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German Pages 700 [616] Year 1970
S P I E L T E X T E D E R W A N D E R B Ü H N E III
AUSGABEN DEUTSCHER LITERATUR D E S XV. BIS XVIII. J A H R H U N D E R T S
unter Mitwirkung von Käthe Kahlenberg herausgegeben von Hans-Gert Roloff
SPIELTEXTE DER
WANDERBÜHNE
WALTER D E G R U Y T E R & CO • B E R L I N vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer —• Karl J. Trübner — Veit & Comp. 1970
SPIELTEXTE
DER
WANDERBÜHNE herausgegeben von
MANFRED BRAUNECK
DRITTER BAND: SCHAU-BÜHNE ENGLISCHER UND F R A N T Z Ö SI S C H E R COM O E D I A N T E N (1670)
W A L T E R D E GRUYTER & CO • BERLIN vormals G. J. Göschen'sche Verkgshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit & Comp. 1970
© Archiv-Ni. 45 84 70/5 Copyright 1970 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J . Trübner — Veit & Comp. Printed in Germany — Alle Rechte des Nachdrucks, einschließlich des Rechtes der Herstellung von Photokopien — auch auszugsweise — vorbehalten. Satz und Druck: Walter de Gruyter & Co., Berlin 30
mtngltfc^ft
Comföfotttett / Siuff fl»erbm twgcflcUct We ftfrönflm un& neutfim £ottioöitn / f o M t toeniä 3 unt> m\/bct) helen. Sagt mir / begehrt ihr etwas von ihm ? Er hat mir mehr als einmal gesagt / er wolle nichts sparen / damit er euch coNTENTiren möge. Ist es darum / daß er euch nicht alle erwünschte Freyheit gibt / und solten die Spaziergänge und Luft euer Gemüt nicht versöhnen? Habt ihr von irgend einem einen Unlust erlitten? Habt ihr einige heimliche Zuneigung? Mit wem woltet ihr gern verheuratet seyn? Ach / ich verstehe euch. Da ligt der Has im Pfeffer! Warumb macht ihr so viel Wesens? Herr / das Geheimnus ist entdeckt: . . . . Und . . . . SGANARELLE fällt ihr in die Rede. Gehe hin / du undanckbare Tochter / ich mag dich nicht mehr ansehen / ich lasse dich in deiner Halsstarrigkeit. LUCINDE.
Mein Vatter / weil ihr begehrt / daß ich es euch sagen solle / so sage ichs. SGANARELLE.
Ja / ich sage dir all meine Freundschafft auff. LISETTE.
Herr / Ihre Traurigkeit . . . . SGANARELLE.
Die lose Vettel macht mir das Leben verdrießlich. LUCINDE.
Mein Heber Vatter / ich will . . . . SGANARELLE.
Ist das der Danck / daß ich dich so sorgfältig aufferzogen ?
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Comoedia LISETTE.
Aber Herr! . . . .
SGANARELLE.
Nichts. Ich bin nun gantz ergrimmt über sie! LUCINDE.
Aber / lieber Vatter . . . . SGANARELLE.
Ich trage gantz kein
AFFECTION
mehr zu dir.
LISETTE.
Aber . . . . SGANARELLE.
Ey / es ist ein nichtswerthiger ungehorsamer Schleppsack. Aber . . . .
LUCINDE. SGANARELLE.
Ein ungerathen Kind / das mir nicht sagen will / was ihm fehlet. LISETTE.
Sie will einen Mann haben. SGANARELLE stellt sich / als verstehe ers nicht. Ich will sie gantz verlassen. LISETTE.
Einen Mann. SGANARELLE.
Ich verfluche siel LISETTE.
Einen Mann. SGANARELLE.
Und will sie nicht mehr vor meine Tochter halten.
Amor der Art^t
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LISETTE.
Einen Mann. SGANARELLE.
Sagt mir nichts mehr darvon.
SGANARELLE.
Schweigt nur still. LISETTE.
Einen Mann. SGANARELLE.
Ich will nichts mehr von ihr hören! LISETTE.
Einen Mann / einen Mann / einen Mann.
D E R IV. AUFFTRITT. L I S E T T E . LUCINDE. LISETTE.
Man sagt wol recht / daß keine ärgere Taube sind / als die nicht hören wollen. LUCINDE.
Ach LISETTE, ich hab übel gethan / daß ich meine Traurigkeit verborgen habe / ich hätte nur reden dörffen / so hätte ich alles von ihm bekommen / was ich gewünscht hätte. LISETTE.
Das ist Warlich ein selt2amer Mann / und ich muß bekennen / es wäre mir lieb / wann wir ihm einen Possen spielen könten. Aber MADAME, woher kompt es dann / daß ihr mir biß daher euer Anligen verborgen gehalten ? 2
Brauneck III
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Comoedia LUCINDE.
Was hätte es doch genutzt / wann ich dirs schon eher entdeckt hätte ? und hätte ich nicht eben so viel gewonnen / wann ichs mein Lebenlang verschwiegen hätte. Meynet ihr / ich habe nicht alles wol zuvor gesehen / was ihr allhier gesehen habt? Meynet ihr / ich kenne meinen Vatter nicht außund inwendig / und daß die abschlägige Antwort / die er dem jenigen gegeben / der umb mich hat ansuchen lassen / mir nicht alle Hoffnung benommen habe. LISETTE.
Wie! ist es der Unbekante / der umb euch hat ansuchen lassen / den ihr . . . . LUCINDE.
Vielleicht stehet es einem Mägdgen nicht wol an / daß es also frey seine Meynung herauß sagt; jedoch so bekenne ich / wann mir erlaubt wäre / etwas zu begehren / so wolte ich Ihn erwehlen. Wir haben keine CONVERSATION miteinander gehabt / und sein Mund hat mir nichts gesagt von der Liebe / die er zu mir trägt: Aber an allen Orten / da er hat zu mir kommen können / haben seine Blicke und Geberden ein solch LiebesGespräch mit mir geführt; und weil er mit solcher REPUTATION umb mich gefreyet / habe ich nicht unempfindlich bleiben können. Unterdessen aber sehet ihr / wohin meines Vatters Härtigkeit diese Liebe bringet. LISETTE.
Gehet / last mich nur machen / ob ich schon Ursach habe mich über euch zu beklagen / weil ihr mirs also verhelet / will ich doch nicht unterlassen / euch in eurer Liebe zu dienen / wofern ihr nur RESOLUTION genug habt. LUCINDE.
Aber was soll ich anfangen wider die AUTHORITÄT meines Vatters und wie wann er sich nit erbitten läst ?
Amor der Art^t
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LISETTE.
Geht / geht / man muß sich nicht lassen führen < /5) wie ein Gans / und wofern die Ehre nicht verletzet wird / kan man sich der Tyranney eines Vatters entledigen. Was will er haben / daß ihr thun solt? seyd ihr nicht alt genug zum heuraten? Oder meynet er / ihr seyd von Steinen ? Geht / ich will eurer PASSION dienen / ich nehme von nun an alle diese Sorg auff mich / und ihr werdet sehen / daß ich listig genug bin. Aber ich sehe euren Vatter / last uns hinein gehen. DER V. AUFFTRITT. SGANARELLE.
Es ist unterweilen gut / daß man sich stellet / als verstehe man die Sachen nicht / die man nur allzuwol verstehet: Und ich habe weislich gethan / daß ich mich gestellt / als mercke ich ein solches Begehren nit / welches ich nicht willens bin einzugehen. Hat man auch jemals etwas tyrannischeres gesehen / als diese Gewonheit / deren man die Vätter unterwerffen will ? Es ist nichts licherlichers noch seltzamers / als daß man mit Müh und Arbeit Gelt und Gut zusammen scharret / eine Tochter mit Müh und Arbeit aufziehet / und sich darnach beydes durch einen Menschen / der uns nichts angehet / berauben läst. Nein / Nein / ich mag deß Gebrauchs wol entberen / und will mein Gut und meine Tochter für mich behalten.
DER VI. AUFFTRITT. LISETTE. SGANARELLE. LISETTE. O Unglück und Elend! Ach mein guter Herr wo soll ich dich doch antreffen 1 2»
SGANARELLE,
20
Comoedia {16}
SGANARELLE.
Was sagt sie da ? LISETTE.
Ach du elender Vatter! was wirstu thun / wann du diese 5 Zeitung hörest. SGANARELLE.
Was soll das seyn ? LISETTE.
Mein gute Jungfer. IO
SGANARELLE.
O Weh ! was wird das geben ? LISETTE.
Ach! SGANARELLE. 15
LISETTE ! LISETTE.
O deß grossen Unglücks ! SGANARELLE. LISETTE ! 20
LISETTE.
O du elender Zufall! SGANARELLE. LISETTE ! LISETTE.
25
Ach leyder ! SGANARELLE. LISETTE ! LISETTE.
Ach Herr! 30
SGANARELLE.
Was bedeut das ?
Amor der Art^t
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LISETTE.
Herr! < /7 )
S GANARELLE.
Was ists dann? LISETTE.
Euer Tochter. SGANARELLE.
Ach was soll das seyn? LISETTE.
Ach Herr / weynet doch nicht so / ihr machet sonst / daß ich lache. SGANARELLE.
Sag dann geschwind her. LISETTE.
Euer Tochter ist gantz bestürtzt von den Worten / die ihr gesagt habt / und von dem hefftigen Zorn / darin sie euch wider sie gesehen / ist sie hinauf? geloffen in die Stub / und hat das Fenster gegen dem Wasser auffgemacht. SGANARELLE.
Nun wol. LISETTE.
Da hat sie die Augen gen Himmel ausgehoben / und gesagt: Es ist mir unmöglich in meines Vatters Zorn zu leben; und weil er mich nicht mehr vor seine Tochter hält / will ich sterben. SGANARELLE.
Hat sie sich hinunder gestürtzt ? LISETTE.
Nein Herr / sie hat das Fenster allgemach wieder zugemachet / und hat sich auff ihr Bett gelegt: Da hat sie angefangen bitterlich zu weynen / hierauff ist alsobald ihr Gesicht
Comoedia
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gantz blaß worden / und ihre Augen haben sich in dem Kopff umbgedrähet / sie ist (18) in Ohnmacht gefallen / und mir also in den Armen ligen geblieben. SGANARELLE.
Ach! meine Tochter. LISETTE.
Ich habe so lang an ihr gerüttelt / biß sie wieder zu ihr selber kommen ist; aber es kompt sie alle Augenblick wieder an / und ich glaube nicht / daß sie den Tag überlebe. SGANARELLE.
geschwind hole mir die Aertzt / und zwar in grosser Anzahl / in solcher Begebenheit kan man deren nicht zu viel haben. CHAMPAIGNE,
ZWISCHEN-HANDLUNG. C H A M P A G N E tant^t / und klopfft vor vierer Aertyte Häuser an / diese tant^en auch / und gehen mit C E R E M O N I E N in der Patientin Hauß.
DIE II. HANDLUNG. (DER I.
AUFFTRITT.y
SGANARELLE. LISETTE. •(LISETTE.)
Herr / was wolt ihr dann mit vier MEDICUS machen? ist nicht einer genug / einen Menschen umbzubringen ? SGANARELLE.
Ey schweigt still / vier können mehr rathen / als einer. LISETTE.
Kan euer Tochter nicht wol sterben / ohn die Hülff derselben. (19y
SGANARELLE.
T&dten dann die MEDICI ? LISETTE.
Freylich I ich habe einen gekennet / der mit guten Gründen bewiesen hat / man soll niemals sagen / eine solche Person ist von einem Fieber oder Fluß auff der Brust gestorben; sondern / sie ist von vier Aertzten und zweyen Apotheckern gestorben. SGANARELLE.
St / sagt diesen Herren nichts zu wider! LISETTE.
Warlich Herr / unser Katz ist vor dreyen Tagen von dem Dach herab gefallen / hat seither nichts gefressen / und weder Fuß noch Pfoten regen können / doch kompt sie wieder auff: Aber ich glaube / wann die Katzen auch ihre MEDICOS hätten /
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Comoedia
sie würden ihr auch Purgier-Tränck eingegeben / und zur Ader gelassen haben. SGANARELLE.
Schweig still / sag ich dir! was seynd das für Possen / Sihe / da seynd siel LISETTE.
Gebt wol Achtung / ihr werdet etwas lernen / nun werden sie euch auff Latein sagen / daß euer Tochter kranck seye.
DER II. AUFFTRITT. Die Herren
TOMES, DESFONANDRES, MACROTON
Aert^te.
und
BAHYS,
SGANARELLE. LISETTA. SGANARELLE.
Nun wol / ihr Herren I (20)
M . TOMES.
Wir haben die Krancke genugsam außgeforscht / ohne Zweiffel hat sie einen trefflich grossen Unrath in ihr. SGANARELLE.
Wie / ist mein Tochter unrein ? M . TOMES.
Ich verstehe es also / es ist viel unreines in ihrem Leib / nemlich viel verderbte und böse Feuchtigkeiten. SGANARELLE.
SO / ich versteh es. M . TOMES.
Aber
wir wollen darüber rathschlagen.
Amor der Art^t
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SGANARELLE.
Gebt Stüle her. LISETTA.
O Herr / ihr seyd recht daran. SGANARELLE.
Woher kennt ihr den Herrn ? LISETTA.
Ich habe ihn neulich in euer Frau Basen Hauß gesehen. M . TOMES.
Wie stehts mit ihrem Gutscher ? LISETTA.
Sehr wol / er ist todt. M . TOMES.
Todt? LISETTA.
Ja.
M . TOMES.
Das kan nicht seyn. LISETTA.
Ich weiß nicht / ob es seyn kan / aber das weiß ich / daß es ist. M . TOMES.
Es kan nicht seyn / daß er todt ist / sag ich. LISETTA.
Aber ich sage / daß er todt / und zwar schon begraben ist. Ihr irrt euch.
M . TOMES.
Comoedia
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LISETTA.
Ich hab ihn gesehen. M . TOMES.
Es ist unmöglich. HIPPOCRATES sagt ja / diese Kranckheiten enden sich erst in dem zwantzigsten / oder ein und awantzigsten Jahr / und es ist erst sechs Tag / daß er kranck ligt. LISETTA. HIPPOCRATES
mag sagen was er will / der Gutscher ist todt. SGANARELLE.
Ey schweig still / du Plaudertäsch / last uns hinauß gehen. Ihr Herren / ich bitte euch / ihr wollet auffs beste rathschlagen. Ob es schon nicht die Manier ist / daß man vorauß bezahlt / jedoch damit ichs nicht vergesse / und es eine richtige Sach seye / so nemmet da Er befahlt sie / und ein jeder macht absonderliehe Geberden. DER III. AUFFTRITT. Die Herren
DESFONANDRES, TOMES, MACROTON
und
BAHYS.
Sie setzen sich j und husten. DESFONANDRES.
Pariß ist sehr weitliufftig / und man muß sich sehr abmatten / wann es ein wenig etwas zu thun gibt. TOMES.
Darzu hab ich einen trefflichen Maul-Esel / es ist nicht zu sagen / wie offt er deß Tags hin und her spazieren muß. DESFONANDRES.
Ich hab ein gutes Pferd / es kan nicht müd geritten werden.
Amor der Art^t
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TOMES.
Es glaubt niemand / was vor ein Arbeit mein Maulthier heute schon gethan. DESFONANDRES.
Mein Pferd ist heute schon sehr S T R A P A Z i r t worden / und über das bin ich mit ihm zu N. gewesen / da hab ich einen Krancken besucht. TOMES.
Aber / auff welche Seite wollen sich die Herren schlagen / in dem Streit der beyden Aertzte THEOPHRASTI und A R T E M I I ; dann es ist ein Ding / welches unsern gantzen Leib theilet. DESFONANDRES.
Ich 1 ich stehe dem
ARTEMIUS
bey.
TOMES.
Ich auch / nicht daß seine Meynung / wie man ge-