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German Pages 264 Year 2020
Wolfgang Jäger Soziale Bürgerrechte im Museum
Edition Museum | Band 50
Für Greta, Frida, Luisa und Karlotta
Wolfgang Jäger (Dr. phil.), geb. 1954, ist Research Fellow am Institut für soziale Bewegungen und Lehrbeauftragter der Ruhr-Universität Bochum. Er ist stellvertretender Vorsitzender des »Arbeitskreises Gesellschaftlicher Gruppen« beim Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn. Nach seinem Studium, der Lehrerausbildung und der Promotion im Fach Geschichte arbeitete er als Gewerkschaftssekretär der IG Bergbau, Chemie, Energie und des Deutschen Gewerkschaftsbundes in den Bereichen Bildung und Vorsitzender. Danach war er 13 Jahre als Geschäftsführer der Hans-Böckler-Stiftung tätig und Arbeitnehmervertreter in diversen Aufsichtsräten.
Wolfgang Jäger
Soziale Bürgerrechte im Museum Die Repräsentation sozialer Demokratie in neun kulturhistorischen Museen
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung
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Inhalt
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Einleitung: Museen – die letzten Kathedralen? ................................ 7
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Dimensionen musealer Geschichtskultur – Ästhetik, Politik, Wissenschaft, Partizipation ................................. 15
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Die Entwicklung der Geschichtsausstellung seit den 1970er Jahren – die Museumsrevolution ...................................................... 35
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Die Entdeckung der Industriekultur und die Entstehung von Industriemuseen .................................... 43
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Soziale Demokratie – der Kampf um soziale Bürgerrechte ................... 53
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Das Deutsche Historische Museum in Berlin – eine Schatzkammer ohne die Geschichte der sozialen Demokratie? ......... 63
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Das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn – die halbe Demokratie als Meistererzählung? ................................. 87
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Das Zeitgeschichtliche Forum Leipzig – die Meistererzählung der politischen Revolution von 1989 und des gelingenden Aufbau Ost? ................................................107
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Das Museum der Arbeit in Hamburg – die kritische Musealisierung verschwundener Arbeitsplätze?................ 121
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Das Ruhr Museum in Essen – vom Klassenkampf zum sozialverträglichen Strukturwandel?............... 135
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Das Deutsche Bergbau-Museum in Bochum – eine nostalgische Erfolgsgeschichte der sozialen Demokratie in der Steinkohle? ............. 155
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Das Technoseum in Mannheim – soziale Demokratie im Hybrid aus Technik- und Sozialgeschichte? ..........175
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Die Arbeitswelt Ausstellung der DASA in Dortmund – ein szenografischer Zugang zur Geschichte des Kampfes für soziale Rechte? ................... 189
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Das Haus der Europäischen Geschichte in Brüssel – ein Ankerplatz für ein europäisches Gedächtnis der sozialen Demokratie? ........................ 205
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Resultate und Perspektiven.................................................. 221
Anhang ........................................................................... 237
1
Einleitung: Museen – die letzten Kathedralen?
»Die Glaubwürdigkeit von Parteien und Kirchen mag schwinden, Museen aber genießen so viel Vertrauen wie kaum eine andere Institution. In Deutschland gibt es mehr als 6.000 Museen, die 2017 von mehr als 114 Millionen Menschen besucht wurden, und die Zahlen wachsen seit Jahren. Museen, so scheint es, sind die letzten Kathedralen«, so der Beginn eines nahezu hymnischen Artikels in der Süddeutschen Zeitung. Aber Museen müssen sich neuen großen Herausforderungen stellen, wobei der Umgang mit der Raubkunst aus der NS-Zeit und dem Erbe der Kolonialzeit die derzeit drängendsten in der Öffentlichkeit diskutierten Fragen sind. Die Kulturjournalistin der Süddeutschen Zeitung ist da voller Vertrauen: »Die Museen werden sich den neuen Ansprüchen auf Aufarbeitung und Wahrheitsfindung stellen müssen, wenn sie die hohe Zustimmung des Publikums nicht verlieren wollen. Die auf Transparenz und Öffentlichkeit angelegte Institution ist prädestiniert dafür, anderen Einrichtungen beispielhaft voranzugehen.«1 Mehr Lob geht nicht. Museen erfreuen sich in der Tat eines regelrecht gigantischen Interesses. Schon 2010 wurden 110 Millionen Besuche in deutschen Museen gezählt. Die Besucherzahlen übertrafen damit die Zahl der Menschen, die zu den Spielen der Fußballbundesliga gehen, um nahezu das Zehnfache, so der Vergleich für das Jahr 2010.2 Allein in den Dauerausstellungen der drei großen historischen Museen, dem Deutschen Historischen Museum in Berlin, dem Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn und dem Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig, wurden 2014 insgesamt rund eine Million Be1
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Süddeutsche Zeitung, 03.01.2019, Letzte Kathedralen v. Catrin Lorch; In den 114 Millionen Besuchern sind auch Doppelzählungen enthalten, so dass von 114 Millionen Besuchen in deutschen Museen die Rede sein müsste. Pohl, Karl Heinrich: Der kritische Museumsführer. Neun Museen im Fokus, Schwalbach/Ts. 2013, S. 11.
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Soziale Bürgerrechte im Museum
sucher_innen gezählt – eine Zahl, die den Kreis der Leser_innen historischer Standardwerke weit überschreitet.3 Die Besucher_innen der historischen Museen, so die Evaluationsforschung, schätzen das Museum als Vermittlungsmedium, das einen deutlichen Vorzug gegenüber alternativen Angeboten wie Büchern, Filmen, Vorträgen oder dem Geschichtsunterricht erhält. Lediglich Gespräche mit Zeitzeugen werden ähnlich positiv wie der Museumsbesuch bewertet.4 Die Expansion des Museumswesens setzte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein und rund 95 % aller Museen weltweit sind seitdem entstanden.5 Ein Ende des Aufbaus neuer Museen ist nicht abzusehen. So hat unlängst der Landtag von Nordrhein-Westfalen entschieden, dass das Bindestrichland ein »Haus der Landesgeschichte« bekommen soll, analog »zum berühmten Haus der Geschichte in Bonn, das die gesamte Republik thematisiert«, wie die Rheinische Post am 20.12.2017 berichtete. Das Museum ist eine besondere kulturelle Institution, deren Geschichte und Entwicklung hier nicht detailliert ausgeleuchtet werden kann.6 Die maßgebliche Definition des Museums stammt vom Internationalen Museumsrat ICOM, dessen gültige Fassung wie folgt lautet: »Ein Museum ist eine dauerhafte Einrichtung, die keinen Gewinn erzielen will, öffentlich zugänglich ist und im Dienst der Gesellschaft und deren Entwicklung steht. Sie erwirbt, bewahrt, beforscht, präsentiert und vermittelt das materielle und immaterielle Erbe der Menschheit und deren Umwelt zum Zweck von Studien, der Bildung und des Genusses.«7 Aufschlussreich ist, dass die erstmals 1946 vorgelegte Definition 1974 und 2007 auf die jetzt gültige Form erweitert wurde. Waren in der Fassung von 1946 nur die Museumsaufgaben Bewahren und Ausstellen
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Hertfelder, Thomas/Lappenküper, Ulrich/Lillteicher, Jürgen (Hgg.): Erinnern an Demokratie in Deutschland. Demokratiegeschichte in Museen und Erinnerungsstätten der Bundesrepublik, Göttingen 2016, S. 14. Treinen, Heiner: Prozesse der Bildwahrnehmung und Bildinterpretation in historischen Ausstellungen, in: Mütter, Bernd u.a. (Hgg.): Geschichtskultur. Theorie-EmpiriePragmatik, Bd. 11 (2000), S. 159-174, hier S. 162f. Heesen, Anke te: Theorien des Museums, Hamburg 2012, S. 9. Baur, Joachim: Was ist ein Museum? Vier Umkreisungen eines widerspenstigen Gegenstands, in: ders. (Hg.): Museumsanalyse. Methoden und Konturen eines neuen Forschungsfeldes, 2. Auflage, Bielefeld 2013, S. 15-48. Thiemeyer, Thomas: Geschichte im Museum. Theorie-Praxis-Berufsfelder, Tübingen 2018, S. 6 (eig. Übersetzung).
1 Einleitung: Museen – die letzten Kathedralen?
festgeschrieben, so kamen 1974 Forschen, Erwerben und Vermitteln hinzu. 2007 wurde noch das immaterielle Kulturerbe aufgenommen.8 Wie die Erweiterung der Definition von 1974 schon andeutet, wurde in den 1970er Jahren die Aufgabenbeschreibung des Museums intensiv diskutiert, und sie fand in Westdeutschland unter dem Titel »Lernort contra Musentempel« ihren programmatischen Ausdruck.9 Das Museum sollte nicht mehr als Preziosen- und Raritätenkammer, als unnahbarer Gelehrtenspeicher daherkommen, sondern als Bildungsanstalt ein klares Konzept verfolgen, eine Anforderung, die der Pädagoge Georg Kerschensteiner schon 1925 im Deutschen Museum in München formuliert hatte.10 Wie sich die Museumslandschaft in den 1970er Jahren in Westdeutschland veränderte, wird später kurz dargestellt werden. Für das Forschungsfeld der Erinnerungskultur11 ist das Museum ein überaus geeigneter Untersuchungsgegenstand. Unter Erinnerungskultur verstehen wir hier nach Astrid Erll »historisch und kulturell variable[…] Ausprägungen von kollektivem Gedächtnis«.12 Museen nun sind Gedächtnisorte, in denen das Gedächtnis einer Gesellschaft verwahrt und präsentiert wird. Sie zeigen einen Ausschnitt der Vergangenheit, der für die Gegenwart und Zukunft höchst bedeutsam sein kann. Dabei spiegelt das Museum Erinnerungskulturen und nimmt Einfluss auf ihre Weiterentwicklungen. Im Sinne der konstruktivistischen Theoriekonzepte ist das Museum somit nicht
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Ebd., S. 6. Spickernagel, Ellen/Walbe, Brigitte (Hgg.): Das Museum. Lernort contra Musentempel, Gießen 1979; Faulenbach, Bernd/Jelich, Franz-Josef (Hgg.): Arbeit und Arbeiterbewegung in Museen und Ausstellungen, in: Beiträge. Informationen. Kommentare, Beiheft 6, Recklinghausen 1989. Schmidt, Martin: Das magische Dreieck. Zur Einführung, in: Kirchhoff, Heike/Schmidt, Martin (Hgg.): Das magische Dreieck. Die Museumsausstellung als Zusammenspiel von Kuratoren, Museumspädagogen und Gestaltern, Bielefeld 2007, S. 11-13. Grundlegend: Halbwachs, Maurice: Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen, Frankfurt a.M. 1985; Nora, Pierre: Zwischen Geschichte und Gedächtnis, Berlin 1990; Assmann, Aleida: Das neue Unbehagen an der Erinnerungskultur, Eine Intervention, München 2013; Weiterführend: Erll, Astrid: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Eine Einführung, 3. akt. Aufl., Stuttgart 2017; Berger, Stefan/Seiffert, Joana (Hgg.): Erinnerungsorte. Chancen, Grenzen und Perspektiven eines Erfolgskonzeptes in den Kulturwissenschaften, Essen 2014. Erll, Astrid: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen, in: Nünning, Ansgar/Nünning, Vera (Hgg.): Einführung in die Kulturwissenschaften. Theoretische Grundlagen – Ansätze – Perspektiven, Stuttgart 2008, S. 156-185, hier S. 176.
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Soziale Bürgerrechte im Museum
nur, so die Museumsforscherin Sharon MacDonald, ein repräsentierendes, sondern auch ein formierendes Medium der Gesellschaft.13 Das Museum als Repräsentations- und Resonanzraum von Erinnerungen eröffnet also die Möglichkeit, die vielfältigen Formen des kulturellen Gedächtnisses einer Gesellschaft und den Beitrag des Museums zu dessen Formierung zu analysieren.14 Somit eignet sich das Museum vorzüglich, den Stellenwert der Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie zu ermitteln. Wie später noch ausführlicher dargestellt werden wird, verstehen wir unter sozialer Demokratie politische Konzepte und soziale Bewegungen seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts, die die Ziele von Freiheit und Gleichheit bei grundsätzlicher Anerkennung einer marktwirtschaftlichen Ordnung zu verwirklichen suchen. Aus der Vielfalt der musealen Angebote wird das Format der Dauerausstellung für unsere Untersuchung ausgewählt, weil es das Bild eines Museums nachhaltig prägt. Anders als Wechsel- oder Sonderausstellungen werden Dauerausstellungen für einen längeren Zeitraum gemacht, sind mit vergleichsweise größerem Aufwand produziert worden und nehmen in der Regel den meisten Platz im Museum ein. Dauerausstellungen sind ›Visitenkarten‹ eines Hauses und spiegeln in gewisser Weise das Selbstverständnis der Leitung und der Mitarbeiter_innen des Museums wider.15 Dass es dabei auch zu erheblichen Dissonanzen kommen kann, wenn z.B. die Museumsleitung wechselt und die alten Konzepte nicht weiterverfolgt werden, wird später zu thematisieren sein. Das Untersuchungsfeld wird im Folgenden auf die Repräsentation von Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie in den folgenden neun Museen und ihren Dauerausstellungen eingegrenzt: •
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Deutsches Historisches Museum in Berlin,
Zit. n. Pieper, Katrin: Resonanzräume. Das Museum im Forschungsfeld Erinnerungskultur, in: Baur, Joachim (Hg.): Museumsanalyse. Methoden und Konturen eines neuen Forschungsfeldes, 2. Auflage, Bielefeld 2013, S. 187-212, hier S. 199. Ebd., S. 203-208; Baur, Joachim: Repräsentation, in: Gfrereis, Heike/Thiemeyer, Thomas/Tschofen, Bernhard (Hgg.): Museen verstehen. Begriffe der Theorie und Praxis; Göttingen 2015, S. 85-100; Andresen, Knut/Kuhnhenne, Michaela/Mittag, Jürgen/Müller, Stefan (Hgg.): Repräsentationen der Arbeit. Bilder – Erzählungen – Darstellungen, Bonn 2018, S. 7-14. Habsburg-Lothringen, Bettina (Hg.): Dauerausstellungen. Schlaglichter auf ein Format, Bielefeld 2012, S. 9-18.
1 Einleitung: Museen – die letzten Kathedralen?
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Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn, Zeitgeschichtliche Forum Leipzig, Museum der Arbeit in Hamburg, Ruhr Museum in Essen, Deutsches Bergbau-Museum Bochum, Technoseum. Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim, DASA-Arbeitswelt Ausstellung in Dortmund, Haus der Europäischen Geschichte in Brüssel.
In den Blick kommen somit die beiden zentralen staatlichen Museen in Berlin und Bonn, die in gewisser Weise den Status von Nationalmuseen besitzen. Das Zeitgeschichtliche Forum in Leipzig als Dependance des Bonner Hauses ermöglicht die Vertiefung des Blickes auf Ostdeutschland. Das Museum der Arbeit in Hamburg steht für den Typ einer zivilgesellschaftlichen Museumsgründung, die sich als erste dem Thema der Geschichte der Arbeit gewidmet hat. Das Ruhr Museum in Essen dient als Beispiel für ein Regionalmuseum, das tief mit der besonderen Industriekultur an der Ruhr verbunden ist. Das Deutsche Bergbau-Museum in Bochum hat als klassisches Technikmuseum eine neue Dauerausstellung präsentiert, die erstmalig ein sozialgeschichtliches Narrativ enthält. Mit dem Technoseum in Mannheim wird ein Landesmuseum untersucht, das sich in bemerkenswerter Weise der Verbindung von Technik- und Sozialgeschichte zugewandt hat. Der DASA-Arbeitswelt Ausstellung in Dortmund gilt unser Interesse, weil sie mit ihrer besonderen Ausstellungsästhetik neue Formen der Präsentation entwickelt hat. Und das Haus der Europäischen Geschichte in Brüssel kommt in den Blick, um die nationale Sicht auf die europäische Ebene zu erweitern. Die Auswahl der Museen folgt dem Ziel, ein möglichst breites Spektrum musealer Gestaltung zu erschließen, um Anregungen für die Weiterentwicklung der Repräsentation von Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie im Museum zu gewinnen. Es wird also nicht darum gehen, die Museen vordergründig dahingehend zu bewerten, inwieweit die Darstellung der Geschichte der sozialen Demokratie gelungen oder misslungen ist, sondern es soll danach gefragt werden, welche narrativen und museumsästhetischen Vorentscheidungen zur jeweiligen Repräsentation von Erinnerungskulturen
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Soziale Bürgerrechte im Museum
der sozialen Demokratie geführt haben. Die Analyse der neun Dauerausstellungen wird in Form eines Querschnittsvergleichs erfolgen.16 Die Studie verdankt ihre Entstehung der Kommission ›Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie‹, ein auf drei Jahre angelegtes Projekt der HansBöckler-Stiftung, in dem Gewerkschafter_innen und Wissenschaftler_innen zusammenarbeiten.17 Sie verbindet das Ziel, die Erinnerungsgeschichte der sozialen Demokratie aufzuarbeiten und darauf aufbauend eine Erinnerungskultur zu befördern, die vermeintlich selbstverständliche soziale Errungenschaften als Ergebnisse harter Interessenkonflikte und mühevoller Kämpfe aufzeigt, Errungenschaften, die keine Ewigkeitsgarantie besitzen, und die unter veränderten Rahmenbedingungen immer wieder neu erkämpft werden müssen. Die im Institut für soziale Bewegungen an der Ruhr-Universität Bochum angesiedelte Kommission unter Leitung von Stefan Berger und Wolfgang Jäger hat sich einem weiten Themenkreis der Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie zugewandt und zahlreiche externe Wissenschaftler_innen gewinnen können, die wertvolle Beiträge zur Arbeit geliefert haben. Diese sind auf der Website der Hans-Böckler-Stiftung dokumentiert und werden auch noch in Buchform erscheinen. Am Anfang dieser Studie stand eine ›Probebohrung‹ zu den Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie im Museum, die schnell über eine knapp bemessene Expertise hinauswuchs. Die in der Kommission präsentierten Ergebnisse aus zunächst fünf Museen wurden auf weitere vier Häuser erweitert und in die aktuellen Debatten zur musealen Präsentation und Erinnerungspolitik eingebettet. Hilfreich waren die Erfahrungen, die ich seit 2009 als DGB-Vertreter im Arbeitskreis gesellschaftlicher Gruppen beim Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn sammeln konnte. Hinzu kamen die geschichtspolitischen Aktivitäten der Hans-Böckler-Stiftung, die ich als langjähriges Mitglied der Geschäftsführung der Hans-Böckler-Stiftung bis 2017 planen und verantworten durfte. Die untersuchten Museen sind dem Anliegen der Studie mit großer Aufgeschlossenheit begegnet, die in einer zuvorkommenden und hilfreichen Un16
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Thiemeyer, Thomas: Geschichtswissenschaft. Das Museum als Quelle, in: Baur, Joachim (Hg.): Museumsanalyse. Methoden und Konturen eines neuen Forschungsfeldes, 2. Auflage, Bielefeld 2013, S. 73-94, hier S. 80. www.isb.ruhr-uni-bochum.de/forschung/drittmittel/erinnerungskulturen_der_sozialen_Demokratie.html.de; https://www.boeckler.de/erinnerungskulturen.htm (Zugriff 29.10.2019);
1 Einleitung: Museen – die letzten Kathedralen?
terstützung bei den Recherchen zum Ausdruck kam. Es entstand ein intensiver Dialog über die ersten Ergebnisse der Untersuchung, der zahlreichen Klarstellungen und Verbesserungen zu Gute kam. Dafür bedanke ich mich bei allen Gesprächspartnern, namentlich bei Raphael Gross, Fritz Backhaus, Elisabeth Breitkopf-Bruckschen und Thomas Jander vom Deutschen Historischen Museum, bei Hans Walter Hütter, Monika Röther, Simone Mergen und Christian Peters vom Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, bei Jürgen Reiche vom Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig, bei Rita Müller und Sandra Schürmann vom Museum der Arbeit, bei Theo Grütter und Andreas Zolper vom Ruhr Museum, bei Stefan Brüggerhoff und Timo Hauge vom Deutschen Bergbau-Museum Bochum, bei Hartwig Lüdtke und Anne Mahn vom Technoseum, bei Marcus Starzinger und Bernd Holtwick von der DASA und Andrea Mork vom Haus der Europäischen Geschichte in Brüssel. Für die Bereitstellung von Fotos aus den Ausstellungen waren außerdem Anne-Dorte Krause aus Berlin, Petra Rösgen aus Bonn, Wiebke Büsch aus Bochum, Daniel Kosthorst aus Leipzig und Regina Menclik aus Mannheim involviert, denen ebenfalls mein besonderer Dank gilt. Ohne die profunden und anregenden Diskussionen in der Kommission ›Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie‹ und insbesondere im Institut für soziale Bewegungen wäre diese Studie nicht möglich gewesen. Dafür bedanke ich mich vor allem bei Stefan Berger und Ulf Teichmann, die beide die Studie in verschiedenen Fassungen kommentiert und wertvolle Anregungen gegeben haben. Schließlich wäre ohne die Unterstützungen der Assistentinnen der Kommission, Anne Tilse und Claudia Weber, die Texterstellung und Fotobearbeitung kaum allein zu bewältigen gewesen. Dafür bin ich beiden zu großem Dank verpflichtet. Für die finanzielle Ermöglichung der Veröffentlichung danke ich der RAGStiftung, dem IGBCE-Hauptvorstand und dem DGB Bezirk NRW. Bei aller Unterstützung, die ich erfahren habe, für die Darstellungen sowie die Bewertungen trägt selbstverständlich der Autor die alleinige Verantwortung.
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2 Dimensionen musealer Geschichtskultur – Ästhetik, Politik, Wissenschaft, Partizipation
Historische Museen stellen Geschichte aus. Sie sind Teil einer Geschichtskultur, die nach Jörn Rüsen »als gesellschaftliche Praxis« und »Inbegriff der Sinnbildungsleistungen des menschlichen Geschichtsbewusstseins« verstanden werden kann. Geschichtskultur, so Rüsen, »umfasst die kulturellen Praktiken der Orientierung des menschlichen Leidens und Handelns in der Zeit.«1 Eine Analyse und Bewertung historischer Museen erfordert eine Strukturierung des Untersuchungsfeldes, die der Geschichtskultur immanent2 und für den Gegenstand, das Museum, tauglich ist. Unstrittig ist, dass das Museum mit seinen historischen, dinglichen Originalobjekten eine ästhetische Dimension besitzt, die kein anderes Medium der Geschichtskultur vorweisen kann. Historische Museen besitzen ferner eine politische Dimension, wie allein schon die Entstehungsgeschichte des Nationalmuseums im 18./19. Jahrhundert zeigt. Sie sind Machtagenturen, die der Legitimation oder Delegitimation von Macht und Herrschaft dienen und sich entsprechend unterschiedlicher Formen der Erinnerung, von der Heldenverehrung bis zur Gesellschaftskritik, bedienen. Zentral für das historische Museum ist die wissenschaftliche Dimension, die enge Verbindung mit den Kulturwissenschaften und insbesondere der Geschichtswissenschaft. Museen müssen auf dem Stand der wissenschaftlichen Forschung sein. Schließlich ist seit der Museumsrevolution der 1970er Jahre die partizipative Dimension des Museums heute ein anerkanntes Merkmal, das weit über die Vermittlungsaufgabe des Museums hinausgeht, berührt sie doch vielfältige Fragen, wie das Museum
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Rüsen, Jörn: Historik. Theorie der Geschichtswissenschaft, Köln u.a. 2013, S. 221. Rüsen unterscheidet die kognitive, ästhetische, politische, moralische und religiöse Dimension der Geschichtskultur. Ebd., S. 235-241.
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Soziale Bürgerrechte im Museum
und die Zivilgesellschaft zusammenarbeiten. Die vier genannten Dimensionen musealer Geschichtskultur sollen nun im Folgenden mit Blick auf unsere Fragestellung der Repräsentation sozialer Demokratie im Museum näher betrachtet werden.
Ästhetik Das Besondere des Museums ist, dass es etwas Sinnliches zu bieten hat. Auch das historische Museum hat mit Kunst zu tun, wenngleich es nicht wie das Kunstmuseum der Ort der Ausstellung großer Meister der Malerei oder Bildhauerei ist. Im historischen Museum finden sich bedeutsame Gegenstände, die Zeugen der Vergangenheit sind. Sie sind Originalrelikte aus einer vergangenen Zeit, die hilfreich sein können, Geschichte besser zu verstehen. In der Ausstellung werden die Relikte zu Exponaten. Nach Krzysztof Pomian sind solcherart Museumsdinge Semiophoren, Bedeutungs- oder Zeichenträger, die auf eine verschwundene Vergangenheit verweisen.3 Die Ausstellungsobjekte haben auf dem Weg ins Museum einen Bedeutungswandel durchgemacht, aus einem Überrest, einem Relikt der Vergangenheit ist ein bedeutsames Zeichen mit Symbolcharakter geworden. Die außer Betrieb genommene Spinnmaschine ist ein für die Produktion nutzloses Objekt geworden, im Museum ist sie ein nützliches Sinnbild einer verschwundenen Vergangenheit, in den Augen der Konservatoren und der Besucher ist sie zum »Träger von Sinnstiftungen« geworden.4 Dieserart Museumsobjekte haben, so Thomas Thiemeyer, »eine semiotische und materielle Kommunikationsebene, also Bedeutung und Anmutungsqualität.«5 Oder anders formuliert: bei der Begegnung des Besuchers mit dem Museumsobjekt ist eine kognitive und emotionale Ebene zu unterscheiden. Und Emotion hat immer mit Ästhetik zu tun.
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Pomian, Krzysztof: Der Ursprung des Museums. Vom Sammeln, 4. Auflage, Berlin 2013, S. 56-70, S. 95. Ders.: Museum und kulturelles Erbe, in: Korff, Gottfried/Roth, Martin (Hgg.): Das historische Museum. Labor, Schaubühne, Identitätsfabrik, Frankfurt a.M., New York 1990, S. 41-64, hier S. 42-44. Thiemeyer: Geschichte im Museum, S. 124.
2 Dimensionen musealer Geschichtskultur
Die Faszination solcher Objekte hat Walter Benjamin in seinem berühmten Aufsatz von 1937 mit dem Begriff der »Aura« beschrieben.6 Ihre Faszination kommt aus ihrer Authentizität, die, so Gottfried Korff und Martin Roth, »mehr meint als Echtheit und Originalität«, sondern auch »sinnliche Anmutungsqualität, die Ausgangspunkt für die faszinierende Wirkung der Objektwelten des Museums ist.«7 Benjamin definiert Aura »als einmalige Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag.«8 Museumsobjekte entstammen einer fernen, vergangenen Zeit und sie sind einmalig, weil sie aus einer speziellen Zeit kommen. Nah sind sie, weil der Betrachter sie gleichsam mit Händen greifen kann, jedoch ohne ihre Bedeutung allumfassend erschließen zu können. Es bleibt etwas Geheimnisvolles, das dem Originalobjekt eine besondere Ausstrahlung gibt. Es ist die sinnliche Nähe und die zeitliche Ferne, die eine besondere Faszination des Authentischen schafft. Walter Benjamin schreibt den Originalobjekten eine metaphysische Kraft zu, ihre Aura zu entfalten. Dabei abstrahiert er jedoch vom Betrachter, der in einer konkreten Situation dem Objekt eine Bedeutung zuschreibt, die allenfalls durch die Anmutung des Objekts inspiriert sein kann. Somit verschiebt sich der Ausgangspunkt der Aura vom Originalobjekt gleichsam ins Auge des Betrachters.9 Die auratische Erfahrung des Betrachters, die für Benjamin ein quasi-religiöses Erleben ist, erfolgt durch eine Bedeutungszuschreibung, die allenfalls durch das Objekt ausgelöst werden kann. Originalobjekte besitzen also keine vom Betrachter losgelöste eigenständige Aura, sondern können individuell sehr unterschiedlich sein. Zudem dürfte erst mit der musealen Art der Präsentation das Objekt seine Besonderheit bekommen.10 »Bei dem Phänomen Aura handelt es sich also weniger um eine alleinige Qualität des Objekts, sondern um eine Eigenschaft, die durch den spezifischen Kontext der Institution Museum erzeugt
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Benjamin, Walter: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, in: Tiedemann, Rolf/Schweppenhäuser, Hermann (Hgg.): Walter Benjamin, Gesammelte Schriften, Bd. 1, Teil 2, Frankfurt a.M. 1980, S. 471-508. Korff, Gottfried/Roth, Martin: Einleitung, in: dies. (Hgg.): Das historische Museum. Labor, Schaubühne, Identitätsfabrik, Frankfurt a.M., New York 1990, S. 9-37, hier S. 17. Benjamin: Das Kunstwerk, S. 479. Burmeister, Stefan: Der schöne Schein. Aura und Authentizität im Museum, in: Fitzenreiter, Martin (Hg.): Authentizität. Artefakt und Versprechen in der Archäologie, London 2014, S. 99-108, hier S. 106. Thiemeyer: Geschichte im Museum, S. 127.
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Soziale Bürgerrechte im Museum
und erst durch das betrachtende Subjekt realisiert wird«, wie Olaf Hartung zutreffend resümiert.11 Die Aura speist einen Haushalt der Emotionen, macht Lust aufs Schauen, kann aber keinen hinreichenden Beitrag zur historischen Einordnung der Museumsdinge leisten. Zur visuellen Vermittlung des Historischen muss sich das Museum spezieller Formen bedienen, von der Klassifikation über die Chronologie und die Inszenierung bis zur szenografischen Gestaltung, um nur einige Möglichkeiten zu nennen. Bevor jedoch die Arbeit im Museum beginnt, gehen erste bedeutsame Entscheidungen voran. In welcher Stadt befindet sich das Museum, in welchem sozialen Quartier? Ist es in einer Metropole oder in einer Stadt in der Provinz beheimatet? Befindet es sich an einer Meile bürgerlicher Hochkultur oder in einem (ehemaligen) Arbeiterviertel? Ist das Museumsgebäude für die Ausstellung gebaut worden oder handelt es um ein historisches Gebäude, das in der Vergangenheit ganz anderen Zwecken gedient hat? Diese Rahmensetzungen sind sicherlich von nicht zu unterschätzender Bedeutung, da sie einen ganz erheblichen Einfluss auf die soziale Zusammensetzung der Museumsbesucher haben dürften. Das Museum ist hoffnungslos verloren, wenn es in seiner Sammlung keine Ordnung besitzt, die ein Auffinden der Objekte und den Nachvollzug der jeweiligen Objektgeschichte ermöglichen. Als Ordnungssysteme dienen Klassifikationen, die im kulturhistorischen Museum des 19. Jahrhunderts zugleich als Ausstellungssystematik genutzt wurden. Die nach formalen Kriterien erfolgende Aneinanderreihung von Objekten schufen Studier- und Wissenschaftsorte, Schausammlungen, die für ein ausgewähltes Publikum geeignet waren. Das von Jana Scholze beispielhaft zum Thema Klassifikation untersuchte Pitt-Rivers-Museum ist bezeichnenderweise seit den 1880er Jahren ein Teil des Naturkundemuseums der Universität Oxford.12 Die Chronologie als museale Präsentationsform rekurriert auf ein Geschichtsverständnis linearer Entwicklungen, was ihre Popularität im 19. Jahrhundert zu erklären vermag. Geschichte wird als Abfolge historischer Ereignisse ohne Störungen und Verzweigungen verstanden, deren Sinn sich durch 11
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Hartung, Olaf: Die Wiederkehr des Echten. Ein aktueller Museumstrend und seine Bedeutung für das historische Lernen, in: Hartung, Olaf/Köhr, Katja (Hgg.): Geschichte und Geschichtsvermittlung. Festschrift für Karl Heinrich Pohl, Bielefeld 2008, S. 199212, hier S. 207. Scholze, Jana: Medium Ausstellung. Lektüren musealer Gestaltung in Oxford, Leipzig, Amsterdam und Berlin, Bielefeld 2004, S. 40-97.
2 Dimensionen musealer Geschichtskultur
das Nacheinander der Ereignisse erschließt. Die historische Erzählung ist eindimensional und kann die Einwirkungen und Wechselwirkungen ökonomischer, sozialer, politischer, ideologischer und kultureller Strömungen nicht oder zumindest nur eingeschränkt erfassen.13 Nichtsdestotrotz haben viele große historische Ausstellungen einen chronologischen Grundaufbau, der allerdings durch diachrone Präsentationen ergänzt wird. Die Chronologie bietet die Chance, eine zeitlich klar abgegrenzte Geschichte zu erzählen, die einen Anfang und ein (offenes) Ende hat. Die vergangene Zeit wird gleichsam auf eine Räumlichkeit verdichtet und der Rundgang ist für den Besucher der simulierte Weg durch die Zeit. Die Auswahl der Ausstellungsobjekte wird dem Ziel der Erzählung untergeordnet. Sie sollen die Stimmigkeit der Erzählung bestätigen, wenn nicht sogar legitimieren. Beigefügte Ausstellungstexte unterstreichen nicht selten den Belegcharakter der authentischen Ausstellungsobjekte, deren Bedeutung jedoch auf die Storyline beschränkt wird. Jana Scholze stellt zu Recht fest: »Die ausschließlich zweckbezogene Einbindung der Objekte in Chronologien infolge der Fokussierung auf eine zu vermitteln beabsichtigte Erzählung reduziert die Deutungen und Wertungen des einzelnen Museumsobjektes fundamental.«14 Der erklärende Text der Ausstellung wird wichtiger als die Ausstellungsobjekte. Die primären Elemente der Ausstellungskommunikation sind Überschriften, Grafiken, Bilder, Fotografien. Diese ›Vergewisserung der Kommunikationsinhalte‹ verbindet sich mit einem dezidierten Vermittlungsanspruch, der die eine ›richtige‹ Erzählung dem Besucher präsentieren möchte, der auch nicht auf ›falsche‹ Gedanken kommen soll. Einer reinen Chronologie ist offensichtlich eine gewisse Rigidität zu eigen, wenngleich sie eine gut nachvollziehbare museale Präsentation einer idealerweise theoretisch und konzeptionell gut ausgewählten Story ist. Mit der Methode der Inszenierung versucht das kulturhistorische Museum Ausstellungsobjekte in Erklärungszusammenhänge zu bringen, ihnen eine spezielle Deutung zu geben, um eine besondere Geschichte erzählen zu können. Sie bringt Objekte ›zum Sprechen‹, allerdings um den Preis einer Bedeutungsbegrenzung, die aber allen musealen Präsentationsformen zu eigen ist.15 Inszenierung, so Thomas Thiemeyer, ist als Praxis im Museum des 19.
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Ebd., S. 122-141, hier S. 135-137. Ebd., S. 123. Ebd., S. 267f.
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Jahrhunderts allgegenwärtig, ohne allerdings den Begriff zu verwenden. Gebräuchliche Termini waren ›Arrangement‹ oder ›Gesammtbild‹. Erst mit der Preußenausstellung von 1981 ist der Begriff der Inszenierung für das Museum theoriefähig geworden.16 Gottfried Korff definierte Inszenierung für das Museum erstmals analytisch: »Bei dieser Präsentationsmethode bilden weniger Einzelobjekte in ihrer ästhetischen Eigenwertigkeit die Bausteine der Ausstellung, als vielmehr thematisch bestimmte Ensembles und Arrangements, die durch die Art ihrer Zusammenstellung die Einzelobjekte wirken und ›sprechen‹ lassen.«17 Der Inszenierung stehen dabei viele Formen der Gestaltung zur Verfügung. Der Ausstellungsraum kann durch spezielle Arrangements, bühnenartige Einbauten, Wege usw. vielfach gestaltet und die Museumsobjekte können höchst unterschiedlich exponiert werden. Der Raum als Ganzes und nicht nur seine Wände sind Gegenstand der Gestaltung. Er kann zum Erlebnisraum werden, in dem sich historische und ästhetische Erfahrungen machen lassen. Mit einer naturalistischen Rekonstruktion von Räumen läuft die Inszenierung allerdings auch Gefahr, eine ›Realität‹ vorzutäuschen, die in Wirklichkeit nur eine Fiktion sein kann. Authentizität können nicht die Kulissenbauten, sondern nur die Originalobjekte beanspruchen. Allerdings sind sie nur Teil der intendierten Ausstellungsinhalte, ihre individuelle Objektgeschichte steht im Hintergrund.18 Eine Inszenierung, die den Vorwurf der Effekthascherei und der Vortäuschung falscher Tatsachen vermeiden will, muss Gütekriterien erfüllen, die dem Anspruch der Wahrhaftigkeit musealer Darstellung genügen. Ulrich Paatsch hat ein Modell mit drei Stadien – Identifizierung, Distanzierung und Aneignung – vorgeschlagen.19 Demnach soll dem Besucher zunächst die Identifikation mit der Präsentation möglich sein, die sein Interesse weckt und ihn zur Auseinandersetzung anreizt. Zugleich soll sie Zweifel und Widerspruch evozieren. Und schließlich soll aus dieser Konfrontation eine Aneignung möglich werden, indem der Rezipient das Wahrgenommene in Beziehung zu seiner individuellen Lebenswelt bringt. Inszenierungen nach diesem
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Thiemeyer, Thomas: Inszenierung und Szenografie. Auf den Spuren eines Grundbegriffs des Museums und seines Herausforderers, in: Zeitschrift für Volkskunde, 108. Jg., H. 2 (2012), S. 199-214, hier S. 204f. Zit. n. ebd., S. 204. Scholze: Medium Ausstellung, S. 147-154 u. S. 192-199. Paatsch, Ulrich: Konzept Inszenierung. Inszenierte Ausstellungen – ein neuer Zugang für Bildung im Museum? Ein Leitfaden, Heidelberg 1990, S. 51-56.
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Verständnis sollen »Vergangenes, Fremdes und Fernes aus einer neuen, ungewohnten, konsequent gegenwärtigen Perspektive szenisch umsetzen bzw. darstellen. Die Verwendung von Abstraktionen, Stilisierungen und Verfremdungen gestehen das Artifizielle und Fiktive der Szenen wie das Subjektive und Deutende, keinesfalls aber das Normative der vermittelten Inhalte ein.«20 Während sich die Inszenierung auf die Kontextualisierung von Ausstellungsobjekten fokussiert, geht die Szenografie einen Schritt weiter, indem sie die Gesamtgestaltung des Ausstellungsraumes in den Mittelpunkt stellt. Die aufwändige künstlerische Gestaltung von Räumen stellt das Raumerlebnis für den Besucher an erste Stelle, der Raum wird gleichsam zum Exponat. Damit ähnelt Szenografie der Präsentationsmethode Komposition, die anders als die Szenografie die Verwendung musealer Originalobjekte für unverzichtbar hält.21 Um Missverständnissen vorzubeugen, hat Joachim Baur den Begriff des inszenatorisch-szenografischen Ansatzes benutzt.22 Originalobjekte und szenografische Gestaltung gehören in dieser Sicht untrennbar zusammen. Die dem Theater entlehnten Bühnengestaltungen sind, so Baur, eine alltägliche Option der Ausstellungsgestaltung geworden, der Raum beansprucht sein Eigenrecht und wird mit künstlerischen Mitteln bespielt. Damit hat das kulturhistorische Museum zusätzliche Gestaltungsoptionen gewonnen, durch besondere Raumgestaltungen das Interesse und die Phantasie der Besucher zu beflügeln, neue kommunikative Potentiale zu heben.23 Schließlich eröffnen sich mit der szenografischen Gestaltung auch ganz neue Möglichkeiten, Themen zu bearbeiten, die wegen ihrer Objektarmut überhaupt noch nicht in Angriff genommen worden sind. Die schon seit 20 Jahren an der DASA-Arbeitswelt Ausstellung in Dortmund jährlich veranstalteten Szenografiekolloquien haben einen reichen Schatz von Anregungen zur Verfügung gestellt.24
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Scholze: Medium Ausstellung, S. 200. Ebd., S. 257-266. Baur, Joachim: Mit Räumen sichtbar machen: inszenatorisch-szenografischer Ansatz, in: Walz, Markus (Hg.): Handbuch Museum. Geschichte, Aufgaben, Perspektiven, Stuttgart 2016, S. 261-266. Hartung, Olaf: Mit Szenografie Geschichte erzählen? Anmerkungen zu den kommunikativen Potenzialen von Museen, in: Isenbort, Gregor (Hg.): Szenografie in Ausstellungen und Museen VII. Zur Topologie des Immateriellen. Formen der Wahrnehmung, Essen 2016, S. 28-39. Seit 2004 sind acht Bände zum Thema Szenografie erschienen.
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Politik Die Entstehung des kulturhistorischen Museums im 18./19. Jahrhundert ist untrennbar mit der Indienstnahme für politische Zwecke verbunden. Das Museum diente zum einen der Beteiligung des aufstrebenden Bürgertums am nationalen kulturellen Erbe und zum anderen der Legitimation des Nationalstaates.25 Das Nationalmuseum wurde zum Ort der nationalen Zusammengehörigkeit, das die gemeinsame Geschichte, das gemeinsame kulturelle Erbe repräsentierte. Bei allen Unterschieden im europäischen Vergleich, so resümiert Stefan Berger: »Nineteenth-century national history museums were powerful instruments of national politics. They constructed and stabilized national master narratives, and they built national identities on which national solidarities were founded.«26 Die vergleichsweise späte deutsche Nationalstaatsbildung und insbesondere die Konkurrenz der Königreiche Bayern und Preußen führten zu vielfältigen Museumsgründungen, die die Identität der Teilstaaten und ihren Führungsanspruch beschworen.27 Am Anfang stand 1830 das vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. eröffnete Königliche Museum in Berlin, heute das Alte Museum auf der Museumsinsel. Das dem Humboldt’schen Bildungsideal verpflichtete Haus sollte mit seinen Schätzen der königlichen Sammlung einen Beitrag zur Schaffung des ›mündigen Bürgers‹ leisten, vom dem man Loyalität zu Staat und Nation erwartete.28 Erst mit dem Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg von 1852 entstand im deutschen Sprachraum ein Museum, das mit einem überregionalen, den gesamten deutschen Sprachraum umfassenden Anspruch antrat und sich als Sammlungsort deutscher Volkskultur verstand, um so einen Impuls zur ausstehenden nationalstaatlichen Einheit zu setzen. Die deutsche Nation wurde als Kulturgemeinschaft beschworen, und aus ihr die Legitimation zur Nationalstaatsbildung abgeleitet. Wenngleich die Museumsgründungen in den beiden wichtigsten deutschen Teilstaaten im 19. Jahrhundert weitergingen und 1871 das Deutsche Kaiserreich entstand, das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg ist bis 25 26
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Thiemeyer: Geschichte im Museum, S. 31-61. Berger, Stefan: National Museums in Between. Nationalism, Imperialism and Regionalism, 1750-1914, in: Aronsson, Peter/Elgenius, Gabriella (Hgg.): National Museums and Nation-Building in Europe 1750-2010, London u. New York 2017, S. 13-32, hier S. 28. Gaehtgens, Thomas W.: Die Museumsinsel, in: Francois, Etienne/Schulze, Hagen (Hgg.): Deutsche Erinnerungsorte III, München 2001, S. 86-104, hier S. 88. Thiemeyer: Geschichte im Museum, S. 51f.
2 Dimensionen musealer Geschichtskultur
heute Teil der deutschen Museumslandschaft geblieben.29 Als weiteres deutsches Nationalmuseum ist das 1903 gegründete Deutsche Museum in München zu bezeichnen, das als Technikmuseum zum Gral ›deutscher Ingenieurskunst‹ wurde. Initiiert von Ingenieuren, dokumentierte es den Aufstieg deutscher Wissenschaft, Industrie und Technik, die das Deutsche Reich zur führenden Wirtschaftsmacht in Europa gemacht hatten.30 Bemerkenswert ist, dass die beiden ersten deutschen Nationalmuseen nicht die politische Geschichte der Nation zum Gegenstand haben, sondern die Kulturnation und die Wirtschaftsmacht Deutschland in den Mittelpunkt stellten. Daran sollte sich bis zur Initiative von Bundeskanzler Kohl in den 1980er Jahren nichts ändern. Eine Ausnahme war das Museum für Deutsche Geschichte der DDR im Zeughaus in Berlin, das das »Sozialistische Vaterland DDR« präsentierte. Die Entstehung des Deutschen Historischen Museums in Berlin und des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn, deren Geschichte später ausführlich dargelegt werden wird, ist Ergebnis politischer Initiative und Gegenstand heftiger parteipolitischer und wissenschaftlicher Auseinandersetzungen gewesen, die durch den deutschen Historikerstreit um die Singularität der nationalsozialistischen Verbrechen noch an Brisanz gewann. Vielsagend ist, dass beide zentralen Museen die Bezeichnung Nationalmuseum nicht im Namen tragen, wenngleich sie die beiden großen politischen Museen sind, die sich der deutschen Geschichte widmen.31 Der kleine Rekurs auf die Geschichte der deutschen Nationalmuseen zeigt beispielhaft, dass das kulturhistorische Museum eine politische Veranstaltung ist. Kulturhistorischen Ausstellungen gehen immer politische Entscheidungen voran, welche Geschichte erzählt werden soll, was als ausstellungswert angesehen wird. Der Soziologe Tony Bennett hat eine Museumstheorie vorgelegt, die das Museum als politischen Ort begreift. Er sieht die Museen des 19. Jahrhunderts als Instrumente, die die Menschen mit der Herausbildung des Nationalstaates versöhnen und sie auf seine Regeln verpflichten sollten. Herrschaft wurde nicht nur auf Macht und Gesetz gegründet, sondern die Museen hatten einen Erziehungsauftrag wahrzunehmen, der die 29 30
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Aronsson u.a.: National Museums in Germany, S. 327-362, hier S. 346-349; Thiemeyer: Geschichte im Museum, S. 55f. Aronsson, Peter/Bentz, Emma: National Museums in Germany: Anchoring Competing Communities, in: Aronsson, Peter/Elgenius, Gabriella (Hgg.): EuNaMus Report No 1, Published by Linköping University, S. 327-362, www.ep.liu.se/ecp/064/ecp064.pdf (Zugriff 07.04.2019), hier S. 349-351; Berger: National Museums, S. 14f. Aronsson u.a.: National Museums in Germany, S. 351-356.
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Bürger aufgrund innerer Überzeugung disziplinieren sollte. Die in den Museen präsentierte ›Hochkultur‹ wurde für das Bürgertum zum Maßstab eigener Wünsche und Verhaltensweisen. In dieser Perspektive waren die Museen, so Bennett, politische Machtagenturen, die Herrschaft legitimieren, Ideologien bekräftigen und Verhaltensroutinen schaffen konnten.32 Diese Instrumentalisierung des Museums im 19. Jahrhundert auf die Idee der Nation hat im Laufe der Jahrzehnte an Bedeutung verloren und es wird später zu erörtern sein, welche Paradigmen heute für die ausgewählten Dauerausstellungen leitend sind.
Wissenschaft Dass das kulturhistorische Museum auf dem Stand der historischen, sozialund kulturwissenschaftlichen Forschung sein muss, ist eine Selbstverständlichkeit. Einzelnen Teildisziplinen des kulturwissenschaftlichen Spektrums kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da sie sich mit den Themen historischer Vermittlung beschäftigen. Die Memory Studies können wichtige Hinweise für die Formen von Erinnerung im Museum geben. Geschichtsdidaktik und Public History geht es um »die Lehre und Analyse der Vermittlung von geschichtswissenschaftlichen Erkenntnissen an eine breite Öffentlichkeit«33 bzw. an definierte Lerngruppen. Die Kulturwissenschaftler Anna Cento Bull und Hans Lauge Hansen haben unlängst in der Zeitschrift Memory Studies eine Systematik unterschiedlicher Formen der Erinnerung vorgelegt, in der sie sich für die Form des agonalen Erinnerns als überlegene Form der Erinnerung aussprechen.34 Sie unterscheiden drei Formen der Erinnerung, das antagonistische, das kosmopolitische und das agonale Erinnern. Das antagonistische Erinnern zeichnet sich dadurch aus, dass klare Grenzen zwischen Gruppen gezogen und Wertungen gefällt werden, die die eigene Gruppe als die moralisch überlegene sehen. Es gibt die verehrungswürdigen Herrscher und Helden der eigenen Nation und die zu verachtenden Feinde, ein Muster der Erinnerung, das in den konkurrierenden Nationalstaaten im 19. Jahrhundert stilbildend war. Dieselbe 32 33 34
Bennett, Tony: The Birth of the Museum. History, Theory, Politics, London 1995, S. 5988. Lücke, Martin/Zündorf, Irmgard: Einführung in die Public History, Göttingen 2018, S. 37. Bull, Anna Cento/Hansen, Hans Lauge: On Agonistic Memory, in: Memory Studies, Vol. 9,4 (2016), S. 390-404.
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Denkfigur des ›Wir‹ und die ›Anderen‹ zeichnet heute den politischen Rechtspopulismus aus. Als die derzeit dominierende Form der Erinnerung sehen Bull und Hansen das kosmopolitische Erinnern. Es sprengt den nationalstaatlichen Rahmen und rekurriert auf universelle Menschenrechte als die fundamentale Antwort auf das Menschheitsverbrechen des Holocaust. Die Erinnerung an den Holocaust hat eine neue Form der Erinnerung geschaffen, die Grundlage für eine globale, vernunftgesteuerte Menschenrechtspolitik.35 Diese berechtigte Identifikation mit den Opfern im kosmopolitischen Erinnern wird jedoch der Auseinandersetzung mit den Ursachen ihres Opfergangs und den Rollen und der Verantwortung der Verfolger und Mitläufer nicht wirklich gerecht. Die Politikwissenschaftlerin Chantal Mouffe kritisiert das dem kosmopolitischen Erinnern zugrundeliegende deliberative Politikmodell, das bei der Lösung von Widersprüchen und Konflikten auf die Macht der Vernunft und Moral und die Konsensfindung setzt.36 Sie plädiert dafür, den Antagonismus als ein Wesensmerkmal liberaler Gesellschaften anzuerkennen und sich von der konsensualen Lösung aller Konflikte zu verabschieden. Agonales Erinnern meint demnach, den Ursachen von Konflikt und Gewalt auf den Grund zu gehen, aus den unterschiedlichen Perspektiven der Menschen in den Konflikten zu lernen, Leidenschaften und Emotionen für eine lebendige Demokratie zu wecken, die den produktiven Streit fördert und die unterschiedlichen Interessen im Raum stehen lässt. Dieser Streit, so Mouffe, darf nicht zu einem Antagonismus, einem Kampf zwischen Feinden, sondern zu einem Agonismus, einem Kampf zwischen Konkurrenten, führen, die die Regeln der Demokratie beachten. Eine Antwort auf die Frage, wie sich nach einem heftigen, produktiven Streit ein für alle Seiten akzeptabler Kompromiss oder zumindest ein friedliches Nebeneinander herausbilden können, bleibt Mouffe allerdings schuldig, eine Kernfrage demokratischer Politik. Natan Sznaider, ein prominenter Vertreter des Kosmopolitismus, hat zu Recht darauf hingewiesen, dass Konflikt und Normsetzung, dass Konflikt und Integration zusammengedacht
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Levy, Daniel/Sznaider, Natan: Erinnerung im globalen Zeitalter: Der Holocaust, Frankfurt a.M. 2001, S. 9-11 und S. 33-49; Erll, Astrid: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Eine Einführung, 3. akt. Aufl., Stuttgart 2017, S. 127-130. Mouffe, Chantal: Agonistik. Die Welt politisch denken, 2. Auflage, Berlin 2016, S. 21-42, S. 90f.
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werden müssen.37 Nichtsdestotrotz ist Mouffes Hinweis auf die Notwendigkeit des Streits in der Demokratie eine wichtige Orientierung für das kulturhistorische Museum. Der Museologe Gottfried Fliedl hat sich in seinem beeindruckenden Manifest ›Mein ideales Museum‹ in prononcierter Weise für ein ›agonistisches Museum‹ ausgesprochen: »Museen haben es im Grunde immer mit konflikthaften Stoffen zu tun. Es gibt nie nur einen Standpunkt des Wissens, der Deutung, der Erzählweise. Museen tendieren […] dazu, Konflikte zu harmonisieren, zu verleugnen oder zu verdrängen. Sie sind ›Unschuldskomödien‹.« Daraus folgert er: »Museen müssen […] fähig gemacht werden, die Verdinglichung zu durchbrechen und Konflikte anzusprechen und auszutragen, Interessen, Ideologien, Machtverhältnisse offenzulegen.« Im agonistischen Museum werden im »Umlauf befindliche Chiffren für kollektive Identität, wie Nation, Heimat oder Religion […] immer wieder neu befragt und durchgearbeitet.« Ein derart verstandenes Museum wird zum »Ort agonaler, also konfliktfähiger, streitbarer Öffentlichkeit« und mit Blick auf das wohlfahrtstaatliche Versprechen der Inklusion aller Bürger_innen »ein aktiver Moderator sozialer Demokratie«.38 Die Anwendung des agonalen Ansatzes in der Erinnerungspolitik war Gegenstand des unlängst beendeten Projekts »Unrest. Unsettling Remembering und Social Cohesion in Europe«.39 Ausgehend von Mouffes Verständnis des Museums als potentiell agonalem öffentlichen Raum sind Dauerausstellungen in Kriegsmuseen analysiert worden.40 Die Befunde sind ernüchternd. Anders als erwartet ist in vielen der untersuchten Museen das kosmopolitische
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Sznaider, Natan: Response to »Understanding Agonistic Memory«, Unrest Conference, Rome, Feb. 2019, www.unrest.eu/wp-content/uploads/2019/03/Final-ConferenceRome_Sznaider.pdf (Zugriff 07.04.2019), S. 5. Fliedl, Gottfried: Mein ideales Museum, http://museologien.blogspot.com/2016/08/ mein-idealoes-museum-eine-vorlaufige.html (Zugriff 07.04.2019). o. V.: www.unrest.eu (Zugriff 07.04.2019). Bull, Anna Cento/Hansen, Hans Lauge/Kansteiner, Wulf/Parish, Nina: War Museums as Agonistic Spaces: Possibilities, Opportunities and Constraints, in: International Journal of Heritage Studies, https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/13527258.2018. 1530288 (Zugriff 07.04.2019); Cercel, Cristian: The Military History Museum in Dresden: Between Forum and Temple, in: History and Memory, Vol. 30, No. 1 (2018), S. 3-39; Cercel, Cristian/Parish, Nina/Rowley, Eleanor: War in the Museum: The Historial of the Great War in Peronne and the Military History Museum in Dresden, in: Journal of War and Culture Studies (2019), S. 1-21.
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Erinnern nicht so dominant, sondern starke antagonistische Erinnerungskulturen sind zu konstatieren und die Anwendung agonaler Prinzipien lässt sehr zu wünschen übrig. Der Projektkoordinator Stefan Berger und der Kulturwissenschaftler Wulf Kansteiner plädieren deshalb zur Vorsicht gegenüber den »Angriffen auf kosmopolitisches Erinnern«, da sich kosmopolitisches und agonales Erinnern in »dem Bemühen um eine humanere und lebenswertere Gesellschaft […] durchaus treffen« können.41 Im Ruhr Museum Essen ist im Rahmen des Unrest-Projekts eine eigene Ausstellung mit dem Titel ›Krieg. Macht. Sinn‹ realisiert worden.42 Das Katalogbuch gibt viele interessante Innensichten der Ausstellungsmacher wieder, die die Schwierigkeiten der Realisierung eines agonalen Ansatzes in der Ausstellungsgestaltung offen darlegen. Ganz abgesehen davon, dass es für die Museumsästhetik keine anerkannten Prinzipien agonaler Gestaltung gibt, der Ausstellungsbesucher kann die agonal angelegten Objektkonstellationen durchaus anders interpretieren und ihnen einen völlig anderen als den intendierten Sinn geben. »Die Normalität der Täter, die Leichtigkeit und Plausibilität, mit der sie Krieg und Völkermord Bedeutung zuschreiben und die Leiden von Opfern relativieren und rationalisieren können – dieser Leitgedanke agonaler Kriegs- und Genoziderinnerung stellt die Ausstellungsgestalter vor ein intellektuelles und moralisches Dilemma, das sie mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht völlig aufzulösen verstanden«. Eine derart verstandene ›radikale‹ Multiperspektivität geht über das gängige Verständnis von Multiperspektivität in der Geschichtsdidaktik deutlich hinaus. Für die Besucher ist die Ausstellung auch insoweit eine große Herausforderung, da ihnen keine ›storyline‹ geboten wird, sondern nur die Haltungen und Interessen aller Beteiligten offengelegt werden. Welche Schlussfolgerungen sie daraus ziehen, liegt ganz allein in den Händen der Rezipienten.43 Eine »behutsame Nachjustierung deutscher Erinnerungskultur« mit Hilfe des agonalen Ansatzes, so folgern Berger und Kansteiner, »wird nur dann erfolgreich 41
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Berger, Stefan/Kansteiner, Wulf: Antagonistische, kosmopolitische und agonale Erinnerungen an Krieg, in: Berger, Stefan/Grütter, Heinrich Theodor/Kansteiner, Wulf (Hgg.): Krieg. Macht. Sinn. Krieg und Gewalt in der europäischen Erinnerung. Katalogbuch zur Ausstellung des Ruhr-Museums auf Zollverein, Essen 2019, S. 17-35, hier S. 22f. Berger, Stefan/Grütter, Heinrich Theodor/Kansteiner, Wulf (Hgg.): Krieg. Macht. Sinn. Krieg und Gewalt in der europäischen Erinnerung. Katalogbuch zur Ausstellung des Ruhr-Museums auf Zollverein, Essen 2019. Thiemeyer: Geschichte im Museum, S. 102f.
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sein können, wenn dem agonalen Erinnern ein klares erinnerungspolitisches Wertfundament unterlegt wird, das für den Kampf gegen rechts unentbehrlich erscheint.«44 Wenngleich die Akteure der Essener Ausstellung zum Ergebnis gekommen sind, dass es einfacher ist, eine Ausstellung mit agonalem Ansatz zu konzeptionieren als sie zu realisieren, die Form des agonalen Erinnerns ist eine für die Museumsanalyse vielversprechende Perspektive. Sie schärft den Blick, dass eine hegemoniale Erzählung nie die einzig mögliche ist, sondern dass der politische Streit immer um die Hegemonie von Ideen ausgetragen wird.45 In eine ähnliche gesellschaftskritische Richtung argumentiert der Fachdidaktiker Martin Lücke, der für die Anwendung eines weiten Inklusionsbegriffes in Geschichts- und Erinnerungskulturen plädiert.46 Inklusion will er nicht nur verstanden wissen als die Herstellung von Chancengerechtigkeit für Menschen mit Behinderung, sondern geht im Sinne der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen von 2006 weit darüber hinaus. Als die fünf Standards der Inklusion sieht er: »Ethnokulturelle Gerechtigkeit ausüben und Antirassismus stärken, Geschlechtergerechtigkeit herstellen und Sexismus ausschließen, Diversität in den sozialen Lebensformen zulassen und Diskriminierungen auch in den sexuellen Orientierungen verhindern, Sozioökonomische Chancengleichheit erweitern, Chancengleichheit von Menschen mit Behinderung herstellen.«47 Inklusive Erinnerungskultur in diesem Sinne übt Herrschaftskritik, indem sie die politischen Zwecke von Erinnerung aufzeigt. Sie erinnert an die Marginalisierten in der Geschichte und entreißt sie damit dem Vergessen und fördert damit das »Empowerment durch Erinnern und Geschichte gerade für die Machtlosen«.48 Lücke plädiert somit für eine Erinnerungskultur, in der ›conflicting memories‹ ihren Platz haben.
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Berger u.a. (Hgg.): Krieg. Macht. Sinn., S. 31-33. Molden, Berthold: Resistant Pasts versus Mnemonic Hegemony: On the Power Relations of Collective Memory, in: Memory Studies, Vol. 9,2 (2016), S. 125-142. Lücke, Martin: Auf der Suche nach einer inklusiven Erinnerungskultur, in: Lücke, Martin/Alavi, Bettina (Hgg.): Geschichtsunterricht ohne Verlierer. Inklusion als Herausforderung für die Geschichtsdidaktik, Schwalbach am Taunus 2016, S. 58-67. Lücke u.a.: Einführung in die Public History, S. 55. Lücke, Martin: Inklusive Erinnerungskulturen, in: Lernen aus der Geschichte, 24.10.2018, S. 4-8; http://lernen-aus-der-geschichte.de/Lernen-und-Lehren/content/ 14206 (Zugriff 19.04.2019), hier S. 6.
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Wenn es im kulturhistorischen Museum darum geht, historisches Lernen oder als Voraussetzung dafür die Entwicklung von historischer Urteilskraft zu ermöglichen, bedarf es einer Verständigung, was unter historischem Lernen zu verstehen ist. Die Didaktik der Geschichte beschäftigt sich mit der Vermittlung von Geschichte und stellt Kriterien für gutes historisches Lernen zur Verfügung. Wenngleich diese Kriterien ursprünglich für den schulischen Bereich entwickelt worden sind, auch die Public History macht sie sich zu Eigen und sie dürften für das historische Museum zumindest eine hilfreiche Orientierung sein. Martin Lücke und Irmgard Zündorf haben historisches Lernen im Anschluss an Jörn Rüsen folgendermaßen definiert: »Historisches Lernen ist die produktive eigen-sinnige Aneignung vergangener Wirklichkeiten als selbst erzählte Geschichte oder selbst imaginierte Geschichte.«49 Als zentrale geschichtsdidaktische Prinzipien dieser Definition benennen sie die Kategorien Narrativität, historische Imagination und Multiperspektivität. Vergegenwärtigung des Vergangenen erfolgt durch Erzählen, sei es in einem historischen Aufsatz oder in der historischen Ausstellung. Vergangenes wird nach Sinnkriterien ausgewählt und präsentiert, in die Form einer historischen Narration gebracht. Dabei werden zwei grundlegende Erkenntnisse ermöglicht, das Erfahren von Alterität und Historizität. Vergangenheit ist schlicht anders gewesen und gesellschaftliche Verhältnisse sind offensichtlich veränderbar. Historische Imagination geht davon aus, dass durch die Beschäftigung mit Vergangenem historische Vorstellungsbilder entstehen, mit denen sich Individuen Geschichte aneignen. Public History ist sicherlich gut beraten, derartige historische Imaginationen zu thematisieren, um sie so bearbeitbar zu machen.50 Wer z.B. Gewerkschaften in der pluralistischen Demokratie als Störenfriede sieht, sollte ein Angebot erwarten dürfen, diese Imagination ›bearbeiten‹ zu können. Multiperspektivität als geschichtsdidaktische Kategorie verweist darauf, dass alle Wahrnehmungen und Deutungen, jede historische Erkenntnis einen perspektivischen Charakter haben. Multiperspektivisches Lernen erfordert, die unterschiedlichen Interessenlagen offen zu legen und verschiedene, durchaus widersprüchliche Stimmen zu Wort kommen zu lassen. Die Pluralität der Ansichten und die Kontroversen müssen ans Licht kommen. Multiperspektivität kann so helfen, ein reflektiertes eigenes Urteilsvermögen zu 49 50
Lücke u.a.: Einführung in die Public History, S. 38. Ebd., S. 40-42.
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entwickeln, »um das Handeln und Leiden von Menschen in ihrer Zeit mit Sach- und Werturteilen bewerten zu können.«51 Der Fachdidaktiker und Museumsforscher Karl Heinrich Pohl hat diese geschichtsdidaktischen Kategorien weiter konkretisiert und sie als »Kriterien für gute Historische Museen« treffend zusammengefasst: Historische Ausstellungen brauchen – erstens – eine Fragestellung, damit das Publikum weiß, was im Zentrum der Ausstellung steht. Und ein gutes Museum trifft den Nerv des Publikums und lädt zur kontroversen Auseinandersetzung ein. Gute Ausstellungen müssen – zweitens – die Besucher_innen aus ihrer Lebenssituation abholen. Vergangene Probleme sollten sich durch ihren Gegenwartsbezug auszeichnen. Multiperspektivität ermöglicht – drittens –, unterschiedliche Perspektiven kennenzulernen und einen eigenen begründeten Standpunkt zu entwickeln. Das gute Museum muss es den Besucher_innen – viertens – ermöglichen, die Kontroversen in der Beurteilung der Vergangenheit durch die Geschichtswissenschaft nachvollziehen und sich selber positionieren zu können. Dies kann nur gelingen, wenn das Historische Museum – fünftens – ein Offenes Geschichtsbild hat und nicht versucht, ein eindimensionales Narrativ durchzusetzen. Wie für die politische Bildung gilt auch für das Museum – sechstens – das Überwältigungsverbot. Die Macht der Bilder und Objekte muss den Museumsbesucher_innen einen Interpretationsspielraum bieten und nicht versuchen, auf eine Deutung festzulegen. Schließlich spricht vieles dafür – siebtens –, Individualisierung als Darstellungsprinzip zu beherzigen, da historische Erkenntnisse am leichtesten über konkrete Personen, Familienschicksale, Alltägliches vermittelt werden können.52 Die Anforderungen der Memory Studies, der Fachdidaktik der Geschichte und der Public History stecken ein weites Feld mit vielen, teilweise konkurrierenden Prinzipien ab, deren Tauglichkeit sich noch in dieser Studie erweisen muss. Sie sind allerdings ein hilfreiches Werkzeug, um die Dimensionen der Repräsentation sozialer Demokratie im Museum erfassen zu können.
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Bergmann, Klaus: Multiperspektivität, zit.n. Lücke u.a.: Einführung in die Public History, S. 43. Pohl: Der Kritische Museumsführer, S. 28-32.
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Partizipation Die unter dem Rubrum ›Neue Museologie‹ in den 1970er Jahren in Deutschland erfolgende soziale Öffnung des Museums und seine neue Aufgabenbestimmung als ›Lernort contra Musentempel‹ waren Teil internationaler Entwicklungen, die z.B. in den USA, Frankreich und Großbritannien schon viel früher einsetzten.53 Der kanadische Museumsdirektor Duncan Cameron hatte schon 1971 dem Modell des Museums als Tempel das Modell des Museums als Forum gegenübergestellt. Das Museum sollte sich aus einem Haus der Elitekultur, in dem Geschichte präsentiert wird, zu einem Haus der Begegnung verändern, in dem über Geschichte diskutiert und gestritten wird und in dem die Besucher_innen viele Möglichkeiten zur Beteiligung erhalten. Das Historische Museum der Stadt Frankfurt a.M., das im Herbst 2017 neu eröffnet wurde, hat sich in diesem Sinne als partizipatives und inklusives Museum präsentiert.54 Inklusion bedeutet, dass der Zugang zum Museum soweit wie möglich barrierefrei ist und möglichst alle Gruppen der Stadtgesellschaft einen Zugang finden. Diese Herausforderung stellte sich für Frankfurt ganz besonders, da über 50 Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund haben und die Hälfte von ihnen einen ausländischen Pass besitzt. »Heute ist Frankfurt die Stadt der ›Superdiversität‹ in Deutschland«, so der Frankfurter Museumsdirektor Jan Gerchow.55 Das Einzige, was diese Frankfurter verbindet, ist die »Stadt als gemeinsamer Lebens- und Erfahrungsraum«. Die unterschiedlichen Bilder, die historischen, aktuellen und zukünftigen Imaginationen von Stadt sind die Themen, an denen sich potentiell alle Stadtbürger mit ihrer Expertise beteiligen können. Zugleich muss das Museum auf den Wandel der Wissensgesellschaft reagieren, die durch die Entwicklung des Internets mit seinem User Generated Content, dem Web 2.0, geprägt ist. Aus passiven Lesern sind aktive User geworden, die Ansprüche hinsichtlich von Beteiligung formulieren, denen sich auch das Museum stellen muss. »Partizipation und Integration von Benutzern in die Generierung 53
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Mensch, Peter van: Museologie – Wissenschaft für Museen, in: Walz, Markus (Hg.): Handbuch Museum. Geschichte, Aufgaben, Perspektiven, Stuttgart 2016, S. 370-375, hier S. 372f. Thiemeyer: Geschichte im Museum, S. 97-100. Gerchow, Jan: Relevanz, Diversität, Partizipation. Das neue Stadtmuseum für Frankfurt, in: Isenbort, Gregor (Hg.): Szenografie in Ausstellungen und Museen VIII. Museum und Stadt/Stadt und Museum. Ausstellung als sozialer Raum, Stuttgart 2018, S. 60-71, hier S. 62.
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von Ausstellungen und Programmen, in die Dokumentation und Publikation von Sammlungen und anderen Inhalten: das ist der Weg, den das Web 2.0 weist.«56 Der Weg führt zum ›Museum 2.0‹. Die Möglichkeiten der Partizipation der Stadtbürger an der Museumsarbeit in Frankfurt gehen heute soweit, dass im Bereich der Wechselausstellungsfläche des Museums zweimal pro Jahr Stadtlabor-Ausstellungen präsentiert werden, die gemeinsam mit Frankfurtern entwickelt worden sind. Bislang sollen sich über 500 ›Stadtlaboranten‹ an der Arbeit beteiligt haben.57 Vor dieser Institutionalisierung des Stadtlabors in die Museumsarbeit sind Stadtlabore in einzelnen Frankfurter Stadtteilen durchgeführt worden, das erste 2011 im Frankfurter Ostend. Anja Piontek hat in ihrer Studie »Museum und Partizipation« dieses Stadtteillabor einer genaueren Untersuchung unterzogen und gibt somit einen sehr hilfreichen Einblick in die Formen der Partizipation.58 Das Thema ›Ostend//Ostanfang. Ein Stadtteil im Wandel‹ und die Beschränkung auf den Stadtteil waren gesetzt, alle anderen Entscheidungen lagen in der Hand der mitwirkenden Stadtteilbewohner, die von einer Volontärin des Stadtmuseums, der späteren Kuratorin Katja Weber, begleitet wurden. Es lag bei den Teilnehmenden, welche Aspekte des Stadtteils sie thematisierten, ob sie dies durch die Überlassung von Objekten, durch Erforschung oder Dokumentation realisierten. Alle Mitwirkenden wurden in die museale Gestaltung der Stadtteilausstellung einbezogen, indem sie z.B. selbst erstellte Beiträge beibrachten. Sie legten selber Hand an beim Aufbau der Stadtteilausstellung, die jedoch von einem professionellen Gestaltungsbüro unterstützt wurde. Insgesamt war ein breites Spektrum von Beteiligungsmöglichkeiten gegeben, die ganz unterschiedliche Talente zur Entfaltung brachten. Die Erfahrungen auch anderer Stadtteillabore waren so positiv, dass das Stadtlabor zum festen Bestandteil des Frankfurter Stadtmuseums wurde. Die Entwicklung hin zum partizipativen Museum ist eine große Herausforderung für das kulturhistorische Museum, die hier nicht in allen Aspekten diskutiert werden kann.59 Die bisher in Deutschland und im Ausland vorlie56
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Gerchow, Jan: Geschichte ›vor Ort‹, in: Graf, Bernhard u.a. (Hgg.): Museen zwischen Qualität und Relevanz. Denkschrift zur Lage der Museen, Berlin 2012, S. 341-347, hier S. 346. Gerchow: Relevanz, S. 68. Piontek, Anja: Museum und Partizipation. Theorie und Praxis kooperativer Ausstellungsprojekte und Beteiligungsangebote, Bielefeld 2017, S. 261-273 u. S. 307-310. Ebd., S. 373-478.
2 Dimensionen musealer Geschichtskultur
genden positiven Erfahrungen beziehen sich in der Regel auf Stadtmuseen.60 Wie kann, wie soll Partizipation gestaltet sein, wenn ein überregionales, nationales oder sogar globales Thema verhandelt wird? Das Museum und insbesondere die professionellen Akteure im Museum werden vor völlig neue Aufgaben gestellt. Insbesondere die Rolle der Kuratoren ändert sich dramatisch. War die alte Rolle geprägt durch die fachwissenschaftliche Kompetenz und den souveränen Umgang mit den Objekten der musealen Sammlung, so ist die neue Rolle vielmehr bestimmt durch die Aufgabe der Anleitung und Moderation von Laien, die ihre eigene Geschichte präsentieren wollen. Der Weg führt jetzt nicht mehr in die Sammlung, sondern auf die Straße, in den Stadtteil, um im Gespräch zu ergründen, was in die Ausstellung gehört. Partizipation im Museum kann eine wichtige Wegweisung für die Weiterentwicklung des kulturhistorischen Museums sein. An die Stelle des monologischen Belehrens im Museum tritt der Dialog mit den Laien, ihre Subjektivität wird zum Orientierungspunkt der Bemühungen und an die Stelle der (bildungsbürgerlichen) Affirmation und Kontemplation tritt die Diskussion, der produktive Streit und die eigene Meinungsbildung, die dann sogar in der musealen Repräsentation ihren Ausdruck findet. Das Museum als Forum bringt Menschen zusammen, die sich sonst nicht begegnen und kann zum Ort der Bearbeitung gesellschaftlicher Probleme werden. Partizipation ist auch die Chance dafür, dass das Museum neue Nutzergruppen finden kann, die in der Wissensgesellschaft immer mehr an Bedeutung gewinnen. Es wird in unseren Fallstudien zu untersuchen sein, wie viele Partizipationsmöglichkeiten schon genutzt und welche Chancen vergeben werden.
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Gerchow: Relevanz, S. 63 mit ausländischen Referenzmuseen und Piontek: Museum und Partizipation mit den weiteren Beispielen Friedrichshain-Kreuzberg Museum, Berlin und Gerhard-Marcks-Haus, Bremen.
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3 Die Entwicklung der Geschichtsausstellung seit den 1970er Jahren – die Museumsrevolution
Der sich beschleunigende sozialkulturelle und gesellschaftliche Wandel in den 1960er Jahren brachte eine Museumsrevolution in Gang, die sich durch die stärkere Berücksichtigung sozialer Fragen und die Öffnung des Museums für ein breiteres Publikum auszeichnete. Der kulturpolitische Aufbruch unter dem Schlagwort ›Kultur für alle‹ erreichte das Museum und fand mit Hilmar Hoffmann in Frankfurt und Hermann Glaser in Nürnberg erste namhafte Unterstützer.1 In der Museumswissenschaft etablierte sich eine neue (kritische) Museologie, die die Zunft aufforderte, sich mit Blick auf neue gesellschaftliche Herausforderungen zu erneuern.2 Zugleich fand ein Paradigmenwechsel in der Museumstheorie und Museumspraxis statt, der als »Emanzipation der Museografie« bezeichnet worden ist.3 Die Gestaltung, die museale Inszenierung, wurde integraler Bestandteil der Museumsarbeit, was sich im Charakter von Ausstellungen deutlich abbildete, die sich von einer Objektzentrierung in Richtung einer Vermittlungszentrierung entwickelten.4 1
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Kilger, Gerhard: Ausstellungsgestaltung, in: Graf, Bernhard u.a. (Hgg.): Museen zwischen Qualität und Relevanz. Denkschrift zur Lage der Museen, Berlin 2012, S. 155-162, hier S. 156. MacDonald, Sharon: Museen erforschen. Für eine Museumswissenschaft in der Erweiterung, in: Baur, Joachim (Hg.): Museumsanalyse. Methoden und Konturen eines neuen Forschungsfeldes, 2. Auflage, Bielefeld 2013, S. 49-69, hier S. 50f. Meijer-van Mensch, Leontine: Museum 3.0 und die Wende zur Teilnahme, in: Barricelli, Michele/Golgath, Tabea (Hgg.): Historische Museen heute, Schwalbach am Taunus 2014, S. 15-23, S. 15-23, hier S. 16. Barricelli, Michele/Golgath, Tabea (Hgg.): Historische Museen heute, Schwalbach am Taunus 2014, S. 7f.
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Soziale Bürgerrechte im Museum
Während in objektzentrierten Ausstellungen das Exponat im Fokus steht und Informationen zur Sammlungsgeschichte einem vorgebildeten Publikum weiteren Aufschluss geben sollen, wird auf die Vermittlung spezieller Inhalte und Kontexte verzichtet. Vermittlungszentrierte oder vermittlungsorientierte Ausstellungen hingegen ordnen die Exponate in eine Erzählung ein und ermöglichen es somit auch unkundigen Besucher_innen, Neues zu entdecken und zu lernen. Der Trend zu vermittlungsorientierten Ausstellungen hat seit den 1970er Jahren höchst unterschiedliche Ausformungen angenommen. Wollte man in den 1970er Jahren Museumsbesucher_innen durch umfängliche Texttafeln informieren, so lag in den 1980er Jahren das Bemühen auf anspruchsvollen Inszenierungen und szenografischen Darstellungen wie den berühmten Arbeiterküchen und einem weitgehenden Verzicht auf Texttafeln. Es folgten Ausstellungsinszenierungen mit Klappen, Schubladen, Gucklöchern, Vorhängen und Ähnlichem, die die Neugier der Besucher_innen wecken sollten. Auch diese Mode scheint auszulaufen. In neueren Ausstellungen findet man derzeit überwiegend »sorgsam kontextualisierte Objekte in einfachen Inszenierungen«, in denen auch knappe Texte zum Einsatz kommen.5 Die 1970er Jahre sind somit eine regelrechte »Sattelzeit für die – im weitesten Sinne – kulturhistorischen Museen und Ausstellungen« gewesen.6 Dies soll im Folgenden an einigen wenigen Beispielen verdeutlicht werden.7 Den Beginn machte 1971 die Ausstellung ›Fragen an die deutsche Geschichte‹ unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Gustav Heinemann, dem es ein besonderes Anliegen war, an die demokratischen Traditionen in der deutschen Geschichte zu erinnern. Unter Verantwortung des liberalen Historikers Lothar Gall entstand eine Ausstellung zur deutschen Geschichte, die von 1806 bis in die Gegenwart reichte und im restaurierten Berliner Reichstag einen prominenten Ausstellungsort fand. Ursprünglich als Sonderausstellung zum 100. Jahrestag der Reichsgründung von 1871 geplant, entwickelte sich die Ausstellung zu einer umfassenden politischen 5 6
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Schmidt: Das magische Dreieck, S. 14. Schulze, Mario/Heesen, Anke te/Dold, Vincent (Hgg.): Museumskrise und Ausstellungserfolg. Die Entwicklung der Geschichtsausstellung in den Siebzigern, Berlin 2015, S. 7. Für die Zeit vor 1970 vgl. die knappe Übersicht bei Thiemeyer, Thomas: Evidenzmaschine der Erlebnisgesellschaft. Die Museumsausstellung als Hort und Ort der Geschichte, in: Fröhlich, Claudia/Schmid, Harald/Schwelling, Birgit (Hgg.): Jahrbuch für Politik und Geschichte, Bd. 4, 2013, S. 13-29, hier S. 16-21.
3 Die Entwicklung der Geschichtsausstellung seit den 1970er Jahren
Geschichte Deutschlands seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts. Mit rund 13 Millionen Besuchern bis 1994 war die Ausstellung überaus erfolgreich. Lag die Bedeutung der Ausstellung zum einen in der neuen Fokussierung auf die politische Geschichte und die prominente Herausstellung der demokratischen Traditionen in der deutschen Geschichte, so war sie zum anderen nicht mehr und nicht weniger als ein Bruch mit traditionellen musealen Darstellungsformen. Die Dramaturgie folgte einer strikten Chronologie, wies den nur spärlich vorhandenen Exponaten lediglich eine dienende Funktion zu, denen kein ausdrücklicher Eigenwert zugemessen wurde, sondern die sich lediglich in die Erzählung fügen mussten. Die große Zahl an zweidimensionalen Schautafeln, von manchen Museumsmachern geringschätzig ›Flachware‹ genannt, erweckten den Eindruck eines begehbaren Lehrbuches. Gerade dieser zuletzt genannte vermeintliche oder tatsächliche Makel war für die kommenden Debatten zur musealen Gestaltung von großer Bedeutung.8 Die Ausstellung ›Fragen an die deutsche Geschichte‹ steht ebenso wie die 1974 von Gustav Heinemann noch persönlich eingeweihte Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte in Rastatt für einen ersten wichtigen Impuls in der staatlichen Geschichtspolitik und Erinnerungskultur. Schon 1970 hatte Heinemann sich bei der traditionellen Schaffermahlzeit in Bremen dafür ausgesprochen, den freiheitlichen und sozialen Strang der deutschen Geschichte zu würdigen, wobei er dabei besonders auf die Geschichte vor 1848 blickte.9 Während in der Reichstagsausstellung die parlamentarisch-demokratische Tradition der deutschen Geschichte im Vordergrund stand, wurde 1972 im neueröffneten Historischen Museum Frankfurt eine linke Gegengeschichte, eine Geschichte von unten, erzählt, die auch damals ungewohnte Themen wie den Frankfurter Fettmilch-Aufstand von 1614, die Arbeiter- und Soldatenräte von 1918/19 oder die Frankfurter Siedlungs- und Wohnungsbaupoli8
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Kühne, Jonas/Borcke, Tobias von/Zarfati, Aya: 1971. 1871 – Fragen an die deutsche Geschichte, in: Schulze, Mario/Heesen, Anke te/Dold, Vincent (Hgg.): Museumskrise und Ausstellungserfolg. Die Entwicklung der Geschichtsausstellung in den Siebzigern, Berlin 2015, S. 19-33. Braun, Bernd: Märtyrer der Demokratie? Das Hambacher Schloss, der Friedhof der Märzgefallenen in Berlin-Friedrichshain und die Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte in Rastatt, in: Hertfelder, Thomas/Lappenküper, Ulrich/Lillteicher, Jürgen (Hgg.): Erinnern an Demokratie in Deutschland. Demokratiegeschichte in Museen und Erinnerungsstätten der Bundesrepublik, Göttingen 2016, S. 221-246, hier S. 232f.
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Soziale Bürgerrechte im Museum
tik aufgriff, weil sie, so die Begründung, die Interessen der ›Beherrschten‹ und somit die Mehrheit der Bevölkerung berührten. Dahinter stand ein Museumsverständnis, das von traditioneller Kunstpräsentation Abstand nahm und aufklärerisch als lehrende Bildungseinrichtung für ein breites Publikum wirken wollte. Es entstand eine ›Lernausstellung‹, in der die umfänglichen erklärenden Texttafeln die Dramaturgie bestimmten und die Exponate lediglich als Beleg dienten. Abgesehen von der unterschiedlichen politischen Botschaft waren sich die Ausstellungen in Berlin und Frankfurt also durchaus ähnlich. Sie hatten ein klares Narrativ und ordneten ihm Dramaturgie und Inszenierung unter. Trotzdem galt das Frankfurter Museum seinerzeit als das umstrittenste Geschichtsmuseum, wenngleich es als Motor der Modernisierung historischer Museen bezeichnet worden ist.10 Die grundlegenden Neuerungen hat die Museumsforschung prägnant formuliert: »Mit der Frankfurter Dauerausstellung und der Reichstagsausstellung eroberte nichts weniger als eine neue Gattung von ›Geschichtsausstellung‹ die expositorischen Räume. War eine kulturhistorische Ausstellung bis dato eine Darstellung einer historischen Epoche, eines Ereignisses oder Ortes mit musealisierten Werken der Kunst oder des herausragenden Kunsthandwerkes, beruhte die neue Form der Geschichtsausstellung auf zwei wesentlichen Elementen: Erstens sollte die Ausstellung historische Prozesse in ihrem Gegenwartsbezug darlegen und damit zweitens die Darstellung dieser Prozesse auf eine politische Botschaft hin orientieren.«11 Besonderes Interesse verdient noch das Museum der Stadt Rüsselsheim, das 1976 unter dem Titel ›Industrialisierung‹ eine Dauerausstellung eröffnete, die sich mit Themen und der Geschichte der Arbeiter_innenbewegung beschäftigte. Innovativ war die inhaltliche Öffnung für die Geschichte der Arbeitswelten der Arbeiter_innen und die soziale Öffnung des Museums, das sich an alle Rüsselsheimer Einwohner_innen und insbesondere an die Mitarbeiter_innen des örtlichen Opelwerkes wandte. Arbeit und Alltag wurden anhand von Alltagsgegenständen aus verschiedenen Zeiten ausgestellt, die es
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Dold, Vincent/Thaa, Lotte: 1972. Historisches Museum Frankfurt, in: Schulze, Mario/Heesen, Anke te/Dold, Vincent (Hgg.): Museumskrise und Ausstellungserfolg. Die Entwicklung der Geschichtsausstellung in den Siebzigern, Berlin 2015, S. 34-49; Hoffmann, Detlef/Junker, Almut/Schirmbeck, Peter (Hgg.): Geschichte als öffentliches Ärgernis, oder: ein Museum für die demokratische Gesellschaft. Das historische Museum in Frankfurt a.M. und der Streit um seine Konzeption, Gießen 1974. Schulze u.a.: Museumskrise, S. 12.
3 Die Entwicklung der Geschichtsausstellung seit den 1970er Jahren
den angesprochenen Arbeiter_innen ermöglichen sollten, sich in der Ausstellung wiederzuerkennen und die Geschichtlichkeit der Veränderungen nachvollziehen zu können. Die Drehmaschine wurde mit einem Foto eines Drehers verbunden, um die Menschen nicht hinter einem technischen Objekt verschwinden zu lassen, ein zentraler konzeptioneller Unterschied zum Technikmuseum. Die Nachbauten eines proletarischen und bürgerlichen Wohnzimmers waren eine innovative Form der Darstellung sozialer Ungleichheit. Mit dem Museum in Rüsselsheim wurde eine neue Form von Industriemuseum mit alltagsgeschichtlichem Zugriff begründet.12 Von vergleichbarer Bedeutung ist die 1984 im Ruhrlandmuseum in der Abteilung zur Industriegeschichte neu eröffnete Dauerausstellung unter dem Titel ›Die Erfindung des Ruhrgebiets. Arbeit und Alltag um 1900‹ gewesen.13 Sie konzentrierte sich auf die Sozial- und Alltagsgeschichte der Hochindustrialisierung und inszenierte mit Originalobjekten Bilder, die die ehemaligen Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen an der Ruhr repräsentierten.14 Legendär sind die Arbeiterküchen und die beeindruckenden Inszenierungen. Bild- und Tonmedien fanden ausführliche Verwendung, Texte standen lediglich als Mitnahmezettel zur Verfügung.15 Die Reihe weiterer bedeutsamer Neuerungen ließe sich noch fortführen, wobei wenige Schlaglichter genügen müssen. Das 1974 neu eröffnete Römisch-Germanische Museum in Köln steht für die Schaffung eines Erlebnisraumes, der vom Kulturwissenschaftler Gottfried Korff als die »Liaison von Ereigniskultur und lifestyle-Orientierung« bezeichnet wurde.16 Legendär
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Reimer, Eva-Lotte/Thuns, Anja: 1976. Museum der Stadt Rüsselsheim, in: Schulze, Mario/Heesen, Anke te/Dold, Vincent (Hgg.): Museumskrise und Ausstellungserfolg. Die Entwicklung der Geschichtsausstellung in den Siebzigern, Berlin 2015, S. 65-79. Ruhrlandmuseum Essen (Hgg.): Die Erfindung des Ruhrgebiets. Arbeit und Alltag um 1900. Katalog zur sozialhistorischen Dauerausstellung, Essen 2000; Borsdorf, Ulrich: Das Ruhrlandmuseum Essen, in: Fehr, Michael/Grohé, Stefan (Hgg.): Geschichte • Bild • Museum. Zur Darstellung von Geschichte im Museum, Köln 1989, S. 89-96 (Museum der Museen, Schriftenreihe des Karl Ernst Osthaus Museums, Band 1). Ebd., S. 24-30. Roeckner, Katja: Ausgestellte Arbeit. Industriemuseen und ihr Umgang mit dem wirtschaftlichen Strukturwandel, Stuttgart 2009, S. 63f. Zit. n. Bode, Denise: 1974. Römisch-Germanisches Museum Köln, in: Schulze, Mario/Heesen, Anke te/Dold, Vincent (Hgg.): Museumskrise und Ausstellungserfolg. Die Entwicklung der Geschichtsausstellung in den Siebzigern, Berlin 2015, S. 50-63, hier S. 56.
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Soziale Bürgerrechte im Museum
sind die Marketingaktivitäten, wie der Vertrieb der Römer-Illustrierten in der Kölner Innenstadt, die zahlreiche Besucher ins Museum lockten.17 Als Megaevent ist die Stauferausstellung in Stuttgart 1977 in die Museumsgeschichte eingegangen. Der spektakuläre Massenerfolg von 771.000 Besuchern in zehn Wochen gründete sich nicht nur auf eine umfassende Werbeoffensive und die Überschneidung mit dem 25-jährigen Landesjubiläum Baden-Württembergs, sondern auch auf die Umwandlung des Museums in einen Lernort und den entspannten Konsum eines historischen Themas, ein Meilenstein in der Entwicklung einer historischen Event-Kultur.18 Als Endpunkt dieser Entwicklungen mag die Berliner Ausstellung von 1981 im Gropius Bau, ›Preußen – Versuch einer Bilanz‹, stehen, die für viele nachfolgende Ausstellungen als Referenz herangezogen wurde. Die letztlich von Gottfried Korff verantwortete Ausstellung verfolgte nicht das Ziel, Preußens Glanz und Gloria darzustellen, sondern Preußens Land und Leute. »Anstatt auf kritiklose Faszination für wilhelminische Schätze setzte die Ausstellung auf sinnliche Erkenntnis durch Kontextualisierung«, hat es die Wissenschaftshistorikerin Anke te Heesen treffend beschrieben.19 Die kritische Bestandsaufnahme preußischer Geschichte setzte dabei auf eine Ausstellungsgestaltung, die ausgehend von einer klaren Fragestellung die historischen Originalobjekte in eine Inszenierung einbindet und sie so ›zum Sprechen‹ bringt. Und für diese Einordnung wurde auch Text als schlicht notwendig erachtet. Unverzichtbar war die Vorarbeit der Historiker, die die musealen Objekte zum ›Sprechen‹ bringen konnten. Die Preußenausstellung steht für eine Anfang der 1980er Jahre erreichte neue Qualität der inszenierenden Ausstellung, der es in bemerkenswerter Weise gelungen war, historische Originalobjekte einzubinden und über ihre vermeintliche oder tatsächliche auratische Wirkung hinaus verständlich zu machen.20 Zunehmende museale Inszenierung, die demokratische Öffnung des Museums
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Ebd. Thaa, Lotte/Borcke, Tobias von: 1977. Die Zeit der Staufer, in: Schulze, Mario/Heesen, Anke te/Dold, Vincent (Hgg.): Museumskrise und Ausstellungserfolg. Die Entwicklung der Geschichtsausstellung in den Siebzigern, Berlin 2015, S. 80-94. Heesen, Anke te/Schulze, Mario: Einleitung, in: Schulze, Mario/Heesen, Anke te/Dold, Vincent (Hgg.): Museumskrise und Ausstellungserfolg. Die Entwicklung der Geschichtsausstellung in den Siebzigern, Berlin 2015, S. 7-17, hier S. 7. Uhde, Lukas: 1981. Preußen – Versuch einer Bilanz, in: Schulze, Mario/Heesen, Anke te/Dold, Vincent (Hgg.): Museumskrise und Ausstellungserfolg. Die Entwicklung der Geschichtsausstellung in den Siebzigern, Berlin 2015, S. 108-121.
3 Die Entwicklung der Geschichtsausstellung seit den 1970er Jahren
für breitere Bevölkerungskreise und eine sozial- und alltagsgeschichtliche Orientierung waren die neuen dominanten Tendenzen der historischen Ausstellungen in den 1970er Jahren. Die weiteren Entwicklungen bis zur Jahrtausendwende sind weniger spektakulär gewesen. Ehemalige Industrieanlagen wurden als Orte kulturhistorischer Ausstellungen entdeckt und die Karriere des Industriemuseums begann, wie später noch dargestellt werden wird. Besondere Aufmerksamkeit fand die Expo 2000, die in ihrem Themenpark ganz auf die szenografische Gestaltung setzte und damit ein bislang unerreichtes Maß an Eventisierung und Erlebnisorientierung erreichte.21 Die Kritik aus der Museumswelt war vernichtend, die von einem »Spektakel von grotesken Erlebniswelten« und einem »Supergau der Szenografie« sprach. Dies war umso bedauerlicher, da die Szenografie in Nürnberg unter Hermann Glaser, im Haus der Geschichte in Bonn unter Hermann Schäfer und im Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim unter Lothar Suhling einen erfreulichen Anfang genommen hatte, nun aber nach den Hannoveraner Erfahrungen wieder an Resonanz einbüßte. Der damalige DASA-Direktor Gerhard Kilger stellte bedauernd fest: »So waren es zu Beginn des Jahrhunderts nur wenige Museen in Deutschland, die sich mit den Methoden der Szenografie beschäftigen wollten, in manchen Museen begann sogar ein Rückbau zur klassischen objektorientierten Sammlungsschau.«22
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Baur, Joachim: Ausstellen. Trends und Tendenzen im kulturhistorischen Feld, in: Graf, Bernhard u.a. (Hgg.): Museen zwischen Qualität und Relevanz. Denkschrift zur Lage der Museen, Berlin 2012, S. 141-154, hier S. 147-150. Alle Zit. n. Kilger: Ausstellungsgestaltung, S. 157.
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4 Die Entdeckung der Industriekultur und die Entstehung von Industriemuseen
Die Aufbruchsstimmung im Museumswesen bekam Ende der 1970er Jahre einen zusätzlichen Impuls durch die Entdeckung der Industriekultur. Der Niedergang der Großindustrien des Industriezeitalters setzte die Frage nach dem Umgang mit den Industrierelikten auf die Tagesordnung. Der ästhetische Wert alter Industrieanlagen wurde entdeckt und rückte immer mehr ins öffentliche Bewusstsein. Neben künstlerischen Einflüssen, wie durch die berühmten Industriefotografien von Hilla und Bernhard Becher, waren es in den Wissenschaften Impulse der schon in den 1950er Jahren entstandenen britischen Industriearchäologie, die den obsolet gewordenen Industriebauten eine neue Aufmerksamkeit bescherten. Industrie wurde als kulturelles Erbe entdeckt.1 Im Unterschied zur internationalen Debatte über ›industrial heritage‹ setzte sich in Deutschland der Begriff der ›Industriekultur‹ durch, der synonym zum englischen Begriff des ›industrial heritage‹ benutzt wird. ›Industriekultur‹ ist eine Wortneuschöpfung des Kunsthistorikers Tilmann Buddensieg, der sich mit dem Industriedesign der AEG beschäftigte und den ästhetischen Formen der Unternehmenskultur besondere Aufmerksamkeit schenkte. Der Nürnberger Kulturwissenschaftler Hermann Glaser erweiterte die Bedeutung des Begriffes ›Industriekultur‹, indem er auch die Alltagsgeschichte der kleinen Leute subsumierte. Dieses erweiterte Verständnis von Industriekultur wurde maßgeblich für viele folgende Aktivitäten. Die Geschichte der kleinen Leute ist Teil der Industriekultur, sie ist aber keine Geschichte der Arbeiterkultur oder der Arbeiterklasse, eine gleich-
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Roeckner: Ausgestellte Arbeit, S. 39-49.
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Soziale Bürgerrechte im Museum
sam klassenübergreifende Kultur des Industriezeitalters wird in den Blick genommen.2 Die Gründe für die Entstehung von Industriemuseen können im Wesentlichen auf zwei Ursachen zurückgeführt werden. Zum einen ging es um Industriedenkmalschutz, den Erhalt wertvoller industrieller Objekte, und zum anderen um die Präsentation der vergangenen Arbeits- und Lebenswelten der kleinen Leute. Legendär ist der Kampf um den Erhalt der Maschinenhalle der Zeche Zollern II/IV in Dortmund-Bövinghausen, das erste Industriegebäude, das 1969 unter Denkmalschutz gestellt wurde. Der Standort wurde 1979 die Zentrale des Westfälischen Industriemuseums, dem 1984 das Rheinische Industriemuseum folgte. Beide Industriemuseen vereinigen unter ihrem Dach zahlreiche Museumsstandorte in Nordrhein-Westfalen, die überwiegend in ehemaligen, nun umgenutzten Industriegebäuden untergebracht sind.3 In Nürnberg hingegen, dem Ort des altehrwürdigen Germanischen Nationalmuseums, waren die Bemühungen von Hermann Glaser für das Centrum Industriekultur von Anfang an mit dem Ziel der Präsentation einer ›Geschichte von unten‹ verbunden, um ein neues Paradigma in der Kulturpolitik und insbesondere in der Museologie durchzusetzen. Es ging Glaser um nicht weniger als die »Endfeudalisierung des Ausstellungs- und Museumswesens.«4 Als Ziel formulierte er: »Die […] Beschäftigung mit Industriekultur, gekoppelt mit neuen experimentellen Bemühungen um Kulturvermittlung, ist insofern eine sehr wichtige kulturpolitische Aufgabe, da sie zu einer republikanischen Identität, einer ›bewegten‹, dialektischen, pluralen Identität beitragen kann, 2
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Berger, Stefan: Industriekultur und Strukturwandel in deutschen Bergbauregionen nach 1945, in: Ziegler, Dieter (Hg.): Rohstoffgewinnung im Strukturwandel. Der deutsche Bergbau im 20. Jahrhundert, Münster 2013, S. 571-601 (Tenfelde, Klaus/Berger, Stefan/Seidel, Christoph (Hgg.): Geschichte des deutschen Bergbaus, Bd. 4), hier S. 572-581; Berger, Stefan/Golombek, Jana/Wicke, Christian: A post-industrial mindscape? The mainstreaming and touristification of industrial heritage in the Ruhr, in: Wicke, Christian/Berger, Stefan/Golombek, Jana (Hgg.): Industrial Heritage and Regional Identities, London/New York 2018, S. 74-94, hier S. 76f; Borsdorf, Ulrich: Industriekultur und Geschichte. Eine Abwägung, Bochum 2019 (SBR-Schriften, 41), S. 9-11. Kift, Dagmar: Heritage and history: Germany’s industrial museums and the (re-)presentation of labour, in: International Journal of Heritage Studies, 17 (2011), S. 380-389, hier S. 381-385; Gaigalat, Michael/Karabaic, Milena (Red.): …in Arbeit. Aufbau und Perspektiven des Rheinischen Industriemuseums, Köln 1994. Glaser, Hermann: Die Entdeckung der Industriekultur. Erinnerungen an eine neue Denkweise, in: Industriekultur 3 (2017), S. 32-36, hier S. 33.
4 Die Entdeckung der Industriekultur und die Entstehung von Industriemuseen
die wir mehr denn je brauchen. Erstarrte Verhältnisse können zum Tanzen gebracht werden.«5 Zudem zeichneten sich die ersten Nürnberger Ausstellungen von Hermann Glaser und Klaus-Jürgen Sembach Anfang der 1980er Jahre durch ihre gelungene szenografische Gestaltung aus, so dass sie als Ursprung dieser besonderen Form musealer Gestaltung, die dem räumlichen Themenbezug einen besonderen Stellenwert einräumt, bezeichnet worden sind.6 In Nordrhein-Westfalen konnte sich die Industriekultur der besonderen Förderung durch die sozialdemokratische Landesregierung erfreuen. Schon mit dem zu Beginn der 1970er Jahre aufgelegten ›Nordrhein-WestfalenProgramm 1975‹ reagierte die Landesregierung auf den wahllosen Abriss ungenutzter Industrieanlagen und proklamierte das Ziel der »Erhaltung wertvoller Bauwerke, […] die für die technische und wirtschaftliche Entwicklung des Landes charakteristisch sind. Dazu gehören unter anderem Fördertürme, Maschinenhallen, Schleusen und Schachtgebäude.«7 Industriekultur harmonierte mit der sozialdemokratischen Wertschätzung für die Industriearbeiterschaft und der Perspektive sozialen Aufstiegs für die junge Generation im Strukturwandel, so dass durchaus von einem sozialdemokratischen Projekt die Rede sein kann.8 Aber auch von den der Region verbundenen CDU-Kreisen wurde die Gründung des Westfälischen Industriemuseums einhellig unterstützt. Die Industriemuseumsidee für Nordrhein-Westfalen war das zentrale Identitätsprojekt, das der vom Strukturwandel gebeutelten Region neue Kraft geben 5 6
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Glaser, Hermann: Was heißt und zu welchem Ende studiert und präsentiert man Industriekultur?, in: Museumskunde, 49 (1984), S. 94-106, hier S. 100. Kilger, Gerhard: Szenografie – Entwicklungen seit den 1970er Jahren, in: Graf, Bernhard u.a. (Hgg.): Museen zwischen Qualität und Relevanz. Denkschrift zur Lage der Museen, Berlin 2012, S. 155-162, hier S. 156; Sembach, Klaus-Jürgen: Museum Industriekultur Nürnberg, in: Fehr, Michael/Grohé, Stefan (Hgg.): Geschichte • Bild • Museum. Zur Darstellung von Geschichte im Museum, Köln 1989, S. 20-24 (Museum der Museen, Schriftenreihe des Karl Ernst Osthaus Museums, Band 1). Zit. n. Kerner, Frank: Der Bergbau im Museum. Erinnerungsort Grubenlampe und Arschleder, in: Berger, Stefan/Borsdorf, Ulrich/Claßen, Ludger/Grütter, Heinrich Theodor/Nellen, Dieter (Hgg.): Zeit-Räume Ruhr. Erinnerungsorte des Ruhrgebiets, Essen 2019, S. 442-458, hier S. 453. Berger, Stefan: Ankerpunkt regionaler Identität. Erinnerungsort Industriekultur, in: Berger, Stefan/Borsdorf, Ulrich/Claßen, Ludger/Grütter, Heinrich Theodor/Nellen, Dieter (Hgg.): Zeit-Räume Ruhr. Erinnerungsorte des Ruhrgebiets, Essen 2019, S. 500-516, hier S. 506.
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sollte. Trotz dieses parteiübergreifenden Konsenses wurden in den 1980er Jahren die Industriemuseen »als ›regionale Widerlager‹ gegen das konservative Geschichtsbild zu Zeiten von Helmut Kohls ›geistig-moralischer Wende‹ verstanden und als Alternative zu den Plänen für große Nationalmuseen – dem Deutschen Historischen Museum in (West-)Berlin und dem Haus der Geschichte in Bonn« gesehen.9 Der Begriff des Industriemuseums ist erstmalig vom Westfälischen und Rheinischen Industriemuseum benutzt worden. Der neue Name sollte die neu entstandenen Museen vom etablierten Technikmuseum abgrenzen, dem es vorrangig um die Präsentation von Technik und eben nicht, wie dem Industriemuseum, um die Darstellung von industriellen Arbeitsplätzen geht. Verbindet sich mit dem Technikmuseum der Berufsstolz des technischen Bürgertums, den Beitrag der Technik zum Fortschritt zu zeigen, so widmet sich das Industriemuseum den verschwundenen Lebens- und Arbeitswelten der Industriearbeiterschaft. Das Industriemuseum reklamiert zugleich Geschichtsmuseum zu sein, für Industrie- und Sozialgeschichte, während das Technikmuseum sich nicht als Geschichtsmuseum versteht und Wert auf die Präsentation des aktuellen Stands der Technik legt, was die stärkere Gegenwartsorientierung des Technikmuseums belegt. Diese Intention wird auch dadurch unterstrichen, dass Technikmuseen überwiegend in imposanten Neubauten untergebracht sind, während Industriemuseen ihre Bleibe in ehemaligen Industrieanlagen gefunden haben und damit auch die zentrale Aufgabe des Denkmalschutzes wahrnehmen.10 Wie die Industriemuseen ihre Aufgabe angenommen haben, ist exemplarisch für den wichtigsten Standort, die Zeche Zollern II/IV, schon vor geraumer Zeit untersucht worden. Katja Roeckner hat sich in ihrer profunden Studie mit der inhaltlichen Hauptausstellung auf Zollern beschäftigt. Es handelt sich um die Dauerausstellung unter dem Titel ›Keine Herrenjahre‹, die in der ehemaligen Waschkaue der Zeche präsentiert wird. Die Besucher erhalten einen umfassenden Eindruck von den Arbeitsverhältnissen im Bergbau, der aus der Perspektive von Berglehrlingen auf eine szenografische Weise präsentiert wird. Zahlreiche Identifikationsmöglichkeiten geben dem Besucher Anlass, die Leistung der Bergleute zu wertschätzen und als kulturelles Erbe zu würdigen. Was in der Gegenwart fast wie eine Selbstverständlichkeit erscheint, war
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Roeckner: Ausgestellte Arbeit, S. 97. Ebd., S. 49-67.
4 Die Entdeckung der Industriekultur und die Entstehung von Industriemuseen
1999 zur Eröffnung der Dauerausstellung ein wichtiges kulturpolitisches Signal. Dagegen kritisiert Roeckner die mangelnde Gegenwarts- und Zukunftsorientierung der Ausstellung, die keine »Orientierungshilfen im industriellen Um- und Abbau« biete. Sie konstatiert generell für Industriemuseen eine antiquarische nostalgische Grundhaltung, die auch auf Zollern in weiten Teilen zutreffe.11 Die Etablierung der Industriekultur an der Ruhr hat durch die Internationale Bauausstellung (IBA) Emscherpark von 1989 bis 1999 eine ungeheure Beschleunigung erfahren. Was mit den Industriemuseen den Anfang nahm, wurde nun auf den vom Strukturwandel besonders gebeutelten Teil des Ruhrgebiets, die Emscher-Zone, ausgedehnt. Insgesamt fünf Mrd. DM an Investitionsmitteln flossen in über 100 Projekte, die die Grundlage für die Schaffung eines letztlich aber nicht realisierten Nationalparks der Industriekultur legen sollten. Die Umnutzung altindustrieller Bauten, ökologische Erneuerung, Stadtteilentwicklung und Strukturwandel verstanden Industriekultur als Kraftquelle für die Erneuerung der geschundenen Region.12 Eine Route der Industriekultur und eine Route der Industrienatur verbinden heute die zahlreichen Orte an der Ruhr, die sich zu einer wahren Touristenattraktion entwickelt haben. Die besondere Rolle der Industriekultur im Ruhrgebiet erschließt sich im internationalen Vergleich montanindustrieller Altregionen, der hier nicht ausgebreitet werden kann. Stefan Berger hat sechs Punkte identifiziert, die die Ruhr als ›special case‹ charakterisieren. Zum ersten hat der spezifische deutsche Korporatismus, der rheinische Kapitalismus, einen verlässlichen, stabilen Rahmen für alle Akteure bei der Bewahrung des kulturellen Erbes geschaffen. Staatliche Institutionen, Arbeitgeber und Gewerkschaften fanden schnell zu einer verlässlichen Zusammenarbeit. Zum zweiten wird die Industriekultur an der Ruhr von einer breiten Basisbewegung getragen, die sich sowohl aus Museumsfachleuten, Historiker_innen und Intellektuellen als auch ehemaligen Beschäftigten der Montanindustrien zusammensetzt. Drittens erwies sich der deutsche Föderalismus als Glücksfall, da die vor Ort präsenten regionalen staatlichen Institutionen sich das Anliegen der Industrie11 12
Ebd., S. 92-109. Ganser, Karl/Höher, Andrea: Raum für Zukunft: Die Internationale Bauausstellung Emscher, in: Rudolph, Karsten u.a. (Hgg.): Nordrhein-Westfalens Weg ins 21. Jahrhundert. Reform an Rhein und Ruhr, Bonn 2000, S. 66-74; Kilper, Heiderose: Die Internationale Bauausstellung Emscher Park. Eine Studie zur Steuerungsproblematik komplexer Erneuerungsprozesse in einer alten Industrieregion, Wiesbaden 1999.
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kultur zur eigenen Sache machten und so auch die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung standen. Viertens ersparte der sozialverträgliche Belegschaftsabbau im Steinkohlenbergbau der Region soziale Konflikte und schuf der Ruhrkohle AG zudem durch die Förderung der Industriekultur die Möglichkeit, sich als Akteur des Strukturwandels zu profilieren. Fünftens befürwortete auch die Industriegewerkschaft Bergbau und Energie die Profilierung der Industriekultur als Vermächtnis der Bergleute für ihre Leistungen in der Vergangenheit. Und schließlich sechstens ist mit der IBA Emscherpark ein derart dichtes Netz an ikonischen Orten der Industriekultur geschaffen worden, dass die Industriekultur an der Ruhr regelrecht in voller Blüte steht. Die Ruhr ist zur »world’s leading region in promoting its industrial heritage on a large scale« geworden.13 Die Erfolgsgeschichte der Industriekultur an der Ruhr kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Region in einem tiefen, schwierigen Strukturwandel steckt, dessen weiterer Verlauf nicht abzusehen ist. Die sozialen Disparitäten an der Ruhr, die im Ruhrschnellweg als Sozialäquator zwischen den wohlhabenden südlichen Regionen und den verarmenden nördlichen Regionen einen symbolischen Ausdruck finden,14 werfen die Frage auf, was die Industriekultur zur Revitalisierung der Region beitragen kann. Die Industriekultur an der Ruhr wird getragen von einem breiten politisch-kulturellen Konsens, der jeglichen produktiven Streit vermissen lässt. Die Konfliktgeschichte des größten deutschen industriellen Ballungsraums und die hart erkämpften sozialpolitischen Errungenschaften drohen in Vergessenheit zu geraten. Wie keine andere Branche ist der Steinkohlenbergbau an der Ruhr ein sozialpolitisches Laboratorium gewesen, das die Geschichte der Mitbestimmung maßgeblich geprägt hat.15 Davon ist in den Projekten von ›Glückauf Zukunft!‹ der RAG-Stiftung zur Verabschiedung des Steinkohlenbergbaus nur wenig zu finden gewesen.
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Berger, Stefan/Pickering, Paul: Regions of heavy industry and their heritage – between identity politics and ›touristification‹, in: Wicke, Christian/Berger, Stefan/Golombek, Jana (Hgg.): Industrial Heritage and Regional Identities, London/New York 2018, S. 214235, hier S. 231f. Bogumil, Jörg/Heinze, Rolf G./Lehner, Franz/Strohmeier, Klaus Peter: Viel erreicht – wenig gewonnen. Ein realistischer Blick auf das Ruhrgebiet, Essen 2012, S. 24-28. Jäger, Wolfgang: Soziale Sicherheit statt Chaos. Beiträge zur Geschichte der Bergarbeiterbewegung an der Ruhr, Essen 2018, S. 7f; ders.: Die Bergbaugewerkschaft, in: Farrenkopf, Michael/Goch, Stefan/Rasch, Manfred/Wehling, Hans-Werner (Hgg.): Die Stadt der Städte: Das Ruhrgebiet und seine Umbrüche, Essen 2019, S. 339-346.
4 Die Entdeckung der Industriekultur und die Entstehung von Industriemuseen
Ferner hat sich eine Nostalgie breitgemacht, die die Vergangenheit verklärt und in einem rosaroten Licht erscheinen lässt. Diese antiquarische Nostalgie hat viele Schichten, die Stefan Berger im Detail herausgearbeitet hat. Der Bogen spannt sich vom Aufstieg der national so bedeutsamen Industrieregion über die Solidarität der Menschen und den konsensualen Tripartismus in der alten Bundesrepublik, den Mythos des Schmelztiegels Ruhrgebiet bis zur Industrienatur, der Rückkehr der Natur auf den Industriebrachen.16 Zugleich fehlen in der ›Industriekultur‹ die Schattenseiten der destruktiven Kräfte der Industrialisierung für Mensch und Natur, die heftigen Klassenkämpfe, die Auseinandersetzung innerhalb der Arbeiterbewegung und die ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung. Eine reflexive Nostalgie dagegen umfasst auch die Beschäftigung mit diesen Schattenseiten der Vergangenheit, um daraus Impulse für die Bewältigung von Zukunftsaufgaben zu gewinnen: »An acknowledgement of such radical multiperspectivity would be the basis for an agonistic memory culture of the Ruhr region that engages with different political visions of the ›past futures‹ of the region«,17 so die Erwartung von Stefan Berger. Schon vor einigen Jahren hat Ulrich Heinemann auf die problematischen Seiten der Industriekultur im Ruhrgebiet hingewiesen. Zum einen machte er darauf aufmerksam, dass gerade die jüngere Generation an der Ruhr wenig mit den industriekulturellen Aktivitäten anfangen könne, die die Alt-68er dominieren würden, und zum anderen, dass die IBA Emscherpark eine Route der Industriekultur, aber nicht eine Route der Innovation geschaffen habe.18 Diese Kritik ist unlängst dahingehend erweitert worden, dass sich die Industriekultur immer weiter von der einheimischen Bevölkerung entferne, die mit der dominanten Erinnerungskultur nichts anfangen könne und sich zu einem erheblichen Teil eben nicht als die Gewinner des Strukturwandels sehe.19 Wenngleich sich das Interesse an einem elfstündigen Bühnenmarathon bei der Ruhrtriennale sicher in Grenzen halten dürfte, die zahlreichen 16
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Berger, Stefan: Industrial Heritage and the Ambiguities of Nostalgia for an Industrial Past in the Ruhr Valley, Germany, in: Labor: Studies in Working-Class History, 16 (2019), S. 37-64, hier S. 46-49. Ebd., S. 51. Heinemann, Ulrich: Industriekultur: Vom Nutzen zum Nachteil für das Ruhrgebiet?, in: Forum Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur, 1 (2003), S. 56-58. Eiringhaus, Pia/Kellershohn, Jan: Und wer zahlt die Zeche? Der Strukturwandel hat eine Industriekulturindustrie entstehen lassen, bei der die ursprüngliche Bevölkerung kaum eine Rolle spielt, in: FAZ, 18.08.2018
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Projekte und Aktivitäten zur Geschichtskultur an der Ruhr zeigen eine große Resonanz in der Ruhrgebietsbevölkerung, die die Kritik doch weitgehend ins Leere laufen lassen.20 Bedeutsamer ist die neue Kritik an der erinnerungskulturellen Homogenität der Industriekultur an der Ruhr. Ein Versöhnungsnarrativ dominiert die Erinnerungskultur, das die erfolgreiche Renaturierung der Region und damit die Heilung aller ökologischen Wunden suggeriert.21 Dass die IBA Emscherpark sich zum Ziel gesetzt hatte, die gravierenden ökologischen Schäden im Ruhrgebiet zu bearbeiten, ist unstrittig. Strittig ist, ob das Ruhrgebiet sich damit einen Gefallen tut, die Herausforderungen der altindustriellen Vergangenheit und die vergangenen heterogenen Entwicklungen alle über einen Leisten zu schlagen, die in der Erfolgsgeschichte einer ökologischen und auch sozialen Meistererzählung verschwinden. Schließlich ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass der stark denkmalpflegerische und touristische Ansatz der Industriekultur an der Ruhr einer Re-Historisierung bedürfe, damit Geschichte als Wissenschaft wieder eine größere Rolle spiele und die immaterielle Seite der Industriekultur in den Blick kommen könne.22 Bei der Untersuchung der Dauerausstellung im Essener Ruhr Museum, einem der bedeutendsten deutschen Regionalmuseen, wird darauf zurückzukommen sein. Die deutschen Industriemuseen stehen generell vor der Herausforderung, über die Musealisierung der industriellen Arbeit und die Verknüpfung mit dem gegenwärtigen Wandel der Arbeit hinaus,23 auf Zukunftsthemen zu fokussieren, die ihnen neue, zusätzliche Attraktivität geben können. Dabei haben sich Migration, Europäisierung und Strukturwandel als neue Themenfelder herauskristallisiert. Zugleich arbeiten die Industriemuseen auch an ihren
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Grütter, Heinrich Theodor: Erinnerungskultur im Ruhrgebiet, in: Farrenkopf, Michael/Goch, Stefan/Rasch, Manfred/Wehling, Hans-Werner (Hgg.): Die Stadt der Städte: Das Ruhrgebiet und seine Umbrüche, Essen 2019, S. 507-514, hier S. 512. Eiringhaus, Pia: Industrie wird Natur. Postindustrielle Repräsentationen von Region und Umwelt im Ruhrgebiet, Bochum 2018 (SBR-Schriften, 40); dies.: Zukünfte in der Metropole Ruhr. Überlegungen zur Problematik erinnerungskultureller Homogenität, in: Farrenkopf, Michael/Goch, Stefan/Rasch, Manfred/Wehling, Hans-Werner (Hgg.): Die Stadt der Städte: Das Ruhrgebiet und seine Umbrüche, Essen 2019, S. 526-530. Borsdorf: Industriekultur, S. 18-21. Misik, Robert/Schörkhuber, Christine/Welzer, Harald (Hgg.): Arbeit ist unsichtbar. Die bisher erzählte Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Arbeit, Wien 2018, S. 211-227.
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Bildungsangeboten, die den Besucher_innen mehr Beteiligungsmöglichkeiten bieten sollen.24
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Müller, Rita: Museums designing for the future: some perspectives confronting German technical and industrial museums in the twenty-first century, in: International Journal of Heritage Studies, 19 (2013), S. 511-528; Osses, Dietmar/Nogueira, Katarzyna: Representations of immigration and emigration in Germany’s historic museums, in: Wilhelm, Cornelia (Hg.): Migration, Memory and Diversity. Germany from 1945 to the Present, New York/Oxford 2017, S. 155-175.
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5 Soziale Demokratie – der Kampf um soziale Bürgerrechte
›Soziale Demokratie‹ wird oftmals vordergründig mit dem politischen Programm der sozialdemokratischen Parteien gleichgesetzt. Im gültigen Hamburger Programm der SPD ist das politische Ziel der sozialen Demokratie ausdrücklich benannt, und die deutsche Sozialdemokratie nennt ihr renommiertes Archiv in Bonn-Bad Godesberg ›Archiv der sozialen Demokratie‹. Der Begriff ›Soziale Demokratie‹ ist jedoch weit älter und keinesfalls nur auf die reformerische Strömung der politischen Arbeiterbewegung beschränkt. Er entstand in der Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Industrialisierung Wirtschaft und Gesellschaft fundamental veränderte. Die wirtschaftliche Liberalisierung und die soziale Frage stellten Staat, Wirtschaft und Gesellschaft vor neue Aufgaben, die einen Prozess der Demokratisierung in Gang setzten. Mit ›Sozialer Demokratie‹ verbanden sich Vorstellungen sozialer Reformen in Wirtschaft und Gesellschaft, die zur Lösung der sozialen Frage als notwendig erachtet wurden. Die Personen und Gruppen, die sich die Ziele der sozialen Demokratie auf ihre Fahnen geschrieben haben, reichen weit über den reformerischen Flügel der politischen Arbeiterbewegung hinaus. In Deutschland sind es außerdem die bürgerliche Sozialreform, die im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts großen Einfluss gewann,1 die bürgerliche und proletarische Frauenbewegung, beginnend in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts2 , und die 1 2
Bruch, Rüdiger vom (Hg.): Weder Kommunismus noch Kapitalismus. Bürgerliche Sozialreform vom Vormärz bis zur Ära Adenauer, München 1985. Schaser, Angelika: Frauenbewegung in Deutschland 1848-1933, Darmstadt 2006; Gerhard, Ute: Frauenbewegung, in: Roth, Roland/Rucht, Dieter (Hgg.): Die sozialen Bewegungen in Deutschland seit 1945, Frankfurt/New York 2008, S. 187-217; Schenk, Herrad: Die feministische Herausforderung. 150 Jahre Frauenbewegung in Deutschland, 2. Auflage, München 1981, S. 21-62.
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Gewerkschaftsbewegung in all ihren richtungspolitischen Varianten. Bis 1933 waren freie, christliche und liberale Gewerkschaften, trotz der teils engen Verbindungen zu konkurrierenden politischen Parteien, die gemeinsamen Promotoren der sozialen Demokratie, sei es als Verfechter des Tarifvertrages oder des Ausbaus der Sozialversicherung. Nach 1945 ist die Einheitsgewerkschaft an ihre Stelle getreten. Der Begriff der ›socialen Demokratie‹ wurde erstmals Mitte des 19. Jahrhunderts vom Staatsrechtler Lorenz von Stein verwendet, einem bedeutenden Vertreter der politischen Ideengeschichte in Deutschland.3 Lorenz von Stein analysierte im Anschluss an die französischen Frühsozialisten den Widerspruch von Kapital und Arbeit in der nachfeudalen Gesellschaft und erkannte die zentrale Bedeutung der sozialen Frage für den Zusammenhalt von Staat und Gesellschaft.4 Zur Überwindung der Klassenspaltung plädierte er für ein ›soziales Königtum‹, das durch Reformen die soziale Lage des Proletariats verbessern sollte. Von Stein verfolgte den Gedanken einer ›aufsteigenden Klassenbewegung‹, einer Form von sozialer Mobilität, durch die die Klassenschranken durchlässig werden würden.5 Das Privateigentum stellte er nicht in Frage, sondern behauptete die »innere Identität des freien Besitzes und der Freiheit der Persönlichkeit«.6 Akteur der sozialen Reform sollte der Staat sein, wobei die Frage der Verfassungsform für Lorenz von Stein ohne Bedeutung war. Sein Demokratieverständnis im Begriff der ›socialen Demokratie‹ rekurrierte vielmehr im Sinne der rechtsstaatlichen Gleichheit auf eine sozialstaatliche Gleichheit, die an keine demokratische Herrschaftsordnung gekoppelt war.7 Die skizzierten zentralen Eckpunkte der Konzeption Lorenz von Steins finden sich in der wirkmächtigen bürgerlichen Sozialreform vom Vormärz bis zur Weimarer Republik. Die Sozialreform sollte die Arbeiterschaft in den Nationalstaat integrieren, und der Staat hatte die Verantwortung, zu diesem Zweck Sozialpolitik zu betreiben. Die bürgerliche Sozialreform ignorierte die
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Dobner, Petra: Neue Soziale Frage und Sozialpolitik, Wiesbaden 2007, S. 99/100. Blasius, Dirk: Lorenz von Stein als Geschichtsdenker, in: ders./Pankoke, Eckart (Hgg.): Lorenz von Stein. Geschichts- und gesellschaftswissenschaftliche Perspektiven, Darmstadt 1977, S. 1-76, hier S. 13. Ebd., S. 44/45. Ebd., S. 40/41. Pankoke, Eckart: Lorenz von Steins staats- und gesellschaftswissenschaftliche Orientierung, in: Blasius, Dirk/Pankoke, Eckart (Hgg.): Lorenz von Stein. Geschichts- und gesellschaftswissenschaftliche Perspektiven, Darmstadt 1977, S. 79-179, hier S. 123.
5 Soziale Demokratie – der Kampf um soziale Bürgerrechte
Frage der Form politischer Herrschaft und fixierte sich ausschließlich auf das Gebiet der Sozialpolitik – ein beschränktes Politikverständnis. Träger der bürgerlichen Sozialreform waren drei bedeutende Vereinigungen, die sich in der zeitlichen Reihenfolge in gewisser Weise ablösten. Es begann 1844 mit dem Centralverein für das Wohl der arbeitenden Klassen, 1872 gründete sich der Verein für Sozialpolitik und 1901 die Gesellschaft für soziale Reform.8 Die sich aus hohen Staatsbeamten und Wissenschaftlern zusammensetzenden Vereine verstanden sich als Protagonisten einer vom Staat zu realisierenden Sozialpolitik, die die Ungleichheit der Verteilung durch gesetzgeberische Maßnahmen lindern und Beteiligungsrechte der Arbeiterschaft schaffen sollten. Lange bevor die Gewerkschaftsbewegung sich unmissverständlich zum Tarifvertrag und zu Arbeiterausschüssen bekannte, hatten die sog. Kathedersozialisten dies schon im Verein für Sozialpolitik propagiert.9 Bedeutsam ist, dass sich die sozialdemokratische Arbeiterbewegung mit ihrem politischen wie gewerkschaftlichen Flügel ab den 1890er Jahren der bürgerlichen Sozialreform immer mehr annäherte, und die freien Gewerkschaften 1916 Mitglied der Gesellschaft für soziale Reform wurden,10 in der der ADGB-Vorsitzende Theodor Leipart später das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden bekleidete.11 Neben der bürgerlichen Sozialreform ist auch die konfessionelle Sozialreform von großer Bedeutung für die Entwicklung der sozialen Demokratie gewesen. Insbesondere der soziale Katholizismus begnügte sich nicht damit, nur auf die Verantwortung des Staates für die Abstellung der sozialen Missstände zu verweisen, – was er mit der bürgerlichen Sozialreform gemein 8 9
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Bruch (Hg.): Weder Kommunismus noch Kapitalismus; S. 21-179. Reulecke, Jürgen: Die Anfänge der organisierten Sozialreform in Deutschland, in: Bruch, Rüdiger vom (Hg.): Weder Kommunismus noch Kapitalismus. Bürgerliche Sozialreform vom Vormärz bis zur Ära Adenauer, München 1985 S. 21-59, hier S. 45/46; Bruch, Rüdiger vom: Bürgerliche Sozialreform im deutschen Kaiserreich, in: ders. (Hg.): Weder Kommunismus noch Kapitalismus. Bürgerliche Sozialreform vom Vormärz bis zur Ära Adenauer, München 1985, S. 61-179, hier S. 86-88. Bruch: Bürgerliche Sozialreform, S. 140; Schulz, Günther: Sozialreform in der Weimarer Republik, in: Bruch, Rüdiger vom (Hg.): Weder Kommunismus noch Kapitalismus. Bürgerliche Sozialreform vom Vormärz bis zur Ära Adenauer, München 1985, S. 181-217, hier S. 184; Prinz, Michael: »Sozialpolitik im Wandel der Staatspolitik«? Das Dritte Reich und die Tradition bürgerlicher Sozialreform, in: Bruch, Rüdiger vom (Hg.): Weder Kommunismus noch Kapitalismus. Bürgerliche Sozialreform vom Vormärz bis zur Ära Adenauer, München 1985, S. 219-244, hier S. 227.
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hatte – sondern mit dem 1890 gegründeten ›Volksverein für das katholische Deutschland‹ entstand eine breite Bildungsbewegung, die mit ihrem großen Vertrauensmännernetz eine moderne Organisationsstruktur besaß. Zugleich verabschiedete sich der soziale Katholizismus vom Konzept der patriarchalischen Fürsorge, das den vormaligen katholischen Unternehmerverband Arbeiterwohl in den 1880er Jahren noch geprägt hatte. Jetzt war der Weg frei für die Gründung eigenständiger Gewerkschaften, die nicht mehr wie die früheren katholischen Arbeitervereine in die lokale Kirchengemeinde eingebunden waren. Mit der 1894 erfolgenden Gründung des Gewerkvereins christlicher Bergarbeiter begann die Geschichte der interkonfessionellen christlichen Gewerkschaften, die vorwiegend in der katholischen Arbeiterschaft ihren Rückhalt hatten.12 Ein zentrales Merkmal des sozialen Katholizismus war seine berufsständische Orientierung, die davon ausging, dass die Klassenkonflikte in einer am Gemeinwohl orientierten Selbstverwaltung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern aufgehoben werden könnten. Deshalb maß er der Staatsverfassung keine große Bedeutung bei und entwickelte erst nach der Novemberrevolution ein positives Verhältnis zur Demokratie.13 Die christlichen Gewerkschaften gaben sich 1899 mit den ›Mainzer Leitsätzen‹ ein Grundsatzprogramm, in dem sie feststellten, dass sie zur »Hebung der leiblichen und geistigen Lage der Berufsgenossen« zum einen »gesetzliche[.] Reformen auf dem Boden der bestehenden Gesellschaftsordnung« herbeiführen wollten, und zum anderen tarifvertragliche Regelungen anstrebten, allerdings ohne das Wort ›Tarifvertrag‹ zu benutzen. Trotz der seinerzeitigen heftigen Klassenkonflikte zielten die ›Mainzer Leitsätze‹ auf eine Sozialpartnerschaft von Kapital und Arbeit ab.14 Die von ihren Mitgliedszahlen her weniger bedeutsame liberale HirschDunckersche Gewerkschaftsbewegung bekannte sich ebenso wie die christliche Gewerkschaftsbewegung zum Ziel der »vollen Gleichberechtigung« von Kapital und Arbeit und zum Instrument des Tarifvertrages. Das Bekenntnis zur Reform »auf dem Boden der bestehenden Gesellschaftsordnung« wurde noch durch die Betonung des nationalen Ideals unterstrichen. Anders als die christlichen Gewerkschaften forderten die liberalen Gewerkschaften in ihrem
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Jäger, Wolfgang: Bergarbeitermilieus und Parteien im Ruhrgebiet. Zum Wahlverhalten des katholischen Bergarbeitermilieus bis 1933, München 1996, S. 75-82. Schulz: Bürgerliche Sozialreform, S. 197-199. Schneider, Michael: Die Christlichen Gewerkschaften 1894 – 1933, Bonn 1982, S. 122-124 u. S. 150-154.
5 Soziale Demokratie – der Kampf um soziale Bürgerrechte
neuen Programm von 1907 »die soziale und wirtschaftliche Gleichberechtigung beider Geschlechter« und die »[g]leiche Entlohnung von Männer- und Frauenarbeit.«15 Die freien sozialdemokratisch orientierten Gewerkschaften sind im Kaiserreich nicht mit vergleichbaren programmatischen Positionierungen an die Öffentlichkeit getreten, was der Arbeitsteilung zwischen SPD und Gewerkschaften und dem Schwanken der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung zwischen reformerischer Praxis und revolutionärer Naherwartung geschuldet sein dürfte.16 Es bedurfte eines durch den Arbeitsalltag getriebenen Selbstverständigungsprozesses, bis sich die freien Gewerkschaften mehrheitlich zum Ziel der tarifvertraglichen Regelung der Arbeitgeber-/Arbeiternehmerbeziehungen bekannten, sich an den Wahlen zu Arbeiterausschüssen – den Vorläufern der Betriebsräte – beteiligten und die Selbstverwaltungsorgane der Sozialversicherung eroberten. In den Organen der Selbstverwaltung waren vor allem freie Gewerkschafter als Versichertenvertreter präsent und konnten mit ihrer zwei-Drittel-Mehrheit in den Gremien erheblichen Einfluss auf die Organisation und Leistungen der Versicherung nehmen.17 Die Selbstverwaltung war ein Ort sozialer Demokratie, der in einem merkwürdigen Spannungsverhältnis mit der plutokratisch geprägten Ordnung im Kaiserreich stand. Nicht nur das Drei-Klassen-Wahlrecht widersprach der staatsbürgerlichen Gleichheit, sondern auch der generelle Ausschluss der Frauen, an parlamentarischen Wahlen mitzuwirken. Die Wahlrechtsfrage ist für die Frauenbewegung im Kaiserreich ein wesentlicher Impuls ihres Wirkens gewesen. Hatte sich der Allgemeine Deutsche Frauenverein von 1865 den Aufgaben der höheren Bildung für Frauen und der »Befreiung der weiblichen Arbeit« verschrieben,18 so rückte nach der 15
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Das neue Gewerkvereins-Programm, nach den Beschlüssen des 16. Verbandstages der deutschen Gewerkvereine (Hirsch-Duncker) 1907 in Berlin, in: Schneider, Michael: Kleine Geschichte der Gewerkschaften. Ihre Entwicklung in Deutschland von den Anfängen bis heute, Bonn 1989, S. 421-423. Zum Verhältnis von Demokratischem Sozialismus und sozialer Demokratie: Heinemann, Ulrich/Wannöffel, Manfred: Soziale Demokratie. Begriff, Elemente, Entwicklung und Bedeutung für die Erinnerungskultur. Arbeitspapier aus der ›Kommission Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie‹. https://www.boeckler.de/pdf/p_ek_ap_ 06_2019.pdf (Zugriff 09.11.2019), S. 12-16. Kott, Sandrine: Sozialstaat und Gesellschaft. Das deutsche Kaiserreich in Europa, Göttingen 2014, S. 102-115; Milert, Werner/Tschirbs, Rudolf: Die andere Demokratie. Betriebliche Interessenvertretung in Deutschland, 1848 bis 2008, Essen 2012, S. 66-78. Schaser: Frauenbewegung, S. 41.
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Jahrhundertwende die Wahlrechtsfrage immer mehr in den Mittelpunkt, da nur das Wahlrecht für Frauen eine Angleichung sozialrechtlicher Leistungen versprach. »Einer weitgehend maskulinisierten Versicherung stand […] eine überwiegend feminisierte Armenhilfe gegenüber.«19 Der gesetzliche Arbeitsschutz für erwerbstätige Frauen hatte seit den 1890er Jahren die Lage der Frauen geringfügig verbessert, an ihrer Rechtlosigkeit aber wenig geändert. Zentral war der Anspruch der Frauenbewegung bürgerlicher und proletarischer Provenienz auf staatsrechtliche Gleichbehandlung mit den Männern, von der sie sich eine Änderung ihrer Lage versprachen.20 Die Akteure der sozialen Demokratie zeichnet aus, dass sie sich den Herausforderungen der sozialen Frage stellten und Konzepte und Strategien entwickelten, die eine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der breiten Bevölkerung versprachen. Die überwiegende Konzentration auf das Feld der Sozialpolitik stellte Fragen der Verfassungsordnung hinten an, die den Begriff der sozialen Demokratie problematisch erscheinen lassen, wenn der Gewährung von sozialen Rechten zunächst die Gewährung politischer Rechte vorangehen muss, wie es der englische Soziologe und Theoretiker der Bürgerrechte Thomas H. Marshall in seiner 1947 entstandenen Studie über Staatsbürgerrechte und soziale Klassen postuliert hat. Marshall differenziert die Herausbildung des Staatsbürgerstatus in England vom 19. Jahrhundert bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts in die Gewährung von bürgerlichen, politischen und sozialen Freiheitsrechten.21 Bürgerliche oder zivile Freiheitsrechte versteht er als individuelle Freiheitsrechte, die die Freiheit der Person, die Freiheit des Eigentums und rechtsstaatliche Grundsätze umfassen. Politische Freiheitsrechte ruhen auf den bürgerlichen Freiheitsrechten und umfassen die Möglichkeit zur Beteiligung am Gebrauch politischer Macht, insbesondere durch ein aktives und passives Wahlrecht. Soziale Freiheitsrechte schließlich ergänzen die bürgerlichen und politischen Freiheitsrechte um ein Mindestmaß an sozialem Ausgleich, sozialer Sicherung und der Gewährleistung eines zivilisierten Lebens für alle. Diese drei Bestandteile des Staatsbürgerstatus, die sich auf
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Kott: Sozialstaat, S. 117-134, Zitat, S. 124 Richter, Hedwig/Wolff, Kerstin (Hgg.): Frauenwahlrecht. Demokratisierung der Demokratie in Deutschland und Europa, Hamburg 2018. Marshall, Thomas H.: Bürgerrechte und soziale Klassen. Zur Soziologie des Wohlfahrtsstaates, hg. v. Elmar Rieger, Frankfurt a.M. und New York 1992, S. 33-94, hier S. 40.
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das Individuum beziehen, werden noch durch die wirtschaftlichen Staatsbürgerrechte (industrial citizenship) ergänzt, die die Gewerkschaften z.B. durch die Durchsetzung des Tarifvertrages für Kollektive erkämpft haben.22 So hilfreich Marshalls Typologie für das Verständnis der Dimensionen von Staatsbürgerrechten ist, die für die englische Geschichte zutreffende Entwicklung kann nicht auf Deutschland übertragen werden. Das deutsche Beispiel zeigt, dass soziale Rechte politischen Bürgerrechten vorangehen konnten. Dies mindert aber nicht den Wert der dreiteiligen Typologie. Der Kern der sozialen Demokratie ist die Gewährung sozialer Rechte. Für Marshall sind die sozialen Rechte, einschließlich der wirtschaftlichen Staatsbürgerrechte, die Garantie, dass kapitalistische Märkte, deren gewünschte produktive Wirkungen zur Entfaltung kommen sollen, hinsichtlich der mit ihnen verbundenen negativen Wirkungen eingeschränkt werden können. Insoweit liegen, so Marshall, »im zwanzigsten Jahrhundert Staatsbürgerrechte und kapitalistisches Klassensystem miteinander im Krieg«.23 Und weiter Marshall: »In ihrer modernen Form implizieren soziale Rechte ein Eindringen des Status in den Vertrag, die Unterwerfung des Marktpreises unter die soziale Gerechtigkeit, die Ersetzung des freien Tausches durch die Erklärung von Rechten.«24 Soziale Ungleichheit in kapitalistischen Gesellschaften ist also nach Marshall nur akzeptabel, wenn es die Gleichheit des umfassenden Staatsbürgerstatus für alle gibt, was Chancen und Möglichkeiten impliziert, die Veränderungen und Verbesserungen für den Einzelnen in Aussicht stellen. Soziale Rechte sind somit auch die Voraussetzung, dass die Formalgeltung bürgerlicher und politischer Rechte für alle überhaupt reale Wirkung bekommt. Gesellschaftliche und demokratische Integration in marktkapitalistischen Gesellschaften kann auf Dauer nur gelingen, wenn die Menschen ihre Interessen ausreichend aufgehoben sehen. Aus demokratietheoretischer Sicht hat Thomas Meyer die Unverzichtbarkeit sozialer Rechte betont: »Ohne ein soziales Fundament, das politische Gleichheit und Handlungsfähigkeit unabhängig macht vom sozialen Status, ohne reale Teilhabechancen am gesellschaftlichen 22
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Ebd., S. 63f; Müller-Jentsch, Walther: Die Montanmitbestimmung aus sozialwissenschaftlicher Perspektive: Entstehung – Wirkung – Rechtfertigung; in: Jäger, Wolfgang/Lauschke, Karl/Mittag, Jürgen (Hgg.): Mitbestimmung im Zeichen von Kohle und Stahl. Debatten um die Montanmitbestimmung im nationalen und europäischen Kontext, Essen 2020 (im Erscheinen). Marshall: Bürgerrechte, S. 81. Ebd., S. 82.
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Leben für alle Bürger und ohne ein von allen geteiltes Verständnis fairer und gerechter Ordnung bleibt Demokratie ein Torso, weil sie viele Bürger von der gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Leben ausschließt.«25 Soziale Rechte im Sinne Marshalls und gleichberechtigte Teilhabe nach Thomas Meyer sind somit also Essentials der sozialen Demokratie. Wenn soziale Demokratie sich über die Gewährung sozialer Rechte definiert, ist die Frage zentral, wem diese sozialen Rechte zustehen. Es bedurfte eines langen Kampfes der Frauenbewegung, dass auch Frauen in den Genuss dieser Rechte kamen, wobei zum Teil die sozialen den staatsbürgerlichen Rechten vorangingen. Im Zeitalter der Nationalstaaten wurde und wird die Frage des Zugangs zu staatsbürgerlichen Rechten insgesamt durch Migration kontinuierlich aufgeworfen. Migration und die Rechte von Migrant_innen sind somit auch ein zentrales Thema der sozialen Demokratie. Die Wohlfahrtsstaaten westlicher Prägung haben Marshalls Staatsbürgerrechte in unterschiedlicher Weise institutionalisiert. Auf der europäischen Ebene ist in einer 1999 veröffentlichten großen Untersuchung »zum Wandel der Arbeit und der Zukunft des Arbeitsrechts in Europa« der Begriff der Sozialbürgerschaft als »Zielstellung für die Entwicklung eines europäischen Arbeits- und Sozialrechts« definiert worden,26 was allerdings nichts über die derzeitige soziale Verfassung der Europäischen Union sagt. Das bundesdeutsche Grundgesetz definiert die Bundesrepublik Deutschland als demokratischen und sozialen Bundesstaat und hat dem Sozialstaatsgebot Verfassungsrang gegeben.27 Dem Ziel der sozialen Demokratie, die demokratische Partizipation durch soziale Integration zu stärken, ist somit ein besonderer Stellenwert gegeben worden. Ein Blick auf die Darstellung der sozialen Demokratie in den historischen Dauerausstellungen wird somit vor allem folgenden Fragen gelten müssen:
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Meyer, Thomas: Die Theorie der sozialen Demokratie, in: ders. (Hg.): Praxis der Sozialen Demokratie, Wiesbaden 2006, S. 11-30, hier S. 12. Raphael, Lutz: Jenseits von Kohle und Stahl. Eine Gesellschaftsgeschichte Westeuropas nach dem Boom, Berlin 2019, S. 205-207. Ebert, Thomas: Soziale Gerechtigkeit in der Krise, Bonn 2012, S. 27-223; Hartwich, HansHermann: Sozialstaatspostulat und gesellschaftlicher Status quo, 3. Auflage, Köln/Opladen 1978; ders.: Die Europäisierung des deutschen Wirtschaftssystems. Alte Fundamente – neue Realitäten – Zukunftsperspektiven, Opladen 1998, S. 108-125; Hockerts, Hans Günter: Ausblick: Bürgerliche Sozialreform nach 1945, in: Bruch, Rüdiger vom (Hg.): Weder Kommunismus noch Kapitalismus. Bürgerliche Sozialreform vom Vormärz bis zur Ära Adenauer, München 1985, S. 245-273, hier S. 249-252.
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Wie werden die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Unterschichten repräsentiert? Welchen Platz hat die Darstellung sozialer Konflikte und wie werden die Formen kollektiver Interessenvertretung der Arbeitnehmer_innen aufgegriffen? Wie wird die Geschichte der Institutionalisierung sozialer Rechte in der Sozialversicherung erzählt? Wird die Bedeutung des Bildungswesens als Berechtigungssystem für sozialen Aufstieg thematisiert? Was wird über den Kampf zur Gleichstellung der Geschlechter erzählt? Was erfahren wir über Zuwanderung und die Rechte von Migrant_innen?
In den folgenden Fallbeispielen wird nun versucht werden, Antworten auf die Fragen zu finden, um ein Bild der Repräsentation von sozialer Demokratie zu bekommen.
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6 Das Deutsche Historische Museum in Berlin – eine Schatzkammer ohne die Geschichte der sozialen Demokratie?
Zusammen mit dem Haus der Geschichte der Bundesrepublik in Bonn gehört das Deutsche Historische Museum zu den beiden großen staatlichen Museumsprojekten der 1980er Jahre.1 Wenngleich die Diskussionen und Überlegungen für ein historisches Nationalmuseum weiter zurückreichen, wurde das Berliner Projekt erst virulent, als Bundeskanzler Helmut Kohl, seit 1982 an der Spitze einer neuen christlich-liberalen Bundesregierung, es sich zu Eigen machte. Mit Blick auf das 750-jährige Jubiläum der Stadt Berlin 1987 stellte Kohl in seiner Regierungserklärung vom 4. Mai 1983 die Errichtung eines Deutschen Historischen Museums in Aussicht, das im Jubiläumsjahr seine Tore öffnen sollte.2
Neue Geschichtspolitik Die Motive für die geplante Museumsgründung waren vielfältig. Aus WestBerliner Sicht ging es nicht zuletzt darum, die Attraktivität der eingeschlossenen Stadt durch ein weiteres bedeutendes Museum zu steigern und endlich
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Kocka, Jürgen: Die deutsche Geschichte soll ins Museum, in: Geschichte und Gesellschaft 11 (1985), S. 59-66. Vgl. Auszüge aus der Regierungserklärung des Bundeskanzlers Helmut Kohl vor dem Deutschen Bundestag in Bonn am 4. Mai 1983, in: Stölzl, Christoph (Hg.): Deutsches Historisches Museum. Ideen – Kontroversen – Perspektiven, Frankfurt a.M. 1988, S. 249. Die vom Gründungsdirektor des DHM besorgte umfängliche Quellensammlung dokumentiert die Stellungnahmen zum Berliner Museum bis ins Jahr 1987; im Folgenden zitiert als Stölzl: DHM Dokumentation.
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Soziale Bürgerrechte im Museum
ein Gegenstück zum Museum für Deutsche Geschichte der DDR zu haben, das schon 1952 im Ostteil der Stadt im Zeughaus Unter den Linden eröffnet worden war. Das DDR-Museum war geschaffen worden, um gezielten Einfluss auf die weltanschauliche Bildung und Erziehung der einheimischen Bevölkerung im Sinne des historischen Materialismus zu nehmen, und es präsentierte eine in den Führungsgremien der Staatspartei abgestimmte Erzählung der deutschen Geschichte, die 1974 beim letzten eröffneten Ausstellungsbereich im »Sozialistischen Vaterland DDR« gipfelte.3 Für den Geschichtspolitiker Helmut Kohl, der seine neue Regierung unter das Ziel der »geistig-moralischen Wende« gestellt hatte, war mit dem Museumsprojekt in West-Berlin auch die Erwartung an »die Besinnung auf die deutsche Geschichte« verbunden, die das Geschichtsbewusstsein der Bürger_innen und die Bindung an die deutsche Nation stärken sollten. Kohls höchst problematische Äußerung von der »Gnade der späten Geburt« vor der Knesset in Jerusalem 1984 und die Gedenkfeier auf dem Soldatenfriedhof in Bitburg 1985 schürten verständlicherweise die um sich greifende Sorge, dass die »Lasten der deutschen Geschichte« gleichsam entsorgt und ein konservatives Geschichtsbild vermittelt werden sollten.4 Als dann noch die Debatten über die Museumsgründungen in Berlin und Bonn in den Historikerstreit 1986 um die Singularität des nationalsozialistischen Völkermordes an den europäischen Juden gerieten, spitzten sich die öffentlichen Kontroversen immer weiter zu.5 Ein Übriges tat der Streit um die Zusammensetzung der Expertenkommissionen, so dass der erste Entwurf der Sachverständigenkommission von 1986 für das Berliner Museum einer harten Kritik unterzogen wurde.6 Dass 3
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Brait, Andrea: Im Kampf um die Konstruktion des »deutschen« Geschichtsbildes. Zur Entwicklung von historischen Nationalmuseen in Ost- und Westdeutschland, in: Brunner, Detlev/Grashoff, Udo/Kötzing, Andreas (Hgg.): Asymmetrisch verflochten? Neue Forschungen zur gesamtdeutschen Nachkriegsgeschichte, Berlin 2013, S. 21-36, hier S. 22-26. Wüstenberg, Jenny: Civil Society and Memory in Postwar Germany, Cambridge 2017, S. 64-66; Wicke, Christian: Helmut Kohl’s Quest for Normality. His Representation of the German Nation and Himself, New York/Oxford 2015; Eder, Jacob S.: Holocaust Angst. The Federal Republic of Germany and American Holocaust Memory since the 1970s, Oxford 2016. Hütter, Hans Walter: Erinnerung als Programm. Der Geschichtspolitiker Helmut Kohl, in: Die Politische Meinung, hg. v. d. Konrad-Adenauer-Stiftung, Sonderausgabe Juni 2018, S. 104-108; Stölzl: DHM Dokumentation, S. 296-310 (Hans Mommsen). Stölzl: DHM Dokumentation, S. 310-517.
6 Das Deutsche Historische Museum in Berlin
schon ein Jahr später, 1987, eine überarbeitete Fassung als endgültiges Konzept vorgelegt werden konnte, war nicht zuletzt dem Wunsch geschuldet, die Gründung des neuen Museums im Berliner Jubiläumsjahr zu verwirklichen. Kohls Regierungserklärung im Bundestag vom 18. März 1987 mag zur Entspannung beigetragen haben. Er stellte fest: »Wir bekennen uns zur ganzen deutschen Geschichte mit ihren Höhen und Tiefen. […] Die deutsche Geschichte soll so dargestellt werden, dass sich die Bürger darin wiedererkennen: offen für kontroverse Deutungen und Diskussionen, offen für die Vielfalt geschichtlicher Betrachtungsmöglichkeiten. In einer freien Gesellschaft gibt es nach unserer Überzeugung kein geschlossenes und schon gar nicht ein amtlich verordnetes Geschichtsbild. Niemand – niemand! – hat das Recht, anderen seine Sicht und seine Deutung der Geschichte aufzudrängen.«7 Aber auch das jahrelange Ringen um eine Ausgewogenheit der Konzeption hatte sich ausgezahlt und die konkurrierenden Geschichtsbilder fanden sich in der Konzeption wieder.8
Die vielversprechende Konzeption Die überarbeitete Fassung der Konzeption (einschließlich Anlagen) für ein Deutsches Historisches Museum vom 24. Juni 1987 enthält auf 25 Druckseiten grundsätzliche Festlegungen und zahlreiche Details, die für die Präsentation der Geschichte der sozialen Demokratie durchaus aussichtsreich sind, eine Erwartung, die durch die Ausstellung später aber nicht erfüllt werden sollte. Zunächst wird das Ziel des Museums definiert: »Das Museum soll Ort der Besinnung und der Erkenntnis durch historische Erinnerung sein. Es soll informieren, die Besucher darüber hinaus zu Fragen an die Geschichte anregen und Antworten auf ihre Fragen bieten. Es soll zur kritischen Auseinandersetzung anregen, aber auch Verstehen ermöglichen und Identifikationsmöglichkeiten bieten.«9
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Ebd., S. 642; Pohl: Museumsführer, S. 33-56 (DHM), hier S. 33-35. Bösch, Frank: Konsum, Protest und innerdeutsche Konkurrenz. Repräsentationen der bundesdeutschen Demokratie im Haus der Geschichte und im Deutschen Historischen Museum, in: Hertfelder, Thomas/Lappenküper, Ulrich/Lillteicher, Jürgen (Hgg.): Erinnern an Demokratie in Deutschland. Demokratiegeschichte in Museen und Erinnerungsstätten der Bundesrepublik, Göttingen 2016, S. 57-80, hier S. 59f. Stölzl: DHM Dokumentation, S. 609-636, hier S. 611.
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In den »Dimensionen und Leitfragen« ist festgeschrieben, dass die politische Geschichte, die Wirtschafts-, die Kultur- und die Sozialgeschichte »ungefähr gleichgewichtig zu berücksichtigen« seien. In der Frage (unter b) nach den Bedingungen und Prozessen von Herrschafts- und Staatsbildung ist vorgesehen, dass die »sozialen und politischen Emanzipationsbewegungen des 19. Jahrhunderts« thematisiert werden. Bei der Frage nach Arbeit und Wissenschaft im Wandel der Zeit (c) soll den »sich wandelnden Arbeitserfahrungen der Menschen« besondere Aufmerksamkeit zuteil werden wie auch den »vielfältigen Einwirkungen der Ökonomie auf Sozialstruktur, Politik und Kultur«. Hinsichtlich der Frage nach sozialen Strukturen (d) wird ein weites Feld der sozialen Demokratie festgelegt: »Die Folgen sozialer Ungleichheit sind ebenso darzustellen wie die Bemühungen um deren Abbau: soziale Spannungen und Konflikte, soziale Proteste […] wie die Arbeiterbewegung und die Frauenbewegung seit dem 19. Jahrhundert. Gewaltsame Kämpfe und revolutionäre Umbrüche sind ebenso zu thematisieren wie die Entwicklungen von Einrichtungen zur gewaltlosen Konfliktlösung und die unterschiedlichen Formen sozialer Hilfe und sozialer Reform – von der mittelalterlichen Caritas über die städtische Armenfürsorge und die staatliche Armenpolizei der Frühen Neuzeit bis zum Aufstieg des modernen Sozialstaates seit dem späten 19. Jahrhundert.«10 Soweit die Grundsätze, wie sie in der Konzeption formuliert worden sind. In den folgenden Anlagen zur Konzeption ist eine lange Reihe von Themen formuliert, der auf Grundlage der Leitfragen weitere Details der inhaltlichen Gestaltung bestimmt. Für die Zeit ab 1848/49 werden die folgenden, für unsere Fragestellung interessanten Themen genannt: »Massenpauperismus, […] Proteste (unter anderem Aufstand schlesischer Weber)«, die »industrielle Revolution und ihre sozialen Auswirkungen: einzelne Fabrikunternehmen mit […] technischer Ausstattung und Arbeitsverhältnissen; Herkunft, Lebenswelt, Sozialprofil […] der entstehenden Arbeiterklasse; […]. Arm und Reich in verschärftem Kontrast; Ausstrahlung auf das Land. Die Überwindung des Hungers beginnt, und neue soziale Probleme entstehen: ›soziale Frage‹. Entstehung der Arbeiterbewegung (Gewerkschaften, Arbeiterparteien) und sozialpolitische Ansätze, unter anderem im kirchlichen Bereich, in der bürgerlichen Sozialreform und in der Gesetzgebung. […] Soziale Spannungen, der Konflikt Kapital – Arbeit, Streiks und die alltäglichen Erfahrungen von Abhängigkeit
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Ebd., 612-614.
6 Das Deutsche Historische Museum in Berlin
und Widerständigkeit, Emanzipation und Abwehr; Grundlagen der Arbeiterbewegung. Die dreigliedrige Gewerkschaftsbewegung […] Soziale Schichten, Gruppen und Klassen im Unterschied, dokumentiert durch ihre Wohn- und Kleidungsformen. […] Anfänge des Sozialstaats, besonders der Sozialversicherung«.11 Für den Epochenraum 1917/18 bis 1933 heißt es mit Bezug auf unser Thema soziale Demokratie lediglich: »Sozialpolitischer Ausbau«, »Weltwirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit, Reduktion sozialer Leistungen« und »Verschärfung des Konflikts zwischen Kapital und Arbeit.«12 Und schließlich für die Zeit nach 1945 sind folgende Themen erwähnenswert: »Gewerkschaften und Verbände. Kontroversen um die Sozial- und Wirtschaftspolitik, Soziale Marktwirtschaft und ›Wirtschaftswunder‹, alternative Konzeptionen. […] neuer Reichtum und neue soziale Unterschiede, […] Mitbestimmung und der Ausbau des Sozialstaats. […] Die ausländischen Arbeiter in der Bundesrepublik. […] Die Frage der sozialen Gerechtigkeit: Fortdauer und Wandel sozialer Ungleichheiten, Spannungen, Bewegungen und Veränderungserwartungen, hier besonders der Aufstieg, die Leistungen und die Probleme des Sozialstaats.«13 Dass die Umsetzung dieses detaillierten, hier nur für den Bereich der sozialen Demokratie aufgeführten Themenprogramms sehr ambitioniert wäre, ist durchaus gesehen worden, und dass es deshalb keine glaubwürdige Vorgehensweise sein könnte, »ein potemkinsches Museum auf Papier vorzustellen«, wie es in den Gedanken zur Umsetzung des Themenprogramms unter Ausstellungsstrukturen heißt. Zudem sei erst mit der Sammlungstätigkeit begonnen worden.14 Die Sozialgeschichte insgesamt besitzt in der Konzeption trotz der vielfältigen Bezüge zur Geschichte der sozialen Demokratie jedoch nur eine nachrangige Position. Dominant ist von vornherein die politische Geschichte. Eine heftige Auseinandersetzung entwickelte sich an anderer Stelle. Der Disput ging um Fragen der Darstellungstechnik und Ausstellungsästhetik, um Aura und Authentizität im Museum. Welchen Stellenwert sollten die historischen Originalobjekte, die Exponate bekommen? Besitzen Originalobjekte eine auratische Qualität, die einen authentischen Zugang zur Geschich-
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Ebd., S. 629f. Ebd., S. 631f. Ebd., S. 633f. Ebd., S. 635.
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te verbürgen?15 Während die einen für »Diskretion im Umgang mit Relikten der Vergangenheit« plädierten und auf die »Anmutungsqualität« der Relikte setzten, warben die anderen für eine Ausstellungsgestaltung, die den Relikten einen bedeutenden Platz zuweist, ohne damit aber die Möglichkeiten einer narrativen Ausstellung zu beschränken.16 Letztere befürworteten die Weiterentwicklungen der historischen Ausstellungen der 1970er Jahre, während von traditionalistischer Seite der Vorwurf der antiaufklärerischen »Überwältigung [des Publikums, W. J.] mit der Technik von Kaufhaus-Dekorateuren« erhoben wurde.17 Gottfried Korff setzte dagegen: »Die Geschichte des Museums ist auch die Geschichte der wechselnden Präsentationsformen. Wer Tricks verbietet und visuelle Erprobungen als Effekthascherei oder DisneyLand-Gags verurteilt, ist indifferent und unsensibel gegenüber den gestalterischen Problemen der Ausstellung und des Museums. Der Vorschlag, von ›Originalobjekten‹ und der ›Faszination des Authentischen‹ auszugehen, ist nicht die Lösung, sondern das Problem. Die Frage nach dem Wie der Ausstellung oder des Museums ist genauso wichtig wie die nach seinen Inhalten.«18
Eröffnung der Dauerausstellung 2006 Bis zur Eröffnung der Dauerausstellung ›Deutsche Geschichte in Bildern und Zeugnissen‹ sollten nahezu 20 Jahre vergehen. War 1987 noch ein Museumsneubau im Spreebogen gegenüber dem Reichstag mit 16.000 qm Ausstellungsfläche geplant, so machte die deutsche Einigung diese Planung obsolet. Das Museum für Deutsche Geschichte der DDR wurde vom Ministerrat der DDR Ende August 1990 geschlossen und schließlich mit dem Deutschen Historischen Museum vereinigt. Die umfängliche wertvolle Sammlung des Ost-
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Burmeister: Der schöne Schein, S. 99-108; Treinen: Prozesse der Bildwahrnehmung, S. 169, der darauf aufmerksam macht, dass ›Auratisierung‹ beim Betrachter immer eine Kenntnis des historischen Bezugs voraussetzt. Boockmann, Hartmut: Zwischen Lehrbuch und Panoptikum: Polemische Bemerkungen zu historischen Museen und Ausstellungen, in: Geschichte und Gesellschaft 11 (1985), S. 67-79, hier S. 70; Kocka: Die deutsche Geschichte soll ins Museum, S. 61. So Boockmann: Zwischen Lehrbuch, S. 77. Korff, Gottfried: Forum statt Museum oder: Das »demokratische Omnibus-Prinzip« der historischen Ausstellungen, in: Geschichte und Gesellschaft, 11 (1985), S. 244-251, hier S. 251.
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berliner Museums19 kam in den Besitz des neuen Hausherrn, der auch seinen Sitz im Zeughaus Unter den Linden nahm.20 1995 wurde im Obergeschoss des Zeughauses eine Vorausstellung zur Dauerausstellung realisiert, die dann einer umfänglichen Renovierung des Gebäudes weichen musste. Diese Vorausstellung wurde noch von dem seit 1987 amtierenden Gründungsdirektor des Deutschen Historischen Museums, Christoph Stölzl, einem promovierten Historiker und dem vormaligen Direktor des Münchener Stadtmuseums, verantwortet. 2006 schließlich wurde die Dauerausstellung unter der Leitung des seit 2000 amtierenden neuen Direktors Hans Ottomeyer, des vormaligen Direktors der Staatlichen Museen Kassel, eröffnet.21
Abb. 1: Das Deutsche Historische Museum in Berlin.
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Vorsteher, Dieter: Die Sammlungen des Deutschen Historischen Museums, in: Koschnik, Leonore (hg. für das DHM): Prestel Museumsführer. Deutsches Historisches Museum. Deutsche Geschichte in Bildern und Zeugnissen, 3. überarb. Auflage, München u.a. 2017, S. 12-18 Brait: Im Kampf, S. 35. Czech, Hans-Jörg: Deutsche Geschichte in Bildern und Zeugnissen. Ziele und Strukturen der ständigen Ausstellung, in: Ottomeyer, Hans/Czech, Hans-Jörg (Hgg.): Deutsche Geschichte in Bildern und Zeugnissen, 3. Auflage, Gütersloh 2015, S. 11-19, hier S. 11f.
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Zur Dauerausstellung ist 2015 von Hans Ottomeyers Nachfolger Alexander Koch, er war zuvor Direktor der Historischen Museen der Pfalz in Speyer, der Katalog zur Ausstellung in der dritten Auflage veröffentlicht worden. Ottomeyer verkündete im 2009 verfassten Vorwort zum voluminösen Katalog der Dauerausstellung, dass über 8.000 historische Exponate in die Ausstellung eingegangen seien, die auf einer Ausstellungsfläche von 8.000 qm präsentiert wurden. Nicht eine zusammenhängende Erzählung sei das Ziel der Ausstellung, »sondern die zeitversetzte Interpretation durch materielle Zeugnisse, die durch ihre explizite und implizite Sprache Geschichte darstellen.«22 Um aus der Fülle der historischen Zeugnisse eine sinnvolle Auswahl zu treffen, wurde einer Beschränkung auf die Politikgeschichte das Wort geredet, die sich auf die Geschichte von Herrschaft beschränken müsste. Das hatte für den in der Ausstellungskonzeption noch vorgesehenen sozialgeschichtlichen Zugriff weitreichende Konsequenzen: »Die Geschichte der Namenlosen, der Unterschichten und der wechselnden Klassen entzieht sich aufgrund der schlechten Überlieferungslage der kontinuierlichen Darstellung im Medium einer Ausstellung durch das Fehlen authentischer historischer Zeugnisse«, so Ottomeyer.23 Der Direktor des Deutschen Historischen Museums offenbarte damit ein Verständnis von Musealisierung, das nur befremden kann. Natürlich gibt es zahlreiche Zeugnisse aus der Geschichte der Unterschichten, die aber nicht aus den Schatztruhen der Herrschenden hervorgeholt werden können.
Die besondere Museumsästhetik In seinen einleitenden Bemerkungen zum Katalog unterstrich der Ausstellungskoordinator Hans-Jörg Czech die herausragende Bedeutung der historischen Originalobjekte, die »Basis und Ausgangspunkt für alle Darstellungen der Ständigen Ausstellung« waren.24 Wenngleich aus der Konzeption von 1987 eine derartige Darstellungstechnik und Museumsästhetik nicht herauszulesen ist, mussten die Macher der Ausstellung damit umgehen, dass die Aus22 23 24
Ottomeyer: Vorwort, in: Katalog DHM, S. 7-9, hier S. 8. Ebd. Czech: Deutsche Geschichte in Bildern und Zeugnissen, S. 16; ders.: Von der Konzeption zur Realisation: Der Publikumsmagnet Ständige Ausstellung des Deutschen Historischen Museums, in: GWU, 58 (2007), S. 564-577, hier S. 571: »Veranschaulichung von Geschichte über Objekte als historische Zeugnisse«.
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stellungsfläche sich gegenüber den ursprünglich angesetzten 16.000 qm mehr als halbiert hatte. Die geplanten separaten, epochenübergreifenden Themenräume mussten entfallen, was die strikte Chronologie der Ausstellung noch mehr betonte. Jürgen Kocka, der selbst zur Historikerkommission für das Deutsche Historische Museum gehört hatte, wollte 2006 seine Enttäuschung nicht verbergen, als er die Dauerausstellung einen »chronologischen Bandwurm« nannte.25 Auch wenn er die Verringerung der Ausstellungsfläche als gravierendes Problem konzedierte, kritisierte er in aller Offenheit die Beschränkung auf die politische Geschichte, das Verschwinden der Leitfragen und die Dominanz einer konservativen Museumsästhetik: Wer »von historischen Ausstellungen auch Orientierung erwartet […], wird dagegen angesichts dieses Programms seine Enttäuschung nicht ganz verbergen und einen Rückfall hinter den Stand der Ausstellungskunst diagnostizieren, wie sie beispielweise in der PreußenAusstellung von 1981 schon einmal erreicht war.«26 Die Verantwortung für dieses zumindest teilweise enttäuschende Ergebnis sah Kocka »eindeutig in der Hand des DHM-Leitungs- und Ausführungsstabes«27 , dem er aber auch bescheinigte, dass die Ausstellung »offen und ausführlich auf die Geschichte der Katastrophen des 20. Jahrhunderts« eingeht und »keinen Zweifel an der erheblichen deutschen Verantwortung für diese Katastrophen« lässt.28 Die Sorgen aus den 1980er Jahren, dass das Deutsche Historische Museum im Dienste einer konservativen Tendenzwende ein Stück geschichtspolitische »Schadensabwicklung« betreiben würde, hatte sich mit Blick auf die Geschichte des Dritten Reiches nicht bestätigt. Dies hinderte den Kulturhistoriker Peter Reichel aber nicht, von einem »geschichtspolitischen Desaster« zu sprechen und insbesondere die Darstellung der NS-Geschichte wegen ihrer mangelnden Problemorientierung zu kritisieren und die Ausstellung insgesamt eines »deutungslose[n] Positivismus« zu zeihen.29
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Kocka, Jürgen: Ein chronologischer Bandwurm. Die Dauerausstellung des Deutschen Historischen Museums, in: Geschichte und Gesellschaft 32 (2006), S. 398-411. Ebd., S. 408. Ebd., S. 405; anders Czech: Von der Konzeption zur Realisation, S. 567, der schreibt, dass die Mitglieder der Sachverständigenkommission im Verlauf der gesamten Realisierung der Ausstellung beteiligt waren. Kocka: Ein chronologischer Bandwurm, S. 400. Reichel, Peter: Geschichtspolitisches Desaster. Die Dauerausstellung des Deutschen Historischen Museums, in: Tribüne. Zeitschrift zum Verständnis des Judentums, 45 (2006), S. 95-105, hier S. 102-105.
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Auch aus der fachdidaktischen Perspektive ist die Berliner Ausstellung deutlich kritisiert worden. Sie suggeriere eine »Wirkmacht der Geschichte«, die historisches Denken, eine »produktiv-kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit« nicht befördere.30 Vor dem Hintergrund der geschilderten Entstehung der Dauerausstellung im Deutschen Historischen Museum wird es nicht verwundern, wenn der Blick auf die Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie in der Ausstellungspräsentation nur bescheidene Ergebnisse zeitigt. Schon eine Auswertung des Ausstellungskataloges gibt erste Aufschlüsse.
Die Ausstellung im Katalog Der über 380 Seiten starke Katalog bietet keine Erzählung der deutschen Geschichte, sondern lediglich eine Zusammenstellung von 500 abgebildeten Objekten, die Teil der 8000 Objekte in der Ausstellung sind. Die Objekte sind entsprechend der chronologisch angelegten Ausstellungssequenzen gegliedert und mit kurzen Einleitungstexten versehen. Den meisten Raum nehmen die Objekte und ihre ausführlichen Beschreibungen ein. Die soziale Lage der Arbeiterschaft im 19. und 20. Jahrhundert wird nur an wenigen Stellen gestreift. Für die Industrialisierung wird das Beispiel der schlesischen Weber anhand eines zeitgenössischen Ölbildes präsentiert, das die Missstände in der Leinenweberei zeigen soll, eine Szene, in der die Weber ihr Tuch an den Zwischenhändler zu verkaufen versuchen. Die im Rahmentext genannte »große Not« der »neuen Arbeiterklasse« ist dem Bild nur schwerlich zu entnehmen.31 Für die Wilhelminische Zeit wird das »Leben in der Mietskaserne« thematisiert. Das Foto aus dem Hinterhof einer Berliner Mietskaserne von 1910 und das kleinformatige Modell einer Berliner Mietskaserne, das die Verhältnisse im Prenzlauer Berg um 1880 abbilden soll, sowie »Ess- und Kochgeschirr, Waschutensilien und Haushaltsgegenstände aus einfachen Verhältnis-
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Danker, Uwe/Schwabe, Astrid: Orientierung in der Geschichte der Deutschen? Die Dauerausstellung des Deutschen Historischen Museums, in: GWU, 58. Jg. (2007), S. 591606, hier S. 606; ebenso Köhr, Katja/Pohl, Karl Heinrich: Affirmation statt Kritik? Das Deutsche Historische Museum in Berlin und seine Ständige Ausstellung, in: GWU, 58 Jg. (2007), S. 578-590. DHM Katalog, S. 152.
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Abb. 2: Die Schlesischen Weber v. Carl Wilhelm Hübner, 1846.
sen« um die Jahrhundertwende können einen Eindruck von der miserablen Wohnsituation vermitteln.32 Für die Zwischenkriegszeit werden Hunger und Armut in Folge des Ersten Weltkrieges thematisiert. Eine Grafik von George Grosz zur Unterstützung der Internationalen Arbeiterhilfe – ohne Erläuterungen zu dieser Organisation – und ein Foto »Hungernde Kinder an den Feldküchen der Regierungstruppen« in Berlin-Lichtenberg um 1919 illustrieren »den Alltag vieler Deutscher«. Ein nationalistisches Plakat gegen den Versailler Friedenvertrag ist unkritisch beigefügt und mit folgender Erläuterung versehen: »Die meisten Deutschen machten den Versailler Vertrag und die Reparationsforderungen der Entente für die wirtschaftliche und soziale Krise verantwortlich,«33 eine
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Ebd., S. 190f. Ebd., S. 220f.
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Abb. 3: Ess- und Kochgeschirr, Waschutensilien und Haushaltsgegenstände aus einfachen Verhältnissen, Deutschland 1890 /1910.
Pauschalaussage, die auch auf dem Hintergrund neuerer wissenschaftlicher Forschungen dringend einer Einordnung bedarf.34 Die soziale Lage der Arbeiterschaft taucht erst wieder für die Nachkriegszeit unter dem Rubrum »Leben im Wirtschaftswunder« auf. Umrahmt vom VW-Käfer, dem Quellekatalog und der »Rekonstruktion einer modernen Wohnzimmereinrichtung« erfährt der Leser, wofür die »Bundesbürger« ihr Geld ausgaben. Der Begleittext erläutert: »Sinkende Arbeitslosigkeit und steigendes Lohnniveau führten zu wachsender Kaufkraft. Das Konzept der sozialen Marktwirtschaft zielte auf den sozialen Ausgleich zwischen den Arbeitern und Arbeitgebern. Dazu dienten sozialpolitische Maßnahmen wie Fürsorgeleistungen, Renten- und Lastenausgleichszahlungen oder
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Leonhard, Jörn: Der überforderte Frieden. Versailles und die Welt 1918-1923, München 2018.
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Wohngeldzuschüsse. Der wachsende Wohlstand wurde zu einem Grundkonsens und erfasste zunehmend alle gesellschaftlichen Schichten.«35 Es wird suggeriert, dass der soziale Ausgleich zu einer gleichmäßigen Einkommensverteilung geführt habe und der wachsende Wohlstand soziale Ungleichheit gleichsam beseitigen würde. Weitere Informationen sind dem Katalog zur sozialen Lage der Arbeiterschaft nicht zu entnehmen. Hinsichtlich der Arbeitsbedingungen der Arbeiterschaft finden sich nur das Ölgemälde zweier erschöpfter Bauarbeiter von 1912 und eine Werbebildtafel der AEG von 1930 über »Neuzeitliche Bandfertigung von AEG-Rundfunkgeräten«.36 Beim Themenkreis der kollektiven Interessenvertretung ist eine sehr große Zurückhaltung festzustellen. Die Gewerkschaftsbewegung als eigenständiger Teil der Arbeiterbewegung wird im ganzen Katalog nur drei Mal erwähnt: der ADGB als Teil der Eisernen Front in der Weimarer Zeit, die Zerschlagung der Gewerkschaften 1933 und der Neubeginn 1945 mit »weltanschaulich neutralen Gewerkschaften«.37 Kein Thema sind die bis in die bundesdeutsche Zeit wirkende sozialstaatliche Begründung der Weimarer Republik mit dem Stinnes-Legien-Abkommen und der Einführung des Flächentarifvertrages, die Beteiligung der Gewerkschaften im Widerstand gegen die NS-Diktatur38 und die gewerkschaftlichen Beiträge zur weiteren sozialstaatlichen Ausgestaltung der Bundesrepublik. Die betriebliche Mitbestimmung mit ihrer im Grundsatz bis heute gültigen Fixierung im Betriebsrätegesetz von 1920 ist kein Thema. Nur am Rande taucht das Wort Betriebsrat auf, im Zusammenhang mit der Abschaffung der Betriebsräte in der SBZ nach den Bitterfelder Beschlüssen des FDGB von 1948. Das ist alles.39 Soziale Konflikte im Kaiserreich werden im Zusammenhang mit einem kurzen Anriss der Geschichte der Sozialdemokratie aufgegriffen. Wie ein Panier steht am Anfang ein großformatiges Transparent der Sozialdemokratie aus Berlin von einer Demonstration zum zehnten Jahrestag des Sozialistengesetzes 1888: »Rache unseren Gemaßregelten und Verfolgten 1878-88. Hoch lebe die Social-Demokratie«. Und als Abbilder leibhaftiger Sozialisten folgen 35 36 37 38 39
Ebd., S. 366f. Ebd., S. 190 und 231. Ebd., S. 234, 238, 324. Ebd., S. 294-297. Es ist sicher nicht vermessen, wenn man hier erwarten würde, dass ein Wilhelm Leuschner Erwähnung findet. Ebd., S. 330.
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dann die Ölgemälde von Robert Köhler ›Der Sozialist‹ von 1885 und von Ludwig Knaus ›Der Unzufriedene‹ von 1877. Köhlers Sozialist mit erhobener Faust und hochrotem Kopf und Knaus’ Unzufriedener, der grübelnd im Wirtshaus sein Bier trinkt, vermitteln das Bild einer zu allem entschlossenen blutrünstigen Bewegung, die das Kaiserreich aus den Angeln heben will.40 Im Kontrast dazu steht das berühmte Gemälde ›Der Streik‹ (1886) von Köhler, das in romantisierender Form eine Streikszene abbildet. In diesem Bild können viele Dimensionen eines Arbeitskampfes entschlüsselt werden. Es eignet sich vorzüglich für eine gründliche Analyse, die vielen Teilgeschichten des Bildes zu erfassen. Allerdings wird man bezweifeln dürfen, ob es der Streikrealität im Kaiserreich mit dem schnellen Einsatz staatlicher Gewalt, den Zuchthausstrafen für Streikende und ihre Sympathisant_innen und den Arbeitsverboten durch schwarze Listen gerecht werden kann.41 Der Begleittext gibt keine weiteren Informationen als die lapidare Feststellung, dass »der Streik das stärkste Mittel im Arbeitskampf« war.42 Beispiele bedeutender Streiks sucht man im Ausstellungskatalog vergeblich. Selbst der Generalstreik gegen den Kapp-Lüttwitz-Putsch 1920 findet keine Erwähnung.43 Die Herausbildung des deutschen Sozialversicherungssystems wird überhaupt nicht thematisiert. Auch im Kontext des Bismarckschen Sozialistengesetzes finden weder die Gründung der gesetzlichen Sozialversicherung, geschweige denn ihr Ausbau in der Weimarer Zeit und in der Bundesrepublik Erwähnung.44 Dass jedoch das wirkmächtige Narrativ von Zuckerbrot und Peitsche nicht völlig ignoriert werden konnte, zeigt die überarbeitete Formulierung im Prestel Museumsführer, die davon spricht, dass »Bismarck die Arbeiter mit einer fortschrittlichen Sozialgesetzgebung an den Staat binden« 40 41 42
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Ebd., S. 178 und 180. Ebd., S. 181. Die auszugsweise beschriebene Sequenz 4.15.12 zur Geschichte der Arbeiterbewegung war vom 13. September 2018 bis zum 03. Februar 2019 einer Intervention in der Dauerausstellung gewichen, die sich unter dem Titel »Rückansicht« mit der Objektgeschichte des Gemäldes »Borussia« von Adolph Menzel beschäftigte. Diese angesichts der Diskussion über NS-Raubkunst überaus begrüßenswerte und gelungene temporäre Kleinausstellung ging allerdings zu Lasten der Darstellung der Geschichte der Arbeiterbewegung im 19. Jahrhundert, die auf der Tafel zur Sequenz in der Ausstellung weiter angekündigt wurde, aber zeitweilig komplett verschwunden war. Vgl. www.dhm.de/rueckansicht (Zugriff 22.10.2018). Ebd., S. 222. Ebd., S. 176-179.
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Abb. 4: Sozialdemokratisches Transparent, Berlin 1888.
wollte.45 Und was der »neue Kurs« war, der »zu Fortschritten in der Sozial45
Koschnik, Leonore (hg. für das DHM): Prestel Museumsführer. Deutsches Historisches Museum. Deutsche Geschichte in Bildern und Zeugnissen, 3. überarbeitete Auflage, München u.a. 2017, S. 108.
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Abb. 5: Der Sozialist v. Robert Köhler, 1885
politik führte«, müssen die Leser_innen eben wissen. Er erscheint wie eine Laune des jungen sprunghaften Wilhelm II.46 Das Bildungswesen als sozialer Platzanweiser und die Integration von Zuwanderern sind keine Themen im Katalog, und schließlich die Frauenbewegung und Gleichstellung sind nur Themen am äußersten Rande. Für die Zeit der DDR heißt es lapidar: »Frauen stehen ihren Mann«47 und für die Bundesrepublik in den 1960er Jahren: »Frauenpower«.48 46 47 48
DHM Katalog, S. 182. Ebd., S. 356. Ebd., S. 376f.
6 Das Deutsche Historische Museum in Berlin
Abb. 6: Der Unzufriedene v. Ludwig Knaus, 1877.
Der Katalog lässt zum Thema der Erinnerungskulturen sozialer Demokratie in der Ausstellung selbst nicht viel erwarten. Ein Grund mag darin liegen, dass das museale Konzept mit seinem Fokus auf authentische Originalobjekte viele inhaltliche Möglichkeiten vergibt, aber es drängt sich auch der Eindruck auf, dass die Themen der sozialen Demokratie inhaltlich als weniger bedeutsam erachtet und sie deshalb vernachlässigt werden.
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Abb. 7: Der Streik v. Robert Köhler, 1886.
Dauerausstellung und museumspädagogische Begleitmaterialien Das Deutsche Historische Museum hat eine große Zahl von museumspädagogischen Begleitmaterialien zu seinen Ausstellungen herausgegeben, die eine weitere Annäherung an die Dauerausstellung ermöglichen. Hier sollen nur vier Hefte kursorisch behandelt werden. Im ersten Heft geht es um »Die Kleinen Leute – Spuren in der deutschen Geschichte«. Im Vorwort thematisiert Hans Ottomeyer in dankenswerter Offenheit das Problem: »Oft fragen die Besucher der Ausstellung: Wo sind die Millionen von Menschen, die verschwunden sind, ohne ihre Namen und irgendeine Spur zu hinterlassen? Wo sind die Zeugnisse ihres Lebens in der Ausstellung zur deutschen Geschichte im Zeughaus zu finden? Gab es denn nur die Machthaber und Politiker?« Seine Antwort gipfelt in dem Wort, dass man die Artefakte »gegen den Strich lesen« müsse und dass mit diesem museumspädagogischen Begleitmaterial dem falschen Eindruck, der in den Fragen deutlich würde, entgegengewirkt werden solle.49 49
Deutsches Historisches Museum (Hgg.): Begleitmaterial zur ständigen Ausstellung: Die Kleinen Leute – Spuren in der deutschen Geschichte, Berlin 2011.
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Der erläuternde Text über 43 Seiten bietet viele Details einer Sozial- und Alltagsgeschichte der ›kleinen Leute‹ vom Mittelalter bis in die Gegenwart. Für die Zeit seit dem Beginn der Industrialisierung wird in einer dichten Folge die Entstehung der Arbeiterbewegung, die Entwicklung der staatlichen Sozialpolitik, der Beginn des Sozialstaates einschließlich der Weichenstellungen in der Weimarer Republik bis in die Zeit der Bundesrepublik und der DDR erzählt. Man vermisst die bedeutende Weichenstellung mit der Einführung der Montanmitbestimmung 1951 und eine Erzählung, die den Zuwachs der Arbeitnehmerrechte im Betrieb und Unternehmen sowie die Rolle der Gewerkschaften als Tarifpartei auf dem Arbeitsmarkt erwähnt. Der Fokus der Materialien liegt eindeutig auf der Geschichte des Systems der sozialen Sicherung und nicht der Regulierung des gesamtgesellschaftlichen Verteilungskonfliktes. Trotz allem liefert dieses Heft wichtige Zusatzinformationen, die die Ausstellung nicht bietet und die sich auch »gegen den Strich« eben nicht aus den Originalobjekten herauslesen lassen. Drei weitere Begleitmaterialien liegen zu den Epochen 1789 bis 1918, 1918 bis 1945 und 1945 bis 1990 vor. Im ersten der drei Hefte gibt es nur an zwei Stellen eine Annäherung an die Themen der sozialen Demokratie: »August Borsig und Alfred Krupp. Pioniere der deutschen Schwerindustrie« und »Streik und Arbeiterbewegung im 19. Jahrhundert«.50 Man erfährt Einiges über die Verhältnisse im industriellen Großbetrieb und rund um das Streikbild von Robert Köhler werden wertvolle übergreifende Informationen zum Streik im Kaiserreich gegeben. Die Arbeiterbewegung als eigenständige soziale Bewegung ist hingegen kein Thema. Auch das Heft zur Weimarer Republik und NS-Diktatur kann die Lücken nicht schließen. Zumindest aber erfährt man von der Einführung des AchtStunden-Tages, ohne den Zusammenhang mit den jahrzehntelangen Kämpfen um Arbeitszeitverkürzung und dem Stinnes-Legien-Abkommen aufzuzeigen.51 Und über den deutschen Widerstand kann man schreiben, ohne eine Gewerkschafterin oder einen Gewerkschafter zu erwähnen.52 Das Begleitheft zur Geschichte nach 1945 bietet zusätzliche Informationen zu den Themen ›Neue Heimat‹ und ›Geschlechterrollen‹. Die Geschichte
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Deutsches Historisches Museum (Hgg.): Begleitmaterial: Das lange 19. Jahrhundert 1789-1918, Berlin 2007, S. 28-31 und S. 41-49. Deutsches Historisches Museum (Hgg.): Begleitmaterial: Weimarer Republik und NSRegime 1918-1945, Berlin 2008, S. 24. Ebd., S. 30f.
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der Zuwanderung von Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, den Flüchtlingen aus der DDR und den Gast- und Vertragsarbeiter_innen in Ost und West wird knapp skizziert.53 Darüber hinaus wird die Situation der Frauen in Ost und West thematisiert sowie die Bemühungen für Gleichberechtigung und Gleichstellung.54 Damit enden die Bezüge zu den Themen der sozialen Demokratie für 45 Jahre deutsch-deutsche Nachkriegsgeschichte.
Begehung der Dauerausstellung Eine Begehung der Ausstellung hält nach dem Gesagten keine Überraschungen bereit. Es sollen nur einige wenige Details angesprochen werden. Etwas skurril wirkt die Platzierung einer eisernen Gedenkbüste auf Sockel von Tonio Bödiker direkt neben dem Sequenztext ›Die Sozialdemokratie‹ (5.5.2). Auf der beigefügten kleinen Tafel zur Büste erfährt der Besucher: »Als erster Präsident des Reichsversicherungsamtes war Bödiker am Ausbau der Unfallversicherung beteiligt. Bödiker führte Schutznormen und deren Überprüfung ein, wodurch die Zahl tödlicher Unfälle in Fabriken sank.« Dass Bödiker kein Sozialdemokrat war, sondern nach seiner bedeutenden Tätigkeit im Reichsversicherungsamt zum Vorstandsvorsitzenden der Siemens und Halske AG avancierte, muss der Besucher schon wissen, ebenso, dass das Reichsversicherungsamt als Aufsichtsbehörde der gerade ins Leben gerufenen Sozialversicherung fungierte. Wäre es an dieser Stelle nicht ein Leichtes gewesen, etwas zur Entstehung der deutschen Sozialversicherung in den 1880er Jahren zu schreiben? Für die Weimarer Zeit und die Entwicklung nach 1945 werden die Textinformationen dichter und einzelne Details der sozialen Demokratie etwas genauer ausgeleuchtet. Die politische Rolle der Gewerkschaften wird z.B. im Zusammenhang mit dem Volksentscheid zur Fürstenenteignung und dem Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold thematisiert. Zur Entwicklung der sozialen Marktwirtschaft im Westen werden die Auseinandersetzung um die Sozialisierung angesprochen und die sozialpolitischen Veränderungen in der Arbeitswelt – Montanmitbestimmung, Betriebsverfassungsgesetz, Kampf um
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Deutsches Historisches Museum (Hgg.): Begleitmaterial: Gemeinsame und geteilte deutsche Geschichte 1945-1990, Berlin 2015, S. 18f. Ebd., S. 24f.
6 Das Deutsche Historische Museum in Berlin
Abb. 8: Raumeindruck ›Die Sozialdemokratie‹ mit Gedenkbüste Tonio Bödiker.
Arbeitszeitverkürzung – in Texten und Plakaten aufgerufen und die Krise um den Belegschaftsabbau in der Steinkohle zusätzlich auf einem Monitor mit Filmen aus der Wochenschau und anderen Quellen unterlegt. Konturenlos bleiben die Texte zu »Bildung für alle« (9.6.11) in der DDR und »Bildung im Wandel« (9.9.1) in der BRD, wobei man in letzterem sicher einen Hinweis auf das BAföG hätte erwarten können.
Fazit Die Dauerausstellung im Deutschen Historischen Museum hat schon an anderen Stellen eine deutliche Kritik erfahren müssen.55 Mit Blick auf unseren Untersuchungsgegenstand, die Repräsentation von Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie, ist schlicht festzuhalten, dass sie in der Dauerausstellung nur in sehr beschränktem Maße zu finden sind. Die konservative Mu55
Pohl: Museumsführer, S. 33-56; Hertfelder: Meistererzählung, S. 139-178, hier S. 141-154.
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seumsästhetik, die vollständig auf die auratische, authentische Qualität von Originalobjekten setzt, verbaut viele Möglichkeiten, die Geschichte der sozialen Demokratie zu präsentieren. Museale Kontextualisierung und Inszenierung beschränken sich darauf, das Objekt ›ins rechte Licht‹ zu rücken und es können nur die Geschichten aufgerufen werden, für die (Kunst-)Objekte vorhanden sind. Dass damit die Geschichte der Unterschichten, ihrer Lebensund Arbeitsbedingungen, ihres Emanzipationskampfes, die Alltagsgeschichte insgesamt, keinen prominenten, wenn überhaupt einen Platz einnehmen kann, liegt auf der Hand. Allemal dienen Fahnen und vor allem zeitgenössische Ölgemälde als Objekte, die die Geschichte der politischen Arbeiterbewegung in einer unzusammenhängenden und romantisierenden Form erzählen. Die Dauerausstellung kann die ›Schaulust‹ der Besucher_innen befriedigen, sie ist ein ›Sehgenuss‹, aber sie ist nur im geringen Maße eine Einladung zur kritischen Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte, wie es in der Konzeption von 1987 gefordert wurde.56 Die hohe ästhetische Qualität der zahlreichen Originalobjekte lässt in großen Teilen der Ausstellung die deutsche Geschichte als etwas »Schönes« und »Großartiges« (Stölzl) erscheinen. Zudem dürfte der ›Sehgenuss‹ die Besucher_innen mehr überwältigen, denn zu kritischer Reflektion anregen.57 Den bereits formulierten Kriterien für ein gutes Museum wird die Dauerausstellung nicht gerecht. Die Form des Erinnerns für die Zeit der deutschen Geschichte bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts trägt antagonistische Züge. Dies zeigt sich sowohl bei der Darstellung der Rolle Deutschlands in Europa als auch der durchgängigen Elitenperspektive.
Auf dem Weg zu einer neuen Dauerausstellung Die neue Museumsleitung unter Raphael Gross ist gewillt, die Dauerausstellung grundlegend neu zu gestalten, was allein schon nach über 20 Jahren Laufzeit angesagt wäre. Der seit 2017 amtierende neue Museumsdirektor 56
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Schneider, Dieter: Konventionell und korrekt – Zur Eröffnung der Dauerausstellung des Deutschen Historischen Museums (DHM), in: Zeitschrift für Geschichtsdidaktik, Jg. 6 (2007), S. 232-242, hier S. 239-241. Hartung, Olaf: Dingwelten zwischen Ästhetik und Erkenntnis. Zur Dauerausstellung des Deutschen Historischen Museums, in: Zeitgeschichte online, https://zeitgeschichte-online.de/themen/dingwelten-zwischen-asthetik-und-erkenntnis (Zugriff 05.02.2019).
6 Das Deutsche Historische Museum in Berlin
kann auf eine beeindruckende geschichtswissenschaftliche Karriere zurückblicken und war neun Jahre Direktor des Jüdischen Museums in Frankfurt am Main. Der Diskussionsprozess im Hause hat begonnen, ein Fachbeirat zur Neukonzeption der Dauerausstellung ist eingerichtet. Schon 2015/16 ist noch von Alexander Koch eine große Evaluation der Dauerausstellung auf den Weg gebracht worden58 , deren schon vorliegende schriftlich abgefasste Ergebnisse jedoch leider nur für den internen Gebrauch zur Verfügung stehen. Aus einem vom Autor geführten Expertengespräch59 konnten aber einige wichtige Hinweise gewonnen werden. Die Besucher des DHM signalisieren eine hohe Zufriedenheit mit der Ausstellung, die ihnen einen Überblick der deutschen Geschichte vermittelt, wenngleich sie sich von der Größe der Ausstellung überfordert fühlen. Das Publikum zeichnet sich durch ein vergleichsweise hohes Bildungsniveau aus und bemerkenswerte etwa 50 Prozent der Besucher kommen aus dem Ausland. Besonders interessiert sich das Publikum für die deutsche Geschichte ab 1914. Als Schwächen der Ausstellung werden die fehlende Geschichte von unten und die unzureichende Repräsentanz der Frauengeschichte genannt. Die äußerst knappe Darstellung der Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie ist in den Besucherbefragungen kein Thema bzw. wird von den Befragten auch nicht zum Thema gemacht, so die Informationen aus dem geführten Expertengespräch. In rund fünf Jahren soll eine neue Dauerausstellung stehen, die für den Besucher in eineinhalb Stunden zu bewältigen ist, die diachrone Elemente umfasst und durch ein Narrativ zusammengehalten wird. Die Inhalte der Ausstellung sollen gegenwartsorientiert sein und sich in etwa um folgende thematische Blöcke – Demokratie, gesellschaftliche Partizipation, Migration, Gender, Gewalt, Postkolonialismus – gruppieren. Die Schätze aus der Sammlung des Museums mit rund einer Million Objekten sollen dafür gehoben, aber insgesamt weniger Objekte als derzeit ausgestellt werden. Es scheint, dass für die Neukonzeption die Inhalte an erster Stelle stehen werden und nicht wie bisher die Originale, die eine für ein breiteres Publikum verständliche Ausstellung zumindest schwierig machen. Die neue ansprechende Wechselausstellung zur Geschichte der Weimarer Republik »Weimar: Vom Wesen
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Stiftung Deutsches Historisches Museum (Hgg.): Tätigkeitsbericht 2015/16, Berlin 2017, S. 12f. Dafür danke ich Frau Elisabeth Breitkopf-Bruckschen, die u.a. die Besucherforschung im DHM leitet.
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und Wert der Demokratie« hat der Einführung der Arbeitslosenversicherung 1927 einen prominenten Platz gegeben. Das gleichzeitig mit der Wechselausstellung eröffnete innovative »Demokratie-Labor« dagegen verzichtet leider darauf, das Thema von Demokratie in der Wirtschaft aufzurufen.60
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Deutsches Historisches Museum (Hgg.): Faszination Geschichte. Bildungsangebote zur Dauerausstellung, zu den Sonderausstellungen und zum Demokratie-Labor 20182019, Berlin 2018, S. 2.
7 Das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn – die halbe Demokratie als Meistererzählung?
Noch vor dem Deutschen Historischen Museum in Berlin war das Haus der Geschichte in Bonn schon 1986 durch Erlass als Stiftung gegründet worden und die Dauerausstellung zur deutschen Geschichte nach 1945 konnte 1994 im neu errichteten Museumsgebäude eröffnet werden. Der Geschichtspolitiker Helmut Kohl1 hatte in seiner ersten Regierungserklärung am 13. Oktober 1982, wenige Tage nach dem konstruktiven Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt, als neuer Bundeskanzler die Initiative für die Schaffung eines Museums zur deutschen Nachkriegsgeschichte in Bonn ergriffen: »Unsere Republik, die Bundesrepublik Deutschland, entstand im Schatten der Katastrophe. Sie hat inzwischen ihre eigene Geschichte. Wir wollen darauf hinwirken, dass möglichst bald in der Bundeshauptstadt Bonn eine Sammlung zur deutschen Geschichte seit 1945 entsteht, gewidmet der Geschichte unseres Staates und der geteilten Nation.«2
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Hütter: Erinnerung als Programm, S. 104. Zit. n. Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (Hgg.): Einstellungen. Kritik. Kontroversen. Konsens, Bonn 1991; S. 2. Es handelt sich um eine sehr hilfreiche 35seitige Zusammenstellung, die die wichtigsten Schlaglichter aus den 1980er Jahren dokumentiert. Im Folgenden zitiert als HdG: Einstellungen.
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Abb. 9: Das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn.
Geschichtspolitische Wende? Wenngleich es derartige Pläne und ein erstes Expertengespräch zu diesem Thema im Bundesinnenministerium schon 1979 gegeben hatte,3 die Sorge war durchaus berechtigt, dass die politische Wende in Bonn ihre Fortsetzung in der staatlichen Geschichtspolitik finden sollte. Was bedeuteten die »eigene Geschichte« der Bundesrepublik und ihr Verhältnis zu den »Schatten der Katastrophe«? Ein Übriges tat die schnelle, im Frühjahr 1983 erfolgte Berufung einer vierköpfigen Gutachterkommission zur Erarbeitung einer wissenschaftlichen Konzeption für das Museum, deren unausgewogene Zusammensetzung heftig kritisiert wurde.4 Hans Mommsen bemängelte die richtungspolitische und geschichtswissenschaftlich konservative Dominanz in der Gut3
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Möller, Horst: Das »Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland« in Bonn, in: Jahrbuch der historischen Forschung in der Bundesrepublik Deutschland 1985, München u.a. 1986, S. 57-61, hier S. 57. Kocka: Die deutsche Geschichte soll ins Museum, S. 62.
7 Das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn
achtergruppe, deren Zusammensetzung trotz Interventionen bis zur Verabschiedung der Konzeption nicht verändert wurde.5 Die vierköpfige Gutachterkommission mit Lothar Gall an der Spitze legte schon im Herbst 1983 eine inhaltliche Konzeption vor, die an über 100 Institutionen und Einzelpersonen mit der Bitte um Stellungnahme übersandt wurde.6 Mitglieder des Gremiums waren neben Lothar Gall, die ausgewiesen konservativen Historiker Klaus Hildebrand und Horst Möller sowie Ulrich Löber, der Direktor des Landesmuseums Koblenz. Die SPD-Bundestagsfraktion veranstaltete am 9. Mai 1984 eigens eine öffentliche Anhörung zu den Plänen für das Haus der Geschichte. Über 80 Teilnehmer, unter ihnen die Kommissionsmitglieder Lothar Gall, Klaus Hildebrand und Ulrich Löber, diskutierten nach einer Begrüßung durch den Fraktionsvorsitzenden Hans-Jochen Vogel miteinander, und in die Dokumentation der Anhörung wurden noch 16 schriftliche Stellungnahmen aufgenommen. Die von Freimut Duve herausgegebene Dokumentation steht unter dem Geleitwort »Soll es dem Volke dienlich sein, muss das Volk in ihm vorkommen.«7 Dieses Wort stammt aus dem Beitrag von Ulrich Borsdorf, dem späteren Gründungsdirektor des Ruhr Museums in Essen, der als DGB-Vertreter sprach. Seine Stellungnahme soll hier kurz skizziert werden, weil sie in sehr prägnanter Form die gewerkschaftlichen Bedenken gegenüber den ursprünglichen Plänen für das Haus der Geschichte in Bonn zum Ausdruck bringt.8 Er kritisierte eingangs, dass die Gewerkschaften, als Großorganisation mit Millionen von Mitgliedern, so gut wie nicht im Konzept vorkämen, konzentrierte sich im Folgenden dann auf Mängel hinsichtlich der Demokratisierung, der Professionalisierung, der Pluralisierung und der Konkretisierung des Konzeptes. Die Entscheidungen zum Konzept und zu den zukünftigen Arbeits- und Leitungsgremien des Museums gehörten derart demokratisiert, dass auch die neueren Entwicklungen der Geschichtswissenschaft – Sozialgeschichte, Alltagsgeschichte – Berücksichtigung fänden, damit die Lebenswelten der 5 6 7
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Mommsen, Hans: Verordnete Geschichtsbilder. Historische Museumspläne der Bundesregierung, in: Gewerkschaftliche Monatshefte, 1,(1986), S. 13-24, hier S. 15. Der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Hg.): Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Planung, Bonn-Bad Godesberg 1989, S. 7. Duve, Freimut (Hg.): Materialien der Arbeitsgruppe ›Kunst und Kultur‹ der SPDBundestagsfraktion: Protokoll vom 9. Mai 1984. Anhörung der SPD-Bundestagsfraktion zum Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1984. Ebd., S. 97-103.
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Bevölkerung bei den Inhalten zur Geltung kämen. Hinsichtlich der Professionalisierung plädierte Borsdorf für die Einbeziehung von Museumsfachleuten, »um eine ›Inszenierung‹ von Geschichte zu erreichen, die die Sinne anspricht und trotzdem ihr Ziel, Aufklärung, nicht verfehlt«. Dem Konzept mangele es ferner an Pluralisierung, die nur durch eine Anerkennung des sozialen Konflikts »als Grundtendenz, […] als Motor gesellschaftlicher Entwicklung« gewährleistet werden könne. Dabei müssten Kontroversen und Alternativen thematisiert, das Gebot der Multiperspektivität erfüllt werden. Mit dem Stichwort Konkretisierung machte Borsdorf auf den Mangel aufmerksam, dass das Thema Arbeit im Konzept überhaupt nicht vorkomme. Sie gehöre in die Mitte des Konzeptes, da der soziale Prozess dem politischen Prozess vorangehe. Für die Periodisierung bedeute dies, dass sie stärker sozialgeschichtlich strukturiert sein müsse. Schließlich plädierte er dafür, dass die Vorgeschichte der Bundesrepublik mindestens bis zum Ende von Weimar zurückreichen und »die Leistung und Bedeutung von Widerstand und Emigration« würdigen müsse. Wie sich später zeigen sollte, wurden diese Anforderungen weitgehend nicht verwirklicht.
Die knappe Konzeption Die endgültige, schon im Juli 1984 vorgelegte überarbeitete Konzeption wurde Grundlage für den Aufbau des Hauses der Geschichte in Bonn. Verantwortlich zeichneten dieselben 1983 berufenen vier Kommissionsmitglieder.9 Als Kernziel des geplanten Hauses der Geschichte wurde definiert, das »historische Selbstverständnis [der Deutschen, W. J.] einerseits zu befestigen, es andererseits in dem Rahmen der nationalen und internationalen Bezüge und Bindungen zu verankern«, was mehr in Richtung Identitätssicherung als in Richtung Stärkung historischer Urteilskraft weist. Dass es in Bonn explizit um politische Bildung gehen sollte, wird im Gutachten an vielen Stellen deutlich. Vergangene Politik und Lebenswelt sollten in der Ausstellung zum Ausdruck kommen, indem der politischen Geschichte, der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, der Geistes- und Mentalitätsgeschichte »und nicht zuletzt
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Bundesministerium des Innern (Hgg.): Überlegungen und Vorschläge zur Errichtung eines »Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland« in Bonn. Gutachten erstellt v. Lothar Gall, Klaus Hildebrand, Ulrich Löber, Horst Möller, Bonn Juli 1984 (Sonderdruck); im Folgenden zitiert als Gutachten HdG.
7 Das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn
der Geschichte der sogenannten materiellen Kultur, der Entwicklung der alltäglichen Lebensformen und Lebensbedingungen« – gemeint war Alltagsgeschichte – besondere Bedeutung zukomme. Trotz dieses multidisziplinären Ansatzes sollte die politische Geschichte im engeren Sinne »Orientierungsund Leitsektor« sein. Der Aufbau sollte chronologisch erfolgen, aber Schwerpunkträume mit Vertiefungen von Inhalten waren vorsehen.10 Welchen Platz haben Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie in der Konzeption? Hinsichtlich des Wandels der Lebensbedingungen ist erst für die Zeit 1963 bis 1969 eine eigenständige Befassung vorgesehen: »Revolution der materiellen Lebensbedingungen«.11 Es geht um die prägenden Veränderungen in der technischen Ausstattung der Wohnungen (Küchengeräte, Fernseher), in der sich wandelnden Familienstruktur und in den Wohnverhältnissen sowie um den nicht näher bezeichneten Wandel der Arbeit. Mit Bezug auf die Situation nach Kriegsende wird empfohlen, die »wirtschaftliche Situation«, neben anderen die »Versorgungsprobleme«, zum Thema zu machen,12 sowie die Entwicklung des Arbeitsmarktes in der frühen Bundesrepublik.13 Insgesamt »sollte die Zunahme eines in diesem Ausmaß bis dahin unbekannten materiellen Wohlstandes illustriert werden.«14 Für die »Probleme der siebziger Jahre« werden noch die Themen strukturelle Arbeitslosigkeit und Strukturprobleme spezieller Branchen aufgerufen.15 Weitere Bezugspunkte zum Wandel der Lebens- und Arbeitsbedingungen sucht man vergeblich. Das in diesem Zusammenhang sicher wichtige Thema der sozialen Ungleichheit wird nicht angesprochen. Soziale Konflikte und kollektive Interessenvertretung werden an verschiedenen Stellen thematisiert. In den »Wirtschafts- und sozialpolitischen Grundsatzentscheidungen« (1945-1949) sollen die heftigen Kontroversen um die Durchsetzung der sozialen Marktwirtschaft, die Bildung der Einheitsgewerkschaft und die »Bedeutung der Tarifpartnerschaft« zum Thema gemacht werden.16 Und beim Rubrum »Innenpolitische Fundamentalgesetzgebung« geht es um das Lastenausgleichsgesetz und die Montanmitbestimmung.17 In
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Gutachten HdG, S. 1-3. Ebd., S. 20. Ebd., S. 6. Ebd., S. 11. Ebd., S. 19. Ebd., S. 24. Ebd., S. 6. Ebd., S. 10.
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der »Entwicklung des Sozialstaats« werden Themen wie staatliche Vorsorge und soziale Sicherung angesprochen.18 Dies ist im Gutachten zugleich auch der zentrale Bezug zur Frage der sozialen Sicherung. Dass die epochale Rentenreform von 1957 keine explizite Erwähnung findet, ist nur schwer nachvollziehbar. Für die Zeit der sozial-liberalen Koalition sollen die weiteren Rentenreformen angesprochen werden.19 Die Entwicklung des Bildungswesens und die Gleichstellung der Geschlechter werden nur punktuell knapp berührt, so dass man fast von einer Leerstelle sprechen muss. Die »Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen« ist ein Kapitel im Gutachten20 , die Zuwanderung ausländischer Arbeitsmigranten wird mit einem einzigen Wort – »Gastarbeiterzuzug« – angesprochen.21 Der Fokus im Gutachten auf politische Institutionen beschränkt in erheblicher Weise die Möglichkeiten zur Darstellung von Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie. Es wird aber immerhin kein Bogen um Gewerkschaften, Mitbestimmung und Tarifautonomie gemacht, jedoch bleibt unklar, welchen Platz sie in Wirtschaft und Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland einnehmen. Werte der sozialen Demokratie wie sozialer Ausgleich und Gleichstellung der Geschlechter sind so gut wie ohne Referenz im Gutachten.
Die Gremien für das Haus der Geschichte Für die Entwicklung der Bonner Dauerausstellung dürfte die mit dem Stiftungserlass von 1987 verbundene neue Einrichtung von Gremien von nicht unwesentlicher Bedeutung gewesen sein. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Schaffung eines 25-köpfigen wissenschaftlichen Beirats, in den das Kuratorium der Stiftung auch ausgewiesene Kritiker der Grundkonzeption berief. Nunmehr waren im Beirat auch hochrangige Repräsentanten der Sozialgeschichte wie Helga Grebing und Hans Mommsen vertreten. Hinzu kam die Schaffung eines 12-köpfigen ›Arbeitskreises gesellschaftspolitisch
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Ebd., S. 13. Die Diktion, in der dies geschieht, ist befremdlich: »Subvention als Normalfall, ausgiebige staatliche Vorsorge und soziale Sicherung, expandierendes Berechtigungswesen […] das korrumpierende Element von ›Wahlgeschenken‹«. Ebd., S. 21. Ebd., S. 9. Ebd., S. 20.
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relevanter Kräfte‹, in dem von den Kirchen über die Sozialpartner, Vertreter der Vertriebenen, der Frauen und Jugend bis hin zu Vertretern der Kommunalen Spitzenverbände entsandte Repräsentanten ihre Erwartungen an die Arbeit des Hauses einbringen konnten. Für die Gewerkschaften war der GEW-Vorsitzende Dieter Wunder entsandt worden und das DGBVorstandsmitglied Irmgard Blättel war mit einem Mandat des Deutschen Frauenrates in das Gremium eingezogen.22 Ohne die Rolle von Beratungsgremien überschätzen zu wollen, so war doch mit der Einrichtung des wissenschaftlichen und eines zivilgesellschaftlichen Beirates ein unübersehbares pluralistisches Signal gesetzt worden. Mit der Berufung von Hermann Schäfer, eines habilitierten Historikers aus Freiburg, zum Direktor der unselbstständigen Stiftung zum 1. Juli 1987 waren alle zentralen Funktionen der Stiftung besetzt.23 Schließlich und endlich wurde durch Beschluss des Deutschen Bundestages 1990, mit breiter Zustimmung aus den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP, das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland als eine selbstständige Stiftung des öffentlichen Rechts gegründet. Die Akteure und Gremien hatten damit einen dauerhaften verlässlichen Rahmen bekommen.24 1996, zwei Jahre nach der Eröffnung der Dauerausstellung, präsentierte das Haus der Geschichte einen knapp 300 Seiten starken Katalog: »Erlebnis Geschichte. Das Buch zur Ausstellung«. Der Katalog wurde mehrfach in überarbeiteter Form neu aufgelegt und schließlich 2012 in neuem Design und mit neuem Titel »Unsere Geschichte. Deutschland seit 1945« fortgeführt. Im Frühjahr 2019 ist unter demselben Titel eine Aktualisierung des Katalogs erschienen, jetzt mit einem Umfang von 376 Seiten. Die Bonner Kataloge zeichnen sich von Anfang an dadurch aus, dass sie reich bebildert eine zusammenhängende Geschichte Deutschlands seit 1945 erzählen und wie ein Geschichtsbuch gelesen werden können. Fotos aus der Ausstellung und einzelne Abbildungen von Originalobjekten machen Lust auf mehr. Die Ausstellung, so Hermann Schäfer 2009, sei nicht in erster Linie für »Museumsmenschen« gemacht, sondern »Alltagsmenschen« seien die Zielgruppe des Museums,25 und dieses Ziel spiegelt sich auch in der Gestaltung 22 23 24 25
Bundesminister für Raumordnung: Haus der Geschichte, S. 10f mit den Namen der Mitglieder beider Gremien 1989. Ebd., S. 8. HdG: Einstellungen, S. 29, Gesetzestext S. 30f. Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (Hgg.): Erlebnis Geschichte. Das Buch zur Ausstellung, 2. überarb. Auflage, Wemding 1998, S. 8.
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der Kataloge. Eine »konsequente Besucherorientierung« wurde durch Besucherbefragungen und Evaluationen auf den Weg gebracht, die mit der großen, leider unveröffentlichten Studie von Heiner Treinen, dem Nestor der soziologischen Museumsforschung, Mitte der 1990er Jahre einen Höhepunkt erreichte.26
Die aktuelle Dauerausstellung In seinem Vorwort zum 2019 aktualisierten Katalog27 hat der Historiker Hans Walter Hütter, der Direktor des Hauses der Geschichte, die Grundsätze der Bonner Musealisierung prägnant formuliert. Hinsichtlich der Museumsästhetik wird großer Wert auf die auratische Qualität der historischen Originalobjekte gelegt, die aber konsequent kontextualisiert werden, da sie alleine nicht ›sprechen‹ können. In diesem Sinne wird auch offen die Notwendigkeit der Konstruktion von Geschichte in historischen Ausstellungen anerkannt. Hütter plädiert für »möglichst objektive Darstellungsweisen, die auf der Höhe der historischen Forschung und der zeitgemäßen Museologie sind.«28 Die Ausstellung ist einer multiperspektivischen Darstellungsweise verpflichtet, da sie sich als »ein Mosaikstein in der pluralen Erinnerungslandschaft der Bundesrepublik Deutschland« versteht.29 Die Ausstellung, so Hütter »will einen Beitrag leisten zum Verständnis unserer Gesellschaft und zur individuellen Selbstvergewisserung.«30 Im Vorwort des Katalogs von 2012 hatte Hütter dies noch deutlich expliziter formuliert, indem er von einem »Beitrag zur Demokratieerziehung«31 sprach.
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Treinen, Heiner: Zur Wirksamkeit historischer Ausstellungen, in: Kolb, Susanne (Red.): Europäische Geschichtskultur im 21. Jahrhundert, Berlin 1999, S. 168-182. Zurzeit entsteht bei Prof. Dr. Peter Geiss, Bonn, mit Unterstützung des HdG eine Dissertation von Julia Schuppe zum Besucherverhalten im Haus der Geschichte. Eine erste Rezension des Katalogs von 2012: Jäger, Wolfgang: Inszenierte Nachkriegszeit, in: Magazin Mitbestimmung 1+2(2013), S. 68. Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (Hgg.): Unsere Geschichte. Deutschland seit 1945, Bielefeld/Berlin 2019, S. 8f; im Folgenden zitiert als Katalog 2019. Ebd., S. 10. Ebd., S. 13. Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (Hgg.): Unsere Geschichte. Deutschland seit 1945, Bielefeld/Berlin 2012, S. 13.
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Katalog und Ausstellung sind strikt chronologisch gegliedert und es ist eine starke Dominanz der politischen Geschichte zu konstatieren. Welchen Platz haben nun Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie? Die Lebens- und Arbeitsbedingungen der abhängig Beschäftigten und Arbeitslosen werden an vielen Stellen thematisiert. Für die ersten Nachkriegsjahre, Alltag und Wirtschaft 1945-1949, geht es um die weit verbreitete Not, die vermeintlich keine sozialen Unterschiede kannte. Erst in Schubläden zur Währungsreform von 1948 erfährt man, was der Umtausch für Sparguthaben und Sachwerte bedeutete. Der Katalog allerdings thematisiert dies an anderer Stelle ausschließlich aus der Sicht der Inhaber von Sparguthaben und nicht der Besitzer von sächlichem Kapitalvermögen.32 Aber dieser Hinweis ist der einzige Bezug zur Frage der sozialen Ungleichheit. Wir erfahren, dass das Bruttoinlandsprodukt sich in Westdeutschland von 1949 bis 1955 nominal um mehr als das dreieinhalbfache vermehrt hat, aber nichts über seine Verteilung33 , dass die Realeinkommen der Arbeitnehmer sich in den 1950er Jahren verdoppeln, aber nichts zur Entwicklung der Einkommen aus Kapitalvermögen.34 Die Lebensverhältnisse der Menschen werden in vielerlei Hinsicht – Wohnung, Konsum, Arbeit, Familie – geschildert, aber nie in der Dimension sozialer Ungleichheit thematisiert. Ungleichheit scheint ein regelrechtes Tabuthema zu sein. Hier wird der Mythos der nivellierten Mittelstandsgesellschaft (Helmut Schelsky) bedient.35 Die Veränderungen der Arbeitswelt und ihre Auswirkungen für die abhängig Beschäftigten werden durchgehend behandelt, wobei der Bergbaukrise seit 195936 und den Herausforderungen in der Stahl- und Druckindustrie in den 1970er und 1980er Jahren ein besonderes Interesse gilt.37 Beeindruckend ist die museale Darstellung der Bergbaukrise mit einer riesigen Seilscheibe, einer Kaue mit Arbeitskleidung, die von der Decke hängt, einer riesigen schwarzen Fahne vor dem Hintergrund einer modellierten Kohlewand mit vielen weiteren eingestreuten Dokumenten und Monitoren mit zeitgenössischen Filmmitschnitten. 32 33 34 35
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Katalog 2019, S. 55. Ebd., S. 116. Ebd., S. 156; dasselbe für die 1970er und 1980er Jahre, S. 239. Schelsky, Helmut: Die Bedeutung des Schichtungsbegriffs für die Analyse der gegenwärtigen deutschen Gesellschaft [1953], in: ders.: Auf der Suche nach der Wirklichkeit, Düsseldorf 1965, S. 331-336. Ebd., S. 178. Ebd., S. 235-237.
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Abb. 10: Raumeindruck Bergbaukrise Anfang/Mitte der 1960er Jahre
Eine besonders positive Erwähnung verdient beim Thema ›Arbeitslosigkeit in Deutschland‹ ein Terminal, in dem Zeitzeug_innen zu Wort kommen, die selbst von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Über die individuellen Biografien ›kleiner Leute‹ aus Ost und West werden die vielfältigen Gründe für Arbeitslosigkeit konkret nachvollziehbar und das Phänomen Massenarbeitslosigkeit bekommt ein erkennbares Gesicht.38 Aber Arbeit ist nicht das erste 38
Lillteicher, Jürgen: Lebensgeschichtliche Perspektiven. Biografische Ansätze und Zeitzeugenschaft in den großen Ausstellungshäusern des Bundes, in: Hertfelder, Thomas/Lappenküper, Ulrich/Lillteicher, Jürgen (Hgg.): Erinnern an Demokratie in
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Thema der Dauerausstellung, es wird in die breit dargestellte politische Geschichte eingestreut. Soziale Konflikte und kollektive Interessenvertretung haben ihren eigenen Platz in der Ausstellung. Die Geschichte der Gewerkschaften wird, beginnend mit der Gründung der Einheitsgewerkschaft, erzählt39 , ihre Rolle bei den Auseinandersetzungen um die Demontage wie um die Teuerungswelle zu Beginn der 1950er Jahre erwähnt.40 Auch die Entwicklung des FDGB in der SBZ wird angesprochen.41 Das System der industriellen Beziehungen wird in ›Wirtschaft in West und Ost‹ im Kontext ›Soziale Marktwirtschaft‹ entfaltet.
Mitbestimmung und Tarifautonomie in der Dauerausstellung Der Katalog erzählt die Geschichte von Tarifautonomie und Mitbestimmung42 , die in der Ausstellung an zwei Rondellen präsentiert wird. Zur Mitbestimmung erfährt der Besucher: »Die Mitbestimmungsgesetze von 1951/52 beteiligen die Beschäftigten an Entscheidungen der Unternehmen.« Gemeint sind das Montanmitbestimmungsgesetz von 1951 und das Betriebsverfassungsgesetz von 1952. Im Katalog ist zu lesen, dass das Betriebsverfassungsgesetz nur eine Drittelbeteilung der Arbeiternehmer in Aufsichtsräten von Kapitalgesellschaften vorsieht, eine Regelung, die jedoch mit dem Mitbestimmungsgesetz von 1976 für Kapitalgesellschaften mit mehr als 2000 Beschäftigten der paritätischen Mitbestimmung angenähert worden ist. Dies bleibt in der Ausstellung unerwähnt, denn die Rondelle zeigen den Stand der 1950er Jahre. Im zweiten Rondell geht es um Tarifautonomie und als Beispiel für »Erste Tarifauseinandersetzungen« um den Streik der IG Metall in Bayern 1954. Der Katalog geht auf den Bayernstreik nicht ein, vielleicht auch deshalb, weil es sich um einen untypischen Streik gehandelt hat. Er war nicht eine schlichte Lohnbewegung, wie es sie schon in den Jahren zuvor zahlreich gegeben hatte. Der von der IG Metall dilettantisch geführte Streik war ein innergewerkschaftlicher Prestigekampf, der schließlich die sozialpartnerschaftliche
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Deutschland. Demokratiegeschichte in Museen und Erinnerungsstätten der Bundesrepublik, Göttingen 2016, S. 265-298, hier S. 281f. Katalog 2019, S. 48. Ebd., S. 43 u. 55. Ebd., S. 62. Ebd., S. 120-122.
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Zusammenarbeit in Bayern vorerst zerrüttete, zur Maßregelung von gewerkschaftlichen Vertrauensleuten und sogar zur Entlassung von Betriebsräten führte, die sich rechtswidrig aktiv am Streik beteiligt hatten. Der sich über viele Wochen hinziehende Streik wäre beinahe mit einer vollständigen Niederlage der IG Metall geendet.43 Organisationspolitisch war dieser Streik für die IG Metall die schwerste Niederlage seit 1945.44 Die in den Glasvitrinen des Rondells ausgestellten Dokumente geben erfreulicherweise detailliert Auskunft. Jedoch stellt sich schon die Frage, ob anhand dieses Beispiels die Funktionsweise der Tarifautonomie dargestellt werden kann. Das Streikgeschehen in der Bundesrepublik – organisierte und wilde Streiks sowie Aussperrungen – ist so vielfältig gewesen, dass eine multiperspektivische Darstellung wünschenswert wäre. Es ist deshalb erfreulich, dass das Thema Streik auch an anderen Stellen der Ausstellung berührt wird, wie z.B. der Streik der Drucker von 1978, der in einem Tarifvertrag für den sozialverträglichen Umbau der Druckindustrie mündete.45 Die Beschränkung der Rondelle auf die 1950er Jahre kann den Themen Mitbestimmung und Tarifautonomie nicht gerecht werden. In direkter Nähe der Rondelle sind Plakate ausgestellt, die gleich die Arbeitgebersicht präsentieren: »Dein Betrieb braucht Dich – Du brauchst den Betrieb!« oder: »2-2=0. Kein Betrieb kann mehr ausgeben als er einnimmt!« oder: »Weniger Arbeit? Mehr Lohn? Wägt genau. Die rechte Hand muss wissen, was die linke tut«. Auf der Medienstation »Auseinandersetzung um die Soziale Marktwirtschaft« finden sich exakt jeweils vier Filme der Gewerkschaften und der Arbeitgeber, wobei es sich bei den letzteren um Werbefilme einer ominösen Werbeagentur namens »WAAGE e.V.« handelt. Ohne dem Ziel Multiperspektivität widersprechen zu wollen, diese Art der Präsentation wirkt ein wenig gequält.
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Schmidt, Rudi: Der Streik in der bayerischen Metallindustrie von 1954. Lehrstück eines sozialen Konflikts, Frankfurt a.M. 1995. Der Veröffentlichung zu Grunde liegt die Bremer Dissertation des Autors von 1975 und Milert, Werner: Der steinige Weg in die Konfliktpartnerschaft. Die Sozialbeziehungen bei Siemens in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten, in: Andresen, Knut/Kuhnhenne, Michaela/Mittag, Jürgen/Platz, Johannes (Hgg.): Der Betrieb als sozialer und politischer Ort. Studien zu Praktiken und Diskursen in den Arbeitswelten des 20. Jahrhunderts, Bonn 2015, S. 159-184, hier S. 172176. Kittner, Michael: Arbeitskampf. Geschichte – Recht – Gegenwart, München 2005. Katalog 2019, S. 237.
7 Das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn
Abb. 11: Rondell zur Mitbestimmung im Vordergrund.
Im Zusammenhang mit einer beeindruckenden großflächigen Präsentation zum Arbeitsplatz Fabrik, Metallarbeiter an Einspindeldrehautomaten der württembergischen Firma Traub, wird ein Betriebseingang gezeigt, in dem ein dominantes Transparent steht: »Dieser Betrieb wird bestreikt.«46 Es wird anhand einzelner ausgestellter Dokumente an den IG Metall-Streik in Schleswig-Holstein von 1956/57 erinnert. Im Katalog wird zutreffend ausgeführt, dass dieser längste Arbeitskampf in der Geschichte der Bundesrepublik um die Lohnfortzahlung für Arbeiter im Krankheitsfall geführt wurde und das Ziel des Arbeitskampfes nur zum Teil erreicht werden konnte.47 In der Ausstellung wird man noch auf einer kleinen Texttafel – »Rechtmäßiger Arbeitskampf?« – mit der Information überrascht, dass die Arbeitgeber die Rechtmäßigkeit des Streiks bezweifelten, »weil nur IG-Metallmitglieder, nicht alle Arbeiter an der Urabstimmung teilgenommen« hätten. Eigentlich 46 47
Ebd., S. 157f. Ebd., S. 159f; Dittrich, Irene/Kalk, Wilfried: »Wir wollen nicht länger Menschen zweiter Klasse sein.« Der Metallarbeiterstreik in Schleswig-Holstein 1956/57, in: Demokratische Geschichte, Jahrbuch X, Kiel 1996, S. 351-391.
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Abb. 12: Rondell zur Tarifautonomie im Vordergrund.
dürfte bekannt sein, dass Gewerkschaften nur ihre Mitglieder zu Urabstimmungen aufrufen und aufrufen können, da nur die Gewerkschaften Partei im Arbeitskampf sind. Die Urabstimmung für die Aufnahme des Streiks war vielmehr deshalb umstritten, weil sie noch während des Schlichtungsverfahrens stattfand, was das Bundesarbeitsgericht später als eine Verletzung der Friedenspflicht wertete. So begrüßenswert es ist, den Streik als Instrument zur Verbesserung sozialpolitischer Regelungen durch ihre tarifvertragliche Initiierung vorzustellen, dann sollte auch die ganze Geschichte des besagten Streiks erzählt werden, der zwei Urabstimmungen zu seiner Beendigung brauchte und mit der vom Bundesarbeitsgericht festgestellten Schadensersatzpflicht von etwa 38 Millionen DM »geradezu traumatische Wirkungen auf die IG Metall« hatte.48 Die Darstellung der Themen Mitbestimmung und Tarifautonomie hat einen klaren Fokus auf die 1950er Jahren und kann so die bedeutsamen Entwicklungen der folgenden rund 60 Jahre nicht erfassen. Vom nicht erwähn48
Kittner: Arbeitskampf, S. 635.
7 Das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn
Abb. 13: Raumeindruck ›Dieser Betrieb wird bestreikt.‹ Streik in der schleswig-holsteinischen Metallindustrie 1956 /57.
ten Mitbestimmungsgesetz 1976 war schon die Rede. Die faktische Neufassung des Betriebsverfassungsgesetzes von 1972,49 die Einführung Europäischer Betriebsräte seit 1996 und die Weiterentwicklung der Unternehmensmitbestimmung in der Europäischen Aktiengesellschaft seit 2004 sind Etappen, die in der Geschichte der Mitbestimmung erzählt werden müssen. Dazu gehört auch, die rückläufige Anwendung der Gesetze zu thematisieren, die die Möglichkeiten der Mitbestimmung immer weiter einengen. Auch die Tarifautonomie hat seit den 1950er Jahren bedeutsame Entwicklungen durchgemacht. Neben dem Streik ist auch die Aussperrung ein häufig eingesetztes Kampfmittel von Arbeitgeberseite gewesen. Die Änderung des ›Streikparagrafen‹ 116 AFG/146 SGB III im Jahre 1996 bedeutete eine gewichtige Einschränkung des Streikrechts, da nun ›kalt‹ Ausgesperrte kein Arbeitslosengeld mehr erhielten. Grundlegend hat sich die Tarifautonomie mit der Einführung des Gesetzlichen Mindestlohnes verändert. Der Staat übernimmt mehr Verantwortung. Und der immer weiter voranschreitende Ausstieg von
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Eine knappe Erwähnung im Katalog 2019, S. 218.
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Unternehmen aus der Tarifbindung befördert schon seit Jahren die verstärkten Bemühungen, mit Hilfe des Instruments der Allgemeinverbindlich Erklärung von Tarifverträgen die wachsenden Lücken zu schließen, wie mit wechselndem Erfolg im Einzelhandel exemplarisch betrachtet werden kann. Wieviel von diesen Themen man in einer Ausstellung zur Geschichte Deutschlands seit 1945 zeigen kann, ist sicher diskussionswürdig. Aber mehr als bisher dürfte man sicher erwarten.
Weitere Themen der sozialen Demokratie in der Dauerausstellung Hinsichtlich individueller sozialstaatlicher Leistungen legt die Ausstellung einen Schwerpunkt auf das Lastenausgleichsgesetz von 1952 und die Rentenreform von 1957.50 Der Lastenausgleich ist zweifelsohne für Flüchtlinge und Vertriebene in den 1950er Jahren eine wichtige Leistung gewesen, die allerdings weit zurückliegt. Es drängt sich an dieser Stelle die Frage auf, wie eine Verbindung zur aktuellen Fluchtgeschichte hergestellt werden könnte, zumal das Haus der Geschichte am Ende der erneuerten Dauerausstellung ein imposantes hölzernes Flüchtlingsboot mit Rettungswesten von der Insel Lesbos präsentiert und damit überzeugend zum Ausdruck bringt, dass die über das Mittelmeer Geflüchteten mitten in Deutschland angekommen sind.51 Die Rentenreform 1957 wird in der Ausstellung in unmittelbarer Nachbarschaft der großflächigen Präsentation der Metallfirma Traub thematisiert, was die Verbindung zur Arbeitswelt symbolisiert, sie wirkt dadurch aber wie ein nicht so bedeutsames Anhängsel. Auf der Texttafel hingegen wird nicht nur die epochale Bedeutung der Einführung der dynamischen Rente erläutert, sondern sie wird auch in den Kontext des Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetzes von 1889 gestellt. Das Thema Sozialversicherung wird dann erst wieder im Zusammenhang mit der »Agenda 2010« von 2003 aufgegriffen. Die Einführung der fünften Säule der deutschen Sozialversicherung, der Pflegeversicherung 1995, ist überhaupt keine Erwähnung wert, nicht im Katalog, nicht in der Ausstellung. Irritierend war im Katalog von 2012, dass im Zusammenhang mit dem deutschen Einigungsprozess nur die Rede von der »Wirtschafts- und Währungsunion« war,52 während in der Ausstellung auf
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Ebd., S. 160f. Museumsmagazin, 4 (2017), S. 7-11. Katalog 2012, S. 285f.
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der Texttafel »Weg zur Einheit« zu Recht der »Vertrag über die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion« Erwähnung findet, der eben auch die westdeutschen sozialstaatlichen Regelungen auf die DDR ausweitete. Dies ist im aktualisierten Katalog erfreulicherweise nachgeholt worden.53 Die Krise des Sozialstaates in den 2000er Jahren wurde im Katalog von 2012 unter der reißerischen Überschrift »Pflegefall Sozialstaat« abgehandelt,54 der aktualisierte Katalog verzichtet darauf.55 In der Ausstellung ist das Thema unter ein Originaltransparent »Der kranke Sozialstaat« gestellt und auf der Texttafel unter der passenden Überschrift »Umbau des Sozialstaats« erläutert. Das Thema Bildung ist passend in den 1960er Jahren platziert. Der Bogen wird von der sozialen Öffnung des Bildungswesens für bildungsferne Schichten über Schulreformen wie die Gesamtschule bis zum Neubau von Universitäten geschlagen.56 Im Zusammenhang der inneren Reformen der BrandtRegierung wird auch das BAföG angesprochen.57 Eine Grafik zur Bedeutung des BAföG ist allerdings nicht zu finden. Mit dem Thema Gleichstellung der Geschlechter befasst sich die Ausstellung an drei Stellen. Zuerst wird die Reform des Familienrechts von 1958 angesprochen, dann die weiteren Reformen der sozial-liberalen Koalition der 1970er Jahre und schließlich die »Neue Frauenbewegung« mit der Herausbildung einer eigenständigen feministischen Kultur.58 Wie auch an anderen Stellen der Ausstellung wird man fragen können, ob auch bei diesem Thema eine diachrone Darstellung des Kampfes für Gleichberechtigung der Frauen zielführender sein könnte. Vertriebene, Gastarbeiter, Geflüchtete sind in der Ausstellung an vielen Stellen ein Thema. Flucht und Vertreibung steht mit am Anfang der Ausstellung59 , vom Lastenausgleichsgesetz war schon die Rede. Eine gelungene Inszenierung, ein einfahrender Zug mit Gastarbeitern in unmittelbarer Nähe zur Bergbaukrisen-Installation, erzählt die Geschichte der Anwerbung bis zum Anwerbestopp 1973 und stellt den millionsten Gastarbeiter von 1964 und
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Katalog 2019, S. 297. Katalog 2012, S. 302. Katalog 2019, S. 312f. Ebd., S. 196f. Ebd., S. 218. Ebd., S. 159, 217f, 254. Ebd., S. 36f.
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sein Begrüßungsgeschenk, ein Moped, vor.60 Beeindruckend ist die lebensgroße Bronzefigur ›Der Ausländer‹ von Guido Messer, die die erste Generation der Gastarbeiter symbolisiert, eine gelungene Integration eines Kunstobjektes.
Abb. 14: Bronzefigur ›Der Ausländer‹ von Guido Messer, 1982
Im Rahmen der jüngst abgeschlossenen Neugestaltung der letzten drei Dekaden der Dauerausstellung ist das Thema Flüchtlingskrise prominent aufgenommen worden. Das schon erwähnte Flüchtlingsboot ist der Eyecatcher schlechthin. Bilder, Grafiken, Terminals geben detaillierte Informationen. Hier endet die historische Ausstellung verständlicherweise mit der Frage, wie die Zuwanderung bewältigt werden wird. Der aktualisierte Katalog befasst
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Ebd., S. 180f.
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sich ausführlich mit dem Thema und präsentiert die unterschiedlichen Reaktionen auf den Zuzug der Geflüchteten.61 Auch das Thema der Mordserie des »Nationalsozialistischen Untergrund« gegen ausländische Mitbürger findet im Katalog nun besondere Beachtung.62
Fazit Die Bonner Ausstellung ist zu Recht für die gelungenen Inszenierungen gelobt worden.63 Sie hat sich von der alten Museumsidee, des alleinigen Ausstellens auratischer Originalobjekte, erfolgreich emanzipiert.64 Die Verbindung von szenografischer Gestaltung und der Präsentation von beeindruckenden Originalobjekten machen den Museumsbesuch zu einem echten Erlebnis. Thomas Hertfelder hat die Ausstellung eine Meistererzählung der bundesrepublikanischen Demokratie genannt.65 Das dominante Narrativ dieser Geschichte ist das der gelungenen politischen Demokratie, eine Erfolgsgeschichte, die an manchen Stellen »zu ausgewogen, zu wenig provokativ und pointiert erscheint«, eine Kritik von 1995, die aber immer noch bedenkenswert ist.66 Die Ausstellung suggeriert ein hohes Maß an Zufriedenheit mit der bundesrepublikanischen Geschichte seit 1945 und präsentiert die politischen Institutionen als erfolgreiche und anerkannte Akteure. Dass ein immer weiter voranschreitender Verlust politischer Gleichheit, verursacht durch die sinkende Wahlbeteiligung, eine eminente Herausforderung für die Demokratie ist,67 kommt genauso wenig in den Blick wie die Zunahme der sozialen
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Ebd., S. 332-335. Ebd., S. 331. Pohl: Museumsführer, S. 57-85. Thiemeyer: Evidenzmaschine, S. 27f. Hertfelder, Thomas: Eine Meistererzählung der Demokratie? Die Großen Ausstellungshäuser des Bundes, in: Hertfelder, Thomas/Lappenküper, Ulrich/Lillteicher, Jürgen (Hgg.): Erinnern an Demokratie in Deutschland. Demokratiegeschichte in Museen und Erinnerungsstätten der Bundesrepublik, Göttingen 2016, S. 139-178, hier S. 155-168. Schneider, Gerhard: Ein Zeitalter zu besichtigen! Die Nachkriegsgeschichte als Erinnerungswelt im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn, in: GWU 46 (1995), S. 223-234, hier S. 227. Schäfer, Armin: Der Verlust politischer Gleichheit. Warum die sinkende Wahlbeteiligung der Demokratie schadet, Frankfurt a. M./ New York 2015.
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Ungleichheit,68 die den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Solidarität in Frage stellen.69 Oder wo kann man in der Ausstellung erfahren, um Colin Crouch zu zitieren, dass »der postindustrielle Kapitalismus versucht […], die Abmachungen zu widerrufen, die im Industriezeitalter getroffen wurden, und dadurch alle Schranken der Kommerzialisierung und der Kommodifizierung niederzureißen, die ihm im Rahmen des Konzepts der sozialen Bürgerrechte auferlegt wurden«?70 Und ist nicht das Anwachsen des Rechtspopulismus ein klares Indiz dafür, dass die Institutionen der Demokratie neu durchdacht und auch mit Blick auf die neuen Herausforderungen weiterentwickelt werden müssen?71 Man wird von einer Ausstellung in einem kulturhistorischen Museum nicht die Beantwortung aller drängenden politischen Fragen erwarten können. Aber vielleicht könnte sie Fragen provozieren, die die Besucher motivieren, weiter zu diskutieren. Das kosmopolitische Erinnern an die Entwicklung der politischen Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland seit 1945 dient ihrer Legitimation, wie es in dem im Katalog von 2012 formulierten Ziel der ›Demokratieerziehung‹ zum Ausdruck kommt. Es bleibt festzuhalten: Im Vergleich zum Gutachten der vierköpfigen Expertenkommission von 1984 leisten Ausstellung und Katalog weit mehr, als man erwarten durfte. Ein breites Feld von Themen auch der sozialen Demokratie wird angesprochen, wenngleich die Dominanz der politischen Demokratie erdrückend ist, ein konservatives Demokratieverständnis, das vornehmlich den öffentlichen Raum als Feld der Demokratie sieht. Schließlich hadert man mit der den Bundestagswahlen folgenden Chronologie, die manchmal wie ein Prokrustesbett wirkt. Wünschenswert wären eben auch diachrone Darstellungen, um z.B. die Geschichte von Tarifautonomie und Mitbestimmung über 70 Jahre erzählen zu können. Vielleicht werden sie Wirklichkeit in der 2019 begonnenen Entwicklung einer völlig neuen Dauerausstellung.
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Kaelble, Hartmut: Mehr Reichtum, mehr Armut. Soziale Ungleichheit in Europa vom 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Frankfurt/New York 2017, S. 176. Rosanvallon, Pierre: Die Gesellschaft der Gleichen, Hamburg 2013. Crouch, Colin: Postdemokratie, 13. Auflage, Frankfurt a.M. 2017, S. 107. Rosanvallon, Pierre: Die Gegen-Demokratie. Politik im Zeitalter des Misstrauens, Hamburg 2017.
8 Das Zeitgeschichtliche Forum Leipzig – die Meistererzählung der politischen Revolution von 1989 und des gelingenden Aufbau Ost?
Das bedeutendste kulturhistorische Museum für die Geschichte Ostdeutschland nach 1945 verdankt seine Entstehung der vom Deutschen Bundestag 1991 eingerichteten Unabhängigen Föderalismuskommission. Sie hatte folgenden Auftrag: »Vorschläge zur Verteilung nationaler und internationaler Institutionen zu erarbeiten, die der Stärkung des Föderalismus in Deutschland auch dadurch dienen sollen, dass insbesondere die neuen Bundesländer Berücksichtigung finden mit dem Ziel, dass in jedem der neuen Bundesländer Institutionen des Bundes ihren Standort finden.«1 Erste Vorschläge wurden 1992 unterbreitet, die vorsahen, ein »Archiv zur deutschen Einheit« in Leipzig als Außenstelle des Bundesarchivs zu gründen. Schließlich stand am Ende der Beratungen im zuständigen Bundesinnenministerium der Auftrag an den Leiter des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn, Hermann Schäfer, konzeptionelle Überlegungen zur Errichtung eines »Ausstellungs-, Dokumentations- und Informationszentrums zur deutschen Einheit (Leipzig)«, so der Arbeitstitel, vorzulegen.2
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Zit. n. Schäfer, Hermann: Eine neue Ausstellung für ein neues Land, in: Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Zeitgeschichtliches Forum Leipzig (Hgg.): Einsichten. Diktatur und Widerstand in der DDR, Leipzig 2001, S. 7-15, hier S. 8. Ebd., S. 8f.
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Abb. 15: Das Zeitgeschichtliche Forum in Leipzig, im Vordergrund ein Abdruck der Plastik ›Der Jahrhundertschritt‹ von Wolfgang Mattheuer.
Eine dezidierte Aufgabenstellung Schon in den 1993 vorgelegten Zielsetzungen war die vornehmliche Aufgabe des neuen Museums mit der »Sammlung, Erschließung und Nutzbarmachung von Dokumenten, Stellungsnahmen und Objekten der Oppositionsund Bürgerbewegungen« definiert worden, das so zu einem »Ort lebendigen Gedächtnisses« werden sollte. Die DDR-Alltagskultur wurde hingegen nur als Hintergrund für die Oppositionsbewegung und für den Vergleich mit der Bundesrepublik als wichtig erachtet. Die Konzeption zur Dauerausstellung von 1997 präzisierte, dass die Dauerausstellung »anhand ausgewählter Aspekte Aufbau und Folgen der SED-Herrschaft und die verschiedenen Formen von Opposition und Widerstand gegen die Diktatur zeigen wird.«3 Der erste Direktor der Bonner Dependance in Leipzig, Rainer Eckert, formulierte
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Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland Zentrum Leipzig: Konzeption zur Dauerausstellung, Stand: April 1997, S. 1.
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zugespitzt: »Zentrales Anliegen ist die Würdigung der Zivilcourage unter den Bedingungen der Diktatur.«4 Das Leipziger Museum war also nicht als ein DDR- und Wende-Museum zur deutschen Geschichte in Ostdeutschland nach 1945 geplant worden, sondern Opposition und Widerstand in der SBZ/DDR sollten als Teil freiheitlichdemokratischer Bewegungen in der deutschen Geschichte gewürdigt werden. Die Konzeption ließ keinen Zweifel am dezidiert politischen Auftrag des Hauses: »Die Leipziger Ausstellung ist der Stärkung des antitotalitären Grundkonsenses in der Bundesrepublik verpflichtet. Sie richtet sich gegen alle Tendenzen zur Verharmlosung und Rechtfertigung der SED-Diktatur, gegen ihre Legenden und Mythen. Die DDR wird in die Reihe der Diktaturen im 20. Jahrhundert eingeordnet […]. Ein wichtiges Ziel ist, den Charakter des SED Regimes zu veranschaulichen: Das System beruhte auf Verführung und Gewalt, auf Überzeugung, Zustimmung und Unterdrückung, auf partieller Identifizierung und totaler Herrschaft.«5 In seiner Ausstellungsästhetik folgte das Zeitgeschichtliche Forum seiner Bonner Mutter, zumal der verantwortliche Bonner Ausstellungsdirektor, Jürgen Reiche, auch für die Leipziger Ausstellung in dieser Rolle verantwortlich zeichnete. Die Ausstellung auf rund 2000 qm hat einen chronologischnarrativen Aufbau und zeichnet sich durch seine sehr ansprechende inszenatorisch-szenografische Gestaltung aus.6 3,6 Millionen Besuche in knapp 20 Jahren sprechen für sich.7 Der erste Katalog der Ausstellung lag nach der Eröffnung der Dauerausstellung 1999 zwei Jahre später vor und er wurde bis 2012 zweimal aktualisiert. Die Dauerausstellung wurde erstmalig 2007 umfassend überarbeitet und erneut im Jahre 2018. Allerdings liegt noch kein aktueller Katalog vor, so dass hier nur der Katalog auf der Grundlage der Ausstellungsgestaltung von 2007
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Eckert, Rainer: Repression und Widerstand in der zweiten deutschen Diktatur, in: Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Zeitgeschichtliches Form (Hgg.): Einsichten. Diktatur und Widerstand in der DDR, Leipzig 2001, S. 16-22, hier S. 16. Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland Zentrum Leipzig: Konzeption zur Dauerausstellung, Stand: April 1997, S. 1f. Reiche, Jürgen: Halt! Nicht wegwerfen!, in: Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Zeitgeschichtliches Forum Leipzig (Hgg.): Einsichten. Diktatur und Widerstand in der DDR, Leipzig 2001, S. 23 -29; Scholze: Medium Ausstellung, S. 89-93. Museumsmagazin 4 (2018), S. 7.
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besprochen werden kann. Wie werden nun die Themen der sozialen Demokratie im Ausstellungskatalog präsentiert?
Die Dauerausstellung im Katalog von 2012 Das gigantische Sozialexperiment der ›antifaschistisch-demokratischen Umwälzung‹ veränderte die Struktur der Gesellschaft in der SBZ/DDR grundlegend.8 Das Postulat der Gleichheit und die Überwindung der Klassenspaltung und damit die proklamierte Abschaffung von benachteiligten Schichten in der Gesellschaft waren maßgebend. Die Enteignung der Großgrundbesitzer und die Aufteilung des Landbesitzes, die Verstaatlichung der Industrie und die zentrale Planung der Wirtschaft schufen völlig neue Rahmenbedingungen. In den Betrieben wurde eine Aktivistenbewegung initiiert, die die dringend notwendige Produktivitätssteigerung befördern sollte.9 Genauere Informationen zur materiellen Seite der Lebens- und Arbeitsbedingungen in der DDR sind an verschiedenen Stellen in den Katalog eingestreut. Ende der 1950er Jahre verbesserte sich der Lebensstandard und vom Mai 1958 an gab es keine Lebensmittelkarten mehr. Neu geschaffene Erholungsheime, Kulturhäuser und Polikliniken wurden »als soziale Errungenschaften« betrachtet.10 Ein in den 1970er Jahren im Rahmen des »Konsumsozialismus« gestartetes Wohnungsbauprogramm wurde mit dem Ziel geschaffen, »die Wohnungsfrage als soziales Problem zu lösen.« Die Mieten waren niedrig, weil staatlich subventioniert.11 Dasselbe galt für Grundnahrungsmittel, wenngleich sich mit den Intershop-Läden ein zweiter Versorgungsmarkt entwickelte, der nur mit Westdevisen zugänglich war.12 Für soziale Konflikte und kollektive Interessenvertretung war im DDRSozialismus kein Platz. Der 1946 als Einheitsgewerkschaft gegründete FDGB
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Lorke, Christoph: Gleichheitsversprechen und ihr Erinnern im geteilten und vereinten Deutschland, Arbeitspaper aus der Kommission ›Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie‹, https://www.boeckler.de/faust-detail.htm?sync_id=8483 (Zugriff 20.03.2020), S. 24-30. Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Zeitgeschichtliches Forum Leipzig (Hgg.): Demokratie jetzt oder nie! Diktatur – Widerstand – Alltag, 3. aktualisierte Auflage, Leipzig 2012, S. 43-45. Ebd., S. 86. Ebd., S. 146. Ebd., S. 144f.
8 Das Zeitgeschichtliche Forum Leipzig
wurde zum »Transmissionsriemen« der SED umfunktioniert und die zahlenmäßig größte Massenorganisation der DDR. Die Bitterfelder Konferenz 1948 »markierte den endgültigen Bruch mit alten Gewerkschaftstraditionen« wird im Katalog zu Recht festgestellt, ohne jedoch auf die Abschaffung der Betriebsräte und ihre Ersetzung durch die Betriebsgewerkschaftsleitungen hinzuweisen.13 Dass der FDGB sich vor allem einen Namen mit seinem Feriendienst machte, und die preiswerten Reisen durchaus begehrt waren, wird ausführlich dargestellt.14 Einen prominenten Raum nimmt der 17. Juni 1953 ein, der als wirtschaftlicher Streik begann und zum politischen Aufstand wurde.15 Das Sozialversicherungssystem der DDR wird im Katalog überhaupt nicht angesprochen. Dies ist eine problematische Leerstelle, da der FDGB die Verwaltung der Kranken- und Rentenversicherung organisierte. Gewerkschaft in der DDR war nicht Interessenvertretung, sondern Dienstleistung auf Arbeitsfeldern, die der Tradition der Arbeiterbewegung fern waren. Zudem schöpfte der FDGB aus diesen Tätigkeiten einen Teil seiner Legitimation und prägte die Imagination von Gewerkschaft zu DDR-Zeiten. Das Bildungswesen der DDR ist im Katalog ebenfalls eine Leerstelle. Dagegen wird der Frage der Gleichberechtigung der Frauen ein größerer Platz eingeräumt. Dass die hohe Frauenerwerbsquote dem Arbeitskräftemangel geschuldet war, ändert nichts daran, dass Kinderbetreuungsplätze staatlich garantiert waren und es manche weitere Unterstützungen gab, die Frauen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen sollten.16 Auf jeden Fall dürfte die eigene Berufstätigkeit wesentlich zum Selbstbewusstsein der Frauen beigetragen haben. Überraschenderweise verzichtet der aktualisierte Katalog von 2012 darauf, die Fragen des Zusammenlebens und Zusammenarbeitens von In- und Ausländer_innen zu thematisieren, wenngleich doch die DDR das Modell der Vertragsarbeiter_innen kannte, die aus den sozialistischen Bruderländern kamen und zu einem beträchtlichen Teil nach 1989 in Ostdeutschland blieben. Der Prozess der deutschen Einigung wird ausschließlich mit Blick auf die politischen und wirtschaftlichen Veränderungen durch den Staatsvertrag zur
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Ebd., S. 39f. Ebd., S. 150f. Ebd., S. 78-83. Ebd., S. 136-139.
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Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion dargestellt. Dass mit der Sozialunion auch das soziale Sicherungssystem und das duale System der Interessenvertretung der Bundesrepublik Deutschland auf die damals noch existierende DDR übertragen wurden, ist überhaupt kein Thema. Gesamtdeutsche Gewerkschaften entstanden und die Mitbestimmung im Betrieb und Unternehmen wurde eingeführt. Auch dazu kein Wort. Es ist der alltags- und politikgeschichtlichen Orientierung der Ausstellung geschuldet, dass die Themen der sozialen Demokratie – wenn überhaupt – nur knapp behandelt werden. Die überarbeitete und am 5. November 2018 neu eröffnete Dauerausstellung kann einige Leerstellen schließen und besitzt eine neue Orientierung. Es beginnt mit dem Titel der Dauerausstellung, die nun »Unsere Geschichte. Diktatur und Demokratie nach 1945« heißt.17 Damit rückt er sehr nahe an den Titel der Bonner Ausstellung »Unsere Geschichte. Deutsche Geschichte seit 1945«. Ferner macht die neue Leipziger Ausstellungsgestaltung nun ernst mit dem Gedanken des Forums, in dem sie die Ausstellung auf einer Bühne enden lässt, die der Ort für Veranstaltungen, für Diskussionen und Debatten werden soll. Jürgen Reiche reklamiert für die neue Dauerausstellung einen partizipativen Ansatz und sieht sein Haus als »das Forum für Demokratie in Deutschland.«18
Die aktuelle Dauerausstellung Das der neuen Dauerausstellung zugrundliegende Ausstellungskonzept vom Oktober 2016 formuliert das Ziel, auch jene Bevölkerungsgruppen stärker in den Blick zu nehmen, die sich bislang nicht ausreichend von den Angeboten des zeitgeschichtlichen Forums angesprochen gefühlt und die keine eigene Erinnerung an die Zeit der DDR haben. Dafür sei es erforderlich, »ein differenziertes Bild der DDR-Geschichte zu vermitteln« und »Graustufen« zu berücksichtigen. »Eine besondere Herausforderung ist dabei, den Charakter der DDR als Diktatur kenntlich zu machen, ohne die individuellen Lebensleistungen der Ostdeutschen […] generell zu entwerten.«19 Die Förderung eines 17 18 19
Museumsmagazin 1 (2019), S. 19-23. Museumsmagazin 4 (2018), S. 12-15. Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland: Erneuerung der Dauerausstellung des Zeitgeschichtlichen Forums Leipzig. Ausstellungskonzept Oktober 2016, S. 1.
8 Das Zeitgeschichtliche Forum Leipzig
Abb. 16: Die Bühne im Zeitgeschichtlichen Forum
»kritischen Geschichtsbewusstseins« zur ostdeutschen Geschichte von Demokratie und Diktatur soll dazu dienen »die Frage nach der Bedeutung einer offenen, pluralistischen Gesellschaft, nach der Wahrung der Menschenrechte oder nach dem Wert einer freiheitlich-demokratischen, auf rechtsstaatlichen Prinzipien basierenden Grundordnung« zu thematisieren.20 Mit Blick auf die DDR Geschichte widmet sich die neue Dauerausstellung ausführlicher dem Thema Bildung, in dem sie die verbesserten Zugangsmöglichkeiten zur akademischen Bildung, z.B. durch die Arbeiter- und Bauernfakultäten thematisiert. Auch das Thema der Vertragsarbeiter_innen in der DDR findet anhand von Fotos und Dokumenten Berücksichtigung. Grundlegend verändert ist der Ausstellungsteil für die Geschichte nach 1989, dem jetzt genauso viel Raum gegeben wird wie für die Zeit davor. Das Epochenjahr 1989/1990 bildet weiterhin »das Herzstück der Ausstellung«, aber es folgen zwei neue Ausstellungsteile, die sich zum einen mit der »Transformation und Redifferenzierung« von Wirtschaft und Gesellschaft in Ost-
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Abb. 17: Blick von der Bühne
deutschland beschäftigen und zum anderen mit den neuen Herausforderungen für Gesamtdeutschland im nationalen und internationalen Kontext. Zur Transformation nach 1989 werden in Grafiken harte Daten im OstWestvergleich von 1991 bis zur Gegenwart zum durchschnittlich verfügbaren Jahreseinkommen je Einwohner, zur Lebenserwartung von Männern und Frauen und zur Arbeitslosigkeit wie zur durchschnittlichen Bruttorente gezeigt. Hinzu kommen grafisch aufbereitete Zahlen zum Abbau von Industriearbeitsplätzen in den wichtigsten Branchen Ostdeutschlands zwischen 1989 und 1993. In Multimediastationen werden Zeitzeugeninterviews zum Umbau der Wirtschaft, von der Plan- zur Marktwirtschaft, präsentiert: Stimmen aus der Politik, der Wirtschaftsexperte, der Treuhandvorstand, der Betriebsdirektor und die Existenzgründerin. Aber Betriebsräte oder Gewerkschafter_innen kommen nicht zu Wort. Lediglich in einer Installation zur Gründungsgeschichte von Opel Eisenach wird die Gedankenskizze eines Betriebsrates präsentiert. Die Ikone zur erfolgreichen Transformation ist die raumgreifende Karosserie des Porsche Cayenne aus dem Leipziger Porschewerk.
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Abb. 18: Raumansicht Schulklasse.
Auf dem Begleittext ist zu lesen: »Vom Barkas zu Porsche. 2002 bringt der Sportwagenhersteller Porsche mit dem Cayenne erstmals einen SUV auf den Markt. Das für dessen Montage gebaute Werk in Leipzig startet mit 300 Mitarbeitern, heute sind es 4000. Die Entwicklung vom reinen Montagewerk zur Komplettfertigung von drei Porsche-Modellen erfolgt unter dem Ostdeutschen Siegfried Bülow. Als letzter Leiter des Barkas-Werks in Chemnitz musste er 1989 dessen Schließung umsetzen und Tausenden die Kündigung aussprechen.« Die Herausforderungen für die Menschen in Ostdeutschland durch den vollständigen Institutionentransfer werden an einem sehr schönen Beispiel gezeigt: Kümmerte sich zu DDR-Zeiten der FDGB um alle Fragen der staatlichen Sozialversicherung, so mussten die Menschen sich von einem Tag auf den anderen zwischen 1.147 verschiedenen Krankenkassen entscheiden. Unverständlich ist allerdings in diesem Zusammenhang, dass im Konzeptpapier
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Abb. 19: Karosserie eines Porsche Cayenne aus dem Leipziger Porschewerk.
der FDGB als »Einheitsgewerkschaft« bezeichnet wird, was mit seinem Charakter als Massenorganisation der SED unvereinbar war.21 Der letzte Teil der Ausstellung »Reflexion der Gegenwart« schreitet ein weites Feld ab, in dem das zentrale Thema die Krise der Demokratie ist. Hier will die Ausstellung Anreize zur Diskussion setzen. Besondere Beachtung verdient dabei die Medieninstallation am Schluss der Ausstellung, auf der im Großbildformat Zeitgenossen auf einem Thron präsentiert werden und Antworten auf folgende Frage formulieren: »Was würde ich tun, wenn ich ›König von Deutschland‹ wäre?«. Das Spektrum der angesprochenen Themen ist weit, schließt zentrale Fragen, wie z.B. die der gerechten Vermögensverteilung, des Umgangs mit Geflüchteten und der Gewährung sozialstaatlicher Leistungen, mit ein. Es spricht viel dafür, dass mit Hilfe dieser Installation Besucher_innen animiert werden, nicht nur die Ausstellung passiv zu rezipieren, sondern sich auch selber eine Meinung zu bilden und darüber mit anderen ins Gespräch zu kommen. 21
Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland: Erneuerung der Dauerausstellung des Zeitgeschichtlichen Forums Leipzig. Ausstellungskonzept Oktober 2016, S. 16.
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Abb. 20: Medieninstallation
Fazit Das Leipziger Haus sollte von Anfang an ein »Ort lebendigen Gedächtnisses« sein. Thomas Hertfelder hat im Anschluss an Hayden White die Leipziger Ausstellung eine revolutionäre Romanze genannt, die »das romantische Narrativ vom revolutionär aufbegehrenden Volk nur punktuell zu brechen weiß«.22 In der Tat ist die friedliche Revolution von 1989/1990 »das Herzstück der Ausstellung« und dem Widerstand, der Verweigerung, der Resistenz zu DDR-Zeiten wird ein großer Platz eingeräumt. Die Ausstellung bespielt vor allem ein Diktaturgedächtnis, das die DDR als Unrechtsstaat sieht. Nur punktuell wird ein Arrangementgedächtnis bedient, das den Eigenwert der Lebenswelt in der DDR betont.23 Exemplarisch stehen dafür einige Erzählungen in Zeitzeugeninterviews, die 2007 Eingang in die Ausstellung fanden und eben zeigen, dass die Herausforderungen des Alltags bedeutsamer und prägender als die politischen Ereignisse sein konnten.24 Leider sind diese Zeitzeugeninterviews in 22 23 24
Hertfelder: Meistererzählung, S. 174. Ebd., S. 175f. Lillteicher: Lebensgeschichtliche Perspektiven, S. 283-290.
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der neuen Dauerausstellung entfallen. Lediglich am Beginn der Ausstellung ist zum Thema »Anfänge der SED« ein Zeitzeugeninterview abrufbar, das den Beitritt in die SED und das Arrangement mit dem Regime thematisiert. Und ein Fortschrittsgedächtnis, die dritte von Martin Sabrow entwickelte Kategorie, kommt in der Ausstellung überhaupt nicht vor.25 Dieses Gedächtnis geht von der grundsätzlich richtigen Idee des Sozialismus aus, die nur aufgrund von internen Fehlentscheidungen und äußerem Druck zu Grunde gegangen sei. Aus diesem Gedächtnis speist sich auch eine Haltung, die auf die so behaupteten positiven Beiträge der DDR zur wiedervereinigten Nation weist.26 Schon Jana Scholze hat in ihrer detaillierten Untersuchung der Dauerausstellung des Zeitgeschichtlichen Forums auf die Implikationen einer streng chronologisch gegliederten Ausstellung und die »dezidiert parteiische Interpretation des Dargestellten« hingewiesen.27 Die Storyline reduziert die Museumsobjekte auf Belegstücke. So ist z.B. der Porsche Cayenne in der Ausstellung nur die Ikone der erfolgreichen Transformation und nicht das Produkt aus der Leipziger Fabrik, in der bis zum heutigen Tag mit einer hohen Zahl an Leiharbeitern diese Luxuskarosse produziert wird und in der seit 2018 sogar die AfD im Betriebsrat vertreten ist.28 Damit die Storyline funktioniert ist auch eine Privilegierung von Texten, Überschriften, Sprache, Grafiken, Bildern zu konstatieren. Dies ändert nichts an der ästhetischen Qualität und der rhetorischen Wirksamkeit der Ausstellung, lässt aber Zweifel übrig, ob die Ausstellung bei allen Besuchern die intendierten Wirkungen erzielt. Es ist sicher ein Fortschritt, dass die 1999 sehr ausgeprägte Form des antagonistischen Erinnerns, hier der Unrechtsstaat DDR, dort die Oppositionellen, in mehr ›Graustufen‹ aufgelöst worden ist und der Forumscharakter des Museums jetzt stark gemacht und damit ein Schritt in Richtung Partizipation gegangen wird.
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Sabrow, Martin: »Fußnote der Geschichte«, »Kuscheldiktatur« oder »Unrechtsstaat«? Die Geschichte der DDR zwischen Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit, in: Hammerstein, Karin/Scheunemann, Jan (Hgg.): Die Musealisierung der DDR. Wege, Möglichkeiten und Grenzen der Darstellung von Zeitgeschichte in stadt- und regionalgeschichtlichen Museen, Berlin 2012, S. 13-24. So z.B. Dietrich, Gerd: Kulturgeschichte der DDR, 3 Bde., Göttingen 2018, der auf nahezu 2500 Seiten den Beitrag der DDR zur Kultur in Deutschland darlegt. Scholze: Medium Ausstellung, S. 119-141. Schroeder, Wolfgang/Greef, Samuel/Ten Elsen, Jennifer/Heller, Lukas: Rechtspopulistische Aktivitäten in betrieblichen Kontexten und gewerkschaftliche Reaktionen, in: WSI Mitteilungen, 72. Jg., 3(2019), S. 185-192, hier S. 189.
8 Das Zeitgeschichtliche Forum Leipzig
Die Geschichte und Gegenwart der sozialen Demokratie bleibt in der Dauerausstellung bedauerlicherweise ein nur sehr punktuell bespielter Gegenstand. Die Transformation Ostdeutschlands ist nicht nur weitgehend aus den Kassen der Sozialversicherung finanziert worden, ihre Geschichte ist auch reich an erfolgreichen und gescheiterten Tarifkämpfen für die Angleichung zwischen Ost und West, geprägt vom Ringen der Gewerkschaften um die Zukunft des Tarifvertrages. Aufmerksamkeit verdienen die Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt durch die Leiharbeit und die gewerkschaftlichen Bemühungen für einen sozialverträglichen Strukturwandel, wie er sich jetzt erneut in der ostdeutschen Braunkohle stellt.
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9 Das Museum der Arbeit in Hamburg – die kritische Musealisierung verschwundener Arbeitsplätze?
Noch vor den großen staatlichen Geschichtsprojekten in Bonn und Berlin entstand in Hamburg eine Initiative für ein Museum der Arbeit. 1980 bildete sich ein Verein ›Museum der Arbeit e.V.‹, in dem die Hamburger DGB-Gewerkschaften eine bedeutende Rolle spielten. Sie identifizierten sich mit diesem lokalen Projekt und nahmen auf der landespolitischen Ebene erheblichen Einfluss.1 Es ging um die Schaffung eines Heimatmuseums neuen Typs, wie Gottfried Korff es nannte, und wie es beispielgebend im Museum der Stadt Rüsselsheim mit der schon oben kurz skizzierten Ausstellung zur Industrialisierung geschehen war.2 Die Wellen dieser Neuerung waren bis Hamburg gekommen, wo dieser Impuls nun auf breiterer Grundlage, gefördert von zahlreichen Geschichtsinitiativen, seine Wirkung entfaltete. Die beschleunigte Deindustrialisierung, die Hamburg Mitte der 1970er Jahre erfasst hatte, beförderte den Wunsch, untergehende industrielle Arbeitswelten zu musealisieren.3 Es ging um die Rettung wichtiger Zeugnisse aus der Zeit der Industrialisierung und um die Vermittlung der Geschichte der Arbeit an nachfolgende Generationen. Betroffene, wie z.B. Drucker und Setzer, machten sich diese Aufgabe zu Eigen und wurden später als ›Praxisexperten‹ im Museum tätig. Nicht von ungefähr begann der Aufbau einer
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Müllner, Johannes: Das Museum der Arbeit. Auch eine gewerkschaftliche Erfolgsgeschichte, in: mit arbeit, 23 (2017), hg. v. Vorstand der Freunde des Museums der Arbeit e.V., S. 14f. Müller: Das Museum für Arbeit, S. 49-52, hier S. 49. Kosok, Lisa: Die Musealisierung industrieller Arbeitswelten, in: dies. (Hg.): Museum der Arbeit. Katalog, Hamburg 1997, S. 13-22; im Folgenden zitiert als Katalog MdA.
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Soziale Bürgerrechte im Museum
Sammlung schon 1984,4 sechs Jahre vor der offiziellen Errichtung des Museums durch den Senat der Hansestadt Hamburg im Jahre 1990, als siebtes staatliches Museum der Stadt.5 2008 schließlich ist das Museum Teil der Stiftung Historische Museen Hamburg geworden, kann sich aber weiterhin einer breiten ehrenamtlichen Unterstützung erfreuen, die aus dem mittlerweile 1235 Mitglieder zählenden Verein ›Freunde des Museums der Arbeit e.V.‹ kommt.6
Abb. 21: Museum der Arbeit in Hamburg mit Menck-Bagger und Museumshof
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Bargholz, Christina/Museum der Arbeit (Hgg.): ABC der Arbeit. Vielfalt – Leben – Innovation. Von Kupferschmieden und Kaufleuten, Blaumännern und Schürzen, Lohntüten und Streikkassen…, München/Hamburg 2013, S. 10f; im Folgenden zitiert als Katalog ABC der Arbeit. Krankenhagen: Vorwort, in: Katalog MdA, S. 9-12. Behlmer, Gert Hinnerk: Der Freundeskreis des Museums der Arbeit, in: mit arbeit 23(2017), S. 48.
9 Das Museum der Arbeit in Hamburg
Konzeption Grundlage für die Museumsgründung waren die Vorschläge einer Planungskommission, die von der Bonner Geschichtsdidaktikerin und Feministin Annette Kuhn geleitet wurde.7 Die 17-köpfige Planungskommission war von der parteilosen Hamburger Kultursenatorin Helga Schuchardt 1986 berufen worden und sie setzte sich aus Vertreter_innen der Fächer Geschichte, Kulturwissenschaft, Museumskunde, Arbeitswissenschaften und Soziologie zusammen. Auf Seiten der Historiker_innen waren neben Annette Kuhn aus Bonn die Hamburger_in Ursula Büttner, Klaus Saul, Ulrich Troitzsch und Franklin Kopitzsch vertreten. In nur fünf Monaten erstellte die Kommission ein Gutachten, das den Rahmen für den Aufbau des Museums absteckte.8 Die besonderen Merkmale des zukünftigen Museums wurden prägnant herausgearbeitet. Dem Arbeitsbegriff wurde besondere Aufmerksamkeit geschenkt: »Arbeit in […] kulturhistorischer Perspektive rückt die Menschen und ihr Handeln, auch ihre Verantwortung für die Ergebnisse des Handelns oder Nichthandelns in historischen Situationen in den Mittelpunkt, ohne die gesellschaftlichen Verhältnisse und Bedingungen des Arbeitens zu vernachlässigen. Ein solches Konzept verspricht auch, scheinbar natürliche Gegebenheiten und Zusammenhänge von gestern und heute in ihren historischen Bedingungen sichtbar und darstellbar zu machen.« Der Frauengeschichte wurde ein besonderes Gewicht gegeben: »Frauengeschichte ist ein unverzichtbarer Aspekt zur Analyse der gesamten Geschichte, vor allem des Alltags. Die Geschichte der Frau sollte deshalb nicht nur sektoral wie die Geschichte einer ›Randgruppe‹ behandelt werden.« Und selbstverständlich sollte das neue Museum ein »Museum im öffentlichen Raum« sein, das als Bildungs- und Kulturzentrum einzurichten sei.9 Wie die folgende Darstellung der Dauerausstellung zeigen wird, gibt es eine große Entsprechung zwischen dem Gutachten von 1986 und seiner Realisierung 1997. Von besonderer Bedeutung war, dass das neue Museum nicht in der Hamburger Innenstadt, sondern im Stadtteil Barmbek sein Zuhause fand. Die Promotor_innen der Museumsidee hatten von Anfang an dafür geworben, dass der Standort des Museums auf dem Fabrik-Ensemble der ›New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie‹ in Barmbek sein sollte, nicht zuletzt
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Pohl: Museumsführer, S. 186. Museum der Arbeit (Hgg.): Jahresbericht 1985/86, Hamburg 1987, S. 56. Ebd., S. 56f.
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um damit dieses Baudenkmal aus der Zeit der Industrialisierung zu erhalten. Zudem sollte ein Zeichen gesetzt werden, dass nicht nur die Hafenarbeit Hamburg geprägt, sondern auch die Gummi-Industrie eine bedeutende Rolle gespielt hatte. Und vor allem wollte man das Museum »im traditionellen Arbeiterquartier Barmbek […] mitten unter Menschen, deren Geschichte es dokumentieren soll«, platzieren, gleichsam ein »Museum vor der Haustür« schaffen.10 1997 konnte endlich die Dauerausstellung in der renovierten und um ein Geschoss aufgestockten ›neuen Fabrik‹ der New-York Hamburger eröffnet werden. Die Museumsleitung mit Gernot Krankenhagen und Lisa Kosok an der Spitze, legte einen rund 150 Seiten starken Katalog vor, der in knappen Texten, unterlegt mit vielen Abbildungen von Ausstellungsstücken, mehrere in sich geschlossene Geschichten zu den einzelnen Abteilungen der Ausstellung erzählt. Vorangehen knappe Ausführungen von Lisa Kosok zu den Grundsätzen der Musealisierung in der Ausstellung. Für Kosok geht es nicht um Inszenierung und »große Bilder« oder eine Chronologie, sondern um »Perspektiven, Blickrichtungen, analytische Schnitte«. Originalobjekten wird eine große Bedeutung beigemessen: »Das Museum, auch das industriegeschichtliche Museum, ist und bleibt in erster Linie eine Schule des Sehens. Die Objekte sind Quellen aus erster Hand. Texte und andere Medien, die vertiefende und ergänzende Informationen bieten, sind als Angebote zur Sehhilfe zu verstehen.«11 Der Arbeitsplatz steht im Mittelpunkt, aber nicht nur in seiner technisch-organisatorischen Seite, sondern auch mit Blick auf die Menschen an diesen Arbeitsplätzen. Großes Gewicht wird dem Thema der Ungleichheit von Frauen und Männern in der Arbeitswelt und bei der Reproduktionsarbeit gegeben. Schließlich sollen die Besucher_innen im Mitmachmuseum die Gelegenheit bekommen, Maschinen unter Anleitung selber zu nutzen, um so »die sinnlich-praktische Qualität von Arbeit« erfahren zu können. Zusammengefasst: Es geht um »eine kritische Bilanzierung des Industriezeitalters«.12 Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, zu dem auch Sonderausstellungen beitragen sollen, die hier nicht betrachtet werden, stehen fünf Abteilungen zur Industrialisierungsgeschichte und eine Abteilung zur »Kulturge-
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Schürmann, Sandra: Das Fabrik-Ensemble des Museums der Arbeit. Zeuge der Industrialisierung Hamburgs in Barmbek, Hamburg 2017, S. 43-45. Kosok: Katalog MdA, S. 21. Ebd., S. 13.
9 Das Museum der Arbeit in Hamburg
schichte der Geschlechter« zur Verfügung. Die letztgenannte Abteilung, bis 2010 im zweiten Stockwerk des Museums untergebracht, ist nur noch im Katalog dokumentiert, da im Rahmen der Erneuerung der Dauerausstellung 2012 das »ABC der Arbeit« an ihre Stelle getreten ist.13 Inwieweit kommen Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie in den Abteilungen einschließlich der neuen Abteilung »ABC der Arbeit« zum Ausdruck?
Soziale Demokratie in der Dauerausstellung Die Ausstellung gliedert sich in Einzelgeschichten. Der Bogen spannt sich von den unterschiedlichsten, meist kleinen Objekten aus der Zeit der Hochindustrialisierung, über einen nahezu komplett rekonstruierten Arbeitsort einer Metallwarenfabrik, ein Ensemble zu »Mechanisierung und Ende des Buchdrucks«, eine Installation zu »Arbeit im Kontor – Handel mit Übersee« bis hin zu einer kleinen Fabrikgeschichte des Hamburger Gummiwaren-Unternehmens, in dem das Museum sein Zuhause gefunden hat. Diese Präsentationen befinden sich im Erdgeschoß und in der ersten Etage des Museums und bilden eine Einheit. Sie sollen deshalb als erste kurz besprochen werden. Mit den Einzelobjekten soll der Besucher einen ersten Eindruck von den Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiterschaft in der Hochindustrialisierung bekommen. Der Bogen reicht vom Henkelmann über die Spuckfläschchen für Tuberkulosekranke, eine Arbeiter-Kontrolluhr, eine Arbeitsordnung von 1892 bis hin zum Streikausweis vom großen Hamburger Hafenarbeiterstreik von 1896, um nur einige Beispiele zu nennen. Alle Objekte bedürfen der Einordnung, was der Katalog und der Audioguide leisten.14 Es entsteht ein vielfältiges Panorama, in dem zahlreiche Themen der Erinnerungskulturen sozialer Demokratie angesprochen werden, ohne sie jedoch systematischer zu entfalten. In der zweiten Abteilung, der Metallwarenfabrik Carl Wild, einer kleinen Anstecknadelfabrik, wird ein detaillierter Einblick in die Arbeitsbedingungen und sozialen Strukturen eines inhabergeführten Unternehmens ermöglicht. Eine mit einer Fensterfassade umgebene Haus-in-Haus-Installation präsentiert die verschiedenen Arbeitsplätze einer Anstecknadelproduktion. 13 14
Katalog ABC der Arbeit, passim. Schneider, Ursula: Katalog MdA, S. 23-34.
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Abb. 22: Metallwarenfabrik Carl Wild.
In einer angeschlossenen museumspädagogischen Werkstatt werden einzelne Prozesse der Herstellung von Anstecknadeln vorgeführt und die Besucher können sich selber mit Stahlstempeln ein individuelles Andenken fertigen. Imposant ist auch die Ausstellung der unterschiedlichsten Anstecknadeln, die ihren eigenen Reiz haben. Wir lernen – anhand der ausgestellten Anstecknadeln wie aus dem Katalogtext –, dass der Deutschnationale Handlungsgehilfen-Verband Großkunde war und der Bedarf nach Anstecknadeln in der Zeit der Nazi-Diktatur immens anstieg.15 Über betriebliche Mitbestimmung, Gewerkschaft und Tarifvertrag kann man bei Wild nichts erfahren. Es gab sie in diesem Familienunternehmen von 1901 bis 1989 schlicht nicht, trotz der eklatanten Benachteiligung der Arbeiterinnen, die sich von ungelernten Arbeitskräften zu »Alleskönnerinnen« emporgearbeitet hatten, aber trotzdem weiterhin wie Hilfsarbeiterinnen bezahlt wurden.16
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Bornholdt, Rolf/Schulze, Thomas/Tetzlaff, Sven: Katalog MdA, S. 35-52, hier S. 48. Ebd., S. 42f.
9 Das Museum der Arbeit in Hamburg
Die Abteilung zur Geschichte des Buchdrucks ähnelt der vorangegangenen Abteilung. Druckmaschinen unterschiedlicher Entwicklungsstufen sind ausgestellt und die Besucher_innen haben auch die Möglichkeit, unter Anleitung ihren eigenen Druck zu produzieren. Dabei stehen die Praxisexperten, ehemalige Drucker und Setzer, nicht nur als technische Fachleute, sondern auch als ehemals abhängig tätige Arbeitnehmer und Interessenvertreter zum Gespräch zur Verfügung. Ein reizvolles Angebot. Die Benachteiligung der Frauen in der Druckerei wird am Beispiel der Anlegerinnen bei Schnellpressen thematisiert, die nur Hilfsarbeiten ausführen durften und nicht durch Anlernen in den Beruf des Druckers aufsteigen konnten.17
Abb. 23: Schnellpresse Bohn & Herber, Würzburg um 1890.
In diesen Kontext der Diskriminierung von Frauen wird auch der erste Flächentarifvertrag im Druckgewerbe von 1873 gestellt, wie auf der Ausstellungstafel »Reaktionen auf die Schnellpresse« zu lesen ist: »Die Buchdruckergehilfen sperrten sich gegen den Einsatz von Nicht-Fachkräften bei der 17
Bönig, Jürgen: Katalog MdA, S. 55-72, hier S. 63f.
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Einrichtung von Druckmaschinen. Sie empfanden besonders Frauen als Konkurrentinnen […]. Ab 1873 sicherte eine Tarifgemeinschaft zwischen der Gehilfenorganisation Verband der Buchdrucker und dem Unternehmerverband Deutscher Buchdrucker-Verein für Jahrzehnte den Buchdruckern die höchsten Tariflöhne aller Gewerbe. Diese Gemeinschaft regelte auch die Frage der Maschinenbesetzung einvernehmlich zwischen Unternehmern und Gehilfen – auf Kosten der Angelernten und besonders der Frauen.« Und im Katalog wird noch nachgelegt: »Mehr als andere abhängig Beschäftigte waren die Buchdrucker Herren ihrer Arbeit, hielten aber zugleich die Hilfskräfte, besonders die Frauen, von ihrer Organisation fern und nahmen sie bei der Arbeit selbst, in der Gewerkschaft und ihrer Geschichtsschreibung nur am Rande zur Kenntnis.«18 So richtig diese knappe und pauschale Beschreibung ist, sie abstrahiert völlig von der grundlegenden Bedeutung des Tarifvertrages, der eben die Einschränkung der Konkurrenz auf Seiten der abhängig Beschäftigten zum Ziel hat. Dass dieses Ziel in den 1870er Jahren und viele Jahrzehnte danach auch um den Preis des Ausschlusses von Frauen verfolgt wurde, ist ein besonderer, wichtiger Akzent dieser Ausstellung. Aber vielleicht könnte man die Museumsbesucher_innen mit dieser wichtigen Information nicht alleine lassen und die besondere Bedeutung des ersten Flächentarifvertrages in Deutschland auch thematisieren? Dass die Spaltung zwischen Fach- und Hilfsarbeit im Druckereigewerbe sehr ausgeprägt gewesen ist, hat Uwe Fuhrmann in seiner Biografie über Paula Thiede dargestellt. Paula Thiede war die erste weibliche Gewerkschaftsvorsitzende und stand von 1898 bis 1919 an der Spitze des Verbandes der Buchund Steindruckerei-Hilfsarbeiter und –Arbeiterinnen Deutschlands, einer anfänglich reinen Frauengewerkschaft.19 Die Abteilung »Überseehandel mit Kautschuk und Kakao« ist ein beeindruckendes Ensemble, das zum einen den Alltag in einem Handelskontor und zum anderen den Handel mit der kolonisierten Welt zum Thema hat. Hier soll lediglich ein näherer Blick auf die Arbeitsbeziehungen an einem Büroarbeitsplatz geworfen werden. In der Ausstellung wird durch die Gegenüberstellung von zwei Arbeitsplätzen deutlich gemacht, dass Frauen die Hilfstätigkeiten und Männer die Leitungsaufgaben wahrnahmen. Die besondere sozial- und arbeitsrechtliche Stellung der Angestellten wird thematisiert und im Katalog 18 19
Ebd., S. 61f. Fuhrmann, Uwe: »Frau Berlin«. Paula Thiede (1870-1919). Vom Arbeiterkind zur Gewerkschaftsvorsitzenden, Konstanz 2019, S. 43-61 u. S. 79-93.
9 Das Museum der Arbeit in Hamburg
erfährt man, dass der Deutschnationale Handlungsgehilfen-Verband (DHV) unter den »Kaufmannsgehilfen« besonders erfolgreich war.20
Abb. 24: Kontor der Hamburger Fettschmelze/Fa. Deutschmann & Augustin, 1919/1925.
Der DHV war uns schon als Großkunde der Firma Wild begegnet, nun wird er als Angestelltengewerkschaft erwähnt. Leider bietet der Katalog auch an dieser Stelle keine Einordnung dieser deutschnationalen Gewerkschaft. Lediglich die Tafel »Angestelltengewerkschaften« in der Ausstellung gibt genauere Auskunft. Der DHV wird zutreffend als »stark berufsständisch orientierte« Gewerkschaft charakterisiert, die Frauen die Mitgliedschaft verweigerte. Hier erfährt man auch, dass es andere, sozialdemokratisch orientierte Angestelltengewerkschaften gab, wobei die zahlenmäßig bedeutsame liberale Richtung, der Gewerkschaftsbund der Angestellten (GdA), unerwähnt bleibt. Da selbst heute noch ein DHV als sog. christliche Angestelltengewerkschaft
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Bargholz, Christina/Holsten, Nina: Katalog MdA, S. 73-92, hier S. 79.
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gelegentlich erwähnt wird, wäre eine ausführlichere Einordung des historischen DHV sicher nicht verkehrt. Die letzte der Industrialisierungs-Abteilungen handelt von Kautschuk und Gummi und ihrer industriellen Bearbeitung in der ›New-York Hamburger Gummi Waaren Compagnie‹ anhand zahlreicher Ausstellungsstücke. Eine Attraktion ist die Kammschneidemaschine, die noch in Betrieb gesetzt wird und die die Arbeitsbelastungen durch Schmutz und Staub verdeutlichen kann.
Abb. 25: Kammsäge aus der New-York Hamburger.
Die Erläuterungen zu den Arbeitsbeziehungen in der Gummiwarenfabrik sind dagegen ein wenig diffus, um es vorsichtig zu formulieren. Wir erfahren immerhin, dass der Fabrikarbeiterverband, eine Vorläuferorganisation der IG Chemie-Papier-Keramik, heute IGBCE, in den Hamburger Gummifabriken gut organisiert war und dass die »fortschrittliche Betriebsvereinbarung von 1946« sich auf einen Betriebsrat gründete, der sich auf eine gut organisierte
9 Das Museum der Arbeit in Hamburg
Belegschaft verlassen konnte.21 Ansonsten werden wichtige Fragen aneinandergereiht, da es zum Zeitpunkt der Drucklegung des Kataloges offensichtlich keine Firmengeschichte gab. Dass die Ausstellungsbesucher_innen und/oder Leser_innen des Kataloges nun selber Antworten finden sollen, wie denn das Verhältnis von deutscher Belegschaft und Zwangsarbeitern gewesen sei oder warum es verfolgte Sozialdemokraten in der Betriebsgemeinschaft während der NS-Zeit aushielten oder warum »so wenige Ehemalige« sich an den nationalsozialistischen Alltag im Betrieb erinnerten, ist eine nicht zu bewältigende Aufgabe. Und dass zumindest einmal die Worte Betriebsrat und Betriebsvereinbarung gefallen sind, ist begrüßenswert, wenngleich der Besucher selber wissen muss, was das ist.22 Der Zwangsarbeitereinsatz im zweiten Weltkrieg wird mit Fotos dokumentiert, die Zuwanderung der ›Gastarbeiter‹ ist kein Thema mehr. Das Thema Migration wurde dagegen in der heute nicht mehr ausgestellten Abteilung »Zur Kulturgeschichte der Geschlechter« aufgenommen. Die bisherige Blickrichtung der ›alten‹ Ausstellung änderte sich grundlegend. Es ging nicht mehr um Industrialisierungsgeschichte, sondern Geschlechtereher Frauengeschichte weit über den Hamburger Raum hinaus.23 Die Benachteiligung von Frauen wurde beispielhaft an den Arbeitsplätzen in der Fischindustrie gezeigt und die Geschichte unehelicher Mütter in Hamburg erzählt, zwei von weiteren Beispielen aus der Region. Danach spannt sich der Bogen über die Frage der Vereinbarkeit von Elternschaft und Beruf bis zu den Verhältnissen in der DDR und in Schweden. Es ging hier um die Arbeitszuteilung aufgrund des Geschlechts in der Erwerbs- und Reproduktionsarbeit, wobei letztere markant mit »Arbeitsplatz Kind« bezeichnet wurde. Den türkischen Migrantinnen ist im Katalog ein eigenes Unterkapitel gewidmet, die in der Hamburger Fischindustrie ca. 80 Prozent der Arbeitnehmerinnen stellten.24 Zur Kulturgeschichte der Geschlechter gehörte auch noch eine umfängliche Reihe »Kontinuität und Veränderung von Geschlechterrollen in Bildern«, die im Katalog ausführlich dokumentiert ist.25 Das Anliegen der Gleichstellung der Geschlechter war in diesem Teil der Ausstellung bestens aufgehoben. Der neue Teil der Dauerausstellung von 2013, das »ABC der Arbeit«, wurde als Weiterentwicklung der Ausstellung, als »temporäre Dauerausstellung« 21 22 23 24 25
Ellermeyer, Jürgen: Katalog MdA, S. 93-112, hier S. 112. Ebd., S. 111. Dücker, Elisabeth u.a.: Katalog MdA, S. 113-131. Kelek, Necla: Katalog MdA, S. 130f. Schneider, Ursula/Frahm, Margit: Katalog MdA, S. 132-153.
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Abb. 26: Raumansicht Innovationen.
präsentiert, da zur kompletten Erneuerung der Dauerausstellung schlicht die finanziellen Mittel fehlten.26 Bevor der Katalog sich den großen Themenblöcken Innovationen, Lebensgeschichten und Vielfalt der Berufe zuwendet, werden Grundprinzipien der Musealisierung von Alltagsgegenständen und die damit verbundene Sammlungsstrategie erläutert. Es liest sich wie eine Anleitung an ein breiteres Publikum zur Sammlung von Objekten aus der Arbeitswelt.27 Im Teil Innovationen werden chronologisch geordnete kurze Geschichten erzählt. Hier interessiert vor allem der Teil »Soziale Innovationen«. Der Bogen spannt sich vom »Kampf um soziale Sicherungssysteme« über »Arbeitskämpfe« bis zur »Veränderung der Arbeitszeit«. Das System der sozialen Sicherung wird anhand eines Schulwandbildes präsentiert, ein Überblick über die Geschichte des Tarifwesens gegeben und der Kampf um die Verkürzung der Arbeitszeit von 1860 bis 2011 thematisiert. Die Geschichten sind knapp, aber eine kompakte Einheit, die viele Zusammenhänge herstellen, die in der Ausstellung ansonsten fehlen. Die folgenden acht Lebensgeschichten laden 26 27
Katalog ABC der Arbeit, S. 7. Ebd., S. 14-23.
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ein, die sozialgeschichtlichen Entwicklungen in den Biografien zu entdecken. Und die Vielfalt der Berufe aus Handwerk, Produktion und Dienstleistung verdeutlicht den rapiden technischen und sozialen Wandel.
Abb. 27: Raumansicht ABC der Arbeit, Arbeitskämpfe.
Das ABC der Arbeitswelt, aktuell ergänzt um Materialien zum Kampf für den gesetzlichen Mindestlohn, ist voller Schätze zu den Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie, die hier im Detail nicht aufgelistet werden können. Allerdings ist die Ästhetik der Abteilung recht gleichförmig und man kann auf Grund der Überfülle an Exponaten leicht orientierungslos werden.
Fazit Das Museum der Arbeit hat mit seiner Dauerausstellung Museumsgeschichte geschrieben.28 Der Fokus auf Geschlechtergeschichte, der sich durch alle 28
Eine kurze prägnante Charakterisierung des Museums bei Roeckner: Ausgestellte Arbeit, S. 67-69.
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Ausstellungsabteilungen zieht, ist eine bedeutende Innovation. Die Beispiele aus der Industrialisierungsgeschichte ermöglichen eine Annäherung an vergangene Arbeitswelten, an Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie, die sehr unterschiedlich sind. Da sind die gewerkschaftlich gut organisierten Drucker, die Frauen den Aufstieg in den Facharbeiterinnenstatus verwehren, da ist die mittelständische Metallwarenfabrik, die nie einen Betriebsrat oder Tarifvertrag kannte, und das Handelskontor, in dem der Deutschnationale Handlungsgehilfen-Verband sein Unwesen trieb, um nur drei Beispiele zu nennen. Die Dauerausstellung beeindruckt durch diese Multiperspektivität und den radikalen Verzicht auf eine Erfolgsgeschichte der Arbeiterbewegung, die eben eine Geschichte des Aufstiegs, der Rückschläge, der Irrungen und Wirrungen gewesen ist. Insoweit trägt das Erinnern an vergangene Arbeitswelten agonale Züge. Partizipation hat einen hohen Stellenwert. Das Museum der Arbeit ist nicht nur ein Mitmachmuseum, es integriert Zeitzeugen als eigenständige Akteure und es lädt das Publikum ein, seine eigenen bedeutsamen historischen Dinge zur Sammlung beizutragen. Und nicht zuletzt gibt es einen regen Verein der Freunde mit über 1200 Mitgliedern. Das Museum der Arbeit hat sich aufgemacht, die Dauerausstellung grundlegend zu überarbeiten, die Brancheneinteilung aufzuheben und den Wandel des Arbeitsbegriffs aufzugreifen. Es soll zukünftig um die weitere Musealisierung einer Kulturgeschichte der Arbeit gehen, ohne den Charakter eines Mitmachmuseums und Erlebnisortes aufzugeben. Der rasante Wandel in der Arbeitswelt soll zum Thema des Museums werden, um Impulse für den Strukturwandel zu geben. Dafür soll das Museum ein offenes Museum bleiben, ein Diskussionsforum, »ein Ort des gesellschaftlichen Diskurses über Veränderungen in der Arbeitswelt und Gesellschaft«, so die amtierende Direktorin Rita Müller.29
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Müller, Rita: Das Museum für Arbeit. Vom klassischen Industriemuseum zum Ort mit gesellschaftlicher Relevanz, in: mit arbeit 23 (2017), S. 49-52.
10 Das Ruhr Museum in Essen – vom Klassenkampf zum sozialverträglichen Strukturwandel?
Das Ruhr Museum auf dem Weltkulturerbe Zollverein in Essen-Stoppenberg öffnete seine Tore 2010 im Jahr der europäischen Kulturhauptstadt RUHR.2010. Die Wurzeln des Ruhr Museums sind vielfältig, lassen sich aber vielleicht in drei Strängen zusammenfassen. Bedeutsam sind in diesem Zusammenhang die Universitätsgründungen an der Ruhr, die Entdeckung der Industriekultur und eine neue Geschichtsbewegung im industriellen Ballungsraum.
Der fruchtbare Boden für ein Regionalmuseum Die überaus erfolgreiche Sozial- und Alltagsgeschichte an der 1965 neu gegründeten Ruhr-Universität Bochum und später auch der Universität/Gesamthochschule Essen gaben wegweisende Impulse, indem sie der Geschichte des industriellen Ballungsraums Ruhrgebiet besondere Aufmerksamkeit widmeten und das Interesse ganzer Generationen von jungen Historiker_innen, die vielfach selbst aus dem Ruhrgebiet stammten, für die Regionalgeschichte ihrer Heimat weckten.1 Hinzu kam die Entdeckung der Industriekultur in den 1960er/1970er Jahren, die auf die ästhetischen und bauhistorischen Qualitäten älterer Industriebauten aufmerksam machte und sich für ihre Erhaltung einsetzte.2 Ein 1
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Reulecke, Jürgen: Erinnerungen an eine im Ruhrgebiet entstandene »Erforschungskultur« in den frühen 1970er Jahren; https://www.geschichtskultur-ruhr.de/wp-content/ uploads/Geschichtskultur-im-Ruhrgebiet.pdf (Zugriff 12.10.2018). Berger: Industriekultur und Strukturwandel, S. 571-601, hier S. 574-581.
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Abb. 28: Das Ruhr Museum in Essen, Außenansicht Kohlenwäsche.
wesentlicher Treiber dieser Entwicklung war die von 1989 bis 1999 durchgeführte Internationale Bauausstellung Emscher Park, die mit zahlreichen Projekten die Erneuerung des mittleren Ruhrgebiets vorantrieb. Ausgehend von einer positiven Bewertung der industriellen Vergangenheit, gleichsam als Kraftquelle für den anstehenden Strukturwandel, wurde eine bedeutende Zahl von Industrieanlagen vor dem Verfall gerettet, musealisiert und auch neuen Nutzungen zugeführt. Mit der Route der Industriekultur wurden die Objekte im Ruhrgebiet verbunden und nicht zuletzt als touristische Highlights breit beworben.3 Eine weitere wichtige ›Hinterlassenschaft‹ der IBA Emscher Park ist die mit der Route der Industriekultur verbundene Route der Industrienatur, die die bedeutendsten renaturierten Industriebrachen und
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Grütter, Heinrich Theodor: Industriekultur als Geschichte. Zu einer visuellen Rhetorik historischer Zeiten, in: Rüsen, Jörn (Hg.): Zeit deuten. Perspektiven – Paradigmen – Epochen, Bielefeld 2003, S. 376-394, hier S. 386f.
10 Das Ruhr Museum in Essen
Bergehalden zusammenfasst. Sie sind als Freizeiträume neu gestaltet worden und sollen ein besonderes Naturerlebnis vermitteln.4 Schließlich hatte sich im Ruhrgebiet in den 1970er Jahren eine breit getragene Geschichtsbewegung herausgebildet, die sich vor dem Hintergrund des dramatischen Strukturwandels in der Montanindustrie insbesondere der Alltagsgeschichte der kleinen Leute zuwandte, und schließlich mit dem Forum Geschichtskultur, einem Geschichtsverein, einen organisatorischen Mittelpunkt gefunden hatte.5 Initiatoren des Vereins waren 1992 neben anderen der damalige Geschäftsführer der IBA Emscher Park Karl Ganser und der Direktor des Ruhrlandmuseums Ulrich Borsdorf. Das Ruhrlandmuseum in Essen, seit 1986 unter der Leitung von Ulrich Borsdorf, hatte mit seiner Dauerausstellung zur Industrie- und Sozialgeschichte des Ruhrgebiets »Arbeit und Alltag um 1900«6 schon einen viel beachteten Beitrag zur musealen Präsentation einer Kultur- und Sozialgeschichte der Arbeit geliefert,7 der jedoch im Rahmen eines städtischen Museums nur eine begrenzte Reichweite hatte. Mit der Umnutzung der Zeche Zollverein Schacht XII, die nach der Stilllegung 1986 unter Denkmalschutz gestellt worden war, und der umfassenden Sanierung des Geländes ergab sich die Möglichkeit, einen neuen Standort für das Ruhrlandmuseum zu finden, das dann gleichzeitig unter neuem Namen als Ruhr Museum seinen regionalen Anspruch signalisierte. Das einzigartige Ensemble von Bauten und Maschinerie auf Zollverein, die den Höhepunkt der Bergbauindustrie im 20. Jahrhundert symbolisieren, ist die ideale Kulisse für ein Ruhr Museum, das die Geschichte der Industrialisierung zum Thema hat. Das Museum fand schließlich seinen Platz in der Kohlenwäsche der Zeche, dem größten Gebäude der gesamten Anlage.8
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Eiringhaus: Industrie wird Natur, S. 13-26. Geschichtskultur im Ruhrgebiet: Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft. 7. Geschichtskonvent Ruhr, 24.11.2017, in: Forum Geschichtskultur Ruhr, Beilage zur Ausgabe 01/2018. Ruhrlandmuseum (Hgg.): Die Erfindung des Ruhrgebiets, passim. Grütter, Heinrich Theodor: Kultur- und Sozialgeschichte der Arbeit in Museen, in: Jelich, Franz-Josef (Hg.): Wegweiser zu industrie- und sozialgeschichtlichen Museen und Dauerausstellungen in Nordrhein-Westfalen, Essen 2005, S. 329-350, hier S. 346-348. Borsdorf, Ulrich/Grütter, Heinrich Theodor (Hgg.): Ruhr Museum. Natur. Kultur. Geschichte, Essen 2010, S. 24-29; im Folgenden zitiert als Katalog Ruhr Museum.
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Konzeptionelle Vorarbeiten Die vorbereitenden konzeptionellen Arbeiten für das neu zu schaffende Ruhr Museum zogen sich über einen Zeitraum von knapp zehn Jahren und können hier nicht in allen Details dargestellt werden. Im Sommer 2003 legte Ulrich Borsdorf für den neu geschaffenen ›Aufbaustab RuhrMuseum‹ ein Exposé vor, das im Herbst desselben Jahres, ergänzt um einen Fragenkatalog, Gegenstand eines Großen Ratschlages wurde, an dem sich knapp 50 Wissenschaftler_innen und Praktiker_innen beteiligten. Die mündlichen und weitere schriftliche Stellungnahmen des Großen Ratschlages sind dokumentiert und erlauben zusammen mit einer Analyse des Exposés eine erste Annäherung an das museale Konzept des Ruhr Museums. Im Exposé ist in zehn knappen Grundsätzen die Intention des Ruhr Museums formuliert worden, die in komprimierter Form kurz vorgestellt werden soll. Es wird konstatiert, dass sich vor allem in der jüngeren Generation eine Ruhrgebiets-Identität herausgebildet habe, und dass das neue Ausbildungsbürgertum an der Ruhr »der immateriellen Lebensqualität – der Kultur – einen höheren Stellenwert« beimesse.9 Das Geschichtsbewusstsein der Region sei sehr lebendig und es habe sich vor dem Hintergrund der Industrialisierungsgeschichte eine besondere Sensibilität für das Verhältnis von Natur und Umwelt entwickelt. Daraus folgt: »Das RuhrMuseum soll die Gesamtheit der natur- und kulturgeschichtlichen Entwicklungen der Region thematisch aufgreifen und dabei die beiden letzten Jahrhunderte in die Zentralachse seiner im Übrigen weiten Perspektive stellen.«10 Es soll ferner mit Blick auf das Verhältnis von Industrie und Natur »Regionalgeschichte in universalhistorischer Absicht« betrachten, wie es in dem von Franz-Josef Brüggemeier verantworteten Kapitel ›Themen‹ heißt. Hinsichtlich der Art der musealen Präsentation wird in den Grundsätzen ein überaus großer Anspruch formuliert, der sicherlich zur damaligen Zeit auch als Ansporn für die eigene Arbeit dienen sollte: »Das RuhrMuseum soll in seinem präsentationsästhetischen Auftritt die kritische, radikale Summe der gegenwärtigen Tendenzen des Museumsund Ausstellungswesens darstellen. Es soll ein spartenübergreifendes ›CrossOver‹-Projekt zwischen Natur und Kultur sein und die Rolle eines Forums der Auseinandersetzung mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft (ehemaliger) Industriegesellschaften spielen. Das RuhrMuseum sollte das moderns9 10
RuhrMuseum auf Zollverein, Exposé, o. O. u. o.J. (2003), S. 4. Ebd.
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te seiner Art sein, ein einzigartiger topos memoriae und eine zukunftsoffene, dynamische Institution mit Beispielcharakter.«11 Für das Ruhrgebiet, so abschließend, könnte das Ruhr Museum die Funktion eines kulturellen Gedächtnisses erfüllen, das das Verhältnis von Natur und Zivilisation im größten europäischen Ballungsraum am deutlichsten zum Ausdruck bringt. Mit Gottfried Korff hatte sich der ›Aufbaustab RuhrMuseum‹ prominenter Unterstützung versichert. Im Exposé zeichnet er für das Kapitel ›Deponieren, Exponieren‹ gemeinsam mit Ulrich Borsdorf, und im Anhang des Exposés ›Zur Eigenart der Museumsdinge‹ alleine verantwortlich. Korff und Borsdorf plädieren für eine neue Dialektik von Deponieren und Exponieren, für Dingarrangements und Szenarien, die »nicht mehr nur retrospektiv, antiquarisch und auf historisches Verstehen ausgerichtet [sind, W. J.], sondern auch auf eine Erhellung von Gegenwart und Zukunft.«12 Ziel der Szenografie sei nicht Kontemplation, »sondern Kommunikation – im Sinne des Verstehens einer dem Subjekt entgegentretenden Objektwelt.«13 Schließlich verbinde sich mit dem Ruhr Museum die Chance, das Sparten-Museum zu überwinden, das sich entlang wissenschaftlicher Fachdisziplinen entwickelt habe, aber im Auge und Denken des Besuchers nur bedingt eine Rolle spiele.14 In seinen Ausführungen zur Eigenart der Museumsdinge erinnert Korff an die Spezifik des Museums, den Umgang mit authentischen Objekten, die als Fragmente, als Überreste überliefert sind, und der Erläuterung durch Re-Kontextualisierung und Re-Dimensionierung bedürfen.15 Die Umschreibung der Themen des zukünftigen Ruhr Museums von Franz-Josef Brüggemeier fokussiert auf das Ruhrgebiet als Experimentierfeld moderner Industriegesellschaften hinsichtlich ökologischer, sozialer und politischer Herausforderungen.16 Klaus Tenfelde macht schließlich im Anhang des Exposés unter dem Titel ›Sozialgeschichte: Menschen und Strukturen‹ auf die größte Herausforderung für das Ruhr Museum aufmerksam. Es geht um die museale Darstellung des Sozialen. Die Vergesellschaftung von Menschen in sozialen Gebilden ist nicht nur hochkomplex, sondern sie kann nicht einfach in Bilder oder Räume übertragen werden. »Es gibt«, so Tenfelde, »weltweit nicht ein einziges Museum, das sich die Erfahrungen des sozial 11 12 13 14 15 16
Ebd., S. 5. Ebd., S. 14. Ebd., S. 15. Ebd., S. 16. Ebd., S. 75-79. Ebd., S. 19-24.
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gemachten und Soziales machenden Menschen zur zentralen Aufgabe stellte – immer ist das Problem wohl erkannt worden, aber in der Museumsarbeit ist es dann abgestürzt zur technikgeschichtlichen Monsterpräsentation, zum nostalgischen Freilicht-Gehege, zum sozialen Beiwerk der großen Menschen und Ereignisse und zu einer schlichten Heimattümelei oder verklärenden Proletariersicht. Es muss das Ziel des künftigen Museums sein, das Problem der Darstellbarkeit des Sozialen exemplarisch zu lösen.«17 Höher könnten die Erwartungen an ein neues Museum wahrlich nicht sein. Der Große Ratschlag, die Stellungnahmen aus der Wissenschaft zu einem Ruhr Museum auf Zollverein vom Oktober 2003, steckte ein weites Feld ab, von dem hier nur die für unsere Untersuchung relevanten Themen angeschnitten werden sollen. Es geht um die grundsätzlichen Fragen, ob das Ruhr Museum einem großen Narrativ, einer Meistererzählung folgen, ob es den Auftrag zur Schaffung von Ruhrgebiets-Identität annehmen solle, und ob das Konzept der Verbindung von Natur- und Kulturgeschichte sinnvoll sei. Eine Meistererzählung als gleichsam teleologisch erfolgreiche Geschichte wurde nicht nur vom Planungsstab abgelehnt, sondern sie fand auch bei der Wissenschaft keine Unterstützung. Jörn Rüsen plädiert dagegen für eine neue Meistererzählung des Ruhrgebiets, die den Problemlagen in der Region gerecht wird. Mit seinen Kriterien der Multiperspektivität, der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, der Spiegelung im Anderen, dem rekonstruktiven Zukunftsbezug und der inneren Ambivalenz der historischen Erfahrung entfaltet er Orientierungspunkte, die einer glatt geschliffenen Meistererzählung älteren Typs im Wege stehen.18 Hinsichtlich des Identitätsbegriffs ist eine größere Zurückhaltung festzustellen und der Begriff der Entität (So-Sein, Da-Sein) Ruhrgebiet tritt an seine Stelle. Er bietet die Möglichkeit, die Vielfältigkeit, das Widersprüchliche, die Spannung zwischen Eigenem und Anderem, zwischen Fremd- und Eigenbild, zu thematisieren.19 Ein Museum, so Borsdorf in seinen Nachbetrachtungen zum Großen Ratschlag, habe eher die Aufgabe, Identität in Frage zu stellen. Das Museum müsse ein Ort »des
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Ebd., S. 91f. Rüsen, Jörn: Zur Repräsentationslogik des Visuellen, in: Großer Ratschlag. Stellungsnahmen aus der Wissenschaft zu einem Ruhr Museum auf Zollverein. Dokumentation der Tagung am 17./18. Oktober 2003, o. O. u. o.J., S. 77-80. Wierling, Dorothee: Ein Ruhr Museum im Ruhrgebiet – Das Ruhrgebiet im Ruhr Museum, in: ebd., S. 97-100.
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(produktiven) Befremdens, des Verrückens scheinbarer Gewissheiten« sein.20 Dass das spätere Ruhr Museum als »Eingangsportal« zur identitätssuchenden Metropole Ruhr an dieser Stelle später Konzessionen gemacht hat, wird noch zu thematisieren sein. Deutliche Kritik wird am Konzept der Verbindung von Natur- und Kulturgeschichte formuliert. Klaus Tenfelde mutmaßt, dass die Zwänge der umfangreichen bedeutenden Sammlungsbestände des Ruhrlandmuseums zur Geologie und Naturkunde zur »Tugend eines Konzepts über ›Natur und Kultur‹« geführt hätten, das aber nur schwerlich überzeugen könne.21 Richtig ist, dass von Anfang an mit der Gründung des Ruhr Museums eine Übernahme des Ruhrlandmuseums in das neue Museum angedacht war. Auch Wilfried Loth, der sich für das Ruhrgebiet als europäischen Geschichtsort stark macht, plädiert dafür, die archäologischen und naturgeschichtlichen Bestände des Ruhrlandmuseums nicht im Rahmen der Dauerausstellung zu präsentieren, sondern sie an einem anderen Ort auf Zollverein zu zeigen, ein Gedanke, dem sich auch Lutz Niethammer anschließt.22 2004 folgte noch eine Vortragsreihe auf Zollverein, die zusammen mit dem Kulturwissenschaftlichen Institut Essen veranstaltet wurde. Ohne die Beiträge hier im Einzelnen vorstellen zu können, sie »alle definieren die Aufgabe des Museums nicht in der Vergangenheitsbewältigung, sondern in der Gegenwartserkenntnis und vor allem in der Zukunftsorientierung.«23 Mit dem Konzept vom November 2005, das nach der Vortragsreihe und dem Großen Ratschlag entstand, wurden die Weichen für den Aufbau der Dauerausstellung im entstehenden Ruhr Museum gestellt. Das ›Cross-OverProjekt‹ der Verbindung von Natur- und Kulturgeschichte wurde in Angriff genommen und die Hoffnung formuliert, dass das Ruhr Museum der Durchbruch zu einem neuen Paradigma der Geschichte des Ruhrgebiets werden könnte.24
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Borsdorf, Ulrich: Guter Rat – Eine vorangestellte Nachbetrachtung, in: ebd., S. 6-12, hier S. 9. Tenfelde, Klaus: Ein Ort der Erinnerung an die Geschichte der großen Industrie, in: ebd., S. 84-86, hier S. 85. Loth, Wilfried: Das Portal zum Ruhrgebiet, in: ebd., S. 62-64; Niethammer, Lutz: Die Ruhrstadt erinnert ihre paradigmatische Geschichte, in: ebd., S. 70-74. Borsdorf, Ulrich/Grütter, Heinrich Theodor/Rüsen, Jörn (Hgg.): Die Aneignung der Vergangenheit. Musealisierung und Geschichte, Bielefeld 2004, Einleitung der Hgg., S. 10. Ruhr Museum. Natur. Kultur. Geschichte auf Zollverein. Konzept November 2005, o. O. u. o.J., S. 8.
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Die Ausstellungsbereiche wurden im Konzept 2005 definiert, zunächst die Mythen im Treppenhaus, es folgen Phänomene, Strukturen und Gedächtnis auf der 17-Meter-Ebene, anschließend sog. Identitäten auf der 11-MeterEbene und schließlich Geschichte auf der 6-Meter-Ebene. Warum das Label ›Identitäten‹ für die vorindustrielle Natur- und Kulturgeschichte gewählt wurde, bleibt angesichts der großen Zurückhaltung gegenüber dem Identitätsbegriff unerfindlich. Der Katalog von 2010 fasst die drei Ebenen in drei Begriffen zusammen: Gegenwart, Gedächtnis, Geschichte.
Die Dauerausstellung Der Einstieg in die Dauerausstellung erfolgt mit der Präsentation typischer Phänomene des aktuellen Ruhrgebiets, von der Industrielandschaft, Stadtraum, Halden und Bergsenkungen über Industriearchitektur, Untertagewelt, Siedlungen, Sprache, Fußball bis Trinkhallen, Kulturen und Industrienatur, um nur einige Beispiele zu nennen. Pfiffige Medienstationen vermitteln Geräusche des Ruhrgebiets, zeigen die untertägige Arbeitswelt und an Terminals erläutern namhafte Personen aus Kunst und Kultur ihre Beziehung zum Ruhrgebiet. Auf großen Projektionsflächen werden vor dem Hintergrund der geografischen Grenzen des Ruhrgebiets vielfältige, überwiegend aktuelle sozialstatistische Daten und Fakten präsentiert, die einen profunden Überblick über die Strukturen des Ruhrgebiets bieten.25 Es folgen, nachdem man eine Glastür durchschritten hat, Zeitzeichen, einzelne Objekte, die größtenteils in schmalen Glasvitrinen ausgestellt sind und von mehreren Seiten betrachtet werden können. Diese Zeitzeichen sind eine vielfältige Mischung aus verschiedenen Zeitschichten, »eine kulturelle und eine natürliche, eine subjektive und eine objektive, eine kurze und eine ewige, die im Ruhrgebiet wie in kaum einer anderen Region durch die Industrialisierung miteinander verbunden sind.«26 Man begegnet nun so unterschiedlichen Objekten wie zum einen dem Helm mit Hitzeschild vom Hochofen, der bergmännischen Kopflampe, der präparierten Staublunge eines Bergmanns oder der Antenne mit Fuchsschwanz, und zum anderen Objekten aus der Natur- und Erdgeschichte des Ruhrgebiets wie
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Katalog Ruhr Museum, S. 64-157. Ebd., S. 161.
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einem Brocken Fettkohle, versteinerten Schachtelhalmen und zahlreichen Fossilien.27 Wird der Besucher im ersten Teil der Ausstellung gleichsam in der Gegenwart abgeholt und mit den naturgeschichtlichen Zeitzeichen schon mit der Erdgeschichte des Ruhrgebiets vertraut gemacht, so muss er im folgenden Teil Gedächtnis auf der 11-Meter-Ebene einen großen Sprung in die Vergangenheit tun, nämlich in die umfassende geologische Geschichte der Naturlandschaft, die Altsteinzeit, die Zeit der Römischen Okkupation über die Christianisierung, Aufklärung, Brandenburg-Preußen, die Geschichte von Flora und Fauna der Region bis zu den archäologischen Sammlungen mit Objekten aus der Antike, um wiederum nur einzelne Beispiele zu nennen. Es geht zum einen um das vormoderne Gedächtnis der Region und zum anderen um den Gedächtnisspeicher, der sich in den Sammlungen des Ruhr(land) Museums niederschlägt. So imposant die ausgestellten Stücke sind, z.B. jene aus der archäologischen Sammlung fremder Kulturräume, der Zusammenhang zur Ruhrgebietsgeschichte erschließt sich nur mit dem Verweis auf die Sammlungsgeschichte des ehemaligen Ruhrlandmuseums.28 Erst danach kommt auf der dritten 6-Meter-Ebene der Ausstellung die Geschichte der Industrialisierung des Ruhrgebiets von 1750 bis zur Gegenwart zu Wort. Aber auch hier werden in einem Prolog die geologischen Voraussetzungen – Karbonzeit, Tektonik, Kohle – (noch einmal) ausführlich thematisiert.29 Die Industrialisierung im Ruhrgebiet beginnt dann mit den Anfängen 1750 und zieht sich in einer 90 Meter langen Längsachse chronologisch bis ins Jahr 2010. Die Seitenachsen dienen als Vertiefungsräume, in denen auch den Stoffen der Industrialisierung, Eisen, Stahl, Erze, Kohle, sowie den Auswirkungen auf die natürliche Umwelt viel Platz eingeräumt wird. Beginnend mit der Etappe der Hochindustrialisierung ab 1870 stehen die Darstellung der sozialen Kämpfe und Konflikte an der Ruhr im Mittelpunkt der Ausstellung. Wird die Entstehungsgeschichte der organisierten Bergarbeiterbewegung nur sparsam vorgestellt, die großen Bergarbeiterstreiks von 1872 bis 1912 werden anhand von Zeitungsausschnitten, Flugblättern, Fotos und Bildern im Gang neben der Hauptachse ausführlicher präsentiert und mit einer kleinen In-
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Ebd., S. 158-169. Ebd., S. S. 172-249. Ebd., S. 254-267.
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Abb. 29: Ruhr Museum, Mittelachse mit Symbolbildern des Industrialisierungsprozesses.
szenierung – Pickelhaube und Degen als Symbol staatlicher Unterdrückung – begleitet. Einen ähnlich prominenten Platz haben der Ruhrkampf von 1920 und ab den 1950er Jahren die Kämpfe für den Erhalt von Bergwerken und Stahlhütten mit vielfältigen Plakaten, Bildern und Medienstationen mit überaus beeindruckenden Filmdokumenten. Wie breit das Ruhr Museum thematisch aufgestellt ist, kann noch ein Blick in die Angebote der Museumspädagogik zeigen. So werden z.B. Führungen zu folgenden Themen angeboten:
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Abb. 30: Präsentation zu den Bergarbeiterstreiks 1872 bis 1912.
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Echt tierisch! Das Tier im Revier von der Urzeit bis heute Ausgegraben! Geschichte(n) aus der archäologischen Fundkiste Schwarzes Gold. Arbeit und Alltag mit der Kohle Zeitzeichen. Museumsdinge erzählen Geschichte(n) Klöster, Burgen, Städte. Mittelalter im Ruhrgebiet Ruhrgebiet heute – Fotogenes Revier? Kohlenpott-Zeiten. Industrialisierung im Ruhrgebiet Neu hier: Ankommen und Heimat finden im Ruhrgebiet Der Erste Weltkrieg. Erinnerungsstücke im Museum Umweltgeschichte und Industrienatur Natur, Kultur und Geschichte des Ruhrgebiets (Hausführung)30
Ruhr Museum. Bildung und Vermittlung: Programm für Schulen, o. O. u. J., S. 6-11.
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Abb. 31: Säbel und Pickelhaube in der Präsentation Bergarbeiterstreiks.
Soziale Demokratie in der Dauerausstellung Wie spiegeln sich nun Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie in der Dauerausstellung des Ruhr Museums wider? In der voluminösen Ausstellung gibt es manche implizite, aber nur vergleichsweise wenig explizite Haltepunkte, die auf die Geschichte der sozialen Demokratie verweisen. Im Teil Gegenwart werden in manchen Stationen – z.B. Untertagewelt, Siedlungen, Trinkhallen – Lebens- und Arbeitsbedingungen mittelbar thematisiert, ohne jedoch damit Fragen der sozialen Ungleichheit aufzurufen. Die präparierte Steinstaublunge verweist z.B. auf die gesundheitsgefährdende Seite der Untertagearbeit. Aber der Kampf um den Gesundheitsschutz ist kein Thema,
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wie auch die knappschaftliche Sozialversicherung der Bergleute in der ganzen Ausstellung keine Erwähnung findet. Im dritten Teil der Ausstellung – Geschichte – wird nur in der Themeninsel Lebensformen die Unsicherheit der proletarischen Existenz angesprochen und die Ungleichheit der Wohnverhältnisse mit Fotos von einer Arbeitersiedlung in Essen und vom Wohnsitz Schloss Landsberg von August Thyssen dokumentiert.31 In der Themeninsel Industrielle Entwicklungen erfährt man dann mit Hilfe von Medienstationen, hinter denen eine größere Zahl von Abbauhämmern aufgestellt ist, etwas über Rationalisierung im Bergbau.
Abb. 32: Industrielle Entwicklungen.
Von den Wohnküchen des Ruhrlandmuseums sind nur drei Wohnküchenherde aus Arbeiterhaushalten übriggeblieben. Am Ende der Ausstellung werden unter dem irreführenden Begriff Milieuwandel am Beispiel der Dortmunder Tafel die neue Armut und die wachsenden sozialen Gegensätze im Ruhrgebiet thematisiert.32 31 32
Ebd., S. 330-333. Ebd., S. 374-377.
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Die Geschichte des sozialen Konflikts nimmt in der Ausstellung einen breiten Platz ein. Die Regulierung dieser Konflikte dagegen kommt nur am Rande vor. Gewerkschaften, betriebliche Mitbestimmung und Unternehmensmitbestimmung werden erwähnt, allerdings ausführlicher nur in drei von rund dreißig Themeninseln.33 Der Betriebsrat als besondere Institution der sozialen Demokratie findet keine explizite Erwähnung. Hinsichtlich des Themenkreises der sozialen Sicherung ist schon darauf hingewiesen worden, dass die legendäre Knappschaft als besondere eigene Sozialversicherung der Bergleute keine Erwähnung findet. Dies ist auch deshalb bedauernswert, weil die von den Bergleuten gewählten Knappschaftsältesten für das alte Bergarbeitermilieu nicht nur als Versichertenvertreter eine besondere Rolle gespielt haben. In der Themeninsel Strukturwandel wird die soziale Abfederung des Strukturwandels mit Hilfe von Sozialplänen, einer Erfindung des Bergbaus, und Vorruhestandsregelungen aufgegriffen.34 Das Thema Bildung als sozialer Platzanweiser wird nicht explizit aufgerufen, die Hinweise auf die Neugründungen von Universitäten an der Ruhr sind dagegen zahlreich. Hinsichtlich der Gleichstellung der Geschlechter ist auf eine Vitrine zur Frauenerwerbsarbeit vor 1914 zu verweisen, und im Rahmen der Darstellung der neuen sozialen Bewegungen auf ein Plakat zum 1. Frauenforum im Revier 1979. Einen breiteren Raum nimmt das Thema Zuwanderung und Integration ein. Eine Themeninsel befasst sich mit den Zuwanderern um 1900 u.a. illustriert mit zwei Sitzbänken aus einem preußischen Eisenbahnabteil 3. Klasse, wie in der ehemaligen Dauerausstellung des Ruhrlandmuseums, und eine weitere Themeninsel mit der Arbeitsmigration 1960 bis 1991.35 Wenngleich Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie im Ruhr Museum nur im beschränkten Maße zu identifizieren sind, so muss herausgestellt werden, dass die Geschichte der sozialen Kämpfe und Konflikte im 19. und 20. Jahrhundert einen zentralen Platz in der Dauerausstellung gefunden hat, eine Anforderung, die Ulrich Borsdorf bereits 1985, damals noch als DGB-Vertreter, für das Haus der Geschichte in Bonn formuliert hatte. Die Folie hinter dieser Geschichte der sozialen Kämpfe und Konflikte ist die des
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Ebd., S. 326-329 Arbeitswelt und Arbeiterbewegung, S. 350-353 Soziale Kämpfe und Konflikte, S. 366-369 Krisen und Proteste. Ebd., S. 362-365. Ebd., S. 322-325.
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Abb. 33: Eisenbahnabteil 3. Klasse.
Wandels vom Klassenkampf zur Sozialpartnerschaft. Aus der massiven Unterdrückung durch Unternehmer und Staat im Kaiserreich, den erbitterten Klassenkämpfen zur Zeit der Weimarer Republik sowie der Zerschlagung der Arbeiterbewegung im Nationalsozialismus ist nach 1945 der Wiederaufbauund Wachstumspakt von Arbeiterbewegung und Unternehmerschaft geworden. Die sozialen Kämpfe an der Ruhr verschwanden nicht, aber sie haben ihren antikapitalistischen Impetus verloren, richteten sich nur noch gegen einzelne Unternehmen und appellierten vor allem an die gesamtstaatliche Verantwortung für einen sozialverträglichen Strukturwandel ohne betriebs-
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bedingte Kündigungen. Im Zeichen des rheinischen Kapitalismus entstand ein ruhrgebietsspezifischer Korporatismus, in dem der politische Konsens von Staat, Gewerkschaften und Unternehmern zum Markenzeichen wurde. Der sozialverträgliche Strukturwandel ist das Narrativ der Region seit den 1960er Jahren und selbstverständlicher Teil der Dauerausstellung.
Abb. 34: Strukturwandel.
Der Geschichtsteil der Ausstellung hat vieles von einer Meistererzählung der Industrialisierung, in der die standardisierte Industriearbeit in Kohle und Stahl das dominante Narrativ ist. Sabine Kritter reklamiert eine Imaginationskrise der Arbeit, da das kulturhistorische Museum noch nicht verstehe, Arbeit jenseits von Industriearbeit auszustellen und somit in der Vergangenheit verhaftet bleibe.36 Aber auch für die Vergangenheit konstatiert sie, dass
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Hierholzer, Vera: Rezension zu: Ruhr Museum, 20.01.2010 Essen, in: H-Soz-Kult, https://www.hsozkult.de/exhibitionreview/id/rezausstellungen-133, veröffentlicht am 15.01.2011 (Zugriff 02.11.2019); Kritter, Sabine: Bilder der Arbeit im Museum – Kulturhistorische Museen und die Imaginationskrise der Arbeit, in: Andresen, Knut/Kuhn-
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die Beschränkung auf industrielle Arbeit die wachsende Zahl an Beschäftigten mit Dienstleistungsaufgaben genauso übersieht, wie die Angestelltentätigkeiten in der industriellen Großindustrie. Dasselbe gilt für Frauenarbeit, die nur als Reproduktionsarbeit erscheint. Schließlich vermisst sie zu Recht eine Auseinandersetzung mit Arbeitslosigkeit und Arbeitsplatzwechsel, Massenphänomene an der Ruhr.37 Aus der Homogenisierung von Arbeit in der Industrialisierung – mit dem ›Malocher‹ als Leitbild und der gegenwärtigen Heterogenität von Arbeit – folgt, so Kritter, die Geringschätzung der sozialen und individuellen Bedeutung von Arbeit heute. An die Stelle der Arbeit tritt (Industrie)Kultur im Museum, die die Identität der Region prägen soll.38 Wenngleich in der konzeptionellen Phase der Entwicklung des Ruhr Museums der Identitätsbegriff von Ulrich Borsdorf ausdrücklich abgelehnt wurde, wird er in der Dauerausstellung explizit aufgenommen. Das Ruhrgebiet sei auf der Suche nach einer neuen Identität, da »sich seine ursprüngliche Identität als Kohle fördernde und Stahl produzierende Montanregion weitgehend aufgelöst« habe. Es zeichne sich »eine positiv besetzte regionale Identität [ab, W.J.], die es bei der Lösung der Zukunftsaufgaben und Strukturprobleme zu nutzen gilt.«39 Identität kann zweifelsohne eine Kraftquelle sein, aber sie bedeutet immer auch Exklusion für diejenigen, die nicht dazu gehören. Der amtierende Direktor des Ruhr Museums, Heinrich Theodor Grütter, hat das Ruhr Museum unlängst ein Heimatmuseum neuen Typs genannt, das sich vom Heimatmuseum alten Typs dadurch unterscheidet, dass es auch die Industriegeschichte mit einschließt.40 Auch wenn Nordrhein-Westfalen seit 2017 ein Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung besitzt, und Millionenbeträge für ein Heimat Förderprogramm zur Verfügung gestellt werden,41 der Heimatbegriff ist hochgradig schillernd. Sowohl dem
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henne, Michaela/Mittag, Jürgen/Müller, Stefan (Hgg.): Repräsentationen der Arbeit. Bilder – Erzählungen – Darstellungen, Bonn 2018, S. 147-162, hier S. 160f. Kritter, Sabine: Exhibiting Work in Germany – From Industrial Labour to (Industrial) Culture, in: German History, Vol. 37, No. 3 (2019), S. 374-391, hier S. 378/79. Ebd., S. 385-389. Katalog Ruhr Museum, S. 21 u. S. 153. Grütter, Heinrich Theodor: Ein Heimatmuseum neuen Typs. Das Ruhr Museum auf dem Welterbe Zollverein in Essen, in: Isenbort, Gregor (Hg.): Szenografie in Ausstellungen und Museen VIII, Museum und Stadt/Stadt und Museum. Ausstellung als sozialer Raum, Stuttgart 2018, S. 72-81. https://www.mhkbg.nrw/themen/heimat/foerderprogramm-heimat-zukunftnordrhein-westfalen-wir-foerdern-was-menschen (Zugriff 02.11.2019).
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traditionellen Verständnis einer Heimat der Eingeborenen wie auch einem kosmopolitischen Verständnis von Heimat liegt ein Verständnis von Exklusion zugrunde, sei es ethnisch oder durch sozial-räumliche Exklusivität begründet.42 Für eine Verwendung des Heimatbegriffes in einem aufklärerischen Sinne wäre es sicher sinnvoll, Heimat als selbst gewählten Bezugspunkt sozialer Bezüge und aktiver Aneignung zu verstehen,43 oder vielleicht im Blochschen Sinne als utopischen Ort, was dann einen Verzicht für die praktische Politik in der Gegenwart nahe legt, da wohl nicht die Rede davon sein kann, dass die Menschheit eine Welt »ohne Entäußerung und Entfremdung in realer Demokratie begründet« hat.44 Stefan Berger hat die Dauerausstellung daraufhin befragt, wie unterschiedliche Formen von nostalgischer Erinnerung zum Ausdruck kommen. Er unterscheidet die antiquarische oder rückwärtsgewandte Nostalgie von der reflexiven, praktischen oder zukunftsorientierten Nostalgie. Sein Fazit ist, dass die Dauerausstellung des Ruhr Museums eher eine antiquarische Nostalgie bedient, eine Erfolgsgeschichte des Fortschritts und der Modernisierung, die die Widersprüche nicht in ausreichendem Maße in den Blick kommen lässt.45 Pia Eiringhaus hat schließlich darauf hingewiesen, dass das postindustrielle Umweltnarrativ der IBA Emscher Park bruchlos in die Essener Dauerausstellung eingegangen ist. ›Industrienatur‹ steht, nach den ökologischen Zumutungen der Industrialisierung, für die heutige Versöhnung von Natur und Region. Sie stellt fest: »Die geschlossene Erzählstruktur lässt wenig Raum für Alternativen. Die Erfolgsgeschichte der ›grünen Metropole Ruhr‹ steht unhinterfragt und unangefochten.«46
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Koppetsch, Cornelia: In Deutschland daheim, in der Welt zu Hause? Alte Privilegien und neue Spaltungen, in: Soziopolis, 22.12.2017, https://www.soziopolis.de/beobachten/gesellschaft/artikel/in-deutschland-daheim-in-der-welt-zu-hause/(Zugriff 29.10.2019). Reif, Heinz/Heinze, Sigrid/Ludwig, Andreas: Schwierigkeiten mit Tradition. Zur kulturellen Praxis städtischer Heimatmuseen, in: Korff, Gottfried/Roth, Martin (Hgg.), Das Historische Museum, Frankfurt a.M. 1990, S. 231-247, hier S. 232. Bloch, Ernst: Das Prinzip Hoffnung, 3 Bde., Frankfurt a.M. 1973 (1959), S. 1628. Berger: Industrial Heritage and the Ambiguities of Nostalgia, S. 54-58. Eiringhaus: Industrie wird Natur, S. 53.
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Fazit Der eigene Anspruch des Ruhr Museums ist, Schaufenster und Gedächtnis der Metropole Ruhr zu sein, ein ›Regionalmuseum neuen Typs‹ (Gottfried Korff), das eher mit einem Landesmuseum als einem Industriemuseum zu vergleichen ist. In einer aktuelleren Darstellung reklamiert das RuhrMuseum, ein ›Heimatmuseum neuen Typs‹ (Theo Grütter) zu sein, da es auch die Industriegeschichte thematisiert. Die neue Selbstbezeichnung ist ein weiteres Indiz dafür, dass das Ruhr Museum sich der Aufgabe der Identitätsbildung für die Metropole Ruhr nicht entziehen konnte, die in der Konzeptionsphase noch vehement zurückgewiesen wurde. Die Themen der sozialen Demokratie sind eng mit der Konfliktgeschichte an der Ruhr verbunden, ein überzeugender Zugang. Dagegen vermisst man eine Repräsentation der bedeutenden Institution Betriebsrat und der besonderen Sozialversicherung im Bergbau. Hinter der Konfliktgeschichte an der Ruhr entsteht das Bild der befriedeten Region, in der alle gesellschaftlichen Gruppen einvernehmlich konsensual zusammenarbeiten. Aus dem Klassenkampf ist in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Sozialpartnerschaft geworden, aus den massiven Umweltbelastungen der Vergangenheit die Versöhnung von (alter) Industrie und Natur in der Gegenwart, zwei wirkmächtige Narrative in der Dauerausstellung. Es dominiert ein kosmopolitischer Konsens, in dem es nichts Grundsätzliches mehr zu diskutieren gibt, sondern lediglich Detailfragen zur Bearbeitung anstehen. Der Anspruch, ein Hybrid-Museum, Natur- und Kulturmuseum in einem, zu sein, engt zwangsläufig die Möglichkeiten zur Darstellung der Sozialgeschichte ein. Im Hybrid-Museum ist kaum Raum für spektakuläre Inszenierungen, die die Vergesellschaftung von Menschen in sozialen Gebilden zeigen, wie Klaus Tenfelde es gefordert hatte. Wenn man den Abbildungen im Katalog folgt, dann hatte die ehemalige sozialhistorische Dauerausstellung im Ruhrlandmuseum mit ihren Inszenierungen mehr zu bieten, da sie sich mit einem synchron angelegten Querschnitt auf »Arbeit und Alltag um 1900« konzentrierte.47 Nichtsdestotrotz sind die inhaltliche Vielfalt der Dauerausstellung und ihre museale Ästhetik eine reiche Einladung an ihre Besucher_innen, denen 47
Ruhrlandmuseum (Hgg.): Die Erfindung des Ruhrgebiets, S. 13, S. 17-19, S. 48f, S. 86, S. 88f, S. 178f, S. 181, S. 184, S. 211f, S. 240f; Borsdorf: Das Ruhrlandmuseum, S. 89-96, hier S. 93.
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ein facettenreicher Zugang zur Metropole Ruhr geboten wird. Wer das Ruhrgebiet kennenlernen will, muss Zollverein besuchen.
11 Das Deutsche Bergbau-Museum in Bochum – eine nostalgische Erfolgsgeschichte der sozialen Demokratie in der Steinkohle?
Das Deutsche Bergbau-Museum in Bochum ist kein Kind der Museumsrevolution der 1970er Jahre, sondern kann auf eine 90-jährige Geschichte zurückblicken. 1930 wurde das Museum als gemeinsame Einrichtung der Stadt Bochum und der Westfälischen Berggewerkschaftskasse (WBK), einer Gemeinschaftsorganisation der Unternehmen des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus, gegründet.1
Technikfaszination an der Bergschule in Bochum Die Bemühungen zur Einrichtung eines Museums für den Steinkohlenbergbau an der Ruhr reichen zurück bis in die 1870er Jahre, als die WBK ihre für den Bergschulunterricht angelegte Sammlung von Modellen und Geräten einer breiteren Öffentlichkeit präsentieren wollte. Auch wenn dieser Versuch
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Moitra, Stefan: Das Wissensrevier. 150 Jahre Bergbauforschung und Ausbildung bei der Westfälischen Berggewerkschaftskasse/DMT-Gesellschaft für Lehre und Bildung. Die Geschichte einer Institution, Bochum 2014, S. 132 – 139; Schunder, Friedrich: Lehre und Forschung im Dienste des Ruhrbergbaus. Westfälische Berggewerkschaftskasse 1864-1964, Herne 1964, S. 235-247; Slotta, Rainer: Das Deutsche Bergbau-Museum Bochum – Geschichte und Infrastruktur, in: ders. (Hg.): 75 Jahre Deutsches BergbauMuseum Bochum (1930 bis 2005). Vom Wachsen und Werden eines Museums, Bd. 1, Bochum 2005, S. 9-76; im Folgenden zitiert als Slotta: Das DBM, Bd. 1; Hartung, Olaf: Museen des Industrialismus. Formen bürgerlicher Geschichtskultur am Beispiel des Bayerischen Verkehrsmuseums und des Deutschen Bergbaumuseums, Köln u.a. 2007, S. 285-412.
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Abb. 35: Deutsches Bergbau-Museum Bochum.
zunächst scheiterte, die Sammlung von neuester Bergbautechnik wurde fortgesetzt, allerdings veraltete Technik ausgesondert. Das Anliegen der Sammlung der WBK war nicht, die geschichtliche Entwicklung des Bergbaus abzubilden, sondern im Unterricht an der Bergschule auf dem neuesten Stand der Technik ausbilden zu können. Erst nach der Jahrhundertwende wurde auch die veraltete Technik in der Sammlung behalten, was sogleich enorme Platzprobleme bescherte. Promotoren eines Bergbau-Museums an der Ruhr waren nicht die Bergbauunternehmer, sondern die akademischen Mitarbeiter der Bergschule und die Stadt Bochum. Bochum hatte die Konkurrenz der Nachbarstadt Essen im Nacken, in der sich die zentralen Einrichtungen des Steinkohlenbergbaus befanden, und man fürchtete, dass nach dem Essener Stadtmuseum – dem späteren Ruhrlandmuseum – ein weiteres überregionales Museum in Essen entstehen könnte. Den Bergbaubeamten der WBK ging es nicht nur um den Lernort Museum, sondern für sie war die Musealisierung ihrer Lebensleistung ein besonderes Bedürfnis. Für die Bergbauunternehmer hingegen waren die zu erwartenden Kosten eines großen Museums das entscheidende
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Hindernis. Zudem hielten sie die Kohle für so unanfechtbar in der deutschen Volkswirtschaft, dass sie eine Imagepflege für überflüssig erachteten. Bemerkenswert ist noch, dass ein prominenter christlicher Gewerkschafter aus Essen, Heinrich Rürup, der Ende 1919 Vorstandsmitglied und Direktor des Rheinisch-Westfälischen Kohlen-Syndikats geworden war2 , sich öffentlich für ein Bergbau-Museum engagierte, da es seiner Meinung nach »das Verständnis der Öffentlichkeit für die Arbeit der Bergleute heben« könne.3 Ein Konzept für das Bergbau-Museum von 1922 arbeitete heraus, dass neben der rein technischen Seite eines Museums auch »die sozialpolitische und hygienische Seite des Bergbaus« von größter Bedeutung sei. Wenn dies umgesetzt würde, so hieß es, dann dürfte es auch gelingen, »die Arbeiterorganisationen für diesen Plan zu begeistern, da das Museum gewissermaßen ein Denkmal sein soll, das ihrer Hände Arbeit ehrt.«4 Allerdings sollte sich nach diesen Überlegungen nur eine von dreizehn Abteilungen des Museums mit der genannten Thematik beschäftigen. Dieses Interesse an einer 1922 angedachten Einbeziehung der Gewerkschaften dürfte nach dem Ende der Zusammenarbeit von Gewerkschaften und Unternehmern im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft im Ruhrbergbau 1923 deutlich abgekühlt sein. Erst nach dem Ende der Nazi-Diktatur gab es wieder Beziehungen zwischen Gewerkschaften und Bergbau-Museum.
Gründung und Entwicklung des Technikmuseums Die Krisenjahre nach Ende des Ersten Weltkriegs und insbesondere die Ruhrbesetzung bis 1927 verzögerten eine Museumsgründung immer weiter. Trotz der Weltwirtschaftskrise gelang es dann 1930 doch, die formelle Gründung zu vollziehen. Der zwischen der Stadt Bochum und der WBK geschlossene Vertrag bestimmte: »Das Museum hat den Zweck, eine Übersicht über die geschichtliche Entwicklung des Bergbaus zu geben, den Betrieb des Bergbaus im Modell oder in künstlicher Wiedergabe vorzuführen und den Firmen, welche für den Bergbau arbeiten, Gelegenheit zu geben, ihre Erzeugnisse in der Wirklichkeit oder im Modell auszustellen.«5 Unter der Leitung des Museumsdirektors Heinrich Winkelmann, eines promovierten Bergbauingenieurs, be2 3 4 5
Tschirbs, Rudolf: Tarifpolitik im Ruhrbergbau 1918 – 1933, Berlin/New York 1986, S. 129. Schunder: Lehre, S. 237; Moitra: Wissensrevier, S. 134. Slotta: Das DBM, Bd. 1, S. 9-76, hier S. 14. Ebd., S. 22.
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gann der Aufbau des Museums in der von der Stadt Bochum zur Verfügung gestellten ehemaligen Großviehschlachthalle. Das Areal wurde ab 1935 durch einen Neubau wesentlich erweitert und durch ein untertägiges Anschauungsbergwerk ergänzt. Die Sammlungen der WBK legten den Grundstock für ein ingenieurwissenschaftlich-technisch orientiertes Museum, das aber auch die Geschichte des Bergbaus miteinschloss. Die ersten eröffneten Abteilungen des Museums spiegelten diese Orientierung des Hauses wieder. 1931 begann es mit der Teilausstellung ›Grubenbeleuchtung‹, es folgten ›Bohrarbeit‹, ›Kokereiwesen‹, ›Schachtförderung‹, ›Wasserhaltung‹, ›Sprengtechnik‹, ›Streckenförderung‹ ›Grubenausbau‹ und ›Rettungswesen‹. Hinzu kam eine kleine Abteilung ›Bergmännische Kunst‹.6 Die Einbeziehung der Bergbaugeschichte, die in dem anfänglich benutzten Namen ›Das geschichtliche Bergbau-Museum‹ prominent zum Ausdruck kam, wurde Mitte der 1930er Jahre durch den offiziellen Namen ›Bergbau-Museum‹ in den Hintergrund gerückt. In der Neufassung des Museumsvertrages von 1937 zwischen der Stadt Bochum und der WBK wurde im § 1 sogar das Wort ›geschichtliche‹ bei der Entwicklung des Bergbaus gestrichen.7 Im Zuge des weiteren Ausbaus des Bergbau-Museums wurden detaillierte Pläne zur Weiterentwicklung der Dauerausstellung erarbeitet, die stark vom nationalsozialistischen Zeitgeist geprägt waren. Die technikgeschichtlich geprägte Ausstellung sollte um eine Geschichte der »Auswirkungen von Streiks und Aussperrungen im Bergbau vor der Machtübernahme« ergänzt werden, die eine Negativgeschichte der Weimarer Republik geworden wäre. Ferner sollten in mehreren Abteilungen die vermeintlich positiven Wirkungen des Dritten Reichs für den Bergmann bis hin zu den DAF-Unterämtern ›Kraft durch Freude im Bergbau‹ und ›Schönheit der Arbeit‹ präsentiert werden. Am Ende der Ausstellung waren die Abteilungen ›bergmännische Kunst‹ und ›bergmännisches Brauchtum‹ vorgesehen, was als Ausdruck einer volkskundlichen Orientierung verstanden werden kann, die sich auch in den ersten montanarchäologischen Forschungen der Bochumer Bergingenieure des Museums in traditionellen deutschen Bergbauregionen widerspiegelte. Die Funde zur ›germanischen Frühgeschichte‹ des Bergbaus waren der Anlass, Pläne für die Verlegung der geologischen Sammlung der Bergschule ins Mu-
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Schunder: Lehre, S. 238f. Slotta: Das DBM, Bd. 1, S. 23-27.
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seum zu entwerfen, und eine geologische Abteilung vorzusehen.8 Der Krieg verhinderte, dass die weitreichenden Pläne einer nationalsozialistischen Umgestaltung des Museums umfassend in die Tat umgesetzt werden konnten. Die Wiedereröffnung des Bergbau-Museums nach dem Zweiten Weltkrieg stand im Zeichen einer langsam beginnenden neuen sozialpartnerschaftlichen Zusammenarbeit im Ruhrbergbau. Dem von 1930 bis 1966 amtierenden Museumsdirektor Heinrich Winkelmann gelang es mit der Gründung der ›Vereinigung der Freunde von Kunst und Kultur im Bergbau, Bochum‹ (VFKK), die wichtigen politischen Akteure in einem dem Museum eng verbundenen Verein zusammenzubringen. Der Vorsitzende der Bergbaugewerkschaft, August Schmidt, wie auch der Generaldirektor der Deutschen Kohlenbergbauleitung, Heinrich Kost, die Oberbürgermeister von Bochum und Witten und viele weitere Führungskräfte des Bergbaus fanden sich in diesem bis heute bestehenden Verein zusammen. Auf Anregung der VFKK veranstaltete das Bergbau-Museum 1950 eine Wechselausstellung zum Thema ›Die Bergmannswohnung in Geschichte und Gegenwart‹. Sie war Teil vielfältiger Bemühungen, das Museum als ›Erziehungsort‹ zur breitenwirksamen Stärkung der Bergbaukultur zu profilieren.9 Bergbauunternehmer und Gewerkschaft konkurrierten nicht mehr, wie in der Vergangenheit, mit ihren kulturellen Angeboten gegeneinander, die einen im Rahmen der betrieblichen Sozialpolitik und die anderen mit ihren den jeweiligen Bergarbeitermilieus verbundenen unterschiedlichen Kulturangeboten. Die Sozialpartner sahen die Notwendigkeit, die stark fluktuierenden Belegschaften über ihre arbeits- und sozialpolitischen Aktivitäten hinaus auch durch gemeinsame kulturpolitische Aktivitäten zu integrieren.10 Die Dauerausstellung des Museums blieb bei ihrer ingenieurwissenschaftlich-technischen Ausrichtung, und der mit der VFKK verbundene volkspädagogische Impuls scheint Ende der 1950er Jahre deutlich abgeflacht zu sein. Erst mit der Sonderausstellung von 1969 ›Bergarbeiter – 8 9
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Hartung: Museen des Industrialismus, S. 392-405; Moitra: Wissensrevier, S. 163. Slotta: Das DBM, Bd. 1, S. 41f und ders.: Die Sonderausstellungen, in: ders. (Hg.): 75 Jahre Deutsches Bergbau-Museum Bochum (1930 bis 2005). Vom Wachsen und Werden eines Museums, Bd. 2, Bochum 2005, S. 749-878, hier S. 756-765; im Folgenden zitiert als Slotta: Das DBM, Bd. 2. Kift, Dagmar: Kultur, Kulturpolitik und Kulturgeschichte im Ruhrbergbau nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Kift, Dagmar/Schinkel, Eckhard/Berger, Stefan/Palm, Hanneliese (Hgg.): Bergbaukulturen in interdisziplinärer Perspektive. Diskurse und Imaginationen, Essen 2018, S. 31-42, hier S. 31 – 35
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Zur Geschichte der organisierten Bergarbeiterbewegung in Deutschland‹ zum 80-jährigen Jubiläum der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie kam es wieder zu einer sichtbaren Zusammenarbeit von Bergbau-Museum und Bergbaugewerkschaft. Die großzügige Förderung der IGBE hatte die Ausstellung möglich gemacht.11 Die Gründung der Ruhrkohle AG und die damit verbundene dauerhafte Institutionalisierung der besonderen Sozialpartnerschaft im Steinkohlenbergbau dürfte den Weg bereitet haben.
Auf dem Weg zum breit aufgestellten Forschungsmuseum Die Aufnahme des Museums 1977 in die Forschungsförderung durch Bund und Land veränderte grundlegend die Rahmenbedingungen für das sich nun ›Deutsches Bergbau-Museum Bochum‹ nennende Haus. Der Forschungsanteil des Museums wurde pauschal auf 50 Prozent des Haushaltes taxiert, welcher nun von Bund und Land getragen wurde. Das Deutsche Bergbau-Museum war damit in einen kleinen Kreis renommierter Museen aufgestiegen, die 1997 Teil der ›Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz‹, kurz Leibniz- Gemeinschaft, wurden, einer der vier staatlich finanzierten außeruniversitären Forschungsorganisationen.12 Dem Museumsnamen wurde im Jahre 2016 der Zusatz ›Leibniz-Forschungsmuseum für Georessourcen‹ gegeben. Aktuell hat das Deutsche Bergbau-Museum fünf Forschungsabteilungen: Archäometallurgie, Bergbaugeschichte, Materialkunde, Montanarchäologie und das Montanhistorische Dokumentationszentrum, wobei letzteres aus dem 1969 geschaffenen Bergbau-Archiv im Museum hervorgegangen ist und neben dem Forschungsansatz schwerpunktmäßig Forschungsinfrastrukturaufgaben erfüllt.13 Nach 1977 ging das Museum verstärkt dazu über, in Sonderausstellungen Ergebnisse aus der Forschungsarbeit zu präsentieren, so dass die Dauerausstellung immer mehr ins Hintertreffen geriet. Einzelne Abteilungen der Dauerausstellung mussten aus Platzmangel den Sonderausstellungen, die oft über längere Zeit gezeigt wurden, weichen. Neben archäologisch und kunstgeschichtlich ausgerichteten Ausstellungen kamen auch Themen bei den Son-
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Slotta: Das DBM, Bd. 2, S. 771-773. Slotta: Das DBM, Bd. 1, S. 49 u. S. 56. Deutsches Bergbau-Museum (Hgg.): Jahresbericht 2017, Bochum 2018, S. 37-65.
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derausstellungen zum Zuge, die das inhaltliche Spektrum des Museums deutlich erweiterten. Zu nennen sind hier z.B.: • • • • •
1988 Energie und Umwelt 1989 Frauen und Bergbau – Zeugnisse aus fünf Jahrhunderten 1993 Ausländer im deutschen Bergbau 1995 Wer zahlt die Zeche? 2006 Die Grubenkatastrophe von Courrieres 1906.14
Das 2010 politisch vereinbarte Ende des deutschen Steinkohlenbergbaus im Jahre 2018 und der schon jahrzehntelange Schrumpfungsprozess der Branche veränderten die Rahmenbedingungen für das Museum erneut grundlegend. Der technikaffine, mit dem aktiven Bergbau verbundene Teil der Besucher_innen schrumpfte fortlaufend, und die Erwartung, im Museum mehr über das Arbeiten und Leben der Bergleute und ihrer Familien zu erfahren, wurde virulent. Die Initiative der RAG AG und die Bereitschaft der RAGStiftung zur finanziellen Unterstützung einer Neugestaltung des Museums führten zum Strategieprozess ›DBM 2020‹. Durch Mittel der RAG-Stiftung im Rahmen des Projekts ›Glückauf Zukunft‹ sowie Mittel des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und des NRW-Ministeriums für Kultur und Wissenschaft im Rahmen der Bund-Länder-Förderung konnten schließlich eine umfassende Sanierung des Bergbau-Museums und die Neugestaltung der Dauerausstellung bis zum Juli 2019 umgesetzt werden. Bemerkenswert ist dabei, dass die Förderer die Bereiche für ihre Aktivitäten klar aufteilten. Die RAG-Stiftung gab ihre Förderung gezielt für die Sanierung des Nordflügels des DBM und die neu zu entwickelnden Rundgänge ›Steinkohle‹ und ›Bergbau‹; die beiden Ministerien stellten die Mittel speziell für den Südflügel und die Rundgänge ›Bodenschätze‹ und ›Kunst‹ zur Verfügung.15
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Slotta: Das DBM, Bd. 2, S. 624-626 u. 749-876 u. https://www.bergbaumuseum.de/ index.php/de/ausstellung/sonderausstellung/vergangene-sonderausstellungen (Zugriff 23.07.2019). Deutsches Bergbau-Museum Bochum (Hgg.): Steinkohle. Bergbau. Bodenschätze. Kunst, Kurzführer Dauerausstellung, o. O. u. J. (2019), S. 5; im Folgenden zitiert als DBM: Kurzführer.
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Die Entstehung der neuen Dauerausstellung Das Deutsche Bergbau-Museum startete 2013 das Projekt ›DBM 2020‹, um eine Neupositionierung des Museums zu erarbeiten. Dabei wurden in der Strategiephase folgende vier Hauptstränge erarbeitet: •
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»Das DBM wird verstärkt als Ort der Erforschung und Vermittlung der Wechselwirkungen bergbaulicher Tätigkeiten und zivilisatorischer Entwicklung gestaltet; das ›Erbe des deutschen Steinkohlenbergbaus‹ wird als Wissensquelle und Gedächtnis gesichert; das Museum wird zu einer Plattform für die Diskussion und Vermittlung von Fragen zum aktuellen Umgang mit Georessourcen weltweit weiterentwickelt; die Forschung des DBM wird für die Öffentlichkeit besser sichtbar gemacht.«16
Die Arbeiten zur baulichen Sanierung des Museums und an der neuen Dauerausstellung begannen 2015 und sollten Ende 2018 mit der Schließung der letzten Steinkohlenzeche in Deutschland beendet sein, ein überaus ambitioniertes Vorhaben, das fast in der geplanten Zeit realisiert werden konnte. Für die Dauerausstellung wurde eine Projektleitung eingesetzt, die anfänglich 11 und später bis zu 16 Kurator_innen und Mitarbeiter_innen (z.T. über Drittmittel temporär beschäftigt) koordinieren musste. Erstmals versicherte sich das DBM auch einer externen Ausstellungsgestaltung. Für das Thema der Repräsentation von Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie ist von den vier neuen Rundgängen der Dauerausstellung der Rundgang zur Geschichte des Steinkohlenbergbaus am aufschlussreichsten. Auch wenn es reizvoll wäre, den Rundgang ›Kunst‹ hinsichtlich seiner Beiträge zur Sozialgeschichte der Bergarbeit und des Bergarbeiterlebens zu untersuchen – die folgende Analyse beschränkt sich auf den ersten Rundgang. Er bricht am deutlichsten mit der alten Ausstellungspraxis des DBM und weist die meisten Bezüge zur Geschichte der sozialen Demokratie auf.
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Deutsches Bergbau-Museum (Hgg.): Jahresbericht 2016, Bochum 2017; https://www. bergbaumuseum.de/de/forschung/publikationen-zum-download/item/jahresbericht-dbm-2016, S. 24 (Abruf 24.07.2019).
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Der Titel des Rundgangs ›Steinkohle. Motor der Industrialisierung‹ stand erst kurz vor der Eröffnung der Ausstellung fest. In den Arbeitsunterlagen der Kurator_innen findet sich bis Ende 2018 immer der Titel ›Steinkohle: gestern – heute – morgen‹.17 Ohne diese Veränderung in der Namensgebung überstrapazieren zu wollen: Der endgültige Titel verspricht eine Geschichte, die an ihr Ende gekommen ist, während der Arbeitstitel noch einen großen Bogen von der Vergangenheit über die Gegenwart bis in die Zukunft erwarten lässt. Der Kurzführer der Dauerausstellung nennt die Intention des Rundgangs: »Der Rundgang ›Steinkohle. Motor der Industrialisierung‹ verfolgt das Ziel, die besondere Bedeutung dieser Industrie deutlich zu machen und der Steinkohle im Deutschen Bergbau-Museum Bochum ein Gedächtnis zu verleihen.«18 Aus den Hauptsträngen der Strategiephase im DBM, die die Sicherung des Steinkohleerbes als Wissensquelle und Gedächtnis beschrieben hatten, wird nur das Gedächtnis im Kurzführer genannt. Bevor nun nach der Repräsentation sozialer Demokratie gefragt wird, soll der Rundgang kurz beschrieben werden.
Eine multidimensionale Geschichte der Steinkohle Der Rundgang gliedert sich in sechs Teile, die einer gemischten chronologischen und thematischen Ordnung folgen. Er beginnt mit einem Prolog, in dem die Entstehungsgeschichte der Kohle, ihre Lagerstätten und ihre Verwendung vor dem Beginn der Industrialisierung erzählt werden. Es folgt als zweites thematisches Element die Wirtschaftsgeschichte des deutschen Steinkohlenbergbaus, vom Beginn der Industrialisierung bis ins Jahr 1945. Hier wird der bislang chronologische Erzählstrang beendet, indem zum Dritten ein Blick auf die raumbildende Kraft des Bergbaus geworfen wird. Es geht um ›Geografie‹, um ›Zechen und Halden, Stahlwerke und Maschinenfabriken, Eisenbahntrassen und Kanäle‹. Im vierten Teil befasst sich der Rundgang mit ›Arbeitswelt und Technik‹, in dem die Arbeitswelt des Bergmanns in enger Verbindung mit den technischen Entwicklungen im Steinkohlenbergbau präsentiert wird. Im Folgenden wird nun zum Fünften
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Drehbuch »Steinkohle: gestern – heute – morgen. Empfehlungen für Objekt-, Medienund Textregie«, verschiedene Fassungen 2017 und 2018, Mskr. DBM: Kurzführer, S. 6.
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das Thema ›Sozialleben‹ aufgerufen, in dem es um die Lebenswelt des Bergmanns und seiner Familie geht. In den beiden dann folgenden Hallen kehren die Besucher_innen wieder in die chronologische Erzählung zurück. Jetzt geht es unter dem Rubrum ›Politik‹ um den deutschen Steinkohlenbergbau von 1945 bis 2018. Der Rundgang fasziniert vor allem durch seine szenografischen Gestaltungen. Im Prolog empfängt die Besucher ein großer Karbonwurzelstock in einem sehr ansprechend gestalteten Raum, in dem grundlegende Informationen zur Geologie der Steinkohle und zu den Lagerstätten in Deutschland vermittelt werden. Im Weiteren wird, unterstützt durch weitere beeindruckende Originalobjekte, die vorindustrielle gewerbliche Verwendung der Steinkohle gezeigt.
Abb. 36: Wurzelstock aus der Karbonzeit.
Über eine Rampe, die sehr ansprechend wie die Kaue eines Bergwerks gestaltet ist, gelangt man in die Maschinenhalle im Untergeschoss mit einem Umlauf zum Arbeitsplatz des Bergmanns und dem Tiefkeller in der Mitte mit einem beeindruckenden Maschinenpark. Dieser Teil ›Arbeitswelt und Technik‹ imponiert durch die gelungene Verbindung von bergmännischem Arbeitsplatz und technischer Ausrüstung in
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Abb. 37: Installation einer Kauensituation.
der untertägigen Arbeit. Ebenso gelingt es, die besondere Atmosphäre des Bergarbeitermilieus zu präsentieren als auch die Mühen des jahrzehntelangen Kampfes der Bergarbeiterbewegung für einen sozialverträglichen Strukturwandel ohne betriebsbedingte Kündigungen.
Zur Repräsentation von sozialer Demokratie Wie werden nun die Themen der sozialen Demokratie im Rundgang ›Steinkohle‹ repräsentiert? Die Arbeits- und Lebensbedingungen der Bergarbeiter und ihrer Familien haben einen hohen Stellenwert. Der Arbeitsplatz des Bergmanns wird im Teil ›Arbeitswelt und Technik‹ ausführlich dargestellt. Die Erzählung beginnt mit der imposanten lebensgroßen Bronzeplastik ›Feierabend (Sitzender Bergmann)‹ des Künstlers Erich Schmidtbochum, die einen Eindruck von der Schwere der bergmännischen Arbeit vermittelt.
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Abb. 38: Bronzeplastik ›Feierabend (Sitzender Bergmann)‹ v. Erich Schmidtbochum
In zahlreichen Medienstationen wird mit einmaligem Bild- und Filmmaterial die Vielfältigkeit des bergmännischen Arbeitsplatzes sowie die Schwere und Gefährlichkeit der Untertage-Arbeit gezeigt. So findet auch die große Katastrophe auf Radbod 1908 Erwähnung, bei der 350 Bergleute einer Schlagwetterexplosion zum Opfer fielen. Da die Explosion mutmaßlich durch die defekte Grubenlampe eines Bergmanns ausgelöst wurde, wird an dieser Stelle die Entwicklung der Lampentechnik ausführlich thematisiert, so wie es sich in einem Technik-Museum auch gehört. Dass die Grubenkatastrophe auch der Anlass für eine Novelle des Preußischen Berggesetzes im selben Jahr war, wird nur angedeutet, ohne die Einführung des von den Belegschaften gewählten Grubenkontrolleurs zu erwähnen. Sie war eine bedeutende sozialpolitische Innovation, die, ebenso wie die 1905 erfolgende obligatorische Einführung von Arbeiterausschüssen, die Allmacht der Bergbauunternehmer in den preußischen Bergrevieren begrenzen sollte. Zahlreiche Facetten des bergmännischen Alltags werden vorgestellt: die unterschiedlichen Bergarbeitersiedlungen seit den 1870er Jahren, die Knapp-
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schaft, die Knappenvereine und das besondere Verhältnis der Bergleute zu ihren Fußballvereinen, um nur einige Beispiele zu nennen. Einen prominenten Platz hat die REVAG, die Revierarbeitsgemeinschaft für kulturelle Bergmannsbetreuung, eine Ende der 1940er Jahre geschaffene tripartistische Einrichtung zur Sozialarbeit im Bergbau. Ihre Leistungen zur Integration der Neubergleute und insbesondere der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familien werden besonders gewürdigt. Das Thema Arbeitsmigration wird auch an einem weiteren Thementisch aufgerufen und ausführlich behandelt. Allerdings vermisst man in der Geschichte des Steinkohlenbergbaus bis 1945 eine Präsentation der ersten großen Migrationsströme aus den preußischen Ostprovinzen in der Hochindustrialisierung und des damit verbundenen Mythos vom ›Schmelztiegel Ruhrgebiet‹. Das Thema der Zwangsarbeiter in den Kohlezechen im Ersten und vor allem im Zweiten Weltkrieg wird kurz thematisiert. Ein Highlight ist in diesem Zusammenhang ein zunächst nichtssagend wirkendes Ausstellungsobjekt. Bei der Vorderansicht rätselt man, was die zwei großen Gesteinsbrocken in der Vitrine sollen, geht man jedoch auf die Rückseite, entpuppen sie sich als Wegweiser »Für russische Arbeiter«. Der Begleittext erläutert, dass es sich um den Ausschnitt einer Bunkerwand mit einer Wegweisung für sowjetische Zwangsarbeiter handelt. Interessant sind die weiteren Details: »Die Betonelemente stammen aus einem Bunker des Maschinenbaus 9 der Essener Kruppwerke. Wiederentdeckt wurde die Anlage im Zuge der Bauarbeiten für den Berthold-Beitz-Boulevard.« Bergarbeiterfrauen erscheinen auf vielen Bildern, man erfährt aber wenig über ihren Beitrag zum Bergarbeiterhaushalt. Ein ›Mutterklötzchen‹, Anbrennholz aus der Grube, ein Küppersbusch-Kohleofen und eine Handmangel sind die einzigen Reminiszenzen. Die Mühsal der Reinigung der Arbeitskleidung der Bergleute, die erst nach der Gründung der Ruhrkohle AG vom Unternehmen übernommen wurde, wäre sicher eine Erwähnung wert gewesen. Im Teil ›Wirtschaft‹ des Rundgangs wird die Geschichte der industriellen Beziehungen im Steinkohlenbergbau an der Ruhr präsentiert, auf der einen Seite die Unternehmer und auf der anderen Seite die Arbeiter. Die in den Vitrinen ausgestellten Bilder, Flugschriften und eine imposante Fahne des Alten Bergarbeiterverbandes werden durch Begleittexte kontextualisiert. Während die führenden Köpfe der Unternehmer als Gemälde und Büste auf der Vorderseite ihrer Vitrine präsentiert werden, werden auf der gegenüberliegenden Vitrine Gruppenbilder von Bergleuten gezeigt und die Biografie eines unbekannten Bergmannes ausführlicher präsentiert. Es han-
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Abb. 39: Betonelemente aus einem Bunker für Zwangsarbeiter, Vorderseite
delt sich um Karl Kegelmann, dessen Werdegang wohl eine typische Bergmannskarriere verkörpern soll. Er arbeitete von 1889 bis 1929 als Bergmann auf 17 Zechen, wurde in Essen-Borbeck Mitglied des freigewerkschaftlichen Alten (Bergarbeiter-)Verbandes und der SPD. Nach einem Unfall arbeitete er in Essen-Bedingrade als Gewerkschaftssekretär.19 Solcherart Kollektivbiografien können pfiffig sein, aber auch einen falschen Eindruck vermitteln. Der häufige Arbeitsplatzwechsel, das sogenannte Zechenlaufen, ist zur Zeit des Kaiserreiches etwas sehr Typisches gewesen. Allerdings ist die umfassende gewerkschaftliche Organisierung der Bergleute erst nach 1945 gelungen. Wenn man zudem vor 1933 im katholischen Essen etwas mit der Gewerkschaft zu tun hatte, dann war es nicht zuerst der Alte Verband, sondern der Gewerkverein christlicher Bergarbeiter.20
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Fotos und Dokumente aus dem Nachlass Kegelmann stammen aus dem Archiv Ernst Schmidt im Ruhr Museum Essen. Jäger: Die Bergbaugewerkschaft, S. 339-341.
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Abb. 40: Betonelemente aus einem Bunker für Zwangsarbeiter, Rückseite.
Vielleicht könnte man das Bild und die Biografie des legendären Bergarbeiterführers Otto Hue, die jetzt auf der Rückseite der (Bergarbeiter-)Vitrine präsentiert wird, mit der von Kegelmann tauschen, zumal Hue dann den Bergbauunternehmern direkt gegenüberstände, eine Konstellation, die den bilateralen Gesprächen zu Ende des Ersten Weltkriegs genau entsprach. Die Geschichte sozialer Konflikte an der Ruhr im Ersten Weltkrieg und in der Weimarer Zeit wird nur kurz abgehandelt: »Rüstung, Reparationen, Umsturz«. Die Essener Sozialisierungsbewegung ist mit wenigen Originaldokumenten vertreten, der Ruhrkampf 1920 mit der Roten Ruhr-Armee im Nachgang zum Kapp-Putsch wird nicht erwähnt. Am meisten verwundert, dass die Betriebsratswahlen im Ruhrbergbau, die seit 1920 in der Regel jährlich stattfanden, überhaupt keine Erwähnung finden.21 Sie spiegeln die tiefe politisch-kulturelle Spaltung der Bergarbeiterschaft vor 1933 wider, die erst mit der Einheitsgewerkschaft nach 1945 überwunden werden konnte.
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Jäger: Bergarbeitermilieus, S. 49.
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Abb. 41: Blick in den Teil ›Wirtschaft‹ des Rundgangs ›Steinkohle. Motor der Industrialisierung‹.
In der Sequenz ›Das Dritte Reich: Autarkie und Rüstung‹ findet sich eine prominente Würdigung der Bergarbeiterführer Fritz Husemann und Heinrich Imbusch, die ihren Widerstand mit dem Leben bezahlen mussten. Bei einem ausgestellten Mitgliedsbuch der Deutschen Arbeitsfront wird bedauerlicherweise die irrige Information gegeben, dass die DAF nach »der Zerschlagung der Gewerkschaften im Nationalsozialismus der Einheitsverband der Arbeiter und Arbeiterinnen« gewesen sei. Die DAF war vielmehr die nationalsozialistische Gemeinschaftsorganisation von Arbeitnehmern und Arbeitgebern.22 22
Schumann, Hans-Gerd: Nationalismus und Gewerkschaftsbewegung. Die Vernichtung der deutschen Gewerkschaften und der Aufbau der ›Deutschen Arbeitsfront‹, Hannover u. Frankfurt a.M. 1958, S. 99-101 u. S. 173-175; Bracher, Karl Dietrich: Die deutsche Diktatur. Entstehung • Struktur • Folgen des Nationalsozialismus, 6. Auflage, Frankfurt a.M. u.a. 1979, S. 237; Hachtmann, Rüdiger: Das Wirtschaftsimperium der deutschen Arbeitsfront 1933-1945, Göttingen 2012, S. 11-16.
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Für die Zeit nach 1945 wird eine Überfülle von Ausstellungsstücken präsentiert, die die Geschichte der kollektiven Interessenvertretung jedoch nur in Teilen erzählt. Das Organisationswunder der neuen Einheitsgewerkschaft im Bergbau mit einem gewerkschaftlichen Organisationsgrad von über 90 Prozent wird genauso wenig thematisiert wie die organisationspolitische Herausforderung der Aufkündigung der Betriebskassierung der Gewerkschaftsbeiträge durch den Unternehmensverband Ruhrbergbau 1953. Die große organisatorische Leistung der IG Bergbau, trotzdem den Organisationsgrad Anfang der 1960er Jahre bei 70 Prozent stabilisieren zu können, bleibt unerwähnt.23 Dafür wird der Integration der christlichen Bergarbeitergewerkschaft an der Saar 1966 in die IGBE, der verspäteten Vollendung der Einheitsgewerkschaft, mit einem großen Plakat viel Aufmerksamkeit geschenkt. Auch der Auseinandersetzung um die so bedeutsame unternehmensrechtliche Neuordnung des Bergbaus nach 1945 wird vergleichsweise wenig Platz gegeben. Die epochale Durchsetzung der Montanmitbestimmung nach der Streikandrohung 1951 ist lediglich ein paar Flugschriften wert. Und die tief in die Gewerkschaftsorganisation hineinwirkenden Konflikte zwischen sozialund christdemokratischen Bergleuten auf der einen Seite und kommunistischen Bergleuten auf der anderen Seite finden keine Erwähnung. Die Ausweitung der Montanmitbestimmung bei der Ruhrkohle AG 1969 bis auf die Betriebsebene mit dem neuen Direktor für Personal- und Sozialwesen bleibt ebenfalls unerwähnt.24 Der Mobilisierung der Gewerkschaftsmitglieder für eine sozialverträgliche Lösung der Krise im Steinkohlenbergbau wird besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Die auf dunklem Hintergrund nur schwer zu erkennenden Schwarzen Fahnen vom Marsch nach Bonn 1959 sind der Beginn der ausführlich präsentierten Bergarbeiterproteste seit den 1990er Jahren. Dazu zählen die spektakulären Aktionen in Bonn 1997, die Kohlelore für Berlin und viele weitere Aktionen bis zum Ende des Steinkohlenbergbaus 2018, der ohne die betriebsbedingte Kündigung von Bergbaubeschäftigten beendet wurde. Der Rundgang schließt mit einem mittig platzierten Leitobjekt des Nachbergbaus, einer Tauchmotorpumpe zur Wasserhaltung im Ruhrgebiet. Um sie herum werden Zukunftsperspektiven für die Region thematisiert, so z.B.
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Lauschke, Karl: Schwarze Fahnen an der Ruhr. Die Politik der IG Bergbau und Energie während der Kohlenkrise, Marburg 1984, S. 143-167. Ranft, Norbert: Vom Objekt zum Subjekt. Montanmitbestimmung, Sozialklima und Strukturwandel im Bergbau seit 1945, Köln 1988, S. 95-100.
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die der Industriekultur, dem in Fördertürmen und Maschinenhallen materialisierten Erbe der Montanindustrie als touristischem Highlight der Region, die auch für die Einheimischen einen besonderen Reiz besitzt.
Abb. 42: Tauchpumpe für Grubenwasser.
Fazit Der neue Rundgang ›Steinkohle. Motor der Industrialisierung‹ im DBM ist eine sehr ansprechende Darstellung der Geschichte des Steinkohlenbergbaus, in geologischer, sozialgeschichtlicher und technikgeschichtlicher Hinsicht. Mit der Sozialgeschichte hat das DBM in seiner Dauerausstellung neuen Boden betreten, der mit zahlreichen Sonderausstellungen schon vorbereitet worden war. Ein weites Feld der Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie wird bestellt, mit einem starken Fokus auf die Bergbaugewerkschaften als erfolgreiche Akteure der sozialen Demokratie. Der Rundgang ist ein gelungenes kosmopolitisches Gedächtnis für den Steinkohlenbergbau in Deutschland. Und er ist ein Exempel für die Durchsetzungskraft gewerkschaftlichen Kampfes. Aber ob er auch die Aufgabe einer Wissensquelle, wie
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es im Strategieprozess des DBM formuliert wurde, wahrnehmen kann, wird man zumindest in Zweifel ziehen dürfen. Wenn man unter Wissensquelle einen Erfahrungsschatz versteht, der für die Lösung gegenwärtiger und zukünftiger Aufgaben zur Verfügung steht, und für die Besucher_innen Anlass ist, über die Lösung von Zukunftsaufgaben zu diskutieren, dann ist hier ein Mangel zu konstatieren. Die Besucher_innen bleiben am Ende des Rundgangs mit einer berechtigten (Selbst-)Zufriedenheit zurück. Der sozialverträgliche Belegschaftsabbau in der Steinkohle ist ganz ohne Zweifel eine beispiellose Leistung gewesen, die mit der endgültigen Schließung des Steinkohlenbergbaus Vergangenheit ist. Es ist eine antiquarische Nostalgie, die aus dem Rundgang spricht und kein Ansporn zur Diskussion aktueller, strittiger Fragen. Es sollte auch daran erinnert werden, dass der Steinkohlenbergbau das Laboratorium der deutschen Sozialpolitik und ein entscheidender Motor der Demokratisierung gewesen ist.25 Aus den Arbeiterausschüssen im Bergbau wurden 1920 die Betriebsräte. Die Montanmitbestimmung von 1951 und ihre Ausweitung mit der Gründung der Ruhrkohle AG schufen eine neue Art der Unternehmensführung. Der grandiose gewerkschaftliche Organisationsgrad im Bergbau und die innovative Tarifpolitik der IG Bergbau und Energie waren die Garanten für einen fairen Interessensausgleich zwischen Kapital und Arbeit. Man wird fragen dürfen: Ist die Geschichte der Steinkohle jetzt Vergangenheit, die der Gegenwart und Zukunft nichts mehr zu sagen hat? Was wird aus der Montanmitbestimmung nach dem Ende des Steinkohlenbergbaus? Wie können die Erfahrungen der Bergarbeiterbewegung weitergegeben werden und was sagen sie den Besucher_innen für die heutigen und kommenden Herausforderungen? Das Narrativ des erfolgreichen Kampfes der Bergarbeiterbewegung sollte deutlicher im Sinne einer reflexiven, zukunftsgewandten Nostalgie gewendet werden. Dazu müssten dann auch die Brüche, die Widersprüche, Konflikte und Ambivalenzen in der Geschichte der Bergarbeiterbewegung herausgearbeitet werden, weil die Auseinandersetzungen damit eine Quelle für neues Wissen sein können.
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Mitchell, Timothy: Carbon Democracy. Political Power in the Age of Oil, London 2013, S. 12-42; Brüggemeier, Franz-Josef: Grubengold. Das Zeitalter der Kohle von 1750 bis heute, München 2018, S. 168-213, ins. S. 210-213.
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12 Das Technoseum in Mannheim – soziale Demokratie im Hybrid aus Technikund Sozialgeschichte?
Die Entstehungsgeschichte des Technoseum hat eine speziell baden-württembergische Prägung. An der Wiege des Museums standen drei im deutschen Südwesten aktive bürgerschaftliche Vereine, die sich der Sozialgeschichte, der Rheinschifffahrt und der Technik verbunden fühlten. Der baden-württembergischen Landesregierung unter Lothar Späth gelang es dann, dieses bürgerschaftliche Engagement zusammenzuführen und noch tripartistisch zu gestalten, da schon dem Verein für Sozialgeschichte auch Vertreter der Arbeitgeber und Gewerkschaften angehörten.1 Der baden-württembergische Kultusminister Wilhelm Hahn verband mit der Museumsgründung die weitreichende Erwartung, dass das Museum die Erfolge des deutschen Sozialstaates als positives Identifikationsangebot präsentieren solle: »Es gilt zu zeigen – und das gerade auch unserer heranwachsenden Jugend – daß es in der deutschen Geschichte nicht nur den Komplex Holocaust gibt, sondern auch eine in der Weltgeschichte beispielhafte Leistung auf sozialem Gebiet: den deutschen Sozialstaat.«2 So erfreulich es ist, von einem Konservativen und profilierten Bildungsreformer der CDU ein Hohelied auf den deutschen Sozialstaat zu hören, es kann in dieser engen Verbindung mit dem Holocaust leicht als Exkulpation verstanden werden.
1 2
Lüdtke, Hartwig: 25 Jahre Technoseum. Nichts ist spannender als Technik, Mannheim 2015, S. 25f. Zit. n. Roeckner: Ausgestellte Arbeit, S. 119.
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Soziale Bürgerrechte im Museum
Abb. 43: Das Technoseum. Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim.
Die Entstehung eines Hybrid-Museums Durch einen Beschluss des Landtages wurde 1980 Mannheim als Standort eines ›Landesmuseums für Technik und Sozialgeschichte‹ bestimmt, ein Museumsneubau auf den Weg gebracht und 1985 mit der Schaffung einer öffentlich-rechtlichen Stiftung, deren Träger das Land Baden-Württemberg und die Stadt Mannheim wurden, der rechtliche Rahmen geschaffen. Sie führt den Namen ›Stiftung Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim‹. Zur Stiftung gehört ein Beirat, in dem von Anfang an neben Wissenschaftler_innen und Museumsexpert_innen auch die Sozialpartner vertreten sind. Gründungsdirektor des Museums wurde Lothar Suhling, ein Technikhistoriker, der schon 1983 Leiter des Planungsstabes geworden war.3 Als stellvertretender Direktor wurde im darauffolgenden Jahr ein Sozialhistoriker, Rainer Wirtz von der Universität Konstanz, berufen.4 3 4
Lüdtke: 25 Jahre Technoseum, S. 31. Roeckner: Ausgestellte Arbeit, S. 120.
12 Das Technoseum in Mannheim
Der Ministerrat der baden-württembergischen Landesregierung verabschiedete am 18. März 1985 eigens die Konzeption für das neue Landesmuseum. Das grundsätzlich Neue des Museums sollte die Verbindung von Technik und Lebenswelt sein, sowohl in aktueller wie historischer Dimension. Der Bezug zur Gegenwart wurde als zentrale Orientierung ausgegeben und die Museumsdidaktik sollte dafür Sorge tragen, dass das Museum den »Charakter einer Bildungs- und Erlebnisstätte« bekommt. Es dürfte »nicht zu einem Mausoleum von Artefakten und Geschichtsdaten geraten.« Exponate gehörten nicht in Vitrinen, sondern sollten, soweit möglich, »zum Anfassen sein« und zudem in ihrer konkreten Handhabung und Funktion präsentiert werden, indem Objekte und Maschinen in Gang gesetzt werden. Es geht um ein »Museum zum Anfassen« und ein »arbeitendes Museum«.5 Zur Gestaltung legte die Konzeption »die Leitfigur einer Raum-ZeitSpirale in Form einer epochen-spezifisch gestalteten Museumsstraße als verbindendes Element der Ausstellungsstationen« fest. Der Weg spannt sich von der Frühindustrialisierung über die Gründerzeit und Hochindustrialisierung bis zur Zwischenkriegszeit und Gegenwart.6 Die umfängliche Zusammenstellung der sozialgeschichtlichen Fragestellungen in der Konzeption reicht von der ständischen Herrschafts- und Gesellschaftsordnung über Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Industrialisierung, die Arbeiterund Frauenbewegung bis zur Sozialgesetzgebung und der weiteren Entwicklung des sozialen Rechtsstaates und seinen Herausforderungen bis in die Gegenwart. Die Erwartungen an die Ausstellung zur Darstellung von Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie könnten nicht größer sein, so vielversprechend ist der Themenkatalog.7 Dass jedoch von der Landesregierung auch harte politische Grenzen gezogen wurden, zeigte sich, als eine Broschüre des Museums zur Neukonzeption beschlagnahmt wurde, weil sie »eine gestaltete Szene aus der Geschichte der Kernphysik im Nazideutschland vorgeschlagen« hatte.8 Angesichts der damaligen AntiAKW-Demonstrationen galt eine solche Präsentation anscheinend nicht als opportun. Die 1990 eröffnete Dauerausstellung hat immer wieder Veränderungen erfahren, die ab 2004 grundsätzlicher Art gewesen sind. Sie sollen kurz skiz5 6 7 8
Ministerium für Wissenschaft und Kunst Baden-Württemberg (Hgg.): Das Landesmuseum für Arbeit und Technik, Karlsruhe 1986, S. 42-48, hier S. 42. Ebd., S. 46. Ebd., S. 46-48. Kilger: Szenografie, S. 156f.
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Soziale Bürgerrechte im Museum
ziert werden, weil sie von erheblichem Einfluss für die inhaltliche Gewichtung der Sozialgeschichte sind. In die Ausstellung wurden an drei Stellen große Zukunftswerkstätten mit interaktiven Experimentierstationen, sogenannte Elementa, eingebaut, die vor allem jüngeren Besucher_innen vielfältige Möglichkeiten zur Betätigung bieten. Hiermit wurde, so die Museumsleitung, die ursprüngliche Idee des »arbeitenden Museums« weiterentwickelt zu einem »Mitmachmuseum«.9 Für die Elementa wurden besondere museumspädagogische Maßnahmen ergriffen. So wurden extra TECHNOscouts eingeführt, die in den Elementa mit Rat und Tat zur Seite stehen. Elementa 1 befasst sich mit Grundfragen der Mechanik, Elementa 2 mit Elektrizität, Elektromotor und Fliegen und Elementa 3 mit Themen wie Automation, Robotik und Energieversorgung. Mit diesen Neuerungen wollte man eine Entwicklung nachvollziehen, die sich mancherorten unter dem Namen Science Center, nämlich Orten des Experimentierens, des Ausprobierens etabliert hatte. Allerdings haben die Elementa eine stärkere historische Orientierung, die ansonsten bei Science Centern nicht üblich ist.10 Das Experiment soll, soweit wie möglich, immer mit den klassischen Exponaten verbunden sein.11 Zugleich wurden nun auch Kinder und Jugendliche als Hauptzielgruppe der Ausstellung genannt und das Museum selbst bezeichnete sich in seinen Leitsätzen als »außerschulischer Lernort«, der junge Menschen für Technik begeistert.12 Um sich nun auch der Namenswelt der Science Center anzunähern, sah man eine Namensänderung des Museums in Technoseum als zielführend an.13
Die Dauerausstellung Für die aktuelle Ausstellung liegt kein ausführlicher Katalog vor, sondern nur ein rund 130 Seiten starker »Rundgang durch die Ausstellung« von 2009.14 Der letzte ausführliche Katalog stammt von 2001 und ermöglicht einen Ein-
9 10 11
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Lüdtke: 25 Jahre Technoseum, S. 48-57, hier S. 48. Roeckner: Ausgestellte Arbeit, S. 55f u. S. 130f. Herzig, Thomas: Vom Landesmuseum zum TECHNOSEUM – mehr als ein neuer Name, in: Habsburg-Lothringen, Bettina (Hg.): Dauerausstellungen. Schlaglichter auf ein Format, Bielefeld 2012, S. 315-323, hier S. 320 u. S. 322. Lüdtke: 25 Jahre Technoseum, S. 53. Ebd., S. 52. Technoseum (Hgg.): Rundgang durch die Ausstellung, 2. Auflage, Mannheim 2009
12 Das Technoseum in Mannheim
blick in die damalige Ausstellungsgestaltung.15 Es soll nun mit Blick auf die gedruckten Unterlagen und die eigenen Eindrücke der Ausstellungsbegehung ermittelt werden, wie Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie zur Darstellung kommen. In einer Raum-Zeit-Spirale führt die Ausstellung die Besucher_innen von der obersten Etage des Museumsgebäudes aus der Zeit der Frühindustrialisierung bis ins Erdgeschoss zur Gegenwart. Die chronologische Darstellung wird auf rund 8000 qm Ausstellungsfläche entfaltet und durch einen ›Zeitzug‹ aus mehr als 20 Medienstationen, die die einzelnen Themen der Zeitreise erläutern, unterstützt. Dabei begleitet die Besucher_innen der Geschichtstourist Herr Eisele in den Filmchen und gelegentlich als Pappmacheefigur in der Ausstellung – eine pfiffige Inszenierung.16
Abb. 44: Der Geschichtstourist Herr Eisele.
15 16
Landesmuseum für Technik und Arbeit (Hgg.): Ausstellungskatalog, Mannheim 2001. Lüdtke: 25 Jahre Technoseum, S. 100-119, hier S. 101f.
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Soziale Bürgerrechte im Museum
Es beginnt mit den in Elementa 1 beeindruckenden 45 Experimentierstationen, in denen man z.B. mit dem Nachbau eines Tretrad-Krans aus dem frühen 18. Jahrhundert einen 275 Kilogramm schweren Sandstein anheben kann. Die Faszination solcherart Angebote für Schüler_innen ist leicht vorstellbar und sie bekommen eine große Aufmerksamkeit. Abb. 45: Elementa 1, Tretrad-Kran.
12 Das Technoseum in Mannheim
Der weitere Weg zur Industrialisierung ist mit beeindruckenden Objekten bestückt, wie z.B. der Mannheimer Rathausuhr von 1721 oder der Laufmaschine des Freiherrn von Drais. Alles wird durch Tafeln kontextualisiert, die die Themen Zeitmessung und Mobilität entfalten. Blickfang dieser ersten Ausstellungseinheit ist ein riesiges, sich drehendes Wasserrad, das die Bedeutung des Wassers als Antriebskraft zeigen soll. Mit dem Wandel der Textilproduktion und des Buchdrucks geht es weiter. Der Weg vom Hausgewerbe zur Textilfabrik wird am Beispiel eines Familienbetriebes über rund 150 Jahre dargestellt, Wohn- und Arbeitsräume auf drei Ebenen, die zugleich den zeitlichen Wandel verdeutlichen. Im Zusammenhang mit der Entwicklung der Textilindustrie wird auch das Thema Kinderarbeit aufgegriffen. Eine schlichte szenografische Gestaltung zeigt einen Klassenraum in einer Fabrik und an der Wand hängt das Staats- und Regierungsblatt zur Verordnung über Schulunterreicht in Fabriken. Der Katalog entfaltet dieses Thema und informiert ausführlich über Fabrikschulen, Arbeitsbedingungen, Unfallgefahren sowie Löhne und Lebenshaltung,17 ein Highlight der Ausstellung mit Blick auf das Thema der sozialen Demokratie. Auch die Buchdrucker und der Wandel ihres Handwerks werden über eine lange Zeitstrecke thematisiert, wobei allerdings im Katalog und der Broschüre zum Rundgang nichts über die bedeutsamen sozialpolitischen Neuerungen zu erfahren ist. Auf den Ausstellungstafeln werden sie jedoch aufgenommen und der erste Tarifvertrag von 1873 ist Thema. Die in der Hamburger Ausstellung so stark herausgestellte Benachteiligung von Frauen im Druckereigewerbe wird in Mannheim nicht angesprochen. Dass einige der ausgestellten Druckmaschinen in Gang gesetzt werden können, ist für die Besucher_innen eine Attraktion. Dasselbe gilt auch für die Station zum Wandel der Papierherstellung, wo die Besucher_innen sich selbst als Papierschöpfer betätigen können. Nach der Zukunftswerkstatt 1900, der Elementa 2, geht es um einen Blick in die Lebensbedingungen in Mannheim um 1900 und um imposante Lokomotiven, die zum Teil in der Maschinenfabrik Esslingen hergestellt worden sind. Aber vor allem die Maschinenfabrik selbst ist ein zentraler Gegenstand in der Ausstellung. In gewisser Weise hat man jetzt die klassische Zeit der Arbeiterbewegung erreicht, zumal auch das Museumscafé, eine Arbeiterkneipe, in diesem Kontext platziert ist. 17
Landesmuseum für Technik und Arbeit (Hgg.): Ausstellungskatalog, Mannheim 2001, S. 98-103.
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Soziale Bürgerrechte im Museum
Abb. 46: Inszenierung Papiermühle mit Bütte und Trockenvorrichtung mit eigengeschöpftem Papier und Pappe.
Mit Mannheim ist eine kleine Streikinszenierung verbunden, ein Streik bei der Firma Lanz 1903, in der über die Köpfe der Arbeiter_innen hinweg eine neue Zeiterfassung eingeführt werden sollte. Eine inszenierte Waschküche zeigt das beengte Leben der Arbeiter_innen.18 Dass viele Menschen vom Land trotzdem in die Stadt strömten, zeigt eine Inszenierung eines Tagelöhner Hauses aus dem Odenwald, das einen noch weit ärmlicheren Eindruck macht. Eine Medienstation hält weitere Informationen zu den angesprochenen Themen bereit. Die Darstellung der Geschichte der Maschinenfabrik Esslingen ist der Knotenpunkt in der Ausstellung zur sozialen Frage. Anhand zahlreicher Ma-
18
Ebd., S. 176-197.
12 Das Technoseum in Mannheim
Abb. 47: Inszenierung Tagelöhner Haus.
schinen und Apparaturen werden die technischen und arbeitsorganisatorischen Änderungen in der Fabrik von 1846 bis 1914 dokumentiert. Für die Darstellung des Wandels der sozialen Verhältnisse und Beziehungen in der Fabrik sind die Besucher_innen nun auf zweidimensionale ›Flachware‹ angewiesen, deren Lektüre aber sehr aufschlussreich ist. Texte, Statistiken, Grafiken und Faksimiles von Plakaten und zeitgenössischen Berichten entfalten ein breites Panorama. Wie zum Teil auch im Katalog ausgeführt,19 werden die patriarchalischen Arbeitsverhältnisse mit Betriebskranken- und Pensionskasse für Stammarbeiter vorgestellt, aber auch das Fehlen jeglicher Tarifregelung und von Kündigungsschutz thematisiert. Man wird informiert über die Fabrikordnung, Arbeitszeiten, betriebliche Einstufungen und soziale Sicherung, lernt anhand eines Schaubildes die drei Säulen der gesetzlichen Sozialversicherung kennen, um nur einige Beispiele zu nennen. Differenzierte Grafiken informieren über Lebensverdienstkurven sowie Durchschnittslöhne und Lebenshaltungskosten von 1850 bis 1914.
19
Ebd., S. 144-149; Technoseum (Hgg.): Rundgang, S. 76-79.
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Soziale Bürgerrechte im Museum
Abb. 48: Maschinenfabrik Esslingen.
Besonders beeindruckend ist die Gegenüberstellung ›Ausbildung in der Industrie einst (1910) und jetzt (1990)‹. Sie verdeutlicht gerade Schüler_innen, die noch vor dem Eintritt ins Berufsleben stehen, das Ausmaß an sozialem Fortschritt, der erreicht worden ist. Allerdings muss man befürchten, dass diesem Ensemble nicht das größte Interesse gilt. Hinter der Installation überragen die ausgestellten Lokomotiven im Museumsbahnhof alles und zudem kann man mit der Lokomotive Eschenau aus der Maschinenfabrik Esslingen auch noch eine Fahrt auf dem Außengelände des Museums machen. Im Zusammenhang mit der Eisenbahn wird bemerkenswerterweise die Frage des Koalitionsrechts der verbeamteten Eisenbahner und des Verbots der politischen Betätigung in der SPD während des Kaiserreichs angesprochen.20 Die Komplexe Energie, Kunststoff, Auto, Medien und die Elementa 3, Zukunftswerkstatt 2000, beschließen die Ausstellung. Die Ausstellungsstücke sind schlicht imposant. Eine Dampfmaschine hat man vielleicht auch schon
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Landesmuseum (Hgg.): Ausstellungskatalog, S. 170-173.
12 Das Technoseum in Mannheim
Abb. 49: Lokomotive Eschenau.
in anderen Ausstellungen gesehen, aber die präsentierten Autos und Motorräder aus rund 100 Jahren Automobilität entfalten einen ganz besonderen Reiz. Daneben nimmt sich eine kleine Wandpräsentation hinter Glas zur Automobilgewerkschaft IG Metall bescheiden aus und die Frage, ob sich jemand
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die in der benachbarten Medienstation angebotenen Filme zur Nachkriegsgeschichte der Gewerkschaften ansehen wird, soll hier unbeantwortet bleiben. In der alten Ausstellung, so im Katalog von 2001, war eine Station ›Schreibmaschine-Scannerkasse-Telefon‹, in der Frauenarbeit im Dienstleistungsbereich ausführlicher behandelt wurde. Zudem gab es eine kleine, rund 100-jährige Geschichte vom ›Kontorbuch zum Mikrochip: Maschinisierung und geschlechterspezifische Arbeitsteilung‹.21 Dass dieser Bereich der Ausstellung angesichts des rasanten Wandels insbesondere in der Telekommunikation erneuert werden musste, liegt auf der Hand. Ein Foto des ›Fräuleins vom Amt‹ ist geblieben. Allerdings gibt es nun keine Station mehr, die das Thema der Gleichstellung so prominent thematisiert. Es ließen sich noch viele weitere interessante Details aus der Ausstellung berichten, sie sind allerdings für unsere Frage, wie Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie dargestellt werden, nicht weiter relevant.
Fazit Die Museumsästhetik ist insgesamt sehr beeindruckend und besticht mit ihren szenografischen Gestaltungen, die immer auch Originalobjekte integrieren. Man hat nie den Eindruck, dass es um Effekthascherei gehen könnte.22 Die Mitmach-Möglichkeiten an den alten Maschinen und das reichhaltige Angebot in den Elementa bieten den Besucher_innen viele Partizipationsmöglichkeiten, wobei manchmal das Gefühl eines Überangebotes entsteht. Im Rückblick nach 25 Jahren versteht sich das Technoseum selbst als ein Kind des Museumsbooms der 1970er und 1980er Jahre und stellt sich in eine Reihe mit der Neueröffnung des Frankfurter Stadtmuseums 1972 und dem Hamburger Museum der Arbeit.23 Das Mannheimer Museum hat zweifelsohne Museumsgeschichte geschrieben. Die Verbindung von Technik- und Sozialgeschichte ist ein ambitioniertes Unternehmen. Es ist an vielen Stellen gelungen, wobei die Technikgeschichte anhand der Exponate leichter erzählt werden kann als die Sozialgeschichte, die mehr auf szenografische Gestaltung angewiesen ist, wenn es nicht bei ›Flachware‹ bleiben soll. Allerdings ist
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Ebd., S. 332-349. Roeckner: Ausgestellte Arbeit, S. 133-137. Lüdtke: 25 Jahre Technoseum, S. 22f.
12 Das Technoseum in Mannheim
mit der Einführung der Elementa eine deutlich wahrnehmbare Akzentverschiebung eingetreten. Dass mehr Schüler_innen ins Museum kommen, ist erfreulich, aber muss das Haus dann gleich zum ›Schulmuseum‹ werden, wie es Ministerpräsident Kretschmann in seinem Grußwort zu 25 Jahre Technoseum formuliert?24 Natürlich hat ein Museum dann sein Stammpublikum, wenn es zu einem »unentbehrlichen Bestandteil des naturwissenschaftlichen Unterrichts« geworden ist, wie es der Direktor der Kooperationsschule des Technoseum beschreibt.25 Und die Evaluator_innen geben den Ausstellungsmacher_innen auch Recht, dass interaktive Stationen besser als »textlastige« Ausstellungsteile ankommen.26 Schließlich wird man auch vermuten dürfen, dass das Technoseum von seinen Shareholdern, auch den Sozialpartnern im Beirat, gedrängt worden ist, mehr für die Technikbegeisterung bei jungen Menschen zu tun. Der Mangel an Nachwuchskräften in den technischen Berufen ist nicht von der Hand zu weisen. Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie haben ihren Platz in der Ausstellung, aber man darf sicher Zweifel anmelden, ob sie über die gelungenen szenografischen Gestaltungen hinaus Aufmerksamkeit finden. Zudem haben die sozialgeschichtlichen Teile eine gewisse kosmopolitische Färbung. Sie zeigen, wie es einmal war, aber laden nicht explizit dazu ein, über die heutigen Herausforderungen zu diskutieren. Dass das Technoseum mit den Themen der sozialen Demokratie jedoch umzugehen weiß, hat es nicht zuletzt mit der Sonderausstellung »Durch Nacht zum Licht. Geschichte der Arbeiterbewegung 1863-2013« bewiesen.27 Aber diese war eher etwas für akademisch gebildete, ältere Leute, wie die Evaluation behauptet.28
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Ebd., S. 10. Ebd., S. 19. Klein, Joachim u.a.: Das Mannheimer Technoseum im Spiegel seiner Besucher. Umfragebefunde unter Individualbesuchern und Gruppen, (Karlsruhe) 2014, S. 144f. Technoseum (Hgg.): Katalog zur Großen Landesausstellung 2013 Baden-Württemberg. Durch Nacht zum Licht? Geschichte der Arbeiterbewegung 1863-2013, 2. Auflage, o. O. 2013, passim. Klein u.a.: Das Mannheimer Technoseum, S. 21-31.
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13 Die Arbeitswelt Ausstellung der DASA in Dortmund – ein szenografischer Zugang zur Geschichte des Kampfes für soziale Rechte?
Die im Jahre 2000 vollständig fertiggestellte Deutsche Arbeitsschutzausstellung steht in der Tradition älterer Bemühungen, die Anliegen des Arbeitsschutzes mit dem Instrument der Ausstellung zu befördern. Schon 1889 eröffnete in Berlin die ›Deutsche Allgemeine Ausstellung für Unfallverhütung‹ ihre Tore, und sie erreichte in den knapp sechs Monaten ihrer Existenz rund eine Million Besucher. Initiiert wurde die Ausstellung von einer Berufsgenossenschaft, die aufgrund des Unfallversicherungsgesetzes von 1884 gebildet worden war. Das Interesse der Unternehmer an der Ausstellung war schlicht, durch die Aufklärung über Unfallgefahren, die hohe Zahl der entschädigungspflichtigen Unfälle zu senken. Auch das große Interesse und Wohlwollen von staatlicher Seite boten jedoch nicht die Gewähr, dass eine permanente Dauerausstellung, jetzt mit dem Namen ›Ständige Ausstellung für Arbeiterwohlfahrt‹, vor 1903 in einem Neubau in Berlin der Öffentlichkeit übergeben werden konnte. 1927 erfolgte die Umbenennung in Deutsches Arbeitsschutzmuseum und 1930 die direkte Anbindung als Reichsbehörde an das Reichsarbeitsministerium.1 Das Arbeitsschutzmuseum kann als Sozialmuseum charakterisiert werden, als ein problemorientiertes Fachmuseum, das »sich dem Themenkreis Mensch, Gesundheit und Technik« widmet und weniger als eine
1
Kaudelka-Hanisch, Karin: Hundert Jahre für den Arbeitsschutz. Die Deutsche Arbeitsschutzausstellung in historischer Perspektive, in: Kilger, Gerhard/Zumdick, Ulrich (Hgg.): Mensch – Arbeit – Technik. Katalog zur Deutschen Arbeitsschutzausstellung, Köln 1993, S. 74-83; Hawig, Jana: Die Ständige Ausstellung für Arbeiterwohlfahrt als Medium politischer Repräsentation von Arbeit, in: Andresen, Knud/Kuhnhenne, Michaela/Mittag, Jürgen/Müller, Stefan (Hgg.): Repräsentationen der Arbeit. Bilder – Erzählungen – Darstellungen, Bonn 2018, S. 191-210.
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Soziale Bürgerrechte im Museum
klassische Objektschau. Sein Zweck ist vor allem die Aufklärung und Belehrung seiner Besucher über die Risiken der Arbeitswelt.2 Im Zweiten Weltkrieg ist das Deutsche Arbeitsschutzmuseum in Berlin weitgehend zerstört worden. In den Wirren der Nachkriegszeit und der deutschen Teilung wanderte die spätere ›Bundesanstalt für Arbeitsschutz‹ 1972 schließlich nach Dortmund, wo sie bis heute ihren Sitz hat.3
Der lange Weg zur neuen Arbeitsschutzausstellung Schon 1978 begannen die Planungen für eine neue ›Ständige Ausstellung für Arbeitsschutz‹ in Dortmund, die 22 Jahre später ihre vorläufige Vollendung fanden. Heute führt die Dauerausstellung den Namen ›DASA-Arbeitswelt Ausstellung‹.4 Die entscheidende Weichenstellung für den Aufbau einer Arbeitsschutzausstellung war der Erlass des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 10. September 1980. Er regelte, dass die Ausstellung bei der damaligen Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Unfallforschung in Dortmund angesiedelt wurde und folgende Aufgaben übernehmen sollte: »Die Arbeitsschutzausstellung soll über die Arbeitswelt, ihren Stellenwert in der Gesellschaft und ihre menschengerechte Gestaltung sowie über die Sicherheit in Heim, Freizeit und Schule informieren.«5 Der Erlass konkretisierte die Ziele und
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Starzinger, Marcus: Soziale Interaktion in der Vermittlung in der DASA Arbeitswelt Ausstellung, in: Isenbort, Gregor (Hg.): Szenografie in Ausstellungen und Museen VIII. Museum und Stadt/Stadt und Museum. Ausstellung als sozialer Raum, Stuttgart 2018, S. 158-169, hier S. 158; Roeckner: Ausgestellte Arbeit, S. 60f. DASA (Hgg.): Kampf für eine bessere Arbeitswelt. Die Geschichte des Arbeitsschutzes, Dortmund 2003, S. 37-39. Die Entwicklung von 1978 bis 1993 hat der stellv. Leiter der DASA, Dr. Bernd Holtwick, in einem Aufsatz beschrieben: Holtwick, Bernd: Transfer, Bewusstseinsbildung, Öffentlichkeitsarbeit. Die Deutsche Arbeitsschutzausstellung als Akteur der ›Humanisierung des Arbeitslebens‹, in: Kleinöder, Nina/Müller, Stefan/Uhl, Karsten (Hgg.): ›Humanisierung der Arbeit‹. Aufbrüche und Konflikte der rationalisierten Arbeitswelt, Bielefeld 2019, S. 109-135. Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung: Erlaß über die Einrichtung einer »Ständigen Ausstellung für Arbeitsschutz« bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Unfallforschung v. 10.09.1980, in: Bundesanstalt für Arbeitsschutz (Hgg.): Deutsche Arbeitsschutzausstellung. Gesamtkonzeption März 1990, S. 30-33.
13 Die Arbeitswelt Ausstellung der DASA in Dortmund
Abb. 50: Eingangsbereich der DASA-Arbeitswelt Ausstellung in Dortmund
bestimmte in diesem Zusammenhang als Aufgabe, »die Geschichte des Arbeitsschutzes im Rahmen der Gesellschaftspolitik« darzustellen. Neben den sehr konkreten, praxisnahen Aufgabenfeldern, wie der Darstellung der »Ursachen und Folgen von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten, arbeitsbedingten Erkrankungen und Wegeunfällen« sowie darauf bezogene »Schutz- und Abhilfemaßnahmen«, war also eine gesellschaftspolitische und historische Einordnung des Arbeitsschutzes ausdrücklich festgelegt worden. Bemerkenswert ist noch, dass schon der knappe Erlass die Fragen der Ausstellungsdidaktik anspricht, indem er die Arbeitsschutzausstellung als »eine bildungsaktive Einrichtung« definiert, die »sich bei der Darstellung pädagogischer Mittel« bedienen solle. Eine erste Konkretisierung fanden die Anforderungen des Erlasses im Ausstellungstechnischen Gutachten von 1985 und schließlich in der Gesamtkonzeption vom März 1990.
Die Gesamtkonzeption Einen besonderen Stellenwert gibt die Gesamtkonzeption der historischen Perspektive des Arbeitsschutzes. Sie versteht die Geschichte des Arbeitsschutzes als die eines permanenten Kampfes für seine Verbesserung, der wesentlich von der organisierten Arbeiterbewegung getragen wurde. Ferner wird die Dortmunder Ausstellung in die institutionellen Traditionen der Arbeits-
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Soziale Bürgerrechte im Museum
schutzausstellungen gestellt. Und schließlich wird der Stellenwert historischer Darstellung in der Ausstellung in zweifacher Hinsicht begründet. Zum einen soll Geschichte längsschnittartig ein Verständnis vom »Gewordensein« der Gegenwart vermitteln, um damit Perspektiven für zukünftige Gestaltungen zu eröffnen. Zum anderen kann eine »querschnittartige Verwendung von Geschichte« durch ein hohes Maß an Anschaulichkeit den Blick auf grundsätzliche Probleme wie z.B. die Belastungen am Arbeitsplatz schärfen.6 Ferner nimmt das didaktische Konzept einen besonderen Platz in der Gesamtkonzeption ein. Die Arbeitsschutzausstellung wird »Lernort« genannt, der eigenständige Bildungsangebote organisiert und eigene pädagogische Funktionen im Lernprozess wahrnimmt. Ausgehend vom schon erwähnten Begriff der »bildungsaktiven Einrichtung« soll ein breites Feld unterschiedlicher Lernformen angewandt werden, vom exemplarischen über anschauliches Lernen bis zum Lernen durch aktives Handeln und Lernen durch Erleben. Schließlich werden sogar Lernziele definiert, die durch die Ausstellungsgestaltung erreicht werden sollen.7 Fragen der Ausstellungsästhetik werden in diesem Zusammenhang jedoch nicht angesprochen. Die Konzeption sieht neun Ausstellungsbereiche vor, von der Büroarbeit über das Bauwesen und Gefahrstoffe bis zur Schwerindustrie, um nur einige Beispiele zu nennen, zumal sich die Aufteilung später änderte. Als zehnte Ausstellungseinheit kommt eine historische Darstellung zur Geschichte des Arbeitsschutzes unter dem Titel »Kampf für eine bessere Arbeitswelt« hinzu, die als »Sonderfall« im Vergleich zu den vorangegangenen Ausstellungseinheiten bezeichnet wird. Während in den vorangehenden Ausstellungseinheiten ein an aktuellen Fragestellungen orientierter exemplarischer Zugriff erfolgen soll, ist für die letzte Ausstellungseinheit eine genetisch-chronologische Darstellung der Geschichte des Arbeitsschutzes vorgesehen.8
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Gesamtkonzeption, S. 19-29; Zumdick, Ulrich: Geschichte als Methode. Zur Funktion historischer Darstellungen in der DASA, in: Kilger, Gerhard/Zumdick, Ulrich (Hgg.): Mensch – Arbeit – Technik. Katalog zur Deutschen Arbeitsschutzausstellung, Köln 1993, S. 46-53. Gesamtkonzeption, S. 85-100. Ebd., S. 38-76.
13 Die Arbeitswelt Ausstellung der DASA in Dortmund
Die Ausstellung im Katalog Mit der Teileröffnung der Deutschen Arbeitsschutzausstellung 1993 erschien ein umfänglicher Katalog zur Ausstellung, der sich weniger den Ausstellungsinhalten als den grundsätzlichen Fragen und Herausforderungen des Arbeitsschutzes und seiner musealen Darstellung widmete. Schon im Vorwort zum Katalog stellt der damalige Direktor Gerhard Kilger fest, dass in der Deutschen Arbeitsschutzausstellung »konzeptionell nicht die Objekte im Vordergrund des Interesses [ständen, W. J.], sondern die Inhalte des Arbeitsschutzes«. Die Ausstellung diene zur Umsetzung des Arbeitsschutzgedankens, was, so Kilger, »der ›Museumsszene‹ ungewöhnlich und erläuterungsbedürftig« erscheine. Bei der Dortmunder Ausstellung handele es sich um eine »bewusstseinsbildende Ausstellung«, die nicht »fertige Lernziele, sondern didaktische Ansätze, sinnvolle Angebote von ganzheitlichen Erfahrungen« verfolge.9 Es gehe in der Ausstellung um »nicht gegenständliche Inhalte« wie »z.B. Gesundheit, Belastungen, Zusammenhänge, Wirkungen, Verhalten, Organisation und Problemlösungskonzepte des Arbeitsschutzes. Um diese erlebbar und erfahrbar zu machen, müssen sie verdinglicht werden.«10 Drei Gestaltungsmethoden, die Erlebnisinsel, die realtypische Inszenierung und der Einsatz von Kunst, kommen zur Anwendung. In den mit bühnenbildnerischen Mitteln gestalteten Erlebnisinseln werden die unterschiedlichen Formen der Arbeitsbelastung vermittelt und in den realtypischen Inszenierungen geht es um eine Komposition von originalen Exponaten, die in einen räumlichen und funktionalen Zusammenhang gebracht werden. Mit dem Einsatz von Kunst bedient sich die Arbeitsschutzausstellung eines besonderen Mittels der Kommunikation. Kunst verspricht einen Zugang zu den Themen der Arbeitswelt, die sich klassisch musealer Präsentation verschließen. Arbeitsbedingungen, die »Versinnbildlichung von Arbeitsmühe« und das »Antlitz der Arbeit« z.B. können so in eine Ausstellung eingebracht
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Kilger, Gerhard/Zumdick, Ulrich (Hgg.): Mensch – Arbeit – Technik. Katalog zur Deutschen Arbeitsschutzausstellung, Köln 1993, S. 7 und S. 22-29, insb. S. 28. Müller-Kuhlmann, Wolfgang: Konzeptionelle Identität und Ausstellungsstruktur. Zur Funktion der Ausstellungsgestaltung, in: Kilger, Gerhard/Zumdick, Ulrich (Hgg.): Mensch – Arbeit – Technik. Katalog zur Deutschen Arbeitsschutzausstellung, Köln 1993, S. 30-37, hier S. 30.
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Abb. 51: Arbeiter mit Presslufthammer v. Karlheinz Biederbick.
werden.11 Welche Bedeutung dem Einsatz von Kunst beigemessen wird, wird schon daran deutlich, dass bereits in den Jahren des Aufbaus der DASA ei-
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Türk, Klaus: Kunst als Darstellungsmittel im Arbeitsschutz, in: Kilger, Gerhard/Zumdick, Ulrich (Hgg.): Mensch – Arbeit – Technik. Katalog zur Deutschen Arbeitsschutzausstellung, Köln 1993, S. 62-73.
13 Die Arbeitswelt Ausstellung der DASA in Dortmund
ne Kunstsammlung angelegt wurde, die den arbeitenden Menschen von der Hochindustrialisierung bis zur Gegenwart zum Gegenstand hat.12
Szenografie Ein besonderes Interesse hat die DASA nach 2000 – der sog. zweiten Konzeptphase – der Szenografie als musealer Gestaltungs- und Vermittlungsform gewidmet. In den seit 2000 jährlich stattfindenden Szenografie-Kolloquien werden neue Formen der Ausstellungsgestaltung präsentiert und diskutiert.13 Damit ist die DASA zu einem wichtigen Forum des internationalen Austausches von Wissenschaftler_innen, Museumspraktiker_innen, Ausstellungsgestalter_innen und Vertreter_innen der bildenden und dramatischen Künste geworden, das sich einer großen Resonanz erfreuen kann. Im aktuellen Katalog wird unter dem Begriff »Elementare Szenografie« dieser Methode ein herausragender Platz eingeräumt. Die besondere Bedeutung von Originalobjekten in der musealen Gestaltung wird deutlich relativiert und auf das Problem der Darstellung des Immateriellen hingewiesen. Stark gemacht wird die »Figürlichkeit einer gestalteten Innenarchitektur« von Räumen, die gleichsam den Wert von Originalobjekten aufwiegen könne. »Elementare Szenografie geht […] vom Thema, von den Botschaften, vom Einfühlen in anzunehmendes Rezeptionsverhalten aus, um über eine absolute Unvoreingenommenheit und kreative Ideenfindung zu schöpferischem Raumcharakter zu kommen. Dann erst können Räume die notwendigen Objekte zum Sprechen bringen. Dieses DASA-typische Vorgehen ist als Planungsprozess einmalig und birgt das eigentliche Geheimnis der elementaren Szenografie.«14 Mit ihrem Ausstellungs- und Gestaltungskonzept reklamiert die DASA, zentrale Elemente des Museums und des Ausstellungswesens zu integrieren. Vom Museum übernimmt sie die Ziele der Historisierung und des Einsatzes von originalen Objekten und vom Ausstellungswesen »die Lebendigkeit und 12
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Kilger, Gerhard: Zwischenraum, in: Kilger, Gerhard/Bieneck, Hans-Jürgen (Hgg.): Neue Qualität der Arbeit. Wie wir morgen arbeiten werden, Frankfurt a.M. 2002, S. 137-161, hier S. 137. Seit 2004 sind die Ergebnisse der Kolloquien in Buchform veröffentlicht worden. Die Bände 1 bis 7 sind im Klartext-Verlag, Essen, und der Band 8 in der avedition, Stuttgart 2018, erschienen. DASA (Hgg.): Katalog der Arbeitswelt Ausstellung, o. O. u. J., S. 138f.
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Soziale Bürgerrechte im Museum
Abb. 52: Blick in die Energiehalle
Aktualität, die Kundenorientierung und die ästhetische Gestaltung begehbarer Innenräume durch die Methoden der Szenografie.«15 Damit reagiert die DASA auf das sich wandelnde, stärker auf Erlebnis und Spaß setzende Freizeitverhalten, das die Nutzung des »Edutainment« erforderlich mache und das für die didaktischen Belange »kultiviert« werden solle. Der Einstieg in Ausstellungssequenzen über Unterhaltung könne einen Zugang zu Vertiefungszonen eröffnen, die sonst nicht erreicht würden. Das Besucherverhalten, so die DASA, habe dieser Vorgehensweise Recht gegeben. Schließlich verfolgt die DASA als bildungsaktiver Lernort das Ziel, ein Forum zu den Themen der Arbeitswelt zu werden.16 Die aktuelle Arbeitswelt Ausstellung gliedert sich in 12 Ausstellungseinheiten oder »Erlebnislandschaften mit Arbeitswelten von gestern, heute und morgen«. Es sind:
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Kilger, Gerhard: das Konzept der DASA, in: Verein der Freunde und Förderer der DASA (Hgg.): …voll in Bewegung. Einhundert Jahre deutsche Arbeitsschutzausstellungen. Zehn Jahre Deutsche Arbeitsschutzausstellung, Dortmund 2003, S. 24-27, hier S. 25. Ebd., S. 26f.
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Am Bildschirm. Arbeit mit Informations- und Kommunikationstechniken Im Wettlauf der neuesten Nachrichten. Die Arbeit der Zeitungsherstellung und Medien Im Takt der Maschine. Klassische Fabrikarbeit in der Textilindustrie Mehr Sicherheit am Bau. Arbeitsschutzprobleme im Hoch- und Tiefbau Transportieren und Befördern. Die Arbeit bei Transport und Verkehr Schuften in Schichten. Arbeit und Alltag in der Eisen- und Stahlindustrie Jede Menge Spannung. Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Elektrizitätswirtschaft Unsichtbare Gefahren. Gefahrstoffe am Arbeitsplatz Heilen und Pflegen. Die Gesundheit im Gesundheitswesen Lebensraum Arbeitswelt. Natürliche Eigenschaften – technische Fähigkeiten Neue Arbeitswelten. Der Mensch im Arbeitssystem Kampf für eine bessere Arbeitswelt. Die Geschichte des Arbeitsschutzes
Wie wird nun in dieser umfänglichen Dauerausstellung auf rund 12.000 qm Fläche die Geschichte der sozialen Demokratie repräsentiert?
Soziale Demokratie in der Ausstellung Die Arbeitsbedingungen der abhängig Beschäftigten sind in einer dem Arbeitsschutz gewidmeten Ausstellung selbstverständlich ein durchgängiges Thema. Die Tiefe der historischen Betrachtungen ist dabei unterschiedlich, zum Teil auch durch den Gegenstand bestimmt. In den Bereichen Druck, Textil sowie Eisen- und Stahlindustrie wird in die Zeit der Hochindustrialisierung zurückgeblendet. Abgesehen von der letzten Ausstellungseinheit zur Geschichte des Arbeitsschutzes werden ausführlicher nur die Fragen der Arbeitsbelastung, der Unfallgefahren und der Prävention an den verschiedenen Arbeitsplätzen thematisiert. Dies geschieht in einer szenografisch beeindruckenden Art und Weise, die die Besucher_innen in die Ausstellungseinheiten hineinziehen und sie für die Sache interessieren, ein Ergebnis, das sicher nicht gering zu schätzen ist. Gesellschaftspolitische Kontexte werden in den szenografischen Ausstellungseinheiten kaum thematisiert. Der symbolische Riss im Fußbodenparkett, das sog. Denkmal der Gegenüberstellung mit Reichskanzler Bismarck auf der einen Seite und August Bebel auf der anderen Seite vor der Fabrik-
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Abb. 53: Klassische Fabrikarbeit in der Textilindustrie
fassade, ist eine der wenigen Zugaben der ansonsten sehr auf die Arbeitsplatzsituation zentrierten Präsentationen. Der Kampf um soziale Rechte, die Erfolge und Niederlagen, kommen – wenn überhaupt – nur am Rande vor. Dies stellt sich in der Ausstellungseinheit »Kampf für eine bessere Arbeitswelt« völlig anders dar, die am 1. Mai 1999 eröffnet wurde. Der vorliegende eigenständige Katalog zu dieser Sektion schreibt auf rund 100 Seiten eine umfassende deutsche Sozialgeschichte des Kampfes für eine bessere Arbeitswelt von der ersten Arbeitsschutzgesetzgebung von 1839 bis zur Kinderarbeit in der Gegenwart. Die Erzählung geht – um nur einige der 24 Themen zu nennen – über das Unfallversicherungsgesetz von 1884, den Bergarbeiterstreik von 1889, den Crimmitschauer Streik der Textilarbeiterinnen, Zwangsarbeit unterm Hakenkreuz, den Uranerzbergbau der Wismut, den Druckerstreik von 1978 bis zu einem Resümee des deutschen Sozialstaates unter der treffenden Überschrift »Rechtsanspruch statt Barmherzigkeit«.17 Der Katalogtext vermeidet es erfreulicherweise, eine Erfolgsgeschichte des Arbeitsschutzes zu erzählen, sondern weist auf das ständige Auf und Ab der Kämpfe, die teils widerstreitenden Interessen der unterschiedlichen Akteure und die vielfältigen Motive für den Arbeitsschutz hin. Es wäre zu weitgehend, an dieser Stelle von einer agonalen Form der Erinnerung zu sprechen, aber die Erzählung zeichnet sich zumindest durch ihre Multiperspektivität aus. Eine 17
DASA (Hgg.): Kampf.
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Abb. 54: Fabrikfassade mit Kleidungsstücken und Büsten von Bismarck und Bebel
radikale Multiperspektivität im agonalen Sinne hätte auf die Einordnung der unterschiedlichen Positionen der Akteure verzichten müssen, was eine wagemutige Präsentation und immense, aber vielleicht lohnende Herausforderung für die Leser_innen wäre. Auf rund 500 qm werden die Themen dieser Ausstellungseinheit, gegliedert in Kabinette, gleichgroße dreiseitig begrenzte Raumnischen, mit einem jeweiligen Originalobjekt in der Mitte erzählt. So findet sich z.B. der Teil einer abgebrannten Stufe einer V2-Rakete in der Mitte des Themas Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz, das durch weitere Wandbilder, Dokumente und Texte illustriert wird. Einzelne Wandbilder, die leicht schräg abgestellt sind, haben ein zweites dahinterliegendes Bild, das die verdeckte Wahrheit der ersten Darstellung entschlüsselt. Die im Vergleich zu anderen Ausstellungseinheiten kleinteilige Gliederung erfordert eine besondere Anstrengung der Besucher. Möglichkeiten zur Partizipation der Ausstellungsbesucher sind nicht vorgesehen. Zudem ist die Ausstellungseinheit in einen nördlichen und südlichen Teil unterbro-
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Abb. 55: Kabinett Zwangsarbeit mit abgebrannter V2-Raketenstufe
chen, die nur über den Weg durch den Sonderausstellungsbereich erreichbar ist. Besondere Beachtung verdienen die künstlerischen Installationen in dieser Ausstellungseinheit. Im nördlichen Teil findet sich die sog. ›Intoleranzmaschine‹ der Künstlerin Eva Ohlow, ein vierrädriger, mit spitzen Gegenständen gespickter Transportwagen, der »als Angriff der industriellen Arbeitswelt auf den verletzlichen Menschen gedeutet werden« kann. Ihr gegenüber ist ein Originalobjekt von 1893, eine prämierte Bandsägemaschine, ausgestellt, die wegen ihrer besonderen Verletzungsgefahr be-
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kannt war. Im südlichen Ausstellungsraum sind die beiden Objekte ein Dieselmotor von 1904 und die Skulptur ›Maschinenmenschen‹ der Künstlerin Gabriella Fekete, eine Gruppe von vier gleichförmigen, schwarz bemalten, gesichtslosen Figuren.18 Die künstlerischen Objekte ermöglichen eine Annäherung an die Belastungen der Arbeitswelt, hier die Unfallgefahren und die Monotonie in der Arbeit, die in dieser Eindrücklichkeit mit der Präsentation historischer Originalobjekte schwerlich zu erreichen wäre. Sie können ein agonales Erinnern unterstützen, das den Ursachen von Leid und Unterdrückung auf den Grund geht und einen produktiven Streit in Gang setzt.
Abb. 56: ›Intoleranzmaschine‹ v. Eva Ohlow.
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Kaudelka, Karin: Die ›Intoleranzmaschine‹, in: Kilger, Gerhard/Bieneck, Hans-Jürgen (Hgg.): Neue Qualität der Arbeit. Wie wir morgen leben werden, Frankfurt/New York 2002, S. 65-73.
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Abb. 57: ›Maschinenmenschen‹ v. Gabriella Fekete.
Fazit Die Ausstellungseinheit »Kampf für eine bessere Arbeitswelt« kann hinsichtlich ihrer Inhalte mit Blick auf die Themen der sozialen Demokratie weitgehend überzeugen und die künstlerischen Installationen sind zweifelsohne eine große Bereicherung. Im Vergleich mit den szenografisch aufwändig gestalteten anderen Ausstellungseinheiten ist jedoch eine gewisse Monotonie der Inszenierung zu konstatieren, die das Interesse der Besucher schmälern dürfte. Nachteilig ist auch die räumliche Zweiteilung der Ausstellungseinheit. Der ansonsten szenografische Einfallsreichtum ist in dieser Ausstellungseinheit nur zum Teil angekommen. Etwas mehr Edutainment dürfte es schon sein. Der Streik der Crimmitschauer Textilarbeiterinnen z.B., der einen zentralen Platz in der deutschen Geschichte der industriellen Beziehungen einnimmt, hätte durchaus eine tiefere szenografische Präsentation verdient. Aber auch andere Themen aus der langen Geschichte des Kampfes für soziale Rechte wären es sicher wert. Aber nichtsdestotrotz: Die Geschichte des Kampfes für eine
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bessere Arbeitswelt ist ein essentielles, unverzichtbares Element der Arbeitsweltausstellung, da nur diese Ausstellungseinheit ein Geschichtsbewusstsein dafür vermitteln kann, dass soziale Rechte und Arbeitsschutz mühsam erkämpft und immer wieder aufs Neue verteidigt werden müssen.
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14 Das Haus der Europäischen Geschichte in Brüssel – ein Ankerplatz für ein europäisches Gedächtnis der sozialen Demokratie?
Seit 2017 besitzt die Europäische Union in Brüssel ein Haus der Europäischen Geschichte. Es hat seinen Sitz mitten im Europaviertel der Stadt in unmittelbarer Nähe zur Europäischen Kommission. Zehn Jahre zuvor, am 13. Februar 2007, hatte der damalige, neugewählte Präsident des Europäischen Parlaments, der deutsche, christdemokratische Politiker Hans-Gert Pöttering, in seiner Antrittsrede den Vorschlag für ein Haus der Europäischen Geschichte gemacht: »Die europäische Geschichte wird fast immer nur national in nationalen Museen dargestellt. Ich möchte einen Ort der Erinnerung und der Zukunft anregen, in der der Gedanke der Idee Europas weiterwachsen kann. Ich möchte den Aufbau eines ›Hauses der Europäischen Geschichte‹ vorschlagen. Es soll kein langweiliges, trockenes Museum werden, sondern ein Ort, der unsere Erinnerung an die europäische Geschichte und das europäische Einigungswerk gemeinsam pflegt und zugleich offen ist für die weitere Gestaltung der Identität Europas durch alle jetzigen und künftigen Bürger der Europäischen Union. Ein solches ›Haus der Europäischen Geschichte‹ sollte am Sitz der Europäischen Institutionen gegründet und vernetzt werden mit vergleichbaren Einrichtungen in den Mitgliedstaaten.«1
1
Antrittsrede des Präsidenten des Europäischen Parlaments, www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+CRE+20070213+ITEM-003+DOC+XML+V0//DE&language=DE (Zugriff 06.06.2019).
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Abb. 58: Das Haus der Europäischen Geschichte in Brüssel.
Museumsgründung als top-down-Prozess Pötterings Initiative stand zweifellos unter dem Eindruck des 2004 durch die Ergebnisse der Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden gescheiterten europäischen Verfassungsprozesses, der eine fundamentale Vertiefung der europäischen Integration in weite Ferne rückte. Geschichte sollte nun helfen, eine europäische Identität zu stärken, die offensichtlich zu wünschen übrig ließ.2 Ein Museum schien dafür das richtige Instrument zu sein, so wie das Nationalmuseum im 19. Jahrhundert die Idee der Nation vorangebracht hatte. In die gleiche Richtung ging schon der Beschluss der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 22. Januar 1996, der in seiner Empfehlung 1283 zum Thema »Geschichte und das Lernen von Geschichte« sich für vielfältige Aktivitäten zur Stärkung des historischen Bewusstseins und zur »europäische[n] Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Geschichte« 2
Huistra, Pieter/Molena, Marijn/Wirt, Daniel: Political Values in an European Museum, in: Journal of Contemporary European Research, 10 (2014), S. 124-136, hier S. 129; Siepmann, Marcel: Ein Haus der Europäischen Geschichte wird eingerichtet, in: GWU 63 (2012), S. 690-704, hier S. 691-693.
14 Das Haus der Europäischen Geschichte in Brüssel
aussprach und den Mitgliedstaaten nahelegte, »nationale Geschichtsmuseen in Anlehnung an das Deutsche ›Haus der Geschichte‹ in Bonn einzurichten«, das erst zwei Jahre zuvor seine Tore geöffnet hatte.3 Schon 1995 war das Bonner Museum mit dem renommierten Museumspreis des Europarates ausgezeichnet worden, der als das eigentliche Startsignal für die Entstehung neuer zeitgeschichtlicher Museen gelten kann.4 Die Brüsseler Museumspläne waren aber keinesfalls der Beginn einer europäischen Kulturpolitik, die bis in die 1950er Jahre zurückverfolgt werden kann. Einen offiziellen Status bekam die Kulturpolitik mit dem Vertrag von Maastricht 1992, der in einem eigenen Artikel die Entfaltung der vielfältigen Kulturen der Mitgliedstaaten und die Hervorhebung des gemeinsamen kulturellen Erbes der Gemeinschaft vorsieht.5 Der britische Sozialanthropologe Cris Shore hat die Kulturpolitik der Europäischen Union der 1990er Jahre intensiv erforscht. Er beschreibt die letztlich erfolglosen Bemühungen der EU-Kommission, eine europäische Identität im Sinne eines einheitlichen europäischen Nationalstaates zu schaffen, ein Ziel, das, so Shore, auf Grund der kulturellen Vielfalt Europas auch nicht zu erreichen sei.6 Nichtsdestotrotz bekamen die kulturellen Aktivitäten mit dem Museumsprojekt eine Fortsetzung. Pöttering machte seinen Vorschlag für ein Haus der Europäischen Geschichte zur eigenen Sache und das Präsidium des Europäischen Parlaments berief in seiner Sitzung am 12. November 2007 eine neunköpfige Expertenkommission, die eine konzeptionelle Grundlage für das Museum erarbeiten sollte. Hans Walter Hütter, der Direktor des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn, wurden zum Vorsitzenden der Kommission bestellt. Die weiteren Historiker_innen und Museumsfachleute kamen aus Polen, Italien, Belgien, Frankreich, Finnland, den Niederlanden, Portu-
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Empfehlung 1283, Europarat 1996, S. 14-16, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/13/ 042/1304201.pdf#page=12 (Zugriff 06.06.2019) Simansons, Raivis: Europe’s Journey to Modernity: Developing the House of European History in Brussels, Thesis submitted for the degree of Doctor of Philosophy at the University of Leicester, June 2018, https://lra.le.ac.uk/bitstream/2381/43185/1/2018SIMANSONSRSPhD.pdf (Zugriff 06.06.2019), S. 124-160. Ebd., S. 22-42. Shore, Cris: Building Europe. The Cultural Politics of European Integration, London/New York 2000, S. 13-122.
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Soziale Bürgerrechte im Museum
gal und Ungarn.7 Schon Mitte September 2008 legte die Expertenkommission ihr Konzept vor, das vom Präsidium des Europäischen Parlaments am 15. Dezember 2008 als verbindliche Grundlage für den Aufbau des Museums akzeptiert wurde. Die Expertenkommission wurde durch einen 14-köpfigen wissenschaftlichen Beirat ersetzt, dem nun der polnische Historiker Wlodzimierz Borodziej vorstand. Er war schon Mitglied der Expertenkommission gewesen. Auch der vormalige Vorsitzende der Expertenkommission, Hans Walter Hütter, zog in den Beirat ein. Zeitgleich mit dem wissenschaftlichen Beirat wurde auch ein Kuratorium als Führungsorgan des Museums geschaffen, dem unter dem Vorsitz von Hans-Gert Pöttering überwiegend namhafte Persönlichkeiten unterschiedlicher politischer Richtungen und nur einzelne Abgeordnete des Europaparlaments angehörten.8 Pöttering hatte in weniger als zwei Jahren die Weichen für das neue Haus der Europäischen Geschichte gestellt, ein ›top-down-Prozess‹, der fast ganz ohne Beteiligung der Öffentlichkeit vonstattenging. Man wird konzedieren müssen, dass die Erfahrungen bei der Gründung der beiden großen deutschen Geschichtsmuseen und die intensiven, sehr unterschiedlichen geschichtspolitischen Debatten in den EU-Mitgliedstaaten, sei es die Erinnerung an den Holocaust oder an den Gulag, ein europäisches Projekt zu einer gewaltigen Herausforderung machten. Pöttering hatte ein Mikronetzwerk aus Politik, Wissenschaft und Kultur aufgebaut, das eine klare christdemokratisch-katholische Orientierung besaß. In vielem ähnelte seine Vorgehensweise der von Helmut Kohl bei der damaligen Schaffung des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.9 Die nach der Veröffentlichung der Konzeptionellen Grundlagen aufkommende Kritik gab der Vorgehensweise in so weit recht, da sie weitgehend aus sehr national- oder gruppenspezifischer Perspektive formuliert wurde.10
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Ebd., S. 129f; Pöttering, Hans-Gert: From idea to realisation, in: Mork, Andrea/Christodoulou, Perikles (Hgg.): Creating The House Of European History, Luxembourg 2018, S. 18-26, hier S. 19. Ebd., S. 21f. Kaiser, Wolfram/Krankenhagen, Stefan/Poehls, Kerstin: Exhibiting Europe in Museums. Transnational Networks, Collections, Narratives and Representations, New York, Oxford 2014, S. 64-67. Huistra u.a.: Political Values, S. 134; Siehe auch die harte Kritik des Mitglieds des Sachverständigenausschusses Klinge, Matti: A Nordic view, in: Mork, Andrea/Christodoulou, Perikles (Hgg.): Creating The House Of European History, Luxembourg 2018, S. 262.
14 Das Haus der Europäischen Geschichte in Brüssel
Jedoch ist die Kritik nicht von der Hand zu weisen, dass politische Identität nicht in einem ›top-down-Prozess‹ durch ein Museum verordnet werden kann, sondern dass dafür ein breiter öffentlicher Diskussionsprozess notwendig ist, der wesentlich zur Herausbildung einer europäischen Öffentlichkeit hätte beitragen können.11 Auch Wlodzimierz Borodziej beklagt in seiner Rückschau »the lack of communication with the outside world«, die sich in das schlechte Marketing der Europäischen Union füge und nur Verdächtigungen geschürt habe.12 Und auch für ihn war das Haus der Europäischen Geschichte »ein Elitenprojekt […], erfunden für eine Öffentlichkeit, die es noch nicht gibt und die unter anderem mit diesem Haus aktiviert werden soll.«13
Konzeptionelle Grundlagen Die »Konzeptionellen Grundlagen für ein Haus der Europäischen Geschichte«, die der Sachverständigenausschuss im Oktober 2008 vorlegte, definieren auf 27 Seiten in 116 Punkten zum einen »Konzeptionelle und museale Grundlagen« und zum anderen »Inhaltliche Grundlinien der Dauerausstellung«.14 Im Vorwort formuliert der Sachverständigenausschuss ausgehend von Pötterings Intentionen die Aufgabenstellung des neuen Museums: »Ein herausgehobenes Ziel des Hauses der Europäischen Geschichte ist, die Kenntnisse der Europäer aller Generationen über ihre eigene Geschichte zu vertiefen und so zu einem besseren Verständnis der Entwicklung Europas in Gegenwart und Zukunft beizutragen. Die Einrichtung soll zu einem Ort werden, an dem die europäische Idee lebendig wird« (Ziffer 3). Bemerkenswert ist, dass der Begriff der europäischen Identität, den Pöttering noch benutzte, fast ausnahmslos vermieden wird. Darauf wird später noch zurückzukommen sein. 11 12
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Leggewie, Claus/Lang, Anne: Der Kampf um die europäische Erinnerung. Ein Schlachtfeld wird besichtigt, München 2011, S. 182-188. Borodziej, Wlodzimierz: The Academic Committee of the House of European History: personal impressions and memories, in: Mork, Andrea/Christodoulou, Perikles (Hgg.): Creating The House Of European History, Luxembourg 2018, S. 32-38, hier S. 35. Borodziej, Wlodzimierz: Das Haus der Europäischen Geschichte – ein Erinnerungskonzept mit dem Mut zur Lücke, in: Knigge, Volkhard/Veen, Hans-Joachim/Mählert, Ulrich/Schlichting, Franz-Josef (Hgg.): Arbeit am europäischen Gedächtnis. Diktaturerfahrung und Demokratieentwicklung, Köln u.a. 2011, S. 139-146, hier S. 146. Sachverständigenausschuss Haus der Europäischen Geschichte: Konzeptionelle Grundlagen für ein Haus der Europäischen Geschichte, www.europarl.europa.eu/ meetdocs/2004_2009/documents/dv/745/745721/745721_de.pdf (Zugriff 06.06.2019).
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Die starke normative Botschaft des neuen Museums wird vom Sachverständigenausschuss klar formuliert: »Die Idee und Bereitschaft, sich in supranationalen Institutionen auf europäischer Ebene freiwillig zusammenzufinden, prägt die jüngste Geschichte des Kontinents. Die weitgehende Überwindung von Nationalismen, Diktatur und Krieg, zugleich seit den 1950er Jahren der Wille, auf europäischer Ebene in Frieden und Freiheit zusammenzuleben, die supranationale Union mit zivilem Charakter, sollen herausgehobene Botschaften des Hauses der Europäischen Geschichte sein. Die Ausstellungen sollen verdeutlichen, dass ein vereintes Europa auf Basis gemeinsamer Werte in einer Welt des Fortschritts in Freiheit friedlich zusammenleben kann. Zu einer weitergehenden Beteiligung der Bürger an den politischen Entscheidungsprozessen im vereinten Europa soll das Haus der Europäischen Geschichte anregen« (Ziffer 5). Mit den folgenden konzeptionellen und musealen Grundlagen scheint sich nach diesen starken normativen Setzungen ein Widerspruch aufzutun, wenn »die multiperspektivische und offene Darstellung historischer Fakten und Prozesse« eingefordert wird, um »den Besuchern ein eigenes Urteil zu ermöglichen und sie zur Diskussion anzuregen.« Ebenfalls ist es wohlfeil, »die wissenschaftliche Unabhängigkeit und die Objektivität der Darstellung« zu reklamieren, sofern diese Anforderungen nicht nur als regulative Idee verstanden werden sollen. Das Museum solle politische Bildung machen, was bei einem Zielpublikum von interessierten Laien am besten mit einer chronologisch orientierten Narration gelingen könne. Ebenfalls sei es erforderlich, dass neueste »museologische Erkenntnisse […] beim Aufbau und Betrieb berücksichtigt werden«. Die Attraktivität der Dauerausstellung hänge »von den ausgestellten Objekten ab, deren auratische Kraft neben dem kognitiven auch den affektiven Zugang zu den historischen Fragestellungen erlauben soll. Doch ohne Kontextualisierung der Exponate bleibt der Zugang zu deren Bedeutung verstellt« (Ziffern 9, 11, 13, 14, 24). Zum Inhalt der Dauerausstellung wird festgehalten, dass »nicht die Summe nationaler oder regionaler Geschichten Europas« abbildet werden solle, sondern es vielmehr um »europäische Phänomene« gehe und dabei der Schwerpunkt auf der europäischen Geschichte vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart liegen müsse (Ziffer 23). Trotz dieser selbst gegebenen Empfehlung der zeitlichen Konzentration auf das 20. und 21. Jahrhundert hat der Sachverständigenausschuss es unternommen, »Ursprünge und Entwicklungen Europas« bis weit in die Antike zurück zu beschreiben. Die Absicht liegt auf der Hand: es geht um die Kon-
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struktion von langen Kontinuitätslinien, um Europa feste Wurzeln zu geben, ein Vorgehen, das auch für die ideologische Begründung der Nationalstaaten im 19. Jahrhundert typisch war.15 Mit Blick auf die Geschichte der sozialen Demokratie wird in den konzeptionellen Grundlagen die Industrialisierung im 19. Jahrhundert als ein europäisches Phänomen beschrieben. Sie zeichnete sich durch »gewaltige Massen von Zuwanderern« in den Städten aus, die ihre Infrastruktur ausbauten. »Soziales Elend« in Stadt und Land waren Anlass, ein System der sozialen Sicherung einzuführen und der »zunehmende Druck von Seiten der Arbeiter« manifestierte sich in »Form von gewerkschaftlichen Zusammenschlüssen« (Ziffer 46). In der Beschreibung der europäischen Geschichte im 20. und 21. Jahrhundert tauchen die Themen der sozialen Demokratie nur an wenigen Stellen auf. Im Kontext mit der russischen Oktoberrevolution ist die Rede davon, dass die »Utopie der sozialen Gleichheit […] in vielen Ländern zahlreiche Anhänger« gewinne (Ziffer 51), womit der Wert der sozialen Gleichheit kurzerhand in das Reich der Utopie verbannt wird. Der unterschiedliche Umgang mit der Herausforderung ethnischer Minderheiten wird im Zusammenhang mit dem polnischen Minderheitenschutzvertrag von 1919 und dem Vertrag von Lausanne thematisiert (Ziffer 54). Und erst die wirtschaftliche Wachstumsphase nach dem Zweiten Weltkrieg habe »den Ausbau der staatlichen Sozialleistungen« möglich gemacht. Hier wird nun sogar europäische Identität beschworen: »Der Wohlfahrtsstaat wird im Laufe der Jahrzehnte zu einem Teil der europäischen Identität. Er ist eine spezifisch europäische Errungenschaft und hat seinen Ursprung in Skandinavien« (Ziffer 82). Wenngleich in der internationalen Arbeiterbewegung schon vor 1914 die deutsche Sozialversicherung als beispielgebend galt und die vergleichende Forschung zur Wohlfahrtsstaatlichkeit Deutschland als Pionier staatlicher Sozialpolitik beschrieben hat,16 der Sachverständigenausschuss räumt dem Wohlfahrtsstaat in der europäischen Geschichte einen ganz besonderen Platz ein. Dass dabei nur die Entwicklung in Westeuropa gemeint ist, wird deutlich, weil »der Ausbau des Gesundheitswesens sowie der Bildungseinrichtungen« nur »die westeuropäischen Gesellschaften« verändert habe. Schließlich wird noch die polnische ›Solidarnosc‹ als unabhängige Gewerkschaft thematisiert, die den
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Huistra u.a.: Political Values, S. 130-132. Schmidt, Manfred G./Ostheim, Tobias/Siegel, Nico A./Zohlnhöfer, Reimut (Hgg.): Der Wohlfahrtsstaat. Eine Einführung in den historischen und internationalen Vergleich, Wiesbaden 2007, S. 123-130 u. S. 225-303.
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Herrschaftsanspruch der polnischen KP in Frage stellte (Ziffer 101). Die Konzeptionellen Grundlagen schließen mit »Fragen an die europäische Zukunft«, die an die Besucher der Ausstellung weitergegeben werden könnten. Eine der acht Fragen betrifft zentral die Thematik der sozialen Demokratie: »Sind die unterschiedlichen Traditionen zur Ausgestaltung des europäischen Sozialmodells zu harmonisieren?« (Ziffer 114) – eine überaus anspruchsvolle Thematik, die man sicher nicht unvorbereitet aufrufen kann. Damit haben sich die Bezüge zu den Themen der sozialen Demokratie in den »Konzeptionellen Grundlagen für ein Haus der Europäischen Geschichte« erschöpft.
Umsetzung Was ist im Museum daraus geworden? Das interdisziplinäre Projektteam unter der Leitung der slowenischen Kuratorin Taja Vovk van Gaal nahm Anfang 2011 seine Arbeit auf und konnte sie nicht wie geplant schon 2014, sondern erst 2017 abschließen. Der überaus mühsame Weg ist in zahlreichen Beiträgen der verdienstvollen umfassenden Publikation »Creating the House of European History« beschrieben. Der wichtigste Beitrag des Bandes wird verantwortet von der deutschen Museologin Andrea Mork, der derzeitigen leitenden Kuratorin des Hauses der Europäischen Geschichte. Andrea Mork war vor ihrem Wechsel nach Brüssel im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn unter Hans Walter Hütter tätig. Bevor der umfassende Beitrag von Mork mit Blick auf unser Thema der Repräsentation sozialer Demokratie befragt wird, soll die Dauerausstellung knapp vorgestellt werden. Die Dauerausstellung erstreckt sich über fünf gleich große Etagen in dem renovierten und erweiterten ehemaligen Klinikgebäude des amerikanischen Unternehmers George Eastman, das er in den 1930er Jahren zur Behandlung sozial benachteiligter Kinder gestiftet hatte. Die europäische Geschichte beginnt auf dem kleineren Teil der zweiten Etage mit dem Thema »Was ist Europa«, in der dritten Etage geht es um »Weltmacht Europa – Trümmerfeld Europa« (1789-1945), in der vierten Etage »Wiederaufbau eines geteilten Kontinents« (1945-1970er Jahre), in der fünften Etage um »Erschütterte Gewissheiten« (1970er Jahre bis heute) und in der
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sechsten Etage um »Lob und Kritik«.17 Zusammengehalten wird die Ausstellung durch eine durch den ganzen Lichthof installierte Zitatenranke, die so etwas wie eine Doppelhelix des europäischen Kulturerbes und seiner nie endenden Interpretationen sein soll.18
Abb. 59: Ausschnitt der Zitatenranke im Atrium.
Die Ausstellung insgesamt besticht durch ihre mutige inszenatorischszenografische Gestaltung, die nicht von ungefähr manche Ähnlichkeiten mit der Ausstellungsästhetik im Bonner Haus zur deutschen Nachkriegsgeschichte aufweist. Die Museumspraktiker sind nicht nur in dieser Hinsicht der Empfehlung der Sachverständigenkommission gefolgt, sondern sie haben den Schwerpunkt der Dauerausstellung eindeutig auf das 20. Jahrhundert gelegt. Und das Sprachenproblem der Europäischen Union haben sie dadurch zu lösen versucht, dass alle Ausstellungsbesucher ein Tablet mit den 24 Amtssprachen der EU erhalten, in dem sie in ihrer Muttersprache
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Haus der Europäischen Geschichte: Museumsführer. Dauerausstellung, Luxemburg 2017. Mork, Andrea: The narrative, in: Mork, Andrea/Christodoulou, Perikles (Hgg.): Creating The House Of European History, Luxembourg 2018, S. 129-224, hier S. 134.
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die Basis- und zusätzliche Hintergrundinformationen zu den Ausstellungseinheiten und den einzelnen Ausstellungsobjekten abrufen können. Auf die Beschriftung der Objekte ist fast vollständig verzichtet worden.19 Eine mutige und unorthodoxe Vorgehensweise. Andrea Mork hat in ihrem Beitrag »The narrative« die Entscheidungen der Kurator_innen für die Ausstellungsgestaltung detailliert dargelegt.20 Zunächst argumentiert sie sehr überzeugend, dass das Konzept der Identität für die europäische Geschichte nicht zielführend sein könne. Da es eine allseits geteilte europäische Identität nicht gebe, könne das Konzept für das Museum keine Anwendung finden und sie plädiert dagegen dafür, über das Konzept des kollektiven Gedächtnisses einen Zugang zu schaffen. Es habe schlicht den Vorteil, dass es eine große Bandbreite von durchaus auch verschiedenen und strittigen Erinnerungen umfasse. Mork folgt damit Überlegungen von Klaus Leggewie, der schon mit Jorge Semprun darauf hingewiesen hatte, dass eine kulturelle Vertiefung der Europäischen Union nur gelingen könne, »wenn wir unsere Erinnerungen miteinander geteilt und vereinigt haben«.21 Das Haus der Europäischen Geschichte, so Mork, »does not offer a representation of the multiplicity of national histories. It aims to be a ›reservoir of European memory‹, containing experiences and interpretations in all their diversity, contrast and contradiction.«22
Soziale Demokratie Was die Entscheidungen für unseren Themenkreis der sozialen Demokratie betrifft, so bleibt die Ausstellung nahe an den Empfehlungen des Sachverständigenausschusses. In der Industrialisierungsgeschichte tauchen die Ge19
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Fickers, Andreas: Kompromissgeschichte, serviert auf dem »Tablet«. Das Haus der europäischen Geschichte in Brüssel, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 15 (2018), H. 1, www.zeithistorische-forschungen.de/12018/id=5574 (Zugriff 06.06.2019), Druckausgabe: S. 173-183. Eine gekürzte Fassung dieses Beitrags ist erschienen unter dem Titel Mork, Andrea: Nach Nationalismus, Diktatur und Krieg – Bausteine einer europäischen Geschichte der Demokratie. Das Haus der Europäischen Geschichte, in: Hertfelder, Thomas/Lappenküper, Ulrich/Lillteicher, Jürgen (Hgg.): Erinnern an Demokratie in Deutschland. Demokratiegeschichte in Museen und Erinnerungsstätten der Bundesrepublik, Göttingen 2016, S. 37-56. Zit. n. Leggewie u.a.: Der Kampf, S. 7. Mork: The narrative, S. 129-224, hier S. 131f.
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werkschaften auf, die die neu entstandene Arbeiterklasse repräsentieren, und denen die Bourgeoisie gegenübersteht, was inszenatorisch durch die mittige Präsentation eines Dampfhammers zwischen Proletariat und Bourgeoisie sehr ansprechend wirkt.
Abb. 60: Nasmyth-Dampfhammer, Großbritannien um 1850, links Triptyque de la Metallurgie, 1923 v. Alexandre-Louis Martin.
Zahlreiche Fotografien geben einen ersten Eindruck über die Entwicklung der Arbeiterbewegung in verschiedenen europäischen Ländern.23 Die Gewerkschaften sind erst 1933 wieder ein Thema: »Nazi Germany’s rapid economic revival after 1933 was based on the elimination of trade unions and on taking political control of business and industry, which remained in private ownership.« Der erste Teil des Zitats ist eine unglückliche Formulierung, da er so gelesen werden kann, dass die Zerschlagung der Gewerkschaften die Basis für die wirtschaftliche Erholung war. Der folgende Hinweis von Mork auf die Aufrüstungspolitik der Nazis – »At the heart of the National Socialist economic programme was rearmament« – sollte als der zentrale Grund für diese Entwicklung an vorderer Stelle genannt werden.24 23 24
Ebd., S. 143-145. Ebd., S. 161.
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Im Kontext des Wiederaufbaus nach 1945 wird die Geschichte des Wohlfahrtsstaates und des Aufbaus sozialer Sicherungssysteme erzählt. »The consolidation of West European post-war democracies was accompanied by the development of a particular social innovation, namely the construction of the welfare state, which up to now plays a central role in Europe’s selfunderstanding. In the communist-dominated countries, the state introduced an even broader welfare system, claiming, albeit not always successfully, to satisfy nearly all the basic needs of the people, guaranteeing full employment, social protection and education.«25 Die Entwicklung des Wohlfahrtsstaates wird hier als gemeinsame europäische Geschichte erzählt und zu Recht seine besondere Rolle für das europäische Selbstverständnis thematisiert. Die besondere Bedeutung des Wohlfahrtsstaates wird für Westeuropa noch einmal hervorgehoben: »The most significant novelty of post-war West European development was the rise of the welfare state, which was supposed to play an active part in institutionalising social peace by correcting sharp income disparities unavoidably generated by the capitalist economy.«26 Die Entwicklung des Wohlfahrtsstaates wird in fünf Themenblöcken erzählt: Consumption, Housing, Healthcare, Education, Mobility.27 Mit der Herausbildung der Konsumgesellschaft zu beginnen, macht Sinn, da das exorbitante wirtschaftliche Wachstum die Voraussetzung für den Ausbau sozialstaatlicher Leistungen war. Wohnungsbau, Gesundheitswesen und Bildungswesen waren wichtige Felder sozialstaatlicher Expansion, während die automobile Mobilität und der Massentourismus mehr mit der Konsumgesellschaft als dem Wohlfahrtsstaat zu tun haben. So ansprechend die Präsentation in der Ausstellung ist, was ist jetzt mit Wohlfahrtsstaat gemeint? Und könnten die Besucher mit der vom Sachverständigenausschuss formulierten Frage zur möglichen Harmonisierung des europäischen Sozialmodells umgehen? Die Ausstellung unterscheidet »the liberal-capitalist and the egalitariansocialists models«.28 Diese Dichotomie ist nicht nur unterkomplex, sondern
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Ebd., S. 177f. Ebd., S. 179. Ebd., S. 176-183. Ebd., S. 177.
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Abb. 61: Inszenierung zur Konsumgesellschaft.
die Frage der Harmonisierung des Europäischen Sozialmodells müsste sich dann mit dem Zusammenbruch des Realsozialismus erledigt haben. Die vergleichende Wohlfahrtsstaatsforschung hat auf die großen Unterschiede in den nationalen Ausgestaltungen des Wohlfahrtsstaates hingewiesen und sich hinsichtlich von Typologisierungen, die nicht erst mit der bahnbrechenden Studie von Esping-Andersen zu den »Three Worlds of Welfare Capitalism« versucht wurden, äußerst schwergetan. Zugleich hat sie aber auch sehr deutlich gemacht, dass im Vergleich der Weltregionen Europa sich durch sein hohes Niveau an Wohlfahrts- und Sozialleistungen auszeichnet.29 Mit Blick auf die Europäische Union ist in der Forschung sogar das Wort des »europäischen Nicht-Sozialstaates« geprägt worden, um die geringe Rolle der Sozialpolitik im Rahmen der europäischen Integration zu betonen.30 Wenngleich Kernbereiche der sozialen Demokratie wie das Koalitions- und Streik-
29 30
Schubert, Klaus/Hegelich, Simon/Bazant, Ursula (Hgg.): Europäische Wohlfahrtssysteme. Ein Handbuch, Wiesbaden 2008, S. 13-43. Schmid, Josef: Wohlfahrtsstaaten im Vergleich. Soziale Sicherung in Europa: Organisation, Finanzierung, Leistungen und Probleme, 2. Auflage, Opladen 2002, S. 60-63.
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Abb. 62: Inszenierung zur Mobilität: Zastava 750, eine Fiat Lizenz aus Jugoslawien 1978 und Tourismus-Plakate.
recht in nationaler Zuständigkeit sind, die EU kann mit qualifizierter Mehrheit Entscheidungen in folgenden sozialpolitischen Fragen treffen: • • • • •
Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz Arbeitsbedingungen Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer berufliche Eingliederung auf dem Arbeitsmarkt Chancengleichheit von Männern und Frauen in der Arbeitswelt.
Eine Ausstellung zum europäischen Sozialmodell steht in der Tat vor dem Dilemma, dass es eine große Vielfalt an nationalstaatlich geprägten Wohlfahrtsstaaten gibt. Die Europäische Union als supranationale Einheit hinkt auf dem Gebiet der Sozialpolitik ihrer Entwicklung in wirtschafts- und gesellschaftsrechtlicher Hinsicht weit hinterher. Auf dem Gebiet der industriellen Beziehungen ist einzig die Richtlinie über Europäische Betriebsräte von 1994 ein europäischer Gesetzesakt, der ein Tor für eine Harmonisierung der
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Mitbestimmung in Europa öffnete.31 Wenn das Haus der Europäischen Geschichte nur Geschichten erzählen möchte, die Europa als Ganzes angehen, dann wäre der Europäische Betriebsrat ein geeigneter Gegenstand. Die Entwicklung des Wohlfahrtsstaates wird in der Ausstellung noch einmal im Zusammenhang mit dem Ende des Booms aufgegriffen und die Rolle der Gewerkschaften thematisiert. Der erste »European March against Unemployment« von 1978 und der Bergarbeiterstreik in Großbritannien 1984/1985 werden als Beispiele für die Zeitenwende dokumentiert. Auch die dramatischen Änderungen in der Zuwanderungspolitik finden Beachtung.32 Damit ist die Geschichte des Wohlfahrtsstaates in Europa beendet.
Fazit Wer das soziale Europa als Antwort auf die Katastrophen des 20. Jahrhunderts sieht,33 findet im Haus der Europäischen Geschichte nur wenige Referenzpunkte. Das Reservoir der europäischen Erinnerung, wie es Andrea Mork genannt hat, ist übervoll mit nationalen Erinnerungen, so dass man zu Recht zweifeln darf, ob ein gemeinsames europäisches Gedächtnis überhaupt zu haben sein wird.34 Die Form des Erinnerns im Brüsseler Museum trägt stark kosmopolitische Züge.35 Die prominente Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen und sowjetischen Gewaltherrschaft ist stark verbunden mit einer Opferorientierung, die durch den Bezug zum Holocaust unter-
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Müller-Jentsch, Walther: Mitbestimmung. Arbeitnehmerrechte im Betrieb und Unternehmen, Wiesbaden 2019, S. 41-48. Mork: The narrative, S. 129-224, hier S. 200f. Berger, Stefan/Jäger, Wolfgang: Ein soziales Europa ist das Ziel. Die Katastrophen des 20. Jahrhunderts und die Entwicklung der sozialen Demokratie, Bochum 2015 (SBRSchriften, 38). Wirsching, Andreas: Der Preis der Freiheit. Geschichte Europas in unserer Zeit, München 2012, S. 377-391; Francois, Etienne: Europa als Erinnerungsgemeinschaft? Anmerkungen zur Frage nach einem europäischen Gedächtnis, in: Knigge, Volkhard/Veen, Hans-Joachim/Mählert, Ulrich/Schlichting, Franz-Josef (Hgg.): Arbeit am europäischen Gedächtnis. Diktaturerfahrung und Demokratieentwicklung, Köln 2011, S. 13-23; Assmann, Aleida: Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik, München 2006, S. 250-271. Mit breiterer Perspektive: Berger, Stefan/Tekin, Caner (Hgg.): History and Belonging. Representations of the Past in Contemporary European Politics, New York 2018, S. 1-20 u. S. 193-200.
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strichen wird. Es dominiert ein konservatives Verständnis des europäischen Einigungsprozesses, das starke eurozentrische Züge trägt.36 Das Haus der Europäischen Geschichte erzählt die Geschichte der Europäischen Einigung als die vernunftgetriebene Friedensdividende nach den Weltkriegserfahrungen. Dabei ist es mehr Erinnerungsort als ein Akteur des Fortschritts. Es verzichtet darauf, die Themen einer mutigen Vertiefung der Europäischen Union in demokratischer und sozialer Hinsicht und die dagegen existierenden massiven Widerstände aufzurufen. Die Fragen der Sachverständigen in den Konzeptionellen Grundlagen zur europäischen Zukunft – wie z.B. zur Harmonisierung des europäischen Sozialmodells – sind vielversprechend, finden aber in der Ausstellung keine Entsprechung, wenngleich die Ausstellung mit einem Forum schließt, das zum Gespräch einlädt.
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Simansons: Europe’s Journey, S. 129-151.
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Themen der sozialen Demokratie scheinen ein eher sperriger Gegenstand für die museale Präsentation zu sein. Die Hinterlassenschaften klassischer musealer Originalobjekte von sozialen Freiheitskämpfen und den vielfältigen Formen institutionalisierter sozialer Demokratie können sich mit der Zahl der musealen Relikte nationaler Haupt- und Staatsaktionen nicht messen, wenn sich der Blick nur auf die Elaborate der darstellenden Künste wie z.B. Ölgemälde und Skulpturen beschränkt. Ferner interessieren sich Museen für die Überlieferung der Zivilgesellschaft im Grunde erst seit der Museumsrevolution, die in den 1970er Jahren einsetzte. Die Politikgeschichte, so behauptet Gottfried Korff, »bleibt in Museen und Ausstellungen […] stets blaß und dürftig, weil anschaubare Objekte eo ipso fehlen.«1 Auch die Darstellung der Geschichte der politischen Demokratie müsse damit kämpfen, über die ›Flachware‹ demokratischer Verfassungssymbole und Rituale hinauszukommen, eben mehr als Richterroben und Parlamentssitze bieten, wenn sie sich gegenüber den glitzernden Objekten der Konsumwelt im Museum behaupten will.2 Diese Skepsis scheint übertrieben zu sein, da sich die museale Präsentation eben nicht allein am Vorhandensein von Originalobjekten bürgerlicher Hochkultur entscheidet, sondern von der Inszenierung lebt. Anhand der Dimensionen musealer Geschichtskultur hat unsere Analyse von ausgewählten Dauerausstellungen in kulturhistorischen Museen versucht, Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie zu identifizieren und zu bewerten. Dabei kamen Fragen der musealen Ästhetik und der politischen Dimension des Museums genauso in den Blick wie auch die Beiträge der Wissenschaft zu Formen der Erinnerung und des historischen Lernens. Schließ-
1 2
Korff, Gottfried: Museumsdinge deponieren – exponieren, Köln 2002, S. 329. Bösch: Konsum, S. 57-80, hier S. 79.
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lich haben wir danach gefragt, welche Bedeutung Partizipation als eine neue Leitdimension des Museums spielt. Die hier untersuchten Dauerausstellungen in neun verschiedenen Museen verfolgen höchst unterschiedliche Ziele, die bei einem Vergleich berücksichtigt werden müssen. Im Folgenden wird kurz resümiert, wie Inhalte der sozialen Demokratie repräsentiert werden und damit ein Beitrag zu Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie geleistet wird. Dabei soll keine Hierarchisierung der Ergebnisse vorgenommen werden, sondern nach den Elementen für ›best practice‹ der Präsentation von Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie im Museum gefragt werden.
Das Deutsche Historische Museum in Berlin Die Dauerausstellung im Deutschen Historischen Museum folgt dem Anspruch, einen orientierenden Gesamtüberblick über die deutsche Geschichte im europäischen Kontext zur »Verbreitung der Geschichtskenntnis« (Hans Ottomeyer) zu geben. Dabei ist sie einer »konservativen Museumsästhetik« (Jürgen Kocka) verpflichtet, die vollständig auf die auratische, authentische Qualität von Originalobjekten setzt, ein im Grunde kunsthistorischer Ansatz. Museale Kontextualisierung und Inszenierung müssen sich darauf beschränken, das Objekt ›ins rechte Licht‹ zu rücken, und es können nur die Geschichten aufgerufen werden, für die Objekte vorhanden sind. Dass damit die Geschichte der Unterschichten, ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen, ihres Emanzipationskampfes, die Alltagsgeschichte insgesamt, keinen prominenten, wenn überhaupt einen Platz einnehmen kann, liegt auf der Hand. Allemal dienen Fahnen und vor allem zeitgenössische Ölgemälde als Objekte, die die Geschichte der politischen Arbeiterbewegung in einer unzusammenhängenden und romantisierenden Form erzählen. Die Dauerausstellung kann die ›Schaulust‹ der Besucher_innen befriedigen, sie ist ein ›Sehgenuss‹, aber sie ist nur in geringem Maße eine Einladung zur kritischen Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte, wie es in der Konzeption von 1987 gefordert wurde. Die hohe ästhetische Qualität der zahlreichen Originalobjekte lässt in großen Teilen der Ausstellung die deutsche Geschichte als etwas »Schönes« und »Großartiges« (Christoph Stölzl) erscheinen. Zudem dürfte der ›Sehgenuss‹ die Besucher_innen mehr überwältigen, denn zu kritischer Reflektion anregen. Den formulierten Kriterien für ein gutes Museum wird die Dauerausstellung nicht gerecht. Die
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Form des Erinnerns für die Zeit der deutschen Geschichte bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts trägt antagonistische Züge. Dies zeigt sich sowohl bei der Darstellung der Rolle Deutschlands in Europa als auch der durchgängigen Elitenperspektive. Die Geschichte der deutschen Gewerkschaften ist nahezu eine komplette Leerstelle in der Ausstellung. Selbst die Geschichte der Begründung des deutschen Sozialstaates im Kaiserreich findet nicht statt. Nicht ein prominenter Gewerkschafter, ob Carl Legien, Wilhelm Leuschner oder Hans Böckler, wird erwähnt oder ist mit Bild in der Ausstellung vertreten. Dasselbe gilt auch für die historische Frauenbewegung und die prominenten Vertreter_innen der bürgerlichen Sozialreform. Die ferner hier besonders interessierenden Themen der sozialen Sicherungssysteme, des Bildungswesens, der Gleichstellung der Geschlechter und der Migration sind lediglich Randaspekte der Ausstellung. Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie haben insgesamt nur einen äußerst marginalen Platz in der Dauerausstellung.
Das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn Die Bonner Ausstellung zur deutschen Geschichte seit 1945 kann als Gegenmodell zur Berliner Ausstellung gesehen werden, wenngleich beide ihre Entstehung der geschichtspolitischen Initiative von Bundeskanzler Helmut Kohl verdanken. Das Haus der Geschichte setzt auf eine vermittlungsorientierte Museumsästhetik, die die deutsche Geschichte mithilfe von Kulissen und Installationen in Szene setzt, ohne jedoch auf herausragende Originalobjekte zu verzichten. Es sieht seinen Auftrag darin, historisch-aufklärend zu wirken und damit einen »Beitrag zur Demokratieerziehung« (Hans Walter Hütter) zu leisten. Der rote Faden der Ausstellung ist die Geschichte der deutschen Demokratie seit 1945, das Narrativ die gelungene politische Demokratie, eine Meistererzählung der Demokratie (Thomas Hertfelder). Bezüge zu den Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie finden sich an vielen Stellen in der Ausstellung, zum Teil mit beeindruckenden szenografischen Gestaltungen wie z.B. zur Bergbaukrise, zur Gastarbeiteranwerbung oder zum Arbeitsplatz Fabrik. Spektakulär ist das hölzerne Flüchtlingsboot von der Insel Lesbos. Die Ausstellung widmet sich in zwei kleineren Ausstellungseinheiten den Themen Tarifautonomie und Mitbestimmung. Die ansprechende Präsentation kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die beschränkte Auswahl der Beispiele kritikwürdig ist. So ist z.B. die für die Einheit Tarifautonomie
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erfolgte Auswahl des Streiks der IG Metall in Bayern 1954 nicht ausreichend, um einen ersten Eindruck von der Vielfalt der deutschen Streikgeschichte zu bekommen. Zudem ist der Bayernstreik aufgrund seines außergewöhnlichen Verlaufs nicht geeignet, die Funktionsweise der Tarifautonomie zu verdeutlichen. Vielmehr drängt sich das damals in der Auseinandersetzung von Arbeitgeberseite benutzte Narrativ des Streiks als ›sozialer Bürgerkrieg‹ auf. Ferner beschränken sich die beiden angesprochenen Ausstellungseinheiten auf die Verhältnisse in den 1950er Jahren. Die bedeutsamen Weiterentwicklungen von Tarifautonomie und Mitbestimmung, es sei hier nur an das Mitbestimmungsgesetz von 1976 und die Richtlinie zur Einführung Europäischer Betriebsräte von 1996 erinnert, kommen in der Ausstellung nicht vor. Die harte chronologische Struktur der Ausstellung lässt diachrone Vertiefungen vermissen. Die Ausstellung suggeriert ein hohes Maß an Zufriedenheit mit der bundesrepublikanischen Geschichte seit 1945 und präsentiert die politischen Institutionen als erfolgreiche und anerkannte Akteure. Das kosmopolitische Erinnern an die Entwicklung der politischen Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland seit 1945 dient ihrer Legitimation, wie es in dem im Katalog von 2012 formulierten Ziel der ›Demokratieerziehung‹ zum Ausdruck kommt. Ein breites Feld von Themen auch der sozialen Demokratie wird angesprochen, wenngleich die Dominanz der politischen Demokratie erdrückend ist, ein konservatives Demokratieverständnis, das vornehmlich den öffentlichen Raum als Feld der Demokratie sieht. Schließlich hadert man mit der den Bundestagswahlen folgenden Chronologie, die manchmal wie ein Prokrustesbett wirkt. Wünschenswert wären eben auch diachrone Darstellungen, um z.B. die Geschichte von Tarifautonomie und Mitbestimmung über 70 Jahre erzählen zu können.
Das Zeitgeschichtliche Forum Leipzig Das 1999 eröffnete Leipziger Haus, eine Dependance des Bonner Hauses der Geschichte, sollte von Anfang an ein »Ort lebendigen Gedächtnisses« sein. Die friedliche Revolution von 1989/1990 ist »das Herzstück der Ausstellung«, und dem Widerstand, der Verweigerung, der Resistenz zu DDR-Zeiten wird ein großer Platz eingeräumt. Die Ausstellung bespielt vor allem ein Diktaturgedächtnis, das die DDR als Unrechtsstaat sieht. Nur punktuell wird ein
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Arrangementgedächtnis bedient, das den Eigenwert der Lebenswelt in der DDR betont. Die Geschichte und Gegenwart der sozialen Demokratie bleibt in der Dauerausstellung ein nur sehr punktuell beachteter Gegenstand. Dies ist vor allem der sehr ausgeprägten alltags- und politikgeschichtlichen Orientierung der Ausstellung geschuldet. Der Prozess der deutschen Einigung wird ausschließlich mit Blick auf die politischen und wirtschaftlichen Veränderungen durch den Staatsvertrag zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion dargestellt. Die Sozialunion bleibt außen vor. Die 2018 aktualisierte Dauerausstellung gibt dem Aufbau Ost einen zentralen Platz. Die Karosserie des Porsche Cayenne aus der Leipziger Fabrik ist die Ikone der erfolgreichen Transformation, deren Schattenseiten zurückstehen. Dies ändert nichts an der ästhetischen Qualität und der rhetorischen Wirksamkeit der Ausstellung, lässt aber Zweifel übrig, ob die Ausstellung bei allen Besucher_innen die intendierten Wirkungen erzielt. Es ist sicher ein Fortschritt, dass die in der Ausstellungsgestaltung von 1999 sehr ausgeprägte Form des antagonistischen Erinnerns, hier der Unrechtsstaat DDR, dort die Oppositionellen, in mehr ›Graustufen‹ aufgelöst worden ist und der Forumscharakter des Museums jetzt stark gemacht und damit ein Schritt in Richtung Partizipation gegangen wird.
Das Museum der Arbeit in Hamburg Anders als die großen Museen in Berlin und Bonn verdankt das Museum der Arbeit in Hamburg seine Entstehung einer zivilgesellschaftlichen Initiative, der es um die Rettung von Zeugnissen untergegangener Arbeitswelten ging. Die Dauerausstellung hat 1997 ihren Ort in einem alten Fabrikensemble in einem Arbeiterstadtteil der Hansestadt gefunden und musealisiert Arbeitsplätze in verschiedenen Branchen. Das Museum der Arbeit hat mit seiner Dauerausstellung Museumsgeschichte geschrieben. Der Fokus auf Geschlechtergeschichte, der sich durch alle Ausstellungsabteilungen zieht, ist eine bedeutende Innovation. Die Beispiele aus der Industrialisierungsgeschichte ermöglichen eine Annäherung an vergangene Arbeitswelten, an Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie, die sehr unterschiedlich sind. Da waren die gewerkschaftlich gut organisierten Drucker, die Frauen den Aufstieg in den Facharbeiterinnenstatus verwehrten, da war die mittelständische Metallwarenfabrik, die nie einen Betriebsrat oder Tarifvertrag kannte, und das Handelskon-
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tor, in dem der Deutschnationale Handlungsgehilfen-Verband sein Unwesen trieb. Die Dauerausstellung beeindruckt durch diese Multiperspektivität und den radikalen Verzicht auf eine Erfolgsgeschichte der Arbeiterbewegung, die eben eine Geschichte des Aufstiegs, der Rückschläge, der Irrungen und Wirrungen gewesen ist. Insoweit trägt das Erinnern an vergangene Arbeitswelten agonale Züge. Partizipation hat einen hohen Stellenwert. Das Museum der Arbeit ist nicht nur ein Mitmachmuseum, es integriert Zeitzeug_innen als eigenständige Akteure und es lädt das Publikum ein, seine eigenen bedeutsamen historischen Dinge zur Sammlung beizutragen. Und nicht zuletzt gibt es einen regen Verein der Freunde mit über 1200 Mitgliedern.
Das Ruhr Museum in Essen Das Ruhr Museum auf dem Weltkulturerbe Zollverein in Essen-Stoppenberg öffnete seine Tore 2010 im Jahr der europäischen Kulturhauptstadt RUHR.2010. Es versteht sich als Regionalmuseum, als »das Schaufenster und das Gedächtnis der Metropole Ruhr« und »Heimatmuseum neuen Typs« (Heinrich Theodor Grütter). Mit seiner Dauerausstellung greift es weit über eine politische oder sozialgeschichtlich fokussierte Ausstellung hinaus, sie reklamiert, eine Natur- und Kulturgeschichte des Ruhrgebiets zu präsentieren. Mit der Kohlenwäsche der Zeche Zollverein hat das Ruhr Museum einen idealen Ort, der eigentlich eine Fokussierung auf die Industrialisierungsgeschichte nahelegt. Mehr als zwei Drittel der Dauerausstellung beschäftigen sich aber mit der erdgeschichtlichen Entwicklung, der Geschichte von Flora und Fauna der Region, der vorindustriellen Geschichte bis hin zu den antiken Objekten aus der Sammlung des ehemaligen Ruhrlandmuseums und der gegenwärtigen Situation und Wahrnehmung des Ruhrgebiets. So interessant diese Teile der Ausstellung sind, sie begrenzen die Möglichkeiten einer Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Die Themen der sozialen Demokratie gruppieren sich im Geschichtsteil der Ausstellung um die Geschichte der sozialen Konflikte vom Bergarbeiterstreik 1872 bis zu den jüngsten Aktivitäten zur Rettung von Arbeitsplätzen an der Ruhr, ein überzeugender Zugang. Fragen zur Regulierung dieser Konflikte werden dagegen nur knapp behandelt. Und die Knappschaft, als besondere, legendäre Sozialversicherung der Bergleute, hat keinen Platz gefunden. Spektakuläre Inszenierungen zu Themen der sozialen Demokratie sucht man im Geschichtsteil vergebens, der Platz dafür ist schlicht nicht vorgesehen.
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Wenngleich Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie im Ruhr Museum nur im beschränkten Maße zu identifizieren sind, so muss herausgestellt werden, dass die Geschichte der sozialen Kämpfe und Konflikte im 19. und 20. Jahrhundert einen zentralen Platz in der Dauerausstellung gefunden hat. Die Folie hinter dieser Geschichte der sozialen Kämpfe und Konflikte ist die des Wandels vom Klassenkampf zur Sozialpartnerschaft. Die sozialen Kämpfe an der Ruhr verschwanden nicht, aber sie haben ihren antikapitalistischen Impetus verloren. Im Zeichen des rheinischen Kapitalismus entstand ein ruhrgebietsspezifischer Korporatismus, in dem der politische Konsens von Staat, Gewerkschaften und Unternehmern zum Markenzeichen wurde. Der sozialverträgliche Strukturwandel ist das Narrativ der Region seit den 1960er Jahren und selbstverständlicher Teil der Dauerausstellung. Der Geschichtsteil der Ausstellung hat vieles von einer Meistererzählung der Industrialisierung, in der die standardisierte Industriearbeit das dominante Narrativ ist. Die Dauerausstellung des Ruhr Museums bedient eher eine antiquarische Nostalgie, eine Erfolgsgeschichte des Fortschritts und der Modernisierung, die die Widersprüche nicht in ausreichendem Maße in den Blick kommen lässt. Das postindustrielle Umweltnarrativ der IBA Emscher Park ist bruchlos in die Essener Dauerausstellung eingegangen. ›Industrienatur‹ steht nach den ökologischen Zumutungen der Industrialisierung für die heutige Versöhnung von Natur und Region. Entgegen der ursprünglichen Absicht, hat sich das Ruhr Museum dem Ziel der Identitätsbildung für die Metropole Ruhr verschrieben. In der gestalterisch imposanten und überaus vielfältigen Dauerausstellung entsteht das Bild der befriedeten Region, in der alle gesellschaftlichen Gruppen einvernehmlich und konsensual zusammenarbeiten. Es ist ein kosmopolitischer Konsens, in dem es nichts Grundsätzliches mehr zu diskutieren gibt, sondern lediglich Detailfragen zur Bearbeitung anstehen.
Das Deutsche Bergbau-Museum in Bochum Das Deutsche Bergbau-Museum in Bochum ist kein Kind der Museumsrevolution der 1970er Jahre, sondern kann auf eine 90-jährige Geschichte zurückblicken. 1930 wurde das Technik-Museum als gemeinsame Einrichtung der Stadt Bochum und der Westfälischen Berggewerkschaftskasse (WBK), einer Gemeinschaftsorganisation der Unternehmen des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus, gegründet. Seit 1977 erhält es eine Forschungs-
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förderung durch Bund und Land und kann sich zum kleinen Kreis renommierter Museen zählen, die 1997 Teil der Leibniz-Gemeinschaft wurden. Dem Museumsnamen wurde der Zusatz ›Leibniz-Forschungsmuseum für Georessourcen‹ gegeben. 2019 wurde eine neue Dauerausstellung im Deutschen Bergbau-Museum eröffnet, die in einer Rekordzeit von drei Jahren erstellt worden war. Die neue Dauerausstellung enthält vier separate Rundgänge. Der von uns näher untersuchte Rundgang ›Steinkohle. Motor der Industrialisierung‹ im DBM ist eine sehr ansprechende Darstellung der Geschichte des Steinkohlenbergbaus, in geologischer, sozialgeschichtlicher und technikgeschichtlicher Hinsicht. Mit der Sozialgeschichte hat das DBM in seiner Dauerausstellung neuen Boden betreten, der mit zahlreichen Sonderausstellungen schon vorbereitet worden war. Ein weites Feld der Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie wird bestellt, mit einem starken Fokus auf die Bergbaugewerkschaften als Akteure der sozialen Demokratie. Der Rundgang ist ein gelungenes kosmopolitisches Gedächtnis an den Steinkohlenbergbau in Deutschland. Der Anspruch, Gedächtnis und auch Wissensquelle zu sein, wie es im Strategieprozess des DBM formuliert worden war, wird allerdings eher nicht erreicht. Die Besucher_innen bleiben am Ende des Rundgangs mit einer berechtigten (Selbst-) Zufriedenheit zurück. Sie können zu Recht mit Stolz auf den sozialverträglichen Belegschaftsabbau im Steinkohlenbergbau bis zu seiner endgültigen Schließung zurückblicken, eine ohne jeden Zweifel beispiellose Leistung aller Akteure. Es ist aber eine antiquarische Nostalgie, die aus der präsentierten Geschichte der Steinkohle spricht und keine Wissensquelle, kein Ansporn zur Diskussion aktueller, strittiger Fragen, die das Ruhrgebiet angesichts der aktuellen Herausforderungen nötig hätte.
Das Technoseum in Mannheim Das Technoseum in Mannheim ist als baden-württembergisches Landesmuseum für Technik- und Sozialgeschichte gegründet worden. Die 1990 in einem Neubau eröffnete Dauerausstellung präsentiert in chronologischer Folge die Geschichte von Technik und Arbeit von der Frühindustrialisierung bis zur Gegenwart und wählt dafür bevorzugt Beispiele aus dem deutschen Südwesten aus. Beeindruckende Inszenierungen begleiten die Themen der sozialen Demokratie, Inszenierungen zur Kinderarbeit in der Textilfabrik, zu den Lebensverhältnissen der Tagelöhner im Odenwald, zu Wohn- und Arbeitsräu-
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men einer inhabergeführten Textilfabrik im Wandel über 150 Jahre, zu Arbeiterwaschküchen bis hin zu einer Streikinszenierung, um nur einige Beispiele herauszugreifen. Heraus ragt die ausführliche Darstellung zur Geschichte der Maschinenfabrik Esslingen, die sich umfassend der sozialen Frage von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg stellt. Die zeitliche Eingrenzung ist aber erfreulicherweise kein Hindernis, auch Inhalte aus der jüngeren Vergangenheit zu thematisieren, wie einen Vergleich der Ausbildungssituation von 1910 und 1990. Das Museum ist reich an historischen Geräten und Maschinen, von denen viele noch in Betrieb genommen oder auch von den Besucher_innen betätigt werden können. Diese Qualitäten des Mitmachmuseums sind noch durch die nachträgliche Einführung von drei integrierten Science Centern, den Elementa, potenziert worden. Es werden den Besucher_innen somit viele Möglichkeiten zur Partizipation geboten. Das Mannheimer Museum hat Museumsgeschichte geschrieben. Die Verbindung von Technik- und Sozialgeschichte ist ein ambitioniertes Unterfangen. Es ist an vielen Stellen gelungen, wobei die Technikgeschichte anhand der Exponate leichter erzählt werden kann als die Sozialgeschichte, die mehr auf szenografische Gestaltung angewiesen ist, wenn es nicht bei ›Flachware‹ bleiben soll. Allerdings ist mit der Einführung der Elementa eine deutlich wahrnehmbare Akzentverschiebung zu Gunsten rein technischer Angebote eingetreten. Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie haben ihren Platz in der Ausstellung, aber man darf sicher Zweifel anmelden, ob sie über die gelungenen szenografischen Gestaltungen hinaus Aufmerksamkeit finden. Zudem haben die sozialgeschichtlichen Teile eine gewisse kosmopolitische Färbung. Sie zeigen, wie es einmal war, aber laden nicht direkt dazu ein, über die heutigen Herausforderungen zu diskutieren.
Die Arbeitswelt Ausstellung der DASA in Dortmund Die im Jahre 2000 vollständig fertiggestellte Deutsche Arbeitsschutzausstellung steht in der Tradition älterer Bemühungen, die Anliegen des Arbeitsschutzes mit dem Instrument der Ausstellung zu befördern. Die aktuelle Arbeitswelt Ausstellung gliedert sich in 12 Ausstellungseinheiten oder »Erlebnislandschaften mit Arbeitswelten von gestern, heute und morgen«. Abgesehen von der letzten, uns besonders interessierenden Ausstellungseinheit zur Geschichte des Arbeitsschutzes, werden die Fragen der Arbeitsbelastung, der Unfallgefahren und der Prävention an verschiedenen Arbeitsplätzen the-
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matisiert. Dies geschieht in einer szenografisch beeindruckenden Art und Weise. Wie kein anderes Haus hat sich die Arbeitswelt Ausstellung mit den Möglichkeiten szenografischer Gestaltung auseinandergesetzt. Die DASA ist mit ihrem jährlich stattfindenden Szenografie-Kolloquium zu einem wichtigen Forum des internationalen Austausches von Wissenschaftler_innen, Museumspraktiker_innen, Ausstellungsgestalter_innen und Vertreter_innen der bildenden und dramatischen Künste geworden. Mit ihrem Ausstellungs- und Gestaltungskonzept reklamiert die DASA, zentrale Elemente des Museums und des Ausstellungswesens zu integrieren. Vom Museum übernimmt sie die Ziele der Historisierung und des Einsatzes von originalen Objekten und vom Ausstellungswesen »die Lebendigkeit und Aktualität, die Kundenorientierung und die ästhetische Gestaltung begehbarer Innenräume durch die Methoden der Szenografie« (Gerhard Kilger). Damit reagiert die DASA auf das sich wandelnde, stärker auf Erlebnis und Spaß setzende Freizeitverhalten, das die Nutzung des ›Edutainment‹ erforderlich mache und das für die didaktischen Belange »kultiviert« werden solle. Die näher untersuchte Ausstellungseinheit »Kampf für eine bessere Arbeitswelt« kann hinsichtlich ihrer Inhalte mit Blick auf die Themen der sozialen Demokratie voll überzeugen. Besondere Beachtung verdienen die künstlerischen Installationen in dieser Ausstellungseinheit, die zweifelsohne eine Bereicherung sind. Im Vergleich mit den szenografisch aufwändig gestalteten anderen Ausstellungseinheiten ist jedoch durch die gleichförmige Gestaltung der Themen aus der Geschichte des Arbeitsschutzes in der Form von Kabinetten eine gewisse Monotonie der Inszenierung zu konstatieren, die das Interesse der Besucher_innen schmälern dürfte. Nachteilig ist auch die räumliche Zweiteilung der Ausstellungseinheit. Der ansonsten szenografische Einfallsreichtum ist in dieser Ausstellungseinheit nur zum Teil angekommen. Etwas mehr ›Edutainment‹ dürfte es schon sein. Die Ausstellungseinheit vermeidet es, eine Erfolgsgeschichte des Arbeitsschutzes zu erzählen, sondern weist auf das ständige Auf und Ab der Kämpfe, die teils widerstreitenden Interessen der unterschiedlichen Akteur_innen und die vielfältigen Motive für den Arbeitsschutz hin. Es wäre zu weitgehend, an dieser Stelle von einer agonalen Form der Erinnerung zu sprechen, aber die Erzählung zeichnet sich zumindest durch ihre klare Multiperspektivität aus.
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Das Haus der Europäischen Geschichte in Brüssel Seit 2017 besitzt die Europäische Union in Brüssel ein Haus der Europäischen Geschichte. Es hat seinen Sitz mitten im Europaviertel der Stadt in unmittelbarer Nähe zur Europäischen Kommission. Zehn Jahre zuvor, am 13. Februar 2007, hatte der damalige, neugewählte Präsident des Europäischen Parlaments, der deutsche, christdemokratische Politiker Hans-Gert Pöttering, in seiner Antrittsrede den Vorschlag für ein Haus der Europäischen Geschichte gemacht. Die Vorgehensweise war sehr ähnlich der von Helmut Kohl bei der Gründung der beiden deutschen Museen in Berlin und Bonn, und Pöttering hatte sich schon vor der Ankündigung tatkräftiger Unterstützung aus dem Haus der Geschichte in Bonn versichert. Die Vorbereitungen für das neue Haus in Brüssel wurden im engsten Kreis koordiniert, ein ausgesprochener ›top-down-Prozess‹. Die Ausstellung insgesamt besticht durch ihre mutige inszenatorischszenografische Gestaltung, die nicht von ungefähr manche Ähnlichkeiten mit der Ausstellungsästhetik im Bonner Haus zur deutschen Nachkriegsgeschichte aufweist. Die Museumspraktiker_innen sind nicht nur in dieser Hinsicht der Empfehlung der Sachverständigenkommission unter der Leitung von Hans Walter Hütter gefolgt, sondern sie haben den Schwerpunkt der Dauerausstellung eindeutig auf das 20. Jahrhundert gelegt. Die Dauerausstellung beabsichtigt nicht, eine Präsentation der vielen Nationalgeschichten in Europa zu sein, sondern will ein »Reservoir des europäischen Gedächtnisses« (Andrea Mork) sein. Mit Blick auf die Darstellung der Geschichte der sozialen Demokratie in Europa hält sich die Ausstellung streng an die europäische Arbeitsteilung, die die Kernbereiche der sozialen Demokratie, wie das Koalitions- und Streikrecht, in nationaler Zuständigkeit sieht. Dagegen hätte die in der Ausstellung ansatzweise erzählte Geschichte der europäischen Wohlfahrtsstaaten das Potential für einen Aufbruch zu neuen europäischen Ufern. Wer das soziale Europa als Antwort auf die Katastrophen des 20. Jahrhunderts sieht, findet im Haus der Europäischen Geschichte nur wenige Referenzpunkte. Die Form des Erinnerns im Brüsseler Museum trägt stark kosmopolitische Züge. Die prominente Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen und sowjetischen Gewaltherrschaft ist stark verbunden mit einer Opferorientierung, die durch den Bezug zum Holocaust unterstrichen wird. Das Haus der Europäischen Geschichte erzählt die Geschichte der Europäischen Einigung als die vernunftgetriebene Friedensdividende nach den Weltkriegserfahrungen. Dabei ist es mehr Erinnerungsort als ein
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Akteur des Fortschritts. Es verzichtet darauf, die Themen einer mutigen Vertiefung der Europäischen Union in demokratischer und sozialer Hinsicht und die dagegen existierenden massiven Widerstände aufzurufen. Die Fragen der Sachverständigen in den Konzeptionellen Grundlagen zur europäischen Zukunft – wie z.B. das Thema der Harmonisierung des europäischen Sozialmodells zu diskutieren – sind vielversprechend, finden aber in der Ausstellung keine Entsprechung, wenngleich die Ausstellung mit einem Forum schließt, das zum Gespräch einlädt.
Perspektiven Der Querschnittsvergleich der untersuchten Dauerausstellungen zeigt, dass eine museale Präsentation von Themen der sozialen Demokratie möglich ist. Bedingung dafür ist, dass eine Museumsästhetik zum Zuge kommt, die sich nicht durch den vermeintlichen oder tatsächlichen Mangel auratischer Originalobjekte gleichsam kastrieren lässt. Es bedarf des schöpferischen Mutes, der musealen Inszenierung der Vergesellschaftung von Menschen in sozialen Gebilden, um das Ziel »der Darstellbarkeit des Sozialen« (Klaus Tenfelde) zu erreichen. Jede Ausstellung braucht ein Narrativ, muss den Besucher_innen sagen, welche Geschichte oder auch Geschichten es erzählen möchte. Jede Ausstellung muss Angebote zur Imagination machen, die den Besucher_innen helfen, sich selber ein ›Bild‹ machen zu können. Dafür bietet die szenografische Gestaltung vielfältige Möglichkeiten, nicht nur um immaterielle Inhalte zu präsentieren, sondern auch um ein breites Publikum zu interessieren, das nicht mit erhobenem Zeigefinger belehrt werden will, sondern auch im guten Sinne unterhalten werden möchte. Die integrierte szenografische Gestaltung ganzer Räume bietet viel mehr Möglichkeiten musealer Gestaltung als die einfache Inszenierung und Kontextualisierung. Auratische Originalobjekte können die szenografische Gestaltung unterstützen, weil sie für Authentizität stehen und einen historisch-emotionalen Zugang ermöglichen. Die ›Museumsdinge‹ unterstreichen die Wahrhaftigkeit und damit die Glaubwürdigkeit der musealen Präsentation. Ferner sollten viel mehr als bisher die Möglichkeiten der bildenden und dramatischen Künste für das kulturhistorische Museum insgesamt genutzt werden. Künstlerische Gestaltungen, seien es Bildhauerei, Malerei, Zeichnung, Grafik und (künstlerische) Fotografie, haben das Potential, Dimensionen der Wahrnehmung zu erschließen, die historische Originalobjekte nicht
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evozieren können. Annäherungen an die Last und Lust der Arbeit und die Gefühle von sozialer Sicherheit oder Unsicherheit sind prädestiniert für die künstlerische Gestaltung. Auch die dramatischen Künste sollten als Potential für das Museum erschlossen werden. Der Bühnenbau des Theaters hat das Museum schon lange erreicht. Die szenische Präsentation, das Schauspiel sind Möglichkeiten, komplexe Inhalte zum ›Sprechen‹ zu bringen. Die digitale Technik bietet dem Museum dabei viel mehr Möglichkeiten, als nur Dokumentarfilme und Zeitzeugeninterviews zu präsentieren. Überaus anregend können Beispiele ausländischer Museen sein, die schon vor Jahren völlig neue Wege gegangen sind. So hat das 1978 eröffnete Museum der jüdischen Diaspora, das Beit Hatfutsot in Tel Aviv, vollständig auf den Einsatz von historischen Originalobjekten verzichtet: »In this Museum, there are no authentic objects. The exhibits have been specially produced by artists and craftmen, utilizing the materials that were available in the late 1970s. At the same time, each detail has been fashioned under the supervision of historians with the greatest fidelity to historic facts.«3 Nicht nur die Dauerausstellungen, sondern auch die Wechselausstellungen folgen dieser Grundlinie und können mit ihren gelungenen szenografischen Gestaltungen überzeugen, ohne ein einziges auratisches Originalobjekt zu bieten.4 Das kulturhistorische Museum sollte sich zuvorderst von glattgebügelten, stromlinienförmigen Meistererzählungen verabschieden. Sie haben den zentralen Nachteil, dass sie die Besucher_innen als passive Rezepient_innen zurücklassen. Das Museum hat die Aufgabe, zum Nachdenken, zum Gespräch, zur Diskussion, zum (gesitteten) Streit anzuregen, weil dies nicht nur die Gewähr dafür ist, dass sich Menschen einmischen, ihre eigene Geschichte zu gestalten, sondern auch die Voraussetzung, im Diskurs fehlende, neue Antworten und Konzepte zur Zukunftsgestaltung zu finden. Deshalb muss die Erzählung im Museum auch die Erzählung der Niederlagen, von Widersprüchen und Ambivalenzen sein, die zur Auseinandersetzung anregen. Dies wäre ein erster entscheidender Schritt, damit das Museum zum Ort agonaler Öffentlichkeit wird. Ein solches, agonales Museum könnte dann »ein aktiver Moderator sozialer Demokratie« (Gottfried Fiedl) sein. Das kulturhistorische Museum hat sich aufgemacht, zum partizipativen Museum zu werden. Die Beteiligung der Zivilgesellschaft und der Besucher_innen ist die Zukunftsfrage des Museums, wenn es sich als Forum 3 4
Beit Hatfutsot. The Museum of the Jewish People. Katalog, Tel Aviv 2011, unpaginiert. https://www.bh.org.il/event_category/permanent-exhibitions/(Zugriff 07.01.2020).
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gesellschaftlicher Debatten versteht. Es beginnt bei der Sammlungspraxis und geht bis zur Ausstellungsgestaltung. Die Erfahrungen des Frankfurter Stadtmuseums sind es wert, genauer befragt zu werden. Um einen konkreten Vorschlag zu machen: Das 70-jährige Jubiläum des Betriebsverfassungsgesetzes 2022 ist ein guter Anlass, eine Ausstellung zur Betriebsverfassung gemeinsam mit Betriebsrät_innen zu machen. Eine solche Ausstellung würde nicht nur aus den Sammlungsbeständen und dem historischen und gestalterischen Wissen der Kurator_innen schöpfen, sondern auch die Erfahrungen und die Praxis der ›Betroffenen‹ mit aufnehmen können. Es sind vor allem die Zeiten aufbrechender sozialer Konflikte, die Kämpfe um Teilhabe am Haben und Sagen, die für eine museale Inszenierung besonders ertragreich sein könnten. Vielversprechend ist es, eine Ausstellung auf ein ikonisches Thema aus der Geschichte der sozialen Demokratie zu beschränken. Eine einzelne museale Präsentation aus der Geschichte der sozialen Demokratie hätte den Vorteil, dass sie die vielfältigen Hintergründe und Aspekte eines Themas besser ausleuchten könnte. Um zu verdeutlichen, was gemeint ist: Ausstellungen über einen ikonischen Streik aus der Geschichte der Gewerkschaftsbewegung oder über das Ringen um die Montanmitbestimmung 1950/51, um ein ganz konkretes Beispiel zu nennen. Eine umfassende Geschichte der sozialen Demokratie würde eher einem begehbaren Buch als einer Ausstellung ähneln. Aber auch zweidimensionale, kleine (Wander-)Ausstellungen auf Roll-ups zur Geschichte der sozialen Demokratie sind sicher nicht zu unterschätzen, wenngleich sie nicht die Faszination einer musealen Präsentation mit auratischen Originalobjekten entfalten können.5 Das Ende des deutschen Steinkohlenbergbaus an der Ruhr 2018 war Anlass, mit vielfältigen Aktivitäten an seinen Beitrag zur deutschen und europäischen Geschichte zu erinnern. Dabei wurde dem über 150-jährigen Emanzipationskampf der Bergarbeiter nur eine vergleichsweise geringe Aufmerksamkeit geschenkt.6 Die Mitbestimmung in der Montanindustrie wird in der Region als eine große Errungenschaft erinnert, die den Herrim-Hause-Standpunkt der Kohle- und Schlotbarone beendete und eine sozialverträgliche Rückführung des Steinkohlenbergbaus ohne Entlassungen
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Milert, Werner/Tschirbs, Rudolf: Zerschlagung der Mitbestimmung 1933. Das Ende der ersten Betriebsdemokratie, Düsseldorf 2013, und dies.: Vom Wert der Mitbestimmung. Betriebsräte und Aufsichtsräte in Deutschland seit 1945, Düsseldorf 2016. Jäger: Soziale Sicherheit, S. 7f.
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in den Arbeitsmarkt möglich machte. Wie könnte ein Mitbestimmungsgedächtnis entstehen, das nicht nur das Selbstbewusstsein der Region stärken würde, sondern auch Impulse für die Weiterentwicklung der Mitbestimmung geben könnte? Es gibt im Südwesten der Bundesrepublik eine Straße der Demokratie, die die Orte der Demokratie vom Ende des 18. Jahrhunderts und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aneinanderreiht,7 es gibt die Routen der Industriekultur8 und der Industrienatur9 im Ruhrgebiet. Erst unlängst ist vom Haus der Geschichte in Bonn ein Weg der Demokratie in Bonn gelauncht worden, der in beeindruckender Art und Weise zum Besuch der historischen Stätten in der alten Bundeshauptstadt einlädt.10 Was der Metropole Ruhr fehlt, ist eine Route der Mitbestimmung, die die Erinnerung an die große Geschichte der Mitbestimmung im Steinkohlenbergbau nicht in Vergessenheit geraten lässt. Die Stiftung Geschichte des Ruhrgebiets und der Masterstudiengang Public History an der Ruhr-Universität Bochum haben diese Aufgabe in Angriff genommen. Die Erinnerung an die Geschichte der sozialen Demokratie verspricht nicht nur das Selbstbewusstsein einer vom Strukturwandel gebeutelten Region zu stärken. Sie könnte auch ein wichtiges Element zur Stärkung der deutschen und europäischen Erinnerungskultur sein. Ohne die deutsche Erinnerungskultur hier vermessen zu können, seien doch ein paar knappe abschließende Überlegungen formuliert. Die Provokationen von rechtspopulistischer Seite haben auf einen Mangel in der deutschen Erinnerungskultur aufmerksam gemacht, der als Unbehagen an der deutschen Erinnerungskultur jenseits der rechtspopulistischen
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Schmid, Harald: Ein ›kaltes‹ Gedächtnis? Erinnern an Demokraten in Deutschland, in: Hertfelder, Thomas/Lappenküper, Ulrich/Lillteicher, Jürgen (Hgg.): Erinnern an Demokratie in Deutschland. Demokratiegeschichte in Museen und Erinnerungsstätten der Bundesrepublik, Göttingen 2016, S. 247-264, hier S. 253f.; Asche, Susanne/Bräunche, Ernst Otto für die Arbeitsgruppe Straße der Demokratie: Die Straße der Demokratie. Revolution, Verfassung und Recht. Ein Routenbegleiter auf den Spuren der Freiheit nach Frankfurt, Homburg und Zweibrücken, Karlsruhe, Lörrach, Mannheim, Neustadt, Offenburg, Philippsburg, Rastatt, Sinsheim und Stuttgart, 2. Auflage, Karlsruhe 2011. https://www.ruhr-tourismus.de/industriekulturruhr/route-der-industriekultur.html (Zugriff 31.07.2019). https://www.metropoleruhr.de/freizeit-sport/natur-erleben/route-industrienatur. html (Zugriff 31.07.2019). https://www.wegderdemokratie.de/(Zugriff 31.07.2019).
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Anwürfe schon früher formuliert worden ist.11 Reinhard Koselleck hat im Zusammenhang mit der Erinnerung an den Holocaust von einem negativen Gedächtnis12 gesprochen, weil es die unbegreiflichen Gräuel in Erinnerung behält, gegen die sich Erinnerung sperrt. Die Erinnerung an den Holocaust ist zu Recht fester Bestandteil der deutschen Erinnerungskultur geworden, und daran darf sich zukünftig auch nichts ändern. Martin Sabrow hat darauf hingewiesen, dass die Unterscheidung zwischen negativer und positiver Erinnerung – gemeint ist mit letzterer die Erinnerung an glückliche Phasen der Geschichte – missverständlich ist, da selbstverständlich die Erinnerung an den Holocaust eine positive Errungenschaft der deutschen Erinnerungskultur ist. Er plädiert deshalb dafür, »von heller und dunkler, von rühmlicher und unrühmlicher Erinnerung zu sprechen.«13 Die Diskussion kreist nun um die Frage, wieviel helle Erinnerung die deutsche Erinnerungskultur verträgt, ohne die dunkle Erinnerung an den Holocaust in Frage zu stellen. Eine Revitalisierung der Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie wird über die ›dunkle‹ Erinnerung an die Opfer im Nationalsozialismus hinaus die ›helle‹ Erinnerung an die Kämpfe um die Durchsetzung sozialer Bürgerrechte thematisieren müssen. Dabei kann es auf keinen Fall um eine Revision der deutschen Erinnerungskultur gehen, sondern nur um ihre Erweiterung. Die sich immer weiter intensivierende, positiv zu wertende Demokratieerinnerung14 geht in dieselbe Richtung, allerdings ohne die soziale Seite der Demokratie ausreichend zu thematisieren.15
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Soziale Bürgerrechte im Museum
Schulze, Mario/Heesen, Anke te/Dold, Vincent (Hgg.): Museumskrise und Ausstellungserfolg. Die Entwicklung der Geschichtsausstellung in den Siebzigern, Berlin 2015. Schumann, Hans-Gerd: Nationalismus und Gewerkschaftsbewegung. Die Vernichtung der deutschen Gewerkschaften und der Aufbau der ›Deutschen Arbeitsfront‹, Hannover u. Frankfurt a.M. 1958. Schunder, Friedrich: Lehre und Forschung im Dienste des Ruhrbergbaus. Westfälische Berggewerkschaftskasse 1864-1964, Herne 1964. Schürmann, Sandra: Das Fabrik-Ensemble des Museums der Arbeit. Zeuge der Industrialisierung Hamburgs in Barmbek, Hamburg 2017. Sembach, Klaus-Jürgen: Museum Industriekultur Nürnberg, in: Fehr, Michael/Grohé, Stefan (Hgg.): Geschichte • Bild • Museum. Zur Darstellung von Geschichte im Museum, Köln 1989, S. 20-24 (Museum der Museen, Schriftenreihe des Karl Ernst Osthaus Museums, Band 1). Shore, Cris: Building Europe. The Cultural Politics of European Integration, London/New York 2000. Siepmann, Marcel: Ein Haus der Europäischen Geschichte wird eingerichtet, in: GWU 63 (2012), S. 690-704. Simansons, Raivis: Europe’s Journey to Modernity: Developing the House of European History in Brussels, Thesis submitted for the degree of Doctor of Philosophy at the University of Leicester, June 2018, https://lra.le.ac.uk/bitstream/2381/43185/1/2018SIMANSONSRSPhD.pdf (Zugriff 06.06.2019). Slotta, Rainer: Das Deutsche Bergbau-Museum Bochum – Geschichte und Infrastruktur, in: ders. (Hg.): 75 Jahre Deutsches Bergbau-Museum Bochum (1930 bis 2005). Vom Wachsen und Werden eines Museums, Bd. 1, Bochum 2005, S. 9-76. Slotta, Rainer: Die Sonderausstellungen, in: ders. (Hg.): 75 Jahre Deutsches Bergbau-Museum Bochum (1930 bis 2005). Vom Wachsen und Werden eines Museums, Bd. 2, Bochum 2005, S. 749-878. Spickernagel, Ellen/Walbe, Brigitte (Hgg.): Das Museum. Lernort contra Musentempel, Gießen 1979. Starzinger, Marcus: Soziale Interaktion in der Vermittlung in der DASA Arbeitswelt Ausstellung, in: Isenbort, Gregor (Hg.): Szenografie in Ausstellungen und Museen VIII. Museum und Stadt/Stadt und Museum. Ausstellung als sozialer Raum, Stuttgart 2018, S. 158-169.
Anhang
Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (Hgg.): Erlebnis Geschichte. Das Buch zur Ausstellung, 2. überarb. Auflage, Wemding 1998. Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (Hgg.): Unsere Geschichte. Deutschland seit 1945, Bielefeld/Berlin 2019. Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (Hgg.): Unsere Geschichte. Deutschland seit 1945, Bielefeld/Berlin 2012. Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Zeitgeschichtliches Forum Leipzig (Hgg.): Demokratie jetzt oder nie! Diktatur – Widerstand – Alltag, 3. aktualisierte Auflage, Leipzig 2012. Stölzl, Christoph (Hg.): Deutsches Historisches Museum. Ideen – Kontroversen – Perspektiven, Frankfurt a.M. 1988. Sznaider, Natan: Response to »Understanding Agonistic Memory«, Unrest Conference, Rome, Feb. 2019, www.unrest.eu/wp-content/uploads/2019/03/Final-Conference-Rome_Sznaider.pdf (Zugriff 07.04.2019). Technoseum (Hgg.): Katalog zur Großen Landesausstellung 2013 BadenWürttemberg. Durch Nacht zum Licht? Geschichte der Arbeiterbewegung 1863-2013, 2. Auflage, o. O. 2013. Technoseum (Hgg.): Rundgang durch die Ausstellung, 2. Auflage, Mannheim 2009. Thaa, Lotte/Borcke, Tobias von: 1977. Die Zeit der Staufer, in: Schulze, Mario/Heesen, Anke te/Dold, Vincent (Hgg.): Museumskrise und Ausstellungserfolg. Die Entwicklung der Geschichtsausstellung in den Siebzigern, Berlin 2015, S. 80-94. Thiemeyer, Thomas: Evidenzmaschine der Erlebnisgesellschaft. Die Museumsausstellung als Hort und Ort der Geschichte, in: Fröhlich, Claudia/Schmid, Harald/Schwelling, Birgit (Hgg.): Jahrbuch für Politik und Geschichte, Bd. 4, 2013, S. 13-29. Thiemeyer, Thomas: Geschichte im Museum. Theorie-Praxis-Berufsfelder, Tübingen 2018. Thiemeyer, Thomas: Geschichtswissenschaft. Das Museum als Quelle, in: Baur, Joachim (Hg.): Museumsanalyse. Methoden und Konturen eines neuen Forschungsfeldes, 2. Auflage, Bielefeld 2013, S. 73-94. Thiemeyer, Thomas: Inszenierung und Szenografie. Auf den Spuren eines Grundbegriffs des Museums und seines Herausforderers, in: Zeitschrift für Volkskunde, 108. Jg., H.2 (2012), S. 199-214.
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Soziale Bürgerrechte im Museum
Treinen, Heiner: Prozesse der Bildwahrnehmung und Bildinterpretation in historischen Ausstellungen, in: Mütter, Bernd u.a. (Hgg.): Geschichtskultur. Theorie-Empirie-Pragmatik, Bd. 11 (2000), S. 159-174. Treinen, Heiner: Zur Wirksamkeit historischer Ausstellungen, in: Kolb, Susanne (Red.): Europäische Geschichtskultur im 21. Jahrhundert, Berlin 1999, S. 168-182. Tschirbs, Rudolf: Tarifpolitik im Ruhrbergbau 1918 – 1933, Berlin/New York 1986. Türk, Klaus: Kunst als Darstellungsmittel im Arbeitsschutz, in: Kilger, Gerhard/Zumdick, Ulrich (Hgg.): Mensch – Arbeit – Technik. Katalog zur Deutschen Arbeitsschutzausstellung, Köln 1993, S. 62-73. Uhde, Lukas: 1981. Preußen – Versuch einer Bilanz, in: Schulze, Mario/Heesen, Anke te/Dold, Vincent (Hgg.): Museumskrise und Ausstellungserfolg. Die Entwicklung der Geschichtsausstellung in den Siebzigern, Berlin 2015, S. 108-121. Vorsteher, Dieter: Die Sammlungen des Deutschen Historischen Museums, in: Koschnik, Leonore (hg. für das DHM): Prestel Museumsführer. Deutsches Historisches Museum. Deutsche Geschichte in Bildern und Zeugnissen, 3. überarb. Auflage, München u.a. 2017, S. 12-18. Wicke, Christian: Helmut Kohl’s Quest for Normality. His Representation of the German Nation and Himself, New York/Oxford 2015. Wirsching, Andreas: Der Preis der Freiheit. Geschichte Europas in unserer Zeit, München 2012. Wüstenberg, Jenny: Civil Society and Memory in Postwar Germany, Cambridge 2017. Zumdick, Ulrich: Geschichte als Methode. Zur Funktion historischer Darstellungen in der DASA, in: Kilger, Gerhard/Zumdick, Ulrich (Hgg.): Mensch – Arbeit – Technik. Katalog zur Deutschen Arbeitsschutzausstellung, Köln 1993, S. 46-53.
Anhang
Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Das Deutsche Historische Museum in Berlin, DHM, Foto Ulrich Schwarz. Abb. 2: Die Schlesischen Weber v. Carl Wilhelm Hübner, 1846, DHM, Inv.-Nr. Kg 90/8. Abb. 3: Ess- und Kochgeschirr, Waschutensilien und Haushaltsgegenstände aus einfachen Verhältnissen, Deutschland 1890/1910, DHM, ohne Inv. Nr., Foto Wolfgang Jäger. Abb. 4: Sozialdemokratisches Transparent, Berlin 1888, DHM, Fa 67/84. Abb. 5: Der Sozialist v. Robert Köhler, 1885, DHM, Inv. Nr. 1989/1144. Abb. 6: Der Unzufriedene v. Ludwig Knaus, 1877, DHM. Abb. 7: Der Streik v. Robert Köhler, 1886, DHM, Inv. Nr. 1990/2920. Abb. 8: Raumeindruck ›Die Sozialdemokratie‹ mit Gedenkbüste Tonio Bödiker, DHM, Foto Wolfgang Jäger Abb. 9: Das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn, Stiftung HdG. Abb. 10: Raumeindruck Bergbaukrise Anfang/Mitte der 1960er Jahre, Stiftung HdG. Abb. 11: Rondell zur Mitbestimmung im Vordergrund, Stiftung HdG, Foto Axel Thünker. Abb. 12: Rondell zur Tarifautonomie im Vordergrund, Stiftung HdG, Foto Axel Thünker. Abb. 13: Raumeindruck ›Dieser Betrieb wird bestreikt.‹ Streik in der schleswig-holsteinischen Metallindustrie 1956/57, Stiftung HdG. Abb. 14: Bronzefigur ›Der Ausländer‹ von Guido Messer, 1982, Stiftung HdG. Abb. 15: Das Zeitgeschichtliche Forum in Leipzig, im Vordergrund ein Abdruck der Plastik ›Der Jahrhundertschritt‹ von Wolfgang Mattheuer, Stiftung HdG. Abb. 16: Die Bühne im Zeitgeschichtlichen Forum. Stiftung HdG, Foto Punctum/Stefan Hoyer. Abb. 17: Blick von der Bühne, Stiftung HdG, Foto Christoph Petras. Abb. 18: Raumansicht Schulklasse. Stiftung HdG, Foto Punctum/Alexander Schmidt. Abb. 19: Karosserie eines Porsche Cayenne aus dem Leipziger Porschewerk, Stiftung HdG, Foto Punctum/Alexander Schmidt. Abb. 20: Medieninstallation, Stiftung HdG, Foto Punctum/Alexander Schmidt.
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Abb. 21: Museum der Arbeit in Hamburg mit Menck-Bagger und Museumshof, SHMH, Foto Sinje Hasheider. Abb. 22: Metallwarenfabrik Carl Wild, SHMH, Foto Wolfgang Jäger Abb. 23: Schnellpresse Bohn & Herber, Würzburg um 1890, SHMH, Foto Wolfgang Jäger Abb. 24: Kontor der Hamburger Fettschmelze/Fa. Deutschmann & Augustin, 1919/1925, SHMH, Foto Wolfgang Jäger Abb. 25: Kammsäge aus der New-York Hamburger, SHMH, Foto Wolfgang Jäger Abb. 26: Raumansicht Innovationen, SHMH. Abb. 27: Raumansicht ABC der Arbeit, Arbeitskämpfe, SHMH, Foto Wolfgang Jäger Abb. 28: Das Ruhr Museum in Essen, Außenansicht Kohlewäsche, RM, Foto Brigida Gonzalez. Abb. 29: Ruhr Museum, Mittelachse mit Symbolbildern des Industrialisierungsprozesses, RM, Foto Brigida Gonzalez. Abb. 30: Präsentation zu den Bergarbeiterstreiks 1872 bis 1912 RM, Foto Rainer Rothenberg. Abb. 31: Säbel und Pickelhaube in der Präsentation Bergarbeiterstreiks, RM, Foto Rainer Rothenberg. Abb. 32: Industrielle Entwicklungen, RM, Foto Brigida Gonzalez. Abb. 33: Eisenbahnabteil 3. Klasse, RM, Foto Brigida Gonzalez. Abb. 34: Strukturwandel, RM. Abb. 35: Deutsches Bergbau-Museum Bochum DBM, Foto Karlheinz Jardner. Abb. 36: Wurzelstock aus der Karbonzeit, DBM, Foto Helena Grebe. Abb. 37: Installation einer Kauensituation, DBM, Foto Wolfgang Jäger. Abb. 38: Bronzeplastik ›Feierabend (Sitzender Bergmann)‹ v. Erich Schmidtbochum, DBM, Foto Wolfgang Jäger. Abb. 39: Betonelemente aus einem Bunker für Zwangsarbeiter, Vorderseite, DBM, Foto Wolfgang Jäger. Abb. 40: Betonelemente aus einem Bunker für Zwangsarbeiter, Rückseite, DBM, Foto Wolfgang Jäger. Abb. 41: Blick in den Teil ›Wirtschaft‹ des Rundgangs ›Steinkohle. Motor der Industrialisierung‹, DBM, Foto Wolfgang Jäger. Abb. 42: Tauchpumpe für Grubenwasser, DBM, Foto Helena Grebe. Abb. 43: Das TECHNOSEUM. Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim, TECH., Foto Zooey Braun. Abb. 44: Der Geschichtstourist Herr Eisele, TECH., Foto Klaus Luginsland.
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Abb. 45: Elementa 1, Tretrad-Kran, TECH., Foto Klaus Luginsland. Abb. 46: Inszenierung Papiermühle mit Bütte und Trockenvorrichtung mit eigengeschöpftem Papier und Pappe, TECH., Foto Klaus Luginsland. Abb. 47: Inszenierung Tagelöhner Haus, TECH., Foto Klaus Luginsland. Abb. 48: Maschinenfabrik Esslingen, TECH., Foto Klaus Luginsland. Abb. 49: Lokomotive Eschenau, TECH., Foto Klaus Luginsland. Abb. 50: Eingangsbereich der DASA-Arbeitswelt Ausstellung in Dortmund, dasa. Abb. 51: Arbeiter mit Presslufthammer v. Karlheinz Biederbick, dasa. Abb. 52: Blick in die Energiehalle, dasa, Foto Harald Hoffmann. Abb. 53: Klassische Fabrikarbeit in der Textilindustrie, dasa. Abb. 54: Fabrikfassade mit Kleidungsstücken und Büsten von Bismarck und Bebel, dasa. Abb. 55: Kabinett Zwangsarbeit mit abgebrannter V2-Raketenstufe, dasa, Foto Wolfgang Jäger. Abb. 56: ›Intoleranzmaschine‹ v. Eva Ohlow, dasa. Abb. 57: ›Maschinenmenschen‹ v. Gabriella Fekete, dasa. Abb. 58: Das Haus der Europäischen Geschichte in Brüssel, HEH, Foto Nicolas Withof. Abb. 59: Ausschnitt der Zitatenranke im Atrium, HEH, Foto Benoit Bourgeois. Abb. 60: Nasmyth-Dampfhammer, Großbritannien um 1850, links Triptyque de la Metallurgie, 1923 v. Alexandre-Louis Martin, HEH, Foto Dominique Hommel. Abb. 61: Inszenierung zur Konsumgesellschaft, HEH, Foto Nicolas Withof. Abb. 62: Inszenierung zur Mobilität: Zastava 750, eine Fiat Lizenz aus Jugoslawien 1978 und Tourismus-Plakate, HEH, Foto Nicolas Withof.
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Museum Anna Greve
Koloniales Erbe in Museen Kritische Weißseinsforschung in der praktischen Museumsarbeit 2019, 266 S., kart., 23 SW-Abbildungen, 4 Farbabbildungen 24,99 € (DE), 978-3-8376-4931-4 E-Book: 21,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4931-8
Bärbel Maul, Cornelia Röhlke (Hg.)
Museum und Inklusion Kreative Wege zur kulturellen Teilhabe 2018, 168 S., kart., 16 Farbabbildungen 29,99 € (DE), 978-3-8376-4420-3 E-Book: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4420-7 EPUB: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-7328-4420-3
Bernadette Collenberg-Plotnikov (Hg.)
Das Museum als Provokation der Philosophie Beiträge zu einer aktuellen Debatte 2018, 286 S., kart., 19 SW-Abbildungen 29,99 € (DE), 978-3-8376-4060-1 E-Book: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4060-5
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de
Museum Andrea Kramper
Storytelling für Museen Herausforderungen und Chancen 2017, 140 S., kart., 15 SW-Abbildungen 19,99 € (DE), 978-3-8376-4017-5 E-Book: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4017-9 EPUB: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-7328-4017-5
Johanna Di Blasi
Das Humboldt Lab Museumsexperimente zwischen postkolonialer Revision und szenografischer Wende 2019, 292 S., kart., 16 Farbabbildungen 34,99 € (DE), 978-3-8376-4920-8 E-Book: 34,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4920-2
Klaus Krüger, Elke A. Werner, Andreas Schalhorn (Hg.)
Evidenzen des Expositorischen Wie in Ausstellungen Wissen, Erkenntnis und ästhetische Bedeutung erzeugt wird 2019, 360 S., kart., 4 SW-Abbildungen, 77 Farbabbildungen 32,99 € (DE), 978-3-8376-4210-0 E-Book: 32,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4210-4
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de