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German Pages [373] Year 2021
St. Stephan in Wien
Die „Herzogswerkstatt“ Barbara Schedl und Franz Zehetner (Hg.)
St. Stephan in Wien. Die „Herzogswerkstatt“
Herausgegeben von Barbara Schedl und Franz Zehetner
BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN
Gedruckt mit Unterstützung von: Verein „Unser Stephansdom“ Metropolitan- und Domkapitel zu St.Stephan Stadt Wien Kultur Wiener Städtische Versicherung MagMag Events.promotion gmbH Erich Pummer GmbH Bezirksvertretung für den Ersten Wiener Gemeindebezirk
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2022 Böhlau Verlag, Zeltgasse 1, A-1080 Wien, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, Verlag Antike und V&R unipress. Coverabbildung: Wien, St. Stephan, Detail vom Singertor Korrektorat: Constanze Lehmann Umschlaggestaltung: Michael Haderer, Wien Satz: Bettina Waringer, Wien Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-205-21372-7
Inhalt Zum Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Barbara Schedl Das Fürstenpaar und St. Stephan nach den Schriftquellen . . . . . . . . 11 Achim Hubel Der Hallenchor von St. Stephan in Wien Überlegungen zum Verhältnis von Architektur und Plastik . . . . . . . 33 Peter Kurmann Könige unter Heiligen Bemerkungen zu den Konsolfiguren im „albertinischen“ Chor . . . . . 89 Stefan Breitling Die Wiener Fürstenportale Beobachtungen zur Baukonstruktion und zum Bauablauf . . . . . . . . 101 Katharina Arnold Arbeit nach Maß Beobachtungen zum Planungs- und Entwurfsprozess der Fürstenportale von St. Stephan in Wien . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Katharina Arnold und Stephan Albrecht Die Wiener Fürstenportale Das Verhältnis von Architektur und Skulptur . . . . . . . . . . . . . . 141 Ruth Tenschert Die Wiener Fürstenportale Neue Beobachtungen zum Bestand und der Veränderungsgeschichte . . . 153 Klaus Niehr Inhabited Architecture Das Bischofs- und das Singertor an St. Stephan zu Wien und die Figurenportale des 14. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . .173 Assaf Pinkus Prachtvolle Erscheinung und anmutige Bewegung Höfisches Dekorum und die Wiener Herzogsfiguren . . . . . . . . . . 189 Michael Viktor Schwarz Baugeschichte – Bildgeschichte Zur historischen Lesbarkeit der Befunde an den Fürstenportalen von St. Stephan . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
Romuald Kaczmarek Was ist am Striegauer Tympanon mit der Pauluslegende wienerisch? Überregionale und regionale Überlegungen zur bildhauerischen Ausstattung der ehemaligen Johanniter- und Stadtpfarrkirche zu Striegau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Jakub Adamski und Thomas Flum Die Paulusportale in Wien und Striegau Historischer und kunstgeschichtlicher Kontext einer Variation . . . . . 223 Manfred Koller Die Figuren des „Stiftergrabes“ in St. Stephan Befunde, Interpretationen, Vergleiche . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Johann Nimmrichter Farbgebungen am Bischofstor und Vergleiche mit zeitnahen Fassungsbeständen am Wiener Stephansdom sowie weitere Beobachtungen an den Steinoberflächen des gotischen Portals . . . . . 249 Franz Zehetner Herzogsgruft und Rudolfskenotaph . . . . . . . . . . . . . . . . . . .273 Norbert Nussbaum Beobachtungen zur relativen Chronologie von Langhaus und Südturm des Wiener Stephansdomes . . . . . . . . . . . . . . . .303 Tim Juckes An Unnoticed Plan of St. Stephen’s in the Early Eighteenth Century and Its Implications for the M edieval Building History . . . . . 315
Tafeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .327 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369
Zum Buch Im Frühjahr 1359 erfolgte unter der Anwesenheit des Habsburgerherzogs Rudolf IV. (1339–1365) und seiner Gemahlin, der Kaiserstochter Katharina von Böhmen (1342– 1395), der erste Spatenstich zum Aushub der Fundamente für die Erweiterung der Wiener Stephanskirche. Wenige Tage später legte das Herzogspaar den ersten Grundstein. Beide Ereignisse waren feierlich inszeniert und wurden in einer Urkunde festgehalten. Die bedeutendste Pfarrkirche der Stadt Wien sollte zu einer Grablege der Habsburger ausgebaut werden. Man verlegte das in der Hofburg gestiftete Kollegiatkapitel zu Ehren Allerheiligen in die Wiener Pfarrkirche und verfolgte den alten Plan der Vorgängerdynastie, der Babenberger, St. Stephan zu einem Bischofssitz aufzuwerten und damit aus der kirchlichen Abhängigkeit von Passau zu lösen. Als der Herzog unerwartet im März 1365 in Mailand verstarb, steckte das Bauprojekt erst in den Anfängen. Schriftquellen über den konkreten Bauverlauf fehlen; ebenso gibt es keine zeitgenössischen Nachrichten über das geplante Ausstattungskonzept der Kirche und das Kernstück dieser Planung, die habsburgische Grablege. Hinter der Umsetzung des ambitionierten herzoglichen Vorhabens mitten in Wien ist gewiss ein groß organisierter Baubetrieb mit zahlreichen Spezialisten, Baukünstlern und Handwerkern gestanden. Unbestritten ist, dass es sich bei der Initiative des Fürstenpaares nicht um einen gänzlichen Neubau der Kirche handelte. Auf welche Bereiche sich die baulichen Erweiterungen allerdings bezogen, wurde zuletzt widersprüchlich diskutiert. So standen für die ältere Forschung zweifellos Herzog Rudolf IV. und sein Bruder Herzog Albrecht III. als großzügige Bauherren des gotischen Kirchenbaues und ferner Baumeister Hans Puchsbaum (um 1390– 1454) als Vollender dieses Bauwerks im Zentrum des gotischen Baugeschehens. Für die bei St. Stephan im 14. Jahrhundert tätigen Steinmetzkünstler wurde von der kunsthistorischen Forschung der Begriff „Herzogswerkstätte“ eingeführt.1 Diese Werkstatt entfaltete „um 1400 eine besondere Tätigkeit und eine erstaunliche Leistungsfähigkeit. [...] Die Fürstenfiguren und das Paulusrelief am Singertor sind ihr erstes bedeutendes Denkmal“, wie Hans Tietze 1930 betonte.2 In den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts präzisierte Antje Middeldorf-Kosegarten die Besonderheiten dieser Werkstatt-Gruppe.3 Gestützt auf Untersuchungen von Karl Oettinger, der anhand des Baubefundes den Baubeginn des gotischen Langhauses in die Regierungszeit Herzog Rudolfs IV. setzte4, brachte sie die figurale Ausstattung des Bischofs- und des Singertors, die Fürstenfiguren von Südturm und Westfassade5, die 1 2 3 4 5
Kieslinger 1923. Tietze 1930, 160. Kosegarten 1960; Kosegarten 1965; Kosegarten 1966. Vgl. dazu: Oettinger 1951. Hierbei handelt es sich um die in Untersicht dargestellten Figuren von Herzog Rudolf IV. und Katharina von Böhmen an der Westfassade sowie um Herzog Albrecht II., seine Gemahlin Johanna von Pfirt und um das Kaiserpaar Karl IV. und seine Gemahlin Blanche von Valois am Südturm. Die Originale wurden im 19. Jahrhundert zum Schutz 7
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Liegefiguren am Kenotaph im Nordchor sowie das Neidhardtgrabmal an der Südseite der Kirche mit Herzog Rudolf IV. und seiner Gemahlin in Verbindung. Dieser zeitlichen Einordnung der Bautätigkeit wurde zuletzt aber widersprochen und der Initiative von Herzog Rudolf IV. lediglich der Umbau des kurz vorher fertiggestellten Hallenchors, die Errichtung der Untergeschosse der westlichen Kapellen sowie die Grundsteinlegung des Südturms zugeordnet.6 Die Langhausausbauten wären somit zur Gänze nachrudolfinisch. Die kurze Regierungszeit Rudolfs IV. und die stilistisch uneinheitliche Ausführung lassen auf einen längeren Planungsvorgang und mehrfach von Umplanungen unterbrochenen Bauverlauf schließen. Die bauhistorischen Forschungsanalysen lassen sich mit den bisherigen Erkenntnissen zur Bauplastik nur schwer in Einklang bringen. Bei genauer Betrachtung der Forschungsliteratur zur Wiener Stephanskirche zeigt sich, dass nicht alle für die jeweilige Argumentation notwendigen Quellen herangezogen oder im Kontext erfasst wurden. Die Fragen zum konkreten Konzept Herzog Rudolfs IV. für St. Stephan, zu den Zielen, die er verfolgte, als er die Wiener Kirche zur Grablege wählte, werden ebenso schwer zu lösen sein, wie die Frage nach der Herkunft und Zusammenarbeit der unterschiedlichen Bauhandwerker und -künstler, sofern man sich nicht erneut einer gründlichen Analyse der Quellen selbst – Bauwerk, Bilder, Schriftquellen – zuwendet, auch wenn sie nur mehr lückenhaft vorhanden und zugänglich sind. Die in diesem Band zusammengeführten Beiträge von Experten unterschiedlicher Disziplinen verfolgen den skizzierten methodischen Ansatz. Thematisiert werden die mit Herzog Rudolf IV. in Zusammenhang stehenden Bauabschnitte und Kultobjekte, die sich heute in der Stephanskirche befinden. Der erste Beitrag von Barbara Schedl widmet sich dem umfangreichen Schriftquellenmaterial, das zu Lebzeiten des Herzogspaares produziert wurde und analysiert die Funktionserweiterung der Pfarrkirche sowie die liturgische Nutzung einzelner Raumabschnitte auf der Kirchenbaustelle. Achim Hubel und Peter Kurmann besprechen den Hallenchor der Wiener Pfarrkirche, dessen Baubeginn die spätgotischen Umbauten und Erweiterungen einleitete. Sie machen deutlich, welche gesellschaftspolitischen und baukünstlerischen Voraussetzungen in Wien anzutreffen waren, als Herzog Rudolf IV. an der Seite seines Vaters 1353 auftrat – zum einen der deutliche Einfluss der Regensburger Baukünstler in der Bauplastik, zum anderen die „Königsidee der Habsburger“, die in Details der Chorkonsolfiguren mitschwingt. Eine umfassende Analyse erfahren die Fürstenportale, das Singer- und das Bischofstor, die in ihrer spezifischen Ausführung und Geschichte gründlich untersucht werden. Dabei werden Aspekte der Bauarchäologie, die Entwicklung und Möglichkeiten ihrer Planung und Ausführung, die Restauriergeschichte und die Wechselwirkungen von Skulptur und Architektur eingehend betrachtet. Diesen vielfältigen Herangehensweisen widmen sich die Beiträge von Stefan Breitling, Katharina Arnold, Stephan Albrecht, Ruth Tenschert, Klaus Niehr, Assaf Pinkus, Michael Viktor Schwarz, Romuald Kaczmarek, Jakub Adamski, Thomas Flum und
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vor weiterer Verwitterung abgenommen und durch Kopien ersetzt. Sie befinden sich heute in musealer Aufstellung (Wien Museum). Böker 2007; Vgl. zu Böker 2007: Schwarz/Juckes 2012.
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Johann Nimmrichter. Sie führen – trotz der unterschiedlichen Methoden – zu einem sehr stimmigen Ergebnis. Zu dem für Herzog Rudolf IV. selbst so wichtigen Element von St. Stephan, der Herzogsgrablege, und dem verändert aber als bedeutendes Fragment erhaltenes Kenotaph stammen die Aufsätze von Manfred Koller und Franz Zehetner. Norbert Nußbaum und Tim Juckes widmen sich in ihren Beiträgen der kontrovers diskutierten Frage nach der Chronologie der Bauausführung und der Beziehung zwischen Langhaus, Südturm und der an beide Bauteile anschließenden gotischen Sakristei. Wir hoffen, dass wir uns mit diesem Band einen Schritt weiter dem Verständnis für einen kurzen, aber für St. Stephan so wichtigen Zeitraum, nämlich der Regierung von Herzog Rudolf dem Stifter, angenähert haben. Barbara Schedl und Franz Zehetner
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Barbara Schedl
Das Fürstenpaar und St. Stephan nach den Schriftquellen
1. St. Stephan zwischen Bischof, Hof und Stadt (1200–1300) Über die Anfänge der Wiener Stephanskirche lassen sich bezüglich der Kirchenorganisation und der baulichen Ausgestaltung keine eindeutigen Aussagen machen. Erst gegen Ende des 12. Jahrhunderts häuft sich der Quellenbestand. Bausubstanz, Grabungsbefunde und schriftliche Nachrichten belegen die Errichtung einer dreischiffigen Basilika mit Doppelturmfassade, Querhaus, Chorquadrat und Chorpolygon. Das Herzogtum Österreich gehörte damals zum Passauer Bistum. Die Stephanskirche, demnach dem Passauer Bischof unterstellt, sollte in der Stadt den Rang der Hauptpfarre von Wien einnehmen; was u. a. bedeutete, die Seelsorge, wie Taufe, Eheschließung, die jährliche Beichte und die österliche Eucharistie, über alle sozialen Gruppen in dem Stadtgebiet innezuhaben.1 Doch diese Kirchenorganisation war zu jener Zeit nicht eindeutig geregelt. So wurde erstens über die Ausübung der Pfarrrechte in der Stadt zwischen der alten babenbergischen Klostergründung, dem Schottenkloster, und der Wiener Pfarre bei St. Stephan gestritten. Dieser Konflikt konnte schließlich 1269 beigelegt werden.2 Der Pfarrsprengel der Hauptpfarre St. Stephan umfasste fortan, bis auf das Pfarrgebiet, das das Schottenkloster im Nordwesten von Wien für sich beanspruchte, den größten Teil der Stadt. Die übrigen Kirchen und Kapellen der Stadt sowie jene im Bereich des Wiener Burgfriedens wie Schwechat, Oberlaa, Döbling, Vösendorf, Maria Lanzendorf, Altsimmering und Penzing standen pfarrrechtlich in Abhängigkeit von St. Stephan, was vor allem finanzielle Auswirkungen hatte. Zweitens war das Patronat über St. Stephan zwischen dem österreichischen Landesfürsten und dem Passauer Bischof seit dem 12. Jahrhundert strittig. Die Zwistigkeiten zogen sich letztendlich bis in die Ära des Habsburgerherzogs Rudolf IV. (reg. 1358–1365) und äußerten sich vor allem in der Einflussnahme bei der Besetzung des Pfarrers von Wien. Sowohl der Passauer Bischof als auch der österreichische Landesfürst versuchten jeweils einen Kandidaten ihrer Wahl für das Amt des Pfarrers 1 2
Schedl 2018, 30–34. 1215 eskalierte ein Streit zwischen dem Babenbergerherzog Leopold VI. und dem Passauer Bischof. Im Zuge seiner Bestrebungen, einen von dem Bistum Passau unabhängigen Bischofsitz im Wiener Schottenkloster einzurichten, dürfte der Herzog versucht haben, auch das Patronat der Pfarre von Wien an sich zu bringen. 1215 wurde der Streit von dem Staufer kaiser Friedrich II. zugunsten des Bischofs entschieden und Leopold VI. musste auf seine Ansprüche verzichten. Auch unter Leopolds Nachfolger, Herzog Friedrich II., lässt sich feststellen, dass der Passauer Bischof de iure das Patronat über St. Stephan besaß, de facto das Recht vom österreichischen Herzog ausgeübt wurde. Lohrmann/Opll 1981, Nr. 326; Flieder, 1968, 49 und 58; Schedl 2018, 24–25.
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von Wien durchzusetzen.3, was dazu führte, dass die Pfarre in Wien zwischen 1258 bis 1320 doppelt besetzt war – mit einem landesfürstlichen und einem bischöflichen Protagonisten. Die angesprochenen Kontroversen machen deutlich, welche große Bedeutung die Pfarrkirche für die mittelalterliche Gesellschaft hatte.4 Die Pfarrkirche und der sie umgebende Friedhof waren ein zentraler Ort für die Stadtbevölkerung Hier fanden zahlreiche Ereignisse in der Biografie jedes Einzelnen statt. Pfarrkirche und Friedhof boten Platz für das Ewige Totengedächtnis, waren Ausgangspunkt von Prozessionen, sie waren Austragungsort von kirchlichen Festen und weltlich-herrschaftlichen Ereignissen. Nicht unerheblich sind in diesem Zusammenhang die wirtschaftlichen Aspekte der Pfarrorganisation. So speisten sich die Einkünfte einer Pfarre aus der dos, also dem Pfarrgut, aus den Einnahmen für die diversen Seelsorgehandlungen, wie Taufe, Eheschließung und Begräbnisse, aus Zehenteinnahmen, Legaten, Stiftungen und Spenden. Die Ausgaben bezogen sich zum einen auf den Kirchenbetrieb und zum anderen auf den Baubetrieb, waren doch die Bewohner des Pfarrsprengels für den Bau und die Instandhaltung der Kirche, deren Anbauten und den Friedhof zuständig. Bereits seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts dürfte die Verwaltung des Kirchenvermögens von St. Stephan nicht von kirchlichen Instanzen, sondern von einem weltlichen Amtsträger, einem Wiener Bürger, besorgt worden sein.5 Ab dem 14. Jahrhundert lässt sich für Wien belegen, dass jährlich die Ratsbürger (oberstes Gremium der Stadt) jeweils eine Person aus ihren Reihen bestellten, die die Geschäfte bei St. Stephan führte.6 Die Kirchmeister von St. Stephan legten über die jeweiligen Einnahmen und Ausgaben zum Bau- und Kirchenbetrieb Rechnung. Die städtischen Eliten und nicht geistlichen Würdenträger oder der Hof bestimmten über die Finanzgebahrung an der Pfarrkirche.
2. Der Hallenchor und seine Ausstattung (1300–1358) Die historisch gewachsenen Beziehungen der unterschiedlichen soziokulturellen Gruppen – Stadtbevölkerung, Landesfürst, Bischof und Pfarrer – beeinflussten maßgeblich den Ausbau der Stephanskirche, der zu Beginn des 14. Jahrhunderts einsetzte. Aus welchem Anlass eine Erweiterung der alten Choranlage erfolgte und ob damals auch eine Vergrößerung des Kirchenlanghauses geplant war, geht aus dem Schriftquellenbefund nicht hervor. Anzunehmen ist, dass aus liturgischen Gründen die Ostteile der Kirche ausgebaut werden sollten. Die Ausweitung des Stiftungswesens und der damit verbundene Anstieg an Klerikern machten es erforderlich, den Chorraum zu vergrößern.7 In St. Stephan wirkte seit den 60er-Jahren des 13. Jahrhunderts eine Priestergemeinschaft, die der ehrgeizige Pfarrer Gerhard von Siebenbürgen gegründet hatte.8 Diese aus acht höheren und zahlreichen niede3 4
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Weißensteiner 1990, 2–7; Schedl 2018, 42. Zu den unterschiedlichen Aspekten der Pfarreien im späten Mittelalter im deutschsprachigen Gebiet vgl. Bünz/Fouquet (Hg.) 2013. Schedl 2018, 75–76. Perger 1988, 12–13; Schedl 2018, 75. Schurr 2013, 259–278. Schedl 2018, 34–35 und 37; Flieder 1968, 42 und 62; Göhler 1932 (2015), 8–10 (70–71).
Das Fürstenpaar und St. Stephan nach den Schriftquellen
ren Geistlichen bestehende Gemeinschaft war neben der Pfarrseelsorge auch zum Stundengebet verpflichtet, das im Chorraum abzuhalten war. Im ersten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts änderten sich die Besitzverhältnisse rund um die romanisch-frühgotische Stephanskirche, was auf eine Erweiterung des Gotteshauses und des südöstlichen Friedhofareals schließen lässt (Abb. 1). So verkauften die Zwettler Zisterzienser ihre beiden Liegenschaften, die nordöstlich der romanisch-frühgotischen Stephanskirche lagen, an die Wiener Bürgerinnen und Bürger: das sogenannte Kaplanhaus9, das dem Priester der Katharinenkapelle im Greifenssteinerhaus als Wohnhaus diente, und den Klosterhof10, den die Zwettler Zisterzienser zum Weinausschank nutzten. 1309 tauschte der Deutsche Orden einen großen Komplex seines Hauses, das im Südosten eng an den Friedhof mit dem „Alten Karner“ heranreichte, mit dem Bürgermeister und dem Rat der Stadt Wien.11 Stattdessen bekam der Deutsche Orden einen Teil des zu St. Stephan gehörenden Priesterhauses. Neben den Ausgaben für die Grundstücksankäufe sind in diesem Jahrzehnt auch Einnahmen festzustellen.12 Zum einen ein Ablass, der 1300 ausge9 Zu den Besitzverhältnissen am Stephansplatz: siehe Schedl 2018, 21 und 36. 10 In welchem Jahr der Klosterhof verkauft wurde, ist nicht bekannt; die entsprechenden Urkunden sind verloren. Lediglich ein Kommentar im Zwettler Stifterbuch weißt darauf hin, dass der Verkauf im Zusammenhang mit der geplanten Chorerweiterung steht […] quia ex adverso chori sita erat, coacti sumus vendere civibus pro quinquaginta marcis argenti puri (weil es dem Chor im Wege stand, wurden wir gezwungen, es den Bürgern Wiens um 50 Mark reinem Silber zu verkaufen). FRA II/3, 572, Schedl 2018, 39–41. 11 QGStW 1/9, Nr. 17259; Schedl 2018, 39. 12 Schedl 2018, 37–38; QGStW I/4, Nr. 3966; Ogesser, 1779, Anhang, 135; QGStW I/1, Nr. 274; QGStW I/1, Nr. 153; QGStW II/1, Nr. 46; Camesina 1874, Nr. 1.
Abb. 1: Rekonstruktion des Stephansplatzes in Wien im 13.–15. Jahrhundert.
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Barbara Schedl
stellt wurde; zum anderen Stiftungen von Wiener Bürgern. Im folgenden Jahrzehnt stagnierte das Ausbauprojekt. Politische und kirchenorganisatorische Aspekte können der Grund dafür gewesen sein: 1308 wurde der Habsburgerkönig Albrecht I. (1255–1308; ab 1298 deutscher König) ermordet.13 Einige Wiener Bürger erhoben sich im Jahr 1309 gegen den neuen Landesfürsten Friedrich den Schönen (1289–1330), der nach der Tötung seines Vaters mit dem Herzogtum Österreich belehnt wurde. 1310, als Friedrich der Schöne nach Wien kam, ging er vehement gegen die Verschwörer vor.14 An der Stelle, an der der Königsmord geschah, gründete die Witwe Albrechts I., Königin Elisabeth, das Kloster Königsfelden. Die Gründungsurkunde wurde im September 1311 in Wien in Anwesenheit der Söhne, der Herzöge Friedrich, Leopold, Albrecht, Heinrich und Otto, ausgestellt. Damals war Albert, Herzog von Sachsen-Wittenberg († 1342), Neffe des soeben ermordeten Königs, Pfarrer von Wien, und es ist anzunehmen, dass er dem Treffen beiwohnte. Im Jahr 1320 wurde Albert von Sachsen zum Bischof von Passau ernannt. Im April 1323 einigten sich die Habsburgerherzöge Otto der Fröhliche (1301–1339) und Albrecht II. (1298–1358) mit dem Passauer Bischof Albert, die Pfarre St. Stephan mit Magister Heinrich von Luzern zu besetzen.15 Magister Heinrich verdankte seine Ernennung seiner Tätigkeit als Protonotar in der landesfürstlichen Kanzlei. Mit Beginn seiner Amtszeit setzten zahlreiche Stiftungen zum Chorbau und dessen liturgischer Ausstattung ein.16 So stiftete König Friedrich der Schöne († 1330) einen Leonhardsaltar inklusive einer Ewigen Messe, der später am Lettner stehen sollte.17 1328 bestimmte Königin Isabella von Aragón (1300/02–1330), Gemahlin des Habsburgerkönigs Friedrich des Schönen, fünf Pfund für den Pfarrer von St. Stephan, die man unter den Priestern verteilen solle, damit diese für das Seelenheil der Stifterin beteten.18 1330 gab Guta, Schwester von Friedrich dem Schönen, für den Chorbau drei Pfund.19 Darüber hinaus wurden in den Jahren 132320, 132621, 132722 und 132823 Ablässe ausgestellt, deren Petenten zumeist Ratsbürger waren. Die Einnahmen dürften durchwegs dem Chorbau zugutegekommen sein, auch wenn dies nicht immer explizit erwähnt ist. Der Ablass von 1339 forderte hingegen konkret zu Spenden für den Chorbau und für ein Sakramentshaus auf.24 Mit den beiden Indulgenzien vom April 1340 wurden Gläubige gezielt an den Ort des Geschehens gelenkt und um Spenden gebeten. 25 Weitere Ablässe in Bezug zum Chorbau und mit der Auffor13 14 15 16 17 18 19
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Kurmann-Schwarz 2008, 27–30. Csendes/Opll 2001, 117. QGStW 1/1, Nr. 29; Flieder 1968, 65. Schedl 2018, 43. Schedl 2018, 47 und 70 sowie Göhler 1929, 532–535. QGStW I/5, Nr. 4800. Tietze 1931, 8 zit. Ogesser, 1779, 15. Gräfin Guta von Oettingen stirbt am 23.2.1329 und wird im Kloster Königsfelden beigesetzt; vgl. Thomas Ebendorfer zit. nach Lhotsky 1967, 306. QGStW I/4, Nr. 3967; Ogesser 1779, Anhang, 136. QGStW I/4, Nr. 3968; Ogesser 1779, Anhang, 136–137. QGStW I/4, Nr. 3969; Ogesser 1779, Anhang, 138; QGStW I/4, Nr. 3970; Ogesser 1779, Anhang 138–139. QGStW I/4, Nr. 3971. QGStW I/4, Nr. 3973; Ogesser 1779, Anhang, 139–140. 4. April 1340: QGStW I/4, Nr. 3974; Ogesser 1779, Anhang, 141–142 und 23. April 1340:
Das Fürstenpaar und St. Stephan nach den Schriftquellen
Abb. 2: Wien, St. Stephan, Rekonstruktion des Baufortschritts um 1340.
derung, Almosen zu geben, wurden im Dezember 134026, im März 134127, im April 134128, im Juni 134129, im August 134130, im September 134131, im Oktober 135032 und im September 135333 ausgestellt. Mit dem ausgeprägten Baufortschritt des Hallenchores sind in den historischen Nachrichten neben dem bereits erwähnten Leonhardsaltar auch neue Altäre genannt, die eindeutig mit diesem Baukomplex in Verbindung zu bringen sind (Abb. 2). So sind 1331 bzw. 1336 der Zwölfbotenaltar im südlichen Chor,34 1334 der Gottsleichnamsaltar35 und 1339 der Frauenaltar im Nordchor erwähnt36.
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QGStW I/4, Nr. 3975; Ogesser 1779, Anhang, 140–141. QGStW I/4, Nr. 3976; Ogesser 1779, Anhang, 143. QGStW I/4, Nr. 3977; Ogesser 1779, Anhang, 145. QGStW I/4, Nr. 3978; Ogesser 1779, Anhang, 143. QGStW I/4, Nr. 3979; Ogesser 1779, Anhang, 144 (zweite Urkunde der Seite). QGStW I/4, Nr. 3980, Ogesser 1779, Anhang, 144 (erste Urkunde der Seite). Ogesser 1779, Anhang, 145–146. Ogesser 1779, Anhang, 149–153; Ogesser 1779, 270: In dem Ablassbrief sind drei Gebete enthalten, darauf wird von 12 Bischöfen ein Ablass erteilt. QGStW I/4, Nr. 3989; Ogesser 1779, Anhang, 147–148. QGStW II/1, Nr. 136; Camesina 1874, Nr. 3; QGStW II/1, Nr. 173; Camesina 1874, Nr. 5. Verortung der Altäre siehe Schedl 2018, 215–217. Ogesser 1779, Anhang, 41–46. QGStW II/1, Nr. 209; Camesina 1874, Nr. 7.
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Der Gottsleichnamsaltar ist eine Stiftung Pfarrer Heinrichs von Luzern. Die Widmung ist verbunden mit umfangreichen Messstiftungen, u. a. für das Seelenheil des deutschen Königs Friedrich des Schönen und seine Nachfahren, sowie einem großzügig entlohnten Kaplan. Er dürfte zur Zeit seiner Stiftung unter dem mittleren Joch des Lettners gestanden haben und war wohl der für die Pfarrliturgie bedeutendste Altar in der Stephanskirche. Er war der Ausgangspunkt der Fronleichnamsprozession. Zu seiner Ausstattung gehörte ein mit Edelsteinen besetztes Marienbild, für dessen Sicherheit die Wiener Ratsherren und der Kirchmeister von St. Stephan zu sorgen hatten. Zu diesem Zeitpunkt war wohl auch der Lettner im Bau, der sich über alle drei Schiffe erstrecken und die Raumteile für Klerus und Laien architektonisch trennen sollte. Mehrere Portale führten vom Laienraum in den Chor. Eines, die „Zwölfbotentür“ im südlichen Seitenschiff, ist 1348 im Zusammenhang mit dem Katharinenaltar urkundlich belegt.37 Sowohl unter als auch auf der Lettnerbühne – sie stützte sich auf eine geschlossene Rückwand und gegen das Querschiff auf eine offene Arkadenreihe – waren Altäre aufgerichtet. Obwohl in den Quellen nicht explizit genannt, mussten die für die Pfarrliturgie notwendigen Aufbewahrungs- und Vorbereitungsräume geschaffen werden. Anzunehmen ist, dass damals beidseitig des vorgeschobenen Mittelchores Anbauten errichtet wurden. Der Bau des Hallenchores zog sich bis nach der Jahrhundertmitte – also bis zum ersten Auftreten Herzog Rudolfs IV. an der Seite seines Vaters Herzog Albrecht II. beim Fürstenkongress in Wien im Jahr 1353.38 Damals erwirkte man einen weiteren Ablassbrief für den Bau von St. Stephan.39
3. Herzog Rudolf IV., fundator (1358–1365) So detailliert man über den Stiftungsprozess des Kollegiatkapitels an der Pfarrkirche St. Stephan durch zahlreiche – vor allem aber sehr ausführliche – Urkundentexte informiert ist, so lückenhaft gestaltet sich die Überlieferung des Baugeschehens nach der Grundsteinlegung zur Erweiterung des Kirchenbaues durch das Fürstenpaar im Jahr 1359. Es zeigt sich, dass bereits geraume Zeit davor mit den Planungsarbeiten zu dem Ausbau begonnen wurde. Vorwiegend Mess- und Altarstiftungen sowie liturgische Bestimmungen lassen sich für die Darstellung des Baufortganges heranziehen; was Rückschlüsse auf Dringlichkeiten der zu errichtenden Baukomplexe erlaubt. Vor allem vier Dokumente sind für die Rekonstruktion des Baufortganges zu Lebzeiten des Herzogs aufschlussreich: die Urkunde zur Grundsteinlegung von 1359, die ehemalige Texttafel beim Kolomanistein, die Gottesdienstordnung von 1363 und der sogenannte Zweite Stiftsbrief für das Kollegiatstift von 1365. Noch vor Regierungsantritt Herzog Rudolfs IV. im Jahr 1358 dürfte die Absicht bestanden haben, ein Kollegiatstift, tum, an der Pfarrkirche unter dem Allerheiligen Titel zu installieren. Vorbereitet wurde dies mit der Gründung einer Allerheiligenkapelle im herzoglichen Kinderzimmer in der Hofburg wohl um 1356, ihrer
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37 Camesina 1874, Nr. 10; QGStW II/1, Nr. 323; Schedl 2018, 47 und 133. 38 Csendes/Opll 2001, 122. 39 QGStW I/4, Nr. 3989; Ogesser 1779, Anhang, 147–148.
Das Fürstenpaar und St. Stephan nach den Schriftquellen
Dotierung mit umfangreichen Rechten und wertvollem Kleinod, ferner der Festlegung einer Gottesdienstordnung sowie der Einsetzung von geistlichen und weltlichen Amtsträgern, die die Bestimmung zu überwachen hatten.40 Im Dezember 1358, ein halbes Jahr nach dem Tod seines Vaters, erwirkte der nunmehrige Regent Rudolf IV. bei Papst Innozenz VI. (amt. 1352–1362) die Erlaubnis zur Errichtung eines Stiftes von insgesamt 50 Geistlichen an dieser Kapelle. Drei Monate später – im März 1359 – erfolgte nach Ausmessung des Bauplatzes der erste Spatenstich für die Erdaushubarbeiten der Fundamentgräben durch das Fürstenpaar. Im April legten Herzog Rudolf IV. und seine Gemahlin den ersten Grundstein ins Fundament. Bei beiden feierlichen Akten waren zahlreiche geistliche Würdenträger sowie Vertreter der Stadt und des Landes „mit Demut und Andacht“ zugegen. Über die Ereignisse berichtet eine Urkunde, ausgestellt am 9. Juli 1359, mit drei wesentlichen Ergänzungen zum Geschehen.41 Zum einen bestimmte das Fürstenpaar, die Kirche zu seiner Grablege zu machen, zweitens wurde verfügt, dass jeglicher Besitz, den die Kirche hat oder erwerben wird auf „ewig“ bei derselben zu verbleiben habe und drittens bezeichnete sich der Herzog als Patronatsherr von St. Stephan. An dem Hochziehen der Mauern dürfte sehr zügig gearbeitet worden sein, denn im Dezember 1359 beschreibt Pfarrer Leopold von Sachsengang, dass der Herzog die Pfarrkirche mit aufwendigen Bauwerken ausschmücke und erweitere, sumptuosis aedificiis ornat et ampliat, und bestätigt die Stiftung des Kollegiatkapitels an der Pfarrkirche mit seinem Einverständnis. Wo der erste Stein ins Fundament gelegt wurde, geht aus dem Schriftquellenbefund nicht hervor. 1448 berichtet ein Schatzkammerinventar, dass die Grundsteinlegung beim Südturm stattgefunden habe und zwar mit einer silbernen Kanne und einer silbernen Haue, die sich Kirchenschatz befinden, item ain silbraine Kanndl von Herzog Rudolfn herchomen do er den newn turn hat angehebr ze pawn wigt 11. Mr. XI. lot und ain silbrne hawn mit ainem hultzen stil wigt 11. M. 42 Die Inventare aus dem 14. Jahrhundert nennen wohl auch eine silberne Kanne mit österreichischem Wappen, Item una canula argentea, cum clippeo Austrie, unter den von Rudolf IV. stammenden Kostbarkeiten des Kirchenschatzes, sie kennen aber noch nicht die Tradition, diese Kanne mit der Grundsteinlegung beim Südturm in Verbindung zu bringen.43 An welcher Stelle auch immer die Aushubarbeiten im Jahr 1359 begonnen wurden, die Planung muss jedenfalls wesentlich früher erfolgt sein. Thomas Ebendorfer berichtet später in seiner Cronica Austria, dass ein Baumeister aus Klosterneuburg für das Baukonzept verantwortlich war (Abb. 3).44 Unter Beibehaltung der alten babenbergischen Westfassade und des modernen Hallenchores sollte das romanische Langhaus erneuert werden. Die Ausmaße des Querhauses gaben in Höhe und Brei40 Im Dezember 1356 wird die Allerheiligenkapelle in der Burg das erste Mal erwähnt. Zschokke, 1895, 4–10; Flieder, 1968, 137–148; Wolfinger 2011, 119–146; QGStW I/4, Nr. 3503, 3504, 3505, 3506, 3507; Schedl 2018, 49–51. 41 Schedl 2018, 49; QGStW I/4, Nr. 3514, Flieder 1968, 89 und 178. 42 Diözesanarchiv Wien, MS no 47, fol 5v, 10 und 10v; Ogesser 1779, 29; Göhler 1933b, 245–253; Flieder 1968, 179. 43 Fiska 2013, 335–351, Nr. [85]; Göhler 1933, 245–246. 44 Thomas Ebendorfer zit. nach Lhotsky 1967, 282–284: bzgl. Berufung des Baumeisters aus Klosterneuburg; Zykan 1981, 74; Verortung der Altäre siehe Schedl 2018, 215–217.
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Abb. 3: Wien, St. Stephan, Rekonstruktion des Baufortschritt um 1360/70.
te die Dimensionen des neuen Kirchenlanghauses vor. Die alte Westfassade wollte man beibehalten; sie wurde jeweils mit zwei doppelgeschossigen Kapellen an die Bauflucht des neuen Langhauses angepasst. Durch zwei Türme im Anschluss an die nördlichen und südlichen Querhausfassaden erfuhr der gotische Kirchengrundriss eine kreuzförmige Erweiterung. Das Bauvorhaben war so ausgelegt, dass fortan der moderne, durch einen Lettner abgeschrankte Hallenchor in der Hauptsache der habsburgischen Memoria dienen sollte, während der übrige erweiterte Kirchenraum dem Laienvolk für die Pfarrliturgie zur Verfügung stand. Im Mai 1361 kaufte Herzog Rudolf IV. von den Zwettler Zisterziensern ihren nördlich der Stephanskirche liegenden Stiftshof, den sie seit 1303 im Besitz hatten (Abb. 1).45 Dieser sollte fortan den Chorherren des Kapitels als Unterkunft dienen. Unter den Zeugen, die diesen wichtigen Kaufvertrag mit unterzeichneten, scheint auch der damals in Wien weilende Bischof Peter von Chur auf. Der Bischof weihte während seines Wienaufenthaltes im Mai 1361 offensichtlich auch den Stein zu Ehren des hl. Koloman, den sogenannten Kolomanistein, der im Gewände des Bischofstores eingelassen ist (Abb. 4 und Abb. 11). Davon berichtete eine vergoldete Kupfertafel, die im 18. Jahrhundert noch vorhanden und ehemals in unmittel barer Nähe zu dem Stein angebracht war.46 Die Weihe geschah, so der Text auf der
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45 QGStW I/1, Nr. 799. 46 Ogesser 1779, 79 und Anhang, 158–159. Nach Ogesser befand sich dieser Ablassbrief auf
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upfertafel, auf Anordnung des Fürsten Rudolf IV., des Gründers dieser Kirche. K Zahlreiche Reliquien, die im Folgenden aufgezählt werden, darunter auch ein Partikel des hl. Koloman, wurden vom Herzog eigenhändig in den Stein dieses Altars (hujus Altaris lapidi) gelegt.47 Der Herzog erreichte von den am Ende des Textes angeführten neun Bischöfen und dem Patriach von Aquilea einen Ablass von 40 Tagen für schwere Sünden und einen Ablass von 80 Tagen für leichte Sünden, sobald jemand den besagten Stein küsst (praedictum lapidem osclatus) oder sein Haupt mit Andacht an die zahlreichen genannten Reliquien neigt. Wann dieser Text auf der vergoldeten Kupferplatte niedergeschrieben wurde und beim Portalbereich angebracht wurde, ist nicht bekannt. Das Originaldokument bzw. die Originaldokumente, die der Beschriftung der Kupferplatte zugrunde liegen, sind verschollen. Der Stein ist von einem dreifachgestuften Metallrahmen eingefasst. Die – heute schwer lesbare – Inschrift auf dem Rahmen gibt zu erkennen, dass es tatsächlich Herzog Rudolf IV. war, der diesen Stein, auf dem das Blut der abgesägten Beine des Märtyrers Koloman floss, hierher nach St. Stephan brachte und die Reliquienreposition vornahm.48 Das Interesse Herzog Rudolfs IV. an der Geschichte der Babenberger führten ihn in den Jahren 1359, 1360 und 1362 in die Benediktinergemeinschaft Melk, dem Begräbnisort des hl. Koloman.49 Der Reliquienstein dürfte jedoch aus Stockerau stammen, und zwar aus jener Kapelle, die an der Stelle von Kolomans Martyrium errichtet wurde.50 Nach einem Bericht von Friedrich Schmidt aus dem Jahr 1881 fand man hinter dem Kolomanistein einen Hohlraum, in dem ein Pergamentreifen lag und dessen Text den Stein mit dem Martyrium des hl. Koloman in Zusammenhang bringt.51 Daneben stand eine Bleikassette. Man kopierte den Text, ließ die Bleikassette aber unberührt und verschloss die Öffnung. Das bleierne Kästchen dürfte wohl zahlreiche in der Indulgenz genannte Reliquien beinhalten. Bei einer neuerlichen Öffnung fand man die im 19. Jahrhundert beschriebene Situation inklusive den Pergamentstreifen vor, konnte zudem auch die rückseitige – mittelalterliche – Fixierung des gerahmten Kolomanisteines mit einer kreuzförmigen metallenen Verstrebung feststellen52 (Abb. 5 und Abb. 6). Die Befundsituation zeigt, dass sich der Reliquienstein an seinem originalen Standort befindet.53 Ebenso gehörten der
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einer kupfernen Platte bei dem unteren Eingang zur Stephanskirche vom Bischofhof herüber. Fiska 2013, 329 und Anmerkung 20. + HIC · EST / LAPIS · SVP[ER · QU/EM · EFFUSUS] · ES/T · SANGWIS · EX SERRA/ CIONE/ + TIBIA/RVM [·] S [·] C[OLOMANNI / MARTYR]IS QVEM · HVC · COLLOC/ AVIT / [ + I]LLVS/TRIS [DOMINVS / RVDOLP]HV/[S IV ·] DVX AVSTRI/E [ETC]: Transkription der Inschrift nach Kohn, 2002, 295–319, hier 298 und Anm. 17 und 18; 1722 war die Inschrift noch deutlicher zu lesen: Huber 1722 und Ogesser 1779, 79. Niederkorn-Bruck 1992, 35–36. Schedl 2018, 58. Neumann 1881, 26: 1881, Februar 23; Lapis super quem positus fuit sanctus Cholommanus [sic] martir et est aspersus eius sanguine qui adhuc videtur. Die Öffnung fand im Februar 2016 im Zuge von Bauforschungsarbeiten am Bischofstor statt. Dass der Kolomanistein einst tiefer gelegen habe, wie in der Literatur zu lesen ist, basiert auf einer aus dem Zusammenhang gerissenen Wiedergabe der Beschreibung des
Abb. 4: Wien, St. Stephan, Gewände des Bischofstors mit Kolomanistein und Statue von Herzog Rudolf IV.
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Abb. 5: Wien, St. Stephan, Bischofstor, Kolomanistein mit Blick auf die Fixierung und auf die schwarze Bleikassette. Abb. 6: Pergamentstreifen aus dem Hohlraum hinter dem Kolomanistein.
Hohlraum, der Pergamentstreifen und die Bleikassette zum ursprünglichen Bestand. Offensichtlich war zu diesem Zeitpunkt die nördliche Langhauswand mit dem charakteristischen Wandaufbau und dem architektonischen Rahmen für das Fürstenportal – zumindest im nordwestlichsten Joch – so weit fertiggestellt, dass die Reliquie ins Türgewände eingelassen werden konnte. Die neue Außenmauer war in ca. 5 m Abstand vor das alte romanisch-frühgotische Kirchenlanghaus gestellt.54 Die Position des Portals reflektiert wohl den romanischen Kircheneingang, der ebenfalls im westlichen Joch gelegen sein dürfte, wie zahlreiche Vergleichsbauten nahelegen.55 Erst im 15. Jahrhundert wurde der alte Bau kontinuierlich abgetragen und das Abbruchmaterial für den Erweiterungsbau verwendet, wie aus dem Schriftquellenbefund – insbesondere den Baurechnungen – hervorgeht.56 Auf diesen Aspekt wird später noch im Zusammenhang mit dem Singertor eingegangen. Während der Einschluss von Reliquien in die Bausubstanz nichts Außergewöhnliches ist – zu denken sind z. B. an Reliquienkapitelle oder die Einfügung von Reliquien in Kuppelkonstruktionen –, so stellen das konstruierte Arrangement des Kolomanisteins und sein Umgang eine Besonderheit dar. Der Aufbau des im Türgewände eingelassenen und gerahmten Steines mit der dahinterliegenden Höhlung erinnert an eine feste Altarmensa mit Sepulcrum, in der eine Reliquienkapsel verborgen ist – dies ist aber jetzt ins Vertikale versetzt. Die Aufforderung an den in den Kirchenraum Eintretenden, sein Haupt gegen die hinter dem Kolomanistein deponierten Reliquien zu neigen, den Stein zu berühren bzw. zu küssen, diente dem eigenen Seelenheil und schloss auch den Herzog in das Gedächtnis mit ein, dessen Bildnis sich unmittelbar neben dem Türgewände befindet.57 Den Kult um den hl. Koloman forcierte bereits der letzte Babenbergerherzog Friedrich II. (reg. 1230–1246); fortan wurde Koloman als Landespatron des Herzogtums Österreich verehrt.58 Päpstliche Schreiben aus den Jahren 1244 und 1245 in-
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Portalensembles, die Ogesser 1779 dargelegt hat. Ogesser 1779, 78–79; Flieder 1968, 181; Zykan 1981, 268, Anm. 121; Schedl 2018, 59 und 234. Vergleiche zu der Befundsituation auch den Beitrag von Stephan Breitling in diesem Band. Die Dimensionen des romanisch-frühgotischen Kirchenbaues sind durch Grabungen sowie die gut sichtbaren Baunähte im Bereich der Westempore und den westlichen Seitenkapellen bekannt. Zu den Grabungen, Oettinger 1949, 339–358. Z. B. die Liebfrauenkirche in Wiener Neustadt. Schedl 2018, 112–116. Schedl 2018, 73–74. Niederkorn-Bruck 1992, 31–32.
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formieren über die Einführung des Kolomanfestes59, über die erneuten Bemühungen des Babenbergers ein Landesbistum zu errichten sowie über die Erlaubnis zur Translation der sterblichen Überreste Kolomans an jenen Ort, an dem der Bischofsitz errichtet werden sollte60. Der unerwartete Tod des letzten Babenbergers machte diese Pläne zunichte. In diesem Kontext besteht jedoch die berechtigte Annahme, dass damals Reliquien des Märtyrers in die Stephanskirche gelangten. Nachweislich wurde ein Kolomanialtar gemeinsam mit dem Margarethenalter von Weihbischof Wolfgang von Hippo (amt. 1445 bis 1475) neu konsekriert.61 Beide Altäre befanden sich auf der Westempore, die bereits zum Bestand der romanisch-frühgotischen Stephanskirche gehörte. Nach den spätgotischen Umbauarbeiten des Kirchenlanghauses wurde auch die romanisch-frühgotische Westempore adaptiert, was ein Stilllegen der Altäre und in Folge deren Neuweihung erforderlich machte. 1362 – wenige Jahre nach der Grundsteinlegung – verstarb ein Bruder Rudolfs IV., Herzog Friedrich III. (1347–1362). Möglicherweise war die Grablege der Habsburger im Mittelchor bereits angelegt bzw. könnte der Tod des Bruders den Anlass für deren Baubeginn gegeben haben. Ein steiler Treppenabgang mit 14 Stufen führte ehemals vom zweiten Chorjoch in den rechteckigen gewölbten Gruftraum hinab, wie dies Marquard Herrgott, der 1739 die Gruft untersuchte, bildlich festhalten ließ (Abb. 7).62 Im Auftrag Maria Theresias öffnete und untersuchte er die Habsburger Grablege in St. Stephan. Er war allerdings nicht der Erste, der in die Gruft hinabstieg; bereits der Domherr Testarello gibt 1685 eine ausführliche Beschreibung der aufgefundenen Begräbnisse.63Auch wenn die sterblichen Überreste des jungen Herzogs Friedrich III. bei der Öffnung der Gruft nicht eindeutig zu identifizieren waren, so kann doch mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass er hier bestattet wurde. In der südlichen Mittelchorwand befindet sich jedenfalls heute noch sein Epitaph, das sein Sterbedatum nennt (Abb. 8).64 Wohl in Zusammenhang 59 Papst Innozenz IV. beauftragt 1244 den Bischof von Passau (Rudiger), das Fest des hl. Koloman im Herzogtum Österreich und in den angrenzenden Provinzen zu feiern, da der Babenbergerherzog Friedrich II. von Wundern, die durch die Verdienste des Heiligen bewirkt wurden, berichtet habe. Flieder 1968, 50; Niederkorn-Bruck 1992, 31–32; Berger 1884–1921, Nr. 673. 60 Im Jahr 1245 stellte der Papst zwei Bullen aus, die abermals den Wiener Bistumsplan betreffen, der auf Bemühen des Herzogs wieder verhandelt wurde: Zunächst wird dem Herzog von Österreich die Erlaubnis erteilt, die Gebeine des hl. Koloman an jenen Ort zu übertragen, wo ein Bischofssitz errichtet werden soll.In der zweiten Bulle vom selben Tag beauftragt er, der Papst, die Äbte Pilgrim von Heiligenkreuz, Gottschalk von Zwettl und Ludwig von Rein, die nötigen Voruntersuchungen zu dem von Herzog Friedrich von Österreich in seinen Ländern geplanten Bistumssitz einzuleiten und darüber zu berichten. Flieder 1968, 50; Berger, 1884–1921, Nr. 1102 und 1103. 61 Schedl 2018, 122. 62 Herrgott/Gebertus 1772, Pars 1, 177–180; Vgl. dazu auch den Beitrag von Franz Zehetner in diesem Band. 63 Herrgott/Gebertus 1772, Pars 1, 177–180; Testarello 1685, 2. Serie, 7–8, 12–14; Schedl 2018, 236 Anm. 228. 64 Inschrift am Epitaph Herzog Friedrichs III. im Hochchor von St. Stephan: Anno Milleno tricent XL quoque septem Sabto sub ternâ Fridericus nascitur horâ Alberti Naturs Ducis Australisque Joanne Principis, ac ternâ Sabti decehsit in horâ vivis ex membris Idus quartaque Decembris Anno Mileno C’ter LXque secundo (Im Jahre 1347 Samstag zur dritten Stunde wurde Friedrich geboren von vornehmster Herkunft Albrechts Herzog von Österreich
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Abb. 7: Ansicht der mittelalterlichen Herzogsgruft in der Wiener Stephanskirche nach Marquard Herrgott, aufgenommen von Salomon Kleiner, Kupferstich 1755.
mit dieser ersten habsburgischen Bestattung steht die im März 1363 vom Herzog Rudolf IV. festgelegte Gottesdienstordnung, die er gemeinsam mit in der Heiligen Schrift kundigen und gelehrten geistlichen Würdenträgern verfasst hatte. Sie ent-
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und Johannas und am Samstag zur dritten Stunde starb ihm das Leben aus den Gliedern am 10. Dezember 1362); Testarello 1685, 2. Serie, 6.
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Abb. 8: Wien, St. Stephan, Hochchor mit Epitaphien von Herzog Friedrich III., Herzog Rudolf IV. und Medaillon mit hl. Jakobus.
hält ausführliche Bestimmungen zur Abhaltung der liturgischen Feiern, Vorgaben für die Beleuchtung sowie Angaben zu Reliquien. Ferner gibt der Text Aufschluss über die (Neu-)Anordnung entsprechender Kultobjekte im Chorraum, der fortan dem Kollegiatkapitel – vorwiegend für das habsburgische Totengedächtnis – vorbehalten war. Aus diesen Bestimmungen geht hervor, dass der Gottsleichnamsaltar offenbar vom Mitteljoch des Lettners jetzt weiter nach Osten versetzt wurde und seine Aufstellung über dem Gewölbe des Gruftraumes – also im Mittelchor – fand.65 Durchwegs wird die unterirdische Begräbnisstätte der Habsburger – nicht nur in dieser Verordnung, sondern allgemein in den Schriftquellen – herzogengrab bezeichnet, wobei die Pluralbildung zu beachten ist. Neben dem Gottsleichnamsaltar wurde auch der Fronaltar, also der dem hl. Stephanus geweihte Hauptaltar, der jetzt das erste Mal erwähnt wird, ferner der Frauenaltar im Nordchor, aber auch der Gruftraum selbst in die Liturgie miteinbezogen. Dies lässt den Schluss zu, dass der Abgang zum herzogengrab offenstand, also ähnlich konzipiert war, wie die Grablege der Habsburger im Kloster Königsfelden, das – wie bereits dargelegt – anlässlich des gewaltvollen Todes König Albrechts I. († 1306) dem Großvater Herzog Rudolf IV. gestiftet wurde.66 Präzisiert werden die liturgischen Bestimmungen für die Stephanskirche zwei Jahre später, 1365, im Zweiten Stiftsbrief; hier wird nun auch auf die Sitzordnung der Stiftsherren im Chor eingegangen.67 Um den zentral im Mittelchor positionierten Gottsleichnamsaltar waren, wie aus dem Stiftsbrief zu erfahren ist, die Sitze der Kapitelmitglieder angebracht, und zwar in jeweils zwei sich gegenüberliegenden Reihen; nur Kantor, Propst, Dechant und Küster hatten gesonderte Plätze. Dass diese Bestimmungen tatsächlich in der Praxis – wenn auch ein wenig adaptiert – noch Jahrzehnte später umgesetzt wurden, zeigt der Passauer Liber Ordinarius, der im 65 Anstelle des Gottsleichnamsaltars im Mitteljoch des Lettners weihte man einen Altar mit dem Doppelpatrozinium Heiligenkreuz und hl. Veit. Dieser diente fortan dem Laien volk als Hauptaltar. Er ist das erste Mal am 24. Februar 1369 erwähnt: QGStW III/1, Nr. 140; Schedl 2018, 69. 66 Moddelmog 2012, 128; Maurer 1954, 62–65; Kurmann-Schwarz 2008, 52–53 und 70–72. Dort findet sich aber anstelle des Gottsleichnamsaltars ein Kenotaph. Dies erklärt sich damit, dass der verstorbene König nicht in der Königsfeldener Gruft bestattet wurde, sondern seine sterblichen Überreste in der Grablege der deutschen Könige in der Krypta des Doms von Speyer beigesetzt wurden. 67 Schedl 2018, 62–63 und 69.
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1. Viertel des 15. Jahrhunderts für das Wiener Kollegiatkapitel angefertigt wurde.68 Bei diesem Codex handelt es sich um eine liturgische Gebrauchshandschrift. Starke Abnutzungsspuren lassen auf eine permanente Verwendung schließen. Von besonderem Interesse sind die dem Text hinzugefügten Randnotizen. Ein Eintrag – er geht über zwei Seiten – bezieht sich auf Allerheiligen, das Patrozinium des Kapitels. An diesem Tag gedachten die Stiftsherren ihrem Gründer, Herzog Rudolf IV.69 Sie veranstalteten eine aufwendige Feier und gingen vom Friedhof in den Chor der Kirche zu ihrem Chorgestühl, dann zum Grab der Herzöge, wo eine Messe gelesen wurde. Danach führte die Prozession abermals auf den Friedhof und zurück in die Kirche zum Fronaltar. Dort wurde eine Totenmesse gefeiert. Aus diesen Angaben lässt sich ableiten, dass noch in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, als der Passauer liber ordinarius im Gebrauch war, der Abgang in die Herzogsgruft nicht geschlossen war und man die unterirdische Begräbnisstätte in die Liturgie mit einbezog.70 In diesem Zweiten Stiftsbrief geht der Herzog auch sehr ausführlich auf die Genese des Stiftungsprozesses ein.71 So habe an mit der gesamten Familie und allen Untertanen über den Ort und die Errichtung eines größeren Bauwerks anstelle der Allerheiligenkapelle beraten, nachdem die Erlaubnis des Papstes erteilt war. Auf Anraten von Leopold von Sachsengang, dem Pfarrer von Wien und der Stadt, besunderlich nach der Rat, Lewpolts des Sachsenganger, ze den zeiten Pharrer ze Wyenn, und der gemain der Stat daselbs, von Wyenne, gelangte man zu dem Schluss, die gesamte Stiftung mit all ihren Würden und Ehren in die Pfarrkirche St. Stephan zu legen, die den Titel Allerheiligen tragen sollte. Denn der ursprünglich ausgewählte Ort der Stiftung sei gar zu klein und unverfänglich (unauffällig) gewesen, wan die vorgenant Stat der ersten stifft gar ze chlain und unvervenchlich darzu wer gewesen. So hätte für die Stadtbevölkerung von Wien der Gottesdienst in der genannten Stiftung nicht so vollständig durchgeführt werden können wie in der Pfarrkirche, in der die Grablege erwählt wurde […] Lawt daselbs ze wyenne gots dienst in der egenanten stifft, nicht als vollikchlich mochten volpracht […] haben, als in der egenanten Pharrchirchen dar inn wir unser begrebnuzz erwelt haben. Der Grund für die anscheinende Verlegung ist demnach nicht allein auf die räumliche Dimension des Kapellenbaues zurückzuführen, sondern wohl auch auf deren Lage am Rande der Stadt in der architektonisch abgeschlossenen Hofburg, die nur einer ausgewählten Klientel zugänglich war.72 Wie die zahlreichen Schrift-
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68 Codex 4712 der Österreichischen Nationalbibliothek. Bemerkenswert an dieser Handschrift sind die vermutlich im zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts dem Haupttext hinzugefügten Randglossen. Während der Haupttext keine wienspezifischen liturgischen Besonderheiten aufweist, sondern sich auf Passauer Gewohnheiten bezieht, sind die Hinzufügungen speziell auf das Wiener Pfarrgebiet ausgerichtet. Klugseder 2013, 11–43; Klugseder/Brusa 2019. 69 Klugseder 2013, 24. Am unteren Rand von folio 98v und 99r heißt es zu Allerheilgen: […] processio […] per medium cimiterii et stacio circa et prope muros […] venerit ad chorum ibidem facta stacione […] ad sepulchrum dominorum ducum finita eadem missa […] sequitur processionem iterum per cimiterium […] intrando ecclesiam […] ad altare sancti stephani […] et cantatur Requiem eteram. 70 Schedl 2018, 67. 71 QGStW I/4, Nr. 3544; Zweiter Stiftsbrief, Original Pergament, Diözesanarchiv Wien; vgl. Flieder 1968, 153–162 und 254–266. 72 Dass der Herzog mit dem Gedanken gespielt hätte, anstelle der Allerheiligenkapelle
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quellen zum Stiftungsprozess deutlich machen, inszenierte das Herzogspaar aufwendige Festakte mit den Zielen, das Projekt bekannt zu machen und eine Vervielfachung der für ihr Seelenheil betenden Fürbitter zu erwirken. Denn neben den Stiftsherren sollte auch Laienvolk in die Gebetsverpflichtung eingebunden werden. Damit setzte sich das Herzogspaar deutlich von der Tradition der Vorgänger hinsichtlich des Begräbniskultes ab. So gründeten die Babenberger bekanntlich zahlreiche Klöster und ließen sich in den von ihnen gestifteten beziehungsweise weitgehend geförderten Klosterkirchen beisetzen.73 Ebenso bevorzugten die ersten beiden Generationen der Habsburger eine Klostergemeinschaft als Begräbnisort, so sie nicht in der Königsgruft im Dom zu Speyer ihre letzte Ruhe fanden. Herzog Rudolf IV. suchte hingegen die Hauptpfarrkirche der Stadt, einen stark frequentierten Ort, für seine Grablege respektive sein Totengedächtnis. Die Nutzungserweiterung der Pfarrkirche und der damit verbundene Anstieg an Kirchenbesuchern sowie geistlichen Würdenträgern erforderten zweifellos einen erhöhten Raumbedarf. Dass für dieses Vorhaben mit dem Pfarrer und der Stadtobrigkeit beraten wurde, ist vor allem im Hinblick auf die Finanzierung sowie die Organisation des Kirchen- und Baubetriebes von Bedeutung, wurde doch das Kirchenvermögen von St. Stephan – wie dargelegt – von den Wiener Bürgern verwaltet. Allerdings hatte Herzog Rudolf IV. diesbezüglich andere Absichten.74 Nach seinen Vorstellungen sollte das Kollegiatkapitel Einfluss auf das Kirchenvermögen bekommen, wie aus dem Zweiten Stiftsbrief hervorgeht.75 Die Amptherren, allen voran der Kustos, hätten nämlich nicht nur den Schlüssel zum Reliquienschatz und den Dokumenten des Stiftes verwahrt, sondern wären auch für die Verwaltung aller Gelddienste aus Stiftungen, wie Jahrtage, Ewige Messen, Lichtstiftungen, Erträgnisse aus Versehgängen (bevild), Begräbnisse, Einkünfte von dem Glockengeläute usw. – also auch jenen der Pfarrliturgie – zuständig gewesen. Der Kustos des Kapitels sollte davon für Beleuchtung, den Baubetrieb, die Zierde und die gottesdienstlichen Erfordernisse der Kirche aufkommen. Der Propst hätte, nach den Ausführungen des Stiftsbrief, die Oberaufsicht über die Amtstätigkeit des Kustos und über das Kirchengebäude innegehabt. Allerdings konnten diese Bestimmungen des Herzogs wohl aufgrund der mächtigen Position des Wiener Rates und des Kirchmeisters nicht durchgesetzt werden. Letztendlich blieb die Finanzgebarung des von Herzog Rudolf IV. gegründeten Kollegiatkapitels von dem Kirchenvermögen strikt getrennt und wurde von dessen Amptherren verwaltet.76
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einen größeren Bau zu errichten, scheint aufgrund der dichten Urkundenüberlieferung in den Jahren 1358 und 1359 nicht wirklich glaubwürdig. Vgl. dazu auch Wolfinger 2011, 119–145; Wolfinger 2018. Augustiner Chorherrenstift Klosterneuburg, das Schottenkloster in Wien, die Zisterzien serklöster Heiligenkreuz und Lilienfeld. Schedl 2018, 75–79. Zweiter Stiftsbrief, Original Pergament, Diözesanarchiv Wien; vgl. Flieder 1968, 153–162 und 254–266. Raittregister des Custos (lückenhaft erhalten von 1421–1522); Aufbewahrungsort Diöze sanarchiv Wien, Bestand Domkapitel, Custosraittungen B1–B3.
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4. herzogenkapelle, Fürstenportale und Grablege nach dem Tod Rudolfs IV. (1365–1400) Während eines Besuchs in Mailand bei Fürst Bernabò Visconti (1323–1385) verstarb Herzog Rudolf IV. im Juli 1365, nach siebenjähriger Regentschaft. Bernabò Visconti ließ den Leichnam in San Giovanni in Conca, der Hauskirche der Visconti, cum maximo honore der Öffentlichkeit präsentieren.77 Anschließend wurde der Leichnam über Verona und Tirol nach Wien geführt. 78 Wann die Beisetzung in der Herzogsgruft erfolgte, wird von den hiesigen zeitgenössischen Geschichtsschreibern nicht überliefert. Darüber hinaus ist auch wenig über die originäre Ausstattung der Grablege bekannt bzw. erhalten, die sich über zwei Ebenen erstreckte, also den Chorraum und die darunterliegende Gruft mit einbezog. Wie bereits erwähnt veröffentlichte Marquard Herrgott eine bildliche Wiedergabe der unterirdischen Habsburgerbegräbnisse (Abb. 7). Eine – heute sehr überarbeitete – Segenshand im Gewölbe des Gruftraums zeigte auf den Bestattungsort hin. 1685 war dort noch die Inschrift HIC JACET FUNDATOR zu lesen.79 Ein aufwendiges Wandrelief – mit Kreuz und heraldischem Dekor geschmückt – dürfte ebenfalls im Gruftraum angebracht gewesen sein. Noch heute lässt sich folgende Gebetzeile im Kreuz entziffern: + IE(S)V ∙ CHR(IST)E33 ∙ FILII ∙ DEI ∙ UIVI ∙ +/+ MISERE// RE ∙ NOBIS. Unter dem Kreuz stand 1685 folgender Text: Rudolphi Fundatoris Ecclesiae S. Stephani.80 Zu der Ausstattung ist wohl auch jene Grabplatte zu zählen, die sich heute im Boden eingelassen befindet, ein Hügelkreuz aufweist und mit der Umschrift + HIC + / IACET RVDOLFVS + FVNDATOR + QV/I + CREDIDIT / IN + IHESUM + CHRISTVM + CRVCIFI/XV(M) versehen ist.81 Von den Ausstattungsstücken der Grablege im Hochchor sind die beiden Epitaphien der Habsburger Brüder erhalten; also das bereits erwähnte von Herzog Friedrich II. († 1362) und das etwas größere von Herzog Rudolf IV. 82 (Abb. 8). Gleich daneben befindet sich eine
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77 Huber 1865, Reg. 618; Niederstätter 2001, 169. 78 Am 4. Dezember 1365 wird festgehalten, dass Herzog Leopold dem Berthold von Gustdaun, Hauptmann von Tirol und seinen Söhnen 883 Gulden u. a. für Auslagen bei der Überführung des Leichnams Rudolf IV. von Italien nach Tirol schuldet. Huber 1864, 256, Reg. 434. 79 Testarello 1685, 2. Serie, 7–8; Marquard Herrgott, der die Gruft nachweislich 1739 mit allerhöchster Erlaubnis besichtigte, beschreibt zwar die Hand Gottes, erwähnt aber die Inschrift nicht. Herrgott/Gebertus 1772, Pars 1, 177–180, 177; Vgl. zur Herzogsgrablege den Beitrag von Franz Zehetner in diesem Band. 80 Testarello 1685, 2. Serie, 7–8. 81 Transkription der Inschrift nach Kohn 2002, 300. 82 Anno Domini 1365 post festum Jacobi Apostoli Dominicâ proximâ obiit in Mediolano Dnus Rudolphus quartus Dux Austria, Styria, Carinthia, et Carnolia Princeps Illustrihsimus, terrarumque suarum Potentihsimus, huius Praepositurae fundator, qui Dnam Catharinam filiam Dni Caroli quarti Imperatoris Gloriosihsimi habuit in consortem, iste enim Rudolphus Comitatum Tyrolensem augendo adiiciens ad Austriae Principatum. (Im Jahre des Herrn 1365 am folgenden Sonntag nach dem Fest des Apostels Jakob (27.Juli) starb in Mailand Herr Rudolf IV. Herzog von Österreich, Steier, Kärnten und Krain, berühmtester und mächtigster Fürst seiner Länder und Stifter dieser Probstei, welcher die Herrin Katharina, Tochter Herrn Karls IV. herrlichster Kaiser zu seiner Gemahlin hatte, eben dieser Rudolf fügte die Grafschaft Tirol zum Österreichischen Fürstentum vergrößernd hinzu); Testarello 1685, 2. Serie, 6.
Das Fürstenpaar und St. Stephan nach den Schriftquellen
medaillonförmige Darstellung des Apostels Jakobus, die möglicherweise gleichzeitig mit der Grabinschrift von Herzog Rudolf IV. entstand. Das geht zum einen aus der Anbringungssituation in Bezug zum Epitaph Rudolfs hervor, aber auch aus dem inhaltlichen Kontext, erwähnt doch die Inschrift ausdrücklich, dass der Herzog nach dem Fest des hl. Jakobus verstorben ist, post festum Jacobi Apostoli.83 Darüber hinaus beschreibt Thomas Ebendorfer in seiner in den 1450er-Jahren verfassten Chronik, dass das Porträt Herzog Rudolfs IV. – ein Tafelbild in der Größe von 30 x 45 cm – in seinem mausoleum angebracht war (Abb. 9).84 Vermutlich war es bereits im 14. Jahrhundert in unmittelbarer Nähe zu dem mehrzeiligen Epitaph Rudolfs an der Hochchorwand befestigt. Jedenfalls beschreibt Testarello diese Anbringungssituation 1685.85 Bereits ein Jahr nach dem Ableben des Habsburgers stellte sein Bruder, Herzog Albrecht III. (1349/50–1395) im Juli 1366 eine Urkunde aus, aus der hervorgeht, dass der Leonhardsaltar vom Lettner, vordern porkirchen, in die Saint Blasienkapelle übertragen wurde, womit die südwestliche Untergeschosskapelle gemeint ist (Abb. 3).86 Er ordnet an, dass die Messstiftung weiterhin von der Wagenmaut zu finanzieren sei. Reliquien des hl. Blasius dürfte Herzog Rudolf IV. aus den Vorlanden mitgebracht haben; neben dem Altar wurden Partikeln laut der bereits erwähnten vergoldeten Kupfertafel auch hinter dem Kolomanistein deponiert. Ebenso nennt das Reliquieninventar, das wohl unter Rudolf IV. angefertigt wurde, Reliquien dieses Heiligen.87 Belegt ist an dieser Kapelle auch ein Eligiuspatrozinium. Dabei handelt es sich um eine Stiftung der Goldschmiedzeche, die 1366 von den Herzögen Albrecht III. und Leopold III. ihre Zechordnung bestätigt bekamen.88 Aus den Altarnennungen geht eindeutig hervor, dass der Kapellenbau jetzt so weit fertiggestellt war, um liturgisch genutzt werden zu können. Seit 1390 wird die südwestliche Untergeschosskapelle als herzogenkapelle bezeichnet, was wohl mit den beiden habsburgischen Altarstiftungen sowie mit einem dynastischen Bildprogramm zusammenhängen dürfte.89 Dass sich in der herzogenkapelle ehemals kostspielige Glasbilder befanden, ist den Abrechnungen des Kirchmeisters zu entnehmen, denn diese wurden jährlich aufwendig gereinigt.90 Möglicherweise handelte es sich um die Darstellung eines umfassenden Habsburgerstammbaumes. 1779 befanden sich gemalte Scheiben mit Bildnissen der Habsburger in der darüberliegenden Bartholo mäuskapelle.91 Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass die Scheiben erst später in 83 Auch die liturgische Gebrauchshandschrift des Kollegiatkapitels, der Passauer Liber Ordniarius, verzeichnet die zu begehenden Anniversarienfeiern für den Herzog für Sonntag nach Jakobus. Domenica proxima post Jacobi agimus anniversarium ducis Rudolfi fundatoris nostri; ÖNB, Codex 4712, 83r; vgl. dazu Klugseder 2013, 22. 84 Thomas Ebendorfer zit. nach Lhotsky 1967, 289. […] Ipsius alias apud suum mausoleum physonomiam in pictura conspexi. 85 Testarello 1685, 2. Serie, 6. 86 Göhler 1929, 532–535; Schedl 2018, 47 und 70. 87 Ogesser 1779, Anhang, 158–159; Fiska 2013, 339, [59]. 88 Die Herzöge Albrecht III. und Leopold III. bestätigen am 13. Oktober 1366 die Ordnung der Goldschmiede. Gneiß 2017, 27; Gneiß weist auf die Sonderstellung der Goldschmiede hin. Zu den Altarbenefizien: Zinnhobler (Hg.) 1989, 320. 89 Camesina 1874, Nr. 46; QGStW II/1, Nr. 1187. 90 Schedl 2018, 256, Anm. 505. 91 Ogesser 1779, S. 134–135.
Abb. 9: Porträt von Herzog Rudolf IV., Wien Dommuseum.
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Abb. 10: Wien, St. Stephan, Rekonstruktion des Baufortschritts um 1426/27.
die Obergeschosskapelle übertragen wurden bzw. dass es einen weitaus umfangreicheren Bildzyklus mit Habsburgerdarstellungen gegeben hatte.92 Gleichzeitig mit der südwestlichen Kapelle wurde ihr nördliches Pendant errichtet; Bauherr dieses Sakralbaues war Hans von Tirna, ein Gefolgsmann des Herzogs, der diese Kapelle für das Totengedächtnis seiner Familie erwählte.93 Bereits 1367 wird eine Martinskapelle in St. Stephan erwähnt.94 Unter der Regentschaft Herzog Rudolfs IV. dürfte der Martinsaltar aus dem landesfürstlichen Martinsspital beim Widmertor samt seiner gewinnbringenden Einkünfte in die Stephanskirche übertragen worden sein.95 Dass sich diese Kapelle in unmittelbarer Nähe der Blasiuskapelle bzw. herzogenkapelle befand, geht aus Stiftungsurkunden hervor.96 So erfährt man 1418, dass der Martinsaltar gegenüber der Sakristei liegt,
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92 Tietze 1931, 212; Frodl-Kraft rekonstruiert das Programm der Fürstenscheiben (heute im Wien Museum) in aufwendigen Detailstudien für die Bartholomäuskapelle. Ihr Hauptargument ist die Größe der Scheiben, die allerdings beschnitten sind. Frodl-Kraft 1962. 93 Hans von Tirna war bereits in die Gründung der Allerheiligenkapelle in der Hofburg involviert. Schedl 2018, 50 und 71. 94 QGStW I/2, Nr. 1673; 1377: QGStW III/1, Nr. 916, 962; QGStW III/3, Nr. 3449; 1378: QGStW III/1, Nr. 1010; QGStW II/1, Nr. 939. 95 Ogesser 1779, Anhang, 53–58; Flieder 1968, 88; Brunner 1929, 111–114; Perger 1988/1989, 7–15; Zinnhobler (Hg.) 1989, 340. 96 Schedl 2018, 57 und 72.
Das Fürstenpaar und St. Stephan nach den Schriftquellen
Abb. 11: Georg Christian Wilder, Ansicht des Bischofstores mit Kolomanistein und „Geheim inschrift“, Kupferstich 1824.
der sand Mertn Altar gegen dem Sagrer vber 97, und 1428 wird man noch deutlicher, indem der Standort des Altars bei der Herzogskapelle als gegenüber der Sakristei beschrieben wird, sand Merteins Altar bey der Herczogen Cappellen gegen dem alten Sagrer vber.98 Daraus lässt sich schließen, dass wohl – ähnlich wie dies bereits für die Nordseite mit dem Bischofstor und dem Kolomanistein dargelegt wurde – die südliche Außenmauer in ca. 5 m Abstand zum alten Kirchenbau zumindest im westlichsten Joch mit dem Portalrahmen für das Singertor so weit hochgezogen war, dass hier der Martinsaltar untergebracht werden konnte. Offensichtlich nutzte man den Raum zwischen den beiden Kirchenmauern im Süden beim Singertor als „Martinskapelle“ und jenen im Norden beim Bischofstor als Sakristei (Abb. 10). Im Zuge der Abbrucharbeiten der letzten Teile des romanisch-frühgotischen Kirchenschiffes im Jahr 1427 entfernte man auch das Gemäuer und die Gitter der Martinskapelle.99 Dass der nördliche Zwischenraum bis 1427 als „Alte Sakristei“ gedient hatte, zeigen zum einen die bereits erwähnte Urkunde zum Martinsaltar, zum anderen die Baurechnungen des 15. Jahrhunderts. So wurden 1407 Reparaturarbeiten im 97 Camesina 1874, Nr. 207; QGStW II/2, Nr. 2082. 98 Camesina 1874, Nr. 279; QGStW II/2, Nr. 2315. 99 Schedl 2018, 113; Uhlirz 1901/1902, 417 und 419; Verortung der Altäre siehe Schedl 2018, 215–217.
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nördlichen Seitenschiff, der nordwestlich gelegenen Tirnakapelle und in der dortigen Sakristei durchgeführt.100 1430 übersiedelte man die noch brauchbaren Möbel der „Alten Sakristei“ in die jetzt fertiggestellte „Neue Sakristei“, die an der Südseite des Kirchenlanghauses angebaut wurde. Die Rechnungen von 1430 verzeichnen Ausbesserungsarbeiten am Fensterglas über dem Bischofstor, die wohl im Zuge der Adaptierung der „Alten Sakristei“ in das neue Kirchenlanghaus notwendig waren.101 Im Zuge der Kirchengrabungen in den Jahren nach 1945 konnten Fundamente einer in nordsüdlicher Richtung verlaufenen Quermauer in Höhe des westlichen Nordstrebepfeilers freigelegt werden.102 Offensichtlich dürfte es sich dabei um Reste der provisorischen nördlichen Begrenzungsmauer der „Alten Sakristei“ handeln. An dem genannten Strebepfeiler im Außenbereich sind in zwei Zeilen codierte Buchstabenfolgen eingeritzt, die im 18. Jahrhundert als „Geheimschrift“ des Herzogs aufgelöst werden konnten (Abb. 11).103 Die Inschrift geht über zwei Steinquader; in der ersten Zeile fehlen am Ende Zeichen bzw. entschlüsselte man diese einmal als GR ein andermal als NS, sodass in der Folge unterschiedliche Ergänzungen vorgeschlagen wurden. Die letzten Zeichen der zweiten Zeile (TOR) dürften generell später von einer anderen Hand hinzugefügt worden sein. Aufgrund der unregelmäßigen Ausführung der Zeichen wurde vermutet, dass die Quaderblöcke, die die Inschrift tragen, vom Chor, in dem sich die Herzogsgrablege befindet, in die Strebepfeiler eingesetzt wurden, beziehungsweise, dass es sich bei der (beschädigten) Inschrift am Pfeiler um eine (teilweise ergänzte) Kopie handelt. Über den Zeitpunkt der Anbringung der Inschrift und über die Personen, die dafür verantwortlich sind, gibt es in den Schriftquellen keine Hinweise. Dass Rudolf IV. eigene alphabethische Zeichen entwickelte und dass diese damals und auch noch in der frühen Neuzeit durchaus von einem größeren – wohl gelehrten – Rezipientenkreis verstanden wurden, ist von der Forschung deutlich gemacht worden.104 Die Zeichen bezweckten nicht eine Geheimhaltung, vielmehr dienten sie der Hervorhebung und Repräsentation der Person, die sie geschaffen hatte, forderte doch das Lesen eine noch deutlichere Aufmerksamkeit und Konzentration als man dies von reinen, klaren Schriftzeichen zu erwarten hatte. Damit steigerten die Zeichensymbole das Gedächtnis, die memoria, an den Herzog über dessen Tod hinaus, und fügten sich konsequent in die Portalsituation mit den Bildnissen des Fürstenpaares und dem Kolomanistein im Türgewände. Allgemein lässt der Schriftquellenbefund den Schluss zu, dass der gesamte Kirchenraum als herzogliche Grablege verstanden wurde. Wohl war das Bauvorhaben so ausgelegt, dass der moderne, durch einen Lettner abgeschrankte Hallenchor mit dem herzogengrab in der Hauptsache der habsburgischen memoria dienen sollte,
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100 Schedl 2018, 99; Uhlirz 1901/1902, 43 und 266. 101 Schedl 2018, 114–115. Uhlirz 1901/1902, 461. 102 Schedl 2018, 72; Oettinger 1949, 354 und Tafel 2. 103 Herrgott/Gebertus 1772, Tabula XV; Tietze 1931, 137; Zykan 1981,73; Kohn 2002, 295– 319; Müller 2015, 42–53. 1. Zeile: HIC EST SEPULTUS DE(I) GR (ATIA) 2. Zeile: DUX RUDULFUS FUNDA TOR bzw. 1. Zeile: HIC EST SEPULTUS DE NS (XXV) 2. Zeile: DUX RUDULFUS FUNDA TOR. 104 Müller 2015, 42–53.
Das Fürstenpaar und St. Stephan nach den Schriftquellen
während der übrige erweiterte Kirchenraum dem Laienvolk für die Pfarrliturgie und das eigene Totengedächtnis zur Verfügung stand. Allerdings wurden die Kirchenbesucher, das Laienvolk, ausdrücklich zum Gebet für die Habsburger aufgefordert. 105 Das Konzept des Herzogs zielte zweifellos auf eine Vervielfachung der für sein Seelenheil betenden Fürbitter ab. Mit dem Ableben des Herzogs standen die Bauarbeiten bei St. Stephan für ein Jahrzehnt still. Erst im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts häufen sich Nachrichten über Stiftungen für den Baubetrieb.106 Die Witwe des Herzogs, die Kaisertochter Katharina von Böhmen, überlebte ihren Gemahl 30 Jahre. Kurz nach dem Tod Rudolfs IV. heiratete sie im Jahr 1366 Markgraf Otto V. von Brandenburg, lebte mit ihm am Prager Hof bzw. am Hof in München. Im November 1379 verstarb der Markgraf. Bereits 1368 übergab Katharina von Böhmen, jetzt Markgräfin zu Brandenburg, Pfalzgräfin am Rhein und Herzogin von Bayern, 120 Pfund an das Kapitel von St. Stephan, welche auf Güter angelegt werden sollten. Von deren Erlös sollte jährlich für sie ein Jahrtag von dem Kustos des Kapitels begangen werden. Der Kustos musste darüber hinaus unterschiedliches Wachs zur Beleuchtung der Reliquien und des Herzoggrabes zur Verfügung stellen.107 1378 bestätigte der damalige Kustos der thumkirchen zu St. Stephan die Stiftung und den Empfang einer beträchtlichen Geldsumme und gelobte, dass das Herzoggrab ewig zu beleuchten sei. Besonders aber am Jahrestag des Stifters sollte man das herzogengrab mit 30 Steckkerzen schmücken, während man im Chor zusätzlich zu den Kerzen auch 8 Windlichter aufzustellen hatte.108 Die Herzogin traf in ihrer Stiftung zudem die Anordnung, dass nach ihrem Tod ihr Jahrestag in gleicher Weise wie der Rudolfs IV. begangen werden sollte. Spätestens 1379 kehrte Katharina von Böhmen nach Österreich zurück. Thomas Ebendorfer berichtet in seiner Chronik, dass sie ihren Witwensitz in Perchtoldsdorf nahm.109 Es ist nicht gesichert, ob Katharina von Böhmen in der Herzogsgruft in St. Stephan bestattet wurde.
5. Resümee Um 1300 initiierten die Wiener Bürgerinnen und Bürger den Neubau des Chor es ihrer Hauptpfarrkirche St. Stephan. Grundstücksankäufe zur Erweiterung des Friedhofareals geben dafür erste Hinweise. Das Bauprojekt verzögerte sich und wurde erst ab den 1320er-Jahren auch mit Unterstützung der landesfürstlichen Familie in Angriff genommen. Ob damals auch ein Konzept für einen Neubau des Kirchenlanghauses vorlag, ist nicht bekannt. Unter der Regentschaft von Herzog Rudolf IV. und seiner Gemahlin, der Kaisertochter Katharina von Böhmen, erfuhr St. Stephan Funktionserweiterungen – der Sakralbau entfaltete sich zu einem Repräsentationsobjekt der Habsburger. Das Fürstenpaar wählte die Pfarrkirche zu seiner Grablege, verlegte das in der Hofburg gegründete Kollegiatstift nach St. Stephan, 105 Wolfinger 2011, 119–146. 106 Schedl 2018, 93–95. 107 Zschokke 1895, 274. Zschokke geht davon aus, dass von dieser Stiftung jener Grund, den der Kustos in Erdberg, am Rennweg und in Inzerstorf hatte, gekauft wurde. 108 Zschokke 1895, 51 (ohne Quellenbeleg); Camesina 1874, Nr. 35 (ohne Datum). 109 Thomas Ebendorfer zit. nach Lhotsky 1967, 290–291.
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vergrößerte den Kirchenschatz durch zahlreiche Reliquienstiftungen, förderte die Liturgie und vermehrte Gottesdienste sowie Gebetsleistungen zu ihrem Seelenheil. Die Erweiterungen inkludierten ein deutlich vergrößertes Kirchenlanghaus mit zwei Türmen, aufwendig gezierte Portale, die architektonische Rahmung der alten Westfassade durch Kapellenanbauten und Ausgestaltung der Herzogsgrablege auf zwei Ebenen. Das Vorhaben war so ausgelegt, dass noch zu Lebzeiten des Herzogs an zwei Bereichen bauliche Veränderungen durchgeführt wurden. So hob man im Hallenchor die Gruft aus, die durch eine steile Treppe vom Mittelchor aus erreichbar war. Zweitens wurden die Untergeschosse der Westkapellen gebaut und es dürften im Abstand von ca. 5 m zum romanisch-frühgotischen Langhaus die neuen Kirchenaußenmauern zumindest der westlichen Joche mit den Fürstenportalen, dem Bischofstor und dem Singertor, hochgezogen worden sein. Herzog Rudolf IV. starb in Mailand im Juli 1365 und wurde vermutlich noch in diesem Jahr in der Herzogsgruft bestattet. Wohl haben sich Objekte des herzoglichen Grabensembles erhalten, wie Porträt, Wandschmuck in der Gruft, Tumbadeckel, Epitaphien – sowohl im Außenbereich als auch im Hochchor. Verrmutlich gehörten auch die Liegefiguren des Fürstenpaares zu dem Grabmonument, dennoch lassen sich keine gesicherten Aussagen über deren Verortung und somit über das Gesamtkonzept machen. Erst im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts häufen sich schriftliche Nachrichten, dass die Bautätigkeit an der Stephanskirche fortgeführt wurde. Mit der Verlegung des Stifts vom herzoglichen Privatgemach in die Hauptpfarrkirche der Wiener Stadtbevölkerung sowie der Einrichtung einer Habsburgergrablege in eben dieser Kirche war zweifellos ein repräsentativer Öffentlichkeitsanspruch verbunden.110 St. Stephan war nun nicht mehr allein Ort der Pfarrseelsorge aller sozialen Gruppen unterschiedlichen Ranges, Standes und Geschlechts, denn ab nun war auch der fürstliche Hof unentwegt präsent. In der Folge entwickelte sich die Stephanskirche zu dem bedeutendsten Zentralort der Stadt.111 Waren bislang die Wiener Bettelordenskirchen, die Dominikanerkirche und die Minoritenkirche, Schauplätze herrschaftlicher Ereignisse, so fand die politische Öffentlichkeit des Hofes nun in St. Stephan statt.
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110 Wolfinger 2011, 128; Zu dem Öffentlichkeitsaspekt in der mittelalterlichen Stadt: Mersiowsky, 2010, 13–58. 111 Opll 1995, 46–49, 69 (1278 Minoritenkirche; 1279, 1321 Dominikanerkirche); Zu Inszenierungen der Habsburger in St. Stephan im 16. Jahrhundert: Schedl, 2020.
Achim Hubel
Der Hallenchor von St. Stephan in Wien Überlegungen zum Verhältnis von Architektur und Plastik
Über den dreischiffigen Hallenchor von St. Stephan in Wien haben schon viele Fachkollegen gearbeitet und versucht, die Entstehungszeit und die Bauabfolge zu klären (Abb. 1). Leider gibt es nur wenige Quellen zur Baugeschichte. Das Zisterzienserstift Zwettl wurde durch einen städtischen Beschluss im Jahr 1300 gezwungen, ein Haus östlich des Chors der alten Stephanskirche zu verkaufen, damit die Bürger die Kirche erweitern könnten. Ein von 15 Bischöfen in Rom ausgestellter Ablassbrief aus dem Jahr 1300 für St. Stephan dürfte sich ebenfalls auf den geplanten Neubau beziehen.1 Wie Günter Brucher vermutete, könnte der Anlass für den Neubau die 1298 durch Albrecht I. erworbene Königswürde gewesen sein, verstärkt durch die von Papst Gregor X. und Papst Honorius IV. bereits Albrechts Vater König Rudolf I. in Aussicht gestellte Kaiserkrönung:2 „Damit bestand berechtigte Hoffnung, sich der diözesanen Bevormundung durch Passau zu entziehen, und nichts konnte diese Option auf eine eigene Diözese deutlicher machen als ein auch der Würde einer Kathedrale zweckdienlicher Neubau der Pfarrkirche“.3 Somit liegt ein Baubeginn des neuen Chors kurz nach 1300 nahe. Im Jahre 1304 erhielt das Stift Zwettl als Ersatz das in der Nähe liegende Greifensteinersche Haus.4 Den Baubeginn bestätigt auch ein Grundstücks-Tauschgeschäft mit dem Deutschen Orden im Jahr 1309. Stiftungen zum Chorbau aus den Jahren 1302 (2 Pfund Pfennige) und 1306 (10 Pfund Pfennige),5 weitere bürgerliche Stiftungen von 1318, 1328 und 1336 sowie eine 1330 bezeugte Stiftung von Gutta, der Schwester Herzog Albrechts II., lassen eine kontinuierliche Bautätigkeit vermuten, ebenso wie fünf Ablassbriefe aus den Jahren 1323–1328.6 Als Pfarrer von St. Stephan wirkten seit 1308 Prinz Albrecht von Sachsen-Wittenberg, ein Neffe König Albrechts I., der 1320 zum Bischof von Passau ernannt wurde; von 1323 bis 1336 Heinrich von Luzern, Domherr von Passau und Freising sowie Protonotar der österreichischen Herzöge.7 Der nächste Pfarrer von St. Stephan war von 1336 bis 1349 Graf Albrecht von Hohenberg, gleichzeitig Domherr in Konstanz, der 1349 Bischof von Freising wurde. Er war ein Großneffe der Königin Anna von
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Schedl 2018, 37; Brucher 2000, 31; vgl. dazu auch den Beitrag von Barbara Schedl in diesem Band. Brucher nennt hier versehentlich Papst Bonifaz VIII., der aber erst ab 1294 regierte, als König Rudolf I. bereits gestorben war. Brucher 2000, 249 f. Nr. 34; vgl. auch Wagner-Rieger 1988, 131–135. Schedl 2018, 38; Bachleitner 1958, 18–21. Schedl 2018, 38; Bachleitner 1958, 14 und 21. Schedl 2018, 44; Bachleitner 1958, 35 f. Schedl 2018, 43; Bachleitner 1958, 13 f.
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Achim Hubel
Abb. 1: Wien, St. Stephan, Hallenchor von Südosten.
Hohenberg, Gemahlin des Königs Rudolf I. von Habsburg.8 Der hohe Rang der Pfarrer lässt sich nur mit einer engen Beziehung zu den Habsburgern erklären. Stiftungen für den Zwölfbotenaltar im Südchor ab 1331, für den Marienaltar im Nordchor ab 1339 sowie die erste Erwähnung des Hochaltars um 1340 beweisen erste liturgische Nutzungen. Am 31. Mai 1336 wurde der Kaplan Richer zum Rektor des Zwölfbotenaltars bestellt.9 Neun Ablassbriefe aus den Jahren 1339–1341 beziehen sich eindeutig auf das Datum der Chorweihe am 23. April 1340.10 Damals war der Hallenchor aber noch nicht fertiggestellt, da von 1340–1353 noch zahlreiche Ablässe ausgestellt wurden, die sich auf den Chorbau beziehen.11 Da die Quellen keinerlei Rückschlüsse auf den Bauablauf zulassen, muss der Bau selbst nach entsprechenden Indizien befragt werden. Bislang ist dies ausschließlich aus der Sicht der Bauhistoriker versucht worden, welche Grundriss, Aufriss, Maßwerkformen, Profile, Gewölbe mit anderen Bauwerken verglichen. Als sich aber die in Frankreich seit den 1140er-Jahren entwickelte Architektur der Gotik mit fast 100 Jahren Verspätung im deutschsprachigen Raum verbreitete, konnte man rasch auf ein breit gefächertes Repertoire unterschiedlicher Dekorformen zurückgreifen. Vom späten 13. bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts waren die Architekturformen der Hochgotik derart etabliert, dass sie künstlerisches Allgemeingut waren. Man konnte aus einem reich variierten Formenkanon schöpfen, der durchaus eklektizistisch eingesetzt wurde, während bemerkenswerte Innovationen erst ab den 1350er-Jahren die Architektur wieder veränderten. Dieser Umgang mit den Schmuckformen gotischer Architektur bedeutet aber auch, dass Bauwerke der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts nur schwer datiert werden können, da häufig scheinbar frühere
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Bachleitner 1958, 26. Schedl 2018, 45; Bachleitner 1958, 129. Schedl 2018, 47; Bachleitner 1958, 32–34. Vgl. die Zusammenstellung bei Schedl 2018, 47 f.
Der Hallenchor von St. Stephan in Wien
oder spätere Elemente nebeneinander erscheinen, nachweislich aber gleichzeitig entstanden sein müssen. Daher ist es verständlich, weshalb der Hallenchor von St. Stephan die unterschiedlichsten Datierungen erfahren hat, die vom späten 13. Jahrhundert bis 1365 reichen. In seinem 2007 erschienenen Buch über den Wiener Stephansdom hat Johann Josef Böker eine Bauentwicklung propagiert, welche der bisherigen Forschung völlig neue Thesen entgegensetzte.12 Er vertritt die Ansicht, der Chor sei zunächst als einschiffiger, vierjochiger Saalbau mit 5/8-Schluss geplant gewesen, von dem nur das mittlere Chorpolygon erhalten sei. Wahrscheinlich habe man den Bau aber nicht schon um 1304 begonnen, da für die nachfolgenden zwei Jahrzehnte „dieses Chorbauprojekt nämlich keine weiteren Spuren in der Quellenüberlieferung hinterlassen“ habe.13 Erst nach dem Regierungsantritt Herzog Albrechts II. im Jahr 1326 habe der Chorneubau eine energische Förderung erfahren.14 Noch während des Ausführungsprozesses habe der Herzog aber beschlossen, diesen einschiffigen Chor durch zwei Seitenchöre in einen dreischiffigen Hallenchor umwandeln zu lassen.15 Die Chorweihe von 1340 beziehe sich auf diesen Hallenchor, von dem man nicht wisse, ob die Schiffe innen durch Pfeiler oder durch Wände voneinander getrennt waren. Eine ganz neue Idee habe dann Herzog Rudolf IV. in seiner kurzen Regierungszeit (1358–1365) verwirklicht, weil er den Hallenchor grundlegend umgestalten ließ, als ersten Schritt zum Bau einer monumentalen Residenzkirche und um gleichzeitig den Chor als Grablege für sich vorzubereiten.16 Dafür seien der schon bestehende Hallenchor komplett entkernt und alle Binnenstrukturen einschließlich der Gewölbe wieder entfernt worden. Außerdem habe man die Mauerkronen aller Chorwände im oberen Bereich wieder abgetragen, jeweils bis zur Kämpferzone der Maßwerkfenster.17 Dieser grundlegende Umbau mit neuen Fenstermaßwerken, neuen Mauerkronen, neuen Freipfeilern und neuen Gewölben sei 1365 mit dem Aufsetzen des Dachstuhls abgeschlossen gewesen.18 Norbert Nußbaum und Marc Carel Schurr haben sich nun 2014 in zwei parallel erschienenen Aufsätzen mit den Thesen von Johann Josef Böker auseinandergesetzt.19 Mit überzeugenden Argumenten, die hier nicht wiederholt zu werden brauchen, widerspricht Nußbaum der Vorstellung, man habe zunächst einen einschiffigen Saalchor geplant und erst später diese Planung zu einer dreischiffigen Halle erweitert. Dagegen spricht die Einheitlichkeit der drei Chorpolygone, die keine Baunaht erkennen lassen. Die Vermutung Bökers, Herzog Rudolf IV. habe nach 1358 den Hallenchor wieder entkernen und durch eine prächtigere Neuplanung ersetzen lassen, hält Nußbaum dagegen für denkbar, steht ihr aber doch skeptisch gegenüber, weil es nicht genügend Indizien hierfür am Bau gebe. Einerseits zeigen nach Nußbaum die Binnenpfeiler eine völlig andere Gestalt als die sonstigen Architekturformen im Hallenchor. Andrerseits verlangte das riesige Dach, das mit hohen 12 13 14 15 16 17 18 19
Böker 2007, 44–53, 74–95. Böker 2007, 45. Böker 2007, 46. Böker 2007, 48 f. Böker 2007, 90–93. Böker 2007, 74–76. Böker 2007, 94. Nußbaum 2014, 7–20; Schurr 2014, 21–38.
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Mauern über den Gewölben direkt von den Pfeilern getragen wird, deutlich massivere Stützen, als sie sonst im Bau nötig waren. Während die Dachkonstruktion von St. Stephan 1945 durch den Brand verloren ging, zeigt die Wiener Minoritenkirche bis heute die gleiche Konstruktion wie in St. Stephan, die verstehen lässt, warum hierfür massive Freipfeiler erforderlich waren.20 Marc Carel Schurr beschäftigt sich in seinem Beitrag mit den auffallend unterschiedlichen Stilformen zwischen dem Chorschluss und den Chorseitenwänden einerseits sowie den Freipfeilern innen und den Gewölben andrerseits. Er weist nach, dass sowohl der „grafische Linearismus des Wandsystems im Chor“ bereits um 1300 verbreitet war, beispielsweise in der Dominikanerkirche in Colmar.21 Aber auch der „plastisch-modellierende Stil“ lässt sich bereits um 1300 nachweisen, etwa in den zwischen 1270 und 1300 entstandenen Chorpartien der Katharinenkirche von Oppenheim.22 Mit Recht folgert Schurr deshalb: „Immerhin kann kein Zweifel daran bestehen, dass unsere beiden Formsysteme, das plastisch-modellierende wie der grafische Linearismus, als vollwertige Ausprägungen derselben Stilstufe zu gelten haben, die, vereinfacht ausgedrückt, als variierende Weiterentwicklung der künstlerischen Errungenschaften der klassischen Hochgotik zu begreifen sind“.23 Letztlich ergibt die Analyse der kenntnisreichen Aufsätze von Nußbaum und Schurr zwei wichtige Erkenntnisse: Zum einen lassen die Formelemente der Architektur des Hallenchors von St. Stephan keine präzise Datierung innerhalb der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts zu, weil es während dieses Zeitraums allenthalben Variationen, ja sogar Kombinationen der beiden Formsysteme gibt. Zum anderen finden sich baugeschichtlich keinerlei tragfähige Hinweise, die den von Böker vorgeschlagenen Bezug auf die Habsburger Herzöge Albrecht II. und Rudolf IV. bestätigen könnten. Dagegen nennt schon die erste Urkunde von 1304 die Wiener Bürger als die eigentlichen Initiatoren des Neubaus, und die zahlreichen Stiftungen für den Chorbau und seine Altäre sind weitgehend den Wiener Bürgern zu verdanken, sodass Bökers Interpretation des Hallenchors als Auftakt zur Errichtung einer „monumentalen Residenzkirche“ mehr als hypothetisch sein dürfte.
1. Baugeschichte bis um 1320 Bemerkenswert scheint mir innerhalb dieser Diskussionen der Sachverhalt zu sein, dass sich alle bisherigen Untersuchungen zum Hallenchor von St. Stephan ausschließlich den Bauformen zugewandt haben, während die zugehörige Plastik kaum erwähnt wurde. Dabei gibt es eine Fülle von Bauskulpturen, die im Verband mit dem Mauerwerk stehen, sodass sie gleichzeitig mit dem zugehörigen Bauteil entstanden sein müssen. Es handelt sich im Innenraum um zahlreiche Konsolen im Erdgeschossbereich, die zur Aufstellung von Steinfiguren eingesetzt worden sind, sowie um die Schlusssteine in den Gewölben. Am Außenbau finden sich im Bereich der Traufzone zahlreiche Wasserspeier, die von figürlichen Konsolen getragen werden. Mit dieser Bauplastik möchte ich mich im Folgenden beschäftigen
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Nußbaum 2014, 10–14. Schurr 2014, 22–26. Schurr 2014, 26 f. Schurr 2014, 28 f.
Der Hallenchor von St. Stephan in Wien
und zugleich Rückschlüsse auf die Datierung der Architektur versuchen. Anlass für meine Überlegungen war die Erkenntnis, dass es viele stilistische Gemeinsamkeiten zwischen den Skulpturen des Wiener Hallenchors und der gleichzeitigen Plastik am und im Regensburger Dom gibt. Das ist auch kein Wunder, zumal der Regensburger Dom seit der Grundsteinlegung des gotischen Neubaus im Jahre 1275 eine hoch frequentierte Baustelle war. Da für mittelalterliche Bauhütten ein häufiger Wechsel der Steinmetzgesellen nachgewiesen ist, darf man das auch für Regensburg annehmen. Und was liegt für arbeitsuchende Gesellen näher als der direkte Schiffsweg auf der Donau von Regensburg über Passau bis Wien – oder umgekehrt von Wien nach Regensburg? Erste direkte Zusammenhänge zwischen Wien und Regensburg konnte ich für die Zeit um 1300 für die Monumentalskulptur nachweisen. Ausgangspunkt ist die berühmte „Dienstbotenmadonna“ im Wiener Stephansdom (Abb. 2), die um 1280/90 wohl in Straßburg geschaffen wurde. Da sich König Rudolf von Habsburg mehr in seinen schwäbischen Stammlanden und am Oberrhein als in Wien aufhielt, ist es gut denkbar, dass er die Figur in Straßburg in Auftrag gegeben und nach Wien gestiftet hat.24 Horst Schweigert nimmt an, die Madonna sei früher als Kultbild auf dem Altar des Frauenchors gestanden.25 Dem Bildwerk kann man zwei Steinfiguren zur Seite stellen, die um 1300/1310 entstanden sein dürften und so eng miteinander verwandt sind, dass man sie für das Werk eines Bildhauers halten kann: Eine davon ist die Muttergottes mit Kind in der Wiener Minoritenkirche (Abb. 3 und Abb. 4),26 die andere Marienfigur steht in der ehemaligen Damenstiftskirche Niedermünster in Regensburg (Abb. 5).27 Bei beiden Figuren ist die Gewandführung so ähnlich, dass man sie austauschen könnte; gemeinsam ist auch – wie bei der Dienstbotenmadonna – das seltene Motiv des Schleiers, der vom Kopftuch herabfällt, zum Jesuskind hingezogen wird und – bei den zwei späteren Skulpturen – auch noch das nackte Kind bekleidet. Unmittelbar vergleichbar sind zudem der breite Hals und das hochovale Gesicht Mariens. Dazu kommt noch eine ikonografische Merkwürdigkeit: Beide Marienfiguren zeigen eine rosettenförmige Agraffe, die den Mantel über der Brust zusammenhält. Dazu kommt aber direkt unter dem Halsansatz ein weiteres Schmuckstück, das vielleicht als Brosche am Kleid oder an einer dünnen Halskette befestigt ist. Es handelt sich um den – wohl in Metall getriebenen oder gegossenen – Großbuchstaben „A“, der an dieser Stelle sehr rätselhaft wirkt (vgl. Abb. 4). Denkt man an die Zusammenhänge mit Wien, könnte sich das „A“ vielleicht auf König Albrecht I. (reg. 1282–1308) beziehen, der die Figur in der Minoritenkirche gestiftet haben könnte. Vielleicht wollte Albrecht mit dieser Figur bewusst an König Rudolf von Habsburg und die von ihm gestiftete Dienstbotenmadonna erinnern.28 24 Schwarz 1986, 288–290; Söding 1994, 31 f., 113–116, Abb. 34–36; Suckale 1995, 147–159, hier 157–159; Suckale 1996, 77–79; Saliger 1997, 74 und 429; Suckale 2002, 218–220, 248–250. 25 Schweigert 2000, 326–328, Nr. 72. 26 Die Figur wurde in der Literatur höchst unterschiedlich datiert. Karl Ginhart vermutete ihre Entstehungszeit sogar erst nach der Mitte des 14. Jahrhunderts (Ginhart 1970, 14). 27 Schwarz 1986, 291; Hubel 2014, 230 f. 28 Horst Schweigert verwies darauf, dass bei der Dienstbotenmadonna das Faltenplissee des Untergewandes unterhalb des Halses nachträglich eingemeißelt worden ist (Schwei-
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Abb. 4: Wien, Minoritenkirche, Muttergottes, Detail.
Abb. 2: Wien, St. Stephan, sog. Dienstbotenmadonna.
Abb. 3: Wien, Minoritenkirche, Muttergottes mit Kind.
Abb. 5: Regensburg, Niedermünsterkirche, Muttergottes mit Kind. Abb. 6: Thronende Muttergottes mit Kind, Metropolitan Museum New York. 38
Der Hallenchor von St. Stephan in Wien
Ein weiteres lebensgroßes, in Eichenholz geschnitztes Bildwerk der thronenden Muttergottes mit Kind, das sich im Metropolitan Museum in New York befindet (Abb. 6), wurde bisher dem sog. Erminoldmeister zugeschrieben,29 dem führenden Bildhauer der Regensburger Dombauhütte ab 1280, der ab ca. 1290 auch das Amt des Dombaumeisters wahrnahm.30 Die Zuschreibung an diesen herausragenden Künstler, den wir mit dem archivalisch überlieferten „Meister Ludwig“ identifizieren konnten, kann nicht überzeugen. Dagegen sprechen alle stilistischen Eigenheiten der New Yorker Figur für eine Zuschreibung an denselben Bildhauer, der auch die Madonnen der Wiener Minoritenkirche und der Regensburger Niedermünsterkirche geschaffen hat.31 Die charakteristische Gestaltung der drei Marienfiguren unterscheidet sich deutlich von den Werken des Erminoldmeisters, aber sie gehören in seinen Umkreis. Die gemeinsame Herkunft verbindet den Erminoldmeister zudem mit dem Bildhauer der Dienstbotenmadonna; schließlich hatte auch er in Reims und Paris gelernt und war lange am Oberrhein tätig, bevor er nach Regensburg kam. In enger Beziehung zu den stilprägenden Werken des Erminoldmeisters steht dann die sog. Rosenstrauchmadonna des Bayerischen Nationalmuseums München, die um 1290/1300 entstand (Abb. 7).32 Deren Bildhauer schrieb ich die gleichzeitig entstandene Skulptur einer thronenden hl. Anna Selbdritt aus dem Regensburger Dom zu (Abb. 8), die heute im Diözesanmuseum Regensburg steht.33 Bemerkenswerterweise befindet sich im Hallenchor des Wiener Stephansdoms ebenfalls eine Steinfigur der hl. Anna, die ohne Kenntnis des Regensburger Vorbilds nicht denkbar wäre (Abb. 9). Beide Annen thronen auf einer Bank und sind bekleidet mit einem langen Untergewand und einem weiten Mantel, der schleierartig über den Kopf gezogen und über dem Scheitel in singulärer Weise zu einer schlaufenförmigen Falte verknöpft ist. In der rechten Hand hält die Wiener Anna nicht das Jesuskind, sondern einen Vogel, während die auf ihrem linken Oberschenkel stehende kleine Maria den rechten Arm etwas steif ausgestreckt hat und mit der Hand liebevoll Anna unter dem Kinn streichelt. Die gleiche Geste zeigt das Jesuskind bei der Münchner Rosenstrauchmadonna (Abb. 7), was die Verwandtschaft zwischen den Skulpturen bestätigt. In St. Stephan gibt es dazu noch eine Steinfigur der thronenden Muttergottes mit Kind (Abb. 49 und Abb. 50), die mit dem Bildwerk der hl. Anna so viele Gemeinsamkeiten hat, dass man annehmen kann, die Skulpturen seien bewusst als Pendants geschaffen worden. Gerade das Jesuskind erinnert deutlich an das Kind bei der Rosenstrauchmadonna (Abb. 7), bis hin zu der identischen, etwas steif wirkenden Haltung der beiden ausgestreckten
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gert 2000, 326–328, Nr. 72). Vielleicht befand sich hier ebenfalls ein Buchstabe, der auf einen Stifter verwies? Wixom 2005, 25. Hubel 2014, 232–234. Hubel 2014, 228 f., Abb. 25; Zur Madonna in der Wiener Minoritenkirche vgl. auch Bachleitner 1958, 128; Schwarz 1986, 290. Hubel 2014, 229, Abb. 24. Diese „Muttergottes mit dem Rosenstrauch“ befand sich in Straubing und kam von dort in das Bayerische Nationalmuseum. Sie besteht aus dem Kapfelberger Grünsandstein, der von der Regensburger Dombauhütte verarbeitet wurde. Sicher wurde sie auf dem Wasserweg – donauabwärts – nach Straubing transportiert, was die Wichtigkeit der Wasserstraße Regensburg – Straubing – Passau – Wien bestätigt. Hubel 2014, 226–229.
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Abb. 7: Rosenstrauchmadonna aus Straubing, München, Bayerisches Nationalmuseum. Abb. 8: Hl. Anna Selbdritt, Regensburg, Diözesanmuseum St. Ulrich. Abb. 9: Wien, St. Stephan, hl. Anna mit Maria (D10).
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Arme. Bei der Rosenstrauchmadonna streicheln die Hände das Kinn und die Hand Mariens, während die Haltung bei der Wiener Sitzmadonna ziemlich unmotiviert wirkt. Alle diese erwähnten Bildwerke aus Regensburg und Wien – ausgenommen die Dienstbotenmadonna – entstanden in den Jahren um 1290/1310 und gehören in den Umkreis des Erminoldmeisters.34 Dieser selbst ist zwar in Wien nicht tätig gewesen, wohl aber Mitarbeiter seiner Werkstatt, die an beiden Bauhütten nachgewiesen werden können. Vergleicht man nun die Bauskulptur des Regensburger Doms mit jener im Hallenchor des Wiener Stephansdoms, lassen sich die gleichen engen Beziehungen nachweisen. Dies interessiert uns besonders, weil sich alle Konsolfiguren im Verband mit dem Mauerwerk befinden und deshalb gleichzeitig mit dem zugehörigen Bauteil entstanden sein müssen. Die drei Polygonschlüsse des Wiener Hallenchors zeigen im Erdgeschoss an den Wandpfeilern in Höhe der Sohlbänke der Maßwerkfenster 18 Konsolfiguren, welche die später hier aufgestellten Monumentalfiguren tragen. Diese Konsolfiguren35 sind aufs Engste mit einer Reihe von Konsolfiguren in den ältesten Teilen des Regensburger Doms verwandt. Es handelt sich durchweg um Figuren, die in lebhaften Bewegungen kauern oder knien und mit ihren Schultern einen ungeschlachten Felsklotz tragen, der mit kantig-kristallinen Strukturen durchfurcht ist. Darüber liegt eine Deckplatte, auf der in Wien Figuren stehen, 34 Die Wiener Sitzfiguren der hl. Anna und der Muttergottes gehören bereits in die Phase der monumentalen Chorplastik im Nord- und im Mittelchor. Mit guten Gründen hielt sie Karl Ginhart für die ältesten Figuren des Zyklus und datierte sie bereits um 1310. Dem kann man nur zustimmen (vgl. Anm. 82). 35 Vgl. dazu den Beitrag von Peter Kurmann in diesem Band. Im Folgenden wird die Verortung der Konsolen und Pfeiler nach der Gliederungsstruktur der Dombauhütte angegeben (Tafel 4).
Der Hallenchor von St. Stephan in Wien
Abb. 11: Wien, St. Stephan, Konsolfigur, Konsole A10
Abb. 10: Regensburg, Dom, 1. Joch von Osten, 1. Konsolfigur von Osten.
Abb. 12: Regensburg, Dom, Südchorpolygon, Südwand, Sockelzone, Blendarkaden, westliche Konsolfigur von Nordwesten. Abb. 13: Wien, St. Stephan, Mönch, Konsole B12.
während in Regensburg Blendarkaden hochsteigen. Beispielsweise findet sich in Regensburg im ersten Joch von Osten des südlichen Seitenschiffs ein Mann mit einer Gugel und langer, zipfeliger Kapuze, der mit dem Rücken zum Betrachter kauert und mit Armen und Beinen das Felsstück vor ihm umgreift, während er den Kopf zur Seite dreht (Abb. 10).36 Eine verblüffend ähnliche Konsolfigur findet sich auch im Wiener Hallenchor, und zwar am Wandpfeiler A10 des Südchors (Abb. 11). Zwar dürfte es sich hier um eine Frau handeln, deren Kopf von einem Gebende eingehüllt ist, aber sonst erscheinen dieselben Felsformationen, die gleiche Ge36 Hubel 2014, 225; Fuchs/Hubel 2016, 691.
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Achim Hubel
Abb. 14: Regensburg, Dom, Südchorpolygon, Südwand, Sockelzone, Blendarkaden, östliche Konsolfigur von Nordosten. Abb. 15: Wien, St. Stephan, König, Konsole B11 Süd.
wandstruktur und der gleiche Bewegungsablauf, mit dem die Figuren krampfhaft den Felsklotz umklammern. In ähnlicher Weise kann man eine Konsolfigur, die sich im Regensburger Dom an der Südwand des Südchors befindet (Abb. 12),37 mit einer Wiener Konsolfigur am Wandpfeiler B12 des Hauptchors vergleichen (Abb. 13). Diesmal halten die Figuren den Felsklotz hinter ihrem Rücken und stemmen sich mit den Beinen von unter her gegen ihn, während die Regensburger Figur zusätzlich den Fels nach hinten umklammert. Eine weitere Konsolfigur, die in Regensburg ebenfalls an der Südwand des Südchors zu finden ist (Abb. 14), hat ein Vergleichsstück im Wiener Südchor, am Wandpfeiler B11 (Abb. 15). Die Qualität dieser Bauplastik schwankt sehr stark, sowohl in Regensburg als auch in Wien. Zudem wirkt die Ausführung oft etwas grob, mit nicht immer sorgsam ausgearbeiteten Oberflächen. Zu vermuten ist deshalb, dass die Entwürfe vom Hüttenmeister stammten, die dann von verschiedenen Mitarbeitern seiner Werkstatt ausgeführt wurden. Dank der einheitlichen Entwürfe erscheinen die Körperhaltungen und Bewegungen aber einfallsreich und erstaunlich variiert, die Gesichter lebendig und in differenzierter Charakterisierung. Einige Konsolen heben sich durch besondere plastische Qualitäten hervor. Gerade hier ist der stilistische Einfluss des Regensburger Erminoldmeisters am deutlichsten zu greifen. Zu nennen wäre die Konsole D12 im Polygon des Wiener Nordchors (Abb. 17); sie ist gut zu vergleichen mit der um 1290/95 entstandenen Bauplastik eines Kriegers, die sich außen am Regensburger Dom, an der südöstlichen Ecke des östlichen Strebepfeilers des Südquerhauses befindet (Abb. 16). Dieses Hochrelief gehört zu einer Gruppe von so ungewöhnlicher Qualität, dass ich sie dem Erminoldmeister direkt zuschrieb.38 Auch der Kopf der Wiener Konsole (Abb. 18) zeigt in der lebendigen Modellierung mit den gratig umrissenen Augen und der kurzen, kräftigen Nase die
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37 Hubel 2014, 225; Fuchs/Hubel 2016, 684. 38 Hubel 2014, 222 f.; Fuchs/Hubel 2016, 672.
Der Hallenchor von St. Stephan in Wien
Abb. 16: Regensburg, Dom, Südfassade, Erdgeschoss, Östlicher Strebepfeiler, Krieger an der südöstlichen Ecke unter der Maßwerkbrüstung. Abb. 17: Wien, St. Stephan, Jüngling mit Schriftband, Konsole D12.
Abb. 18: Wien, St. Stephan, Jüngling mit Schriftband, Detail, Konsole D12.
direkte Verwandtschaft mit Regensburg. Als weiteres Beispiel sei die Figur des Matthäusengels aus einem um 1285/90 geschaffenen Zyklus der vier Evangelistensymbole genannt, die sich außen am Regensburger Dom, in der Erdgeschosszone des Hauptchorpolygons befindet (Abb. 19). Auch diese Figur zeigt – trotz der Verwitterungsschäden – die Handschrift des Erminoldmeisters.39 Ihr entspricht in Wien die Konsolfigur C11 eines Königs im Südchor (Abb. 20), die in der flüssigen Modellierung, der Lebendigkeit der Bewegungen und dem fein geschnittenen Gesicht den Zusammenhang bestätigt. Zuletzt sei eine kleinere Konsole mit der Darstellung einer Blattmaske erwähnt, die sich im Wiener Südchor links oberhalb der Konsole B11 befindet (Abb. 22). Sie zeigt ein männliches Gesicht, dessen Augenbrauen nach außen in Gestalt von Blättern weitergeführt sind, während ein weiteres Blattpaar aus den Nasenlöchern wächst und den geöffneten Mund umschließt. Auch hierzu gibt es ein Pendant am Regensburger Dom, und zwar eine um 1305/10 zu 39 Hubel 2014, 224; Fuchs/Hubel 2016, 676.
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Achim Hubel
Abb. 21: Regensburg, Dom, außen, Hauptchor, 3. Joch von Westen, Blattmaske im Zwickel des Wimperggiebels.
Abb. 19: Regensburg, Dom, Hauptchorpolygon außen, Südostteil, Erdgeschoss, südlicher Strebepfeiler, Engel, Symbol des Evangelisten Matthäus.
Abb. 20: Wien, St. Stephan, König, Detail, Konsole C11 Nord.
Abb. 22: Wien, St. Stephan, Polygonschluss des Nordchors, Konsolfigur oberhalb von B11.
datierende Blattmaske, die hoch oben im Giebel über dem Obergadenfenster der Südwand des Hauptchorpolygons eingesetzt ist (Abb. 21).40 Zum Bereich der Bauplastik in Wien gehören schließlich die zwei Schlusssteine, die sich in der zweijochigen ehemaligen Reliquienkammer (heute Kapitelsaal) befinden, die zwischen Mittelchor und Südchor eingefügt ist und von der südlichen Polygonwand des Mittelchors aus betreten werden kann.41 Dieser Raum ist homogen und bruchlos mit der Chorarchitektur verbunden und zeigt keinerlei Spuren eines nachträglichen Anbaus, sodass er gleichzeitig mit den drei Chorpolygonen hochgeführt worden sein muss.42 Die Schlusssteine der beiden Kreuzrippengewölbe zeigen nun – genau wie die sonstige Bauplastik in den Chorschlüssen – enge Zusammenhänge mit Regensburg. Den nördlichen Schlussstein (Abb. 23) ziert eine Doppelrosette aus breiten, gewellten Blumenblättern, wobei der untere Kranz deutlich größer ist als der obere. In der Mitte sitzt das kreisrunde, nach oben gewölbte Blumenkörbchen mit dicht gereihten Röhrenblüten. Dieser einfache Schlussstein-Dekor findet sich auch im Regensburger Dom, an vier Schlusssteinen der Nikolauskapelle im Untergeschoss des südlichen Kapellenanbaus (Abb. 24). Die Nikolauskapelle war als ältester Sak-
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40 Hubel 2014, 244; Fuchs/Hubel 2016, 675 f. 41 Tietze 1931, 181, 270. 42 Dagegen stammt die viel größere Sakristei im Norden aus einer späteren Bauzeit; sie hat mit dem mittelalterlichen Chorschluss nichts zu tun.
Der Hallenchor von St. Stephan in Wien
Abb. 23: Wien, St. Stephan, heutiger Kapitelsaal, nördlicher Schlussstein.
Abb. 24: Regensburg, Dom, Nikolauskapelle, Schlussstein des südwestlichen Gewölbes.
Abb. 25: Wien, St. Stephan, heutiger Kapitelsaal, südlicher Schlussstein.
Abb. 26: Regensburg, Dom, Hauptchorpolygon, Nordteil, Sockelzone, mittlere Arkade, nördliches Kapitell.
ralraum des Doms schon um 1280 fertiggestellt.43 Schlusssteine mit solchen Doppelrosetten treten in großer Zahl in Regensburg auf, und zwar vom späten 13. bis zum frühen 14. Jahrhundert. Nach Richard Strobel sind in Regensburger Bürgerhäusern etwa 50 Schlusssteine mit diesem Motiv in 30 Häusern zu zählen. Zum Verwechseln ähnlich sind z. B. die Schlusssteine in den Häusern Glockengasse 16 (Alte Münz),44 Untere Bachgasse 15,45 Baumhackergasse 2,46 Watmarkt 2 (Adlerapotheke).47 Der südliche Schlussstein der ehemaligen Wiener Reliquienkammer (Abb. 25) ist virtuos mit Blattwerk belegt, das in lappigen Blättern mit langen Stielen direkt aus dem Stein herausgearbeitet ist, wobei tiefe Unterschneidungen die Virtuosität dieses kleinen Meisterwerks der Steinmetzkunst bestätigen. Im Regensburger Dom befinden sich ganz ähnliche Laubwerkformen in der frühen Bauplastik, die wesentlich vom Erminoldmeister und seinen Mitarbeitern geprägt wurde: Am südlichen Querhausportal zeigen die Laubwerkfriese an den Kapitellen und den Türstürzen ganz ähnliche, aufs Feinste ausgearbeitete Laubwerkfriese.48 Nur wenig später entstand die Sockelzone des Hauptchorpolygons, deren tiefe Blendarkaturen von Bündelpfeilern getragen werden. Deren Kapitelle sind gleichfalls mit perfekt ausgearbeiteten Blättern geschmückt. Im Nordteil des Polygons zeigt das nördliche Kapitell der mittleren Arkade (Abb. 26)49 einen mit Wien nahezu identischen Blattdekor. 43 44 45 46 47 48 49
Hubel 2012, Abb. 2543–2546; Hubel 2014, 223 Anm. 53. Strobel 2014, 48 Abb. 11a. Strobel 1981, 40 und 189, Abb. Nr. R 21a und 21b. Strobel 1981, 40 f. und 192 Abb. Nr. R 26a. Strobel 1981, 42 und 195 Abb. Nr. R 36a. Hubel 2012, Abb. 990–998; Hubel 2014, 219–221; Fuchs/Hubel 2016, 671. Hubel 2012, Abb. 1643; Hubel 2014, 224 f.; Fuchs/Hubel 2016, 682.
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Abb. 27: Wien, St. Stephan, Südchorpolygon, Nordseite Erdgeschoss. Abb. 28: Regensburg, Dom, Hauptchorpolygon, Nordteil, Sockelzone, Blick von Südwesten auf die Blendarkatur mit Wandschränken
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Überhaupt dürften die Blendarkaden in der Sockelzone des Regensburger Hauptchorpolygons, die unten durch eine Sitzbank und oben durch ein vorkragendes Gesims separiert sind (Abb. 27), die Anregung für die Wandgliederung aller drei Wiener Chorpolygone gegeben haben. Auch in Wien (Abb. 28) ist jede Wand der Polygone durch eine steinerne Sitzbank unten und durch eine leicht eingetiefte Rahmung als rechteckige Einheit gestaltet, die jeweils durch drei Blendarkaden gegliedert ist. Während die Arkaden in Regensburg sehr tief und reich gegliedert sind, wurden sie in Wien stark vereinfacht und zu flachen, in einem Dreipassbogen endenden Nischen reduziert, die ein schlichter Dreiecksgiebel überhöht. Die profilierten Rahmen sind zur Betonung der Mittelnische durch aufgelegte Rundstäbe mit Basis und Kapitell bereichert, ähnlich wie auch in Regensburg die Mittelnische durch prächtigere Schmuckformen betont ist. Alle erwähnten Vergleichsbeispiele am und im Regensburger Dom sind im Zeitraum zwischen 1285/90 und 1305/10 entstanden. Die Sockelzone des Hauptchorpolygons war um 1295 vollendet.50 Die Konsolen in den drei Polygonseiten des Wiener Hallenchors sind stilistisch mit den zum Vergleich herangezogenen Regensburger Skulpturen nah verwandt und untereinander so ähnlich, dass sie annähernd gleichzeitig oder nur wenig später entstanden sein müssen.51 Dies bestätigt auch ein Blick 50 Vgl. Hubel/Schuller 2010, Taf. 10. 51 Ähnlich sieht das Karl Ginhart, der die Konsolfiguren zwischen 1304 und 1320 datiert (Ginhart 1970, 7). Er liegt damit sicher richtig, unterscheidet aber nicht zwischen den Konsolen in den Chorpolygonen und den Langseiten. Die Konsolfiguren in den
Der Hallenchor von St. Stephan in Wien
Abb. 29: Wien, St. Stephan, Mittelchor, Südseite.
auf die Architektur der Chorhäupter: Bis zur Kämpferzone der Maßwerkfenster sind alle Wandflächen innen und außen so homogen, dass sie wie aus einem Guss wirken. Die von Böker angenommene Zäsur zwischen dem Chorhaupt des Mittelchors und den beiden seitlichen Polygonen lässt sich weder in der Bauskulptur noch in der Formensprache der Architektur nachweisen. Die Chorpolygone präsentieren sich vielmehr genauso einheitlich wie die Bauskulptur – und dies nicht nur bei der erwähnten Gestaltung der inneren Sockelzone. Dabei dürfte die oft betonte Abhängigkeit von der Architektur des Regensburger Doms eher als gering einzuschätzen sein.52 Sie beschränkt sich im Grund auf den ähnlichen Grundriss,
Langseiten des Hallenchors sind auf jeden Fall erst um 1320/30 entstanden (siehe 57–59). 52 Tietze 1931, 9; Dies betonte auch Rosemann, für den die Beziehung Wien – Regensburg von sehr untergeordneter Bedeutung zu sein schien; nach ihm gab es wahrscheinlich keinen unmittelbaren Einfluss (Rosemann 1938, 188); Brucher 1990, 86; Schurr 2007, 275–279, 371–373.
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Achim Hubel
der in Regensburg wie in Wien einen Staffelchor mit drei polygonal schließenden Chorhäuptern zeigt. Ein solcher Staffelchor war aber durchaus häufig und findet sich beispielsweise auch bei der Regensburger Dominikanerkirche. Die Wahl einer dreischiffigen Halle dürfte wohl von dem 1295 geweihten Chor der Zisterzienser-Abteikirche in Heiligenkreuz beeinflusst worden sein.53 Eine besondere Innovation für die Wiener Baukunst war aber die kühne Gliederung der Chorarchitektur durch schlanke Wandbündelpfeiler aus Birnstäben, die ohne Kapitelle unmittelbar zu den Rippen des Gewölbes weiterlaufen (Abb. 29). Wie oben erwähnt, verwies Marc Carel Schurr hier auf deutliche Einflüsse aus dem Westen, wobei er außer der gegen Ende des 13. Jahrhunderts entstandenen Dominikanerkirche in Colmar auch den 1301 vollendeten Chor der Zisterzienser-Abteikirche in Salem nannte.54 Zu ergänzen ist dabei, dass dieser feingliedrige Linearismus der ohne Unterbrechung bis ins Gewölbe durchlaufenden Rippen ab etwa 1300 auch in Regensburg relativ häufig nachgewiesen werden kann: Sie finden sich in der sog. Großen Sakristei des ehemaligen Minoritenklosters am Dachauplatz (um 1300),55 in der Dorotheenkapelle des Gravenreutherhauses, Hinter der Grieb 8 (Anfang 14. Jahrhundert),56 in der zweischiffigen Eingangshalle des Zanthauses, Gesandtenstraße 3 (Anfang 14. Jahrhundert).57 Ein herausragendes Beispiel von einer mit Wien vergleichbaren Eleganz zeigt die ehemalige Thomaskapelle im Auerhaus, Am Römling 12, aus der Zeit um 1310.58 Der heute durch eine Zwischendecke des 17. Jahrhunderts unterteilte Kapellenraum präsentierte sich ursprünglich – wie die Rekonstruktionszeichnung (Abb. 30) verdeutlicht – in erstaunlicher Schlankheit, von einem prächtigen Sterngewölbe überhöht. Die Birnstabrippen, deren Profil (Abb. 31) mit dem des Wiener Hallenchors durchaus verwandt ist, auch wenn es in Regensburg nicht so spitz zuläuft, steigen allseitig vom Mittelpfeiler hoch und öffnen sich ohne Kämpfer fächerförmig zum Gewölbestern, der seinerseits von Drei strahlrippen in den Ecken des quadratischen Raums aufgefangen wird. Den Höhepunkt dieses Konstruktionsprinzips bildet schließlich der – einen Vorgängerchor ablösende – Chor der ehemals Minoritenkirche in Regensburg (Abb. 32).59 Die Wanddienste sitzen auf den Fenstersohlbänken auf, die vor die Wand vorgezogen sind; die Schnittstellen sind durch sparsames Blattwerk betont. In fast zerbrechlicher Schlankheit steigt zwischen den riesigen Maßwerkfenstern je ein Dienst aus drei Birnstäben hoch, der in Kämpferhöhe – ohne Kapitell – in der Funktion der Kreuzrippen und Gurtbogen weiterläuft, während sich die Birnstäbe der Schildbögen in Kämpferhöhe abspalten, ohne von unten her vorbereitet zu sein. Während im Wiener Hallenchor die Wandpfeiler von unten her fünfteilig gegliedert sind, ist in der Regensburger Minoritenkirche das System 53 54 55 56
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Rosemann 1938, 183 f.; Brucher 1990, 69–73. Schurr 2014, 24–26. Diepolder 1962, 8; Denkmäler in Bayern 1997, 139 f. Denkmäler in Bayern 1997, 139 f.; Strobel 1976, 323–325, Tafel 124a; Strobel 2014, 33 f., Abb. 3a und 3b. 57 Strobel 1976, 210–219, Tafel 87b und 115a; Denkmäler in Bayern 1997, 264 f. 58 Kunstdenkmäler von Bayern 1933, Band 3, 53–55, Abb. 39 und 41; Strobel 1976, 325 f., Tafel 125a, 127d; Denkmäler in Bayern 1997, 76 f. 59 Kunstdenkmäler von Bayern 1933, Band 3, 2–16, Abb. 2, 3 und Tafel 1; Denkmäler in Bayern 1997, 134–139; Parello 2015, 222–229.
Der Hallenchor von St. Stephan in Wien
Abb. 30: Regensburg, Auerhaus, Thomaskapelle, Rekonstruktion.
Abb. 31: Regensburg, Auerhaus, Thomaskapelle, Mittelsäule, Profil.
Abb. 32: Regensburg, Minoritenkirche, Chor innen.
der überaus feingliedrigen Linearität noch weiter getrieben, sodass sie das Wiener Beispiel übertrifft. Die Bauzeit des Chors der Regensburger Minoritenkirche lässt sich nicht genau eingrenzen. Die dendrochronologisch erschlossene Entstehungszeit des Dachstuhls (d 1346/47) gibt einen terminus ante.60 Die Stiftung eines Grundstücks zur Chorerweiterung aus dem Jahr 1290 weist auf den geplanten Neubau hin. Der zwischen 1290 und 1305 nachweisbare Pfarrer Wichardus von Niedermünster schenkte die gewaltige Summe von 400 Pfund Regensburger Pfennigen;61 diese entsprach umgerechnet 96.000 Silberpfennigen. Berechnet am Verdienst der Gesellen der Regensburger Dombauhütte, reichte diese Summe für die Jahreslöhne (!) von mehr als 50 Steinmetzgesellen.62 Damit war eine aus-
Abb. 33: Wien, St. Stephan, Rekonstruktion des Chorgrundrisses um 1320. 60 Fischer-Kohnert 1999, 58–66. 61 Vgl. Parello 2015, 225–228. 62 Vgl. Gruber/Hubel/Morsbach 2016, 88 f.
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reichende finanzielle Basis geschaffen, sodass ein Baubeginn um 1300 vermutet werden kann. Zeitlich passen – entsprechend diesen Vergleichen – die Wiener Chorpolygone bestens zu einem Baubeginn kurz nach 1300; tatsächlich dürften sie ab diesem Zeitpunkt errichtet worden sein. Die drei Chorschlüsse bildeten ein aufwendig gestaltetes Bauteil, das – vom Querhaus und vom alten Chor der Stephanskirche weit entfernt – ungestört hochgeführt werden konnte (Abb. 33). Die Langseiten des Hallenchors mit ihrer Anbindung an das alte Querhaus entstanden in der nächsten Bauphase, auf die im Folgenden einzugehen ist.
2. Baugeschichte um 1320/30 In den Langseiten des Wiener Hallenchors wird die Reihe der Figurenkonsolen, die sich – wie schon in den drei Chorpolygonen – in Höhe der Fenstersohlbänke an allen Wandpfeilern befinden, unmittelbar weitergeführt. Stets befinden sie sich im Verband mit dem Mauerwerk, müssen also gleichzeitig mit der Architektur eingesetzt worden sein. Da sich der Stil der vier figürlichen Wandkonsolen an der Nord- und Südwand (Abb. 51, Abb. 52, Abb. 53 und Abb. 54) grundlegend von dem der Konsolen in den Chorschlüssen unterscheidet, können die Wände nicht gleichzeitig mit den Polygonen entstanden sein. Wie sich zeigen wird, gehören sie einer späteren Stilstufe an, sodass sie erst nach den Ostteilen hochgeführt worden sein können. Hierfür ist etwas weiter auszuholen. Im frühen 14. Jahrhundert wurde in Wien nicht nur mit dem Bau des Hallenchors begonnen, sondern auch an der Klosterkirche der Franziskaner (Minor iten) gebaut. Dabei sieht man auf den ersten Blick, dass die Minoritenkirche in Regensburg (Abb. 32) und die Minoritenkirche in Wien (Abb. 34) stilistisch eng zusammenhängen, da sie beide den gleichen ausgeprägten grafischen Linearismus des Wandsystems zeigen, der die überaus filigrane Gesamtwirkung erzielt. Der Dissertation von Maria Parucki verdanken wir eine überzeugende Baugeschichte.63 Ab etwa 1320 wurde direkt vor die Nordseite der bestehenden älteren Wiener Minoritenkirche die sog. Ludwigskapelle angefügt, die bereits als Nordschiff einer zukünftig dreischiffigen Hallenkirche geplant war. Die damals noch stehende, nach 1276 errichtete Klosterkirche war eine schlichte zweischiffige Halle mit einem Langchor.64 Die erhaltenen Strebepfeiler an der Südwand deuten zwar darauf hin, dass Gewölbe geplant waren, sie dürften aber noch nicht ausgeführt gewesen sein. Deshalb kann man eine provisorische Flachdecke oder einen offenen Dachstuhl vermuten. Vielleicht wurde die Einwölbung auch in Hinblick auf die strenge Ordensregel unterbunden; das Langhaus der Regensburger Minoritenkirche bekam nie Gewölbe.65 Auf jeden Fall gewölbt war aber der gleichzeitig entstandene, vor
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63 Parucki 1995, 55–59, 66–70, 254–261. 64 Parucki 1995, 117 f., 121 f. 65 Die Vermutung von Barbara Schedl, zwei Wandkonsolen, die an der inneren Ostwand der Minoritenkirche hinter den Gewölben erhalten blieben, stammten von einem Gewölbe der alten Hallenkirche des 13. Jahrhunderts, kann so nicht zutreffen (Schedl 1998, 482 f., Abb. 511 und 512). Die Konsolen befanden sich ehemals auch nicht über den Gewölben, sondern darunter – erst nach den Umbauten des späten 18. Jahrhunderts unter Ferdinand von Hohenberg verschwanden sie hinter den neu eingezogenen Gewölbese-
Der Hallenchor von St. Stephan in Wien
Abb. 35: Wien, Minoritenkirche, Nordportal der Ludwigskapelle, Tympanon. Abb. 34: Wien, Minoritenkirche, Ludwigskapelle, Chorschluss.
1295 vollendete Langchor der Wiener Minoritenkirche, dessen Mittelachse nach der Rekonstruktion von Maria Parucki in der Flucht der Freipfeiler des Langhauses verlief.66 Zwischen der Nordwand der alten Kirche und der Ludwigskapelle blieb ein Abstand von etwa einem Meter frei. Die Ludwigskapelle konnte so ungehindert errichtet werden, einschließlich der Südpfeiler, die bereits so konstruiert waren, dass sie auch das Gewölbe des Mittelschiffs der damals schon geplanten Erneuerung der alten Kirche auffangen konnten. Unmittelbar nach der Fertigstellung der Ludwigskapelle begann in den 1330er-Jahren der Neubau des Langhauses der Minoritenkirche, wobei der gewölbte Chor unverändert blieb und in den Gesamtraum einbezogen wurde. So entstanden ein neues Mittelschiff und ein neues Südschiff, während die Ludwigskapelle das Nordschiff bildete. Die Südwand der alten Kirche blieb weitgehend erhalten. Die Nordwand wurde dagegen abgebrochen, da die Pfeiler der Ludwigskapelle jetzt die Funktion der Freipfeiler zwischen Mittel- und Nordschiff erhielten. Die Westportale dürften um 1335/40 zu datieren sein, sodass der Neubau zügig vorangeschritten zu sein scheint. Die Stifter der Ludwigskapelle waren König Friedrich der Schöne und seine Gattin Isabella von Aragón, die wunschgemäß nach ihrem Tod 1330 hier bestattet wurde. Uns interessiert das Nordportal der Ludwigskapelle,67 in dessen Archivolten geln, und zwar einmal in der durch die Kurtinenwand abgegrenzten Südostecke, zum anderen hinter dem von Hohenberg umgebauten östlichsten Gewölbe des Mittelschiffs. Die Konsolen trugen ursprünglich einen Schildbogen bzw. eine Gewölberippe des um 1340 eingezogenen Gewölbes. Sie sind in ihrer Form durchaus für diese Zeit denkbar (vgl. Parucki 128–133, Abb. 36 und Abb. 37, Fig. 10 und 20). Hätte die alte Kirche bereits die von Schedl angenommenen enorm kühnen Dimensionen einschließlich Gewölbe besessen, wäre man bestimmt nicht auf die Idee gekommen, die alte Hallenkirche abzureißen und durch eine im Prinzip unveränderte Kopie des Vorgängerbaus zu ersetzen. 66 Parucki 126, 159 f. 67 Nach den Befunden ist das Nordportal – bis auf geringe Abweichungen – in einem Zug entstanden und bestimmt nie versetzt worden. Ein Abbau und der anschließende Wie-
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ein aufwendig gemeißeltes Tympanon eingesetzt ist (Abb. 35). Dort sitzt in der Mitte, auf einer breiten Thronbank mit hoher, spitzbogiger Lehne eine Muttergottes mit Kind. Links und rechts von ihr knien mit betend erhobenen Händen König Friedrich und Königin Isabella. Drei Engel betonen die Würde Mariens als Königin des Himmels: Ein Engel über der Muttergottes setzt ihr die Königskrone auf; zwei weitere Engel schweben hinter und über dem Königspaar und halten (beschädigte) Kerzenleuchter als Zeichen der Verehrung. Die historischen Hintergründe lassen eine relativ genaue Datierung dieses Tympanons zu. In ihrem Testament aus dem Jahr 1328 gibt sich Königin Isabella als die eigentliche Stifterin der Ludwigskapelle zu erkennen. Damals arbeitete man bereits hoch oben an den Fenstern, sodass das Tympanon deutlich vor 1328 – wahrscheinlich um 1320/25 – entstanden sein muss.68 Schon Gerhard Schmidt hatte 1957 erkannt, dass die Skulpturen des Tympanons stilistisch unmittelbar mit der Regensburger Domplastik zusammenhängen.69 In Regensburg waren die Ostteile des Doms um 1320 so weit fertiggestellt, dass das Domkapitel den alten Dom räumte und in den gotischen Neubau umzog. Gleichzeitig waren zahlreiche Ausstattungsstücke anzufertigen (Hochaltar, Nebenaltäre, Lettner, Heiligenfiguren usw.), für welche die Kapazität der Dombauhütte längst nicht ausreichte, sodass zusätzliche Bildhauerwerkstätten angeworben werden mussten.70 Vor allem wurden zwei untereinander eng verwandte Teams beschäftigt, deren Hauptwerke die Reiterfiguren der Heiligen Georg und Martin an der inneren Westwand des Doms waren; danach hatte ich sie in das Atelier des Georgsmeisters und das des Martinsmeisters differenziert.71 Das älteste datierbare Werk dieser Gruppe ist das Grabmal des Regensburger Domdekans Ulrich von Au. Dieser hatte 1322 eine Altarkapelle zu Ehren der hl. Katharina im 2. Joch des nördlichen Seitenschiffs gestiftet, wo er auch begraben werden wollte. Nach dem Tod des Ulrich von Au im Jahr 1326 wurde das Todesjahr nachträglich in die Grabplatte eingemeißelt. Sie war also schon vorher fertig und dürfte wohl bei der Stiftung der Kapelle 1322 entstanden sein.72 Das Tympanon der Wiener Ludwigskapelle (Abb. 35) wurde nun von einem Atelier geschaffen, das die Regensburger Skulpturen im Umkreis der Ritterheiligen bestens kannte und das – wie die Baugeschichte der Ludwigskapelle nahelegt – bereits um 1320/25 tätig war. Gerade hier muss man von einem regen, fast gleichzeitigen Austausch stilistisch verwandter Bildhauer ausgehen, die aus dem großen Reper-
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deraufbau an anderer Stelle hätten deutliche Spuren hinterlassen. Das Westportal der Ludwigskapelle unterscheidet sich von den anderen beiden Portalen der Westfassade so deutlich, dass es auf jeden Fall zu einer früheren Bauperiode gehören muss. Es gibt deshalb keinen Grund anzunehmen, die Ludwigskapelle sei ursprünglich deutlich kürzer gewesen; erst später habe man den Bau verlängert und dabei das ursprüngliche Westportal mit dem Tympanon an die Nordseite versetzt; vgl. die „virtuellen Rekonstruktionen“ in den Beiträgen von Barbara Schedl und Mario Schwarz (Schedl 1998, 486–489, Abb. 516 und Abb. 517; Schwarz 2000, 215–217). Deshalb dürfte die Ludwigskapelle von Anfang an bis zur Westfassade der Minoritenkirche gereicht haben. Schmidt 1957, 109 Anm. 8; Parucki 1995, 226–228. Schmidt 1957, 114–118, Abb. 144–154. Hubel 2014, 251 f. Hubel 2014, 252–264. Hubel 2014, 252 f., Abb. 42 und Abb. 43.
Der Hallenchor von St. Stephan in Wien
Abb. 37: Regensburg, Dom, Reiterfigur St. Georg, Detail.
Abb. 36: Wien, Minoritenkirche, Nordportal der Ludwigskapelle, Tympanon, König Friedrich der Schöne mit Engel.
Abb. 38 (rechts): Wien, Minoritenkirche, Nordportal der Ludwigskapelle, Tympanon, Königin Isabella. Abb. 39 (rechts außen): Regensburg, Dom, Mittelschiff, Nordseite, 5. Pfeiler von Osten, Muttergottes mit Kind, Detail.
toire der um 1320/30 in Regensburg tätigen Teams schöpfen konnten. So ist der Kopf König Friedrichs des Schönen (Abb. 36) dem des hl. Georg vom Regensburger Reiterstandbild (Abb. 37) eng verwandt, einschließlich des weichen Gesichtsausdrucks und der zu großen Locken geordneten Haare. Das Haupt der Königin Isabella (Abb. 38) gleicht bis ins Detail dem einer Figur der Muttergottes mit Kind, heute im Mittelschiff des Regensburger Doms (Abb. 39). Vom Regensburger Verkündigungsaltar hat der Kopf des Engels (Abb. 44) viele Gemeinsamkeiten mit den Engeln im Wiener Tympanon. Da aber Gerhard Schmidt den Verkündigungsaltar entsprechend dem damaligen Forschungsstand für ein Werk der 1350er-Jahre hielt, hatte er Probleme mit der Zuordnung zu dem Wiener Tympanon. Er erkannte die leicht unterschiedlichen Stilformen innerhalb der Regensburger Werkgruppe, erklärte sie aber mit einer „jüngeren“ und einer „älteren“ Gruppe, ohne auf die Frage einzugehen, wie die Skulpturen der „jüngeren“ Gruppe das deutlich ältere Wiener Tympanon beeinflusst haben könnten.73 Erst im Rahmen des Forschungsprojekts 73 Schmidt 1957, 116.
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zum Regensburger Dom konnte ich nachweisen, dass alle Skulpturen dieser Gruppe im Zeitraum um 1320/30 entstanden. Für uns ist in diesem Zusammenhang wichtig, dass zur gleichen Zeit auch für den Wiener Hallenchor Skulpturen entstanden, welche von dieser Regensburger Werkgruppe geprägt sind. Hinzuweisen ist vor allem auf die monumentale Steinfigur des hl. Christophorus, die im Mittelchor des Wiener Stephansdoms am ersten Pfeiler der Südseite (B13) steht (Abb. 40). Sie gleicht in allen Details der Christophorusfigur vom Martinsmeister außen am südlichen Seitenschiff des Regensburger Doms (Abb. 41). Identisch sind die Komposition des Christophorus und des Jesuskindes, aber auch die merkwürdige Gewandung mit dem langärmeligen, halblangen Untergewand und dem mantelartigen Überwurf, der sich in doppelter Schichtung über den Körper legt und unter dem erhobenen linken Arm des Christophorus aufwendige Faltenkaskaden entwickelt. Auch die Gestaltung der Gesichter kann als Nachschöpfung des Regensburger Vorbilds bezeichnet werden. Die Figur des Engels der Verkündigung im Nordchor des Stephansdoms (Abb. 42) zeigt größte Ähnlichkeiten mit dem Engel des Regensburger Verkündigungsaltars (Abb. 43). Die Gestik der Wiener Figur mit der erhobenen rechten Hand und der nach unten weisenden Linken, die das Spruchband hält, ist ebenso wie die Gewandführung und die Faltenbildung ohne das Regensburger Vorbild nicht denkbar. Die Köpfe mit der Blütenkrone, den prächtig gewellten Lockensträhnen und dem sehr betont modellierten Gesicht bestätigen die enge Verwandtschaft (Abb. 44 und Abb. 45). Gerhard Schmidt betonte zusätzlich die große Ähnlichkeit in der Gewandführung des Wiener Verkündigungsengels mit dem Grabmal der sel. Aurelia in St. Emmeram in Regensburg, das aus derselben Regensburger Werkstatt kommt.74 Hans Tietze hatte sich in seiner Monografie zum Wiener Stephansdom ausführlich mit der monumentalen Chorplastik im Nord- und Mittelchor beschäftigt und dabei festgestellt: „Die stilkritische Einordnung ist schwierig, weil unmittelbare Verwandte unserer Figuren nicht bekannt sind“.75 Er verwies zwar auf die Zusammenhänge mit Regensburg, vor allem bei der Christophorus-Figur und dem Verkündigungsengel. Da er aber die Regensburger Bildwerke – gemäß der damaligen Literatur – für später hielt, konstatierte er unschlüssig: „Immerhin wird man eine Abhängigkeit Regensburgs von Wien in dieser Zeit für weniger wahrscheinlich halten als das umgekehrte Verhältnis […]“.76 Darüber hinaus verwies Tietze vorsichtig auf die italienische Skulptur des späten 13. Jahrhunderts, beispielsweise bei den Wiener Figuren der Heiligen Diakone Laurentius und Stephanus (Abb. 46),77 die sich direkt mit den vorhanghaltenden Engeln vom Grabmal Papst Bonifaz’ VIII. in den Grotten von St. Peter in Rom78 vergleichen ließen: „[…] die gleiche schematische Furchung der Draperien, dieselbe Starrheit von Händen und Gesichtern, dieselbe labile Haltung ohne inneren Antrieb da und dort“.79 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass in Regensburg zwischen etwa 1305 und 1318 ein Dombaumeister tätig war, der
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Schmidt 2000, 303 f.; vgl. Hubel 2014, 258 f., Abb. 49. Tietze 1931, 246. Tietze 1931, 247 f. Feuchtmüller 1978, 94 (Tafel). Poeschke 2000, 94 f., Abb. 80. Tietze 1931, 248.
Der Hallenchor von St. Stephan in Wien
ebenfalls die italienische Skulptur dieses Zeitraums bestens kannte. Außer der von ihm geschaffenen Bauplastik, vor allem in den Obergeschossen des Südquerhauses außen, schrieb ich ihm die aus Regensburg stammende monumentale Holzfigur der Muttergottes einer Heimsuchungsgruppe zu, die aus Regensburg stammt und sich heute im Bayerischen Nationalmuseum München befindet (Abb. 47).80 Diese Marienfigur lässt sich direkt mit den Engeln des römischen Papstgrabes, aber auch mit den Wiener Diakonen vergleichen. Typisch sind das säulenhafte Volumen, das breitflächige Gesicht, die sparsame Gestik und die Gewandführung, die auf wenige senkrechte Falten reduziert ist, nur durch ein leicht vorgestelltes Knie differenziert wird und – außer bei den römischen Engeln – unten mit kräftigen Knicken nach rechts abbiegt. Gut denkbar ist, dass diese überzeugenden Beziehungen zur italienischen Skulptur über Regensburg vermittelt wurden. Auch die zur Gruppe um die Reiterfiguren gehörende Skulptur eines hl. Pilgers im Regensburger Dom (Turmjoch des nördlichen Seitenschiffs) zeigt noch deutlich den Einfluss italienisch geprägter Figuren.81 In Wien war offensichtlich ein Bildhauer tätig, der zunächst direkt von der Regensburger Skulptur um 1320/30 geprägt war, aber konsequent an seinem Stil arbeitete, sich auch an Regensburger Bildwerke des von Italien beeinflussten Dombaumeisters vor 1318 erinnerte und dabei sein künstlerisches Repertoire selbstständig weiterentwickelte. Wichtig war ihm das massive, säulenhafte Volu80 Hubel 2014, 245 f. 81 Hubel/Schuller 2012, Abb. 2317 f.; Hubel 2014, 260; Fuchs/Hubel 2016, 733 f.
Abb. 40: Wien, St. Stephan, Hauptchor, hl. Christophorus (B13). Abb. 41: Regensburg, Dom, Südseitenschiff außen, hl. Christophorus. Abb. 42: Wien, St. Stephan, Nordchor, Engel der Verkündigung (D11).
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Abb. 43: Regensburg, Dom, Verkündigungs-Altar, Engel der Verkündigung, an der Nordwestecke des Baldachins, Foto um 1920. Abb. 44: Regensburg, Dom, Verkündigungs-Altar, Engel der Verkündigung, Detail, Foto um 1920.
Abb. 45: Wien, St. Stephan, Nordchor, Engel der Verkündigung, Detail (D11).
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men seiner Figuren, ergänzt durch zahlreiche, über den ganzen Körper gebreitete Faltenformen, die in kräftigen Stegen oder energisch aufgetragenen Schüsselfalten die Figuren beherrschen. Dazu kommt ein auf mächtigem Hals aufsitzender Kopf mit breitflächigem Gesicht, scharf eingezeichneten Augen und Mund sowie gerader Nase, deren Rücken in rundem Schwung unmittelbar zu den Augenbrauen weiterläuft. So gehören zum Œuvre dieses Bildhauers das Tympanon vom Portal der Ludwigskapelle und die Figuren vom Frauenchor und vom Mittelchor in St. Stephan. Dabei dürften – wie erwähnt – die Figuren der thronenden hl. Anna (Abb. 9) und der thronenden Muttergottes mit Kind (Abb. 49 und Abb. 50) älter sein und noch einer früheren Phase im Gefolge des Erminoldmeisters angehören, wohl um oder kurz nach 1310. Die anderen Bildwerke des hl. Christophorus, des Verkündigungsengels, der Diakone Laurentius und Stephanus, des hl. Johannes des Täufers, der hl. Katharina, der Schutzmantelmadonna (Abb. 48) und des hl. Kö-
Der Hallenchor von St. Stephan in Wien
Abb. 46: Wien, St. Stephan, Mittelchor, hl. Stephanus (B12). Abb. 47: Maria einer Verkündigung aus Regensburg, München, Bayerisches Nationalmuseum.
nigs einer Anbetungsgruppe dürften im Zeitraum zwischen etwa 1320 und 1330 entstanden sein.82 Der lange Exkurs war erforderlich, weil die vier Konsolfiguren an den Längsseiten des Wiener Hallenchors von der gleichen Werkstatt geschaffen wurden. Es handelt sich an der Nordwand, (Abb. 51 und Abb. 52) bei Wandpfeiler D 8 und D 9, und an der Südwand, (Abb. 53 und Abb. 54) bei Wandpfeiler A 8 und A 9, jeweils um eine weibliche und eine männliche Konsolfigur, die sich rücklings an einen Felsblock lehnen, in den Kirchenraum Richtung Sanktuarium schauen und jeweils ein Spruchband halten. In der Reihenfolge befindet sich die Frau jeweils am östlichen, der Mann am westlichen Wandpfeiler. 83 Schon auf den ersten Blick zeigt 82 Abbildungen bei Ernst/Garger 1927, Tafeln 1–31, Tietze 1931, Abb. 210–220 und bei Feuchtmüller 1978, 93–95 (Tafeln). Die späten Datierungen von Hans Tietze (Tietze 1931, 245–249) und Rudolf Bachleitner (Bachleitner 1966, 11 f.) – jeweils um 1330/40 – können nicht überzeugen, erst recht nicht der Versuch von Johann Josef Böker, die Skulpturen in die 1350er-Jahre zu datieren (Böker 2007, 90–92). Dagegen hat Karl Ginhart die Stillage präzise definiert; er datierte die Figuren der thronenden hl. Anna und der thronenden Muttergottes mit Kind bereits um 1310, die übrigen Skulpturen dieser Gruppe um 1320/30: Ginhart 1970, 4–6. Siehe auch Artur Saliger, in: Katalog Wien 1997, 79–82, 430, Nrn. 3.9.–3.12. Horst Schweigert zieht eine noch frühere Entstehungszeit in dem langen Zeitraum zwischen 1305 und 1330 in Betracht, was aber angesichts der Zusammenhänge mit Regensburg nicht denkbar ist (Schweigert 2000, 329–331, Nr. 74). 83 Ein genauer Vergleich der vor 1945 aufgenommenen Fotos der Konsolen der Nordwand (Abb. 51 und Abb. 52) mit dem heutigen Zustand zeigt geringfügige Unterschiede. Da
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Abb. 48: Wien, St. Stephan, ehem. Nordchor, Schutzmantelmadonna (B9 Nord). Abb. 49: Wien, St. Stephan, Nordchor, Thronende Madonna mit Kind (C10). Abb. 50: Wien, St. Stephan, Nordchor, Thronende Maria mit Kind von rechts (C10).
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sich, dass diese Skulpturen mit dem Stil der Konsolen in den drei Chorschlüssen nichts mehr zu tun haben; sie gehören eindeutig zur Gruppe der monumentalen Chorplastik um 1320/30. Das bestätigt allein schon die Gewandung der vier Figuren: die Frauen mit Kopftuch, Rise, langärmeligem Untergewand und weitem Umhang, die Männer ebenfalls mit langem Untergewand und einem weiten, über der Brust zusammengehaltenen Mantel; der Mann an der Nordseite trägt zusätzlich eine Mütze. Bei diesem (Abb. 51) wiederholt sich der V-förmige Knick eines Faltenbündels unter dem Jesuskind der thronenden Maria (Abb. 50). Der Kopf des Mannes an der Südwand (Abb. 53) mit den gleichmäßig gelockten Haaren, dem rundlichen Gesicht, den fein modellierten Gesichtszügen und den rund geschwungenen Augenbrauen ist direkt mit dem des Verkündigungsengels (Abb. 42 und Abb. 45) verwandt, ebenso wie die üppige Kleidung. Die weibliche Figur an der Südwand (Abb. 54) fällt durch die betonten Faltenlinien auf, die das Gewand über dem weit hochgestellten Knie ausbildet. Ganz ähnliche Faltenformen über auffallend betonten Knien zeigen auch die Menschen, die sich bei der Schutzmantelmadonna (Abb. 48) unter den Mantel Mariens geflüchtet haben; außerdem lassen sich die exaltierten Bewegungen gut vergleichen. Die engen stilistischen Zusammenhänge erlauben den Schluss, dass die Nordund Südwand des Hallenchors im Anschluss an die drei Chorpolygone errichtet wurden, also in der Zeit um 1320/30 (Abb. 55, siehe blaue Markierung). Wie bei die Konsolen aber den Zweiten Weltkrieg völlig unbeschädigt überstanden (für die Information danke ich Herrn Dombaumeister Wolfgang Zehetner sehr herzlich), kann es sich nur um leichte Überarbeitungen der Originale handeln. Dennoch werden hier die Fotos vor der Kriegszerstörung gezeigt.
Der Hallenchor von St. Stephan in Wien
Abb. 51: Wien, St. Stephan, Nordchor, Konsole D 8, Foto vor 1945. Abb. 52: Wien, St. Stephan, Nordchor, Konsole D 9, Foto vor 1945.
Abb. 53: Wien, St. Stephan, Südchor, Konsole A8. Abb. 54: Wien, St. Stephan, Südchor, Konsole A9.
Abb. 55: Wien, St. Stephan, Chor, Rekonstruktion des Bauzustandes um 1330. 59
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Abb. 56: Wien, St. Stephan, Nordchor, Anschluss Chorpolygon an Langseite.
Abb. 57: Wien, St. Stephan, Südchor, Anschluss Chorpolygon an Langseite.
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den Chorschlüssen endeten die Wandflächen aber in Höhe der Kämpferzone der Fenster. Die neuen Wände verbanden das Chorpolygon des neuen Hallenchors mit dem Querhaus des alten Stephansdoms. Der deutlich kleinere Chor des alten Doms blieb dabei noch erhalten und konnte liturgisch voll genutzt werden, da innerhalb der Raumhülle des Hallenchors noch keine Einbauten existierten; auch die Freipfeiler des Mittelschiffs waren noch nicht gesetzt. Die Architekturformen führten das Prinzip der Chorschlüsse unverändert weiter, mit den fein profilierten Wandpfeilern und den ohne Kapitelle direkt zum Gewölbe weiterlaufenden Rip-
Der Hallenchor von St. Stephan in Wien
Abb. 58: Wien, St. Stephan, Hallenchor von außen, Nordseite.
pen. Dennoch finden sich kleine Unterschiede, welche die spätere Anfügung dieser Wände bestätigen. So fehlen nun die eingetieften Rechteckfelder, die eine Rahmung für die ebenfalls weggelassenen Blendarkaden in allen Sockelflächen der drei Chorschlüsse gebildet hatten. Während die Stoß- und Lagerfugen in den älteren Teilen mehrfach verspringen, was durch den unregelmäßigen Steinschnitt bedingt ist, zeigen die Wandflächen der Längsseiten jetzt ein konsequent normiertes Quaderwerk mit waagrecht durchlaufenden Lagerfugen (vgl. Abb. 56 und Abb. 57). Der wichtigste Unterschied aber entstand durch die Verlängerung der Joche: Während die zu den Längswänden überleitenden Wandflächen des nördlichen und des südlichen Chorpolygons die Breite aller anderen Polygonflächen übernehmen und mit dreibahnigen Maßwerkfenstern gefüllt sind, wurden nun extrem breite Wände hochgezogen, die nicht nur mit vierbahnigen Fenstern geöffnet sind, sondern auch noch geschlossene Wandflächen zwischen den Fenstern und den Wandpfeilern zeigen (Abb. 58). Damit kam man für die ganze Länge der drei Chorschiffe mit drei Jochen aus (Abb. 55). Für die Gesamtwirkung des Hallenchors ergab dies eine großartige, fast saalartig wirkende Transparenz des Raumeindrucks, mit Schrägblicken und Querblicken, welche die drei Schiffe zu einer unvergesslichen Einheit verschmelzen lassen. Eine nahezu identische Lösung findet man in der Ludwigskapelle der Wiener Minoritenkirche, deren – um 1785 abgetrennter – Chorschluss schmale Wandflächen mit dreibahnigen Maßwerkfenstern besitzt (Abb. 34), während für das Längsschiff viel breitere Joche mit vierbahnigen Maßwerkfenstern und zusätzlichen Wandstreifen gewählt wurden (Abb. 104). Da die Ludwigskapelle gleichzeitig mit den Langseiten des Hallenchors von St. Stephan entstand, darf man hier von einer gegenseitigen Bezugnahme ausgehen; die beiden Bauhütten müssen aufs Engste zusammengearbeitet haben. Allerdings brachte diese enorme Verbreiterung der Joche größte Probleme bei der Einwölbung, da nun die Freipfeiler, die Gewölbe
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und Dach tragen, große Abstände überbrücken mussten. Dies wird uns später noch beschäftigen.
3. Baugeschichte um 1330/40 Um 1330 dürften alle Außenwände des Hallenchors von St. Stephan hochgeführt gewesen sein – allerdings immer nur bis zur Kämpferzone der Fenster; auch die Fenstermaßwerke fehlten noch. Schon die baugeschichtlichen Untersuchungen von Gerhard Seebach machten auf einen grundlegenden Wechsel des Quadermaterials aufmerksam, was durch die petrografischen Untersuchungen (Abb. 59) genauer differenziert und farbig kartiert wurde.84 Während die Wandflächen des Hallenchors in allen Feldern (also Chorpolygone und Langseiten) aus Atzgersdorfer Kalksandstein (rot) und Sandstein aus Velm-Götzendorf (grün) bestehen, wechselt das Baumaterial ab der Kämpferzone der Maßwerkfenster abrupt: Ab jetzt werden durchgehend Leithakalkstein aus Au/Leithagebirge (hellblau) bzw. Kalksandstein aus St. Margarethen (dunkelblau) verwendet. Dieser Steinwechsel betrifft alle Teile der darunterliegenden Wandflächen, unabhängig von deren Entstehungszeit. Baugeschichtlich lässt dies nur den Schluss zu, dass ab der Kämpferzone der Fenster und ab der Bedachung der Strebepfeiler (knapp unter den krabbenbesetzten Wimpergen) ein neuer Bauabschnitt begann, der nach oben bis einschließlich der Blattfriese unter den Maßwerkbrüstungen der Traufzone reicht. Bis heute erkennt man an dem in der Farbe abweichenden, etwas helleren Steinmaterial den neuen Bauabschnitt (Abb. 1). Dessen Homogenität bestätigt nicht nur der Materialwechsel, sondern auch der Stil der Bauplastik: Hier handelt es sich um 31 Wasserspeier,85 die von Konsolfiguren getragen werden, außerdem um zahlreiche Fabeltiere, die unten an den Schenkeln der Wimperge über den Strebepfeilern sitzen. Die Wasserspeier sind wegen ihrer Verwitterungsschäden zum größten Teil durch Kopien des 19. Jahrhunderts ersetzt worden. Lediglich fünf Wasserspeier sind noch original (M14/B14, N14/C14, N13/C13, N13/C12, N22/D12), während die mittelalterlichen Konsolfiguren fast alle erhalten sind (lediglich die Konsole N10/D10 ist im 19. Jahrhundert weitgehend überarbeitet worden).86 Die Wasserspeier und Konsolen sind in der Literatur bisher kaum beachtet worden. Hans Tietze zählt sie knapp nach ihren ikonografischen Merkmalen auf und erwähnt: „Die Wasserspeier scheinen stark erneuert zu sein“. Ansonsten verzichtet er auf jede genauere Analyse; er datiert den Zyklus ohne nachvollziehbare Begründung um 1330/40. Rupert Feuchtmüller bildete 1984 eine Reihe von Wasserspeiern ab, differenzierte aber nicht zwischen originalen Werken und Neuschöpfungen des 19. Jahrhunderts.87
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84 Seebach 1993, 135 f. Gesteinskundliche Untersuchung des Hallenchors von St. Stephan von Harald W. Müller und Andreas Rohatsch. 85 Der westlichste Wasserspeier an der Nordseite musste beim Bau des Nordturms entfernt werden. Im Folgenden wird die Verortung der Wasserspeier, Konsolen und Pfeiler nach der Gliederungsstruktur der Dombauhütte angegeben (Tafel 4). 86 Ich konnte zusammen mit Herrn Philipp Stasny (Dombauhütte Wien) vom Laufgang der Traufzone aus alle Wasserspeier untersuchen; für seine Hilfestellung bin ich Herrn Stasny zu großem Dank verpflichtet. Für die Informationen zu den Konsolen unter den Wasserspeiern danke ich Herrn Dombaumeister Wolfgang Zehetner sehr herzlich. 87 Tietze 1931, 160 f.; Feuchtmüller 1984, 26–33. Ähnlich hatte auch Karl Ginhart in seiner
Der Hallenchor von St. Stephan in Wien
Abb. 59: Wien, St. Stephan, Hallenchor, Nordseite außen, Kartierung der Steinmaterialien (Harald W. Müller, Andreas Rohatsch).
Betrachtet man die Wasserspeier und die übrige Bauplastik in diesem Bereich, werden wieder deutliche Beziehungen zum Regensburger Dom fassbar. Schon das Motiv der krabbenbesetzten Wimperge, an deren Schenkeln sich unten je ein Fabelwesen festgekrallt hat und nach unten blickt (Abb. 60),88 ist in Regensburg sehr häufig und bereits in den frühen Bauphasen nachweisbar. So findet sich dieses Motiv schon an dem Wimperg über der Pforte zum südlichen Nebenchor, also in der Zeit um 1280/85 (Abb. 61),89 – und in allen folgenden Bauphasen bis weit ins 15. Jahrhundert hinein. Auch die wenigen in Wien original erhaltenen Wasserspeier haben direkte Vergleichsstücke in Regensburg: So entspricht die um 1310/15 zu datierende Darstellung eines nackten Mannes am nordöstlichen Strebepfeiler des nördlichen
Würdigung der Wasserspeier nicht zwischen den Originalen und den Kopien unterschieden (Ginhart 1970, 7). 88 In Wien sind laut Horst Schweigert alle Tierfiguren unter den Wimpergschenkeln 1859/60 durch Nachbildungen ausgetauscht worden (Schweigert 2000, 339 f., Nr. 84). 89 Hubel 2014, 223; Fuchs/Hubel 2016, 674.
Abb. 60: Wien, St. Stephan, Hallenchor außen, Wasserspeier N12/D11 und N11/D11 mit Konsolfiguren und Wimpergschenkel mit Fabelwesen. Abb. 61: Regensburg, Dom, außen, Südlicher Nebenchor, 1. Joch von Westen, Seitenportal, Wimpergschenkel mit Fabel wesen.
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Abb. 62: Wien, St. Stephan, Hallenchor, Wasserspeier N13/C12.
Abb. 63: Regensburg, Dom, Nordquerhaus, nordöstlicher Strebepfeiler, Blick von Osten auf den Wasserspeier unter der Traufzone.
Abb. 65: Regensburg, Dom, Südturm, Südseite, Fries mit Fabelwesen am Treppenturm unter der Maßwerkbrüstung zum 1. Obergeschoss, 3. Fabelwesen von Westen. Abb. 64: Wien, St. Stephan, Hallenchor, Blick frontal auf den Wasserspeier N13/C12.
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Querhauses (Abb. 63) dem Wasserspeier N13/C12 am Wiener Hallenchor (Abb. 62). Das Wiener Exemplar zeigt eine Fratze mit weit offenem Mund und abstehenden Segelohren (Abb. 64); auch hierfür gibt es ein ähnliches Gesicht bei einem Fabelwesen (Abb. 65), das sich in Regensburg an der Südseite des Südturms zwischen Erdgeschoss und 1. Obergeschoss befindet und um 1340 datiert werden kann.90 Dem Wiener Wasserspeier M14/B14 in Gestalt einer nackten Frau, die sich eine Hand ans Gesicht legt und mit offenem Mund nach unten blickt (Abb. 66), gleicht in Regensburg das Exemplar einer spärlich bekleideten Frau in identischer Haltung an der Südseite des Südturms (Abb. 67), die um 1340 entstand.91 Schließlich sei ein Regensburger Exemplar am 2. Joch von Osten des nördlichen Seitenschiffs erwähnt, das einen Hund zeigt (Abb. 68) und um 1325 entstand.92 Die Haltung des Hundes 90 Hubel 2014, 275, 282 f. 288; Fuchs/Hubel 2016, 667. 91 Hubel 2014, 283; Fuchs/Hubel 2016, 666. 92 Hubel 2014, 271; Fuchs/Hubel 2016, 678.
Der Hallenchor von St. Stephan in Wien
Abb. 66: Wien, St. Stephan, Hallenchor, Wasserspeier M14/B 14.
Abb. 67: Regensburg, Dom, Südturm, Südseite, westlicher Strebepfeiler, Wasserspeier unter der Maßwerkbrüstung zum 1. Obergeschoss.
Abb. 68: Regensburg, Dom, nördliches Seitenschiff, 2. Joch von Osten, westlicher Strebepfeiler, Wasserspeier von Westen.
Abb. 69: Wien, St. Stephan, Hallenchor, Wasserspeier N13/C13.
Abb. 70 Regensburg, Dom, südliches Seitenschiff, 3. Joch von Osten, hl. Apostel, Detail.
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gleicht der des Wiener Wasserspeiers Nr. N13/C13, der allerdings den Kopf eines älteren bärtigen Mannes zeigt (Abb. 69). Dieser Kopf gehört aber zu einer typischen Stilphase am Regensburger Dom, die um 1335/40 zu datieren ist, wie der Kopf eines Apostels am 3. Joch von Osten des südlichen Seitenschiffs bestätigt (Abb. 70).93 Auch die Konsolfiguren, die jeden Wasserspeier stützen, sind mit Regensburger Bauplastik in ähnlicher Funktion bestens zu vergleichen. Dies beginnt bereits mit der Ludwigskapelle der Wiener Minoritenkirche. Bereits beim Nordportal (Abb. 35) konnte eine direkte Verwandtschaft zu Regensburger Skulpturen der Zeit um 1320/30 nachgewiesen werden. Das etwa gleichzeitig entstandene Westportal der Ludwigskapelle ist bildlos, bis auf zwei Konsolfiguren unter den das Portal flankierenden Fialentürmchen.94 Die eine ist weitgehend verwittert, die andere dagegen (Abb. 71) lässt sich direkt mit einer Konsolfigur unter dem Wasserspeier N08/ D08 des Wiener Hallenchors in Verbindung bringen (Abb. 72). Aus dem gleichen Werkstattzusammenhang stammt in Regensburg eine Tragefigur unter der Konsole für die um 1325 geschaffene Reiterfigur des hl. Georg an der inneren Westwand des Doms (Abb. 73);95 sie hat ein Wiener Gegenstück in der Konsolfigur unter dem Wasserspeier S14/B13 (Abb. 74). Der Konsolfigur eines jungen Mannes in den inneren Blendarkaden südlich des Regensburger Dom-Hauptportals (Abb. 75), die um 1340/45 geschaffen wurde,96 entspricht die Wiener Konsolfigur unter dem Wasserspeier N 09/D09 (Abb. 76). Die Relieffiguren zweier musizierender Satyrn, die sich an der Westfassade des Regensburger Doms am nördlichen Strebepfeiler des Südturms befinden (Abb. 77) und um 1335/40 entstanden,97 gleichen sehr der einen Ball werfenden Wiener Konsolfigur unter dem Wasserspeier N12/D11 (Abb. 78). Die für eine – nicht ausgeführte – Dachkonstruktion geschaffene Konsolfigur, die sich in Regensburg etwas weiter oben als die Satyrgruppe am nördlichen Strebepfeiler befindet (Abb. 79) und spätestens um 1345/50 entstand,98 zeigt viele Ähnlichkeiten mit der Wiener Figur unter dem Wasserspeier S09/A09, die mit einer Art Tamburin musiziert (Abb. 80). Gerade diese Wiener Figur hat viel Beachtung gefunden, weil links neben ihr auf der Tragplatte für den Wasserspeier der große Buchstabe „A“ eingemeißelt ist. Dieser Buchstabe erinnert an das „A“, das als Halsschmuck bei der Marienfigur der Wiener Minoritenkirche erscheint (Abb. 4) und das wir vermutungsweise mit König Albrecht I. in Beziehung brachten. Dagegen könnte sich das „A“ der Tragefigur auf Herzog Albrecht II. beziehen (reg. 1330–1358), in dessen Regierungszeit die erste Chorweihe von 1340 fiel. Damit ist auch in der Bauplastik dieser oberen Wandzone des Wiener Hallenchors ein ständiger Austausch zwischen Regensburg und Wien nachweisbar. Während in den älteren Partien des Wiener Chorbaus bis um 1330 die Regensburger Plastik die anregende und stilprägende Rolle gespielt haben dürfte, lässt sich das wechselseitige Verhältnis in der späteren Phase nicht mehr eindeutig festle-
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93 Hubel 2014, 269, 271, 276 f.; Fuchs/Hubel 2016, 665. 94 Maria Parucki betonte die deutlichen Unterschiede zwischen dem Nordportal und den anderen beiden Portalen der Westfassade. Das Nordportal ist als Eingang zur Ludwigskapelle auf jeden Fall früher zu datieren (Parucki 1995, 231–234). 95 Hubel 2014, 252–255, 273; Fuchs/Hubel 2016, 723–725. 96 Hubel 2014, 286 f.; Fuchs/Hubel 2016, 689. 97 Hubel 2014, 283, 285 f.; Fuchs/Hubel 2016, 657. 98 Hubel 2014, 286; Fuchs/Hubel 2016, 658.
Der Hallenchor von St. Stephan in Wien
Abb. 71: Wien, Minoritenkirche, Ludwigskapelle, Westportal, Konsolfigur. Abb. 72: Wien, St. Stephan, Hallenchor, Konsolfigur unter dem Wasserspeier N08/D08.
Abb. 74: Wien, St. Stephan, Hallenchor, Konsolfigur unter dem Wasserspeier S14/B13.
Abb. 75: Regensburg, Dom, innere Westwand, Wandfläche mit Blendarkaden südlich des Hauptportals, nördliche Konsolfigur, Foto um 1920.
Abb. 73: Regensburg, Dom, innere Westwand, Reiterfigur St. Georg, Konsole, rechte Tragefigur.
Abb. 76: Wien, St. Stephan, Hallenchor, Konsolfigur unter dem Wasserspeier N09/D09.
Abb. 77: Regensburg, Dom, außen, Westfassade, Südturm, Erdgeschoss, nördlicher Strebepfeiler, Relief mit musizierenden und tanzenden Satyrn. 67
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Abb. 78: Wien, St. Stephan, Hallenchor, Konsolfigur, einen Ball werfend, unter dem Wasserspeier N12/D11.
Abb. 79: Regensburg, Dom, außen, Westfassade, Südturm, Erdgeschoss, nördlicher Strebepfeiler, Nordseite, Konsolfigur, Detail.
Abb. 80: Wien, St. Stephan, Hallenchor, Konsolfigur mit Musikinstrument, unter dem Wasserspeier S09/A09, links auf der Deckplatte der Buchstabe A.
gen. Die Regensburger Vergleichsbeispiele waren in den Jahren zwischen etwa 1315 und 1345 entstanden, mit einem Schwerpunkt auf dem Zeitraum von 1325 bis 1340. Dabei ist es durchaus möglich, dass Wiener Bildhauer in Regensburg tätig waren und das Repertoire der mittlerweile selbstständig und selbstbewusst arbeitenden Wiener Gotik in Regensburg einbrachten. Zeitlich lassen neben den Indizien aus dem Bauablauf auch die Zusammenhänge mit Regensburg eine Datierung der oberen Teile des Hallenchors ab etwa 1330 bis zur ersten Chorweihe 1340 vermuten.99 Entscheidend für die Beurteilung und Bewertung von Architektur und Bauplastik im oberen Teil des Hallenchors ist erst einmal die Erkenntnis, dass die durchlaufende Bekrönung der älteren Wandflächen mit dem bisherigen architektonischen Prinzip bricht. Vorher ging es um eine schlichte Wandgestaltung, die außen glatte Wandflächen mit einfach gegliederten Strebepfeilern kombinierte, innen auf den grafischen Linearismus schlanker Dienste und Rippen ohne Kapitelle setzte. Vorbilder hierfür finden sich – wie erwähnt – ab etwa 1300 in Regensburg, allen voran bei der sog. Großen Sakristei und beim Chor der Minoritenkirche; von hier aus dürften die architektonischen Anregungen nach Wien gekommen sein. Erstaunlich ist nun, dass neben der Bauplastik auch die deutlich anderen architektonischen Gestaltungsprinzipien, die den oberen Abschluss des Wiener Hallenchors charakterisieren (Abb. 81), ebenfalls aus Regensburg stammen, diesmal aber vom Dom geprägt sind (Abb. 82). Nun geht es um eine sehr viel prächtigere, spannungsreiche Inszenierung der Architektur: Die Strebepfeiler erhalten an den Kanten einen dekorativen Krabbenbesatz, der nicht nur die schräg nach oben führenden Rücksprünge
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99 Die gleiche Datierung schlug Gerhard Schmidt vor, der auf starke französische Einflüsse verwies (Schmidt 2000, 305). Horst Schweigert wollte zwischen einer älteren Gruppe am Nord- und Mittelchor (um 1320/30) und einer jüngeren Gruppe am Südchor (um 1335/40) differenzieren, was aber schon von der Baugeschichte her nicht denkbar ist (Schweigert 2000, 339 f., Nr. 84).
Der Hallenchor von St. Stephan in Wien
Abb. 81: Wien, St. Stephan, Hallenchor, oben von Südosten.
Abb. 82: Regensburg, Dom, Südseite Langhaus.
begleitet, sondern auch die Wimperge schmückt, welche die dreieckige Bedachung des Strebepfeilers überhöhen. An den unteren Schenkeln der Wimperge sitzt als Abschluss je ein Fabelwesen. Zusätzlich steigt über jedem Strebepfeilerdach eine mit Kreuzblumen besetzte Fialenspitze hoch. Oben ist der Strebepfeiler zu einer Wandvorlage auf dreieckigem Grundriss reduziert. Aber diese Wandvorlage durchstößt kraftvoll den weit vorkragenden Laufgang in Höhe der Dachtraufe und endet jeweils in einem prächtigen Fialenturm. Direkt unter dem Laufgang flankieren die erwähnten Wasserspeier beidseitig jeden Strebepfeiler. Zwischen den Wasserspeiern läuft ein Fries aus kräftig modellierten Blättern über die Wand. Wie eine filigrane Krone sitzt eine Maßwerkbrüstung auf dem Laufgang; sie besteht aus spitzbogigen Fenstermotiven, die in Rechteckfeldern gefasst sind und einen dekorativen Maßwerkvorhang bilden.100 100 Die gesamte Wandfläche oberhalb der Kämpferzone der Fenster ist in einem Zug ausgeführt worden. Die Vermutung von Günter Brucher, die dekorativen Elemente wie
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Gleichzeitig erhielten die großen Maßwerkfenster des Hallenchors, die bis dahin mit den senkrechten Fensterbahnen und den stabilisierenden Sturmstangen nur bis zur Kämpferhöhe gediehen waren, den Schmuck ihrer Couronnements. Die erstaunlichen Varianten dieser Maßwerke sind also nicht das Ergebnis einer stilistischen Entwicklung, sondern verdeutlichen, aus welch üppigem Formenvorrat die Hüttenmeister zu dieser Zeit schöpfen konnten. Dabei stellt man schnell fest, dass der Maßwerkdekor nicht zufällig variiert, sondern einer bestimmten Gesetzmäßigkeit folgt. So sind die Fenster der Langseiten von Süd- und Nordchor deutlich aufeinander bezogen: Das erste und das dritte Fenster von Osten im Nordchor entspricht mit seiner sechsteiligen, von Vierpässen gefüllten Fensterrose im Scheitel genau dem Maßwerk im zweiten Fenster von Osten des Südchors. Das zweite Fenster von Osten im Nordchor wiederholt mit seiner achtteiligen, von genasten Spitzbögen gefüllten Rose das erste Fenster von Osten des Südchors. Wahrscheinlich entsprach dem analog im Süden auch das dritte Fenster von Osten. Das heutige Fenster an dieser Stelle zeigt mit seinen sphärisch geschwungenen Kurven eine deutlich spätere Formensprache und dürfte – wie schon von Böker vermutet – im Rahmen der Bauarbeiten am Südturm ausgewechselt worden sein.101 Einem durchdachten Prinzip folgen ebenso die identisch gestalteten Fenstermaßwerke im jeweils anschließenden Joch des südlichen und nördlichen Chorpolygons, das von innen wie von außen auch als Bestandteil der geraden Wandflächen gesehen werden kann. Die anschließenden Fenster der Nebenchor-Polygone zeigen in den Fenstern der nördlichen wie der südlichen Schräge wiederum das gleiche Maßwerk. Beides betont im Blick von der Mittelachse nach vorn die Symmetrie der Chorschlüsse.102 Von den fünf Fenstern des Mittelchorpolygons zeigen die vier seitlichen Fenster im Norden und Süden alle das gleiche Maßwerk, während das Fenster im Chorschluss reicher gestaltet ist (Abb. 81). Das prächtigste Couronnement besitzen die Fenster im Chorschluss des Süd- und des Nordchors (vgl. Abb. 81 links und Abb. 85). Da diese Fenster nicht gleichzeitig gesehen werden können, hat der Baumeister hier unterschiedliche Maßwerke gewählt. Die Verdichtung ihrer Schmuckformen hat wahrscheinlich einen zweifachen Sinn: Zum einen ist das nach innen anschließende Fenster jeweils ein Blindfenster, da sich dahinter die Strebepfeiler für den Mittelchor verbergen. Das besonders reiche Maßwerk der Schlussfenster sollte vielleicht von dieser Asymmetrie ablenken. Zum anderen wurden die Altäre darunter, der Zwölfbotenaltar im Süden und der Marienaltar im Norden, durch den Maßwerkschmuck aufgewertet, gegenüber dem größeren und durch fünf Fenster beleuchteten Mittelchor dürfte das als Kompensation gedacht gewesen sein.103 Die Couronnements der Fenster im Wiener Hallenchor entsprechen einer Stilstufe, die Günther Binding als Epoche der großen geometrischen Formen bezeichnet, die um 1330 einsetzt.104 Die reich variierten Maßwerkformen des Hallenchors dürften in Wien so viel Eindruck gemacht haben, dass auch die anderen Wiener Sakralbauten dieser Zeit mit St. Stephan wetteiferten und so immer
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Wasserspeier, Fries und Dachgalerie seien erst im Zusammenhang mit dem Bau des Südturms appliziert worden, kann deshalb nicht zutreffen (vgl. Brucher 1990, 85 f.). 101 Böker 2007, 76. 102 Vgl. die Abbildung bei Böker 2007, 84, Abb. 34. 103 Vgl. Böker 2007, 86 f., Abb. 35 und Abb. 36. 104 Binding 1989, 299–316.
Der Hallenchor von St. Stephan in Wien
Abb. 83: Wien, St. Stephan, Hallenchor, Südseite, 2. Fenster von Osten, Maßwerk.
Abb. 84: Wien, Kirche Maria am Gestade, Fenster im Chor, Südseite, Maßwerk.
neue, kühne und noch reichere Couronnements entstanden. Beispielsweise zeigt der Chor der Kirche Maria am Gestade in Wien, der in den 1340er-Jahren begonnen wurde, ein von Binding publiziertes Maßwerk (Abb. 84), das unmittelbar aus der Anschauung von drei Fenstern im Hallenchor von St. Stephan entworfen sein dürfte (Abb. 83).105 Beide Fenster zeigen als Bekrönung eine achtstrahlige Rose, die um einen Vierpass kreist und bei St. Stephan aus Drei- und Vierpässen gebildet ist, während bei Maria am Gestade Dreipässe erscheinen, unter denen zusätzlich eine Blume aus sechs einfachen Spitzbögen eingeschoben ist. Ganz eindeutig ist hier das Vorbild von St. Stephan weiterentwickelt und bereichert worden. In ähnlicher Weise hat das Chorschlussfenster im Nordchor von St. Stephan (Abb. 85) die Anregung für ein noch aufwendigeres Rosenfenster in der Wiener Minoritenkirche gegeben, das sich im westlichsten Joch des Südschiffs befindet (Abb. 86). In dem einfacher gestalteten Fenster von St. Stephan kreist um einen zentralen Vierpass eine Rose aus sechs Strahlen, die mit Dreipässen gefüllt sind und jeweils geschwungene Lanzettformen ausbilden, die nach außen hin zu Kielbögen hochgeschwungen sind. Zwölf sphärische Dreiecke mit Dreipassfüllung schieben sich von außen her zwischen die Strahlenenden. Beim Fenster der Minoritenkirche sind die Motive verdoppelt: So kreisen gleich zwölf Strahlen um den zentralen Vierpass der Mitte. Je drei genaste Spitzbögen füllen die in einem Dreipass endende Lanzettform jedes Strahls, der sich oben als Kielbogen bis zum äußeren Rahmen fortsetzt. Von außen her schieben sich 24 sphärische Dreiecke zwischen die Kielbögen. 105 Binding 1989, 311, Abb. 356. Die jüngst erschienene Diplomarbeit von Stefanie Linsboth über den Chor von Maria am Gestade geht leider nicht auf die Maßwerkformen der Fenster und ihre Zusammenhänge mit gleichzeitigen Wiener Vergleichsstücken ein (Linsboth 2012).
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Achim Hubel
Abb. 85: Wien, St. Stephan, Hallenchor, Nordchor, Maßwerkfenster im Polygonschluss.
Abb. 86: Wien, Minoritenkirche, Südseite, Maßwerkrose im 1. Joch von Westen.
Durch die Verdopplung ergab sich eine ungewöhnlich reiche, spitzenartige Fensterrose, die gleichwohl das Vorbild des Fensters von St. Stephan nicht verleugnen kann. Die oft zitierten architektonischen Zusammenhänge des Wiener Hallenchors mit dem Regensburger Dom106 beginnen also – wie erwähnt – erst mit dem oberen Bauteil ab der Kämpferzone der Fenster, und sie erscheinen zunächst nur am Außenbau. Dies ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil die beiden, den Wiener Hallenchor charakterisierenden Arten von architektonischer Gestaltung (grafischer Linearismus einerseits – plastisch-modellierender Stil andrerseits) bereits um 1300 in Regensburg geläufig waren und gleichzeitig an verschiedenen Bauwerken praktiziert wurden. Stilistisch hätte der Wiener Hallenchor auch von Anfang an die Formensprache des Regensburger Doms aufnehmen können. Im Gegensatz zur Skulptur setzt erst ab etwa 1330 der Rezeptionsprozess der Regensburger Dom architektur ein. Schon von den Bauformen her wurde seitdem ein kathedraler Anspruch sichtbar, der bestimmt auch den politischen Willen zur Rangerhöhung der Pfarrkirche hin zu einer „Residenzkirche“ manifestiert – allerdings erst in einer relativ späten Phase der Baugeschichte des Hallenchors. Nach dem Aufsetzen des Laufgangs über den Mauerkronen der drei Chorschlüsse war es ohne weiteres möglich, Notdächer bzw. provisorische Dächer über den Chorpolygonen zu errichten. Balkenlagen über der verhältnismäßig geringen Distanz von einem Laufgang zum anderen waren imstande, provisorische Dachabdeckungen zu tragen, zumindest im Bereich der um 1300–1320 hochgeführten Wände (Abb. 33). Die um 1330/40 zu datierende, umlaufende Bekrönung der Au72
106 vgl. Tietze 1931, 9; Feuchtmüller 1978, 77 f.
Der Hallenchor von St. Stephan in Wien
ßenmauern (Abb. 81) begann wahrscheinlich über dem Südchor, der als erster ein Notdach erhalten haben dürfte, da der Zwölfbotenaltar hier bereits 1331 erwähnt wird und der Rektor des Altars seit 1336 nachgewiesen ist. Im Jahr 1334 gründete der Pfarrer Heinrich von Luzern den sog. Gottsleichnamsaltar, der besonders reich dotiert war. Er stand in der Mittelachse des Querhauses des alten Doms, ganz nach Osten gerückt, also direkt vor dem Choreingang. Wahrscheinlich markiert dieser Altar den Abbruch des bisher in liturgischer Nutzung stehenden alten Chors, der dem Neubau des Hallenchors weichen musste. Ab 1334 dürfte der Gottsleichnamsaltar der eigentliche Hochaltar von St. Stephan gewesen sein, da der östlich anschließende Chorbereich durch eine provisorische Wand abgetrennt worden sein dürfte. Nach dem Südchor dürfte als nächstes der Nordchor überdacht worden sein, damit von den beiden Seitenchören aus das Notdach über dem größeren Polygon des Mittelchors aufgerichtet und stabilisiert werden konnte. Der Marienaltar im Nordchor ist zum ersten Mal 1339 erwähnt. Die erste Erwähnung des Hochaltars im Jahr 1340 weist auf den Beginn seiner liturgischen Nutzung hin. Gleichzeitig wird damals die Bekrönung der nördlichen und südlichen Langseite vollendet gewesen sein, sodass am 23. April 1340 eine feierliche Chorweihe stattfinden konnte. Allerdings war der Hallenchor selbst noch nicht fertig, da die Mittelpfeiler und die Gewölbe noch fehlten. Wir wissen nicht, ob die drei Chorpolygone durch Fachwerk- oder Bretterwände vom westlichen Bereich abgetrennt waren, oder ob im Hauptraum ein Holzgerüst aufgestellt war, das mit behelfsmäßigen Abdeckungen eine partielle Nutzung des ganzen Hallenchors erlaubte.
4. Baugeschichte um 1340/50 Nun fehlten noch die Freipfeiler im Innenraum, die Gewölbe und das Dachwerk. Betrachtet man den Grundriss des Hallenchors (Abb. 87), wird einem deutlich, wie groß die Abstände der Joche in der Breite und in der Tiefe waren, sodass die Freipfeiler im Mittelschiff enorme Schub- und Druckkräfte zu bewältigen hatten. Außerdem waren die Strebepfeiler an den Langseiten außen genauso dimensioniert wie die in den Chorschlüssen, obwohl ganz andere Schubkräfte zu erwarten waren. Man gewinnt den Eindruck, hier habe man ähnlich verfahren, wie dies Norbert Nußbaum für den Chorbau der Salzburger Franziskanerkirche schilderte: Dort hatte Hans von Burghausen ab 1407 den Baukörper durch die Umfassungsmauern definiert, ohne konkret zu überlegen, wie innen die Gewölbe und die Tragekonstruktion geplant werden müssten. Dies vollzog dann Stefan Krumenauer 1461, indem er Gewölbe konstruierte, deren Muster verzogen werden mussten, um überhaupt in die vorgegebene Raumschale eingespannt werden zu können.107 Denkbar wäre aber auch, dass man in Wien ursprünglich – um 1320 – eine Jochtiefe geplant hatte, welche die von den Chorschlüssen vorgegebenen Maße an den Langseiten weitergeführt hätte. Dann wäre das Hallenschiff nicht drei, sondern fünf Joche tief geworden (Abb. 88). Mit einer solch engen Stellung der Strebepfeiler wie der inneren Freipfeiler hätten Gewölbe und Dachstuhl sicher 107 vgl. Nußbaum 2009, 92–107; Nußbaum 2014, 20.
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Achim Hubel
Abb. 87: Wien, St. Stephan, Grundriss des Hallenchors, nach der Vollendung. Abb. 88: Wien, St. Stephan, Variante einer möglichen ursprünglichen Planung des Hallenchors mit 5 Jochen.
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sehr viel einfacher aufgesetzt werden können. Stattdessen wählte man die kühne Beschränkung auf drei Joche mit der dadurch zu gewinnenden hallenartigen Weite des Innenraums. Den Mut hierfür dürfte dem Baumeister – wie oben erwähnt – die Ludwigskapelle der Wiener Minoritenkirche gegeben haben, die nach einem Baubeginn um 1320 bereits 1330 fertiggestellt gewesen sein muss, weil Königin Isabella von Aragón († 1330) gemäß ihrer testamentarischen Verfügung hier bestattet wurde. Nachdem es im Bereich der Skulpturen einen engen Austausch zwischen der Minoritenkirche und St. Stephan gab, darf dies selbstverständlich auch für die Architektur gelten. Nach den überzeugenden Untersuchungen von Maria Parucki müssen die Pfeiler zwischen der Ludwigskapelle und dem späteren Mittelschiff der Minoritenkirche im Jahr 1330 nicht nur hochgezogen gewesen sein, sondern sie müssen bereits die gewaltige, 19 m hohe, von Arkaden durchbrochene Ziegelmauer über den Pfeilern getragen haben, an welche das zunächst wohl errichtete Pultdach über der Kapelle angelehnt werden konnte (Abb. 89).108 Ohne diese monumentale Überhöhung der Freipfeiler durch eine Mauer, die mit ihrem Gewicht die Belastbarkeit der Pfeiler gegenüber Schubkräften enorm verstärkte, sodass sie als Tragwerk für Gewölbe und Dachstuhl dienen konnte, hätte man die Ludwigskapelle gar nicht vollenden können. Während Parucki annahm, die Gewölbe aller drei Schiffe der Minoritenkirche seien gleichzeitig, also sehr spät entstanden, wäre es ohne weiteres möglich gewesen, unter der hohen Ziegelmauer und dem Pultdach der Ludwigskapelle die Gewölbe sofort einzubringen. Da Parucki selbst deutliche Profilunterschiede der Gewölbe zwischen der Ludwigskapelle einerseits und Mittel- wie Südschiff andrerseits feststellte,109 darf dies als Hinweis interpretiert werden, die Gewölbe der Ludwigskapelle zeitgleich mit der Vollendung um 108 Parucki 1995, 112 und 132 Abb. 38; vgl. Nußbaum 2014, 15–17. 109 Parucki 1995, 247 f.
Der Hallenchor von St. Stephan in Wien
Abb. 89: Wien, Minoritenkirche, Dachwerk, Nordseite, Ziegel mauer mit Arkadenöffnungen über den Freipfeilern.
1330 anzusetzen. Als Abgrenzung zu der anfangs noch stehenden alten Minoritenkirche dürften provisorische Trennwände die Scheidbögen der südlichen Pfeiler der Ludwigskapelle geschlossen haben. So konnte die Ludwigskapelle während des Neubaus der Kirche als Gottesdienstraum dienen. Als dann um 1340/50 das Mittel- und Südschiff der neu errichteten Minoritenkirche an die Ludwigskapelle angeschlossen werden mussten,110 war dies ohne größere Umbauten möglich, da über den südlichen Freipfeilern die gleiche monumentale Mauer wie über den Nordpfeilern hochgeführt wurde. So konnte das Dachwerk (Pultdach über dem südlichen Seitenschiff, Satteldach über dem Mittelschiff) über diesen Ziegelmau-
110 Maria Parucki nimmt ein relativ spätes Datum (Ende 14. Jahrhundert) für die Vollendung der Minoritenkirche an (Parucki 1995, 118, 260 f.). Zwar datiert sie die Fertigstellung von Freipfeilern und Gewölbe – und damit auch des Dachwerks – sicher zutreffend um die Mitte des 14. Jahrhunderts (Parucki 1995, 260). Allerdings glaubt sie, die spätesten Fenstermaßwerke an der Südseite des Langhauses seien nach Vergleichen mit anderen Fenstern in Frankreich und Deutschland erst in den 50er- bis 70er-Jahren des 14. Jahrhunderts entstanden (Parucki 1995, 238–241). Wie ich oben aber nachwies, ist das Rosenfenster der Minoritenkirche (Abb. 86) als Weiterentwicklung eines Fensters von St. Stephan in Wien (Abb. 85) entstanden, sodass die komplizierte Herleitung der prachtvollen Maßwerke aus westlichen Regionen und ihre Spätdatierung nicht überzeugen. Meines Erachtens war die Minoritenkirche um 1350 – mit Ausnahme des Turms – fertiggestellt.
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Abb. 90: Wien, St. Stephan, Hallenchor innen, Nordchor, Engel mit Schriftband, Konsole C10 Nord. Abb. 91: Wien, St. Stephan, Hallenchor innen, Südchor, Engel mit Schriftband, Konsole B10 Süd.
ern aufgestellt und direkt an das Pultdach über der Ludwigskapelle angeschlossen werden. Bis heute wird die kühne Dach- und Gewölbekonstruktion von diesen Mauerzügen getragen und stabilisiert (Abb. 89). Der Hallenchor von St. Stephan besaß nun – bis zur Zerstörung 1945 – die gleiche Dachkonstruktion mit ebenfalls sehr hohen Mauern über den Freipfeilern (vgl. Abb. 115 und Abb. 116).111 Die enge Beziehung zur Minoritenkirche ist augenfällig – höchst umstritten war nur stets die Frage nach der Priorität im Bauablauf. Auch hier kann die Analyse der Bauplastik weiterhelfen. Im Hallenchor von St. Stephan sind – am jeweils ersten Freipfeiler des Mittelschiffs – zwei Konsolreliefs erhalten (B 10 und C10), welche die Ganzfigur eines Engels zeigen, der ein Spruchband in der Hand hält (Abb. 90 und Abb. 91). Sie stehen im Verband mit dem Mauerwerk der Bündelpfeiler, müssen also gleichzeitig mit ihnen entstanden sein. Der Stil dieser Engel unterscheidet sich grundsätzlich von allen Skulpturen, die wir bisher am und im Hallenchor kennengelernt haben. Typisch hierfür ist ein ausgesprochen schlanker, wenig differenzierter Körper unter einem stofflich kaum bestimmbaren Gewand, das durch brüchige, untereinander nicht in Beziehung stehende Falten gegliedert ist. Auch anatomische Zusammenhänge interessierten den Bildhauer nicht; die Unterschenkel sind im Verhältnis zum Körper viel zu lang, passen aber gut, um die Figur mit dem Pfeiler dahinter zu verbinden (Abb. 96). Genauso unklar ist, wo die Flügel eigentlich am Rücken der Engel angewachsen sind. Dazu kommt eine Vorliebe für eine manierierte Stilisierung des Dekors: Die Federn der Flügel sind stofflich nicht gegliedert und wirken wie aus Blech geformt. Die eigenartigen, wellenförmigen Schnörkel hinten auf den Konsolflächen, die wohl Wolken darstellen sollen, lassen in ihrer gratigen Starre den Eindruck von Weichheit oder Fülle gar nicht erst entstehen. Die Haare der Engel scheinen mit ihren Korkenzieherlocken diesen Wolkenschnörkeln eng verwandt. Sucht man nach Bildhauerwerkstätten, die Anregungen für diese typischen Stil-
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111 Vgl. Feuchtmüller 1978, 80 und 81 mit Abbildungen des Längsschnitts und Querschnitts des Hallenchors vor der Zerstörung; Nußbaum 2014, 11–18, Abb. 7a, 7b, 8a.
Der Hallenchor von St. Stephan in Wien
merkmale geliefert haben könnten, muss der sonst immer wieder zitierte Regensburger Dom ausscheiden. Dort konnten bis 1380 nur die drei Geschosse des Südturms errichtet werden, da der nördlich anschließende Bauplatz blockiert war. Die Bauplastik spielte bei den Turmobergeschossen keine große Rolle, sodass nur wenig stilprägende Skulpturen entstanden. Dagegen gab es bei den Nürnberger Pfarrkirchen St. Sebald und St. Lorenz eine rege Bautätigkeit – in einem gegenseitigen Wettbewerb. Für den Innenraum der Sebalduskirche entstand ein großer Zyklus lebensgroßer steinerner Figuren, der die Apostel und einige andere Heilige darstellt und vor allem an den Pfeilern des Mittelschiffs aufgestellt wurde. Das Datum 1347 für die Figur des hl. Bartholomäus gibt dabei einen wichtigen zeitlichen Fixpunkt; Gerhard Weilandt datierte den ganzen Zyklus mit guten Gründen in die Jahre um 1340/50.112 Betrachtet man die Figur der hl. Katharina (Abb. 92), offenbaren sich zahlreiche Gemeinsamkeiten mit den Konsolengeln im Wiener Hallenchor. Wir finden die gleiche, etwas nachlässig wirkende Formation hin- und hergeschobener Falten, deren Führung kaum den Bewegungen des Körpers folgt, sondern sich zu eher abstrakten Chiffren verselbstständigt hat. Die schräg über den Körper gezogenen Faltenfiguren verbinden die Katharinenfigur mit dem südlichen Engel (Abb. 91). Ebenso zeichnet sich der Körper kaum unter dem Gewand ab. Nah verwandt sind der rundliche Kopf sowie die Gestaltung der Haare, wobei die Figur der hl. Kunigunde aus demselben Zyklus noch deutlicher die typischen Korkenzieherlocken zeigt.113 Sehr gut lässt sich auch die Nürnberger Figur des hl. Apostels Petrus (Abb. 93) mit den Wiener Konsolengeln vergleichen. Auf seinem Gewand 112 Weilandt 2007, 51–65, Abb. 35–39, 44, 45 und Abb. 47. 113 Weilandt 2007, 50 Abb. 35.
Abb. 92: Nürnberg, St. Sebald, westlichster Langhauspfeiler, Südseite, Steinfigur der hl. Katharina. Abb. 93: Nürnberg, St. Sebald, Ostchor innen, Steinfigur des hl. Apostels Petrus. Abb. 94: Wien, St. Stephan, Hallenchor, Apostelchor, hl. Apostel Thomas.
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zeichnen sich die gleichen, unmotiviert bis unlogisch verteilten Schüsselfalten ab, die auch den nördlichen Engel (Abb. 90) kennzeichnen. Ebenso entsprechen sich im Gesicht der jeweils kleine Mund, die auffällig scharf gezeichneten Augen und die hochgezogenen Augenbrauen, dazu die kleinen Haarlöckchen über der Stirn und die dicken seitlichen Lockenschnecken. Außerdem fallen die jeweils dünnen Arme dieser Figuren und die eher kleinen, knochenlos wirkenden Hände mit den rundlichen Fingern auf. Vergleicht man die genannten Nürnberger Figuren mit den Aposteln, die im Südchor (Apostelchor) von St. Stephan stehen, wird klar, dass sie in der gleichen Werkstatt wie die Konsolengel entstanden. Die Nürnberger Figur des hl. Petrus (Abb. 93) lässt sich unmittelbar mit dem Wiener Apostel Thomas vergleichen (Abb. 94), gerade was die wirr hin- und hergeschobenen Schüsselfalten und die wenig organisierte Führung der Saumkaskaden betrifft. Dazu gehört die brüchige, wie blechern wirkende Stofflichkeit der Gewänder und die manierierte Modellierung von Gesicht und Haaren, die bei den Wiener Aposteln noch weiter getrieben ist als in Nürnberg. Zu der Gruppe gehören noch die Apostel Petrus, Paulus, Judas Thaddäus, Jakobus d. J. und Philippus; allerdings sind die Figuren um 1860 teilweise stark überarbeitet worden. Am wenigsten verändert wurde die Figur des hl. Thomas.114 Ihre Entstehungszeit kann insgesamt in der Zeit um 1340/50 vermutet werden.115 Wenden wir uns dann dem letzten Zyklus der Bauplastik im Hallenchor zu, nämlich den Schlusssteinen, ergibt sich der gleiche stilistische Zusammenhang. Die 13 Schlusssteine (5 im Mittelchor, je 4 in den Seitenchören) zeigen im Apostelchor die Symbole der vier Evangelisten, im Polygon des Mittelchors das Lamm Gottes, daran westlich anschließend eine Tierallegorie aus dem „Physiologus“ (der Löwe, der seine totgeborenen Jungen durch Brüllen zum Leben erweckt) und die Darstellung des Wals, der den Propheten Jonas ausspuckt. Im Polygon des Frauenchors erscheinen das Haupt Christi mit dem Kreuznimbus und anschließend wieder Tierallegorien: die Jungfrau mit dem Einhorn, der Vogel Phönix, der durch das Feuer wieder aufersteht, und der Pelikan, der mit seinem Blut die Jungen ernährt.116 Zeitlich dürften die Schlusssteine gegen 1350 entstanden sein, als nach dem Dachwerk die Gewölbe des Hallenchors eingesetzt wurden. In Wien selbst scheint es wenige Bildwerke zu geben, die man mit dieser Bauplastik direkt vergleichen kann. Am ehesten kann man auf ikonografisch verwandte Schlusssteine verwei-
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114 Abbildungen bei Ernst/Garger 1927, Tafeln 42–51; Tietze 1931, Abb. 221–226 und Feuchtmüller 1978, 96 f. Zu den Figuren siehe Tietze 1931, 244 und 249; Ginhart 1970, 6; Schmidt 1992, Band 1, 143 f. 115 Da die bisherige Literatur meist von einer Fertigstellung des Hallenchors im Jahr 1340 ausging, hat man auch die späte Werkgruppe der Apostelfiguren irrig datiert. Karl Ginhart vermutet eine Entstehungszeit um 1330/40 (Ginhart 1970, 6), genau wie Horst Schweigert (Schweigert 2000, 329–331, Nr. 74) oder Artur Saliger (Katalog Wien 1997, 82 f., 430, Nr. 3.14.). 116 Die westlichen zwei Schlusssteine des Mittelchors sind zerstört; man kennt nicht einmal deren Ikonografie, da es keine Fotos vor 1945 gibt. Schwer beschädigt und heute durch Kopien ersetzt wurden die Schlusssteine Jonas und der Wal, Jungfrau mit dem Einhorn, Phönix und die 4 Evangelistensymbole. Die genaueste Beschäftigung mit den Schlusssteinen, Fotos von Originalen und Kopien nach der Zerstörung sowie ikonografische Vergleichsstücke finden sich bei Zykan 1968. 10–15.
Der Hallenchor von St. Stephan in Wien
Abb. 95: Breslau, Architekturmuseum, Konsolfigur eines Engels, früher in der Kirche St. Maria auf dem Sande. Abb. 96: Wien, St. Stephan, Hallenchor innen, Nordchor, Engel mit Schriftband, Seitenansicht, Konsole C 10.
Abb. 97: Breslau, St. Maria auf dem Sande, Hauptchor, Konsole mit zwei Engelsfiguren. Abb. 98: Wien, St. Stephan, Apostelchor. Schlussstein. Engel, Symbol des Evangelisten Matthäus.
sen, etwa in der 1341 geweihten Kapelle des Georgsritterordens neben der Wiener Augustinerkirche.117 Dagegen taucht – etwas später – in Breslau (Wrocław) eine Werkstatt auf, die so ähnliche Skulpturen schuf, dass man direkte Zusammenhänge vermuten kann. Eine – heute fragmentierte – Konsolfigur eines Engels, die aus der ehemaligen Augustinerchorherren-Stiftskirche St. Maria auf dem Sande ins Muzeum Architektury we Wrocławiu gewandert ist (Abb. 95), kann man vom Profil her wie von der metallisch wirkenden Struktur der Flügel mit den Wiener Konsolengeln vergleichen (Abb. 96). Eine weitere Figurenkonsole, die sich in der wieder aufgebauten Bres117 Zykan 1968, 14, Abb. 17, 25, 28, 31 und Abb. 34.
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Abb. 99: Breslau. Rathaus, Praetorium außen. Tragefigur unter dem Erker, Detail.
Abb. 100: Breslau, Rathaus, Praetorium innen, Schlussstein im Erker, Johannesschüssel. Abb. 101: Wien, St. Stephan, Frauenchor, Schlussstein, Christuskopf.
lauer Marienkirche befindet, zeigt zwei Engel, die einen Gewölbeanfänger tragen (Abb. 97). Sie kann man gut mit einem Schlussstein im Apostelchor von St. Stephan vergleichen, der das Symbol des Evangelisten Matthäus darstellt (Abb. 98).118 Beide Male fällt das eher unförmige Gewand auf, das den Körper darunter negiert und zu wirren Faltenformationen geordnet ist. Dazu kommen die Arme, die immer merkwürdig knochenlos wirken und teilweise so gebogen sind, wie dies anatomisch gar nicht möglich wäre. Auch die Köpfe offenbaren mit den breitflächigen Gesichtern viele Gemeinsamkeiten. Weitere Beispiele dieser Werkstatt finden sich am Breslauer Rathaus, an dem Erker des sog. Praetoriums, der von zwei jungen Diakonen getragen wird (Abb. 99). Auch diese Figuren sind unmittelbar verwandt. Im Inneren des Erkers befindet sich ein Gewölbe mit einem Schlussstein, der die Johannesschüssel zeigt (Abb. 100). Ein ganz ähnlicher Schlussstein mit dem Haupt Christi befindet sich im Wiener Hallenchor über dem Frauenaltar (Abb. 101); auch hier ist der Zusammenhang offensichtlich. Nach Tadeusz Jurkowlaniec wurden die Arbeiten an diesem Obergeschoss des Praetoriums vor 1351 begonnen und vor 1358 vollendet.119
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118 Jurkowlaniec 1995, 206–223. 119 Jurkowlaniec 1995, 187–203, 215–27. Sehr herzlich danke ich Herrn Dr. Tadeusz Jurkowlaniec, Polnische Akademie der Wissenschaften Warschau, für die Überlassung der
Der Hallenchor von St. Stephan in Wien
In die gleiche Zeit dürften die Konsolfiguren in St. Maria auf dem Sande zu datieren sein. Man könnte sich also gut vorstellen, dass nach der Fertigstellung der Gewölbe im Wiener Hallenchor (um 1350) einige Gesellen nach Breslau abgewandert sind, um dort weiterzuarbeiten – vor allem mit Ihren Kenntnissen vom Stil der Wiener Bauplastik. Die beiden Konsolengel an den Pfeilern des Wiener Hallenchors (Abb. 90, 91 und Abb. 96) gehören zweifellos in eine Stilstufe, die um 1340/50 anzusetzen ist. Für die Baugeschichte des Wiener Hallenchors bedeutet dies, dass erst nach der Chorweihe 1340 mit der Errichtung der Pfeiler, der Gewölbe und des Dachwerks begonnen worden sein kann. Dazu passen auch die zahlreichen Ablässe, die sich auf den Chorbau beziehen und die 1339 und 1340, in besonderer Häufigkeit aber im März, April, Juni, August und September 1341, im Oktober 1350 und im September 1353 ausgestellt worden sind.120 Ihre Häufung im Jahr 1341 lässt wohl den Schluss zu, dass damals die Bauarbeiten energisch vorangetrieben wurden. Angesichts der gewaltigen Lasten, welche die Pfeiler zu tragen hatten (vgl. Abb. 115 und Abb. 116), waren sehr massive Stützen unbedingt erforderlich. Hier konnte sich der Baumeister an der Minoritenkirche orientieren, denn schon bei der Errichtung der Ludwigskapelle um 1320/30 war man mit dem gleichen Problem konfrontiert. Bereits damals entschied man sich für eine Dachkonstruktion mit mächtigen Ziegelmauern über den Pfeilern und brauchte deshalb kräftige Pfeilerquerschnitte (vgl. Abb. 89). Gegenüber den Wanddiensten, die aus feinen Birnstabprofilen bestehen, wählte man einen mächtigen Pfeiler, der seinen Grundriss nach Norden hin (zur Kapelle) über die entsprechenden Birnstäbe hinaus durch eigenartig genutete, schräge Wandstreifen vergrößerte, die ohne Kapitell weiterführen und sich oben im Scheitel der Scheidbögen treffen (Abb. 102 und Abb. 103). Zu den Scheidbögen hin – also nach Ost und West – findet man einen sehr kräftigen Birnstab, der von kleineren Birnstäben flankiert ist, und an der Südseite (zum späteren Mittelschiff der Minoritenkirche hin) entschied man sich für einen mächtigen dreiseitigen Wanddienst, der ohne Profilierung hochsteigt (Abb. 104 rechts).121 Als dann um 1330/40 die Freipfeiler zwischen Mittelschiff und Südschiff errichtet werden mussten, verfeinerte man diesen Wanddienst etwas und ersetzte ihn durch einen kräftigen Runddienst, der zu den Gewölberippen hochläuft (Abb. 104 links). Die kräftige Struktur der Freipfeiler in der Minoritenkirche war also bereits beim Bau der Ludwigskapelle um 1220/30 weitgehend entwickelt. Am meisten fällt der ondulierende Wandstreifen auf, der zur Ludwigskapelle hin zwischen den Gewölbediensten und den Scheidarkaden vermittelt und dabei den Pfeilergrundriss deutlich vergrößert. Nun ist aber – wie oben dargestellt – die Bauskulptur der Ludwigskapelle (Tympanon des Nordportals, Westportal) direkt mit der gleichzeitigen Plastik des Regensburger Doms verwandt. Die feinen, gratigen Birnstabprofile der Wandpfeiler und Gewölbe haben ihre Vorbilder unter anderem in der Regensburger Architektur, vor allem im Chor der dortigen Minoritenkirche. Die Freipfeiler dagegen mussten sehr viel stabiler sein, weil sie außer den Gewölben auch die 19 m hohen Ziegelmauern im Dachbereich zu tragen hatten. Hier lohnt ein Blick auf die Fotografien vom Rathaus und der Kirche St. Maria auf dem Sande. 120 Siehe die Zusammenstellung bei Schedl 2018, 44–47. 121 Parucki 1995, 228–231; Nußbaum 2014, 15 f.
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Abb. 104: Wien, Minoritenkirche, innen, Gesamtansicht nach Westen.
Abb. 103: Wien, Minoritenkirche, Ludwigskapelle (Nordschiff) nach Westen.
Abb. 102: Wien, Minoritenkirche, Ludwigskapelle (Nordschiff), Pfeilerquerschnitte.
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Architektur des Regensburger Doms ab der Planänderung um 1290. Der Architekt (Meister Ludwig) entwickelte eine Formensprache, die sich von dem filigranen, zerbrechlichen Skelettsystem der französischen Gotik grundlegend unterschied. Stattdessen wählte er eine ausgesprochen körperhaft-kräftige Formensprache, die Durchdringung, Masse und räumlich plastische Modellierung als wesentliche Gestaltungselemente einsetzt. Die Aufwertung der Mauermasse hat zur Folge, dass zwischen Struktur und Wand nicht mehr unterschieden wird. Bei den Pfeilern fand ebenso eine Umwandlung vom Gliedergerüst zu einer plastisch durchmodellierten Reliefschicht statt, die den Pfeilerkern vollständig umhüllt. Sie besteht auch nicht nur aus Diensten für die Bögen und Gewölbe, sondern erhielt zusätzliche Elemente in Gestalt der pilasterartigen Streifen, die zwischen den Dreiergruppen der Gewölbedienste und den Runddiensten für die Scheidbögen bis zum Scheitel der Obergadenfenster hochlaufen (Abb. 105). Die Architektur wirkt wie eine Vorwegnahme von Gestaltungsweisen, die sich erst nach der Mitte des 14. Jahrhunderts – im Umkreis Peter Parlers – allgemein verbreiteten.122 Vergleicht man nun den Pfeilerquerschnitt der Freipfeiler des Regensburger Domlanghauses (Abb. 106) mit denen der Ludwigskapelle der Wiener Minoritenkirche (Abb. 102), stellt man fest, dass die pilasterartigen Streifen, die im Regensburger Dom auffielen, in gleicher Art bei den Wiener Pfeilern auftauchen. Dort erscheinen sie zwischen der Dreiergruppe der Birnstäbe für das Gewölbe und den kräftigeren Birnstäben für die Scheidarkaden; es sind auch keine glatten Wandstreifen, sondern sie sind mehrfach fein genutet. Dennoch wird klar, dass das Vor122 Kurmann 2014, 128–132.
Der Hallenchor von St. Stephan in Wien
Abb. 105: Regensburg, Dom, Langhaus innen nach Südwesten. Abb. 106: Regensburg, Dom, Mittelschiffpfeiler, Querschnitt. Abb. 107: Wien, Minoritenkirche, Freipfeiler zwischen Mittel- und Südschiff.
bild für den Pfeilerquerschnitt im Regensburger Dom zu finden ist. Für die etwas später – um 1330/40 – entstandenen Freipfeiler zwischen Mittelschiff und Südschiff der Minoritenkirche hat der Baumeister die Pfeilergestalt weiterentwickelt. Sie zeigt im Querschnitt (Abb. 107) nach Ost und West kräftigere Birnstäbe, nach Nord und Süd jedoch ziemlich dicke Rundstäbe. Wieder erscheint zwischen den Dienstbündeln der breite, genutete Wandstreifen, der zum Mittelschiff wie zum Südschiff hin in gleicher Form gestaltet ist. Durch die reiche Gliederung, die auch mit tiefen Doppelnuten arbeitet, wirkt der Freipfeiler schlanker, als er tatsächlich ist (Abb. 104 links). Dennoch war dem Baumeister der Minoritenkirche bewusst, wie kühn die Pfeiler immer noch konstruiert waren. Deshalb setzte er sie unten auf einen im Grundriss deutlich kräftigeren Sockel, der die Form eines kantonierten Rundpfeilers besitzt und nach einer Höhe von gut drei Metern über polygonale, profilierte Deckplatten zum eigentlichen Pfeilergrundriss zurückspringt (Abb. 108).123 Derart hohe und massive Pfeilersockel scheinen bewusst eingesetzt worden zu sein, wenn es um besonders hohe und steile Räume ging, die statische Probleme hätten bereiten können.124 Besonders heikel war dies bei dreischiffigen Hallenkirchen, 123 Parucki 1995, 241–247; Nußbaum 2014, 16 f. Die Freipfeiler zwischen Mittelschiff und Ludwigskapelle besaßen ursprünglich keine solchen Sockel. Sie wurden erst im späten 18. Jahrhundert aus Gründen der Symmetrie mit Stuck ummantelt. 124 Renate Wagner-Rieger hielt die Pfeilersockel für Reste der Pfeiler des Vorgängerbaus, die
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Abb. 108: Wien, Minoritenkirche, Pfeilersockel der Freipfeiler zwischen Mittel- und Südchor. Abb. 109: Todi (Umbrien), Franziskanerkirche, Gesamt ansicht innen nach Westen.
da die gleich hohen Schiffe grundsätzlich sehr fragil waren. Deshalb dürfte bei der 1292 begonnenen Franziskanerkirche San Fortunato in Todi (Umbrien) eine ähnliche Lösung gewählt worden sein (Abb. 109 und Abb. 110).125 Die Pfeiler des dreischiffigen Hallenlanghauses stehen auf sehr hohen und massiven, unterschiedlich gestalteten Sockeln, die wohl aus Sicherheitsgründen die schlankeren Pfeiler tragen. Der Blick in den Kirchenraum zeigt auch eine konstruktive Alternative zu den beschriebenen Wiener Dachwerken. Während die Minoritenkirche und St. Stephan mit hohen Ziegelmauern über den Freipfeilern arbeiteten, um den Schub der Mittelschiffgewölbe aufzufangen, sind in Todi Schwibbögen in Höhe der Kämpferzonen zwischen Mittelschiffpfeiler und Außenwände gespannt. Es handelt sich hier um eine ähnliche konstruktive Lösung, wie sie Norbert Nußbaum für das Dachwerk der Wiesenkirche in Soest geschildert hat.126 Dort gibt es über den Gewölben massive Schwibbögen, die in Querrichtung über allen drei Schiffen auf den Freipfeilern bzw. den Außenwänden aufruhen. Sie verwandeln die Schub-
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stehen geblieben wären, um auf sie die neuen Pfeiler mit ihren schlankeren Querschnitten aufzusetzen (Wagner-Rieger 1967). Maria Parucki wies diese These mit Recht zurück. Was hätte das für Vorteile gehabt, die alten Pfeiler ein Stück weit stehen zu lassen, sie dann mühsam abzuarbeiten und darauf neue Pfeiler zu setzen? Außerdem erforderte der Abschluss der Pfeilersockel mit ausgesprochen fein profilierten, auskragenden und polygonalen Deckplatten so viel Steinmetzarbeit, dass es sicher weniger Aufwand gekostet hat, die Pfeiler gleich von unten weg hochzuführen. Da die südlichen Freipfeiler aber von unten bis oben die gleichen Steinmetzzeichen aufweisen, müssen sie in einem Zug entstanden sein (Parucki 1995, 112). Dennoch griff Barbara Schedl die These Wagner-Riegers wieder auf und rekonstruierte deshalb den Vorgängerbau mit kantonierten Pfeilern, die sich an derselben Stelle wie die heutigen Freipfeiler zwischen Mittel- und Südschiff befunden haben sollen (Schedl 1998, 483). Abgesehen von der problematischen Interpretation der spärlichen Befunde stellt sich aber dann die Frage, warum der gewölbte Langchor nicht symmetrisch, sondern leicht nach Süden verschoben an diese Halle angesetzt gewesen sein soll. 125 Schenkluhn 2000, 61, 101, 183. 126 Nußbaum 2014, 17–19, Abb. 8b.
Der Hallenchor von St. Stephan in Wien
Abb. 110: Todi (Umbrien), Franziskanerkirche, Pfeilersockel eines Freipfeilers. Abb. 111: Wien, St. Stephan, Hallenchor, Pfeilersockel eines Freipfeilers.
kräfte der Gewölbe in senkrechte Lasten. In Todi reichen die – tiefer sitzenden und im Kirchenraum sichtbaren – Schwibbögen den Gewölbeschub an die Außenwände weiter, wo er von massiven Strebepfeilern aufgefangen wird. Als um 1340/50 die Freipfeiler im Hallenchor des Wiener Stephansdoms zu errichten waren, profitierte man unmittelbar von der Wiener Minoritenkirche, aber auch vom Regensburger Dom. Zunächst entstanden mächtige Sockel, welche die Pfeiler unterfangen (Abb. 111). Dann entwickelte man einen Pfeilerquerschnitt (Abb. 112), der noch einmal kräftiger war als bei den südlichen Freipfeilern der Minoritenkirche (Abb. 107). Vergleicht man die Querschnitte der Pfeiler von St. Stephan (Abb. 112) mit denen der Regensburger Dompfeiler (Abb. 106), wird klar, wie sehr man die Regensburger Lösung verinnerlicht hatte. In Wien gibt es nun keine Birnstäbe mehr, sondern nur noch dicke und weniger dicke Runddienste. Im Osten und Westen steigen besonders kräftige Rundstäbe hoch, die ebenso mächtige Scheidarkaden tragen. Neben diesen Rundstäben erscheint eine breite und tiefe Kehle, die in ondulierendem Schwung zu den beiden dünneren Begleitdiensten führt. Zu den Gewölben im Norden und Süden steigen je drei runde Dienste hoch, die durch Kehlen miteinander verbunden sind. Statt des pilasterartigen Streifens bei den Regensburger Pfeilern gibt es in Wien nur ein kurzes, gerades Wandstück. Vergleicht man die Gesamtwirkung der Pfeiler und der Scheidarkaden in Regensburg wie in Wien (Abb. 113 und Abb. 114), wird die direkte Abhängigkeit augenfällig. Die kräftig-körperlich gestaltete Regensburger Domarchitektur war das ideale Vorbild für den Wiener Hallenchor, der wegen der hohen Ziegelmauern über den Freipfeilern unbedingt eine massive Konstruktion der Pfeiler und Arkaden benötigte (Abb. 115 und Abb. 116). Johann Josef Böker hatte die Unterschiede zwischen den Wandpfeilern und den Freipfeilern im Wiener Hallenchor mit dem Veitsdom in Prag verglichen, wo Peter Parler statt der linear-filigranen Strukturen des Matthias von Arras bewusst auf kräftige Rundpfeiler und körperlich-plastische Strukturen setzte. Damit begründete Böker auch seine These, unter Herzog Rudolf IV. seien die Gewölbe und alle Binnenstrukturen des schon fertigen Hallenchors noch einmal herausgerissen und
Abb. 112: Wien, St. Stephan, Hallenchor, Freipfeiler, Querschnitt.
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Abb. 113: Regensburg, Dom, Blick von Südwesten auf die Nordwand des Mittelschiffs, Foto um 1929. Abb. 114: Wien, St. Stephan, Hallenchor nach Nordosten. Abb. 115: Wien, St. Stephan, Hallenchor, Längsschnitt mit Ziegelmauer über den Freipfeilern und Dachkonstruktion vor 1945. Abb. 116: Wien, St. Stephan, Hallenchor, Querschnitt mit Ziegelmauern über den Freipfeilern und Dachkonstruktion vor 1945.
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durch die heutige Raumlösung ersetzt worden. Dabei hat Böker völlig übersehen, dass die Wiener Minoritenkirche in den zwei Bauphasen der Ludwigskapelle und der südlich anschließenden Kirche bereits auf das Architektursystem der Freipfeiler des Regensburger Doms zurückgegriffen hatte, um die statischen Probleme besser bewältigen zu können. Nach unserer Analyse trifft dies auch für den Hallenchor von St. Stephan zu. Es gibt keinerlei Indizien, die einen Abbruch wesentlicher Bauteile des Chors und einen Neubau in den 1360er-Jahren bestätigen könnten. Stattdessen darf man annehmen, dass Freipfeiler, Gewölbe und Dachwerk bis um 1350 fertiggestellt waren. Vielleicht fand die feierliche Weihe des vollendeten Chors
Der Hallenchor von St. Stephan in Wien
beim Wiener Fürstenkongress im Jahr 1353 statt. Die „Aufsetzung des Dachs (mit bunten Dachziegeln)“ im Jahr 1365 beruhte vielleicht auf einer besonderen Stiftung, um das Erscheinungsbild des Chors prächtig aufzuwerten.127 Vorher könnte man sich eine Deckung mit – sehr viel leichteren – langen Holzschindeln vorstellen, die auch über den Seitenschiffdächern des Regensburger Doms nachgewiesen werden konnte.128 Da das Dachwerk fertig sein musste, bevor man die Gewölbe einziehen konnte, muss es lange vor 1365 bereits eine funktionierende Dachdeckung gegeben haben.
5. Zusammenfassung Insgesamt erweist sich die Entstehungsgeschichte des Hallenchors von St. Stephan als eine kontinuierliche Abfolge von Bauetappen, die logisch hintereinander in Angriff genommen wurden. Man begann – wohl kurz nach 1300 – mit den drei Chorpolygonen, die in deutlichem Abstand zum noch benutzten alten Chor der Kirche errichtet worden sind. Bis heute erscheinen sie als geschlossener Block, ohne erkennbare Baunähte oder Umbauten. Sie zeigen einen grafischen Linearismus mit filigranen Elementen, die an die Dominikanerkirche in Colmar, aber auch an Regensburger Beispiele der Zeit um 1300 erinnern. Im Vergleich mit der im Verband stehenden Bauplastik (Konsolfiguren) dürfte dieser Teil bis gegen 1320 fertiggestellt worden sein. Als nächstes folgten die südliche und nördliche Langseite des Hallenchors. Die Konsolfiguren dort legen eine Datierung in die Zeit um 1320/30 nahe. Alle Wände waren bis dahin nur bis zur Kämpferhöhe der großen Fenster hochgeführt worden. Deshalb folgte nun eine Phase, in der alle oberen Wandflächen in einem Stück – und mit anderem Steinmaterial – bis zur Dachtraufe hochgeführt wurden. Die Architekturformen und die Bauplastik lassen eine Datierung um 1330/40 zu. Im Jahre 1340 fand eine erste Chorweihe statt; wahrscheinlich waren damals nur die Chorpolygone mit Notdächern gedeckt. Anschließend mussten die Freipfeiler im Chor, das Dachwerk und die Gewölbe aufgesetzt werden. Die Formensprache ist nun körperlich-plastisch; Vorbild war die Architektur des Regensburger Doms. Zusammenhänge der Bauskulptur mit der Nürnberger und Breslauer Plastik legen eine Datierung um 1340/50 nahe, sodass die Schlussweihe um 1350 erfolgt sein dürfte, vielleicht beim Fürstenkongress 1353. Eine Gesamtbauzeit von 50 Jahren scheint für den imposanten und prachtvoll wirkenden Hallenchor von St. Stephan durchaus angemessen zu sein.
127 Schedl 2018, 48. 128 Schuller 2016, 488.
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Könige unter Heiligen Bemerkungen zu den Konsolfiguren im „albertinischen“ Chor
Es ist sinnvoll, im Rahmen des Themas „Herzogswerkstatt“ auf den ältesten Teil des gotischen Stephansdoms einzugehen: die Chorhalle. Nachdem Johann Josef Böker in seiner Monografie fast sämtliche Resultate einer mehr als hundertjährigen Forschungsgeschichte umgestoßen hat1, steht die Chronologie des Chors wieder zur Debatte. Auch die alte Frage, ob er seine heutige Erscheinung einem einheitlichen Konzept verdankt oder ob sie auf eine während der Bauzeit vorgenommene Konzeptänderung zurückgeht, stellt sich erneut. In diesem baugeschichtlichen Zusammenhang werden wir die bisher wenig beachteten figürlichen Konsolen berücksichtigen, die an den Wand- und Freipfeilern des Hallenchors im Verband mit dem Mauerwerk sitzen und folglich unzweifelhaft aus der Frühzeit der Errichtung des Chors stammen. Es handelt sich also um die älteste gotische Skulptur des gesamten Doms, soweit sie meines Erachtens aus der Bauzeit zu stammen scheint. Deshalb eignen sich die Konsolen besonders gut als Gradmesser für die schier unglaubliche Innovationskraft, die wenige Jahrzehnte nach der Entstehung des Chors die Herzogswerkstatt entfaltete. Nicht erörtern werde ich stilgeschichtliche Fragen, und ebenso wenig werde ich danach trachten, das ursprüngliche Gesamtprogramm des Statuenzyklus im Wiener Hallenchor zu rekonstruieren. Ob das jemals möglich sein wird, ist zweifelhaft, denn der heutige Bestand weist zu viele Fehlstellen auf, zu viele Überarbeitungen und zu viele neuzeitliche Neuschöpfungen.2 Hingegen werden wir kurz auf das Problem der Sinndeutung der Konsolfiguren eingehen. Insbesondere wird uns die Vielzahl von Königen beschäftigen, mit denen die Konsolen geschmückt sind. Da es aber nicht sicher ist, ob die noch vorhandenen mittelalterlichen Statuen wirklich auf den ihnen ursprünglich zugehörigen Konsolen stehen, werden wir letztere für sich allein behandeln und auf die Standbilder nicht eingehen. Stellen wir zu Beginn ganz kurz die wichtigsten Quellen zusammen, die für die Baugeschichte aussagekräftig sind. Das oft genannte Datum des Baubeginns – 1304 – muss hinterfragt werden, denn damals kauft die Wiener Bürgerschaft ein dem Stift Zwettl gehörendes Haus – ex adverso chori sita –, weil sie den Chor ihrer Pfarrkirche erweitern wollte: cives Viennenses chorum parochialis ecclesie Sancti Stephani ampliare voluerunt.3 Im gleichen Sinne ist ein Tauschgeschäft zwischen der
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Böker 2007; Vgl. dazu auch den Beitrag von Achim Hubel in diesem Band. Im Folgenden wird die Verortung der Konsolen und Pfeiler nach der Gliederungsstruktur der Dombauhütte angegeben (Tafel 4). Tietze 1931, 235–238, beschreibt den Zustand der Figurenkonsolen vor den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges. Tietze 1931, 7–8, Anm. 2; Schedl 2018, 36–41.
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Bürgerschaft und dem Deutschen Orden im Jahre 1309 zu deuten.4 Selbst das heißt nicht, dass damals der Bau des Chors begonnen wurde, sondern nur, dass man Vorbereitungen dafür traf. Für 1318, 1328 und 1336 sind bürgerliche Stiftungen für den Chorbau überliefert5, 1330 eine solche von Jutta, Schwester Herzog Albrecht II6. Zahlreiche Ablässe, die nicht unbedingt dem Chorbau zuzuordnen sind, wurden in den 1320er Jahren ausgestellt7, aber sicher diente der große Ablassbrief, der 1340 anlässlich der Weihe des Chors ausgestellt wurde, der Finanzierung des Bauprojekts8. Weitere Ablässe wurden 1339 und 1341 allen gewährt, die für den Bau des neuen Chors und des neuen Sakramentshauses stifteten.9 1336 wird erstmals der Altar in der südlichen Seitenapsis, 1339 derjenige im Frauenchor auf der Nordseite erwähnt.10 Die Heranziehung früherer Erwähnungen von Altären ist für die Baugeschichte des gotischen Chors problematisch, denn sie könnten sich noch auf den Chor des Vorgängerbaus beziehen, der, so lange er nur von den Außenwänden des Neubaus umhüllt wurde, durchaus funktionsfähig war. Aber zahlreiche Altarnennungen aus den 1340er bis 60er Jahren lassen darauf schließen, dass der neue Chor liturgisch genutzt wurde.11 Laut einer verlorenen Urkunde wurde das Dach 1365 „aufgesetzt“.12 Es deutet alles darauf hin, dass die Weihe von 1340 tatsächlich der Angelpunkt der Chronologie des Hallenchors ist. Dieser war damals wohl in allen drei Schiffen mindestens bis zum Gewölbeansatz hoch geführt und wohl mit einem Notdach versehen. Setzt man etwa ein Vierteljahrhundert für den Bau des Hallenchors von den Fundamenten bis zu den Gewölben ein, was eine vernünftige Zeitspanne für die Realisierung eines Bauprojekts dieser Größe zu sein scheint, so wurde der Grundstein um 1315 gelegt, also nach der Ermordung König Albrecht I. im Jahre 130813, und wohl kurz nach der Doppelwahl des Habsburgers Friedrich des Schönen und Ludwig des Bayern im Jahre 131414. Da Friedrich der Schöne 1330 starb, wurde der Chor des Stephansdoms zu einem großen Teil unter seiner Regierung errichtet. Man müsste also den Bau, wenn man ihn überhaupt mit einem der Habsburger Herrscher in direkte Beziehung setzen will, nicht den „albertinischen“, sondern den „friderizianischen“ Chor nennen. Beschäftigen wir uns kurz mit der Chorarchitektur im Inneren. Seit dem 19. Jahrhundert hat man sich immer wieder über die erheblichen stilistischen Differenzen gewundert, die zwischen der Außenhülle und den Freipfeilern im Binnenraum herrschen.15 Hier stoßen sozusagen zwei Formkonzepte aneinander, ein fortschrittliches und ein auf den ersten Blick konservatives. Das fortschrittliche betrifft die Wandvorlagen, die aus fünfteiligen Bündeln von Birnstäben bestehen und kei-
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Schedl 2018, 39. Schedl 2018, 43–44. Schedl 2018, 44. Schedl 2018, 44. Schedl 2018, 44. Schedl 2018, 44. Schedl 2018, 45–46. Schedl 2018, 46–47. Schedl 2018, 48. Kurmann-Schwarz 2010, 541–556. Becher/Wolter-von dem Knesebeck (Hg.) 2017. Böker 2007, 45–48; Auf den neuesten Forschungstand gebracht ist diese Frage von Schurr 2007, 275–279.
Könige unter Heiligen
ne Kapitelle aufweisen. Da die scharfwinkligen Birnstäbe durch tief ondulierende Kehlen miteinander verbunden sind, werden sie von tiefen Schatten hinterfangen, was insgesamt die Linearität der Profilbildung betont. Im Gegensatz dazu zeigen die Freipfeiler lauter Säulchen, die durch relativ breite, in der Tiefe flach gebildete Kehlen voneinander getrennt sind, sodass sich ihre Rundung frei entfalten kann. In ihrer Gesamtform erinnern die Wiener Freipfeiler an solche des mittleren 13. Jahrhunderts, ein Eindruck, zu dem das üppige Blattwerk der Kapitelle beiträgt. Als Vergleich mögen die Langchorpfeiler des Kölner Doms dienen.16 In Wirklichkeit überspielt der Wiener Pfeiler mit seinen zahlreichen Ondulierungen die geometrische Grundform bis zur Unkenntlichkeit. Allein schon deswegen müssen die Wiener Pfeiler aus dem frühen 14. Jahrhundert stammen. Dass sie älter sind als die Außenwände ist ausgeschlossen, denn nie hätte man den Neubau einer gotischen Hallenkirche mit den Binnenpfeilern begonnen. Jünger können sie aber auch nicht sein. Marc Schurr hat ihre Form zu Recht mit den Pfeilern des 1317 begonnenen Langhauses der Katharinenkirche in Oppenheim zusammengebracht.17 Der Wiener Chor ist also trotz seiner bewusst inszenierten Stildifferenzen baulich aus einem Guss. Dies muss betont werden, nachdem Johann Josef Böker die These vertreten hat, der Chor sei erst gegen Ende des 1. Viertels des 14. Jahrhunderts mit dem Mittelteil als einschiffiger Saal begonnen, anschließend nach einem Planwechsel durch die Seitenchöre bereichert und unter Rudolf IV. in den 1360er Jahren zur heutigen Hallenanlage umgebaut worden.18 Für diese These gibt es nicht die geringsten archäologischen Indizien. Zwar berichten neuzeitliche Quellen, Rudolf IV. habe Teile des Chors abtragen und die Gewölbe erneuern lassen.19 Diese Maßnahmen, sollten sie je getroffen worden sein, dürften vielleicht mit der Einrichtung der Gruft im Chormittelschiff zusammenhängen.20 Dass dabei Pfeiler abgebaut und (mit altem Material) wieder aufgebaut worden sind, ist möglich, aber das ändert nichts an der originalen Konzeption des Gesamtwerks. Wie wir sehen werden, wird dessen Einheitlichkeit durch die Konsolfiguren bestätigt, denen wir uns jetzt zuwenden wollen. Vielleicht ist es nützlich, da keineswegs alle erhaltenen Konsolen der Wiener Chorpfeilerfiguren publiziert sind, sie kurz Revue passieren zu lassen. Wir betrachten zuerst diejenigen an den Innenseiten der Außenwände am nordwestlichen Ende der Apsis des Nord(Frauen)chors ab dem Wandpfeiler D10 (Abb. 1) und gehen dann im Uhrzeigersinn bis zum Südwestende der Apsis des Süd(Apostel)chors weiter bis Wandpfeiler A10 (Abb. 19). Die je drei Konsolen an den Längswänden der beiden Seitenchöre sind keine mittelalterlichen Originale (Wandpfeiler D7–9 und A7–9), und das gilt auch von den Konsolen an den Freipfeilern, ausgenommen diejenigen, die an den beiden östlichsten Stützen auf der nördlichen beziehungsweise südlichen Seite angebracht sind (C10 und B10, Abb. 6 und Abb. 15). Im Frauenchor folgen sich nacheinander: Ein Prophet, überragt von einem Reliefband mit einem Löwen und anderen Tieren auf Wandpfeiler D10 (Abb. 19), zwei weitere Propheten
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Wolff 1968, 7–229; Wolff 1998, 15–47, bes. 19, 25, 29, 31. Schurr 2014, 21–38. Böker 2007, 89–90. Böker 2007, 79–81. Schedl 2018, 65–66.
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auf den nächsten Wandpfeilern D11 und D12 (Abb. 2 und Abb. 3), ein Jüngling dessen Kopf vermutlich aus der Barockzeit stammt auf der Konsole Y12 (Abb. 4), ein jugendlicher König am Freipfeiler C11 Richtung Norden (Abb. 5), der diesen Teil des Zyklus im Frauenchor beschließt. Im Mittelchor fängt der Reigen wiederum an der Nordwestecke mit einem weiteren jugendlichen König am Freipfeiler C11 Richtung Süden an (Abb. 7) und setzt sich mit einem Jüngling am Wandpfeiler C12 fort (Abb. 8), bei dem ich mich frage, ob der Kopf mittelalterlich ist. Dann folgen wieder zwei Könige auf den Wandpfeilern C13 und C14 (Abb. 9 und Abb. 10), wobei beim zweiten der Stab des Zepters abgebrochen ist. An den nächsten beiden Pfeilern des Hauptchors, B14 und und B13, sind wieder zwei Könige, einer mit Zepter, der andere mit Reichsapfel (Abb. 11 und Abb. 12), gefolgt von einem Mönch am Wandpfeiler B12 zu sehen (Abb. 13). Schließlich endet die Konsolenreihe im Mittelchor mit einem bärtigen König am Pfeiler B11 Richtung Norden. Im Apostelchor setzt der Zyklus wieder mit einem König am Pfeiler B11 Richtung Süden ein (Abb. 14) und fährt mit einem Jüngling auf Konsole X12 fort (Abb. 16), dessen Kopf mir wiederum sehr barock vorkommt. Es folgen drei Propheten auf den Wandpfeilern A12, A11 und A10 (Abb. 17, 18 und Abb. 19). Damit endet der Figurenzyklus an den Konsolen des Hallenchors soweit er original zu sein scheint. Noch nicht erwähnt sind die Konsolen, die an den östlichsten Freipfeilern jeweils an den den Nebenchören zugewandten Längsseiten sitzen, Pfeiler C10 Richtung Norden und Pfeiler B10 Richtung Süden. Es handelt sich um je einen knienden Engel, der in der Rechten ein Schriftband hält (Abb. 6 und Abb. 15). Da diese Engel weit unten am Pfeiler angebracht sind, wenden sie sich direkt an den Betrachter, wofür ja auch das Schriftband spricht, das als Redegestus zu verstehen ist. Sie bekräftigen damit die Worte des Canon missae, dass die bei der auf Erden gefeierten hl. Messe anwesenden Engel die Opfergaben vom irdischen auf den himmlischen Altar bringen. Die beiden erhaltenen Engel schweben vor einem kurzen, dicken Säulchen mit einem Kapitell, das zu den darüber in normaler Höhe angebrachten Pfeilerfiguren überleitet. Am nördlichen Freipfeiler befindet sich eine original mittelalterliche Sitzmadonna, am südlichen Freipeiler ein meines Erachtens aus dem 19. Jahrhundert stammender Apostel. Da die Sitzmadonna allein die hohe Figurennische nicht ausgefüllt hätte, wurde ihr ein mit einer Maßwerkrose verzierter Podest untergeschoben. Auf der Südseite erübrigte sich diese Maßnahme, weil der Apostel als Standfigur im Verhältnis zur Nische groß genug ist. Sozusagen als Anmerkung weise ich darauf hin, dass die der Sitzmadonna an der Nordwand des Frauenchors angebrachte hl. Anna als Sitzfigur ebenfalls eine doppelte Unterlage aufweist – es ist dies die bereits erwähnte Konsole D10 (Abb. 1) mit dem Propheten begleitet von Löwen und anderen Tieren. Wenn man derart auf Symmetrie hin arbeitete, so wurde wohl das Ganze bereits im Mittelalter nach einem ausgeklügelten Gesamtplan hergestellt. Die formale Einheitlichkeit aller Zierelemente bestätigt dies. Es gibt keine grundsätzlichen Unterschiede zwischen den Konsolen, Nischen und Baldachinen an den Außenwänden und denjenigen der Freipfeiler. Obwohl die dünnen Dienste an den Längsseiten der Freipfeiler nicht als Birnstäbe ausgebildet sind, übernehmen sie der Zahl nach das System der Gewölbevorlagen an den Außenwänden. Wie dort werden die mittleren Säulchen durch Figurennischen unterbrochen und setzen darüber erneut an, teilweise verdeckt durch die riesigen Baldachintürme.
Könige unter Heiligen
Abb. 1: Wien, St. Stephan, Nordchor, Prophet und Tiere, Konsole D10.
Abb. 2: Wien, St. Stephan, Nordchor, Prophet, Konsole D11.
Abb. 4: Wien, St. Stephan, Nordchor, Jüngling, Konsole Y12.
Abb. 3: Wien, St. Stephan, Nordchor, Jüngling mit Schriftband, Konsole D12.
Abb. 5: Wien, St. Stephan, Nordchor, König, Konsole 93 C11 Nord.
Peter Kurmann
Abb. 6: Wien, St. Stephan, Nordchor, Engel mit Schriftband, Konsole C10 Nord.
Abb. 7: Wien, St. Stephan, Mittelchor, König mit Zepter, Konsole C11 Süd.
Abb. 10: Wien, St. Stephan, Mittelchor, König mit abgebrochenem Zepter, Konsole C14.
Dass die Figuren in Nischen stehen, ist nicht selbstverständlich, denn im 13. Jahrhundert – in Köln, Freiburg oder Xanten – standen die Pfeilerfiguren auf Konsolen vor der glatten Rundung der Säulchen.21 Es ist bemerkenswert, dass das Prinzip der Gewändenischen, das in den 1240er Jahren erstmals von Jean de Chelles am nördlichen Querhausportal von Notre-Dame in Paris eingeführt worden war, in Wien auf die Pfeiler übertragen wurde.22 Das verleiht den Figuren einen relativ großen Aktionsraum, in dem sie sich entfalten können. Dieser wurde zusätzlich erweitert, indem die Konsolen sehr stark vorspringen. Das Bestreben, den Figuren einen eigenen Bühnenraum zu gewähren, eines der Hauptanliegen der Herzogswerkstatt,
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21 Zu Köln siehe Kurmann 2012, 290–309; Klein 2020, 259–275. Zu Freiburg siehe Schmitt 1926, T. 189–190, 192, 194, 197. Zu Xanten siehe Bader 1964, fig. 10–13, 15. 22 Kurmann 2016, 75–85, bes. 83.
Abb. 8: Wien, St. Stephan, Mittelchor, Jüngling, Konsole C12. Abb. 9: Wien, St. Stephan, Mittelchor, König mit Reichs apfel, Konsole C13.
Könige unter Heiligen
Abb. 11: Wien, St. Stephan, Mittelchor, König mit Zepter, Konsole B14.
Abb. 12: Wien, St. Stephan, Mittelchor, König mit Reichsapfel und abgebrochener Krone, Konsole B13.
Abb. 13: Wien, St. Stephan, Mittelchor, Mönch, Konsole B12.
Abb. 14: Wien, St. Stephan, Südchor, König, Konsole B11 Süd.
wird also in Wien an den Wand- und Freipfeilern des Hallenchors vorbereitet. Auch nehmen dort schon die Figuren aufeinander Bezug, manche scheinen über die räumliche Distanz miteinander zu sprechen,23 jedenfalls sind sie mit ihren Bewegungsmotiven symmetrisch aufeinander abgestimmt. Einige der Konsolfiguren bilden ein Paar, indem sie schräg aus der Achse des Pfeilers gerückt, aufeinander zulaufen, wie im Frauenchor die beiden mittleren Figuren eines Königs und eines Propheten, oder im Hauptchor die beiden Könige am Ansatz des Apsispolygons. 23 Für eine grundsätzliche Beobachtung der Kommunikation von Figur zu Figur und von der Figur zum Betrachter siehe Kurmann/Kurmann-Schwarz 2010, 175–229, 535–536, bes. 202–205.
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Abb. 15: Wien, St. Stephan, Südchor, Engel mit Schriftband, Konsole B10 Süd. Abb. 16: Wien, St. Stephan, Südchor, Jüngling, Konsole X12.
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Bemerkenswert ist der heftige Bewegungsdrang der Figuren im Südchor, die im Propheten auf der rechten Seite am Eingang zur Apsis gipfelt (A10 und Abb. 19). Dieser lenkt ganz besonders die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich, indem er mit ausgebreiteten Händen in den Raum des Seitenchors hineingreift. Diese Beobachtungen müssen ursprünglich auch für die großen Statuen gegolten haben, die auf den figürlichen Konsolen standen und die größtenteils heute verloren sind. Im Folgenden seien einige Überlegungen zu den zahlreichen Königsfiguren an den Konsolen angefügt. Unter den zwanzig mittelalterlichen Originalen zählen wir heute acht Könige, und vielleicht waren es ursprünglich noch mehr. Konsolfiguren sind eine von der Forschung arg vernachlässigte Gattung, denn schon die Autoren des 19. Jahrhunderts waren diesen gegenüber ratlos.24 An den französischen Kathedralportalen des 12. und 13. Jahrhunderts stellen Konsolfiguren häufig Bösewichter dar, etwa die Machthaber und ihre Schergen, die den Märtyrern zum Tode verhalfen, oder von den Heiligen erfolgreich bekämpfte Dämonen. Es gibt aber auch Engel, biblische Figuren oder Szenen aus den Heiligenlegenden an den Konsolen.25 Traurig gestimmte oder wild gestikulierende, aber auch grimassierende „Drôlerien“ versinnbildlichen die erlösungsbedürftige sündige Menschheit.26 Aber auch sie sind Angehörige der Kirche. Und damit kann der Bogen geschlagen werden zu den unzähligen Köpfen deren Omnipäsenz insbesondere die gotischen Kathedralen Englands auszeichnet.27 Sie verweisen allesamt auf die Kirche, die vom Kirchenbau symbolisch repräsentiert wird und der die Menschen aller Stände angehören, beginnend mit den Königen und Bischöfen bis hin zu den Armen und Bettlern, deren Hässlichkeit sowohl ihre Sündhaftigkeit als auch ihren niederen gesellschaftlichen 24 Etwa im Falle der Skulpturen an der Westfassade der Kathedrale von Reims, wo die Konsolfiguren, wie ich meine, eine wichtige Rolle im ikonografischen Programm spielten. So bezeichnet der Verfasser der ersten großen Monografie der Kathedrale von Reims, Cerf 1861, die meisten von ihnen als Dämonen. Zu einer neuen Deutung: Kurmann/ Kurmann-Schwarz 2010, 178–179, 191–194. 25 Als Beispiel unter vielen sei das Heiligenportal am südlichen Querhausarm der Kathe drale von Chartres erwähnt: Sauerländer 1970, 116. 26 Kurmann/Kurmann-Schwarz 2010, 193. 27 Als Beispiel unter vielen sei auf die Kathedrale von Salisbury verwiesen: Brown 1999, 175–178.
Könige unter Heiligen
Abb. 17 Wien, St. Stephan, Südchor, Prophet, Konsole A12.
Abb. 18 Wien, St. Stephan, Südchor, Prophet, Konsole A11.
Abb. 19: Wien, St. Stephan, Südchor, Prophet, Konsole A10.
Status andeutet. Könige hingegen sind fast immer von einer idealtypischen Schönheit, was ihrer hohen Stellung an der Spitze der sozialen Pyramide sowie ihrer (von der Kirche wenigstens postulierten) moralischen Integrität entspricht. Die Darstellung von Königen am Kirchenbau hatte im ersten Viertel des 14. Jahrhunderts bereits eine Tradition. Besonders spektakulär waren die ab 1220 verbreiteten Königsgalerien an den Fassaden französischer, englischer und spanischer Kathedralen.28 Sie können, wie die Forschung längst erkannt hat, sowohl als alttestamentliche Könige als auch als solche der einheimischen Dynastien interpretiert werden. Die doppelte Interpretation beruhte auf der im Rahmen der Krönungszeremonie vorgenommenen Salbung, wodurch die einheimischen Monarchen den gesalbten alttestamentlichen Königen gleichgestellt wurden. Entscheidend ist aber auch die Rolle des Monarchen als Garant des Friedens, der es der Kirche erlaubte, ihre heilsbringende Mission zu erfüllen. Das deutsche Königtum konnte sich überdies auf die Tradition Karls des Grossen berufen, die ihre Heimstätte auf Reichsgebiet in Aachen hatte, wo denn auch seit Otto I. meistens die Königskrönungen stattfanden.29 Wie in Frankreich wurde auch im Reich die „Klerikalisierung“ des Königtums betrieben, und das ganz besonders von den Kölner Erzbischöfen. Papst Leo IX. hatte bereits 1052 bestätigt, dass nur der Kölner Metropolit in seiner Erzdiözese Königskrönungen vornehmen durfte.30 Da Aachen zu Lüttich, Suffragan des K ölner Erzsitzes, gehörte, beanspruchte damit der Kölner Metropolit das Monopol für die Königskrönung nach dem Muster, das in Frankreich Reims geliefert hatte. Erzbischof Konrad von Hochstaden (im Amt 1238–1261) ging noch weiter und behauptete, nicht die Wahl des Kandidaten, sondern nur dessen in Aachen vollzogene Krönung begründe die Herrschaft eines deutschen Königs. Den Gipfel dieser Köl28 von Hohenzollern 1965; Lautier 2011, 41–64. 29 Kramp 2000, 2–18. 30 Militzer 2000, 105–111, bes. 106.
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Abb. 20: Wien, St. Stephan, Nordchor, Gesamtansicht, Pfeiler C10 Nord.
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ner Krönungstheorie31 erklomm aber Erzbischof Heinrich von Virneburg (im Amt 1304–1332), der nach der Doppelwahl von 1314, anlässlich derer er sich für den Habsburger Friedrich den Schönen eingesetzt hatte, den Gegenkandidaten Ludwig den Bayer und dessen Wähler nach Köln einberief, damit sie ihre Position rechtfertigten.32 Auf diese Weise setzte sich der Kölner Erzbischof als Richter über den König und beanspruchte letztlich die Stelle des Papstes. Es dürfte kein Zufall sein, dass in die Amtszeit dieses Erzbischofs die Entstehung der umfangreichsten Königsgalerie fiel, die im Hl. Römischen Reich verwirklicht wurde. Sie besteht nicht aus Stein, sondern aus Glas und findet sich in den Hochschifffenstern des Kölner Doms.33 Hier zieht sich auf der ganzen Länge des Chors ein Zyklus von 48 Königsfiguren hin, der im Achsfenster direkt über dem goldenen Schrein mit den Reliquien der Heiligen Drei Könige in der Anbetung des Jesuskindes mündet.34 Die Glasmalereien dieses Fensters wurden von Erzbischof Heinrich von Virneburg gestiftet, dessen Wappen im Couronnement aufleuchtet.35 Auch die Kölner Königsgalerie hat eine doppelte Bedeutung. Schreitet man sie von Westen nach Osten in Richtung Achsfenster ab, so handelt es sich um die alttestamentlichen Vorläufer Christi, die auf die erste Epiphanie des Messias hinführen. Verfolgt man sie in der Gegenrichtung, indem man sich vom Achsfenster entfernt, so handelt es sich um christliche Könige, deren Herrschaft von der Menschwerdung des Erlösers ihren Ausgang nimmt. Was hat das alles mit den Königen an den Konsolen des Wiener Stephansdoms zu tun? Sehr wenig, wenn man nur die materielle Beschaffenheit der miteinander vergleichbaren Kunstwerke berücksichtigt, sehr viel, wenn man das historische Umfeld in Rechnung stellt, in dem sie entstanden sind. Die Nichte des Kölner Erzbischofs, der die Wahl Friedrich des Schönen zum römischen König betrieben und ihn am 25. November 1314 im Bonner Münster (weil Aachen seine Tore geschlossen hatte) gesalbt und gekrönt hatte, Elisabeth von Virneburg, wurde kurz vorher mit Heinrich „dem Freundlichen“, dem Zwillingsbruder Herzog Albrecht II. vermählt. Damit war die Stimme des Kölner Kurfürsten für den Habsburger Kandidaten garantiert.36 Es ist sehr wohl vorstellbar, dass man in Wien Kenntnis von der Kölner Krönungstheorie hatte. Sie braucht nicht unbedingt über die Nichte Heinrichs von Virneburg oder über ihre Entourage vermittelt worden zu sein, aber auch das ist denkbar. Möglicherweise war dem Entwerfer des Figurenprogramms des neuen Chors von St. Stephan sogar die gläserne Königsgalerie des Kölner Doms bekannt.37 Auf alle Fälle aber war ihm bewusst, dass nach klerikaler Auffassung der König als Stütze der Kirche und als Garant des Friedens nicht nur im weltlichen Herrschaftsbereich, sondern auch für die Heilsgeschichte eine bedeutende Rolle zu spielen hatte. Der für das Bildprogramm Verantwortliche mag es im Hinblick auf den Legitimationszwang, unter dem Friedrich der Schöne stand, für sinnvoll gehalten 31 32 33 34 35 36 37
Erkens 1987, 45–52. Becher/Wolter-von dem Knesebeck 2017; Militzer 2000, 108–110; Erkens 1987, 68–72. Rode 1974, 96–140. Zum Dreikönigenschrein und zur Wallfahrt nach Köln: Lauer 2006. Kurmann 2017, 209–228. Hamann (Hg.) 2001, 83–84. Zur immer noch strittigen Datierung der Glasmalereien im Obergaden des Kölner Domchors zuletzt: Burger 2018, 171, bes. Anm. 568.
Könige unter Heiligen
haben, die Rolle des Königs als Träger der Kirche den Gläubigen anschaulich zu vergegenwärtigen, indem er einen großen Teil der Standbilder im neuen Chor der Pfarrkirche auf Konsolen mit gekrönten Figuren setzte. Es ist kein Zufall, dass sich die meisten dieser Könige im liturgisch wichtigsten Teil des Chors, in der mittleren Apsis, der Zone des Hochaltars, befinden. Vor lauter Königen bot das Programm anderen Protagonisten der Heilsgeschichte nur noch wenige Plätze: Das Mönchtum ist mit nur einer Figur vertreten, während immerhin sieben Propheten an die Voraussetzung der christlichen Heilsgeschichte im Alten Testament erinnern. Die Frage, wer der Auftraggeber für die Skulpturen im Hallenchor und damit für die Könige gewesen ist – der Herzog beziehungsweise der König oder die Stadt – wird man wohl nie beantworten können. Geht man die Quellen für die Zeit vor Rudolf dem Stifter durch, so sind die für St. Stephan überlieferten Zuwendungen seitens des Herzogshauses oder des Königs sehr gering. Im großen Vermächtnis von 1327, mit dem Friedrich der Schöne in breiter Streuung unzählige kirchliche Institutionen seines gesamten Herrschaftsgebiets mit Stiftungen bedachte, kommt St. Stephan zu Wien überhaupt nicht vor.38 Aber bedurfte es einer Stiftung oder sonst einer Intervention seitens des Königs, um die bürgerlichen Bauherren an die hervorragende Rolle des Königtums als Stütze der Kirche zu erinnern, wenn es darum ging, ein Figurenprogramm für die neue städtische Pfarrkirche zu entwerfen? Stellt die Vielzahl von Königen an den Konsolen des Wiener Hallenchors eine Huldigung an das Königtum schlechthin dar, dessen einzig legitimer Vertreter in den Augen des Wiener Bürgertums doch wohl der Habsburger Friedrich der Schöne war?
38 Proetel 2000, 59–95.
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Die Wiener Fürstenportale Beobachtungen zur Baukonstruktion und zum Bauablauf
Die beiden Fürstenportale des Wiener Stephansdoms gehören zweifellos zu den herausragenden Werken der reifen Gotik des 14. Jahrhunderts (Abb. 1 und 2). Die hohe Qualität ihrer architektonischen Gestaltung und Skulptur, aber auch der bautechnischen Ausführung erschließt sich unmittelbar in der Anschauung vor Ort und ist Thema zahlreicher Publikationen.1 Im Rahmen der Tagung „St. Stephan in Wien. Die Herzogswerkstatt“, wurden die ambitionierten Planungen zur Neugestaltung des Wiener Stephansdomes durch Herzog Rudolf IV. thematisiert. In diesem Zusammenhang kam der Frage, ob die beiden prächtigen Portale des westlichsten Langhausjoches im unmittelbaren Kontext mit dem neuen architektonischen Programm standen, besondere Bedeutung zu. Da die Skulptur an beiden Portalen zweifellos auf Herzog Rudolf verweist, liegt es nahe, auch für die Architektur einen frühen Entstehungszeitpunkt nach seinem Regierungsantritt 1358 und vor seinem Tod 1365 anzunehmen.2 Die ältere Literatur geht weitgehend von einer solchen frühen Planung und Herstellung der Skulptur und Architekturteile der Fürstenportale aus. Da man aber ebenso allgemein annahm, die heutigen Langhauswände seien erst nach dem Abriss des älteren Langhauses 1422 bis 1430 entstanden, ergab sich die Schwierigkeit, dass die unteren Bereiche der Seitenschiffwände über einen längeren Zeitraum unvollendet geblieben wären und die feinteiligen und sicherlich empfindlichen Portal-Torsi scheinbar ohne Funktion dicht vor den Außenwänden des noch erhaltenen älteren Bauwerkes gestanden hätten. Als Lösungsvorschlag hat Johann Josef Böker 2007 einen ursprünglichen Versatz der Portale als östliche Außenzugänge an den nördlich und südlich neben der Westturmfassade gelegenen doppelstöckigen M emorialkapellen rekonstruiert.3 Er würdigt die Portale als Teil des Rudolfinischen Memorialkonzeptes, nimmt aber an, dass sie ihren heutigen Platz erst unter Kaiser Friedrich III. im 15. Jahrhundert erhielten, als das Langhaus ausgebaut wurde. Für den Anschluss der neuen Seitenschiffe an die Westkapellen habe man die beiden Portale an ihrem Ursprungsort abgebaut und innerhalb der nun erst entstehenden jüngeren Lang1
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Die „Geschichte und Beschreibung des St. Stephansdomes in Wien“ von Hans Tietze 1931 beinhaltet bereits auch die ausführliche Betrachtung der Architektur der Fürstenportale und die Einordnung der Bauformen. Eine umfassende kunsthistorische Analyse und Würdigung der Skulptur der beiden Portale legte 1965 Antje Kosegarten vor. Der Begriff der „Herzogswerkstatt“ und mithin der enge Zusammenhang der Planungen und Baumaßnahmen aus der Mitte des 14. Jahrhunderts wurde von Gerhard Schmid 1977/1978 etabliert. Vgl. besonders Tietze 1931, und Kosegarten 1965. Vgl. auch den grundlegenden Beitrag zu den Planungen und Baumaßnahmen unter Rudolf IV. von Barbara Schedl in diesem Band. Böker 2007, 72, rekonstruierter Grundriss Abb. 28.
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Stefan Breitling
Abb. 1: Wien, St. Stephan, Bischofstor.
hauswände um 90 Grad (alt) gedreht wieder aufgebaut.4 Diese These wird durch die jüngeren Forschungen in Frage gestellt.5 Als Grundlage für die weitere Betrachtung der baugeschichtlichen Zusammenhänge ebenso wie für die vertiefenden Architekturanalysen zu den beiden Portalen in diesem Band6 soll im Folgenden anhand des Baubestandes das räumlich-kon4 5
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Böker 2007, 197–206. Vgl. die Beiträge von Norbert Nußbaum und besonders von Barbara Schedl in diesem Band. Barbara Schedl hat die schriftlichen Quellen neu bearbeitet und ist basierend auf den Weihedaten der Altäre zu einer schlüssigen neuen Rekonstruktion der Baugeschichte des Stephansdoms gelangt. Schedl 2018. Vgl. die Beiträge von Katharina Arnold, Stephan Albrecht und Ruth Tenschert in diesem Band.
Die Wiener Fürstenportale
Abb. 2: Wien, St. Stephan, Singertor.
struktive Verhältnis der beiden Portale zu ihrem baulichen Umfeld beschrieben und daraus die relative Chronologie der einzelnen Elemente bestimmt werden.7 Untersucht werden soll auch, inwieweit der heutige Bestand Hinweise auf einen Erst- und Zweitversatz enthält, wie ihn Böker annimmt, und wie das Verhältnis von vorgefundenem Zustand zu den erhaltenen mittelalterlichen Planrissen ist. Die Beobachtungen basieren auf einer einwöchigen, im Oktober 2015 durch das
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Dies ist nicht die erste Beobachtung der baulichen Zusammenhänge an den Fürstenportalen. Erneut sei auf Tietze 1931, verwiesen. Manfred Koller und Hans Nimmrichter vom Bundesdenkmalamt haben 2001 für das Singertor eine ausführliche Bestands untersuchung in Zusammenarbeit mit der Wiener Dombauhütte durchgeführt. Koller/ Nimmrichter 2004, 287–293.
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Stefan Breitling
vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt „Mittelalterliche Portale als Orte der Transformation“ mit Angehörigen der Otto-Friedrich-Universität Bamberg durchgeführten Kampagne vor Ort.8 Um die Frage zu lösen, inwieweit die Architektur des südlich im westlichsten Joch des Langhauses vom Stephansplatz aus in den Dom führenden Singertors und des nördlich gegenüberliegenden Bischofstors eigenständige Konstruktionen darstellen und inwieweit sie mit den benachbarten Gebäudeteilen, den Seitenschiffwänden, den inneren profilierten Pfeilervorlagen und den äußeren Strebebögen sowie mit den Fensterkonstruktionen darüber im baulichen Zusammenhang stehen, wurden die Mauerwerksverbände mithilfe von Kartierungen typischer Charakteristika auf der Grundlage der Plansätze der Bildmessung GmbH von 1993 und der durch das BMBF-Projekt in Zusammenarbeit mit der Dombauhütte 2015 erstellten Scans und Umzeichnungen des Steinschnitts analysiert.9
1. Die Baubefunde 1.1 Lage und Disposition Die breiten Langhausjoche der Seitenschiffe des Stephansdoms werden durch reich profilierte Pfeiler mit außenliegenden, 3,40 m mal 1,30 m messenden Strebepfeilern unterteilt (Abb. 3). Die Joche werden an der Außenseite der Seitenschiffe jeweils mittig durch einen weiteren, kleineren Nebenpfeiler in zwei Teile geteilt, sodass 4,95 m lange Teiljoche entstehen, die Fenster in rhythmischer Kopplung durchlaufen und die Netzgewölbe in den Seitenschiffen auf der Seite der Arkaden zwei, auf der Außenseite aber drei Gurtbögen besitzen. Die mit ca. 0,75 m recht dünnen Außenwände setzen innen direkt an der Längsachse der Pfeiler an und reichen außen bis zum Fuß des Mitteldienstes. Die beiden Fürstenportale nehmen jeweils die östliche Hälfte des westlichsten Langhausjoches ein. Auf der Ostseite sind sie neben die Hauptpfeiler gerückt, auf der Westseite schließen sie an die Nebenpfeiler an. Die für ein Trichterportal notwendige Tiefe erlangen sie dadurch, dass sie außen um ein gutes Stück vor die Seitenschiffwand vorkragen und innen mit einem eigenen Gewände in etwa so weit in das Seitenschiff reichen, wie die äußersten Profile der Nebenpfeiler.10 Beide Portale 8
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Die Kampagne erfolgte auf freundliche Einladung der Dombauhütte Wien. Teilnehmer waren: Prof. Dr. Stephan Albrecht (Leitung), Prof. Dr.-Ing. Stefan Breitling, Prof. Dr.Ing. Rainer Drewello, Michael Hauck, PD Dr. Thomas Flum, Tobias Apfel M. A., Katharina Arnold M. A., (zugl. Dissertationsprojekt zu den Fürstenportalen, vgl. ihre Beiträge in diesem Band), Dipl.-Ing. Angel Menargues M. A., Magdalena Tebel M. A., Ruth Tenschert M. A., Ulla Hansen B. A., Anne Regenfus B. A. und Leander Pallas. Für das Interesse für unsere Arbeit, die vielfältige Unterstützung, die Öffnung des Domes über Nacht, die Errichtung von Gerüsten, Einladungen, Sonderführungen und anregenden Gesprächen danken wir dem Landeskonservator, den Restauratoren, den Mitarbeitern der Dombauhütte und Dombaumeister Wolfgang Zehetner. Besonderer Dank gilt Franz Zehetner und Barbara Schedl, die uns während der Woche praktisch rund um die Uhr mit Rat und Diskussionsfreude zur Seite standen. 9 Scan: Ruth Tenschert, Fugenplan und Kartierung: Katharina Arnold. Vgl. Abb. 5 und Abb. 6 in diesem Beitrag. 10 Die polygonalen Vorhallen, die heute vor dem Singertor und dem Bischofstor stehen, sind dort nachträglich angebaut worden.
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sind hinsichtlich ihrer Architekturelemente und Abmessungen so ähnlich, dass die Beschreibungen des einen auch für das andere zutreffen.11 Auf beiden Seiten werden die Profilfolgen der Haupt- und Nebenpfeiler durch den Portalkasten abgeschnitten. Die Mittelachsen der Portale sind gegenüber denjenigen der Halbjoche um ca. 0,69 m zum Nebenpfeiler hin verschoben, um den Hauptpfeilern ihren Raum zu lassen. Die Portalrahmung ist vom Hauptpfeiler ein Stück abgerückt und reicht auf der Westseite bis zur Mittelachse des Nebenpfeilers (Abb. 4). Die Anlage der Portale reagiert auch dadurch auf die beengte Situation, dass der Öffnungswinkel der Gewände mit 82 Grad (alt) nicht dem weit verbreiteten Standard von 90 Grad (alt) entspricht. Die Überlagerung des Erdgeschoss-Grundrisses des Singerportals, der Portalgewände und Pfeilerprofile (rot in der Abb. 4) mit demjenigen der darüberliegenden Fensterebene (schwarz in der Abb. 4)12 zeigt, dass die Profillinie des Portalgewändes auf der Ostseite vor die Hauptpfeiler gesetzt ist, auf der Westseite aber den Nebenpfeiler schneidet. Das bedeutet, dass der Nebenpfeiler, der auf Fensterhöhe voll vierseitig ausgebildet ist, nicht nur zum Teil auf dem Portalgewände steht, sondern 11 Zum Vergleich der beiden Portalarchitekturen vgl. die Beiträge von Stephan Albrecht und Katharina Arnold in diesem Band. 12 Die Plangrundlage im Maßstab 1:50 durch Bildmessung GmbH 1993 wurde von der Dombauhütte freundlich zur Verfügung gestellt.
Abb. 3: Wien, St. Stephan, Grundriss mit Lage der Langhausportale, Bischofstor (rot), Singertor (grün).
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Abb. 4: Wien, St. Stephan, Singertor mit anschließenden Pfeilern. Überlagerung des Grundrisses Erdgeschoss (rot) mit demjenigen auf Fensterhöhe (schwarz) mit Eintragung der Hauptachsen.
noch darüber ausgreift und auf die Verfüllung der Archivoltenzone und mithin auf den Portalkasten ablastet. Die Fensterebene liegt direkt auf der Innenkante der Seitenschiffwand und damit über dem inneren Archivoltenbogen des Portals. Ihre Sohlbänke kragen innen mit einem Gesims aus. Auch die Achse des mittleren, etwas größer dimensionierten Fensterstabes und damit die Mittelachse des Fensters insgesamt ist aus der Mittelachse des Halbjoches verschoben und reagiert damit auf die unterschiedliche Dicke der Haupt- und Nebenpfeiler.
1.2 Beobachtungen zu den Mauerwerksverbänden innen
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Die Innenflächen der Außenwände des Wiener Stephansdoms zeigen einen weitgehend original erhaltenen Steinbestand des Mauerwerks, der nur durch Altarund Epitaphien-Einbauten gestört erscheint (Abb. 5 und Abb. 6). In den beiden Grafiken sind über dem Scan das Fugenbild nachgezogen und diejenigen Blöcke der Haupt- und Nebenpfeiler rot markiert, die zugleich Teil eines zweiten Bauelements sind. In diesen unteren Regionen, zu denen auch die Portale gehören, gibt es nur wenige einzelne Steinaustauschmaßnahmen des 19. und kaum Wiederherstellungen nach den Kriegszerstörungen aus dem 20. Jahrhundert. Dadurch, dass die Oberflächen weitgehend von Putzen und Farbfassungen befreit und gereinigt wurden, lassen sich die Charakteristika der Mauerwerksverbände des späten Mittelalters gut bestimmen. Wenig überraschend sind alle besonderen Elemente wie die Portalgewände und die Pfeiler weitgehend unabhängig vom Fugenplan des umliegenden Mauerwerks als eigene Sets vor der Aufmauerung produziert worden. Die Hauptpfeiler sind entsprechend ihrer konstruktiven Bedeutung besonders sorgfältig gearbeitet, wie auf der Abbildung 5 links und der Abbildung 6 rechts vom Portal zu sehen ist. Ihre Lagen werden von sehr großen Blöcken gebildet, die parallel zur jeweiligen in 45 Grad (alt) zu den Längs- und Querachsen angeordneten Grundlinie der aus großen Rundstäben und kleineren Birnstäben zusammengesetzten Profile versetzt und zweifellos mit spitzen Winkelschnitten ihrer Stoßflächen aneinander angesetzt
Die Wiener Fürstenportale
Abb. 5: Wien, St. Stephan, westlichstes Langhausjoch, Südseite innen mit Singertor, Wandabwicklung mit Fugenplan. Rote Markierung: gemeinsame Blöcke Singertor/Pfeiler bzw. Pfeiler/Wand.
Abb. 6: Wien, St. Stephan, westlichstes Langhausjoch, Nordseite innen mit Bischofstor, Wandabwicklung mit Fugenplan. Rote Markierung: gemeinsame Blöcke Bischofstor/Pfeiler bzw. Pfeiler/Wand.
sind. Die Steinhöhen sind im unteren Teil weitgehend ähnlich. Auf etwa 3,50 m Höhe und noch einmal direkt unterhalb der Fenstersohlbänke, im Süden auch hinter den Pfeilerfiguren, laufen Ausgleichsschichten durch die Pfeilerprofile. Vor allem die durchlaufende Nivellierung der Sohlbankhöhen über die Pfeiler hinweg belegt, dass für die Hauptpfeiler zwar eigene Sätze von Steinblöcken fabriziert wurden, diese aber im engen Zusammenhang mit den umgebenden Bauteilen versetzt und nicht etwa bis in große Höhe unabhängig gestapelt wurden. Dies belegt auch der Anschluss an die jeweils östlichen Seitenschiffwände, die im Sockel eine Verzahnung zeigen, darüber zwei Lagen mit durchlaufender Fuge zur Außenwand und darüber wieder Blöcke, die in die Seitenschiffwand eingreifen. In den Wänden sind für das Lager dieser Steine ausgleichende Flickungen und für den Mauerwerksanschluss die jeweiligen Passstücke zu sehen. Offensichtlich wurden also zunächst über dem durchlaufenden Sockel einige Steinlagen der Pfeiler aufgesetzt,
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Abb. 7: Wien, St. Stephan, Wandfläche über dem Bischofstor.
anschließend die Seitenschiffwände mit einem diverseren und weniger wertvollen Steinmaterial bis auf die entsprechende Höhe gebracht und schließlich wieder drei bis vier Lagen des Pfeilers aufgemauert. Auf der Nordseite ist im mittleren Wandbereich der typische treppenartige Aufbau solch einer Verzahnung zu sehen, der sicherstellen soll, dass die Fugen zweier Pfeilerlagen nie übereinanderliegen. Diese Bautechnik mit der Herstellung unterschiedlicher „Sätze“ für Pfeiler und Wand, einem gewissen Vorsprung beim Aufmauern der Pfeiler und dem folgenden Anschluss von zwei bis drei Lagen Mauerwerk in unterschiedlicher Versatzrichtung ist an allen Langhauswänden zu beobachten und verweist auf eine Ausdifferenzierung der Arbeitslose. Sie findet sich analog auch bei den Nebenpfeilern. In der Fensterzone bilden die Pfeilerblöcke zugleich die Gewände und einige gewaltige Blöcke binden durch die halbe Profilfolge durch. Während zwischen Hauptpfeilern und Portalrahmungen eine durchlaufende Fuge besteht, binden in dem Wandfeld darüber, das die außen davor liegenden Archivoltenbögen verdeckt, wieder einige Profilblöcke der Haupt- und Nebenpfeiler ein, und auch hier wird im Mauerwerk mit Ausgleichsflicken und Sonderformaten darauf reagiert (Abb. 7). Das Mauerwerk der „Supraporten“, die den oberen Teil der Portalkästen bilden, ist also wie die Seitenschiffwände im Wechsel den Pfeilern folgend entstanden. Auf halber Höhe der doppelten Entlastungsbögen in diesen Wandfeldern sind Blöcke der Nebenpfeiler abgeschrägt aufgesetzt worden, was zweifellos bedeutet, dass – als die Portalbögen oben geschlossen wurden – die benachbarten Pfeiler erst bis etwa zur Hüfthöhe der Pfeilerfiguren aufgeführt waren. Nach einer Verzahnung mit den Pfeilern wurden die Zwickel links und rechts der Entlastungsbögen unabhängig voneinander geschlossen. Am Nordportal wurde die Ausgleichsschicht für die präzise Positionierung der Baldachine der Pfeilerfiguren durch das Mauerwerk des Portalkastens geführt. 108
Die Wiener Fürstenportale
1.3 Die Anschlüsse der Portalrahmung an Haupt- und Nebenpfeiler Zwischen dem jeweils östlichen Rahmen der Portale zu den Hauptpfeilern gibt es eine auffallende lange vertikale Fuge bis zur Kämpferhöhe (Abb. 8 und Abb. 9). Deutlich sind die beiden Konstruktionseinheiten, Portalrahmung und Pfeiler, hier getrennt voneinander produziert und aufgerichtet worden, und man könnte auf die Idee kommen, es handele sich um einen Beleg für einen nachträglichen Anschluss des Portals an einen bereits bestehenden Pfeiler.
Abb. 8: Wien, St. Stephan, Singertor, Anschluss der Portalrahmung östlich an den Hauptpfeiler innen. Abb. 9: Wien, St. Stephan, Bischofstor, Anschluss der Portalrahmung östlich an den Hauptpfeiler innen.
Bei näherer Betrachtung stellt man fest, dass es sich bei dem Mauerwerk des schmalen Wandstücks zwischen Portalrahmen und Pfeilerprofilen nicht um Flickstücke oder um eine Verzahnung von der Seite des Rahmens aus gegen ein zugesetztes Pfeilerprofil handelt, wie man es im Falle eines nachträglichen Anschlusses des Portals erwarten müsste, sondern dass es durch Blöcke gebildet wird, die zum Pfeiler gehören, zum Teil tief in ihn einbinden und aus den gleichen Gesteinssorten bestehen. Die einlaufende Fuge liegt also nicht am Hauptpfeiler, sondern am Portalrahmen. Dass es sich auch nicht um einen ehemaligen Anschluss des Pfeilers an die Außenwand handelt, die durch das Portal nachträglich durchbrochen worden wäre, kann man im Grundriss erkennen (Abb. 4): Die Wandflucht des Zwischenstücks liegt weit innerhalb der Flucht der Außenwände und entspricht genau dem Türanschlag des Portals. Bei der Herstellung der Blöcke für die beiden östlichen Hauptpfeiler des westlichsten Langhausjoches war mindestens die Planung des Portalkastens in seiner heutigen Form bekannt. Die zum Teil breiten Mörtelfugen im Mauerwerk des Zwischenstücks können entweder bedeuten, dass für die Errichtung des Portalrahmens mit seiner vollständig glatten Außenkante das bereits bestehende Mauerwerk des Pfeilers mit einer vorgesehenen Verzahnung glatt abgearbeitet wurde oder dass die Profilblöcke des Pfeilers am ersten Rundstab ausgerichtet und gegen den schon bestehenden Portalrahmen angeschoben wurden. Die Blockenden hätten dann nicht zentimetergenau gepasst und die Lücken wären mit Mörtel geschlossen worden. Im Falle einer Öffnung des Mauerwerks müsste
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Abb. 10: Wien, St. Stephan, Singertor, Anschluss der Portalrahmung westlich an den Nebenpfeiler innen.
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die Anschlussrichtung des Mörtels zu klären sein. Da die Pfeiler aber, wie oben dargestellt wurde, über der Fensterbrüstung wieder mit dem Portalkasten verzahnt sind, handelt es sich um eine untergeordnete Frage des Bauablaufs. Auch wenn es möglich ist, dass die Hauptpfeiler bereits bis zur Sohlbankhöhe standen, bevor die Portale eingebaut wurden, so wurde doch auf jeden Fall bei der Errichtung der Pfeiler auf die Planung oder den Bestand der Portalkästen Rücksicht genommen. Die Türrahmen sind auf ihren Ostseiten selbstständige, allerdings mit den Portalgewänden eng verzahnte Bauteile von großer Präzision. Sichtbare Blöcke des Pfeilers wie des Türgewändes sind völlig regelgerecht versetzt ohne Flickstücke oder auffällige Anpassungen. Der planerische und bauliche Zusammenhang mit den Hauptpfeilern ist offensichtlich. Womöglich noch enger ist der bauliche Zusammenhang der inneren Portalgewände mit den Nebenpfeilern (Abb. 10). Die Fugenhöhen der westlichen Portalgewände laufen in den zugehörigen Nebenpfeilern durch. Nur an einer einzigen Stelle auf Mitte des südlichen Gewändes weist dieses zwei etwas höhere Blöcke auf, sodass der darübergreifende Block des Pfeilers ausgeklinkt werden musste – auch dies ein Beleg für die gemeinsame Errichtung. Mehrere Blöcke sind innen mit dem feinen Profil des Portalrahmens versehen und bilden außen zugleich die übergeordneten Rund- und Birnstabprofile des Nebenpfeilers aus. Die Fürstenportale und die westlich anschließenden Nebenpfeiler der Seitenschiff-Außenwände bilden ein Mauerwerk und einen Bauzusammenhang. Bei der geringen Dimension der Nebenpfeiler insgesamt bedeutet dies, dass Portalrahmen und Nebenpfeiler gemeinsam und als eine Konstruktion errichtet wurden. Die weiter westlich liegende Anschlussfuge zum Mauerwerk der Wände der westlichen Teiljoche der Seitenschiffe ist wieder, wie oben beschrieben, im Wechsel verzahnt und abgetreppt. Alle notwendigen Flickstücke liegen im Wandabschnitt, und dieser ist sicherlich erst dem Gewände-Nebenpfeiler-Bauwerk nachgeordnet in Abschnitten hochgezogen worden. Da die äußeren und inneren Gewände der Portale im Verbund gemauert sind, gelten die Beobachtungen im Inneren auch für die gesamte Portalarchitektur.13 Dennoch seien hier der Vollständigkeit halber auch die äußeren Anschlusssituationen überprüft, die allerdings zum Teil durch die späteren Vorhallen und den Einbau des Domshops in der nördlichen Vorhalle verdeckt werden. Die nachträglich angefügten Vorhallen nehmen die Achse der Portale auf und schließen entsprechend unregelmäßig an den Nebenpfeiler bzw. die Vorderkanten der Portalkästen an. Am westlichen äußeren Ende des Singertors ist noch der ursprüngliche rechtwinklige Anschluss des Portalkastens an die südliche Seitenschiffwand erhalten geblieben (Abb. 11). Seine ursprüngliche Vorderseite, die mit einem Rundstab endete, wurde beim Vorhallenbau abgeschlagen, um das Profil des nordwestlichen Pfeilers der Vorhalle anzuschließen. Wie zu erkennen ist, steht er mit der Außenwand sauber im Verband. Die ausgebrochene Westwand des Portalkastens des Südportals steht im Verband mit der westlich anschließenden Seitenschiffwand. Besser zugänglich ist der entsprechende Befund am Bischofstor (Abb. 12). Der äußere Rundstab, über dem eine weitere Standfigur untergebracht ist, ist hier erhalten, da die Vorhalle des 16. Jahrhunderts außen an die Auskragung des Portalkastens angeschoben wurde. Auch hier ist zwischen Portal und Seitenschiffwand 13 Vgl. den Beitrag von Stephan Albrecht und Katharina Arnold in diesem Band.
Die Wiener Fürstenportale
Abb. 11: Wien, St. Stephan, Singertor, Anschluss des Portalkastens an die östlich folgende Seitenschiffwand außen. Rechts der erste Pfeiler der Vorhalle. Abb. 12: Wien, St. Stephan, Bischofstor, Anschluss des Portalkastens an die östlich folgende Seitenschiffwand außen. Links der erste Pfeiler der Vorhalle.
eine Ecke im Verband mit weitgehend gleichen Schichthöhen ausgebildet. Auch hier binden Steinblöcke aus dem gleichen Material links und rechts wechselseitig ein. Weiter westlich liegt mittig in der Außenwand des westlichen Halbjochs der Kolomanistein, eine wichtige Berührungsreliquie, die Herzog Rudolf IV. dort 1361 eingesetzt haben soll.14 Seine Einbindung ist durchaus schlüssig. Ein ursprünglich niedrigerer Versatz an derselben Stelle ist ausgeschlossen.15 Formate und Steinmaterial sowie Gerüstlochhöhen wechseln aber deutlich in der Mitte der Wand, sodass sein Versatz auch den Neubeginn der Baumaßnahmen für die Seitenschiffwand markieren könnte. Die unterste Steinlage (die Sockelprofilblöcke) laufen allerdings durch, was im Sinne der oben diskutierten Charakteristika der Mauertechnik eher auf mehrere Abschnitte desselben Bauzusammenhangs schließen lassen würde als auf eine echte Baufuge. Der Steinblock mit der Inschrift über dem Kolomanistein gehört eindeutig zum Mauerwerksverband der vom Bischofstor kommenden Seitenschiffwand und setzt auf das kleinteiligere Mauerwerk des westlichen, mit dem Kapellenpfeiler im Verbund stehenden Wandabschnitts auf. Das Fenstergewände darüber, das auf den dahinterliegenden Altar führt, ist mit breiten Fugen und Ausnehmungen an den umgebenden Blöcken eindeutig nachträglich eingesetzt worden. Die Ecke zwischen dem Halbjoch und dem anschließenden Außenpfeiler der nördlichen Kapelle steht wieder eng im Verband.
1.4 Der Anschluss der Gewändeprofile an die Strebepfeiler außen und Überlegungen zur Zuordnung der Profilfolgen Die wie eingeklemmt wirkende Lage der Fürstenportale zwischen Haupt- und Nebenpfeiler eines Halbjoches wird besonders an den östlich anschließenden Haupt14 Zur Diskussion um den Kolomanistein und seine Inschrift vgl. Neumann 1907, 469, der ihn für die Frühdatierung der Fürstenportale heranzieht, Böker 2007, 72, und den Beitrag von Barbara Schedl in diesem Band. 15 So die Annahme von Zykan 1967, 24.
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Abb. 13: Wien, St. Stephan, Singertor, Anschluss des Gewändeprofils an den Strebepfeiler außen.
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Abb. 14: Wien, St. Stephan, Singertor, Isometrie des östlichen Gewände profils mit Anschlüssen an den Hauptpfeiler.
pfeilern virulent (Abb. 13 und Abb. 14). Während an den Nebenpfeilern eigene gemeinsame Profilfolgen ausgebildet sind und außen auf eine Sichtbarkeit der Nebenpfeiler ganz verzichtet wird, stoßen die Profilfolgen am Hauptpfeiler so eng an, dass sie zum Teil in dessen Sockel verschwinden. Dennoch ist die Verzahnung zwischen den unterschiedlichen Höhen und Sockelprofilen raffiniert gemacht. So ist beispielsweise der große Runddienst, der links wie rechts den Portalkasten nach vorne abschließt und der mit Sockelkapitell, Figur und Baldachin auch das Skulpturenprogramm auf die Vorderfront zieht, auch am Hauptpfeiler vollständig ausgebildet. Die geometrische Verschneidung von Wulst, Kehle und schrägem Anlauf des Portalgewändes mit dem Karnies des Pfeilers ist präzise durchgeführt. Auffallend sind die gleichen Fugenhöhen im Sockel und zum Teil auch oberhalb, die es unwahrscheinlich machen, dass hier ein Gebäudeteil nachträglich an den anderen angeschlossen wurde. Sollte der Hauptpfeiler in diesem Bereich bereits bestanden haben, hätte man sich bei den Blöcken des Portals an den Fugenhöhen des Pfeilers orientiert, was wenig plausibel erscheint. Die gleichen Fugenhöhen machen auch die Annahme Bökers unwahrscheinlich, die Architekturteile des Portals könnten für einen anderen Zweck hergestellt worden sein. Anders als innen, wo man die Steine des Portalrahmens ebenso wie diejenigen des Hauptpfeilers gestapelt hat, sind außen Portal und Pfeilermauerwerk verzahnt. Ein Wechsel in den Fugenhöhen erfolgt erst wieder innerhalb des Strebepfeilers, was dem üblichen Vorgehen, die Pfeilerstirnen als eigenes Set aufzusetzen, entspricht. Ein gemeinsamer Bauzusammenhang ist also belegt. Dies wird auch durch die isometrische Darstellung des Gewändes des Singertors und seiner Anschlüsse deutlich, in der man erkennen kann, dass zwar die Profillinie des Portals weit außerhalb der virtuell ergänzten des Hauptpfeilers liegt, einige Blöcke des Gewändes aber bis in den Pfeilerkern reichen. Die Profilierungen der Portalgewände von Singertor und Bischofstor sind in ihrer Präzision, ihren Abfolgen von Rund- und Birnstäben und vielfältigen Keh-
Die Wiener Fürstenportale
Abb. 15: Wien, St. Stephan, Vergleich des Profils des west lichen Gewändes des Singertors mit dem eines Langhauspfeilers.
lungen und Vorlagen, den Brechungen der Grundlinie, den wechselnden Richtungen der Stabachsen und ihrer miniaturhaften Anpassung an die übergeordnete Funktion im räumlichen Zusammenhang sowie mit der Zickzacklinie ihrer Verschneidung mit dem Sockel und mit der Aufweitung und dynamischen Ondulierung spektakulär und sollen an anderer Stelle gewürdigt werden.16 Die Gegenüberstellung der Profillinie des linken Gewändes des Singertors mit dem Profil eines Langhauspfeilers macht deutlich, dass hier trotz der unterschiedlichen absoluten Größen und der unterschiedlichen Zweckbestimmungen sich Aufbau, Profilfolgen und Konstruktionsprinzipien doch erstaunlich ähneln (Abb. 15). Auf welche Bereiche des Langhauses sich diese Ähnlichkeit bezieht und ob sich zu anderen Gebäudeteilen des Wiener Stephansdoms klarere Abgrenzungen ziehen lassen, ist nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Festzuhalten bleibt, dass eine bloße Unterscheidung von Rund- und Birnstabprofilen als Merkmale verschiedener 16 Hier sei auf weitere Publikationen aus dem BMBF-Projekt und das Dissertationsvorhaben von Katharina Arnold zu den Fürstenportalen verwiesen.
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Abb. 17: Wien, St. Stephan, Riss des linken Portal gewändes des Singertors, Akademie der bildenden Künste (Inv. Nr. 17.037v).
Abb. 16: Wien, St. Stephan, Aufriss und Grundriss des Südwestjoches, Ausschnitt untere Zone mit Singertor, Akademie der bildenden Künste (Inv. Nr. 16.840).
Bauphasen nicht ausreichen, und dass die Profillinien von Langhaus-Hauptpfeilern und Gewänden der Fürstenportale mehr miteinander zu tun haben, als es vielleicht auf den ersten Blick scheinen mag.
2. Das Verhältnis von vorgefundenem Baubestand zu den erhaltenen mittelalterlichen Planrissen Für das Singertor und die umgebenden Langhauswände sind ein mittelalterlicher Aufriss und Grundriss erhalten, die den Zustand vor dem Anbau der Vorhallen zeigen, sowie die Zeichnung einer Profillinie, die den horizontalen Schnitt durch das linke Portalgewände wiedergibt (Abb. 16 und Abb. 17).17 Dieser für die Gotik-
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17 Akademie der bildenden Künste, Inv. Nr. 16.840_1 und 2: Planrisse mit Ansicht und Grundriss des Singertores und Entwürfen zu den Fenstern und Giebeln der Hochschiffwände; Akademie der bildenden Künste, Inv. Nr. 17.037v.: Profillinie des westlichen Portalgewändes des Singertors. Zur Entstehungszeit dieses Beitrags waren die Originale
Die Wiener Fürstenportale
forschung allgemein ausgesprochene Glücksfall erlaubt einen Vergleich mit dem heute vorgefundenen Zustand und einen Einblick in das spätmittelalterliche Planungswesen.18 Böker ordnet die Zeichnung den Langhausplanungen unter Kaiser Friedrich III. zu und sieht sie als Beleg für seine These, die Fürstenportale seien im Zuge der Umgestaltungen in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts an ihren heutigen Ort versetzt worden.19
2.1 Der Planriss 16.840 Die Ansicht zeigt das westliche Langhausjoch von der Eckfiale bis zum ersten Hauptpfeiler (Abb. 16). Die im darunter angeordneten Grundrissausschnitt dargestellten Profillinien der Haupt- und Nebenpfeiler sowie des rechten Portalgewändes entsprechen den heute vorhandenen Profilen. Auch ihre Lage und Dimensionierung sind mit denjenigen aus der modernen Vermessung identisch. Die Verschiebung der Portalachse in die Mitte des zweiten Fensterfeldes entspricht dem gebauten Zustand. Der Hauptpfeiler ist, wie in den Planrissen des späten Mittelalters allgemein üblich, mit mehreren Grundrissschnitten auf allen für seine Gesamtgestalt relevanten Ebenen dargestellt. Auffallend ist, dass der linke Teil des Portals im Grundriss nicht gezeichnet wurde. Auch in der Ansicht werden zwar die gliedernden Architekturelemente der Baldachine und des Baldachinfrieses des Tympanons gezeigt, die Skulptur aber ist ganz weggelassen, und nur auf der rechten Seite werden Details der dynamischen Krabben des Überfangbogens und der zum Hauptpfeiler vermittelnden Fiale gegeben. Um eine Planung für die Aufstellung des Portals an dieser Stelle kann es sich bei dem Grundriss schon allein deshalb nicht handeln, weil alle Angaben zum Sockel und zu den Achsbezügen fehlen. Auch das Verhältnis zu den darüberliegenden Bauteilen wird nicht etwa durch geometrische Konstruktionen bestimmt. Nur auf die Darstellung der Lage der rechten Profillinie des Portals in der Erdgeschoss ebene zur Profillinie des Hauptpfeilers in den Obergeschossen ist so viel Sorgfalt verwendet, dass man an eine Überprüfung des Verhältnisses dieser beiden Bauteile zueinander denken könnte. Allerdings ist auch der Hauptpfeiler und sein oberer Aufbau, der im Grundriss genau angegeben ist, in der Ansicht kaum angedeutet, sodass es unwahrscheinlich ist, dass der Riss eine Planung desselben mit beinhaltet. Insgesamt liegt der Schwerpunkt der Zeichnungen klar auf der Planung der Fenster und des Giebels, die mit ihren Maßwerken, Brüstungen, Fialen, Kreuzblumen und Krabben und mit dem Eckanschluss an die südliche Westkapelle detailliert ausgeführt sind. In der Ansicht wird auf der gegenüber den anderen Langhausfenstern höher ansetzenden Sohlbank des über dem Singertor gelegenen Fensters, die wegen des Portalkastens auch breiter ist, die Profilfolge des linken und rechten Fenstergewändes im Grundriss unverzerrt dargestellt. Beide Profile unterscheiden sich deutlich voneinander, obwohl doch die heute ausgeführten Fensterprofile gleich sind. wegen Umzug des Archivs (Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste) nicht zugänglich. Die hier geäußerten Betrachtungen erfolgten auf Grundlage hochauflösender Scans, die dem Verfasser freundlicherweise von der Wiener Dombauhütte zur Verfügung gestellt wurden. 18 Vgl. Arnold 2019. 19 Abbildung und Zuweisung bei Böker 2005, 351–352. Vgl. auch Böker 2007, 177–205.
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Beide Gewändeprofile gehen auch nur ungefähr auf die Folgen von Haupt- und Nebenpfeiler ein, wie sie im Grundriss dargestellt sind und dem Zustand im Inneren bis zur Brüstungshöhe der Fenster entsprechen.20 Es handelt sich also um zwei verschiedene Vorschläge zur Gestaltung der Gewändeprofile der Fenster, wobei eine Abänderung gegenüber den unteren Pfeilerprofilen beabsichtigt war. Der Grundriss enthält die Zeichnungen mehrerer Varianten für die Teilung der Fensterfläche durch die Stabwerke und vor allem für die Anordnung der Fensterverschlüsse in unterschiedlichen Ebenen. Gegenüber der ausgeführten Variante mit dem Stabwerk und den Fenstern auf der Längsachse der Pfeiler werden drei Vorschläge für die „Vorverlegung“ kurz vor und bis zur äußersten Begrenzungslinie der Pfeilerprofile gemacht. Die Grundrisse des Haupt- und Nebenpfeilers sowie des Strebepfeilers sind als Typengrundrisse vollständig gegeben, was nicht für ein „Bauaufmaß“, sondern für die Übernahme der grundlegenden Langhausplanung aus der Mitte des 14. Jahrhunderts spricht. Die Profillinien könnten möglicherweise von älteren Zeichnungen durchgestochen oder maßstäblich umgezeichnet worden sein. Die Art und Weise der Darstellung, ihre Inhalte und Schwerpunktsetzungen legen es nahe, dass es in dieser Zeichnung vor allem um den Entwurf der oberen Langhaus-Partien und deren Anpassung an einen bereits bestehenden unteren Teil des Langhauses handelt. Dies würde der These von einem frühen Beginn der westlichen Langhausbereiche entgegenkommen. Die vorgeschlagenen Varianten zur Veränderung der Profile der Fenstergewände und der Lage der Fenster gemäß diesem Planriss hätten gravierende Konsequenzen für die Weiterführung der Pfeiler nach oben gehabt.
2.2 Der Planriss 17.037v Der erhaltene Riss der Profillinie des linken Portalgewändes des Singertors ist ganz ohne Frage eine maßstäbliche Konstruktionszeichnung, die für die Ausführung bestimmt gewesen sein wird (Abb. 17). Über die Konstruktionslinien und die Vorzeichnung mit dem Stift ist eine Reinzeichnung in Tusche ausgezogen, die die endgültige Form bestimmt.21 Sicherlich war die Zeichnung zur Aufbewahrung angelegt, und sie könnte später wiederverwendet worden sein, z. B. zur Anlage des Planrisses 16.840 (siehe oben). Es wäre nun sehr wünschenswert, wenn dieses Blatt innerhalb der langen Baugeschichte des Stephansdoms und der Arbeit der Bauhütte genau zugeordnet werden könnte, denn mit hoher Wahrscheinlichkeit datiert die Zeichnung auf dem Blatt den Grundentwurf der Fürstenportale. Um eine spätere Bauaufnahme jedenfalls kann es sich rein zeichentechnisch nicht handeln, da es keine Angaben zur Abnahme von Maßen oder Winkeln gibt.22
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20 Leider wurde für diesen Beitrag die heute vorhandene Profillinie der Fenstergewände und der Pfeiler oberhalb der Brüstungshöhe der Fenster nicht vor Ort überprüft. 21 Vgl. die ausführliche Analyse und Auseinandersetzung mit diesem Riss durch Katharina Arnold im Rahmen ihres Vortrags auf der Abschlusstagung des BMBF-Projektes 2018 in Bamberg; Arnold, 2019, 58–69. 22 Der Datierungsvorschlag von Böker 2007, 197–199 wird hier nicht aufgegriffen. Leider gibt Böker keinen Einblick in seine Methodik der Händescheidung, der Zuweisung und Datierung. So müssen seine verdienstvollen und wichtigen Sortierungen der umfangreichen mittelalterlichen Plankonvolute unwidersprochen bleiben.
Die Wiener Fürstenportale
Abb. 18: Wien, St. Stephan, Isometrie mit Rekonstruktion des Singertors im Bauzustand.
3. Ergebnisse Die beiden Fürstenportale bilden mit ihren benachbarten Haupt- und Nebenpfeilern jeweils entwurflich, formal und bautechnisch einen unauflöslichen Bauzusammenhang. Der heute überlieferte Baubestand der Fürstenportale lässt keinen Zweifel zu, dass ihre Gewände und ihre jeweiligen Portalkästen gemeinsam mit den unteren Abschnitten der westlich anschließenden Nebenpfeiler und den benachbarten Abschnitten der Seitenschiffwände errichtet wurden. Auch die zeitgleiche Errichtung mit den Hauptpfeilern ist belegt. Gleiches Steinmaterial, durchlaufende Schichthöhen und eine hohe Anzahl gemeinsamer Steinblöcke mit Anteilen an den Profilfolgen jeweils beider Bauteile zeigen den baulichen Zusammenhang. Bauabschnittsfugen liegen im westlichsten Joch des Langhauses, grundsätzlich in den Wänden und Flächen der Strebepfeiler und nicht an den Übergängen zwischen den Bauteilen. Die Ausnahme stellt die vertikale Fuge am östlichen Portalrahmen dar. Der anschließende Hauptpfeiler nimmt in seiner Anlage bereits Rücksicht auf den Portalkasten. Insbesondere die Steinblöcke für Portalkasten und Nebenpfeiler sowie für die Hauptpfeilerabschnitte oberhalb der Kämpferhöhen der Portale sind gemeinsam geplant, hergestellt und versetzt worden. Es ist also ein Bauzustand zu rekonstruieren, zu dem sich alle drei Elemente gemeinsam im Bau befinden (Abb. 18). Eine eventuelle Baufuge zu den Westkapellen muss weiter westlich gesucht werden. Die Unregelmäßigkeiten in den Seitenschiffwänden entsprechen der allgemeinen Bautechnik und stellen keine (längeren) Bauunterbrechungen dar. Die durchlaufenden Sockel (soweit nicht nachträglich bearbeitet) belegen, dass im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Errichtung der östlichen Pfeiler der Westkapellen das Jochraster für das neue Langhaus sehr präzise eingemessen und ausgelegt wurde und dass möglicherweise auch bereits Teilabschnitte, darunter
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Pfeiler und Portale des westlichsten Jochs, bis mindestens zur Sohlbankhöhe der Fenster aufgeführt waren. Die Berücksichtigung der engen Situation der Portale zwischen Haupt- und Nebenpfeiler sowie die Ähnlichkeit der Profilentwürfe von Portalgewänden und Langhauspfeilern legen eine gemeinsame Planung nahe und zeigen, dass die Architekturteile der Fürstenportale für den heutigen Platz hergestellt wurden. Insbesondere würde es verwundern, wenn der ungewöhnliche spitze Winkel der Trichteröffnung, der sich in jedem einzelnen Block des Gewändes zwangsläufig wiederfindet, ursprünglich für einen anderen Ort entwickelt worden wäre. Das Konzept, ein vollständiges Trichterportal mit großen Skulpturen in einem Halbjoch des Langhauses unterzubringen, stieß in der praktischen Umsetzung auf Schwierigkeiten, die vor allem mit der Dimensionierung der angrenzenden Pfeiler zu tun hatten. Die Wirkung, die von diesen Portalen und ihren Skulpturen und den sie umgebenden Bilddarstellungen, Inschriften und Heiltumsweisungen vor allem auch nach außen auf den Stephansplatz ausging, ist durch die späteren Vorhallenanbauten nur mehr schwer nachzuvollziehen. Trotz der Umbauten der zugehörigen Altäre jedoch ist das vielschichtige und anspruchsvolle Konzept noch gut lesbar. Auf einen Abbau der Architekturelemente der Portalgewände und einen Zweitversatz an der heutigen Stelle deutet nichts hin. Im Gegenteil, die Kanten der Steinblöcke sind überall ungebrochen, während bei einem Abbau für gewöhnlich zumindest jeweils eine Blockkante Beschädigungen aufweist, die auf das Öffnen der Fuge zurückgehen. Auch der Steinversatz ist bis auf die schmalen Zwischenbereiche zwischen den inneren Portalrahmen und den Hauptpfeilern überall präzise und schlüssig. Wie die unteren Bauteile des westlichen Langhauses nun datieren, ob sie Teil einer später verwirklichten Planung unter Herzog Rudolf IV. waren oder noch zu seinen Lebzeiten ausgeführt wurden, ist Gegenstand einer größeren Diskussion und muss unter Zuhilfenahme verschiedener fachspezifischer und fachübergreifender Betrachtungs- und Analyseroutinen an ausführlichen Rekonstruktionsmodellen überprüft werden.23 Zur endgültigen Klärung der Bauabschnitte des Langhauses wären eine weitergehende Untersuchung der Mauerwerke aller Langhausjoche und der Westkapellen, die Kartierung der Steinvarietäten und eine Analyse der Verteilung der Steinmetzzeichen und Detailformen auch der Langhauspfeiler und besonders der östlichen Übergangsbereiche der Westkapellen notwendig.24 Die Betrachtung der bautechnischen und konstruktiven Merkmale der Fürstenportale des Wiener Stephansdoms hat gezeigt, dass die mittelalterlichen Baumeister Sonderbauteile, wie die Portalarchitekturen, als besondere Herausforderung verstanden, ihr Bestes zu geben. Gleichzeitig waren sie an die übergeordneten Vorgaben aus den Gesamtsystemen der Jochteilung und der Pfeilerarchitektur ebenso wie an die Traditionen und das Selbstverständnis einer örtlichen Bauhütte gebunden.
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23 In der modernen Kathedralforschung hat sich glücklicherweise eine kollegiale und interdisziplinäre Arbeitsweise durchgesetzt. Vgl. die anderen Beiträge in diesem Band, insbesondere denjenigen von Barbara Schedl. 24 In diesem Beitrag gänzlich unberücksichtigt geblieben ist die Sammlung und Kartierung der Steinmetzzeichen und die Analyse ihrer Verteilung. 2006 und 2007 wurden sie von Philipp Stastny aufgenommenen. Katharina Arnold konnte einige weitere an den Portalen und in ihrem Umfeld ergänzen.
Die Wiener Fürstenportale
Möglicherweise griffen sie auch auf schriftliche Hinterlassenschaften ihrer Vorgänger zurück. Schließlich bedingten und limitierten die aktuelle bauliche Situation und die verfügbaren Ressourcen die nächsten Arbeitsschritte und zwangen zur Anpassung von Planungen. Dies alles führt an den einzelnen Bauteilen zu einer Mischung aus Individualismen und Referenzen, die sich einer klaren stilkundlichen Phasenscheidung entzieht und die ihr Entstehen einer komplexen und variantenreichen Baukultur verdankt.25 Die heute zu beobachtende atemberaubende Ausführungsgenauigkeit und Qualität der Architekturelemente der Fürstenportale im Großen wie im Kleinen, ihre präzise Einbindung in die Jochsysteme des Langhauses und ihre kreativen Anschlüsse an die benachbarten Bauteile sowie die Dynamik ihrer Details mag das Kennzeichen einer von Herzog Rudolf IV. zusammengerufenen „Herzogswerkstatt“ gewesen sein, die nach den oben dargestellten Baubefunden dann nicht nur für die Konzipierung und Integration der Grablege und der Memorialelemente sowie für die Einrichtung der Westkapellen verantwortlich gezeichnet hätte, sondern die darüber hinaus auch bereits für die Planung und Anlage des Langhauses in seiner heutigen Form Sorge getragen hätte. Bei den Ambitionen, für die die Person Rudolfs IV. steht, würde es nicht verwundern, wenn er mit seinen Baumeistern eine große architektonische Vision entworfen hätte, die bei seinem Tod unvollendet geblieben wäre. Beispiele für Bauunterbrechungen an gotischen Kathedralen mit dem Ergebnis ausgesprochen unbefriedigend erscheinender Zwischenzustände gibt es genug. Aber selbst wenn sich herausstellen sollte, dass die Fürstenportale erst posthum entstanden sind und sich die Baugeschichte des Wiener Stephansdoms zwischen 1358 und 1430 vielschichtiger darstellt als bisher angenommen, hätte die Epoche Rudolfs und „seiner Herzogswerkstatt“ die Arbeit der Wiener Bauhütte nachhaltig geprägt und beeinflusst.
25 Diese Thematik wird in den Beiträgen von Stephan Albrecht und Katharina Arnold in diesem Band zur Architektur der Fürstenportale weiter vertieft.
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Arbeit nach Maß Beobachtungen zum Planungs- und Entwurfsprozess der Fürstenportale von St. Stephan in Wien
1. Einleitung Die Fürstenportale des Wiener Stephansdoms wurden von dem Habsburger Herzog Rudolf IV. zwischen 1358 und 1365 gestiftet.1 Das Singertor befindet sich im Südwesten, das Bischofstor gegenüber im Nordwesten des Langhauses. Die Architektur und der formale Aufbau beider Portale sind sich so ähnlich, dass man von einer zweifachen Ausführung desselben Entwurfs sprechen möchte. Aufgrund der heterogenen skulpturalen Ausstattung geht die Forschung jedoch bis heute davon aus, dass die Portale in zeitlichem Abstand zueinander errichtet wurden. Leider konnte der bislang ausschließlich stilgeschichtlich geführte Diskurs keine befriedigende Antwort auf diese Frage geben.2 Ein neuer Ansatz bot sich 2015, als die Fürstenportale bauforscherisch untersucht wurden. Auf Grundlage einer sorgfältigen Vermessung des heutigen Baubestands konnte die Portalkonstruktion näher analysiert und der Bauablauf nachvollzogen werden.3 Darüber hinaus gab ein bauzeitlicher Werkriss, der das Gewände des Singertors zeigt und sich heute in der Akademie der bildenden Künste befindet, tiefe Einblicke in die mittelalterliche Entwurfskonzeption und Bauplanung.4 Eine Untersuchung des Risses ergab, dass die Portalprofilierung in ein System vertikaler und horizontaler Linien eingeschrieben ist, aus dem so viele Baumaße entnommen werden können, dass lediglich ein zusätzlicher Aufriss zur Bauausführung erforderlich gewesen wäre. Da sich ein solcher leider nicht erhalten hat, wurde auf Grundlage der Vermessungsdaten, der Baubefunde und der Analyse der Wiener Werkzeichnung eine mögliche Entwurfskonzeption der Fürstenportale rekonstruiert. Diese soll im Folgenden vorgestellt werden. Die angestellten Überlegungen lieferten darüber hinaus einige Indizien zur Baustellenorganisation und führten letztlich sogar auf die Spur des verwendeten Fußmaßes.
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Vgl. hierzu auch Tietze 1931, 138–160; Kosegarten, 1965; Schmidt, 1977/78. Lediglich für das Singertor wurde 2001 eine Bestandsuntersuchung vom Bundesdenkmalamt in Zusammenarbeit mit der Wiener Dombauhütte durchgeführt, vgl. Koller/ Nimmrichter 2004, 287–293. Ansonsten steht bis heute ausnahmslos der Stildiskurs um die Portalskulptur im Mittelpunkt der kunsthistorischen Forschung. Vgl. dazu den Beitrag von Stefan Breitling in diesem Band. Planriss, Wien, Akademie der bildenden Künste in Wien (Inv. Nr. 17.037v) siehe dazu Abbildung 17 im Beitrag von Stefan Breitling in diesem Band; vgl. Böker, 2005, 350–35; Arnold, 2019; Arnold 2018.
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2. Grundlagen der bautechnischen Analyse Im Oktober des Jahres 2015 nahm das Team des BMBF-Projekts „Mittelalterliche Portale als Orte der Transformation“5 der Otto-Friedrich-Universität Bamberg in Kooperation mit der Wiener Dombauhütte 3D-Laserscans der Fürstenportale auf.6 Der Scanner wurde sowohl im Inneren des Langhauses als auch innerhalb der jeweiligen Portalvorhalle aufgestellt, um die Vorder- und die Rückansicht der Portale aufzunehmen. Auf Basis dieser Scans wurden Punktwolken generiert, die eine zeichnerische Umsetzung der Portale ins Zwei- und Dreidimensionale erlaubten. Für eine aussagekräftige Maßgenauigkeit wurde der Zeichenmaßstab 1:10 gewählt. In den Zeichnungen ist eine ungefähre Messtoleranz von 0,005 m zu berücksichtigen.7 Großer Dank gilt an dieser Stelle den Mitarbeitern der Wiener Dombauhütte, die das Projekt-Team tatkräftig und wohlwollend unterstützten und ohne deren Zutun eine Forschungskampagne unmöglich gewesen wäre.8 Sowohl für die Außen- als auch die Innenseite der Portale wurden Gerüste zur Verfügung gestellt. So konnten nicht nur die Skulptur eingehend studiert, sondern auch das Mauerwerk und die damit einhergehenden bautechnischen Zusammenhänge analysiert werden.
3. Topografie der Fürstenportale Für das Jahr 1304 ist im Zwettler Stiftungsbuch das Vorhaben bezeugt, die roma nische Pfarrkirche St. Stephan durch den gotischen Erweiterungsbau vergrößern zu wollen.9 Eine erste Weihe der dreischiffigen Chorhalle erfolgte am 23. April 1340 durch den Bischof von Passau.10 Direkte Quellen, die Aufschluss über die Bauabfolge des spätgotischen Langhausbaues geben, sind leider nicht vorhanden. Barbara Schedl hat jedoch 2018 die Baugeschichte des Stephansdoms neu untersucht und, unabhängig von dem Bestreben, eine bestimmte These belegen zu wollen, alle verfügbaren Quellen ausgewertet. Dabei konnte sie u. a. nachweisen, dass die west 5
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Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt lief von 2015–2018 und stand unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Stephan Albrecht (Lehrstuhl für mittelalterliche Kunstgeschichte), Herrn Prof. Dr.-Ing. Stefan Breitling (Professur für Bauforschung und Baugeschichte) und Herrn Prof. Dr. Rainer Drewello (Professur für Restaurierungswissenschaft in der Baudenkmalpflege) der Otto-FriedrichUniversität Bamberg. 6 Die Aufnahmen führte Frau Ruth Tenschert (BMBF-Projekt Mitarbeiterin) mit dem Gerätetyp Faro Fokus3D durch und bereitete die Scans zur weiteren technischen Nutzung vor. 7 Für die Ermittlung des verwendeten Fußmaßes spielt diese Messtoleranz eine geringe Rolle, da sich die Differenz eines falschen Fußmaßes in seiner modularen Abfolge potenziert. Bei einem Zeichenmaßstab von 1:10 werden diese Abweichungen sofort sichtbar. 8 Ein großer Dank gilt auch Herrn Franz Zehetner (Archivar der Dombauhütte von St. Stephan in Wien), der nicht nur alle Bereiche des Doms zugänglich machte, sondern vor allem durch seine Expertise über die Geschichte des Wiener Stephansdoms das Projekt maßgeblich unterstützte. 9 Zykan 1981, 44; über den Quellenwert dieser Aussage vergleiche Schedl 2018, 39–40. 10 Tietze 1931, 8.
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Abb. 1: Wien, St. Stephan, Bischofstor mit Vorhalle, Grundriss und Schnitte.
Abb. 2: Wien, St. Stephan, Singertor mit Vorhalle, Grundriss und Schnitte.
lichen Kapellen, die an die Kapellen anschließenden Langhausauswände sowie die Gruft im Chorraum in die 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts datieren.11 Da für die Errichtung der Portale keine Schriftquellen überliefert sind, erschien die bauforscherische Untersuchung der Fürstenportale umso dringlicher. Zunächst konnte durch die im Bereich des Singer- und des Bischofstors vorgenommenen Mauerwerksanalysen festgestellt werden, dass die Tore mit den Langhauswänden in einem Mauerwerksverband stehen und daher gleichzeitig errichtet worden sein
11 Schedl 2018, 49–92.
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müssen.12 Da seit der Monografie zum Stephansdom von Johann Josef Böker die These im Raum steht, die Fürstenportale seien zweitversetzt und erst im 15. Jahrhundert an ihren heutigen Standort gekommen13, galt es, die konkrete Bausituation der Fürstenportale weitergehend zu analysieren. Durch die detaillierte Vermessung war erstmals die Möglichkeit dazu gegeben. Auf Grundlage der 2015 aufgenommenen terrestrischen Laserscans wurden die Portalanlagen in drei verschiedenen Höhen geschnitten. Die daraus erstellten Ansichten und Schnitte wurden in die Bildmessungspläne der 1990er-Jahre eingefügt, die im Auftrag der Dombauhütte Wien angefertigt wurden (Abb. 1 und Abb. 2).14 Die grüne Linie kennzeichnet den Schnitt durch das Gewände, die rote den Schnitt durch die Bogenzone und die blaue markiert den Schnitt durch die Fensterzone. Die Ansicht von oben zeigt, dass das jeweilige Portal zwischen den großen und kleinen Strebepfeiler des Jochs eingepasst wurde. Die Weite eines Portals entspricht etwa der halben Weite eines Jochs. Ein Halbjoch ist zwischen ca. 4,98 m und 5,02 m breit, das Bischofstor hat eine absolute Weite von 4,95 m, das Singertor eine Weite von 5,01 m. Warum das Singertor etwas breiter ist als das Bischofstor, wird zu einem späteren Zeitpunkt noch von Interesse sein. Der große Strebepfeiler durfte aufgrund seiner statischen Funktion nicht zugunsten des Portals verändert werden, was dazu geführt hat, dass die gesamte Portalanlage vom Hauptstrebepfeiler abgerückt worden ist. Um eine angemessene Breite beizubehalten, greift nun die westliche Portalhälfte in die Architektur des kleinen Strebepfeilers ein. Das Gewände (grün) schneidet ca. 0,30 m in den kleinen Strebepfeiler ein, weshalb sich dieser erst in Höhe der Solbank über dem Portal voll ausbildet. Um die Strebepfeiler bestmöglich zu umschließen und um den Umfang des kleinen Strebepfeilers so wenig wie möglich zu reduzieren, bediente man sich eines besonderen Konstruktionsverfahrens: Das Portalgewände wurde mithilfe unterschiedlicher Winkelmaße aufgespannt, was dazu führt, dass sich eine annähernd konvexe Gewändeöffnung ergibt, die die Strebepfeiler umfängt (Abb. 3). Das häufigste Argument für einen anderen Planungszusammenhang und eine spätere Versetzung der Fürstenportale stützt sich auf die Tatsache, dass die Portale nicht in der Mittelachse des jeweiligen Halbjoches stehen.15 Hätte man jedoch die Mittelachse des Portals mit der Mittelachse des Halbjochs gleichsetzen wollen, wäre das gesamte Portal und besonders dessen Durchgang unverhältnismäßig schmal geworden. Natürlich ist es aus statischen Gründen unmöglich, das Portal in die Mitte des Gesamtjochs zu setzen, da die Lasten, die auf den Strebepfeiler wirken, nicht hätten abgeleitet werden können. So ist es zwar möglich, in den kleinen Strebepfeiler einzugreifen, jedoch unmöglich, diesen komplett zu entfer-
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12 Vgl. hierzu den Beitrag von Stefan Breitling und den Beitrag von Barbara Schedl in diesem Band. Für das Singertor führten Manfred Koller und Hans Nimmrichter bereits 2001 eine Bauuntersuchung durch. Ihre Ergebnisse stimmen mit den Befundinterpretationen der 2015 durch das BMBF-Projekt vorgenommenen Untersuchungen überein (vgl. Koller/Nimmrichter 2004, 290). 13 Böker, 2007, 197–206. 14 Die Schnitte basieren auf den Messdaten der 2015 durchgeführten Kampagne der Universität Bamberg und wurden eingefügt in die Bildmessungspläne der Wiener Dombauhütte (erstellt von der Bildmessung GMBH, PF 1411, D-79374 Müllheim, 1991/92/93 15 Böker 2007, 197–206.
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nen. Um trotzdem eine angemessene Weite des Portaldurchgangs innerhalb der vorgegebenen Jochweite zu gewährleisten, musste das Portal aus der Mittelachse des Halbjochs gerückt werden. Dieser Befund könnte dafür sprechen, dass die Portale zwar bauzeitlich mit den Langhauswänden errichtet wurden, aber nicht von Beginn an geplant waren. Der Chor war bereits 1340 im Bau, allerdings noch nicht vollendet und auch an den westlichen Untergeschosskapellen wurde gebaut16, als die Langhauswände hochgezogen wurden. Die Länge des Kirchenschiffs war damit konstitutiv und bei einheitlicher Unterteilung war die Weite der Joche vorgegeben. Zwar hätte man die Jochweite im Bereich der Fürstenportale vergrößern und dafür die übrigen Joche verkleinern können, doch hätte sich diese Maßnahme gestalterisch auf die gesamte Langhausfassade ausgewirkt. Der Werkmeister musste also anhand der vorgegeben, bereits festgelegten Jochweite ermitteln, wie groß die Weite der Portale maximal werden darf, um die Statik aller Bauteile in diesem Bereich zu gewährleisten. Für den weiteren Planungsprozess bedeutete das: Das absolute Maß eines Halbjochs diente dem Werkmeister als Ausgangsbasis für alle weiteren konstruktiven Überlegungen.
Abb. 3: Wien, St. Stephan, Singertor mit Vorhalle, Grün: Schnitt durch das Portalgewände mit Eintragung der Winkelmaße, Blau: Schnitt durch die Fenster zone oberhalb des Portals.
4. Archäologische Grabungen im Bereich der Fürstenportale Bevor wir uns der eigentlichen Entwurfsanalyse widmen können, muss eruiert werden, inwieweit sich das Bodenniveau im Laufe der Jahrhunderte vor den Portalen verändert hat. Denn die tatsächliche Portalhöhe kann nur bestimmt werden, wenn die Tiefe der Portalfundamente unter dem aktuellen Bodenniveau bekannt ist. Eine Annäherung an die relevanten Höhenquoten erlauben archäologische Ausgrabungen, die 1948 und 2001 im Inneren und 1979 und 1980 im Außenbereich des Stephandoms durchgeführt wurden. 16 Vgl. dazu den Beitrag von Barbara Schedl in diesem Band.
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Karl Oettinger nahm erstmals 1948 im schwer beschädigten Stephansdom archäologische Untersuchungen vor.17 Zur Erforschung des romanischen Fundaments wurde ein Grabungsschnitt in unmittelbarer Nähe des Bischofstors angelegt. Dabei legte Oettinger den gesamten Pfeilerfuß des Strebepfeilers frei, der im Osten direkt an das Bischofstor angrenzt. Seinen Aufzeichnungen lässt sich entnehmen, dass in diesem Bereich ein mittelalterlicher Fußboden aus gebrannten Tonplatten ca. 0,30 m unter dem barocken Kirchenpflaster gelegen hat.18 Der mittelalterliche Bodenbelag griff über das romanische Außenfundament hinweg und stieß glatt an den senkrecht aufsteigenden Sockel des östlichen Strebepfeilers neben dem Bischofstor. Die Profilzeichnung Oettingers zeigt darüber hinaus, dass der Pfeilersockel bei etwa 0,40 m unter dem damaligen Bodenniveau auf seinem Fundament aufsteht und ca. 0,09 m gen Süden ragt.19 32 Jahre später führte Ortolf Harl unmittelbar neben dem Bischofstor, zwischen der Westwange des Portals und dem östlichen Strebepfeiler der Tirnakapelle, eine Ausgrabung durch.20 Leider machte Harl hier keine Angaben zur Höhe des beginnenden Fundaments unter dem damaligen Bodenpflaster und es finden sich auch keine aussagekräftigen Profilzeichnungen der Grabungsschnitte in seinen Publikationen oder unveröffentlichten Grabungsberichten.21 Dies ist umso bedauerlicher, da der Vergleich der Fotografien mit dem heutigen Bestand vermuten lässt, dass das Fundament nur ca. 0,20 m unter dem heutigen Bodenniveau ansetzt.22 Das Mauerwerk steht durchgängig einer ca. 0,10 m dicken Platte auf, die den Abschluss des unregelmäßigen Bruchsteinfundaments bildet.23 Obwohl sich hier eine Differenz für den Fundamentansatz zwischen Innen- und Außenraum andeutet, lassen sich aufgrund fehlender Profilzeichnungen und detaillierter Maßangaben keine gesicherten Aussagen treffen. Daher sollen lediglich die Profilzeichnungen von Karl Oettinger aus dem Jahre 1948 mit der Verortung des gotischen Bodenpflasters in ca. 0,30 m Tiefe und des Fundamentbeginns in ca. 0,40 m als Orientierungswerte herangezogen werden. Das Niveau des Stephansplatzes steigt von Norden nach Süden hin an. Somit war für das Singertor eine größere Differenz zwischen dem mittelalterlichen und dem heutigen Bodenniveau zu vermuten. Das bestätigten auch die Grabungen von Ortolf Harl aus dem Jahre 1979.24 Vor dem Singertor selbst wurde kein Grabungsschnitt angelegt, jedoch aber im Bereich des mittleren und östlichen Strebepfeilers der Eligiuskapelle. Harl zufolge stehen die Strebepfeiler 0,48 m unter dem heutigen Bodenniveau auf ihren Fundamenten.25 17 18 19 20 21 22 23
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Oettinger 1949, 339–358. Oettinger 1949, 355, Tafel 3. Oettinger 1949, Tafel 3. Harl 1990, 40–41. Auch die Aufzeichnungen Harls, die sich im Archiv der Stadtarchäologie Wien befinden, enthalten keine Planzeichnungen, die uns Auskunft über die Höhendifferenzen geben. Dokumentationsfotografien der Ausgrabung von Ortolf Harl aus dem Jahre 1980 finden sich im Archiv der Stadtarchäologie Wien. Diese flachen Platten, welche dem Fundament aufliegen und mit der Fassade plan abschließen, konnte Ortolf Harl zwar nicht für die Südfassade feststellen, jedoch aber 1979 für die Strebepfeiler der Westfassade nachweisen, vgl. Harl 1990, 42. Harl 1990, 39–47. Harl 1990, 40.
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In den Jahren 2000 und 2001 führte Johann Offenberger eine ca. 0,90 m tiefe Grabung im Inneren des südlichen Seitenschiffes unweit des Singertors durch.26 Offenberger konnte in 0,35 m Tiefe einen spätmittelalterlichen Ziegelfliesenboden nachweisen.27 Es ist anzunehmen, dass dieser Boden mit dem Fußboden aus gebrannten Tonplatten vor dem Bischofstor übereinstimmt. Übertragen wir die Beobachtungen, die Oettinger 1948 vor dem Ostpfeiler des Bischofstors machen konnte, auf die Situation im Süden, dürfen wir das Fundament ca. 0,10 m unter dem freigelegten Ziegelfliesenboden vermuten. Das bedeutet, dass das Portalfundament im Inneren des Seitenschiffes ca. 0,45 m unter dem heutigen Bodenpflaster anzusetzen ist, was dem am Außenbau gemessenen Wert erstaunlich nahekommt. Am Schluss sind noch die Portalschwellen zu erwähnen, die heute nicht mehr als tatsächliche Schwellen fungieren, da sie weitestgehend dem umliegenden Fußbodenniveau angepasst wurden. Zwei Zeichnungen von Georg Christian Wilder aus dem Jahre 1824 zeigen das Bischofstor noch mit zugehöriger Schwelle.28 Der Betrachter steht in der Vorhalle des Portals und blickt durch die Türöffnung hinüber zum Singertor. Noch heute bildet sich die Schwelle des Singertors als niedrige Stufe aus, die vom Seitenschiff ins Innere der Portalvorhalle führt. Ob es sich bei den Portalschwellen um die mittelalterlichen handelt, ist fraglich. Weder der heutige Baubefund, noch die Portalschwellen auf den Zeichnungen Wilders sind ausgetreten – im Gegensatz zur Schwelle der Portalvorhalle des Bischofstors am rechten Bildrand der im Wien Museum befindlichen Zeichnung. Eventuell wurden die Portalschwellen im 19. Jahrhundert erneuert, gesicherte Aussagen dazu sind jedoch nicht möglich. Für die nachfolgenden Untersuchungen sind exakte Informationen zu den bauzeitlichen Schwellen der Portale auch nicht zwingend erforderlich.
5. Entwurfsverfahren gotischer Werkrisse Nachdem zumindest eine Annäherung an die ursprüngliche Höhe der Fürstenportale möglich ist, soll schließlich der Frage nachgegangen werden, wie die Entwurfskonzeption der Fürstenportale ausgesehen haben könnte. In der Forschung wird mehrheitlich davon ausgegangen, dass der gotischen Bauplanung maßstabsgetreue Architekturzeichnungen zugrunde liegen.29 Dieter Kimpel und Robert Suckale verorteten das Aufkommen maßstäblicher Werkrisse 26 Offenberger/Geischläger 2013, 121–122. 27 Das dzt. Fußbodenniveau befindet sich bei 171,518 m (ü. Adria), der spätmittelalterliche Fliesenboden wurde auf einer Höhe von 171,168 m (ü. Adria) gemessen. Ich danke Paul Mitchell, der mich bei Fragen bzgl. der Altgrabungen in Anwendung auf das derzeitige Fußbodenniveau tatkräftig unterstützt hat und mir zahlreiche Informationen zukommen ließ. 28 Georg Christian Wilder: Seitenportal des Stephansdoms in Wien, Graphit und Tinte auf Papier, 41,1 cm x 18,4 cm, 1824, in: Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Graphische Sammlung, Inv. Nr. HB26674, Kapsel Nr. 1253. – Georg Christian Wilder: St. Stephansdom. Eingangshalle nächst der Kreuzkapelle mit der Geheimschrift Herzog Rudolf des Stifters, Kupferstich auf Papier, 1824, in: Wien, Wien Museum, Sammlung, Inv. Nr. HMW 9.531 sowie Radierung 1824, D/III/52/89, Albertina Sammlungen Online: https://sammlungenonline.albertina.at (Zugriff am 26. Januar 2021); siehe dazu Abbildung 11 im Beitrag von Barbara Schedl in diesem Band. 29 Siehe hierzu Binding 2015, bes. 108–148.
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erstmals in der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts.30 Dass der Entwurf solcher Planzeichnungen sowohl auf geometrischen als auch arithmetischen Verfahren beruht, legen Werkmeisterbücher nahe, die aus dem späten 15. und dem frühen 16. Jahrhundert stammen.31 Werkmeister- oder Bauhüttenbücher wie das des Matthäus Roriczers „Büchlein von der Fialen Gerechtigkeit“ (1486)32 beschreiben die Konstruktion und Proportionierung gotischer Zierelemente, geben jedoch nur sehr spärlich Auskunft über Entwurfsverfahren größerer Bauteile oder -zusammenhänge. Trotzdem ist davon auszugehen, dass die sehr allgemein gehaltenen geometrischen Verfahren und Proportionierungstechniken für jede Art von Entwurfszeichnung üblich waren. Das belegen auch die im Original erhaltenen Architekturrisse des 13. und 14. Jahrhunderts. Auf den ältesten erhaltenen Werkrissen, den beiden Reimser Palimpsesten (Entwurf (A) 1250/60, Entwurf (B) 1220, 66 cm x 45 cm, Pergament)33, finden sich Blindrillen und Einstichpunkte, die belegen, dass mit Zirkel und Richtscheit34 alle Abmessungen in der Zeichnung exakt festgelegt wurden.35 Ob diese Abmessungen maßstäblich auf dem zeitgenössischen Maßsystem beruhen, ist in den meisten Fällen nicht zu beantworten, weil es sich häufig, wie bei den Reimser Palimpsesten, um Entwurfszeichnungen handelt, die nicht realisiert wurden. Marc Steinmann, der den Kölner Riss F (um 1280, 4,06 mm x 1,66 m, Pergament) eingehend studierte, entdeckte auf dem Fassadenplan eine in regelmäßigen Abständen mit Markierungen versehene Linie, die evtl. einen Maßstab darstellt.36 Durch den Abgleich der realen Baumaße mit den Abmessungen einzelner Bauteile der Zeichnung ermittelte Steinmann einen faktischen Maßstab von 1:35,83.37 Für das Wiener Singertor ist uns ebenfalls ein mittelalterlicher Riss überliefert, der den Schnitt durch das westliche Portalgewände zeigt (2. Hälfte 14. Jahrhundert, 23,5 cm x 16,15 cm, Pergament).38 Bei der Skalierung des Wiener Risses auf die Dimensionen der ausgeführten Architektur stellte sich heraus, dass die Zeichnung
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30 Kimpel/Suckale, 1985, 36, 227. 31 Binding, 2015, 149–216. – Einen Überblick über die Gattung der sog. Werkmeisterbücher liefert Ulrich Coenen (Coenen 1990). 32 Roriczer konstruierte die Fiale durch eine Kombination geometrischer und modularer Proportionierungsverfahren, vgl. Strohmayer 2004. 33 Branner 1958, 9–10. 34 Zum mittelalterlichen Zeichengerät ist besonders die Arbeit von Peter Völkle zu nennen. Völkle hat im Sinne der experimentellen Archäologie den mittelalterlichen Zeichenprozess nachempfunden, indem er auf Grundlage mittelalterlicher Schriftquellen und Darstellungen das gesamte Repertoire des Zeichengeräts eines gotischen Werkmeisters nachbaute und mit dessen Hilfe einen Riss auf Pergament zeichnete, vgl. Völkle 2013; Völkle 2016, bes. 8–35. 35 Branner 1958, 9–21; Murray 1978, 51–56; Schock-Werner 2009, 65–68. 36 Dabei handelt es sich um eine Blindrille, die durch die Mitte des Nordportals verläuft und deutlich sichtbare kurze, waagerechte Striche aufweist, die untereinander jeweils einen Abstand von 0,8 cm haben, vgl. Steinmann 2003, 52. 37 Steinmann 2003, 53. Bei dem faktischen Maßstab sind die Schwindmaße des Pergaments zu berücksichtigen, da sich das Material bei schwankender Luftfeuchtigkeit ausdehnt oder zusammenzieht. Konrad Hecht berechnete die Größe des Schwindmaßes von Pergament im Durchschnitt mit 7 %. Der tatsächliche Maßstab des Kölner Fassadenrisses wäre somit 1:36, vgl. Hecht 1971/72, 134–136. 38 Vgl. Annm. 4; vgl. Böker, 2005, 350–352; Arnold, 2019. Vgl. dazu den Beitrag von Stefan Breitling in diesem Band mit Abb. 17.
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mit den tatsächlichen Maßen des Portals übereinstimmt und der Riss in einem Maßstab von 1:12 gezeichnet wurde.39 Auf der Werkzeichnung befinden sich sowohl Zirkeleinstichpunkte als auch zahlreiche Hilfslinien.40 Durch einen Abgleich des Werkrisses mit der vorgefundenen Bausituation wurde deutlich, dass die Hilfslinien die Ausmaße einzelner Bauteile wiedergeben. Der Zeichner nutzte sie als Orientierungshilfe und schrieb so den Entwurf in einen festgelegten Rahmen ein. Weitere Untersuchungen der Hilfslinien bestätigten, dass die Abstände zwischen den Linien auf zum Teil sich wiederholenden Streckenlängen beruhen, die dem Maß des Wiener Fuß entsprechen.41 Dies spricht für die Verwendung arithme tischer Proportionierungstechniken. Spuren der geometrischen Proportionierung finden sich hingegen im Bereich der Profilabfolge. Die Quellen und der Forschungsstand lassen nur einen Schluss zu: Die Wiener Fürstenportale wurden durch eine Kombination geometrischer und arithmetischer Entwurfsverfahren gestaltet.
6. Die geometrische Konzeption der Fürstenportale Nach der Analyse der Portaltopografie unter Berücksichtigung der archäologischen Befundsituation soll zunächst die geometrische Konzeption der Fürstenportale erläutert werden. Die Portale ordnen sich der vorgegeben Jochweite des Langhauses unter. Die Weite eines Halbjochs (4,98 m–5,02 m) diente als Richtwert der geometrischen Portalkonzeption. Meinen Beobachtungen zufolge legte der Werkmeister eine Basisgerade fest, die sich dieser Weite annähert. Die Basisgerade liegt bei beiden Portalen direkt auf der Kämpferlinie, in gleicher Höhe mit dem Türsturz. Im Falle des Bischofstores beträgt die Basisgerade [AB] ca. 4,95 m, die Gerade [AB] des Singertors ist ca. 5,01 m lang (Abb. 4 und Abb. 5). Alle innerhalb des Entwurfs geometrisch erzeugten Proportionen sind auf diese Strecke zurückzuführen.42 39 Arnold 2019, 63. 40 Durch eine Röntgenfluoreszenzanalyse konnte bestätigt werden, dass es sich bei dem Zeichenmaterial der Linien um Graphit handelt. Untersuchungsbericht Nr. 2018/13: Materialanalytische Untersuchung an der Handzeichnung „Grundriss des linken Portalgewändes des Singertors von St. Stephan“ in der Akademie der bildenden Künste in Wien (Inv. Nr. 17.037), mithilfe der Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA) durchgeführt von Bernadette Frühmann und Manfred Schreiner. 41 Der Wiener Fuß entspricht 0,316081 m. Reichsgesetzblatt für die im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder 16, 2. März 1872, Artikel IV, 30.; Siehe auch: Arnold 2019, 65–66. 42 Die Vorgehensweise, zunächst eine Grundlänge festzulegen und den Entwurf um diese Länge herum zu konzipieren, begegnet uns bereits in Roriczers „Büchlein von der Fialen Gerechtigkeit“. Roriczer legt die Höhe einer Fiale fest und teilt diese Strecke in sechs gleich große Abschnitte, so entsteht eine Art Modulkette. Alle weiteren Maße und Konstruktionselemente stehen in proportionaler Abhängigkeit zu der Länge eines Moduls. So beträgt z. B. die Breite der Fiale ein Modul, womit die Breite zur Höhe in einem Verhältnis von 1:6 steht. In dem Bauhüttenbuch des Villard de Honnecourt sind im Zusammenhang mit der Anfertigung von Schlusssteinen für Spitzbögen ähn liche Konstruktionsschemata zu beobachten. Ausgehend von einer Basislinie wird durch modularisierte Unterteilung um diese Linie herum konzipiert, vgl. dazu: Müller 1990, 36–39.
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Abb. 4: Wien, St. Stephan, Bischofstor, geometrische Grundkonzeption. Abb. 5: Wien, St. Stephan, Singertor, geometrische Grundkonzeption.
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Das Entwurfskonzept der Bogenzone ist für beide Portale identisch. Die Bogenzone setzt sich aus dem Tympanon, den Archivolten sowie den umlaufenden Friesbögen zusammen. Der Zirkel wurde für alle Bogenschläge auf der Basisgeraden [AB] in den Punkten [C] und [D] angesetzt. Die Punkte [C] und [D] liegen zwischen dem inneren und äußeren Friesbogen, die durch eine durchlaufende Fuge konstruktiv voneinander getrennt sind. Die Konstruktionsbögen mit dem Radius der Strecke zwischen den Punkten [C] und [D] erzeugen einen regelmäßigen Spitzbogen.43 Der äußere krabbenbesetzte Blattfriesbogen bildet sich als gedrückter Spitzbogen aus. Drei Viertel der Basisgeraden [¾ AB] bestimmen den Radius des Tympanonfeldes und bilden einen überhöhten Spitzbogen.44 Die Vierteilung der Basisgeraden ist ebenfalls grundlegend für die Konstruktion des äußeren Kielbogens (Abb. 6 und Abb. 7). Die zur geometrischen Ermittlung des Kielbogens notwendigen Geraden setzen am ersten und dritten Teilungspunkt ([F], [G]) der viergeteilten Basisgeraden [AB] an. Sie schneiden sich am Kreuzungspunkt der Konstruktionskreise, deren Radien abermals drei Viertel der Basisgeraden [¾ AB] betragen. Der Richtung folgend verlaufen die Geraden bis zu 43 Charakteristisch für den regelmäßigen Spitzbogen ist das ihm eingeschriebene gleichseitige Dreieck. Zur Konstruktion der verschiedenen Bogenformen siehe: Krauth/Meyer 1896, 208–221. 44 Die Form des erhöhten Spitzbogens ist von Vorteil, da sich aus der Teilung des Tympanons zwei Register ergeben, die eine angemessene Größe erfordern. Innerhalb eines regelmäßigen oder sogar gedrückten Spitzbogens würde das obere Register zu klein ausfallen und dementsprechende nicht genügend Platz für eine Bilderzählung bieten.
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den Konstruktionsbögen des äußeren Portalbogens. Dort, wo sie den äußeren Portalbogen schneiden, werden die Geraden jeweils durch die Länge der Strecke [AF] ([AF] = ein Viertel der Basisgeraden [¼ AB]) weitergeführt. Die Strecke [AF] ist zugleich Radius der den Kielbogen formenden Gegenbögen. Die Baldachine sowie alle Fugenverläufe der Archivolten sind radial zum Mittelpunkt der Konstruktionsbögen, also zu den Punkten [C] und [D], ausgerichtet. Die bisherigen Untersuchungen haben gezeigt, dass die geometrische Konzeption der Bogenzone für beide Portale identisch ist. Anders sieht es hingegen für die Gewände- und Sockelzone aus. Für die Entwurfsrekonstruktion musste zunächst die exakte Höhe des Portals bestimmt werden, was aber anhand der Grabungsbefunde nicht zweifelsfrei möglich ist. Es können nur Mutmaßungen angestellt werden, die trotz aller Unsicherheiten berücksichtigt werden sollen. Die Höhe des Gewändes inklusive Sockel entspricht bei beiden Portalen annähernd der Portalweite (Abb. 4 und Abb. 5). Für das Bischofstor gilt: Teilen wir ein Quadrat mit der Seitenlänge der Basisgeraden [AB] horizontal in drei Teile, kennzeichnen die Teilstrecken zum einen die Höhe der Standfläche der Gewändefiguren und zum anderen die Trennung zwischen Gewände und Gewändesockel. Die Trennung zwischen Gewände und Sockel wird zusätzlich durch den Schnittpunkt [H] der Bogenschläge, die den Fugenverlauf zwischen den beiden Archivolten kennzeichnen, bestimmt. Die Höhe des Gewändes inklusive Sockel dürfte ca. der Länge der Basisgeraden [AB] entsprochen haben. So nähert sich dieser Wert der durch die Grabungsbefunde rekonstruierten Gesamthöhe des Portals stark an.
Abb. 6: Wien, St. Stephan, Bischofstor, geometrische Bestimmung des Kielbogens und des Portaldurchgangs. Abb. 7: Wien, St. Stephan, Singertor, geometrische Bestimmung des Kielbogens und des Portaldurchgangs.
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Auch für das Singertor gilt, dass die Standflächen der Gewändefiguren durch die Dreiteilung eines Quadrats mit der Seitenlänge [AB] bestimmt werden. Hingegen kann die Trennung von Gewände und Sockel nicht durch Teilung des Quadrats festgelegt werden. Warum die Portale in diesem Bereich voneinander abweichen, werden die anschließenden Untersuchungen zur Verwendung der Fußmaße zeigen. Auffällig ist, dass das Quadrat mit der Seitenlänge [AB] im unteren Bereich exakt mit der durch Harl 1979 festgestellten Oberkante des Fundaments abschließen würde. Ein Befund, den wir bereits für das Bischofstor vermutet haben. Die Durchgangsweite beider Portale wird mithilfe des geometrischen Verfahrens ermittelt, das bereits für die Konstruktion des äußeren Kielbogens notwendig war. Die in den Punkten [F] und [G] ansetzenden Geraden kreuzen sich im Schnittpunkt der Bögen zur Tympanonbestimmung. Dort, wo sie auf die Konstruktionsbögen mit dem Radius der Basisgeraden [AB] treffen, werden sie durch die Länge der Strecke [AF] ([AF] = ein Viertel der Basisgeraden [¼ AB]) weitergeführt. Der Abstand zwischen den Endpunkten der beiden Geraden ergibt die Weite des Portaldurchgangs. Als Zwischenfazit kann festgehalten werden, dass sich lediglich das Höhenverhältnis zwischen Sockel und Gewände beider Portalanlagen unterscheidet. Trotzdem basieren beide Portale auf einer annähernd einheitlichen geometrischen Grundkonzeption.
7. Die Fußmaße der Fürstenportale Laut Forschungskonsens diente der Werkfuß45 dazu, die im Entwurf geometrisch erzeugten Proportionen in praktikable Streckenmaße zu übersetzen. Norbert N ußbaum formulierte, dass es im Sinne einer rationalen Bauökonomie völlig unpraktikabel scheint, für die Bauausführung die Geometrie der maßstäblichen Entwurfszeichnung 1:1 auf dem Reißboden nachzuzeichnen. Daher wurden die markantesten Strecken in der Zeichnung nachgemessen und durch deren Fixierung als Vielfache eines Werkfußes in ein arithmetisches Maßgefüge transformiert. Sinn dieser Übertragung war nicht das Erzielen harmonischer modularer Intervalle, wie es etwa die Renaissancearchitektur fordert, sondern lediglich das Umsetzen der geometrischen und deshalb vielfach irrationalen Werte in ein Bezugssystem rationaler Streckenmaße. Jedoch können diese rationalen Streckenmaße nur Annäherungswerte an die geometrisch definierten Sollwerte bilden.46 Der Werkfuß ist also ein der Ausführung dienendes Modul, das als Vielfaches oder aber als Teilungsmaß in der Weite und Höhe eines Bauteils eingeschrieben ist.47 Dieses Modul basiert auf einem einheitlichen Maßsystem, das vorab festge-
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45 Siehe zu dem Begriff Werkfuß/Modul: Hecht 1979, 1–28; Naredi-Rainer 1999, 121–137; Bork, 2012, 74–94. 46 Nußbaum 2014b, 52–53. 47 Dietrich Conrad konstatierte in seiner Abhandlung über die Bauplanung und Bauausführung mittelalterlicher Kirchenbauten, dass der Werkmeister geometrische Figuren, insbesondere das Quadrat und das gleichseitige Dreieck zur Grundkonzeption eines Bauteiles nutzte. Die Basisabmessung eines Bauteils wurde wiederum durch runde Maßzahlen fixiert. „Dabei fanden das dezimale und das duodezimale Zahlensystem oder beide gleichzeitig Anwendung.“ Vgl. Conrad 2011, 82–83.
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legt werden musste. Ein festgelegtes Maßsystem, das uns heute selbstverständlich erscheint, war im 14. Jahrhundert nicht gegeben. Zwar wurde für den Bau zumeist der Fuß als Längenmaß genutzt, jedoch existierte eine Fülle sich regional und überregional unterscheidender Maßeinheiten. Wie bereits ausgeführt, musste sich der Wiener Werkmeister bei seiner Portalplanung an die bereits vorgegebene Jochweite halten. Erst die Übertragung der absoluten Jochweite in ein festgelegtes Maßsystem ermöglichte es ihm, einen Portalentwurf zu konzipieren, der sich der vorgegebenen Bausituation unterordnete. Darüber hinaus ermöglichte ihm die maßstäbliche Werkzeichnung48 die ständige Kontrolle über die Praktikabilität seines Entwurfs. Der Werkmeister konnte zu jeder Zeit alle Streckenmaße direkt in der Zeichnung abnehmen und überprüfen. Welche Maßeinheit für die Wiener Fürstenportale genutzt wurde, werden die folgenden Analysen zeigen.
8. Der Werkfuß des Wiener Bischofstors Durch Vervielfachung oder Teilung des ermittelten Werkfußes entsteht ein modulares System, das im Idealfall mit dem Proportionssystem des geometrischen Entwurfs übereinstimmt.49 Sowohl horizontale als auch vertikale Achsen der Portalkonstruktion müssen dabei berücksichtigt werden. Da der Werkfuß vornehmlich der praktischen Bauausführung diente, gelten besonders Fugenverläufe als signifikante Anhaltspunkte. Für das Bischofstor wurde ein Werkfuß (Modul) von ca. 0,3467 m50 ermittelt. Der Ursprung des vertikalen Maßsystems liegt auf der Mittelachse der Portalanlage, die durch die geometrische Konzeptionsanalyse exakt bestimmt werden konnte (Abb. 8). Für das östliche (linke) Gewände gilt: Von der Mittelachse bis zum Konsolstein sind es genau 2 Module. Es folgt ein weiteres Modul bis zum Türgewände. Von der Mittelachse bis zur seitlichen Begrenzung des Portals sind es annähernd 7 Module. Bei Betrachtung der westlichen (rechten) Portalhälfte fällt auf, dass sie leicht aus der Mittelachse gerückt ist und daher nicht der modularen Unterteilung der östlichen Portalseite entspricht. Von der Mittelachse bis zur Gewändelaibung sind es ca. 0,05 m mehr als 3 Module. Somit kennzeichnet die Weite von 3 Modulen nicht den Beginn des westlichen Gewändes, sondern den Beginn der unteren Sockelzone. Da hier ein Unterschied zwischen der östlichen und westlichen Portalhälfte besteht, scheint beim Bau ein Fehler aufgetreten zu sein. Bis zum seitlichen Abschluss sind es aber ebenfalls annähernd 7 Module. Die Gesamtbreite des Portals ist etwa 0,10 m breiter als die ermittelten 14 Werkfuß (4,8538 m). D. h. der Werkfuß lässt sich, als ganzzahliges Vielfaches, nicht exakt in die Basisgerade [AB] einschreiben. Daher dürfen wir davon ausgehen, dass die Basisgerade nicht auf Grundlage des Werkfußes bestimmt wurde, sondern dass tatsächlich die gemessene Weite eines halben Joches die Länge der Gerade
48 Zur Maßstäblichkeit mittelalterlicher Werkrisse siehe: Binding 2015, 94, 108–148; Naredi-Rainer, 2001, 118–119; Coenen 1990, 125–127; Hecht, 1971/1972, 83–84, 133–134. 49 Siehe zur Ermittlung eines Moduls / Fußmaßes: Naredi-Rainer 1999, 104–137. 50 Der venezianische Fuß (0,347735 m) kommt dem Werkfuß des Bischofstors sehr nahe, vgl. Rumler 1849, 52; Döring 1854, 478.
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Abb. 8: Wien St. Stephan, Bischofstor, vertikales Maßsystem. Abb. 9: Wien, St. Stephan, Bischofstor, horizontales Maßsystem.
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festlegte. Der verwendete Werkfuß wurde dieser Breite lediglich möglichst exakt eingepasst. Innerhalb der Bogenzone können wir mithilfe des Werkfußes die Vertikalfuge zwischen den beiden Archivolten bestimmen. Die Weite zwischen Mittelachse und Vertikalfuge beträgt zu beiden Seiten genau 5 Werkfuß. Auch die Einstichpunkte der Zirkelschläge, die sich bisher nicht als logische Konsequenz der geometrischen Proportionierung offenbart haben, resultieren aus dem arithmetischen Maßgefüge. Ausgehend von der Mittelachse liegen die Punkte bei 6⅔ Werkfuß51 (6 Fuß 8 Zoll)52. Bei der Bestimmung des horizontalen Maßsystems wird von der Basisgeraden [AB] des geometrischen Entwurfs ausgegangen und nicht, aus bereits erläuterten Gründen, vom heutigen Bodenniveau. Da aber das Portal von unten nach oben 51 In dem „Büchlein von der Fialen Gerechtigkeit“ von Matthäus Roriczer spielt die Drittelung auffallend oft eine Rolle. Roriczer legt für die Konstruktion der Fiale ein Teilungsmaß – ein Modul – fest, das zur Proportionierung häufig dreigeteilt wird, vgl. Strohmeyer 2004. 52 Im Wien Museum befand sich bis zum Zweiten Weltkrieg ein prismatischer Messingmessstab aus dem Jahre 1552 von Augustin Hirschvogel. Hans Löschner maß im Jahre 1912 eine Länge von 31,7 cm. Laut seiner Beschreibung war der Maßstab in 12 Zoll unterteilt. An den Seitenflächen waren die Bezeichnungen zu anderen Längenmaßen angegeben: 1 Klafter = 6 Werkschuh; 1 Daumelle = 1 Schuh 7 Zoll ¼ Viertel; 1 rechte Elle = 2 Schuh 5 Zoll, vgl. Pribram 1938, 120.
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errichtet wurde, sollen die nachstehenden Erläuterungen der Logik des Bauverlaufs folgen. Beide Gewändeseiten zeigen unterschiedlich hohe Steinlagen (Abb. 9). Das ermittelte Modulmaß (0,3467 m) lässt sich besonders gut im westlichen (rechten) Gewändebereich des Portals nachweisen. Der Sockel ist ca. 5 Module hoch53, darüber befinden sich zwei Steinlagen, deren Höhen jeweils einem Modul entsprechen. Die nächsten Übereinstimmungen zeichnen sich im Fugenschnitt nach 6 bzw. 7 Modulen oberhalb des Portalsockels ab. Es folgen 2,5 Module bis zum Türsturz. Die östliche (linke) Gewändeseite scheint sukzessiv durch Nivellierhöhen an die westliche Gewändeseite angepasst worden zu sein. Diese Ausgleichsschichten finden sich vom Portalsockel ausgehend etwa auf den Höhen von 5, 7 und 12 Werkfuß. Die Gesamthöhe bis zum Türsturz beträgt ca. 14,5 Module. Auch die Bogenzone korrespondiert mit dem horizontalen Maßsystem. Die Strecke zwischen der Basisgeraden [AB] und der ersten Horizontalfuge des Tympanonfeldes, unmittelbar unter dem Baldachinfries, beträgt 2,5 Module. Die Positionierung des Baldachinfrieses wurde daher sicher nicht durch geometrische Verfahren, sondern allein durch den Werkfuß bestimmt. Der Baldachinfries selbst ist 1,5 Werkfuß hoch. Die nächste Horizontalfuge folgt nach einem Modul. Zwei weitere Module kennzeichnen die Fugenteilung in der Spitze des oberen Tympanonsegments. Die Gesamthöhe der Bogenzone beträgt 12,5 Module.
9. Der Werkfuß des Wiener Singertors Die Vermessung des Singertors hat ergeben, dass es mit 5,01 m ca. 0,06 m breiter ist als das Bischofstor. Diese Differenz wirkt zunächst sehr gering, doch führt dieser Umstand dazu, dass sich der für das Bischofstor ermittelte Werkfuß nicht auf das Singertor anwenden lässt. Legt man das Modulsystem des Bischofstors über die Anlage des Singertors, ergeben sich bzgl. der Konstruktionslinien und der Fugenhöhen wenige bis keine Übereinstimmungen. Zur Ermittlung des Werkfußes musste für das Singertor ein neues Modul festgelegt werden. Das Teilen der Streckenmaße durch ein ganzzahliges Vielfaches ergab einen Werkfuß von ca. 0,3161 m, ein Maß, das mit dem Wiener Fuß von 0,316081 m54 gleichgesetzt werden kann. Die Differenz zwischen den beiden Basisgeraden der Fürstenportale ist also auf die Verwendung unterschiedlicher Fußmaße zurückzuführen. Das jeweilige Fußmaß sollte sich bei gerader ganzzahliger Vervielfachung so stark wie möglich dem Richtwert der halben Jochweite (4,98 m–5,02 m) annähern. 16 Wiener Fuß (ca. 5,06 m) kommen diesem Maß am nächsten. Durch die proportionalen Abhängigkeiten des Entwurfs von ihrer Basisgeraden unterscheiden sich die Portale nicht nur in ihrer Weite, sondern auch in ihrer Höhe, so ist das Singertor ca. 0,20 m höher als das Bischofstor.55 53 Angenommene Höhe unter Berücksichtigung der Grabungsbefunde. 54 Reichsgesetzblatt für die im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder 16, 2. März 1872, Artikel IV, 30. 55 Signifikant ist allerdings der Umstand, dass die Türstürze beider Portale annähernd auf derselben Höhe liegen. Gemessen von einer Horizontalen als fiktive Höhenlinie, die von dem Fußbodenniveau mittig des Kirchenschiffes ausgeht, befindet sich der Türsturz des Singertors auf einer Höhe von 4,72 m, während der des Bischofstors bei 4,70 m liegt.
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Abb. 10: Wien, St. Stephan, Singertor, vertikales Maßsystem. Abb. 11: Wien, St. Stephan, Singertor, horizontales Maß system.
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Geht man von der Mittelachse der Portalanlage aus, sind es jeweils 2⅓ Module (2 Fuß 4 Zoll) bis zu den Konsolsteinen (Abb. 10). Die Bogenschläge des Tympanonfeldes liegen in einem Abstand von 4 Modulen zur Mittelachse, die Teilungsfugen der Archivolten liegen jeweils bei 5,5 Modulen. Wie beim Bischofstor diente die Arithmetik der Positionierung der Einstichpunkte des Zirkels. Die Strecke zwischen der Mittelachse und den Einstichpunkten der Bogenschläge beträgt 7⅓ Module (7 Fuß 4 Zoll). Auch horizontal zeichnet sich der Wiener Fuß im Singertor ab (Abb. 11). Besonders deutlich zeigt sich das Maßsystem innerhalb des westlichen (linken) Gewändes. Anders als beim Bischofstor lässt sich die Trennung zwischen Gewände und Sockel nicht durch die Dreiteilung eines Quadrats mit der Seitenlänge der Basisgeraden [AB] bestimmen. Im Falle des Singertors wird diese Trennung durch das modulare Fußmaßsystem festgelegt. Die Sockelhöhe beträgt vermutlich 5 Module.56 Direkt über dem Sockel befinden sich vier Steinlagen, die jeweils einen Werkfuß hoch sind. Es folgen 3 Module bis zur nächsten Übereinstimmung. Weitere 2,5 Module kennzeichnen den Beginn der 1,5 Werkfuß hohen Baldachine der Gewändefiguren. Wie beim Bischofstor scheint die westliche Portalhälfte zuerst auf-
Obwohl die Portale 34,83 m auseinander liegen, ergibt sich lediglich eine Differenz von 0,02 m, weshalb davon auszugehen ist, dass die Türstürze als Nivellierhöhe zwischen den beiden Portalanlagen genutzt wurden. 56 Da die Fundamenttiefe des Portals nicht eindeutig verifiziert werden kann, kann auch die Höhe des Portalsockels nicht exakt bestimmt werden.
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geführt und das östliche Gewände durch Ausgleichschichten sukzessive angepasst worden zu sein. Die Nivellierhöhen liegen bei ca. 5, 9 und 14,5 Modulen Höhe. Innerhalb der Bogenzone lässt sich schließlich ein Systemwechsel feststellen. Die Höhe zwischen der Basisgeraden bis zur ersten Horizontalfuge innerhalb des unteren Tympanonfelds beträgt 3 Module. Die nächste Horizontalfuge liegt oberhalb des Baldachinfrieses des Tympanons. Würde das Höhenmaßsystem gleichmäßig weiterlaufen, ließe es sich nicht mit den Konstruktionslinien und Fugenverläufen der Bogenzone in Einklang bringen. Es wird jedoch kurz über dem Baldachinfries auf die dort befindliche Fuge um ca. 0,07 m nach unten verschoben und danach gleichmäßig fortgeführt. Dieser Wechsel bzw. Sprung des Höhenmaßsystems bestimmt innerhalb der Bogenzone eine zweite Ausgangsbasis für die modulare Maßabfolge, die mit der Fuge zwischen Baldachinfries und oberem Tympanonrelief übereinstimmt. Von dieser Basislinie ausgehend sind es 2 Module bis zur nächsten Horizontalfuge, welche das obere Tympanonfeld in zwei Reliefplatten teilt. Das obere Tympanonsegment ist 1,5 Werkfuß hoch. Nach weiteren 4,5 Werkfuß stimmt die modulare Abfolge mit dem Scheitelpunkt des regelmäßigen Spitzbogens überein, der die Trennfuge zwischen den beiden Blattfriesbögen definiert. Es folgen 1,5 Module bis zur Portalspitze.
10. Die unterschiedlichen Fußmaße der Fürstenportale und Überlegungen zur Baustellenorganisation Obwohl eindeutig nachgewiesen werden konnte, dass für die Fürstenportale die gleiche Entwurfskonzeption genutzt wurde, stellte sich heraus, dass man die Portale mithilfe zweier unterschiedlicher Fußmaße ausführte. Fraglich ist, ob für die erste Entwurfskonzeption der Portale bereits ein Fußmaß genutzt wurde. Das geometrische Konstruktionsprinzip, das häufig irrationale Maße erzeugt, kann nämlich, wie die Fürstenportale es belegen, mithilfe unterschiedlicher Maßsysteme ausgeführt werden, was sich wiederum innerhalb des Baubestandes durch eine (geringe) Abweichung in den Portalmaßen abzeichnet. Erst zur Bauausführung wurden detaillierte und maßstäbliche Werkrisse benötigt, die nur auf Grundlage einer festgelegten Maßeinheit gezeichnet werden konnten.57 Doch wieso passte man das Entwurfskonzept an zwei verschiedene Fußmaße an? Auf den ersten Blick bedeutet das einen Mehraufwand in der Bauplanung. Diese Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten, jedoch drängt sich eine Vermutung auf: Es musste schnell gehen!58 Herzog Rudolf IV., der den Ausbau von St. Stephan maßgeblich vorantrieb, hatte Interesse daran, die Fürstenportale, die ihn als großzügigen Stifter des neuen Kirchenbaus zeigen, schnellstmöglich fertigzustellen. Das Tempo ließ sich durch 57 In dem einzigen erhaltenen Werkriss, der Profilfolge des Singertorgewändes, kann der Wiener Fuß nachgewiesen werden (Akademie der bildenden Künste, Inv.Nr. 17.037v). – siehe Arnold 2019, 65–66. Abbildung des Werkrisses im Beitrag von Stefan Breitling in diesem Band Abb. 17. 58 Das legen auch die massiven Abarbeitungsspuren in den Gewände- und Archivolten nischen zur Einpassung der Figuren nahe. So passen sich die Skulpturen zwar den groben Maßen der Nischen an, doch es wird deutlich, dass man darauf verzichtete, jede Skulptur an die Archivoltenkrümmung anzupassen.
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eine geeignete Baustellenorganisation steuern. Dazu gehörte auch die Beschäftigung einer Vielzahl von Mitarbeitern, die vermutlich aus den unterschiedlichsten Regionen kamen. Dass für die Fürstenportale zwei unterschiedliche Fußmaße genutzt wurden, deutet darauf hin, dass zwei Werktrupps unterschiedlicher Herkunft für die Bauausführung der Portale verantwortlich waren. Durch die Beschäftigung zweier Werktrupps konnten die Portale gleichzeitig aufgeführt werden.59 Dass dem so war, legen nachweisbare Referenzhöhen nahe, die zur Nivellierung der knapp 35 m auseinander liegenden Portale genutzt wurden. Sowohl die Höhe der Standsockel der Gewändefiguren (Singertor 3,03 m, Bischofstor 3,04 m) als auch die Höhe der Türstürze der Portale (Singertor 4,72 m, Bischofstor 4,70 m) entsprechen einander weitestgehend.60 Während der Ausführung war darauf zu achten, dass diese Höhenquoten übereinstimmten. Für die gleichzeitige Errichtung beider Portale sprechen auch die architektonischen Details, die exakt miteinander übereinstimmen. Diese wurden bereits in einer Werkstatt vorproduziert. Auch die Gewändeprofilierungen sind absolut identisch, was wiederum belegt, dass für das Singer- und das Bischofstor dieselben Schablonen genutzt wurden.61 Wir dürfen demnach vermuten, dass der Werkmeister zwar den Entwurf lieferte, diesen aber umgehend an zwei Parliere weitergab, die dann für die unmittelbare Bauausführung in Zusammenarbeit mit den verschiedenen Gewerken (z. B. Maurer, Steinmetz, Bildhauer usw.) zuständig waren.62 Der Wiener Fuß legt nahe, dass es lokale Handwerker waren, die das Singertor ausführten. Vielleicht gehörten sie der Wiener Bauhütte an, falls diese schon existierte. Der Werkfuß des Bischofstors lässt sich hingegen nicht mit einem bekannten Fußmaß in Verbindung bringen.63 Das heißt allerdings nicht, dass es ein extra für die Bauaufgabe konzipiertes Maß war. Es ist lediglich ein Maß, das bislang keiner spezifischen Region zugeordnet werden kann. Wie bereits gesagt, wird die Großbaustelle von St. Stephan zahlreiche Handwerker aus den verschiedensten Regionen angezogen haben, da sich hier zumindest für einen gewissen Zeitraum genügend Arbeit fand. Es ist jedoch nicht zu vermuten, dass die Steinmetze des Bischofstors zufällig ausgewählt wurden. Vielmehr ist anzunehmen, dass gezielt ein eingespielter Werktrupp angeworben wurde, um anspruchsvollere Bauaufgaben
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59 Da die Wiener Bauhütte, sofern sie denn schon existierte, lediglich ein festgelegtes Kontingent an Mitarbeitern hatte, mussten zusätzlich temporäre Arbeitskräfte angeworben werden. 60 Vgl. hierzu den Beitrag von Stephan Albrecht und Katharina Arnold in diesem Band und dort die Abbildung 1. 61 Vgl. dazu den Beitrag von Stephan Albrecht und Katharina Arnold in diesem Band. 62 In den Kirchenmeisterrechnungen von St. Stephan sind ab dem beginnenden 15. Jahrhundert die Löhne der Bauleute (Baumeister, Parlier, Steinmetze, Versetzer, Radknechte, Hüttenknecht) verzeichnet. Schedl 2018, 75–92; Siehe zur Bauhüttenorganisation allgemein: Binding 2015, 235–338; Conrad, 2011, bes. 85–94. 63 Es wurde auch in Betracht gezogen, dass es sich dabei um ein Modul handelt, das lediglich für die Bauaufgabe des Bischofstors genutzt wurde. Dies würde erklären, warum sich das Maß der Entwurfskonzeption perfekt unterordnet. Andererseits würde es aber auch bedeuten, dass sich Handwerker, verschiedenen Bauaufgaben entsprechend, immer wieder an variierende Maßeinheiten gewöhnen mussten. Dies erscheint sehr umständlich und alles andere als praktikabel. Und auch die Verwendung des Wiener Fußes beim Singertor spricht unmittelbar gegen diese These.
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auszuführen.64 Dass man auf Mitarbeiter einer anderen Bauhütte zurückgriff, die vom Parlier bis zum Laubhauer all ihre Fachmänner mitbrachten, ist denkbar. So war zumindest sichergestellt, dass die Zusammenarbeit reibungslos funktionierte. Einen Hinweis liefert der Kanoniker Thomas Ebendorfer in seiner Cronica Austriae (1450-1464).65 Dort heißt es, Herzog Rudolf IV. habe zum Bau von St. Stephan „aus allen Provinzen berühmte Werkleute herbeigerufen [...], unter denen ein armer, aber wunderbar begabter Meister aus Klosterneuburg [...]“, der „alle Steinmetzen in Erstaunen“ versetzte.66 Die hier angestellten Untersuchungen legen nahe, dass es nicht der Meister war, der das Fußmaß des Bischofstors verwendete. Jedoch war es einer der „berühmten Werkleute“. Aus welcher „Provinz“ er stammte, ist zwar zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch unklar, doch das entdeckte Fußmaß könnte den entscheidenden Hinweis geben.
64 Das Anwerben zusätzlicher Fachkräfte war gängige Praxis und ist durch historische Quellen für zahlreiche Einzelbeispiele belegt. Siehe u. a.: Conrad 2011, 88–89. 65 Wien, Österreichische Nationalbiliothek, Cod. 7583; Thomas Ebendorfer zit. nach Lhotsky 1967, 282–284; vgl. dazu den Beitrag von Barbara Schedl in diesem Band. 66 Zitiert nach: Brucher 2000a, 282.
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Die Wiener Fürstenportale Das Verhältnis von Architektur und Skulptur
Die beiden unter Herzog Rudolf IV. ab 1358 errichteten Langhausportale des Wiener Stephansdomes stellen die Forschung vor Datierungsprobleme: Während die Architektur beider Anlagen fast identisch ist, wirkt die Skulptur stilistisch äußerst heterogen. Aus diesem Widerspruch resultieren grundsätzliche Fragen: Wie verhalten sich Architektur und Skulptur zueinander? Ist es möglich, dass die Eingänge erst nachträglich mit Figuren versehen wurden? Lässt sich zwischen dem Bischofstor und dem Singertor eine zeitliche Präferenz festlegen? Die vorwiegend stilgeschichtlich geprägte Forschung konnte diese Fragen zwar aufwerfen, aber nicht klären. Im Rahmen mehrerer Untersuchungs- und Vermessungskampagnen nahm das BMBF – Projekt „Mittelalterliche Portale als Orte der Transformation“1 diese Probleme mithilfe neuer technologischer Methoden unter die Lupe. Nahsichtige Beobachtungen vom Gerüst aus erlaubten eine Autopsie von Steinverbänden und -oberflächen, eine exakte Vermessung der Portalinnen- und Portalaußenseiten ergab zuverlässige Daten zur Bewertung des Bauprozesses. Die Auswertung des umfangreichen Materials ermöglicht nicht nur eine genaue Bestimmung des Bauablaufs, sondern liefert auch tiefere Einblicke in die Organisation der Werkstatt.
1. Beobachtungen zur Bauausführung Die zahlreichen Gemeinsamkeiten der Portalgestaltung und -dimensionierung von Bischofs- und Singertor lassen keinen Zweifel daran, dass die Entwürfe beider Portale in Abhängigkeit zueinander entstanden sind und auf demselben Konstruktionsprinzip beruhen.2 Anders als bisher angenommen, lassen die Vermessungen auch den Schluss zu, dass die Portale in einer gemeinsamen Kampagne parallel aufgeführt worden sind. Dabei hat offenbar die Unterkante der Türstürze während des Bauverlaufs zur horizontalen Nivellierung beider Anlagen gedient (Abb. 1). Vom Inneren des Kirchenschiffs gemessen, liegen sie mit 4,70 m bzw. 4,72 m annähernd auf derselben Höhe, was bei einem Abstand der beiden Anlagen von immerhin 34,83 m für eine große technische Präzision spricht. Ein Höhenausgleich war an 1
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Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt lief von 2015–2018 und stand unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Stephan Albrecht (Lehrstuhl für mittelalterliche Kunstgeschichte), Herrn Prof. Dr.-Ing. Stefan Breitling (Professur für Bauforschung und Baugeschichte) und Herrn Prof. Dr. Rainer Drewello (Professur für Restaurierungswissenschaft in der Baudenkmalpflege) der Otto-FriedrichUniversität Bamberg. Vgl. den Beitrag von Katharina Arnold, den Beitrag von Michael V. Schwarz und den Beitrag von Klaus Niehr in diesem Band.
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Katharina Arnold und Stephan Albrecht
Abb. 1: Wien, St. Stephan, Schnitt durch das Langhaus in Höhe der Fürstenportale.
dieser Stelle schon deshalb notwendig, da sich das bauzeitliche Bodenniveau vor den Portalen vermutlich unterschied, was heute noch im Inneren der Portalvorhallen ablesbar ist.3 Während die Türhöhen demnach zwangsläufig voneinander abweichen, sind beide Anlagen oberhalb der Stürze eng aufeinander abgestimmt. Die Annahme einer gemeinsamen und gleichzeitigen Ausführung wird durch weitere stilistische Beobachtungen gestützt. In beiden Portalen werden die Skulpturen von Baldachinen bekrönt. Vier Baldachine finden sich jeweils unterhalb und oberhalb der Figuren zu beiden Seiten der Türöffnung, weitere sitzen in den Bögen: jeweils vier in den inneren Archivolten und sechs in den äußeren. Berücksichtigt man die Tatsache, dass beide Portale auf demselben Konstruktionsprinzip beruhen, verwundert es nicht, dass auch die Lage der Baldachine exakt übereinstimmt. Die Analogien gehen aber deutlich weiter: Bei den jeweils in der Lage entsprechenden Stücken handelt es sich um Steinblöcke von fast identischen Dimensionen4, die darüber hinaus auch noch in ihrer architektonischen Gestaltung in den meisten Fällen übereinstimmen. Sie scheinen demnach weitgehend unabhängig vom Fugenplan des umliegenden Mauerwerks als eigene Serie vor der Aufmauerung produziert worden zu sein. Beim Aufstellungsprozess wurden dann die benachbarten Scheitsteine der Archivolten an die Baldachine angepasst. Alle Indizien weisen darauf hin, dass Bischofs- und Singertor des Wiener Stephansdomes zur gleichen Zeit auf einer gemeinsamen Baustelle entstanden sind. Zumindest für die architektonischen Elemente darf dieser Rückschluss als gesichert gelten. Damit ist die in der Forschung immer wieder aufkommende Frage nach der zeitlichen Präferenz der beiden Portale obsolet geworden.5 Schwieriger ist diese Frage der Entstehungsabfolge bei der figürlichen Ausstattung zu beurteilen. Die Wiener Portale besitzen eine bautechnische Besonderheit, auf die später nochmals zurückzukommen ist: Die Skulpturen der Heiligen in den Archivolten sind mit Eisenhaken und Ösen in den Nischen befestigt und zusätzlich 3 4 5
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Vgl. hierzu besonders den Beitrag von Katharina Arnold in diesem Band. Die Baldachine der inneren Archivolte sind jeweils ca. 0,47 m hoch, die der äußeren Archivolte ca. 0,38 m. Garger 1926; Tietze 1931, 138–160; Kosegarten 1965, 74–96; Feuchtmüller 1978, 111–118; Schwarz 1986, 310–325; Schmidt 1992, 142–174; Schultes 2000, 353–355; Böker 2007, 197–206.
Die Wiener Fürstenportale
mit Eisendornen auf ihren Sockeln fixiert. Ein wesentlicher Unterschied zu dem bis dahin üblichen Verfahren, bei dem die Figuren mit dem architektonischen Verband vermauert sind. Die Figuren könnten demnach auch zu einem späteren Zeitpunkt hinzugefügt worden sein. Auch ein Blick auf die Konstruktion der Portale ist aufschlussreich. Dabei steht zunächst die grundsätzliche Frage im Mittelpunkt, in welchem zeitlichen Verhältnis die Tympana und die Archivolten zueinander stehen. Wurden zunächst die Bögen gemauert und dann die Tympana hinzugefügt, wie wir es bei den meisten französischen Kathedralen annehmen müssen?6 Ausgangspunkt zur Klärung dieses Problems war für uns die Tatsache, dass beide Portale jeweils aus einem zweischaligen Mauerwerk gefertigt sind und die Steine der Innenwand und der Außenfassade zueinander in Beziehung stehen. Um diesem Verhältnis auf den Grund zu gehen, hat die Bamberger Projektgruppe zusätzlich die Innenwände vermessen und vom Gerüst aus untersucht. Anschließend wurden die maßgerechten, steingenauen Pläne übereinander projiziert (Abb. 2). Das Ergebnis zeigt, wie eng Innen- und Außenwand einander konstruktiv ergänzen. Es wird deutlich, dass die zum Kirchenraum gelegene Innenwand der Portale gleichsam das Rückgrat der Konstruktion bildet. Oberhalb des Sockels sind Innen- und Außenwand beiderseits der Türöffnung in annähernd gleichmäßigen Lagen parallel bis zum Sturz aufgemauert. Ähnlich wie das Gewände deutet auch die Bogenzone den gleichzeitigen Versatz des Innen- und Außenmauerwerks mit dem umliegenden Mauerwerk an. Die Bogenläufe der Archivolten korrespondieren mit den inneren Entlastungsbögen, die auf der unverputzten Wand direkt über dem Portalkasten gut sichtbar sind. Vermutlich wurde zunächst ein Lehrgerüst aufgestellt, um die Archivolten aufzumauern. Zugleich wurden im Innern die mit den Archivolten korrespondierenden Entlastungsbögen versetzt und das umliegende Mauerwerk parallel hochgezogen. Dieses bindet nach Befund wiederum in die umliegenden Strebepfeiler ein. Die fragileren Reliefplatten, die dem Druck der Archivolten während des Ausführungsprozesses wohl nicht standgehalten hätten, wurden nachträglich eingeschoben. Die relativ breiten Fugen zwischen den Tympanonreliefs und den umliegenden Archivolten sind ein Indiz dafür. Der Segmentbogen der Türöffnung im Langhausinnern wurde erst im 19. Jahrhundert ausgeführt.7 Diesem entspricht 6 Zu diesem bautechnischen Problem werden Stephan Albrecht, Stefan Breitling und Tobias Apfel eine gesonderte Studie vorlegen. 7 Drei Zeichnungen von Georg Christian Wilder aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zeigen, dass der Segmentbogen des Singertors zu dieser Zeit noch nicht ausgeführt war. Nach Durchsicht der Mitteilung der Dombauhütte konnte eruiert werden, dass die „bisher unvollendet gebliebenen inneren Thürbögen beim Bischofs- und S ingerthore, nach den vorhandenen Profilierungen“ im Frühjahr 1890 ergänzt wurden. Durch die Zeichnung Wilders kann nachvollzogen werden, um welchen Bereich der Portalrahmung es sich im Detail handelte; Neumann 1891, 44; Wilder, Georg Christian: Inneres des Stephansdomes in Wien mit Blick zum Chor, Druckgrafik, Blatt: 36 x 28,5 cm, Platte: 33,7 x 26,3 cm, 1823, Inv. DG2015/1 und in: Albertina Sammlungen Online: https://sammlungenonline.albertina.at (Zugriff am 26. Januar 2021). Wilder, Georg Christian: Seitenportal des Stephansdoms in Wien, Graphit und Tinte auf Papier, 41,1 cm x 18,4 cm, 1824, in: Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Graphische Sammlung, Inv. Nr. HB26674, Kapsel Nr. 1253. Wilder, Georg Christoph (Christian):
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Katharina Arnold und Stephan Albrecht
Abb. 2: Wien, St. Stephan, Überblendung der Innen- und Außenansicht des Bischofstors, Blick vom Inneren des Lang hauses in Richtung Norden. Abb. 3: Wien, St. Stephan, Schnitt durch die Bogenzone des Bischofstors
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an der Außenfassade ein monolither Reliefblock, der das untere Register des Tympanons umfasst. Der Reliefblock ist etwas breiter als die Türöffnung, sodass sein Gewicht beidseitig auf einer Länge von 54 cm auf dem Mauerwerk des Gewändes aufliegt. Anschließend wurde der Baldachinfries und die weiteren Reliefplatten bis zur Tympanonspitze eingesetzt sowie damit einhergehend der Zwischenraum der Entlastungsbögen im Langhausinnern geschlossen (Abb. 3). Die Beobachtungen zum Bauprozess geben einen Einblick in die enge Koordination von Entwurf und Ausführung innerhalb der Wiener Baustelle: Größe und Zuschnitt der einzelnen Steinblöcke sind nicht nur Bestandteile des statischen Systems, sondern auch direkt auf die einzelnen Phasen der Aufstellung hin konzipiert.
St. Stephansdom. Eingangshalle nächst der Kreuzkapelle mit der Geheimschrift Herzog Rudolf des Stifters, Kupferstich auf Papier, 1824, in: Archiv des Wien Museums, Inv. Nr. HMW 9.531 sowie Radierung 1824, D/III/52/89, Albertina Sammlungen Online: https://sammlungenonline.albertina.at (Zugriff am 26. Januar 2021) siehe dazu Abbildung 11 im Beitrag von Barbara Schedl in diesem Band.
Die Wiener Fürstenportale
Der Aufstellungsprozess erlaubt Rückschlüsse auf das Verhältnis von architektonischer und skulpturaler Produktion. Für das Bischofstor ist anzunehmen, dass die Archivoltenfiguren aufgrund der großen stilistischen Übereinstimmungen mit den Tympanonreliefs, auf die schon Antje Middeldorf-Kosegarten hingewiesen hat8, gleichzeitig entstanden sind. Im Singertor sind die Verhältnisse anders. Hier sind die beiden oberen Heiligenfiguren Thomas und Judas Thaddäus in der inneren Archivolte Bestandteil des Mauerverbands. Sie sind als einzige mit dem Archivoltenstein aus einem Block geschlagen. Zusammen mit den nun jedoch eingehängten oberen Figuren, Bartholomäus und Jakobus dem Älteren, der äußeren Archivolte bilden sie stilistisch eine Gruppe, die zweifellos in einer Kampagne produziert wurde. Die übrigen sechs Archivoltenfiguren unterscheiden sich stilistisch deutlich hiervon. Wie bei den formal sehr unterschiedlichen Tympanonplatten muss dies nicht zwingend auf eine zeitliche Differenz hindeuten, wahrscheinlicher ist auch hier eine gleichzeitige Produktion durch verschiedene Bildhauer.
2. Architektur und Skulptur an den Wiener Fürstenportalen Angesichts der fast identischen architektonischen Gestaltung von Bischofs- und Singertor fallen die Unterschiede in der Skulptur besonders ins Auge. Diese betreffen nicht nur den Stil der Figuren, sondern auch die bereits geschilderte unterschiedliche Art ihrer Anbringung; mal als Bestandteil des architektonischen Archivoltenblocks, mal als separate, eingehängte Skulptur. Für das Erscheinungsbild der gesamten Portalanlage ist dabei besonders entscheidend, dass die Figuren die vorgegebenen architektonischen Nischen unterschiedlich ausfüllen. Ein Problem, das durch die Technik der Einhängung entsteht, wenn Skulptur und Architektur nicht ausreichend aufeinander abgestimmt sind. Denn neben der Höhe, Breite und Tiefe der Figurennischen muss für die Archivoltenfiguren zusätzlich die Bogenkrümmung berücksichtigt werden. Mit zunehmender Nischengröße wird es schwieriger, Skulptur und architektonische Vorgabe in Einklang zu bringen. Im Bischofstor und im Singertor löste man diese Herausforderung auf unterschiedliche Weise. Die Archivoltenfiguren des Bischofstors passen sich durch ihre Größe und eine schlanke, fast grotesk wirkende stark geschwungene Körperform an ihren Aufstellungsort an. Um die unterschiedlichen Höhen der inneren und äußeren Archivoltennischen auszugleichen, wendete man verschiedene Kunstgriffe an: Einerseits wurden die Skulpturen der inneren Archivolte auf Sockel gestellt, andererseits sind die Baldachine der inneren Archivolte höher als die der äußeren.9 Beide Maßnahmen reduzieren die Nischenhöhe der Innenbahn und erlauben dadurch eine einheitliche Skulpturengröße. Im Singertor hingegen ordnet sich die Skulptur kaum den architektonischen Vorgaben unter: Die Bogenkrümmung der Archivolten spiegelt sich nicht in der Körperhaltung der Figuren. Im Gegensatz zur Einheitlichkeit der skulpturalen Ausstattung des Bischofstors variieren die Archivoltenfiguren des Singertors in ihren Dimensionen. Die inneren Archivoltenfiguren sind ca. 0,15 m größer als die Skulpturen der äußeren Archivolte. Eine Ausnahme bilden die vier oberen Figuren, 8 9
Kosegarten 1965, 90–92. Dieses Phänomen taucht auch beim Singertor auf.
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Katharina Arnold und Stephan Albrecht
Abb. 4: Wien, St. Stephan, Singertor, Abarbeitung des Bogenprofils zugunsten der Archivoltenfigur des hl. Petrus.
bei denen auf eine annähernd einheitliche Körperdimensionierung der Portalskulptur geachtet wurde. Die Koordinierung von Skulptur und Architektur stellte offenbar ein Problem dar: Eine Reihe von Skulpturen musste gekippt werden, damit sie in ihre Nische passen. Viele Figuren greifen zudem in die Profile der Bögen ein, die zu diesem Zweck bei der Aufstellung abgeschlagen wurden (Abb. 4). Bei der Herstellung wurden die Aufstellungsbedingungen also nicht ausreichend berücksichtigt. Die entstandenen Schäden mussten schließlich mit Stuck kaschiert werden, damit sie das Erscheinungsbild nicht beeinträchtigten. Insgesamt ist aber eine mangelhafte Koordination von Architektur und figürlicher Skulptur unübersehbar. Die Unregelmäßigkeiten lassen darauf schließen, dass verschiedene Kräfte weitgehend orts- und werkstattunabhängig an der Skulptur gearbeitet haben. Ihnen lag vermutlich lediglich der zweidimensionale Plan mit den wesentlichen Maßen vor, in der Ausführung scheint es jedoch kaum Austausch unter den Bildhauern gegeben zu haben. So zeigt sich an den Wiener Portalen eine ungewöhnlich große stilistische und technische Bandbreite, wie sie aus dem 13. und frühen 14. Jahrhundert bislang nicht bekannt ist. In dieser Uneinheitlichkeit könnte sich das Fehlen einer größeren Bauhütte bemerkbar machen. Außerdem würde es für eine Ausführung unter großem Zeitdruck sprechen.10
3. Kunsthistorische Bewertung: Die Wiener im europäischen Zusammenhang Kurz nach der Mitte des 14. Jahrhunderts entstanden die Wiener Fürstentore geradezu in einer Hochkonjunkturphase der Figurenportale im deutschen Reich. Fast gleichzeitig wurden ähnlich umfangreiche Anlagen in Augsburg, Schwäbisch-Gmünd, Ulm, Nürnberg (Lorenzkirche, Frauenkirche), Wetzlar, Thann und Köln (Petersportal) gebaut. Die meisten dieser Kirchen erhielten sogar wie in Wien zeitgleich mehrere Figurenportale. Vergleicht man die Portale aus der Jahrhundertmitte mit denen aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, so möchte man diese Anlagen geradezu als „klassische“ Portale bezeichnen. Basieren die um 1300 geplanten Portale in Köln (Dom, Riß F), Worms (Dom und Liebfrauen) und Freiburg auf der Rezeption der figurenreichen französischen Vorgaben, so lässt sich in den folgenden Jahrzehnten eine Reduktion der figürlichen Elemente beobachten. In Breisach, Esslingen, Magdeburg und Erfurt beispielsweise konzentriert sich der figurale Schmuck jeweils auf einzelne Elemente des Portals, auf das Tympanon oder das Gewände. Darüber hinaus zeichnen sich einige Ensembles wie z. B. in Erfurt durch eine große Experimentierfreude und Eigenständigkeit gegenüber den französischen Vorgaben aus. Umso auffälliger ist der Wechsel, wie er stellvertretend in Wien zu beobachten ist. Die Tympana der drei, kurz vor 1350 entstandenen, Westportale der Wiener Minoritenkirche (Abb. 5) unterscheiden sich hinsichtlich ihrer plastischen Ausstattung. Links befindet sich gar keine Skulptur, rechts nur im Tympanon, und in der Mitte treten noch Gewändefiguren hinzu – vermutlich ein Moment der Steigerung zum Zentrum
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10 Vgl. hierzu den Beitrag von Katharina Arnold in diesem Band – Die Verwendung unterschiedlicher Fußmaße beim Bau des Singer- und des Bischofstors sprechen ebenfalls gegen eine reglementierte Bauhüttenorganisation.
Die Wiener Fürstenportale
Abb. 5: Wien, Minoritenkirche, Westfassade mit Haupt- und Nebenportalen, 1340–1350.
hin. Hinsichtlich ihrer Profilierung sind alle Gewände unterschiedlich gestaltet. Allen gemeinsam ist jedoch die Gliederung der Eingänge durch zwei Lanzetten. Demgegenüber scheinen die Fürstentore von St. Stephan fast ostentativ zum klassischen Typ des französischen Kathedralportals und seinen deutschen Varianten am Unter- und Oberrhein (Straßburg, Freiburg, Worms) zurückzukehren. Wie in den oben genannten zeitgleichen Anlagen der Jahrhundertmitte von Augsburg bis Köln (Petersportal) finden sich hier alle Elemente vereint: Gewändefiguren, Konsolengel, Archivoltenfiguren, Tympanon. Sogar das Tympanonfeld zeigt mit zwei Registern zwischen trennendem Baldachinfries eine für die französische Portalstruktur des 13. Jahrhunderts fast kanonische Disposition. Ob es sich hierbei um eine direkte Bezugnahme auf ältere Anlagen im Sinne eines Zitats handelt, ist kaum zu entscheiden. Fest steht jedoch, dass diese Besinnung auf einen „klassischen Portaltyp“ mit einem Mehrbedarf an Skulptur einherging, den man in Wien offenbar nur durch Beschäftigung verschiedener Bildhauerwerkstätten einlösen konnte. Ungeachtet dessen sind die Wiener Fürstentore in ikonografischer, stilistischer und technischer Hinsicht von großer Innovations- und Experimentierfreude geprägt. Die originelle Idee das Herzogspaar, Rudolf IV. und Katharina von Böhmen, zusammen mit ihren Wappenträgern im Gewände zu platzieren, macht die Eingänge zu Stiftermonumenten.11 Typengeschichtlich bedeutet die Verschmelzung von Gewänden und Archivolten eine wichtige Neuerung, die zur formalen Vereinheitlichung der Portalanlage beiträgt. Diese betrifft gleichermaßen die architektonische wie die figurale Gestaltung. Die einheitliche Profilierung von Gewände und Archivolten ohne Unterbrechung durch einen Kapitellfries wurde bereits am Südquerhaus der Kathedrale von Paris (nach 1258) eingeführt. Während diese Lösung in Frankreich nur zögerlich Nachfolge fand, wurde sie in den deutschen Städten mehrfach weiterentwickelt (z. B. Reutlingen, um 1320; Schwäbisch-Gmünd, 1320; St. Michael in Hildesheim, 11 Kosegarten 1965, 76–77; Schmidt 1977/78, 179–206.
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Katharina Arnold und Stephan Albrecht
Abb. 6: Nürnberg, Frauenkirche, nördliches Seitenportal der Portalvorhalle.
Anfang 14. Jahrhundert; Minoritenkirchen in Köln und Wien, beide 1. Hälfte 14. Jahrhundert). Allerdings handelt es sich hierbei um eine rein architektonische Profilierung ohne Skulptur. Die Anpassung des Skulpturenmaßstabes von Gewände und Archivolten ist eine wesentliche Erfindung der Wiener Fürstentore.12 Die einheitliche Gesamtwirkung wird noch dadurch gesteigert, dass über die Figuren hinaus auch die Baldachine in Form und Größe übereinstimmen. Diese Charakteristika verbinden die Wiener Portale mit der zeitgleich entstandenen Vorhalle der Nürnberger Frauenkirche (Abb. 6).13 Die Diskrepanzen zwischen innerer und äußerer Archivolte fallen hier
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12 Der eher unharmonische Übergang von Gewände- in Archivoltenzone am Südportal des Wormser Domes (um 1325) mit erheblichen Maßstabssprüngen wird hierfür kaum als Vorbild gedient haben. Lit. zu Worms: Niehr 2001, bes. 178–183; Schmitt 1917/18; Sebald 1999; Dengel-Wink 1990, 177–179. 13 Eine eingehende Beschäftigung mit den Skulpturen der Frauenkirche steht noch aus. Vgl. Bräutigam 1965 und Blohm 1993.
Die Wiener Fürstenportale
je-
Abb. 7: Wien, St. Stephan, Singertor, Engel der inneren Archivolte. Abb. 8: Troyes, Saint-Urbain, mittleres Westportal, 1265/66.
Abb. 9: Mantes, Stiftskirche Notre-Dame, südliches Westportal, um 1300.
doch geringer ins Gewicht: Während in Wien auf vier Figuren in der inneren Archivolte sechs in der äußeren kommen, besitzen in Nürnberg beide Archivolten jeweils sechs Skulpturen. Die durch verschiedene Bogenradien verursachten unterschiedlichen Nischengrößen werden hier durch variierende Baldachine ausgeglichen. Zwischen Gewände und Archivolten bleibt in Nürnberg dadurch die Maßstäblichkeit gewahrt, dass in den Bogenradien Sitzfiguren weniger Platz beanspruchen. Voraussetzung für eine einheitliche Figurengröße innerhalb des Portals ist eine technische Innovation: die vollständige Loslösung der Skulptur von der Architektur. Seit der Einführung der Archivoltenfiguren in Frankreich im 12. Jahrhundert war deren Gestaltungsspielraum durch die Formatvorgaben der Bogensteine beschränkt. Im Poitou und noch in Saint-Denis löste man dieses Problem, indem man die Figuren über mehrere Steinblöcke hinweg erstreckte. Dabei wird die Wirkung der Skulptur durch ihre geringe Plastizität und die Unterbrechung durch Fugen beeinträchtigt. Seit den Westportalen der Kathedrale von Chartres (Mitte des 12. Jahrhunderts) beschränkten sich die Archivoltenfiguren jeweils auf einen Steinblock, was die Plastizität erhöhte, aber die Dimension limitierte. In den Wiener Fürstenportalen erlangte man die Anpassung aller Figurenmaßstäbe durch die Loslösung der Figuren vom Mauerverband. Dabei übertrug man die Anbringungstechnik der Gewändefiguren mit Eisenverankerungen auf die Archivolten, berücksichtigte jedoch nicht ausreichend die besonderen Bedingungen durch die Bogenkrümmungen. Unabhängig von der Architektur konnte man die Skulpturen bei verschiedenen Bildhauern extern in Auftrag geben. Dies beschleunigte möglicherweise die Herstellung, was jedoch – wie beschrieben – zur Folge hatte, dass
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Katharina Arnold und Stephan Albrecht
Abb. 10: Köln, Dom, Petersportal, Archivoltenfigur eines Propheten. Orthogonale Ansicht der Vorder-, Seiten- und Rückansicht eines hochauflösenden Laserscan- basierten 3D-Flächenmodells.
bei der Montage der Figuren noch erhebliche Korrekturen vorgenommen werden mussten. Dennoch setzte sich diese Methode seit der Mitte des 14. Jahrhunderts zunehmend durch, wie die Beispiele in Köln (Petersportal), Prag, Wetzlar, Langensalza, Regensburg (Dom), Eichstätt (Dom) und Würzburg (Liebfrauenkirche) zeigen. Die bautechnische Befreiung der Skulptur von dem architektonischen Verband nutzen die Wiener Bildhauer für einen besonderen künstlerischen Effekt: Anstelle der Schlusssteine im jeweiligen Bogenscheitel ragen Engelfiguren so weit aus den Archivolten heraus, dass sie dem Betrachter entgegenzufliegen scheinen (Abb. 7). Technisch werden diese Wesen an der Rückseite von Eisenhaken gehalten, es entsteht jedoch der Eindruck, als kämen sie an dieser Stelle aus dem Innenraum, um den Besucher mit himmlischem Gesang zu empfangen. Es handelt sich dabei um eine ikonografische Idee, die bereits an französischen Vorbildern entwickelt wurde, so zum Beispiel am Westportal von Saint-Urbain in Troyes (Abb. 8) und dem linken Westportal der Stiftskirche in Mantes (Abb. 9). In Wien erhielt dieses Motiv mithilfe der neuen Bautechnik eine bis dahin unbekannte sinnliche Erfahrbarkeit. Die separate Herstellung von Architektur und Skulptur musste jedoch nicht zwangsläufig zu Diskrepanzen und Qualitätseinbußen führen. Zu welchem Grad an Präzision eine erfahrene Bauhütte in der Lage war, zeigt das Petersportal am Kölner Dom. Hier stimmen nicht nur die Höhen, Breiten und Tiefen von Nischen und Figuren überein, auch die Positionierung der Skulpturen und der Neigungswinkel ihrer Aufstellung wurden berücksichtigt. Dank der musealen Präsentation lassen sich die Archivoltenfiguren aus nächster Nähe analysieren:14 Dabei wird deutlich, dass jede Skulptur (Abb. 10) auf unterschiedliche Weise mit individuellen perspektivischen, dreidimensionalen Projektionen auf den jeweils geplanten Standort am Portal Rücksicht nimmt. Eine solche Perfektion bedeutet einen erheblichen Planungsaufwand. Sie wird nur durch eine sehr enge Abstimmung von Architekten und Bildhauern innerhalb eines Bauhüttenverbands möglich. In der Verbindung von bautechnischen und kunsthistorischen Untersuchungen zeichnet sich an den Wiener Fürstenportalen ein klareres Bild zur Werkstattorganisation ab. Beide Anlagen basieren auf derselben Entwurfskonzeption, für die Profile wurden identische Schablonen verwendet.15 Bei der Ausführung waren hingegen
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14 Wir danken Frau Dr. Leonie Becks, Leiterin der Kölner Domschatzkammer, für die freundliche Erlaubnis, einige der Figuren mithilfe des Laserscans zu vermessen. 15 Die Profile beider Portale sind in ihrer Form und Dimensionierung völlig identisch.
Die Wiener Fürstenportale
unterschiedliche Ateliers tätig. Ein Trupp war offensichtlich auf architektonische Details spezialisiert und fertigte nach sehr präzisen Angaben Profile und Baldachine für beide Portale an. Während wir bei den figürlichen Arbeiten des Bischofstores von einer homogen arbeitenden Werkstatt, vielleicht auch einem einzigen Meister ausgehen können, waren am Singertor verschiedene Bildhauer beteiligt. Allen Kräften müssen genaue Maßangaben vorgelegen haben. Die meisten Bildhauerarbeiten waren abgeschlossen, als man in einer gemeinsamen Kampagne beide Portale gleichzeitig im Verband mit den umliegenden Seitenschiffwänden aufmauerte. Die enge Koordination der verschiedenen Arbeitsschritte setzt die Existenz detaillierter Zeichnungen voraus. Sie stammten aus der Feder eines innovativen, experimentierfreudigen Kopfes mit weitreichenden überregionalen Kenntnissen. Es ist gut möglich, dass es sich dabei um einen Architekten im heutigen Sinne handelte,16 der präzise Entwürfe lieferte, die Ausführung aber ortsansässigen Handwerkern überließ. Dann wäre seine Anwesenheit auf der Baustelle nicht erforderlich gewesen.17 Kündigt sich in der Trennung von Entwurf und Ausführung bereits ein neuer Künstlertyp des Spätmittelalters an?
16 Vgl. hierzu die Überlegungen zum Architektenberuf bei Kurmann 1989. 17 Vielleicht gehen die Fürstenportale und die Vorhalle der Nürnberger Frauenkirche auf denselben Architekten zurück. So ließen sich die großen Übereinstimmungen im Entwurf und die Unterschiede in der bildhauerischen Ausführung erklären.
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Ruth Tenschert
Die Wiener Fürstenportale Neue Beobachtungen zum Bestand und der Veränderungsgeschichte
1. Einleitung Das Erscheinungsbild der mittelalterlichen Langhausportale des Wiener Stephansdoms – das sogenannte Bischofstor auf der Nordseite und das korrespondierende Singertor auf der Südseite – ist in seinem heutigen Äußeren durch mehrere Faktoren geprägt worden: Neben der Konzeption im Entwurfsprozess sind die Fürstentore und ihre architektonische Rahmung Produkte der Restaurierungs- und Veränderungsgeschichte. Ein weiterer wesentlicher Punkt bei der Bewertung des aktuellen Zustands ist der Schutz vor Verwitterung durch die später angebauten Vorhallen. Zu beachten sind neben den baulichen Veränderungen auch die Wandlungen der ornamentalen und figuralen Details des Portalschmucks. Trotz einer ähnlichen Grundkonzeption1 unterscheiden sich die beiden Portale heute grundlegend in ihrem Aussehen. Dies resultiert vor allem aus kontrastierenden Oberflächencharakteristika: Während das Bischofstor erstaunlich abgenutzt und verschmutzt erscheint, wirkt das Singertor zwar gealtert, aber nahezu sauber und weitgehend unberührt. Um den Gegensatz zu verstehen, sind ein detailliertes Literatur- und Quellenstudium sowie die Analyse der Veränderungsmaßnahmen, denen die Portale unterzogen wurden, am Bau unerlässlich. Im Oktober 2015 ergab sich im Rahmen des BMBF-Projektes „Mittelalterliche Portale als Orte der Transformation“ die Möglichkeit, die Fürstenportale und ihre Oberflächen in Kooperation mit der Dombauhütte Wien2 und dem Bundesdenkmal eingehender auf Spuren vergangener Eingriffe zu untersuchen. Die Resultate werden im Folgenden zusammenfassend vorgestellt.
2. Frühe Veränderungen – Anbau der Vorhallen Die Fürstentore wurden in der Regierungszeit Herzog Rudolfs IV. (1358–1365) errichtet.3 Dabei waren die beiden Langhausportale nicht von Anfang an durch Vorhallen geschützt. Aus der vorhandenen Literatur und anhand der schriftlichen Quellen ist nicht genau zu fassen, wann die polygonalen Anbauten vor die Portale gesetzt wurden. Um ihre Entstehungszeit einzugrenzen, helfen an erster Stelle
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Vgl. den Beitrag von Katharina Arnold in diesem Band. Für die hervorragende Unterstützung sei hier allen Mitarbeitern der Dombauhütte gedankt, vor allem aber Franz Zehetner. Schedl 2018, 52–54, 64–74. Zum Bauablauf vgl. die Beiträge von Stefan Breitling und Katharina Arnold in diesem Band.
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Abb. 1: Wien, St. Stephan, Aufriss der Singertorvorhalle, Akademie der bildenden Künste (Inv. Nr. 17.501).
zeitgenössische Pläne. So haben sich für die Vorhalle am Singertor im Süden ein Grundriss- und ein Aufrissplan erhalten, die näheren Aufschluss über Entwurfsund Ausführungszeit liefern können.4 Für die Vorhalle des Bischofstors sind hingegen keine Planungs- oder Umsetzungsunterlagen überliefert. Nach der vorherrschenden Forschungsmeinung soll die Vorhalle des Singertors vor der des Bischofstors entstanden sein: Tietze nimmt als Entstehungszeit 1440– 1450 an.5 Der mittelalterliche Planriss, der in der Akademie der bildenden Künste 4
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Böker 2005, 31–35; Koepf 1969, 2–5. Aufriss der Singertorvorhalle Akademie der bildenden Künste, Inv.Nr. 17.501 (Abb. 1); Weitere Planrisse der Singertorvorhalle: Maßwerkfenster der Singertorvorhalle Akademie der bildenden Künste, Inv.Nr. 17.037; Grundriss mit Gewölbekonfiguration der Singertorvorhalle Akademie der bildenden Künste, Inv. Nr. 16.826. Vgl. dazu auch den Beitrag von Stefan Breitling in diesem Band. Tietze 1931, 132–133.
Die Wiener Fürstenportale
Abb. 2: Wien, St. Stephan, Holzschnitt aus dem Wiener Heiligthumsbuch von 1502.
in Wien6 aufbewahrt wird und auf dem die Halle dargestellt ist, wurde von Koepf ebenfalls in die Zeit um 1440 datiert (Abb. 1).7 Böker widerspricht der frühen Datierung der Planzeichnung und ordnet den Aufriss der Singertorvorhalle wegen der Wasserzeichen des Papiers in die 1460er-Jahre. Aufgrund der von der Planzeichnung abweichenden Ausführung folgert er, dass eine Errichtung erst nach dem Anfertigen der Zeichnung erfolgt sein kann. Er interpretiert den vorliegenden Riss demnach als Teil des Entwurfsverfahrens; Abänderungen in der Ausführung seien dabei als bewusste Entscheidung der Bauherren beziehungsweise der ausführenden Bauhütte zu interpretieren.8 Für eine Datierung der Singertorvorhalle in die 1460er-Jahre spricht laut Böker zudem der überlieferte Aufriss des Anbaus der Magdalenenkapelle, welche in den Jahren 1473–78 entstanden ist und sich auf die damals bereits bestehende Vorhalle
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Aufriss der Singertorvorhalle Akademie der bildenden Künste, Inv.Nr. 17.501; An dieser Stelle sei René Schober herzlich gedankt, der uns dankenswerterweise die Pläne im Original einsehen ließ. Koepf 1969, 2. Böker 2005, 365 f. 155
Ruth Tenschert
Abb. 3: Wien, St. Stephan, Übergang von Portal zu Vorhalle des Singertores.
am Singertor beziehen soll.9 Den Planriss datiert Böker im Gegensatz zu Koepf in die Zeit um 1470.10 Für das Bischofstor im Norden wird der Anbau an das Portal von Tietze für die Jahre um 1510–15 angenommen.11 Seine These wird nicht nur durch die bereits mehrfach diskutierten12 stilistischen Unterschiede zur Singertorvorhalle, sondern auch durch einen Holzschnitt im Heilthumsbuch von 1502 unterstützt (Abb. 2). Dort ist die Nordseite des Stephansdoms noch ohne Vorbau gezeigt.13 Auch Tschischka unterstützt die Annahme eines späteren Anbaus in seiner Beschreibung des Stephansdoms aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, in der er festhält, dass Portal und Vorhalle nicht aus derselben Zeit stammen.14 Eine Datierung der Vorhalle am Bischofstor nach 1502 scheint aufgrund der Quellenlage durchaus plausibel, zumal damit zumindest ein terminus post quem für den Anbau im Norden definiert wäre. Bauliche Indizien für einen nachträglich angebrachten Vorbau der Vorhallen an beiden Portalen liefern Unregelmäßigkeiten an den Übergängen von der Portalarchitektur zur Architektur der Vorhalle: So schneidet das Gewölbe der Vorhalle in die Kreuzblume ein, die den äußeren, mit Krabben besetzen Kielbogen bekrönt. Dieser massive Eingriff in die eigentliche Portalkonzeption spricht gegen eine gemeinsame Bauphase von Portal und Vorhalle. Ein weiterer Hinweis lässt sich aus dem Übergang des mit Blattranken geschmückten Bogens in die Baldachine der Vorhalle ableiten, der aus der Not geboren und nicht konzeptionell durchdacht zu sein scheint: Die Schmuckformen sind zum Teil abgearbeitet und es wurden jeweils individuelle Lösungen für die Übergänge gefunden, die ebenfalls auf eine Anpassung im Nachhinein schließen lassen. Obwohl diese Besonderheiten an beiden Portalanlagen zu beobachten sind, wird es besonders deutlich am östlichen Wandanschluss des Singertors, bei dem die Blattranken und der Baldachin individuell angepasst wurden (Abb. 3).
3. Restaurierungen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts 3.1 Das Bischofstor Für die Jahrhunderte nach dem Anbau der Vorhallen berichten die vorhandene Literatur und schriftliche Quellen wenig über das Schicksal der beiden Langhausportale. Erst für die Mitte des 19. Jahrhunderts sind konkrete Eingriffe an den Portalen und in ihrem Umfeld überliefert. Vergleichbar mit anderen europäischen Großkirchen standen auch am Wiener Stephansdom umfangreiche Instandsetzungs- und Restaurierungsmaßnahmen an. Das öffentliche Interesse an der Erhaltung der Domkirche war gestiegen, der Wunsch nach einer Restaurierung des „National-
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Böker 2005, 365–368. Die Vorhalle der Magdalenenkapelle könnte sich allerdings auch auf eine bereits in den 1440er-Jahren erbaute Vorhalle am Singertor beziehen. Aufriss der Magdalenenkapelle Akademie der bildenden Künste, Inv.Nr. 16.890. Böker 2005, 89–90. Tietze 1931, 137. Tietze 1931, 132–137; Koepf 1969, 2–5. Böker 2007, 199; Neumann 1897b, 166; Tietze 1931, 156. Tschischka 1843, 62.
Die Wiener Fürstenportale
denkmals“ wurde lauter.15 Diese Willensbekundungen werden u. a. durch großangelegte Pläne zum Ausbau des Nordturms und einer umfangreichen Umgestaltung der Westfassade im rein gotischen Stil unterstrichen. Beide Vorhaben wurden im Gegensatz zum Ausbau der, bis dato fast vollständig fehlenden, Schmuckgiebel am Langhaus jedoch nicht umgesetzt.16 Man befasste sich verstärkt mit dem als teilweise desolat empfundenen Zustand des Bauwerks, suchte nach Möglichkeiten zur Erhaltung und konstatierte akuten Handlungs- und Restaurierungsbedarf für nahezu alle Mauerwerks- und Gewölbeabschnitte.17 Hierfür sollten eigens ein Komitee zur Überwachung der Arbeiten eingerichtet und ein Baumeister bestellt werden.18 Bezogen auf die Eingangssituationen und Portale beschäftigte man sich hauptsächlich mit dem Riesentor an der Westseite, mit dessen Restaurierung im Jahr 1846 begonnen wurde.19 Eine Erneuerung der anderen Zugänge, auch der beiden Fürstentore, wurde zunächst zurückgestellt.20 Dies änderte sich auf Anregung des späteren Dombaumeisters Leopold Ernst, der weitergehende Maßnahmen am Bischofstor vorschlug, mit denen 1857 begonnen wurde.21 Die Leitung der Arbeiten wurde dem Bildhauer Franz Schönthaler übertragen, der zuvor schon andere Bauvorhaben am Dom betreut hatte.22 Insgesamt war für das Portal ein recht schmaler Finanzrahmen von 770 fl (Gulden) vorgesehen, wovon alleine 170 fl für die Einrüstung eingeplant waren.23 Die im Nachhinein höchst umstrittenen Arbeiten fallen in eine Zeit, in der die staatlich organisierte Denkmalpflege erst im Entstehen begriffen und der Wille zur Erhaltung zwar groß, die finanziellen Mittel aber gering waren.24 Über die Art und Weise des Herangehens und die Ausführung der Arbeiten gab es von Anbeginn erhebliche Meinungsverschiedenheiten: So berichtet der Konservator für Wien, Albert Camesina, nach einem Besuch auf dem Gerüst in der Bischofstorvorhalle in einem Brief an den Präsidenten der k. k. Centralcommision zur Erhaltung und Erforschung der Baudenkmale am 28. April 1857:25 [...] daß zwei Knaben von 12–13 Jahren, ein Junge von 15 Jahren und ein älterer Steinmetzgeselle sich beschäftigten die dort befindlichen herrlichen von allen Kunstkennern und Archäologen bewunderten Skulpturen, sowohl Ornamente als Figuren und Basreliefs, welche steinerne Überreste sind von der schönen blühenden Kunst in Österreich [des] 14t Jahrhunderte, von denen wir wenige solch klassische Monument mehr 15 Heider 1857, 1–7; Weiss 1857, 225–227. 16 Hierzu ausführlich: Tietze 1931, 66–87; Kleindienst 1881–1886, 51–86; Kassal-Mikula 1997, 400–407. 17 Kleindienst 1881–1886; Kassal-Mikula 1997, 400. 18 Archiv des Bundesdenkmalamts (BDA), Hofburg, Wien, Stephansdom, überlange Formate, 1857_Z.354. 19 Dahm 2008, 192 f. Bereits 1881 wurde demnach wieder Hand ans Riesentor gelegt. 20 Schmidt 1882, 61. 21 Kleindienst 1881–1886, 63. 22 Tietze 1931, 70; Kleindienst 1881–1886, 63; Krause 1999, 95. 23 Kleindienst 1881–1886, 63. 24 Frodl 1988, 15; Kassal-Mikula 1997, 400 f. 25 Im Jahr 1850 war der Startschuss für die Gründung der „Centralcommision zur Erhaltung und Erforschung der Baudenkmale“ gefallen, die drei Jahre später ihre Arbeit aufnahm. Zu Beginn hatte das Gremium lediglich beratende Funktion. Frodl 1988, 76–83; Koller 1991, 77.
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Abb. 4: Wien, St. Stephan, Bischofstor, Flächenhafte Überarbeitung der gesamten Portal architektur und des figuralen und ornamentalen Schmucks. Abb. 5: Wien, St. Stephan, Bischofstor, Detail der Überarbeitungsspuren mit Schleifrillen hinter dem Helmträger.
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besitzen […] Abbkratzübungen an [zu] stellen.26 Man solle seiner Meinung nach die Kunstwerke schützen und nicht solchen Individuen zu Kratzübungen überlassen27. Auf die Beschwerde Camesinas hin wurden die Arbeiten zunächst eingestellt, um die Centralcommision bezüglich des weiteren Vorgehens zu befragen: Wirklich ernst scheint man seine Einwände nicht genommen zu haben, denn bereits im Oktober desselben Jahres kam es zur Fortsetzung der Maßnahme, die man schließlich 1858 beendete.28 Aus den 1930er-Jahren wissen wir, dass Mitte des 19. Jahrhunderts unter Schön thaler hauptsächlich die Abnahme einer „fingerdicken Tünche“ im Vordergrund stand und Ergänzungen nur in geringem Maße vorgesehen waren.29 Das Aussehen wird im gleichen Zug wie folgt beschrieben: „der Eindruck weitgehender Abhäutung, den dieser Portalschmuck heute macht, geht aber doch wohl auf ein damals angewandtes Übermaß von Energie zurück.“30 Demnach muss man davon ausgehen, dass vor allem massive mechanische Reinigungsarbeiten zur Abnahme von Anstrichen und Schmutzbelägen durchgeführt wurden. Dies bezeugen die noch heute am Bischofstor unschwer erkennbaren Kratz- und Schleifspuren, die zur Verunklärung des skulpturalen, ornamentalen und profilierten Bestands geführt haben (Abb. 4 und Abb. 5). Millimetertiefe Riefen und die Zurundung von Ecken und Kanten durch hand- und werkzeuggerechtes Abschleifen sind am äußeren Portalbogen allerorten anzutreffen. Mittelalterliche Originaloberflächen oder Farbreste sucht man hier und am gesamten Portal vergebens. Auch haben sich keinerlei Überreste einer „fingerdicken Tünche“ erhalten, die von Malschichten aus dem Mittelalter und den Zeiten danach künden würden. Wenn überhaupt, sind lediglich einige wenige, kaum zuordenbare Farboder Anstrichreste vorhanden.31 Geht man von der beschriebenen „weitgehenden Abhäutung“ des Bischofstors aus, sollte das Portal im Anschluss an die Arbeiten unter Schönthaler einen „sauberen“ Anblick geboten haben. Umso befremdlicher ist das heutige Erscheinungs26 27 28 29 30 31
Archiv des BDA, Wien, Stephansdom, überlange Formate, 1857_Z.172. Archiv des BDA, Wien, Stephansdom, überlange Formate, 1857_Z.172. Kleindienst 1881–1886, 63 und 77. Tietze 1931, 70. Tietze 1931, 70. Vgl. den Beitrag von Johann Nimmrichter in diesem Band.
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bild, das von Verschwärzungen geprägt ist, die dem Portal einen vernachlässigten und abgenutzten Charakter verleihen. Als mögliche Ursachen für die drastische Verschmutzung des an sich geschützten Innenraums in einem Zeitraum von nur 150 Jahren ließen sich der zusätzliche Einsatz von Reinigungsmitteln (Schmierseife, Sodalösung) oder die Nachbehandlung mit Ölen oder anderen organischen Bindemitteln anführen.32 Beides führt zur effektiven Bindung von Feinstaub, Ruß oder Hausbrandpartikeln, welche durch die Nutzung als Verkehrsweg oder Andachtsstätte in die Vorhalle eingebracht worden sein könnten. Besondere Ereignisse (Brandeinwirkung, Bauschäden) werden in der Literatur oder den Quellen zumindest nicht erwähnt und sind auch der Bauhütte nicht bekannt. In der Mitte des 19. Jahrhunderts änderten sich die Zuständigkeits- und Finanzierungsverhältnisse am Dom: Mitte 1857 wurde mithilfe staatlicher und städtischer Mittel das Dombau-Komitee gegründet und ab dem 26. April 1858 Leopold Ernst zum ersten Dombaumeister des Wiener Stephansdoms bestellt.33 Im Jahr 1881 ersetzte der 1880 gegründete Dombau-Verein das Dombau-Komitee.34 Parallel konstituierte sich die österreichische Denkmalpflege: Bereits 1850 wurde vom Kaiser die Gründung der k. k. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale genehmigt, anfänglich noch ohne eigenen Etat. Zunächst war sie zudem dem Handelsministerium untergeordnet. 1853 begann man mit der Einsetzung der Konservatoren und veröffentlichte die gesetzlichen Bestimmungen über den Wirkungskreis der k. k. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Konservatoren und Baubeamten. 1859 wurde die Kommission schließlich dem Ministerium für Kultus und Unterricht zugeordnet.35 Die Restaurierung des Bischofstores fiel damit in eine Umbruchzeit, in der es noch keine einheitliche Haltung in denkmalpflegerischen Fragen hinsichtlich der Restaurierung oder der Konservierung des gebauten Bestands gab.36 Dehios Diktum „Konservieren – nicht Restaurieren“ folgte erst einige Jahre später und auch Alois Riegls Denkmalwerte sollten erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts veröffentlicht werden.37
3.2 Das Singertor Als sinnfälligen Ausdruck der Umbruchzeit könnte man das gänzlich andere Vorgehen am Singertor anführen, das circa 40 Jahre nach dem Bischofstor keiner reinigenden Gewaltkur, sondern vielmehr einer peniblen handwerklichen Renovierung unterzogen wurde. Dem Bericht des Dombauvereins von 1893 ist Folgendes zu entnehmen: „der figurale Schmuck des Singerthores ist beinahe vollständig renovirt, für die leeren Figurennischen der Vorhalle wurden drei neue Statuen angefertigt, 32 Ein zeitgleiches Beispiel ist das Weltgerichtsportal von St. Sebald in Nürnberg, das durch eine Nachbehandlung mit technischem Öl im Jahr 1868 in der Folgezeit extrem verschmutzte. Drewello/Herkner 2009, 39–45. 33 Kleindienst 1881–1886, 98–100. 34 Kleindienst 1881–1886, 162–163; Kassal-Mikula 1997, 400 f. 35 Frodl 1988, 76–78, 85–110, 168–173, Auszug aus Instruktionen vom 24. Juni 1853: Anhang 11, 196–204. 36 Koller 1991, 77; Frodl 1988, 98–99. 37 Hubel 2011, 84–94; Huse 1984, 108–115, 131–139.
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und die Ergänzungen an der reich gegliederten Architektur dieser Vorhalle sind so weit gediehen, daß die Vollendung der Arbeiten zu Beginn des nächsten Jahres zu gewärtigen ist.“38 Unter „renovirt“ hat man zum einen die Neuanfertigung von Figuren und die Komplettierung des Figurenprogramms im neogotischen Stil zu verstehen. Zum anderen gehören „Ergänzungen an der reich gegliederten Architektur“ zum Programm, die als präzise steinmetzmäßige Passstücke aus Werkstein in der Bauhütte gefertigt und akkurat an den zurechtgearbeiteten Originalbestand angepasst und dort verklebt wurden. Was unter der „Renovierung des figuralen Schmuckes“39 zu verstehen ist, bleibt ungewiss und kann sich sowohl auf Passstücke in Naturstein als auch auf plastische Modelliermassen beziehen. Unabhängig von der Werktechnik muss man von einer durchgeplanten und umfangreichen handwerklichen Ausbesserungs- und Ergänzungsmaßnahme am gesamten Portal ausgehen, für die es vor Ort zweifelsfreie Belege gibt (Abb. 6). Erstaunlicherweise finden sich weder in den Schriftquellen noch auf den renovierten Werkstücken des Portals Hinweise auf das Vorhandensein geschlossener Farbfassungen oder deren mechanische Abnahme. „Fingerdicke“ Tünche- oder Farbschichten, wie sie für das Bischofstor überliefert sind, oder deren Reste, fehlen komplett. Folgt man den Angaben in den Quellen, wurden laut den Mitteilungen der Dombauhütte im Jahr 1885 zunächst die Pfeilerbaldachine und Fensterwimperge am Außenbau der Vorhalle erneuert. Die Dachgalerie sollte im darauffolgenden Jahr erneuert werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Anmerkung, dass die oberen Teilbereiche des Portals nicht mehr ursprünglich seien. Bezogen auf den Verwitterungsgrad geht man während der Renovierung im 19. Jahrhundert von einer älteren Maßnahme im 18. Jahrhundert aus. Dies würde eine Maßnahme der Barockzeit bedeuten, für die es bislang keine schriftlichen Belege gibt. Ergänzend wird auf eine unsachgemäße Ausführung der älteren Maßnahme hingewiesen, die überarbeitet werden müsse. Zusätzlich seien im Inneren der Vorhalle aus statischen Gründen Teile des Gewölbes zu ertüchtigen. Die baulichen Mängel wurden offenbar beseitigt und der geplante Arbeitsumfang erweitert, was dazu führte, dass man den ursprünglich veranschlagten Betrag um 757 fl und 44 kr überschritt.40 Im Bericht über die Vereinstätigkeit aus dem Jahr 1893 liest man von einer nicht vollendeten Restaurierung im Inneren, da die wärmere Jahreszeit für die Außenarbeiten genutzt wurde. Die Arbeiten am Figurenschmuck des Singertors waren bereits vollständig abgeschlossen und auch die Skulpturen für die bis dahin leeren Figurennischen waren von Franz Erler ausgeführt worden.41 In der Folgezeit sind für 1896 die Erneuerung des Pfeilersockels und des Hauptgesimses und das Anbringen eines neuen Daches mit Dachrinnen überliefert.42 Da während der umfassenden Restaurierung der Außenbereiche zahlreiche Steine ausgetauscht
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38 39 40 41 42
Neumann 1893, 101; vgl. auch: Tietze 1931, 80. Tietze 1931, 80. Neumann 1895, 125 und 134. Neumann 1894, 119. Neumann 1896, 137, 145; Neumann 1897a, 158.
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Abb. 6: Wien, St. Stephan, Singertor, Baldachin. Links: Tageslicht. Rechts: UV-Anregung. Der Originalbestand ist mit steinmetzmäßigen Passstücken aus Naturstein versehen. Die Passstücke und die Klebefugen sind anhand ihrer UV-Aktivität zu identifizieren.
und ergänzt wurden, entschied man sich dafür, die erhaltenen Bereiche zugunsten eines einheitlichen Erscheinungsbilds zu überarbeiten. Ausgeschlossen wurden hierbei nur einige Statuen und Wasserspeier.43 Was das Überarbeiten in diesem Zusammenhang bedeutet, bleibt offen. Eine steinmetzmäßige Überarbeitung des Bestandes erscheint möglich. Den Berichten des Dombauvereins zufolge sind die Maßnahmen an der Vorhalle des Singertors im Jahr 1896 abgeschlossen. Weitergehende Erkenntnisse sprechen für eine als mangelhaft empfundene Bauausführung an den Außenpfeilern, in deren Folge der östliche Pfeiler der Vorhalle statisch ertüchtigt werden musste. Dieser war nach außen geneigt, wodurch eine Gefährdung für das Gewölbe bestand. Zusätzlich mussten im Zuge der Maßnahme 1896 der schadhafte Türsturz des mittleren Eingangs und einige Pfeiler- und Sockelquader ausgetauscht werden. Fasst man die Quellenangaben und die Befunde am Objekt zusammen, sollte das Singertor samt Vorhalle Spuren von zumindest zwei Restaurierungsphasen aufweisen, die einerseits ins 17./18. Jahrhundert und andererseits in die Zeit um 1896 datieren. Die letztgenannte Maßnahme kommt einer bildhauerischen und steinmetzmäßigen Komplettrenovierung unter weitgehender Wahrung des mittelalterlichen Bestands gleich. Der signifikante Unterschied zum Bischofstor könnte in einer anderen Farbkonzeption des Portals zu suchen sein.
3.3 Das Bischofstor zum Zweiten Im selben Jahr – 1896 – begann man mit Erneuerungsarbeiten an der Vorhalle des Bischofstors, die 1897 abgeschlossen war. Der Anbau soll „in weit besserem Zustand“ gewesen sein als der im Süden.44 Für das Singertor überschritt man nämlich 43 Neumann 1895, 134; Neumann 1896, 145 und 149; Neumann 1897a, 158 und 159. Umfangreichere Steinaustauscharbeiten sind auch der petrografischen Untersuchung zu entnehmen, vgl. Kartierung, Petrografische Untersuchung DBH. 44 Tietze 1931, 80–81.
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aufgrund des höheren Handlungsbedarfs das geplante Budget von 6500 fl deutlich um 1258 fl und 89 kr, während die Renovierung am Bischofstor mit 4715 fl und 44 kr weit günstiger als erwartet ausfiel.45 Ausgeführt wurden im Innenraum Arbeiten am Gewölbe. Im Außenbereich wurden Wimperge, die Dachgalerie sowie das Hauptgesims und der Pfeilersockel ausgetauscht. Für 1897 war noch geplant, Figuren und Ornamente im Inneren zu ergänzen und das Bodenpflaster zu erneuern. Eine einheitliche Überarbeitung des Äußeren der Vorhalle des Bischofstors war nicht vorgesehen. Probleme, die beim Arbeiten auftauchten und die Kosten46 für die Sanierung in die Höhe trieben, betrafen den Pfeiler am Anschluss zum Langhauspfeiler, der schadhaft war und bis zum Kämpfer ausgetauscht werden musste. Auch der Langhauspfeiler selbst war in Mitleidenschaft gezogen worden und musste repariert werden. Für die Maßnahmen wurde auch die Vermauerung des dort anschließenden Eingangs geöffnet.47 Bauliche Probleme an den Langhauspfeilern im Anschluss an die Vorhallen traten somit an der Nordseite und der Südseite des Kirchenbaus auf, was auf ein grundlegendes konzeptionelles und konstruktives Problem der beiden Vorhallen schließen lässt. Sie wurden auf beiden Seiten im Zuge der Renovierungsarbeiten gelöst.
4. Das 20. Jahrhundert Für das Jahr 1902 gibt es weitere Berichte über Maßnahmen an den Vorhallen. Erwähnt werden Restaurierungen an den Figuren, womit die Skulpturen an der Außenseite der Vorhalle des Singertors gemeint waren, und hier insbesondere die Steinigung des Stephanus und die Figur des Paulus, die durch Bildhauer Franz Erler ergänzt wurden.48 In den Jahren danach ist für 1927 die Erneuerung des, bis dahin eventuell noch originalen, Kupferdachs der Vorhalle am Bischofstor überliefert.49 1934 werden Bauschäden am Bischofstor festgestellt und eine Restaurierung wie beim bereits restaurierten Singertore50 empfohlen, womit wohl eine handwerkliche Ausführung in Werkstein und das Arbeiten mit Passstücken gemeint war.51 1940 spricht man davon, dass der Zustand des Singertors eine Restaurierung erforderlich machen würde, für die man sogar 10.000 RM veranschlagte.52 Welche Arbeiten ausgeführt wurden und ob man überhaupt tätig wurde, ist nicht bekannt. 45 46 47 48 49
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Neumann 1895, 134; Neumann 1896, 145, 148; Neumann 1897a, 158 und 159. Von 2500 fl für 1897 auf 4372 fl 71 kr, siehe: Neumann 1898, 177. Neumann 1896, 149; Neumann 1897a 159, 160, 165; Neumann 1898, 176–180. Tietze 1931, 83. Archiv des BDA, Wien, Karton 5a, Wien 1, Sakral 1a, Stephansdom II, 1927–1945, 1927_Z.1715: Dessen ursprüngliche spuren und Scaalung infolge Mangel an Luftzuführung in den 400 Jahren des Bestehens erstickt und gänzlich verfault war und durch neues Material ersetzt werden musste. Mit den Arbeiten waren 2 Steinmetze 2 Tage beschäftigt. 50 Archiv des BDA, Wien, Karton 5a, Wien 1, Sakral 1a, Stephansdom II, 1927–1945, 1934_Z.542. 51 Archiv des BDA, Wien, Karton 5a, Wien 1, Sakral 1a, Stephansdom II, 1927–1945, 1934_Z.542. 52 Archiv des BDA, Wien, Karton 5a, Wien 1, Sakral 1a, Stephansdom II, 1927–1945, 1940_Z.2580/Z.3019.
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Während des Zweiten Weltkriegs ergreift man erstmals 1941 konstruktive Maßnahmen zur Verhinderung von Kriegsfolgeschäden am Dom. Insbesondere die Sorge um das Riesentor ist groß, dort begann man bereits im Dezember 1942 mit einer „Ziegelummauerung“. Ebenso sollten die Fürstenportale vor Bombenangriffen geschützt werden.53 Vorgesehen war zunächst allerdings nur eine provisorische Verschalung mit Brettern und Sandsäcken, die bis zum Kriegsende 1945 Anlass für Diskussionen gab, ob man sie nicht besser durch eine stabile Ummauerung aus Ziegeln ersetzen sollte.54 Glücklicherweise überstanden die beiden Fürstentore die Teilzerstörung des Doms sowie den Brand des Dachtragwerks weitgehend unbeschadet.
5. Die Fürstenportale heute – Befunde und Analysen Auf Grundlage der Berichte aus der vorhandenen Literatur und den Schriftquellen werden im Folgenden die bekannten Veränderungsmaßnahmen mit dem Bestand abgeglichen. Im Oktober 2015 wurden im Zuge der Projekt-Kampagne makroskopische Beobachtungen zur Restaurierungsgeschichte angestellt, hochauflösende 3D-Scans angefertigt und exemplarisch Mörtel- und Kittmassen minimalinvasiv für die zerstörungsarme Laboranalyse entnommen. Methodisch kamen vor Ort übliche optische Untersuchungstechniken zum Einsatz. Erwähnenswert ist die Verwendung einer UV-Handlampe55, mit deren Hilfe Passstücke aus Werkstein (Vierungen) und das benutzte Klebematerial anhand ihrer abweichenden UV-Reaktivität vom Originalbestand unterschieden werden konnten (Abb. 6). Der Kleber ist dabei eindeutig den Steinvierungen zuzuordnen. Anhand der anschließenden Laboranalysen konnten zum einen die verwendeten Materialien identifiziert, zum anderen Rückschlüsse zu den Restaurierungsphasen gezogen werden. Ausgewählte Teilbereiche der Fürstentore wurden mittels Structured-Light-Scanning (SLS) dreidimensional erfasst. Verwendet wurde hierbei ein transportabler Artec MHT,56 ein handgeführter Scanner, der aufgrund einer 3D-Punktauflösung von bis zu 0,5 mm und seiner flexiblen Handhabung besonders aussagekräftige Resultate liefert. Die resultierenden Modelle57 stellen hochauflösend die Topografie der Oberfläche ohne Farbinformation dar. Die Texturierung liefert in diesem Fall keinen nennenswerten Mehrwert. Aufgenommen wurden geometrische Details und Bearbeitungsspuren. Neben einer verzerrungsfreien und hochaufgelösten Dokumentation des figuralen oder architektonischen Bestands kann die Oberflächentopografie für Ähnlichkeitsanalysen herangezogen werden. Eine wichtige Frage war die nach dem Vergleich zentraler Bildausschnitte hinsichtlich ihrer Proportion und Geometrie. Dies betraf gerade die figuralen Teile der Portale, und hier an erster 53 Archiv des BDA, Wien, Karton 5a, Wien 1, Sakral 1a, Stephansdom II, 1927–1945, 1941_Z.1015, 1942_ZI.1356/K/41, 1942_ZI.41/Res/42, 1942_ZI.41/17/Res. 42. 54 Archiv des BDA, Wien, Karton 5a, Wien 1, Sakral 1a, Stephansdom II, 1927–1945, 1944_ Z24/Res/44, 1944_ZI.VA-H2-11.251/1944, 1944_ZI.24/Res/44/St. Stefan. 55 UV-Handlampe, Typ UV-250W, Deffner & Johann GmbH. 56 Datenaufnahme Ruth Tenschert, Magdalena Tebel, Anne Regenfus 2015. 57 Dreidimensionale Modelle als Dreiecksnetz (Format .stl.) auf Grundlage der aufgenommenen Punktwolken.
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Abb. 7: Wien, St. Stephan, Maßhaltiger geometrischer Vergleich der oberen Register der Tympana von Singertor (links) und Bischofstor (rechts) durch Aufnahme der Oberflächentopografie, 3D-Modell auf Grundlage von Structured-Light-Scanning.
Stelle die beiden Tympanonfelder (Abb. 7). Die Dimensionen der oberen Tympanonplatten lassen darauf schließen, dass ein gemeinsamer Entwurf bezüglich der Dimensionierung der Portale zugrunde liegt.58 Die figurale Ausgestaltung hingegen unterscheidet sich grundlegend: Während das Bischofstor in beiden Registern lediglich eine Szene mit Begleitpersonal zeigt – im oberen Teil die rahmenden Engel –, sind die beiden Register des Singertortympanons jeweils mit mehreren Szenen bestückt und wirken insgesamt deutlich lebendiger. Das Ziel der Laboruntersuchung der entnommenen Mikroproben war die Bestimmung der noch nachweisbaren Veränderungs- und Restaurierungsmaßnahmen und die Identifikation der verwendeten Materialien. Nach der fotografischen Dokumentation der Probenahmestellen wurde das Probenmaterial systematisch analysiert, beginnend mit der lichtmikroskopischen Charakterisierung59 der entnommenen Partikel. Von ausgewählten Schichtpaketen wurden anschließend einerseits Querschliffe60 angefertigt, andererseits submillimetergroße Einzelpartikel mittels Infrarot-Spektroskopie61 hinsichtlich der Bindemittel, Pigmente, Füllstoffe und Korrosionsprodukte untersucht.62 Nach Festlegung der Schichtenabfolge erfolgte mit einem Rasterelektronenmikroskop mit EDS die Bestimmung der Alterungshorizonte und der Verteilung der Elemente.63 Von zwei Proben wurden Dünnschliffe zur Klärung der Farbanstriche angefertigt.64 Der Spezialfrage nach der bauzeitlichen Farbigkeit der Fürstentore und dem
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58 Zu den Abweichungen in den Dimensionen vgl. den Beitrag von Katharina Arnold in diesem Band. 59 Verwendet wurde ein VHX 5000 digital microscope, Keyence. 60 Einbettung in Epoxidharz: 2K EP System, Araldite 2020. 61 Verwendet wurde ein FT-IR-Microscope Spotlight 400, PerkinElmer. 62 IR-Analysen: Martina Pristl und Rainer Drewello, KDWT Bamberg. 63 Rasterelektronenmikroskopie mit energiedispersiver Spektralanalyse; REM-EDS. Benutzt wurde ein REM XL40 der Fa. Philips, EDS-Einheit: XFlash Detector 5010 Fa. Bruker Quantaxsystem. 64 Dünnschliffpräparation: Zinkernagel Consulting, Bochum.
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Auftrag eventueller Überfassungen ist das Bundesdenkmalamt nachgegangen. Zur ursprünglichen Fassung des Singertors haben Koller und Nimmrichter 2001 festgestellt, dass nur wenige Reste einer zurückgenommenen Polychromie nachweisbar sind, sich aber bei Weitem kein so vollständiges Bild mehrerer aufeinanderfolgender Fassungen wie am Riesentor ergibt. Die Erkenntnisse waren das Ergebnis einer grundlegenden Bestandsuntersuchung des Singertors, bei der die Oberfläche zudem abgesaugt und sensibel nachgereinigt wurde.65 Neue Erkenntnisse zur Frage der ursprünglichen Fassung und Polychromie am Bischofstor und der Einordnung der Ergebnisse in den Gesamtkontext des Domes sind dem Bericht von Johann Nimmrichter zu entnehmen.66
6. Untersuchungsergebnisse vom Bischofstor Am Bischofstor sind kaum Farbschichten, aber eine Reihe unterschiedlicher Mörtel sowie Klebe- und Reparaturmassen nachzuweisen. Letztere lassen sich grob in drei Gruppen unterteilen: Die erste Gruppe von Proben stammt von Figuren, die vermutlich zu keiner Zeit ausgebaut waren – beispielsweise die Helmträger der Fürstenfiguren im Gewände – und wohl mit Mörteln aus der Zeit des Versetzens verfugt sind. Eine zweite Gruppe lässt sich aus Materialproben bilden, die in Zusammenhang mit Ergänzungs- oder Reparaturarbeiten stehen und von Passstücken und Klebungen entnommen wurden, die man in erster Ordnung ins 19. Jahrhundert datieren könnte. In der dritten Gruppe sind Ausbesserungen neueren Datums zusammengefasst (Fußspitze Rudolf des Stifters etc.). Für die hier behandelten Fragen sind nur die beiden ersten Gruppen von Belang. Die Materialproben der ersten Gruppe weisen makroskopisch und hinsichtlich ihrer chemischen Zusammensetzung große Ähnlichkeiten auf. Es handelt sich um bindemittelreiche Kalkmörtel auf der Basis von Dolomitkalk mit hydraulischen Eigenschaften. Vor Ort war keine Schmutzschicht unterhalb der Mörtel zu erkennen, die zwischen den Figuren und der rahmenden Architektur eingebracht sind.67 Die Massen enthalten splittrigen Kalk, Dolomit,68 Silikatsand und Ziegelstückchen. Größere Ziegelabschläge wurden als Abstandshalter beim Einsetzen der Figuren verwendet und sind in die Fugmasse eingebunden. Der bindemittelreiche Kalkmörtel ist witterungsstabil und mikrobiell uninteressant. Ein Gipsgradient von der Oberfläche bis in 0,5 mm Tiefe spricht für einen merklichen Alterungsprozess. Fasst man die Befunde zusammen, sollte es sich um Versetz- und Fugmassen aus der Versetzungszeit handeln (Abb. 8). Auf der Oberfläche und in Hohlstellen unterhalb des Mörtels liegt teilweise eine abgedunkelte graubraune (?) Farbschicht. Sie wurde auf eine UV-aktive Grundierung aufgetragen, die als Lösung Risse und Hohlstellen füllte und mikrobiell 65 Koller/Nimmrichter 2004, 290–293. 66 Vgl. den Beitrag von Johann Nimmrichter in diesem Band. 67 In der Projektwoche untersuchte Hans Nimmrichter, Bundesdenkmalamt (BDA) das Bischofstor hinsichtlich der historischen Polychromie. Für die fruchtbaren Diskussionen und gemeinsam erarbeiteten Erkenntnisse sei ihm an dieser Stelle herzlich gedankt. 68 Kalk, Calciumcarbonat: CaCO3; Dolomit, Calcium-Magnesiumcarbonat: CaMg(CO3)2.
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Abb. 8: Wien, St. Stephan, Querschliff des Bischofstors (Probe B6). Weißer Mörtel mit Farbschicht. Dolomitkalk mit sulfatisierter Oberfläche und gipshaltigem Anstrich, REM-EDS-Elementverteilung (Ca-Mg-S-Si).
stark kontaminiert ist. An exponierten Stellen dominiert die Gipsbildung (Oberfläche), in geschützten Bereichen, etwa in Hohlstellen zwischen Stein und Mörtel, die Oxalatumwandlung. Als Bindemittel ist Kalkkasein sehr wahrscheinlich, dem man eine geringe Menge an Bleiseifen hinzufügte. Die Tränkungslösung ist mit gelbbraunen Ockerphasen, einer Umbra-Sorte69 und fein geriebener Holzkohle versetzt. Der einlagige Anstrich ist eine vergipste, schwach pigmentierte Kalk-Protein-Fassung, vermutlich ebenfalls Kalkkaseintechnik, mit einem vergleichbaren Pigmentspektrum. Aufgrund der Vergipsung der Versetzmörtel, des Schmutzbelags unterhalb der Farbschicht und der Anstrichtechnik ist bei der Tränkung von einer Maßnahme des 19. Jahrhunderts auszugehen. Bei der zweiten Materialgruppe fallen auf den ersten Blick das hellbraune Erscheinungsbild und eine, im Vergleich mit der ersten Gruppe, erhöhte UV-Aktivität auf. Weitere Unterschiede betreffen das Schwindrissmuster und Grobporen in der Bindemittelmatrix. Das Bindemittel selbst ist ein dolomitischer Kalk, der Zuschlag setzt sich aus Kalk-, Dolomit- und Gipsbröckchen mit Korngrößen bis 0,4 mm zusammen (Abb. 9). Quarzsand ist nur in geringem Umfang und kleinkörnigen Fraktionen enthalten. Die Oberflächen der Proben wirken, wie bei denen der ersten Gruppe, abgedunkelt, was ebenfalls auf eine Behandlung mit einer pigmentierten und bleiweißhaltigen Kalkkaseinlösung zurückgeht. Die Lösung ist in Schwindrisse des Trägermaterials eingedrungen und dahintergelaufen. Das Pigmentspektrum entspricht dem zuvor beschriebenen, nur ist zusätzlich Bariumsulfat zugegeben – eine Ausmi166
69 Umbra: anorganisches Pigment aus Brauneisenstein mit Tonanteil.
Die Wiener Fürstenportale
Abb. 9: Wien, St. Stephan, Mikroskopische Aufnahme einer Probe vom Bischofstor (Probe B4) mit einer pigmentierten Lasur auf der Oberfläche, Lichtmikroskopie am Querschliff. Links: LM/UV, Rechts: LM/POL. Abb. 10: Wien, St. Stephan, Dünnschliff von Farbfragmenten auf der portalrahmenden Architektur des Bischofstors. Zersetzte Altfassung, darauf gealterter zweilagiger Kalkanstrich, darüber Tränkung mit Rissfüllung und Kalkkaseinanstrich. Oben: LM/Auflicht, Mitte: LM/UV, unten: LM/Durchlicht.
schung, die für Farbaufträge des 19. Jahrhunderts typisch wäre. Im Gegensatz zu definierten Malschichten, die auf den Proben dieser Gruppe nicht vorkommen, ist der abgedunkelte Auftrag allerdings eher als eine Lasur zur Angleichung von Farbunterschieden anzusprechen. Definierte Mal- oder Anstrichschichten sind nur in geringen Überresten und Fragmenten anzutreffen. Hinweise liefern Fragmente einer bis zu 0,5 mm dicken Kalkfassung auf der rahmenden Architektur des Bischofstors (Abb. 10). Nachweisbar ist eine proteinhaltige Kalkfarbe, die als ein lichtes Gelbocker auf einem weißen Voranstrich beschrieben werden kann. Ob es sich dabei um den „fingerdicken“ Farbauftrag gehandelt hat, den man 1856/57 abreinigte, sei dahingestellt. Fakt ist, dass die Farbschicht Risse und Alterungsspuren aufweist und mit einer vorgrundierten, einlagig aufgetragenen Kalkkaseinfarbe überstrichen ist. Letztere entspricht sowohl der Farbschicht auf den entstehungszeitlichen Fugmassen als auch den allgegenwärtigen Farbresten auf der übrigen architektonischen Rahmung. Sie könnte somit von einem das gesamte Portal umfassenden Farbkonzept stammen. Grundsätzlich lassen sich Überreste eigentlicher Fassung aber ausschließlich nur auf originalen Teilen finden, nicht auf ausgetauschten Steinen oder Ergänzungen (Abb. 9). Die Art und Weise des Auftrags von Klebemitteln und Neuverfugungen am Bischofstor ist nicht anders als grob und ungelenk zu bezeichnen; die Massen wurden unsauber appliziert und nicht korrigierend überarbeitet. Hinsichtlich der Ausführungsqualität passen sie zu der rabiaten mechanischen Abarbeitung, die überdeutliche Spuren in der Gesteinsoberfläche hinterlassen hat. Profilkanten, Ornamente und figurale Formen wirken verwaschen, Details schwammig aufgelöst (Abb. 7). Überhaupt wirkt die Portaloberfläche grau bis schwarzbraun, fleckig verschmutzt und übermäßig stark gealtert.
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Aus den Analysenergebnissen lässt sich für das Bischofstor nur eine größere, aber massive Maßnahme ableiten, zu welcher Ausbesserungen in Werkstein und das Einfügen einiger Passstücke gehört. Eine etwas später ausgeführte retuschierende Oberflächenbehandlung, verbunden mit einem Teilanstrich in Kalkkaseintechnik, scheint ebenfalls das gesamte Portal umfasst zu haben. Die Lasur sollte den ungleichmäßig gereinigten und teilrenovierten Werksteinbestand wohl farblich angleichen. Als Datierungsvorschlag für die beiden Zeitstellungen sind die aus der Literatur bekannten Maßnahmen des 19. Jahrhunderts zu postulieren (1856/57, 1896/97). Für das 19. Jahrhundert spricht zudem die Verwendung von St. Margarethener Kalksandstein für Vierungen und Austauschstücke. Das Material war in jener Zeit am gesamten Dom in Gebrauch.70 Üblich war im Übrigen auch eine Nachbehandlung geschlagener Werkstücke mit heißem Leinöl, was für die Fertigstellung der Langhausgiebel 1854 aktenkundig ist.71 Der Wechsel in den Gesteinen (violette UV-Reaktivität des Austauschmaterials), Leinöltränkungen (Löschung der UV-Aktivität) und leimhaltige Klebemassen auf Basis von Dolomitkalk (hohe UV-Reaktivität) vermögen die Unterschiede in den UV-Aktivitäten am Bischofs- und Singertor zu erklären. Schwierig ist es, substanzielle Hinweise auf den Zustand des Bischofstors vor der Maßnahme der 1850er-Jahre zu finden. Einzig eine dick aufgetragene Kalkfassung ist für die Portalrahmung zu belegen. Sie wurde auf eine komplett zersetzte Altfassung aufgetragen und war vermutlich eine lichte Gelbockerfassung der Barockzeit.
7. Untersuchungsergebnisse vom Singertor Geht man von den Auswirkungen der Renovierungsmaßnahmen am Bischofstor aus, trifft man beim Singertor auf ein gänzlich anderes Erscheinungsbild. Der erste Eindruck ist der von einer klaren und bis ins kleinste Detail ausgearbeiteten Portalarchitektur mit einem hochwertigen Figurenprogramm und einem unglaublich qualitätsvollen Tympanon. Die Ergänzungen und Überarbeitungen springen dem Betrachter nicht sofort ins Auge. Erst bei genauerer Untersuchung fällt die, im Vergleich zum Bischofstor, „saubere“, scharfkantige und fein geglättete Oberfläche auf (Abb. 11). Weitaus umfangreicher ist die Anzahl an steinmetzmäßigen Passstücken und plastischen Ergänzungsmassen. Ein weiterer Unterschied betrifft die präzise und detailreiche Renovierung, die sich grundlegend von der rustikalen Herangehensweise am nördlichen Portal abhebt. Klebefugen sind extrem dünn ausgeführt und überflüssige Klebemasse wurde nicht stehen gelassen, sondern akkurat abgenommen. Die gesamte Maßnahme grenzt ans Perfektionistische (Abb. 6 und Abb. 11).
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70 Kieslinger 1949, 53 und 241. Für das Singertor korrigierten Manfred Koller und Johann Nimmrichter die Aussage Alois Kieslingers, dass St. Margarethner verwendet worden sei. Sie bestimmten das Steinmaterial als Leithakalk (Auerstein). Koller/Nimmrichter 2004, 290–291. 71 Kleindienst 1881–1886, 51–52. Berichtet wird von einem Versetzen der Werkstücke mit einer Mischung aus Portlandzement und Sand und einer dreimaligen Tränkung mit heißem Leinöl, um die Widerstandsfähigkeit des empfindlichen Gesteins gegen Verwitterungseinflüsse zu erhöhen. Die Praxis des Versetzens mit Portlandzement hat sich nicht bewährt, bereits Ende des 19. Jahrhunderts mussten die Giebel erneut saniert werden, vgl. Kleindienst 1881–1886, Fußnote 52.
Die Wiener Fürstenportale
Abb. 11: Wien, St. Stephan, Ausschnitte der Tympana vom Bischofstor (oben) und dem Singertor (unten), UV-Licht.
Abb. 12: Wien, St. Stephan, Lichtmikroskopischer Vergleich von Querschliffen der unterschiedlichen Kittmassen am Singertor. Links: LM/POL, Rechts: LM/UV.
Grundsätzlich fallen am südlichen Portal zwei Arten von Ergänzungen auf, die sich bei UV-Anregung gut separieren lassen: Einerseits Passstücke unterschiedlichster Größe mit dünnen Klebefugen; andererseits plastische Antragsmassen (Abb. 12). Die steinmetzmäßigen Vierungen aus St. Margarethener Material sind quantitativ in der Überzahl und über das gesamte Portal verteilt. Der für die Verklebung benutzte Kitt ist stark UV-reaktiv und eine Mixtur aus Dolomitkalk mit organischen Bindemitteln, deren Hauptbestandteil ein Protein ist (Leim); ein klebender Sonderzusatz ist wahrscheinlich (Gummiharz). Die Masse ähnelt in ihrer Zusammensetzung den Klebemassen am Bischofstor und sollte ins 19. Jahrhundert datieren. Analog zum Bischofstor ist auch am Singertor eine retuschierende Behandlung mit einer UV-reaktiven Kalkkaseinlasur nachzuweisen. Dem Bindemittel ist verseiftes Bleiweiß mit Resten von Bleikarbonat zugemischt; die Pigmentierung besteht aus Eisenoxiden mit fein geriebener Holzkohle. Aus den Laboruntersuchungen geht außerdem der Unterschied zwischen den UV-inaktiven plastischen Modelliermassen und den UV-aktiven Klebern der Steinvierungen hervor: Die Antragungsmasse besteht aus Gips mit Proteinzusatz und Zugabe von Dolomitkalk; zur farblichen Eintönung wurden Holzkohle und Eisenocker zugemischt. Die abweichende Zusammensetzung und die gänzlich andere Struktur können Indizien für eine andere Zeitstellung sein. Befunde zur Festlegung der relativen Stratigrafie waren im Projektzeitraum jedoch nicht zu finden. Insofern kann die Modelliermasse auch ein Bestandteil der handwerklichen Renovierung
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Abb. 13: Wien, St. Stephan, Querschliff einer Probe vom Singertor (Probe S1) oben: LM/POL – UV, REM BSE – REM-Elementverteilung (Ca–Si–S).
Abb. 14: Wien, St. Stephan, Singertor, Dünnschliff von Farbfragmenten auf einer der äußeren Krabben. Kalkanstrich mit Gelb ockerfassung, Behandlung mit einer UV-aktiven pigmentierten Kalkkaseinlösung. Oben: LM/ Auflicht, Mitte: LM/UV, unten: LM/Durchlicht.
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von 1893–96 sein, denn nicht jedes schadhafte Detail war mit einer Vierung zu füllen. Hinweise auf besondere Farbgebungen oder Anstriche sind selten. Was man jedoch auf nicht renovierten Krabben des äußeren Kielbogens und den Gewölberippen findet, sind zwei Gelbockerfassungen. Die ältere von beiden liegt auf einer Kalkgrundierung, die von einer Schlämme aus Dolomitkalk mit Protein (Leimzusatz) überzogen ist. Der Zuschlag setzt sich aus Kalk- und Dolomitbröckchen, feinkörnigem Quarzsand und Gipskreide zusammen. Dann folgt eine farbintensive Gelbockerfassung in Kalktechnik mit Gipskreide und Protein. Das benutzte Gelbbraunpigment ist Eisenocker. Beide Schichten sind gealtert (Calciumoxalatbildung). Ein dünner Schmutzhorizont trennt die erste von der zweiten Weiß-Gelb ockerfassung. Auch an dieser Stelle des Portals folgt nun eine intensive Tränkung mit einer pigmentierten, UV-aktiven Kalk-Proteinlösung. Sie füllt Risse, Hohlräu-
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me und Hohlstellen der Gelbockerfassung und der Schlämme darunter und bildete einen idealen Nährboden für die Besiedelung durch fadenförmig wachsende Pilze (Abb. 13 und Abb. 14). Es folgt ein Anstrich in Kalktechnik mit Gipskreidezusatz, der optisch kaum von der Vorgängerfassung zu unterscheiden ist. Seine Kennzeichen sind grobe Eisenockeragglomerate und eine dünne Gipskruste. Nimmt man die Kalkkaseingrundierung als Leitschicht für die Maßnahme von 1896, so ist die Gelbockerfassung darunter als eine ältere Vorgängerfassung einzustufen. Im Vergleich mit der Portalrahmung am Bischofstor kann es sich um Reste eines Anstrichs der Barockzeit handeln. Hinsichtlich der Zeitstellung des Auftrags der zweiten Gelbockerschicht scheint die Renovierung um 1900 die wahrscheinlichste Variante zu sein. Es sind also für das Singertor ebenfalls wenige größere Restaurierungsphasen nachzuweisen. Diese Beobachtung entspricht weitgehend der schriftlichen Überlieferung.
8. Fazit Wenn auch die Anzahl an Restaurierungsmaßnahmen und die dabei verwendeten Materialien für beide Portale recht ähnlich erscheinen, unterscheidet sich die Herangehensweise am Singertor entscheidend von der am Bischofstor. Wie bereits Camesina anmerkte,72 ist am Bischofstor rabiat und sorglos gearbeitet worden. Illustrieren lässt sich die differierende Ausführung am Vergleich von ornamentalen Details und den figürlichen Darstellungen. Die ornamentalen Teilbereiche betreffend, werden zwei Elemente exemplarisch beleuchtet: die Maßwerke in den Gewölben der Baldachinfriese und die Übergänge von den Tympana zur rahmenden architektonischen Gliederung. Am Bischofstor sind die Nasen der Maßwerke ausgeschlagen, die Gewölbekappen verkratzt, die Linien der Architektur abgerundet. Für die Reinigung wurden wohl feste Bürsten und Kratzwerkzeuge aller Art verwendet. Eine Zuhilfenahme von Schmierseife oder anderen Reinigungsmitteln der Zeit ist nicht auszuschließen. An den Konsolen kam auch der Stockhammer zum Einsatz. Am Singertor ist man weit umsichtiger gewesen. Die Enden der Maßwerke im Gewölbe des Baldachinfrieses sind erhalten, Gewölbekappen wurden sorgsam gereinigt und die Architektur präzise und handwerklich exakt überarbeitet. Bei der Betrachtung der Übergänge vom Tympanon zum anschließenden Birnstab fallen wiederum Unterschiede ins Auge. Noch deutlicher werden die Auswirkungen bei der Darstellung der reinen Oberflächengeometrie. Während der Kampagne vor Ort wurde die Topografie von Teilbereichen der Tympana der Fürstentore verzerrungsfrei als dreidimensionales Datenmodell aufgenommen. Die Modelle illustrieren die rabiaten Eingriffe in die Oberfläche beim Bischofstor, die die Architektur- und Figurenlinien verunklärten, und zeigen anderseits die Präzision der Überarbeitung am Singertor (Abb. 5 und Abb. 7). Die bereits anhand der Maßwerkdetails dargestellte Art der Verluste an kleinen Details, vor allem der Krabben, entspricht der Praxis, die von Dombaumeister Friedrich Schmidt als „gewaltsame Reinigung der Kirche mittels einer aus zusammengebundenen Fuchsschwänzen gebildeten Klopfpeitsche diese Beschädigungen der 72 Tietze 1931, 70.
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feineren Details verursacht habe“73 beschrieben wird. Auch wenn von den Baldachinen und Architekturgliedern des Langhauses berichtet wird, ist nachvollziehbar, was eine vergleichbare Behandlung für die filigranen Details der Fürstentore bedeutet haben mag. Die rigiden Abarbeitungsspuren am Bischofstor rühren sicherlich nicht nur von Fuchsschwänzen her, sondern sind dem zusätzlichen Einsatz von anderen mechanischen Werkzeugen geschuldet. Am Singertor werden vergleichbar massive Eingriffe wie am Bischofstor nicht offenkundig; sichtbare Überarbeitungsspuren sind auf ein Minimum und sehr wenige Stellen beschränkt. Lediglich am Baldachinfries sind wenige Schlagspuren eines Spitzeisens zu erkennen. Die Oberflächen wurden vielmehr geschliffen und die figuralen Details vorsichtig und rücksichtsvoll überarbeitet, allein das spricht für eine geplante, überlegte und professionelle Herangehensweise. Besonders gut ist das bei den feinen Details der Gesichter und Gewänder der Figuren zu sehen (Abb. 7). Außerdem sind die Ergänzungen am Singertor bis ins Detail ausgearbeitet und zeugen von großer Sensibilität für den Bestand. Die sorgsam angebrachten Kleinst-Vierungen an architektonischen Details und Blattranken sprechen von einem anderen Verständnis für die vorgefundene Bauornamentik und figurale Details. Selbst an nicht einsichtigen Bereichen sind abgebrochene Werksteinpartien ergänzt worden. Gemeinsam ist den Portalen, dass sie heute nur noch in geringem Maße originale Oberflächen aufweisen. Rückwitterungsphänomene durch jahrhundertelange freie Exposition sind nicht nachweisbar. Nach ihrer Errichtung haben die Vorhallen die Tore vor Bewitterung und den damit verbundenen negativen Einflüssen geschützt. Die Restaurierungen der Fürstentore lassen sich nicht gänzlich losgelöst vom Zeitgeist und anderen Maßnahmen am Dom beurteilen. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts gab es vermehrt Bestrebungen, den Stephansdom stilrein umzugestalten. Die Wertschätzung des Gotischen stieg. Dem Zeitgeschmack folgend gab es Pläne zur Regotisierung des gesamten Doms, die neben Plänen zum Ausbau des Nordturms auch in einem Modell resultiert, das die Purifizierung illustriert. Gerade die Renovierung des Singertores lässt sich gut mit dem von Viollet-le-Duc herrührenden Perfektionismus und Vollendungsdrang zum Ende des 19. Jahrhunderts vereinbaren. In Frankreich wird der Zeitgeist im Großen umgesetzt, in Köln wird ihm mit der Vollendung des mittelalterlichen Doms ein Denkmal gesetzt.74 Das Singertor mag ein Beispiel für die Umsetzung des Gedankens im Kleinen sein. Bei der sorgfältigen Umsetzung verwendete man ähnliche Materialien wie noch zur Mitte des Jahrhunderts, dennoch trieb man den Perfektionismus mit einer nahezu vollständigen Reinigung und dem Anbringen von fingernagelgroßen Steinvierungen selbst an den dem Betrachter verborgenen Stellen auf die Spitze. Bei der Restaurierung der Bauskulptur und ornamentalen Ausstattung der beiden Portale ist man auf ganz unterschiedliche Weise vorgegangen. Konservatorische Kriterien nach heutiger Lesart spielten keine Rolle. Man schwankte zwischen einer rabiat gedachten Restaurierung und dem Wiederlesbarmachen verlorener Inhalte und einer Renovierung als der vermeintlichen Wiedergeburt gotischer Perfektion. Das Vorgehen zeugt von grundlegend auseinanderliegenden Restaurierungsphilosophien im Verlauf des 19. Jahrhunderts.
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73 Tietze 1931, 75. Beschrieben wird die Praxis und ihre Auswirkungen bei: Schmidt 1882, 61. 74 Frodl 1988, 38–48; Kassal-Mikula 1997, 400–407.
Klaus Niehr
Inhabited Architecture Das Bischofs- und das Singertor an St. Stephan zu Wien und die Figurenportale des 14. Jahrhunderts
1. Über den kunsthistorischen und historischen Rang der beiden Figurenportale am Langhaus des Wiener Stephansdoms lässt sich kaum streiten. Die Forschung war und ist deshalb der Meinung, dass es sich um herausragende Zeugnisse für Architektur und Skulptur des 14. Jahrhunderts handelt, in die sich unterschiedliche Strömungen europäischer Kunst der Zeit einprägten (Abb. 1 und Abb. 2). Mit der allerdings nicht einvernehmlich konnotierten und jeweils individuell gebrauchten Bezeichnung „parlerisch“ trug man diesem Umstand Rechnung und würdigte vor allem die Bildwerke.1 Auch wenn eine solch plakative Bewertung keineswegs ohne Widerspruch blieb und Vorschläge zu einer differenzierteren Betrachtung der Angelegenheit gemacht wurden, die erhebliche Auswirkungen für die Geschichte der Skulptur in Wien und über Wien hinaus nach sich ziehen,2 ist die grundsätzlich positive Einschätzung der Werke davon nicht betroffen. Was angesichts dessen vielleicht irritieren mag, sind die eher geringe physische Größe der beiden Eingänge und deren Platzierung an untergeordneten Stellen des Kirchenbaus. Auch hierfür können allerdings nachvollziehbare Gründe genannt werden: Denn die Anlagen entstanden zu einer Zeit intensivster Bauplanung und Baudurchführung am Langhaus wie im unteren Bereich des Südturms ab 1359; sie mögen deshalb vielleicht als „Notmaßnahmen“ zur Herbeiführung einer raschen ikonografischen Aufrüstung des Neubaus gedacht gewesen sein.3 Wie dem auch sei. Jenseits von ästhetischer
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Mein Dank für anregende Diskussionen und Hilfestellungen geht an Barbara Schedl, Franz Zehetner, Sophie Morawitz sowie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Wiener Tagung vom Oktober 2016. Die jüngere Forschung zur stilgeschichtlichen Stellung und zur Bedeutung der Skulpturen setzte mit Antje Middeldorf-Kosegarten ein (Kosegarten 1965 und Kosegarten 1966). Sie wurde wesentlich von Schmidt 1970/1992, bes. 200–202 bzw. Schmidt 1977/78/1992 vorangetrieben und fand einen vorläufigen Abschluss durch Schmidt 2000, 308–311 sowie Schultes 2000, 353–358. Vgl. jetzt zur Forschungsgeschichte und zu den Problemen bisheriger Einordnung der Bildwerke mit dem Versuch einer neuen Bewertung der Skulpturen Flum 2013. Siehe hierfür früh schon die Beiträge von Schmidt 1970/1992 und 1977/78/1992 sowie dann mit neuen Vorschlägen vor allem Schwarz 1986, bes. 309–325. Zu den aus schriftlichen Quellen gestützten Daten (1359 Grundsteinlegung, 1366/67 Altarübertragungen und Altarweihen für die beiden unteren westlichen Kapellen) zuletzt Böker 2007, 55–90 sowie in Auseinandersetzung mit dessen Thesen Schedl 2018, 49–74 und der Beitrag von Barbara Schedl in diesem Band.
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Abb. 1: Wien, St. Stephan, Bischofstor. Abb. 2: Wien, St. Stephan, Singertor.
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und politischer Bedeutung respektieren die Eingänge durchaus (und vielleicht ganz bewusst) das alte, die Westwand der Kirche durchbrechende Riesentor, dessen Historizität Verehrung forderte, dessen Monumentalität kaum zu überbieten war.4 Gegen solche Dominanz behaupten sich die Portale des 14. Jahrhunderts mit einer modernen, politisch fundierten Ikonografie, die die Bedeutung der Auftraggeber in ein helles Licht rückt und auf den engen Zusammenhang zwischen Kirchenbau und herzoglicher Familie bzw. Stiftern verweist. Angesichts dieser Situation liegt die Befragung von Bischofs- und Singertor auf ihre Strukturmerkmale und – davon ausgehend – auf die Art ihrer ikonografischen Ausgestaltung nahe. Schon Layout und hier zu findende architektonisch-figürliche Symbiose sind nämlich keineswegs selbstverständlich. Zwar stehen die Eingänge in ihrer formalen Erscheinung am Ende einer langen Tradition, für die einzelne Stationen zu benennen sind.5 Die in Wien gefundene Lösung setzt sich zum Teil jedoch deutlich von den bekannten Monumenten der Zeit ab. Bereits darin mag eine politische Absicht liegen, welche bis in die Ikonografie hinein wirkt. Denn auch bezogen auf die inhaltliche Seite zeigen sich die Portale, wenn nicht solitär, so doch exklusiv. 4 5
Dazu erschöpfend: Dahm (Hg.) 2008. Vgl. Niehr 2001 sowie die aus unterschiedlichen methodischen Richtungen stammenden Beiträge in: Albrecht/Breitling/Drewello (Hg.) 2019.
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2. Wenn die damit angerissenen Punkte bis heute kaum oder gar nicht im Zusammenhang thematisiert wurden,6 so könnte die auf den ersten Blick eher unspektakulär wirkende Portalarchitektur hierfür eine Rolle gespielt haben. Es mag aber auch an der üblichen Aufteilung wissenschaftlicher Arbeitsfelder in Bereiche für Bau- und für Kunsthistoriker liegen. Dies spiegelt sich noch in jüngsten Arbeiten, die den Portalen wieder verstärkt Aufmerksamkeit schenkten: Anlässlich einer aktuellen Analyse der Architektur des Stephansdoms hat man die Eingänge als wichtige politische Denkmäler hervorgehoben, um über diesen Weg die Baugeschichte der Kirche neu zu schreiben und die angeblich ursprünglichen Standorte der Portale zu diskutieren.7 Auch die Bildwerke wurden einmal mehr in den Blick genommen: Ihren Rang als wichtige Dokumente ikonografisch-politischer Aussage und kunsttheoretischer Vorstellungen betonend, hat man sie aus der Rolle allein stilgeschichtlicher Belegstücke befreit und zu Exempeln einer modernen Erzählund Bildniskultur gemacht, die im 14. Jahrhundert einsetzte.8 Synthesen aber sucht man vergebens. Um für solche Synthesen zu werben, sollen hier strukturanalytische und inhaltliche Aspekte in den Mittelpunkt gestellt werden. Dafür wird die mit Bildwerken bestückte Portalarchitektur von zwei Seiten betrachtet: 1. formengeschichtlich, um die zeittypische Ausprägung und Kombination von Architektur und Skulptur zur Sprache zu bringen; 2. funktionsgeschichtlich, um die Grundlagen hier eingesetzter Herrscherikonografie als Instrument politischer Selbstdarstellung erkennbar werden zu lassen.
3. Seit dem frühen 13. Jahrhundert liegen Gestalt und System gotischer Portale fest. Deren architektonische Bestandteile und ihre Besetzung mit Skulptur sind an nordfranzösischen Bischofskirchen ab etwa 1200 zu einem regelhaften Aufbau verbunden: Gewände, Archivolten, Tympana bilden eine Einheit, bei der sich allenfalls die Größe, das Verhältnis der Teile zueinander und Details der Komposition ändern. Der folgenschwerste Wandel ist die um 1250 zuerst an den Querhäusern der Pariser Kathedrale Notre-Dame nachweisbare Ersetzung der Säulen- durch die Nischenfigur, welche sich rasch etabliert und fortan die Physiognomie des Portals bestimmt (Abb. 3). Erst nach 1300 werden erneut wesentliche Modifikationen am System des figurenbesetzten Kircheneingangs sichtbar, die sich vor allem auf die Proportionierung der Teile und deren optisches Zusammenspiel beziehen. Die hierbei auszumachende Tendenz geht in Richtung der Vereinheitlichung des Gesamtorga6 7
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Kursorisch angesprochen bei Feuchtmüller 1978, 111–112 sowie von Schmidt 2000, 299. Ausführlicher dazu auch schon Fischer 1989, 491–503. Böker 2004; ausführlich danach Böker 2007, bes. 61–70 und auch Böker 2008. Eine intensive Auseinandersetzung mit der komplexen Baugeschichte von St. Stephan im 14. und 15. Jahrhundert kann und soll an dieser Stelle nicht geleistet werden. Einblicke in die hierbei verfolgten Wege und Irrwege der Forschung gibt Hassmann 2002, 48–74; eine neue, auf konsequenter Quellenauswertung beruhende Historie des Baus der Kirche nun bei Schedl 2018. Vgl. auch den Beitrag von Barbara Schedl in diesem Band. Vgl. hierfür vor allem Flum 2013; Pinkus 2013 und Pinkus 2014, 78–95.
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Abb. 4: Prag, Veitsdom, Südportal.
Abb. 3: Paris, Kathedrale Notre-Dame, Nordquerhausportal.
nismus. Eine Angleichung der Figurengröße in Gewänden und Archivolten, aber auch die im deutschsprachigen Bereich zu findende „kubische Verfestigung“ wie die gedrückten Proportionen einiger der „parlerisch“ genannten Skulpturen führen letztlich zu einer engeren Einbindung der Bildwerke in die Architektur.9 Gleichzeitig bricht sich ein freierer Umgang mit den einzelnen Konstituenten des gebauten Portals Bahn, der dazu führt, die alte, hierarchisch disponierte Konstellation der Elemente zugunsten harmonisierender Wirkung aufzulösen. Gewände und Archivolten, vorher streng voneinander getrennt, gehen nun ineinander über. Darüber hinaus kann – früh schon in Lausanne, später dann in Schwäbisch Gmünd, Prag oder Ulm – durch die Ergänzung des Eingangs um eine Vorhalle ein räumliches Ambiente geschaffen werden, das den Portalbau erweitert und zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten bietet (Abb. 4). In diese knapp skizzierte und auf wenige Punkte konzentrierte Geschichte sind die Eingänge am Langhaus des Wiener Stephansdoms einzubetten. Der Gesamtorganismus der Anlagen, das Zusammenspiel ihrer Grundbestandteile und die Einfügung von Skulptur in den baulichen Rahmen sind wichtige Indizien, um deren Stellenwert in der Portalgestaltung der Zeit um 1360 zu bestimmen. Die Basis dafür liefern technische Untersuchungen am Werk aus dem Jahr 2001.10 Durch die im Laufe des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts angebauten Vorhallen wurde der ursprüngliche Eindruck allerdings erheblich verändert und die Rezeption des Bildprogramms auf gravierende Weise neu organisiert.
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9 Bräutigam 1961, 72. 10 Vgl. Koller/Nimmrichter 2004.
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4. Bei den Wiener Portalen handelt es sich um mittelgroße trichterförmig in die Seitenschiffsmauern eingelassene Eingänge, deren Wandungen sich auf jeder Seite in zwei nicht allzu tiefen Kehlen öffnen, die Platz für große Bildwerke auf eingestellten, polygonalen Postamenten geben: Am Singertor sieht man Herzog Rudolf IV. und seine Gemahlin Katharina von Böhmen; am Bischofstor sind entweder die gleichen Personen oder der Bruder Rudolfs, Herzog Albrecht III., und Elisabeth von Luxemburg dargestellt, alle vier in Begleitung eines Knappen, der jeweils unter der Last eines Wappenschildes und eines schweren Prunkhelms ächzt. Die schmale Öffnung des eigentlichen Durchgangs endet oben in starker Stufung. Die über von Engeln bzw. Propheten gestützten, hohen, ungegliederten Kuben wie aufgebockt wirkenden schlanken Tympana tragen szenische Reliefs, die sich in zwei Register gliedern. Während auf der Nordseite Marientod und Marienkrönung in ornamenthaft ausgebreiteter Figürlichkeit geschildert werden, hat man auf der Südseite das dramatisch komponierte Geschehen der Bekehrung des Paulus in ein überaus komplex verschachteltes, teilweise stark räumlich ausgearbeitetes Relief gesetzt. Die Bogenläufe enthalten jeweils zehn Nischenfiguren, die Apostel und Johannes den Täufer am Singertor, weibliche Heilige am Bischofstor, die sich ihrer Behausung einigermaßen gut einpassen. Stilistische Differenzen der Bildwerke haben dazu geführt, eine Händescheidung der Bildhauer und eine Abfolge der Arbeiten anzunehmen. Wobei zu fragen ist, inwieweit nicht auch ikonografische Prägungen und eine gezielte Wahl erzählerischer Mittel in Rechnung zu stellen sind. So steht den Repräsentationsbildern aus der Mariengeschichte im Paulusrelief ein besonders eindrückliches Beispiel von spontan wirkender, episch anmutender Schilderung gegenüber, das keine Schwierigkeit bildhauerischer Technik auszulassen scheint.
5. Für direkte Vergleiche mit den Wiener Portalen bieten sich die prominenten Anlagen des 14. Jahrhunderts an, wie sie unter anderem in Augsburg, Frankfurt/Main, Freiburg im Breisgau, Köln, Magdeburg, Mainz, Nürnberg, Schwäbisch Gmünd, Prag und Ulm erhalten blieben.11 Allein die Tatsache, dass das aufwendig gestaltete und figurenbesetzte Portal an großen Gotteshäusern nach 1300 so häufig zu finden ist und in immer wieder neuen Varianten durchgespielt wird, zeigt, wie hoch das Thema als wirkmächtiges Element des Kirchenbaus nach wie vor eingeschätzt wird. Da wir es jeweils mit sehr individuellen Lösungen der Aufgabe Portal zu tun haben, gewinnt auch die Besonderheit der Wiener Anlagen und ihre Position in der Geschichte derartiger Gebilde deutlich an Profil. Die formal am engsten verwandten Eingangsarchitekturen und damit vorzügliche Referenzwerke für Wien sind die Chorportale an der Heiligkreuzkirche in Schwäbisch Gmünd, die mit der Architektur vor 1351 begonnen wurden und somit nicht allein als die ältesten Portale sogenannter „parlerischer“ Architektur des 11 Als bis heute nicht überholte Grundlage und exzellente Gesamtdarstellung hat die Arbeit von Fischer zu gelten. Dort auch schon erste Überlegungen zum Typus der Wiener Portale und seiner Herleitung (Fischer 1989, 497 f.).
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Abb. 5: Schwäbisch Gmünd, Heiligkreuzkirche, Nördliches Chorportal.
14. Jahrhunderts zu gelten haben, sondern auch zeitlich sehr nah an die Wiener Eingänge heranrücken (Abb. 5). Die Gmünder Monumente präsentieren sich in neuer Optik. Sie setzen sich deutlich ab von den nach 1250 zu findenden Anlagen der Rayonnantarchitektur in Frankreich mit ihren durchbrochenen Wimpergen etwa in Paris, Rouen und Mantes, deren Wirkung noch lange auch bis in den deutschsprachigen Bereich zu verfolgen ist: Das Erdgeschoss der Westfassade des Straßburger Münsters, das zerstörte Portal der Mainzer Liebfrauenkirche, das Petersportal des Kölner Doms oder der Triangel des Erfurter Doms zeigen solche starken Impulse hochgotischer Architektur aus dem Westen; sie verlängern die Tradition dieser Architektur bis um die Mitte des 14. Jahrhunderts und vermitteln sie in die Provinz.12 Der Umbruch, welcher in den Choreingängen von Schwäbisch Gmünd erkennbar ist, manifestiert sich optisch in der Reduzierung von Größe und Maßwerkornamentik wie in der Minimalisierung und in den veränderten Proportionen der Gewändefiguren.13 Angesichts verringerter Gesamtgröße der Portale büßen diese gleichwohl nichts an Wirkung ein. Allerdings zerstreut sich der Blick weniger als vorher und konzentriert sich auf wesentliche Punkte. Ähnlich finden wir es an der Donau. Aber auch wenn Bischofs- wie Singertor wesentliche Züge des Layouts und der Kombination von Architektur und Skulptur mit den Eingängen in Schwäbisch Gmünd teilen, so gibt es in Details doch Unterschiede: In Wien herrscht eine gewisse Spannung zwischen der strengen Tektonik
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12 Schurr 2007, 220–246; Niehr 2001, 163–174; Niehr 2019. 13 Weniger gravierende Unterschiede sieht hier Schurr 2003, 38–51.
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Abb. 6: Nürnberg, St. Lorenz, Westportal.
des Aufbaus mit ihren kristallinen Strukturlinien der Gewände und Archivolten und einer betonten Körperbewegung der Skulpturen. Das war in Schwäbisch Gmünd nicht der Fall, wo die im Umriss reduzierten Statuen perfekt zu den vorgesehenen Nischen passten, außerdem zwischen den Gewände- und Archivoltennischen Kehlen mit Blattwerk vermittelten, welche die Härte des Übergangs milderten.14 Die Schärfe der Zeichnung in Wien steht dem um 1340 errichteten Westportal an St. Lorenz in Nürnberg näher (Abb. 6). Doch auch hier gibt es gravierende Unterschiede. So übernimmt man nicht die dünnen Nischensäulchen, die die Figurensockel stützen. Vielmehr orientiert man sich mit der Einfügung stämmiger, reich verzierter Mehrkantpfeiler wiederum an Schwäbisch Gmünd und schafft so im unteren Teil der Gewände eine fassadenartige, reich profilierte Schmuckzone.15 Über die angesprochenen optischen Spannungspunkte zwischen Architektur und Skulptur am Bischofs- und Singertor hinaus gab es aber auch ganz konkrete Probleme bei der Einpassung der Statuen in die Gewände, deren Profile und Wandungen teilweise abgearbeitet werden mussten, um die Bildwerke in die Nischen platzieren zu können. An anderen Orten – beispielsweise an den Westportalen des Straßburger Münsters – finden wir die ähnlich auftretende Herausforderung besser gelöst, und selbst so expressiv bewegte Figuren wie die Klugen und Törichten 14 Vgl. Niehr 2001, 176 f. 15 Die genannten Differenzen beim mit Skulpturen versehenen Portalbau treffen an den Chorportalen des Augsburger Doms aufeinander, wo sich der jüngere Südeingang diesbezüglich deutlich vom Nordeingang absetzt; dazu Kobler 1984. Die von Schurr 2003 herausgestellte Nähe der Augsburger Chorarchitektur zu Schwäbisch Gmünd unterstreicht die auch in plastischen Arbeiten sichtbar werdenden Austauschbewegungen zwischen den Werkplätzen des 14. Jahrhunderts.
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Jungfrauen am Triangel des Doms zu Erfurt, eine Generation vor Wien entstanden, kommen mit ihren Behausungen besser zurecht als die Herzogsfiguren an St. Stephan. Die in Wien sichtbaren Schwierigkeiten gehen wohl auf mangelnde Abstimmung zwischen den Beteiligten am Portalbau zurück. Sie lassen sich kaum mit dem Gesamtplan der Kirche und den daraus resultierenden beengten Verhältnissen im Portaltrichter erklären. Denn anderswo – etwa im Bereich des Nordchorportals am Freiburger Münster – hat man sogar große Verschiebungen beim Grundriss in Kauf genommen, um für den Eingang ausreichend Platz zu schaffen.16 Insgesamt fällt auf, dass die Probleme am Wiener Südportal erheblich größer waren als beim Bischofstor. Vor allem die feingliedrigen Archivoltenfiguren des nördlichen Eingangs fügen sich ihrem gebauten Rahmen weitaus geschmeidiger ein als die auf der Gegenseite. Hinzu kommen weitere Auffälligkeiten am Singertor. Die oberen Bildwerke des inneren Bogenlaufs stehen merkwürdigerweise auf blockartigen Konsolen. Was eventuell den Eindruck wenig perfekter Planung oder Ausführung machen könnte, erklärt sich teilweise dadurch, dass wir es an dieser Stelle mit einer besonderen Art von Skulptur zu tun haben; denn diese beiden Figuren wurden als einzige mit dem gekrümmten Werkstein des Bogenlaufs aus einem Stück hergestellt.17 Es scheint demnach, als sei hier noch experimentiert worden, vielleicht weil die „Aufgabe Figurenportal“ neu war.
6. Zu den unterscheidenden Merkmalen spätgotischer Portale gehört die jeweils individuelle Abstimmung von Durchgangshöhe, Gewänden, Archivolten und Tympanon. In Wien finden sich hierfür recht rustikale und einzigartige Lösungen: Sehr tief ansetzende figürliche Konsolen tragen eigenartig klobige und nicht recht zur sonst dichten Ornamentierung des Ganzen passende Stützelemente von gleicher Höhe wie die Baldachine über den Gewändefiguren, um die Unterkante der Tympana und den Beginn der Archivolten auf eine horizontale Ebene zu bringen. Dabei handelt es sich – wie Untersuchungen zweifelsfrei ergaben – keineswegs um das Ergebnis einer Planänderung oder einer Nachjustierung aufgrund ursprünglich nicht bedachter Höhendifferenzen, sondern um Teile des ursprünglichen Aufbaus. Doch haben diese für das moderne Auge vielleicht störenden Elemente wenigstens am Singertor für die Wissenschaft eine gewisse Prominenz, denn an ihnen findet sich jeweils ein (von am Portal insgesamt sechs nachgewiesenen) Steinmetzzeichen.18 Die ungewöhnliche Lösung in Wien bleibt für die Zeit einzigartig. Und der Blick auf Schwäbisch Gmünd zeigt, wie sich dieses Problem nachgerade mühelos – nämlich ohne oder durch Höhersetzen der Konsolen – hätte bewältigen lassen. Andere Varianten demonstrieren einen mehr spielerischen Umgang mit dieser Herausforderung: Kaum minder radikal als in Wien gibt sich das Westportal von St. Lorenz in Nürnberg, wo man einerseits hohe Baldachine über den Gewände-
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16 Vgl. Flum 2001, 22–24 und 29; Flum 2004, 73. 17 Koller/Nimmrichter 2004, 290. 18 Koller/Nimmrichter 2004, 289 Abb. 2. Dass die heutige Erscheinung der Portale in sich stimmig ist und keinerlei nachträgliche Änderungen anzunehmen sind, bestätigt jetzt die Analyse des Entwurfsprozesses. Vgl. dazu den Beitrag von Katharina Arnold in diesem Band.
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Abb. 7: Wien, Minoritenkirche, Mittleres Westportal.
figuren anbrachte, andererseits das Tympanon um eine entsprechend ausladende Türsturzzone erweiterte. Eleganter wirkt die Höhersetzung des Tympanons durch die Einbringung von Bögen wie am Portal der Mainzer Liebfrauenkirche, am südlichen Chorportal des Augsburger Doms, am nördlichen Chorportal des Freiburger Münsters oder am Nordquerhausportal der Frankfurter Bartholomäuskirche. Dies unterstreicht noch einmal die anfänglichen Beobachtungen zur engeren Verwandtschaft der Wiener Portale mit Schwäbisch Gmünd. Demgegenüber entfernen sich die anderen Eingänge des 14. Jahrhunderts deutlich vom Entwurf der Wiener Anlagen. Auch die in unmittelbarer Nähe sich befindenden Westportale der Minor itenkirche mit ihrer schlichten, grafisch wirkenden Nischenarchitektur, bei der die Figuren wie vorgeblendet scheinen, unterscheiden sich beträchtlich von der Gestaltung der Eingänge an St. Stephan (Abb. 7).19 Das ist zu betonen, weil für die Bildwerke der sog. „Herzogswerkstatt“ immer wieder auch stadtinterne Bezüge hervorgehoben und nicht zuletzt anhand von Arbeiten des „Michaelermeisters“ aufgezeigt wurden.20 Wie genau die stilistische Herleitung zu erklären ist, ob und inwieweit Skulpturen in Prag von Bedeutung sind, ob diese den gebenden oder nehmenden Part darstellen, bleibt umstritten und ist hier nicht Gegenstand der Untersuchung.21 Auch passen die Gewände- und Archivoltenplastiken an den Wiener Portalen nicht recht ins Bild von der „kubischen Verfestigung“ „parlerischer“ Skulptur wie wir sie 19 Fischer 1989, 487–490. 20 Kosegarten 1965, 78–81; Schmidt 1970/1992, 143–148; Schultes 1984. 21 Gerhard Schmidt sah die Wiener Arbeiten als Voraussetzungen der Prager Wenzelsstatue; Schmidt 1970/1992, 201–202.
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in Schwäbisch Gmünd und an der Nürnberger Frauenkirche finden. Aber selbst wenn alle diese Optionen im Spiel bleiben,22 geht das nicht ohne Irritationen ab.23 Schon vor 35 Jahren hat man dies genutzt, um weitergehende radikale Schlüsse zu ziehen: Der Bildhauer oder die Werkstatt seien französischer Herkunft, „ausgebildet im Milieu der Nachfolger des Jean Pepin de Huy“. In Wien etabliert, habe man sich dem hier regierenden höfischen Stil angepasst, der, vom „Meister des Rudolfsgrabes“ eingeführt und geprägt worden sei, um beides miteinander zu verknüpfen.24 Für die plastisch ausgestattete Architektur ist eine solch differenzierte Herleitung kaum mehr zu leisten: Nach heute bekannten Denkmälern bietet Schwäbisch Gmünd für Bischofs- und Singertor den formalen Ausgangspunkt. Die Einbettung einer neuartigen, von den Umrissen her bewegten und ausladenden Skulptur in diese Architektur machte gewisse Probleme, ließ sich aber mit gewissen Abstrichen bewältigen. Ob dies auf eine Herkunft der am Werk Beteiligten aus unterschiedlichen Traditionen hindeutet, wäre zu diskutieren.
7. In Wien hat man – wie die Forschung immer wieder betonte – die Portale nicht zuletzt als Instrumente der Herrschaftsrepräsentation gewählt.25 Da allerdings Eingänge mit Bildwerken zeitgenössischer Auftraggeber nach unserer Kenntnis hochund spätmittelalterlicher Denkmäler eher die Ausnahme blieben, ist die Tradition, in der die Wiener Eingänge stehen, nicht sehr markant ausgeprägt. Von daher fragt sich, inwieweit wir es hier tatsächlich mit einer neuen, oder doch wenigstens seltenen Variante der Stiftermemoria zu tun haben und ob dies bewusst war. Das interessiert umso mehr, als die Stifter möglicherweise nun gleich doppelt, am südlichen und nördlichen Langhaus, in Erscheinung treten. Wesentliche Voraussetzungen für die Ikonografie der Wiener Eingänge liegen in Westeuropa. Nach 1250 waren im französischen Kronland vereinzelt Grabbauten und Portale mit Gewände- oder Tabernakelfiguren von Herrschern versehen worden. Der als Architektur konzipierte, stark erneuerte Kenotaph für König Dagobert I. († 638/39) in der Abteikirche von Saint-Denis zeigt an den seitlichen Säulen Königin Nantilde, Dagoberts zweite Frau († 642), und seinen Sohn Chlodwig († 657) (Abb. 8).26 Diesem Konzept verpflichtet war auch das zur Zeit der Französischen Revolution zerstörte Grabmonument Graf Alfons’ II. von Provence († 1209), das in einer mittleren, mit Maßwerk versehenen Arkosolöffnung die Darstellung des Verstorbenen enthielt, während in seitlichen Tabernakeln Statuen Graf Raimund Berengars V. († 1245) und seiner Tochter Beatrices von Provence († 1267) zu sehen waren.27 Demgegenüber ist die Figur König Childeberts I. († 558) vom Trumeaupfeiler des
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22 Vgl. neuerdings noch einmal Fajt 2012, 259. 23 Roller 2004 ist deshalb gegenüber allen solchen Ableitungen skeptisch und plädiert für eine, nicht vordergründig an Personen und an der Rekonstruktion ihres Œuvres orientierte Vorgehensweise. 24 Schwarz 1986, 318–319. 25 Vgl. dazu in weiterem Kontext Kohn 2006. 26 Sauerländer 1970, 171 f.; Erlande Brandenburg 1975, 126 und 142–144, Nr. 23. 27 Ehemals Aix-en-Provence, Saint-Jean-de-Malte. Vgl. Babelon 1970 sowie Enderlein 1997, 29–31 mit Abb. 4.
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Eingangs zum Refektorium der Abtei Saint-Germain-des-Prés in Paris insofern eine Besonderheit, als hier ein Stifter am Portal auftritt, bei welchem es sich um eine längst verstorbene Person handelte.28 Im späten 13. bzw. frühen 14. Jahrhundert werden aber auch lebende Persönlichkeiten auf diese Weise geehrt: Nach 1299 dürfte die Figur König Philipps des Schönen († 1314) am Trumeau der von ihm gebauten Grande Salle des Louvre aufgestellt worden sein.29 Nicht zuletzt aus Paris und Umgebung sind jetzt vermehrt derartige Denkmäler überliefert. Sie gehören in das Umfeld des Hofes und hoher Würdenträger, sodass man von einer neuartigen Form der Visualisierung herrschaftlichen Anspruchs und memorialer Selbstdarstellung ausgehen darf.30 Das vielleicht bekannteste Monument einer solch suggestiven Präsentation ist hinsichtlich seiner mittelalterlichen Aufstellung gleichwohl umstritten: Immerhin gibt es Indizien für die Anbringung der Figuren König Karls V. und seiner Frau Jeanne de Bourbon an einem Portal entweder des Pariser Hospitals Quinze-Vingts oder der Coelestinerkirche in der zweiten Hälfte der 1360er-Jahre (Abb. 9).31 Die Wirkung auf jüngere Projekte dürfte beträchtlich gewesen sein. Zu nennen ist vor allem das Portal der ehemaligen Kartäuserkirche von Champmol, wo Herzog Philipp der Kühne von Burgund und seine Frau Margarethe von Flandern, von Johannes dem Täufer 28 Paris, Musée du Louvre, Département des sculptures, Inv.-Nr. ML 93 (N 15001). Vgl. Kat. „Naumburger Meister“ 2011, Bd. 2, 1500–1501, Nr. XIX.1 (Pierre-Yves Le Pogam). 29 Bennert 1992, 46. 30 Vgl. Schwarz 1986, 92–93; Brückle 2005, 135–165. Ferner Carqué 2004, 435, 519–520. 31 Vgl. Kat. Les Fastes du Gothique 1981, 119–121, Nr. 68; Gaborit 1981 sowie Schwarz 1986, 167–170.
Abb. 8: Saint-Denis, Ehem. Abteikirche, Kenotaph für Dagobert I. Abb. 9: Paris, Ehem. Coelestinerkirche, Portal, Kupferstich 1790.
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und der hl. Katharina empfohlen, in den inneren Gewändenischen knien und sich der Gottesmutter mit Kind am Trumeaupfeiler zuwenden.32 Inwieweit die Frühgeschichte dieser Entwicklung für Wien Bedeutung hatte, man hier also auf die seit dem 13. Jahrhundert überlieferten französischen Vorbilder zurückgriff, ist angesichts der geschilderten lückenhaften Situation nicht ganz klar. Optisch und motivisch sind durchaus Anknüpfungspunkte auszumachen. Gleichwohl steht zu bezweifeln, dass mit dem Hinweis auf Frankreich alle Voraussetzungen für St. Stephan erfasst sind. Denn gerade die ideelle und ikonografische Komponente des Wiener Herrscher- und Stifterportals ist in ihrer spezifischen Ausrichtung durch französische Anlagen kaum vollständig abgedeckt. Der Blick hat sich deshalb auch auf solche Werke zu richten, die Mitglieder des Hauses Habsburg ins Bild setzen und diese als Teil einer Institution in die Geschichte dieser Institution einbetten.
8. Eine derartige politische Ikonografie lag keineswegs allein inhaltlich, sondern auch geografisch nahe. So sind deutliche Bezüge zu erkennen zwischen der an den Wiener Portalen realisierten Idee und der Ausstattung von Kirchen bzw. Klöstern aus der Umgebung, die Gründer und Wohltäter memorieren und/oder zeigen.33 Neben anderen Werken, etwa den Glasgemälden mit den Stiftern aus Lilienfeld oder dem Stammbaum der Babenberger in Heiligenkreuz,34 später auch den Fenstern der Bartholomäuskapelle an St. Stephan,35 dürften für Wien die Statuen im Chor der Dominikanerinnenkirche in Tulln wichtig gewesen sein, die wir nur noch aus Beschreibungen und Stichen der Frühen Neuzeit kennen. Dargestellt waren König Rudolf von Habsburg und seine Frau Anna von Hohenberg sowie deren Sohn Herzog Albrecht von Österreich und seine Frau Elisabeth, also der Fundator des Klosters sowie dessen Vogt.36 Ob die Tullner Figuren alle gleichzeitig entstanden oder ob das Ensemble über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten komplettiert wurde, muss hier nicht diskutiert werden.37 Entscheidend ist vielmehr, dass es sich um Werke handelte, die wenige Jahrzehnte vor den Portalen von St. Stephan geschaffen wurden und sowohl für den Anspruch wie hinsichtlich ihrer Materialität ein direktes Vorbild für die Herzogsfiguren in Wien geliefert haben könnten. Ob die Tullner Figuren ursprünglich Teile eines Eingangs waren, ist unbekannt.38 Ob sie zu Lebzeiten der Stifter entstanden ebenso. Beides kommt dann aber in Wien
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Prochno 2002, 22–45; Grandmontagne 2005. Dahm 2000, 342; Hörsch 2011, 1432–1441. Vgl. Kat. „Babenberger“ 1976, 348–349, Nr. 468 sowie Oberhaidacher-Herzig 2012. Buchinger 2012. Die Bildzeugnisse wurden ediert bei Herrgott/Heer 1760, Tafel XIV, 1; XVI, 1; XVII, 1 u. 4. Vgl. schon Sauerländer 1979, 218 mit der Einbettung der Werke in eine Geschichte mittelalterlicher Stifterfiguren. Spezifischer mit Hinweisen auf die Bedeutung Tullns für Wien dann Wagner-Rieger 1979, 104–106; Schmidt 2000, 299–300; Schedl 2004, bes. 64–70. Zur topografischen Situation der Stiftermemoria im Chor der Tullner Kirche jetzt auch Schedl 2009, 72–76. 37 Schwarz 1986, S. 282–285; Oberhaidacher-Herzig 2012, 298–299. 38 So die Vermutung von Schedl 2004, 67; vgl. auch Kohn 2006, 194–195.
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zum Zuge. Denn wenn hier die zumeist angenommene Datierung bis 1365 richtig ist, handelte es sich um Bildnisstatuen noch lebender Personen.39 Diese Variante macht den entscheidenden Punkt der Wiener Konzeption aus.40 Nicht allein Memorialbildnisse, sondern – wenigstens kurzfristig – unmittelbare Stellvertretung. Dies lässt die Bildwerke zu Solitären auch gegenüber ähnlichen Monumenten anderswo werden. Zu erinnern ist hierfür an einige jetzt entstehende plastische Paardarstellungen: Herzog Otto der Milde und seine Frau Agnes in der Braunschweiger Stiftskirche St. Blasius von 1346 oder die im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts geschaffenen Figuren des Grafen Günther II. von Barby und seiner Frau aus der ehemaligen Klosterkirche zu Barby.41 Richtet sich der Blick speziell auf familiäre Korrespondenzen, dann liegen für Wien weitere Bezüge zu Orten nahe, die in der Geschichte des Hauses Habsburg eine Rolle spielten. Solche Bezüge treten beispielsweise hervor in der inhaltlichen Nähe zu Werken aus dem als Gedenkort für den ermordeten Albrecht I. fungierenden Kloster Königsfelden: Ein (heute stark zerstörtes) Glasfenster im Chor der Klosterkirche zeigte eine Kombination von Paulus- und Marienikonografie, wie sie getrennt in den Tympana der Eingänge von St. Stephan auftaucht und so eine Verbindung zwischen der königlichen Stiftung und dem Wiener Projekt herstellt.42 Warum aber Wesentliches der an St. Stephan realisierten Idee von der Sichtbarmachung dynastischer Tradition und Stiftertätigkeit jetzt auf Portale übertragen wird und ob damit tatsächlich die modernste, vor allem aber auch seltene Form von Memorialmonumenten direkt aus Frankreich übernommen wird, darüber lässt sich nur spekulieren. Sollten ältere lokale Projekte dieser Art öffentlicher Präsentation – etwa das bescheidene Tympanon mit Friedrich dem Schönen und seiner Frau, heute an der Minoritenkirche – überboten werden?43 Lag der Grund für diese Art der Nutzung von Eingängen in der hier erreichbaren besonderen Nähe zum Publikum? Denn die Schnittstelle zwischen dem Innen und dem Außen der Kirche, die jeder beim Betreten des Gotteshauses zu passieren hatte, zwang in eine direkte, nicht zu umgehende Konfrontation mit den Darstellungen. Hatte die verhältnismäßig bescheidene Größe der Portale mit der noch auf Jahre hinweg bestehenden eher unwirtlichen Situation an einem Gotteshaus zu tun, das als Baustelle vorerst nur einschränkt die Möglichkeit zu einem durch ausgefeilte Ikonografie unterstützten großen Memorialwerk bot? Alles das wissen wir nicht. Das durch die Entscheidung für solche Portale aber zumindest im Reich gewonnene Seltenheitsmerkmal dürfte jedoch bewusst einkalkuliert worden sein.44 39 Zuletzt vorsichtige Zweifel bei Flum 2013. 40 Auf dieses Alleinstellungsmerkmal verweist auch Ginhart 1972, 17, dessen Beitrag ansonsten eine stark nationalistisch gefärbte, weniger wissenschaftlich fundierte als emphatisch überhöhte Verteidigungsschrift österreichischer Kunst darstellt und somit wenig brauchbar ist. 41 Wäß 2006, Bd. 1, 108–109, 260; Bd. 2, 72–73, Nr. 74; Deiters 2006, 25–34 und 56–60. 42 Zuletzt ausführlich Flum 2013, 15–19. 43 Siehe zum Werk neuerdings Wolter-von dem Knesebeck 2017, 340–341. 44 Ansätze zu einer in ähnliche Richtung weisenden Eingangsikonografie gibt es etwa am 1343 vollendeten Nordportal des Augsburger Domchors, wo Vorfahren Kaiser Ludwigs des Bayern, Adelheid und Elisabeth, als gekrönte Frauen erscheinen. Vgl. Suckale 1993, 84–86 sowie differenzierend und die Thesen Suckales kritisch analysierend, von der Bank 2013, bes. 114–117 und 283–284.
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Abb. 10: Wien, St. Stephan, Portal unter dem Südturm.
Der tiefere Sinn derartiger Selbstpräsentation mochte aber nicht zuletzt in Kompensation liegen: Der leidvollen Erfahrung, nicht in das Kurfürstenkollegium aufgestiegen zu sein, war Herzog Rudolf IV. ab 1358/1359 mehrfach mit starken Antworten begegnet: Die grandiose Fälschung des Privilegium maius genannten Urkundencorpus und die darauf basierende Übernahme des Erzherzogstitels wie die Etablierung eines Kollegiatkapitels an St. Stephan zeigten Rudolf als jemanden, der bereit war, alle Register zu ziehen, um seinen Herrschafts- und Ranganspruch nach außen zu vertreten.45 Es liegt nahe, auch die Portale als Teil einer solchen Aufwertungsstrategie zu sehen, die durch die Integrierung von großen Bildnisfiguren unmittelbarer wirkte als eine „abstrakte“ Architektur oder die wenig sichtbare institutionelle Erhöhung einer Pfarrkirche. Bei der Aufgabe, die Persönlichkeit des Stifters in ein helles Licht zu stellen, unterstützten darüber hinaus weitere, wie Reliquien in den Bau integrierte und öffentlich zugängliche „Dokumente“: der Inschriftenstein am nordwestlichen Strebepfeiler und der Kolomanistein am Bischofstor.46 Vermutlich stand bei alledem die direkte Konkurrenz zu Prag, der Residenz von Rudolfs Schwiegervater Kaiser Karl IV., im Hintergrund, wie es immer wieder – auch für andere Projekte des Herzogs – angenommen wurde.47 Beim Kathedralbau an der Moldau ging es ja ebenfalls um die Aufwertung von Bestehendem. Außerdem war die permanente Anwesenheit des Kaisers in der Domkirche, der Stadt und der Burg Karlstein durch gemalte und plastische Bildnisse zu einem wesentlichen Faktor des höfischen wie öffentlichen Lebens geworden.48 Rudolf, der nachweislich mehrfach in Prag war, dürfte das aus eigener Anschauung gekannt haben. Wie man in Wien genau darauf reagierte, das ist wiederum nur schwer einzuschätzen. Durch die nur ungenauen Kenntnisse über die Sakraltopografie St. Stephans im 14. Jahrhundert, die unbekannte Art der Einbettung zahlreicher plastischer Bildwerke in die Architektur, aber auch durch den Interpretationsspielraum in Bezug auf de-
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45 Vgl. unter anderem Gross 1966 sowie jetzt Göhler 2015, bes. 69–87. 46 Hierzu Kohn 2002 und Schedl 2018, 57–59. 47 Zur Nachahmung Karls durch Rudolf siehe Niederstätter 2001, 171 und Kohn 2006, 186 f. Vor allem zu den diesbezüglichen Auswirkungen in der Kunst auch Böker 2008. 48 Suckale 2003; Bogade 2006.
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ren stilistische Ausprägung bleiben zahlreiche Fragen offen.49 Denn es ist nicht auszuschließen, dass die Präsentation der Stifter an den Langhauseingängen von St. Stephan allenfalls als Zwischenlösung einzustufen ist, ähnlich wie zahlreiche Bau- und Ausstattungsmaßnahmen an der Kirche, welche oft nur vorläufigen Charakter besaßen, weil man die kontinuierliche Nutzung des Langhauses anstrebte.50 Höchstwahrscheinlich war ab 1359 nämlich eine weit monumentalere Portalanlage unter dem Südturm geplant, die nicht allein von ihrer Größe her dem Riesentor Konkurrenz bot, sondern auch, ähnlich positioniert wie das vorbildhafte Querhausportal am Prager Veitsdom und wie dort mit einer Vorhalle ausgestattet, direkt in den Chorbereich führte, der mit dem Herzogsgrab zu einem Memorialraum werden sollte.51 Dieser neue Eingang, nach komplizierter Baugeschichte erst im späten 14. Jahrhundert und bis auf die jüngere Madonna mit Kind am Trumeaupfeiler ohne Figuren vollendet, hätte sicherlich auch für das Herrschaftszeremoniell eine besondere Rolle spielen sollen (Abb. 10).52 Man mag deshalb fragen, ob nicht gerade dort ursprünglich ein Figurenprogramm vorgesehen war, wie es in reduzierter Form dann an den Langhausportalen realisiert wurde. Die Nähe zur herzoglichen Bestattung hätte den Bildwerken im östlichen Bereich der Kirche einen besonderen Verweisungscharakter verliehen.53 Nachdem abzusehen war, dass sich die Vollendung des Figurenportals unter dem Südturm länger hinzog, wären das Singer- und das Bischofstor quasi als „Notvarianten“ einer ursprünglich größer dimensionierten und an anderer Stelle vorgesehenen Planung errichtet worden. Eine klare Antwort darauf, ob es wirklich so gewesen ist, gibt es nicht. Auch ist kaum mehr auszumachen, ob die Gewändefiguren eventuell bereits für das Turmhallenprojekt fertiggestellt waren und jetzt in den Aufbau der neuen Eingänge integriert wurden. Dass man aber auch diese Langhauseingänge mit der Aufgabe betraute, den Besucher direkt anzusprechen, ihm den Memorialcharakter des Baus deutlich zu machen und ihn auf die herzogliche Bestattung im Innern von St. Stephan einzustimmen, dürfte angesichts der einzigartigen Stifterbilder an den Portalen kaum zweifelhaft sein.
49 Vgl. hierzu etwa die radikale Neubewertung stilistischer Entwicklung bei Schwarz 1986, 326–356. 50 Schedl 2018, 64–74 und 110–124. 51 Für die Entstehung und die Entwicklung dieser Memoria: Dahm 2000 sowie Schedl 2018, 67–69. 52 Vgl. Zykan 1970; dann vor allem Böker 2007, 97–117, bes. 107–108. 53 Auch eine ursprüngliche Platzierung der beiden Portale am vermuteten Querschiff der Vorgängerkirche und damit ebenfalls in der Nähe der Herzogsbestattung wurde schon einmal postuliert, ist angesichts der neuesten Befunde der Bauforschung aber nicht mehr aktuell: Juckes/Schwarz 2009, 268–269. Vgl. dazu den Beitrag von Michael V. Schwarz in diesem Band.
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Prachtvolle Erscheinung und anmutige Bewegung Höfisches Dekorum und die Wiener Herzogsfiguren
In der sogenannten Moraltheologie der Wiener Schule des letzten Drittels des 14. Jahrhunderts stehen die Regulierung von innerer und äußerer Erscheinung, Haltung und Verhalten, Sein und Schein im Mittelpunkt der höfischen Idee. Das Zusammenspiel zwischen Kleidung, Gebärdensprache und Körperhaltung bildete die „Sichtbarkeit der Welt“ und reflektierte gesellschaftliche Hierarchien und Kontrollmechanismen. Dabei treten – wie es von Christian Schneider und Joachim Bumke gezeigt wurde – zwei zentrale Begriffe hervor: zuht und scham. Zum einen bedeutete dies Selbstdisziplinierung, Affektkontrolle und Selbstdarstellung, die den Gegensatz zu einem emotional-impulsiven Verhalten bildete; und andererseits war Scham mit der Unreinheit und Unsauberkeit des Körpers verbunden und gleichzeitig mit dem Sündenbegriff verknüpft.1 In der Hofkultur des spätmittelalterlichen Wien, wie sie etwa im Fürstenspiegel „Der Fürste Regel“ oder in der Heinrich von Langestein zugeschriebenen pastoralkatechetischen Schrift „Erkenntnis der Sünde“ (aus der Zeit Herzog Albrechts III.) beschrieben wird2, erhielten zuht und scham nicht nur eine ethische Bedeutung, sie waren auch als Vorschriften für die Lebensführung zu verstehen. Die Körperlichkeit des Menschen wurde dabei gehemmt und verkleidet und die erotische Beziehung zwischen den Geschlechtern unterdrückt. Die Herzogsfiguren Rudolfs des Stifters und seiner Frau Katharina von Böhmen erscheinen mit ihrem starken Hüftschwund und ihrer prachtvollen Kleidung nicht nur erotisch, sondern geradezu schamlos. Und das nicht nur für moderne Sehgewohnheiten, sondern vor allem für den mittelalterlichen Betrachter. Rudolfs modische Tracht (Abb. 1, 3 und Abb. 5) besteht anstelle der langen Tunika aus einer eng am Körper anliegenden Schecke, die kaum über den Schoß reicht und die Knie unbedeckt lässt. Sie erinnert an die berühmte Beschwerde der Kleriker in der Mainzer Chronik von 1367, in der steht, dass „die jüngeren Männer so kurze Röcke trugen, dass sie weder die Schamteile noch den Hintern bedecken. Musste sich jemand bücken, so sah man ihm in den Hintern. Oh welche unglaubliche Schande!“3 Die Schecke war auf der Brust auswattiert und die Taille eng gebunden, wie der böhmische Chronist Hagecius ab Hagek berichtet: „Etzliche trugen auch auf der Brust mit Baumwolle gefütterte und ausgefüllte Brustlätze, auf dass ein ansehen haben müsste, gleich als wenn der Mann so wohl gebrüstet wäre als eine Weibsperson, 1 2 3
Ich möchte Andrea Hess für ihre aufschlussreichen Vorschläge und Anmerkungen danken, die den Text wesentlich verbessert haben. Schneider 2008,104–120; Bumke 1986, Bd. 2, 416–430; Jaeger 1985, 211–235. Für die Texte siehe Brinkhus 1978, 81–101; Heinrich von Langenstein zit nach Rudolf (Hg.) 1969. Mainzer Chronik 1346 bis 1406 zit. nach Flasch (Übers.) 2009, 45, cl. 1. Für eine Übersicht über die Mode des 14. Jahrhunderts siehe Thiel 1968, 125.
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und pflegten also dieselbigen falschen Brüste und Bäuche gar sehr einzuschnüren.“4 Diese kurzen, eng anliegenden Kleider wurden von der Geistlichkeit so sehr kritisiert, dass ältere Personen die langen Tunika und den altmodischen Tasselmantel weiter trugen, wie zum Beispiel Kaiser Karl IV. zu offiziellen Handlungen und bei repräsentativen Auftritten (Abb. 7).5 Herzog Rudolf und Herzogin Katharina hingegen erscheinen mit ihrer aufreizenden Kleidung gleich vier Mal im Stephansdom: am Singer- und am Bischofstor, flankiert von ihren Wappenträgern; an der Westfassade (heute im Wien Museum, die Wappenträger sind eine Ergänzung des 15. Jahrhunderts) und als Liegefiguren auf dem sogenannten Rudolfskenotaph.6 Er trägt außerdem auch den modischen höheren Kragen, der bis zum Kinn hinaufreicht, den modischen breiten Dupsing, einen Ringpanzer und Schnabelschuhe, die von ihm erfundene Zackenkrone und den weit geöffneten Nuschenmantel, der seinen stark verdrehten Körper und das vorgeschobene Becken sehen lässt.7 Mit ihrem Riesenkruseler und einem tiefen Dekolleté – von der Limburger Chronik 1350 als „Höllentor“ bezeichnet so wide heubtfinster also daz man ihre broste binah halbe sah8, mit der Wappenborte, die auf ihre adelige Abstammung hinweist und mit den hochmodischen halblangen „Palm-Ärmeln“ scheint Katharinas Kleidung nicht weniger sensationell als die ihres Gatten. Auf ihr Kleid ist ein großfiguriger kaiserlicher Adler genäht, während Wappenborte und Gürtel mit der französischen Lilie ihrer Mutter und dem böhmischen Bären ihres Vaters bestickt sind.9 Insbesondere das Dekolleté hat eindeutig sexuelle Reize hervorgerufen und stellte ein neues Körperbewusstsein dar (Abb. 2, 4 und Abb. 6)10, wie es auch in der Mainzer Chronik überliefert ist: „Genau so kamen die Frauen mit den verschiedensten abenteuerlichen Ausschnitten daher, sogar mit entblößten Brüsten. Ihre Kleider waren so eng geschnitten, dass man bei einigen Frauen in der Mitte das Weibliche betasten konnte.“11 Nicht weniger bedeutungsvoll sind der weit 4 5
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Zitiert in von Boehn 1989, 92. Thiel 1968, 127. Obwohl Karl IV. oft mit der modernen Schecke dargestellt ist, trat er bei offiziellen Verhandlungen und Vertretungen in der langen Tunika auf, wie unten erörtert. 6 Der ursprüngliche Standort der Liegefiguren auf dem Kenotaph ist unbestimmt. Für die verschiedenen Thesen siehe Böker 2007, 65 und 70, sowie die Standardstudie Bachleitner 1966, 17. Zur Funktion der Portale siehe Saliger 1997, 99; vgl. dazu auch den Beitrag von Franz Zehetner in diesem Band. 7 Nusche oder nüsche bezeichnet im Mittelhochdeutschen eine Spange. Siehe Praschl- Bichler 2001, 83. Die Zackenkrone war eine politische Provokation gegenüber der von Kaiser Karl IV. herausgegebenen Goldenen Bulle, ein Dokument, das die Habsburger aus dem Rang der Kurfürsten zu Reichsfürsten degradierte. Siehe Baum 1996, 65–123; Lhotsky 1962, 30 und Anm. 26 und 29. Zur Werkstätte, stilistischen Merkmalen und Datierung der Skulpturen und deren Identifikationen siehe Kosegarten 1965, 88–94; Schmidt 1977/1978, 170–206; Swoboda 1978, Bd. 3, 88–94; Pinkus 2013, 63–93. 8 Limburger Chronik zit. nach Brandt (Hg.) 1922, 17. Über entblößte Brüste als Höllentor siehe Yalom 1998, 51–52. 9 Zu den verschiedenen Schilden siehe Begrich 1965, 15–16. 10 Über die neue Körperlichkeit und das neue Körperbewusstsein in der zeitgenössischen königlichen Politik und Ideologie sowie in der Theologie, siehe die Arbeit von Marek 2009, 17–18 und 129–131. Marek erweitert und revidiert die klassische Studie von Kantorowicz 1957. Siehe auch Anm. 50. 11 Mainzer Chronik 1346 bis 1403 zit. nach Flasch (Übers.) 2009, 45, cl. 2.
Prachtvolle Erscheinung und anmutige Bewegung
geöffnete Nuschenmantel Katharinas und ihr schwingender Körper. Obwohl die neue Tendenz zu modisch eng geschnittener Kleidung von Frankreich bis Böhmen, also im gesamten zeitgenössischen Raum, zu beobachten ist, sei in Zusammenhang mit den Stifterfiguren darauf hingewiesen, dass das eigenartige Zusammenspiel von Mantel, Körper und Bewegung außerhalb der Rudolfinischen Kunst weder Vorbilder noch Nachahmer hat. Ann Rosalind Jones und Peter Stallybrass gebrauchen die Formulierung von der Kleidung, die eine getragene Welt sei, eine Welt von gesellschaftlichen Beziehungen, die auf den Körper des Trägers der Kleidung appliziert wurden; „Clothing is a worn world: a world of social relations put upon the wearer’s body.“12 Kleidung unterstreicht und betont somit erzwungene Hierarchien und institutionelle und individuelle Identitäten, sie spiegelt kollektive Macht, soziales Gefüge, Gruppierungen und Zugehörigkeiten, ebenso wie offizielle Verehrung und Kult. Kleidung galt als zentrales Instrument bei sozialen Interaktionen, bei der Strukturierung von Machtverhältnissen und bei der Selbstdefinition in Zusammenhang mit einem weit gespannten Netzwerk von Bildern, performativen Ritualen und anderen kulturellen Assoziationen.13 Obwohl nur wenige Berichte über die Bekleidungskultur „clothing culture“14 der Rudolfinischen Zeit überlebt haben, kann man dennoch das Konzept des kostbaren Aussehens und der anmutigen Bewegung sowohl anhand der höfischen Literatur der Zeit als auch der neuesten Moden der Textilbearbeitung nachverfolgen. Vergleicht man Katharinas Figur von der Westfassade mit jener der berühmten Reglindis aus Naumburg, so wird die Veränderung in Mode und Körperhaltung deutlich spürbar (Abb. 6 und Abb. 8).15 Reglindis’ Haltung und Gebärde scheinen die höfische Zucht, wie sie in der Darstellung Isoldes im „Tristan“ des Gottfried von Straßburg beschrieben sind, zu reflektieren: „Da wo sich Tasseln befanden, war eine feine Schnur aus weißen Perlen befestigt, in die die Schöne ihren linken Daumen geschlagenen hatte. Die Rechte hielt sie etwas tiefer, dort, wo man – ihr wisst es wohl – den Mantel schließen soll, und hielt ihn auf höfische Weise mit zwei Fingern zusammen.“16 Auf die erstaunlichen Prallelen zwischen Text und zeitgenössischen Bildern wies schon der Autor hin: „In jeder Hinsicht schön geformt / lang, rankgedrechselt, schlank, / betont durch ihre Kleidung / als hätte die Minne sich selbst geschnitzt / als Ködervogel.“17 Isoldes Anmut wird durch das Wechselspiel zwischen ihrer Garderobe und ihrer Bewegung hervorgerufen: „Beide zusammen, Gestalt und Gewand / haben niemals schöner / ein lebendiges Bild
12 Jones/Stellybrass 2000, 3. 13 Crawford 2004,154–155; Denny-Brown 2004, 224–225. 14 Der Begriff „clothing culture“ bezieht sich auf die Bekleidungsrituale und die soziale Bedeutung spätmittelalterlicher Kleidung und die Verwendung derselben. Richardson 2004, 1–29; Crane 2002, 1–9. 15 Zu Reglindis’ Erscheinung als Verkörperung der idealisierten höfischen Frau in ihren Gebärden, ihrer Haltung und Mimik, siehe Sauerländer 1999, 627; Dautert/Plaumann 1996, 305; Sterling-Hellenbarnd 2002, 70–89. Zu ihrem Lächeln siehe Gertsmann 2010, 34–35; Pinkus 2014, 31–42. 16 Gottfried von Straßburg, Das Tristan-Epos zit. nach Spiewok (Hg.) 1989, vv. 10935– 10944. 17 Gottfried von Straßburg, Das Tristan-Epos zit. nach Spiewok (Hg.) 1989, vv. 10890– 10897.
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Abb. 1: Wien, St. Stephan, Bischofstor, Rudolf der Stifter. Abb. 2: Wien, St. Stephan, Bischofstor, Katharina von Böhmen.
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hervorgebracht als dieses.“18 Auch ist Reglindis’ Bewegungsmuster gemessen, weder kurz noch lang, weder stark noch weich, weder konkav noch konvex, sondern stabil und fast still. Katharina dagegen ist anders geartet: Im Unterschied zum fest geschlossenen Tasselmantel der Reglindis ist ihr Nuschenmantel, der von zwei Spangen auf der jeweiligen Schulter gehalten wird, weit offen. Anders als der traditionelle Mantel, der den Körper einhüllte und die Bewegung einschränkte, befreit der neue Mantel sowohl den zuvor eingeengten, disziplinierten Körper als auch die zurückhaltende Bewegung und lässt somit eine ausdrucksstarke Körperhaltung sehen. Katharina öffnet den Mantel unter Zuhilfenahme ihrer gebeugten Arme und Ellenbogen noch weiter und ermöglicht dadurch einen Blick durch das sogenannte „Teufelsfenster“ auf ihren Körper.19 Gleichzeitig bietet sie einen Blick auf das Innenfutter ihres Mantels. Darüber hinaus schiebt sie ihr Becken deutlich vor und stützt diese unausgeglichene Bewegung mit ihrem rechten Bein. Traditionell hat man diese Bewegung als stark übertriebenen gotischen Schwung betrachtet, vielleicht das Produkt einer provinziellen Ästhetik, eine Idee, die heute kaum mehr haltbar ist. Während des vierzehnten Jahrhunderts haben neue Gewebe die Verarbeitung der Kleidung, das Aussehen und die Bewegung der Aristokratie beeinflusst und sie 18 Gottfried von Straßburg, Das Tristan-Epos zit. nach Spiewok (Hg.) 1989, V. 10958. 19 Thiel 1968, 135.
Prachtvolle Erscheinung und anmutige Bewegung
dadurch von den alten höfischen Idealen entfernt.20 Neue dünnere und elastischere Stoffe ermöglichten die hauteng, „cut to fit“, anliegende Mode und das Spiel zwischen dem enggeschnittenen Oberteil des Kleides und den zahlreichen losen Falten des Unterteils. Während die Außenseite des Mantels aus neuer dünner Baumwolle hergestellt wurde, war das Innenfutter aus Pelz und Seide gewebt. Da Pelze selten und teuer geworden waren, wurden sie nur für das Innenfutter, entweder auf den Säumen oder streifenweise verwendet. Das heißt, das Futter war aus wesentlich teurerem Material gefertigt als der Mantel selbst und der Innenpelz war zum Statussymbol geworden, ein extravagantes Zeichen von Stand und Luxus.21 Wer etwas auf sich hielt, besaß auch gezaddelte Überärmel, die mit Pelz und Seide gefüttert waren.22 Neue Regelungen kontrollierten und beschränkten die Verteilung von Pelzen unter den Angehörigen der oberen sozialen Schichten. Darüber hinaus ist es als Geste des Respekts sich selbst gegenüber zu sehen, wenn die „Hautseite“ edler gehalten ist als die „Schauseite“. Damit stellte das Herzogspaar in seinen weit geöffneten Mänteln in mehrfacher Hinsicht seine Körper zur Schau. Ab dem 15. Jahrhundert konnte man sich dieses luxuriöse Futter nicht mehr leisten und langsam ist es aus der Mode verschwunden.23 Mit dem Schwung der Bewegung und mithilfe des Ellbogens konnte Katharina sowohl die kostbaren Stoffe zeigen, um 20 21 22 23
Danny-Brown 2004, 223–237; Crane 2002, 11–13. Bumke 1986, Bd. 2, 172–175; Jaritz 2000, 235–259. Limburger Chronik zit. nach Brandt (Hg.) 1922, XXXIV. Piponnier/Mane 1995, 73–76.
Abb. 3: Wien, St. Stephan, Singertor, Rudolf der Stifter. Abb. 4: Wien, St. Stephan, Singertor, Katharina von Böhmen.
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ihren Reichtum zu demonstrieren, als auch die Wappenborte zur Geltung bringen. Zusätzliche Schlitze in den Ärmeln und im Kleid enthüllten die luxuriösen Materialen des Futters, der Untergewänder, ja sie zeigten sogar entblößte Haut. Außerdem schufen diese Schlitze einen Zugang zu inneren Greiftaschen, Gürtel und dem Korsett.24 Bei der wattierten Brustpartie und den gepolsterten Wämsern der Männer – wie es auch bei Herzog Rudolf der Fall ist – sowie bei der entsprechenden Wattierung und dem Korsett der Frauen hat das Ausstopfen im Laufe der 1360er-Jahre „immer mehr zugenommen, bis die Brust sehr rund und damit der ganze Oberkörper nach vorne gewölbt aussah“, und diese Wölbung wurde durch die modischen Knöpfe noch betont.25 Um diese dadurch entstandene Deformierung zu verschleiern, sollte man den Oberkörper nach hinten und die Hüfte in einer Gegenbewegung nach vorn beugen, wie es bei den Fürstenfiguren der Fall ist. Bei den Figuren der Westfassade (Abb. 5 und Abb. 6) ist diese Bewegung noch mehr betont und damit ist der zeremonielle Auftritt des „ersten Wiener Paares“ in ihrer Kirche vollkommen realisiert. Rudolfs Tracht hat eine mehrdeutige politische Bedeutung.26 Die von Kaiser Karl IV. im Jahr 1356 herausgegebene Goldene Bulle hat die Habsburger Herzöge als Reichsfürsten und nicht als Kurfürsten klassifiziert. Als solche konnten sie weder den Deutschen König wählen noch selbst gewählt werden. Karl IV. wollte dadurch Rudolfs Macht neutralisieren, da dieser weitaus mehr Territorien besaß als der Heilige römische Kaiser und die anderen Fürsten. Zudem kontrollierte er auch den Landweg nach Italien. In der Folge präsentierte Herzog Rudolf IV. das gefälschte Dokument Privilegium maius, das als Gegenzug zur Bulle gedacht war. Das Dokument genehmigte Privilegien, die angeblich den Habsburgern schon von Julius und Cäsar und Nero gewährt worden waren, die ihnen in ihren Ländern eine freie Hand in politischen und kommerziellen Angelegenheiten versprachen und sie von vielen Pflichten dem römischen Kaiser gegenüber, wie z. B. bestimmten Steuern, befreiten.27 Im Privilegium maius steht, dass der österreichische Herzog „mit dem fürstlichen Mantel angetan und den Herzoghut, der von einem Zinnenkranz umgeben ist, aufgesetzt“ seine Lehen empfangen solle.28 Berühmt ist die von Rudolf ersonnene Zackenkrone, die zu einer zentralen Insignie der Habsburger wurde und auf der entsprechend dem Privilegium maius das Kreuzeszeichen angebracht wurde.29 Und obwohl Rudolf im Jahre 1360, wahrscheinlich anlässlich eines Treffens mit Kaiser Karl IV. auf dem Hoftag zu Nürnberg schwor, dass er weder mit keiserlichen noch 24 25 26 27
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Denny-Brown 2004, 227. Pietsch 2010, 173. Siehe die umfangreiche Studie zu diesem Thema von Begrich 1965, 22–63. Rudolfs Chronisten behaupteten auch, die Habsburger seien die Nachkommen eines Mannes, der mit seinem Bruder aus dem alten Rom nach Deutschland geflohen war. Siehe Baum 1996, 65–123; Hödl 1988, 115–117; Hantsch 1959, Bd. 1, 133–136; Sauter 2003, 159–168. 28 Dux Austriae principali amictus veste superposito ducali pilleo circumdato serto ab pinnito baculum habens in minibus equo assidens et insuper more aliorum principum Imperii conducere ab imperio feoda sua dabet. Monumenta Germaniae Historica DF I. 1040, S. 348, zitiert und übersetzt nach Keupp 2010, 154. 29 De facto wurde die Zackenkrone in Anlehnung an die böhmische Königskrone, die corona supposititia entworfen, siehe Benna 1971, 154.
Prachtvolle Erscheinung und anmutige Bewegung
mit kuniglichen bogen crucze cronen sceptir swerte nicht in anderen sachen mich nicht anzihen will30, traten er und Katharina ausnahmslos mit dieser Krone auf. Ebenfalls im Gegensatz zu diesem Text erscheint Katharina an den Fürstenportalen mit einem kaiserlichen Zepter in der Hand, während Rudolf jenes Schwert hält, das zu den Insignien des römisch-deutschen Kaisers gehörte und die Hochgerichtsbarkeit ihrer Träger und deren Pflicht zur Verteidigung von Reich und Kirche symbolisierte.31 Schon im Folgejahr erschien der Herzog in ganzer Pracht mit der Zackenkrone: Wir Ruodolf von gots gnaden herzog ze Oesterreich, ze Steyr und ze Kernden bekennen und tuon kunt mit disem prief allen den, die in sehen oder hören lessen, daz wir den allerdurlüchtigen fürsten und herren, hern Karlen Römischen keyser, zu allen zeiten merer des reychs und kunigen ze Beheim, usern lieben gnedigen herren und vater, d omit erzürnet hatten, daz wir in unsrer stat ze Zovingen gelihen haben unser lehen in fürstlichen getzirde mit huote, mentlin und andrer zirde, die einen herzogen angehören mochten […]32. Obwohl in diesen Texten der Mantel nicht weniger wichtig ist als die Krone, hat die bisherige Forschung seinem Nuschenmantel und dem dazugehörigen Wams nur spärliche Aufmerksamkeit geschenkt. Wie schon erwähnt, kam beiden eine 30 noch beginen noch ein einige nuwe ding anders wan min vater und min veteren selig getan und gehandelt habe bei iren lebtagen […], Winckelmann 1885, Num. 1204, 861; Lhotsky 1957, 30. 31 Für eine Übersicht über die Bedeutung des Schwertes in den zeitgenössischen Quellen zwischen dem 11.–14. Jahrhundert siehe Begrich 1965, 28–31. 32 Nach Huber 1865, 216.
Abb. 5: Wien, St. Stephan, Westfassade, Herzog Rudolf IV., Wien Museum. Abb. 6: Wien, St. Stephan, Westfassade, Katharina von Böhmen, Wien Museum. Abb. 7: Wien, St. Stephan, Südturm, Kaiser Karl IV., Wien Museum.
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Abb. 8: Naumburg, Dom, Westchor, Reglindis, ca. 1249.
zentrale Rolle in der neuen höfischen Erscheinung zu. Jann Keupp vertritt die Ansicht, dass sich die politische Auseinandersetzung zwischen den Habsburgern und der böhmischen Krone in der Wahl des Gewandes artikulierte.33 Anlässlich des Friedensschlusses von Wien im Jahr 1276 trat der böhmische König Ottokar II. in prahlerischem, übertriebenen Gewand vor den römisch-deutschen König Rudolf von Habsburg und hat damit den Habsburger Herrscher verspottet. „Der König von Böhmen“, so erzählt die Chronik, „mit vielen Rittern und Rossen, mit goldgeschmückten Gewändern und edlen Steinen geziert, schickte sich an, die Regalien vom römischen König zu empfangen“.34 Als Gegenreaktion auf diese Extravaganz und Überheblichkeit hat Rudolf sein bescheidenes Wams angezogen. „Der König von Böhmen“, sprach Rudolf I., „hat mein graues Wams mehr als einmal verlacht; jetzt aber wird mein graues Wams ihn verlachen“.35 Auf dem Hoftag zu Nürnberg im Jahr 1298 trug sich ein ähnlicher Vorfall zu. Wenzel II., der Mundschenk König Albrechts I., erschien „mit wertvollem Gewand und einem Reitpferd, das auf tau-
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33 Keup 2010, 151–156. 34 Keupp 2010, 147; Rex Boemiae multis militibus, equis, vestibus deaureatis gemmisque decorates se praeparavit, ut regalia statim a rege susciperet Romanorum. Chronicon Colmariense zit. nach Jaffé (Hg.)1861, 248. 35 Rex Boemiae griseam meam vestem saepius derisit, nunc autem ipsum mea vestis grisea derdebit. Chronicon Colmariense zit. nach Jaffé (Hg.)1861, 249.
Prachtvolle Erscheinung und anmutige Bewegung
send Mark Silbers geschätzt wurde“.36 Er wollte auf seine mächtige Herrschaft verweisen, und laut Ottokars Österreichische Reimchronik, diu rîchen kleider legt er an / diu er dâ gehaben mohte / daz beste, daz in tohte / ze tragen an dem lîbe sîn / von gurtel und von vingerlîn, dâmit wart er geschônt. Eine wahrlich imposante Tracht, die lediglich seinen höheren Rang gegenüber dem Habsburger, dem damaligen römisch-deutschen König manifestieren sollte, um dadurch seinen Ehrverlust auszugleichen.37 Rudolfs spektakuläre Kleidung im Stephansdom könnte daher als Folge aus dieser Vorgeschichte verstanden werden. Auch Kaiser Karl IV., Rudolfs Schwiegervater und Gegenspieler, neigte dazu, die neueste Mode zu tragen und erhielt dafür scharfe Kritik. Papst Klement I. schrieb 1348 an Karl, damals bereits römisch-deutscher König, dass seine Kleidung zu kurz und zu eng sei und er damit die kaiserliche Würde beeinträchtige. Außerdem ermahnte der Papst ihn wegen der modischen Tendenz der Kleidung.38 Gleichzeitig beschwerten sich die Chronisten, dass sich Karl „bald als Böhme, bald als Deutscher“ angezogen und präsentiert hätte nunc Bohemanum, nunc Alemanum se fingens.39 Ohne den langen böhmischen Rock und Mantel könne man Karl von seinen deutschen Untertanen kaum mehr unterschieden. In Wien ist genau dieser Unterschied dargestellt, der beansprucht wird: R udolf als legitimer deutscher König – in der Nachfolge seines Urgroßvaters Rudolf I. – gegenüber Karl, dem Böhmen. Die Bedeutung, die Mantel, Wams und anderes Zubehör für die Wiener Hofkultur hatten, kommt auch in den Liedern des österreichischen Dichters Neidhart von Reuental, die unter Herzog Rudolf IV. wieder auflebten, zur Geltung.40 Nach Ulrich Müller ist Neidhart „vielleicht der erfolgreichste, ganz sicher aber der folgenreichste Lieder-Autor des deutschsprachigen Mittelalters“41, und seine humorvolle, manchmal auch sarkastische Weitsicht („höfische Dorfpoesie“) ist mehrfach in Kunstwerken visualisiert worden.42 Seine Lieder sind sozialkritisch und kritisieren in Humor verpackt die damaligen Zustände. Inhaltlich spielen die Lieder mit den Elementen der höfischen Lyrik, aber die Figuren Neidharts sind nicht mehr die unerreichbare adelige Dame und ihr Ritter, sondern Leute von bescheidener Herkunft, meist Bauern, die durch ihre Kleidung die Adeligen nachahmen und mit ihrer Bekleidung die Hierarchien der Gesellschaft durchbrechen. Die Lieder wurden vom Publikum einer Prüfung unterzogen und mussten der Realität entsprechen. In dem Gedicht „Die schöne Haube“ beschreibt Neidhart einen Stutzer, einen jungen Mann, der versucht hervorzustechen.
36 Rex vero Boemus cum pretiosissima veste et equo, qui ad mille marcas estimabatur, sedens vinum in scypho aureo sibi porrexit. Chronicon Colmariense zit. nach Jaffé (Hg.) 1861, 267. 37 Ottokars Österreichische Reimchronik zit. nach Seemüller (Hg.) 1893, Bd. 2, 971, vv. 7394–73601. 38 Siehe Thiel 1968, 126; Keupp 2010, 213. 39 Chronique du religieux de Saint-Denys zit. nach Bellaguet (Hg.) 1994, Bd. 1, 566. 40 Zur sogenannten Neidhart-Renaissance siehe Knapp 2004, 337–351. Voraussetzungen zur Neidhart-Biografie siehe bei Beck 2002, 1–20. Zum Œuvre selbst siehe Müller/ Bennewitz/Spechtler (Hg.) 2007. 41 Müller 1995, 35. 42 Blaschitz/Schedl 2000, 84–111; Kurschmann 2005, Bd. II, 245–253.
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Assaf Pinkus Des Enzelmann gesäumte Schuhe sind aus rotem Leder Die Mäntel hängen reich bebildert auf die Knie, und seine Kleider sieht er an und glättet sie, dass keine Feder daran bleibt. Ist eine da, dann prüft er sein Gewand oft Und glättet es gehörig fleißig mit der Hand. Wer will mit grobem Werkzeug jäten? Wenn er beim Tanz keine feinen Gürtel hätt’, ließe er sich eher aus dem Lande jagen. Er trägt sie breit so wie ein höf ’scher Marchherr, das will ich mit Gesang der Hofgesellschaft klagen.43
Der Schwindler versteckt und verkleidet sich als Edelmann mit Mantel, Schuhen und Gürtel, vielleicht einem Dupsing, die zusammen die Hauptaccessoires des höfischen Dekorums bildeten. Bei einer solchen Verkleidung kommt dem Material Stoff eine zentrale Rolle zu. In dem demselben Lied wird ein anderer „Sozialmissetäter“ beschrieben: Alle hielten sich für Edel … Seht doch an den Hildemar! Er trägt eine Haube, die hat innen Schnüre, außen sind die Vöglein draufgenäht. Manches Händchen hat die Finger da bemüht bevor sie so geschmückt: Niemand lässt sich lügen. Er muss meinen Fluch erdulden, der an ihn gedacht, der die Seide und das Tuch von den Welschen hat gebracht. Habt ihr seine blonden Locken nicht geseh’n Die bei seinem Kinn herunterhängen, in der Nacht in seine Haube eingezwängt, so als wenn die Krämerseide wäre gelb? ... Er will gleich sein wie die edle Dienerschaft, die bei Hofe aufwuchs und erzogen wurd’.44
Danach beschreibt Neidhart seine Rache an dem armen Hildemar, wobei er an seiner Haube reißen will, sodass die gestickten Vögel wegfliegen werden – eine Metapher der Vernichtung des Ornaments als Rangsymbol. Hervorzuheben ist die Betonung der kostbaren Stoffe und der Verzierung für die Illusion einer höfischen Erscheinung: Seide aus Italien und hochkomplizierte Stickerei, die von mehreren Händen gefertigt worden war. Eine ähnliche Betonung der Stickerei kann man auch am Kleid Katharinas sehen, sowohl bei der Wappenborte als auch dem kaiser-
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43 Neidhart von Reuental, Die schöne Haube zit. nach Spechtler (Übers.) 1999, 28, vv. 11– 12. 44 Neidhart von Reuental, Die schöne Haube zit. nach Spechtler (Übers.) 1999, 27, vv. 7–9.
Prachtvolle Erscheinung und anmutige Bewegung
lichen Adler, der Vogel, der nicht auf ihre Haube, sondern auf ihr Kleid meisterhaft gestickt wurde. Die ältere Literatur zu den Stifterfiguren beurteilt diese Stickerei als fantasievoll. Ähnliche Gewebe kann man aber nicht nur in Textilmuseen finden, sie werden auch in zeitgenössischen Berichten beschrieben. Das Gewand des hl. Leopolds, das man Mitte des 14. Jahrhunderts in Klosterneuburg fand, war laut dem Wunderbericht von 1371 mit einem ähnlichen Adler verziert und mit goldenem Faden auf einen blauen Stoff genäht (blauea tunica sparsa aviculus aureis). Möglicherweise handelt es sich dabei um das niederösterreichische Fünf-Adler-Wappen.45 Man kann darüber spekulieren, ob das Innenfutter der Mäntel der Fürstenfiguren auch mit einem solchen Motiv verziert war, wie es öfter in illuminierten Handschriften wie etwa im „Codex Manesse“ (1300–1340) vorkommt. In seinem „Letzen Bittlied“ beschwert sich Neidhart über seine Herrin und verspottet erneut die jungen Männer mit ihrer verfälschten Mode, die so eifrig das Wiener Vorbild nachahmt: Die übermütigen Dorfstutzer, die alle Vortänzer in der ganzen Gegend waren, tragen jetzt jeder eine Rüstung zur Herfahrt, die der Fürst aufbietet. Junge Frauen, ihr werden nicht mehr von ihnen beschlafen. Sie sind jetzt Hofleute, Bälieb und Irenwart. Irenwart und Uoge, die von Rechts wegen den Acker pflügen sollten, sah man in Wien Nackenleder und Brustpanzer kaufen. Uoge kaufte einen Und dazu zwei sehr dicke Lederstücke für die Schienbeine. Man muss ihm erlauben, dass er in Rust weiterhin den Vortanz ausführt.46
Es ist kein Zufall, dass Neidhart sich fast obsessiv mit dem Tanzen und der Bekleidung dafür beschäftigt. Tanzen war ein zentrales Ritual der höfischen Wiener Gesellschaft. Ein Bericht aus dem Jahr 1347 in der „Kleinen Klosterneuburger Chronik“ erzählt von einem Hoffest, das im freydthoff der Augustinerkirche für Herzog Albrecht II. von König Ludwig I. von Ungarn (1326–1382) veranstaltet worden war.47 Auf diesem Fest wurden aus Leinentuch eine Tanzlaube sowie zwei Fürstensitze für den König und den Herzog aufgebaut, und eine Woche lang wurde dort Tag und Nacht getanzt. Im Verlauf des Festes schenkten die Hofjungfrauen dem ungarischen König graue und blaue Gewänder. Im Gefolge der Adeligen spielten nicht nur Fürsten und einige Herren eine wichtige Rolle, sondern auch und vor allem die Hofdamen, die die österreichische Herzogin begleiteten. Die beiden getrennten Herren- und Damengefolge wurden vom Hofmeister bzw. der Hofmeisterin angeführt und traten separat auf. Das festliche Aussehen der Figuren von Katharina und Rudolf könnte seinen Ursprung in solchen Zeremonien haben. 45 Zitiert nach Röhrig 1963, 73. Mehr über dieses Wappen in Sauter 2003, 102–104. 46 Neidahrt, Winterlied 28 zit. nach Bleck 2002, 175, vv. 7–8. 47 Müller 1907, 677–679.
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Abb. 9: Porträt von Herzog Rudolf IV., Wien Dommuseum.
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Bei offiziellen Festen, Ereignissen und Verhandlungen tauschten rivalisierende Herrscher ihre Symbole und einer zog die Kleidungsstücke des andern an.48 Die zentrale Idee bei diesem Ritual war die Objektivierung des adeligen Körpers, nicht im postmodernen Sinn der Entmenschlichung des Individuums, sondern so, als hätte der Körper das politische und wirtschaftliche Potential des Gewandträgers bedeutet. Durch ein gesticktes Motto, durch Farben, Stoffe, Wappen und den Körper, auf dem sie getragen wurde, teilte die Kleidung die Identität mit („talking clothes“). Dadurch verwandelte sich der herzogliche Körper in einen Schauplatz, einen performativen Körper, an dem politische, heilige, genealogische und sexuelle Erwartungen festgemacht wurden. Die offiziellen Bekleidungsrituale waren repetitiv. Sie haben die politische Macht durch Wiederholung der Geste, Bekleidung, Entkleidung und Verkleidung konstituiert und stabilisiert.49 Die mehrfache Repräsentation von dem Fürstenpaar, Rudolf und Katharina, im Stephansdom kann als ein solcher Akt verstanden werden. Am Westportal erscheint das Herzogspaar eher in seiner Körperlichkeit und politischen Macht. Allerdings wird durch die Figuren seiner Eltern auf seine Genealogie hingewiesen. In den Fürstenportalen reiht es sich unter die Heiligen ein. In seinem Grabmal verflechten sich alle Aspekte miteinander. Das Erscheinungsbild der Körper („bodily performance“) und der Platz unter den Vorfahren an der Westfassade sowie unter den Heiligen in den Fürstenportalen brachte das moraltheologische Konzept der drei Körper des Königs zum Ausdruck: Ein natürlicher Körper, er war geschlechtlich und sterblich und bedeutete die Kontinuität des irdischen Fürstenhauses. Ein politscher Körper – er sollte die Macht, Zuständigkeit für Regierungsgeschäfte und eine weitreichende politische Vernetzung des Herrschers im weltlichen Kontext als Souverän, Richter und Stifter vor Augen führen. Und schließlich der dritte Körper als heiliger Körper, der seine Rolle in der Geschichte darstellte und ihn als Typus Christi verkörperte.50 Rudolfs gemaltes Porträt (Abb. 9) hält einerseits seine individuelle Physiognomie im originalen Format des Dreiviertel-Profils fest und steht somit für den natürlichen Körper. Andererseits liegt dem Porträt in gewissen Aspekten das konventionelle Idealbild spätmittelalterlicher Herrscher als Konzept zugrunde, das wäre der politische Körper. Und schließlich zitiert das Porträt die Darstellung Christi im 1300 gefälschten „Lentulusbrief“, womit wir den dritten und heiligen Körper definiert hätten.51 Da der Körper im Mittelalter nicht das Privateigentum des Individuums war, sondern gewissermaßen einer „Institution“ gehörte, entweder der Gesellschaft, der Kirche oder Gott, standen die drei Körper des Herrschers im Mittelpunkt von Herrscherverehrung und höfischen Zeremonien. Die Rolle von Mantel und Stoffen beim offiziellen Einzug bei Hof ist auch in der Legende zu verfolgen. Der Arthur-Roman „Daniel von dem blühenden Tal“, zusammengestellt bei „Der Stricker“ um 1220, ist höchstwahrscheinlich der erste 48 Crane 2002, 22–24. 49 Crane 2002, 32. Zu diesem Thema siehe auch Frieling 2009a, 95–101 und Frieling 2009b. 50 Hier folge ich der jüngeren Kritik und der Erweiterung der klassischen Begriffsbestimmung von Ernst Kantorowicz. Marek erweiterte und revidierte die klassische Studie von Kantorowicz, „The King’s Two Bodies“ (Kantorowicz 1957); siehe dazu Marek 2009, 67–84; Jussen 2009, 102–117; Herrero 2015, 1164–1177. 51 Der Lentulusbrief als Quelle für die Darstellung Herzog Rudolfs IV. in seinem Porträt wurde von mir in Pinkus 2013, 75, 76 und 92 diskutiert.
Prachtvolle Erscheinung und anmutige Bewegung
originale mittelhochdeutsche Arthur-Roman, der sich nicht auf französische Vorlagen stützt. In ihm wird ein Riese, Abgesandter des Königs Matur, zu König Arthus geschickt, um seine sofortige Unterwerfung zu verlangen. Der Riese, so erzählt der Autor, wurde bei einem Bildhauer gemeißelt, der ihm unbesiegbare Macht und eine undurchdringliche Haut schenkte.52 Ungeheuer und mächtig, trägt der Riese einen herrlichen und wunderbaren Mantel, der aus Seide und Gold genäht war: Daz aller spaeheste werc / das ieman wirken solde / von sîden und von golde, / daz was des risen gewant.53 Sein Auftreten, sein hoher Stand, seine Macht und der Beweis, dass König Matur Schätze von Gold, Silber, Edelsteinen und mirabila sein Eigen nennt, sind in dem Mantel verkörpert. Für die spätmittelalterliche Kultur ist der Mantel ein wesentlicher Akteur im politischen Bereich. In den Abbildungen zu diesem Text trägt der Riese zudem eine kurze Schecke. Er ist eine prachtvolle höfische Erscheinung, die an Rudolfs Aussehen denken lässt. Nach Rudolfs Tod ändert sich die Wiener Kleidungskultur. Unter seinem Bruder und Nachfolger Herzog Albrecht III. sind zuht und scham nicht nur zu zentralen Begriffen in der theologischen Morallehre, sondern auch in der höfischen Literatur geworden. So erwacht zum Beispiel in „Der Minn slaff“ von Peter Suchenwirt aus dem letzten Viertel des 14. Jahrhunderts die Frau Minne nach mehr als zehnjährigem Schlaf und mokiert sich über das kurze Gewand ihrer ehemals treuen Ritter. Sie beklagt, dass Scham und Zucht durch geschlechtsbetonte Körperlichkeit ersetzt worden seien. Die kurze Schecke, wie diejenige Rudolfs IV., wird demnach geradezu als unbescheidene und würdelose Nacktheit erfahren. Die Mynne sach in lachent an; Der churtzen woete sei verdroz: Seyt willenchomen, her Hindenploz! Lat ir ew also schawn Vor mynnechleichen vrawen? Hinden plotz und vor verschamt, Tzwar! Daz tziert nicht ritters ampt; Ein edel hertz sich schamen soll, Scham tziert alle tugende wol.54
Die Herzogsfiguren von Katharina und Rudolf fallen nicht nur durch ihre außergewöhnliche Tracht und die Vielfalt der köstlichen Details auf; die Körperlichkeit, die Bewegung und die Kleidung sind Teil einer gemeinsamen Inszenierung und wirken wie die Choreografie für ein großes Spektakel. Wenn man die Neidhart-„Renaissance“ unter Herzog Rudolf IV., sein anspruchsvolles Selbstbewusstsein und die Verwendung visueller Medien für die Förderung der Habsburger-Ideologie in Betracht zieht, ebenso wie die Bedeutung der „clothing culture“ und die Zur-SchauStellung der neuesten Mode und Textilbearbeitung, so liegt die Vermutung nahe, dass das Zusammenspiel zwischen Körper, Wams, Mantel, Innenfutter und Bewe52 Der Stricker, Daniel von dem blühenden Tal zit. nach Resler (Hg.) 1995, 39–40, vv. 761– 787. 53 Der Stricker, Daniel von dem blühenden Tal zit. nach Resler (Hg.) 1995, vv. 413–417. 54 Peter Suchenwirt zit. nach Primisser (Hg.) 1827, XXX, vv. 96–104.
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Assaf Pinkus
gung bei den Herzogsfiguren eine sorgfältig kalkulierte Darstellung war, politisch motiviert und nicht nur eine stilistische Caprice. Dreimal erscheint das Paar im Stephansdom an den drei rituellen Eingängen zur Kirche. Es demonstriert damit seine Macht und seine Legitimation als deutsche Kur- und nicht als Reichsfürsten gegenüber dem böhmischen Kaiser Karl IV. Dadurch veranschaulichen die Portale den feierlichen Einzug des Herzogspaares in die Kirche und verwandeln den Raum in einen Schauplatz der triumphierenden Habsburger, ihr Einzug entspricht einem triumphalen Einzug, einem adventus regis, fast in der Art eines Joyeuse Entrée.
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Michael Viktor Schwarz
Baugeschichte – Bildgeschichte Zur historischen Lesbarkeit der Befunde an den Fürstenportalen von St. Stephan
In einer Hinsicht sind die beiden Strukturen perfekt stimmig, in zweierlei Hinsicht weisen die Fürstentore der Stephanskirche Unstimmigkeiten auf. Stimmig sind Planung und Ausführung als Bestandteil der Langhauswände, das hat die bautechnische Untersuchung durch Stephan Albrecht und das Team der Otto-Friedrich- Universität Bamberg einwandfrei ergeben.1 Die These, die Portalanlagen könnten in Zweitverwendung hier eingebaut sein, ist nicht mehr haltbar – ein großer Fortschritt in der an offenen Fragen reichen Baugeschichte der Kirche. Nicht stimmig ist hingegen der Entwurf. Portalanlagen dieser Gestalt und Dimension sind für eine Verwendung in diesem Bauzusammenhang schlicht ungeeignet: Geeignet wären sowohl breitere Doppelportale als auch schmalere Einzelportale. Zugleich zu groß und zu klein, sind die Fürstentore die falschen Portale am falschen Platz. Von innen ist das Problem gut sichtbar, von außen wird es durch die jüngeren Vorhallen kaschiert, die nicht nur die feinen Skulpturen vor Witterung und Vandalismus schützten, sondern auch den konventionell nicht lösbaren Anschluss an das jeweils westlich folgende Fenster vor kritischen Blicken. Johann Böker hat das alles beschrieben, und diese Analyse bleibt trotz des neuen Standes der Baugeschichte gültig.2 So gut die Portalkästen technisch integriert sind, so schlecht sind sie konzeptionell auf das System des Langhauses abgestimmt. Allerdings könnte man diesen Konflikt kaum deuten, gäbe es nicht die andere Unstimmigkeit. Der Befund wurde wieder vom Bamberger Team erhoben und im Vergleich mit anderen gotischen Figurenportalen als Besonderheit bestimmt (ich verweise nochmals auf den Beitrag von Albrecht und Arnold in diesem Band): Zwar integriert der Entwurf der beiden Toranlagen die figürlichen Teile in Zahl, Größe und Form, doch binden nur wenige in die Architektur ein. Eingebunden sind vor allem die Tympana. Hinzu kommen, wie schon die Befundung des Bundesdenkmalamtes von 2001 gezeigt hat, zwei an das Singertor-Tympanon anliegende Archivoltensteine mit je einer Figur.3 Die übrigen Statuen und Statuetten sind mit Zapfen und Haken in den Nischen befestigt. Die Einpassung ist oft improvisiert. Als Beispiel 1 2
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Dank für Hinweise an Barbara Schedl und Tim Juckes. Vgl. den Beitrag von Stephan Albrecht und Katharina Arnold in diesem Band. Böker 2007, 65. Ebenso folge ich Böker in seiner Argumentation zum sog. Kolomanistein (Böker 2007, 72–73). Zu der am Strebepfeiler beim Bischofstor angebrachten Inschrift in Rudolfs „Geheimalphabet“ neuerdings Stephan Müller (Müller 2015, 42–53). Klar ist, dass die Inschrift kein Indiz dafür ist, dass das Figurenprogramm für das Langhaus entworfen wurde; vgl. den Beitrag von Stephan Breitling und den Beitrag von Barbara Schedl in diesem Band. Koller/Nimmrichter 2004, 287–294, bes. 289 (Abbildung).
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Michael Viktor Schwarz
Abb. 1: Wien, St. Stephan, Bischofstor, Statuette der hl. Barbara. Abb. 2: Wien, St. Stephan, Singertor, Nische für die Statue Rudolfs des Stifters.
sei die Barbara-Statuette am Bischofstor genannt, die gekippt auf ihrer Konsole steht und sich erst dadurch in die Neigung der Archivolte legt (Abb. 1). Häufig kollidierten architektonische und figürliche Elemente. In diesen Fällen wurden die Bildwerke geschont und die Bauglieder nachbearbeitet – teilweise erstaunlich sorglos: Ich verweise auf die Abarbeitungen, die es dem Mantel von Herzog Rudolf IV. am Singertor erlauben, sich in der Nische (unsichtbar) zu entfalten (Abb. 2). Hier werden Probleme anschaulich, die beim letzten Akt der Ausführung der beiden Portale auftraten und auf der Baustelle ad hoc gelöst werden mussten. Um einen Zwischenstand zu geben: Der Entwurf der Portalkästen ist perfekt auf die Skulptur, aber schlecht auf die Langhausarchitektur zugeschnitten, Planung und Ausführung dagegen fügen sich nahtlos in die Langhausarchitektur, integrieren aber nur notdürftig die figürlichen Teile. Allein für die Tympana gilt dies wieder nicht: Die passen einwandfrei. Es handelt sich um ein Muster, das eine Geschichte erzählt – und keineswegs die immer gern gehörte von Rudolf als Stifter und Bauherr des Langhauses.4 Da nach Lage der Dinge nicht die Bauzeit der Langhauswände, sondern das Datum der figürlichen Teile als gegeben vorauszuset4
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Zuerst formuliert bekanntlich ein Jahrhundert danach von Thomas Ebendorfer in der „Cronica Austriae“ – vor Augen Rudolfs Statuen an den Portalen und an der Fassade. Als Nutznießer, wenn nicht Produkt der von Rudolf gegründeten Institute war Ebendorfer dessen Andenken tief verpflichtet.
Baugeschichte – Bildgeschichte
zen ist (aufgrund der beiden Bildnispaare, die zwischen 1359 und 1365 entstanden sein müssen)5, liegt folgender Verlauf nahe: Kaum war der Bau des Langhauses nach einem mehr oder weniger ausgearbeiteten Plan zum Projekt geworden (und vielleicht auch schon in Gang gekommen), fiel die Entscheidung, die figürlichen Bildhauerarbeiten für zwei Portale aus der Regierungszeit Herzog Rudolfs IV. für zwei Langhaustore heranzuziehen. Die vorgesehene Position wiederholte die Position der Langhausportale der damals noch aufrecht stehenden romanischen Kirche.6 Um die Figuren und Reliefs dort anzubringen, bedurfte es des Entwurfs einer entsprechend dimensionierten architektonischen Fassung – zu entwickeln einerseits aus den Maßen, den Bogenradien und den Profilen der beiden Tympana und andererseits so gut wie möglich an die Maße des Langhausprojekts angeglichen.7 Dabei erwiesen sich die Tympana als bestimmende Elemente. Sie gaben die Breite der Eingänge vor und ließen auch hinsichtlich Typus und Format der Portalanlagen wenig Spielraum. Die auf dieser Grundlage geplanten Strukturen konnten unter Einbezug der Tympana zusammen mit der Wand errichtet werden. Ganz am Ende hat man die Statuen und Statuetten in die konfektionsmäßig gefertigten Nischen übertragen und eilig eingepasst. Der Prozess von Entwurf, Planung und Ausführung der Portalarchitekturen muss in die Zeit nach dem Tod Rudolfs gehören. Andernfalls wären Skulptur und Architektur im Entwurf aufeinander abgestimmt und die beiden Komplexe hätten nicht umständlich zusammengeführt werden müssen. Die Kombination von Bildund Baugeschichte der Tore liefert somit ein Argument mehr, dass das Langhaus der Stephanskirche in seiner heutigen Gestalt erst einige Jahre oder Jahrzehnte nach 1365 geplant und begonnen wurde.8 Bekanntlich gibt es eine Reihe von Skulpturen, die in Rudolfs Zeit angefertigt wurden, aber erst Jahrzehnte später beim Weiterbau der Kirche Verwendung (Zweitverwendung?) fanden. Die Rede ist von den Statuen des Südturms, deren Originale im Besitz des Wien Museums sind (und gegenwärtig im Belvedere gezeigt werden). Dasselbe gilt wohl für das Fürstenpaar von der Westfassade, das zu den Glanzstücken des Wien Museums gehört (und gleichfalls im Belvedere ausgestellt ist). Wenn es bei den Skulpturen der beiden Tore ähnlich war, bestätigt dies auch, welchen Stellenwert Bilder – gemalte und gehauene – in Rudolfs Magnifizenz-Strategie hatten und dass ihre Produktion die ungleich ressourcenintensivere Bautätigkeit vorwegzunehmen half.9 Was die ursprüngliche Bestimmung der Ensembles angeht, so sei ein Vorschlag erneuert, der zunächst die ganzen Portale aus
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Der Terminus post quem ergibt sich bekanntlich aus dem Erzherzogshut, den Rudolfs Statuen tragen. In einer ausführlich argumentierenden Studie wäre hier ein Beitrag zu diskutieren, der den durch Antje Middeldorf-Kosegarten gestifteten Konsens über die Ikonografie der Portale mit allerdings wenig griffigen heraldischen Argumenten in Frage stellt: Flum 2013, 9–31. Die angenommene Lage der romanischen Portale ist aus den verwandten Bauten, der Michaelerkirche und dem Dom in Wiener Neustadt, abgeleitet. Vgl. den Beitrag zum Entwurf der Portale von Katharina Arnold in diesem Band. Für weitere Argumente siehe Juckes 2020 sowie den Beitrag von Tim Juckes in diesem Band. Schwarz 2017, 239–247.
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Michael Viktor Schwarz
Architektur und Skulptur betraf.10 Grundlage ist, dass sich die Ikonografie der beiden Skulpturenkomplexe auf die Liturgie im Chor bezieht: Das mariologische Programm des Bischofstors passt zum Frauenchor (Nordchor), das um die Paulus-Geschichte geordnete Singertor-Programm zum Apostelchor (Südchor), den Auftritt von Herzog und Herzogin an beiden Portalen kann man auf den Mittelchor beziehen, der die Gräber des Fürstenpaars aufnehmen würde. Als vorgesehener Ort der Anbringung kommen die Querhausfassaden in Frage, über deren Türen der Chor direkt zugänglich war und deren Gestaltung in Rudolfs Zeit auf jeden Fall zur Disposition stand. Dass Rudolf und Katharina 1359 an der Stelle des heutigen Südturms und damit vor dem Südquerhaus den Grundstein legten, ist ihr einziger Beitrag zum Bau der Kirche, der anders als durch Bildwerke dokumentiert ist.11
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10 Juckes/Schwarz 2009, 265–274. 11 Schedl 2018, 49 und 53; Vgl. den Beitrag von Barbara Schedl in diesem Band.
Romuald Kaczmarek
Was ist am Striegauer Tympanon mit der Pauluslegende wienerisch? Überregionale und regionale Überlegungen zur bildhauerischen Ausstattung der ehemaligen Johanniter- und Stadtpfarrkirche zu Striegau
Die ikonografisch-kompositionellen Zusammenhänge zwischen dem bekannten Tympanon des Wiener Singertores und dem Tympanon am Westportal der Johanniterkirche zu Striegau in Schlesien sind bereits vor fast einhundert Jahren erkannt worden. Das schlesische Werk ist das einzige Beispiel eines Tympanons, das eine gewisse Ähnlichkeit zum Wiener Paulussturzrelief aufweist. Forscher wie Wilhelm Pinder, Ernst Garger und Dagobert Frey sowie viel später Antje Middeldorf-Kosegarten und Lothar Schultes waren sich jedoch darüber im Klaren, dass die formalen und stilistischen Unterschiede zwischen den beiden Werken deutlich sind.1 Einige Kunsthistoriker gingen indessen von der Beteiligung eines in Böhmen und Wien geschulten Bildhauers an der Erschaffung des Striegauer Tympanons aus. Middeldorf-Kosegarten suchte nach einem verlorenen, von Wien inspirierten böhmischen Vorbild für Striegau und siedelte das Tympanon im Umkreis der Parler an (Abb. 1). Mich überzeugt jedoch eher die Meinung von Thomas Flum, der sich neulich, auf die Beobachtungen von Middeldorf-Kosegarten von vor 50 Jahren Bezug nehmend, wie folgt äußerte: „Es ist offensichtlich, dass beide Bildwerke miteinander in Verbindung stehen. Nicht nur die räumliche Aufteilung und die Erzählfolge sind ähnlich, sondern auch markante Gruppen, etwa Saulus, der sich beim Verlassen von Damaskus demonstrativ dem Betrachter zuwendet, der hinter ihm aus dem Bildgrund nach vorne strebende Reiter oder das stürzende Pferd der Bekehrungsszene. Dass das Relief in Striegau jedoch einen „abhängigen Eindruck“ mache oder einen „abgeleiteten Charakter“ habe, ist nicht erkennbar. Ebenso wenig nachvollziehbar ist die Feststellung, dass sich die Unterschiede zwischen den Reliefs durch ein gemeinsames, aber bisher unbekannt gebliebenes Prager Vorbild erklären ließen, das von der Wiener und der Striegauer Werkstatt unterschiedlich rezipiert worden sein müsste“2. Darüber hinaus stellte er auch fest, dass das Striegauer Tympanon „eine Variante des Wiener Paulus-Tympanons“ sei und „mit dem Wiener Relief […] in Komposition und Ausführung eng verwandt“ ist.3 Für die Vorbildrolle des Tympanons am Wiener Singertor für die Striegauer Reliefs sprechen nicht zuletzt historische Umstände. Darauf verwiesen bereits einige polnische Kunsthistoriker, darunter Alicja Karłowska-Kamzowa, die auf die mögliche
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Übersetzung des Beitrags aus dem Polnischen: Waldemar Moscicki (Bonn). Pinder 1924, 147; Garger 1927, 77; Frey 1938, 462; Kosegarten 1965, 83–84; Schultes 2000, 97–98. Flum 2013, 26. Flum 2013, 22.
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Abb. 1: Striegau, Peter- und Paulskirche, Tympanon am Westportal.
Mittlerrolle der Herzogin Agnes aufmerksam machte, einer Habsburger-Prinzessin, der die Stadt Striegau durch den 1338 mit dem Herzog Bolko II. von Schweidnitz- Jauer geschlossenen Ehevertrag übertragen wurde.4 Einen anderen Blickwinkel auf die offensichtlich zwischen den Wiener und den Striegauer Reliefs bestehenden Abhängigkeiten präsentierte neulich Thomas Flum. Der Forscher belegte in seinem Beitrag eine Reihe von Parallelen zwischen der Architektur einiger schlesischer Sakralbauten und dem Stephansdom in Wien, Parallelen, die gegenseitige Beeinflussungen in beide Richtungen als möglich erscheinen lassen. Zudem bemerkt er familiäre Verflechtungen zwischen dem in Böhmen und damit in Schlesien zu jener Zeit herrschenden Haus der Luxemburger und dem österreichischen Herrschergeschlecht der Habsburger. Dadurch sei nicht auszuschließen, dass einige der in Schlesien sicherlich vorhandenen Paulusreliquien (das Pauluspatrozinium dreier schlesischer Kirchen, nämlich in Striegau, Liegnitz und Namslau, soll diese These ausreichend belegen) nach Wien gelangten.5 Ein solcher Erklärungsversuch erscheint jedoch nicht sehr überzeugend. Die Datierung des Striegauer Westportals ist ungeklärt. Die Forschung orientierte sich dabei am Wiener Singertor und passte sie den neuesten Vorschlägen in Bezug auf das Singertor an, stets von einem zeitlichen Abstand zwischen beiden Werken von ca. 20 Jahren ausgehend. Die ältere Forschung wollte die Entstehungszeit des Striegauer Portals gegen Ende des 14. Jahrhunderts sehen oder sogar nach 1400. Middeldorf-Kosegarten datierte es schließlich um 1380.6 Keiner dieser Vorschläge ist jedoch ausreichend begründet. Sie berücksichtigten weder die Baugeschichte der Kirche noch die stilistisch-formalen Merkmale des Reliefs.7 Um 4 5
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Karłowska-Kamzowa 1991, 34, 103–104. Flum 2013, 21–23. Das Paulus-Patrozinium der Stadtpfarrkirchen in Striegau und in Liegnitz ist durch schriftliche Quellen erst seit dem 14. Jahrhundert belegt. Als Patron der beiden Kirchen findet zuvor lediglich Petrus Erwähnung; vgl. Kaczmarek 2008, 97. Im Übrigen sind Paulus-Reliquien sehr selten. Kosegarten 1965, 83. Die neuesten Vorschläge zu Bauphasen und stilistischem Ursprung der Architektur der Kirche verdanken wir Adamski 2017a, 518–539; Adamski 2017b, 337–344.
Was ist am Striegauer Tympanon mit der Pauluslegende wienerisch?
die Datierung überzeugend zu präzisieren, scheint es notwendig, über den politischen Organismus des damaligen Herzogtums Schweidnitz-Jauer hinauszugreifen und die überregionalen Zusammenhänge der damals in Schlesien tätigen Steinmetzwerkstätten zu betrachten, die mit Prag und Wien kaum etwas zu tun haben. An dieser Stelle ist die Außergewöhnlichkeit der Striegauer Johanniterkirche im Vergleich mit anderen Bauten dieser Art in der Region hervorzuheben: Eine derart reiche bildhauerische Ausstattung mit drei skulptierten Tympana und figürlichen Gewölbekonsolen in den Seitenschiffen ist nirgendwo sonst in Niederschlesien zu finden. Diese Ausstattung geht weit über den üblichen Anspruch einer Johanniterund/oder einer Stadtpfarrkirche in Schlesien hinaus. Was sind nun die Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen den beiden Tympana in Wien und in Striegau? Die Portale selbst unterscheiden sich dabei deutlich, was nicht zuletzt ihrer Situierung geschuldet ist: In Wien bildet das Portal den Eingang in ein Seitenschiff, in Striegau den Haupteingang in der Westfassade. Die Gestaltung des Striegauer Portals entspricht dem schlesischen „Standard“, der weder Archivolten- noch Gewändefiguren vorsieht. Das einzige schlesische Portal, das ursprünglich mit Archivoltenfiguren ausgestattet werden sollte, war das um die Mitte des 14. Jahrhunderts entstandene Westportal des Breslauer Domes.8 Eine Neuigkeit in der Region stellen indessen die das Portal einfassenden Halbpfeiler dar. Sie sind mit je drei flachen, sich auf Diensten mit ausladenden Kapitellen stützenden Baldachinnischen besetzt und bieten somit Platz für möglicherweise geplante Figuren.9 Über das sonst Übliche geht auch der Wimperg mit figürlichem Skulpturenschmuck hinaus. Die genannten Details samt dem in zwei Zonen aufgeteilten Tympanon machen das Striegauer Westportal zum vollständigsten Werk dieser Art in der schlesischen Kunst des Mittelalters. Der verantwortliche Meister berücksichtigte gewiss die Tatsache, dass er hier das Hauptportal einer Kirche zu schaffen hatte, die bereits mit zwei etwa 15–25 Jahre früher entstandenen und für schlesische Verhältnisse sehr repräsentativ gestalteten Seitenportalen ausgestattet war. Beide Seitenportale besaßen ein bildhauerisch ausgeschmücktes Tympanon. Die Striegauer Johanniterkirche bildete zum Zeitpunkt der Vollendung des Westportals mit ihren drei reich skulptierten Portalen eine große Ausnahme in Schlesien.10 Außer in Striegau finden sich in Schlesien lediglich sieben weitere, bildhauerisch ausgestaltete Tympana des 14. Jahrhunderts und zwar in Mollwitz, Wittgendorf, Röchlitz, Lüben, Breslau, Liegnitz und Jauer, die aber allesamt bescheidener als die Striegauer Portale sind. Selbst der Breslauer Dom verfügt über kein einziges Portal mit einem skulptierten Tympanon. Dieser Vergleich macht deutlich, wie außergewöhnlich Striegau ist. Es stellt sich die Frage, welche Persönlichkeit hinter der – im regionalen Vergleich – derart üppigen bildhauerischen Ausgestaltung der Striegauer Kirche stand. Die Kirche gehörte den Johannitern und war eine von ihnen betreute Stadtpfarrkir8 9
Burgemeister (Hg.) 1930, 84; Kaczmarek 1999, 43–44, 60–63. Vor dem Ende des 14. Jahrhunderts wird das Südportal der Westfassade der Schweidnitzer Stadtpfarrkirche nach Striegauer Vorbild ausgestaltet, auch das in den späten 1450er-Jahren entstandene Mittel- und das Nordportal halten an den Striegauer Grundmerkmalen fest, vgl. Kaczmarek 2017, 15–33. 10 Zu diesem Zeitpunkt konnte lediglich die frühgotische Abteikirche der Zisterzienserinnen zu Trebnitz drei Portale mit skulptierten Tympana vorweisen; vgl. Rozpędowski 1987, 170–171; Świechowski 1995, 5–7, 20.
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Romuald Kaczmarek
Abb. 2: Paulus‘ Reise nach Damaskus und Bekehrung: Wien, St. Stephan, Singertor (oben); Striegau, Peter- und Pauls kirche, Westportal (unten).
che, deren Patronatsrechte bis in die Jahre 1202/1203 zurückgehen.11 Dieser Orden besaß in Schlesien noch weitere Stadtpfarrkirchen, die jedoch nicht die geringsten Spuren eines vergleichbaren repräsentativen Bauschmucks aufweisen. Striegau war eine Stadt mittlerer Größe und nicht sonderlich vermögend. Es ist auch nichts über Reliquien bekannt, die im Besitz der Stadtpfarrkirche gewesen wären und die einen Grund für eine derart reiche Ausgestaltung ihrer Portale hätten liefern können.12 Das Striegauer Paulustympanon ist bildhauerisch von schlechterer Qualität als das Wiener Portal und es ist auch in der Ausführungstechnik andersartig. Trotzdem besteht zwischen beiden eine auffallende Analogie. Dafür sind vor allem drei Merkmale verantwortlich: eine auf Tympana nur selten anzutreffende Ikonografie, die Gestaltung der Szenen als simultane Erzählung in zwei horizontalen, durch eine Baldachinreihe getrennten Zonen und schließlich eine Darstellung des Geschehens in der unteren Zone von außergewöhnlicher Plastizität und Raumtiefe (Abb. 2). Dennoch weisen die beiden Tympana in ihren Reliefs auch mehrere formale Unterschiede auf. Das Wiener Tympanon zeigt in der unteren Zone – abgesehen von der Gestalt Gottes in der Szene der Blendung – zehn Akteure, das Striegauer hingegen sechzehn sowie zusätzlich noch zwei einfassende Figuren an den Seiten. Zählen wir nun die dargestellten und für die Handlung wesentlichen Pferde, unabhängig davon, ob sie voll oder nur teilweise im Hintergrund gezeigt werden, so gibt es davon in Wien
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11 Heś 2007, 132. 12 Heś 2007, 132–138. Über die Geschichte der Stadt im 13.–14. Jahrhundert geben u. a.: Filla 1889, 16–79; Dziewulski 1956; Żerelik 1989; Atlas 2015, Auskunft.
Was ist am Striegauer Tympanon mit der Pauluslegende wienerisch?
Abb. 3: Paulus‘ Auszug aus Jerusalem: Wien, St. Stephan, Singertor (links oben); Striegau, Peter- und Paulskirche, Westportal (rechts oben). Abb. 4: Paulus‘ Sturz: Wien, St. Stephan, Singertor (links); Striegau, Peter- und Paulskirche, Westportal (rechts).
zehn – das bedeutet ein Pferd pro Reiter, wobei Ananias nicht dazu gezählt wird. Zudem kommt in der Blendungsszene noch ein weiteres Pferd, das sich nach dem Sturz erhebt, zum Vorschein. In Striegau finden sich ebenfalls zehn Pferde. Die hier vorhandene Divergenz zwischen der Anzahl der Reiter und der Pferde resultiert aus der Tatsache, dass einige Reiter im Hintergrund so dargestellt werden, dass ihre Rosse nicht in Erscheinung treten (Abb. 3). Die oberen Zonen der Tympana zeigen entsprechend jeweils elf Gestalten in Wien und siebzehn in Striegau. In Striegau wurden die beiden linken Figuren komplett erneuert. Gottvater und der ihn begleitende Engel sind nicht mitgezählt. Die Darstellung der Paulusgeschichte in der unteren Zone des Striegauer Tympanons erzielt ihre räumliche Tiefe, indem der Hintergrund seinerseits in eine dem Betrachter nähere und eine entferntere Zone aufgeteilt wird (Abb. 4). In Wien sehen wir im Unterschied dazu einfach nur den Vorder- und den Hintergrund. Darüber hinaus werden die Tiefenzonen in Striegau übereinander gezeigt, während sie in Wien einander überlagern. Somit entspricht das Werk des Striegauer Meisters einerseits eher den traditionellen Bildkompositionen wie sie beispielsweise in Süddeutschland im Umkreis der Parler verbreitet waren, andererseits verrät es die Kenntnis des Wiener Reliefs, obwohl dessen wichtigstes Merkmal nicht nachgeahmt wurde. Von der Forschung wird das Schlesien des 14. Jahrhunderts häufig als eine ho-
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mogene Region betrachtet, deren Kunst den stilistischen Entwicklungen in Böhmen folge und von ihnen abhängig sei. Doch wäre eine differenziertere Sichtweise von Vorteil.13 Die Herrschaft der Piasten der Linie Schweidnitz-Jauer belegt dieses Erfordernis sehr gut. Herzog Bolko II. (1308–1368) brachte es fertig, im Umfeld der von den Luxemburgern nach und nach unterworfenen schlesischen Fürstentümer eine souveräne Stellung zu bewahren. Seine Bemühungen, eine Habsburger Prinzessin zu ehelichen, sind wohl in diesem Zusammenhang zu sehen, denn die Habsburger zählten zu den schärfsten Konkurrenten der Luxemburger. Möglicherweise hatte er Herzog Heinrich VI. von Breslau als Vorbild vor Augen, einen Verwandten, der 131014 mit der Tochter des römisch-deutschen Königs Albrecht I. von Habsburg, Anna († 1327)15, vermählt wurde. Außerdem suchte Herzog Bolko II. nach Allianzmöglichkeiten mit den Wittelsbachern. Erst nach der 1353 erfolgten Eheschließung seiner Nichte, Anna von Schweidnitz, mit Kaiser Karl IV. sowie der bei dieser Gelegenheit zugunsten Karls geregelten Erbfolge16, wechselte er endgültig in das luxemburgische Lager. Das nun positive Verhältnis zu dem in der Region übermächtigen Herrscherhaus nutzte er dabei geschickt für eigene Zwecke und sicherte seiner Gemahlin Agnes lebenslange Herrschaft in seinem Herzogtum, das erst nach ihrem Tode angesichts der fehlenden Nachkommenschaft von der Krone Böhmens übernommen wurde.17 Um die besondere Ausgestaltung der Striegauer Kirche, vor allem aber das Vorhandensein der Paulusszene, die sich – wie dargelegt – nach allgemeiner Forschungsmeinung vom Wiener Singertor herleiten lässt, zu erklären, ist die Situation der Stadt unter der Herrschaft Herzogin Agnes’ genauer zu betrachten. Darauf wies nicht zuletzt immer wieder die polnische Forschung hin.18 Die Stadt Striegau wurde der Herzogin kraft des Heiratsvertrags von 1338 übertragen. Die Steuern, die die Stadt an den Souverän zu zahlen hatte, garantierten ihr eine lebenslange finanzielle Sicherheit, sollte ihr Gemahl vor ihr versterben. Bereits kurz nach der Übertragung begann man mit dem Bau einer neuen Stadtpfarrkirche, welche einen Vorgängerbau ersetzte. Die Patronatsrechte besaß die Herzogin, die die Baumaßnahmen möglicherweise persönlich beaufsichtigte. Agnes war die Tochter von Herzog Leopold I. von Habsburg († 1326), ihre Verlobung und Vermählung mit dem
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13 Vgl. Kaczmarek 2007. 14 Jasiński 1973, 175, Anm. 8. 15 Jasiński 1973, 175; nach schlesischen Quellen starb sie im März des Jahres, während der in Röhrig/Stangler 1979, Taf. I, publizierte Stammbaum das Jahr 1328 als ihr Todesdatum angibt. 16 Der (spätere) Kaiser kam zu diesem Anlass nach Schweidnitz, wo er mindestens 3 Tage weilte, was sowohl die Vertragsurkunde vom 3. Juli 1353 als auch spätere Dokumente bestätigen, vgl. Katalog IV, Nr. 144–146. Der erste Versuch, die Schweidnitzer Piasten an das Luxemburger Lager zu binden, wurde indessen bereits 1350 unternommen, und zwar durch die Verlobung des (noch im Kindesalter befindlichen) Sohnes Karls und seiner Gemahlin Anna von der Pfalz mit der damals elfjährigen Anna von Schweidnitz. Diese Anna von Schweidnitz wurde jedoch später als Nachfolgerin ihrer dem ursprünglichen Ehevertrag zufolge zukünftigen Schwiegermutter mit Karl selbst vermählt. Vgl. Grünhagen 1883, 6–7; Gospos 1910, 55–59. 17 Lehns- und Besitzurkunden I, 497–502; Lehns- und Besitzurkunden II, 645. 18 Karłowska-Kamzowa 1991, 104; Kaczmarek 1999, 32–33; Czechowicz 2002, 65–66; Czechowicz 2005, 650–651; Kaczmarek 2007, 129–131.
Was ist am Striegauer Tympanon mit der Pauluslegende wienerisch?
Herzog von Schweidnitz erfolgten 1338. Dies bestätigen mehrere Urkunden, ausgestellt am 1. Juni 1338 in Wien, sowie ausgestellt gleichen Datums in Striegau.19 Die erste Urkunde enthält den Vertrag zwischen Bolkos Bruder Herzog Heinrich, Herr auf Fürstenstein und Schweidnitz, und den Herzögen Albrecht II. und Otto I. von Habsburg. Die Striegauer Urkunden wurden vom Herzog Bolko ausgestellt und regelten die mit der Eheschließung zusammenhängenden Angelegenheiten.20 Die Vermählung erfolgte, nach allgemeiner Forschungsmeinung, noch im Sommer desselben Jahres.21 Seitdem führte Agnes die Titel der Herzogin von Schlesien und Herrin auf Striegau. Erst nachdem sie 1368 Witwe wurde, gab sie diese Titel auf, obwohl bis zu ihrem Tod 1392 Striegau „ihre Stadt“ blieb.22 Trotz der dichten schriftlichen Überlieferung sind uns keine Quellen bekannt, die Hinweise enthalten, dass die Herzogin in das Geschehen um die Errichtung und Ausstattung der Stadtpfarrkirche in Striegau direkt eingegriffen hätte. Die vorhandenen Nachrichten beziehen sich auschließlich auf Schenkungen der Striegauer Bürger für das opus lapidale seu fabricam parochialis ecclesie, oder die steynwerke und gebuede unsir pferlychin kirin und ähnliche Berichte. Sie stammen alle aus den Jahren 1360 bis 1388.23 Ebenso wenig ist bekannt, ob sich die Johanniter an den Maßnahmen beteiligten, denn diese teilten sich die Patronatsrechte mit der Herzogin. Die reiche architektonische und bildhauerische Ausgestaltung der Kirche ist dennoch wohl am ehesten durch das postulierte Engagement der Herzogin und ihre familiären Beziehungen zu erklären. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welcher Art die Kontakte zwischen dem Schweidnitzer Herzogshof und den Habsburgern vor allem in Wien waren. Gab es überhaupt Verbindungen zwischen den beiden Höfen? Und wenn ja, wie gestalteten sich diese insbesondere nach der Eheschließung im Jahr 1338? Die Schriftquellen geben leider keinen Aufschluss darüber. Ein Itinerarium der Herzogin ist nicht überliefert. Die uns bekannten Ereignisse aus dem Leben des Herzogs Bolko und seine Unternehmungen lassen es aber als möglich erscheinen, dass Agnes ihren Gemahl auf seinen Reisen auch außerhalb ihres Herrschaftsbereichs und Schlesiens begleitete. So besuchte sie mit ihm 1356 vermutlich Prag24 und 1367 zweifellos auch Brünn, wo eine Urkunde des Paares ausgestellt wurde.25 Bolko reiste mindestens zweimal nach Wien: 1353 begleitete er den Kaiser zu dem Treffen mit Herzog Albrecht II. und 1357 reiste er im kaiserlichen Gefolge nochmals dorthin. Es ist nicht bekannt, ob Agnes an den Hochzeiten ihrer Vetter, Herzog Rudolf IV. 1357 und Herzog Albrecht III. 1366, teilgenommen hat.26 Die Annahme, dass es sich bei der bis heute in Wien erhaltenen Reliquie der hl. Hedwig um ein Geschenk von Agnes an einen der habsburgischen Verwandten handelte, besitzt indes große Wahrscheinlichkeit. Schließlich hatte Herzog Albrecht III. die Übersetzung 19 20 21 22 23 24
Katalog III, 94, Nr. 357. Sommersberg 1729, 400. Dienst 1979, 163 mit Hinweis auf das Jahr 1339. Landbuch II, Nr. 469: 1388 r., fur unserer stat zur Stregon. Filla 1889, 66–69; Stulin 1978, 152, 162. Vgl. Regesty III, S. 133, Nr. 310 – in der dort ausgestellten Urkunde Karls IV. finden u. a. Bolko II. und Rudolf IV. von Habsburg als Zeugen Erwähnung. 25 Landbuch I, Nr. A5, S. 212. 26 Eher unwahrscheinlich erscheint jedenfalls ihre Teilnahme am Begräbnis von A lbrecht II. († 1358) oder/und Rudolf IV. († 1365).
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der Vita der Heiligen veranlasst.27 Die Quellenlage nach dem Tod von Herzog Bolko im Juli 1368 ist eine gänzlich andere. Zahlreiche Urkunden aus den Jahren 1366–1376 sowie 1385–1395 legen den Schluss nahe, dass Herzogin Agnes ihr Herzogtum nicht mehr verließ.28 Sie reiste nur innerhalb des eigenen Herrschaftsbereichs, was man als Hinweis auf ihr nunmehr verstärktes Interesse an den inneren Angelegenheiten des Herzogtums verstehen kann. Über Besuche ihrer habsburgischen Verwandtschaft in Schlesien ist nichts bekannt, sie scheinen wenig wahrscheinlich. Rein hypothetisch wären indes zwei solcher Ereignisse möglich gewesen. Das erste wäre die Vermählung des Herzogspaares Bolko und Agnes 1338 in Striegau. Ein derartiger Besuch hätte jedoch wohl kaum die erst viel später begonnene bildhauerisch-architektonische Ausgestaltung der Striegauer Stadtpfarrkirche beeinflussen können. Das zweite Ereignis wäre der belegte Besuch Kaiser Karls IV. sowie seiner Kinder Wenzel und Elisabeth in Schweidnitz, nach dem Tode des Herzogs. Der Kaiser kam damals mit seinem Gefolge 1369 aus Breslau. Zu diesem Zeitpunkt waren die Wiener Portale bereits vollendet. Das Ziel der Reise war wohl die Präsentation Wenzels als König von Böhmen (seit 1363) im böhmischen Kronland Schlesien sowie als künftiger Herrscher im bis dahin souveränen Herzogtum Schweidnitz-Jauer, entsprechend dem zuvor geschlossenen Erbfolgevertrag. Während dieser Reise stellte die kaiserliche Familie sieben Urkunden aus. Zwei davon erklärten die Volljährigkeit der Kinder, des achtjährigen Wenzel und der noch nicht ganz zwölfjährigen Elisabeth.29 Elisabeth ihrerseits erklärte den Verzicht auf ihre Erbrechte bezüglich des Herzogtums Schweidnitz-Jauer zugunsten ihres Bruders. Sie tat dies als Herzogin von Österreich, Steiermark und Kärnten, Gräfin von Tirol, da sie seit dreieinhalb Jahren mit Herzog Albrecht III. von Habsburg verheiratet war.30 Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass der damals zwanzigjährige Albrecht, seit vier Jahren Herrscher, seine Gemahlin begleitete. Sie wird indes ein eigenes, wenn auch kleines, Gefolge gehabt haben. Darunter hätten sich auch ältere Personen befinden können, die Herzogin Agnes aus früheren Zeiten bekannt waren. Auf diese Weise hätte das Wiener Portal über persönliche Kontakte zum Wiener Hof als mögliches Vorbild für Striegau ins Spiel kommen können.31 Meiner Meinung nach hätte dies jedoch auch bereits früher auf anderem Wege erfolgt sein können. Entscheidend war hierbei zweifelsohne die Persönlichkeit der Herzogin Agnes selbst. Es liegt im Bereich des Möglichen, dass sie nach ihrer Heirat ihre Beziehungen zu ihrer Familie in Wien durchaus aufrechterhielt, obwohl dies nicht zu belegen ist. Ein indirekter Hinweis auf solche Kontakte findet sich in der Gedenkinschrift im
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27 Vgl. Kaczmarek/Witkowski 1993, 37–39, 63–64, 73–74; Kaczmarek/Witkowski 1997, 118, 135. Über Albrechts Initiative bezüglich der Übersetzung von Hedwigslegende vgl. Gottschalk 1981, 168, 169. 28 Landbuch I; Landbuch II; Jurek 1997. 29 Katalog V, 44–45, Nr. 184–191. 30 Katalog V, 45, Nr. 189. 31 Eine Korrektur oder Erläuterung benötigt die wohl nicht zutreffende (?) Information bei von Wurzbach 1860, 287. Danach wurde eine Tochter der Johanna von Pfirt namens Agnes († 1356) mit Heinrich II. von Jauer vermählt; vgl. https://de.wikisource.org/wiki/ BLK%C3%96:Habsburg,_Johanna_Erbgr%C3%A4fin_von_Pfyrt (Zugriff am 4. September 2016). Der hier genannte Heinrich II. († ca. 1343–1345), jüngerer Bruder von Bolko II., war aber mit einer Katharina († nach 29.9.1355) verheiratet; die Vermählung fand 1338 oder kurz danach statt. Aus dieser Ehe stammte die Tochter Anna, die später mit Karl IV. vermählt wurde.
Was ist am Striegauer Tympanon mit der Pauluslegende wienerisch?
Chor der Schweidnitzer Dominikanerkirche. Die Inschrift nennt neben den Vertretern des Schweidnitzer Herrschergeschlechts Agnes selbst, Kaiser Karl IV., König Wenzel IV. und Agnes’ Vater, Herzog Leopold I. von Habsburg.32 In unserem Zusammenhang wichtiger erscheinen die Lebensumstände von Agnes vor der Heirat mit dem Herzog von Schweidnitz. Nach dem Verlust ihres Vaters im frühesten Kindesalter und dem Tod der Mutter (Katharina von Savoyen, † 1336) zehn Jahre später wurde sie dem Schutz ihrer beiden Onkel, der Herzöge Albrecht II. und Otto I., unterstellt. Albrechts Stimme scheint in Bezug auf das Schicksal der jungen Prinzessin bedeutender, da er im selben Jahr die Ehe ihrer älteren Schwester mit einem Vertreter des bedeutenden französischen Geschlechts der Herren von Coucy, dem Grafen Enguerrand VI. († 1346 in der Schlacht von Crécy) in Paris arrangiert hatte. Beide Prinzessinnen befanden sich als Kinder sicherlich in weiblicher Obhut – zunächst jener ihrer Mutter, dann ihrer Tante, Johanna von Pfirt, der zu dieser Zeit immer noch kinderlosen Gemahlin von Herzog Albrecht II. In beiden Fällen handelte es sich um außergewöhnliche Frauen.33 Insbesondere von Johanna wissen wir, wie stark sie sich in politischen und administrativen Belangen des Staates engagierte. Sie unterstützte dabei ihren gelähmten Gemahl und interessierte sich stark für diverse Bauvorhaben. Gleich nach ihrer Vermählung förderte sie die Errichtung einer neuen Kirche in Thann in ihrer elsässischen Heimat, die mit einer beeindruckenden Portalanlage des mittleren Drittels des 14. Jahrhunderts ausgestattet wurde.34 Johanna soll auch an den Baumaßnahmen an der Wiener Stephanskirche reges Interesse gezeigt und zusammen mit ihrem Gemahl die Gaminger Kartause gestiftet haben.35 In einer Welt, in der weibliche Selbständigkeit eher die Ausnahme als die Regel war, regierte Herzogin Agnes in den 54 Jahren ihrer Herrschaft beinahe die Hälfte allein. Sie war gezwungen, ein großes Maß an Durchsetzungskraft und politischem Geschick an den Tag zu legen. Betrachten wir die vorhandenen Quellen genauer, so entsteht das Bild einer sensiblen und ein wenig emotionalen Persönlichkeit, die in ihren Handlungen nicht immer ausschließlich der politischen Räson folgte.36 Diese Einstellung hing gewiss mit der Erziehung durch ihre Mutter und ihre Tante zusammen. Die Neuerrichtung einer großen und in reichen, repräsentativen Formen gestalteten Stadtpfarrkirche im Herzen der ihr direkt unterstellten Ländereien unmittelbar nach der Vermählung, erinnert stark an die Handlungsweise ihrer Tante Johanna von Pfirt in Thann. 32 Auf diese Inschrift machte Czechowicz 2005, 653–655, aufmerksam. Er deutete sie als Ausdruck des bürgerlichen Selbstbewusstseins – die Bürgerschaft soll sich auf diese Weise als Nachfolger des Herrscherhauses präsentiert haben. Zu einer solchen Erklärung passt indessen nicht der Name des Vaters von Agnes. Möglicherweise wurde die Inschrift über längere Zeit immer wieder ergänzt und erweitert, während ihre Anfänge bis auf die Zeit der herzoglichen Souveränität zurückgehen. 33 Auf politisches Engagement Katharinas verwies Dienst 1979, 162. 34 Pinkus 2009, 83–121. 35 Pinkus 2009, 102. 36 Ein solches Bild zeichnen sowohl ihre frommen Stiftungen – Schenkung an die Klarissen in Schweidnitz 1360 (vgl. Katalog IV, Nr. 429), Zustimmung für die Errichtung des Karmeliterklosters in Striegau 1388 (Landbuch II, Nr. 469), Förderung der Striegauer Benediktinerinnen – als auch diverse Schenkungen nach dem Tod des Gemahls sowie die „Poetik“ der seinem Gedenken gewidmeten Urkunden und die Unterstützung der Schweidnitzer Bürgerschaft im Jahre 1374 (Landbuch I, Nr. A29).
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Abb. 5: Striegau, Peter- und Paulskirche, Nordportal.
Abb. 6: Striegau, Peter- und Paulskirche, Südportal.
Die Untersuchung der Stilmerkmale der beiden älteren Tympana in Striegau, am Nord- und am Südportal, (Abb. 5 und Abb. 6) deutet eine Mittlerrolle Österreichs als Zwischenstation der ausführenden Bildhauer an.37 Unter Berücksichtigung der erwähnten Umstände scheint die Wahl der Darstellung am Tympanon des Wiener Singertores als Vorbild für das Tympanon des Striegauer Westportals auf Betreiben der Herzogin Agnes überaus plausibel. Sollten sich ihre Familienbande tatsächlich auf die formale Ausgestaltung der Striegauer Kirche ausgewirkt haben, so wäre der Herzogin auch eine wichtige Rolle bei der Ikonografie zuzuschreiben. Die im Tympanon des Nordportals versteckten Hinweise auf einige Aspekte des höfischen Lebens, wie das Herausstellen der Herrscherinsignien oder die Darstellung eines Schoßhündchens sowie die Betonung der Rolle der weiblichen Personen für das dargestellte Geschehen in Person der Esther bzw. Bathseba, könnten ähnlich interpretiert werden wie es Assaf Pinkus vergleichsweise beim Portal des Thanner Theobaldusmünsters (Abb. 7) vorschlug. Er meint in der spezifischen Art der Darstellung von der Eva Genesis Geschichte (um 1340–1351) an der mittleren Archivolte des Thanner Münsterportals eine mögliche Einflussnahme Herzogin Johannas von Pfirt zu erkennen. Und in der ausführlichen Erzählung Mariens am oberen Tympanon des Portals (um 1370–1386), mit angemessener Betonung ungewöhnlicher Falten, sieht er eine Anspielung an die Person der gestorbenen Herzogin.38 Die Wahl des Themas der Reise der
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37 Kaczmarek 2008, 189–190, 226, 391. 38 Pinkus 2009, 105, 118–121.
Was ist am Striegauer Tympanon mit der Pauluslegende wienerisch?
Abb. 7: Thann, Theobaldusmünster, Westportal.
heiligen Könige nach Bethlehem hingegen am rechten unteren Tympanon (nach 1364), das die Darstellung eines höfischen Zuges ermöglicht, schreibt er der Initiative von Johannas Sohn, Rudolf IV., zu.39 Auch im Tympanon des Westportals in Striegau finden sich zweifellos eindeutige Hinweise auf die damals herrschende Ritterkultur: Die detailreiche Darstellung der Reiter und ihrer Rüstungen sowie der Pferde im Geschirr geht deutlich über das für das Thema Übliche hinaus und erlaubt uns, Bezüge zum damaligen höfischen Leben herzustellen, wobei Paulus selbstverständlich auch als ritterliches Vorbild hätte fungieren können.40 Dies wirft 39 Pinkus 2009, 121–136. 40 Ähnlich interpretieren kann man die Szene der Bekehrung des Paulus auf dem Seitenflügel des Dreifaltigkeitsaltars (1467) in der Königskapelle des Waweler Doms zu Krakau; auch hier finden sich die Ritterheiligen Georg, Eustachius und Sekundus; s. Gadomski 1988, 59–60, Abb. 47–50. Vgl. auch Réau 1959, 1037, der sich auf das „Rationale d ivinorum officiorum“ von Gulielmus Durandus beruft (s. G. Durandus, Rationale divinorum officiorum, Neapoli 1859, 184, Lib. IV, Cap. XVI De epistola: „Milites tamen stare consueverunt, quando Epistolae Pauli leguntur, in honorem ejus, quia miles fuit“).
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die Frage nach der möglichen Mitinitiative von Agnes’ Gemahl bei der Wahl des Themas auf. Nach all diesen Überlegungen stellt sich nun die zentrale Frage, ob der Zusammenhang zwischen dem Striegauer und dem Wiener Tympanon lediglich als Ergebnis einer Übernahme der Bildkomposition mithilfe einer Zeichnung zu werten ist oder ob der Striegauer Meister und seine Mitarbeiter das Wiener Vorbild aus eigener Anschauung kannten. Bei der Übernahme aufgrund einer Zeichnung wäre die Nachahmung des formalen Vorbilds nur sehr eingeschränkt möglich gewesen. Wahrscheinlich hätten es die ausführenden Bildhauer in Striegau nicht geschafft, die ungewöhnliche Plastizität und die Räumlichkeit des Wiener Reliefs detailgetreu wiederzugeben. Es ist aber vor allem die raumplastische Qualität, von der man meint, diese in Striegau wenigstens teilweise wiederzuerkennen. Die Schöpfer des Striegauer Tympanons ahmten das Wiener Relief offensichtlich nach, wobei es ihnen nicht gelang, das hohe künstlerische Niveau des Vorbilds ganz zu erreichen. Sie konnten sich nicht gänzlich von den Formen der älteren künstlerischen Vorbilder befreien und gestalteten dementsprechend die Raumebenen zum Teil übereinander, wie es der Tradition entsprechend üblich war. Welcher Bildhauer, dem das Wiener Tympanon aus eigener Anschauung bekannt gewesen wäre, würde bei dessen Nachahmung die „modernen“ Aspekte der Raumgestaltung im Reliefbild mit der traditionellen Darstellungsweise verbinden? Eine Erklärung dafür liefert möglicherweise die „parlersche“ Komponente Nürnberger Ursprungs, die die Forschung in der uneinheitlichen Stilistik der sog. Wiener Herzogswerkstatt zu erkennen meint.41 Sie soll durch unbekannte Steinmetze aus Nürnberg vermittelt worden sein, die aus der fränkischen Reichsstadt nach Wien gekommen seien, nachdem sie zuvor an der Ausgestaltung der Nürnberger Frauenkirche (Weihe 1358) tätig gewesen wären. Diese Werke gelten auch als Auftakt für den neuen Prager Stil.42 Außerdem gehören die Nürnberger Skulpturen zu den engsten stilistischen Vorbildern für die bauplastische Ausstattung von drei schlesischen Pfarrkirchen: Sie sind nicht nur Vorbild für Striegau, sondern auch für Schweidnitz und Liegnitz. Ihre Vorbildwirkung ist nicht zuletzt in der gleichen Art, das Figurenvolumen aufzubauen, in einem sehr ähnlichen Faltenwurf, in den physiognomischen Gesichtstypen sowie zahlreichen kleineren Details zu erkennen (Abb. 8). Meines Erachtens war an allen drei großen schlesischen Stadtpfarrkirchen ein und dieselbe Werkstatt tätig.43 Es ist sehr wahrscheinlich, dass ihre Aktivität in Schlesien in Striegau begann und in Liegnitz endete. In Striegau führte sie die Gewölbekonsolen unter dem Nordturm und möglicherweise das Tympanon und den Wimperg des Westportals aus, in der Schweidnitzer Stadtpfarrkirche die Konsolen in den Seitenschiffen und das Nordportal und schließlich arbeitete sie in Liegnitz das Nordportal der Pfarrkirche St. Peter und Paul sowie die aus dieser Kirche stammende Figur der sog. Engelsmadonna (Abb. 9, Abb. 10 und Abb. 11).44 Für
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41 Kosegarten 1965, 82, 91, 93–94; Kosegarten 1966, 58–59, 64–65, 72–73, 77; Schmidt 1977/78, 182, 184, 189; Schmidt 1992, 146, 148. 42 Roller 2004. Zur Bedeutung Nürnbergs für die karolinische Kunst vgl. Fajt 2006, 73–74; Fajt/Hörsch 2006, 361–364. 43 Kaczmarek 2014, 37. 44 Heute im Warschauer Nationalmuseum. Wiese 1923, 34, 78, Abb. XVI.2, datierte sie zu spät, um 1390, und verwies auf die Augsburger Plastik (Madonna vom Südportal des
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die Schweidnitzer Stadtpfarrkirche ist eine hohe Bauaktivität für die 1370er-Jahre belegt,45 und in dieser Zeit, oder sogar bereits Ende der 1360er-Jahre, sind die genannten Konsolen entstanden. Obwohl es sich in allen drei Fällen um städtische Pfarrkirchen handelt, zeichnen sie sich dadurch aus, dass ihre Errichtung und Ausgestaltung eine Förderung durch den jeweiligen fürstlichen Herrscher erfuhr. In Schweidnitz waren das Herzog Bolko II. und nach ihm seine Witwe Agnes, in Liegnitz Fürst Ruprecht I. Haben wir es hier also – den Forschungsergebnissen von Jiři Fajt entsprechend – statt mit dem „Parler“-Stil46 mit einem „karolinischen“ Stil zu tun, so benannt nach Kaiser Karl IV., der in seiner Nürnberger Version für die frisch unterworfenen oder verbündeten schlesischen Fürstentümer übernommen wurde? Waren doch zu dieser Zeit alle genannten Herrscher Parteigänger Kaiser Karls IV.; besonders Herzog Bolko II. erfreute sich der Gunst des Kaisers. Umso unwahrscheinlicher erscheint es daher, dass die Vorbildrolle eines exponierten Portals der Habsburger-Hauptstadt Wien für das offensichtliche PresDomes); ähnlich Kat. „Parler“ 1978, 504 (Paulina Ratkowska); Kaczmarek 1991, 46, mit Datierung 1370–1380. Kębłowski 1981, 41–45, 50, untersuchte den Ursprung der Liegnitzer Gruppe (ohne Maria) näher; im Fall des Tympanons des Nordportals sah er Parallelen zu sächsisch-thüringischen Werken aus der Zeit um 1370–1380; die Portalfiguren des Petrus und des Paulus hingegen datierte er nach 1396 (Kębłowski 1987, 184–185) und versuchte, ihre Stilistik in einen Zusammenhang mit dem Prager Parler-Kreis zu bringen. Kaczmarek 1991, 44–46, betrachtete schließlich all diese Skulpturen als in ein und derselben Werkstatt um 1370– 1380 entstanden. 45 Wernicke 1874, 9–10; Mroczko/Arszyński (Hg.) 1995, 230–231 (Katalog: Stanisław Stulin/Andrzej Włodarek); die Bauarbeiten am Langhaus werden in die Zeit um 1360– 1386 datiert. 46 Diese Bezeichnung wird zu Recht gemieden, vgl. Roller 2004, 236.
Abb. 8: Die Zuhörer des Apostels Paulus in der oberen Zone des Tympanons am Westportal in Striegau (links oben); Prophet am Kragstein im Erdgeschoss des Nordturmes der Peter- und Paulkirche in Striegau; (links unten); Prophet am Kragstein im Nordschiff der Stanislaus- und Wenzelkirche in Schweidnitz (rechts unten). Abb. 9: Die Anbetung des Christkindes durch die Hl. drei Könige: Tympanon an der Frauenkirche in Nürnberg (oben); Tympanon an der Peter- und Paulkirche in Liegnitz, historische Aufnahme, (unten).
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Abb. 11: Die männlichen Köpfe: der Hohe Priester (?) in der Szene des Auszuges aus Jerusalem am Singertor in Wien (links oben); Prophet am Kragstein im Südschiff der Stanislaus- und Wenzelkirche in Schweidnitz (rechts oben); Paulus in der Szene des Auszuges aus Jerusalem am Singertor in Wien (links unten); kämpfender Mann am Kragstein im Südschiff der Stanislaus- und Wenzelkirche in Schweidnitz (rechts unten). Abb. 10: Die Prophetenfiguren: in der Vorhalle der Frauenkirche in Nürnberg (links oben); am Kragstein im Südschiff der Stanislausund Wenzelkirche in Schweidnitz (rechts oben); an der Konsole in der Vorhalle der Frauenkirche in Nürnberg (links unten); am Kragstein im Nordschiff der Stanislaus- und Wenzelkirche in Schweidnitz (rechts unten).
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tigeprojekt seiner Gemahlin in seinem Herrschaftsbereich in Striegau zufällig zustande gekommen wäre. Das gilt auch, wenn wir annehmen, dass der Herzog am Striegauer Bauprojekt beteiligt war. Angesichts der Quellen können wir von einer politischen Eintracht des Herzogspaares ausgehen. Das Wiener Vorbild war für Striegau nicht zuletzt deshalb durch die Paulusikonografie geeignet, da die Heiligen des Patroziniums der Kirche eben Peter und Paul sind. Möglicherweise war die Zustimmung des Herzogs für eine solche bildhauerische Ausschmückung der Kirche dennoch erforderlich.47 Seine nachdrücklichen Bestrebungen zur Erweiterung seines Herrschaftsbereichs, wofür er geschickt den neuen Bund mit Kaiser Karl IV. nutzte, werden als Ausdruck eines bis zum Schluss ungebrochenen Willens interpretiert, seine Position als letzter souveräner Herrscher des uralten Piastengeschlechts in Schlesien zu demonstrieren.48 Herzog Bolkos Bündnis mit dem Kaiser, besiegelt durch die Eheschließung Karls mit seiner Nichte, wurde weitgehend zu seinen Bedingungen ausgehandelt. Obwohl es im Laufe der Jahre immer deutlicher wurde, dass das Herzogtum Schweidnitz-Jauer schlussendlich den Luxemburgern als Herrschern Böhmens zufallen würde, war die Wahl eines Wiener Vorbilds für das Hauptportal der Striegauer Kirche ein nicht zu übersehender Hinweis auf das politische Selbstbewusstsein des Herzogs, der darin durch seine aus dem Habs47 Wenn wir davon ausgehen, dass das Projekt noch zu Lebzeiten des Herzogs beschlossen wurde. 48 Und dies, obwohl er keine Nachkommen hatte. Dem Herzog war es sicherlich bewusst, dass all seine Besitztümer an die Luxemburger fallen würden.
Was ist am Striegauer Tympanon mit der Pauluslegende wienerisch?
Abb. 12: Wien, St. Stephan, Westfassade, Katharina von Böhmen, Wien Museum.
burgergeschlecht stammende Gemahlin gestützt wurde. Das schwierige Verhältnis zwischen den Habsburgern und den Luxemburgern konnte trotz der Heirat Herzog Rudolfs IV. mit der Tochter Karls IV. (1357) nicht völlig bereinigt werden. Katharina von Böhmen (Abb. 12) vermittelte oft und mit Erfolg zwischen ihrem Vater und ihrem Ehemann. Ob sie die Gelegenheit hatte, die viel ältere Gemahlin Bolkos (Abb. 13) persönlich kennenzulernen, wissen wir nicht.49 Der schlesische Herzog, obschon ein Parteigänger des Kaisers, bemühte sich, wie bereits erwähnt, um eine sehr ausgewogene Politik. Ob Agnes auf diese Politik Einfluss nahm, darüber schweigen die Quellen. Auf jeden Fall scheint deutlich, dass Herzog Bolko dank seiner aus der Habsburger-Familie stammenden Gemahlin und späteren Herrin auf Striegau, die im schlesischen Herzogtum angenommene karolinische „ars nova“ habsburgisch abzuwandeln versuchte. Möglicherweise ist dies sogar auf Herzogin Agnes selbst nach dem Tod des Gemahls zurückzuführen. Nehmen wir an, dass die Idee zur Ausgestaltung und Ikonografie des Tympanons noch zu Leb49 Bemerkenswert ist die Ähnlichkeit der Darstellungen von Agnes auf ihrem Siegel von 1369 und von Katharina an der Westfront der Stephanskirche. Zu Herrscherinnendarstellungen auf dem Revers des ersten Rudolfssiegels (um 1361) oder auf dem Siegel der Margarethe Maultasch (vor 1363) vgl. Schmidt 1992, 154–156 und Abb. 152, Abb. 158. Den genannten Kleinbildern nicht unähnlich scheint ebenfalls die Gestalt von Fürst Bolko auf seinem Siegel von 1365, den ich für italianisierend halte, vgl. Kaczmarek 2008, 96, Abb. 74.
Abb. 13: Siegel der Agnes von Habsburg, Herzogin von Schweidnitz-Jauer, um 1369, Archiwum Państwowe we Wrocławiu.
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zeiten des Herzogs entstand und das Vorhaben unverzüglich umgesetzt wurde, so ist in jedem Fall Herzogin Agnes als die für das Projekt Verantwortliche anzusehen, unsir eelichin wirtine in irem leibgedinge, wie es der Herzog selbst ausdrückte.50 Nach seinem Tod befand sich die Witwe in einer schwierigen politischen Lage, und das trotz der zuvor geschlossenen Abkommen zum Schutz ihrer Absicherung im Herzogtum.51 Kaiser Karl IV. setzte seinen Einfluss konsequent durch und brachte die herzogliche Verwaltung nach und nach unter seine Kontrolle. Die Witwe wurde bereits 1370 zum Verzicht auf ihr Vorrecht, als Landesherrin Beamten frei zu bestellen, gedrängt. Dieses Vorrecht wurde nunmehr auf einen Adeligen, der ein loyaler Vertreter der der böhmischen Interessen war, übertragen.52 Zunächst hielt sich Kaiser Karl IV. mit der Ernennung eines Landeshauptmanns für das Fürstentum zurück, stellte aber der Herzogin-Witwe indessen einen Vertrauten zur Seite, den Ritter Thimo von Kolditz. Seit 1369 bekleidete dieser das Amt des Landeshauptmanns von Breslau und hatte auch eine Kontrollfunktion am Schweidnitzer Hof, wo seine Anwesenheit in den Jahren 1369–1381 im Schnitt zwei Mal pro Jahr belegt ist.53 Nach seinem Tod 1383 fiel diese Rolle Benesch von Choustník zu, dem Bruder von Hermann, dem neuen Landeshauptmann von Breslau. Benesch brüstete sich mit dem Titel des Hauptmanns von Schweidnitz und Jauer noch zu Lebzeiten der alten Herzogin 1385. Die offizielle Machtübernahme erfolgte aber erst nach ihrem Tode 1392.54 Vor diesem Hintergrund war ein solches habsburgisches Zitat, wie es im Striegauer Portal angewendet wurde, zwar ziemlich subtil, doch für die gedachten Empfänger solcher Botschaften kaum zu übersehen.
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50 Lehns- und Besitzurkunden I, 498 (Urkunde vom 3. Juli 1353); Lehns- und Besitzurkunden II, 645 (analog im Vertrag zwischen Karl IV., Johann, dem Markgrafen von Mähren, sowie Herzog Bolko II. vom 14. Februar 1359). 51 Agnes alle di obgenant furstentume lant und herschefte mit allen nuczen haben und besiczen sol nur czu iren lebetag – Lehns- und Besitzurkunden I, 498; ähnlich Lehns- und Besitzurkunden II, 645. 52 Zelenka 2009, 105. 53 Zelenka 2009, 106–107. 54 Vgl. Grotefend 1874, 45, 48; Holá 2009 und vor allem Adamska 2005, 25–26; Zelenka 2009, 108–111.
Jakub Adamski und Thomas Flum
Die Paulusportale in Wien und Striegau Historischer und kunstgeschichtlicher Kontext einer Variation
Den Wiener Stephansdom und die Striegauer Peter-und-Pauls-Kirche (Striegau/ Strzegom in Niederschlesien) verbindet eine seltene Gemeinsamkeit: Sie verfügen beide über ein Portal, das dem Apostel Paulus gewidmet ist. In Wien handelt es sich um das sogenannte Singertor an der Südseite des Langhauses, in Striegau um das Westportal der Kirche (Abb. 1 und Abb. 2). Die Tympana beider Portale erzählen die Geschichte des Apostels Paulus in ähnlicher Weise: Es beginnt im unteren Streifen mit dem Auszug Pauli aus Jerusalem, darauf folgt seine Bekehrung und der spektakuläre Sturz vom Pferd, woran sich die Heilung des Erblindeten durch Hananias in Damaskus anschließt (Abb. 3 und Abb. 4). Im oberen Streifen weichen die Erzählungen voneinander ab. In Wien sind die Taufe und die Hinrichtung zu sehen, in Striegau die Taufe und eine Predigt des Apostels. Das Verhältnis beider Portale zueinander ist noch immer ungeklärt, sowohl historisch als auch chronologisch.1 Unbeachtet blieb insbesondere, dass die Quellenlage zum Striegauer Portal deutlich besser ist als zu seinem Wiener Pendant und dass der baugeschichtliche Zusammenhang in Striegau klarer hervortritt. Unsere Studie stellt folglich erneut die Frage nach dem bau- und kunstgeschichtlichen Verhältnis beider Portale und liefert zugleich neue Anhaltspunkte für die zuletzt umstrittene Datierung der Wiener Fürstenportale.
1. Zur Baugeschichte der Striegauer Peter-und-Pauls-Kirche Zur Baugeschichte der Striegauer Pfarrkirche liegen glücklicherweise zahlreiche Quellen vor.2 Dies verdanken wir dem Umstand, dass alle Angelegenheiten, die mit der Errichtung der Kirche zusammenhängen, seit 1360 im Striegauer Stadtbuch vermerkt wurden. Das Patronatsrecht über die Kirche übten zwar ab 1203 die Johanniter aus, die hier ihre wichtigste Kommende in Schlesien hatten, doch die Verwaltung der fabrica ecclesiae oblag dem Stadtrat als dem eigentlichen Bauherrn.3 Das Stadtbuch umfasste die Jahre 1347 bis 1457 und wurde einst im Breslauer Staatsarchiv verwahrt. Obwohl es im Zweiten Weltkrieg verloren ging, sind die Informationen zur Kirche in Auszügen bekannt, da schlesische Historiker sie seit
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Die Forschungen von Jakub Adamski wurden von dem Polnischen Nationalen Wissenschaftszentrum (Narodowe Centrum Nauki) gefördert, im Rahmen des Projekts Nr. DEC-2016/21/B/HS2/00598. Die Forschungen von Thomas Flum wurden im Rahmen des BMBF-Projekts „Mittelalterliche Portale als Ort der Transformation“ an der Universität Bamberg durchgeführt. Vgl. hierzu Kosegarten 1965, 83–84 und Flum 2013, 22. Ausführlich zur Pfarrkirche in Striegau: Adamski 2017a, 518–539. Heś 2007, 419–420.
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Jakub Adamski und Thomas Flum
Abb. 2: Striegau, Peter-und-Pauls-Kirche, Westportal, Zustand vor 1900.
Abb. 1: Striegau, Peter-und-Pauls-Kirche, Westportal.
Abb. 3: Wien, St. Stephan, Tympanon des Singertors.
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Abb. 4: Striegau, Peter-und-Pauls-Kirche, Tympanon des Westportals.
Die Paulusportale in Wien und Striegau
dem Ende des 18. Jahrhunderts veröffentlicht haben.4 Die Errichtung der Kirche erfolgte von Westen nach Osten5, was sich durch den wahrscheinlichen Standort der Vorgängerkirche im Bereich des heutigen Chors ergibt.6 Aus dem Jahr 1360 stammen die ersten Aufzeichnungen, dass der Stadtrat und einzelne Bürger verzinste Kapitalsummen auf unsere pherliche Kirche verwendeten, konkret an das steynwerk und gebuede derselbin pherlichin Kirchin.7 Weitere Einträge stammen aus den Jahren 1364 bis 1388, wie beispielsweise die Stiftung der Bürgersfrau Katharina Vogeler aus dem Jahr 1368, die ad opus lapidale seu fabrica parrochialis ecclesie in Strigon bestimmt war. 1385 schenkte Anna Kiracz ihren Gutshof in Alt-Striegau czu deme steynwerke und gebuede unsir pferlychin kirchin […] das man dy selbe kyrche domete bowen und bessyrn salle. Nachweislich wurden die Arbeiten in den achtziger Jahren des 14. Jahrhunderts vom Maurer und Steinmetzmeister Jakob geleitet, der von 1377 bis 1391 im Schöppenbuch der Stadt Schweidnitz (Świdnica) erwähnt ist.8 Von den städtischen Kirchenpflegern Konrad von Preußen und Peter Sarau erhielt er 1382, 1388 und 1391 für Bauarbeiten vergleichsweise hohe Summen zwischen 14 und 92 ¼ Schock Prager Groschen. Über konkrete Arbeiten erfahren wir erst 1386, als das Querschiff der Kirche überdacht wurde: constructum est teg[i]men medii operis laterum ecclesie nostre parochialis sub Conrado vitrico eccl. eiusdem constituto per consules. Im Jahre 1388 wurden die Fundamente für den Chor gelegt: inchoatum est fundamentum ecclesiae nostre parrochialis9, ein Jahr später waren die Sakristei und 1396 das Dach fertig.10 Zahlreiche Altarstiftungen, mindestens 28, sind für die Jahre zwischen 1397 und 1520 belegt.11 Aus den Quellen geht somit hervor, dass Langhaus und Querschiff 1386 schon überdacht waren und dass der zwei Jahre später in Angriff genommene Chor bis 1396 errichtet werden konnte, womit die Hauptbauzeit der Kirche zu Ende ging. Das Innere blieb jedoch noch mehrere Jahrzehnte unausgebaut, denn Mittelschiff, Querhaus und Chor erhielten erst im 15. Jahrhundert nach und nach ihre Wölbung. Leider schweigen die Quellen über den Baubeginn am Langhaus. In der neueren Literatur hat sich die Überzeugung durchgesetzt, dass am Westteil der Kirche seit etwa 1335 gebaut wurde12, weil aus dieser Zeit Nachrichten über den Kirchenverweser Johannes erhalten sind13. Diese Schlussfolgerung ist jedoch nicht zwingend, da es auch beim Vorgängerbau eine fabrica ecclesiae gegeben haben muss und die bloße Existenz eines Kirchenpflegers nicht als Beleg für laufende Bauarbeiten gelten kann. 4 5
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Vgl. Zimmermann 1784,198; Fila 1889, 66–69; Lutsch 1889, 272–273, mit Angaben der Seitenzahlen des verschollenen Manuskripts. Nur Hans Tintelnot (Tintelnot 1951, 110–113) und Danuta Hanulanka (Hanulanka 1971, 86) hielten den Chor für älter. Rawska-Kwaśnikowa (Rawska-Kwaśnikowa 1971) wies überzeugend nach, dass dies nicht richtig ist. Von der Vorgängerkirche stammt zweifellos die Glocke aus dem Jahr 1318, die von Hans Lutsch inventarisiert wurde: Lutsch 1889, 271, 280. Alle Quellentexte werden, wenn nicht anders angegeben, zitiert nach: Fila 1889, 66–69. Wernicke 1894, 161. Wernicke 1874, 2. Zimmermann 1784, 198. Fila 1889, 74–75. Stulin/Włodarek 1995, 216; Eysymontt/Gliński 2015. CDS, Nr. 5470, 51.
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Hervorzuheben bleibt, dass in den Jahren von 1338 bis 1392, also mehr als ein halbes Jahrhundert, Herzogin Agnes (1315–1392), aus dem Hause Habsburg, der die Stadt im Ehevertrag übereignet wurde, Herrin von Striegau war. Auch wenn sie als Ehefrau des Piastenherzogs Bolko II., genannt der Kleine, den Titel Herzogin von Schweidnitz und Jauer (Jawor) führen konnte, steht auf ihrem Siegel die Inschrift S[IGILLUM] AGNETIS DUCISSE STREGONIA. Ihre Macht vergrößerte sich noch, als ihr Ehemann 1368 starb, ohne Nachkommen zu hinterlassen, denn laut Vertrag mit Kaiser Karl IV. durfte sie das vermögende Herzogtum auf Lebenszeit als Wittum behalten.14 Der Bau der monumentalen Pfarrkirche in Striegau fällt daher gänzlich in die Regierungszeit der Herzogin Agnes. Den Quellen ist nicht zu entnehmen, ob sie die Bauarbeiten mitfinanzierte, die vom Stadtrat geleitet wurden. Vielleicht hängt das Fehlen von Vermerken über die Stiftungen der Herzogin im Schöppenbuch der Stadt damit zusammen, dass dort nur die vom Stadtrat bestätigten Schenkungen von Bürgern verzeichnet waren. Das herzogliche Schloss stand jedenfalls in unmittelbarer Nachbarschaft der Pfarrkirche, östlich des Chors, nur durch eine Gasse getrennt, die noch bis 1945 den Namen Burglehn-Straße trug.15
2. Zum Erhaltungszustand des Striegauer Westportals Auch wenn der Erhaltungszustand insgesamt als gut zu bezeichnen ist, lassen sich bereits mit bloßem Auge Eingriffe erkennen. Manche Partien wurden ergänzt, andere überarbeitet. 1889 fand Hans Lutsch die Reliefs des Tympanons nach eigener Aussage in gutem Zustand vor.16 Doch der obere Teil des Wimpergs und der architektonischen Rahmung waren stark beschädigt (Abb. 2), sodass man 1900 eine gründliche Konservierung und Rekonstruktion des Portals vornahm, deren Vorgaben Lutsch in der Zeitschrift „Die Denkmalpflege“ veröffentlichte.17 Das fehlende Säulchen am linken Pfeiler, die abgebrochenen Bekrönungen von Baldachinen und Fialen sowie Teile des Blendmaßwerks wurden nach einem Entwurf des Architekten Ewald Freiherr von Rechenberg rekonstruiert. Für die bildhauerischen Arbeiten war Albert Werner-Schwarzburg, Professor der Breslauer Königlichen Kunstschule, zuständig. Die Konservierung des Portals war spätestens 1901 beendet, denn schon im darauffolgenden Jahr beurteilte Max Semrau die Ergebnisse in einem Beitrag.18 Zum Umfang der Arbeiten lässt sich präzisieren, dass am unteren Streifen des Tympanons samt Konsolen kaum Eingriffe erfolgten. Der obere Streifen wurde hingegen intensiv überarbeitet und die beiden betenden Figuren am linken Rand der Taufszene durch Werner-Schwarzburg ergänzt. Im Wimperg sind die Reliefs mit der Muttergottes und Johannes dem Täufer original, während es sich bei der Figur Christi und einigen der Auferstehenden ebenfalls um Ergänzungen handelt.
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14 Karłowska-Kamzowa 1991, 103–104; Czechowicz 2005, 649–651; Kaczmarek 2007, 129– 130; Kaczmarek 2008, 185; Czechowicz 2013, 159–184. 15 Eysymontt 2015, 45–46. 16 Eysymontt 2015, 277. 17 Lutsch 1900. 18 Semrau 1902. Siehe auch: Wiese 1927, 140.
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3. Das Langhaus der Striegauer Peter-und-Pauls-Kirche (um 1350–1370) Die Striegauer Pfarrkirche folgt dem schlesischen Typ der Basilika, der in den zwanziger Jahren des 14. Jahrhunderts beim Bau der Breslauer Elisabethkirche entwickelt worden war.19 Die Gliederung des Mittelschiffes durch Lisenen sowie die charakteristische Form der Basen mit tiefen Hohlkehlen und kapitelllosen Scheid arkaden sind für diese Region typisch. Dem steht jedoch die Profilierung der Arkaden entgegen, für die es kein Vergleichsbeispiel in Schlesien gibt. Sie zeichnet sich durch ein charakteristisches, axial angeordnetes Profil aus, das man als „gedrückten Birnstab“ (Abb. 5) bezeichnen kann. Das Profil trat in Mitteleuropa erstmalig in den Scheidarkaden des Prager Domchors auf, ab 1344 von Matthias von Arras errichtet, und fand in der böhmischen Architektur der Mitte des 14. Jahrhunderts schnell Verbreitung. Der hypothetisch mit Matthias von Arras oder dem sogenannten „Interimsmeister“ in Zusammenhang gebrachten Bauhütte werden unter anderem die Arkaden des unvollendeten Hallenlanghauses der Benediktinerkirche in Sasau (Sázava) zugeschrieben. Auf eine identische Profilierung trifft man im Triumphbogen der Augustinerkirche auf dem Karlshof in Prag, die von Kaiser Karl IV. von Luxemburg 1350 gestiftet wurde, sowie in den Gewölbestützen der Pfarrkirche in Wettel (Vetlá), der Zisterzienserkirche in Skalitz (Skalice) und in der Josefskapelle der Augustiner in Leitomischl (Litomyšl). All diese Bauwerke datieren um 1350– 1360, sodass anzunehmen ist, dass auch in Striegau auf dieses Prager Motiv Bezug genommen wird.20 Für den Baubeginn um 1350 sprechen zudem die symmetrisch angeordneten, zweiteiligen Fischblasen in den Fenstermaßwerken der Langhausseitenschiffe, die das Maßwerk der Martinizkapelle am Prager Dom zitieren (Abb. 6 und Abb. 7).21 In Striegau wurden sie offenbar in den sechziger Jahren eingesetzt.
Abb. 5: Striegau, Peter-undPauls-Kirche, Schnitt eines Langhauspfeilers.
Abb. 6: Striegau, Peter-und-PaulsKirche, Maßwerk am nördlichen Seitenschiff des Langhauses. Abb. 7: Prag, St. Veit, Maßwerk der Martinizkapelle.
19 Siehe: Adamski 2014; Adamski 2017a. 20 Ausführlich über die Verwendung dieses Motivs in der böhmischen Architektur: Němec 2015, 118–130. 21 Schurr 2003, 65.
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4. Das Westportal der Striegauer Peter-und-Pauls-Kirche (um 1370–1380) Zweifellos entstand das hier behandelte Westportal nicht gleichzeitig mit dem Langhaus, sondern ist das Ergebnis eines späteren An- oder Umbaus. Es bildet eine konstruktive Einheit mit der West- und der Südmauer des mittleren Jochs der Westfassade (Abb. 8). Die Analyse der Pfeilersockel ergab, dass diese Partien zur gleichen Bauphase gehören wie die westlichen Vierungspfeiler und der nördliche Querhausarm, und um 1370–1380 zu datieren sind. Besonders deutlich ist der Formenwechsel zwischen dieser und der vorangegangenen Bauphase am Sockel des westlichsten Pfeilers der südlichen Langhausarkade zu erkennen (Abb. 9). Die charakteristischen Formen der zweiten Bauphase in Striegau, die hohen, kompakten Sockel, die Basen mit einem dicken unteren Wulst sowie die kräftige Profilierung der Pfeilerschäfte mit den runden Diensten, finden sich zeitgleich an den Chorpfeilern im Prager Veitsdom und in der Bartholomäuskirche in Kolin. Wie schon bei der ersten Bauphase ergeben sich auch hier Analogien zu den böhmischen Kirchen und zwar bei den Maßwerken. Die lockere Komposition der Fenstermaßwerke der beiden böhmischen Kirchen, mit der phantasievollen Zusammenstellung der Passfiguren und Fischblasen, diente wohl als Inspirationsquelle für die Obergadenfenster des Striegauer Langhauses, die ebenfalls zur zweiten Bauphase der Kirche gehören. Möglicherweise kam der zweite Striegauer Meister sogar aus der Prager oder der Koliner Werkstatt Peter Parlers nach Schlesien. Ihm wäre dann auch die Architektur des Westportals zuzuschreiben. Die architektonische Rahmung des Striegauer Westportals vereint traditionelle Formen schlesischer Architektur des 14. Jahrhunderts mit innovativen Elementen. Die schlanken Proportionen, aber auch die kapitelllosen, kleinförmigen Laibungen traten erstmalig gegen Ende des ersten, Anfang des zweiten Viertels des 14. Jahrhunderts im Westportal der Pfarrkirche in Bolkenheim (Bolków) auf, das seinerseits von der Umrahmung des Eingangs zur niederösterreichischen Pfarrkirche in Raabs an der Thaya (erstes Viertel des 14. Jahrhundert)22 angeregt worden zu sein scheint.23 Auch der West eingang zum Breslauer Dom aus dem zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts wäre als mögliches Vorbild zu nennen, ihm folgte um die Jahrhundertmitte das monumentale Turmportal der Elisabethkirche in derselben Stadt.24 Durch ähnliche Proportionen zeichnet sich auch das Westportal der Breslauer Kirche der Augustiner-Chorherren St. Maria auf dem Sande (um 1350–1360, Abb. 10) aus25, das dem Striegauer Baumeister gewiss bekannt war. Gemeinsam sind beiden Portalen nicht nur die Gewände mit den rhythmischen Schrägen auf zweistufigen Sockeln, sondern vor allem der Wimperg vor Blendmaßwerk in einem abgefasten Rahmen. Die Säulchen an den Seitenwänden der Pfeiler in Striegau finden sich in den saitendünnen, das Portal der Sandkirche flankierenden Säulchen vorgebildet. Sehr ähnlich gestaltet sind in beiden Fällen auch die zweizonigen, schlanken Baldachine über den leeren Figurennischen.26
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Brucher 2000, 279–281. Adamski 2017a, 183–185. Kaczmarek 1999, 60–64, 189–191; Adamski 2017a, 371, 410–411. Kaczmarek 1999, 115–117, 131; Adamski 2017a, 445–447. Die Ähnlichkeiten beider Kirchen sind nicht zufällig, denn jene Werkstatt, die spätestens bis 1369 die Gewölbekonsolen mit den Engeln an den Umfassungsmauern der
Die Paulusportale in Wien und Striegau
Abb. 8: Striegau, Peter-undPauls-Kirche, Grundriss.
Abb. 9: Striegau, Peter-und-Pauls-Kirche, Sockel mit Bauphase 1 (rechts) und 2 (links).
Abb. 10: Breslau, Stiftskirche St. Maria auf dem Sande, Westportal. 229
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Neu in Schlesien ist demgegenüber die Bekrönung der Strebepfeiler des Portals mit Fialen, die um 45 Grad gegenüber ihrem Unterbau verdreht sind. Auch weiter unten ist die Formenwahl originell, denn die Dienste, die für die Portalskulpturen bestimmt waren, bilden am Übergang zum Sockel Sporne aus. Der charakteristische „Maßwerkkragen“ unter den Kapitellen dieser Dienste ist der böhmischen Architektur entnommen. Ein frühes Beispiel findet sich in den Eckpfeilern im Kreuzgang des Prager Emmausklosters, das 1347 von Kaiser Karl IV. gestiftet und 1372 eingeweiht wurde27. Diese Art der Verzierung war zur Zeit König Wenzels IV. besonders beliebt. Zu den Besonderheiten des Striegauer Westportals gehört schließlich die Idee, eine reduzierte Darstellung des Jüngsten Gerichts mit einer Deesis-Darstellung zu kombinieren und in den Wimperg einzufügen. In diesem Zusammenhang war offenbar das Glockengeschoss des Straßburger Münsters vorbildlich. Die Realisierung dieses Geschosses zog sich zwar bis in die achtziger Jahre des 14. Jahrhunderts hin, doch der im Frauenhausmuseum verwahrte Riss Nummer fünf wird in die sechziger Jahre, zuletzt sogar in die Zeit nach 1320 datiert.28 Der Striegauer Meister hatte davon scheinbar Kenntnis, denn den Portalwimperg schmücken nicht nur die typischen Blattwerkkrabben, sondern auch – nach Straßburger Vorbild – kleine Figürchen von Auferstehenden. Hat der Striegauer Meister die Nachzeichnung des Risses Nummer fünf womöglich in der Prager Werkstatt Peter Parlers gesehen? Denkbar wäre es. Die schwäbische Herkunft Peter Parlers und die vielen oberrheinischen Motive in seinen böhmischen Bauten lassen vermuten, dass man damals in der Prager Dombauhütte über Straßburger Risse verfügte.
5. Die Portale von Wien und Striegau im Vergleich Bei einem maßstabsgerechten Vergleich des Wiener und des Striegauer Paulusportals fällt zunächst ihre unterschiedliche Geometrie ins Auge (Abb. 11). Obwohl die lichten Durchgänge annähernd gleich groß sind (2,16 m x 4,51 m in Wien und 2,22 m x 4,64 m in Striegau), ist das Wiener Tympanon mithilfe eines deutlich größeren Radius’ konstruiert worden. Es erreicht damit eine Höhe von 2,64 m gegenüber 1,78 m in Striegau, folglich stand den Wiener Bildhauern erheblich mehr Platz zur Verfügung als ihren Kollegen in Striegau. Der architektonische Kontext in Wien ist kompliziert. Bekanntlich sitzt das Portal in einem Doppeljoch des südlichen Langhausseitenschiffs und ist auf der einen Seite mit einem schmalen Zwischenpfeiler, auf der anderen mit einem Strebepfeiler verbunden. Diese unsymmetrische Anordnung hatte Einfluss auf die Konstruktion des Portals.29 In Striegau sitzt das Portal demgegenüber mittig in der Westfassade und wird von gleichartigen Strebepfeilern flankiert.
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Breslauer Kirche ausführte, war die gleiche, die in Striegau am Langhaus der Kirche arbeitete. Sie führte das Nord- und das Südportal, aber auch die Gewölbekonsolen mit den Klugen und den Törichten Jungfrauen im Südschiff sowie mit den Propheten im Nordschiff aus. Siehe: Rawska-Kwaśnikowa 1971, 113; Kaczmarek 1999, 28–33; Kaczmarek 2008, 185–226. 27 Benešovská/Kubínová 2007. 28 Recht 1974, 72–80; Schurr 2007, 361; Sauvé 2012, 180–182, 191–195; Dessins 2014. 29 Vgl. hierzu den Beitrag von Katharina Arnold in diesem Band.
Die Paulusportale in Wien und Striegau
Abb. 11: Wien, St. Stephan, Singertor (links); Striegau, Peter-und-Pauls-Kirche, Westportal (rechts); Grundund Aufrisse.
Darüber hinaus spielen Architektur und Skulptur in beiden Entwürfen eine unterschiedliche Rolle. Das Wiener Portal ist sowohl in den Gewänden als auch in den Archivolten mit Skulpturen ausgestattet, was der französischen Tradition entspricht. In Striegau dominiert hingegen die Architektur mit monumentalen Sockeln, kräftig ausgebildeten Strebepfeilern, einem hohen Wimperg, Fialen und einem rechteckigen Feld aus Blendmaßwerk, das den oberen Abschluss rahmt. Das Tympanon tritt hier zurück, die feingliedrigen, parallelen Linien der Archivolten separieren es geradezu. Ikonografisch stimmen beiden Tympana weitgehend überein, in Wien ist die Abfolge der Szenen aber deutlicher erkennbar: Im unteren Streifen links verlässt Paulus (beziehungsweise Saulus) Jerusalem durch das Stadttor, in der Mitte folgt die Bekehrung mit dem Sturz vom Pferd, rechts dann die Heilung des Erblindeten durch Hananias. Jeder Abschnitt der Geschichte ist durch Leerstellen oder kleine Unterbrechungen im Relief hervorgehoben. Im oberen Streifen des Tympanons wechselt die Leserichtung von rechts nach links. Zu sehen sind die Taufe und die Hinrichtung des Apostels. Erneut hat der Bildhauer die Szenen so organisiert, dass die Zuordnung der Figuren keine Probleme bereitet. Während sich die Szenen ansonsten aus dem neunten Kapitel der Apostelgeschichte ableiten lassen, mussten die Konzepteure des Programms für die Hinrichtung durch das Schwert auf eine 231
Jakub Adamski und Thomas Flum
Abb. 12: Wien, St. Stephan, Tympanon des Singertors, Paulussturz. Abb. 13: Striegau, Peter-undPauls-Kirche, Tympanon des Westportals, Paulussturz.
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Überlieferung der apokryphen Acta Pauli zurückgreifen.30 Das Gebet zu Beginn der Messfeier zum Fest der heiligen Apostel Petrus und Paulus am 29. Juni erinnert zwar auch an deren Martyrium, lässt die Form der Hinrichtung jedoch unerwähnt.31 Die bildhauerische Qualität der beiden Streifen des Wiener Tympanons unterscheidet sich erheblich, darauf hat schon Antje Middeldorf-Kosegarten hingewiesen.32 Der Meister des unteren Streifens gehört sicher zu den besten des 14. Jahrhunderts, das lässt sich ohne Übertreibung sagen. Das Relief ist eine halbe Armlänge tief und viele Figuren erscheinen nahezu vollplastisch. Der Meister versteht es, den Raum mit Verkürzungen und Hinterschneidungen zu beleben, mit Figuren und Pferden, die wahlweise aus der Tiefe des Raums hervortreten oder in diesen eintauchen. Auffällig ist die natürliche Wiedergabe der Pferde, ihrer Körperteile und Bewegungen. In der mittleren Gruppe mit dem Sturz des Paulus sind alle diese Qualitäten zu einem Höhepunkt vereint (Abb. 12). Im oberen Streifen ist von diesen Eigenschaften hingegen wenig zu sehen. Das Relief ist deutlich flacher, die Figuren wirken gedrungen, teilweise ungelenk. Offensichtlich war hier ein anderer Meister am Werk (Abb. 14).
30 Vgl. Schneemelcher 1989, 240 (Act. Paul. 5) sowie die neuere „Editio critica“ des Martyriums bei Zwierlein 2010, 445. 31 Vgl. hierzu auch Zwierlein 2013, 107. 32 Kosegarten 1965, 82.
Die Paulusportale in Wien und Striegau
Auch wenn in Striegau auf den ersten Blick vieles ähnlich erscheint, sind die Unterschiede bei genauerer Betrachtung doch erkennbar. Dies beginnt mit der vergleichsweise undifferenzierten, friesartigen Darstellung der Szenen auf dem unteren Streifen des Tympanons. Deutlich schwieriger ist hier die Zuordnung der einzelnen Figuren zu den drei Hauptszenen, die ineinander überzugehen scheinen. Bei einer der Hauptfiguren, dem zweiten Reiter von links, der sich mit zusammengehaltenen Händen dem Betrachter zuwendet, ist unklar, um wen es sich überhaupt handelt (Abb. 16). Der Eindruck, dass in Striegau wesentlich mehr Figuren und Pferde dargestellt sind, täuscht allerdings. Wir treffen hier auf 15 Männer und 11 Pferde gegenüber 11 Männern und 10 Pferden in Wien. Nur sind Figuren und Pferde in Striegau kleiner und eher parallel zur Bildfläche angeordnet, sodass sie zahlreicher erscheinen. Im oberen Streifen des Tympanons verläuft die Erzählung im Gegensatz zu Wien von links nach rechts, die Taufe erscheint links, rechts eine Predigt des Apostels (Abb. 15). Da das Martyrium nicht gezeigt wird, entstammen alle Szenen der biblischen Apostelgeschichte. Die architektonischen Elemente treten in Striegau deutlich hervor. Während die Stadttore von Jerusalem und Damaskus in Wien Staffage bleiben, hat sie der Striegauer Bildhauer detailliert wiedergegeben und genreartig mit Tieren oder einem Baum ausgestattet. Auch die Größenverhältnisse von Mensch und Bauwerk hat er angepasst, ohne dabei eine natürliche Proportionierung anzustreben. Besonders deutlich sind die Unterschiede zwischen den beiden Werken in der Hauptszene, der Bekehrung Pauli (Abb. 12 und Abb. 13). Wo es dem Wiener Bildhauer gelang, mit zwei fallenden Reitern, einem sich aufbäumenden und einem stürzenden Pferd (ein weiteres liegt hinter Paulus am Boden, in der Tiefe des Reliefs gerade noch erkennbar) die ganze Dramatik der Situation in eindrucksvollen, sorgfältig angeordneten Körpern und Bewegungen zusammenzufassen, verschmelzen in Striegau Menschen und Pferde zu einer schwer durchschaubaren Masse. Gott erscheint in Striegau nur im oberen Tympanonstreifen, was die Verständlichkeit der Bekehrungsszene unten zusätzlich erschwert. Bei der Wiener Lösung ist die göttliche Intervention hingegen ein wichtiger Teil der Komposition. Auffällig ist schließlich die Verwandtschaft einiger Figuren des oberen Streifens in Wien mit Werken in Striegau: In beiden Fällen sind die Figuren eher klein und gedrungen, mit großen, expressiv gestalteten Köpfen, die häufig von langen Bärten geziert werden. Der Henker des Paulus und die knienden Soldaten rechts tragen
Abb. 14: Wien, St. Stephan, Tympanon des Singertors, Taufe des Paulus. Abb. 15: Striegau, Peter-undPauls-Kirche, Tympanon des Westportals, Taufe des Paulus.
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Abb. 16: Striegau, Peter-undPauls-Kirche, Tympanon des Westportals, Reiter. Abb. 17: Wien, St. Stephan, Tympanon des Singertors, Hinrichtung des Paulus.
ein ähnlich gestreiftes, unterfüttertes Wams wie jener rätselhafte Striegauer Reiter mit den nach vorne gewendeten Händen (Abb. 16 und Abb. 17). Auch die rundlichen Körper, an die lange, weiche Arme angeheftet sind, die scheinbar keine Gelenke besitzen, entsprechen einander. Womöglich waren der Meister des oberen Tympanonstreifens in Wien und der Striegauer Meister identisch. Dies würde die Verwandtschaft beider Reliefs jedenfalls zum Teil erklären.
6. Kopie und Variation Der Vergleich macht deutlich, dass es sich bei den Reliefs nicht um Kopien handelt, wie zum Beispiel im Falle der bekannten Stephanus-Tympana von Paris und Meaux, dafür sind die Unterschiede zu zahlreich.33 Andererseits schließen die ikonografischen Übereinstimmungen, die geografische Nähe, der historische Kontext und vor allen Dingen die Seltenheit des Themas in einem Tympanon eine nur zufällige Parallele aus. Soweit uns bekannt ist, handelt es sich um die einzigen Darstellungen des Paulus-Sturzes in Tympana des 14. Jahrhunderts. Das Sujet gehört somit gerade nicht zu den bildhauerischen „Klassikern“ der Zeit, wie der Marientod oder die Anbetung der Heiligen Drei Könige, die an vielen Orten und in vielen Variationen zu finden sind.34 Bei diesen Themen sind die Darstellungen mitunter zur Konvention erstarrt, sodass etwaige Ähnlichkeiten nicht zwangsläufig auf die Beteiligung derselben Bildhauer oder verwandte Auftraggeber schließen lassen. Bei dem Wiener und Striegauer Tympanon ist dies jedoch nicht der Fall. Auch wenn es sich bei den Paulus-Reliefs kompositionell und stilistisch nur um Variationen handelt, stehen sie sich allein durch ihre Seltenheit und den historischen Kontext besonders nahe.
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33 Kurmann 2010; Albrecht 2017. 34 Vgl. z. B. die Anbetung der Heiligen Drei Könige in Rottweil, Nordportal des Kapellenturms, in Esslingen, Südportal der Frauenkirche, oder in Schwäbisch-Gmünd das Südportal des Langhauses der Heilig-Kreuz-Kirche.
Die Paulusportale in Wien und Striegau
7. Fazit Die Ergebnisse zu den Paulusportalen in Wien und Striegau sind im Licht der jüngsten Erkenntnisse zur Baugeschichte am Langhaus von St. Stephan in Wien zu betrachten. Diese ergaben, dass sich die Fürstenportale in festem Verband mit dem Langhausmauerwerk befinden und gleichzeitig mit diesem entstanden sind.35 Außerdem erfolgte die Errichtung der Langhauswand, zumindest auf der Südseite, von Westen nach Osten.36 Da das Traufgesims des Langhauses vor 1396 erreicht war, muss das Singertor erheblich früher fertiggestellt worden sein; ob noch zu Lebzeiten Rudolfs oder erst danach, bleibt ungewiss. In Striegau ist die Situation weniger kompliziert. Baugeschichte und Stilvergleiche ergeben hier eine Datierung um 1370 bis 1380 für das Westportal, was sich im Übrigen mit der von Antje Middeldorf-Kosegarten vorgeschlagenen Datierung der Skulpturen um 1380 deckt. Im Unterschied zu Wien stand die Paulusverehrung an der Striegauer Peter-undPauls-Kirche ohnehin im Zentrum und muss – anders als in Wien – nicht eigens erklärt werden.37 Es fällt jedoch auf, dass Petrus bei den Skulpturen übergangen wird. Ihm kommt in Striegau damit offenbar nicht die gleiche Bedeutung zu wie Paulus. Bei den Paulus-Reliefs von Striegau handelt es sich offenbar um eine freie Variation nach dem Wiener Vorbild, eventuell unter der Beteiligung jenes Meisters, der in Wien den oberen Streifen des Tympanons angefertigt hat. Insbesondere der historische Kontext legt diese Bezüge nahe, denn die Ausführung des Westportals fand zu einer Zeit statt, als Agnes von Habsburg selbstständig das Herzogtum regierte. Agnes von Habsburg, die Herzogin von Schweidnitz, Jauer und Striegau, war als Tochter von Herzog Leopold I., dem Bruder Herzog Albrechts II., die nächste Cousine von Herzog Rudolf IV.38 Zwischen ihren Höfen bestanden sicherlich enge Beziehungen. Da die Herzogin den Titel Herrin von Striegau führte, spielte sie wohl auch bei der Gestaltung und Errichtung der Striegauer Kirche eine Schlüsselrolle, zumal die kleine Stadt nur über eine geringe Wirtschaftskraft verfügte. Offensichtlich orientierte sie sich dabei an wichtigen Bauten der Habsburger und ließ ein weiteres Paulus-Ensemble erschaffen, den Glasmalereien von Königsfelden und dem Wiener Paulus-Tympanon folgend.39 Sogar der ikonografische Kontext in Striegau stimmt mit den Gegebenheiten in Königsfelden und Wien überein, denn das Tympanon des Nordportals zeigt die Krönung Mariens, wenngleich in einer ungewöhnlichen Variante, das südliche ihren Tod. Beide Themen erscheinen sowohl im Paulus-Maria-Fenster in Königsfelden als auch am nördlichen Wiener Fürstenportal (Bischofsportal). Für die Striegauer Bevölkerung waren diese Bezüge wohl kaum nachvollziehbar und sicher ohne Belang, Familienmitglieder und Eingeweihte konnten sie aber als Fortsetzung einer Habsburgischen Familientradition deuten.
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Vgl. hierzu den Beitrag von Katharina Arnold in diesem Band. Vgl. hierzu den Beitrag von Norbert Nußbaum in diesem Band. Zur Begründung der Paulusverehrung in Wien vgl. Flum 2013, 15–23. Jasiński 2007, 317. Flum 2013, 15–18.
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Manfred Koller
Die Figuren des „Stiftergrabes“ in St. Stephan Befunde, Interpretationen, Vergleiche
In seinen „Überlegungen zum ersten Kenotaph Rudolphs IV. im Wiener Stephansdom“ konnte Friedrich Dahm zwar die meisten, 1952 publizierten Ergebnisse der Untersuchungen zur Restaurierung und Neuaufstellung nach Kriegsende 1945 unter Leitung von Josef Zykan bestätigen (Abb. 1).1 Die Annahme eines Baldachinaufbaues in Verbindung mit einem Altar für die im Mittelchor vor dem Hochaltar aufgestellte Grablege (wie sie 1725 noch beim Kolomangrab in Melk existierte) widerlegte er jedoch nach der Darstellung der Herzogsgruft in Marquard Herrgotts „Taphographie“ von 1772 mit überzeugenden Argumenten.2 Anschließend an den Bericht Zykans fand Maya Loehr im Österreichischen Staatsarchiv den Bericht über die Versetzung von Rudolfs Kenotaph auf die linke Seite des Hauptchores, als Gegenstück für die mit dem Tode Kaiser Friedrichs III. 1493 notwendig gewordene neue Grablege.3 Diese Übertragung bot eine Erklärung für die beobachteten Unstimmigkeiten im Verhältnis der der Tumba vorgesetzten Arkaden zur Platte mit den auf dieser (ohne fixierte Position) liegenden, lebensgroßen Figuren des Stifterpaares. Dazu stellte Dahm als Arbeitshypothese eine Herkunft der Rotmarmor arkaden aus dem angenommenen Hallenlettner des Domchores zur Diskussion, die zur profilierten Rotmarmorplatte der alten Tumba passten. Danach wären die beiden, „zuvor farbig gefassten Liegefiguren“ durch eine rotbraune Neubemalung an den Marmorton angepasst worden.4 Diese imitierende „Steinfarbe“ entsprach realiter auch dem zwanzig Jahre später mit Salzburger Marmoren ausgeführten Grabmal Friedrichs III. im Südchor.5 Die Fassungen am Stiftergrab untersuchte erstmals Franz Walliser und beschrieb zwei im Prinzip ähnlich einfarbige „braunrote“ Phasen in Tempera-, danach in Öltechnik.6 Zeitgleich konnte Kieslinger zu der von Dombaumeister Friedrich Schmidt für 1889 angekündigten Restaurierung des Rudolfsgrabes keine Bestätigung finden. Demnach sind im späten 19. Jahrhundert Freilegungsmaßnahmen eher unwahrscheinlich. Dahm betont ferner die seit Herzog Rudolfs Verordnung von 1363 für seine Grablege bestehende funktionelle Zusammengehörigkeit von Grab und Altar in 1 2 3 4
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Dahm 2000, 331–346; Zykan 1952a sowie Zykan 1952b. Vgl. dazu auch den Beitrag von Franz Zehetner in diesem Band. Dahm 2000. Loehr 1952. Vgl. dazu auch den Beitrag von Barbara Schedl in diesem Band. Dahm 2000, 346: Der hier „rot“ genannte neue Farbton würde im gotischen Sinne reines Zinnoberrot bedeuten – es war aber sicher nur das Braunrot des Adneter Marmors gemeint. Zum Kaisergrab siehe zuletzt: Kohn (Hg.) 2017; Kirchweger/Schmitz-von Ledebur/ Winter/Zehetner (Hg.) 2019. Kieslinger 1949, 294.
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Manfred Koller
Abb. 1: Wien, St. Stephan, Nordchor, Rudolfskenotaph in der Aufstellung von 1952, Zustand 1993.
Abb. 2: Wien, St. Stephan, Mittelchor, Südwand, Inschrift epitaph für Herzog Rudolf IV., Zustand 1998.
der Herzogsgruft mit dem Kenotaph im Mittelchor darüber und den in dessen Südwand eingelassenen Inschriftepitaphien sowie dem darunter angebrachten Porträtgemälde des Herzogs (nach barocker Überlieferung – heute im Diözesanmuseum). Im Zuge der Eingerüstung des Chores 1998 konnte ich beide Epitaphe – jenen zum Tode Rudolfs 1365 und für seinen 1363 verstorbenen jüngeren Bruder Herzog Friedrich III. – näher untersuchen. Die Inschriften wurden in weiße, rahmenartig profilierte Marmorplatten eingemeißelt und diese hat man in die Chorwand bündig eingelassen (Abb. 2). Die sehr genau geformten Minuskeln sind mit einer schwarzen, rissigen Masse gefüllt, deren chemische Analyse eine Mischung von Ruß mit einem Harz (wahrscheinlich Kolophonium) ergab.7 Kieslinger nennt die Technik „Marmorniello“ und verweist auf Beispiele seit dem späteren 13. Jahrhundert in Italien, Bayern und Österreich (Voitsberg 1430).8 Die bei Kieslinger noch sichtbaren Verluste der schwarzen Paste sind jetzt dunkel retuschiert. Dafür bestanden 1998 mehrfach neue Ausbrüche am Epitaph für Friedrich, die gefestigt 7 238
8
Laborbericht von Hubert Paschinger 1998, Bundesdenkmalamt, Archiv der Abteilung für Konservierung und Restaurierung, Arsenal. Kieslinger 1949, 195, Abb. 98. Eigentlich handelt es sich um die Sparvariante einer Marmorintarsia.
Die Figuren des „Stiftergrabes“ in St. Stephan
werden mussten. Bemerkenswert ist jedenfalls, dass diese Inschriften zeitgleich und technisch ähnlich angelegt sind, wie die auf dem Rahmenprofil der Tumbaplatte des Rudolfskenotaphs umlaufende Inschrift. Deren ausgemeißelte Buchstaben haben zwar präzis geformte Konturen, aber die Binnenflächen wurden rau belassen, weshalb Zykan eine verlorene Füllung mit einer Farbpaste annahm. Diese Technik war schon im alten Ägypten bekannt.9 Allerdings fanden sich 1998 genau an die Buchstabenformen angepasste Löcher, was an (ursprünglich oder später eingesetzte?) Metallbuchstaben denken lässt. In den Löchern und in den Begleitlinien der Buchstabenreihe fand sich massiv korrodiertes Zinn, das man zum Eingießen verwendet haben könnte.10
1. Untersuchungen an Grabfiguren des 14. Jahrhunderts in Österreich Bevor wir weiter auf das Stiftergrab eingehen, möchte ich Vergleiche mit anderen Beispielen von polychromen Liegefiguren in Wien und Oberösterreich bringen, deren Befundergebnisse nur teilweise publiziert sind bzw. für die Untersuchungen noch ausstehen. In den gleichen Jahren wie das Stiftergrab wurde 1998/99 auch der sogenannte Neidhartbaldachin neben der Vorhalle des Singertores an der Südfront von St. Stephan erstmals grundlegend untersucht und konserviert. Der anthropologische Befund der in der Tumba gefundenen Skelettreste ergab zwei männliche Individuen, die möglicherweise zu Neidhart von Reuental († um 1250 in Wien) und seinem „Nachfolger“ Neidhart Fuchs († 1334) gehören. Das der Michalerwerkstatt zugeschriebene Hochgrab ist durch den baulichen Zusammenhang mit dem benachbarten Singertor und die von Barbara Schedl gesichteten Archivdaten im Zuge der Errichtung der Südwand des Langhauses parallel zum Singertor entstanden. 11 Dafür ist auch die an den Rückwänden vorhandene unterste Gelbockerfassung mit Weißfugen ein beweiskräftiges Indiz, da die gleichen Raumfassungen schon 1972 bei der Abtragung der vorderen Choraltäre sichtbar wurden (Abb. 3). Über dieser ersten Steinfarbe in hellem Ockergelb liegt – wie auf den Chorpfeilern – die zuletzt 2001 restaurierte kräftige Graufassung mit schwarz-weißen Fugenstrichen, die zeitlich zum Langhaus im 15. Jahrhundert gehört (z. B. unter der Orgelkonsole mit der Pilgrambüste und Datierung 1513).12 Demnach steht das Neidhartgrab also auf seinem ursprünglichen Platz. Die im Zuge der Konservierung in der Restaurierabteilung des Bundesdenkmalamtes durchgeführten Untersuchungen konnten aus den Resten einer einzigen und sicher mit der Steinskulptur zeitgleichen Fassung zumindest die Grundfarben rekonstruieren: Polster mit blau auf weiß kariertem Stoff, grünes Birett, braune Haare, roter Mantel, blaues Kleid mit braunem Gürtel, gelber Wappenschild mit
9 Saleh/Sourouzian 1986, Kat. 25a, b und Farbabb. (farbige „Pastenreliefs“). 10 Laborbericht zu den Proben 293/94 von Hubert Paschinger, Bundesdenkmalamt, Archiv der Abteilung für Konservierung und Restaurierung, Arsenal unter W8949. 11 Zur stilistischen Zuschreibung vgl. Zykan 1981, 82; vgl. dazu auch die Beiträge von Barbara Schedl und Johann Nimmrichter in diesem Band. 12 Koller 2002; Koller 2004.
Abb. 3: Wien, St. Stephan, Mittelchorpfeiler mit den Raumfassungen um 1340 und 1450/60, Zustand 1972.
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Abb. 4: Kremsmünster, Stiftskirche, Stiftergrab Gunther, vor 1304, nach Konservierung 1997. Abb. 5: Garsten, Ehem. Stifts kirche, Stiftergrab Otakar II. von Steyr, um 1347, Zustand 1999.
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steigendem Fuchs in Rotbraun.13 Merkwürdigerweise zeigt schon die Abbildung von 187514, dass das Gesicht abgespalten und ohne Ergänzung belassen wurde – eine merkwürdige Parallele zum Gesicht der Grabfigur Rudolfs. Dazu kommen größere Verluste am unteren Figurenende (Füße, Standfläche). In der Stiftskirche von Kremsmünster wurde die von 1304 datierte Liegefigur des mythischen Stifters Herzog Gunther 1987 durch die Werkstätten des Bundesdenkmalamts konserviert. Das ursprünglich auch im Hauptchor aufgestellte Grabmal versetzte man im Zuge der Barockisierung in das Untergeschoss der Westtürme. Von der nie übermalten Erstfassung ist fast die Hälfte noch erhalten, aber an der Oberfläche reduziert (besonders im Gesicht): grüner Polster, hellbraune Haare, rotes Kleid mit Goldsäumen, vergoldeter Gürtel, schwarzer Eber. Die Ergebnisse blieben unpubliziert und wären im Detail noch auszuwerten bzw. aus heutiger Sicht zu ergänzen (Abb. 4).15 Die ehemalige Stiftskirche in Garsten bei Steyr birgt in ihrem um 1686 barockisierten Innenraum in den vorderen Seitenkapellen des Langhauses direkt an die Außenwand gerückte Grabtumben mit Liegefiguren: links mit dem Stifterpaar Markgraf Otakar II. von Steyr und seiner Gemahlin Elisabeth, rechts mit dem seligen Berthold, dem ersten Abt von Garsten (1110–1142). Für das Stiftergrab ist für 1347 eine zweite Beisetzung (mit Ortsveränderung?) überliefert.16 Die bestehende historisierende Fassung des Stifters (Ende 19. Jahrhundert?) zeigt einen grünen Polster, eine Hermelinmütze, offene Augen, einen blauen Rock, vergoldete Attribute und ein graues Kirchenmodell mit roten Dächern (Abb. 5). Nach heutigem Verständnis der Denkmalpflege kommt eine immer riskante Freilegung älterer historischer Fassungen unter der intakten und nicht unschönen Letztfassung nicht in Frage. Aber die genaue Befundung mit Schichtenprofilen aller relevanten Skulpturteile bleibt ein Desideratum, um unsere noch sehr lückenhaften Kenntnisse der Grabmalpolychromien des 14. Jahrhunderts zu erweitern.
13 Koller/Nimmrichter 1998; Koller 2000. 14 Anonym 1875. 15 Restaurierbericht von Franz Höring, Bundesdenkmalamt, Archiv der Abteilung für Konservierung und Restaurierung, Arsenal. Siehe auch: Koller 2012 und Koller 2016. 16 Dehio 1958, 84.
Die Figuren des „Stiftergrabes“ in St. Stephan
2. Untersuchung der Liegefiguren von Rudolf IV. und Katharina Die beiden Sandsteinfiguren bestehen aus jeweils einem Steinblock von etwa 230 x 60 x 40 cm Größe. Vermutlich waren auch die heute fehlenden Hände und Attribute aus demselben Block herausgemeißelt und nicht angestückt (die weggespreizten Hände und Finger in der Darstellung bei Marquard Herrgott sind sehr unwahrscheinlich).17 Jedenfalls deuten die vorhandenen Reste beim Schwert Rudolfs und dem Szepter Katharinas auf deren einheitliche Skulpierung mit dem Körper. Größere Steinverluste betreffen die Kopfpölster beider Figuren, alle Hände, den Hundekörper unter den Füßen Katharinas, beide Szepter und die Schwertund Messerklingen Rudolfs. Der Kopf Rudolfs wurde später vom Hals getrennt und die Bruchflächen hat man abgearbeitet, sodass der grob wieder angedübelte Kopf zuletzt eine flache statt leicht angehobene Haltung hatte (Abb. 6).18 Das für ein Stiftergrab unverzichtbare, auf den Stichen des 18. Jahrhunderts zwischen den Füßen der Liegefiguren dargestellte Kirchenmodell fehlt. Im vorhandenen Zwischenraum ist dafür aber Platz. Ein kleines Modell könnte auch auf Rudolfs rechter Hand gestanden haben. Eigenartig ist auch, dass man die Liegefiguren frei verschiebbar auf die nicht stark eingetiefte Platte gelegt hatte. Kleinere Fehlstellen der Formgebung sieht man ferner auf allen Kronenspitzen, an beiden seitlichen Gewandrändern, an den filigranen Waffenketten Rudolfs, seiner Gürtelschließe und seiner rechten Schuhspitze. Dazu kommen kleine Ausbrüche einzelner Reliefglieder beider Gürtel und des vom Ausschnitt bis zur Gürtelschließe durchlaufenden skulpierten Schmuckbandes aus Rauten und Quadraten auf dem Kleid Katharinas. Das häufigste Schmuckmotiv in den Feldern der einzelnen Gürtelglieder zeigt bei beiden Figuren eine Art Schriftband mit eingerollten Enden in gegenständiger Ausrichtung: bei Rudolf diagonal nach rechts oben, bei Katharina nach links oben (Abb. 7). Die gegenständige Richtung der Bandrollen wiederholt sich auf dem Beinharnisch des Herzogs oberhalb seiner Knie. Dasselbe Bandmotiv findet sich auch auf dem Knauf des in den Hüftgürtel eingehängten Schwertes. Das Schmuckmotiv der Gürtelschließe der Herzogin bildet eine vierblättrige Rose, bei Rudolf könnte ein nur gemaltes Motiv bestanden haben. Fein ziselierte Riefen und Wellen charakterisieren das unter dem Brustpanzer liegende Kettenhemd und die maßwerkförmigen Vertiefungen der innenseitigen Beinschienen des Harnisches. Die gerippten Bänder mit Schnallen über den Knöcheln Rudolfs geben sehr realistisch die Leder(?)gurte für die Sporen wieder. Auf den Kronen, auf den Mantelschließen und -säumen zeigen beide Figuren ovale Vertiefungen verschiedener Größe (über 40 bei Rudolf, über 80 bei Katharina), die auf verlorene Applikationen mit Schmucksteinen deuten. Diese „Inszenierung“ Rudolfs als vornehm-wehrhafter Fürst mit seiner modisch-attraktiven Gemahlin entspricht in den meisten Elementen dem „Auftritt“ des Paares im Gewände des Singertores zu St. Stephan. Allerdings fehlen dort die ovalen Vertiefungen für einen (kostbaren?) Steinschmuck wie bei den Liegefiguren 17 Zykan 1952a, Abb. 27a, 25. 18 Bei der Restaurierung durch Rosl Laub in den Werkstätten des Bundesdenkmalamts 1998 wurde die durch den Polster verursachte leicht angehobene Kopfneigung, so wie bei Katharina, in neutraler Außenform wieder hergestellt.
Abb. 6: Wien, St. Stephan, Rudolfskenotaph, Kopf von Herzog Rudolf IV. nach Abnahme 1999.
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Abb. 7: Wien, St. Stephan, Rudolfskenotaph, Detail der Rüstung von Herzog Rudolf IV. nach Restaurierung 1999.
des Grabmals. Hans Nimmrichter und ich konnten 2001 die Portalfiguren untersuchen und Proben der minimalen Farbreste für das Amtslabor nehmen. Die Ergebnisse wurden auf dem Parlerkolloquium 2001 in Schwäbisch Gmünd vorgetragen und 2004 publiziert.19 Bei den Portalfiguren sind fehlende Details der Grabfiguren wie die Bügelkronen, Ketten, Szepter und Waffen voll erhalten, jedoch wurden um 1880 die Oberflächen überschliffen. Damit hat man die in Spuren noch nachweisliche Buntfassung des Portals so weit zerstört, dass auch hier keine grafische Rekonstruktion der ursprünglichen Farbkomposition möglich ist. Das Ockergelb der Portalgewände entspricht immerhin der zeitgleichen Architekturfarbe im Chor und am Neidhartbaldachin. Eine Grundierung mit Miniumrot oder eine folgende rotbraune Monochromie wie beim Grabmal sind hier klar auszuschließen. Gänzlich verschieden sind die Schmuckmotive in den Mantel- und Gürtelbeschlägen beider Figuren. Sie zeigen vor allem dynastisch-heraldische Motive und würden eine detaillierte Dokumentation verdienen. Zur technischen Deutung der aus kleinen Halbkugelformen zusammengesetzten Schmuckmotive (deren Meißelarbeit im Sandstein enormes Können und hohen Zeitaufwand erfordert haben muss) könnte man an eine Imitation der metallischen Filigrantechnik denken.20 Zur ehemaligen Fassung der Grabfiguren waren schon Franz Walliser vor 1949 Vergoldungsreste in den Haaren des Löwen aufgefallen. Dazu kommen nun die Blattgoldbefunde an Krone und Haaren Rudolfs und andere, deren Mikroschliffe und Pigmentanalysen 1998/99 eine erste polychrome Fassung sicherstellten und auch zur folgenden rotbraunen Monochromie Hinweise liefern konnten.21 Die erste Schichte besteht aus meist grobkörnigem Miniumrot in Ölbindung als offenbar durchgehende Grundierung. Darüber findet sich bei den Vergoldungen eine Kreidegrundierung mit einer öligen Anlegeschicht für das Blattgold (Haare, Krone, Kettenhemd und Löwe Rudolfs). Im Bereich der Krone zeigt der Schliff einmal Dunkelrot darüber, was auf einen roten Farblüster des Kronenfutters schließen lässt.22 Der weitere Schichtaufbau anderer Proben deutet auf Vergoldung, doch
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19 20 21 22
Koller/Nimmrichter 2004. Brepohl 1998. Erster Befundbericht durch Nimmrichter 2002. Laborbericht zu Probe 390/98 von Hubert Paschinger im Bundesdenkmalamt, Archiv der Abteilung für Konservierung und Restaurierung, Arsenal unter W 8949.
Die Figuren des „Stiftergrabes“ in St. Stephan
Abb. 8: Wien, St. Stephan, Rudolfskenotaph, Rekonstruktion der vergoldeten Teile.
fehlt das Blattmetall als Beweis. Bei der Mehrzahl der im Amtslabor von Helmut Paschinger und Helmut Richard untersuchten insgesamt 38 Farbproben wiederholte sich die Abfolge von einer ersten Grundierung mit reinem grobkörnigem Miniumrot mit einer zweiten Schichte aus Minium gemischt mit Rotocker.23 Die letztere Farbgebung könnte zur Imitation eines rötlichen Marmors passen, wie sie zuletzt für die Phase der Übertragung des Grabes 1493 zwischen die nördlichen Mittelchorpfeiler angenommen wurde. Danach kamen noch rezente grünbraune und braune, meist sehr inhomogene Farblagen. Die Voraussetzungen durch diese Befundlage sind für eine virtuelle Rekonstruktion der Erstfassung auch nur in allgemeinen Zügen eher schlecht, da außer dem Rotlüster kein einziges Buntpigment gefunden wurde. Die früheren „Reiniger“ haben offenbar ganze Arbeit geleistet, was in dieser Konsequenz eher selten ist, aber Parallelen zum Singer- und Bischofstor zeigt. Trotzdem können wir uns durch Analogieschlüsse vor allem zu den formal authentischen Schmuckmotiven eine ungefähre Vorstellung der einstigen Farbkomposition und Wirkung machen:
23 Laborberichte zu W 8949/50 von Hubert Paschinger im Bundesdenkmalamt, Archiv der Abteilung für Konservierung und Restaurierung, Arsenal.
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1. Metallauflagen und Applikationen (Abb. 8): Vergoldete Kronen und Waffenteile gehören zum üblichen Programm (vgl. Naumburg, Stifter).24 Auch für die metallischen Schmuckgürtel und Kleidappliken kommen wohl nur Vergoldung oder Verzinnung (Versilberung?) in Frage. Verzinnung liegt für den eisernen Brustharnisch, das Kettenhemd und die Beinschienen nahe, wobei hier der metallisch helle Erstzustand relativ rasch zu einem Grauton oxydiert sein müsste. Ob die Bandrollen (mit einer Devise?) und die Gürtelrosette zusätzlich bemalt waren, bleibt der Spekulation überlassen. Mit Sicherheit ist von breiten Goldsäumen der Außenseiten beider Mäntel auszugehen, die optisch den Bewegungsfluss der Falten unterstreichen und zugleich Mantelüberwurf und Harnisch bzw. Kleider besser unterscheiden lassen. Saumbreite und -verlauf verdeutlicht hier die Folge von zusammen über 100 muldenförmigen Ovalpaaren, die wir uns wohl mit bunten (?) Schmucksteinen gefüllt vorstellen können. Analoge größere, aber runde Vertiefungen finden sich auf den Bändern zwischen den Mantelschließen und hochovale auf den beiden Kronen. Hier gibt es zwei alternierende Größen, die bei Rudolf vertikal, bei seiner Gemahlin horizontal wechseln. Schließlich ist auch das Stirnband Katharinas mit horizontalen Vertiefungen gleicher Größe wie bei den Mantelsäumen dicht verziert. Cenninis Malerbuch lobt in Kapitel CXXIV zwar Glassteine in verschiedenen Farben als großen Gewinn an Schönheit, gibt aber außer zu mit Grundiermasse modellierten Ornamenten keine genauen Anweisungen zu ihrer Applikation.25 2. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass zum 1336 gestifteten Gottsleichnamsaltar in der Chormitte über der Herzogsgruft eine mit Edelsteinen geschmückte Marienstatue gehörte, die auch in der Fronleichnamsprozession mitgetragen wurde.26 3. Inkarnate: Diese kann man sich – schon angesichts der weit geöffneten, nicht skulpierten Augendarstellung – nur in Hauttönen mit farbiger Augen- und Mundzeichnung und Wangenmodellierung vorstellen. Kahsnitz erinnert zu diesem „Bild des Toten als Lebenden“ an Emile Mâle’s Deutung „als Ausdruck des christlichen Glaubens an das ewige Leben“. 27 Ein einziger Rosaton in den Proben aus Bleiweiß und Zinnober von einer nicht zum Inkarnat gehörenden Stelle lässt sich leider nicht zuordnen.28
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24 Karl 2015, Abb. 169 (Farbgestaltung der vergoldeten Kronreife der Frauenfiguren), Abb. 203 (Farbgestaltung der Schwerter). Aktuelle Ergebnisse zu den Polychromien der Steinskulpturen des 13. Jahrhunderts in den Domen von Meißen, Köln, Magdeburg, Bamberg u. a. wurden auf der zur Ausstellung 2011 abgehaltenen Tagung des Naumburg Kollegs vorgestellt: Danzl/Herm/Huhn (Hg.) 2012, 105, Abb. 37 (Augengestaltung der jüngeren Magdeburger Werkstatt). 25 Serchi (ed.) 1991, 169. Beispiele des 13. und 14. Jahrhunderts bei Brachert/Kobler 1981, Sp. 764/65 (Holzskulpturen und Tafelbilder). 26 Zykan 1981, 47; Joss 1976, 153–162, hier 158. 27 Kahsnitz 1992, 56. Zur variablen Augenfassung im 13. Jahrhundert siehe Karl 2015, Abb. 121–133, und Danzl/Herm/Huhn (Hg.) 2012, 105, Abb. 37 (jüngere Magdeburger Werkstatt). 28 Linke Haarlocke Rudolfs beim Polsteransatz: Laborbericht zu Probe 490/98 von Hubert Paschinger im Bundesdenkmalamt, Archiv der Abteilung für Konservierung und Restaurierung, Arsenal.
Die Figuren des „Stiftergrabes“ in St. Stephan
4. Gewänder: Hier entfaltet sich zu dieser Zeit die größte Pracht in der Wiedergabe kostbarer Textilien (Samt, Seide, Brokate) mit symbolischen (z. B. Purpurrot) oder heraldischen Farben und auch entsprechenden Schmuckmotiven (z. B. Adler) und modischen Mustern, wie sie in unverbrauchter Farbfrische vor allem die Buchmalereien der Zeit zeigen. Über die bildhauerische Formgebung hinaus verwirklichte die vom Fassmaler realitätsnah gestaltete Farbfassung der Figuren des Herzogspaares deren Selbstbild für die intendierte ewige Präsenz ihrer Memoria. Ihre Bedeutung und Funktionalität für das Selbstverständnis und die Repräsentation ihrer ursprünglichen Erscheinung können aber nur mehr nach den wenigen besser erhaltenen Vergleichsbeispielen erahnt werden.29 Wie lange diese prunkvolle Erstfassung sichtbar war, bleibt eine offene Frage. Doch kann ich mir – im Unterschied zu Friedrich Dahm – schwer vorstellen, dass schon 1493 bei der Versetzung des Kenotaphs nur um wenige Meter im Bereich des Hauptchores angesichts der goldglänzenden und farbigen Retabel des Hochaltars und anderer gotischer Altäre vor dem Hintergrund der zweiten Raumfarbe in Mittelgrau mit schwarz-weißen Fugen an die Stelle der realistisch-repräsentativen Schmuckfassung des Stifterpaares eine auf rotbraune Steinfarbe abstrahierte monochrome Zweitfassung getreten wäre. Angesichts der im Verhältnis zum Stiftergrab hypertrophen Grabmalplanungen des neuen Kaisers Maximilian I. für seinen Vater Friedrich III. und sich selbst würde dies einer damnatio memoriae ihres verdienstvollen Ahnherrn nahekommen.
3. Europäische Vergleichsbeispiele Zuletzt mögen einige Hinweise auf besser erhaltene Grabmalpolychromien zur Verdeutlichung der Verluste bei den Bildwerken in St. Stephan genügen. In England blieb die Tradition der Erhaltung und Fortsetzung der Bemalung kirchlicher Grabmäler und Skulpturen zum Teil bis in unsere Zeit lebendig – oft im Gegensatz zur zerstörerischen Freilegung der zugehörigen Architekturoberflächen. Die Farbenblindheit des 19. Jahrhunderts war hier offenbar weniger tiefgreifend als in Mitteleuropa. Seit den 1970er-Jahren erforschen engagierte Restauratorinnen und Restauratoren wichtige Werke auch unter Einbeziehung der reichen Archivquellen, wie es z. B. Anne Hulbert und andere für die polychromen Schlusssteine in der Kathedrale von Exeter30 aber auch für Grabmale getan haben.31 Im Laufe des 13. Jahrhunderts wird bei den nunmehr häufig noch zu Lebzeiten beauftragten Grabmälern die Porträtähnlichkeit als sepulchrum similiter sibi bedeutsam.32 Dazu gehören auch Schmuckapplikationen in der Art von Edelsteinen für Kronen, wie sie etwa die Grabfigur Kaiser Rudolfs I. im Dom zu Speyer zeigt. Lei29 Aktuellen Überblick zur mittelalterlichen Fassung von Steinbildwerken und neue Untersuchungs- und Restaurierergebnisse der Abteilung für Konservierung des Bundesdenkmalamtes bietet Koller 2016. 30 Hulbert 1998; auf eigener Webseite frei zugänglich: http://hds.essex.ac.uk/exetercath/ (Zugriff am 12. Juni 2021). 31 Broderick/Darrah 1986; Müller-Jonak 2010, Kat. 86, Abb. 120. 32 Flor 1988, 91.
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der fehlt auch hier die Fassung.33 Die mit eindrucksvoller Rüstung und Schild präsente Grabfigur von Graf Wiprecht von Groitzsch († 1124) in St. Lorenz zu Pegau bei Leipzig, ebenfalls vom Ende des 13. Jahrhunderts, hat auch ihre Farbfassung verloren. Sie zeigt jedoch umfangreiche Applikationen von weißen, gelben und blauen geschliffenen Steinen (oder Glasimitationen), auch auf dem umlaufenden Rand der Liegeplatte, wobei deren Originalität und Applikationstechnik genaue Prüfung verdiente.34 Einen wohl einzigartigen Glücksfall bezüglich Erhaltung und Restaurierung stellt die Holzfigur des Stiftergrabes von Pfalzgraf Heinrich II. von Sayn († 1095) aus dem späten 13. Jahrhundert in der Benediktinerabtei von Maria Laach bei Koblenz dar. Das Hochgrab steht noch immer unter einem zeitgleichen mächtigen Steinbaldachin. Es wurde mit diesem aber 1695 von seinem ersten Platz im Mittelchor in die Westapsis versetzt. Bei der Restaurierung der Figurenplatte 1989 konnte Eike Oellermann eine vollständige Übermalung abnehmen und die weitgehend erhaltene erste Farbfassung freilegen. Er beschreibt auch den Aufbau der Bildhauerarbeit (Nussholz, mit Grundplatte 250 x 75 cm) sowie deren Fassung im Katalog der dazu 1992 in Nürnberg gezeigten Ausstellung, die unter der wissenschaftlichen Leitung von Rainer Kahsnitz stand.35 Nur die Füße mit den Tieren und das Kirchenmodell (30 cm hoch) sind extra angesetzt. Die posthume Darstellung zeigt den Stifter ganz im modischen Gewand der Entstehungszeit (Abb. 9 und Abb. 10).36 Die Bemalung von Hut und Mantelfutter stellt Hermelinpelz dar. Von den beiden Kopfkissen mit Goldschnüren und -borten in grüner und roter Seide (?) zeigt das rote große Kissen Kreismuster mit achtblättrigen Blüten. Ebensolche Seidenstoffe sind als Vorbilder für den einfarbig zinnoberroten Mantel und das weiße Unterkleid mit seinem großen goldenen Kreismusterrapport mit einem Turmmotiv und roten Konturen anzunehmen. Der punzierte Goldsaum am Ausschnitt des Kleides ist mit grün und rot gemalten ovalen Edelsteinmotiven und einem vergoldeten Wappenschild besetzt. Der Haltegurt des Mantels, die Randsäume des Kleides, die Spannbänder und Säume der schwarz-gold gemusterten Schuhe (aus Seide?) zeigen punzierte Mattvergoldung mit plastischem Rosettenbesatz in zwei alternierenden Größen. Das Kleidfutter (wohl ebenfalls aus Seide) ist rautenförmig in Rot-Rot gemustert und wechselt mit Füllungen aus Mäandermotiven. Die beiden Sockeltiere Greif und Löwe sind vergoldet und versilbert und außerdem ausdrucksstark bemalt. Die farbige Repräsentation dieser Holzfigur des späten 13. Jahrhunderts kann jetzt auch mit den nur wenig früheren Steinfassungen der Stifterfiguren im Westchor des Naumburger Domes verglichen werden, nachdem die jüngsten Untersuchungen im Rahmen des Naumburg Kollegs die Erstfassung von der 1518 erfolgten Zweitfassung genau unterschieden haben.37 Die gewollte stoffliche Charakteristik und deren imitative Ausführung wurden schon bei der Wahl der Grundierungstechniken berücksichtigt. Die bunten Gewänder sind hier großflächiger und stark-
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33 34 35 36 37
Körner 1997, 128, Abb. 97. Kahsnitz 1992, 52, Abb. 34. Oellermann 1992, 141–181; dazu vgl. Niehr 1993. Kahsnitz 1992, 181–185, geht auf die „modische Erscheinung“ näher ein. Karl 2015, 185–245 (Zweitfassung von 1518).
Die Figuren des „Stiftergrabes“ in St. Stephan
Abb. 9: Maria Laach, Rheinland, Abteikirche, Detail der Stiftergrabfigur Heinrich II. von Sayn. Abb. 10: Maria Laach, Rheinland, Abteikirche, Stiftergrabfigur Heinrich II. von Sayn, Ausschnitt, Hüftpartie, Originalfassung nach Freilegung.
farbig, weniger kleinteilig gemustert, aber hinsichtlich der Waffen und Schilde mit Inschriften, bei den Kronen, beim Schmuck und sonstigen Attributen sind sie realistisch differenziert. So sind z. B. ornamentale Bemalungen der Buchschnitte, der Tasselbänder oder der Kopfbedeckungen erkennbar.38 Hier und auch bei den Farbfassungen des Naumburger Westlettners zeigte sich, dass bisher erst für die Spätgotik reklamierte Fassungstechniken wie etwa die Lüstrierung mit allen ihren Spielarten schon in der Fassmalerei auf Steinskulpturen des 13. Jahrhunderts wesentlich zur farbigen Präsenz der Stifterdarstellungen im Kirchenraum beigetragen haben.39
38 Karl 2015, Farbabbildungen, 172–200. 39 Freysoldt 2015.
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Johann Nimmrichter
Farbgebungen am Bischofstor und Vergleiche mit zeitnahen Fassungsbeständen am Wiener Stephansdom sowie weitere Beobachtungen an den Steinoberflächen des gotischen Portals
1. Einleitung und Darstellungen Das Bischofstor gehört aufgrund seiner skulpturalen Ausstattung und inhaltlichen Aussagen zu den wichtigsten gotischen Portalanlagen Österreichs. Neben der kunsthistorischen Auseinandersetzung mit den Fassungsbeständen des Bischofs tores wurden 2015/16 seitens der Abteilung für Konservierung und Restaurierung des Bundesdenkmalamtes auch Beobachtungen zur Gesteinssubstanz und seinen Oberflächen, seinen Erhaltungszuständen, Bearbeitungsspuren und Zeitspuren untersucht und dokumentiert (Abb. 1). Das reich profilierte spitzbogige Trichterportal ist mit 16 jeweils aus einem Werkstein herausgearbeiteten Nischenfiguren ausgestattet, welche in reich dekorierte Nischenbaldachine eingestellt sind. In teilweiser Anlehnung an Hanns Tietze können die Skulpturendarstellungen wie folgt bezeichnet werden, wobei die Abfolge im Uhrzeigersinn erfolgt.1 - Äußere Baldachinfiguren: Maria Verkündigung und Verkündigungsengel. - Äußerer Portalbogen: Schildträger des Herzogs Rudolf von Habsburg, darüber hl. Agnes, darüber hl. Dorothea, darüber weibliche Heilige (evtl. hl. Magda lena oder hl. Marina), im Scheitel eine Engelbüste, die Teil des dahinter liegenden Werksteins ist, daneben weibliche Heilige (evtl. hl. Elisabeth), darunter weibliche Heilige (evtl. hl. Walpurgis), darunter weibliche Heilige (evtl. Concordia oder Theodora), darunter Schildträger der Herzogin Katharina von Habsburg. - Innerer Portalbogen: Herzog Rudolf von Habsburg, darüber hl. Juliana, darüber hl. Katharina, im Scheitel Engelbüste, daneben weibliche Heilige (evtl. hl. Margarethe oder hl. Euphemia), darunter hl. Barbara, darunter Herzogin Katharina von Habsburg. Die mitunter herangezogene Beschreibung des Herzogspaares als Herzog Albrecht III. und seine Gemahlin, Herzogin Elisabeth, ist wohl nicht zutreffend. Die beiden im Scheitelbogen befindlichen Engelbüsten sind zusammen mit den Werksteinen herausgemeißelt.
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Tietze 1931, 138–147.
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Johann Nimmrichter
Abb. 1: Wien, St. Stephan, Tympanon des Bischofstores während fotografischer Erfassung durch das Bundesdenkmalamt Wien.
Das aus drei Steinblöcken gehauene Tympanon gliedert sich in zwei Figurenreliefs, welche durch eine Maßwerkzone voneinander horizontal getrennt sind. Das obere stellt die Marienkrönung dar, das darunterliegende eine Marientodszene, welche an der Unterkante mit einem Rankenornament abschließt. Die äußersten Profilbögen sind mit Blattornamentik verziert. Die Figuren des Herzogspaares mit ihren Schildträgern sind an ihren Seiten zu den Nischen hin eingemörtelt. Die beiden Konsolengel im Durchgangsbereich bilden mit dem jeweils dahinterliegen Werkstein einen Monolithen. Die Größendimensionen der Werksteine an der Portalanlage variieren stark.2 Am östlichen Türpfeiler ist der sogenannte Kolomanistein in Greifhöhe eingebaut. Die Übergänge zum jüngeren Vorbau weisen im Vergleich zum Singertor keine gröberen formalen Brüche auf. Die Grafik zeigt die Umrisse der skulpturalen Darstellung, verzeichnet aufgefundene Steinmetz- und Passzeichen und beschreibt grob den Zustand der Portalanlage (Abb. 2).3
2 250
3
Vgl. dazu die Beiträge von Katharina Arnold, Stephan Albrecht, Stephan Breitling und Ruth Tenschert in diesen Band. Grafik: Johannes Jacob und Johann Nimmrichter auf photogrammetrischer Planausarbeitung von Josef Linsinger.
Farbgebungen am Bischofstor
Abb. 2: Wien, St. Stephan, Bischofstor, Umrisse der skulpturalen Darstellungen, Steinmetz- und Passzeichen sowie grobe Zustandsbeschreibung. 251
Johann Nimmrichter
2. Historisch Relevantes und Beachtenswertes zur Restaurierungsgeschichte Die Figuren des Herzogspaares samt Schildträgern sind zu den Nischenrändern hin angeputzt. Es lässt sich daraus ableiten, dass die Nischen mit ihren Rahmen bereits vor den Skulpturen fertiggestellt waren. Als dann die Skulpturen in die Nischen eingestellt werden sollten, waren die Nischen zu schmal. Erst durch eine partielle Abarbeitung der Nische konnte genügend Platz für die Skulpturen geschaffen werden. Aufgrund der wohl höheren Wertigkeit der Figuren wurden diese nicht bildhauerisch rückgearbeitet.4 Im Gegensatz dazu wurden bei den Skulpturen der Verkündigungsgruppe, Maria und Verkündigungsengel, die ganz außen links und rechts des Portals, in den dortigen Nischen eingestellt sind, die Figurenrückseiten massiv abgearbeitet, um in die Nische zu passen. Also gerade umgekehrt. Handelt es sich dabei um einen Hinweis auf eine spätere Zutat?5 Es können für diese Phase keine Auswechslungen nachgewiesen werden, da sämtliche ältere Vierungen in ursprünglichem Auer Kalksandstein ausgeführt sind, und nicht aus dem, für den Wiener Raum im 16. Jahrhundert üblichen Breitenbrunner Kalksandstein herausgearbeitet wurden. Da bis auf die Figur der Herzogin und die beiden Schildträger alle Skulpturen aufgrund der Maßnahmensetzungen des späten 19. Jahrhunderts bzw. im Jahr 1996 (Herzogsfigur) – möglicherweise vielleicht auch schon um 1500 –, zumindest bereits einmal ausgebaut waren, sind bei allen anderen eingestellten Skulpturen keine ursprünglichen Versetzungsmörtel bzw. Anböschmörtel mehr erhalten. Lediglich einige Eisenhaken mit ihren Verhängungen können noch als ursprünglich erachtet werden. Aufgrund der teilweise nicht plan aufsitzenden Figurenplinthen kann auch von einer teilweisen Umversetzung der Skulpturen ausgegangen werden. Es hat zudem den Anschein, dass es breite Putzfugen zwischen den Unterseiten der Figurenplinthen und den Standflächen in den Nischen gegeben hat, da mehrere Figuren im heutigen Zustand leicht nach vor kippen. Ihnen fehlt an der Plintheunterseite die ursprüngliche Erhöhung durch den Mörtel. Im Zuge des Anbaues der Vorhalle, zwischen 1502 und 1511, kam es zu einer ersten größeren Portalrestaurierung, welche nach Abnahme einer ursprünglichen Farbfassung mit einer Aufbringung zweier monochromer Fassungen (Ockergelb und Hellgrau) abgeschlossen worden ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach waren diese Monochromien doch punktuell mit zusätzlicher Polychromie akzentuiert. Hier bietet sich die rekonstruierte Polychromie am Hauptportal des Berner Münsters zum Vergleich an (Abb. 15). Die Erstfassung war, so wie in Folge die Steinoberfläche, nahezu 150 Jahre einer Außenverwitterung ausgesetzt, sodass von einem reduzierten Zustand der Oberflächen auszugehen ist. In Verbindung mit dem Anbau steht vermutlich auch die erste Abarbeitung der Steinoberflächen. Auch die Wand4
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Die gleiche Vorgangsweise konnte auch am Singertor bei der Herzogsfigur samt Wappenträger beobachtet werden, da diese Anfang des 21. Jahrhunderts ausgebaut worden waren. Die Abarbeitungsspuren sind im Restaurierbericht dokumentiert. Die Restaurierung wurde durch Gertraud Zowa im Bundesdenkmalamt, Abteilung für Konservierung und Restaurierung, Arsenal durchgeführt. Friedrich Dahm vertritt die Meinung, dass die beiden Figuren vom ehemaligen Lettner stammen könnten und erst später, vielleicht um 1500, eingebaut worden sind.
Farbgebungen am Bischofstor
Abb. 3: Wien, St. Stephan, Bischofstor, unsensibel abgearbeitete Oberflächen beim Bart von Herzog Rudolf IV.
malerei am inneren Vorbau am östlichen Strebepfeiler ist in dieser Zeit entstanden, da sie durch Markus Santner und Jörg Riedel eindeutig als Umrahmungsmalerei des knapp nach 1500 entstandenen polychromen Rechweinepitaphs befundet ist.6 Eine darauf liegende dünnlagig ausgeführte Graufassung mit viel Kohlenschwarz7 bzw. Kienruß kann als barocke Intervention angesehen werden (Abb. 14). Schon 1847 gab es eine erste fotografische Erfassung des äußeren Bischofstores durch Andreas Groll.8 Mitte des 19. Jahrhunderts kam es zur Entfernung der Graufassungen durch Knaben unter Dombaumeister Leopold Ernst. Dies wurde aber vom „Konservator für Wien“, Albert Camesina eingestellt.9 Camesina tadelte, „dass man Knaben dazu verwendet, um die von allen Kunstkennern und Archäologen bewunderten Skulpturen, sowohl Ornament als Figuren und Basisreliefs, abzukratzen“. Die unsensibel abgearbeiteten Oberflächen beim Bart Herzog Rudolfs lassen sich dokumentieren (Abb. 3), gleich wie der stark überarbeitete Oberkörper der Herzogin (Abb. 6). Ebenso sind beim westlichen Übergang zum Portalvorbau Formverluste durch eine ungeeignete Überarbeitung zu erkennen (Abb. 4).
Nimmrichter/Linke/Zowa/Donaubauer 2016, 393; Jörg Riedl/Markus Santner, unveröffentlichter Restaurierbericht zur Wandmalerei im Bischofstorvorbau von 2018, Bundesdenkmalamt, Archiv der Abteilung für Konservierung und Restaurierung, Arsenal. 7 Robert Linke, Laborbericht des BDA, GZ BDA-00297.0bj/0021-WIEN/2015, 25/16 Nr. 5b, Bundesdenkmalamt, Archiv der Abteilung für Konservierung und Restaurierung, Arsenal. 8 Faber 2016, 49. 9 Tietze 1931, 70. Vergleiche dazu den Beitrag von Ruth Tenschert in diesem Band.
Abb. 4: Wien, St. Stephan, Bischofstor, Formverluste durch ungeeignete Überarbeitungen beim westlichen Übergang von Portal zu Vorbau.
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Die Argumentation von Leopold Ernst, dass es sich bei den Tünchen um fingerdicke Lagen gehandelt habe, lässt sich durch unsere Beobachtungen so nicht nachvollziehen. An wenigen Details sind in Vertiefungen noch durchgängig erhaltene Farbschichten nachzuweisen. Insgesamt konnten hier 4–5 Lagen vom Mittelalter bis ca. 1857 befundet werden. Die bis 1857 angewachsenen, monochromen Graulagen weisen hier, mit allen darunterliegenden Fassungen eine maximale Dicke von ca. 3 mm auf. Es scheint, dass beim Bischofstor eine bewusst übertrieben beschriebene „Dicke“ der Monochromien, der Argumentation der „Steinfarbentfernung“ zusätzlich dienen sollte.10 Der von Leopold Ernst beauftragte Bildhauer Franz Schönthaler führte mit Mitarbeitern die Arbeiten am Portal durch. Die Gesamtkosten waren allerdings nicht hoch. Die Reinigung erfolgte daher dort, wo sie ausgeführt wurde, wohl flott und partiell rigoros. Einige wenige Portalelemente, wie die beiden Konsolengel der inneren Portallaibung, Details des Herzogspaares mit ihren Schildknappen sowie die äußeren ornamentierten Portalbögen, wurden nicht mit dieser formändernden stark substanzreduzierenden Selbstverständlichkeit von den „Tünchen“ befreit, sodass hier aussagekräftige Farbreste aufgefunden werden konnten. Bei nahezu allen anderen Gesteinsoberflächen des Bischofstores sind daher neben den Fassungsverlusten auch mehrere Millimeter Substanzverlust des Originalsteins zu beklagen. Letzteres führte auch zu einer Reduktion der Formendetails bzw. Formänderungen. Merkwürdig ist auch, wie schon oben erwähnt, dass die Herzogsfiguren mit ihren Schildknappen die einzigen Nischenfiguren sind, die damals nicht aus ihren Nischen für die Restaurierung herausgenommen worden sind. Wie viele der Steinausbesserungen in Naturstein dieser Reparaturphase zuzuschreiben sind, kann aufgrund der Ultraviolett-Aufnahmen, welche durch Ruth Tenschert und Kolleginnen und Kollegen der Universität Bamberg sowie unabhängig davon von Irene Dworak vom Bundesdenkmalamt erfolgten, einigermaßen zugeordnet werden, da diese Steinansetzungen nahezu rotviolett erscheinen (Abb. 5). Dabei wurden Vierungen bis zu einer Kleinstgröße von ca. 1 cm³ vorgenommen. Auf Ergänzungen aus Steinergänzungsmassen wurde bis auf zwei kleine Kunst steingüsse verzichtet. Ansonsten wurden Anfügungen bzw. Ausbesserungen in einer feinkörnigen Varietät des St. Margarethner Leithakalksteins geviert.11 Die somit neu geschaffenen Steinoberflächen des 19. Jahrhunderts wurden nicht mehr gefasst, sodass die Letztfassungen wohl der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert angehört haben12 oder noch älter waren.
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10 Kleindienst 1882–1886, 63. Bildhauer Franz Schönthaler und seine Mitarbeiter arbeiteten am Bischofstor. Jedoch war der Umfang eher gering, wie aus den Kosten hervorgeht. Auf die Frage hin „was war überhaupt zu machen?“, schreibt Neumann beruhend auf Berichten: „Es war das Innere der Halle mit ihrer sehr reichen und überaus zarten aber gut erhaltenen Decorierung [die nur geringer Ergänzungen bedurften] von der „Fingerdicken Tünche‘ zu befreien, um die mittelalterlichen Sculpturen in ihrer ursprünglichen Schönheit zur Anschauung zu bringen“. Vgl. hierzu auch den Beitrag von Ruth Tenschert in diesem Band. 11 Der optisch ähnlich wirkende französische Savonnières Kalkstein wurde vom späteren Dombaumeister Friedrich von Schmidt erst später für die Monumentalfiguren des Wiener Rathauses verwendet, welches im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts erbaut wurde. 12 Dieser Befund deckt sich zur Gänze mit der Befundlage im Singertor.
Farbgebungen am Bischofstor
Abb. 5: Wien, St. Stephan, Bischofstor, durch UltraviolettAufnahmen identifizierte Steinauswechslungen.
1896/97 erfolgte eine Restaurierung der Vorhalle des Bischofstors. Ob bei dieser Maßnahme auch Teile des figurativen Portals nachgereinigt worden sind, kann nicht bestätigt werden. Für die Nachkriegszeiten konnten keine Maßnahmen befundet werden, womit eigentlich belegt ist, dass das Bischofstor keine oder nur geringe Schäden im Zweiten Weltkrieg erlitten hat. Die erste photogrammetrische Erfassung des Bischofstores wurde 1992 durch die Firma Dipl. Ing. Josef Linsinger ermöglicht.13 Für eine Abformung und Ausstellung wurde 1996 die Herzogsfigur durch die Dombauhütte ausgebaut. Bei diesem Unterfangen wurden die ursprünglichen Mörtelmassen entfernt. Bei der Wiederversetzung wurden notwendige Ergänzungen zwischen Nischenfigur und Nische mit Kalkmörtelmasse angetragen. Leider wurden damals weder eine Befundung der Rückwand der Nische vorgenommen noch eine Fotodokumentation angelegt.14 Befunderhebungen des Bundesdenkmalamtes haben 2015 ergeben, dass von den mehrmals farbig gestalteten Oberflächen nur noch kleinste Reste erhalten sind. Natürliche Umwelteinflüsse, Kerzenruß, Gebrauchsspuren durch liturgische Verwendung, eine bauliche Umgestaltung sowie mehrere Reparatur- bzw. Ausbesserungsphasen haben dazu geführt, dass nur mehr eine sehr bedingte Lesbarkeit der Farbfassungen möglich ist. Neben einer ursprünglichen Fassung des 14. Jahrhunderts, welche nur an einigen winzigen Farbinseln nachgewiesen werden konnte, 13 Diese liegen im Planarchiv des Dombausekretariats von St. Stephan auf. 14 Die steinmetzmäßigen Abarbeitungen an der Nische, welche das Einstellen der Figur erst ermöglichten, können aber mit der im 20. Jahrhundert abgenommenen Herzogsfigur des Singertores verglichen und als ähnlich angesehen werden.
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können zumindest zwei Folgefassungen befundet werden. Die zweite Fassung lässt sich mittels Schichtenabfolgen und Querschliffen unmittelbar mit dem Anbau des Vorbaus kurz nach 1500 in Verbindung bringen und damit datieren. Bis in das 19. Jahrhundert erfolgten einige wenige Überfassungen sowohl des figuralen Bestands als auch der Werksteine, die letztlich aber weitgehend entfernt worden sind. Der stark reduzierte Fassungsbestand lässt heute die ursprüngliche Farbigkeit nicht mehr erkennen. Lediglich wenige kleine Farbinseln, die mit naturwissenschaftlichen Methoden analysiert werden können, weisen heute auf eine ehemalige Polychromie hin. Wie diese Farbigkeit jedoch tatsächlich im Detail ausgesehen hat, bleibt Spekulation.
3. Die Gesteine des Bischofstores Von wesentlicher Bedeutung ist natürlich die eindeutige Identifizierung und Zuordenbarkeit der verwendeten Gesteine. Diese kann aber erst nach einer Abnahme von Schmutzlagen erfolgen. Die Gesteinsoberflächen sind unterschiedlich stark verschmutzt. Teilweise sind die Staublagen bis zu einigen Millimetern dick, obwohl zuvor für Vermessungszwecke, welche durch die Universität Bamberg durchgeführt worden sind15, schon die gröbsten Staublagen durch die Dombauhütte abgenommen worden waren. Es zeigt sich vielerorts darunter auch eine besser haftende Schmutzlage und dies nicht nur in waagrechten Flächenbereichen. Gipsanreicherungen sind nicht nur in den Fassungsresten anzutreffen, sondern zeigen sich auch in der Gesteinssubstanz nahe der Oberfläche. Der Vergipsungsgrad an den abgearbeiteten Gesteinsoberflächen erweist sich natürlich als wesentlich geringer, als es bei den wenigen, noch dem 14. Jahrhundert entstammenden Altoberflächen der Fall ist. Dünne Gipskrusten lassen sich an den oberen äußeren Portalprofilen, welche mit den Blattornamenten verziert sind, erkennen. Das Gestein zeigt in geringem Ausmaß die für den Kalksandstein üblichen Schadensbilder wie Absandungen, Abplatzungen, Schalenbildungen, Rissbildungen und Fehlstellen. Großteils sind diese aufgrund von Verwitterungseinwirkungen, ungünstigem Raumklima und Benutzung (z. B. Kerzenruß) entstanden. Es ist zu vermerken, dass 150 Jahre Außenverwitterung dem Gestein wohl etwas mehr zugesetzt haben als die 500 Jahre danach, in denen das Portal durch eine Vorhalle geschützt war. Es können für die meisten Oberflächen die Folgen massiver mechanischer Einwirkungen abgelesen werden. Die meisten formalen Verluste oder besser gesagt „Oberflächenumformungen“ gehen auf die Überarbeitungen durch Menschenhand zurück (Spitzeisen, Flacheisen, Zahneisen, Steinhobel, Raspel, Schleifpapier, Steinkratzer etc.) Als Beispiel möge der stark überarbeitete Oberkörper der Herzogin dienen (Abb. 6). Diese Überarbeitungen waren nicht nur wegen der Schäden am Stein begründet, sondern fanden auch aufgrund der damals modern gewordenen Sehgewohnheit, welche der Steinsichtigkeit huldigte, statt. Es wurden daher die angewitterten mittelalterlichen Oberflächen mit den damit zusammenhängenden Fassungslagen zugunsten der Materialsichtigkeit weitgehend entfernt. In der Sockelzone können
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15 Stephan Albrecht, Stefan Breitling, Ruth Tenschert, Katharina Arnold u. a. von der Otto-Friedrich-Universität Bamberg.
Farbgebungen am Bischofstor
Abb. 7: Dünnschliff des Auer Kalksandsteines.
Abb. 6: Wien, St. Stephan, Bischofstor, stark überarbeiteter Oberkörper der Herzogin Katharina.
Schadsalze als zusätzliche Schadensursache nachgewiesen werden. Gröbere Vergipsungen lassen sich noch an jenen Oberflächenbereichen erkennen, die nicht durch die radikalen Abarbeitungen (um 1500 und 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts) reduziert worden sind. Die Gesteinsunterscheidung lässt sich durch gesteinsspezifische Oberflächenerscheinung leicht durchführen. Mit UV-Licht kann dies noch zusätzlich bestätigt werden, da die neu angesetzten Steinteile im Gegensatz zum Altbestand im UV-Licht wesentlich anders fluoreszieren. Es zeigen sich aber auch an manchen St. Margarethner Ersatzsteinen bereits geringe Gesteinsschäden (Vergipsung, Absandung). Wie das Singertor und die meisten im Umfeld von Wien gehauenen Bildhauerarbeiten dieser Zeit ist auch das Bischofstor aus Auer Kalksandstein gehauen (Abb. 7).16 Der Auer Kalksandstein gehört zu den Leithakalken. Er war zwischen ca. 1310 und 1500 das beliebteste Bildhauergestein Ostösterreichs.17 Der Auer Kalksandstein
16 Zum Vergleich seien einige zeitgleiche Bildhauerarbeiten aus Auer Kalksandstein angeführt. Die jeweilige Gesteinsbestimmung erfolgte durch mich bzw. durfte ich auf Expertisen von Dr. A. Rohatsch zurückgreifen. Sämtliche originalen Wasserspeyer, Konsolfiguren, Maßwerkfenster und Krabben und figurativen Elemente der Choranlage vom Stephansdom, Neithardtfigur und Neithardtrelief, Herzogspaar auf der Grabplatte des Rudolfsgrabes, die originalen gotischen Pfeilerfiguren in der Eligiuskapelle, der Ölberg in der Michaelskapelle, die Rundfenster der Westfassade des Domes, die Salesianermadonna vom Salesianerkloster in Wien, der Figurenbestand der Westportale der Michaelerkirche in Wien, die große Fensterrosette an der Westfassade des Münsters von Neuberg an der Mürz in der Steiermark, alle figurativen Kapitelle sowie das Tympanonrelief im Kreuzgang des ehemaligen Stiftes Neuberg an der Mürz und viele andere Steinobjekte. 17 Jacob/Linke/Nimmrichter 2016, 353–363.
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der im 19. und 20. Jahrhundert in Verwendung war, hatte nicht mehr die Qualität, wie sie die gotische Varietät noch aufwies. Auch die wenigen ursprünglichen Steinvierungen beim Herzogspaar (Plinthen) und den Schildträgern sind aus demselben Material gefertigt.18 Aufgrund von Farbinseln, welche auf den letzten originalen Steinoberflächen aufliegen, sind für einige wenige Auer Kalksandsteinoberflächen die einzigen monochromen und teilpolychromen historischen Fassungsbestände belegt. Bei den Restaurierungsarbeiten von 1857 erfolgten Auswechslungen durch St. Margarethner Kalksandstein. Obwohl es sich bei der hier verwendeten Varietät um einen relativ feinen Margarethner handelt, ist seine Korngröße wesentlich gröber als die des Auer Kalksandsteines. Im Gegensatz zu den Auer Kalksandsteinoberflächen, waren die des St. Margarethners am Bischofstor weder monochrom noch polychrom gefasst. Die Steinvierungen sind, soweit einsehbar, in Befundpläne eingezeichnet und archiviert.19 Die wichtigsten Charakteristika und physikalischen Eigenschaften des St. Margarethener Kalksandsteines können bei Andreas Rohatsch nachgelesen werden.20
4. Werkzeugspuren, Steinmetzzeichen und eingravierte Initialen sowie Steinmetzzeichen Es können mehrere Steinmetzzeichen dokumentiert werden. Hauptsächlich sind diese noch hinter den Figuren in den Nischen erhalten (Abb. 2). Das Steinmetzzeichen, welches hinter einer weiblichen Heiligen (hl. Walpurgis) in der dazugehörigen Nische eingemeißelt ist, kann als bauhistorisch bedeutend eingestuft werden (Abb. 8), da es sich an der Südwand des Langhauses des Stephansdomes in der Nähe des Turmes in ca. 15 Meter Höhe wiederfindet.21 Dieses Steinmetzzeichen kann daher als ein Indiz angeführt werden, dass das südliche Langhaus gleichzeitig mit dem Bischofstor errichtet wurde. Die anderen 14 aufgenommenen Gravuren
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18 Rohatsch 2008, 77–91; Rohatsch 2005, 47. Wichtigste Charakteristika und physikalische Eigenschaften des Auer Kalksandsteines nach Andreas Rohatsch: Im Dünnschliff sind vorwiegend Kalkrotalgenbruchstücke und Foraminiferen zu beobachten, die aus Leithakalksandstein des Badenium umgelagert wurden. Die Korngröße liegt bei 2 mm, die Sortierung ist gut. Die einzelnen Partikel werden von feinkörnigem Kalkzement umgeben. Die Echinodermenreste weisen oft syntaxialen Rindenzement auf. Weitere Komponenten sind Bivalvenbruchstücke, Fragmente von Bryozoenkolonien, Serpulidenröhren und Ostrakoden. An siliziklastischem Detritus sind Quarz, Muskovit und Plagioglas mit polysynthetischen Zwillinglamellen zu beobachten. Es finden sich relativ häufig planktonische Foraminiferen. Fazies: Wenig bewegter Flachwasserbereich (Algen-Foraminiferen-Kalksandstein) Kennwerte: durchschnittliche Rohdichte:1,83 g/cm³; durchschnittliche Würfeldruckfestigkeit: trocken: 11 N/mm², wassersatt: 10 N/mm², durchschnittliche Wasseraufnahme: 17,0M. %, Ultraschallgeschwindigkeit: 2,6 km/s (2,3–2,8). 19 Johann Nimmrichter / Johannes Jacob, Bericht zu Befundung und Probearbeit am Bischofsportal 2015/16, Bundesdenkmalamt, Archiv der Abteilung für Konservierung und Restaurierung, Arsenal. 20 Rohatsch 2005, 9. 21 Beim Fachkolloquium zur Herzogswerkstätte beim Stephansdom in Wien 2015 konnten Norbert Nußbaum, Dombaubildhauer Philipp Stastny und Katharina Arnold am Gerüst diesen Sachverhalt feststellen.
Farbgebungen am Bischofstor
Abb. 8: Wien, St. Stephan, Bischofstor, Steinmetzzeichen hinter der Skulptur der hl. Walpurgis.
stellen sowohl Steinmetzzeichen, Versetzzeichen als auch Abkürzungen für Initialen dar.22 Bei den Initialen handelt es sich um: IR (Hintergrund bei Marientodrelief ), AR (Steg hinter zentraler Relieffigur beim Marientod), JD 1340 (Helm beim Schild träger Rudolfs), FB (Helm beim Schildträger Katharinas). Lediglich ein Steinmetzzeichen an der Außenseite der Langhaus Nordwand westlich vom Bischofstor ist bei Alois Kieslingers Steinmetzzeichensammlung in „Die Steine von St. Stefan“ aufgelistet (Nr. 122, 168). Leider deckt sich kein Steinmetzzeichen mit jenen, welche am Singertor aufgefunden worden sind.
5. Historische Oberflächenbehandlungen Lediglich an den Nischen hinter den Figuren lassen sich in unterschiedlichem Umfang ursprüngliche Werkzeugspuren erkennen. Bei den dabei verwendeten Werkzeugen handelt es sich sowohl um die „gezahnte“ Fläche als auch um die „flache“ „Steinaxt“ (Fläche). Mitunter kamen aber auch dafür Zahn- und Flacheisen zum Einsatz. Bei kleinsten Oberflächenbereichen, wo noch ältere Fassungsreste bestehen, lassen sich darunter als Feinbehandlung Flacheisenspuren, Spuren eines V-Schnitzeisens wie auch Schleifspuren erkennen. In den Nischen sind zudem noch Wolfslöcher (= Hebelöcher) erhalten. Zudem sind auch noch ursprüngliche Verhängungen vorhanden (Abb. 9). Abbildung 9 zeigt eine der ursprünglichen Ver-
Abb. 9: Wien, St. Stephan, Bischofstor, ursprüngliche Verhängung in Nische mit alten Werkspuren und Ausarbeitung für die Figur.
22 Sämtliche Zeichen sind in Abb. 2 angeführt. Genauere Inhalte siehe Abbildungen in den Akten bzgl. des Bischofsportals 2015/16, Bundesdenkmalamt, Archiv der Abteilung für Konservierung und Restaurierung, Arsenal.
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hängungen in den Nischen, dabei sind auch originale Werkspuren und Ausarbeitungen der Nische für die Skulptur zu sehen.
6. Spätere mechanische Überformungen Nahezu alle anderen Oberflächenbereiche sind von massiven Abarbeitungen gekennzeichnet. Diese Substanzverluste erfolgten wohl während der zwei großen Bearbeitungen kurz nach 1500 und vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ob der mit Bleistift am Hintergrund des unteren Reliefs geschriebene Name samt Datum, Sterno Koloman 1877, mit einer Restaurierungskampagne in Verbindung steht, kann nicht beurteilt werden. Dabei kamen Schnitzwerkzeuge, Kratzer, Steinhobeln, Flacheisen etc. zum Einsatz. Eine Laugen- bzw. Säurereinigung konnte nicht nachgewiesen werden. Durch eine „beherzte“ Entfernung der Fassungen wurden großteils nicht nur die Farblagen abgetragen, sondern es wurden dadurch auch feine Formen verwaschen, zerstört oder verändert. Steinvierungen, formale Steinergänzungen sowie wenige Mörtelantragungen (vor allem im 19. Jahrhundert) wurden mit den gleichen Steinmetzwerkzeugen an die überarbeiteten Originaloberflächen angearbeitet (Abb. 10). In dieser Abbildung sehen wir kleine Steinvierungen (Blattdetails). Bei den Ergänzungen des 19. Jahrhunderts fehlen die Fassungen, ansonsten sind Fassungen sichtbar. Bis auf wenige Ausnahmen (z. B. Blattornamente der äußeren Profile) wurden sämtliche Details wie z. B. Gesichter, Hände, Muster dadurch verfremdet und entstellt. Von der ursprünglichen gotischen Oberfläche ist nur mehr wenig erhalten.
Abb. 10: Wien, St. Stephan, Bischofstor, Vierungen des 19. Jahrhunderts (Blattteil), am Originalstein mit Farbresten.
7. Fugenmörtel und spätere Ergänzungsmörtel
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Ein ursprünglicher Mörtel liegt nur als Fugenmörtel vor. Es handelt sich dabei um einen Kalkmörtel. Der Füllstoff weist eine Korngröße bis 4 mm auf. Auch die meisten Reparaturmörtel sind in Folge kalkgebunden, besitzen aber feinere Sieblinien der Füllstoffe. Für den historischen Mörtel, welcher den Anschluss zwischen der Katharinenfigur und Nische bildet, ist Dolomitkalkmörtel mit Silikatkörnung (300 μ Korngröße) belegt. Ergänzungsmörtel können zumeist als Anfügungsmörtel bei den Steinvierungen und anderen formalen Natursteinergänzungen nachgewiesen werden. Es können nur wenige Gipsantragungen bzw. Zementmörtelantragungen im unteren Bereich nachgewiesen werden. Diese Reparaturmörtel haben
Farbgebungen am Bischofstor
je nach Entstehungsdatum an ihren oberflächennahen Bereichen eine ähnliche Oberflächenüberformung aufzuweisen wie der Naturstein. Grundsätzlich sind zwei Nachverfugungssysteme festzustellen. In wenigen Fugenabschnitten fehlen diese, z. B. bei der mittigen Versetzfuge des oberen Reliefs. Der Beitrag von Ruth Tenschert und Rainer Drewello in diesem Band geht genauer auf weitere Mörtelanalysen und Schlussfolgerungen ein.23 Ein Detail eines Baldachins ist aus Kunststein (Gussmörtel, da Luftbläschen sichtbar) gegossen und versetzt worden. Bei kleineren Reparaturen, die zeitlich nicht eingestuft werden konnten, konnte auch Gips als Kittungsmaterial analysiert werden (z. B. Kittung beim äußersten westlichen Baldachin).
8. Fassungen Dort, wo Fassungsbestände noch aufliegen, weisen diese unterschiedliche Zustände auf. Letzte ursprüngliche Reste liegen meist als kompakt mit dem Untergrund verbundene kleine Farbinseln vor. Die Fassungsspuren von Folgefassungen pulvern mitunter oder schalen bzw. schuppen ab. Als Beispiel wären die beiden Konsolengel und der Helmaufsatz des westlichen Schildträgers anzuführen. Aufgrund visueller Erfassung der Farbschichten, welche zumeist nur mehr in spärlichen Resten vorhanden sind, konnte in Kombination mit zahlreichen Laborauswertungen und stratigrafischen Erfassungen der Fassungslagen eine wage Rekonstruktion einer ehemaligen Farbgebung versucht werden.24 Zuunterst ist in kleinsten Spuren eine weiße Kalkgrundierung vorhanden. Diese ist auf den mit Leinöl vorbehandelten Stein aufgebracht worden. Darüber liegt mehrmals belegt eine jetzt stark verschmutzte gelbliche Tünche (Gelbocker). Zu dieser Fassungs ebene gehört auch das einzige Zinnoberpigment, das im Mundwinkels Mariens (bei der Krönung) aufgefunden worden ist (Abb. 11).
Abb. 11: Wien, St. Stephan, Bischofstor, letzter Zinnoberrest der Erstfassung im Mundwinkel der knienden Maria im Tympanon.
Aber auch die ockergelbe Fassung zuunterst der Gewandränder der im Laufe der Geschichte nicht so gereinigten Figur des Herzogs kann als ursprünglich angesehen werden. Darüber liegt generell wieder eine weiße Grundierung, die eindeutig mit der Erstfassung der Vorhalle zusammenhängt (also kurz nach 1500). Darüber liegt partiell eine weitere zu dieser Grundierung zählende Gelb – und Graufassung. Diese Fassungssituation (von kurz nach 1500) kann auf den Steinteilen des Vor23 Vgl. dazu den Beitrag von Ruth Tenschert in diesem Band. 24 Robert Linke, Laborbericht BDA-00297.obj/0021-WIEN/2015; 22/16-49/16, Bundesdenkmalamt, Archiv der Abteilung für Konservierung und Restaurierung, Arsenal.
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Abb. 12: Wien, St. Stephan, Bischofstor, mikroskopische Querschliffaufnahme beim äußeren Portalbogen mit Blattornamentik, 2. Fassung auf nicht mehr vorhandener Erstfassung.
baus und den äußeren Profilen des Portals, die mit Blattornament verziert sind, dort als Erstfassung des Vorbaues nachgewiesen werden (Abb. 13). Innerhalb dieser floralen Profilierungsbögen liegt generell ein Hellgrau auf der weißen Tünche auf. Dass sich hier auch zusätzliche bunte/goldene Akzente für die Folgefassung befunden haben, ist für die Helme der Schildträger anzunehmen, da hier Rotocker, aber auch andere Rottöne in Spuren vorhanden sind (Abb. 14). Wie weit diese hier tatsächlich als Grundierungen für Vergoldungen gedient haben können, ist leider aufgrund der unzureichenden Befundsituation nicht anführbar.
Abb. 13: Wien, St. Stephan, Bischofstor, mikroskopische Querschliffaufnahme bei einer am Portal anschließenden Gewölberippe des Vorbaues mit ursprünglicher Fassung von ca. 1510.
Abb. 14: Wien, St. Stephan, Bischofstor, mikroskopische Querschliffaufnahme eines Fassungsrestes bei der Helmrückseite des Schildträgers der Herzogin Katharina.
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Abbildung 12 zeigt die mikroskopische Querschliffaufnahme beim äußeren Portalbogen mit Blattornamentik. Der Befund der Vorgängerfassung ist zerstört, darauf liegt die Folgefassung gleich wie bei Abbildung 13 ausgeführt. Zuunterst befindet sich eine helle Kalktünche aus Dolomitkalk mit vereinzelten Gipsinselbildungen. Darüber liegt ca. 30 μm stark intensives Gelb. Dabei handelt es sich um Gelbocker in Kalkbindung mit starker Vergipsung. Darüber lässt sich eine 200 μm hellgraue Kalktünche feststellen, die mit feinkörnigem Schwarzpigment eingetönt ist. An der
Farbgebungen am Bischofstor
Oberfläche findet sich vereinzelt eine starke Gipssinterbildung, welche nach Innen abnimmt. In Abbildung 13 sehen wir die mikroskopische Querschliffaufnahme bei einer am Portal anschließenden Gewölberippe des Vorbaues. Die hier beschriebene Erstfassung der Gewölberippe des Zubaus von ca. 1510 kann als Erstfassung des Vorbaues angesehen werden. Zuunterst liegt eine helle Kalktünche aus Dolomitkalk mit vereinzelter Gipsinselbildung. Darüber liegt 100 μm Gelbocker in Kalkbindung als intensives Gelb vor mit starker Vergipsung. Wieder darüber liegt eine ca. 200 μm hellgraue Kalktünche, die mit feinkörnigem Schwarzpigment abgetönt ist. Sie zeigt Gipsinselbildungen an der Oberfläche. Abbildung 14 stellt die mikroskopische Querschliffaufnahme eines Fassungsrestes bei der Helmrückseite des Schildträgers der Herzogin dar. Zuunterst liegen letzte Reste einer vollständig verwitterten Graufassung, die vor 1510 zu datieren ist! Darüber liegt eine 100 µm hellgelbliche Dolomitkalkschlämme mit etwas Gelbocker, die stark verwittert ist. Hier beobachten wir Bindemittelverlust und Gipsinselbildung. Weitere 100 µm stark ist die darüberliegende Dolomitkalkschlämme mit Kohlenschwarz. Auch hier weist die Fassungslage starke Verwitterung, Bindemittelverlust und Gipsinselbildung auf. Eine dunkelbraune 100 µm starke Fassungslage besteht aus grobkörnigem Kohlenschwarz, einem etwas feinkörnigen Rotocker sowie einem – nicht definierbaren – organischen Bindemittel.25 Diese Schicht wiederholt sich auch bei vielen weiteren Proben als Zeithorizont. Darüber liegen Reste einer Rotfassung mit Rotocker. Eine darüberliegende Vergoldung ist vorstellbar. Aufgrund mehrfach belegter rotbrauner Überfassungen kann wohl zwischen dem 16. und Ende 18. Jahrhunderts eine rotbraune Fassung angenommen werden, quasi als Rotmarmorimitation. Diese Beobachtung deckt sich mit mehreren Detailbefunden am Stephansdom.26 Es ist wahrscheinlich, dass das Portal erst ab der 2. Hälfte 19. Jahrhunderts steinsichtig geworden ist. Ursprünglich wurde nach der Fertigstellung des Bischofsportals die Steinoberfläche getüncht. Es ist nur eine dünne Staubschicht erkennbar. Die Architekturteile wurden danach mit dem gleichen Gelbton27, wie er auch für das Innere des Langhauses zum Einsatz kam, gefasst28. Wir können uns dazu weiße Fugenstriche vorstellen.29 Farbreste sind für Münder nachgewiesen.30 Es ist wahrscheinlich, dass es gemalte Inkarnate und Augen, wie an den Portalen des Regensburger Münsters, oder eine Teilpolychromie, wie am Portal des Berner Münsters, 25 Rainer Drewello und Ruth Tenschert geben im Detail Kasein als Bindemittel an. 26 Z. B. an den Schlusssteinen der Michaelskapelle oder an einer Folgefassung der Grab figuren des Rudolfsgrabes. 27 Dieser Gelbton ist am Dom für das 14. Jahrhundert für innen und außen belegt. Unveröffentlichter Bericht von Gerhard Seebach sowie unveröffentlichte Berichte von Erich Pummer über die Restaurierung der Chöre von St. Stephan. 28 Die Befundung eines Strebepfeilers wurde für Manfred Koller und die Dombauhütte ermöglicht, nachdem ein Altar für Restaurierungszwecke abgenommen worden war, bzw. konnte bereits Alois Kieslinger nach den Kriegsschäden diesbezügliche Beobachtungen festhalten; Kieslinger 1949. 29 Manfred Koller, Alois Kieslinger und die Dombauhütte konnten das jedenfalls für das Langhaus belegen. 30 Vgl. Singertor des Stephansdomes: Befundung durch Johann Nimmrichter und Manfred Koller 2001, Bundesdenkmalamt, Archiv der Abteilung für Konservierung und Restaurierung, Arsenal.
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Abb. 15: Bern, Münster, rechte Portallaibung des Hauptportals mit Kopien der Skulpturen des 20. Jahrhunderts und Fassungsrekonstruktion.
gegeben hat. Das bleibt aber letztendlich Spekulation. Abbildung 15 zeigt uns die rechte Portallaibung des Hauptportals des Berner Münsters mit Kopien und der Fassungsrekonstruktion. Danach erhielt das Portal, in Anlehnung an die auch im Inneren des Domes ins Grau wechselnde Wandfärbelung, großteils eine Graufassung, die nur in den äußeren Profilen mit einem neuerlichen Gelbockerauftrag von um 1500 konkurrierte. An der Innenseite des Vorbaues war an der Ostwand zu dieser Zeit auch ein großes Epitaph mit wunderbarer Umrahmungsmalerei als farblicher Akzent ausgeführt.31 Danach sind partiell rotbraune und hellgraue Tünchen belegt. Rotocker kam nur für wenige Details zum Einsatz, etwa für die Helme der Schildträger oder die Münder der Konsolengel im Türrahmen.32 Grundsätzlich ist nochmals zu bemerken, dass am Bischofstor nicht diese dicken Farbbeläge bestanden haben, wie sie in der Fachliteratur beschrieben sind.
9. Vorzusehende konservierende Maßnahmen Bezüglich des Reinigungshorizontes und einer authentischen alterswürdigen Gesamterscheinung steht eine generelle Fachdiskussion um das erforderliche Restaurierziel mit allen Beteiligten noch aus. Durch die Abteilung für Konservierung und Restaurierung des Bundesdenkmalamtes wurden während der Befundungskampagne 2015 an zwei Stellen Reinigungsmuster erstellt. Letzten Endes erwies sich eine Trockenreinigung, die in mehreren Schritten erfolgte, als ausreichend und zielfüh-
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31 Heute hängt das Epitaph Rechweins von um 1510 an der inneren Westwand des Domes nahe der Tirnakapelle. 32 Sämtliche Fassungsproben wurden durch Robert Linke am Naturwissenschaftlichen Labor des Bundesdenkmalamtes durchgeführt; Bundesdenkmalamt, Archiv der Abteilung für Konservierung und Restaurierung, Arsenal.
Farbgebungen am Bischofstor
rend, da eine „Überreinigung“ von allen Beteiligten aus denkmalpflegerischer Sicht nicht gewünscht wurde.33 Diese Restaurierzielüberlegung unterscheidet sich ein wenig von der, die noch 15 Jahre zuvor, für das Singertor diskutiert worden ist.34 Damals wurden die Reinigungsmuster heller angelegt (Mischung zwischen Nass- und Trockenreinigung). Ein weiteres Reinigungsmuster wurde bei Profilierung beim östlichen Schildträger hergestellt. Die vom Bundesdenkmalamt durchgeführte Befundung erfolgte parallel zu den wissenschaftlichen Erfassungen eines Teams der Universität Bamberg (Stefan Breitling, Stefan Albrecht, Rainer Drewello, u. v. a.) und erfuhr in einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit Dombauhütte und Dombaumeisteramt sowie Universität Wien eine gesteigerte Interaktion.
10. Vergleiche mit anderen zeitgleichen Portalanlagen im ostösterreichischen Raum Neben dem Bischofstor wurde in den vergangenen Jahren auch das gegenüberliegende und zeitgleich errichtete Singertor einer eingehenden Fassungsbefundung unterzogen. Bei diesem war neben der Reliefdarstellung auch die gesamte umgebende Architekturhaut farbig gestaltet.35 Spuren von Farbfassungen lassen sich beim Stephansdom auch auf den Werksteinen den Rippengewölben und der Gewölbesegel bei der ebenfalls aus der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts stammenden Eligiuskapelle und der darüberliegenden Michaelskapelle, auch Bartholomäuskapelle genannt, nachweisen.36 An der Außenhaut des Albertinischen Chores sind gelbe Ersttünchungen der Maßwerkfenster nachgewiesen.37 Rote Farbreste konnten dort am Südchor in zwei Mundwinkeln der mittelalterlichen Konsolfiguren unterhalb der Wasserspeier analysiert werden.38 Für die Tumbafigur des „Neidhart“, an der Südseite des Domes, kann aufgrund vieler Farbanalysen eine nahezu komplette farbige Oberflächengestaltung des 14. Jahrhunderts rekonstruiert werden. Dabei konnte nur eine Erstfassung in Öl, die direkt, ohne Grundierung auf den mit Leinöl imprägnierten Stein aufgetragen wurde, nachgewiesen werden.39 Als Pigmente wurden u. a. Azurit, Bleizinngelb, Malachit, Zinnober verwendet. Beim Grabmal Herzog Rudolfs IV. und seiner Frau Katharina lassen sich aufgrund der Abarbeitungen und Überfas33 Befundung und Untersuchungen wurden im Rahmen einer Kooperation zwischen Dombaumeisteramt und Bundesdenkmalamt durchgeführt: Johann Nimmrichter, Johannes Jacob, Robert Linke, Farkas Pinter und Irene Dworak. 34 Johann Nimmrichter / Manfred Koller Befundungsbericht 2001 Singertor, GZ 297/ 7/2002, 29.2.2002, Bundesdenkmalamt, Archiv der Abteilung für Konservierung und Restaurierung, Arsenal. 35 Koller/Nimmrichter 2001, 287–293. 36 Johann Nimmrichter, Arbeitsbericht zu den Fassungsresten der Eligiuskapelle, Bundesdenkmalamt, Archiv der Abteilung für Konservierung und Restaurierung, Arsenal. 37 Gerhard Seebach, unveröffentlichte Befunderhebungen im Auftrag des Bundesdenkmal amts, Archiv des Bundesdenkmalamts, Hofburg. 38 Johann Nimmrichter, Restaurierbericht zur Konservierung und Restaurierung der gotischen Konsolfiguren an der Außenseite des Südchores von St. Stephan in Wien 1991, Bundesdenkmalamt, Archiv der Abteilung für Konservierung und Restaurierung, Arsenal. 39 Nimmrichter 2002, 396–403.
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Johann Nimmrichter
Abb. 16: Wien, St. Stephan, Riesentor, Farbrekonstruk tion der Zweitfassung aus dem 14. Jahrhundert an einem Abguss oberhalb der Originalszene. Abb. 17: Wien, St. Stephan, Bartholomäuskapelle, Freilegungsprobe, Ocker auf weißer Tünche, darüber Apostelkreuz. Abb. 18: Wien, St. Stephan, Bartholomäuskapelle, Freilegungsprobe mit roter Fassung (Rotmarmorimitation?) bei einem Schlussstein.
sungen nur lückenhaft ursprüngliche Fassungen an den Liegefiguren erkennen. Die Erscheinung des Herzogspaares wurde oft dem jeweiligen Zeitgeist entsprechend verändert und erfuhr über die Zeit hinweg in ihrer Präsentation Auf- und Abwertungen, die sich auch in ihrer Farbgebungsgeschichte spiegelten. Ob die ersten Rotmarmorfassungen der herzoglichen Tumbafiguren mit der Rotbraunfassung des Bischofstores, welche möglicherweise zwischen dem 17. und frühen 19. Jahrhundert bestand, Zusammenhänge aufweisen, gilt es noch zu diskutieren. Die erste Fassung des Langhauses – Gelb mit weißem Fugenstrich – kann in zeitlicher Nähe zu den Herzogsportalen gesehen werden, da diese wohl in etwa zeitgleich entstanden sind.40 Interessantes liefert natürlich der Blick zur zweiten (Abb. 16) bzw. dritten Fassung des Riesentors, welche ja auch im Zusammenhang mit den damals neu entstehenden Teilen des Stephansdoms zu sehen sind.41 Beson-
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40 Manfred Koller, die Dombauhütte und der Autor konnten bereits weitere derartige Farb befunde hinter frühbarocken Wandbänken an der Südwand des Langhauses auffinden. 41 Koller/Nimmrichter/Paschinger 2008 199–319, Tafel IVb und IVc.
Farbgebungen am Bischofstor
ders für die dritte bzw. vierte Farbphase des Riesentors, bei der die tradierte Polychromie um 1500 partiell durch eine graue „Steinfarbe“ abgelöst wurde, zeigen sich interessante Parallelen zur Umbaugestaltung beim Bischofstor nach 1500. Zudem lassen sich auch Parallelen mit anderen zeitgleichen Kirchenbauten in Wien ziehen. Ich denke hier an die Nord- und Westportale der Minoritenkirche in Wien42, und die Zubauten bei der Michaelerkirche etc. Abbildung 16 zeigt die Farbrekonstruktion der Zweitfassung eines Details am Riesentor an einem Abguss, oberhalb der Originalszene. Abbildung 18 schließlich repräsentiert eine Freilegungsprobe mit roter Fassung (Rotmarmorimitation?) bei einem Schlussstein der Michaelskapelle (Bartholomäuskapelle in St. Stephan) Die Fassungsbestände in der Michaelskapelle (Bartholomäuskapelle), der oberen südlichen Herzogskapelle des Domes, können wohl einen Vergleich mit dem Bischofstor zulassen, da dort Ocker auf Weiß als Raumfassung belegt ist. In Abbildung 17 sehen wir eine Freilegungsprobe in der Michaelskapelle (Bartholomäuskapelle) mit Ocker auf weißer Tünche und darüber ein Apostelkreuz. Damit ist auch die Einheit mit der Ockerfärbelung, des in die Höhe wachsenden Langhauses gegeben. In der Michaelskapelle (Bartholomäuskapelle) konnte Rotbraun als Monochromie für beide Schlusssteine nachgewiesen werden (Abb. 18). Ob es sich bei diesem Rotbraun um die Erstfassung handelt, bleibt offen. Ebenso ungewiss bleibt, wie die Fassung der Gewölberippen in dieser Kapelle ausgesehen haben mag. Bei der darunterliegenden Eligiuskapelle sind bei den Gewölberippen bunte Farbabfolgen für in rot, goldfarbenen und blau gehaltene Ornamente ablesbar. Auch ein roter ornamentierter Begleitstreifen der Rippen ist in den Gewölbesegeln, sowohl für eine gotische als auch neugotische Phase, nachgewiesen. Für die meisten mittelalterlichen Baldachinfiguren der Eligiuskapelle liegen aussagekräftige Fassungsreste vor. Auch die Baldachine zeigen an schwer zugänglichen Bereichen noch mehrlagige Farblagen (sie sind gänzlich in Blau, Ocker, Gold und Rot ausgeführt). Die Abnahme der Fassungsbestände in den späten 1950er-Jahren erfolgte in unterschiedlicher Intensität, sodass für einige nicht leicht einsehbare Bereiche mehrere Quadratdezimetergroße Fassungsflächen erhalten geblieben sind.43 Die einzige erkennbare Gesetzmäßigkeit der historischen Fassungsbestände ist ihre Buntheit, welche aufgrund der zahlreichen Befunde auch belegt ist.44 (Abb. 19 und Abb. 20) Die Fassungsbestände bei der Vorhalle des Südturms liegen leider wiederum in wesentlich reduzierterem Zustand vor. Azurit, Ocker, Zinnober und Malachit lassen zwar für die Schlusssteine und Gewölberippen eine Buntheit ablesen, doch können für die Segelflächen bzw. Wände bis auf einige Rotreste über dem Steinportal keine aussagekräftigen Fassungsreste mehr aufgefunden werden.45 Lediglich bei der dort aufgestellten gotischen Madonna (ehemals Klosterneuburg) 42 Julia Kolar / Jörg Riedel, Restaurierbericht zu den Pfeilerfiguren hll. Katharina und Nikolaus in der Kreuzkapelle von St. Michael in Wien, unveröffentlicht April 2011 sowie Kolar/Jacob/Linke/Nimmrichter 2016, 340. 43 Der ehemalige Dompolier Erich Dillinger teilte mir mit, dass er, damals selber noch, als junger Steinmetz mit Raspeln und Kratzern geholfen habe, die Fassungen zu entfernen. 44 Hubert Paschinger, Laboranalysen des BDA, Bundesdenkmalamt, Archiv der Abteilung für Konservierung und Restaurierung, Arsenal. 45 Hubert Paschinger, Laboranalysen des BDA, Bundesdenkmalamt, Archiv der Abteilung für Konservierung und Restaurierung, Arsenal.
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Johann Nimmrichter
Abb. 19: Wien, St. Stephan, Eligiuskapelle, Rekonstruktion der Erstfassung zweier Baldachinfiguren anhand von Laboranalysen und visueller Erfassung der Farbreste. Abb. 20: Wien, St. Stephan, Eligiuskapelle, Rückseite eines gotischen Baldachins mit Fassungsresten.
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können unterschiedliche Fassungsreste analysiert werden. Dabei konnten mittelalterliche, barocke und Fassungen des 19. Jahrhunderts festgestellt werden.46 Die Fassungsreste in der Katharinenkapelle konnten leider nicht ausreichend befundet werden, da die Gerüstung nur kurz zur Verfügung stand. Hier sind, so wie beim Vorbau unter dem Südturm, bunte Gewölberippen und Schlusssteine belegt. Farbreste als Binnenmalerei in den Gewölbesegeln konnten visuell wahrgenommen werden. Als weiteres Vergleichsbeispiel kann der gotische Ölberg von 1400 angesehen werden, der bis 2002 westlich des Bischofstors an der Außenseite des Domes hing. Aufgrund zahlreicher Analysen und vieler winziger Schichtenfenster konnte eine eindeutige Rekonstruktion seiner Erscheinung für 1400 gewagt werden.47 Die gotische Fassung des Ölberges wird durch die Dominanz von Blau und Rot beherrscht. Die Farbigkeit dieses Ölberges kann wohl zusammen mit der Fassungsrekonstruktion des skulpturalen Bestands des Riesentors als zeitgleiches hoch rangiges Kunstobjekt und Vergleichsobjekt herangezogen werden und kann helfen, sich die Fassungen der Figuren am Bischofsportal vorzustellen. Die Fassungsbestände der nahezu zeitgleichen Westportale der Wiener Minoritenkirche sind gänzlich eliminiert. Aus den Restaurierberichten des Bundesdenkmalamtes aus den 1960er-Jahren hervorgeht, dass die letzten Farbspuren entfernt wurden und somit das Portal endlich sauber sei.48 Ähnlich verhielt es sich 46 Hubert Paschinger, Laboranalysen des BDA, Bundesdenkmalamt, Archiv der Abteilung für Konservierung und Restaurierung, Arsenal. 47 Nimmrichter/Linke 2016, 439 Abb. 402. 48 Eduard Föderl, Restaurierbericht zur Restaurierung der Westportale der Minoritenkirche in Wien, Bundesdenkmalamt, Archiv der Abteilung für Konservierung und Restaurierung, Arsenal.
Farbgebungen am Bischofstor
Abb. 21: Wien, Maria am Gestade, Südportal, Schutzmantelmadonna mit Josephinischer Weißfassung. Abb. 22: Wien, St. Michael, weibliche Heilige an der Nordseite der Kreuzkapelle, um 1350.
auch mit dem Nordportal der Minoritenkirche, welches im Tympanon eine Marienkrönung zeigte. Hier war es der ehemalige Dompolier Franz Ölzant, der ebenfalls in den späten 1960er-Jahren die Fassungen entfernte.49 Um 2002 erfolgte durch das Bundesdenkmalamt eine Befundung der winzigen Farbinseln. Mittels Laboranalysen und visueller Befundung konnte eine ungefähre Fassungserscheinung erstellt werden, ohne allerdings Binnenmalereien oder Applikationen berücksichtigen zu können.50 Alte Abbildungen aus der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts zeigen aber noch einen reichen, mit Binnenmalerei ausgestatteten Fassungsbestand. Am Doppelportal an der Südseite der gotischen Kirche von Maria am Gestade in Wien wurden glücklicherweise die beiden Tympanafiguren keinen radikalen Reinigungen oder Überarbeitungen (Marienkrönung, Schutzmantelmadonna) unterzogen (Abb. 21). Beide gotischen Figuren zeigen noch zur Gänze die Josephinische Übermalung mit Bleiweißfassung aus der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. Darunter befinden sich großflächig Vorgängerfassungen, die allerdings aufgrund der gut erhaltenen Bleiweißfassung nicht abgenommen und analysiert wurden.51 Nicht vergessen darf man auch die Farbfassungen der gotischen Baldachinfiguren und Eingewölbung der Kreuz
49 Im Fotoarchiv des Bundesdenkmalamts, Hofburg, liegen jene Fotos auf, in denen in Schwarz-Weiß-Abbildungen die Polychromie des Tympanons des Nordportals samt Binnenmalerei noch zu sehen ist. 50 Johann Nimmrichter / Elisabeth Ghaffari / Andrea Moser / Susanne Sandner, Befundung und Konservierung des Nordportals der Minoritenkirche in Wien, Bundesdenkmalamt, Archiv der Abteilung für Konservierung und Restaurierung, Arsenal. 51 Gertraud Zowa / Johann Nimmrichter, Restaurierbericht des BDA, Bundesdenkmalamt, Abteilung für Konservierung und Restaurierung, Arsenal.
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Johann Nimmrichter
Abb. 23: Perchtoldsdorf (NÖ), Stadtpfarrkirche, Tympanon des Südportals im Portalvorbau.
kapelle der Michaelerkirche in Wien.52 Hier beschränkt sich die gotische Farbgebung nicht nur auf die skulpturale Ausstattung, sondern sie setzt sich an der Rückseite des Baldachins in der Wandfassung als gemalter Textilbehang fort (Abb. 22). Die Letztfassung des Tympanons des Südportals der Stadtpfarrkirche in Perchtoldsdorf, welche sich innerhalb des gotischen Vorbaus befindet, kann als weitere Sehhilfe dienen, um sich ein ursprünglich buntes Bischofstor vorstellen zu können. Dieses um 1400 entstandene Tympanonrelief zeigt ebenfalls einen Marientod. Dass es sich bei der jetzt sichtbaren Fassung nicht um die gotische Farbgebung handeln kann, ist klar, aber trotzdem wird dadurch die ursprüngliche gotische Erscheinung wesentlich „ursprünglicher“ und „gotischer“ vermittelt, als es das Bischofstor zu St. Stephan zu tun vermag, da dieses ja „enthäutet“ wurde. Auch soll sich Katharina von Böhmen nach dem Tod Rudolfs in Perchtoldsdorf aufgehalten haben. Eine Befundung und wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dieser Portalanlage steht allerdings noch aus (Abb. 23). Natürlich gibt es noch weitere zeitgleiche Portalanlagen oder Figurenbestände und gotische Raumschalen. So entsprechen beispielsweise die Konsolfiguren und das Tympanon eines Portals im Kreuzgang des aufgelassenen Klosters in Neuberg an der Mürz in der Steiermark stilistisch genau denen des Singerportals (Abb. 25). Es existiert ebenfalls eine stilistische Nähe des oberen Tympanonreliefs des Hauptportals der Basilika von Mariazell zu den Reliefs der Fürstenportale des Stephandomes (Abb. 24). Die Auseinandersetzung mit der Farbgebung des Westportals der Basilika ermöglichte mithilfe von Laborauswertungen durch das Bundesdenkmalamt eine ungefähre Rekonstruktion des ersten gotischen, bunten Fassungsbestandes.53
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52 Jörg Riedl und Julia Kolar ermöglichten durch ihre jüngst durchgeführten Konservierungsmaßnahmen Einblicke in die Fassungsgeschichte, Bundesdenkmalamt, Archiv der Abteilung für Konservierung und Restaurierung, Arsenal. 53 Johann Nimmrichter, Restaurierbericht „das Mariazeller Westportal“, Bundesdenkmalamt, Archiv der Abteilung für Konservierung und Restaurierung, Arsenal.
Farbgebungen am Bischofstor
Abb. 24: Mariazell (Stmk.), Basilika, Farbreste im oberen älteren Tympanonrelief des Hauptportals.
Abb. 25: Neuberg an der Mürz, Zisterzienserkloster, Tympanon im Kreuzgang.
Abb. 26: Maria Straßengel bei Graz, Wallfahrtskirche, Südportal.
Auch die Portale der Wallfahrtskirche von Maria Straßengel in der Steiermark lassen stilistische und farbige Parallelen erkennen (Abb. 26).54 Natürlich ist der Stephansdom im Mittelalter das Zentrum bildhauerischen Geschehens sowie der Fassmalerei, trotzdem wäre eine Bewältigung der dortigen künstlerischen und kunsthandwerklichen Tätigkeiten nicht möglich gewesen, hätte man nicht auf eine Tradition und bereits bestehende Werkstätten und Spezialisten sowie deren Ressourcen zurückgreifen können. Diese Werkstätten und Bauhütten haben vor und nach der Errichtung der Langhausportale des Stephansdomes auch an anderen Wirkstätten, zumindest in Wien, Niederösterreich und der Steiermark gearbeitet und der Gotik zu ihrer Schönheit und Wirkung verholfen. Dass hier die ausführenden Künstler, Bildhauer und Steinmetze auch international ihr Netzwerk wahrgenommen haben, scheint gesichert, ist aber nicht Thema dieser Arbeit.
54 Ivo Hammer, Restaurierbericht zu den beiden Portalen der Wallfahrtskirche von Maria Straßengel, Bundesdenkmalamt, Archiv der Abteilung für Konservierung und Restaurierung, Arsenal.
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Herzogsgruft und Rudolfskenotaph
1. Einleitung Von den mannigfaltigen Kunstwerken, die Herzog Rudolf IV. und seine Gemahlin, Katharina von Böhmen, zur – bis heute erfolgreichen – Erhaltung ihres Andenkens hinterlassen haben, sind ihre Begräbnisstätte und ihr Grabdenkmal die bedeutendsten, aber auch die mit den meisten offenen Fragen behafteten geblieben. Mehrere Kunstwerke im Dom beziehen sich direkt auf das Fürstenpaar. Dazu zählen die zumindest lebensgroßen Porträtskulpturen, die allgemein sichtbar an den beiden Fürstenportalen des Langhauses, an der Westfassade und am Südturm angebracht sind und Herzog Rudolf IV., seine Frau Katharina und die beiden Elternpaare Kaiser Karl IV. und Blanche von Valois sowie Herzog Albrecht II. und Johanna von Pfirt zeigen. Unmittelbar auf die Bestattung beziehen sich das Kenotaph mit den Liegeskulpturen, das sich heute zwischen den Pfeilern im Nordchor befindet; die steinerne Inschriftentafel im Mittelchor; die „Geheimschrift“ am Strebepfeiler der Bischofstor-Vorhalle; die Grabplatte und die beiden Inschriftentafeln in der Gruft selbst; die Gebeine, die sich heute in Metallsärgen befinden, und die ursprünglichen Grabbeigaben, die heute teilweise im Dommuseum aufbewahrt werden, ebenso wie das gemalte Porträt Rudolfs.
2. Aktuelle Situation der Gruft Diese Kunstwerke weisen auf die zentrale Stelle der Repräsentation und des Totengedenkens von Herzog Rudolf IV. und Katharina hin, ihre Bestattung im Bereich des Mittelchores von St. Stephan. Die Gruft wurde zwar mehrmals umgestaltet, der Gruftraum der Zeit von Rudolf und Katharina ist aber noch vorhanden. Ursprünglich durch eine 1,4 m breite, wohl offene, Treppe aus dem Mittelschiff erreichbar und so mit dem Kirchenraum direkt verbunden, ist er heute nur mehr aus den 4 Stufen tiefer liegenden barocken Räumen der Unterkirche zugänglich. Man steigt heute nicht mehr direkt aus dem Chorraum in die Gruft hinunter, sondern steigt - aus einem verwinkelten Gang - nach oben in die Gruft. Die ursprüngliche Situation ist damit nicht mehr erlebbar und nur mehr schwer vorstellbar. (Abb. 1–4)
2.1 Intestina-Gruft und Neue Herzogsgruft Der ursprüngliche, unter Rudolf IV. angelegte Gruftraum ist durch ein Gittertor mit Herzogskrone und dem Monogramm Maria Theresias verschlossen. In ihm befinden sich heute die Urnen mit den Eingeweiden der Habsburger, die zwischen 1654 und 1878 hier bestattet wurden. Der rechteckige, mit gliedernden Gurten tonnengewölbte Raum ist ca. 5,86 m lang und mit den Nischen 3,28 m breit.
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Abb. 1: Wien, St. Stephan, Einblick Herzogsgruft.
Die 3,10 m hohe Tonne wird von drei Pfeilerpaaren getragen, die eine l ichte Weite von 1,95 m überspannen. An der Decke befindet sich eine steinerne Hand, deren Finger auf die Bestattung der Herzöge hinweist. Die ursprünglich vorhandene und von dem Domherrn Testarello 1685 erwähnte Umschrift HIC JACET FUNDATOR (hier liegt der Stifter)1 fehlte schon auf der Abbildung des Gruftraumes von Salomon Kleiner 1755 (Abb. 9).2 Sie dürfte daher bei der Öffnung der Gruft
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Testarello 1685, 2. Serie, 7–8; Zu der Ausstattung der Gruft und den Inschriften siehe Kohn 2002, 299–300; vgl. dazu auch den Beitrag von Barbara Schedl in diesem Band. Marquard Herrgott beschreibt in seiner Publikation, die u. a. mit Stichen von Salomon Kleiner illustriert ist, wohl die Hinweishand, erwähnt aber die Inschrift nicht. Herrgott/ Gerbertus 1772, Pars 1, 177–180 und Tafel XVI (Salomon Kleiner).
Herzogsgruft und Rudolfskenotaph
Abb. 2: Wien, St. Stephan, Längsschnitt durch Chor und Gruft. Abb. 3: Wien, St. Stephan, Grundriss von Chor und Gruft.
Abb. 4: Wien, St. Stephan, Schnitt durch den Chor mit Position des Rudolfs kenotaphs.
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1739 durch Marquard Herrgott oder bei der Erweiterung 1754 entfernt worden sein.
2.2 Neue Herzogsgruft, Ovalraum Diese ursprüngliche Gruft ist heute der Vorraum für die „Neue Herzogsgruft“, einen barocken Ovalraum, der die Särge mit den Gebeinen der im Mittelalter hier bestatteten Habsburger enthält. Neben den Sarkophagen für Rudolf den Stifter und seine Frau Katharina (deren Gebeine aber nicht eindeutig bestimmt werden können) sind noch Herzog Albrecht III., mit dem Zopf (1349/50–1395 reg. 1365), sein Sohn Herzog Albrecht IV. (1377–1404, reg. 1395), Herzog Wilhelm I. (1370–1406), Herzog Friedrich III. (1347–1362), Herzog Leopold IV. (1371–1411, reg. 1392 in Vorderösterreich), Herzog Albrecht VI. (1418–1463), Herzog Georg, Sohn Albrechts V. (gest. 1435) und die Kinder von Kaiser Maximilian II., Karl (1565–1566), Ferdinand (1551–1552) und Maria (gest. 1555), hier bestattet.3 Die barocken Särge des Herzogspaars, Rudolf und Katharina, sind in der Mitte, etwas erhöht, auf einem Sockel aus Adneter Kalkstein positioniert. Dieser Raum erhält Luft und gedämpftes Licht durch einen niedrigen Gang, der im Scheitel der Ellipse ansetzt und knapp über dem Pflasterniveau am östlichen Abschluss des Mittelchores ins Freie mündet.
2.3 Inschriftentafeln Rechts von dieser Öffnung ist eine viereckige Tafel in die Wand eingelassen. Sie zeigt ein beschriftetes Kreuz, über den Kreuzarmen zwei Wappen, (heraldisch) rechts ein einfacher Adler, links ein Doppeladler, beide mit Bindenschild (Abb. 5). Unter den Kreuzarmen zwei mit Pfauenstößen gezierte Helme. Das Kreuz, das auf einem Wappen mit dem habsburgischen Löwen fußt, hat die Inschrift: + IE(S)V ∙ CHR(IST)E ∙ FILII ∙ DEI ∙ UIVI ∙ +/+ MISERE// RE ∙ NOBIS (Christus, Sohn des lebendigen Gottes, erbarme Dich unser).4 An den Seiten sind freie Flächen zu sehen, in denen ursprünglich wohl die Inschriften angebracht waren. Testarello erwähnt noch die Widmungsinschrift Rudolphi Fundatoris Ecclesiae S. Stephani.5 in einem unteren Feld. Diese Tafel befand sich ursprünglich wohl an der Abschlusswand der Herzogsgruft. An der linken Seite des elliptischen Raumes befindet sich die jüngere Stiftertafel aus dem 18. Jahrhundert (Abb. 6). Sie folgt – im Gegensatz zur älteren Stiftertafel – der Rundung der Wand und ist offensichtlich im Zuge der Errichtung dieser Erweiterung angefertigt worden. Unter dem Doppeladler mit großem Wappenschild befindet sich die Stiftungsinschrift: D.O.M. Maria Theresia Augusta Religiosissima Artemisia Christiana, Quae sub immenso rerum pondere indefessa virtute vivos beneficiis ornat 3 276
4 5
Zur Fürstengruft und den mittelalterlichen Bestattungen: Neumann 1901, 19–27; Schedl 2018, 236, Anm. 228. Transkription der Inschrift nach Kohn 2002, 299. Testarello 1685, 2. Serie, 7–8,
Herzogsgruft und Rudolfskenotaph
et mortuos piis operibus coronat sacram hanc cryptam a rudolpho IV. fundatore exstructam ampliatis decorationibus instauravit an. Ch. MDCCLIV (Dem Gnädigsten und Erhabensten Gott Kaiserin Maria Theresia, die Fromme Christliche Artemis, die unbezwungen von der großen Last der Geschäfte die Lebenden mit Wohltaten schmückt, und die Verstorbenen mit frommen Werken krönt, hat diese heilige von Rudolf IV., dem Stifter, errichtete Krypta im Jahre 1754 erweitert und ausgeschmückt). Am östlichen Scheitel des Ovalraumes ist ein Grabstein aus rotem Kalkstein in den Boden eingelassen. Das Mittelfeld zeigt ein auf einem Hügel dargestelltes Kreuz, in den Randstreifen ist eine Inschrift, die stilistisch mit den Inschriften am Kenotaph übereinstimmt, eingemeißelt. + H]IC + / IACET RVDOLFVS + FVNDATOR + QV/I + CREDIDIT / IN + IHESUM + CHRISTVM + CRVCIFI/XV(M) (Hier liegt Rudolf, der Stifter, der an den Gekreuzigten Jesus Christus glaubte).6
Abb. 5: Wien, St. Stephan, mittelalterliche Stiftertafel in der Gruft. Abb. 6: Wien, St. Stephan, mariatheresianisches Wandrelief in der Gruft.
3. Gestalt und Nutzung der mittelalterlichen Herzogsgruft 3.1 Herzog Rudolf IV. Die ehrgeizigen Vorhaben Herzog Rudolfs IV. für sein Herzogtum Österreich, dessen Hauptstadt Wien und die Hauptkirche St. Stephan dienen ganz wesentlich auch der Bewahrung des Andenkens an seine Person. Im Zentrum dieses Andenkens befand sich die Grablege, die er für sich und seine Familie in der Mitte des 6
Transkription der Inschrift nach Kohn 2002, 300.
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Chores von St. Stephan vorgesehen hatte. In einer Urkunde vom 9. Juli 13597 wird erwähnt, dass er seine Grabstätte in St. Stephan haben wolle, die Stiftung für den Jahrtag erfolgte am 12. April 13638. Die Bestattung seines jüngeren Bruders, Herzog Friedrich III., der am 10. Dezember 1362 fünfzehnjährig verstorben war, hat die Fertigstellung der Gruft beschleunigt. Friedrich war auch der Erste, der in der Herzogsgruft bestattet wurde. Nur für ihn und Rudolf IV. wurden Epitaphe an der Südwand des Mittelchores angebracht.9 Die Position und bauliche Gestaltung dieser Herzogsgruft steht in der Tradition habsburgischer Grablegen des 14. Jahrhunderts, wie etwa in Königsfelden oder Gaming: Das Klarissenkloster Königsfelden im Schweizer Aargau, unweit des Stammsitzes der Habsburger gelegen, war 1309 im Andenken an König Albrecht I. (1255–1308) von seiner Witwe Elisabeth (1263–1313) gegründet worden, und zwar an der Stelle, an der König Albrecht I. am 1. Mai 1308 von seinem Neffen Johann (genannt Parricida) ermordet worden war.10 Die Klosterkirche wurde zu ihrer Grablege und der von weiteren zehn Familienmitgliedern, aber schon deren Sohn Herzog Albrecht II. (1298–1358) wählte für sich und seine Gemahlin Johanna von Pfirt (1300–1351) das von ihm 1330 gegründete Kartäuserkloster Gaming zur Grablege.11 In diesen beiden Klosterkirchen befand sich der unterirdische Grabraum in der Mitte der Kirche, hatte einen offenen Treppenabgang aus dem Mittelschiff und wurde von einem an diesem anschließenden schlichten quaderförmigen Aufbau markiert. Beide sind in dem Zustand, in dem sich sich um 1750 befanden, bei Marquard Herrgott festgehalten (Abb. 7 und Abb. 8).12 Diese Grablegen befanden sich – ebenso wie die der Babenbergerherzöge in Heiligenkreuz und Lilienfeld – in Klosterkirchen, die sich nicht an den Residenzorten befanden, sondern in teilweise sehr abgelegen ländlichen Gebieten, und die vornehmlich von den Mitgliedern des Konventes frequentiert und wahrgenommen wurden. Ganz im Gegensatz zu dieser traditionellen Vorliebe für die Abgeschiedenheit wählte Rudolf für die neue Herzogsgruft die wichtigste Pfarrkirche seiner prosperierenden Hauptstadt, eben St. Stephan, und verlegte damit die Grablege, 7
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1359, Juli 9: Rudolf, ‚Phallencz Erczherczog‘ von Österreich und seine Gemahlin Kathrein von Böhmen beurkunden, dass sie bezüglich der Erweiterung der, ihrem Patronat unterstehenden, Pfarrkirche zu St. Stephan in Wien, die der Herzog zu einer Propstei und einem Tum machen wolle, am 11. März 1359 den ersten Spatenstich zur neuen Grundfeste getan und am 7. April desselben Jahres den ersten Stein der Grundfeste gelegt haben. Sie bestimmen die Kirche zu ihrer Grablege und ferner, dass alles, was der genannten Kirche an Gütern, Gülten, Kleinodien oder sonstigem wie immer gearteten Besitz gewidmet wird, auf ewig bei derselben zu verbleiben habe. QGStW I/4, Nr. 3514; Schedl 2018, 49–51. 8 1363, April 12: Rudolf IV., Erzherzog von Österreich, gibt dem Gotteshaus zu St. Stephan in Wien, das er für sein Begräbnis erwählt hat, zur Abhaltung von Jahrtagen für sich, seine Ahnen, Brüder und Erben 14 Pfund 66 Wiener Pfenning, welche Summe er von dem Wiener Bürger Hans an dem Chyenmarkcht erkauft hat. QGStW I/4, Nr. 3537; Zum Kauf siehe QGStW I/4, Nr. 3536. 9 Vgl. dazu den Beitrag von Barbara Schedl in diesem Band und dort die Abbildung 8. 10 Maurer 1954; Kurmann-Schwarz 2008, 52–53. 11 https://www.monasterium.net/mom/AT-HHStA/GamingOCart/fond (Zugriff am 30. April 2021). 12 Herrgott/Gerbertus, 1772, Tafel X und XIV.
Herzogsgruft und Rudolfskenotaph
dieses wichtige Mittel zur Präsentation der Herzogsfamilie, in das Zentrum seines Herrschaftsbereiches.13 Er knüpft damit an eine andere Tradition des Hochmittelalters an, die auch in seiner Familie vertreten war: Denn die beiden Habsburger Könige Rudolf I. und Albrecht I. wurden in der Krypta im Kaiserdom von Speyer bestattet, in einer der bedeutendsten Reichsstädte der Zeit. Dieser Bezug zur königlichen Tradition der Familie entspricht durchaus seinem Empfinden und seiner Politik der Aufwertung des Herzogtums Österreichs und der Betonung der Bedeutung seiner Familie. Mit der Gründung der Grablege in St. Stephan sollten sein Körper und die seiner Nachfolger auch nach deren Tode in der Hauptstadt verbleiben, und zwar auch räumlich in der Mitte der Stadt und für die Bevölkerung sichtbar. Denn die Gruft war nicht nur für diejenigen erlebbar, die in sie hinabstiegen, sondern durch das darüber befindliche Grabdenkmal – wie auch immer es genau ausgesehen haben mag – für alle Kirchenbesucher (besonders freilich für die Anwesenden im Chor) sinnfällig.
13 Wolfinger 2011; Wolfinger 2018; Vgl. dazu den Beitrag von Barbara Schedl in diesem Band.
Abb. 7: Ansicht der Herzogsgruft der Kartause Gaming nach Marquard Herrgott, aufgenommen von Salomon Kleiner, Kupferstich 1772. Abb. 8: Ansicht der Begräbnissstätte in der Klosterkirche Königsfelden nach Marquard Herrgott, aufgenommen von Johann B. Haas, Kupferstich 1772.
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3.2 Kaiser Friedrich III. Die Familiengruft in St. Stephan erlangte durch die habsburgischen Länderteilungen nicht die Bedeutung als alleinige Grablege der Familie, die Herzog Rudolf IV. ihr zugedacht hatte, beherbergt aber doch zahlreiche herzogliche Bestattungen und blieb ein deutlich wahrnehmbarer Teil von St. Stephan. Die Funktion von St. Stephan als fürstliche Grablege änderte sich mit dem Tod Friedrichs III. (1415–1493), des ersten Kaisers aus dem Hause Habsburg. Zum Zeitpunkt seines Todes im Jahr 1493 waren weder sein von Niclas Gerhaert um 1463 begonnenes Grabmal vollendet, noch dessen exakter Aufstellungsort festgelegt.14 Zu diesem Zeitpunkt dürften aber die Stadt Wien und hier die Hauptkirche St. Stephan als Begräbnisort schon festgestanden sein. Denn der Leichnam des Kaisers wurde von Linz, wo er am 19. August 1493 verstorben war, auf der Donau nach Wien gebracht. Am 27. August erreichte er die Stadt. Erst am 6. Dezember 1493 wurde der verstorbene Kaiser im Stephansdom eingesegnet. Danach musste er aber vorerst provisorisch bestattet werden. Denn zum einen war das Konzept, für das Niclas Gerhaert die Grabplatte angefertigt hatte, bereits verworfen; zum anderen war auch die Neuplanung, die der Sohn Kaiser Friedrichs III., Maximilian I. (1459–1519), veranlasste, noch nicht abgeschlossen. Erst in den folgenden Jahrzehnten konkretisierte sich die Planung für das letztlich erst 1517 fertiggestellte monumentale Grabmal im Apostelchor von St. Stephan. Auch wenn es Berichte aus dem 16. Jahrhundert gibt, die die Tyrnakapelle an der Nordseite des Westbaues als temporären Bestattungsort für die Zeit von 1493 bis 1513 erwähnen, geht die aktuelle Forschung davon aus, dass Kaiser Friedrich III. in diesem Zeitraum in der Herzogsgruft beigesetzt war.15 Die Feierlichkeiten zum (endgültigen) Begräbnis von Kaiser Friedrich III. im Jahr 1513 wurden zu einem wichtigen kirchenhistorischen Ereignis: im Zuge der kaiserlichen Beisetzung wurde Georg Slatkonia zum Bischof der Diözese Wien geweiht. Er war – obwohl formal das Bistum schon seit 1469 bestand – der erste Bischof, der in Wien residierte und sein Amt tatsächlich ausübte.16 Mit der Erhebung von St. Stephan zu einem Bischofsitz wurde ein wichtiges Projekt Kaiser Friedrichs III., das die Babenberger bereits versucht und auch Herzog Rudolf IV. verfolgt hatte, abgeschlossen.
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14 Zu den neuesten Forschungen zum Friedrichsgrab siehe: Kohn (Hg.) 2017; Schedl 2018, 129–131; Kirchweger/Schmitz-von Ledebur/Winter/Zehetner (Hg.) 2019. 15 So ist der 1564 verfasste Bericht von Philipp Gundel, einem 1493 in Passau geborenen Juristen, der ab 1511 in Wien studierte und später Rektor der Universität Wien wurde, für die Beisetzung 1513 verlässlich, seine Behauptung, dass der Leichnam Kaiser Friedrichs III. sich davor in der Tyrnakapelle befunden habe, ist aber wohl eher ein Missverständnis. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die zeitgenössischen Berichte zu der Begräbnisfeier Kaiser Friedrichs III. zahlreicher sind als es üblich ist. 1564 wurden, anlässlich der geplanten Überführung der Gebeine Kaiser Maximilians I. von Wiener Neustadt nach Innsbruck Augenzeugenberichte gesammelt, um Anhaltspunkte für die Gestaltung seiner Begräbnisfeierlichkeiten zu sammeln. Vgl. dazu: Rudolf 2019, 83–103, 248–259 (Dokument 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10). 16 Flieder, 1968, 221–225, 280–282; Rudolf 2019, 83–103, 247–248 (Dokument 2 und 3).
Herzogsgruft und Rudolfskenotaph
Die Fürstengruft mit ihren offenen Aufbahrungen war zu dieser Zeit noch vom Chor der Kirche frei zugänglich und in Gebrauch, 17 allerdings blieb Kaiser Friedrich III. für längere Zeit der letzte Herrscher, dessen Körper in der Gruft – wenn auch nur temporär – beigesetzt worden war. Über die Art der temporären Beisetzung wissen wir leider wenig, es ist aber eine offene Bestattung in der Gruft, ohne Sarg, entsprechend den Bestattungen der Herzöge, wahrscheinlich. Die dauerhafte Bestattung und die Aufbahrung davor wurden 1513 aufwendig inszeniert. Dafür hat man Insignien, die sich heute im Friedrichsgrab befinden, angefertigt.18 Auch der Sarg, mit dem er im steinernen Grabmal bestattet wurde, der aus einem offenen Trog aus glasierten Keramikplatten gebaut wurde, und nur teilweise mit lose aufgelegten Platten verschlossen ist, entspricht den Bedürfnissen einer sichtbaren Aufbahrung. Dieser heikle, statisch fragile Aufbau eignet sich nicht für den Transport über die steile Treppe in die Gruft, sondern verlangt auch bei niveaugleicher Manipulation größte Sorgfalt und Vorsicht. Die aufwendigen Vorbereitungsarbeiten, der Aufbau des Sarges, die Ausstattung des Leichnames werden wohl in der Tyrnakapelle stattgefunden haben, was den Bericht Gundels erklären könnte, dass diese als Bestattungsort gedient hatte.19 Der Leichnam Kaiser Maximilians I. wurde 1519 in St. Stephan vor der alten Fursten Begräbnus20 aufgebahrt, aber unmittelbar danach in die St.Georgs-Kapelle von Wiener Neustadt überführt. Die letzte Bestattung in der Herzogsgruft fand 1566 für den mit einem Jahr verstorbenen Sohn von Kaiser Maximilian II., Karl, statt. Mit den monumentalen Plänen Kaiser Maximilians I. für seine Grablege in Innsbruck und der Verlagerung des Schwerpunktes der Interessen der Familie nach Prag, mit Kaiser Ferdinand I. (1503–1564) beginnend, geriet die Wiener Herzogsgruft, die auch kaum mehr Platz für weitere Bestattungen bot, außer Gebrauch. Sie wurde verschlossen und mehr oder weniger vergessen. Mit der Bestattung von Kaiser Matthias in der Kapuzinergruft wurde zwar die von Herzog Rudolf IV. begonnene Tradition einer habsburgischen Familiengruft in Wien wieder aufgenommen, aber es wurde damit vorerst nicht die Gruft von St. Stephan wiederbelebt. Die Familiengruft blieb wohl in der Hauptstadt, dem Konzept Rudolfs IV. folgend, wurde aber wieder – entgegen der Absicht Herzog Rudolfs IV. – von der Dom- und Pfarrkirche in eine Klosterkirche verlegt.
3.3 Wiederauffindung 1645 Die Wiederauffindung der Herzogsgruft wird von den barocken Autoren einem Zufall zugeschrieben, denn man soll bei den Arbeiten zum Bau der Familiengruft für den Kammerdiener von Kaiser Ferdinand III. (1608–1657), Herrn Schnepf, 1645 auf die alte Gruft gestoßen sein.21
17 Zum offenen Treppenabgang in die Gruft und zur Liturgie vergleiche Schedl 2018, 67, sowie den Beitrag von Barbara Schedl in diesem Band. 18 Bojcov 2019, 59–81. 19 Kirchweger 2019, 173–197; Schmitz v. Ledebur 2019, 199–220. 20 Rudolf 2019, 251 (Dokument 7). 21 Testarello 1685, 2. Serie, 13.
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Die Auffindung des Abganges dürfte wohl allgemein im Zusammenhang mit der barocken Umgestaltung des Mittelchores gestanden sein: 1641–47 wurde der neue Hochaltar der Gebrüder Pock errichtet, 1648 das barocke Chorgestühl fertiggestellt.22 Auch die Errichtung der Unterkirchen im Bereich des Chores und der östlichen Joche des Langhauses dürfte in diese Zeit fallen.23 Jedenfalls betrafen diese umfangreichen Umgestaltungsarbeiten des Chores auch den Abgang zur Gruft. Johann Matthias Testarello della Massa studierte ab 1651 in Wien und war ab 1661 Domherr von St. Stephan. Er war wohl nicht unmittelbar Augenzeuge der Umgestaltungen, aber doch fast Zeitgenosse.24 In seiner umfassenden Darstellung zu den Kirchen Wiens bis 168525 erzählt er nicht nur über die Auffindung der Gruft – wie oben erwähnt – er beschreibt auch deren Abgang: Gleich unter [dem] Chore, drei Staffeln abwärts, befinden sich zwei rothe, mit weißen Steinrahmen umgebene Marmorplatten, unter denen eine saubere breite Stiege in eine Gruft führt.26 Durch König Ferdinand IV. (1633–1654), der die getrennte Bestattung seines Leichnams in Kapuzinergruft, Augustinerkirche und St. Stephan verfügte, wurde die Herzogsgruft wieder zur fürstlichen Grablege, wenn auch nur für die Eingeweide. Diese Tradition wurde bis 1878, bis zur Bestattung von Erzherzog Franz Karl (1802–1878), Vater von Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916), beibehalten. Danach wurde die getrennte Bestattung der Eingeweide – und damit die Neubelegung der Fürstengruft – aufgegeben.
3.4 Barocke Umgestaltungen und Erweiterung Dieser Zustand, den Testarello im 17. Jahrhundert beschreibt, entspricht – mit Ausnahme des ursprünglich wohl offenen Abganges – der Situation, die schon in der Zeit Herzog Rudolfs IV. bestanden hat. Diese Situation wurde 1752 von Salomon Kleiner festgehalten und von Marquard Herrgott in seine „Taphographie“, dem umfangreichen Werk über die Grablegen der Habsburger in Mitteleuropa, aufgenommen (Abb. 9).27 Salomon Kleiner zeigt die 14 Stufen, die zur Gruft hinunterführen, und ihre sehr einfache Gestaltung: die Gebeine der Toten sind auf Holzbrettern ohne Särge aufgebahrt, wobei sie großteils in Textilien gehüllt sind. Die – bereits erwähnte – Grabplatte aus rotem Kalkstein mit dem Hinweis auf die Bestattung Rudolfs IV. war zu dieser Zeit unter den Aufbahrungsbrettern am Boden verborgen; sie ist weder bei Testarello beschrieben noch auf Salomon Kleiners Darstellung von der Alten Herzogsgruft zu sehen. Sie dürfte wohl nicht als Grabplatte über dem Leichnam 22 23 24 25 26 27
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Tietze 1931, 271, 355. Zykan 1981, 192. Testarello 1685, 2. Serie, 13. Österreichische Nationalbibliothek, Codex 8227. Testarello 1685, 2. Serie, 7. Herrgott/Gerbertus 1772, Pars 2, Tafel XVI; zu den unterschiedlichen Autorenangaben führte die komplizierte Publikationsgeschichte: Der vierte Abschnitt der „Monumenta Augustea Austriacae“, die ab 1750 erschien, war bei Marquard Herrgotts Tod 1762 noch nicht publiziert. Beim Brand des Klosters St. Blasien 1768 wurden auch Teile von seinen Aufzeichnungen zerstört. Abt Martin Gerbert bearbeitete diesen zweibändigen Abschnitt neu und publizierte ihn 1772. Vgl. dazu: Ortner 1972.
Herzogsgruft und Rudolfskenotaph
Abb. 9: Ansicht der mittelalter lichen Herzogsgruft in der Wiener Stephanskirche nach Marquard Herrgott, aufgenommen von Salomon Kleiner, Kupferstich 1755.
Rudolfs konzipiert worden sein, sondern als Fundament. 28 Dass sie ursprünglich als Verschlussplatte für den Gruftabgang gedient haben könnte, ist auszuschließen, dafür ist sie mit 182 x 72 cm zu klein. Die Aufnahme der Alten Herzogsgruft durch Marquard Herrgott erfolgt zu einem für die Habsburgerdynastie historisch kritischen Zeitpunkt.29 Unter Kaiser Karl VI. (1685–1740) hatte Österreich zwar seine Stellung als Großmacht gefestigt; doch gab es keinen männlichen Thronfolger. In der „pragmatischen Sanktion“ war die Unteilbarkeit der österreichischen Länder sowie die weibliche Thronfolge festgelegt und auch durch Verträge international anerkannt worden.30 Dass trotz der Absicherung durch die Großmächte dennoch genügend Vorwände für einen Erbfolgekrieg gefunden werden konnten, war schon vor dem Ableben Karls abzusehen und es stand fest, dass die Kaiserwürde, die seit fast 300 Jahren in der Familie war, zumindest vorübergehend verloren gehen würde.31 28 Vgl. dazu auch Schedl 2018, 66 und 236 Anm. 227 und 228. 29 Die endgültige Publikation von Marquard Herrgott 1772 begleitet die Umbettung der Gebeine der Habsburger aus den schweizerischen Grablegen von Königsfelden und Basel in die damals österreichische Abtei St. Blasien im Schwarzwald. 30 Vocelka 2001, 84–87. 31 Vocelka 2001, 164–170. Der Wittelsbacher Kurfürst und Herzog Karl Albrecht von Bay-
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Die akribische Aufnahme aller Grablegen der Familie durch Marquard Herrgott entsprang daher nicht nur dem aufklärerischen Zeitgeist, auf umfassende Weise historische Orte zu dokumentieren, sondern vor allem dem Bedürfnis, die fürstliche Tradition zu zeigen und zu dokumentieren. Die Wiener Herzogsgruft wurde in dieser Zeit aber nicht nur dokumentiert, sondern auch modernisiert: In einem ersten Schritt wurden 1739 die offen – teilweise in Textilien oder Leder eingenähten – bestatteten Gebeine in moderne Särge umgebettet.32 Die sterblichen Überreste waren – bis auf eine Ausnahme, nämlich Katharina von Böhmen – durch beigegebene beschriftete Grabkreuze identifizierbar; die Bezeichnungen auf den aktuellen Särgen sind daher glaubwürdig. Salomon Kleiner zeigt in der Gruft einen ungepflasterten Bereich für Erdbestattungen, in dem drei Särge gefunden worden waren (Abb. 9).33 Die späteren Bestattungen (die Kinder von Kaiser Maximilian II.) unterscheiden sich dadurch, dass hier doppelte Särge vorliegen, nämlich durch Zinnblech ummantelte Holzsärge, die Kleiner im unteren Abschnitt seiner Darstellung nun auf einem gepflasterten Boden abbildet und beschreibt: Sandapilae stanneae, tres minores loculis ligneis inclusae.
3.5 Maria Theresia Mit der Umbettung der Gebeine in Särge schien die Herzogsgruft zwar geordnet, war aber dennoch ein beengter Raum, der den kaiserlichen Ansprüchen nicht genügte. Maria Theresia ließ 1754/55, nachdem sich ihre Herrschaft gefestigt hatte, die Gruft neu konzipieren.34 Es wurde aber nicht nur die Gruft erweitert, die wohl das Herzstück der Planung war, aber nur einen kleineren Teil des Umfanges der Arbeiten ausmachte. Denn nach der Schließung des Friedhofes 1723 war der Wunsch, sich in der Nähe von St. Stephan bestatten zu lassen, weiterhin vorhanden. Um diesem Bedarf nachkommen zu können, wurden die „Katakomben“ an der Ostseite des Domes errichtet. Durch die Schließung des Friedhofes war es erst möglich geworden, in diesem Bereich zu graben und die neuen Grüfte anzulegen. Mit den alten Kellern der Häuser, die großteils aus dem Mittelalter stammen, haben diese neu errichteten unterirdischen Räume nichts zu tun, sie nehmen keinen Bezug auf die alte Bebauung und überschneiden sich nur an einer Stelle mit ihr.35 In dieses System der unterirdischen Gänge und Grüfte wird auch die heutige Unterkirche mit einbezogen.36 Die Ostwand der alten Gruft wurde entfernt, und der große Ovalraum der neuen Gruft angebaut. Der so entstandene repräsentative Raum, in dem sowohl die Särge als auch die Urnen für die Intestina geordnet am Boden oder auf Konsolen
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ern wurde 1742 als Karl VII. zum Kaiser gewählt. Nach seinem Tod 1745 wurde Franz Stephan, der Gemahl Maria Theresias, Kaiser. Herrgott/Gerbertus 1772, Pars 1, 177–180, 198. Herrgott/Gerbertus,1772, Pars 2, Tafel XVI. Zykan 1981, 190–195. Zu dem sekundären Bestattungsort am Stephansfriedhof, der „Gruft zur Totenpain“ siehe Schedl 2018, 145; Buchinger 2004, 25–29. Zykan 1981, 192.
Herzogsgruft und Rudolfskenotaph
Abb. 10: Ansicht der neuen Herzogsgruft in der Wiener Stephanskirche nach Marquard Herrgott, aufgenommen von Salomon Kleiner, Kupferstich 1755.
aufgestellt waren, konnte am 18. März 1755 geweiht werden.37 Die Stiche, die bei Marquard Herrgott abgedruckt sind, zeigen den Unterschied deutlich – und wohl auch sehr bewusst (Abb. 9 und Abb. 10). Das Chaos der alten Gruft war nun beseitigt, eine neue Ordnung hatte sich durchgesetzt, die man stolz präsentierte. Die Grabplatte Herzog Rudolfs IV. ist nun am Scheitel der Ellipse an der Stelle in den Boden eingelassen, an der sie sich auch heute noch befindet, und dient als Markierung für den wichtigsten Platz in der Achse des Raumes, an dem der Sarg Rudolfs steht. Die beiden Inschriftentafeln aus dem Spätmittelalter und aus dem 18. Jahrhundert erklären die Situation. Von außen fällt durch das vergitterte Fenster natürliches Licht in die Gruft, frische Luft gelangt in den Raum. Mit dieser Umgestaltung hat die Gruft ihre heutige Form im Wesentlichen erhalten. Nach der barocken Neugestaltung war nun ein repräsentativer Raum entstanden, der aber nicht durchgehend gepflegt und wertgeschätzt wurde. Im neunzehnten Jahrhundert wurden die Grüfte unter St. Stephan – vor allem die außerhalb des Domes gelegenen – vornehmlich als ein Ort wohligen Gruselns wahrgenommen.38 Gruft und Unterkirche wurden daher geschlossen, der Zugang untersagt. 37 Ogesser 1779, 89. 38 Etwa in der Beschreibung des Ganges durch Frances Milton Trollope 1838, 190; oder in der Beschreibung der Katakomben von Adalbert Stifter aus dem Jahr 1841.
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Die Grüfte wurden unter Kardinal Joseph Othmar Rauscher 1872 neu organisiert und geordnet, schließlich 1901 erneut geschlossen.39 Sie waren offensichtlich auch für die Forschung nicht zugänglich, sodass sie (auch die Herzogsgruft!) in der 1931 von Hans Tietze herausgegebenen, umfassenden Kunsttopografie des Domes nur erwähnt, aber mit dem Hinweis auf ihren Zustand und ihre Unzugänglichkeit überhaupt nicht behandelt werden.
3.6 Sargöffnung 1933
Abb. 11: Wien, St. Stephan, Ansicht des 1933 geöffneten Sarkophags Herzog Rudolfs IV. mit ursprünglicher Bettung.
Die Nichtbeachtung bei Hans Tietze entsprach auch der allgemeinen Wahrnehmung der Gruft: Nach der letzten Neubestattung 1878 und nach dem Ende der Monarchie hatte die Fürstengruft weder eine Nutzung noch repräsentativen Wert, sondern nur mehr historische Bedeutung. Aber schon kurz darauf erwachte das Interesse an der Herzogsgruft wieder. Und es war nicht nur kunsthistorisches Interesse, sondern auch ein politischer Grund, der ähnlich gelagert war wie bei der Umgestaltung im 18. Jahrhundert. Die Identität Österreichs war nach 1918 alles andere als gefestigt. Der schon seit 1929 geplante Allgemeine Deutsche Katholikentag 1933 im Gedenken an die Türkenbelagerung 1683 sollte zwar die historische Bedeutung Wiens unterstreichen und hatte damit naturgemäß einen stark österreichischen Aspekt, war aber ursprünglich eben für den gesamten deutschen Sprachraum geplant.40 Die Entwicklungen des Jahres 1933 machten die Hoffnung auf viele deutsche Besucher zunichte, andererseits gewann dadurch die Betonung der Eigenständigkeit Österreichs enorm an Gewicht und damit wuchs auch der Bedarf an Symbolen für ihre Entstehung und Bedeutung. Einen wichtigen Beitrag lieferte dafür der Soziologe Ernst Karl Winter, der ein einflußreicher Berater von Bundeskanzler Dollfuß war, aber trotzdem in einem offenen Brief an Bundespräsident Wilhelm Miklas gegen die Ausschaltung des Parlaments protestiert hatte. Er verfasste seine Habilitationsschrift über Rudolf den Stifter und betonte darin seine Rolle als Förderer der österreichischen Eigenständigkeit und Unabhängigkeit vom deutschen Reich.41 Die Öffnung von Rudolfs Sarg am 3. März 1933, die Entnahme seines Grabtuches und die Ausstellung seiner Grabbeigaben zeigen die Wichtigkeit, die man ihm beimaß (Abb. 11).42 In der ideologisch sehr aufgeladenen Situation war der Rückgriff auf eine Blütezeit Wiens, die in so weiter Vergangenheit lag, dass man keine weiteren belastenden (und nicht beabsichtigten) Auswirkungen auf die damals bestehenden innenpolitischen Spannungen fürchten musste, angeraten. So war der Bezug auf die Zeit, in der Österreich mit dem Privilegium maius eine weitgehende Unabhängigkeit erreichte, ein hervorragender Beitrag, die Entwicklung eines neuen österreichischen Selbstbewusstseins, das sich nach 1918 erst langsam aufbaute, zu fördern.
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39 Tietze 1931, 264. 40 Der Allgemeine Deutsche Katholikentag fand vom 7.–12. September 1933 in Wien – aus Anlass des 250-Jahr-Jubiläums der Schlacht gegen die Osmanen (1683) statt. Vgl. dazu: https://www.oeaw.ac.at/tuerkengedaechtnis/home/feiern/250-jaehriges-jubilaeum-1933/ katholikentag-staatliche-tuerkenbefreiungsfeier (Zugriff am 14. Mai 2021). 41 Winter 1934–1936. 42 Niederstätter 2001, 170–171; Lhotsky 1976, 143–156.
Herzogsgruft und Rudolfskenotaph
3.7 Nachkriegszeit Beim Brand des Domes 1945 wurden die Deckplatten des Abganges zerstört, der Abgang aus dem Chor daraufhin stillgelegt. Bei der Umgestaltung von 1957 wurden die Konsolen für die Urnen entfernt, diese in den älteren Gruftraum gebracht und die Särge neu aufgestellt. 43 Zudem wurde eine neue Beleuchtung installiert. Der tonnengewölbte Raum unter dem Chormittelschiff, der den Zugang zur Herzogsgruft bildet, wird heute als Lapidarium genutzt, in dem – vor allem 1945 – beschädigte wertvolle Teile des Domes aufbewahrt werden. Die Gruft präsentiert sich als schlichter Raum, der den Besuchern die Bedeutung der Grablege für die mittelalterliche Entwicklung von St. Stephan dennoch deutlich vor Augen führt.
4. Das Rudolfskenotaph Die unterirdische Grablege wird im Kirchenraum durch das Kenotaph markiert und repräsentiert. Die Verbindung ist so selbstverständlich, dass es noch immer als Rudolfsgrab bezeichnet wird. Lange Zeit wurde es für ein fürstliches Hochgrab gehalten, in dem tatsächlich ein Herzog bestattet sei.44 Die aktuelle Aufstellung, die im Wesentlichen seit dem frühen 16. Jahrhundert besteht, veranschaulicht die Probleme, die die Kunstwissenschaft mit diesem Denkmal hat, sehr deutlich. Anlässlich der Umgestaltungen, die das Kenotaph 1952 und 1999 erfahren hat, wurde es gründlich untersucht – sowohl restauratorisch als auch kunstwissenschaftlich.45 Die Entstehung des Kenotaphs und seine heutige Erscheinung wurden dabei ausführlich dargelegt und auch die ursprüngliche Gestalt analysiert. Durch intensive wissenschaftliche Diskussion gerade über die Zeit Herzog Rudolfs IV. und die Erschließung von neuen Schriftquellen in den letzten Jahren46 haben sich aber noch einige zusätzliche Aspekte ergeben, die hier behandelt werden sollen.
4.1 Beschreibung Das Kenotaph befindet sich heute im nördlichen Seitenschiff zwischen den beiden östlichsten Pfeilern zum Mittelchor (C10 und C11). Auf einem aus Adneter Kalkstein gefertigten Sockel erhebt sich der eigentliche Körper, bestehend aus zierlichen Nischen mit kielbogigen Wimpergen (Abb. 12). Darüber ist eine profilierte Grabplatte mit umlaufender Inschrift angebracht: HOC · TUMULTA //· LOCO · POPULO/ · RECOLENDA //· DEVOTO · A LBERTI/ · DU//CIS · AUSTRALIS //IACET · INCLI//TA · PROLES / CONIUGIS · //IPSIUS · DE / FERRETISQ(UE) // · IOHANNE · (Begraben liegt all hier, verehrt vom 43 Zykan 1981, 192–194. 44 Testarello 1685, 2. Serie, 59–60 und Tilmez 1722, 289, sehen das Kenotaph als Grabmal für einen Sohn Albrechts, wobei sich dieser nicht festlegt, jener Herzog Friedrich (gest. 1362) annimmt. 45 Zykan 1952; Dahm, 2000; vgl. dazu auch den Beitrag von Manfred Koller in diesem Band. 46 Schedl 2018.
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frommen Volke, der hehre Sproß Albrechts von Osterlanden und seiner Gemahlin der von Ferrette (Pfirt) Johanna).47 Auf dem vertieften Mittelfeld liegen lose die Portraitfiguren Rudolfs IV. und seiner Gemahlin Katharina von Böhmen. Da die Grabplatte länger ist als der Zwischenraum zwischen den Pfeilern, mussten deren Dienste abgearbeitet werden. Der östliche Dienst wurde dabei sehr sorgfältig, mit einer Andeutung eines Figurentabernakels als Abschluss ausgearbeitet, der westliche Dienst dagegen wurde ursprünglich nur für die Platte geschlitzt. Heute ist die Abarbeitung in einer Schräge nach oben erweitert. Die aktuelle Aufstellung stammt erst aus dem Jahr 1999, entspricht aber weitgehend der Situation vor 1941.48 Die gegenwärtige Position des Kenotaphs, das zwischen zwei Pfeilern eingezwängt ist, dessen Südseite vom Chorgestühl verdeckt wird und das lediglich an der Nordseite freistehend ist, entspricht nicht unseren Vorstellungen von einem repräsentativen Grabmal. Vom Unterbau ist lediglich die Nordflanke mit ihren – nun leeren – Arkadennischen erhalten geblieben (Abb. 13). Ein entscheidender Faktor für die gegenwärtige Erscheinung des Rudolfskenotaphs ist das barocke Chorgestühl, das gemeinsam mit dem Hochaltar ab 1641 errichtet wurde (Abb. 14).49 Davor war das Kenotaph in seiner Position zwischen Mittel- und Frauenchor zu beiden Räumen hin offen, mit der Errichtung des Chorgestühles wurde es aber vom Mittelchor und von einer möglichen Sichtbeziehung
Abb. 12: Wien, St. Stephan, Rudolfskenotaph in seinem heutigen Zustand.
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47 Transkription der Inschrift nach Kohn 2002, 300. 48 Dahm 2000, 331. 49 Zykan 1981, 164–165.
Herzogsgruft und Rudolfskenotaph
Abb. 13: Wien, St. Stephan, Grundriss des Chores mit wechselnden Standorten des Rudolfskenotaphs und der Position des Grabmals von Kaiser Friedrich III.
Abb. 14: Wien, St. Stephan, Rudolfskenotaph mit Holzkonstruktion, Zustand in den 1930er-Jahren.
zu seinem historischen Pendant, dem Friedrichsgrab, völlig abgeschlossen. Die südliche Schauseite ging verloren oder war zumindest nicht mehr offen sichtbar.
4.2 Versetzungen und Untersuchungen 1952/1999 Um das Grabmal besser präsentieren zu können und es (wieder) freizustellen, wurde schon 1941 die Grabplatte auf einen niedrigen Sandsteinsockel im Frauenschiff versetzt.50 Nachdem die Figuren kriegsbedingt in den Katakomben eingelagert waren und dieser Bereich des Chores vergleichsweise gering beschädigt war, konnte nach Abschluss der wichtigsten Wiederaufbauarbeiten eine neue Zusammenstel50 Bundesdenkmalamt, Akten Stephansdom 1940; Zykan 1952, 21.
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Abb. 15: Wien, St. Stephan, Rudolfskenotaph in geöffnetem Zustand. Abb. 16: Wien, St. Stephan, Einzelteile des Rudolfskenotaphs, Zustand in der Nachkriegszeit.
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lung des Grabmales an der Nordseite des Frauenchores umgesetzt werden. Ein Grund für die Versetzung war aber auch die Errichtung der neuen Chororgel über dem barocken Chorgestühl als Ersatz für jene, die auf der Musikempore 1945 verbrannte. Diese Arbeiten wurden sehr sorgfältig durchgeführt und umfassend dokumentiert. Dabei wurde auch der Aufbau des Kenotaphs gründlich untersucht: Es stellte sich heraus, dass von der südlichen, vom Chorgestühl verdeckten Seitenwange nur der innere Teil der Arkaden erhalten war, und die äußeren Arkaden und die dazugehörigen Säulchen verloren sind. Das Kenotaph besteht aus unterschiedlichen Materialien: Nur die äußeren Schichten – Sockel, Arkaden und Grabplatte bestehen aus Adneter Kalkstein, die inneren Teile sowie die Liegefiguren aber aus Sandstein (Abb. 15 und Abb. 16). Die vorgefundenen Teile des Unterbaues bestanden aus der nördlichen Längswand, wobei einige Säulchen ebenso wie Kapitelle und Sockel fehlten, und dem stark abgearbeiteten Rest der südlichen Längswand. Die Schmalseiten des Unterbaues fehlten auch damals schon völlig. Das Hauptproblem für das Verständnis des ursprünglichen Kenotaphs sind aber die Maße: Die Grabplatte, auf der die Liegefiguren des Herzogspaares lose liegen, ist kürzer als der Unterbau (Abb. 12). Da sie aber rundum profiliert ist, muss sie als freistehende Platte konzipiert gewesen sein. Ein zusätzlicher Aufbau, der den Längenunterschied zwischen Unterbau und Platte ausgeglichen hätte, erscheint daher schwer vorstellbar. Alois Kieslinger meinte, dass die Grabplatte eine Kopie des 19. Jahrhunderts sei.51 Friedrich Schmidt hatte zwar 1889 geplant, das Grab zu überarbeiten, konnte dieses Projekt aber nicht umsetzen.52 Da noch immer Spuren von Halterungen für Leuchter und Prozessionshimmel zu erkennen sind, die im 19. Jahrhundert als Missstand erwähnt wurden53, und bei einer Kopie sicher nicht erneut angebracht worden wären, muss es sich um die originale, mittelalterliche Platte handeln. Ein weiteres Problem für die Rekonstruktion des Kenotaphs ergibt sich daraus, dass die Arkaden der Seitenwangen keinen Abschluss zeigen und damit keine Ecke
51 Kieslinger 1949, 293. 52 Schmidt 1889, 9. 53 Feil 1856, 12; Das Grabmal ist beschädigt und dient als Unterlage für einen Betchor. Am Sargdeckel sind Kolben angebracht, in denen täglich die Stangen des Speisehimmels sowie die von zwei Fahnen gestellt werden.
Herzogsgruft und Rudolfskenotaph
definiert ist, an der die Schmalseiten anschließen könnten. Bei der Rekonstruktion eines freistehenden Rudolfskenotaphs 1952 behalf man sich, dass man die Schmalseiten mit glatten Platten aus Adneter Stein ergänzte.54 Ebenso ergänzte man die fehlende Längswand, die nun nicht mehr vom Chorgestühl verdeckt war, aber nahe an der Nordwand des Domes positioniert und daher kaum sichtbar war. Zum Ausgleich der Längendifferenz zwischen Unterbau und Grabplatte wurde in der Stärke der Platte eine pultartig abgeschrägte Verlängerung angefügt. Durch die Positionierung an der Nordwand hinter dem Speisegitter war das Kenotaph den Besuchern näher gerückt und erlaubte damit einen besseren Blick auf die Liegefiguren. Wirklich gut sichtbar waren diese – als bedeutendster Teil des erhaltenen Monuments – aber dennoch nicht. Man entschied sich daher 1999, das Kenotaph wieder an seine Position zwischen die Pfeiler des Mittel- und Nordchores zu versetzen – und zwar an jenen Platz, an dem es sich entschieden am längsten befunden hatte.55 Für diesen Aufstellungsort konnte man den erhaltenen Originalbestand naturgemäß am besten einsetzen und fand mit nur geringfügigen Ergänzungen das Auslangen. Kleinere Änderungen wurden aber dennoch vorgenommen. An den Fotos der Zwischenkriegszeit erkennt man die damalige improvisierte Aufstellung (Abb. 13). Die Grabplatte war weit über die Unterkonstruktion hinaus nach Norden verschoben und musste, um nicht umzukippen, von einer sehr grob gezimmerten Holzkonstruktion gestützt werden. Um diese Situation zu verbessern, wurde nun nicht nur die Deckplatte mit den Liegefiguren, sondern auch der Unterbau so weit aus der Pfeilerachse nach Norden verschoben, dass die Deckplatte nicht mehr – wie in den historischen Abbildungen – vom barocken Chorgestühl überschnitten und teilweise verdeckt wurde. Dadurch konnte auch die ursprüngliche Beziehung zwischen der Seitenwange und der Deckplatte wieder hergestellt werden, sodass an der Nordseite die Profilierung der Platte an den Unterbau anschließt. Eine gewisse asymmetrische Erscheinung des Grabes bestand schon seit dem Einbau des Chorgestühls 1648, als damit die Südseite des Kenotaphs verdeckt und die Sichtbeziehung zum Mittelchor gestört worden war. Ob aber auch schon damals die Grabplatte nach Norden verschoben wurde (und wie weit), lässt sich nicht mehr mit Sicherheit feststellen. Mit dieser leicht modifizierten Rekonstruktion der neuzeitlichen Aufstellung des Kenotaphs ist wohl die geeignetste Zusammenstellung der vorhandenen Teile des Kenotaphs erreicht, auch wenn sie nicht dem ursprünglichen Zustand entspricht. Die fehlenden Querseiten des Unterbaues werden im Wesentlichen von den Pfeilern des Chores gebildet, so waren nur kleine Ergänzungen nötig, um die bestehenden Lücken zu schließen.
4.3 Historische Beschreibungen, barocker Zustand Die Beschreibungen aus der Barockzeit56 erwähnen zwar das Denkmal, geben seine Inschrift in unterschiedlicher Leseweise wieder, so transkripiert z. B. Testarello die Inschrift Albertis Ducis Australis inclyta Proles Coniugis ipsius de Ferretisque Johanna 54 Zykan 1952a. 55 Dahm 2000, 334. 56 Testarello 1685; Tilmez 1722, Fischer 1767 ff.; Ogesser 1779.
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Franz Zehetner
Abb. 17: Ansicht der Seitenwand und der Liegefiguren des Rudolfskenotaphs nach Anton Steyerer, Tafel XXIV und Tafel XXV, Kupferstich 1725.
Abb. 18: Ansicht der Seitenwand des Rudolfskenotaphs nach Marquard Herrgott, aufgenommen von Petrus Mayer, Kupferstich 1772.
und übersetzt sie mit: „Die Nachkommenschaft von Albrecht, dem Herzog von Österreich und seiner Frau Johanna von Pfirt“.57 Sie bieten aber keine detaillierte Beschreibung des ehemaligen Zustandes. Bemerkenswert sind aber die Darstellungen des Kenotaphs aus dem 18. Jahrhundert: Die Abbildung in Anton Steyerers Werk zu Herzog Albrecht II. aus dem Jahr 1725 zeigt die Deckplatte mit den Liegefiguren des Fürstenpaares und die Seitenansicht mit einer Längswange (Abb. 17).58 Die beiden Liegefiguren überschneiden den Randstreifen der Grabplatte. Damals fand man zwischen den Beinen der beiden Figuren noch Platz für das Modell einer eintürmigen Kirche, das heute verloren ist. Den hinteren Teil der Platte konnte er nicht sehen, er füllte diesen
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57 Testarello 1685, 2. Serie, 40, 59. 58 Steyerer 1725, Tafel XXIV und XXV.
Herzogsgruft und Rudolfskenotaph
Bereich des Randstreifens mit einer Wiederholung der vorhandenen Inschrift in Antiqua-Buchstaben und bietet damit eine für die Zeitgenossen leichter lesbare Übersetzung des originalen mittelalterlichen Textes. Der Stich von Petrus Mayer bei Marquard Herrgott zeigt das Kenotaph in ähnlicher Weise (Abb. 18).59 Die genaue Datierung des Stiches ist aufgrund der Entstehungsgeschichte des Bandes schwierig. Angesichts der Änderung in der Paginierung dürfte die Darstellung aber doch noch zu Lebzeiten Marquard Herrgotts, also vor 1762, aufgenommen worden sein und nicht erst für die redigierte Endfassung Gerberts 1772.60 Die Darstellungen der Grabplatte weichen nur geringfügig voneinander ab (Abb. 17 und Abb. 18). Bei Marquard Herrgott ist zwischen den Köpfen des Herzogspaares noch ein Federhelm dargestellt. Bemerkenswerte Unterschiede treten aber bei der Darstellung der Längswände sowie der Beziehung von Unterbau und Deckplatte auf: Während bei Herrgott die Unterschiede der Maße von Deckplatte und Unterbau evident sind, wird bei Steyerer eine passende Beziehung zwischen diesen beiden Elementen gezeigt. Am auffälligsten sind aber bei beiden Darstellungen die acht sitzenden Figuren, welche die Nischen der Längswangen ausfüllen. Die Figuren sind in ihren bewegten Posen deutlich individualisiert dargestellt, aber es lassen sich keine übereinstimmenden Figuren finden, die in beiden Drucken wiedergegeben sind. Auch die Ornamentik der Kielbögen und die Wandgliederung sind bei beiden Darstellungen unterschiedlich. Diese Unterschiede werden auch schon von Gerbert 1772 festgehalten.61 Josef Zykan schlug zur Erklärung der Unterschiede vor, dass bei Marquard Herrgott die nördliche, frei sichtbare Seite dargestellt wurde, wohingegen Steyerer die verdeckte südliche Seite zeigte, die er von älteren Darstellungen gekannt haben könnte.62 Allerdings ist über ältere Bildquellen nichts bekannt.
4.4 Umgestaltung im späten 18. Jahrhundert Während die beiden barocken Ansichten zumindest noch Eindrücke eines heute verlorenen Zustandes des Rudolfskenotaphs bieten, zeigen die Darstellungen des 19. Jahrhunderts im Wesentlichen den heutigen Zustand. Auf ihnen fehlen bereits die Nischenfiguren, die Skulptur der Katharina ist an ihrem Kopfpolster abgearbeitet, ebenso wie der ihr zu Füßen liegende Löwe. Von besonderem Interesse sind hierfür die Druckwerke von Ladislaus Rupp und Franz Tschischka.63 Sie bieten wertvolle Quellen zum Zustand des Domes und seiner Ausstattung im frühen 19. Jahrhundert. Das Rudolfskenotaph stellen sie in unterschiedlichen, einander ergänzenden Ansichten dar (Abb. 19 und Abb. 20). Während in Tschischkas Publikation64 nur die Draufsicht auf die Platte und die Liegefiguren abgedruckt wird, gibt Rupp65 nur die Seitenansicht wieder. In der Zusammenführung der beiden 59 60 61 62 63 64 65
Herrgott/Gerbertus 1772, Tafel XV. Ortner 1972; vgl. dazu auch Anm. 27 in diesem Beitrag. Herrgott/Gerbertus 1772, Pars I, 172. Zykan 1952a, 22. Rupp 1824 ff.; Tschischka 1832. Tschischka 1832, Tafel XXXV. Rupp 1824 ff., Tafel.
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Franz Zehetner
Abb. 19: Ansicht des Rudolfs kenotaphs nach Ladislaus Rupp, 1824.
Abb. 20: Ansicht des Rudolfs kenotaphs nach Franz Tschischka, 1832.
Darstellungen des frühen 19. Jahrhunderts lässt sich die Veränderung gut rekonstruieren. Bei Rupp sind die äußersten Nischen durch klassizistische Sockel verdeckt, die aber an der Grabplatte enden. Bei Tschischka sind die Abarbeitungen an der Figur Katharinas gut zu erkennen und durch weiße Flächen gekennzeichnet. Beide Darstellungen zeigen Teilansichten einer Stützkonstruktion – wohl für ein Oratorium. Der Zusammenhang wird im Domgrundriss Tschischkas erkennbar (Abb. 21). Er gibt sowohl die kleinen Säulchen der Nischen des Unterbaus des Kenotaphs wieder als auch zwei mächtige Pfeiler, die auf dem Monument stehen, sowie eine Treppe, die an den Abschlusswänden des Frauenchores entlang zum Oratorium hinaufführt. Über dieses Oratorium ist nicht viel bekannt, es kann auf einer Abbildung, die 1801 anlässlich des 50-jährigen Bischofsjubiläums Erzbischof Migazzis angefertigt wurde, mehr erahnt als gesehen werden (Abb. 22).66 Es wurde um 1869 abgebaut.67 Tietze meint, es wäre bei der barocken Umgestaltung des Chores unter Bischof Breuner um 1647 errichtet worden.68 Da die Konstruktion aber sehr weitgehend
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66 Wenzel Staul, Wien Museum. 67 Tietze 1931, 73. 68 Tietze 1931, 73.
Herzogsgruft und Rudolfskenotaph
Abb. 21: Wien, St. Stephan, Grundriss, Ausschnitt des Chores nach Franz Tschischka 1832.
Abb. 22: Wenzel Staul, Bischofsjubiläum von Erzbischof Migazzi mit Ansicht des Oratoriums, Aquarell 1801. 295
Franz Zehetner
in den Bestand des Kenotaphs eingreift, kann sie wohl erst nach den Stichen, die bei Steyerer und Herrgott abgebildet sind, entstanden sein (Abb. 17 und Abb. 18). Ogesser erwähnt es 1779 als das „Neue Bischofsoratorium“.69 Daraus ergibt sich, dass das Oratorium im Zeitraum zwischen 1750 und 1779 entstanden sein dürfte. Im Zuge dieser Baumaßnahme haben sich die Funktion und das Erscheinungsbild des Kenotaphs entscheidend verändert, denn es wurde nun als Sockel für die Stützkonstruktion des Oratoriums genutzt: Um Platz für die Säulen zu erhalten, wurde die Skulptur der Katharina abgearbeitet, und um die Grabplatte zu stützen, wurden die äußeren Nischen geschlossen, von Säulensockeln verdeckt und wohl auch ausgemauert.70 Es ist anzunehmen, dass man im Zuge dieser Maßnahmen die Sitzfiguren aus den Nischen entfernte. Die barocken Grundrisse zeigen die Position des Chorgestühles nicht exakt genug, um seine genaue räumliche Beziehung zum Kenotaph feststellen zu können. Es ist daher denkbar, wenn auch nicht wahrscheinlich, dass das barocke Chorgestühl mit größerem Abstand zur Wand angebracht war71 und die Grabplatte erst bei den Umgestaltungen des 18. Jahrhunderts nach Norden verschoben wurde. Schon vor der Erweiterung des Chorgestühles im 20. Jahrhundert – bis 1945 wies es nur jeweils zwei Sitzreihen auf jeder Seite auf 72 – muss das Chorgestühl abgebaut und dabei unter Umständen auch verändert worden sein: Bei der Erweiterung der Herzogsgruft 1754/5573 musste der Chorraum betroffen worden sein. Für eine „bergmännische“ Errichtung des Gewölbes der Gruft ist die Überdeckung zu gering. Die Grabungsarbeiten mussten also von oben durchgeführt werden und betrafen damit den gesamten Mittelchor. Das Chorgestühl überlappt aber den Baubereich doch erheblich, sodass anzunehmen ist, dass dieses dafür abgebaut werden musste. Es ist also durchaus vorstellbar, dass erst im Zuge dieser Arbeiten die südliche Längswange des Kenotaphs verloren gegangen ist. Damit hätte Steyerer bzw. Petrus Mayer 1725 noch die Möglichkeit gehabt, wenn auch mit Mühe, die Südseite des Kenotaphs zu sehen. Die Unterschiede in den Längsansichten des Kenotaphs zwischen Steyerer und Herrgott wären dann nicht auf unterschiedliche Stilauffassungen oder eine ältere Vorlage, sondern auf unterschiedliche Ansichten des Kenotaphs zurückzuführen.
5. Historischer Kontext Die Zusammenstellung des Kenotaphs zwischen den Pfeilern des Frauenchores entspricht ganz offensichtlich nicht der ursprünglichen Anordnung und Position, auch wenn sie sich – nicht zuletzt durch die praktischen Versuche einer Neuaufstellung im 20. Jahrhundert – als alternativlos erwiesen hat. Für die Rekonstruktion der ursprünglichen Gestalt des Kenotaphs wurden schon mehrere Vorschläge gemacht.74
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69 Ogesser 1779, 145. 70 Die beiden Bildquellen zu diesem Zustand sind nicht ganz einheitlich, was die Breite der Säulensockel und ihr Verhältnis zu den Nischen betrifft, aber sie zeigen beide, dass die äußeren Figurennischen zumindest großteils verdeckt waren. 71 Etwa beim Grundriss, der von Tim Juckes in diesem Band behandelt wird. 72 Vgl. dazu den Beitrag von Tim Juckes in diesem Band und dort Abbildung 1. 73 Ogesser 1779, 89. 74 Zykan 1952a, 21–31; Dahm 2000, 331–346; Schedl 2018, 67, 236 Anm. 231.
Herzogsgruft und Rudolfskenotaph
Die beiden Epitaphe – das eine für Herzog Rudolf IV., das andere für seinen 1362 verstorbenen jüngeren Bruder, Herzog Friedrich III. – an der Südseite des Mittelchores befinden sich in unmittelbarer Nähe der Grablege.75 Die Markierung der Grablege durch das Kenotaph kann sich nur in unmittelbarer Nähe der Gruft befunden haben, für die konkrete räumliche Beziehung zwischen Gruft und Kenotaph können die älteren habsburgischen Grablegen von Königsfelden und Gaming, die Marquard Herrgott abbildet, herangezogen werden. Das Kenotaph befindet sich knapp östlich des Abganges in den Gruftraum. Noch am 4. März 1506 ordnete Kaiser Maximilian in einem Brief an, das allt Grab von der Mitte der Kirche in die Zwölfbotenabseite, also in das südliche Chorschiff zu verlegen, um an seiner Stelle das Grabmal für seinen Vater Friedrich zu errichten.76 Das bedeutet, dass wohl noch zu diesem Zeitpunkt das Rudolfskenotaph mitten im Chor stand und nicht, wie in der Forschungsliteratur vorgeschlagen, bereits 1493 mit der ersten Bestattung Kaiser Friedrichs III. zwischen die Chorpfeiler zum Frauenchor versetzt wurde.77 Denn vom Friedrichsgrab war wohl damals – wie erwähnt – nicht viel mehr als die Deckplatte von Niclas Gerhaert fertiggestellt. Nachdem das Friedrichsgrab schlussendlich im Apostelchor errichtet wurde, kann sich das Rudolfskenotaph aber auch noch einige Jahre an seiner zentralen Stelle befunden haben.78 Wenn auch die ursprüngliche Position des Kenotaphs damit wohl gesichert ist, müssen wir über das konkrete Aussehen aber weiterhin rätseln. Zur Rekonstruktion des Aussehens können die schon erwähnten Vorbilder Königsfelden und Gaming helfen (Abb. 7 und Abb. 8).79 Bei allen drei Grablegen führt aus dem Mittelschiff eine offene Treppe in die Gruft hinunter. Die Grablege von Herzog Albrecht II. und Johanna von Pfirt in Gaming und die Grablege in Königsfelden, die beide – im Gegensatz zur Wiener – bis zum 18. Jahrhundert kaum verändert worden waren, zeigen einen mehr oder weniger schmucklosen Quader, der direkt hinter dem offenen Abgang errichtet wurde, während Liegefiguren, Pleurants oder sonstige Nischenfiguren, wie sie die Darstellung des Rudolfskenotaphs aufweist, fehlen. Der die Grablege markierende Quader in Königsfelden besitzt im Gegensatz zu den anderen Beispielen eine hölzerne Schranke bzw. einen Aufbau, der sicher aus dem Mittelalter stammt dessen Funktion aber unbekannt ist.80 Es ist daher anzunehmen, dass auch für die Wiener Herzogsgrablege ursprünglich eine ähnliche schmucklose Tumba ausgeführt wurde.81 Auf diese Gestaltung weist auch die Tatsache hin, dass die Grabplatte nicht für die lose aufliegenden Liegefiguren konzipiert worden ist, die den ihnen zugewiesenen Platz nicht sehr überzeugend ausfüllen und die Randinschrift überlappen. Auch wenn die Figu75 76 77 78
Vgl. dazu den Beitrag von Barbara Schedl in diesem Band und dort die Abbildung 8. Schedl 2018, 130. U. a. Zykan 1952a; Dahm 2000. Wie es nach den Berichten von Philipp Gundel und Georg Wech über die Feierlichkeiten 1513 und 1519 zu schließen ist. Rudolf 2019, 251 (Dokument 7), 255 (Dokument 10). 79 Zum Verhältnis der Wiener Herzogsgruft zu Gaming und Königsfelden siehe auch Dahm 2000, 342–344. 80 Kurmann-Schwarz 2008, 52–53; Moddelmog 2012, 128, vergleicht diese quaderförmige Tumba mit einem Altar und leitet diese von ähnlich ausgeführten Monumenten des Speyrer Königschores es ab. 81 Dahm 2000, 342.
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ren wahrscheinlich schon kurz nach Rudolfs Tod in das Grabmonument integriert wurden, war die Platte wohl ursprünglich leer. Dem entspricht auch, dass sich die Inschrift auf der Platte auf die gesamte Nachkommenschaft Albrechts und Johannas bezieht, nicht allein auf Rudolf IV. und seine Gemahlin Katharina. Andererseits ist es aber schwer vorstellbar, dass sie ursprünglich aus einem anderen Zusammenhang stammten. Sie sind mit ihren Kissen eindeutig als Liegefiguren charakterisiert und können damit nicht dem Ensemble der Standfiguren, die sich heute im Wien Museum befinden, zugeordnet werden. Die Personalisierung des Kenotaphs für Rudolf dürfte noch von Katharina von Böhmen stammen, und zwar aus der Zeit vor ihrer Hochzeit mit Markgraf Otto von Brandenburg 1366.82 Der Unterbau wird dagegen wohl noch länger schmucklos geblieben sein. Nach wie vor waren die Voraussetzungen für ein freistehendes Monument nicht gegeben, die schon oben behandelten Unterschiede in den Maßen der einzelnen Elemente des Kenotaphs (Grabplatte, Sockel, Nord- und Südwange) machen ein aus ihnen aufgebautes, freistehendes Monument schwer vorstellbar. Um diese Diskrepanz aufzulösen, wurde vorgeschlagen, dass das Kenotaph an einen Altar anschloss oder von einem Baldachin überspannt wurde, der die Übergänge kaschierte.83 Ein solcher Altar ist auch im Zusammenhang mit der Herzogsgruft in den Schriftquellen erwähnt. Der bereits 1334 gestiftete Gottsleichnamsaltar wurde – wohl auf Veranlassung von Herzog Rudolf IV. – 1363 von seinem ursprünglichen Standort im Mitteljoch des Lettners nach Osten verschoben und über dem Gewölbe der Herzogsgruft im Mittelchor aufgestellt.84 Zur Rekonstruktion des ursprünglichen Stifterkenotaphs bietet sich der Vergleich mit dem von Rudolf 1362 gestifteten Grabmal für den heiligen Koloman in Melk an, das in einem Stich von 1722 überliefert ist (Abb. 23).85 Während in Melk der Heilige tatsächlich im Monument bestattet war, handelt es sich in Wien lediglich um ein Scheingrab. Dennoch bestehen gewisse formale Gemeinsamkeiten etwa bei der Gestaltung des Unterbaus mit den Figurennischen und der Liegefigur. Beim Kolomanigrab schloss sich direkt an das Grabmal ein Altar an. Wenn man für das ursprüngliche Rudolfskenotaph eine ähnliche Erweiterung des Aufbaues annähme, könnte man zwar dadurch die unterschiedlichen Maße von Unterbau und Grabplatte erklären. Die Kombination von Grabmal und Altar ist aber hier wohl auszuschließen. Zwar wird ein Altar in der Nähe des Kenotaphs erwähnt, eine bauliche Einheit ist aber nur beim Grab eines Heiligen, nicht aber beim Grabmal für einen weltlichen Stifter denkbar.86 Auch die Errichtung eines Baldachins, wie er in Melk bestand und beim Grabmal von König Kasimir III. (1310–1370) in der Kathedrale von Krakau noch besteht, ist bei der Form der Grabplatte des Rudolfs-
82 83 84 85 86
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Dahm 2000, 345. Zykan 1952a, 31. Zykan 1952a, 21–31; Schedl 2018, 45, 59–61, 62, 215. Zykan 1952a, 21–31. Die Gottesdienstordnung von 1363 oder der Große (Zweite) Stiftsbrief von 1365 erwähnen den Gottsleichnamsaltar über der Herzogsgruft; selbst im 15. Jahrhundert wird der Altar in die Liturgie des Kollegiatkapitels einbezogen. Vgl. dazu Schedl 2018, 59–61. Auch Philipp Gundel erwähnt den Altar beim Grab 1564; Rudolf 2019, 251 (Dokument 7).
Herzogsgruft und Rudolfskenotaph
Abb. 23: Ansicht des Kolomangrabmals in der Siftskirche Melk nach Philibertus Hueber, Kupferstich 1722.
kenotaphs ausgeschlossen.87 Die regelmäßig in die Inschrift eingefügten Leerräume sind zu klein, um stabile Säulen aufzunehmen, sie dienten wohl eher für die in den Stiftungen vorgesehenen Kerzen, die auf dem Grab angezündet werden sollten.88 Für den Aufbau eines Baldachins ist auch die statische Voraussetzung nicht gegeben: Die Grabplatte springt nicht – wie in Krakau89 – zurück, sondern kragt aus, sodass das Gewicht des Baldachins weitgehend von der dünnen Platte aufgenommen werden müsste. Das Kenotaph kann also seine Seitenwangen mit den Nischen für die Sitzfiguren erst nach seiner Versetzung aus der Mitte des Chores an seine heutige Stelle zwischen den Chorpfeilern als Unterbau erhalten haben. Für die Herkunft der Seitenwangen hatte schon Friedrich Dahm Bauteile des Lettners vorgeschlagen.90 Die Längswangen mit den Arkadenelementen würden sehr gut als Brüstungsgeländer für einen Lettner passen. Das Problem der räumlich auszubildenden Ecke, das bei einem freistehenden Monument gelöst werden muss, stellt sich in dieser Anordnung zwischen den Chorpfeilern nicht. Tatsächlich gab es in St. Stephan einen Lettner, der sich als Hallenlettner über drei Schiffe erstreckte.91 Er hatte eine neunteilige Gliederung, die sich gleichmäßig über die gesamte Breite des Kirchenlanghauses verteilte. Die einzelnen Joche waren gewölbt, im Mittelschiff besaß der Lettner zwei Portale; in den Seitenschiffen 87 Grabmal Kasimirs III, in: Herder-Institut (Hrsg.): Dokumente und Materialien zur ostmitteleuropäischen Geschichte. Themenmodul „Polen in der Piasten- und Anjouzeit“, bearb. von Paul Srodecki (Gießen/Ostrava). URL: https://www.herder-institut.de/resolve/qid/3145.html (Zugriff am 3. Mai 2021). 88 Dahm 2000, 342. 89 Grabmal Kasimirs III, in: Herder-Institut (Hrsg.): Dokumente und Materialien zur ostmitteleuropäischen Geschichte. Themenmodul „Polen in der Piasten- und Anjouzeit“, bearb. von Paul Srodecki (Gießen/Ostrava). URL: https://www.herder-institut.de/resolve/qid/3145.html (Zugriff am 3. Mai 2021). 90 Dahm 2000, 346. 91 Zum Lettner vgl. Schedl 2018, 133–135.
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Abb. 24: Wien, St. Stephan, Rekonstruktion des Lettners im Mittelschiff nach Rückbau im 15. Jahrhundert.
mittig jeweils eines. Die Anordnung der Portale ergibt sich aus der in den Schriftquellen genannten Position der Altäre sowie einer Skizze aus dem Jahr 1528 von Jörg Kölderer.92 Der direkten Übernahme von Elementen des Lettners in das Kenotaph in seiner aktuellen Form widersprechen aber zeitliche Argumente, da der Abbau des Lettners und die Umgestaltung des Rudolfskenotaphs zeitlich nicht zusammenfallen: Der Lettner wurde im Bereich der Seitenschiffe in den 80er-Jahren des 15. Jahrhunderts entfernt.93 Dies geht u. a. aus der Neuaufstellung des Sigmund- und Wolfgangaltars hervor. Zumindest bis in die 30er-Jahre des 16. Jahrhunderts dürfte damit lediglich der Mittelteil des Lettners in St. Stephan bestanden haben (Abb. 24). Die Umgestaltung der liturgischen Einrichtung des Chores in der Zeit um 1480, als auch das gotische „Rollinger-Chorgestühl“ gebaut wurde, könnte auch die Fürstengrablege betroffen haben.94 Wie bereits erwähnt, ist die Position des Kenotaphs im Mittelchor 1506 gesichert;95 allerdings erfährt man auch in diesem Dokument nichts über sein Aussehen. Einen Hinweis auf das mittelalterliche Aussehen liefert aber Georg Wech, der sich 1564 an die Feierlichkeiten anlässlich der Exequien von Kaiser Maximilian 1519 erinnert und ein hochs stayines grab vergattert mitten im kor erwähnt.96 Diese Beschreibung deutet zum einen darauf hin, dass noch 1519 das Rudolfskenotaph im Mittelchor gestanden ist, und zum zweiten, dass es umfriedet, vergattert, war. (Abb. 25) Dass so kurz nach der endgültigen Fertigstellung des Friedrichsgrabes die Versetzung noch nicht ausgeführt worden war, ist nicht verwunderlich, vor allem da die Kräfte der Bauhütte für die Restaurierung der Turmspitze wohl ausgelastet
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92 Schedl 2018, Abb. 10, 11, 12 und Abb. 13, sowie 266 Anm. 615. Der Baumeister von Erzherzog Ferdinand I., Jörg Kölderer, verfertigte eine Handzeichnung des Langhauses von St. Stephan, um eine mögliche Aufstellung des Grabmals für Kaiser Maximilian I. zu prüfen. Im September 1528 legte er einen Bericht und eine Skizze dafür vor. 93 Schedl 2018, 134–135. 94 Zu den Arbeiten von Tischlermeister Wilhelm Rollinger siehe Perger 2005, 166–170. 95 Schedl 2018, 130. 96 Bojcov 2019, 65; Rudolf 2019, 255 (Dokument 10).
Herzogsgruft und Rudolfskenotaph
Abb. 25: Wien, St. Stephan, Rekonstruktion des Rudolfskenotaphs mit Umfriedung im 15. Jahrhundert.
waren. Das Gitter, das nicht weiter beschrieben wird, aber auch in keiner anderen Quelle vorkommt, wird angesichts der Nähe zum „Koraltar“ wohl nicht sehr hoch gewesen sein. Mit der Umschrankung des Kenotaphs könnten die ehemaligen Brüstungselemente des Lettners, in Zweitverwendung, gedient haben. Die dadurch geschaffene Einbeziehung dieser Lettnerelemente in das Kenotaph wurde wohl bei der Neuzusammenstellung nach 1519 – zwischen den Chorpfeilern – aufgenommen und prägt die Erscheinung des Kenotaphs bis heute (Abb. 11).
6. Konklusion Die ursprüngliche Form des Rudolfskenotaphs ist – solange keine weiteren Schriftoder Bildquellen auftauchen – nicht mit Sicherheit zu bestimmen. Die Gestaltung von Gruft und Kenotaph entspricht den Fürstengrablegen von Gaming und Königsfelden, wie sie bei Marquard Herrgott im 18. Jahrhundert dokumentiert sind, mit einer hohen Wahrscheinlichkeit. Das betrifft vor allem den offenen Treppenabgang in die Gruft, die Aufbahrung der Leichname und den quaderförmigen Tumbaaufbau. Eine Ergänzung der Tumba in St. Stephan um die Liegefiguren ist schon für das 14. Jahrhundert – wohl veranlasst von Katharina von Böhmen –
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anzunehmen. Für die Herkunft der Längswände des Kenotaphs mit Figuren in den Arkadennischen, wie sie bei Steyerer und Marquard Herrgott abgebildet sind, könnten Brüstungselemente der Seitenteile des Lettners gedient haben, der in den 1480er-Jahren rückgebaut wurde. Vor der Versetzung des Kenotaphs zwischen die Chorpfeiler war dieser – möglicherweise auch der gesamte Eingangsbereich in die noch offene Gruft – mit den ehemaligen Zierelementen des Lettners abgeschrankt. Die Versetzung des Rudolfskenotaphs von der Mitte des Chores an seine heutige Position zwischen den Pfeilern des Nordchores nach 1519 dürfte im Zusammenhang mit der Errichtung des Friedrichsgrabes stehen. Nunmehr ging die optische Dominanz auf das Friedrichsgrab über, das ein nicht zu übersehendes Kunstwerk im Stephansdom darstellt, ein kleineres Pendant dazu wäre eine unliebsame Konkurrenz gewesen. Durch die Aufstellung zwischen den Pfeilern war aber das Kenotaph in in der Längsrichtung des Domes verdeckt und für die meisten Besucher nicht mehr wahrzunehmen. Die im 16. Jahrhundert hergestellte Beziehung zwischen den beiden Grabdenkmälern, die in der Querachse die Schiffe des Chores überspannte, ist heute nicht mehr zu erleben. Letztendlich hatte die Fürstengruft mit der Errichtung des Friedrichsgrabes ihre Funktion als Hauptgrablege der Herzöge verloren, dementsprechend war auch ihre Markierung durch das Rudolfskenotaph nicht mehr so wichtig. Wie gezeigt wurde, verlor das Rudolfskenotaph vor allem in der Neuzeit seine Bedeutung, wurde durch das barocke Chorgestühl teilweise verdeckt, diente als Unterbau für das Bischofsoratorium und wurde seiner Nischenfiguren beraubt. Die erhaltenen Reste aber wurden schon seit dem 17. Jahrhundert hoch geschätzt und lassen die Qualität der Künstlerwerkstätten am Wiener Hof im 14. Jahrhundert eindrucksvoll erkennen.
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Norbert Nussbaum
Beobachtungen zur relativen Chronologie von Langhaus und Südturm des Wiener Stephansdomes Diese kleine Studie zielt auf eine sehr begrenzte Fragestellung ab, nämlich auf Vor-, Nach- oder Gleichzeitigkeit der Bauausführung der im Titel genannten Bauteile des Stephansdomes. Sie stützt sich weder auf eine Rekapitulation der archivalischen Baudaten noch auf die umfängliche Forschungsliteratur, welche diese Frage aufgeworfen hat, weil sie ohne weitere Interpretationsabsicht dazu dienen soll, den Bau selbst zum Sprechen zu bringen. Dem erkenntnisleitenden Interesse wurde deshalb ausschließlich durch Baubeobachtungen nachgegangen, die in zwei kurzen Begehungen des Frühjahres und Sommers 2016 dort erfolgten, wo die Baugerüste es zuließen. Rückschlüsse der Befundung auf die absolute Bauchronologie ergaben sich nicht; deshalb verzichte ich vollständig auf ein Eingreifen in die Debatte um die genaue Zeitstellung der für Langhaus und Südturm anzunehmenden Baukampagnen. Die Ergebnisse basieren auf fruchtbarer Zusammenarbeit mit dem Dombaumeister Wolfgang Zehetner und den Fachkräften der Wiener Dombauhütte – allen voran dem Bildhauer Philipp Stastny –, die an der kleinen Untersuchung in gleichem Maße beteiligt waren wie der Autor, der hier lediglich als dankbarer Berichterstatter fungiert. Mein Dank gilt ebenso Barbara Schedl, mit der ich die Befundlage vor Ort erörtern durfte. Johann Josef Böker hat mit wachem Auge einige neuralgische Stellen an den Nähten zwischen südlicher Langhausmauer und Südturm in den Blick genommen, die über unsere Frage Auskunft geben können. Er kommt zu dem Ergebnis, die Langhausmauer sei dem Turm nachträglich angefügt worden, und zwar auf der Grundlage einer eigenen, vom Turm unabhängigen Planung.1
1. Beobachtungen an den Innenwänden In Bezug auf die Bauspuren im Innern des Domes stützt Böker sein Urteil auf zwei Hinweise: 1. Das als Birnstab ausgeführte äußere Profil der Langhausfenster, das vor den geschlossenen Sockelwänden unter den Fenstern hinabgeführt ist, steht an der Anschlussstelle des östlichen Langhausfensters an den Südturm auf einer kleinen Basis, die der Sockelbank der Wand aufgesetzt ist. Diese Basis fehlt an den westlich anschließenden Fenstergewänden. Böker diagnostiziert der Vorlage einen „Versuchscharakter“,2 der durch einen noch unstimmigen Anschluss des Langhauses an den nordwestlichen Turmpfeiler zustande gekommen sei. Eine solche Auffassung ist nachvollziehbar, aber nicht zwingend. 1 2
Böker 2007, 133, 145–147. Böker 2007, 145.
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2. Das dem besagten Fenster paarig zugeordnete Fenster ist der inneren Turmwand als Blende eingesetzt (Abb. 1). Den das Paar trennenden Halbpfeiler sieht Böker mit Vertikalfuge gegen die nordwestliche Turmkante gesetzt, und in der Fensterblende verfolgt er eine abgetreppte Baufuge, wie sie bei abzustrebenden temporären Bauzuständen häufig zu beobachten ist. Auch erkennt er in dem mangelnden Einbund der Blendmaßwerkstäbe ein Indiz für den nachträglichen Anbau der Langhauswand an den Turmkörper. Er weist allerdings zu Recht darauf hin, dass diese Partie extensiv neuzeitlich überarbeitet wurde.3 Die Stelle ist ohne Gerüststellung nicht hinreichend zu erkunden; sie harrt einer genaueren Überprüfung. Allerdings ist Bökers Argumentation widersprüchlich: Falls die beobachtete Baunaht tatsächlich abgetreppt verläuft, hätte der fenstertrennende Halbpfeiler in den oberen Wandzonen kraftschlüssig und im Verband mit dem neu angesetzten Quaderwerk der Blende versetzt werden können. Sicher scheint, dass sowohl die südliche als auch die nördliche Langhausmauer bis zur Höhe der Fenstersohlbänke in weitgehend störungsfreien Kampagnen aufgeführt wurden. Insbesondere sind alle Pfeilervorlagen mit mehr oder minder ausgeprägten Bossen in die Fensterwände integriert, wenngleich sie deren Lagerfugen zumeist nicht aufnehmen, sodass Ausklinkungen im Flächenmauerwerk den Verband herstellen. Diese Versatzvariante ist im 13.–16. Jahrhundert in den europäischen Hausteingebieten sehr weit verbreitet. Es fällt auf, dass das an der Sohlbankkante vorbeistreichende Rundprofil der Wandpfeiler genau in Höhe der Tropfnase der Sohlbänke abrupt in einen Birnstab wechselt (Abb. 1 und Abb. 2), und dies sowohl an der Nord- als auch an der Südmauer. Ein solch einheitlicher Profilwechsel lässt sich baubetrieblich nur dadurch
Abb. 1: Wien, St. Stephan, Fotogrammetrische Ansicht der südlichen Langhausinnenwand mit Eintrag des wechselnden Dienstprofils der Wandpfeiler. Rot: Rundstab. Gelb: Birnstab.
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Böker 2007, 145.
Beobachtungen zur relativen Chronologie von Langhaus und Südturm
Abb. 2: Wien, St. Stephan, Südliche Langhausinnenwand, Profilwechsel am 6. Wandpfeiler von Westen.
erklären, dass beide Langhausmauern bis zur Höhe der Fensterbänke aufgeführt waren, bevor in möglicherweise parallelisierten Kampagnen die Lichtgaden erbaut wurden. Die einzige Abweichung von dieser Systematik zeigt auf der Südseite der Wandpfeiler zwischen dem östlichen Fenster und dem Bildfenster an der Flanke des Südturmes – eben jener Pfeiler, den Böker als dem Turmkörper angeschoben interpretiert. An ihm erfolgt der Profilwechsel erst in Höhe des Fialriesen über dem Figurenbaldachin. Reichte das Birnstabprofil am östlich benachbarten Pfeiler nicht wiederum mindestens bis zum unteren Ansatz des Bildfensters hinab – am Wandsockel verdeckt der hier eingefügte Baldachin das Vorlagenprofil – dann ließe sich der Befund für Bökers Überlegung der abgetreppten Baunaht an dieser Stelle verwerten, verbunden mit der Hypothese, der Aufbau der südlichen Seitenschiffmauer sei von Ost nach West erfolgt. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang, dass der mächtige Scheidbogen zwischen Langhaus und Turmhalle mit den Wandpfeilern jene Profilgruppe teilt, in welcher an den Wandpfeilern der Rundstab zum Birnstab wechselt. Jedoch ist das besagte Element am Turmbogen bereits vom Sockel an als Birnstab ausgeführt. Dies wiederum spräche für eine Vorzeitigkeit der Langhausmauersockel gegenüber der Turmplanung, doch bleibt das Indiz des Profilvergleichs zunächst ohne durchschlagende Beweiskraft.
2. Beobachtungen am Außenbau Am Außenbau lassen sich solche Hinweise, die direkt mit den raumseitigen Auffälligkeiten korrelieren, für die unteren Wandabschnitte nicht erheben, denn der Anbau der Unteren Sakristei im Winkel zwischen Südturm und Langhaus verdeckt
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Abb. 3: Wien, St. Stephan, Winkel zwischen Südturm und Langhauswand über dem Sakristeidach mit Eintragung der Schnittebenen.
die relevanten Partien. Umso aussagekräftiger ist der Winkel zwischen beiden Bauteilen über dem Sakristeidach. Die Entwurfsidee des Turmunterbaus operiert mit orthogonal zu den Turmmauern stehenden Kantenpfeilen, die mit steigender Höhe sukzessiv durch Schließen der Winkel mit den übereck benachbarten Pfeilern und den Turmflanken zusammenwachsen. Böker beschreibt zutreffend die gestalterische Lösung der Nahtstelle zwischen Turm und Langhaus:4 Der nördliche des der westlichen Turmfront vorgestellten Pfeilerpaares wird durch die auf ihn zulaufende Langhausmauer exakt in der Mittelachse der Pfeilerstirn halbiert (Abb. 3). Allerdings setzt sich nicht die Krone der Langhausmauer gegen den zuvor ausgeführten Turmpfeiler, wie Böker die sinnfällig hergestellte Anmutung interpretierte, sondern die Gliederungen des Pfeilers suchen Halt an der bereits aufgeführten Mauer. Die Planidee war so konsequent wie einleuchtend: Die Spornspitze des Turmpfeilers sollte mit der Spitze des gleichfalls spornförmigen Profilbündels zusammenfallen, das als Außenkontur jenes Wandpfeilers fungiert, welcher innen das östliche Langhausfenster und das Blindfenster an der Turmwand trennt (Abb. 1). Es ist dies der Halbpfeiler, den Böker als „dem Turm nachträglich angesetzt“ interpretiert. Die mühsamen Versuche, diese Planidee in die Tat umzusetzen, sollen nun Pfeilergeschoss für Pfeilergeschoss beschrieben werden. Die Spornpfeilerstirn des Turmes – in der konstruktiven Grundrissfigur zwei 306
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Böker 2007, 147.
Beobachtungen zur relativen Chronologie von Langhaus und Südturm
Seiten eines 45° aus der Pfeilerkontur gedrehten Quadrates – wächst mit einer der beiden Spornflanken aus dem Dach des Sakristeiobergeschosses heraus, das sich der Westseite des Turmes anlehnt. Die Spornspitze steht frei; sie fällt erst oberhalb des nächsthöheren Geschossrücksprunges, der durch ein Kaffgesims vollzogen wird, mit der Spitze des Langhauspfeilerspornes in eins. Der Spornpfeilerstirn des Turmes fehlt der für dieses Geschoss ansonsten vorgesehene offene, mit Maßwerkwimpergen bekrönte Tabernakel, der die anderen, freistehenden Pfeilersporne in orthogonaler Ausrichtung umsteht (Abb. 3, Ebene 1). Ein solcher Tabernakel wäre mit dem Langhausfenster sehr unglücklich kollidiert. Der erforderliche, doch erst beim Errichten des Turmpfeilers umgesetzte Verzicht auf den Tabernakel hinterließ ein weder formal noch ausführungstechnisch überzeugendes Gefüge, das von halbherzigen Lösungen nur so wimmelt: Die Kantensäulchen des aufgegebenen Tabernakels samt der ihm aufsitzenden Miniaturfiale sind beibehalten, doch wurden sie dem Pfeilersporn erst nach dessen Versatz angefügt. Größere Teile von ihnen haben sich mittlerweile gelöst, weil die notdürftigen Verdübelungen nicht standhielten. Den Spalt zur Birnstabspitze des Langhauspfeilers überbrückt ein kleines, ebenfalls nachträglich eingefügtes Maßwerk-Einsatzstück, das an beiden Enden nur unzureichend arretiert werden konnte (Abb. 4 und Abb. 5). Die Flankenfläche des Turmpfeilerspornes füllte man nach mehreren untauglichen Dekorversuchen mit Krabbenornament schließlich durch ein zweibahniges Blendmaßwerk, dessen knickbogige Rahmung am gesamten Turmkörper seinesgleichen sucht (Abb. 6) – alles in allem, deutliche Hinweise auf tastende Versuche, dem halbierten Spornpfeiler des Turmes einen probaten Anschluss an den in seinem Formbestand völlig kohärenten Langhauspfeilersporn zu verschaffen. Letzterer war offenkundig bereits versetzt, als dieser Anschluss gesucht wurde – und diese Suche entbehrte der konsistenten Plangrundlage. In das Quaderwerk des Turmspornpfeilers sind zwei Steinmetzzeichen eingeschlagen, von denen eines doppelt vorkommt (Abb. 7). Beide Zeichen finden sich auch am Innenbestand der Turmhalle, und zwar am Scheidbogen zum Langhaus ober- und unterhalb des Kämpfers sowie an den Flächen und Gliederungen der Ost- und Südwand in unterschiedlicher Höhe. Am Langhaus wurden diese Zeichen bislang nicht aufgefunden.5 Für sich genommen, erhellt dieser Befund ausschließlich, dass zwei Steinmetze, die Werkstücke für die Innenflächen der Turmhalle schlugen, auch solche für den Anschluss des Turmes an das Langhaus fertigten. Für eine Scheidung der Turm- und Langhauskampagne anhand der Steinmetzzeichen wäre indessen ein vollständiger Abgleich aller Zeichen vonnöten. Als man über der Kaffgesimsschräge fortkonstruierte, die dieses Sporngeschoss abdeckt, ging es darum, auch die filigraneren Aufbauten des Turmpfeilerspornes dem unverändert aus schablonierten Werkstücken aufgeführten Langhauspfeilersporn anzufügen, dessen als Zielpunkt fungierender Kantenbirnstab sich weiter oben gabelt und die Fensterarchivolten konturiert. Für den Anbau fehlte es
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Handschriftliche Aufstellung der 2006 und 2007 von Philipp Stastny aufgenommenen Steinmetzzeichen; Dokumentation der Steinmetzzeichen an der Außenmauer der südlichen Langhausseite durch das Institut für Archäologie, Denkmalpflege und Kunstgeschichte der Universität Bamberg. Ich danke den Urhebern sehr herzlich für die Überlassung ihrer Materialien.
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Abb. 4: Wien, St. Stephan, Winkel zwischen Südturm und Langhauswand über dem Sakristeidach, Schnittebene 1. Rot: Fensterpfeiler des Langhauses. Blau: Spornpfeiler des Turmes. Gelb: Angesetzte Elemente der Spornpfeilerverblendung.
Abb. 6: Wien, St. Stephan, Ebene 1. Unsystematisch angesetzte und nur partiell ausgeführte Blattornamentik auf der südlichen Turmpfeilerflanke.
Abb. 7: Wien, St. Stephan, Ebene 1. Steinmetzzeichen auf der südlichen Turmpfeilerflanke. 308
Abb. 5: Wien, St. Stephan, Winkel zwischen Südturm und Langhauswand über dem Sakristeidach, Ebene 1. Verbandlos an den Birnstab des Langhauspfeilers angesetztes Maßwerkelement des Turmpfeilers.
Beobachtungen zur relativen Chronologie von Langhaus und Südturm
Abb. 8: Wien, St. Stephan, Schnittebene 2. Rot: Fensterpfeiler des Langhauses. Blau: Spornpfeiler des Turmes. Gelb: Angesetzte Elemente der Spornpfeilerverblendung.
Abb. 9: Wien, St. Stephan, Ebene 2. Untersicht des Gewölbes für die Figurennische des Turmpfeilers. Die Gewölbekalotte wurde an ihrer Frontseite grob abgebeilt, um die Maßwerkfüllung des vorgesetzten kleinen Kielbogens an den Bestand anzupassen.
weiterhin an homogenisierenden Übergängen, denn die gesamte Fensterwand war offenkundig bereits einschließlich des Traufgesimses versetzt, ohne dass man mit dem Turmanschluss gerechnet hätte. Anzufügen waren ein offener, übereck gestellter Figurentabernakel mit kielbogigem Maßwerkwimperg und Flankenfialen und eine kräftige, dem Tabernakel orthogonal aufsitzende Fiale, deren Kontur in halber Schafthöhe von durchbrochenen Maßwerkwimpergen verschleiert wird (Abb. 8). Zunächst wurde die Figurennische des Tabernakels ausgearbeitet. Ihre normalerweise aus dem Kreisbogen geschnittene Rückwand ist arg verzogen, weil sie Teile des bereits ausgeführten Langhauspfeilerprofils integrieren muss. Das kleine Rippengewölbe, das die Figurennische abschließt, geriet zu groß; sein Rand musste abgebeilt werden, als der die Nische verkleidende Tabernakelwimperg eingesetzt wurde (Abb. 9). Das auf der Spornspitze postierte Tabernakelsäulchen, das der Planidee nach im Birnstab des Langhauspfeilers hätte aufgehen müssen, ist
Abb. 10: Wien, St. Stephan, Ebene 2. Seitenansicht von Schaft und Kapitell des Kielbogendienstes. Beide sind dem Birnstab des Langhauspfeilers nachträglich und spaltbildend angefügt.
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Abb. 11: Wien, St. Stephan, Schnittebene 3 mit der freistehenden Turmpfeilerfiale über der Figurennische. Rot: Fensterpfeiler des Langhauses. Blau: Spornpfeiler des Turmes. Gelb: Angesetzte Elemente der Spornpfeilerverblendung..
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jenem notdürftig und mit bedenklicher Spaltbildung angesetzt (Abb. 10), ebenso die kleine, von dem Säulchen getragene Tabernakelfiale sowie die krabbenbesetzten Schenkel des kielbogigen Tabernakelabschlusses und des kleinen Maßwerkwimperges über ihm. Gerade diese filigranen Glieder hätten kluger Vorbereitung ihrer Anschlüsse durch die Ausbildung von Knotenpunkten und Lagerflächen bedurft, doch der Steinschnitt des Birnstabes an der Spitze des Langhauspfeilers sieht diese Anschlüsse wiederum nicht vor. Auch auf diesem Niveau lehnt sich der Turmpfeiler an einen seine Existenz nicht antizipierenden Langhauspfeilerbestand. Allerdings ist auch die große Fiale des Turmpfeilers, die frei auf der Kalotte der Figurennische zum Stehen kommt, auf die Anschlüsse von Kielbogen und Wimperg an ihrer Vorderkante nicht vorbreitet (Abb. 11). Anscheinend war die Steinschnittplanung von der Komplexität der Situation überfordert. Weiter oben musste die große Fiale, die auf der Kalotte der Figurennische steht, mit der Hälfte ihres Querschnittes an die Langhauswand angefügt werden (Abb. 12). Der Giebelabschluss der südlichen Fialenflanke schiebt sich unter die Wasserschlagnase der Langhaustraufe. Die Kreuzblume auf der Giebelspitze entfällt; deren Teller, noch unter dem Wasserschlag liegend, ist zu einem kantigen Bossen reduziert (Abb. 13). Den großen Fialenschaft wie die Dekorelemente dem Steinwerk des Langhauses ohne Kraftschluss anzusetzen, war zu riskant. Man band den Schaft vielmehr fachgerecht unter Ausbildung von Rücklagenbossen in den mit stehenden Vierpässen dekorierten Werksteinverband der Langhauswand ein. Weil die Vierpassform der Wandverblendung hierbei ungenau abgegriffen wurde, weicht der von der Fiale beschnittene Pass von der regulären Form ab, wie Böker bereits feststellen konnte – nur ist der ungenaue Anschluss dem nachträglichen Einsetzen der Fiale in die Wand geschuldet, und nicht einem Anschließen der Wand an den schon stehenden Peiler. Kleine Versetzkeile in den Fugen halten die Einsatzstücke in Position (Abb. 14). Die Langhauswand ist hinter der Fiale mit allen bauplastischen Elementen des Traufgesimses weiter gegen Osten fortgeführt, um sich erst im Hauptkörper des Turmspornpfeilers totzulaufen. Nicht allein dies, auch das Archivoltenprofil eines nach Osten anschließenden (Blind?)-Fensters – der Birnstab des Fensterpfeilers oberhalb seiner Gabelung am Fensterkämpfer – ist
Beobachtungen zur relativen Chronologie von Langhaus und Südturm
Abb. 12: Wien, St. Stephan, Schnittebene 4 mit der in die Traufmauer des Langhauses eingefügten Turmpfeilerfiale. Rot: Fensterpfeiler des Langhauses. Blau: Spornpfeiler des Turmes.
Abb. 13: Wien, St. Stephan, Ebene 4. Untersicht der Bekrönung für die Turmpfeilerfiale. Der Teller der nicht ausgeführten Kreuzblume ist als vierkantige Bosse ausgeführt. Das Werkstück, aus dem das Gesimsstück geschlagen wurde, ist dem hier unterbrochenen Trauffries des Langhausseitenschiffs eingefügt. Der Kriechblumenbesatz für die Wimpergschenkel der Fiale ist durch ungelenkes rechtwinkliges Rückarbeiten der Frieszone freigestellt.
Abb. 14: Wien, St. Stephan, Ebene 4. Passmaßwerk unter dem Trauffries des Langhausseitenschiffs mit Einsatzstück (ockerfarben), das an den Blendmaßwerkrapport des Frieses anschließt. Dicht unterhalb der Passnase liegt ein kleiner Holzkeil in der Setzfuge.
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Abb. 15: Wien, St. Stephan, Birnstabarchivolte der in Ansätzen ausgeführten Fenstergliederung des Langhausseitenschiffs, von links (Westen) ansteigend, rechts von der in die Traufwand eingefügten Spornpfeilerfiale des Turmpfeilers überbaut.
ausgeführt, so als habe man das Anbinden des Turmes an dieser Stelle lange Zeit gar nicht in Erwägung gezogen (Abb. 15).
3. Fazit
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Im Innern ließe sich die Frage von Vor- und Nachzeitigkeit zwischen Langhaus und Südturm steintechnisch nur durch differenzierte Inspektion der das Blindfenster aufnehmenden inneren Turmwand und ihrer Pfeileranschlüsse zuverlässig beantworten. Die Formentwicklung – die Art und Weise des Wechsels zwischen Rund- und Birnstab am Fenstergewände – legt den Aufbau beider Langhaussockelmauern in Horizontalbauweise bis in Höhe der Fenstersohlbänke nahe, wobei der Zeitpunkt des Südturmanschlusses fraglich bleibt. Das Gefüge des Außenbaus dokumentiert zum einen als naheliegende Planidee das punktgenaue Verschmelzen derjenigen Pfeilersporne von südlicher Langhausmauer und nordwestlicher Turmkante, an denen in der zweidimensionalen Planfigur die Integration von Turm und Langhaus am sinnvollsten zu vollziehen schien. Zum andern aber demonstriert der Baubefund, dass diese Integration nicht konsequent zur dreidimensionalen Werkform in Steinschnitt und Versatzplan ausformuliert wurde. Vielmehr fasste man die äußere Langhauswand als eine Art Primärkonstruktion auf, der man die Turmgliederungen in einer Art Trial-and-Error-Verfahren anfügte und dabei Inhomogenitäten und Formbrüche in Kauf nahm. Die naheliegendste Erklärung für diesen Sachverhalt ist, dass das Ostende der südlichen Langhausmauer in Höhe ihres Fenstergeschosses so beträchtlich früher als der an sie grenzende Turmpfeiler ausgeführt war, dass der Ausführungsplanung der Mau-
Beobachtungen zur relativen Chronologie von Langhaus und Südturm
er die Notwendigkeit der späteren Turmeinbindung entging oder zumindest kein zeitnah zu lösendes Problem war. Doch wäre es ebenso gut denkbar, dass der asynchrone Versatz beider Teile dicht nacheinander erfolgte und das unsystematische Gefüge auf ein allgemeines Defizit an konsequenter Detailplanung zurückzuführen ist. Spuren einer schwachen logistischen Durchdringung des in dieser Hinsicht Erforderlichen finden sich an gotischen Großbauten allenthalben. Sie sind Resultat der ausgedehnten, ökonomisch bedingten Praxis, Großbauten in Abschnitten zu erstellen und das Thema der Anschlüsse eher ad hoc zu lösen. Welcher Interpretation man auch immer zuneigen mag – ein Ansetzen der südlichen Langhausmauer an den bereits über die Langhausmauern hinaus aufgeführten Turm kann mit Blick auf den Baubefund ausgeschlossen werden.
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An Unnoticed Plan of St. Stephen’s in the Early Eighteenth Century and Its Implications for the Medieval Building History
A detailed plan of St. Stephen’s in the eighteenth century has been preserved in an unexpected setting: the six-volume history of Vienna by Anton Ferdinand von Geusau (1746–1811), the first edition of which appeared from 1789 onwards (Fig. 1).1 While many of the work’s twenty engravings are in single-page format and while some show a historicizing character, others belong to a different category – and none more so than the plan in question here.2 Printed on a fold-out sheet measuring 61 x 44 cm, it is much the largest of the illustrations.3 In its legend, moreover, it is presented as an “accurate groundplan” of the church (Wahrer Grundriss der Sankt Stephans Domkirche in Wien), a claim that finds support in the work’s careful execution and in the inclusion of a scale. Geusau’s assertion that the original of the “most precise” groundplan was held by the civic authorities is also credible, since he worked for the municipality and is known to have made use of their archives during the research for his book.4 The apparent loss of the original plan, which cannot be traced in local archives, makes the engraving a potentially valuable source on various aspects of the church’s
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I would like to thank the following for help and advice in the preparation of this article: Barbara Schedl, Michaela Schuller-Juckes, Michael Viktor Schwarz, Franz Zehetner, and the clergy and staff of St. Stephen’s. Geusau 1789–1810. The first edition initially comprised four volumes (1789–93), which were later supplemented by two further volumes (1807–10); the second edition appeared from 1792 onwards. The engraving under consideration here is found in vol. 3 (1791), 125. Having been mentioned by Albert Camesina in 1870, it passed unnoticed until it was recently republished as a historicizing reconstruction of the church’s condition in Friedrich III’s time – an interpretation that, as I will argue, does not stand up to close examination; see Camesina 1870, 247; Pirker-Aurenhammer 2009, 15. On Geusau and his history of Vienna, see Gugitz 1955/1956, 153–165; Nebehay/Wagner 1983, 950–951. The illustrations accompany the first four volumes. Their somewhat eclectic character reflected both Geusau’s priorities and the partial availability of pre-existing material: in some cases, we learn that he had ordered new engravings himself (e.g. Geusau 1791, 266); in others, he was able to use copper plates borrowed from local colleagues, including the eminent early scholar of St. Stephen’s, Joseph Ogesser (Geusau 1790, 229–230; cf. Geusau 1791, 217). The standard illustrations measured only c. 13 x 7.5 cm on leaves measuring 17.5 x 10.5 cm. The plan of St. Stephen’s, however, was also considerably larger than the other fold-out illustrations, none of which exceeded 37 x 41 cm. See Nebehay/Wagner 1983, 950–951. Geusau 1791, 125, where he explains that Der genaueste Grundriß der St. Stephanskirche befindet sich im Originale bey dem Löbl. Magistrat allhier. On Geusau’s professional position and working methods, see Gugitz 1955–56, 160–161; see also the review of Geusau’s history of Vienna in the “Allgemeine Literaturzeitung“ 1796, vol. 2 (no. 162), 457–461.
Fig. 1: Vienna, St. Stephen’s, groundplan showing condition c. 1700–18, engraving published by Anton von Geusau in 1791.
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early modern and medieval history – so exactly how trustworthy is it and what does it show? Comparison with modern plans reveals a high degree of accuracy. On the basis of the engraving’s scale (in Viennese klafters, at 1:220)5, the implied exterior breadth of the choir (including buttresses) is just over 41 m; the cathedral lodge’s modern cross-section of the same space (at 1:50) shows a breadth of 41.13 m.6 The implied external breadths of the engraving’s nave (44.65 m) and west end (46.30 m) are also close to the results of modern surveys. While detailed examination certainly reveals simplifications and minor omissions, it is clear that the original plan must have been the product of a comprehensive and technically advanced survey. The engraving, moreover, documents the church in a specific phase of its development – a phase that already lay in the past by Geusau’s time. It shows all aspects of the church’s mid-seventeenth-century refurnishing: the three new altarpieces in the choir apses (1640s–70s), the galleries above the choir stalls (the imperial oratory and music gallery, 1647–48), the new stalls for the cathedral canons in the sanctuary (1639–48) and for the city council in the southern nave (1645); it also shows the two easternmost altars of the nave arcades after their refurbishment with surrounding balustrades laid out in elliptical form – a feature that was added only in 1698–1700.7 Later interventions, by contrast, are absent: the sacristy on the north side of the choir is shown in its pre-extension form (rebuilt c. 1718–22), as is the nave sacristy (1731–32);8 the pair of pier altars before the sanctuary steps has not yet been reset diagonally (1720s);9 the lower north-western chapel (of the Holy Cross, formerly known as the Tirna or Morandus Chapel) is shown in its condition before the remodelling of the early 1730s;10 the graveyard around the church remains fully intact (closed to burials from 1732, cleared 1751).11 The creation of a new and detailed groundplan of St. Stephen’s between c. 1700 and 1718 would fit well with developments in local cartography. This was, in fact, a dynamic period for Viennese surveying: the first comprehensive mapping of the suburbs and Danube was carried out by Leander Anguissola and Johann Jakob Marinoni in 1704–05, soon followed by Werner Arnold Steinhausen’s unprecedentedly precise survey of the city centre and its fortifications, which was completed in 1710.12 There was thus no shortage of local expertise for such enterprises in the first decades of the eighteenth century. Steinhausen’s work, moreover, covered 5 6 7
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Rounded from the plan’s implied scale of 1:219.4. Vienna, St. Stephen’s Cathedral, Dombausekretariat, plan no. 22 (1995). On the seventeenth-century refurnishing, see Tietze 1931, 57–66 and passim; Feuchtmüller 1978, 306–312; Zykan 1981, 162–171; Kat. „850 Jahre“ 1997, 217–239 (various catalogue entries) and Schemper-Sparholz 1997, 395–397. 8 Ogesser 1779, 80–82; Tietze 1931, 63, 264–270; Kat. „850 Jahre“ 1997, 257–258 (Luigi A. Ronzoni); Ronzoni 1997, 207–212. 9 Tietze 1931, 271–272; Kat. „850 Jahre“ 1997, 253–254 (Luigi A. Ronzoni). 10 Tietze 1931, 213–217; Kat. „850 Jahre“ 1997, 259–260 (Luigi A. Ronzoni). 11 Kat. „850 Jahre“ 1997, 255 (Johann Weißensteiner). While the Geusau groundplan shows the early eighteenth-century condition, its key contains an update to the hierarchy of organs – noting that the largest organ “now” stood on the west gallery (completed c. 1720; see Kat. „850 Jahre“ 1997, 370); this remark is not found on the earlier engravings published in Choler 1721 and Tilmez 1722. 12 On these projects: Czeike u. a. (Hg.) 1981–2015, here 13/2010 and 15/2012; Opll 2014, 37–43 and nos. 15–16.
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church interiors and included the first known groundplan of St. Stephen’s to show some of the seventeenth-century changes mentioned above (Fig. 2a). The apparent connection is strengthened further by a receipt of 1712, when the civic authorities paid 30 guilders to the architectural draftsman Franz Tobias Kollmann for an unspecified groundplan of St. Stephen’s.13 A final indication of the survey’s dating comes from an early monograph on St. Stephen’s, published by Ignaz Choler in 1721: this included a groundplan that must have been based on the same original as the Geusau engraving, but executed in a smaller format and with less precision (20 x 15.5 cm; Fig. 2b).14 The Geusau plan casts light on two aspects of the medieval complex that are relevant here. The first is the original form of the east end and, more specifically, the role of the two single-storey ancillary spaces on either side of the sanctuary (Fig. 3a). The southern structure has survived largely intact and, while it has received little attention in research literature, has generally been recognized as an authentic feature of the fourteenth-century choir (Fig. 4a): its internal architectural detailing, stonemasons’ marks, and the coursing of its external masonry all support this interpretation.15 Following the rebuilding and extension of the northern structure
13 Wiener Stadt- und Landesarchiv (WStLA), Oberkammeramt, 1.1.1.B1/1. Reihe, 1712 (Bd. 2), fol. 106r (29. Juli 1712): wegen überraichten Grundtrieß der St: Stephansdomkirchen […]; cf. Camesina 1870, 247. On Kollmann, see Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler, vol. 21, 243–244. 14 Choler 1721, 21–22; the same plan appears in the extended German version of this work: Tilmez 1722, 48–49. It was subsequently reprinted in Küchelbecker 1730, 479. 15 See particularly Zehetner F. 2003, 87–88. Cf. Tietze 1931, 9, 270; Kieslinger 1949, 216– 217; Dehio 2003, 199; Pirker-Aurenhammer 2009, 15.
Fig. 2a: Vienna, St. Stephen’s, groundplan showing condition c. 1710, detail from Werner Arnold Steinhausen’s plan of Vienna (facsimile by Gustav Adolph Schimmer, 1847). Fig. 2b: Vienna, St. Stephen’s, groundplan showing condition c. 1700–18, engraving published by Ignaz Choler in 1721.
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Fig. 3a: Vienna, St. Stephen’s, groundplan of east end, condition c. 1700–18, detail of Fig. 1. Fig. 3b: Regensburg Cathedral, groundplan of east end, present-day condition.
(c. 1718–22), by contrast, there has been uncertainty about its original form.16 This and ambiguities in the written sources have meant that it has often been regarded as a fifteenth-century addition to the existing complex.17 The Geusau plan provides reliable evidence that the two spaces were a pair – with identical dimensions and identical relations to the choir’s buttressing, a situation that implies contemporaneous construction as part of the same fourteenth-century concept. It also lends credence to Jakob Hoefnagel’s aerial view of 1609, which – while simplifying this and other aspects of the choir’s architecture – does show a north-eastern ancillary structure similar to the one that is still preserved on the south side (Fig. 4b). The incorporation of two generous ancillary spaces close to the high altar corre-
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16 On the rebuilding, see above n. 8. 17 Ogesser 1779, 80; Tietze 1931, 29–31; Kieslinger 1949, 217; Flieder 1968, 159; Feuchtmüller 1978, 313; Ronzoni 1997, 210; Dehio 2003, 199; Böker 2007, 189–190. On the north annex’s possible fourteenth-century origins, see Tietze 1931, 9 (cf. ibid., 29–31, where he offers a different interpretation); Pirker-Aurenhammer 2009, 15; Schedl 2018, 48. On the “new sacristy” mentioned in fifteenth-century sources, see below.
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sponds to the standing and liturgical needs of St. Stephen’s as the main church of an important urban parish.18 A similar system in a project of comparable ambition can be found at Regensburg Cathedral, where – as Hans Tietze first noted – a pair of quadratic ancillary complexes was also incorporated within a stepped, triapsidal east end (c. 1275–1310; Fig. 3b).19 The Regensburg solution was certainly the more ambitious of the two, deploying multi-storey units whose ground-floor chapels were only accessible from the exterior – a feature that is absent in Vienna. In providing the twin facilities of sacristy and treasury, however, the internally accessible upper stories of the Regensburg units catered to the same requirements as in Vienna. At St. Stephen’s, the treasury was probably always located on the south side.20 While the function as Schatzkammer or, more specifically, the “relic sacristy” – die schöne Heilthumb Sakristey – is first documented as late as 1581, other evidence suggests that this marked the continuation of a long-standing tradition.21 Firstly, there are the architectural specifications: the space shows a strikingly secure character – with massive walls that originally were entirely unfenestrated, crowned by stone 18 On churches with multiple annexes of this kind, see Schaich 2008, 172–180. 19 The similarities between the two projects are restricted to the layout of principal components. On other levels – such as spatial format and architectural detailing – the churches show numerous differences. See Tietze 1931, 9; Brucher (Hg.) 2000, 234, 250 (Günter Brucher); Böker 2007, 81; Pirker-Aurenhammer 15. On the Regensburg spaces, see Lüpnitz 2016, 574–585. 20 On this question, see Weißensteiner 1997, 25; Pirker-Aurenhammer 2009, 14–21; Schedl 2018, 48. 21 Testarello 1685, 3. Serie 1901, 28; Ogesser 1779, 98–99, who quotes the (otherwise untraceable) 1581 source that documents the re-roofing of the space, and attributes it to the city archive; the new roof can be related to other evidence of work on the treasury in 1581–82 (see Kohn 2009, 46–50). The treasury retained its function until the relics were transferred to the west end’s northern upper chapel (formerly of St. Valentine) at the beginning of the twentieth century; see Zschokke 1904, 67–70.
Fig. 4a: August Kronstein, view of the treasury of St. Stephen’s looking north-west, 1882. Fig. 4b: Jakob Hoefnagel, aerial view of Vienna, detail showing the north side of the choir of St. Stephen’s, engraving, 1609.
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vaults and a stone roof.22 As such, it differs from conventional sacristies, which normally present a more refined architecture and – particularly as places of priestly preparation for services – incorporate some form of natural lighting.23 Secondly, there is the structure’s external imagery. Its initially plain walls became a focus of the increasingly sophisticated visual environment of the late medieval churchyard, serving as a vehicle for an extended Passion cycle – a series of eleven mural paintings (1470s) that were later covered by stone reliefs showing the same scenes (c. 1515–20; Fig. 4a).24 The choice of imagery can be related not only to the intensifying eucharistic piety of the period, but also more specifically to the documented profile of the church’s relic collection, which was famous for its Passion relics: the church’s Heiligthumbuch of 1502 documents an extensive range of objects connected to Christ’s “holy suffering” (seins heyligen leyden), which formed the first two groups of relics shown to pilgrims each year on the first Sunday after Easter from a specially built platform – the heyltumbstuel – on the other side of the churchyard.25 With its unusual format and placement, the treasury cycle thus appears to have drawn attention to an important feature and mediated the space’s contents to viewers in the churchyard.26 With the southern annex occupied by the treasury, it is not surprising that the northern pendant was used as a more conventional sacristy – an essential facility for which there was no obvious alternative location in this part of the complex. As was the case with the treasury, this well-established post-medieval function can be traced back to the period of the choir’s construction. In 1396, the chapter at St. Stephen’s is documented using a sacristy next to the high altar for meetings (in sacristia prope altare sancti Stephani ibidem capitulo congregato […]), which – in the light of the evidence on the treasury’s location – surely means the northern space.27 Stephanus Rosinus’s description of the church from 1513 refers more explicitly to a sacristy on the north side of the altar: he called it the “small” sacristy and also mentioned the “greater” sacristy in the nave, which had been completed in the fifteenth century.28 Similar terminology remained in use in the early eighteenth century: the
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22 The stone slabs (measuring c. 80 x 120 cm) are still preserved beneath a later, slightly steeper roof with copper panels. The window on the south side was only added in the seventeenth century (after c. 1630, before c. 1685); see Ogesser 1779, 75–76; Pirker-Aurenhammer 2009, 10, 14; Zehetner F. 2003, 87–88; Zehetner W. 2009, 52. 23 Schaich 2008, 159–216, esp. 172–180; see also Ronig 1972, 134–135; Kühne 2000, 74–79. The sources do not show whether the choir’s north annex diverged from the south annex in its design detail – an issue that the Geusau engraving also fails to resolve, since it omits fenestration for such lower ancillary spaces. 24 On these cycles (and for further literature), see Lanc 1983, 7–16 (Ivo Hammer); Husslein-Arco/Pirker-Aurenhammer (Hg.) 2009. 25 Heiligthumbuch 1882, part 1. There were eight such groups (each referred to as a procession or umbgeng) of relics, whose presentation started with the most prestigious and then moved down the saintly hierarchy – from the Virgin to the apostles, martyrs, confessors, and female saints. On the relic collection and the Heiltumstuhl (built c. 1483): Weißensteiner 1997; Kühne 2000, 334–47; Opačić 2014; Schedl 2018, 148–52. 26 I am preparing a study on the visual environment of the eastern churchyard. 27 Vienna, Diözesanarchiv, Domkapitel, Calendarium capituli; see Göhler 1941, 110. 28 Rome, Vatican Archive, Archivum Arcis, Arm. I–XVIII, no. 2835; published and discussed in Göhler 1941. This passage in the text has caused confusion because it refers only to the choir’s north annex and mentions that numerous relics were stored there, while fai-
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groundplans of 1721–22 refer to the large sacristy of the nave (Die grosse Sacristey) and the episcopal sacristy of the choir (Die Bischöffliche Sacristey).29 This spatial hierarchy only changed following the extension of the choir sacristy (c. 1718–22): later sources tend to distinguish in sacred-topographical terms – between the “upper” (i.e. eastern) and “lower” (i.e. western) sacristies.30 The evidence for this pair of functionally distinct annexes on either side of the sanctuary, finally, can also be related to Rudolf IV’s second foundation charter for his chapter at St. Stephen’s (16 March 1365), which – in describing the clergy’s liturgical and commemorative duties – referred to the specific need for two secure spaces: a treasury with no less than ten locks for the relic collection and other valuables, where the keys were to be shared between duke, chapter, and city council; and a sacristy with six locks for the use of the chapter, where their liturgical vestments and equipment were to be stored.31 There is no explicit reference to the spaces next to the high altar, but – as with other aspects of the charter – the concept seems tailored to the mid-fourteenth-century choir of St. Stephen’s, which was now in the process of being appropriated and adapted for Rudolf ’s foundation. The second aspect of the Geusau plan that I want to consider is the aforementioned “greater” sacristy of the nave, which also raises broader building-historical questions (Fig. 5a). Once again, a combination of the space’s rebuilding (1731–32) and patchy sources has caused difficulties for researchers.32 The first mention of a “new sacristy” (neuer Sagrer) comes in 1417, when work was already proceeding on its roof; numerous receipts from the years 1427–30 document finishing touches, such as painting, glazing, locks, and wooden furnishings.33 While researchers have sometimes connected these entries to the choir sacristy, the relatively well documented building process for these years – as Barbara Schedl has recently shown – leaves little doubt that the sacristy in question was the nave’s southern annex.34 Sources reveal that the work ran in tandem with operations on the adjoining portions of the nave: roofing work on the eastern nave, for instance, was accompanied by roofing work on the new sacristy; the furnishing of the newly completed section
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ling to discuss the south annex and its role as treasury. The purpose of the document, however, was not to provide a comprehensive description of the church: it arose as part of a papal investigation into the Vienna see following the nomination of a new bishop; in this context, Rosinus – as a Vatican-based cleric with Viennese connections – was asked about conditions at the cathedral. He responded with a glowing account of St. Stephen’s as a magnificent and well-equipped church with splendid architecture, many altars – and, among other things, two richly furnished sacristies. In doing so, he either conflated the function of the choir’s north and south annexes, or revealed an additional function that the northern sacristy had acquired over the years – perhaps because the relic collection had outgrown the original Schatzkammer on the south side and was now divided between the two locations. Cf. Flieder 1968, 159; Pirker-Aurenhammer 2009, 17–18. Choler 1721, 21–22; Tilmez 1722, 48–49. The Geusau engraving uses the same terminology. Ogesser 1779, 80–82. Vienna, Diözesanarchiv, Domkapitel; transcript and commentary in Flieder 1968, 153– 162, 254–266 (esp. 260–261). See also Schedl 2018, 62–63; Wolfinger 2018, 169–177. On the rebuilding, see above n. 8. The project of 1731–32 retained the outer walls of the predecessor structure; see Ronzoni 1997, 210–212, 250. Uhlirz 1901/1902, 334–335, 436–438, 441–442, 456–457; see Schedl 2018, 72–73, 115–116. Tietze 1931, 30–31; Böker 2007, 189; Schedl 2018, 110–116.
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Fig. 5: Vienna, St. Stephen’s, nave sacristy: 5a. Groundplan showing condition c. 1700–18, detail of Fig. 1. 5b. Clemens Radolt, view of the south side, detail, engraving, c. 1636. 5c. Salomon Kleiner, view of the south side, detail, engraving, c. 1724.
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of the nave was accompanied by the furnishing of the sacristy.35 This also makes sense in liturgical terms: the new eastern nave was to form the head of the remodelled lay church, and was thus one of the site’s most important zones; its many altars and clerical personnel required an additional sacristy – a facility that had already been incorporated within the predecessor nave. Indeed, as work began on the new nave, sources show that an existing sacristy in the western nave was kept in use and, as the new sacristy neared completion, referred to explicitly as the “old sacristy” (1428).36 The latter seems to have been demolished shortly afterwards, along with further parts of the western nave.37 Visual evidence presents a more complex picture. Until recently, the only known groundplan to offer any information on the nave sacristy was the small-scale engraving of 1721, which shows an unusual solution: a space with a seemingly poly gonal eastern sector that was fused with a quadratic sector to the west (Fig. 2b); the latter – with a pair of windows and an external western staircase – can also be seen on early elevations of the church’s south side (Fig. 5b). In the absence of further sources to verify the spatial format implied by this small and potentially unreliable plan, the sacristy received little attention until Johann Josef Böker recognized a sim35 Uhlirz 1901/1902, 334–335, 436–457. 36 Camesina 1874, no. 279; the sacristy and its position “opposite” the south-western chapel of St. Martin ([…] auf sand Merteins Altar bey der Herczogen Cappellen gegen dem alten Sagrer vber […]) is mentioned in other sources of the 1410s–20s, although in these cases it is not referred to as “old” (see Camesina 1874, 207, 214, 228). For further considerations on the sacristy’s location, see Schedl 2018, 72–73, 112–113. 37 A building receipt from May 1430 contains a reference to the recent demolition of the old sacristy ([…] da man den alten sagrer hat abgeprochen […]); Uhlirz 1901/1902, 456.
An Unnoticed Plan of St. Stephen’s
ilar solution on a fifteenth-century plan associated with the Vienna lodge (Akademie der bildenden Künste Wien, Inv. Nr. 17.034; Fig. 6a).38 This insight bolstered the credibility of the 1721 plan and offered an explanation for the eccentric design: the octagonal space belonged to a first phase of work, and was then extended westwards at a later date; the purpose of the fifteenth-century drawing – along with two further, related drawings (Akademie der bildenden Künste, Inv. Nr. 17.020v and 17.034v) – was to work out the detailing of the extension, particularly its vaulting.39 Nevertheless, the dating and other aspects of this complex building process remained uncertain, while the marked discrepancies between the drawings and the substance of the present-day sacristy continued to cast doubt on the interpretation as a whole (Fig. 6c). The Geusau engraving makes it possible to verify the medieval drawing in new depth. A superimposition of the two sources shows a high level of correspondence in general dimensions and in many details – including some of the most specific features, such as the junction between the two spatial sectors (Fig. 6b). The engraving also casts light on various aspects of the sacristy’s design (Fig. 5a). Its detailing is sufficiently systematic to show that both the octagonal and quadratic parts of the sacristy were vaulted on centrally placed piers – an elaborate form that other sources only hint at. Perhaps the most important insights, however, concern the sacristy’s relations with the tower (to the east) and the nave (to the north). On the one hand, the plan shows that the octagonal body was carefully integrated within the architectural system of the tower: it was placed between the framing elements of the tower’s western buttresses, its apex aligned to the central axis of the tower’s base. 38 Böker 2007, 183–191; cf. Böker 2005, 346. 39 Böker 2007, 189–191. The assembly marks on the vaults of the plan (Akademie der bildenden Künste, Inv. Nr. 17.034) imply that the drawing was used in the construction of the sacristy.
Fig. 6: Vienna, St. Stephen’s, nave sacristy: 6a. Groundplan, mid-fifteenth century, Akademie der bildenden Künste (Inv. Nr. 17.034v). 6b. Superimposition of fig. 6a on fig. 5a. 6c. Superimposition of fig. 6a on the present-day groundplan after Johann Josef Böker.
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This sophisticated organisation of geometrical components implies that the octagon must have been planned from an early stage of the tower’s construction, even if it was only completed in the building campaigns documented in the 1410s and late 1420s.40 The space can be seen as a variation on the similarly centralized Chapel of St. Catherine on the tower’s east side (completed by 1396), where, however, the specific challenges of the north-east corner buttress – which was built alongside the existing wall of the choir and integrated a stairwell – made it impossible to align the ancillary space with the tower’s central axis: the chapel was shifted slightly to the south, a solution that was later to be mirrored in the base of the north tower (Fig. 1). On the other hand, the engraving reveals the octagon’s difficult relations with the nave on its north side. The dimensions of the octagon do not fit to the standard bay of the adjoining structure. Partly for this reason, the creation of a slanted connection between the two spaces required considerable improvisation: the linking passage had to negotiate a massive section of masonry, which was itself the product of the awkward junction between the octagon and the nave’s buttressing; this perhaps constituted the “sacristy hole” (sagrerloch) that was paved as work neared completion in 1426.41 In any case, the octagon’s failure to anticipate an important adjoining structure has implications for the sequencing of construction in this region of the church. It suggests that work on the octagon preceded that on the nave, and therefore that the early focus of building campaigns was the south tower. It can also be related to architectural evidence from the tower’s north-eastern corner, which similarly indicates that the initial tower project involved additions to the existing transept – a component of the predecessor church that, for the time being, was to be retained.42 When placed alongside patterns of plan change in the church’s cycles of integral sculpture, these findings challenge the still prevalent notion of a Habsburg-dominated project: they reveal the limits of what was achievable during Rudolf IV’s short reign, while also underlining the importance of decisions taken by the civic authorities in the decades after his death.43 The western extension of the octagon offers further perspectives on the church’s continuing transformation in the post-rudolfinian period. Once again, the space’s relations to adjoining structures present a contrast. The junction with the octagon forced another series of improvisations: the aim was apparently to open the octagon westwards while retaining as much as possible of the original substance; the Geusau plan suggests that particularly the integration of the octagon’s western vaults caused difficulties. The relations of the quadratic space to its northern neighbour, however, are more harmonious: we now see the sort of tailored response to the nave that
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40 Böker suggested several possible datings: his groundplan of the church presents the octagon as a rudolfinian element (dated 1359–65), while his written analysis describes the structure as a post-rudolfinian addition to the completed base of the tower; see Böker 2007, 189–190. 41 Uhlirz 1901/1902, 162. This building receipt of 19 October 1426 refers to two pavers, who were paid for work “in the sacristy hole” (2 uberleger, idem 3½ tag und 2½ tag in dem sagrerloch gemaurt […]). cf. Schedl 2018, 113. 42 See Böker 2007, 98–105; Juckes 2020. 43 I have developed these ideas in another context: Juckes 2020. See also the contribution by Michael Viktor Schwarz in this volume.
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had been missing in the case of the octagon. This successful integration with the adjoining bay system and buttressing must have resulted from construction either together with the nave’s southern wall or at a later date. Various forms of evidence point to a later extension. While the space’s net vaults, as shown on the aforementioned medieval plans, would have been conceivable in Vienna by the 1420s, the watermarks, drawing style, and assembly marks – as Böker showed – are more consistent with a date in the 1450s–60s.44 The plans, moreover, reveal a design process that engaged with an existing octagonal space and experimented with a range of solutions. They include an alternative plan (Akademie der bildenden Künste, Inv. Nr.: 17.034v) that proposed a remodelling of the octagon to achieve a more convincing fusion of the two spaces. Even the plan discussed above (17.034) – which, as we have seen, was close to the situation documented by the engraving – shows one important difference: it implies that the octagon’s two south-western sides were to be retained, creating a more restricted opening into the western space; according to the Geusau engraving, by contrast, the south-western sides were ultimately removed and the opening thus extended – necessitating changes to the octagon’s vaults and paving the way for a broader western quadrat (Figs. 5a, 6a, 6b). All this is more consistent with a remodelling of the sacristy during the final phases of the nave’s construction – a sequence that would also make sense of a building receipt cited by Ogesser, which referred to roofing work on the sacristy in the summer of 1466 and, once again, described the structure as “new”.45 After the initial adaptation of the octagon in the 1410s–20s, the sacristy thus appears to have been extended several decades later as part of the city’s continually expanding plans for St. Stephen’s. The terms of Rosinus’ description – maius sacrarium – make clear that, at least by the early sixteenth century, the nave’s southern annex was regarded as the church’s main sacristy.46 As such, it is symptomatic of the lay church’s emergence as a primary focus of the site’s devotional life – a semi-autonomous liturgical zone, whose facilities and furnishings often surpassed those found to the east of the choir screen.
44 Böker 2007, 189–191; see also Böker 2005, 329, 346–348. On the development of vaulting in Vienna in this period, see Juckes 2014. 45 Ogesser 1779, 80; he refers to an entry of 2 August 1466 from an unspecified civic source (Stadturkunde): […] hat man gedeckt das Dach auf dem neuen Sagrer. His further references to the same 1466 source show that this must have been a volume of the church-master’s receipts that has since been lost; see ibid., 60–61 (In einer Berechnung des Stadtarchivs von 1466 […] with many details), 64, 138, 333–334; Uhlirz 1901/1902, XL; Schedl 2018, 48 (n. 154). 46 Göhler 1941, 105.
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Tafeln
Tafel 1: Porträt von Herzog Rudolf IV., Wien Dommuseum.
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Tafel 2: Wien, St. Stephan, Bischofstor.
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Tafel 3: Wien, St. Stephan, Singertor.
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Tafel 4: Wien, St. Stephan, Gliederungsstruktur des Hallenchors.
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Abbildungsnachweis Barbara Schedl Abb. 1, 2, 3, 4, 10: Barbara Schedl (FWF-Projekt P28541) Abb. 5: Bundesdenkmalamt Wien (Aufnahme Bettina Neubauer-Pregl) Abb. 6: Archiv Dombauhütte Wien (Franz Zehetner) Abb. 7: Universität Wien, Institut für Kunstgeschichte, unidam Abb. 8: Archiv Dombauhütte Wien (Franz Zehetner) Abb. 9: Wien Dommuseum Abb. 11: Sammlung Wien Museum, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/ objekt/92765/) Achim Hubel Abb. 1, 3, 4, 8, 10, 12, 14, 16, 19, 21, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 34, 35, 37, 39, 41, 48, 55, 56, 57, 58, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 73, 75, 79, 81, 82, 83, 85, 86, 88, 103, 104, 105, 108, 109, 110, 111: Achim Hubel, Regensburg Abb. 2, 6, 22, 54: Universität Wien, Institut für Kunstgeschichte, unidam Abb. 5: Wilkin Spitta, Loham Abb. 7, 47: Bayerisches Nationalmuseum München Abb. 9, 11, 13, 15, 17, 20 51, 52, 53, 87, 90, 91, 99, 112: Archiv Dombauhütte Wien Abb. 18, 36, 38, 45, 72, 78 Bundesdenkmalamt Wien (Aufnahme Bettina Neubauer-Pregl) Abb. 30, 31: Kunstdenkmäler von Bayern 1933, Band 3 Abb. 32: Museum der Stadt Regensburg Abb. 33: Achim Hubel, Regensburg; Montage unter Verwendung des romanischen Grundrisses (Feuchtmüller 1978, S. 363) und des gotischen Grundrisses (Böker 2007, Falttafel) Abb. 40 und 42 (Peter Kodera), Abb. 115 und 116 (Bauaufnahme Michel Engelhart, 1930): Feuchtmüller 1978 Abb. 43, 44, 75: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege München Abb. 46, 49, 50, 94: Ernst/Garger 1927
Abb. 59: Harald W. Müller und Andreas Rohatsch Abb. 74, 76, 80: Bundesdenkmalamt Wien (Aufnahme Michael Oberer) Abb. 84: Binding 1989 Abb. 89, 102, 107: Parucki 1995
Abb. 92, 93: Weilandt 2007 (Thomas Bachmann) Abb. 95, 97, 98, 100: Polska Akademia nauk Instytut Sztuki, Warszawa Abb. 96, 101, 114: Bundesdenkmalamt Wien Abb. 113: Staatliches Meßbildarchiv beim Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege: Abb. 106: Hubel/Schuller 2010, Taf. 179 Peter Kurmann Abb. 1, 2, 5, 6, 7, 8, 9, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19: Brigitte Kurmann-Schwarz Abb. 3: Bundesdenkmalamt Wien Abb. 4, 10, 11, 20: Archiv Dombauhütte Wien (Franz Zehetner) 369
Abbildungsnachweis
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Stefan Breitling Abb. 1, 2: Walter Roschnik (FWF-Projekt P28541) Abb. 3: Archiv Dombauhütte Wien Abb. 4: Arnold und Breiting (BMBF-Projekt) / Archiv Dombauhütte Wien Abb. 5, 6: Arnold und Tenschert (BMBF-Projekt) / Archiv Dombauhütte Wien Abb. 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 18: Stefan Breitling Abb. 14: Apfel und Radjadell (BMBF-Projekt) Abb. 15 Apfel (BMBF-Projekt) / Tietze 1931 Abb. 16, 17: Akademie der bildenden Künste, Kupferstichkabinett Katharina Arnold Abb. 1, 2 Arnold (BMBF-Projekt) / Archiv Dombauhütte Wien Abb. 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11: Katharina Arnold Katharina Arnold und Stephan Albrechts Abb. 1, 2, 3: Katharina Arnold, 2017 Abb. 4, 5, 6, 7: Katharina Arnold, 2015 – 2017 Abb. 8, 9: Stephan Albrecht, 2017 Abb. 10: Ruth Tenschert / Leander Pallas, 2017 Ruth Tenschert Abb. 1: Akademie der bildenden Künste Kupferstichkabinett Abb. 2: Universität Wien, Institut für Kunstgeschichte, unidam Abb. 3, 6, 11: Ruth Tenschert 2015 Abb. 4, 5, 10, 13, 14: Ruth Tenschert 2017 Abb. 7: Tenschert / Pallas 2017 Abb. 8, 9, 12: Ruth Tenschert 2016 Klaus Niehr Abb. 1, 2: Walter Roschnik (FWF-Projekt P28541) Abb. 3, 4, 5, 9 (aus Millin, Antiquités nationales, Bd. 1, 1790, No. III, Pl. 2): Osnabrück, Kunsthistorisches Institut Abb. 6: Tuxyso / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0; Abb. 8: Myrabella / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0 Abb. 7: Klaus Niehr / Archiv Abb. 10: Archiv Dombauhütte Wien (Franz Zehetner) Assaf Pinkus Abb. 1, 2, 3, 4: Walter Roschnik (FWF-Projekt P28541) Abb. 5, 6, 7: Universität Wien, Institut für Kunstgeschichte, unidam Abb. 9: Dommuseum Wien Abb. 8: Bildarchiv der Vereinigten Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz; Foto: Matthias Rutkowski Michael Viktor Schwarz Abb.: 1, 2: Walter Roschnik (FWF-Projekt P28541) Romuald Kaczmarek Abb. 1, 2b, 3b, 4b, 5, 6, 8a-c, 9a, 10a-d, 11b, d, 12: Romuald Kaczmarek Abb. 2a, 3a, 4a, 11a, c: Walter Roschnik (FWF-Projekt P28541) Abb. 7: Thomas Bresson /Wikipedia / CC BY 3.0 Abb. 13: Archiwum Państwowe we Wrocławiu Jakub Adamski und Thomas Flum Abb. 1: Jakub Adamski / Thomas Flum / Giese
Abbildungsnachweis
Abb. 3, 12, 14, 17: Walter Roschnik (FWF-Projekt P28541) Abb. 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 13, 15, 16: Jakub Adamski Abb. 11: Katharina Arnold / Hanna Kozaczewska-Golasz / Agnieszka Bernaś, bearb. Thomas Flum Abb. 2: Reproduktion aus Lutsch 1900 Manfred Koller Abb. 1, 2, 3, 4, 5, 7, 8 : Manfred Koller Abb. 6: Bundesdenkmalamt Wien (Aufnahme Inge Kirchhof ) Abb. 9, 10 Reproduktion nach Kahsnitz 1992 Johann Nimmrichter Abb. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26: Johann Nimmrichter Abb. 11, 12, 13, 14: Robert Linke Franz Zehetner Abb. 1, 4, 5, 6, 13, 24, 25: Archiv Dombauhütte Wien (Franz Zehetner) Abb. 2, 3: Nikolaus Studnicka, Riegl Laser Measurement Systems Abb. 7, 8, 9, 10, 14, 17, 18, 19, 20, 21, 23: Universität Wien, Institut für Kunstgeschichte, unidam Abb. 11: Archiv Dompfarre St. Stephan Abb. 12, 15, 19, 20, 21: Archiv Dombauhütte Wien Abb. 16: Bundesdenkmalamt Wien Abb. 22: Wien Museum Norbert Nussbaum Abb. 1, 4, 8, 11, 12: Norbert Nußbaum 2016 / Fotogrammetrie Archiv Dombauhütte Wien Abb. 2, 3, 5, 6, 7, 9, 10, 13, 14, 15: Norbert Nußbaum 2016 Tim Juckes Abb. 1, 2b, 3a, 4b, 5a, 5c: Universität Wien, Institut für Kunstgeschichte, unidam Abb. 2a: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Pläne und Karten - Sammelbestand, P1: 234 Abb. 3b: Detail from Hubel/Schuller (eds.) 2010-2016, vol. 5, plate 71. Abb. 4a: Neue Illustrirte Zeitung, X/1, no. 14 (1 January 1882), 220 / Tim Juckes Abb. 5b: Rijksmuseum, Amsterdam Abb. 6a, 6c: Böker 2007, 187-188 bearb. Tim Juckes Tafeln Tafel 1: Dommuseum Wien Tafel 3, 4: Archiv Dombauhütte Wien (Franz Zehetner) Tafel 2: Walter Roschnik (FWF Projekt P28541)
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