weiten Begriff des „Rechts der Wirtschaft“ im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG, zu dem auch „Gesetze mit wirtschaftsregulierendem oder wirtschaftslenkendem Inhalt“ und damit „preisrechtliche Regelungen“ gehörten.111 cc) Einwände gegen die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts Diese Entscheidung stößt aus mehreren Gründen auf erhebliche Bedenken. Dies gilt besonders für die vom Bundesverfassungsgericht vertretene Auffassung, selbst wenn die Aufzählung verschiedener Wirtschaftszweige in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG enumerativer Natur wäre, spräche nichts dagegen, das ärztliche Gebührenwesen unter den Begriff des „Gewerbes“ zu subsumieren112. Der Begriff des Gewerbes im Sinne von § 1 Abs. 1 und anderen Vorschriften der Gewerbeordnung113 erstreckt sich 107

BVerfGE 68, 319 (328). RGBl., S. 1383. 109 Siehe dazu BVerfGE 68, 319 (328 f.). 110 So BVerfGE 68, 319 (329). 111 BVerfGE 68, 319 (330). 112 So BVerfGE 68, 319 (331). 113 In der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Februar 1999 (BGBl. I, S. 202), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes zur Verbesserung des Austauschs von strafregisterrechtlichen Daten zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und zur Änderung registerrechtlicher Vorschriften vom 15. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2714). 108

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nach zutreffender Ansicht114 nicht auf freiberufliche Tätigkeiten, zu denen auch diejenigen der Ärzte und Zahnärzte gehören. Selbstverständlich muss sich der Begriff des Gewerbes im Sinne des „einfachen“, also unterhalb der Ebene der Verfassung angesiedelten Rechts nicht zwingend mit dem Gewerbebegriff des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG decken.115 Die Abgrenzung der Ausübung eines Freien Berufs vom Betrieb eines Gewerbes blickt jedoch auf eine lange Tradition zurück, die sich deutlich in vorkonstitutionelle Zeiten erstreckt.116 Insbesondere der für die Freien Berufe charakteristische persönliche Einsatz bei der Berufsausübung unterscheidet diesen Typusbegriff von dem Begriff des Gewerbes.117 Dass sich der Verfassungsgeber bei der Konzeption des Kompetenztitels „Recht der Wirtschaft“ von einem anderen Gewerbebegriff leiten ließ, ist nur schwer vorstellbar, zumal typische freiberufliche und andere nicht gewerbliche Tätigkeiten ausdrücklich in anderen Kompetenzbestimmungen des Art. 74 Abs. 1 GG geregelt werden (z. B. Rechtsanwalts- und Notariatswesen in Nr. 1, Land- und Forstwirtschaft in Nr. 17). Freiberufliche Tätigkeiten sind damit auch nicht vom Gewerbebegriff des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG erfasst.118 Das Bundesverfassungsgericht stützte die Subsumtion des ärztlichen Preisrechts lediglich auf rechtshistorische Argumente und die weite Bedeutung des Begriffs „Recht der Wirtschaft“. Die systematischen Erwägungen des genannten Beschlusses vermögen die Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nicht zu untermauern, sondern beschränken sich im Kern auf das Argument, die systematische Beziehung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG zu Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG stehe einer Erstreckung der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz auf das ärztliche Gebührenrecht lediglich nicht entgegen. Bereits die Entstehungsgeschichte der Kompetenztitel, die das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur GOÄ nachzeichnete, spricht eher gegen als für eine Ausweitung der Bundeskompetenzen zur Regelung des Berufsrechts der Ärzte und Zahnärzte über die Zulassungsregeln hinaus. Das Bundesverfassungsgericht wies selbst darauf hin, dass der Reichsgesetzgeber unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung die Gesetzgebungszuständigkeit nicht nur für das Gewerbe gemäß Art. 7 Nr. 16 WRV, sondern auch die Kompetenz für das Gesundheitswesen nach Art. 7 Nr. 8 WRV besaß.119 Im Zuständigkeitskatalog des Art. 74 GG wird dem Bundesgesetzgeber eine umfassende Kompetenz für das Gesundheitswesen dagegen nicht mehr verliehen. Vielmehr regelt das Grundgesetz 114 Siehe etwa BVerwGE 78, 6 (8); BVerwG, NVwZ 1993, 775; NVwZ 1995, 473 (474); Johann-Christian Pielow, in: ders. (Hrsg.), Gewerbeordnung. Kommentar, 2009, § 1 Rn. 169; Jörg Ennuschat, in: Tettinger/Wank/Ennuschat, Gewerbeordnung. Kommentar, 8. Aufl. 2011, § 1 Rn. 49. 115 Siehe Maunz (Fn. 82), Art. 74 Rn. 140. 116 Siehe näher Sodan (Fn. 57), S. 18, 39 f. 117 Dazu ausführlich Sodan (Fn. 57), S. 67 ff. 118 Maunz (Fn. 82), Art. 74 Rn. 140. 119 Siehe BVerfGE 68, 319 (328).

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spezielle Gesetzgebungsbefugnisse auf dem Gebiet des Gesundheitswesens in Art. 74 Abs. 1 Nrn. 12, 19, 19a, 20 und 26 GG. Der Verfassungsgeber wollte offenbar die Regulierung des Gesundheitswesens mit Ausnahme der darin genannten Materien den Bundesländern überlassen. Insbesondere dem Verweis auf die Staatspraxis bei der Regelung des ärztlichen Gebührenrechts ist ein vergleichsweise geringes Gewicht beizumessen. Denn die Staatspraxis allein kann lediglich ein Verfassungsgewohnheitsrecht begründen. „Gewohnheitsrecht entsteht durch längere tatsächliche Übung, die eine dauernde und ständige, gleichmäßige und allgemeine ist und von den Beteiligten als verbindliche Rechtsnorm anerkannt wird.“120 Verfassungsgewohnheitsrecht muss jedoch als ungeschriebenes Recht – wie in allen Rechtsgebieten, zu deren Quellen auch Gewohnheitsrecht zählt – stets hinter dem geschriebenen Recht zurückstehen. Es spielt daher nur „eine ergänzende, lückenausfüllende Rolle“.121 Verfassungsgewohnheitsrecht kann also nur soweit Gültigkeit beanspruchen, als keine geschriebenen Rechtssätze entgegenstehen. „Zum geschriebenen Recht gehört auch, was aus der Zusammenschau seiner einzelnen Normen, seiner Systematik […] entnommen werden kann.“122 Eine Staatspraxis darf sich demnach nur in den Grenzen bewegen, die sich aus dem Gesetzestext und der Systematik der einschlägigen Normen ergeben. Die Systematik der einzelnen Kompetenztitel der konkurrierenden Gesetzgebung spricht hier jedoch bezüglich des (zahn)ärztlichen Berufsrechts für eine Beschränkung der Bundeskompetenzen auf das (zahn)ärztliche Zulassungswesen.123 Unzweifelhaft bildet das private Gesundheitswesen einen Sektor der deutschen Wirtschaft. Dennoch kann der Begriff „Recht der Wirtschaft“ nicht sämtliche in der Bundesrepublik Deutschland aktiven Wirtschaftszweige abdecken, zumal seit der sog. Föderalismusreform I124 aus dem Jahr 2006 bestimmte Bereiche (Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte) ohnehin nicht mehr zum „Recht der Wirtschaft“ im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG gehören. Im Falle einer Einbeziehung aller Wirtschaftszweige in das „Recht der Wirtschaft“ müsste das Grundgesetz beispielsweise die Regulierung der Rechtsanwaltschaft, des Notariats und der Rechtsberatung nicht in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG der konkurrierenden Gesetzgebung zuordnen. Auch die Tätigkeit als Rechtsanwalt oder Notar ist eine wirtschaftliche; offenkundig – und dies ergibt sich gerade aus der speziellen Regelung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG – ist mit dem Terminus „Wirtschaft“ im Sinne 120 121 122

6 b).

BVerfGE 34, 293 (303 f.); vgl. ferner BVerfGE 22, 114 (121); 28, 21 (28 f.). Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 1980, § 37 II 2 b). Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1984, § 4 I

123 Vgl. Stefan Oeter, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 74 Rn. 96 m. w. N. 124 Siehe die Nachw. in Fn. 95.

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von Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG jedoch nicht eine solche wirtschaftliche Tätigkeit gemeint. Entsprechendes gilt für das (zahn)ärztliche Berufsrecht. Wäre das private Gesundheitswesen Teil derjenigen „Wirtschaft“, auf die Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG abzielt, so würde dieser Kompetenztitel auch die Regelung von Zulassungsfragen umfassen. Zu diesem Schluss genügt ein Blick in Bundesgesetze, die unzweifelhaft dem „Recht der Wirtschaft“ im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG zuzuordnen sind. So regelt etwa die Gewerbeordnung in den §§ 30 ff. die Genehmigungsbedürftigkeit verschiedener Gewerbearten. Das Gesetz zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung)125 enthält in den §§ 45 ff. Bestimmungen zur Meisterprüfung in zulassungspflichtigen Handwerken. Die genannten Normen regeln Zulassungsfragen des jeweils einschlägigen Wirtschaftszweigs. Wäre der Wirtschaftssektor des privaten Gesundheitswesens vom Begriff der „Wirtschaft“ im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG umfasst, so erwiese sich der Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG über die Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen schlicht als gegenstandslos. Dies gilt umso mehr, als für einen Teil des Gebührenrechts im Gesundheitswesen, nämlich die Regelung der Krankenhauspflegesätze, mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG nachträglich126 eine Gesetzgebungszuständigkeit für den Bund geschaffen wurde. Bedenkt man zusätzlich, dass die sog. Föderalismusreform I zu einer Schmälerung des Anwendungsbereichs des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG geführt hat und insgesamt von dem Gedanken geleitet war, vermehrt Kompetenzen auf die Landesebene zu übertragen, so spricht auch dies dafür, das „Recht der Wirtschaft“ wieder enger zu verstehen. Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG darf also nicht so weit interpretiert werden, dass eine „Universalgesetzgebungszuständigkeit des Bundes“ entsteht, „die alle im einzelnen aufgeführten Zuständigkeiten entbehrlich macht, weil kein Gesetz denkbar ist, das nicht zumindest mittelbare ökonomische Folgen auslöst“.127 Es bleibt damit festzuhalten: Die Subsumtion des (zahn)ärztlichen Gebührenrechts unter den Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG („Recht der Wirtschaft“) stößt auf erhebliche Einwände. Gleichwohl ist der genannte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von 1984 als höchstrichterliche Rechtsprechung zu respektieren. Vor dem Hintergrund der früheren Judikatur des Bundesverfassungsgerichts wird jedoch gleichzeitig deutlich, dass es sich hierbei um eine Ausnahmerechtsprechung handelt. 125 In der Fassung der Bekanntmachung vom 24. September 1998 (BGBl. I, S. 3074, ber. BGBl. 2006 I, S. 2095), zuletzt geändert durch Art. 33 des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2854). 126 Siehe Art. I Nr. 1 Buchst. b) des Zweiundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 12. Mai 1969 (BGBl. I, S. 363). 127 Josef Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge. Eine finanzverfassungsrechtliche Studie über den Solidarausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung, 1973, S. 54.

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e) Fazit Dem Bund fehlt daher nach der hier vertretenen Auffassung die notwendige Verbandskompetenz zur Regelung der zahnärztlichen Gebühren. Insoweit verletzt der Bund mit der Vorschrift in § 15 ZHG das Gesetzgebungsrecht der Länder nach Art. 70 Abs. 1 GG. Mangels gültiger Ermächtigungsgrundlage für die GOZ-Novelle von 2011 verstößt diese gegen den in Art. 80 Abs. 1 GG normierten Vorbehalt des Gesetzes. 2. Materielle Verfassungsmäßigkeit des § 15 ZHG als Ermächtigungsgrundlage für die GOZ-Novelle In materieller Hinsicht mit Art. 80 Abs. 1 GG vereinbar ist § 15 ZHG nur dann, wenn diese Norm bezüglich Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung hinreichend bestimmt ist (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG). Daher muss bereits aus dem ermächtigenden Gesetz selbst – zumindest durch Auslegung – hinreichend deutlich werden, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von der Ermächtigung Gebrauch gemacht werden wird und welchen Inhalt die Verordnung haben kann.128 Das Bundesverfassungsgericht bejahte in dem bereits zitierten Beschluss aus dem Jahr 1984 die Verfassungsmäßigkeit der mit § 15 ZHG fast wörtlich übereinstimmenden Vorschrift des § 11 BÄO. Zur Begründung führte das Gericht aus: „§ 11 BÄO verstößt auch nicht gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG. Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung müssen im Gesetz bestimmt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedeutet dies nicht, daß die Ermächtigung in ihrem Wortlaut so genau wie nur irgend möglich formuliert und gefaßt sein muß; sie hat von Verfassungs wegen nur hinreichend bestimmt zu sein. Dabei können zur Klärung von Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung im einzelnen – wie auch sonst bei der Auslegung einer Vorschrift – der Sinnzusammenhang der Norm mit anderen Bestimmungen und das Ziel der gesetzlichen Regelung sowie auch ihre Entstehungsgeschichte herangezogen werden […]. Diesen Anforderungen wird § 11 BÄO gerecht. Bereits der Wortlaut des § 11 Satz 1 BÄO ergibt, daß aufgrund der Ermächtigung die Festsetzung der Entgelte für ärztliche Tätigkeit in einer Gebührenordnung geregelt werden soll. Damit ist der Inhalt der zu erlassenden Verordnung ausreichend bestimmt. Mit der für Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügenden Deutlichkeit lassen sich aus der Ermächtigungsnorm auch ,Tendenz‘ und ,Programm‘ umreißen, die durch die zu erlassende Rechtsverordnung nach dem Willen des Gesetzgebers verwirklicht werden sollen, so daß sich feststellen läßt, welchem Zweck die Verordnung zu dienen bestimmt ist […]. Wenn der Verordnungsgeber verpflichtet wird, den berechtigten Interessen von Ärzten und Patienten Rechnung bei der Bestimmung der Gebührensätze zu tragen, so wird damit der Zweck hervorgehoben, nämlich einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen von Ärzten und Patienten herbeizuführen, weder ein zu hohes Entgelt entrichten zu müssen noch ein zu geringes Honorar fordern zu dürfen. Zugleich wird durch die Begrenzung auf Mindest- und Höchstsätze unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen von Ärzten und Patienten auch das Ausmaß der zu treffenden Regelung bestimmt. Hieraus läßt sich der mögliche Inhalt der zu erlassenden Verordnung voraussehen; dem Verord128

Vgl. etwa BVerfGE 1, 14 (60); 41, 251 (265 f.).

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nungsgeber sind die Grenzen aufgezeigt, die er einzuhalten hat […], soll die Verordnung von der Ermächtigung gedeckt sein.“129

Überträgt man diese Rechtsprechung auf den § 15 ZHG, so ist von dessen Vereinbarkeit mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG in materieller Hinsicht auszugehen. Hiermit ist jedoch noch keine Aussage darüber getroffen, ob die Regelungen der GOZ-Novelle von 2011 selbst verfassungsgemäß sind. Dies wird im Folgenden zu untersuchen sein. 3. Formelle Verfassungsmäßigkeit der GOZ-Novelle Dem Bund mangelt es – nach hier vertretener Auffassung – an der notwendigen Verbandskompetenz zur Regelung der zahnärztlichen Gebühren.130 Dies wirkt sich nicht nur auf § 15 ZHG als Ermächtigungsgrundlage für die GOZ-Novelle, sondern auch auf die Rechtsverordnung selbst aus. Weitere Verstöße gegen höherrangiges Recht sind in formeller Hinsicht jedoch nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Bundesregierung ein zulässiger Delegatar im Sinne von Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG. Darüber hinaus liegt die nach § 15 Satz 1 ZHG erforderliche Zustimmung des Bundesrats vor. Die GOZ-Novelle wurde auch ordnungsgemäß unter Nennung der Rechtsgrundlage im Bundesgesetzblatt131 veröffentlicht (vgl. Art. 80 Abs. 1 Satz 3, Art. 82 Abs. 1 Satz 2 GG). 4. Materielle Verfassungsmäßigkeit der GOZ-Novelle Die materielle Verfassungsmäßigkeit der GOZ-Novelle setzt voraus, dass ihr Inhalt sich in dem durch die Ermächtigungsgrundlage gezogenen Rahmen hält [dazu sogleich unter a)], verhältnismäßig [siehe nachfolgend b)] und auch sonst in jeder Hinsicht mit höherrangigem Recht vereinbar ist [dazu c)]. a) Vereinbarkeit der GOZ-Novelle mit den Vorgaben des § 15 ZHG Die GOZ-Novelle müsste in inhaltlicher Hinsicht mit § 15 ZHG übereinstimmen. Dies erfordert zunächst eine Bestimmung des Inhalts von § 15 ZHG. aa) Anforderungen des § 15 ZHG § 15 Satz 1 ZHG benennt den zum Verordnungserlass Ermächtigten (Bundesregierung) und statuiert das Zustimmungserfordernis des Bundesrats. In inhaltlicher 129

BVerfGE 68, 319 (332 f.) Vgl. oben S. 34 ff.; a. A. in Bezug auf die ärztlichen Gebühren BVerfGE 68, 319 (327 ff.). 131 Siehe BGBl. 2011 I, S. 2661. 130

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Hinsicht ist diese Vorschrift somit wenig ertragreich; sie besagt lediglich, dass die Bundesregierung eine Gebührenordnung mit den Entgelten für die zahnärztliche Tätigkeit erlassen darf.132 § 15 Satz 2 ZHG bestimmt, dass in der zu erlassenden Gebührenordnung für die zahnärztlichen Leistungen Mindest- und Höchstsätze festzusetzen sind, gibt aber nicht vor, wie diese auszusehen haben und wie groß die Spanne sein muss. Die wesentlichen materiellen Anforderungen enthält § 15 Satz 3 ZHG, wonach bei der Festsetzung der Mindest- und Höchstsätze für die zahnärztlichen Leistungen „den berechtigten Interessen der Zahnärzte und der zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten Rechnung zu tragen“ ist. (a) Interessen von Zahnärzten und Patienten § 15 Satz 3 ZHG spricht also nicht ausdrücklich von den „Interessen der Zahnärzte und Patienten“, sondern von den „Interessen der Zahnärzte und der zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten“. Nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln ist Vertragspartner des Zahnarztes, wer zur Zahlung eines Entgelts verpflichtet ist – unabhängig davon, ob sich der Zahnarztvertrag als Dienst- oder ausnahmsweise als Werkvertrag (vgl. § 611 bzw. § 631 BGB) qualifizieren lässt. Dies wird regelmäßig der Patient sein. Ausnahmsweise kann es sich anders verhalten, wenn der Vertrag für einen Dritten geschlossen wird, z. B. in engen Verwandtschaftsverhältnissen. Das Bundesverfassungsgericht setzt in seiner Rechtsprechung zu dem mit § 15 ZHG fast wörtlich übereinstimmenden § 11 BÄO den Begriff „der zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten“ mit dem Begriff „Patienten“ gleich: „Wenn der Verordnungsgeber verpflichtet wird, den berechtigten Interessen von Ärzten und Patienten Rechnung bei der Bestimmung der Gebührensätze zu tragen, so wird damit der Zweck hervorgehoben, nämlich einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen von Ärzten und Patienten herbeizuführen.“133

Die Patienteninteressen und Interessen der zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten setzte auch der Verordnungsgeber selbst bereits im Jahr 1987 gleich.134 Aus der Pflicht, den Interessen von Zahnärzten und Patienten Rechnung zu tragen, ergibt sich, dass die Belange beider Parteien zu berücksichtigen sind. Eine Rangfolge oder eine unterschiedliche Wertigkeit der Interessen ist § 15 Satz 3 ZHG nicht zu entnehmen, so dass grundsätzlich von der Gleichwertigkeit der jeweiligen Interessen auszugehen ist. Das Bundesverfassungsgericht formulierte in Bezug auf § 11 BÄO wie folgt: „[…] einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen von Ärzten und Patienten herbeizuführen, weder ein zu hohes Entgelt entrichten zu müssen noch ein zu geringes Honorar fordern zu dürfen.“135 132

Vgl. zur entsprechenden Regelung in § 11 BÄO BVerfGE 68, 319 (333). BVerfGE 68, 319 (333) – ohne die Hervorhebungen. Vgl. auch Clausen (Fn. 3), § 7 Rn. 184: „erfordert […] einen Interessenausgleich“. 134 Siehe BR-Drucks. 276/87, S. 45 f.; BR-Plenarprotokoll, 580. Sitzung vom 25. September 1987, S. 321 (Höpfinger). 135 BVerfGE 68, 319 (333) – ohne die Hervorhebungen. 133

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Darüber hinaus enthält § 15 Satz 3 ZHG aber auch eine ausschließende Zielrichtung: Zahnärzte und Patienten sind die beiden einzigen Gruppen, deren berechtigten Interessen bei der Festsetzung der Mindest- und Höchstsätze für die zahnärztlichen Leistungen in der Gebührenordnung Rechnung zu tragen ist. Dritte werden von § 15 Satz 3 ZHG nicht genannt, so dass ihren Interessen – unabhängig davon, ob sie berechtigt sind – nicht Rechnung zu tragen ist. Damit sind insbesondere staatliche Beihilfestellen und private Krankenversicherungsunternehmen ausgeschlossen.136 (b) Berechtigte Interessen Des Weiteren sind nur „berechtigte“ Interessen bei dem Erlass der Rechtsverordnung zu berücksichtigen. Im Verwaltungsprozessrecht versteht man unter dem Begriff „berechtigtes Interesse“ jedes nach vernünftigen Erwägungen durch die Sachlage gerechtfertigte schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur.137 Überträgt man diese Definition auf die Regelung in § 15 Satz 3 ZHG, so müssen die Interessen der Zahnärzte und Patienten auf vernünftigen Erwägungen beruhen, wobei die relevante Sachlage die zahnärztliche Behandlung ist. Vernünftig ist eine Erwägung dann, wenn ein verständiger Durchschnittszahnarzt oder -patient sie ebenso anstellen würde. Ein verständiger Patient hat zunächst Interesse an einer optimalen zahnärztlichen Behandlung und Versorgung. Diese Leistung wird jedoch von der GOZ vorausgesetzt, da die berechtigten Interessen von Zahnärzten und Patienten nicht bei der Leistungsbestimmung, sondern bei der Festsetzung der Mindest- und Höchstsätze zu berücksichtigen sind. Dementsprechend verbleibt auf Patientenseite das Interesse, für die erhaltene Leistung keinen überhöhten Preis zahlen zu müssen. Der Zahnarzt hingegen will eine Vergütung erhalten, die nicht nur die entstandenen Unkosten deckt, sondern ihm auch einen seiner Leistung entsprechenden Zahnarztlohn belässt. Diese gegenläufigen Interessen erfordern somit eine Abwägung, welche Vergütung im jeweiligen Fall angemessen ist. Dies kommt treffend in folgenden, bereits zitierten Formulierungen des Bundesverfassungsgerichts zu § 11 BÄO zum Ausdruck: „Wenn der Verordnungsgeber verpflichtet wird, den berechtigten Interessen von Ärzten und Patienten Rechnung bei der Bestimmung der Gebührensätze zu tragen, so wird damit der Zweck hervorgehoben, nämlich einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen von Ärzten und Patienten herbeizuführen, weder ein zu hohes Entgelt entrichten zu müssen noch ein zu geringes Honorar fordern zu dürfen.“138 136 A. A. Rüdiger Zuck, Die GOZ-Novelle, MedR 2012, 436 (438), der Beihilfestellen und private Versicherungsunternehmen mit dem Hinweis, es handele sich jeweils um „mittelbare Zahlungspflichtige“, in den Anwendungsbereich von § 15 Satz 3 ZHG einbeziehen will. 137 BVerwGE 74, 1 (4); OVG Münster, NJW 1997, 1176 (1177); VGH Kassel, NJW 1979, 997; Sodan (Fn. 76), § 43 Rn. 77. 138 BVerfGE 68, 319 (333).

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In der Literatur139 wird ausgeführt, dass die Anknüpfung an die berechtigten Interessen der Patienten bedeute, dass Leistung und Gegenleistung in einem angemessen Verhältnis stehen müssten. In diesem Sinne formuliert der Bundesgerichtshof im Hinblick auf die Vergütung von Analog-Leistungen: „Grundsätzlich gleichrangig sind jedoch auch Kosten- und Zeitaufwand zu berücksichtigen, da es bei der Analogberechnung darum geht, den Zahnarzt für eine nicht in das Gebührenverzeichnis aufgenommene Leistung leistungsgerecht zu honorieren.“140

Dies entspricht auch der Intention des Verordnungsgebers, der die noch in § 2 Satz 2 BUGO-Z als Kriterien genannten Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Zahlungspflichtigen sowie die örtlichen Verhältnisse nicht in die GOZ von 1987 aufnahm, weil es sich um nicht leistungsbezogene Aspekte für die Ermittlung der Vergütungen handelte.141 Bei dieser Abwägung ist zu berücksichtigen, dass die Gebührensätze zumindest kostendeckend sein müssen.142 Denn eine etwaige Erwartung des Patienten, zahnärztliche Leistungen zu einem günstigeren als zum kostendeckenden Preis zu erhalten, ist zumindest kein „berechtigtes“ Interesse. Ein Patient kann vernünftigerweise nicht verlangen, dass der Zahnarzt bei einer Leistung (oder einem Teil davon) „drauf zahlt“. Somit ist es Sache des Verordnungsgebers, zu bestimmen, wie viel Gewinn (Zahnarztlohn) zusätzlich zur Kostendeckung angemessen ist und den divergierenden Interessen von Zahnarzt sowie Patient Rechnung trägt. Denkbar sind verschiedene Berechnungsmodelle wie z. B. die Ermittlung der Vergütung anhand des Zeitaufwands oder auch nach der Bedeutung oder Schwierigkeit der jeweiligen Behandlung. § 15 Satz 3 ZHG enthält jedoch keine konkreten Vorgaben des Gesetzgebers bezüglich der Berechnungsmethode, welcher der Verordnungsgeber zwingend nachkommen müsste. (c) Bezogen auf die einzelne Leistung Schließlich ist fraglich, ob sich die zuvor ermittelte Angemessenheit der Vergütung auf jede einzelne Gebührenposition beziehen muss oder ob es hinreichend ist, wenn das Gesamthonorar, also nach einer Mischkalkulation, angemessen ist. Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung legt § 72 Abs. 2 SGB V zwar ausdrücklich fest, dass die vertragsärztliche Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses durch schriftliche Verträge der Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Verbänden der Krankenkassen u. a. so zu regeln ist, dass die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden. Der 6. Senat des Bundessozialgerichts geht jedoch in ständiger 139 140 141 142

Siehe Rüdiger Zuck, in: Quaas/Zuck, Medizinrecht, 2. Aufl. 2008, § 28 Rn. 11. BGH, NJW-RR 2003, 636 (637) – ohne die Hervorhebungen. Vgl. bereits oben S. 18 f. und zur GOÄ S. 19. Vgl. dazu Zuck (Fn. 136), 439.

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Rechtsprechung143 davon aus, ein Vertragsarzt habe (regelmäßig) keinen Rechtsanspruch auf eine angemessene Vergütung seiner Tätigkeit, sondern nur einen Anspruch auf angemessene Teilhabe an der Verteilung der Gesamtvergütung – mag diese auch zu einer unangemessenen Vergütung der einzelnen Leistungen führen.144 In einem Leitsatz zu einem Urteil des Bundessozialgerichts vom 9. Dezember 2004 heißt es, die Zuerkennung höheren Honorars komme aufgrund des Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gesichtspunkt angemessener Vergütung „erst dann in Betracht, wenn durch eine zu niedrige Vergütung ärztlicher Leistungen das vertragsärztliche Versorgungssystem als Ganzes oder zumindest in Teilbereichen gefährdet wird“.145 Mit dieser globalen Betrachtungsweise wird jedoch der individualschützende Charakter des Grundrechts der Berufsfreiheit zulasten des einzelnen Vertragsarztes verkannt.146 Diese Rechtsprechung ist jedoch im Hinblick auf das zahnärztliche Gebührenrecht nicht präjudizierend. Denn dieses betrifft die Vergütungen für privatzahnärztliche Leistungen, nicht aber die Teilhabe an einem Sozialversicherungssystem.147 So heißt es in einem Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Oktober 2004 bezüglich der Honorierung nach der GOZ: „Es besteht auch nicht etwa dieselbe Interessenlage wie im System der gesetzlichen Krankenversicherung, das im Hinblick auf die soziale Schutzbedürftigkeit der Versicherten und die Sicherstellung ihrer Versorgung Marktmechanismen weitgehend ausschaltet, von dessen Stabilität die Leistungserbringer aber gleichzeitig profitieren, weshalb sie auch in erhöhtem Maße der Einwirkung sozialstaatlicher Gesetzgebung unterliegen.“148

Hierauf beruhte jedoch maßgeblich die zuvor referierte Argumentation des Bundessozialgerichts zur Frage eines Anspruchs von Vertragsärzten auf angemessene Vergütungen ihrer Tätigkeiten. Die vom Bundesverfasssungsgericht in seinem Urteil vom 10. Juni 2009 vertretene Auffassung, dass auch die private Kranken143 Siehe etwa BSGE 75, 187 (189 ff.); 77, 279 (288); BSG SozR 3 – 2500 § 85 Nr. 12, S. 82; BSGE 83, 205 (217). 144 Siehe zur Kritik an der Judikatur Josef Isensee, Das Recht des Kassenarztes auf angemessene Vergütung, VSSR 1995, 321 (346 f.); Meinhard Heinze, Die rechtlichen Rahmenbedingungen der ärztlichen Heilbehandlung, MedR 1996, 252 (255); Rainald Maaß, Die Angemessenheit der Vergütung der vertragsärztlichen Leistung, NZS 1998, 13 (20); Raimund Wimmer, Der Rechtsanspruch von Vertragsärzten auf eine angemessene Vergütung, MedR 1998, 533 ff.; ders., Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität in der gesetzlichen Krankenversicherung, in: Sodan (Hrsg.), Finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung und Grundrechte der Leistungserbringer, 2004, S. 45 (48 ff.); Peter Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, 2000, S. 265; Sodan, NJW 2003 (Fn. 61), 1763; ders. (Fn. 56), § 2 Rn. 86 ff.; Günther Schneider, Die Preisfindung für vertragszahnärztliche Leistungen. Ein Beitrag zur „Angemessenheit“ der vertragszahnärztlichen Vergütung unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung, SGb. 2004, 143 (148). 145 So BSGE 94, 50 (51). 146 Sodan (Fn. 56), § 2 Rn. 88. 147 Vgl. BVerfGK 4, 144 (153). 148 BVerfGK 4, 144 (153).

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versicherung zur Verwirklichung des Sozialstaatsprinzips beitrage,149 ist hier gleichfalls nicht einschlägig. Denn vorliegend geht es nicht um die Einbindung der privaten Krankenversicherung in die Organisation eines umfassenden Vorsorgekonzepts, sondern um die Ermittlung einer angemessenen Gebühr für privatrechtlich erbrachte zahnärztliche Leistungen. Im Hinblick auf die Vergütung der Rechtsanwälte vertrat das Bundesverfassungsgericht die Ansicht, eine gesetzliche Regelung müsse „nicht in jedem Einzelfall“ sichern, „dass die Gebühr genau dem Wert und dem Umfang der anwaltlichen Leistung entspricht“; auch die Ermöglichung einer angemessenen Vergütung durch eine sog. Mischkalkulation sei zulässig.150 Der Unterschied zur Rechtsanwaltsvergütung besteht hier aber darin, dass der Gesetzgeber selbst mit dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz die Rechtsanwaltsgebühren geregelt und dabei gerade eine solche Mischkalkulation ermöglicht hat.151 Demgegenüber geht es vorliegend darum zu ermitteln, welche Vorgaben der Gesetzgeber in § 15 Satz 3 ZHG dem Verordnungsgeber gemacht hat. Dies ist anhand der üblichen Methoden durch Auslegung152 zu ermitteln. Nach dem Wortlaut des § 15 Satz 2 ZHG sind „Mindest- und Höchstsätze für die zahnärztlichen Leistungen festzusetzen“. Wenn der bestimmte Artikel „die“ verwendet wird, bedeutet dies in sprachlicher Hinsicht, dass bezüglich aller in der GOZ aufgeführten Leistungen Mindest- und Höchstsätze festzusetzen sind. An diese Leistungen knüpft sodann § 15 Satz 3 ZHG an, indem er formuliert, dass bei der Festsetzung der Mindest- und Höchstsätze „den berechtigten Interessen der Zahnärzte und der zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten Rechnung zu tragen“ ist. Dies lässt den Schluss zu, dass hinsichtlich jeder GOZ-Position ein angemessener Interessenausgleich erfolgen muss und kein globaler im Wege einer Mischkalkulation. Dieses Ergebnis wird durch die systematische Auslegung gestützt, insbesondere die innere Systematik des § 15 ZHG. Dessen Satz 1 spricht allgemein von den Entgelten in einer Gebührenordnung für die zahnärztliche Tätigkeit. Betrachtete man diese Bestimmung isoliert, so ließe die GOZ auch eine Mischkalkulation zu, da keine weiteren Anforderungen an diese Gebührenordnung gestellt werden. § 15 Satz 2 ZHG konkretisiert die Anforderungen an die Gebührenordnung dahingehend, dass verschiedene Leistungspositionen vorgesehen werden müssen und bezüglich jeder Leistungsbeschreibung Mindest- und Höchstsätze festzusetzen sind. Bereits dies lässt erkennen, dass der Gesetzgeber eine gerechte Entlohnung für die einzelne 149 Vgl. BVerfGE 123, 186 (242 f., 249). Siehe zur diesbezüglichen Kritik Sodan (Fn. 56), § 2 Rn. 48. 150 BVerfGE 118, 1 (17). 151 Siehe dazu BVerfGE 118, 1 (17): „Bestimmend ist insofern das gesetzgeberische Ziel, den Anwälten für ihre Tätigkeit insgesamt eine angemessene Vergütung zu ermöglichen. Der Rechtsanwalt kann demnach eine so genannte Mischkalkulation vornehmen und dabei die Vorteile eines umfassenden und geschlossenen Regelungssystems nutzen.“ 152 Siehe dazu allgemein Sodan/Ziekow (Fn. 33), § 2.

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zahnärztliche Tätigkeit erreichen wollte. Denn der Rahmen zwischen Mindest- und Höchstsatz dient dazu, eine im Einzelfall angemessene Honorierung zu gewährleisten. § 15 Satz 3 ZHG präzisiert weiter, dass bei jeder einzelnen Gebührenfestsetzung den „berechtigten Interessen der Zahnärzte und der zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten Rechnung zu tragen“ ist. Auch die Ermittlung von Sinn und Zweck des § 15 ZHG führt dazu, dass die GOZ keine Mischkalkulation, sondern eine für jede einzelne Gebührenposition angemessene Honorierung vorzusehen hat. Sowohl das Bundesverfassungsgericht153 als auch der Bundesgerichtshof154 gehen davon aus, dass die Vergütung für eine privat(zahn)ärztliche Tätigkeit leistungsangemessen sein muss. Das Bundesverfassungsgericht sieht den Zweck des § 11 Satz 3 BÄO, der fast wörtlich mit dem § 15 Satz 3 ZHG übereinstimmt, darin, „einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen von Ärzten und Patienten herbeizuführen, weder ein zu hohes Entgelt entrichten zu müssen noch ein zu geringes Honorar fordern zu dürfen“.155 Dies entspricht auch der Auffassung des Verordnungsgebers, der die noch in § 2 Satz 2 BUGO-Z als Kriterien für die Ermittlung der Vergütungen genannten Vermögensund Einkommensverhältnisse des Zahlungspflichtigen sowie die örtlichen Verhältnisse nicht in die GOZ von 1987 aufnahm und damit zum Ausdruck brachte, dass die Vergütungen allein leistungsbezogen sein sollen.156 Wenn Bezugspunkt die jeweilige Leistung ist, dann kann diese jedoch nur angemessen honoriert sein, wenn nicht mehr und nicht weniger als ihr Wert vergütet wird; damit ist eine Mischkalkulation kein zutreffender Maßstab. Verlangt § 15 ZHG also, dass für jede einzelne Gebührenposition in der GOZ eine angemessene Vergütung vorzusehen ist, so darf der Verordnungsgeber bei der Ermittlung der Angemessenheit der Vergütungen für privatzahnärztliche Leistungen nicht darauf abstellen, dass das Honorarvolumen der Zahnärzte durch eine Leistungsmengenausweitung in der Vergangenheit erhöht wurde. In der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf der GOZ-Novelle von 2011 heißt es jedoch: „Das nach GOZ abzurechnende Honorarvolumen ist seit der letzten GOZ-Novellierung 1988 auch ohne Anpassung der GOZ-Honorare gestiegen. Dies geht u. a. auf Mengen- und Struktureffekte zurück, wie z. B. auf die Erbringung und Berechnung von zahnärztlichen Leistungen, die bisher nicht im Gebührenverzeichnis der GOZ enthalten sind und die mit Analogbewertungen berechnet werden.“157

Kommt es hingegen auf die angemessene Vergütung der einzelnen Leistung an, so ist für deren Ermittlung unerheblich, ob der Zahnarzt insgesamt mehr arbeitet, da jede einzelne Leistung angemessen zu vergüten ist, unabhängig davon, wie viel oder 153 154 155 156 157

BVerfGE 68, 319 (333). BGH, NJW-RR 2003, 636 (637). BVerfGE 68, 319 (333). Vgl. oben S. 18 f. sowie zur GOÄ S. 19. BR-Drucks. 566/11, S. 36.

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2. Teil: Zur Verfassungsmäßigkeit der GOZ-Novelle von 2011

wenig der Zahnarzt arbeitet. Dies mag bei der Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung im System der gesetzlichen Krankenversicherung anders sein, sofern man der – allerdings sehr zweifelhaften – Rechtsprechung des Bundessozialgerichts folgt, wonach der einzelne Vertragszahnarzt nur einen Anspruch auf angemessene Teilhabe an der Verteilung der Gesamtvergütung hat.158 Im privatzahnärztlichen Bereich gibt es aber eine solche Gesamtvergütung nicht. (d) Fazit § 15 ZHG ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats die Vergütungen zahnärztlicher Leistungen zu regeln. Die Gebührenordnung muss Mindest- und Höchstsätze enthalten. Bei der Festsetzung dieser Sätze ist – nur – den berechtigten Interessen der Zahnärzte und Patienten Rechnung zu tragen. Die Interessen Dritter haben keine Berücksichtigung zu finden. Die jeweilige Leistung muss angemessen, d. h. leistungsgerecht vergütet werden. Auf eine Mischkalkulation darf die GOZ nicht abstellen. bb) Subsumtion Grundsätzlich besteht ein Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers159, wie er die gesetzlichen Vorgaben umsetzt. Wieweit dieser Gestaltungsspielraum reicht und – damit korrespondierend – inwieweit er gerichtlich überprüft werden kann, ist bislang dogmatisch noch nicht hinreichend geklärt.160 Einigkeit besteht darin, dass der verordnungsgeberische Gestaltungsspielraum weiter reicht als das einfache Verwaltungsermessen161 und das planungsrechtliche Abwägungsermessen162. Wohl überwiegend wird vertreten, dass der Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers demjenigen des Gesetzgebers zumindest nahekommt.163 Im Vergleich zum gesetzgeberischen Spielraum ist das verordnungsgeberische Ermessen insofern enger, als 158

Vgl. oben S. 42 f. Die Terminologie ist insoweit uneinheitlich, teilweise wird auch vom verordnungsgeberischen Ermessen gesprochen; siehe hierzu Thomas von Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers. Zur Kontrolldichte verordnungsgeberischer Entscheidungen, 1989, S. 33 ff.; Fritz Ossenbühl, Rechtsverordnung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 103 Rn. 40 f. 160 Matthias Herdegen, Gestaltungsspielräume bei administrativer Normgebung. Ein Beitrag zu rechtsformabhängigen Standards für die gerichtliche Kontrolle von Verwaltungshandeln, AöR 114 (1989), S. 607 ff.; Ossenbühl (Fn. 159), § 103 Rn. 40. 161 Ossenbühl (Fn. 159), § 103 Rn. 40 ff.; Manfred Aschke, in: Bader/Ronellenfitsch (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar VwVfG, § 40 Rn. 32 (Stand: 1. April 2012). A. A. Manfred Zuleeg, Die Ermessensfreiheit des Verordnungsgebers, DVBl. 1970, 157 ff. 162 BVerwGE 70, 318 (328 f.). 163 Hierfür spricht u. a., dass das BVerfG für die Überprüfung von verordnungsgeberischen Prognoseentscheidungen dieselben Maßstäbe heranzieht wie für gesetzgeberische Prognoseentscheidungen, vgl. BVerfGE 53, 135 (145); 106, 1 (16 f.). Siehe auch von Danwitz (Fn. 159), S. 167 ff.; Ossenbühl (Fn. 159), § 103 Rn. 41. 159

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das ermächtigende Gesetz selbst dem Verordnungsgeber Grenzen setzt und nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG auch setzen muss.164 Überträgt man die Kontrollmaßstäbe, die das Bundesverfassungsgericht im sog. Mitbestimmungs-Urteil aus dem Jahr 1979165 zur Überprüfung gesetzgeberischer Prognoseentscheidungen entwickelt hat, auf den vorliegenden Fall des verordnungsgeberischen Gestaltungsspielraums, so stellt sich die Frage, ob ein Fall der Evidenzkontrolle, Vertretbarkeitskontrolle oder intensivierten inhaltlichen Kontrolle gegeben ist. Für eine intensivere inhaltliche Kontrolle spricht, dass sich die Regelungen der GOZ-Novelle von 2011 im grundrechtsrelevanten Bereich bewegen und für den einzelnen Zahnarzt von erheblicher Bedeutung für seine Berufsausübung sind (Intensität der Beeinträchtigung). Ein weiterer Vollzug der Verordnung durch die Verwaltung, bei dem z. B. Ermessenserwägungen zugunsten des Zahnarztes angestellt werden könnten, ist nicht möglich. Jedoch kann der Zahnarzt die Höhe der Vergütung – wenn auch nur in begrenztem Umfang – bei der Bestimmung des Steigerungsfaktors beeinflussen. Darüber hinaus handelt es sich um eine technische Materie, in welcher der Normgeber nicht aufgrund politischer Erwägungen, wie beispielsweise im sozialrechtlichen Bereich166, einen erhöhten Gestaltungsspielraum für sich beanspruchen kann. Gegen eine intensivere inhaltliche Kontrolle spricht aber, dass der Bundesrat der GOZ-Novelle zugestimmt hat, so dass die demokratische Legitimation erhöht und die gerichtliche Kontrolle zurückgenommen ist.167 Weiterhin hat der parlamentarische Gesetzgeber in § 15 Satz 3 ZHG eine Abwägungsentscheidung der Bundesregierung vorgesehen, so dass dieser ein Bereich zur eigenständigen Regelung zugewiesen wurde.168 Schließlich geht es hier nicht um Rechtsgüter wie das des Lebens oder der Freiheit der Person, woraus sich ebenfalls die Notwendigkeit einer intensiveren Prüfung ergäbe.169 Insgesamt liegen somit keine hinreichenden Gründe vor, um von einer intensivierten inhaltlichen Kontrolle oder nur einer reinen Evidenzkontrolle ausgehen zu können. Dementsprechend wird der folgenden Prüfung eine Vertretbarkeitskontrolle zugrunde gelegt. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht im MitbestimmungsUrteil ausgeführt:

164 Vgl. BVerfGE 53, 135 (145); Peter Badura, Das normative Ermessen beim Erlaß von Rechtsverordnungen und Satzungen, in: Selmer/von Münch (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Wolfgang Martens, 1987, S. 25 (26 f.); Ossenbühl (Fn. 159), § 103 Rn. 41. 165 Siehe BVerfGE 50, 290 (332 f.). 166 Vgl. BVerfGE 77, 308 (332); 114, 196 (248). 167 Vgl. zu diesem Kriterium von Danwitz (Fn. 159), S. 194 ff. 168 Vgl. hierzu Ossenbühl (Fn. 159), § 103 Rn. 42 ff. 169 Vgl. dazu BVerfGE 50, 290 (333).

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2. Teil: Zur Verfassungsmäßigkeit der GOZ-Novelle von 2011 „Bei dieser Sachlage kann jedenfalls nicht gefordert werden, daß die Auswirkungen des Gesetzes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit oder gar Sicherheit übersehbar sein müßten, zumal Rechtsgüter wie das des Lebens oder der Freiheit der Person nicht auf dem Spiele stehen. Ob das Bundesverfassungsgericht sich auf eine bloße Evidenzkontrolle zu beschränken hätte, bedarf keiner Entscheidung. Denn die Prognose des Gesetzgebers ist vertretbar. Dieser Maßstab verlangt, daß der Gesetzgeber sich an einer sachgerechten und vertretbaren Beurteilung des erreichbaren Materials orientiert hat. Er muß die ihm zugänglichen Erkenntnisquellen ausgeschöpft haben, um die voraussichtlichen Auswirkungen seiner Regelung so zuverlässig wie möglich abschätzen zu können und einen Verstoß gegen Verfassungsrecht zu vermeiden. Es handelt sich also eher um Anforderungen des Verfahrens. Wird diesen Genüge getan, so erfüllen sie jedoch die Voraussetzung inhaltlicher Vertretbarkeit; sie konstituieren insoweit die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, die das Bundesverfassungsgericht bei seiner Prüfung zu beachten hat.“170

Nachfolgend wird untersucht, ob und inwieweit die Regelungen der GOZ-Novelle von 2011 diesen Maßstäben genügen. (a) Fehlende Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Zahnärzte Nach der Begründung der Bundesregierung führt die GOZ-Novelle von 2011 zu einer Erhöhung des privatzahnärztlichen Gebührenvolumens um 6 %.171 Fraglich ist jedoch, wie verlässlich die entsprechende Datengrundlage ist.172 Die Begründung zum Verordnungsentwurf äußert diesbezüglich selber Zweifel.173 Diese Ungewissheit über das zugrundeliegende Datenmaterial führt jedoch nicht dazu, dass es dem Verordnungsgeber verwehrt wäre, eine Verordnung zur Änderung der GOZ zu erlassen. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht zur Vertretbarkeitskontrolle ausgeführt, dass „der Gesetzgeber sich an einer sachgerechten und vertretbaren Beurteilung des erreichbaren Materials orientiert“ haben muss.174 Jedoch ist der vom Verordnungsgeber gewählte Ansatz zweifelhaft. Denn § 15 ZHG verlangt Regelungen in der GOZ, die sicherstellen, dass jede einzelne zahnärztliche Leistung angemessen vergütet wird. Die Bundesregierung hat hingegen ermittelt, wie hoch 170

BVerfGE 50, 290 (333 f.). Siehe BR-Drucks. 566/11, S. 35 ff. Vgl. auch folgende Veröffentlichungen des Wissenschaftlichen Instituts der PKV (WIP) [www.wip-pkv.de/veroeffentlichungen.html]: Frank Schulze Ehring, Die Bedeutung der GOZ für das Einkommen der Zahnärzte, WIP-Diskussionspapier 1/2011; Frank Niehaus/Torsten Keßler/Verena Finkenstädt, Ein Vergleich der zahnärztlichen Vergütung nach GOZ und BEMA, WIP-Diskussionspapier 2/2011. 172 So ist etwa zweifelhaft, inwieweit überhaupt eine zutreffende Berechnung erfolgen kann, weil Daten für den privatzahnärztlichen Bereich allein nicht vollständig erhoben werden. Dementsprechend basieren die Zahlen der Bundesregierung zumindest in Teilen auch auf den Einnahmen aus dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung, vgl. Antwort der Bundesregierung vom 1. März 2011, BT-Drucks. 17/4964, S. 2 ff.; Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz vom 7. März 2011, BT-Drucks. 17/5016, S. 110. 173 Siehe BR-Drucks. 566/11, S. 36 f. 174 So BVerfGE 50, 290 (333 f.) – ohne die Hervorhebung. 171

A. Grundrecht der Berufsfreiheit als Abwehrrecht

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Gebührensteigerungen ausfallen können, um noch mit finanziellen Vorgaben vereinbar zu sein.175 Hierdurch werden aber leistungsangemessene Vergütungen nicht sichergestellt. Die Bundesregierung wäre den Vorgaben eher gerecht geworden, wenn sie nach einer Aktualisierung des Leistungsverzeichnisses den Punktwert angemessen erhöht hätte, um den Geldwertverlust seit 1988 auszugleichen. Diese Funktion wurde dem Punktwert bei seiner erstmaligen Festlegung in der GOZ von 1987 ja ausweislich der Verordnungsbegründung gerade beigemessen.176 Dass der Verordnungsgeber nicht die nächstliegende oder einfachste Regelung getroffen hat, führt jedoch nicht eo ipso zur Verfassungswidrigkeit der von ihm gewählten Rechtsetzung. Die Nicht-Anhebung des Punktwertes wäre dann unbedenklich177, wenn auf andere Weise, z. B. durch die Bestimmung höherer Punktzahlen für die jeweilige Leistung, sichergestellt wäre, dass die zahnärztlichen Gebühren „den berechtigten Interessen der Zahnärzte und der zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten Rechnung“ tragen, wie es § 15 Satz 3 ZHG verlangt. Bereits im Jahr 2007 wurde der Versuch unternommen, die GOZ zu novellieren. Zwar kam es seinerzeit noch nicht zum Erlass einer Verordnung zur Änderung der GOZ. Schon damals wurden aber Überlegungen angestellt, wie die privatzahnärztlichen Leistungen nach einem Zeitraum von knapp zwei Jahrzehnten, in denen Gebührenanpassungen nicht erfolgt waren, angemessen vergütet werden können. Im Rahmen dieser Novellierungsbemühungen ging die Bundesregierung von folgendem Sachverhalt aus: „Im Hinblick auf betriebswirtschaftlich erforderliche kostendeckende Sollumsätze ist auf die Daten der Kostenstrukturerhebungen der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) aus den Jahren 2004 und 2005 hinzuweisen, die im KZBV Jahrbuch 2006 veröffentlicht worden sind. Diese Kostenstrukturerhebungen weisen für die alten Bundesländer im Jahr 2005 durchschnittliche Praxisausgaben je Praxisinhaber von 240 714 Euro aus, einschließlich der darin enthaltenen Kosten für Arbeiten von Fremdlaboratorien in Höhe von 65 303 Euro. Um diese Praxiskosten einschließlich eines Einkommens für den Praxisinhaber von durchschnittlich 111 103 Euro decken zu können, ist im Rahmen der Annahmen dieser Kostenstrukturanalyse bei einer durchschnittlichen Zahl von 1 474 Behandlungsstunden im Jahr ein Umsatz von 239 Euro pro Behandlungsstunde notwendig.“178

Das Abstellen auf die betriebswirtschaftlich erforderlichen kostendeckenden Sollumsätze sowie das durchschnittliche Einkommen eines Praxisinhabers – wie die Bundesregierung es in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage getan hat – ist auch verfassungsrechtlich geboten. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtsanwalts- sowie zur Notarvergütung ergibt sich, dass bei der 175

Vgl. BR-Drucks. 566/11, S. 35 ff. Vgl. BR-Drucks. 276/87, S. 49. 177 Anders jedoch Zuck (Fn. 136), 440, der die Auffassung vertritt, § 5 Abs. 1 Satz 3 GOZ verstoße schon für sich genommen gegen Art. 12 Abs. 1 GG. 178 Antwort der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/6577, S. 5. 176

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2. Teil: Zur Verfassungsmäßigkeit der GOZ-Novelle von 2011

Festsetzung einer Gebührenordnung für einen Hauptberuf die Kostenstruktur für diese Tätigkeit zu berücksichtigen ist.179 Rechnet man im vorliegenden Fall der privatzahnärztlichen Vergütung die Kosten für Arbeiten von Fremdlaboratorien heraus, da diese üblicherweise ein durchlaufender Posten sind, der an den Patienten weitergereicht wird, so ergab sich damals (Stand 2005) ein notwendiger Umsatz pro Behandlungsstunde von 194,38 Euro. Seit dem Jahr 2005 hat der Geldwertverlust nicht aufgehört, so dass für 2012 wohl von einem notwendigen Umsatz pro Behandlungsstunde von über 200 Euro auszugehen sein dürfte. Gleichwohl soll im Folgenden mit denselben Zahlen gearbeitet werden, welche auch die Bundesregierung bei ihrer Kostenanalyse zugrunde gelegt hat. Bereitet man dieses Zahlenmaterial weiter auf, so ergibt sich, dass die Arbeitsminute mit 3,24 Euro vergütet werden muss, um die Praxiskosten zu decken und ein durchschnittliches Zahnarzteinkommen zu erzielen.180 Die Einhaltung dieser Vorgaben lässt sich bei Gebührennummern, die eine Mindestdauer voraussetzen (1000, 1010), exakt überprüfen. Nimmt man beispielsweise die Gebührenposition 1000 und multipliziert die Punktzahl von 200 mit dem Punktwert von 0,0562421 Euro sowie einem Steigerungsfaktor von 2,3, so erhält der Zahnarzt eine Vergütung in Höhe von 25,87 Euro. Da diese Gebührennummer jedoch vorsieht, dass die Erstellung des Mundhygienestatus sowie die eingehende Unterweisung zur Vorbeugung gegen Karies und parodontale Erkrankungen mindestens 25 Minuten dauern, ergibt sich eine Abweichung von über 55 Euro zulasten des Zahnarztes (25 Minuten á 3,24 Euro = 81 Euro). Hieran erkennt man, dass der Verordnungsgeber die selbst als wirtschaftlich erforderlich anerkannten Rahmenvorgaben missachtet. Auch vor der GOZ-Novelle von 2011 wurde diese Leistung (damals Gebührennummer 100) mit 200 Punkten bewertet. Seit 1988 erfolgte somit keine Anpassung an den Geldwertverlust; die Vergütung dieser Gebührennummer respektiert nicht die Vorgaben des Gesetzgebers in § 15 ZHG. Dabei handelt es sich

179 Vgl. BVerfGE 47, 285 (318, 324); 83, 1 (20); siehe auch BVerfGE 101, 331 (354); BVerfG (Kammerbeschl.), NJW-RR 2000, 1241; NJW-RR 2001, 1203. 180 Diese Zahlen der Bundesregierung sind niedriger als diejenigen, welche die Prognos AG im Jahr 2006 im Auftrag der Bundeszahnärztekammer nach einer betriebswirtschaftlichen Analyse einer durchschnittlichen Ein-Mann-Zahnarztpraxis ermittelt hat. Nach diesen Berechnungen müsste die Behandlungsminute mit 3,38 Euro vergütet werden, vgl. Prognos AG, Bewertung einer Honorarordnung für Zahnärzte (HOZ). Kalkulation auf der Basis betriebswirtschaftlicher Grundsätze, Gutachten im Auftrag der Bundeszahnärztekammer vom Oktober 2006, S. 1 f. Dem lagen eine 48-Stunden-Woche und 217 Behandlungstage im Jahr zugrunde. Aktualisierte Zahlen von 2009 ergaben, dass die Behandlungsminute mittlerweile mit 3,58 Euro in Ansatz gebracht werden müsste, vgl. Prognos AG, Daten-Update der HOZ. Bewertung einer Honorarordnung für Zahnärzte (HOZ), Deutscher Zahnärztetag 2009, 6. November 2009, S. 2. Gleichwohl soll im Folgenden von den Zahlen der Bundesregierung ausgegangen werden, weil auf diese Weise ermittelt werden kann, wie konsistent die Daten sind, die der GOZ-Novelle von 2011 zugrunde gelegt wurden.

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um eine Gebührenposition, die rund 7 Mal je 100 Rechnungen abgerechnet wird181 und daher nicht als selten zu bezeichnen ist. Entsprechendes gilt für die jetzige Gebührennummer 1010 (Kontrolle des Übungserfolges einschließlich weiterer Unterweisung), die – wie die frühere Gebührennummer 101 – mit 100 Punkten bewertet ist, aber eine mindestens 15minütige Dauer der zahnärztlichen Tätigkeit voraussetzt. Nach der GOZ erhält der Zahnarzt bei einem Steigerungsfaktor von 2,3 eine Vergütung in Höhe von 12,94 Euro. Legt man hingegen die 3,24 Euro pro Behandlungsminute zugrunde, so ergäbe sich eine Vergütung in Höhe von 48,60 Euro, also nahezu die vierfache Summe. Bezüglich dieser beiden Gebührennummern lässt sich somit feststellen, dass der Gesetzgeber sich nicht „an einer sachgerechten und vertretbaren Beurteilung des erreichbaren Materials orientiert“182 hat. Er hat nicht die ihm zugänglichen Erkenntnisquellen ausgeschöpft, sondern wider die eigenen Erkenntnisse die Vergütung für diese beiden Gebührennummern niedriger festgesetzt, als es den eigenen Prämissen entsprach. Bei anderen Gebührenpositionen, die keine Mindestdauer erfordern, lässt sich ein Verstoß gegen die selbstgesetzten Prämissen schwieriger nachweisen. Gleichwohl sind auch hier Missverhältnisse festzustellen, die vom Verordnungsgeber zu verantworten sind. Dies lässt sich anhand einiger Gebührenpositionen belegen, die entweder aufgrund ihrer Häufigkeit je 100 eingereichter Rechnungen oder infolge ihres Anteils am Honorarvolumen in % von besonderer Bedeutung sind.183 Dabei handelt es sich um die Gebührennummern – 0010 (Eingehende Untersuchung zur Feststellung von Zahn-, Mund- und Kiefererkrankungen einschließlich Erhebung des Parodontalbefundes sowie Aufzeichnung des Befundes); – 0090 (Intraorale Infiltrationsanästhesie); – 2010 (Behandlung überempfindlicher Zahnflächen, je Kiefer); – 2170 (Einlagefüllung, mehr als zweiflächig); – 2210 (Versorgung eines Zahnes durch eine Vollkrone [Hohlkehl-oder Stufenpräparation]); – 4050 (Entfernung harter und weicher Zahnbeläge, gegebenenfalls einschließlich Polieren an einem einwurzeligen Zahn oder Implantat, auch Brückenglied);

181

Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (Fn. 8), S. 182. Siehe zu diesem Maßstab BVerfGE 50, 290 (333 f.). 183 Vgl. zu den nachfolgenden Angaben Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (Fn. 8), S. 182 ff. 182

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2. Teil: Zur Verfassungsmäßigkeit der GOZ-Novelle von 2011

– 4070 (Paradontalchirurgische Therapie [insbesondere Entfernung subgingivaler Konkremente und Wurzelglättung] an einem einwurzeligen Zahn oder Implantat, geschlossenes Vorgehen). Die Problematik kann durch die nachfolgende Tabelle veranschaulicht werden: Gebührenposition Anlage GOZ a. F.

Gebührenposition Anlage GOZ n. F.

Anzahl je 100 Rechnungen Š

Anteil am Honorarvolumen in % Š

Veränderung Anlage GOZ a. F. zu Anlage GOZ n. F.

001

0010

53

3

unverändert (100)

009

0090

64

2

unverändert (60)

201

2010

50

1

unverändert (50)

217

2170

8

5

von 1200 auf 1709

221

2210

6

7

von 1300 auf 1678

405

4050

1370

10

von 10,9 auf 10

407

4070

114

5

von 110 auf 100

Bezüglich der ersten drei Gebührennummern lässt sich erkennen, dass die Punktzahl seit 1988 unverändert geblieben ist. Da sich auch der Punktwert gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 GOZ nicht geändert hat, verbleibt es bei der Vergütungshöhe des Jahres 1988, obwohl die Inflationsrate für den Zeitraum von 1988 bis 2011 bei über 50 % liegt184. Exemplarisch lässt sich die Gebührennummer 0010 (vormals 001) herausgreifen. Sie hat zum Inhalt die „Eingehende Untersuchung zur Feststellung von Zahn-, Mundund Kiefererkrankungen einschließlich Erhebung des Parodontalbefundes sowie Aufzeichnung des Befundes“; der Leistungstext ist identisch geblieben. Es drängt sich die Frage auf, weshalb es vertretbar sein soll, bei einer derart grundlegenden Gebührennummer nach 24 Jahren keinen Inflationsausgleich vorzunehmen. Ein weiterer Bereich, in dem sich die verordnungsgeberische Aktivität nicht erschließt, betrifft die Neuregelung in § 8 GOZ. In der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf der GOZ-Novelle von 2011 heißt es dazu wie folgt: „Mit der Neufassung des § 8 wird die Regelungssystematik der GOÄ zu Entschädigungen (Wegegeld und Reiseentschädigungen) übernommen. Die Absätze 1 bis 3 entsprechen den §§ 7 bis 9 der GOÄ. Die Beträge werden entsprechend der Kostensteigerung seit 1996 (Inkrafttreten der letzten GOÄ-Novellierung bis zum Inkrafttreten der neuen GOZ) ange184

Vgl. oben S. 14.

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passt. Die Erhöhung des Kostenanteils orientiert sich an den Angaben des Statistischen Bundesamtes zum Verbraucherpreisindex im Bereich Waren und Dienstleistungen für Privatfahrzeuge. Die Erhöhung des Aufwandsanteils entspricht der allgemeinen mit dieser Verordnung vorgesehenen Honorarsteigerung.“185

Für einen Ausschnitt des zahnärztlichen Vergütungsrechts, nämlich die Entschädigungen, nimmt der Verordnungsgeber eine Erhöhung orientiert an „den Angaben des Statistischen Bundesamtes zum Verbraucherpreisindex im Bereich Waren und Dienstleistungen für Privatfahrzeuge“ vor. Hiermit konzediert er, dass ein Ausgleich für den zwischenzeitlich eingetretenen Geldwertverlust erforderlich ist. Diese Erkenntnis wird jedoch nicht vollständig und konsequent umgesetzt, sondern lediglich bezüglich der Entschädigungen im Sinne von § 8 GOZ n. F. Auch der Hinweis in der Begründung der Bundesregierung zum Verordnungsentwurf von 2011, das Honorarvolumen sei aufgrund von Mengen- und Struktureffekten gestiegen,186 verfängt nicht. Vielmehr ist er Indiz für eine nicht mehr sachgerechte und deshalb unvertretbare Bewertung des erreichbaren Datenmaterials. Denn die Bundesregierung geht offenbar davon aus, dass sich die Ermittlung der angemessenen Vergütungen auch nach der Menge der erbrachten Leistungen, dem Honorarvolumen, richten dürfe. Habe der Zahnarzt insgesamt ein höheres Honorar durch die Erbringung von mehr Leistungen erhalten, so rechtfertige dies, trotz des steigenden Geldwertverlusts, die Vergütung für die einzelne Leistung nicht zu erhöhen. Dies lässt sich jedoch nicht mit § 15 Satz 3 ZHG vereinbaren, der eine angemessene Honorierung jeder einzelnen privatzahnärztlichen Leistung verlangt, völlig unabhängig davon, welche anderen Leistungen möglicherweise noch erbracht werden. Das privatzahnärztliche Vergütungssystem kennt eben keine auf die einzelnen Vertragszahnärzte zu verteilende „Gesamtvergütung“ wie die gesetzliche Krankenversicherung. Selbst wenn man der – allerdings sehr zweifelhaften – Rechtsprechung des Bundessozialgerichts folgt, wonach der einzelne Vertragszahnarzt nur einen Anspruch auf angemessene Teilhabe an der Verteilung der Gesamtvergütung hat, ist diese Judikatur nicht auf den privatzahnärztlichen Sektor übertragbar.187 Im Ergebnis ist festzuhalten, dass der Verordnungsgeber sich weder an der seit 1988 erfolgten Geldentwertung noch an dem betriebswirtschaftlich erforderlichen Stundenhonorar durchgehend orientiert hat, obwohl er diese Maßstäbe für eine angemessene Vergütung der zahnärztlichen Tätigkeit nennt. Soweit der Verordnungsgeber notwendige Anpassungen unterlassen hat und deshalb privatzahnärztliche Vergütungen unangemessen niedrig sind, hat er sich nicht an einer „sachgerechten und vertretbaren Beurteilung des erreichbaren Materials orientiert“188. Der Verordnungsgeber hat auf diese Weise seinen gestalterischen Spielraum, der ihm 185 186 187 188

BR-Drucks. 566/11, S. 47. BR-Drucks. 566/11, S. 36. Vgl. oben S. 43, 46. Vgl. hierzu BVerfGE 50, 290 (334).

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2. Teil: Zur Verfassungsmäßigkeit der GOZ-Novelle von 2011

durch § 15 ZHG eingeräumt wird, mit der GOZ-Novelle von 2011 überschritten. Insoweit ist diese Verordnung zur Änderung der GOZ wegen Verstoßes gegen § 15 ZHG rechtswidrig. (b) Fehlerhaftes Verfahren wegen inkonsequenter Anwendung einer Berechnungsmethode? Des Weiteren könnten die Gebührensätze nach der GOZ-Novelle von 2011 bereits deshalb gegen § 15 ZHG verstoßen und damit rechtswidrig sein, weil sie bezüglich verschiedener Aspekte auf unterschiedlichen Berechnungsmethoden beruhen. So wird bezüglich des Wegegeldes (§ 8 GOZ n. F.) auf die Preissteigerung seit 1996 im Bereich Waren und Dienstleistungen für Privatfahrzeuge abgestellt189, andererseits wird von einer „Erhöhung des nach GOZ abzurechenden Honorarvolumens um insgesamt rd. 6,0 v.H. oder rd. 345 Mio. Euro gegenüber dem aktuellen Abrechnungsgeschehen“190 gesprochen. Im Hinblick auf die Novellierungsbestrebungen der 16. Legislaturperiode hieß es noch, dass die Gebührensätze sich an der betriebswirtschaftlichen Kostenstruktur und dem durchschnittlichen Zahnarzteinkommen zu orientieren hätten.191 Es liegen also mindestens drei verschiedene Berechnungsmöglichkeiten vor. Das Bundesverfassungsgericht entschied in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 zu Teilen der sog. Hartz-IV-Gesetzgebung im Hinblick auf das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, dass der Gesetzgeber zur „Konkretisierung des Anspruchs […] alle existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, also realitätsgerecht,“ bemessen muss. „Hierzu hat er zunächst die Bedarfsarten sowie die dafür aufzuwendenden Kosten zu ermitteln und auf dieser Basis die Höhe des Gesamtbedarfs zu bestimmen. Das Grundgesetz schreibt ihm dafür keine bestimmte Methode vor […]; er darf sie vielmehr im Rahmen der Tauglichkeit und Sachgerechtigkeit selbst auswählen. Abweichungen von der gewählten Methode bedürfen allerdings der sachlichen Rechtfertigung.“192 Weiter führt das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung aus: „Da das Grundgesetz selbst keine exakte Bezifferung des Anspruchs erlaubt, beschränkt sich – bezogen auf das Ergebnis – die materielle Kontrolle darauf, ob die Leistungen evident unzureichend sind […]. Innerhalb der materiellen Bandbreite, welche diese Evidenzkontrolle belässt, kann das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums keine quantifizierbaren Vorgaben liefern. Es erfordert aber eine Kontrolle der Grundlagen und der Methode der Leistungsbemessung daraufhin, ob sie dem Ziel des Grundrechts gerecht werden. Der Grundrechtsschutz erstreckt sich auch deshalb auf das Verfahren zur Ermittlung des Existenzminimums, weil eine Ergebniskontrolle am Maßstab 189 190 191 192

Siehe BR-Drucks. 566/11, S. 47. BR-Drucks. 566/11, Vorblatt, S. 1. Siehe Antwort der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/6577, S. 5. BVerfGE 125, 175 (225); vgl. auch Ls. 3.

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dieses Grundrechts nur begrenzt möglich ist. Um eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Nachvollziehbarkeit des Umfangs der gesetzlichen Hilfeleistungen sowie deren gerichtliche Kontrolle zu gewährleisten, müssen die Festsetzungen der Leistungen auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren tragfähig zu rechtfertigen sein. […] Das Bundesverfassungsgericht prüft deshalb, ob der Gesetzgeber das Ziel, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, in einer Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG gerecht werdenden Weise erfasst und umschrieben hat, ob er im Rahmen seines Gestaltungsspielraums ein zur Bemessung des Existenzminimums im Grundsatz taugliches Berechnungsverfahren gewählt hat, ob er die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt und schließlich, ob er sich in allen Berechnungsschritten mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb dieses gewählten Verfahrens und dessen Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegt hat. […] Zur Ermöglichung dieser verfassungsgerichtlichen Kontrolle besteht für den Gesetzgeber die Obliegenheit, die zur Bestimmung des Existenzminimums im Gesetzgebungsverfahren eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte nachvollziehbar offenzulegen. Kommt er ihr nicht hinreichend nach, steht die Ermittlung des Existenzminimums bereits wegen dieser Mängel nicht mehr mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG in Einklang.“193

Überträgt man diese Maßstäbe auf die vorliegend zu beurteilende GOZ-Novelle von 2011, so dürfte diese verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sein. Denn der Verordnungsgeber hat dieser Rechtsetzung mehrere Berechnungsmethoden und -hypothesen zugrunde gelegt, ohne dass jeweils deutlich würde, weshalb er die eine oder andere Methode gewählt hat oder von ihr abgewichen ist. Es ist jedoch fraglich, ob die genannte Judikatur auf den vorliegenden Fall der Bemessung der Vergütungssätze der GOZ übertragbar ist. Zwar geht es in beiden Fallkonstellationen um die Ermittlung einer Leistungshöhe, ohne dass die Verfassung hierfür konkrete Maßstäbe oder Vorgaben bereithielte. Das Bundesverfassungsgericht bezog seine soeben zitierten Ausführungen zu den Anforderungen an das gesetzgeberische Verfahren jedoch ausdrücklich auf das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG. Weiterhin legte das Gericht dar: „Andere Grundrechte, wie zum Beispiel Art. 3 Abs. 1 GG oder Art. 6 Abs. 1 GG, vermögen für die Bemessung des Existenzminimums im Sozialrecht keine weiteren Maßstäbe zu setzen. Entscheidend ist von Verfassungs wegen allein, dass für jede individuelle hilfebedürftige Person das Existenzminimum nach Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ausreichend erfasst wird; eines Rückgriffs auf weitere Grundrechte bedarf es hier nicht.“194 Somit liegt der Schluss nahe, dass das Bundesverfassungsgerichts die strengen Maßstäbe an das gesetzgeberische Verfahren angelegt hat, weil erstens die Verfassung keine materiellen Aussagen zur Höhe des Existenzminimums trifft, an denen 193 BVerfGE 125, 175 (225 f.); vgl. auch BVerfG, Urt. vom 18. Juli 2012, Az. 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, Rn. 97, 105, juris. 194 BVerfGE 125, 175 (227).

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das Handeln des Gesetzgebers gemessen werden könnte, und zweitens die Menschenwürde einen Höchstwert darstellt (vgl. Art. 79 Abs. 3 GG), der keinesfalls beeinträchtigt werden darf195. Dem entspricht die Auffassung, dass der Gesetzgeber grundsätzlich nur das Gesetz schulde, aber keinen bestimmten Weg oder ein bestimmtes Verfahren.196 Damit sprechen die besseren Gründe gegen eine Übertragung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem sog. Hartz-IV-Urteil auf den vorliegenden Fall der Ermittlung der angemessenen Vergütungen für privatzahnärztliche Leistungen. Deshalb folgt die Rechtswidrigkeit von in der GOZ-Novelle aus dem Jahr 2011 enthaltenen Regelungen nicht bereits allein daraus, dass verschiedene Berechnungsmethoden zur Anwendung kommen. (c) Unzulässige Berücksichtigung der Interessen der staatlichen Beihilfestellen und privaten Krankenversicherungsunternehmen Die GOZ-Novelle könnte aber auch deshalb unter Verstoß gegen § 15 Satz 3 ZHG zustande gekommen sein, weil der Verordnungsgeber nicht – wie es geboten wäre – „den berechtigten Interessen der Zahnärzte und der zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten Rechnung“ getragen, sondern auf die Belastung von staatlichen Beihilfestellen und privaten Krankenversicherungsunternehmen abgestellt hat. Deren Interessen sind jedoch nach dem Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 15 ZHG nicht zu berücksichtigen.197 Gleichwohl stellt die Begründung zum Verordnungsentwurf gleich mehrfach und an verschiedenen Stellen auf die Belastung der Beihilfestellen sowie der privaten Krankenversicherungsunternehmen ab.198 Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn eine Identität von Patienteninteressen sowie den Interessen der Beihilfestellen und privaten Krankenversicherungsunternehmen bestünde. Dies erscheint zunächst deshalb möglich, weil die Beihilfestellen und privaten Krankenversicherungsunternehmen die Kosten – ganz oder teilweise – übernehmen, die anderenfalls die Patienten selbst zu tragen hätten. Folgende Erwägungen sprechen jedoch im Ergebnis gegen eine solche Gleichsetzung der Interessen: Die Bundesregierung geht davon aus, dass die GOZ-Novelle zur Erhöhung des nach der GOZ abzurechnenden Honorarvolumens um 345 Mio. Euro führen wird, wobei 59 Mio. auf Bund, Länder und Gemeinden (durch Erhöhung der Beihilfeausgaben), 122 Mio. Euro auf private Krankenversicherungsunternehmen 195

Vgl. zur Bedeutung der Menschenwürdegarantie Sodan (Fn. 35), Art. 1 Rn. 1 f., 27. Vgl. dazu BVerfGE 48, 227 (237); 86, 148 (241). Siehe auch Fritz Ossenbühl, Verfahren der Gesetzgebung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 102 Rn. 7 m. w. N. 197 Vgl. oben S. 41. 198 Siehe BR-Drucks. 566/11, Vorblatt S. 2 f., S. 35 ff. sowie Beschluss des Bundesrates vom 4. November 2011, S. 6. Im letztgenannten Beschluss heißt es apodiktisch: „Eine Kostensteigerung über den angenommenen Wert von 6 Prozent hinaus wäre nicht sachgerecht.“ 196

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und 164 Mio. Euro auf die privaten Haushalte entfallen sollen.199 Infolgedessen wird damit gerechnet, dass die Ausgaben für privatzahnärztliche Honorare bei den Unternehmen der privaten Krankenversicherung um 5,70 Euro je Voll- und Zusatzversichertem pro Jahr sowie für die privaten Haushalte um 2,05 Euro pro Person und Jahr steigen werden.200 Eine so geringe Mehrbelastung von 2,05 Euro pro Person und Jahr wirft die Frage auf, ob sie tatsächlich die Grenze dessen markiert, was § 15 ZHG an Mehrbelastung dem Patienten auferlegen kann. Die diesbezüglichen Zweifel werden durch weitere Ausführungen in der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf der GOZ-Novelle von 2011 verstärkt. Denn die Bundesregierung rechnet selbst nicht mit merklichen Auswirkungen auf das Preisniveau durch diese Verordnung.201 Auf dieser Linie liegt es auch, wenn es in der Entwurfsbegründung heißt, dass eine „darüber hinausgehende Honorarsteigerung […] angesichts der Belastung der öffentlichen Haushalte im Hinblick auf die Ausgaben der Beihilfe und die Kostenbelastung der privaten Haushalte nicht realisierbar“ sei202. Die Belastungen der öffentlichen und der privaten Haushalte können durchaus verschieden sein. Das Abstellen auf die öffentlichen und privaten Haushalte zeigt gerade, dass keine Identität der Interessen vorliegt. Im Übrigen verfügen Bund und Länder im Hinblick auf ihre Beihilfevorschriften über erhebliche Gestaltungsspielräume. Denn die „Beihilfe in ihrer gegenwärtigen Gestalt gehört“ nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums. Das System der Beihilfen kann jederzeit geändert werden, ohne dass dadurch Art. 33 Abs. 5 GG berührt wird. Eine verfassungsrechtliche Verpflichtung, den Beamten und Versorgungsempfängern für Krankheitsfälle oder vergleichbare Belastungen Unterstützung gerade in Form von Beihilfen im Sinn der Beihilfevorschriften oder gar von solchen Beihilfen in bestimmter Höhe zu gewähren, besteht nicht“.203 (d) Unzulässiges Unterschreiten von BEMA-Sätzen Weiterhin kommt ein Verstoß der GOZ-Novelle von 2011 gegen § 15 ZHG deswegen in Betracht, weil Gebührensätze der GOZ im Vergleich zu den Vergütungen für vertragszahnärztliche Tätigkeiten innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung, die sich in Anwendung des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für zahnärztliche Leistungen (BEMA) ergeben, zu niedrig sind. Den BEMA vereinbart die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen durch einen Bewer-

199 200 201 202 203

(98).

BR-Drucks. 566/11, Vorblatt S. 1 ff., S. 35 ff. BR-Drucks. 566/11, S. 38. Siehe BR-Drucks. 566/11, S. 38. BR-Drucks. 566/11, S. 37. BVerfGE 106, 225 (232); vgl. auch bereits BVerfGE 44, 249 (263); 58, 68 (78); 83, 89

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tungsausschuss als Bestandteil des Bundesmantelvertrages.204 Der BEMA bestimmt den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander (§ 87 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Bei den neuen Gebührenpositionen 1020, 2180, 2250, 3080, 3130, 3200, 3210, 3250, 3280, 4000, 4030, 4040, 5150 und 6130 genügt nicht einmal der 3,5-fache GOZ-Satz, um die Vergütungshöhe zu erreichen, welche sich für die entsprechende zahnärztliche Leistung in Anwendung des BEMA205 ergibt. Dies ist umso bemerkenswerter, als innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung nur durchschnittliche Leistungen vergütet werden und der Vertragszahnarzt im Gegenzug für die Teilhabe an einem sozialstaatlich motivierten Gesundheitssystem Abschläge hinsichtlich der Gebühren hinzunehmen hat. Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts führt dementsprechend in der Begründung zu einem Beschluss vom 25. Oktober 2004 bezüglich der GOZ aus: „Zwar ist dem Beschwerdeführer zuzugeben, dass die Gebührenmarge bei Zahnärzten besonders schmal ist. Für überdurchschnittliche Fälle steht nur der Rahmen zwischen 2,4 und 3,5 zur Verfügung, weil ein Absinken unter die Honorierung, die auch die gesetzliche Krankenversicherung zur Verfügung stellt (nämlich den 2,3-fachen Satz), wohl kaum noch als angemessen zu bezeichnen ist. […] Der Beschwerdeführer hat als ausschließlich privat tätiger Zahnarzt keine Möglichkeit, Leistungen außerhalb der Gebührenordnung für Zahnärzte anzubieten und abzurechnen. Geht man davon aus, dass der 2,3-fache Steigerungssatz der Gebührenordnung der Vergütung entsprechender Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht, besteht innerhalb des – ursprünglich deutlich weiter bemessenen – gesetzlichen Rahmens wenig Spielraum für die Berücksichtigung qualitativer Besonderheiten. Wo aber wegen des besonderen Aufwandes einer Leistung eine angemessene Vergütung durch den vorgegebenen Gebührenrahmen nicht mehr gewährleistet ist, bedarf es einer Öffnungsklausel, die im Einzelfall ein Abweichen von der Gebührenordnung erlaubt. Damit wird sichergestellt, dass dem Leistungserbringer nicht unangemessen niedrige Vergütungssätze oder von ihm abgelehnte Leistungsstandards zugemutet werden. […] Den Patienten steht es frei, die Leistung eines anderen Anbieters ,einzukaufen‘, wenn ihnen der Preis zu hoch erscheint. Die Gebührenordnung geht – wie jede typisierende Regelung – von einem mittleren Standard bei der Leistungsqualität aus. Soweit Leistungen von außergewöhnlicher Qualität in Anspruch genommen werden, besteht kein schützenswertes Interesse daran, diese Leistung nur in dem vom Normgeber vorgegebenen ,üblichen‘ Rahmen zu vergüten. Es besteht auch nicht etwa dieselbe Interessenlage wie im System der gesetzlichen Krankenversicherung, das im Hinblick auf die soziale Schutzbedürftigkeit der Versicherten und die Sicherstellung ihrer Versorgung Marktmechanismen weitgehend ausschaltet, von dessen Stabilität die Leistungserbringer aber gleichzeitig profitieren, weshalb sie auch in erhöhtem Maße der Einwirkung sozialstaat-

204

Vgl. oben S. 14. Unterstellt ist hier und im Folgenden ein BEMA-Punktwert KCH/IP/KFO der AOKNordrhein und der bundeseinheitliche ZE-Punkt (ab 1. Januar 2012), vgl. hierzu Freier Verband Deutscher Zahnärzte e.V., GOZ-Honorar-Navigator. Gebührenverzeichnis für zahnärztliche Leistungen im Vergleich zum BEMA, 2012, S. 2 ff. 205

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licher Gesetzgebung unterliegen […]. Die gesetzliche Krankenversicherung stellt auch nur Standard-Leistungen als notwendig und geschuldet zur Verfügung.“206

Im Ergebnis bedeutet dies, dass bei den zuvor genannten Gebührennummern eine Vereinbarung nach § 2 GOZ zwischen Zahnarzt und Patient geschlossen werden muss, damit der Zahnarzt in Abweichung von der sich ohne Vereinbarung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 GOZ ergebenden maximalen Gebührenhöhe überhaupt diejenige Vergütung erhält, die einer notwendigen Standard-Leistung entspricht. Will der Zahnarzt innerhalb des durch § 5 Abs. 1 Satz 1 GOZ vorgegebenen Rahmens von dem 2,3-fachen GOZ-Satz, der nach § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ n. F. „die nach Schwierigkeit und Zeitaufwand durchschnittliche Leistung“ abbildet, abweichen, hat er dies gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ n. F. „auf die einzelne Leistung bezogen für den Zahlungspflichtigen verständlich und nachvollziehbar schriftlich zu begründen“. Ein Überschreiten des 2,3-fachen Gebührensatzes ist nur zulässig, wenn Besonderheiten der in § 5 Abs. 2 Satz 1 GOZ genannten Bemessungskriterien dies rechtfertigen (§ 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ n. F.). Maßgebend sind also die Schwierigkeit und der Zeitaufwand der einzelnen Leistung sowie die Umstände bei der Ausführung. Legt man nicht erst den insoweit höchstens zulässigen 3,5-fachen GOZ-Satz, sondern bereits den 2,3-fachen GOZ-Satz als unterste Grenze für die Angemessenheit einer Vergütung für privatzahnärztliche Tätigkeit im Vergleich zu der sich in Anwendung des BEMA für eine entsprechende Leistung ergebenden Vergütung zugrunde, dann müssen auch die folgenden Gebührennummern als unangemessen niedrig vergütet angesehen werden: 0010, 0100, 1010, 2000, 2020, 2030, 2040, 2050, 2070, 2090, 2110, 2190, 2195, 2260, 2310, 2360, 2390, 3020, 3030, 3040, 3060, 3070, 3090, 3100, 3110, 3120, 3190, 3240, 3300, 3310, 4020, 4075, 4080, 5080, 5100, 5110, 5140, 5250, 5260, 5270, 5280, 5290, 6000, 6010, 6120, 6160, 6210, 6220 und 7000, insgesamt also 49 Gebührennummern zusätzlich zu den bereits zuvor aufgezählten 14 Gebührennummern. Unter Zugrundelegung der genannten Judikatur des Bundesverfassungsgerichts führen derzeit insgesamt 63 Gebührenpositionen zu keinen angemessenen Vergütungen, da die 2,3-fachen GOZ-Sätze jeweils nicht einmal die sich in Anwendung des BEMA für die entsprechenden zahnärztlichen Leistungen ergebende Vergütungshöhe erreichen. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass der Zahnarzt nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GOZ eine abweichende Vereinbarung treffen kann.207 Denn in bestimmten Fällen sind abweichende Vereinbarungen vollständig gesetzlich ausgeschlossen. Nach dem durch die GOZ-Novelle von 2011 eingefügten § 2 Abs. 1 Satz 3 GOZ dürfen Notfallund akute Schmerzbehandlungen nicht von einer Vereinbarung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GOZ abhängig gemacht werden. In diesen Fällen ist deshalb von vornherein – mit gutem Grund – eine solche abweichende Vereinbarung unzulässig. In den übrigen Fällen sind für abweichende Vereinbarungen hohe Hürden zu überwinden. Zunächst einmal setzt eine solche Vereinbarung das Einverständnis des Patienten voraus. Des 206 207

BVerfGK 4, 144 (148, 153). So aber BVerfGK 4, 144 (148).

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Weiteren ist nach § 2 Abs. 1 Satz 2 GOZ n. F. die Vereinbarung einer abweichenden Punktzahl oder eines abweichenden Punktwertes unzulässig. Somit kann die Höhe der Vergütung nur anhand des Steigerungsfaktors beeinflusst werden.208 Dieser muss eindeutig festgelegt sein.209 Pauschalverträge sind ebenfalls unzulässig.210 Hinzu kommt, dass nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GOZ n. F. eine Vereinbarung nur nach persönlicher Absprache im Einzelfall zwischen Zahnarzt und Zahlungspflichtigem vor Erbringung der Leistung zulässig ist; darüber hinaus muss die Vereinbarung in Schriftform erfolgen. § 2 Abs. 2 Satz 2 GOZ n. F. verlangt, dass die Vereinbarung neben der Nummer und der Bezeichnung der Leistung, dem vereinbarten Steigerungssatz und dem sich daraus ergebenden Betrag auch die Feststellung enthält, dass eine Erstattung der Vergütung durch Erstattungsstellen möglicherweise nicht in vollem Umfang gewährleistet ist. Weitere Erklärungen sind unzulässig (§ 2 Abs. 2 Satz 3 GOZ).211 Darüber hinaus hat die zivilgerichtliche Rechtsprechung diese Anforderung streng ausgelegt.212 Schließlich ist zu bedenken, dass sich die Beihilfeberechtigten, die fast die Hälfte aller Versicherten in der privaten Krankheitskostenvollversicherung ausmachen213, in der Regel nicht auf eine solche Vereinbarung einlassen können, da – wie bereits dargelegt wurde214 – die Beihilfestellen regelmäßig nur den 2,3-fachen GOZ-Satz erstatten. cc) Fazit Im Ergebnis lässt sich somit festhalten, dass Vergütungsregelungen der GOZNovelle von 2011 sich nicht im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage des § 15 ZHG halten und deshalb gegen den in Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG speziell geregelten Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes verstoßen. Wegen der Deckelung des Honoraranstiegs um 6 % und der Orientierung am Gesamthonorarvolumen sowie den Interessen der staatlichen Beihilfestellen und privaten Krankenversicherungsunternehmen hat nämlich der Verordnungsgeber mit der GOZ-Novelle von 2011 das Gebot des § 15 Satz 3 ZHG missachtet, wonach die Vergütung der einzelnen Leistung den berechtigten Interessen des Zahnarztes und seines Patienten Rechnung tragen muss. 208

Pannke (Fn. 14), § 2 GOZ Rn. 3. Vgl. BGHZ 138, 100 (112). 210 Pannke (Fn. 14), § 2 GOZ Rn. 3. Siehe zur bundesverfassungsgerichtlichen Billigung BVerfG (Kammerbeschl.), NJW 1992, 737. 211 Siehe hierzu BGHZ 144, 59 (62 ff.). 212 Dies belegt nicht zuletzt das Urt. des OLG Hamm vom 29. Mai 2002, Az. 3 U 26/00, juris, das erst durch den bereits mehrfach zitierten Kammerbeschl. des BVerfG aufgehoben wurde, BVerfGK 4, 144 ff. Vgl. ferner BGHZ 138, 100 ff.; 144, 59 ff. Siehe auch Pannke (Fn. 14), § 2 GOZ Rn. 7 ff. 213 Im Jahr 2010 waren 47,5 % aller Personen, die über eine private Krankheitskostenvollversicherung verfügten, beihilfeberechtigt; siehe den vom Verband der Privaten Krankenversicherung vorgelegten Zahlenbericht der Privaten Krankenversicherung 2010/2011, S. 28 (www.pkv.de/w/files/shop_zahlenberichte/zahlenbericht20102011.pdf). 214 Vgl. oben S. 15 f. 209

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Leistungsangemessene Honorierungen werden deshalb trotz hinreichenden Datenmaterials verfehlt. Hinzu kommt, dass derzeit insgesamt 63 Gebührenpositionen zu keinen angemessenen Vergütungen führen, weil die 2,3-fachen GOZ-Sätze jeweils nicht einmal die sich in Anwendung des BEMA für die entsprechenden zahnärztlichen Leistungen ergebende Vergütungshöhe erreichen, obwohl damit nur erforderliche und durchschnittliche Standardleistungen vergütet werden sollen. b) Vereinbarkeit der GOZ-Novelle mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Zur Prüfung der materiellen Verfassungsmäßigkeit der GOZ-Novelle von 2011 gehört auch die Untersuchung der Frage, ob diese Rechtsverordnung mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist. In materieller Hinsicht hat der Gesetzgeber insbesondere das Verhältnismäßigkeitsprinzip215 zu beachten. Diesem Grundsatz, der teilweise als „Übermaßverbot“216 bezeichnet wird, kommt eine geradezu überragende Bedeutung als „Schranken-Schranke“ zu; seine Existenz ist auch ohne ausdrückliche Erwähnung im Grundgesetz allgemein anerkannt. Das Bundesverfassungsgericht spricht vom „allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“217, den es „zum wichtigsten Element seiner Kontrolle von Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung gemacht“218 hat. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip verlangt neben der Verfolgung eines legitimen Zwecks die Geeignetheit, Erforderlichkeit und Zumutbarkeit der staatlichen Maßnahme. Speziell im Hinblick auf Vergütungsregelungen hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass die „aus Gründen des Gemeinwohls unumgänglichen Beschränkungen des Grundrechts […] unter dem Gebot der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit“ stehen; „Eingriffe in die Berufsfreiheit dürfen deshalb nicht weiter gehen, als es die sie rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erfordern […]. Eingriffszweck und Eingriffsintensität müssen in einem angemessenen Verhältnis stehen.“219

215 Siehe aus der Fülle des Schrifttums etwa Eberhard Grabitz, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR 98 (1973), 568 ff.; Lothar Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 1981; Michael Kloepfer, Die Entfaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips, in: Schmidt-Aßmann/Sellner/Hirsch/Kemper/Lehmann-Grube (Hrsg.), Festgabe 50 Jahre Bundesverwaltungsgericht, 2003, S. 329 ff. 216 Siehe dazu etwa die grundlegende Arbeit von Peter Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht. Zur Bindung des Gesetzgebers an die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Erforderlichkeit, 1961, sowie Barbara Remmert, Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche Grundlagen des Übermaßverbotes, 1995. 217 BVerfGE 103, 332 (366 f.). 218 Bernhard Schlink, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, in: Badura/Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. II, 2001, S. 445. 219 BVerfGE 101, 331 (347); vgl. auch BVerfGE 47, 285 (321); BVerfG (Kammerbeschl.), NJW-RR 2000, 1241; FamRZ 2000, 1280 (1281); BVerfGK 4, 144 (147 f.).

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Klare Vorgaben, wie die Vergütung im Einzelfall auszusehen hat, enthält die Verfassung zwar nicht.220 Gleichwohl müssen die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hinsichtlich Zweck, Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit erfüllt sein. aa) Legitimer Zweck Dem Wortlaut in Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG, der ausdrücklich nur einen Regelungsvorbehalt für die Berufsausübung vorsieht, entnimmt das Bundesverfassungsgericht den Willen des Verfassungsgebers, „daß die Berufswahl ,frei’ sein soll, die Berufsausübung geregelt werden darf“221. Dieser Befund wirkt sich auf die Grenzen der Einschränkbarkeit des Grundrechts der Berufsfreiheit aus. Diesem Willen entspricht nach dem sog. Apotheken-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1958 „nur eine Auslegung, die annimmt, daß die Regelungsbefugnis die beiden ,Phasen’ nicht in gleicher sachlicher Intensität erfaßt, daß der Gesetzgeber vielmehr umso stärker beschränkt ist, je mehr er in die Freiheit der Berufswahl eingreift“222. Daher entwickelte das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung die sog. Drei-Stufen-Theorie, die zwischen Berufsausübungsregelungen (1. Stufe) sowie subjektiven (2. Stufe) und objektiven Berufszulassungsvoraussetzungen (3. Stufe) unterscheidet.223 Daran hält das Bundesverfassungsgericht – trotz gewisser Modifizierungen224 – im Grundsatz bis heute fest. Die Drei-Stufen-Theorie stellt besondere Anforderungen an die Legitimität des gesetzgeberischen Zwecks. „Am freiesten ist der Gesetzgeber, wenn er eine reine Ausübungsregelung trifft, die auf die Freiheit der Berufswahl nicht zurückwirkt, vielmehr nur bestimmt, in welcher Art und Weise die Berufsangehörigen ihre Berufstätigkeit im einzelnen zu gestalten haben.“225 Regelungen der Berufsausübung können „durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls“226 legitimiert werden. Grundsätzlich handelt es sich bei Gebührenregelungen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts um bloße Berufsausübungsregelungen227, weil sie die Modalitäten der Abrechnung bestimmter Leistungen betreffen, nicht jedoch die Frage, ob ein Beruf überhaupt aufgenommen werden kann. Wirkt sich aber eine – nach formalen Gesichtspunkten – bloße Berufsausübungsregelung materiell aus220

Vgl. BVerfGE 101, 331 (350). BVerfGE 7, 377 (402). 222 BVerfGE 7, 377 (402). 223 Siehe BVerfGE 7, 377 (405 ff.). 224 Siehe dazu näher Depenheuer (Fn. 53), S. 262 ff.; Helge Sodan, Verfassungsrechtsprechung im Wandel – am Beispiel der Berufsfreiheit, NJW 2003, 257 (258 ff.); Mann (Fn. 58), Art. 12 Rn. 109 ff. 225 BVerfGE 7, 377 (405 f.). 226 BVerfGE 61, 291 (312); 68, 272 (282); 106, 181 (192); vgl. ferner etwa BVerfGE 7, 377 (405 f.); 102, 197 (220). Siehe dazu näher Sodan (Fn. 57), S. 233 ff. 227 Siehe etwa BVerfGE 114, 196 (244). 221

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nahmsweise wie eine Regelung der Berufswahl aus, so müssen auch entsprechende Maßstäbe für die notwendige Legitimität des Eingriffszwecks Anwendung finden.228 Das Vorliegen dieser Voraussetzung ist im Falle der GOZ-Novelle von 2011 nicht erkennbar. Dass eine Berufsausübungsregelung aufgrund ihrer wirtschaftlichen Auswirkung einer Zulassungsbeschränkung nahekommt, ist nach zutreffender Ansicht des Bundesverfassungsgerichts „jedoch nicht schon dann anzunehmen, wenn die Regelung den aus der Ausübung eines Berufs erzielten Gewinn soweit mindert, daß ein einzelner Unternehmer sich zur Aufgabe seines bisherigen Berufs veranlaßt sieht. Eine Verletzung des Rechts auf freie Berufswahl ist nur anzunehmen, wenn die betroffenen Berufsangehörigen in aller Regel und nicht nur in Ausnahmefällen wirtschaftlich nicht mehr in der Lage sind, den gewählten Beruf ganz oder teilweise zur Grundlage ihrer Lebensführung oder – bei juristischen Personen – zur Grundlage ihrer unternehmerischen Erwerbstätigkeit zu machen“.229 Sollte sich jedoch herausstellen, dass niedergelassene Zahnärzte als Folge zu niedriger Gebührensätze zur Aufgabe ihres Berufs gezwungen werden, würde sich die rechtliche Beurteilung ändern. Dann wären Vorschriften der GOZ-Novelle unter Umständen als objektive Berufszulassungsregelungen zu qualifizieren. In diesem Falle ließen sich Bestimmungen der GOZ-Novelle als Eingriffe in die Freiheit der Berufswahl nur rechtfertigen, wenn sie der „Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut“230 dienten. Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat – wenn auch ohne nähere Begründung – in einem Beschluss vom 25. Oktober 2004 bezüglich der GOZ a. F. bereits ausgeführt, dass die „Einschränkung der freien Honorarvereinbarung […] durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt“ sei.231 Lediglich die Anwendung der GOZ durch das Oberlandesgericht Hamm wurde im konkreten Fall beanstandet: „Einschränkungen des Rechts zur Entgeltforderung sind nur dort gerechtfertigt, wo die Gebührenordnung dem Gemeinwohlbelang eines Ausgleichs der berechtigten Interessen der Leistungserbringer und der Patienten dient.“232

Dieselbe Kammer hat in einem Beschluss aus dem Jahr 1991 zur GOÄ Stellung genommen und deren Legitimität wie folgt begründet:

228 Gerrit Manssen, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, 6. Aufl. 2010, Art. 12 Rn. 143; Hans D. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Kommentar, 12. Aufl. 2012, Art. 12 Rn. 37. 229 BVerfGE 30, 292 (313 f.); vgl. ferner BVerfGE 13, 181 (186 f.); 16, 147 (165); 68, 155 (170). 230 BVerfGE 7, 377 (407 f.). 231 So BVerfGK 4, 144 (148). 232 BVerfGK 4, 144 (152).

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2. Teil: Zur Verfassungsmäßigkeit der GOZ-Novelle von 2011 „Die Gebührenregelung der GOÄ 1982 erhöht im Interesse der zahlungspflichtigen Patienten die Transparenz privatärztlicher Liquidationen. Sie dient damit einem vernünftigen Gemeinwohlgrund in geeigneter Weise.“233

Somit lässt sich festhalten, dass der GOZ und damit auch der Novelle von 2011 zum einen der Zweck zugrunde liegt, angemessene und leistungsgerechte Vergütungen sicherzustellen, die den Interessen sowohl der Zahnärzte als auch der Patienten Rechnung tragen. Hierbei gilt es zu berücksichtigen, dass die Patienten strukturell unkundiger als die Zahnärzte sind, was die unterschiedlichen Behandlungsmöglichkeiten und ihre Kosten betrifft. Zum anderen geht es darum, dem einzelnen Patienten eine Überprüfung der Rechnung aufgrund objektiver und transparenter Kriterien zu ermöglichen. Es handelt sich dabei um vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls. bb) Geeignetheit Ein Mittel ist im Sinne des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit geeignet, „wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann“.234 Das Mittel muss also nicht optimal, sondern nur der Zweckerreichung dienlich sein.235 Eine verbindlich geltende Gebührenordnung, die für bestimmte Leistungen feste Gebühren vorsieht, kann zum einen sicherstellen, dass die Patienten angemessene Vergütungen zahlen und die Zahnärzte angemessen entlohnt werden. Zum anderen ermöglicht sie aufgrund ihrer verbindlichen Geltung, dass der zur Zahlung des Entgelts Verpflichtete die Rechnung überprüfen kann. Dies erhöht für ihn Transparenz und Rechtssicherheit. Da die GOZ-Novelle von 2011 zumindest einen Beitrag zur Erreichung dieser Zwecke leisten kann, ist von ihrer Eignung im Sinne des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auszugehen. cc) Erforderlichkeit Das gewählte Mittel ist erforderlich, wenn sich der Zweck der staatlichen Maßnahme nicht durch ein anderes, gleich wirksames Mittel erreichen lässt, welches das betroffene Grundrecht nicht oder weniger stark einschränkt.236 Es kommt also darauf an, ob ein „milderes Mittel“ ersichtlich ist,237 welches aber eben die gleiche Effektivität aufweisen muss. Speziell zur Gebührenregelung in § 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 12 GOÄ 1982 hat sich die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts in einem Beschluss aus dem Jahr 1991 wie folgt geäußert: 233

BVerfG (Kammerbeschl.), NJW 1992, 737. BVerfGE 30, 292 (316); 33, 171 (187); 115, 276 (308); BVerfG (Kammerbeschl.), NJW 2011, 1578 (1580); vgl. ferner BVerfGE 90, 145 (172); 117, 163 (188). 235 Horst Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Bd. I, 2. Aufl. 2004, Vorb. Art. 1 Rn. 147. 236 Vgl. etwa BVerfGE 30, 292 (316); 63, 88 (115); 78, 38 (50); 90, 145 (172). 237 So ausdrücklich BVerfGE 91, 207 (222). 234

A. Grundrecht der Berufsfreiheit als Abwehrrecht

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„Sie dient […] einem vernünftigen Gemeinwohlgrund in geeigneter Weise. Sie ist auch erforderlich, weil der Gesetzgeber kein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht des Beschwerdeführers weniger einschränkendes Mittel hätte wählen können. Der Beschwerdeführer kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die gesonderte schriftliche Vereinbarung eines bezifferten Pauschalhonorars vor Behandlungsbeginn genüge dem Schutzbedürfnis des Patienten in gleicher Weise. Eine derartige Vereinbarung trägt dem besonderen Informationsbedürfnis des in aller Regel privat krankenversicherten und/oder beihilfeberechtigten Privatpatienten, dessen Erstattungsansprüche regelmäßig auf den Umfang der in der Gebührenordnung für Ärzte vorgesehen Gebührenhöhe begrenzt sind, nicht in vollem Umfang Rechnung. Der Patient wird durch sie nicht in die Lage versetzt, bei Abschluß des Behandlungsvertrages den Umfang seiner Erstattungsansprüche zu erkennen und damit das Ausmaß seiner finanziellen Belastung zuverlässig einzuschätzen. Fehl geht auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf die Gebührenregelung anderer freier Berufe. Richtig ist allerdings, daß Rechtsanwälte und Steuerberater in begrenztem Umfang Pauschalhonorare vereinbaren können. Das beruht aber auf den Besonderheiten der entsprechenden Gebührensysteme und betrifft andere Interessenlagen.“238

Diese Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts sind auch auf die Regelungen der Gebührenhöhe zu übertragen, nicht lediglich – wie in dem dort entschiedenen Fall – zu den Modalitäten der Honorarvereinbarung. Denn nur wenn die Abrechnungsmodalitäten und die Höhe der Vergütung vor Beginn der Behandlung im Wesentlichen feststehen, ist den Interessen der Patienten an angemessenen Gebührensätzen und transparenter Liquidation Rechnung getragen. Ein anderes, in gleicher Weise effektives Mittel ist nicht ersichtlich, so dass von der Erforderlichkeit der diesbezüglichen Regelungen der GOZ-Novelle von 2011 auszugehen ist. dd) Angemessenheit Das Bundesverfassungsgericht sieht den Sinn der letzten Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung darin, „die als geeignet und erforderlich erkannten Maßnahmen einer gegenläufigen Kontrolle im Blick darauf zu unterwerfen, ob die eingesetzten Mittel unter Berücksichtigung der davon ausgehenden Grundrechtsbeschränkungen für den Betroffenen noch in einem angemessenen Verhältnis zu dem dadurch erreichbaren Rechtsgüterschutz stehen.“239 Entscheidend ist daher, ob „bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt“ ist.240 238

BVerfG (Kammerbeschl.), NJW 1992, 737. BVerfGE 90, 145 (185). 240 BVerfGE 68, 272 (282); vgl. etwa auch BVerfGE 61, 291 (312); 102, 197 (220). Siehe dazu näher Sodan (Fn. 57), S. 246 ff. Selbst wenn eines der genannten gesetzgeberischen Anliegen als besonders wichtiges Gemeinschaftsgut zu qualifizieren wäre, erübrigte sich nicht das Angemessenheitserfordernis; vgl. etwa BVerfGE 102, 197 (215): „Ausreichend, im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes allerdings auch notwendig ist deshalb, Beschränkungen des Zugangs zu jenem Beruf nur davon abhängig zu machen, dass mit der im Einzelfall beabsichtigten Beschränkung wichtige Gemeinwohlbelange verfolgt werden. Auch 239

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2. Teil: Zur Verfassungsmäßigkeit der GOZ-Novelle von 2011

In einem die GOZ betreffenden Beschluss vom 25. Oktober 2004 hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts ausgeführt, dass die Grenzen der Zumutbarkeit dort erreicht sind, „wo unangemessen niedrige Einkünfte zugemutet werden und auf der Grundlage der bestehenden Vergütungsregelung eine wirtschaftliche Existenz generell nicht möglich ist.“241 Eine solche globale Betrachtungsweise242 liegt auch anderen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Verhältnismäßigkeitsprinzip zugrunde. So blieben etwa die gegen die Regelungen zum Basistarif und zur teilweisen Portabilität der Alterungsrückstellungen gerichteten Verfassungsbeschwerden privater Krankenversicherungsunternehmen im Jahr 2009 letztlich deshalb erfolglos, weil das Bundesverfassungsgericht seinerzeit keine sich daraus ergebenden schwerwiegenden Belastungen für die privaten Versicherer zu erkennen vermochte.243 Dagegen wendet Josef Isensee zu Recht ein: „Der Grundrechtsschutz wird unter Bagatellvorbehalt gestellt. Er wird abgeschwächt, wenn nicht sogar zurückgenommen für Kollateralschäden, die ein Reformvorhaben auslöst. Die Diskussion der Verhältnismäßigkeit wendet sich von objektiven zu subjektiven Kriterien: von der Frage, ob der Eingriff angesichts der Einbuße an grundrechtlicher Freiheit nicht unangemessen ist, zu der Frage, ob der Grundrechtsträger nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen die Folgen des Eingriffs verkraften kann.“244 Legt man hier dennoch die zitierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur GOZ aus dem Jahr 2004 zugrunde, so ist es erforderlich, dass infolge staatlicher Regelungen insgesamt für den jeweiligen Berufsstand eine wirtschaftliche Existenz nicht möglich ist, um von unangemessen niedrigen Einkünften ausgehen zu können. Diesbezüglich fordert das Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde konkrete und belastbare Zahlen.245 Die bloße Behauptung, dass Honorierungen unzureichend sind, genügt nicht.246 Solche substantiierten Zahlen in Bezug auf den gesamten Berufsstand der Zahnärzte oder auch nur der ausschließlich privatzahnärztlich Tätigen liegen dem Verfasser dieser Schrift nicht vor, so dass – gemessen an den Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts –

derartige Beschränkungen erfordern aber die strikte Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.“ 241 So BVerfGK 4, 144 (148); vgl. auch BVerfGE 101, 331 (350 ff., insbes. 354); BVerfG (Kammerbeschl.), NJW-RR 2000, 1241 (1242 f.). 242 Vgl. zur Rechtsprechung des BSG in Bezug auf die Angemessenheit vertragsärztlicher Vergütungen bereits oben S. 42 f. 243 Siehe näher BVerfGE 123, 186 (238 ff., 252 ff.). 244 Josef Isensee, Verfassungsgarantie privatversicherungsrechtlicher Strukturen – Der Basistarif der PKV als Probe aufs Exempel, in: Recht genau. Liber amicorum für Prölss, 2009, S. 81 (97) – ohne die Hervorhebung. 245 Vgl. BVerfGE 47, 285 (324); 101, 331 (354); BVerfG (Kammerbeschl.), NJW-RR 2000, 1241 (1242 f.); NJW-RR 2001, 1203. 246 Vgl. BVerfGE 114, 196 (247 f.).

A. Grundrecht der Berufsfreiheit als Abwehrrecht

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eine Unzumutbarkeit von Regelungen der GOZ-Novelle zumindest zum gegenwärtigen Stand nicht nachgewiesen werden kann. ee) Fazit Nach den vorliegenden Erkenntnissen und in Anwendung von – teilweise nicht gerade strengen – Maßstäben aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verstoßen Gebührenregelungen der GOZ-Novelle von 2011 also nicht gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und verletzen insoweit nicht das Grundrecht der Berufsfreiheit zulasten von Zahnärzten. c) Vereinbarkeit der GOZ-Novelle mit sonstigem höherrangigen Recht „Ungeachtet der Anforderungen, die sich unmittelbar aus Art. 12 Abs. 1 GG ergeben, können Berufsausübungsregelungen“ nach der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts „nur dann Bestand haben, wenn sie auch sonst in jeder Hinsicht verfassungsmäßig sind und insbesondere den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG beachten“.247 Das Bundesverfassungsgericht prüft häufig mögliche Grundrechtsverstöße ausdrücklich an Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG.248 Art. 3 Abs. 1 GG stellt den allgemeinen Gleichheitssatz auf. Danach sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Er enthält damit als Positivierung der grundlegenden Gerechtigkeitsidee der Gleichheit ein allgemeines Gebot der Gleichbehandlung der Grundrechtsträger durch die Staatsgewalt.249 Ein Umkehrschluss aus Art. 3 Abs. 3 GG, welcher gerade kein kategorisches Verbot der Ungleichbehandlung aus den in ihm nicht genannten Kriterien regelt, ergibt, dass der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht im Sinne einer umfassenden („absoluten“) Gleichbehandlung unter Nivellierung aller in den Individuen begründeten Unterschiede zu verstehen ist, sondern als Verbot von (benachteiligenden) Ungleichbehandlungen ohne sachlichen Grund, also prinzipiell als ein Verbot staatlicher „Willkür“. Schlagwortartig lässt sich formulieren, dass weder „wesentlich Gleiches willkürlich ungleich“ behandelt werden darf noch „wesentlich Ungleiches willkürlich gleich“.250

247

BVerfGE 121, 317 (369); vgl. auch BVerfGE 25, 236 (251); BVerfG, NVwZ-RR 2012, 257 (258). 248 Siehe etwa BVerfGE 33, 303 (332); 25, 236, Ls. 2; BVerfG, NVwZ-RR 2012, 257 (258). 249 Vgl. näher Sodan (Fn. 35), Art. 3 Rn. 6 ff. 250 BVerfGE 4, 144 (155); 78, 104 (121); vgl. ferner BVerfGE 112, 164 (174); 112, 268 (279); 116, 164 (180); 117, 1 (30).

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2. Teil: Zur Verfassungsmäßigkeit der GOZ-Novelle von 2011

aa) Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem Voraussetzung für eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG ist zunächst eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem. Zu deren Feststellung sind Vergleichspaare unter Einschluss desjenigen zu bilden, den die Ungleichbehandlung trifft, für den sie also nachteilig wirkt; nur aus dessen Sicht kann eine relevante Ungleichbehandlung vorliegen.251 Eine Ungleichbehandlung ist gegeben, wenn die diese Vergleichspaare bildenden Personen mit unterschiedlichen Rechtsfolgen belegt werden. Die Ungleichbehandlung kann dabei sowohl eine personelle sein, d. h. die betreffenden Rechtsfolgen orientieren sich unmittelbar an personenbezogenen Merkmalen, oder es kann eine sachliche Ungleichbehandlung vorliegen, bei der die Rechtsfolgen unmittelbar an bestimmte Sachverhalte anknüpfen.252 Ferner ist zu ermitteln, ob die Ungleichbehandlung auch „wesentlich Gleiches“ betrifft: Entscheidend hierfür ist nicht jede oder gar die umfassende Vergleichbarkeit der die Vergleichsgruppe bildenden Personen, sondern nur deren wesentliche Vergleichbarkeit hinsichtlich desjenigen Vergleichskriteriums, das für den Anlass der (ungleich wirkenden) Behandlung maßgeblich ist, hierzu also in engem inneren Sachzusammenhang steht.253 Ärzte und Zahnärzte sind danach im Wesentlichen gleich, wie gerade die in vielen Vorschriften der GOÄ und GOZ gleichartigen Vergütungsregelungen belegen. Von der Notwendigkeit einer Gleichbehandlung ging der Verordnungsgeber beim Erlass der GOZ von 1987 selbst aus.254 Im Hinblick auf den Punktwert hat die Bundesregierung in ihrer Verordnungsgebung Ärzte und Zahnärzte jedoch unterschiedlich behandelt. Den Punktwert für die ärztlichen bzw. zahnärztlichen Leistungen hatten GOÄ und GOZ ursprünglich jeweils auf „elf Deutsche Pfennige“ festgesetzt.255 Speziell für die Ärzte wurde mit Wirkung zum 1. Januar 1996 der Punktwert von 11 auf 11,4 Deutsche Pfennige angehoben.256 In der Verordnungsbegründung heißt es hierzu: „Im Hinblick auf die zwischenzeitlich eingetretene Verzögerung ist eine in ihrem Umfang der Verordnung entsprechende Punktwertanhebung sachgerecht“.257 Eine solche Anhebung wurde für die Zahnärzte hingegen unterlassen. Nach der zum

251

Vgl. BVerfGE 67, 239 (244); 71, 39 (50). Siehe dazu näher BVerfGE 83, 1 (22); 93, 99 (111); 116, 135 (161); 118, 1 (26 f.). 253 Siehe näher Sodan (Fn. 35), Art. 3 Rn. 10 f. 254 Vgl. BR-Drucks. 276/87, S. 47, 51. 255 Siehe § 5 Abs. 1 Satz 3 GOZ vom 22. Oktober 1987 (BGBl. I, S. 2316) sowie § 5 Abs. 1 Satz 3 GOÄ in der Fassung von Art. 1 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) Doppelbuchst. aa) der Dritten Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Ärzte vom 9. Juni 1988 (BGBl. I, S. 797). 256 Siehe Art. 1 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) und Art. 4 der Vierten Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) vom 18. Dezember 1995 (BGBl. I, S. 1861). 257 BR-Drucks. 688/95, S. 5. 252

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2. Januar 2002 erfolgten währungsbedingten Umstellung auf 5,82873 Cent258 divergieren die Punktwerte für Ärzte und Zahnärzte immer noch; auch nach der GOZNovelle von 2011 beträgt der Punktwert gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 GOZ weiterhin nur 5,62421 Cent. Es stellt sich daher die Frage, ob diese GOZ-Novelle die seit langem bestehende Ungleichbehandlung hätte beseitigen müssen. bb) Rechtfertigung der Ungleichbehandlung Eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem führt nur dann zu einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn sie ohne hinreichenden sachlichen Grund erfolgt. Die geläufige Formel von Art. 3 Abs. 1 GG als staatlichem Willkürverbot ist dabei streng genommen nicht ganz präzise, da das Bundesverfassungsgericht seit geraumer Zeit neben der „Willkürformel“ vermehrt auch die stärker auf Verhältnismäßigkeitsaspekte abstellende „neue Formel“ heranzieht, um das Vorliegen eines hinreichenden Rechtfertigungsgrundes für eine Ungleichbehandlung zu ermitteln. Nach der auf die ursprüngliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 3 Abs. 1 GG zurückgehenden Willkürformel liegt Willkür dann vor, wenn sich (irgend)ein vernünftiger, aus der Natur der Sache resultierender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund nicht finden lässt.259 Dabei handelt es sich um eine Art „Evidenzprüfung“, bei der einleuchtende sachliche Gründe insbesondere für eine legislative Ungleichbehandlung schlechterdings nicht mehr erkennbar sein dürfen.260 Engere Prüfungsanforderungen gelten demgegenüber bei der vom Bundesverfassungsgericht seit 1980 verwandten sog. „neuen Formel“. Hiernach ist Art. 3 Abs. 1 GG „vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten“.261 Nach der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts „gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen“.262 Eine strengere Verhältnismäßigkeitsprüfung ist vor allem dann durchzuführen, wenn personelle bzw. personenbezogene Ungleichbehandlungen zur Prüfung gestellt werden und nicht nur sachbezogene263 oder wenn sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die 258 Siehe § 5 Abs. 1 Satz 3 GOÄ in der Fassung von Art. 17 des Gesetzes über den Beruf der Podologin und des Podologen und zur Änderung anderer Gesetze vom 4. Dezember 2001 (BGBl. I, S. 3320). 259 Siehe etwa bereits BVerfGE 1, 14 (52). 260 Vgl. BVerfGE 50, 142 (162) m. w. N.; 88, 87 (97); 91, 389 (401). 261 BVerfGE 55, 72 (88); vgl. etwa auch BVerfGE 107, 133 (141); 112, 50 (67); 117, 316 (325); 120, 125 (144); 121, 317 (369). 262 BVerfG, NVwZ 2011, 1316 (1317); NVwZ-RR 2012, 257 (258). 263 Vgl. BVerfGE 88, 87 (96); 89, 15 (22 f.); 91, 389 (401); 110, 274 (291).

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2. Teil: Zur Verfassungsmäßigkeit der GOZ-Novelle von 2011

Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann264. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Gleichheitssatz sind „dem gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum dort enge Grenzen gezogen […], wo es sich um Regelungen handelt, die Auswirkungen auf die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Freiheit der beruflichen Tätigkeit haben“.265 Selbst wenn im vorliegenden Zusammenhang der weniger strenge Maßstab einer bloßen Evidenzkontrolle gewählt wird, ist die Ungleichbehandlung bei der Festsetzung des Punktwerts verfassungswidrig, weil sich kein rechtfertigender Grund für diese Ungleichbehandlung finden lässt. Denn die Preissteigerungen, welche zur Begründung für die Erhöhung des Punktwerts in Bezug auf ärztliche Leistungen dienten, betrafen die Zahnärzte mindestens in gleicher Weise wie die Ärzte. Weil die Vergütungen zahnärztlicher Tätigkeiten nach der GOZ die Kosten für Auslagen in höherem Maße mitabdecken sollen, also nicht gesondert abgerechnet werden können, liegt die Annahme nahe, dass die Zahnärzte sogar intensiver von dem Geldwertverlust betroffen sind als die Ärzte. cc) Fazit Der in § 5 Abs. 1 Satz 3 GOZ (5,62421 Cent) im Vergleich zu § 5 Abs. 1 Satz 3 GOÄ (5,82873 Cent) niedrigere Punktwert verstößt zulasten der betroffenen Zahnärzte gegen Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG. Daraus ergibt sich allerdings nicht zwangsläufig eine Pflicht der Bundesregierung zur Anhebung des in § 5 Abs. 1 Satz 3 GOZ festgesetzten Punktwerts. Denn dem Verordnungsgeber verbleibt ein gewisser Spielraum, wie er die Ungleichbehandlung beseitigen will.266 Weil die GOZ-Novelle von 2011 jedoch in die umfangreichen Änderungen der GOZ267 keine Maßnahme zur Beseitigung der seit langem bestehenden Ungleichbehandlung einbezogen hat, ist sie auch insoweit verfassungswidrig.

IV. Rechtsfolgen der Verfassungsverstöße Fraglich ist, welche Rechtsfolgen sich aus den zuvor dargelegten Verfassungsverstößen ergeben. 264 Vgl. BVerfGE 82, 126 (146); 88, 87 (96); 99, 341 (355); 99, 367 (388); 107, 133 (141); 111, 160 (169); 111, 176 (184); 126, 29 (48); BVerfG, NVwZ-RR 2012, 257 (258). 265 So BVerfGE 60, 123 (134); vgl. auch BVerfGE 62, 256 (274); 121, 317 (370); BVerfG, NVwZ-RR 2012, 257 (258). 266 Vgl. dazu Klaus Schlaich/Stefan Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 8. Aufl. 2010, Rn. 401 ff. Siehe zum Spielraum des Verordnungsgebers im Hinblick auf die GOZ S. 46 ff. der vorliegenden Schrift. 267 In anderen Vorschriften der GOZ (siehe etwa § 2 Abs. 1 Satz 2 und 3 sowie Abs. 2 GOZ n. F.) ist es durch die GOZ-Novelle von 2011 zu einer Angleichung an die entsprechenden Vorschriften der GOÄ gekommen.

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1. Nichtigerklärung als regelmäßige Rechtsfolge einer verfassungswidrigen Norm Eine verfassungswidrige Rechtsnorm ist in der Regel nichtig.268 Dies gilt etwa dann, wenn der Verfassungsverstoß aus dem Fehlen der erforderlichen Gesetzgebungskompetenz folgt. So hat das Bundesverfassungsgericht beispielsweise das Staatshaftungsgesetz269 und bestimmte Vorschriften des Altenpflegegesetzes270 für mit Art. 70 GG unvereinbar und nichtig erklärt; diese Bestimmung enthält die Grundregel für die Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern. Folgt man der hier vertretenen Auffassung, wonach dem Bund die notwendige Verbandskompetenz zur Regelung der zahnärztlichen Gebühren fehlt,271 so verletzt der Bund mit der Ermächtigung in § 15 ZHG das Gesetzgebungsrecht der Länder gemäß Art. 70 Abs. 1 GG, so dass sich für § 15 ZHG die Rechtsfolge der Nichtigkeit ergibt. Mangels gültiger Ermächtigungsgrundlage für die GOZ-Novelle von 2011 verstößt diese gegen den in Art. 80 Abs. 1 GG normierten Vorbehalt des Gesetzes und erweist sich ebenfalls als nichtig. 2. Feststellung der Unvereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz In verschiedenen Fallkonstellationen verzichtet das Bundesverfassungsgericht trotz der zuvor im Rahmen der Normprüfung gewonnenen Erkenntnis der Verfassungswidrigkeit auf die Nichtigerklärung und beschränkt sich auf die Feststellung der Unvereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz.272 Dies gilt etwa dann, wenn der Normgeber mehrere Möglichkeiten hat, um den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen, und die Nichtigerklärung in die Gestaltungsfreiheit des Normgebers eingreifen würde.273 Die bloße Unvereinbarkeit von Normen hat das Bundesverfassungsgericht u. a. auch im Falle von Verstößen gegen Art. 12 Abs. 1274 und Art. 3 Abs. 1 GG275 festgestellt. Unterstellt man eine Verbandskompetenz des Bundes zur Regelung der zahnärztlichen Gebühren, so sind sowohl § 15 ZHG als auch die GOZ-Novelle von 2011 in formeller Hinsicht verfassungsgemäß. Es verbleiben jedoch die übrigen festge268

Siehe dazu näher Schlaich/Korioth (Fn. 266), Rn. 378 ff. Siehe BVerfGE 61, 149 (151, 173 f.). 270 Siehe BVerfGE 106, 62 (64, 104). 271 Vgl. oben S. 28 ff. 272 Siehe zu den Fallkonstellationen im Einzelnen Klein (Fn. 33), Rn. 1267 ff. 273 Siehe z. B. BVerfGE 28, 227 (242 f.); 77, 308 (337); 78, 350 (363); 84, 168 (186 f.); 85, 226 (237 f.); 87, 153 (178); 96, 260 (264); 99, 202 (215 f.); 99, 280 (298); 117, 163 (199); 121, 317 (373). 274 Siehe etwa BVerfGE 77, 308 (337); 85, 226 (233, 237); 96, 260 (264); 99, 202 (215 f.); 117, 163 (164, 199); 121, 317 (344, 373). 275 Siehe u. a. BVerfGE 28, 227 (236, 242 f.); 78, 350 (357, 363); 99, 280 (290, 298). 269

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stellten Verfassungsverstöße dieser Novelle, die Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG insoweit verletzt, als sie nicht mit den Vorgaben des § 15 Satz 3 ZHG vereinbar ist, so dass sich insoweit die Eingriffe in das Grundrecht der Berufsfreiheit nicht rechtfertigen lassen.276 Hinzu kommt, dass der in § 5 Abs. 1 Satz 3 GOZ (5,62421 Cent) im Vergleich zu § 5 Abs. 1 Satz 3 GOÄ (5,82873 Cent) niedrigere Punktwert zulasten der betroffenen Zahnärzte gegen Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.277 Weil die GOZ-Novelle von 2011 jedoch in die umfangreichen Änderungen der GOZ keine Maßnahme zur Beseitigung der seit langem bestehenden Ungleichbehandlung einbezogen hat, ist sie auch insoweit verfassungswidrig. Will die Bundesregierung an einer zahnärztlichen Gebührenordnung festhalten, wovon auszugehen sein dürfte, so kann sie allerdings bei der Beseitigung verfassungsrechtlicher Mängel einen Gestaltungsspielraum278 für sich in Anspruch nehmen. Das Grundgesetz gibt eben keine bestimmten Gebührensätze für privatzahnärztliche Leistungen vor. Dem Verordnungsgeber sind im Falle von Neuregelungen aber Grenzen gesetzt, welche sich aus den Aspekten ergeben, auf denen die festgestellten Verfassungsverstöße beruhen. Insoweit muss er vor allem beachten, dass nach den Vorgaben des § 15 Satz 3 ZHG die Vergütungen der einzelnen Leistungen den berechtigten Interessen der Zahnärzte und ihrer Patienten Rechnung zu tragen haben; Belange staatlicher Beihilfestellen und privater Krankenversicherungsunternehmen sind nicht zu berücksichtigen.279 Hält der Verordnungsgeber an der derzeitigen Regelungssystematik fest, so muss er ferner sicherstellen, dass die 2,3fachen GOZ-Sätze zumindest die sich in Anwendung des BEMA für die entsprechenden zahnärztlichen Leistungen ergebende Vergütungshöhe erreichen.280 Ob er zur Gewährleistung leistungsangemessener Vergütungen für privatzahnärztliche Tätigkeiten den Punktwert und/oder einzelne bzw. alle Punktzahlen erhöht oder künftig den Zahnärzten mehr Spielraum für die Bestimmung von Steigerungsfaktoren einräumt, kann er im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit entscheiden. Denkbar ist auch die Herabsetzung der Anforderungen an abweichende Vereinbarungen im Sinne von § 2 GOZ, um Zahnärzten und Patienten wieder mehr Vertragsfreiheit zu geben.

V. Pflicht des Verordnungsgebers zur kontinuierlichen Beobachtung und gegebenenfalls erforderlichen Nachbesserung Im Übrigen lässt sich hier bereits aus allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsätzen eine Pflicht des Verordnungsgebers zur kontinuierlichen Beobachtung 276 277 278 279 280

Vgl. dazu oben S. 46 ff. Vgl. S. 67 ff. Vgl. S. 46 ff. Vgl. S. 40 ff., 48 ff. Vgl. S. 57 ff.

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der Auswirkungen der von ihm in der GOZ getroffenen Regelungen und zur gegebenenfalls erforderlichen Nachbesserung herleiten. In mittlerweile ständiger Rechtsprechung281 geht nämlich das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen Beobachtungs- und Nachbesserungspflichten im Hinblick auf früher beschlossene gesetzliche Maßnahmen obliegen können. Bereits im Jahr 1965 formulierte das Bundesverfassungsgericht: „Erweisen sich die ursprünglich angenommenen wirtschaftlichen Daten als unrichtig, dann müssen die gesetzlichen Vorschriften u. U. rasch geändert werden, ohne daß immer gewährleistet wäre, daß die neue Regelung sofort das Richtige trifft.“282 Wenig später führte das Gericht aus, dass bei der Abwägung zwischen den Interessen der Allgemeinheit „gegen den grundrechtlichen Anspruch des Einzelnen auf freie Betätigung in dem von ihm gewählten Beruf […] grundsätzlich von der Beurteilung der Verhältnisse auszugehen“ ist, „die dem Gesetzgeber bei der Vorbereitung des Gesetzes möglich war. Irrtümer über den Verlauf der wirtschaftlichen Entwicklung müssen in Kauf genommen werden, da der Gesetzgeber auch zur Abwehr künftiger Gefahren im Rahmen des Möglichen verpflichtet ist, der zunächst zu erwartende Geschehensablauf aus den verschiedensten Gründen aber auch unvorhergesehene Wendungen nehmen kann […]. Eine auf Grund einer Fehlprognose ergriffene Maßnahme kann nicht schon deshalb als verfassungswidrig angesehen werden. Dem Gesetzgeber ist lediglich aufgegeben, sie nach Erkenntnis der tatsächlichen Entwicklung dieser entsprechend aufzuheben oder zu ändern.“283 Ähnliche Hinweise finden sich in der Begründung eines Beschlusses von 1978: „Hat der Gesetzgeber eine Entscheidung getroffen, deren Grundlage durch neue, im Zeitpunkt des Gesetzeserlasses noch nicht abzusehende Entwicklungen entscheidend in Frage gestellt wird, dann kann er von Verfassungs wegen gehalten sein zu überprüfen, ob die ursprüngliche Entscheidung auch unter den veränderten Umständen aufrechtzuerhalten ist.“284 Im Jahr 1980 kam das Bundesverfassungsgericht bei der „Überprüfung des Umfangs der steuerlichen Begünstigung der Rentner gegenüber den pensionierten Beamten […] zu dem Ergebnis, daß diese inzwischen durch die veränderten Verhältnisse ein Ausmaß erreicht hat, das eine Korrektur notwendig macht“.285 Wenig später formulierte das Bundesverfassungsgericht: „Der Gesetzgeber ist bei einer auf längere Zeit angelegten Finanzierung einer in die spezifische Verantwortung einer Gruppe fallenden Aufgabe durch Erhebung einer Sonderabgabe von Verfassungs wegen gehalten, stets zu überprüfen, ob seine ursprüngliche Entscheidung für den Einsatz des gesetzgeberischen Mittels ,Sonderabgabe‘ aufrechtzuerhalten 281 Vgl. BVerfGE 16, 147 (181 ff.); 18, 315 (332); 25, 1 (13); 33, 171 (189 f.); 49, 89 (130); 50, 290 (335 f.); 54, 11 (34, 36 ff.); 55, 274 (308); 56, 54 (78 f.); 57, 139 (162 f.); 59, 119 (127); 67, 299 (328); 68, 287 (309); 73, 40 (94); 82, 353 (380); 100, 59 (101); 103, 242 (267); 110, 141 (158); 123, 186 (242, 266). 282 BVerfGE 18, 315 (332). 283 BVerfGE 25, 1 (12 f.); vgl. auch BVerfGE 30, 250 (263); 50, 290 (335); 57, 139 (162 f.). 284 BVerfGE 49, 89 (130); vgl. ferner BVerfGE 68, 287 (309). 285 BVerfGE 54, 11 (34).

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2. Teil: Zur Verfassungsmäßigkeit der GOZ-Novelle von 2011 oder ob sie wegen veränderter Umstände, insbesondere wegen Wegfalls des Finanzierungszwecks oder Zielerreichung zu ändern oder aufzuheben ist […]. Denn die Sonderabgabe bedarf – im Gegensatz zur Steuer – als Ausnahmeinstrument der fortdauernden Legitimation durch hinreichende Rechtfertigungsgründe.“286

Von besonderer Bedeutung speziell für die Krankenversicherung ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Juni 2009, in dessen Begründung es ganz am Schluss u. a. heißt: „Den Gesetzgeber trifft […] eine Beobachtungspflicht. Denn die Vorschriften über den Basistarif, die Portabilität und die erweiterte Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung könnten zu Prämiensteigerungen für Versicherte in den Normaltarifen und dadurch zu erheblichen Wechselbewegungen in den Basistarif mit seinen begrenzten Prämien führen. Der Vorteil der Versicherungsnehmer im Basistarif könnte zum Nachteil der übrigen Versicherungsnehmer in den Normaltarifen werden. Denn je mehr Personen sich im Basistarif versichern und je mehr Verluste dieser verursacht, desto mehr steigt der Preis der Normaltarife und die Belastung der in diesen Tarifen Versicherten. Dies könnte letztlich eine Auszehrung des eigentlichen Hauptgeschäfts der privaten Krankenversicherungen bewirken, sodass die gesetzlichen Regelungen einer erneuten Prüfung bedürften. Weist der Gesetzgeber den privaten Krankenversicherungen durch die Einführung der Versicherungspflicht und den Kontrahierungszwang im Basistarif in verfassungsrechtlich zulässiger Weise die Aufgabe zu, im Rahmen eines privatwirtschaftlich organisierten Marktes für den bei ihr versicherten Personenkreis einen Basisschutz bereitzustellen, muss er auch im Interesse der Versicherten darauf achten, dass dies keine unzumutbaren Folgen für Versicherungsunternehmen und die bei ihnen Versicherten hat.“287

Dieser Beobachtungspflicht widmet das Bundesverfassungsgericht sogar einen Leitsatz zu dem Urteil, der wie folgt lautet: „Den Gesetzgeber trifft eine Beobachtungspflicht im Hinblick auf die Folgen der Reform für die Versicherungsunternehmen und die bei ihnen Versicherten.“288 Die sich unter Umständen ergebende Nachbesserungspflicht wird in der Urteilsbegründung im Hinblick auf die Bestimmungen zum Basistarif in der privaten Krankenversicherung289 mit folgenden Worten angesprochen: „Dass der Gesetzgeber bei seiner Prognose von unvertretbaren Annahmen ausgegangen wäre, ist nicht erkennbar. Wenn er sich auf dieser Grundlage für die angegriffene Regelung entschieden hat, ist die damit verbundene Beurteilung der Auswirkungen des Gesetzes als vertretbar anzusehen, mag sie sich später auch ganz oder teilweise als Irrtum erweisen […]. In diesem Fall wäre er dann gegebenenfalls zur Korrektur verpflichtet.“290

Die in dieser Entscheidung erkennbare Herleitung der Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht aus Überlegungen zur Verhältnismäßigkeit bringt das Bun286

BVerfGE 55, 274 (308). BVerfGE 123, 186 (266). Siehe dazu Sodan (Fn. 56), § 2 Rn. 78 f. 288 BVerfGE 123, 186. 289 Siehe dazu im Einzelnen Helge Sodan, Standardtarif und Basistarif, in: ders. (Hrsg.), Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 2010, § 45 Rn. 6 ff. 290 BVerfGE 123, 186 (242). 287

A. Grundrecht der Berufsfreiheit als Abwehrrecht

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desverfassungsgericht auch in einer Urteilsbegründung aus dem Jahr 2004 deutlich zum Ausdruck, in der es zur Verhältnismäßigkeit von Berufsausübungsregelungen u. a. heißt: „Dabei steht dem Gesetzgeber nicht nur bei der Festlegung der von ihm ins Auge gefassten Regelungsziele, sondern auch bei der Beurteilung dessen, was er zur Verwirklichung dieser Ziele für geeignet und erforderlich halten darf, ein weiter Einschätzungs- und Prognosespielraum zu […], der vom Bundesverfassungsgericht je nach der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter nur in begrenztem Umfang überprüft werden kann […]. Allerdings kann es, wenn der Gesetzgeber sich über die tatsächlichen Voraussetzungen oder die Auswirkungen einer Regelung im Zeitpunkt ihres Erlasses ein ausreichend zuverlässiges Urteil noch nicht hat machen können, geboten sein, dass er die weitere Entwicklung beobachtet und die Norm überprüft und revidiert, falls sich erweist, dass die ihr zugrunde liegenden Annahmen nicht mehr zutreffen.“291

Die Beobachtungs- und daraus gegebenenfalls folgende Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers ist in diesem Verständnis also letztlich die Konsequenz der Zurückhaltung des Bundesverfassungsgerichts in der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes bei einer ex-ante-Betrachtung von Prognosen.292 Allgemein lässt sich eine verfassungsrechtliche Nachbesserungspflicht aus Art. 1 Abs. 3 GG, demzufolge die Grundrechte Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht binden, und Art. 20 Abs. 3 GG mit seiner Verankerung des Rechtsstaatsgebots herleiten.293 Eine ursprünglich verfassungsgemäße Regelung kann also durch eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse verfassungswidrig werden mit der Folge, dass sich eine entsprechende Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers ergibt.294 „Für die Frage, ob im Einzelfall eine Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers besteht, kommt es nicht darauf an, ob die dafür wesentlichen neuen Umstände oder Ent-

291

BVerfGE 110, 141 (157 f.). Vgl. zu den Folgen fehlerhafter Prognosen etwa Fritz Ossenbühl, Die Kontrolle von Tatsachenfeststellungen und Prognoseentscheidungen durch das Bundesverfassungsgericht, in: Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz. Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts, Bd. 1, 1976, S. 458 (517 f.); Rupert Stettner, Die Verpflichtung des Gesetzgebers zu erneutem Tätigwerden bei fehlerhafter Prognose, DVBl. 1982, 1123 ff.; Rudolf Steinberg, Verfassungsgerichtliche Kontrolle der „Nachbesserungspflicht“ des Gesetzgebers, Der Staat 26 (1987), 161 (169 ff.); Werner Bernd, Legislative Prognosen und Nachbesserungspflichten, 1989, S. 82 ff.; Christian Mayer, Die Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers, 1996, S. 132 ff.; Joachim Wieland, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Bd. I, 2. Aufl. 2004, Art. 12 Rn. 138; Rüdiger Zuck, Das Recht der Verfassungsbeschwerde, 3. Aufl. 2006, Rn. 616 ff. 293 Vgl. dazu BVerfGE 82, 353 (380); Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/2, 1994, § 90 II 4 k); Helmut Miernik, Die verfassungsrechtliche Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers, 1997, S. 54 ff. 294 Steinberg (Fn. 292), 169 f. 292

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2. Teil: Zur Verfassungsmäßigkeit der GOZ-Novelle von 2011

wicklungen zuvor Gegenstand einer Fehlprognose des Gesetzgebers gewesen oder ob sie unvorhersehbar waren.“295 Überträgt man hier die vorgenannten Maßstäbe auf die Verordnungsgebung der Bundesregierung, so muss diese die Auswirkungen ihrer Rechtsetzung zu den privatzahnärztlichen Gebühren angesichts der damit verbundenen Grundrechtseingriffe kontinuierlich beobachten. Stellt sie dabei fest, dass eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse wie etwa die Geldentwertung zu nicht mehr leistungsangemessenen Vergütungen geführt hat, ist sie von Verfassungs wegen zur umgehenden Nachbesserung der einschlägigen Vorschriften verpflichtet. Eine Prüfungspflicht regelt der durch die GOZ-Novelle von 2011 neu gefasste § 12 GOZ: Danach hat die Bundesregierung die Auswirkungen der Neustrukturierung sowie -bewertung der Leistungen der GOZ zu prüfen und dem Bundesrat bis spätestens Mitte des Jahres 2015 über das Ergebnis der Prüfung und die tragenden Gründe zu berichten. Diese Pflicht der Bundesregierung war in dem von der Bundesregierung beschlossenen Verordnungsentwurf vom 21. September 2011296 noch nicht enthalten. Sie beruht auf dem Beschluss des Bundesrates vom 4. November 2011297 zur GOZ-Novelle und wurde wie folgt begründet: „Die Novellierung führt nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) auf der Basis des nach der aktuellen GOZ abgerechneten Honorarvolumens (Stand: 2008) zu Mehraufwendungen in Höhe von rund 6 Prozent. Dieser Umfang der Erhöhung beruht auf der Annahme des BMG, dass durch die verschiedenen Anhebungen der Punktzahlen die in der Vergangenheit üblichen Überschreitungen des Schwellenwertes (2,3-facher Steigerungsfaktor) nicht mehr auftreten werden. Sollten sich diese Annahmen als nicht praxisgerecht erweisen, ist mit Mehrausgaben über den vom BMG angenommenen Wert von 6 Prozent zu rechnen. Diese Mehrausgaben wären von den öffentlichen Kostenträgern der Beihilfe, privaten Krankenversicherungsunternehmen, aber auch Privatpersonen (insbesondere Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung bei Inanspruchnahme außervertraglicher Leistungen) zu tragen. Eine Kostensteigerung über den angenommenen Wert von 6 Prozent hinaus wäre nicht sachgerecht. Auf der Grundlage des von der Bundesregierung zu erstellenden Berichts ist über eine Anpassung der Vorgaben der Gebührenordnung für Zahnärzte zu befinden.“

Ausweislich dieser Begründung des Bundesrates sollte die in § 12 GOZ n. F. geregelte Prüfungspflicht also gar nicht den berechtigten Interessen der Zahnärzte dienen. Dieser entstehungsgeschichtliche Befund ist jedoch für die Interpretation des § 12 GOZ n. F. nicht ausschlaggebend. Nach der Rechtsprechung des Bundesver295 Peter Badura, Die verfassungsrechtliche Pflicht des gesetzgebenden Parlaments zur „Nachbesserung“ von Gesetzen, in: Müller/Rhinow/Schmid/Wildhaber (Hrsg.), Staatsorganisation und Staatsfunktionen im Wandel. Festschrift für Kurt Eichenberger zum 60. Geburtstag, 1982, S. 481 (486). 296 Siehe BR-Drucks. 566/11, S. 8. 297 Siehe BR-Drucks. 566/11 (Beschluss), S. 6.

B. Grundrecht der Berufsfreiheit als staatliche Schutzpflicht

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fassungsgerichts ist für die Auslegung einer Rechtsnorm nämlich „der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers“ maßgebend, „so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist. Nicht entscheidend ist dagegen die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung der Bestimmung. Der Entstehungsgeschichte einer Vorschrift kommt für deren Auslegung nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach den angegebenen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die auf dem angegebenen Weg allein nicht ausgeräumt werden können.“298 Wegen der aus den genannten verfassungsrechtlichen Gründen bestehenden Prüfungs- und gegebenenfalls Nachbesserungspflicht des Verordnungsgebers ist § 12 GOZ n. F. verfassungskonform dahingehend auszulegen299, dass die Bundesregierung nicht nur zur Überprüfung, sondern für den Fall, dass sich bei der Prüfung Mängel in der Bewertung von Leistungen der GOZ feststellen lassen, im Interesse der betroffenen Zahnärzte auch zur umgehenden Nachbesserung verpflichtet ist. Die Überprüfung muss zur Wahrung des Grundrechts der Berufsfreiheit kontinuierlich erfolgen. § 12 Satz 2 GOZ n. F. setzt mit der Formulierung „bis spätestens Mitte 2015“ lediglich eine Frist, bis zu der die Bundesregierung dem Bundesrat „über das Ergebnis der Prüfung und die tragenden Gründe“ zu berichten hat.

B. Grundrecht der Berufsfreiheit als staatliche Schutzpflicht Nachfolgend wird schließlich die Frage untersucht, ob die GOZ-Novelle von 2011 – unabhängig von den festgestellten Verstößen gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit in seiner abwehrrechtlichen Funktion – auch die sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebende staatliche Schutzpflicht zulasten von Zahnärzten verletzt. Die abwehrrechtliche Dimension eines Freiheitsrechts und dessen Funktion als Schutzpflicht des Staates unterscheiden sich grundlegend im dogmatischen Ausgangspunkt.

I. Herleitung grundrechtlicher Schutzpflichten „Grundrechtswirkungen, die nicht unmittelbar subjektive Rechtsansprüche gewährleisten, lassen sich unter dem Sammelbegriff der objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalte bzw. der objektiv-rechtlichen Dimensionen zusammenfassen.“300 298

BVerfGE 1, 299 (312); vgl. auch BVerfGE 8, 274 (307); 10, 234 (244); 20, 238 (253); 59, 128 (153); 64, 261 (275); 110, 226 (248). 299 Diese Interpretation wurde bislang – soweit ersichtlich – nicht vertreten. Vgl. allgemein zum Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung Sodan/Ziekow (Fn. 33), § 2 Rn. 13 ff. 300 Dreier (Fn. 235), Vorb. Art. 1 Rn. 94.

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2. Teil: Zur Verfassungsmäßigkeit der GOZ-Novelle von 2011

Bereits im sog. Lüth-Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1958 folgt der Betonung der primären Funktion der Grundrechte als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat der Hinweis auf eine im Grundrechtsabschnitt des Grundgesetzes auch errichtete „objektive Wertordnung“, in der „eine prinzipielle Verstärkung der Geltungskraft der Grundrechte zum Ausdruck kommt“301. Teilweise spricht das Bundesverfassungsgericht auch vom „objektiv-rechtlichen Gehalt“302, von „objektivrechtlichen Elementen“303 oder von einer „objektiv-rechtlichen Wertentscheidung“ eines Grundrechts304. Speziell in Art. 12 Abs. 1 GG kommt „eine klare materielle Wertentscheidung des Grundgesetzes für einen konkreten wichtigen Lebensbereich“ zum Ausdruck.305 Dem Grundrecht der Berufsfreiheit wird demnach „ein besonderer Rang“ zugesprochen, dem zugleich eine „grundsätzliche Freiheitsvermutung“ zu entnehmen ist.306 Eine wichtige Konsequenz der Deutung der Grundrechte als objektive Werteordnung ist die Begründung von Schutzpflichten. Eine ausgeprägte Judikatur des Bundesverfassungsgerichts besteht insoweit vor allem zu den Grundrechten auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Danach folgt aus dem „objektiv-rechtlichen Gehalt die Pflicht der staatlichen Organe, sich schützend und fördernd vor die in Art. 2 Abs. 2 GG genannten Rechtsgüter zu stellen und sie insbesondere vor rechtswidrigen Eingriffen von seiten anderer zu bewahren“.307 Der Staat ist insoweit also nicht zur Unterlassung verpflichtet, sondern zum Handeln aufgefordert. In diesem Zusammenhang hebt das Bundesverfassungsgericht auch Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG hervor, wonach es Verpflichtung aller staatlichen Gewalt ist, die Würde des Menschen zu achten und zu schützen: „Daraus können sich verfassungsrechtliche Schutzpflichten ergeben, die es gebieten, rechtliche Regelungen so auszugestalten, daß auch die Gefahr von Grundrechtsverletzungen eingedämmt bleibt.“308 Das Bundesverfassungsgericht legt nach der Ableitung verfassungsrechtlicher Schutzpflichten aus der objektiv-rechtlichen Wertentscheidung der Verfassung die subjektiv-rechtliche Bedeutung dieser Schutzpflichten wie folgt dar: „Werden diese Schutzpflichten verletzt, so liegt darin zugleich eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, gegen die sich der Betroffene mit Hilfe der Verfassungsbeschwerde zur Wehr setzen kann.“309 Aus der staatlichen Schutzpflicht erwächst 301

BVerfGE 7, 198 (205). BVerfGE 53, 30 (57). 303 BVerfGE 57, 295 (320); vgl. auch BVerfGE 73, 261 (269). 304 BVerfGE 77, 170 (214). 305 BVerfGE 7, 377 (404). 306 BVerfGE 63, 266 (286); vgl. auch BVerfGE 66, 337 (359 f.). 307 BVerfGE 56, 54 (73); vgl. ferner BVerfGE 39, 1 (41); 46, 160 (164); ); 49, 89 (142); 53, 30 (57); 77, 170 (214 f.); 79, 174 (201 f.); 88, 203 (251); 115, 25 (44 f.); 115, 118 (152); BVerfG (Kammerbeschl.), NVwZ 2011, 991 (993). 308 BVerfGE 49, 89 (142); vgl. auch BVerfGE 88, 203 (251); BVerfG (Kammerbeschl.), NVwZ 2009, 1489; NVwZ 2009, 1494 (1495); NVwZ 2011, 991 (993). 309 BVerfGE 77, 170 (214); vgl. ferner BVerfGE 77, 381 (402 f.); 79, 174 (201 f.). 302

B. Grundrecht der Berufsfreiheit als staatliche Schutzpflicht

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also ein Schutzrecht des betroffenen Bürgers. „Schutzpflicht des Staates und Schutzanspruch des Bürgers für die Rechtsgüter Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit und Eigentum bilden den Kern der mit der modernen Staatlichkeit unabdingbar verbundenen Friedens- und Sicherheitsgewährleistung. Traditionell bildet ihre Erfüllung die Legitimationsgrundlage des staatlichen Anspruchs auf Loyalität und Rechtsgehorsam.“310 Grundsätzlich besteht allerdings kein subjektives Recht auf eine bestimmte gesetzliche Maßnahme, sondern nur „auf ein Tätigwerden des Gesetzgebers überhaupt“.311 Auch zur grundrechtlichen Schutzpflicht speziell im Hinblick auf die Berufsfreiheit finden sich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Reihe von Hinweisen. In der Begründung zu einem Urteil aus dem Jahr 1995 knüpft das Bundesverfassungsgericht an seine umfangreiche Judikatur zu den staatlichen Schutzpflichten bezüglich der Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit mit folgenden Worten an: „Die Freiheitsgrundrechte, darunter auch die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), schützen nicht nur vor Eingriffen der Staatsgewalt in eine dem Individuum verbürgte Freiheitssphäre. Vielmehr verpflichten sie den Staat auch, diese Freiheitssphäre zu schützen und zu sichern. In dieser Schutzpflicht entfaltet sich der objektive Gehalt des Grundrechts.“312 Insoweit kommt Art. 12 Abs. 1 GG auch eine Wirkung im Privatrecht zu. Die Einschränkung der Privatautonomie durch Vorschriften des Privatrechts hält das Bundesverfassungsgericht für „unentbehrlich, weil Privatautonomie auf dem Prinzip der Selbstbestimmung beruht, also voraussetzt, daß auch die Bedingungen freier Selbstbestimmung tatsächlich gegeben sind. Hat einer der Vertragsteile ein so starkes Übergewicht, daß er vertragliche Regelungen faktisch einseitig setzen kann, bewirkt dies für den anderen Vertragsteil Fremdbestimmung. Wo es an einem annähernden Kräftegleichgewicht der Beteiligten fehlt, ist mit den Mitteln des Vertragsrechts allein kein sachgerechter Ausgleich der Interessen zu gewährleisten. Wenn bei einer solchen Sachlage über grundrechtlich verbürgte Positionen verfügt wird, müssen staatliche Regelungen ausgleichend eingreifen, um den Grundrechtsschutz zu sichern“.313 Mehrfach betonte das Bundesverfassungsgericht, die durch Art. 12 Abs. 1 GG u. a. geschützte freie Wahl des Arbeitsplatzes verleihe keinen „unmittelbaren Schutz gegen den Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund privater Dispositionen“; insofern obliege „dem

310

Christoph Link, Staatszwecke im Verfassungsstaat – nach 40 Jahren Grundgesetz, VVDStRL 48 (1990), 7 (52, Ls. 10). 311 Klaus Stern, Die Schutzpflichtenfunktion der Grundrechte: Eine juristische Entdeckung, DÖV 2010, 241 (248). 312 BVerfGE 92, 26 (46). 313 BVerfGE 81, 242 (254 f.); vgl. ferner BVerfGE 89, 214 (234); 98, 365 (395). Siehe dazu in der Literatur näher Wieland (Fn. 292), Art. 12 Rn. 151 ff.; Matthias Ruffert, in: Epping/ Hillgruber (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 2009, Art. 12 Rn. 19 ff.; Jörn Axel Kämmerer, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 12 Rn. 2.

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2. Teil: Zur Verfassungsmäßigkeit der GOZ-Novelle von 2011

Staat lediglich eine aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende Schutzpflicht, der die geltenden Kündigungsvorschriften hinreichend Rechnung“ trügen.314

II. Staatliche Schutzpflicht zum Erlass eines Gebührenrechts für privatzahnärztliche Behandlungen? Sehr zweifelhaft ist jedoch, ob sich überhaupt aus der Berufsfreiheit zugunsten von Zahnärzten eine grundrechtliche Schutzpflicht zum Erlass von Regelungen in einer speziellen Gebührenordnung herleiten lässt. Denn wenn es keine GOZ gäbe, bestünde die Vertragsfreiheit von Zahnärzten, mit ihren Patienten die Vergütungen für die beruflichen Leistungen selbst zu vereinbaren. Diese wäre lediglich durch allgemeine Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)315 beschränkt. Der zwischen dem Zahnarzt und seinem Patienten geschlossene Vertrag über eine privatzahnärztliche Behandlung wird regelmäßig als Dienstvertrag nach § 611 BGB qualifiziert; im Einzelfall kann ein Werkvertrag im Sinne von § 631 BGB vorliegen.316 Bei einem Dienstvertrag gilt nach § 612 Abs. 1 BGB eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen (§ 612 Abs. 2 BGB). Entsprechende Regelungen enthält § 632 Abs. 1 und 2 BGB für den Werkvertrag. Eine äußerste Grenze für die Vertragsfreiheit bestimmt § 138 Abs. 1 BGB, wonach ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig ist. Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen (§ 138 Abs. 2 BGB). Von einem in Vertragsverhandlungen über die Honorierung privatzahnärztlicher Behandlungen gegebenen strukturellen Ungleichgewicht zulasten von Zahnärzten gegenüber ihren Patienten317, welches eine staatliche Schutzpflicht zugunsten der 314 BVerfGE 84, 133 (146 f.); fast wortgleich BVerfGE 92, 140 (150); 97, 169 (175). Kritisch zur insoweit objektiv-rechtlichen Dimension der Berufsfreiheit Karl-Heinz Ladeur, Die objektiv-rechtlichen Dimensionen der wirtschaftlichen Grundrechte, DÖV 2007, 1 (4 f.). 315 In der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I, S. 42, ber. S. 2909 und BGBl. 2003 I, S. 738), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs zum besseren Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Kostenfallen im elektronischen Geschäftsverkehr und zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes vom 10. Mai 2012 (BGBl. I, S. 1084). 316 Zuck (Fn. 139), § 28 Rn. 1 m. w. N. 317 Vgl. zu diesem Gesichtspunkt oben S. 79.

B. Grundrecht der Berufsfreiheit als staatliche Schutzpflicht

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Zahnärzte begründen könnte, dürfte kaum auszugehen sein. Eher wird man umgekehrt eine Schutzpflicht zugunsten der Patienten annehmen können, als deren Grundlagen das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG), welches u. a. auch die Vertragsfreiheit eines Patienten gewährleistet318, und das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) in Betracht kommen. Der Verwirklichung einer solchen Schutzpflicht dient etwa die Regelung in § 15 Satz 3 ZHG, wonach die Vergütungen der einzelnen Leistungen den berechtigten Interessen nicht nur der Zahnärzte, sondern auch ihrer Patienten Rechnung tragen müssen.319 Die Verneinung einer grundrechtlichen Schutzpflicht zugunsten der Zahnärzte steht hier nicht im Widerspruch zu den oben320 festgestellten Nachbesserungspflichten des Verordnungsgebers. Denn diese ergeben sich aus der Abwehrfunktion des Art. 12 Abs. 1 GG und nicht aus einer durch diese Grundrechtsnorm begründeten Schutzpflicht.

III. Weite Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers Selbst wenn eine aus der Berufsfreiheit herzuleitende grundrechtliche Schutzpflicht in Bezug auf die GOZ bestehen sollte, würde jedoch die gerichtliche Überprüfbarkeit der Erfüllung dieser Schutzpflicht auf Grenzen stoßen.321 Dem Gesetzgeber und der vollziehenden Gewalt kommen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Erfüllung grundrechtlicher Schutzpflichten „ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsbereich zu, der auch Raum läßt, etwa konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen“.322 „Diese weite Gestaltungsfreiheit kann von den Gerichten je nach Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und der Bedeutung der auf dem Spiele stehenden Rechtsgüter nur in begrenztem Umfang überprüft werden.“323 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt aus den Grundrechten auf Leben und körperliche Unversehrtheit „regelmäßig kein verfassungsrechtlicher Anspruch gegen die Krankenkassen auf Bereitstellung bestimmter und 318

Vgl. etwa BVerfGE 8, 274 (328); 74, 129 (152); 95, 267 (303 f.); 103, 197 (215); 114, 1 (34 f.); 117, 163 (181); 126, 286 (300). 319 Vgl. dazu S. 40 ff. 320 Vgl. S. 72 ff. 321 Vgl. allgemein zur gerichtlichen Überprüfbarkeit der Erfüllung von Schutzpflichten Helge Sodan, Der Anspruch auf Rechtsetzung und seine prozessuale Durchsetzbarkeit, NVwZ 2000, 601 (603 ff.). 322 BVerfGE 77, 170 (214 f.); 79, 174 (202); BVerfG (Kammerbeschl.), NJW 1996, 651; NVwZ 2009, 1494 (1495); NVwZ 2011, 991 (993). 323 BVerfGE 77, 170 (215) – ohne die Hervorhebung; vgl. ferner bereits BVerfGE 56, 54 (80 f.).

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2. Teil: Zur Verfassungsmäßigkeit der GOZ-Novelle von 2011

insbesondere spezieller Gesundheitsleistungen“.324 „Die Gestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung hat sich jedoch an der objektivrechtlichen Pflicht des Staates zu orientieren, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu stellen“.325 Das Bundesverfassungsgericht stellte klar, dass es „mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar“ ist, „einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht“.326 Insofern könnten diese Grundrechte „in besonders gelagerten Fällen die Gerichte zu einer grundrechtsorientierten Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts verpflichten“.327 Einen eher strengen Maßstab legte das Bundesverfassungsgericht auch in seiner Judikatur zum Atomrecht328 und vor allem in Entscheidungen zum Schwangerschaftsabbruch an329. Im jüngeren „Nasciturus-Urteil“ von 1993 wich das Gericht ausdrücklich vom Maßstab einer sog. Evidenzkontrolle unter Hinweis auf den Schutz menschlichen Lebens ab330; es machte dem zur Neuregelung verpflichteten Gesetzgeber außerordentlich detaillierte Vorgaben331. In dieser Entscheidung wurde dem Gesetzgeber die Beachtung des Untermaßverbotes auferlegt: „Notwendig ist ein – unter Berücksichtigung entgegenstehender Rechtsgüter – angemessener Schutz; entscheidend ist, daß er als solcher wirksam ist. Die Vorkehrungen, die der Gesetzgeber trifft, müssen für einen angemessenen und wirksamen Schutz ausreichend sein und zudem auf sorgfältigen Tatsachenermittlungen und vertretbaren Einschätzungen beruhen […] Soll das Untermaßverbot nicht verletzt werden, muß die Ausgestaltung des Schutzes durch die Rechtsordnung Mindestanforderungen entsprechen.“332

Aus der zum Übermaßverbot entwickelten Terminologie333 können zur Anwendung des Untermaßverbotes die Begriffe der Eignung, Erforderlichkeit und Zu324 BVerfGE 115, 25 (44); vgl. auch BVerfG (Kammerbeschl.), NJW 1997, 3085; NJW 1998, 1775 (1776). 325 BVerfGE 115, 25 (44 f.). 326 BVerfGE 115, 25, Ls. 327 BVerfGE 115, 25 (45). 328 Vgl. BVerfGE 49, 89 (142 f.); 53, 30 (57 ff.). 329 Vgl. BVerfGE 39, 1 (51 ff.); 88, 203 (251 ff.). 330 BVerfGE 88, 203 (262 f.). 331 BVerfGE 88, 203 (insbes. 270 ff.). 332 BVerfGE 88, 203 (254 f.); vgl. etwa auch BVerfG (Kammerbeschl.), NVwZ 2009, 1489 (1490). 333 Vgl. oben S. 61 ff.

B. Grundrecht der Berufsfreiheit als staatliche Schutzpflicht

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mutbarkeit unter Berücksichtigung der Besonderheiten grundrechtlicher Schutzpflichten verwandt werden.334 Überwiegend hat das Bundesverfassungsgericht sich jedoch auf eine Evidenzkontrolle beschränkt und für eine Feststellung der Verletzung einer grundrechtlichen Schutzpflicht zur Voraussetzung erhoben, dass die staatlichen Organe entweder „gänzlich untätig geblieben“ oder „die bisher getroffenen Maßnahmen evident unzureichend sind“.335 Auf der Grundlage einer solchen zurückhaltenden Prüfung verneinte das Bundesverfassungsgericht jeweils Verletzungen der Schutzpflicht für Leben und körperliche Unversehrtheit durch das Unterlassen von Nachbesserungen bei der Fluglärmbekämpfung336, durch gesetzliche Vorschriften im Bauleitplanungsund Immissionsschutzrecht für die Straßenfestsetzung in Bezug auf den Lärmschutz337, durch die fachgerichtliche Ablehnung eines immissionsschutzrechtlich begründeten nachbarlichen Abwehranspruchs gegen eine Mobilfunksendeanlage338, durch Regelungen von Verkehrsverboten zur kurzfristigen Bekämpfung erhöhter Ozonkonzentrationen339, durch Unterlassen der Festsetzung von Geschwindigkeitsbeschränkungen im Straßenverkehr340 und einer Verstärkung des Nichtraucherschutzes341. Auch im Hinblick auf die Erfüllung von Schutzpflichten, die aus Art. 12 Abs. 1 GG herzuleiten sind, nimmt das Bundesverfassungsgericht eine Evidenzkontrolle vor und führt in einer Urteilsbegründung aus dem Jahr 1995 aus: „Bestimmte Anforderungen an die Art und das Maß des Schutzes lassen sich der Verfassung […] grundsätzlich nicht entnehmen. Die staatlichen Organe, denen die Wahrung des Grundgesetzes als Ganzes anvertraut ist, haben bei der Erfüllung von Schutzpflichten einen weiten Gestaltungsraum. Oft geht es darum, gegensätzliche Grundrechtspositionen auszugleichen und jeder angemessene Geltung zu verschaffen. Dafür gibt das Grundgesetz nur den Rahmen, nicht aber bestimmte Lösungen vor. Das Bundesverfassungsgericht kann deswegen die Verletzung einer Schutzpflicht nur feststellen, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffenen Rege-

334

Siehe dazu näher Sodan (Fn. 321), 605 f. BVerfG (Kammerbeschl.), NJW 1996, 651; NJW 1998, 2961 (2962); vgl. ferner BVerfGE 85, 191 (212); 89, 276 (286); 92, 26 (46); BVerfG (Kammerbeschl.), NJW 2010, 1943 (1944 f.). 336 BVerfGE 56, 54 (80 ff.); BVerfG (Kammerbeschl.), NVwZ 2008, 780 (784 f.); NVwZ 2009, 1489 (1492 f.); NVwZ 2009, 1494 ff. 337 BVerfGE 79, 174 (202). 338 BVerfG (Kammerbeschl.), NVwZ 2007, 805 f. 339 BVerfG (Kammerbeschl.), NJW 1996, 651. 340 BVerfG (Kammerbeschl.), NJW 1996, 651 (652). 341 BVerfG (Kammerbeschl.), NJW 1998, 2961 (2962). Vgl. jedoch speziell zur Schutzpflicht betreffend den Nichtraucherschutz in Gaststätten und Diskotheken BVerfGE 121, 266 (356 f.). 335

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2. Teil: Zur Verfassungsmäßigkeit der GOZ-Novelle von 2011 lungen und Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen, oder erheblich dahinter zurückbleiben.“342

Diese Voraussetzungen wären jedoch im Falle der GOZ-Novelle von 2011, sofern bezüglich einer solchen Rechtsetzung überhaupt eine staatliche Schutzpflicht aus Art. 12 Abs. 1 GG zugunsten von Zahnärzten bestehen sollte, nicht erfüllt. Zu verweisen ist auf die bereits oben im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung angestellten Überlegungen343 : Dass die in dieser Novelle geregelten Vergütungen für privatzahnärztliche Leistungen so unangemessen niedrig sind, dass etwa die wirtschaftliche Existenz des zahnärztlichen Berufsstandes insgesamt oder auch nur der ausschließlich privatzahnärztlich Tätigen gefährdet und damit der Schutz der Zahnärzte durch die Verordnungsgebung evident im Sinne der genannten Rechtsprechung verfehlt wäre, lässt sich derzeit nicht feststellen.

IV. Fazit Sehr zweifelhaft ist, ob sich überhaupt aus der Berufsfreiheit zugunsten von Zahnärzten eine grundrechtliche Schutzpflicht zum Erlass von Regelungen in einer speziellen Gebührenordnung herleiten lässt. Denn wenn es keine GOZ gäbe, bestünde die Vertragsfreiheit von Zahnärzten, mit ihren Patienten die Vergütungen für die beruflichen Leistungen selbst zu vereinbaren. Diese wäre lediglich durch allgemeine Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs beschränkt. Selbst wenn eine aus der Berufsfreiheit herzuleitende grundrechtliche Schutzpflicht in Bezug auf die GOZ bestehen sollte, könnte sich der Verordnungsgeber aber auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts berufen, wonach die staatlichen Organe bei der Erfüllung von Schutzpflichten einen weiten Gestaltungsspielraum besitzen, der auch Raum lässt, etwa konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen. Abgesehen von besonderen Fällen, in denen es um den Schutz menschlichen Lebens ging und in denen ein strengerer Maßstab angewandt wurde, hält sich das Bundesverfassungsgericht nur dann zur Feststellung der Verletzung einer grundrechtlichen Schutzpflicht für berechtigt, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffenen Regelungen und Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen, oder erheblich dahinter zurückbleiben. Diese Voraussetzungen sind im Falle der GOZ-Novelle von 2011 nicht erfüllt.

342 BVerfGE 92, 26 (46); vgl. auch BVerfGE 97, 169 (176 f.); Wieland (Fn. 292), Art. 12 Rn. 156 f. 343 Vgl. S. 66 f.

Dritter Teil

Zusammenfassung in Leitsätzen Wesentliche Ergebnisse der gesamten Untersuchung lassen sich in Leitsätzen wie folgt zusammenfassen: 1. Dem Bund fehlt die notwendige Verbandskompetenz zur Regelung der zahnärztlichen Gebühren. Aus der bewusst begrenzten Reichweite der Kompetenzbestimmung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG folgt eine Sperrwirkung gegenüber anderen, allgemeineren Kompetenzvorschriften, insbesondere auch gegenüber Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG („Recht der Wirtschaft“). Die entgegenstehende Auffassung, welche der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in einem Beschluss aus dem Jahr 1984 zu dem für Ärzte geltenden Gebührenrecht vertreten hat (BVerfGE 68, 319 [327 ff.]), trägt der Regelungssystematik des Art. 74 Abs. 1 GG nicht hinreichend Rechnung. Der Bund verletzt daher mit der Vorschrift in § 15 ZHG das Gesetzgebungsrecht der Länder nach Art. 70 Abs. 1 GG. Mangels gültiger Ermächtigungsgrundlage für die GOZ-Novelle von 2011 verstößt diese gegen den in Art. 80 Abs. 1 GG normierten Vorbehalt des Gesetzes. 2. Staatliche Regelungen der Gebührensätze für privatzahnärztliche Behandlungen, wie sie die GOZ-Novelle von 2011 enthält, greifen in das den Zahnärzten durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Grundrecht der Berufsfreiheit ein. Diese Eingriffe bedürfen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung; anderenfalls führen sie zu einer Verletzung des Grundrechts. 3. Da es sich bei der GOZ-Novelle um eine Rechtsverordnung handelt, bedarf sie – um verfassungsgemäß zu sein – einer wirksamen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage (vgl. Art. 80 Abs. 1 GG). Lässt man außer Betracht, dass § 15 ZHG wegen Fehlens einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes nichtig ist, könnte diese Norm die erforderliche gesetzliche Grundlage darstellen. 4. In materieller Hinsicht ist von der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift auszugehen. 5. § 15 ZHG ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats die Vergütungen zahnärztlicher Leistungen zu regeln. Die Gebührenordnung muss Mindest- und Höchstsätze enthalten. Bei der Festsetzung dieser Sätze ist – nur – den berechtigten Interessen der Zahnärzte und Patienten Rechnung zu tragen. Die Interessen Dritter haben keine Berücksichtigung zu finden. Die jeweilige Leistung muss angemessen, d. h. leistungsgerecht vergütet werden. Auf eine Mischkalkulation darf die GOZ nicht abstellen.

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3. Teil: Zusammenfassung in Leitsätzen

6. Innerhalb dieses gesetzgeberischen Rahmens muss sich der Inhalt der GOZ und damit auch derjenige der Änderungsverordnung von 2011 bewegen, um nicht unter Verstoß gegen Art. 80 Abs. 1 GG und damit in verfassungswidriger Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG einzugreifen. 7. Grundsätzlich besteht ein Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers, wie er die gesetzlichen Vorgaben umsetzt. Vorliegend kann dieser Spielraum im Rahmen einer Vertretbarkeitskontrolle überprüft werden. Dieser Maßstab verlangt, dass der Verordnungsgeber sich an einer sachgerechten und vertretbaren Beurteilung des erreichbaren Materials orientiert hat. Diese Anforderung ist hier jedoch nicht erfüllt, so dass der Verordnungsgeber seinen gestalterischen Spielraum, der ihm durch § 15 ZHG eingeräumt wird, mit der GOZ-Novelle von 2011 überschritten hat. 8. Wegen der Deckelung des Honoraranstiegs um 6 % und der Orientierung am Gesamthonorarvolumen sowie den Interessen der staatlichen Beihilfestellen und privaten Krankenversicherungsunternehmen hat der Verordnungsgeber mit der GOZ-Novelle von 2011 das Gebot des § 15 Satz 3 ZHG missachtet, wonach die Vergütung der einzelnen Leistung den berechtigten Interessen des Zahnarztes und seines Patienten Rechnung tragen muss. Leistungsangemessene Honorierungen werden deshalb trotz hinreichenden Datenmaterials verfehlt. Hinzu kommt, dass derzeit insgesamt 63 Gebührenpositionen zu keinen angemessenen Vergütungen führen, weil die 2,3-fachen GOZ-Sätze jeweils nicht einmal die sich in Anwendung des BEMA für die entsprechenden zahnärztlichen Leistungen ergebende Vergütungshöhe erreichen, obwohl damit nur erforderliche und durchschnittliche Standardleistungen vergütet werden sollen. 9. Nach den vorliegenden Erkenntnissen und in Anwendung von – teilweise nicht gerade strengen – Maßstäben aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verstoßen Gebührenregelungen der GOZ-Novelle von 2011 nicht gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und verletzen insoweit nicht das Grundrecht der Berufsfreiheit zulasten von Zahnärzten. 10. Der in § 5 Abs. 1 Satz 3 GOZ (5,62421 Cent) im Vergleich zu § 5 Abs. 1 Satz 3 GOÄ (5,82873 Cent) niedrigere Punktwert verstößt zulasten der betroffenen Zahnärzte gegen Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, weil es an einem sachlichen Grund für die gegenüber den Ärzten ungleiche Behandlung fehlt. Daraus ergibt sich allerdings nicht zwangsläufig eine Pflicht der Bundesregierung zur Anhebung des in § 5 Abs. 1 Satz 3 GOZ festgesetzten Punktwerts. Denn dem Verordnungsgeber verbleibt ein gewisser Spielraum, wie er die Ungleichbehandlung beseitigen will. Weil die GOZ-Novelle von 2011 jedoch in die umfangreichen Änderungen der GOZ keine Maßnahme zur Beseitigung der seit langem bestehenden Ungleichbehandlung einbezogen hat, ist sie auch insoweit verfassungswidrig. 11. In verschiedenen Fallkonstellationen verzichtet das Bundesverfassungsgericht trotz der zuvor im Rahmen der Normprüfung gewonnenen Erkenntnis der Verfassungswidrigkeit auf die Nichtigerklärung und beschränkt sich auf die Fest-

3. Teil: Zusammenfassung in Leitsätzen

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stellung der Unvereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz. Dies gilt etwa dann, wenn der Normgeber mehrere Möglichkeiten hat, um den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen, und die Nichtigerklärung in die Gestaltungsfreiheit des Normgebers eingreifen würde. Unterstellt man entgegen der hier vertretenen Auffassung eine Verbandskompetenz des Bundes zur Regelung der zahnärztlichen Gebühren, so sind sowohl § 15 ZHG als auch die GOZ-Novelle von 2011 in formeller Hinsicht verfassungsgemäß. Es verbleiben jedoch die übrigen festgestellten Verfassungsverstöße dieser Novelle, die aber nicht zur Nichtigkeit der betreffenden Regelungen führen. 12. Wenn nämlich die Bundesregierung an einer zahnärztlichen Gebührenordnung festhalten will, wovon auszugehen sein dürfte, so kann sie bei der Beseitigung verfassungsrechtlicher Mängel einen Gestaltungsspielraum für sich in Anspruch nehmen. Das Grundgesetz gibt eben keine bestimmten Gebührensätze für privatzahnärztliche Leistungen vor. Dem Verordnungsgeber sind im Falle von Neuregelungen aber Grenzen gesetzt, welche sich aus den Aspekten ergeben, auf denen die festgestellten Verfassungsverstöße beruhen. Insoweit muss er vor allem beachten, dass nach den Vorgaben des § 15 Satz 3 ZHG die Vergütungen der einzelnen Leistungen den berechtigten Interessen der Zahnärzte und ihrer Patienten Rechnung zu tragen haben; Belange staatlicher Beihilfestellen und privater Krankenversicherungsunternehmen sind nicht zu berücksichtigen. Hält der Verordnungsgeber an der derzeitigen Regelungssystematik fest, so muss er ferner sicherstellen, dass die 2,3fachen GOZ-Sätze zumindest die sich in Anwendung des BEMA für die entsprechenden zahnärztlichen Leistungen ergebende Vergütungshöhe erreichen. Ob er zur Gewährleistung leistungsangemessener Vergütungen für privatzahnärztliche Tätigkeiten den Punktwert und/oder einzelne bzw. alle Punktzahlen erhöht oder künftig den Zahnärzten mehr Spielraum für die Bestimmung von Steigerungsfaktoren einräumt, kann er im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit entscheiden. Denkbar ist auch die Herabsetzung der Anforderungen an abweichende Vereinbarungen im Sinne von § 2 GOZ, um Zahnärzten und Patienten wieder mehr Vertragsfreiheit zu geben. 13. Im Übrigen lässt sich hier bereits aus allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsätzen eine Pflicht des Verordnungsgebers zur kontinuierlichen Beobachtung der Auswirkungen der von ihm in der GOZ getroffenen Regelungen und zur gegebenenfalls erforderlichen Nachbesserung herleiten. Stellt die Bundesregierung fest, dass eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse wie etwa die Geldentwertung zu nicht mehr leistungsangemessenen Vergütungen geführt hat, ist sie von Verfassungs wegen zur Nachbesserung der einschlägigen Vorschriften verpflichtet. Infolgedessen ist der durch die GOZ-Novelle von 2011 neu gefasste § 12 GOZ verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Bundesregierung nicht nur zur Überprüfung, sondern für den Fall, dass sich bei der Prüfung Mängel in der Bewertung von Leistungen der GOZ feststellen lassen, im Interesse der betroffenen Zahnärzte auch zur umgehenden Nachbesserung verpflichtet ist.

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3. Teil: Zusammenfassung in Leitsätzen

14. Die Freiheitsrechte und damit auch das Grundrecht der Berufsfreiheit schützen nicht nur gegen Eingriffe in die Freiheitssphäre durch staatliche Gewalt, sondern verpflichten den Staat auch dazu, diese Freiheitssphäre zu schützen und zu sichern. In dieser Schutzpflicht verwirklicht sich der objektiv-rechtliche Gehalt des jeweiligen Freiheitsrechts. Während insoweit eine ausgeprägte Judikatur des Bundesverfassungsgerichts vor allem zu dem in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit existiert, finden sich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur grundrechtlichen Schutzpflicht speziell im Hinblick auf die Berufsfreiheit nur vergleichsweise wenige Hinweise. Sehr zweifelhaft ist jedoch, ob sich überhaupt aus der Berufsfreiheit zugunsten von Zahnärzten eine grundrechtliche Schutzpflicht zum Erlass von Regelungen in einer speziellen Gebührenordnung herleiten lässt. Denn wenn es keine GOZ gäbe, bestünde die Vertragsfreiheit von Zahnärzten, mit ihren Patienten die Vergütungen für die beruflichen Leistungen selbst zu vereinbaren. Diese wäre lediglich durch allgemeine Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs beschränkt. 15. Selbst wenn eine aus der Berufsfreiheit herzuleitende grundrechtliche Schutzpflicht in Bezug auf die GOZ bestehen sollte, könnte sich der Verordnungsgeber aber auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts berufen, wonach die staatlichen Organe bei der Erfüllung von Schutzpflichten einen weiten Gestaltungsspielraum besitzen, der auch Raum lässt, etwa konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen. Abgesehen von besonderen Fällen, in denen es um den Schutz menschlichen Lebens ging und in denen ein strengerer Maßstab angewandt wurde, hält sich das Bundesverfassungsgericht nur dann zur Feststellung der Verletzung einer grundrechtlichen Schutzpflicht für berechtigt, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffenen Regelungen und Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen, oder erheblich dahinter zurückbleiben. Diese Voraussetzungen sind im Falle der GOZ-Novelle von 2011 nicht erfüllt.

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Uleer, Christoph / Miebach, Jürgen / Patt, Joachim: Abrechnung von Arzt- und Krankenhausleistungen. Kommentar, 3. Aufl. 2006. Weissauer, Walther: Zur Neuordnung des ärztlichen und zahnärztlichen Gebührenrechts, NJW 1966, 382 ff. Wichmann, Karl-Heinz: Zur Neuordnung des ärztlichen und zahnärztlichen Gebührenrechts, NJW 1965, 1064 ff. Wimmer, Raimund: Der Rechtsanspruch von Vertragsärzten auf eine angemessene Vergütung, MedR 1998, 533 ff. – Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität in der gesetzlichen Krankenversicherung, in: Sodan (Hrsg.), Finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung und Grundrechte der Leistungserbringer, 2004, S. 45 ff. Zimmermann, Markus: Sozialversicherung und Privatversicherung im Kompetenzengefüge des Grundgesetzes. Dargestellt unter besonderer Berücksichtigung der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung, 2009. Zuck, Rüdiger: Das Recht der Verfassungsbeschwerde, 3. Aufl. 2006. – Vertragsrecht und Vergütung, in: Quaas/Zuck, Medizinrecht, 2. Aufl. 2008, § 28. – Gebührenordnung für Zahnärzte, 2012. – Die GOZ-Novelle, MedR 2012, 436 ff. Zuleeg, Manfred: Die Ermessensfreiheit des Verordnungsgebers, DVBl. 1970, 157 ff.

Sachwortverzeichnis Allgemeiner Gleichheitssatz 55, 67 ff., 71 f., 86 Angemessenheit der Vergütung 17 ff., 20, 25 f., 41, 42 ff., 46, 48 f., 53 ff., 58 f., 61 ff., 72, 76, 84 ff. Auffanggrundrecht 26 f. Ausländer 26 f. Auslegung 29 ff., 33 ff., 39 ff., 62, 67 f., 77, 82, 87 Beihilfe 15 f., 20, 41, 56 f., 60, 72, 86 f. BEMA 14, 57 ff., 61, 72, 86 f. Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht 72 ff., 81, 87 Berechnung der Vergütungen für privatzahnärztliche Tätigkeiten 14 ff. Berechnungsmethode 42, 54 ff. Berechtigte Interessen 28, 38, 40, 41 f., 44 f., 46, 48 f., 56, 60, 63, 72, 76, 81, 85 f. Berufsfreiheit – Abwehrrecht 21 ff., 77 f. – Berufsausübungsregelung 25, 28, 62 f., 67, 75 – Berufszulassungsregelung 29, 62 f. – Eingriff 27 f., 63, 72, 76, 85 – Schutzbereich 23 ff. – Schutzpflicht 21, 77 ff., 80 ff., 84, 88 – verfassungsrechtliche Rechtfertigung eines Eingriffs 28 ff., 38 f., 39 ff., 61 ff., 69 f. BUGO-Z siehe Gebührenordnung für Zahnärzte vom 18. März 1965 Bundesmantelvertrag 14, 57 f. Deutsche 26 f. Deutschen-Grundrechte 27 Dienstvertrag 40, 80 Dimensionen der Grundrechte 21, 77 ff. Drei-Stufen-Theorie 62

Eigentumsfreiheit 26, 79 Einheitlicher Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen siehe BEMA Erforderlichkeit des Mittels 61, 64 f., 82 f. Ermächtigungsgrundlage 28 ff., 38 f., 39 ff., 46 ff., 85 Facharzt-Beschluss 29, 32 f. Föderalismusreform I 31, 36 f. Freiberuflichkeit 24, 34 f., 65 Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) 15, 18 f., 27, 31, 33, 35, 52, 63 f., 68 ff., 72, 86 Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) 13 ff., 26 ff., 38 ff., 42, 44 ff., 63 ff., 76 f., 80 f., 84, 85 ff. – Historie 13 f., 14 ff., 16 f., 17 ff. Gebührenordnung für Zahnärzte vom 18. März 1965 (BUGO-Z) 14, 17 ff., 42, 45 Gebührenrahmen 15 f., 18 f., 58 Gebührenverzeichnis 13 f., 14 ff., 16 f., 17 f., 42, 45 Geeignetheit des Mittels 61, 64, 82 f. Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde (ZHG) 20, 28 ff., 38 ff., 44 ff., 53 f., 56 f., 60, 71 f., 85 ff. Gesetzgebungskompetenz – Gebührenrecht 13, 28 ff., 39, 71, 85 – Recht der Wirtschaft 30 f., 33 ff., 85 – Regelung der Krankenhauspflegesätze 30 – Sozialversicherung 30 – Sperrwirkung 31 ff. – wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser 30 – Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen 29 f., 32 f. Gesetzliche Krankenversicherung 20, 30, 42 f., 46, 48, 53, 58 f., 74, 76, 81 f. Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers 46 ff., 70, 72, 81 ff., 86

Sachwortverzeichnis Gewerbe 34 f. GOÄ siehe Gebührenordnung für Ärzte GOZ siehe Gebührenordnung für Zahnärzte Hartz-IV-Urteil 54 ff. Honorarvolumen 16, 45, 51 ff., 54, 56, 60, 76, 86 Interessen von Zahnärzten und Patienten 40 f., 46 ff. Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung 14, 49, 51, 57 Kontrolldichte siehe Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers Kostenneutralität 18 f., 20 Legitimer Zweck 61 ff. Mitbestimmungs-Urteil 47 f. Mischkalkulation 42, 44 ff., 85 Nichtigkeit 71, 80, 85 ff. Preußische Gebührenordnung für approbierte Ärzte und Zahnärzte (PreuGO) 17 ff. Privatautonomie 79 Private Krankenversicherung 15 f., 20, 41, 56 f., 60, 72, 86 f. Punktwert 13, 14 ff., 16 f., 17 ff., 49 ff., 60, 68 ff., 72, 86 f. Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit 22, 26 f., 81 Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit 78 f., 81, 83, 88 Recht der Wirtschaft 30 f., 33 ff., 85 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz 44

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Rechtsgrundlage siehe Ermächtigungsgrundlage Rechtsstaatsprinzip 22, 75 Rechtsverordnung 20, 28, 38 f., 41, 46, 61, 85 Schutzpflichten 21, 77 ff., 80 ff., 84, 88 Sozialstaatsprinzip 43 f., 82 Sozialversicherung 30 Spielraum des Verordnungsgebers siehe Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers Spitzenverband Bund der Krankenkassen 14, 57 Steigerungsfaktor 17 ff., 47, 50 f., 60, 72, 76, 87 Übermaßverbot siehe Verhältnismäßigkeit Ungleichbehandlung siehe Allgemeiner Gleichheitssatz Verbandskompetenz 28, 38 f., 71, 85, 87 Verfassungskonforme Auslegung 77, 87 Verfassungswidrigkeit 21, 49, 70, 71 f., 73, 75, 86 f. Vergütungsanspruch 39 ff., 46 ff., 61 ff. Verhältnismäßigkeit 21, 22, 61 ff., 69, 74 f., 82, 84, 86 Vertragsärztliche Versorgung 42 f. Vertragsfreiheit 25, 27, 72, 80 f., 84, 87 f. Vorbehalt des Gesetzes 23, 28, 38, 60, 62, 71, 85 Vorrang des Gesetzes 28, 60 Weimarer Reichsverfassung (WRV) 34 f. Werkvertrag 40, 80 Willkür 67, 69 ZHG siehe Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde Zumutbarkeit 61, 65 ff., 82 f.