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German Pages 165 [166] Year 1962
Eugen Mayer • Skizzen aus dem Leben der Weimarer Republik
Skizzen aus dem Leben der Weimarer Republik Berliner Erinnerungen
Von
Dr. Eugen Mayer Ministerialdirigent a. D. München
DUN C K ER&HUMBL 0 T tB ERL IN
Alle Rechte vorbehalten & Humblot, Berlin Gedruckt 1962 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin SW 61 Printed in Germany
© 1962 Duncker
Inhaltsübersicht
Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Erster Abschnitt: Existenzkampf des Reiches: 1921-1924
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Zweiter Abschnitt: Ruhigere Jahre: 1925-1928 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Dritter Abschnitt: Neue Krise und Weg zum Ende: 1929-1932 . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
Vorbemerkung Ich wurde im Oktober 1883 in Schönau (Pfalz) geboren. Nach dem Besuch der Volksschule in Pirmasens, des Humanistischen Gymnasiums in Speyer studierte ich von 1902-1906 Rechtswissenschaft an der Universität München. Während dieses Studiums gehörte ich dem Kgl. Maximilianeum an. An der Universität Heidelberg erwarb ich 1908 die juristische Doktorwürde. Nach der Bayerischen Staatsprüfung für den höheren Justiz- und Verwaltungsdienst 191 0 widmete ich mich der inneren Verwaltung. Ich wurde 1912 Kgl. Bezirksamtsassessor in Neustadt an der Haardt. Nach Teilnahme am Weltkrieg wurde ich 1920 nach München in das Staatsministerium des Innern einberufen. Im Dezember 1921 trat ich auf Wunsch der Bayerischen Staatsregierung als gebürtiger Pfälzer in das Reichsministerium des lnnern, Staatssekretariat (Staatssekretär Brugger) für die besetzten rheinischen Gebiete, über. Zu diesen Gebieten gehörte auch die französisch besetzte bayerische Pfalz. Ich wurde politischer Referent des Staatssekretärs als Ministerialrat. Das Staatssekretariat wurde im August 1923 zu einem eigenen Reichsministerium für die besetzten Gebiete (kurz auch Rheinministerium genannt) ausgestaltet. Nach dem Ende der Besetzung wurde das Rheinministerium zum September 1930 wieder aufgelöst. Seine Restaufgaben für die westlichen Grenzgebiete und das Saargebiet gingen samt meinem Referat an das Reichsministerium des lnnern zurück. Während des zweiten Kabinetts Brüning (Oktober 1931-Mai 1932) arbeitete ich ferner mit dem Reichswehr- und Reichsinnenminister Groener in dessen letzterer Eigenschaft in einer besonderen Vertrauensstellung ("Büro Minister") zusammen. Im November 1932 kehrte ich in den bayerischen Staatsdienst zurück und war nun mit einer von den Nationalsozialisten erzwungenen Unterbrechung bis an das Ende meiner Dienstzeit (Oktober 1951) im Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus, seit 1949 als Ministerialdirigent, tätig. München, März 1962
Eugen Mayer
Einleitung 1919 Wiedersehen mit Neustadt an der Haardt Französische Besatzung
Als ich, vom Militär in die Heimat entlassen, Ende August 1919 in Neustadt an der Haardt eintraf, gab es ein trauriges Wiedersehen mit meiner alten Dienststelle, dem Bezirksamt, und seinem Leiter, Oberregierungsrat Juncker. Im Oktober 1912 hatte ich unter der Ägide dieses ausgezeichneten Verwaltungsbeamten als Kgl. Bezirksamtsassessor meine Laufbahn begonnen. Nun war im Bezirksamt eine französische Kontrollstelle. Ich erhielt die Funktion des Verbindungsmannes zur Kontrollstelle. Der Versailler Friedensvertrag war zwar am 28. Juni unterzeichnet worden, aber noch nicht in Kraft getreten. Es galt noch der Waffenstillstand. Auf der Bevölkerung lastete ein ungeheuerer Druck. Einige Wochen zuvor hatte eine von den Franzosen aufgezogene Separatistengruppe in Speyer durch einen Putsch die Regierungsgewalt an sich reißen wollen. Der Putsch scheiterte kläglich an dem Patriotismus der Pfälzer. Aber die französische Besatzung hatte den Regierungspräsidenten der Pfalz und den Präsidenten der Provinzialvertretung der Pfalz (sie führte noch den alten Namen "Landrat") aus dem besetzten Gebiet ausgewiesen und dadurch der Bevölkerung ihre Macht demonstriert. Politischer Burgfrieden im besetzten Deutschland
Ein Gutes hatte das Unheil. Zwischen den politischen Parteien - das galt übrigens allgemein für das ganze besetzte deutsche Gebiet- herrschte angesichts der Bedrohung des Vaterlandes ein echter Burgfrieden. Der sozialdemokratische Sprecher Friedrich Profit von Ludwigshafen am Rhein, mit dem ich später in Berlin kameradschaftlich zusammenarbeiten sollte, erhielt damals von der Besatzung Redeverbot. Dem Burgfrieden der Parteien entsprach im Volke selbst eine starke innere Verbundenheit. Man konnte mit Unbekannten ebenso wie mit Vertrauten über die politische Lage sprechen. 9
Die Weimarer Verfassung
Anfang September 1919 war in den Buchhandlungen die Weimarer Verfassung zu sehen. Ihre Lektüre war ein Trost in schwerer Zeit. Das Reich war uns doch geblieben. Die Verfassung knüpfte an die Tradition von 1848/49, an die Reichsverfassung der Frankfurter Paulskirche, in vielem an, vor allem in dem Abschnitt über die Grundrechte. Die gewählte Sprache, der übersichtliche Aufbau hätten die Verfassung zu einem Volksbuch machen können. Als kleiner Schönheitsfehler mußte es empfunden werden, daß diese Verfassung, die in Weimar von der Verfassunggebenden Nationalversammlung beraten und beschlossen worden war und auch von einem Geist von Weimar kündete, nicht aus Weimar datiert war, sondern aus dem thüringischen Schwarzburg, dem Amtssitz des Reichspräsidenten Ebert. Dies war um so mehr zu vermerken, als gerade dieses Datum - der 11. August- bestimmt wurde, der Nationalfeiertag des deutschen Volkes zu werden. Korrekte französische Kontrollstelle
Die französische Kontrollstelle im Bezirksamt war übrigens mit Offizieren besetzt, die, im Gegensatz zu den unverhehlten Expansionsabsichten der französischen Besatzung im allgemeinen, durchaus korrekt ihres Amtes walteten. Sie hatten Verständnis für die Zugehörigkeit der Pfalz zu Bayern und lobten auf Grund ihrer persönlichen Eindrücke und Erfahrungen die Güte der bayerischen Verwaltung. Münchens Stellung in Bayern verglichen sie gelegentlich mit der Stellung von Paris in Frankreich.
1920 Berufung nach München Inkrafitreten des Versailler Friedensvertrages
Im Februar 1920 erhielt ich eine Einberufung als Regierungsrat in das Staatsministerium des Innern in München. Vorher erlebte ich noch in Neustadt an der Haardt den 10. Januar 1920, den Tag des Inkrafttretens des Versailler Friedensvertrages. Nach diesem Tag richteten sich wichtige Fristen des Versailler Vertrags, insbesondere die Besatzungsfristen (Zone I Köln: 5 Jahre, Zone II Koblenz/Aachen: 10 Jahre, Zone III Mainz/Wiesbaden/Trier/Pfalz: 15 Jahre). Der französische Kontrolloffizier suchte mich an diesem 10. Januar auf, um mir zu sagen, daß er von jetzt an Deutschland als gleichberechtigt ansehe und nur noch die begrenzten Befugnisse ausüben werde, die ihm als Delegiertem der neuen höchsten Behörde der vier Besatzungsmächte, der Interalliierten Rheinlandkommission in Koblenz, zustünden. Diese Rheinlandkommission war eine Zivilbehörde. Sie bestand aus den Oberkommissaren der vier Besatzungsmächte Frankreich, USA (bis 1923), Großbritannien und Belgien. Präsident war der französische Oberkommissar Tirard, der bis zum Ende der Besatzung (1930) tätig war. Parteizerklüftung im unbesetzten Deutschland. Dolchstoßlegende
Als ich aus der Pfalz mit ihrem politischen Burgfrieden nach München kam, fand ich eine völlig andere Atmosphäre vor. Das Bild war im übrigen unbesetzten Deutschland das gleiche. Hier wirkte sich das Geschehen seit der Revolution vom November 1918 mit voller Wucht aus. Kaum war der erste Schock des Zusammenbruchs überwunden, kaum machte sich in der Verfassunggebenden Nationalversammlung eine sozialdemokratisch-bürgerliche Regierung der Weimarer Koalition (Sozialdemokraten, Zentrum, Demokraten) redlich an das schwere Werk, dem Reich eine neue demokratische Ordnung zu geben, da erhob sich bei den Widersachern der neuen Ordnung das Erbübel der deutschen Zwietracht, meist in der schlimmsten Form, in der Gestalt der Dolchstoßlegende. Sie 11
lud die Schuld am Zusammenbruch und an allen seinen furchtbaren Folgen den politischen Gegnern auf und vergiftete damit das politische Leben bis in die Wurzeln. Die Dolchstoßlegende richtete sich hauptsächlich gegen die Sozialdemokraten, denen Zersetzung der Front und Heimat vorgeworfen wurde, aber auch gegen das Zentrum, insbesondere gegen Erzberger, unter dessen Führung die sogenannte Friedensresolution des Reichstags vom Juli 1917, die für einen Verständigungsfrieden eintrat, zustande gekommen war. Da Politiker jüdischer und katholischer Religion in führenden Stellungen anzutreffen waren, fand eine vor nichts zurückschrekkende Judenhetze und auch eine weitgehende Katholikenhetze mancherlei Nährboden. Ja, auch gewisse evangelische Kreise ließen sich bei der Würdigung des neuen Staates durch ihren Verdruß über den Sturz des protestantischen Kaisertums und die stärker gewordene Stellung des Zentrums und der katholischen Kirche beeinflussen. Siegermächte steigern Not und Radikalismus
Unterdessen prasselten auf das deutsche Volk auf Grund eines rücksichtslosen Gebrauchs der Siegermacht maßlose Forderungen auf Kriegsentschädigung (Reparationen), Besatzungskosten usw. nieder. Die deutsche Währung wurde dadurch in eine steigende Inflation hineingezogen. Große Kreise des Mittelstandes verarmten und wurden für die rechtsradikale Propaganda um so zugänglicher. Dabei traten die Siegermächte im Namen der Demokratie und des Rechtes auf, während sie ihrerseits sich bedenkenlos über die vertraglichen Zusagen der auf der Grundlage der 14 Punkte Wilsons zustande gekommenen Vorfriedensregelung vom 5. November 1918 hinwegsetzten. Sie diskreditierten dadurch Recht und Demokratie in der Achtung des deutschen Volkes. Das Zusammentreffenall dieser Verhältnisse bewirkte im Voll>.e gegenüber der Einstellung unmittelbar nach der Revolution eine weitgehende Ernüchterung und Radikalisierung und gegenüber dem bestehenden politischen Kräfteverhältnis einen Ruck nach rechts. Kapp-Putsch und Bayern
Zunächst kam der Berliner Kapp-Putsch vom 13. bis 17. März 1920. In Bayern mußten am 14. März in Auswirkung des Berliner Ereignisses die Sozialdemokraten, die bisher die Führung gehabt hatten, aus der Re12
gierung ausscheiden und die Führung der Bayerischen Volkspartei überlassen, die sie bis zum Ende der Weimarer Republik behielt. Dabei machte sich geltend, daß Bayern im Jahre 1919 ein besonders schweres Schicksal gehabt hatte (Räteherrschaft im März und April, militärische Niederwerfung der Roten unter erschütternden Begleitumständen Anfang Mai). Die große Wende durch die Reichtstagswahl1920: Entmachtung der Weimarer Koalition
Die große Wende brachte dann die Reichstagswahl vom 6. Juni 1920. Die drei Parteien der Weimarer Koalition (Sozialdemokraten, Zentrum, Demokraten), die in der Verfassunggebenden Nationalversammlung eine Dreiviertelmehrheit hatten, erlitten zusammengerechnet solche Verluste, daß sie nicht einmal mehr die einfache Mehrheit behielten und sie auch in der ganzen Zeit der Weimarer Republik nicht wieder erlangten. Demgegenüber erzielten die Rechtsparteien, die Deutsche Volkspartei und die Deutschnationalen, bei der Reichstagswahl vom Juni beträchtliche Gewinne. Die Bayerische Volkspartei hatte sich übrigens schon im Januar 1920 vom Zentrum losgelöst. Die Mehrheitsverhältnisse im Reichstag wurden nun unsicher. Auch hatten bei der Reichstagswahl vom Juni am linken Flügel des Reichstags die Kommunisten Stellung bezogen, was für die Weimarer Republik mit der Zeit zu einer steigenden Gefahr werden sollte. Die Reichstagswahl vom Juni 1920 hatte in zweifacher Hinsicht ernste Folgen: 1. Eine normale Revision der Weimarer Verfassung war, soweit Machtfragen hineinspielten, wegen des Erfordernisses der Zweidrittelmehrheit im Reichstage praktisch unmöglich. Die Mängel der Verfassung mußten bis zum Ende getragen werden.
2. Die Regierungsbildung war durch die schwankenden Mehrheitsverhältnisse erschwert. Wohl bildete das Zentrum einen stabilen Faktor. Es war in allen Regierungen bis zum Sturze Brünings vertreten. Im übrigen aber waren die für eine Regierungsbildung notwendigen Koalitionen nur schwer zusammenzuführen und nur schwer zusammenzuhalten. Die Folge war eine Kurzlebigkeit der Regierungen, die ihre Leistungen und besonders auch ihr Ansehen beim Volk minderte. Das von der Weimarer Verfassung vorgeschriebene Verhältniswahlrecht begünstigte noch die Parteizersplitterung, die das Funktionieren 13
der Demokratie ohnedies erschwerte. Meist erreichte man nur eine sogenannte tolerierte Minderheitsregierung, die die Regelform des parlamentarischen Regierungssystems in der Weimarer Republik wurde, während Mehrheitsregierungen nur die Ausnahme darstellten. Die erste neue Regierung nach der Reichstagswahl, die Regierung Fehrenbach, war eine solche tolerierte Minderheitsregierung.
Erster Abschnitt
Existenzkampf des Reiches: 1921-1924 1921 Vorbemerkung
Wie schon erwähnt, bin ich im Dezember 1921 in das Reichsministerium des lnnern, Staatssekretariat für die besetzten rheinischen Gebiete, in Berlin übergetreten. Wegen des inneren Zusammenhangs sei das ganze Jahr 1921 in die Betrachtung einbezogen. Was bedeutet .,Existenzkampf des Reiches"?
Die gemeinsame Überschrift "Existenzkampf des Reiches" für die vier Jahre 1921 bis 1924 ist noch zu rechtfertigen. Frankreich warf, der Tradition von Richelieu folgend, seit Beginn der Besetzung (Dezember 1918) ein begehrliches Auge auf das linksrheinische Deutschland. Es organisierte immer wieder in seinem Besatzungsgebiet kleine Gruppen mehr gelang nicht - von Separatisten, deren Loslösungsbestrebungen gegenüber Deutschland es mit allen Mitteln förderte, um schließlich im Zusammenhang mit dem Ruhreinbruch (1923/24) mit offener Gewalt gegen den deutschen Besitzstand am Rhein aufzutreten. Sein Ende fand dieser Krieg im Frieden erst mit dem Abschluß des Reparationsabkommens auf der Londoner Konferenz vom August 1924, des Dawes-Plans. Dieser beruhte auf der Anerkennung des Deutschen Reiches als wirtschaftliche und politische Einheit in den Grenzen des Versailler Friedensvertrages. Frankreich hat dieses Abkommen loyal eingehalten. Strafbesetzung von Düsseldorf-Duisburg ( Sanktionsgebiet ): Anlaß zu Staatssekretariat für die besetzten rheinischen Gebiete
Dem Jahr 1921 gab das Gepräge, daß in ihm die Siegermächte den Gesamtbetrag der von Deutschland zu leistenden Kriegsentschädigung, der sogenannten Reparationen, festsetzten. Deutschlands Vorschläge und 15
Angebote fanden dabei keine Beachtung. Ebensowenig galten Erwägungen wirtschaftlicher Vernunft. Die USA beteiligten sich übrigens an den ultimativen Maßnahmen der Siegermächte nicht; sie gingen ihren eigenen Weg. Von London aus forderten die Gegner von Deutschland im sogenannten Märzultimatum die Anerkennung einer Reparationsschuld von 226 Milliarden Goldmark. Als die Regierung Fehrenbach ablehnte, verfügten die Sieger widerrechtlich als Strafe (Sanktion) für den deutschen Ungehorsam die Besetzung der Städte Düsseldorf und Duisburg-Ruhrort. Das waren die Eingangstore des Ruhrgebiets. Dieses neubesetzte Gebiet, das Sanktionsgebiet genannt wurde, mußte bis August 1925 das Schicksal der Besetzung tragen. Die Besetzung der zwei großen und wirtschaftlich hochbedeutenden Städte erregte in Deutschland die öffentliche Meinung aufs höchste. Unter dem Eindruck dieses Ereignisses beschloß man, im Reichsministerium des Innern ein Staatssekretariat (gehobene Abteilung) für die besetzten rheinischen Gebiete zu errichten. Für das Amt des Staatssekretärs gewann man den bisherigen Regierungspräsidenten von Köln Philipp Brugger. Die Mitarbeiter des Staatssekretariats stellte zunächst Preußen. Doch bemühte sich Staatssekretär Brugger alsbald auch um Mitarbeiter aus Bayern und Hessen wegen der wichtigen Besatzungsgebiete dieser Länder. Siegermächte zwingen Londoner Zahlungsplan auf
Ein zweites Ultimatum der Siegermächte aus London, das Mai-Ultimatum, ermäßigte die Reparationsschuld auf 132 Milliarden Goldmark, zu denen 6 Milliarden Goldmark für Belgien hinzutraten. Das Ultimatum enthielt auch einen Zahlungsplan für die jährlichen Reparationsleistungen Deutschlands. Durch die Drohung mit der Besetzung des ganzen Ruhrgebiets und mit einer neuen Gesamtblockade Deutschlands erzwangen die Sieger die Annahme des Ultimatums. Die Regierung Fehrenbach trat zurück und machte einer Regierung Josef Wirth Platz, die angesichts der ungeheuerlichen Drohungen der Siegermächte für die Annahme des Ultimatums die Zustimmung des Reichstags fand. Die inneren Spannungen in Deutschland stiegen immer bedenklicher. Reichskanzler Wirth und seine Mitarbeiter wurden von der Opposition, die aber selbst keine andere Lösung wußte, als Erfüllungspolitiker geschmäht. Deutsch-amerikanischer Sonderfrieden: USA fehlen im Völkerbund
Auf den Sonderweg der USA wurde bereits hingewiesen. Bei den Wahlen im November 1920 haben die Demokraten Wilsons verloren und die 16
Macht an die Republikaner abgeben müssen (Präsident Harding). Es war ein Sieg des Isolationismus. Der von Wilson unterzeichnete Friedensvertrag wurde von der Mehrheit des amerikanischen Volkes gerade wegen des im Friedensvertrag enthaltenen Völkerbundes, der Lieblingsschöpfung Wilsons, abgelehnt. Man wollte sich aus den Händeln Europas heraushalten. Der separate Friedensvertrag der USAmit Deutschland vom 25. August 1921 legte dieses fest. Für Deutschland, aber ebenso auch für Europa als Ganzes, war dieses Ergebnis überaus nachteilig. Nun fehlte dem Völkerbund der ausgleichende Faktor, den die USA gegenüber Frankreich und Großbritannien hätten bilden können. Der Völkerbund geriet nun unter den entscheidenden Einfluß dieser beiden Großmächte. Ermordung Erzhergers
Mitten in die hocherregte politische Atmosphäre dieser Zeit fiel am 26. August die Ermordung .des früheren Zentrumsministers Erzberger. Er wurde bei einem Spaziergang bei Griesbach (Baden) von zwei rechtsradikalen Fanatikern der Organisation Consul niedergeschossen. Der ihn begleitende Parteifreund, der wie er zur Erholung im Badischen weilte, wurde Tatzeuge des Meuchelmordes. In München war Erzherger wegen seiner zentralistischen Reichsfinanzreform nicht beliebt. Aber der politische Mord erregte auch hier die Gemüter stark. Er .war ein Zeichen der politischen Verwilderung, die sich breitmachte. Wie weit der rechtsradikale Haß gegen den politischen Gegner ging, bezeugte die Tatsache, daß die Witwe Erzhergers wiederholt unflätige Schmähbriefe von Gesinnungsgenossen der ins Ausland entkommenen Mörder empfing. H itler verherrlicht den Mord
In München war damals ein auffälliges Hervortreten Hitlers zu bemerken. An einer Plakatsäule war ein übergroßes rotes Plakat mit schwarzen Lettern mit der Unterschrift Hitlers angeschlagen, das etwa begann: "Trauere, Germania! Du hast einen deiner besten Söhne verloren, Matthias Erzberger" . . - und dann kamen massive Verleumdungen des Toten. Er habe im Wald von Compiegne Deutschland verkauft usw. Als Ganzes konnte das Plakat nur als eine Verherrlichung des Meuchelmordes wirken. In Wahrheit war Erzherger von der Reichsregierung ordnungsmäßig für die Waffenstillstandsverhandlungen bestellt worden. Er 2 Eugen Mayer
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hatte seine Verhandlungen nicht geheim, sondern unter ständiger Assistenz angesehener Offiziere und Fachleute geführt und vor dem Abschluß die förmliche Zustimmung der Obersten Heeresleitung eingeholt. Diese, d. h. Hindenburg, ersuchte ihn, gewisse besondere Punkte wenn möglich noch zu verbessern, verlangte aber auch bei deren Ablehnung den sofortigen Abschluß. So kam es zum Waffenstillstandsvertrag vom 11. November 1918. Bei Teilung von Oberschlesien belastet sich der Völkerbund
Im Oktober 1921 fiel die Entscheidung über Oberschlesien. Die Bevölkerung hatte mit klarer Mehrheit (62 Ofo) für Deutschland gestimmt. Deutschland war überzeugt, daß, wenn diese Mehrheit sich für Polen ausgesprochen hätte, ganz Oberschlesien für Deutschland verloren gewesen wäre. Die Siegermächte erzielten aber ein Gutachten des Völkerbundsrates, das sich für die Teilung von Oberschlesien zwischen Deutschland und Polen aussprach, und verfügten dann diese schon aus wirtschaftlichen Gründen überaus unzweckmäßige, zahllose Schwierigkeiten aufwerfende Teilung. Die Mitwirkung des Völkerbundes bei dieser Teilung trug dazu bei, im deutschen Volke die Wertung des Völkerbundes stark zu beeinträchtigen. Eintritt in das Staatssekretariat für die besetzten rheinischen Gebiete (Staatssekretär Brugger)
Im Dezember 1921 war es so weit, daß ich meinen Dienst im Reichsministerium des Innern, Staatssekretariat für die besetzten rheinischen Gebiete, antreten konnte. Reichsminister des Innern war damals der als deutscher Abstimmungskommissar für Schleswig bekannte Sozialdemokrat Koester. Staatssekretär für die besetzten rheinischen Gebiete war, wie schon erwähnt, Philipp Brugger, der dem Zentrum angehörte. Sein Stellvertreter war Graf Adelmann, ein gebürtiger Württemherger, der aus der preußischen Verwaltung kam. Unter den Mitarbeitern traf ich zu meiner großen Freude den schon einmal genannten pfälzischen Sozialdemokraten Friedrich Profit aus Ludwigshafen am Rhein. Als sozialpolitischer Referent des Staatssekretariats hatte er auch die Verhindung zu den Gewerkschaften und zur Sozialdemokratischen Partei wahrzunehmen. Profit war übrigens ein alter persönlicher Freund des Reichspräsidenten Ebert, der ja aus dem Ludwigshafen so nahen Heidelherg stammte. 18
Anekdote zur Ernennung Bethmann Rollwegs zum Reichskanzler 1909 Zu den Sekretärinnen des Staatssekretariats gehörte eine adelige Dame aus Potsdam, deren Eltern in der kaiserlichen Zeit zur Hofgesellschaft gehörten. Ihr verdanke ich eine Anekdote, die auf das Jahr 1909 zurückgeht. Die Ernennung Bethmann Hallwegs zum Reichskanzler im Juli 1909 erregte in Potsdam große Anteilnahme. Bethmann Hollweg, damals Staatssekretär des Reichsamtes des Innern, war früher Oberpräsident der Provinz Brandenburg und hatte aus dieser Zeit seine Privatwohnung noch in Potsdam. Die Nachricht von seiner Ernennung zum Reichskanzler veranlaßte die Mutter der erwähnten Sekretärin, sich zu Frau von Bethmann Hollweg zu begeben, um sie zu beglückwünschen. Die neue Reichskanzlergattin war jedoch anderer Meinung. Sie erwiderte: "Gratulieren Sie mir nicht! Das schaffi: der Theobald (Vorname des Reichskanzlers) nicht." Zuständigkeit und Wirkungsweise des Staatssekretariats Die Hauptaufgabe des Staatssekretariats war die Betreuung der besetzten rheinischen Gebiete durch besondere kulturelle und soziale Fürsorge, ferner die Abwehr der französischen Propaganda und schließlich die Vertretung aller Anliegen der rheinischen Bevölkerung bei den Reichsministerien. Das Staatssekretariat, das selbst keinen Unterbau, keine Exekutive besaß, arbeitete deshalb eng mit den Landesregierungen von Preußen, Bayern und Hessen, die an den besetzten Gebieten stärker beteiligt waren, zusammen, ebenso mit der Landesregierung von Oldenburg für das besetzte Birkenfeld und der Landesregierung von Baden für das besetzte Kehler Gebiet. Für die laufende Zusammenarbeit wurden die nichtpreußischen Länder durch ihre Berliner Gesandtschaften vertreten. Eng war auch die Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt, das ja bei Besatzungsfragen die außenpolitische Zuständigkeit hatte. Bezüglich des Saargebiets, das der Versailler Vertrag einer bis 1935 befristeten Völkerbundsverwaltung unterstellte, beschränkte sich das Staatssekretariat auf die kulturelle und soziale Fürsorge und auf die Abwehr der französischen Propaganda im Bund mit Preußen und Bayern. Die Federführung kam hier dem Auswärtigen Amt zu. Wegen meiner besonderen dienstlichen Beziehungen möchte ich vom Auswärtigen Amt den Geheimrat von Friedberg, den Hauptreferenten für Besatzungsfragen und für das Saargebiet, den Sproß einer altpreußischen 2•
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Beamtenfamilie, hervorheben und von der Bayerischen Gesandtschaft den Ministerialrat Pranz Sperr, der nach dem 20. Juli 1944 ein Opfer des Nationalsozialismus wurde. Bei der Interalliierten Rheinlandkommission in Koblenz unterhielt die Reichsregierung einen eigenen Vertreter zur Wahrnehmung der deutschen Belange, einen Reichskommissar für die besetzten rheinischen Gebiete, damals Fürst Hatzfeldt. Eine starke Stütze des Staatssekretariats war der Reichstagsausschuß für die besetzten Gebiete. In ihm herrschte, wie im besetzten Gebiete selbst, ein Burgfrieden der Parteien. Wertvoll war auch die Zusammenarbeit mit den rührigen landsmannschaftliehen Verbänden der Rheinländer, pfälzer und Saarländer in Berlin. Zur Abwehr der französischen Propaganda, überhaupt zur Arbeit für die politischen Belange am Rhein, unterhielt das Staatssekretariat eine privat aufgezogene Stelle, die Rheinische Volkspflege. Diese gab eine Zeitschrift "Rheinischer Beobachter" heraus, in der die deutschen Interessen gegenüber der Besatzung publizistisch vertreten wurden. Auch ich wirkte, zur Wahrung meiner Amtsstellung unter einem Pseudonym, als Mitarbeiter dieser Zeitschrift. Das M oltke-Gedächtniszimmer
Das Reichsministerium des Innern war in dem alten Generalstabsgebäude am Königsplatz untergebracht, in dem der große Moltke lange Jahre gewaltet hatte. Das Gebäuoe war eine Verkörperung der altpreußischen Schlichtheit und Sparsamkeit. Zur Erinnerung an den Schlachtendenker war ein Moltke-Gedächtniszimmer eingerichtet, in dem zahlreiche Erinnerungsstücke zu sehen waren. Unter anderem war in einer Vitrine eine von Moltke handschriftlich angefertigte strategische Studie aufgeschlagen zu sehen, in der Moltke sich mit dem Problem des Zweifrontellkrieges auseinandersetzte. Die Konzeption Moltkes, auf die man aus den zum Lesen aufliegenden Seiten klare Schlüsse ziehen konnte, war diametral derjenigen des Grafen Schlieffen, seines zweiten Amtsnachfolgers, entgegengesetzt. Für Moltke gab es keine Verletzung der von den europäischen Großmächten garantierten belgiseben Neutralität und keine andere Landesverteidigung als die nach den zwei Fronten zugleich. Nachdenklich verließ man das Moltke-Gedächtniszimmer. 20
1922 Einstand im Staatssekretariat. Das politische Referat
Im neuen Jahr lebte ich mich in die Berliner Verhältnisse ein. Staatssekretär Brugger beehrte mich mit seinem besonderem Vertrauen. Ich wurde alsbald politischer Referent, ab Oktober 1922 als Ministerialrat. Meine Stellung als politischer Referent brachte es mit sich, daß ich viel im nahen Reichstag zu tun hatte, teils um den häufigen Aussprachen über Besatzungsfragen im Ausschuß für die besetzten Gebiete und im Plenum beizuwohnen, teils um mit Abgeordneten Einzelanliegen der besetzten Gebiete zu erörtern. In der Weltstadt Berlin bot der zentral gelegene Reichstag, auch durch sein Restaurant, die einfachste Möglichkeit, einen Abgeordneten zu treffen. So wurde der Reichstag für mich zu einer vertrauten und für den Ministerialdienst ergiebigen Wirkungsstätte. Kommissar der Reichsregierung
öfter hatte ich im Jahre 1922 als Kommissar der Reichsregierung im Plenum Antworten der Reichsregierung auf kurze Anfragen von Abgeordneten über Untaten von Besatzungssoldaten zu verlesen. Mißlich war dabei, daß man die ergänzenden Fragen der Abgeordneten nicht beantworten durfte, da man auf die vom Ministerium mitgegebene Fassung der Antwort festgelegt war. Gerne erinnere ich mich an die freundliche Hilfe, die mir vom Reichstagspräsidenten Paul Löbe gegenüber dem Drängen von Abgeordneten auf ergänzende Antworten zuteil wurde. Durch eine Verbesserung der Geschäftsordnung wurde bald die befristete schriftliche Beantwortung der kurzen Anfragen eingeführt. Die Besatzung und die Deutschen
Die Besatzungstruppen, die an Zahl weit stärker waren als die früheren deutschen Garnisonen, waren ganz überwiegend Franzosen. Amerikaner standen in Koblenz (bis 1923 ), Engländer in Köln und Belgier in Aachen. Das französische Oberkommando befand sich in Mainz. Zum Ärgernis 21
der deutschen Bevölkerung unterhielten die Franzosen auch farbige Truppeneinheiten. Die Deutschen hielten sich überall von der Besatzung fern. Die französische Propaganda (Lesesäle und Vorträge, Auftreten französischer Künstler usw.) war rührig, aber wirkungslos, was bei dem häufigen Hervorkehren des Siegerstandpunktes der Franzosen nicht verwunderlich war. Ein betrübliches Kapitel bildeten die Ausschreitungen französischer Soldaten. Staatssekretär Brugger legte 1922 dem Reichstag eine zusammenfassende Denkschrift über die Untaten der Besatzungstruppen vor, die weithin Aufsehen erregte. Im Reichstagsplenum gab es viele erregte Debatten über neuerliche Vorkommnisse dieser Art. Poincares Reparationspolitik zielt auf Eroberung
In der Politik gab dem Jahr 1922 das Gepräge, daß im Januar Poincan! die Ministerpräsidentschaft erlangte. Im Bunde mit dem gleichgesinnten Präsidenten der Republik Millerand und gestützt auf eine geschlossene Kammermehrheit, den sogenannten Nationalen Block, gab er nun über zwei Jahre der französischen Reparationspolitik eine scharfe Richtung. Durch die von Frankreich beherrschte Reparationskommission, der ein Franzose vorstand, vermochte Frankreich, dem mehr als die Hälfte der deutschen Reparationszahlungen zukam und das ja auch die meisten zerstörten Gebiete hatte, die gesamteReparationspolitik gegenüber Deutschland zu bestimmen. Poincare vereinigte in sich die tiefe Abneigung des alten Revanchisten gegen das Bismarck-Reich mit der sturen, wirtschaftlichen Erwägungen wenig zugänglichen Entschlossenheit, die Reparationsansprüche und sonstigen Forderungen gegen Deutschland bis zum letzten durchzusetzen. Dabei verhehlte er selbst nicht, welche weitgehenden politischen Ziele ihm vorschwebten. So sagte er schon in einer Ansprache vom 26. Juli 1922: "Wenn Deutschland zahlt, dann müssen wir das Rheinland räumen und würden den Nutzen unserer Experimente verlieren, um friedlich, aber mit den Waffen in der Hand die Bevölkerung am Ufer des Grenzflusses zu erobern. Halten Sie es für besser, das Geld einzukassieren oder neues Gebiet zu erwerben? Ich für meinen Teil ziehe die Besetzung und die Eroberung dem Geldeinstreichen und den Reparationen vor." (Zitiert bei Friedensburg, Die Weimarer Republik, 1946 bei Carl Habel, Berlin, S. 30). 22
Der Zahlungsplan des Londoner Ultimatums vom Mai 1921, der u. a. Jahreszahlungen von 2 Milliarden Goldmark verlangte und in Verbindung mit den enormen Besatzungskosten und anderen Lasten (Reparationsvorschüssen usw.) Deutschlands Wirtschaftskraft überstieg, führte notwendigerweise zu steigender Zerrüttung der deutschen Wirtschaft und fortschreitender Verschlechterung der deutschen Währung und damit zu weiterer Verelendung des Mittelstandes. Die Hetze der Rechtsradikalen gegen die deutschen "Erfüllungspolitiker" äußerte sich in schamlosen Mordparolen, die das Volk beunruhigten.
Die Ermordung Ratbenaus Eine Explosion kam am 24. Juni 1922. Walther Rathenau, Reichsminister des Auswärtigen, wurde, wie Erzberger, von Männern der Organisation Consul meuchlings ermordet. Für den Nachmittag wurde eine außerordentliche Sitzung des Reichstags einberufen. Im vollbesetzten Hause herrschte eine hocherregte Spannung. Als der deutschnationale Führer Helfferich den Saal betrat, schrie von links ein Sprechchor "Mörder, Mör-der". Helfferich wurde von seinen Freunden bewogen, den Saal einstweilen zu verlassen. Reichskanzler Wirth, ein persönlicher Freund Rathenaus, dem er vergeblich immer wieder einen besonderen Polizeischutz angeboten hatte, widmete dem für die Demokratie Gefallenen einen würdigen Nachruf und berichtete dann über die von der Reichsregierung vorgeschlagenen Maßnahmen zum Schutze der Republik.
Sagte Wirth: "Der Feind steht rechts"? In dieser Rede kam ein Satz vor, der in der Rechtspresse lautete: "Der Feind steht rechts". Da ich in nächster Nähe des Redners saß und jedes Wort deutlich hörte, bin ich in der Lage, hierzu eine berichtigende Klarstellung zu treffen. Der Reichskanzler sagte etwa: "Immer wenn sich die Wunden am deutschen Volkskörper zu schließen beginnen und die Heilung zu erwarten ist, kommt der böse Feind und träufelt Gift in die Wunden, so daß sie erneut aufbrechen. Der Feind steht rechts!" Der Kanzler betonte also das Wort "Der", so daß es den Sinn "Dieser" bekam. Der Kanzler wollte auf die Kreise hinweisen, die an dem Attentat und an seiner Vorbereitung beteiligt waren. Freilich wollte er auch die Deutschnationalen nicht von der Mitverantwortung entlasten, die sie traf, weil 23
sie sich nicht scharf genug von den Rechtsradikalen distanzierten, vielmehr ihrem gefährlichen Treiben gegenüber Nachsicht hatten walten lassen. Von den drei Mördern wurde nur Telschow gefaßt, der das zum Mord benutzte Automobil beschafft und gefahren hatte. Er wurde auf Bitten der Mutter Ratbenaus zu Zuchthaus begnadigt. Die beiden eigentlichen Mörder verübten in Thüringen, als sie sich umstellt sahen, Selbstmord. Die Mörder hatten in der Verblendung ihres Judenhasses phantastische Hoffnungen mit ihrer Tat verbunden. Sie hatten den Johannistag für den Mord in der Erwartung ausgewählt, die Johannisfeuer würden in Deutschland von Höhe zu Höhe leuchten und die Befreiung Deutschlands verkünden. Bedeutung Ratbenaus
Mit Rathenau fiel ein Staatsmann, der für Deutschland schon Großes geleistet hatte (Wiesbadener Sachlieferungsabkommen vom Oktober 1921, Rapallo-Vertrag vom April 1922), für die Zukunft aber noch Größeres versprach. Bei seiner Etatsrede im Reichstag im Frühjahr 1922 schied er die Beamten der Ministerien in solche, die nur ihre Eingänge erledigen, und solche, die sich schöpferisch ihrem Bereich widmen. Den letzteren galt seine Wertschätzung. Auch bei einem Empfang in der Bayerischen Gesandtschaft im gleichen Frühjahr konnte ich sehen, wie die von ihm ausstrahlende Geistigkeit immer wieder die Gäste anzog und um ihn versammelte. Die Ermordung Ratbenaus hat teilweise läuternd gewirkt. Er war das letzte hohe Opfer der Mordhetze der Rechtsradikalen. Die Rechtskreise begannen sich auf die Notwendigkeit eines anständigen politischen Kampfes zu besinnen. Ebert und die deutsche Nationalhymne
Einen Lichtblick in dieser trüben Zeit bot die Schaffung der deutschen Nationalhymne "Deutschland, Deutschland über alles". Sie entsprang der Initiative des Reichspräsidenten Ebert. Es war ihm gelungen, die Bedenken seiner Parteifreunde zu überwinden, die an der alldeutschen Auslegung des Liedes Anstoß nahmen, einer Auslegung, die in der ausländischen und besonders in der französischen Propaganda laut herausgestellt wurde. Reichspräsident Ebert setzte sich durch mit dem Hinweis auf den demo24
kratischen Geist von Hoffmann von Fallersleben, des alten 48ers, der im Exil, in dem damals britischen Helgoland, das Lied dichtete, das die Vaterlandsliebe über alles stellte, aber keinem anderen Volke etwas nehmen wollte. Ministerialdirektor Brecht, der im Reichsministerium des Innern die Angelegenheit bearbeitete, zog mich wegen der Rechtslage im besetzten Gebiet zu Rate. Ich war ihm durch meinen 1922 veröffentlichten Aufsatz über "Einheitliche Verwaltungsbezeichnungen in Deutschland" näher gekommen. So erfuhr ich, daß die Nationalhymne am Verfassungstag des Jahres 1922, am 11. August, aus der Taufe gehoben werden sollte, was dann auch in feierlicher Weise vonstatten ging. Die Reparationskrise, die durch die Unzugänglichkeit Poincares gegenüber allen deutschen Vorschlägen und Anregungen immer bedrohlichere Ausmaße angenommen hatte, war die Ursache, daß das Kabinett Wirth im November 1922 zurücktrat. Kurz vor ihrem Rücktritt hatte die Regierung Wirth noch durchgesetzt, daß der im Februar 1919 von der Verfassunggebenden Nationalversammlung gewählte Vorläufige Reichspräsident Ebert durch ein verfassungsänderndes Reichsgesetz (ohne Volkswahl) zum verfassungsmäßigen Reichspräsidenten mit einer Amtszeit bis 30. Juni 1925 gewählt wurde.
Reichskabinett Cuno Bei der Bildung eines neuen Kabinetts beschritt man einen für das parlamentarische Regierungssystem der Weimarer Republik neuartigen Weg. Zum Reichskanzler wurde ein Nichtparlamentarier, der Generaldirektor der Hamburg-Amerika-Linie, Cuno, ernannt, der in seinem Kabinett Parlamentarier des Zentrums, der Demokraten und der Deutschen Volkspartei mit Fachministern vereinigte. Das Kabinett nannte sich eine Regierung der Arbeit. Es war, wie die anderen Regierungen seit der Reichstagswahl vom Juni 1920, eine tolerierte Minderheitsregierung. Mit neuem Geist und mit neuen Kräften wollte man der kommenden schweren Auseinandersetzung mit Poincare entgegentreten.
1923 Der Ruhreinbruch
Am 10. Januar 1920 war der Versailler Friedensvertrag in Kraft getreten. An der Schwelle des vierten Friedensjahres, am 11. Januar 1923, begann Poincan! den Ruhreinbruch. Französische und belgisehe Truppen besetzten widerrechtlich, angeblich zum Schutze einer französisch-belgischen Ingenieur-Kommission zur Kontrolle der Industrie und der Bergwerke, das gesamte Ruhrgebiet. Als Zweck des Ruhreinbruchs wurde bezeichnet, die Reparationen (Kohlen, Holz usw.) an Ort und Stelle zu holen oder, wie man sich ausdrückte, "produktive Pfänder" zu nehmen. Die von Frankreich beherrschte Reparationskommission hatte den Vorwand geliefert, indem sie in gewissen, tatsächlich sehr geringfügigen Punkten ein deutsches Reparationsversäumnis festgestellt hatte. Die Besatzungsmacht Großbritannien nahm am Ruhreinbruch nicht teil und hielt sich neutral zurück. Die Besatzungsmacht USA mißbilligte die Gewaltaktion offen. Sie zog ihre Truppen aus Deutschland ab und schickte sie über deutsche Häfen nach Hause. Dagegen entsandte das soeben faschistisch gewordene Italien Mussolinis, das keine Besatzungsmacht, aber Reparationsgläubiger war, einen Kommissar zu der französisch-belgischen Ingenieur-Kommission. Der passive Widerstand
Deutschland gegenüber war der Ruhreinbruch der Griff an die Kehle. Nach Lage der Dinge außerstande, sich mit Waffengewalt zu wehren, erhob sich über alle Parteischranken hinweg das ganze deutsche Volk in geschlossener Einheit unter der Führung des Reichspräsidenten und des Reichskanzlers. Die deutsche Antwort war der passive Widerstand. Der passive Widerstand ging ursprünglich spontan von der Bevölkerung des neu besetzten Gebietes aus. Die Gewerkschaften nahmen rasch eine führende Stellung ein. Dann kam die Anordnung der Reichsregierung an die Beamten und alle öffentlichen Bediensteten der besetzten Ge-
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biete, allen Befehlen der Besatzung auf Grund der neuen Gewaltmaßnahmen den Gehorsam zu verweigern. Die Anordnung wurde überall befolgt. Die Einbruchsmächte reagierten in den gesamten besetzten Gebieten mit scharfen Gegenmaßnahmen. In wenigen Wochen spitzten sich die Verhältnisse aufs äußerste zu. Der Reichskommissar für die besetzten rheinischen Gebiete in Koblenz wurde ausgewiesen. Sein Personal verstärkte in erwünschter Weise das Staatssekretariat Brugger. Es kann hier davon abgesehen werden, den Leidensweg der Deutschen in den gesamten besetzten Gebieten (Mißhandlungen, Einkerkerungen, Massenausweisungen samt den Familien, besonders von Beamten usw.) sowie eine rasch fortschreitende Desorganisation von Verwaltung und Wirtschaft in diesen Gebieten zu schildern. So wurden im Februar z. B. die gesamten besetzten Gebiete durch eine Binnenzollgrenze vom unbesetzten Deutschland abgeschnürt. Im März wurden die Eisenbahnen in die Verwaltung der Einbruchsmächte genommen (sogenannte Regie-Bahnen); ihre tunliebste Nichtbenützung gehörte zum passiven Widerstand. Organisatorisch ergab sich für die altbesetzten Gebiete nach dem Versailler Vertrag und für das neu besetzte Gebiet (Sanktionsgebiet Düsseldorf-Duisburg und Ruhrgebiet) eine Zweiteilung aufalliierterund auf deutscher Seite. Auf alliierter Seite erließ für das altbesetzte Gebiet die Interalliierte Rheinlandkommission in Koblenz die für die Verwirklichung der Einbruchszwecke für erforderlich gehaltenen Ordonnanzen, wobei die Engländer meist nicht mitmachten, während für das neubesetzte Gebiet die militärischen Oberbefehlshaber entsprechende Anordnungen verkündeten. Staatssekretär Brugger betreut das altbesetzte, GeneralkommissarS chmid ( Berlin) das neubesetzte Gebiet
Auf deutscher Seite sorgte für die Betreuung des altbesetzten Gebiets, soweit noch möglich, wie bisher das Staatssekretariat Brugger im Reichsministerium des Innern. Zu den rund 6 Millionen Einwohnern des altbesetzten Gebiets waren durch den Ruhreinbruch 4 Millionen Einwohner hinzugekommen (einschließlich Düsseldorf und Duisburg). Zu ihrer Betreuung wurde in Berlin ein Generalkommissariat für Rhein und Ruhr eingerichtet. Generalkommissar wurde der aus Düsseldorf ausgewiesene zweite Bürgermeister dieser Stadt, der aus Schleswig-Holstein stammende Karl Christian Schmid. Bayern schuf übrigens mit den ausgewiesenen Beamten der pfälzischen Regierung Speyer in Heidelberg eine
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Pfalzhilfsstelle unter der Leitung des umsichtigen Regierungspräsidenten Matheus. Staatssekretär Brugger nahm sich rührig des altbesetzten Gebiets an. Die Einreise in das Kölner Gebiet der neutralen Engländer war ihm weiter möglich. Er hielt dort mit den Gewerkschaften und anderen Vertretern der Bevölkerung Besprechungen ab, bei denen sich sein Mitarbeiter Profit besonders betätigte. Auch östlich der Grenzen des altbesetzten Gebiets fanden solche Besprechungen statt, zu denen Vertreter aus der französischen Besatzungszone kommen konnten. Sehr nachteilig war es für das Wirken des Staatssekretärs, daß infolge der rasch fortschreitenden Inflation die von ihm bewilligten Zuwendungen für kulturelle und soziale Zwecke immer schwieriger zur Wirkung zu bringen waren. Sie hatten bei der Auszahlung nur noch einen Bruchteil des Wertes, den sie zur Zeit der Bewilligung gehabt hatten.
Blutbad bei Krupp Der Ruhreinbruch hatte auch ein Anschwellen der Untaten der Besatzung, besonders im neubesetzten Gebiet, zur Folge. Der schwerste Fall ereignete sich in Essen, als ein in die Kruppwerke eingedrungenes französisches Detachement auf die friedlich im Fabrikhof demonstrierenden Arbeiter das Feuer eröffnete. 13 Tote und 30 Verletzte blieben auf dem Platz. Der französische Offizier behauptete, sich bedroht gefühlt zu haben, und wurde von seinem Militärgericht freigesprochen. Im Reichstag fand eine ergreifende Gedenkfeier statt, der der Reichspräsident Ebert beiwohnte. Sie bot das Bild einer großen Trauerfamilie.
Der aktive Widerstand. Schlageter Manchen Deutschen genügte der passive Widerstand nicht. Sie wollten den aktiven Widerstand durch Sabotage. Die Reichsregierung, aber auch die Bewohner der besetzten Gebiete lehnten diese Methoden ab, die nichts besserten und nur neues Ungemach über die Bevölkerung brachten. Tatsächlich gelang übrigens nur ein einziger größerer Sabotageakt, als bei einem belgiseben Soldatentransport auf der Hochfelder Brücke bei Duisburg neun Personen ums Leben kamen. Hier ist auch des aus Baden stammenden idealistischen Studenten und Kriegsteilnehmers Albert Leo Schlageter zu gedenken, der wegen Beteiligung bei Sabotage von den Franzosen zum Tode verurteilt und am
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26. Mai auf der Golzheimer Heide bei Düsseldorf erschossen wurde. Alle Bemühungen, auch die der aus Baden stammenden Königin von Schweden, bei Poincare eine Begnadigung zu erreichen, waren vergeblich. Schlageters mannhaftes Sterben erregte Bewunderung und machte ihn rasch zum Symbol des patriotischen Deutschen. Die Hinrichtung Schlageters verursachte denFranzosen so großenVerdruß,daß von den 10Todesurteilen, die die Besatzung wegen Sabotage verhängte, nur dieses eine vollzogen wurde. Pierpont Noyce plädiert für Wilson
Im Frühjahr, nach dem Abzug der amerikanischen Besatzung, hatten wir im Reichsministerium des lnnern den Besuch von Pierpont Noyce, dem vormaligen amerikanischen Oberkommissar in Koblenz. Seiner Besprechung wohnte ich mit Staatssekretär Brugger bei. Es kam dabei zu einer Aussprache über Präsident Wilson. Man sagte dem Amerikaner, daß man in Deutschland von Präsident Wilson sehr enttäuscht sei. Im Vertrauen auf seine 14 Punkte habe Deutschland im November 1918 die Waffen niedergelegt, und jetzt stehe man am Rande des Ruins. Pierpont Noyce, ein persönlicher Bekannter des damals noch lebenden Präsidenten Wilson, verteidigte diesen. Wilson habe im Januar 1918 seine 14 Punkte nicht als Friedensvermittler, sondern als Kriegsgegner Deutschlands verkündet. Er habe damit den Rahmen für einen Verhandlungsfrieden entwerfen wollen. Er habe damals den Standpunkt vertreten, daß man den Frieden Deutschland nicht diktieren, sondern ihn aushandeln solle. Die unerläßliche Voraussetzung, von der Wilson ausgegangen sei, sei die damals (Januar 1918) noch ungebrochene militärische Kraft Deutschlands gewesen, von der er sich einen heilsamen Einfluß auf seine europäischen Verbündeten versprochen habe. In Wirklichkeit aber sei im Gegenteil die militärische Entwicklung des Jahres 1918 für Deutschland nach anfänglichen Erfolgen unaufhaltsam immer ungünstiger geworden. Der Zusammenbruch seiner östlichen Verbündeten und schließlich die deutscheNovember-Revolution hätten dann ein übriges getan. So sei es Wilson bei den Pariser Friedensgesprächen mit Frankreich und England nicht mehr möglich gewesen, auf diese Mächte einen genügenden Druck zur Mäßigung auszuüben. Er habe immerhin Verbesserungen erzielt, so bei der Festsetzung der deutschen Westgrenze. Wilson habe sich damit getröstet, daß der Völkerbund, seine Lieblingsschöpfung, in naher Zukunft eine allgemeine Besserung der Verhältnisse und damit auch eine Revision der Friedensverträge bringen werde. Daß die Demokraten Wilsons bei den
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Präsidentschaftswahlen des November 1920 von den isolationistischen Republikanern, die gerade den Völkerbund ablehnten, geschlagen worden seien, könne man Wilson nicht zur Last legen. Der Brief des Kardinals Schulte
Es sei gestattet, von einer Episode zu berichten, die sich im Sommer an einen Besuch Staatssekretär Bruggers in Köln anschloß, als der Staatssekretär die Lage im besetzten Gebiet erkunden wollte. Er wurde dabei auch von Kardinal Schulte, dem Erzbischof von Köln, empfangen. Der Aussprache wohnte ich bei. Damals hatten im besetzten Gebiet die allgemeine Lage und im Zusammenhange damit die Stimmung der Bevölkerung sich sehr verschlechtert. Der Kardinal hatte sich von seinen Geistlichen vertrauliche StimmungsberiChte besorgt und besprach sie mit dem Staatssekretär. Am Schluß übergab er diesem einen für Reichskanzler Cuno bestimmten Brief, der eine Zusammenfassung der genannten Berichte enthielt. Diesen Brief an seine Adresse zu bringen, war für uns eine Ehrensache. Am nächsten Tag besuchten wir noch Kölner Freunde, die uns warnend sagten, daß in Köln zahlreiche französische Spione tätig seien, die prominente Besucher aus dem unbesetzten Deutschland auf Schritt und Tritt verfolgten. Wir hatten für den Nachtzug nach Berlin in einem Kölner Reisebüro uns für zwei nebeneinanderliegende Abteile Bettkarten besorgt und berieten nun, was zu tun sei. Unsere ursprüngliche Absicht, den Brief des Kardinals sorgsam in dem Abteil zu verstecken, ließen wir fallen. Nachdem wir uns bei der Reichsbahndirektion vergewissert hatten, daß der Lokomotivführer des Nachtzuges ein zuverlässiger Mann war, bändigte ich ihm vor der Abfahrt des Zuges den Brief mit der Bitte aus, ihn gut zu verbergen. Er versteckte ihn unter seinen Kohlen. Ich machte mit ihm aus, daß ich bei der Ankunft des Zuges in Berlin sofort zu ihm kommen würde, um den Brief zu holen. Sollte ich nicht sofort erscheinen, so sei ich unterwegs ausgestiegen. Er solle dann den Brief unverzüglich dem Reichskanzler persönlich überbringen. Als der Zug abfuhr, vereinbarten der Staatssekretär und ich, daß wir nicht zu Bett gehen würden, ehe wir nicht die zwei französischen Kontrollstellen hinter uns hätten. Kurz vorher war ein hoher Reichsbeamter bei der ersten Kontrollstelle (Vohwinkel) von den Franzosen aus dem Bett geholt und im Nachthemd auf den Bahnsteig gestellt worden, während der Zug weiterfuhr. Als unser Zug in Vohwinkel hielt, sahen wir, 30
daß wir denunziert worden waren. Französische Geheimpolizisten traten in unsere Abteile und untersuchten uns und die Abteile auf das genaueste. Sie suchten sicher den Brief des Kardinals. Schließlich gingen sie mit höhnischen und drohenden Gebärden davon. Der Zug fuhr weiter. Wir rechneten damit, bei der zweiten Kontrollstelle verhaftet zu werden. Diese befand sich zwischen der tatsächlich nicht besetzten Stadt Hagen und dem endgültig besetzungsfreien Schwerte. In Hagen verließen wir den Zug und suchten am Morgen den Oberbürgermeister auf. Unser Fall bedeutete für ihn nichts Neues. Er stellte uns einen zuverlässigen Fahrer mit Kraftwagen zur Verfügung, der uns auf Seitenwegen um die zweite Kontrollstelle herumfuhr und sicher in Schwerte absetzte, wo wir den Mittagszug nach Berlin erreichten. In Berlin stellten wir fest, daß der brave Lokomotivführer bereits in der Frühe den Brief des Kardinals zum Reichskanzler gebracht hatte.
Die erste Große Koalition Anfang August war die wirtschaftliche Lage in den besetzten Gebieten, aber auch in Gesamtdeutschland einer Katastrophe nahe. Am Verfassungstag (11. August) hatte Reichspräsident Ebert einen packenden Aufruf an das deutsche Volk gerichtet, um ihm Mut zuzusprechen. Schon am 13. August schloß sich, der Volksstimmung entsprechend, nach dem Rücktritt der Regierung Cuno die Deutsche Volkspartei mit den Parteien der alten Weimarer Koalition zur ersten Großen Koalition zusammen.
Gustav Stresemann Der neue Reichskanzler, zugleich Reichsminister des Auswärtigen, war Gustav Stresemann, der Mitbegründer und Führer der Deutschen Volkspartei. Mit Stresemann erstand der Weimarer Republik ein großer Führer. Der früher nationalliberale Stresemann war lange Zeit Nationalist gewesen. Aber er gehörte zu den Weisen, die "vom Irrtum zur Wahrheit reisen". Er hatte sich zu der Überzeugung durchgerungen, daß nur eine geduldige, zugleich zähe und geschmeidige Verständigungspolitik gegenüber Frankreich, England und den USA das deutsche Volk wieder zur Höhe führen könne. Einstweilen freilich widersetzte sich Poincare seinen unermüdlichen Friedensfühlern. Stresemann war ein erfahrener Parlamentarier. Er war schon 1907 in den Reichstag gewählt worden. Er war ein großer Redner, durch die lange 31
durchhaltende Kraft seiner metallenen Stimme, durch den edlen Stil seiner Sprache, durch die zwingende Logik seiner Beweisführung und schließlich durch den feurigen Schwung seines Temperaments. Stresemann war aber vor allem ein parlamentarischer Kämpfer. Er liebte den parlamentarischen Kampf. Man sah es ihm an, wenn er durch die Wandelhalle dem Plenum des Reichstags zustrebte, in dem gerade eine stürmische Debatte wogte. Er beherrschte die Spielregeln des parlamentarischen Kampfes meisterlich: Initiative entwickeln, angreifen, den Gegner auf die Konsequenzen seines Tuns festlegen, ihm nichts schenken, vor allem nicht den mühelosenGenuß von Vorteilen, die ihm aus einer von ihm bekämpften Politik zufallen könnten. Reichsministerium für die besetzten Gebiete ( Rheinministerium ): MinisterFuchs Das Kabinett Stresemann erhielt ein eigenes Reichsministerium für die besetzten Gebiete, das dem Oberpräsidenten Fuchs der Rheinprovinz übertragen wurde, der durch die Beibehaltung seiner Stellung als Oberpräsident sich einen starken Rückhalt am Rhein sicherte. Das Staatssekretariat für die besetzten rheinischen Gebiete und das Generalkommissariat für Rhein und Ruhr wurden in dem neuen Ministerium zu der Abteilung I zusammengelegt, in der ich politischer Referent blieb. Gleichzeitig wurde dem Ministerium eine Abteilung II eingegliedert. Ihr oblagen die vorher von dem Reichsschatzministerium wahrgenommenen Aufgaben für die Lieferungen und Leistungen an die Besatzungstruppen, die nach der Friedensregelung Deutschland auferlegt waren. Die Abteilung II hatte einen Unterbau im altbesetzten Gebiet, nämlich eine rheinische Oberbehörde, die sogenannte Reichsvermögensverwaltung in Koblenz, einerseits und äußere Dienststellen dieser Oberbehörde, die über das altbesetzte Gebiet verstreut waren, andererseits. Stellvertreter des Ministers wurde der bisherige Generalkommissar Schmid, der später zum Staatssekretär ernannt wurde und dem Ministerium bis zum Ende der Besetzung angehörte. Die Schaffung des neuen Ministeriums, das kurz auch Rheinministerium genannt wurde, hatte das Ausscheiden des Staatssekretärs Brugger zur Folge, der unermüdlich für das altbesetzte Gebiet gearbeitet und unter schwierigsten Verhältnissen viel erreicht hatte. Sein Weggang wurde von den Beamten des Staatsekretariats, die ihm ein dankbares Andenken bewahrten, aufrichtig bedauert.
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Einstellung des passiven Widerstandes
Der passive Widerstand war mittlerweile unhaltbar geworden. Verwaltung und Wirtschaft in den besetzten Gebieten befanden sich in chaotischen Verhältnissen. Aber auch die Reichsfinanzen waren durch den Verlust der Einnahmen aus den besetzten Gebieten und durch die übergroßen Fürsorgelasten in trostloser Lage, wie auch die deutsche Gesamtwirtschaft sich in voller Zerrüttung befand. Schwierig war indes, die Einstellung des passiven Widerstandes, die von Frankreich zur Vorbedingung jeder Verhandlung gemacht wurde, den unmittelbar Beteiligten verständlich zu machen, die nicht aus noch ein wußten. Auch die Gewerkschaften wollten, wie mein Kollege Profit uns berichtete, nicht an die unerläßliche Entscheidung heran. Am 26. September verfügte schließlich die Regierung Stresemann die Einstellung des passiven Widerstandes, nicht ohne daß in Sachsen und Thüringen, aber auch in Bayern ernstliche Schwierigkeiten eintraten. Von ihrer Betrachtung soll hier abgesehen werden. Die Rentenmark
Die Große Koalition hielt nicht lange. Ein zweites Kabinett Stresemann (ohne Sozialdemokraten) bestand von Anfang Oktober bis Ende November. Ein wichtiges Datum war der 15. November 1923, an dem die Rentenmark geschaffen wurde (1 Rentenmark = 1 Billion Papiermark). Die Inflation hatte ihr Ende gefunden. Bei der schließliehen Lösung der Frage wertbeständigen Geldes hatten Reichsfinanzminister Luther und Reichswährungskommissar Schacht die Führung. Aber auch Helfferich und andere Sachverständige hatten ihren Beitrag geleistet. Die Schaffung der Rentenmark war eine rettende Tat. Sie erfüllte die Nation wieder mit Selbstvertrauen. Sie steigerte auch im Ausland, besonders bei den Angelsachsen, die Neigung, Deutschland von außen zu helfen, das diese Aktion der Selbsthilfe zustande gebracht hatte. Frankreich und Belgien organisieren Separatistenputsche
Mittlerweile aber hatte Poincare zu einem letzten Schlag ausgeholt, um das Rhein- und Ruhrgebiet von Deutschland loszureißen und dadurch das verhaßte Bismarck-Reich zu Fall zu bringen. Sein letztes Ziel nahm er nun im Oktober mit dem ihm eigenen Starrsinn in Angriff. Es kann 3 Eugen Mayer
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hier davon abgesehen werden, im einzelnen über die rheinischen Separatisten und ihren von Franzosen und Belgiern bewaffneten Banden zu berichten. Wir beobachteten die Vorgänge von Berlin aus. Es war unzweifelhaft, daß die überwältigende Mehrheit der rheinischen Bevölkerung zum Reiche stand. Es war auch sicher, daß Poincare durch sein Vorgehen in immer schärferen Gegensatz zu England und den USA geriet. Dabei war noch ein Unterschied zu machen zwischen dem übrigen linksrheinischen Gebiet einerseits und der Pfalz andererseits. Der Losschlagetermin für das Rheinland und Rheinhessen war der 21. Oktober. Die separatistischen Banden bemächtigten sich unter dem Schutze der Franzosen und Belgier der Rathäuser und sonstigen Amtsgebäude und versuchten, eine Art Verwaltung einzurichten. Wie ein Kartenhaus brach aber diese Herrschaft in kurzer Zeit zusammen. Separatistenregierung in der Pfalz nach Frankreichs Willen
Ernster war die Lage in der Pfalz. Hier war der französische Drahtzieher der Oberdelegierte General de Metz in Speyer, dem Sitz der pfälzischen Regierung, die aber durch die Ausweisung der meisten Beamten aktionsunfähig geworden war. Hier machten im Oktober die Franzosen den Versuch, die über die Entwicklung in München erbitterten pfälzischen Sozialdemokraten für eine Loslösung von Deutschland zu gewinnen und dadurch im pfälzischen Kreistag (Provinzialvertretung) eine Stütze für die französischen Ziele zu schaffen. Die Sozialdemokraten dachten aber nur an eine Loslösung von Bayern und machten, als sie rasch eingesehen hatten, daß jede Art von Grenzveränderung von den Franzosen für ihre Ziele mißbraucht würde, bei dem einstimmigen Beschluß des pfälzischen Kreistags zum Festhalten an Reich und Bayern auch ihrerseits mit. Nun kam am 5. November auch der Losschlagetermin der Franzosen für die Pfalz, aber mit besser bewaffneten und organisierten separatistischen Kräften als im Rheinland. Der Landwirt Heinz aus Orbis (Nordpfalz) ließ sich als "Chef der Regierung" der Autonomen Pfalz in Speyer bestellen und bildete dann ein "Kabinett". Die Bezirksämter wurden gleichfalls mit separatistischen "Bezirkskommissaren" besetzt. Durch Erpressungen aller Art (Ausgabe von Notgeld, hohe Verwaltungsgebühren usw.) machte sich diese Regierung von Frankreichs Gnaden binnen kurzem allgemein verhaßt. Poincare aber verstieg sich dazu, diese von ihm geschaffene "Regierung", der das Volk widerstrebte, 34
als rechtmäßig anzuerkennen, und ließ die von Frankreich inspirierten Verordnungen dieser "Regierung" durch die Rheinlandkommission in Koblenz amtlich registrieren.
England und USA gegen Poincare Nun trat England aus seiner Reserve heraus. Schon im August hatte ein Gutachten der englischen Kronjuristen den Ruhreinbruch für illegal erklärt. Die Beziehungen zwischen Frankreich und England spitzten sich zu. Umgekehrt fand die Verständigungspolitik Stresemanns in England und den USA steigende Beachtung. Die deutsche Regierung hatte sich schon vor Monaten bereit erklärt, eine von unabhängigen Sachverständigen ausgearbeitete Regelung der Reparationsfrage anzuerkennen und dabei in eine Minderung ihrer Souveränitätsrechte zu willigen, soweit die vorgeschlagene Regelung solches verlange. In dieser Richtung gingen nun die Bemühungen Stresemanns.
Versackungspolitik Es gilt noch eine illusionäre Idee zu erwähnen, die im Oktober, in der Zeit höchster Not, auftauchte: die Idee der sogenannten Versackungspolitik. Sie spukte ein wenig selbst in hohen Behörden. Die Idee besagte, man solle das linke Rheinufer den Franzosen vorübergehend preisgeben, es sozusagen versacken lassen. Man solle sich dafür im rechtsrheinischen Deutschland von den Fesseln des Versailler Vertrages lossagen und sich in jeder Hinsicht gesund machen. Nach eingetretener Kriftigung würde man dann die linksrheinischen Gebiete sich wieder holen. Die Idee war naiv. Eine Zustimmung Frankreichs oder Englands zu einer solchen Wendung der Dinge war undenkbar. Aber ihr widerfuhr immerhin die Ehre, daß sie in einer Sitzung in der Reichskanzlei, bei der ich anwesend war, in aller Form beraten wurde. Aus dem Rheinland waren als prominente Politiker u. a. Oberbürgermeister Konrad Adenauer von Köln (Zentrum) und Justizrat Falck aus Köln (Demokrat) erschienen. Als die Vertreter der Versackungspolitik ihre Sache recht unsicher vorgetragen hatten, richtete Adenauer an sie die Frage: "Welche bestimmten und sicheren Garantien können Sie dem Rheinland dafür bieten, daß es in naher Zukunft wieder zu Deutschland zurückkehren kann?" Die Frage verschlug den Versackungstheoretikern die Sprache. Die Diskussion ging rasch zu Ende. Die Illusion der Versackungspolitik brach in sich zusammen. 3*
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Reparationskommission lenkt ein: Dawes-Ausschuß Erste Regierung Marx. Stresemann bleibt Außenminister Ende November kam ein Lichtblick. Am 30. November hatte die Reparationskommission trotzdes französischen Widerstrebens die Einsetzung zweier unabhängiger Ausschüsse beschlossen, wie sie Deutschland für die Lösung der Reparationsfrage bereits seinerzeit angeregt hatte. Der Ausschuß unter dem englischen Bankdirektor MacKenna hatte das Problem der deutschen Kapitalflucht zu prüfen. Der andere Ausschuß unter dem amerikanischen Wirtschaftsführer Ch. G. Dawes hatte die Frage der Wiederherstellung der deutschen Währung und des Haushaltsausgleichs samt der Reparationsfrage zu behandeln. Beide Ausschüsse gingen alsbald an die Arbeit. Am gleichen Tage dieses denkwürdigen Beschlusses der Reparationskommission, am 30. November 1923, trat die zweite Regierung Stresemann zurück. Sie wurde durch die erste Regierung Marx ersetzt, wieder eine tolerierte Minderheitsregierung ohne Beteiligung der Sozialdemokraten. Sie bezeichnete sich als Geschäftsministerium. Reichsaußenminister blieb Stresemann. Nicht bloß bei der ersten Regierung Marx, sondern auch ununterbrochen bis zu seinem Tode im Jahre 1929 bei allen sieben sich weiter folgenden Regierungen, so verschiedenartig auch ihre Zusammensetzung war. Alle diese Regierungen bekannten sich zu der Verständigungspolitik Stresemanns. Wilhelm Marx Mit Wilhelm Marx, einem geborenen Kölner (geh. 1863), trat eine neue führende politische Persönlichkeit eigener Prägung in den Vordergrund, die im ganzen vier Regierungen der Weimarer Republik bildete und sowohl das Vertrauen des Reichspräsidenten Ebert wie auch später das des Reichspräsidenten von Hindenburg ungetrübt genoß. Wie Stresemann besaß der Zentrumsführer Marx eine alte parlamentarische Erfahrung. Er gehörte schon seit 1899 als Abgeordneter dem preußischen Landtag und seit 1910 dem Reichstag an. Marx hatte den Richterberuf erwählt und war seit 1906 Oberlandesgerichtsrat in Köln und dann in Düsseldorf. Er war ein besonnener, gerecht denkender und gütiger Mensch, der durch seinen praktischen Sinn wie geschaffen war, um in komplizierten und verworrenen Situationen bei dem nötigen Ausgleich erfolgreich mitzuwirken. 36
Rheinministerium nebenamtlich besetzt
Bei der Bildung der Regierung Marx trat Rheinminister Fuchs wieder in sein Amt als Oberpräsident der Rheinprovinz zurück. Man entschloß sich, das verhältnismäßig kleine Rheinministerium künftig mit einem größeren Reichsministerium nebenamtlich zu verbinden. An dieser Regelung hielt man bis in das Jahr 1929 fest. Der erste nebenamtliche Rheinminister war Reichspostminister Höfle, ein gebürtiger Pfälzer. Das Jahr 1923 endete in einer zwiespältigen Situation. Während die Reparationsfrage endlich einer sachlichen Lösung näher zu kommen begann, hielt Poincare in der Pfalz noch unbeugsam an seiner Expansionspolitik fest.
1924 Ende des Separatismus in der Pfalz
Die Separatistenherrschaft in der Pfalz ging in dramatischer Entwicklung rasch ihrem Ende zu. "Regierungschef" Heinz (Orbis) glaubte, unter dem Schutz der französischen Waffen ungestraft Verrat üben, Recht, Gesetz und Verfassung verhöhnen zu dürfen. Es kam anders. Als Heinz am 9. Januar 1924 im Hotel Wittelsbacher Hof in Speyer an der Abendtafel saß, drang ein kleiner Trupp, der unter Führung eines Pfälzers aus dem Rechtsrheinischen gekommen war, überraschend in den Speisesaal ein und schoß Heinz nieder. Die zahlreichen anwesenden Franzosen konnten die Tat nicht verhindern. Es gelang dem Trupp, wieder über den Rhein zu entkommen. Es gab Verluste beiderseits. General de Metz verlangte von dem Bischof Sebastian von Speyer, daß die Leiche des Heinz im Dom mit allen Ehren, die einem Regierungschef gebührten, aufgebahrt werde. Der Bischof lehnte das Ansinnen ab unter dem Hinweis auf eine zutreffende, auf Vermeidung vo'n. öffentlichem 1\.rgernis gerichtete Bestimmung des kanonischen Gesetzbuches. Die Bevölkerung der Pfalz fand die Bestrafung des Verräters wohlverdient. Die englische Regierung benützte den Vorfall, um bei der französischen Regierung nachdrücklich auf die Wiederherstellung geordneter Verhältnisse in der Pfalz zu dringen. Poincare gab nicht nach. Er machte geltend, das Attentat von Speyer sei in München ausgeheckt worden. Es besage nichts über die Gesinnung der Pfälzer, die nach wie vor für die französischen Ziele und für deren pfälzische Wortführer Sympathien hegten. Nun verlangte England im Einvernehmen mit Bayern eine Prüfung der Verhältnisse in der Pfalz an Ort und Stelle durch seinen Generalkonsul Clive von München. Die Franzosen gaben widerwillig ihre Zustimmung. Bevor Clive in die Pfalz kam, veranstalteten die rechtmäßigen Vertreter der Pfalz für den Engländer eine Versammlung in Heidelberg, in der alles, was in der Pfalz Namen und Bedeutung hatte, vertreten war: Abgeordnete aller Parteien, Vertreter der Kirchen, der Wirtschaft, der Gewerkschaften und der Presse. Eindringlich und einmütig legten die Sprecher der Pfalz dem Generalkonsul dar, daß die Separatisten in der Pfalz ein französisches Produkt seien, ohne wirklichen Rückhalt im Volke,
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so daß sie verschwinden müßten, wenn die Franzosen die schützende Hand von ihnen abzögen. In der Pfalz selbst hatte Clive zahlreiche Besprechungen mit Deutschen und mit Separatisten, stets im Beisein der Franzosen, die das Auftreten von Clive als eine Einmischung in ihre Sphäre betrachteten. Das Ergebnis war, daß Clive seine Eindrücke von der Heidelberger Versammlung bestätigt sah und seine Regierung in dem Sinne unterrichtete, daß die überwältigende Mehrheit der PEälzer treu zu Reich und Bayern stünde. Poincan~ aber blieb bei seiner Behauptung von den Sympathien der Pfälzer für Frankreich, die nur von außen gestört würden. Was den Franzosen diese letzte Ausrede nahm, war die Volkserhebung vom 12. Februar 1924 in meiner Heimatstadt Pirmasens, der weltbekannten Schuhmetropole. Hier hatte der separatistische "Bezirkskommissar" Schwaab ein besonders bedrückerisches Regime entfaltet. Der Tag der Volkserhebung begann mit einer friedlichen Demonstration der Pirmasenser vor dem Bezirksamtsgebäude, das Schwaab zu seinem Hauptstützpunkt ausgebaut hatte. Die Demonstranten wollten die Aufhebung eines Zeitungsverbotes erwirken, das die Separatisten verhängt hatten. Die Separatisten begannen plötzlich aus dem Bezirksamt auf die Menge zu schießen. Die entscheidende Wende kam, als ein Arzt, Dr. Anstett, ein Schulfreund von mir aus der Speyerer Gymnasialzeit, der in der Nähe wohnte und zur ärztlichen Hilfeleistung zu dem Bezirksamt eilte, bei der V ersorgung von Verwundeten durch eine Separatistenkugel den Tod fand. Nun stieg die Erregung des Volkes auf das höchste. Es entwickelte sich ein regelrechter Kampf. Man war entschlossen, mit dem Separatistenklüngel Schluß zu machen. Die Separatisten schossen weiter. Schließlich geriet ihr Haus in Brand. Das Ende war, daß die Separatisten unterlagen. Die Deutschen hatten fünf, die Separatisten 17 Tote, darunter Schwaab. Das Bezeichnende dieser Volkserhebung von Pirmasens war, daß sie in keiner Weise von außen organisiert oder unterstützt war. Sie war ausschließlich das Werk der Pirmasenser selbst. Die Franzosen, die in Pirmasens keine Garnison, sondern nur eine von Gendarmen geschützte Kreisdelegation hatten, hielten sich merkwürdigerweise während der Kämpfe um das Bezirksamt völlig zurück. Die von ihnen zu Hilfe gerufenen Besatzungstruppen von Zweibrücken kamen zu spät. Nun endlich gab Poincare nach. Er gestattete noch im Februar, daß der pfälzische Kreisausschuß zur Wiederherstellung geordneter Verhältnisse mit den französischen Besatzungsbehörden zusammenarbeitete, was dann eine friedliche Regelung herbeiführte. 39
Aus Anlaß des Sieges der Pfälzer über den Separatismus fand im unbesetzten Mannheim eine Gedenkfeier statt, zu der die Pfälzer ihre Vertreter entsandten. Aus Berlin war der Reichspräsident persönlich gekommen. Das Rheinministerium war durch Graf Adelmann und mich vertreten. In der Begleitung des Reichspräsidenten befand sich eine größere Zahl von Reichstagsabgeordneten, darunter der deutschnationale Führer Karl Helfferich, ein gebürtiger Pfälzer. Helfferich hatte in dem deutschen Abwehrkampf des Jahres 1923 die vaterländische Haltung der Sozialdemokraten schätzen gelernt und dies nun auch durch sein Erscheinen in Mannheim bekundet. Man konnte hoffen, daß Helfferich künftig im Kampfe der Parteien diese neue Haltung zur Geltung bringen werde. Leider fand er schon im April bei einem Eisenbahnunglück in der Schweiz den Tod. Dawes-Plan
Am 9. April 1924 legte der Dawes-Ausschuß der Reparationskommission sein Gutachten vor, das den nach Dawes genannten Reparationsplan vorschlug. Der Ausschuß hatte in Paris und Berlin gearbeitet und auch deutsche Sachverständige eingehend gehört. Der Inhalt des DawesPlans braucht hier nicht im einzelnen dargelegt zu werden. Der Plan enthielt keine Dauerregelung. Er setzte die Reparationsleistungen Deutschlands vorläufig nur für fünf Jahre fest. Er brachte für die ersten vier Jahre gegenüber dem Londoner Zahlungsplan von 1921 eine kräftige Minderbelastung. Dazu kam für das erste Jahr eine internationale Anleihe für Deutschland in Höhe von 800 Millionen Goldmark, die der Stabilisierung der neuen deutschen Währung (nun Reichsmark anstelle der Rentenmark) zu dienen hatte. Ein Generalagent für die Reparationszahlungen, der Amerikaner Parker Gilbert, sollte den Transfer der deutschen Zahlungen an die Reparationsgläubiger leiten. Deutschland mußte eine weitgehende internationale Kontrolle, insbesondere über die Reichsbank und die Reichsbahn, auf sich nehmen. Jeder Geldschein trug einen internationalen Kontrollstempel, der einen Mißbrauch der Notenpresse unmöglich machte. Den stärksten Eingriff erfuhr die Reichsbahn, die nach der Weimarer Verfassung ein Betrieb des Reiches war, nun aber wegen bestimmter auf ihr lastender Reparationsleistungen in eine juristisch selbständige Reichsbahngesellschaft umgewandelt werden mußte. Dies konnte nur im Wege der Verfassungsänderung geschehen. Die Regierungskoalition besaß wohl die Mehrheit, aber nicht die zur Knderung der Verfassung notwendige Zweidrittelmehrheit. Diese war nur mit Hilfe der Deutsch40
nationalen zu erhoffen. über allen Einzelheiten des Dawes-Planes stand übrigens als der beherrschende Gesichtspunkt, daß in dem Plan die wirtschaftliche und damit auch die politische Einheit Deutschlands anerkannt war. Der deutsche Besitzstand am Rhein nach den Bestimmungen des Versailler Friedensvertrages ~·ar nun unanfechtbar, auch für Frankreich. In Deutschland, aber auch in Frankreich setzte alsbald um den DawesPlan eine heftige Auseinandersetzung ein. Sozialdemokraten für intaktes Preußen
Es sei hier der zeitlichen Einordnung halber gestattet, einen Seitenblick auf Preußen zu werfen, wegen eines mit der Reparationsfrage nicht zusammenhängenden preußischen Problems, der sogenannten Neugliederungsfrage nach der Weimarer Verfassung. Der Neugliederungsartikel 18 dieser Verfassung war in Hannover von den Welfen, der Deutschhannoverschen Rechtspartei, angerufen worden, um eine Loslösung Hannovers von Preußen zu erzielen. Die Volksabstimmung am 18. Mai 1924 ergab aber für die Welfen nicht die erforderliche Stimmenzahl, so daß Hannover bei Preußen blieb. Die preußischen Sozialdemokraten hatten in den vorangegangenen Monaten gegen die Welfen den härtesten Kampf geführt. Hannover war bekanntlich 1866 von Preußen ohne jede Volksbefragung, lediglich auf Grund des Sieges der preußischen Waffen, annektiert worden. Die preußischen Sozialdemokraten von 1924 betrachteten die Zugehörigkeit Hannovers zu Preußen als eine für den Bestand und den politischen Charakter Preußens lebenswichtige Frage. Dies ließ mich zurückdenken an ein Erlebnis des Jahres 1906. Damals fand im September der Reichsparteitag der Sozialdemokraten in Mannheim statt. August Bebe!, der damals gegen den Revisionismus in seiner Partei kämpfte, trat an dem Tag, an dem ich den Parteitag besuchte, als Redner in der Frage auf, ob man zur Erzwingung einer Reform des preußischen Dreiklassenwahlrechts den politischen Generalstreik ausrufen solle. Bebe!, eine zierliche Erscheinung mit dem bekannten weißen Spitzbärtchen, sprach mit einer vom Unfehlbarkeitsanspruch getragenen Stimme. Er lehnte den politischen Generalstreik ab und sagte etwa: "Der preußische Staat ist eine machtvolle, vorzüglich ausgebaute Festung. Durch den politischen Generalstreik kämen wir zum Kampf mit der Besatzung dieser Festung. Verluste und Schäden wären die Folge, die uns Sozialdemokraten am härtesten treffen würden. Nein, sorgen wir im Gegenteil dafür, daß wir eines Tages diese großartige Festung intakt in die Hand be41
kommen. Unser Sieg in der Zukunft ist sicher. Wir müssen nur die Geduld bewahren und den Sieg unbedingt anstreben. Wenn wir dann die preußische Festung erobert haben, werden uns alle ihre Vorzüge ungeschmälert zugute kommen." Nun zurück zum Dawes-Plan. An einer Zustimmung der USA und von England war nicht zu zweifeln. In England hatte nach den Wahlen vom Dezember 1923 der Labour-Führer Ramsay Macdonald im Bund mit den Liberalen die erste Labourregierung gebildet, in der er zugleich das Auswärtige Amt leitete. Kammerwahlen stürzen Poincare Was würde Poincare tun? Darüber entschieden die Wahlen zur Abgeordnetenkammer im Mai 1924. Poincare war gegen den Dawes-Plan und für die Fortsetzung seiner nationalistischen Politik. Das franzö,sische Volk hatte zu wählen zwischen dem Kurs von Poincare und der Rückkehr zur Entente cordiale mit England, zu der Poincare immer mehr in Gegensatz geraten war. Das Volk entschied gegen Poincare und für seinen Gegner, den Radikalsozialisten Herriot, der dem Dawes-Plan zuzustimmen geneigt war. Kammer stürzt Präsident Millerand In den Sturz Poincares, der sich loyal der Entscheidung des Volkes beugte, wurde auch der Präsident der Republik Millerand verwickelt, der zögerte, den Wahlausgang zu respektieren. Er wurde von der Kammer elegant aus dem Sattel gehoben. Es gelang ihm zwar noch, ein Kabinett zu bilden, das indessen in der Kammer sofort gestürzt wurde. Für ein zweites Kabinett fand Millerand aber keinen Ministerpräsidenten mehr. Er mußte nun selbst zurücktreten, zur Warnung für alle kommenden Präsidenten der Dritten Republik. Sein Nachfolger Doumergue trat in die Schranken zurück, die die Dritte Republik für ihre Präsidenten errichtet hatte. Reichstagswahl im Mai: Zweite Regierung Marx In Deutschland fanden am 4. Mai 1924 Reichstagswahlen statt, etwas vorverlegt durch eine Auflösung des Reichstags wegen Nichtverlängerung des Ermächtigungsgesetzes. Die Wahlen brachten gegenüber 42
denen vom Juni 1920 eine Verstärkung der Deutschnationalen, aber auch der Kommunisten und einen Rückgang der Sozialdemokraten, obwohl diese die Unabhängigen Sozialisten in sich aufgenommen hatten. Die Mehrheitsverhältnisse blieben unsicher. Eine zweite Regierung Marx wurde gebildet, wieder eine Geschäftsregierung, eine tolerierte Minderheitsregierung ohne Beteiligung der Sozialdemokraten. Wieder blieb Stresemann Außenminister. Londoner Konferenz über Dawes-Plan im August Nachdem die Reparationsgläubigerstaaten des Versailler Vertrages im wesentlichen sich auf den Da wes-Plan geeinigt hatten, luden sie Deutschland zu einer abschließenden Konferenz nach London ein. Die Deutsche Delegation war dabei Gast der englischen Regierung. Deutschland war durch Reichskanzler Marx, Außenminister Stresemann, Finanzminister Luther und Reichsbankpräsident Schacht vertreten. Das Rheinministerium (Reichsminister Höfle) bestimmte Graf Adelmann und mich als Besatzungsexperten zur Teilnahme an der Konferenz an der Seite der Herren des Außenministeriums, besonders von Ministerialdirektor Gaus, dem Leiter der Rechtsabteilung. Unsere Einreise fand am 5. August statt, weil wir den 4. August, den Jahrestag der englischen Kriegserklärung von 1914, noch vorübergehen lassen wollten. Das Hauptquartier der deutschen Delegation war im Carlton-Hotel. Eine Anzahl Experten, darunter auch wir vom Rheinministerium, wohnte im Curzon-Hotel, wo hauptsächlich der Landadel verkehrte. Als Kuriosum sei erwähnt, daß die konservativen Herrschaften vom Landadel in diesem Hotel genauso wohnen wollten wie ihre Eltern und Voreltern. Es gab deshalb in den gediegenen Zimmern kein fließendes Wasser, statt dessen aber ein sinnreiches System von Wasserkannen vor der Türe mit den von dem Gast gewünschten Temperaturen. Die ganze deutsche Delegation nahm die Hauptmahlzeiten im Carlton-Hotel ein, wo wir unter einem besonderen Polizeischutz standen. Freundliche Atmosphäre um Marx Es gab keine Zwischenfälle. Die Volksstimmung war von vorneherein freundlich. Dazu hatte stark beigetragen, daß Reichskanzler Marx in der Presse sofort als guter, alter Gentleman belobt wurde.
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Bezeichnend war auch ein Vorfall in der Eröffnungssitzung. Nach einer freundlichen Begrüßung Macdonaids hatte Reichskanzler Marx im gleichen Ton erwidert. Der deutsche Dolmetscher, ein Sprachkenner ersten Ranges, vergriff sich bei der Übersetzung etwas im Ton, der zu forsch klang. Da schob man vom englischen Auswärtigen Amt quer über den Tisch einen Zettel zu unserem Staatssekretär von Schubert des Außenministeriums, auf dem stand: "Können Sie nicht dafür sorgen, daß die freundliche Antwort des Herrn Reichskanzlers im gleichen Ton übertragen wird?". Dies bewirkte, daß der gerügte Dolmetscher aus den Gesamtsitzungen in die technischen Ausschußsitzungen verwiesen wurde und statt dessen ein junger Dolmetscher, Dr. Paul Schmidt, in den Vordergrund trat, den gerade sein psychologisches Verständnis auszeichnete. Er begann jetzt seine lange Karriere als der große Dolmetscher der großen Konferenzen. Ordonnanzen-Memorandum für Schacht und die City
Einen Sonderauftrag erhielt ich vom Reichsbankpräsidenten Schacht. Er ersuchte mich, für die Geschäftswelt der City ein Memorandum über das Ordonnanzensystem der Interalliierten Rheinlandkommission von Koblenz und seine schädlichen Wirkungen im deutschen Wirtschaftsleben zu verfassen. Schacht sagte mir später, daß das Memorandum gut gewirkt habe. Am 11. August nahmen wir an der Verfassungsfeier in der Deutschen Botschaft teil, die anregend verlief. Herriot, Stresemann, Marx
Von den grundlegenden Unterredungen, die Stresemann mit Herriot hatte und die für die künftige deutsche Außenpolitik hochbedeutsam waren, erfuhren wir die Grundzüge. Es sei mir gestattet, einen kleinen Zwischenfall zu bringen, bei dem ich, im Scherz gesprochen, für eine deutsch-französische Annäherung etwas tun durfte. Ich befand mich auf unserem Hauptgang im Carlton-Hotel, als dem Lift Herriot mit einem Begleiter entstieg. Die beiden suchten offensichtlich das Zimmer des Reichskanzlers. Der Herr des Außenministeriums, der sie zu führen hatte, war nicht zur Stelle. Ich nahm mich der Herren an und geleitete sie zu Staatssekretär Bracht, der das Vorzimmer des Reichskanzlers leitete und den Besuch sofort zum Reichskanzler
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führte. übrigens sagte mir Reichskanzler Marx später, er habe in schwierigen Lagen bei dem französischen General Nollet mehr Verständnis für Deutschland gefunden als bei dem Zivilisten Herriot. Wichtiger Brief von Marx an Herriot Gegen Ende der Konferenz bat Herriot den Reichskanzler, er möge für ihn in einem Brief die verbleibenden deutschen Wünsche und Forderungen zusammenstellen. Er - Herriot - werde bei den kommenden V erhandlungen zur Ausführung der Beschlüsse der Londoner Konferenz gerne helfend eingreifen. Der Reichskanzler und seine Beauftragten brauchten dann bloß auf den erwähnten Brief Bezug zu nehmen. Dieser Brief wurde sicher geschrieben und abgesandt. Ob er richtig ankam und aufbewahrt wurde, blieb zweifelhaft. Indessen wurde seine Existenz von niemand bestritten. Wir haben in der Folgezeit öfter bei der Interalliierten Rheinlandkommission in schwierigen Lagen auf diesen Brief Bezug genommen und mit Beschwerde an Herriot gedroht. Das hat dann immer seine Wirkung getan. Der Ständige Unterstaatssekretär des britischen Auswärtigen Amtes In besonderer Erinnerung ist mir eine Ausschußsitzung der Teilnehmer der Londoner Konferenz, die der Ständige (Permanent) Unterstaatssekretär des Auswärtigen Amtes, Sir Eyre Crowe, souverän leitete. Es ging um die Behandlung der Separatisten bei der Liquidation des Ruhrkampfes. Das Auftreten von Sir Eyre Crowe lenkte die Aufmerksamkeit auf die eigenartige Stellung des Ständigen Unterstaatssekretärs. Er ist der oberste Berufsbeamte des Auswärtigen Amtes. Zu dieser Stellung werden nur anerkannte Persönlichkeiten berufen. Infolge der längeren Dauer ihrer Amtstätigkeit haben die Ständigen Unterstaatssekretäre nicht selten mehreren Regierungen von verschiedener außenpolitischer Richtung als oberste Fachberater zu dienen. Sie vereinigen in sich Autorität und Tradition. Ihr Wirken war öfter von geschichtlicher Bedeutung. Das englische Volk und der König Ein eindrucksvolles Erlebnis hatte ich im Laufe der Konferenz, als ich vormittags an einem Bahnhof vorbeikam, dessen Vorplatz von zahlreichen, zum Teil auf Feldstühlen sitzenden Londonern und Feriengästen 45
besetzt war. Auf meine Frage nach dem Anlaß sagte mir ein Polizist, der König - Georg V. - sei auf einige Stunden von seinem Landsitz nach London gekommen und werde bald wieder abreisen. Die Leute, die man sehe, hätten zum Teil den König schon begrüßt und wollten ihn bei der Abreise nochmals sehen. Der König sei ja der Vater der Familie, meinte der Polizist. Abschluß der August-Konferenz
Die Konferenz, die sehr gut vorbereitet war, endete am 16. August mit der Annahme des Dawes-Planes, der paraphiert wurde. Die Unterzeichnung in London wurde für den 30. August vorgesehen. Bis zu diesem Zeitpunkt mußte die Billigung des Vertragswerkes durch die Parlamente durchgeführt sein. Freundlicher Abschied von England
Bei der Rückreise nach Berlin am 17. August fuhren wir über Folkestone - Vlissingen. In Polkestone bestiegen wir unser Sonderschiff. Es war ein Sonntag. Es wimmelte von Feriengästen. Wir sahen vom Schiff vergnügt dem fröhlichen Treiben zu. Als das Schiff sich in Bewegung setzte, erhielten wir einen Gruß der Engländer. Sie nahmen die Kopfbedeckung ab. Wir erwiderten lebhaft, um den Reichskanzler geschart. Es war ein freundlicher Abschied. Wir hatten Sympathien gewonnen. Deutschnationale retten den Dawes-Plan
Nun galt es, die Zustimmung des Reichstags zu schaffen. Entscheidend war die Abstimmung am 29. August über das Reichsbahngesetz, das, wie schon gesagt, wegen seines verfassungsändernden Charakters eine Zweidrittelmehrheit benötigte. Stresemann hatte die Deutschnationalen nicht im unklaren darüber gelassen, was geschehen würde, wenn sie das Gesetz durch geschlossene Opposition zu Fall brächten. Der Reichstag würde dann aufgelöst und das Volk aufgerufen, in den Wahlen die Entscheidung über den Dawes-Plan zu fällen. Im übrigen war der Dawes-Plan der einzige Ausweg aus einer verzweifelten Lage, ein sicherer Weg zu einer besseren Zukunft. Trotzdem betrieben die Deutschnationalen im Reichstag unentwegt die schärfste Opposition. Ihre Redner sprachen ausschließlich gegen den Plan.
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Erinnerlich ist mir eine Szene von jenem 29. August, die die Kampftaktik Stresemanns im hellsten Lichte zeigte. Im Plenum des Reichstags tobte die Redeschlacht der dritten Lesung, die mit der namentlichen Abstimmung über das Reichsbahngesetz schließen mußte. Ich hatte im Reichstag dem Reichsarbeitsminister Brauns, der vorübergehend das Rheinministerium leitete, etwas zu bestellen und traf ihn im Wandelgang hinter der Präsidententribühne des Plenarsaals im Gespräch mit Stresemann. Nach Erledigung meines Auftrags blieb ich bei den Ministern. Wiederholt kamen nun aus dem Plenarsaal aufgeregte Parteifreunde Stresemanns, die ihn dringend baten, doch noch einmal den Deutschnationalen zuzureden, da diese keine Vernunft annähmen. Stresemann lehnte ab. Er sagte, die Deutschnationalen wüßten genau, was für sie auf dem Spiel stehe, wenn sie das Gesetz zum Scheitern brächten. "Sie werden kuschen", sagte er, und so kam es auch. DieDeutschnationalen stellten bei der Abstimmung aus ihren Reihen so viele Ja-Sager, daß die Zweidrittelmehrheit gut erreicht wurde. Der Reichstag war verblüffi. Die Kommunisten zeterten. Aber die Einsicht der Deutschnationalen schuf eine Atmosphäre der Entspannung für einige Zeit. Am nächsten Tage, dem 30. August, wurde das Vertragswerk in London unterzeichnet und damit in Kraft gesetzt. Jetzt galt es, die Abmachungen der Londoner Konferenz in die Tat umzusetzen, vor allem den Ruhreinbruch mit seinen verheerenden Wirkungen möglichst gründlich zu liquidieren. Die Räumung des Ruhrgebiets begann alsbald, zog sich aber bis zum August 1925 hin. Ausführungskonferenz in Koblenz
Für das altbesetzte Gebiet hatte das Rheinministerium in Koblenz eine Ausführungskonferenz zu organisieren, die in Zusammenarbeit mit der Interalliierten Rheinlandkommission drei Hauptaufgaben zu erledigen hatte: 1. Reform des Ordonnanzensystems der Interalliierten Rheinlandkommission zur Wiederherstellung der vor dem Ruhreinbruch vorhanden gewesenen Ordnung, 2. Rückführung der Tausende von Ausgewiesenen (Beamten, anderen
öffentlichen Bediensteten, insbesondere Eisenbahnern, und Privatpersonen),
3. Abbau der französischen Pfänderverwaltung, besonders in den staatlichen Forsten.
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Mitbeteiligt waren fast alle Reimsressorts und viele Ressorts der fünf an der Besetzung beteiligten Länder, besonders von Preußen, Bayern und Hessen. Landeshauptmann H orion
Zum Verhandlungsleiter der Deutsmen Delegation wurde der Landeshauptmann Horion der Rheinprovinz aus Düsseldorf bestellt, dem ich als Generalsekretär der Delegation beigegeben wurde. Horion verband eine große Verwaltungserfahrung mit einem ausnehmend verbindlichen Wesen. Bei der Wahrung der deutschen Belange zeigte er eine erfolgreiche Festigkeit. Sein Gegenspieler war Präsident Tirard der Interalliierten Rheinlandkommission. Temnisch war die Deutsme Delegation gut ausgerüstet. So hatten wir durch Vermittlung des Auswärtigen Amts einen eigenen geheimen Fernschreiber für die Verbindung zwischen Koblenz und Berlin. Reform des Ordonnanzensystems
Die Reform des Ordonnanzensystems nahm auf der deutschen Seite das Rheinministerium in die Hand. Innerhalb des Rheinministeriums gehörte die Angelegenheit zu meinem politischen Referat. Das Rheinministerium sicherte in versmiedenenBespremungen mit den beteiligten Reimsund Länderressorts einen einheitlichen deutschen Standpunkt. Die Interalliierte Rheinlandkommission zeigte Verständnis für die durm den Dawes-Plan gesmaffene neue Lage. Die Verhandlungen gingen daher befriedigend voran. Rückführung der Ausgewiesenen
Die Rückführung der Tausende von Ausgewiesenen ging anfangs nur smleppend vor sich. Die deutschen Personalreferenten wurden mit den zuständigen Stellen der Rheinlandkommission bekanntgemacht und bei ihren Anträgen unterstützt. Auf beiden Seiten arbeitete man mit Listen der in Betramt kommenden Personen. Als wir nimt remt vorwärts kamen, drohten wir wiederholt mit Beschwerde an Herriotauf Grund des oben (S. 45) genannten Briefes des Reimskanzlers Marx. Es kam dann mehr Schwung in die Sache. Nam einigen Women waren die Ausweisungen zurückgenommen. Ein paar Einzelfälle blieben übrig, die sim nimt beilegen ließen. 48
Abbau der französischen Pfänderverwaltung
Der Abbau der französischen Pfänderverwaltung gestaltete sich schwierig. Die Franzosen hatten mit deutschen Holzfirmen Verträge über einen massiven Holzeinschlag geschlossen, die rücksichtslos in den deutschen Besitzstand eingegriffen hatten. Dem Verhandlungsgeschick des Landeshauptmanns Horion gelang auch hier eine tragbare Kompromißlösung. Im November hatte auch eine Überschwemmung des Rheins bei Koblenz zur Beschleunigung der Verhandlungen beigetragen, die dann im Dezember abgeschlossen werden konnten. Freilich die Riesenschäden, die der Ruhreinbruch der deutschen Wirtschaft zugefügt hatte, waren nicht rasch zu beseitigen. Die gesetzliche Schadensersatzregelung und die administrative Erledigung der sogenannten Härtefälle haben das Rheinministerium und andere Reichsressorts noch lange Jahre in Anspruch genommen. Reichstagswahl im Dezember Deutschnationale drängen zur Regierung
Im Dezember 1924 wurde der Reichstag, um stabile innen- und außenpolitische Verhältnisse sicherzustellen, erneut aufgelöst. Die Wahlen am 7. Dezember brachten gegenüber denjenigen vom 4. Mai 1924 gewisse Veränderungen. Auf der Linken gewannen die Sozialdemokraten und verloren die Kommunisten. Die Deutschnationalen blieben stark. Sie drängten nun, nachdem sie dem Dawes-Plan zur Annahme verholfen hatten, zur Teilnahme an der Regierung. Die Regierung Marx, die in London so erfolgreich abgeschnitten hatte, trat nach den Dezemberwahlen zurück, wurde aber erst im Januar 1925 durch eine Regierung Luther ersetzt, die durch Einbeziehung der Deutschnationalen eine Mehrheitsregierung war. Beleidigungsprozeß des Reichspräsidenten im Dezember Ungerechtes Urteil in Magdeburg
Das Reich hatte sich im Jahre 1924 konsolidiert. Aber die innenpolitischen Gegensätze wiesen noch schlimme Züge auf. Ein besonders häßlicher Fall entwickelte sich aus dem bekannten Beleidigungsprozeß des Reichspräsidenten Ebert im Dezember, der ihm von rechtsoppositionellen Hetzern aufgezwungen wurde. Ein Schriftsteller dieser Richtung hatte den Reichspräsidenten im Zusammenhange mit dem Munitionsarbeiterstreik vom Januar 1918 als Landesverräter angegriffen. Eine Strafkammer des t Eugen Mayer
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Landgerichts Magdeburg kam zu dem Urteil, der Tatbestand des Landesverrats liege in dem Eintritt Eberts in die Leitung des genannten Streikes vor. Die rechtsradikale Opposition fand in diesem Urteil Ansatzpunkte für eine Hetze gegen den Reichspräsidenten. In Wirklichkeit war Ebert damals ausschließlich zu dem auch tatsächlich erreichten Zwecke in die Streikleitung eingetreten, um den Streik im vaterländisen Interesse möglichst rasch abzuwürgen. Sein Verhalten entsprang also einzig seinem Streben, die Kriegführung zu unterstützen. Der Reichspräsident klagt Freund Profit sein Leid
Mein Kollege Profit vom Rheinministerium, der um die Jahreswende den mit ihm befreundeten Reichspräsidenten aufsuchte, berichtete mir, er habe diesen in tiefster Niedergeschlagenheit angetroffen. Ebert habe sich bitter über die schnöde Ungerechtigkeit des Magdeburger Urteils beklagt. Selbstverständlich, sagte er, werde er sich keinesfalls zur Präsidentschaftswahl stellen, die Mitte 1925 fällig wurde. "Das Urteil von Magdeburg", sagte er weiter, "ist ein Nagel zu meinem Sarg". Der Reichspräsident fühlte sich unter der Wirkung des erlittenen Unrechts seelisch und leiblich gebrochen. Er hatte, wie Profit sagte, keinen rechten Lebenswillen mehr. Existenzkampf des Reiches .beendet
Wenn wir von diesem traurigen Einzelfall absehen, können wir feststellen, daß Deutschland im Jahre 1924 große Fortschritte gemacht hatte. Es hatte insbesondere durch den Dawes-Plan die feierliche Anerkennung seiner wirtschaftlichen und politischen Einheit erreicht. Damit war der "Existenzkampf des Reiches", dem der erste Abschnitt dieser Erinnerungen gilt, abgeschlossen. Wir können uns nun den "Ruhigeren Jahren" zuwenden, denen der zweite Abschnitt gewidmet ist.
Zweiter Abschnitt
Ruhigere Jahre: 1925-1928 1925 Kölner Zone nicht geräumt
Das Jahr begann mit einer Enttäuschung: Die nach den Bestimmungen des Versailler Friedensvertrages am 10. Januar fällige Räumung der ersten Besatzungszone (Kölner Zone) unterblieb, angeblich weil Deutschland seine Abrüstungsverpflichtungen noch nicht erfüllt habe. Erste Regierung Luther (mit Deutschnationalen)
Im Januar kam die erste Regierung Luther zustande, wie schon erwähnt, eine Mehrheitsregierung mit Einbeziehung der Deutschnationalen. Das Rheinministerium wurde dem Reichsjustizminister Frenken (Zentrum) nebenamtlich anvertraut. Das Jahr 1925 kennzeichnen im übrigen zwei große Bereiche: der Wechsel im Amt des Reichspräsidenten und jene deutsch-französisch-englischen Sicherheitsverhandlungen, die im Oktober zum Locarno-Pakt führten. Tod Friedrich Eberts
Am 28. Februar 1925 starb der erste Reichspräsident Friedrich Ebert. Reichspräsident Ebert hatte sich um das Vaterland verdient gemacht. Faßt man seine Verdienste zusammen, so sind zu nennen: Rettung der Demokratie, der Versuch der Rettung der Monarchie und eine vorbildliche Führung des obersten Reichsamtes durch sechs schwere Jahre. Es steht fest, daß Ebert durch seine Haltung als Vorsitzender des Rates der Volksbeauftragten im November und Dezember 1918 entscheidend dazu beigetragen hat, daß Deutschland von dem sowjetischen Rätesystem verschont blieb und der demokratischen Regierungsform durch eine Verfassunggebende Nationalversammlung zugeführt wurde. Gleichzeitig hat 4*
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Ebert durch seinen Pakt mit General Groener die Rückführung des Heeres und die Aufrechterhaltung der Ordnung im Reiche sichern helfen. Eberts Versuch der Rettung der Monarchie bedarf der gebührenden Würdigung. Zuvörderst ist zu sagen, daß der Sturz der Monarchie im November 1918 ein nationales Unglück war. Es war vorauszusehen, daß das in tausendjähriger Geschichte an die Monarchie gewöhnte deutsche Volk sich nur unter den größten Schwierigkeiten in die republikanische Staatsform finden würde. Nach außen bot der Sturz der Monarchie unseren Feinden, besonders in der Kriegsschuldfrage, erwünschte Argumente. Sicher ist, daß ohne die Forderungen der Siegermächte, die in den Vorverhandlungen zum Waffenstillstand zum Ausdruck kamen, an den Sturz der Monarchie nicht zu denken gewesen wäre. Diese nicht klar formulierten Forderungen gingen nicht ausdrücklich auf die Abschaffung der Monarchie überhaupt oder auf die Entthronung der Hohenzollern. Im Kern aber bezweckten sie jedenfalls den Rücktritt des Kaisers und auch des Deutschen Kronprinzen. Um diesen Rücktritt handelte es sich in den ersten zehn Novembertagen 1918. Wir besitzen bezüglich der Haltung Eberts in der Kaiserfrage die Aussage des Generals Groener im Münchener Dolchstoß-Prozeß Oktober/ November 1925 (Buchausgabe mit dem Titel "Eine Ehrenrettung des deutschen Volkes", Verlag G. Birk & Co., München 1925, S. 217). Groener hatte hiernach als Generalquartiermeister am Mittwoch, den 6. November 1918, durch Vermittlung der Reichskanzlei eine Gelegenheit, im Hause der Reichskanzlei mit den Führern der Mehrheits-Sozialdemokraten und den Vertretern der Generalkommission der Gewerkschaften über die Kaiserfrage zu sprechen. Groener sagt, daß am Schluß der Besprechung der spätere Reichspräsident Ebert den folgenden Vorschlag machte: Die Abdankung des Kaisers sei unumgänglich notwendig, wenn man den Übergang der Massen in das revolutionäre Lager und damit die Revolution selbst verhindern wolle. Er schlage daher vor, daß der Kaiser noch heute (6. November), spätestens aber morgen freiwillig seine Abdankung erkläre und einen seiner Söhne, vielleicht Eitel Fritz oder Oskar, mit der Regentschaft betraue, der Kronprinz selbst sei im jetzigen Augenblick unmöglidt. Groener sagte ansdtließend aus, er habe leider den Vorsdtlag Eberts ablehnen müssen, weil er von Hindenburg den Auftrag hatte, den Kaiser zu sdtützen, und weil ihm mitgeteilt worden sei, daß sämtliche Söhne des Kaisers sich mit ihrem Vater solidarisdt erklärt hätten, wonadt jeder von ihnen eine etwa angetragene Regentschaft ablehne. Ebert habe sein 52
schmerzlichstes Bedauern über dieAblehnungseines Vorschlags ausgedrückt. Dem Kaiser war der Vorschlag Eberts der Sache nach seit Tagen bekannt. Eberts grundsätzlicher Standpunkt in der Monanhiefrage war unzweifelhaft. Er hatte erklärt, daß nach der Einführung des parlamentarischen Regierungssystems die Sozialdemokratie kein Interesse an der Republik habe; diese bedeute vielmehr einen Sprung ins Dunkle mit vielen Gefahren. Man war deshalb auch bedacht, im Rahmen des Möglichen die Legalität zu wahren. Nach dem Rücktritt des Kaisers und des Kronprinzen sollte der älteste Sohn des Kronprinzen, der damals 12jährige Prinz Wilhelm, als Wilhelm III. zum Deutschen Kaiser und König von Preußen ausgerufen werden. Für die Regentschaft, die bis zur Volljährigkeit des neuen Kaisers notwendig war, kam auch Prinz Max von Baden, der damalige Reichskanzler, in Betracht. Der Vorschlag Eberts wäre, da dieser im Einverständnis mit der Reichstagsmehrheit handelte, in kurzer Frist in den gesetzlichen Formen zu verwirklichen gewesen. Es war ein historischer Augenblick. Nur eines fehlte noch: die Zustimmung des Kaisers. Der Kaiser hatte sich zu Anfang November gegen den Rat des Reichskanzlers in das Hauptquartier nach Spa begeben. Er hatte sich dadurch einer ordnungsmäßigen Erledigung der Thronfrage versagt. Welche Motive ihn bei der Abreise nach Spa geleitet haben, ist vielfach erörtert, aber nicht abschließend geklärt worden. Diese Handlungsweise des Kaisers war nicht im Einklang mit dem von ihm durch die Einsetzung der Regierung des Prinzen Max von Baden freiwillig übernommenen parlamentarischen Regierungssystem. Dabei war nicht wesentlich, daß das Reichsgesetz vom 28. Oktober 1918 (Reichsgesetzblatt S.127 4), das insbesondere durch die Änderung des Art. 15 der Reichsverfassung das parlamentarische Regierungssystem festlegte, formell nach Art. 2 der Verfassung erst am 11. November 1918 in Kraft getreten wäre, zu einem Zeitpunkt, in dem das Kaisertum nicht mehr bestand. Bei dieser Abreise des Kaisers nach Spa blieb auch die Erfahrung unbeachtet, die die russische Revolution von 1917 ergeben hatte: die Revolution wird nicht beim Heere gemacht, sondern in der politischen Hauptstadt. Die Abwesenheit des Kaisers von Berlin erschwerte überdies die Verhandlungen über die Rücktrittsfrage aufs äußerste. Sie war schließlich ausschlaggebend für den Sturz der Monarchie. Dies bezeugt auch unter anderen Dr. Solf, der als Staatssekretär des Auswärtigen Amts dem Kabinett des Prinzen Max angehörte, in einem Brief an Otto Harnmann 53
vom 23. Januar 1919 (abgedruckt in dem Buch Harnmanns "Bilder aus der letzten Kaiserzeit", Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1922, S. 135). Solf schrieb dort u. a.: "Das Schicksal unsres Kaisertums ist nicht durch die Reise des Kaisers nach Holland besiegelt worden, sondern durch seine Flucht aus Berlin, aus der Verbindung mit seinen zuständigen zivilen Beratern, durch die Flucht an die militärische Front, ins Hauptquartier." Als die Abdankung des Kaisers am Vormittag des 9. Novembers von Spa aus dem Reichskanzler mitgeteilt wurde, war ihr der Vorbehalt beigefügt, der Kaiser wolle König von Preußen bleiben. Dieser Vorbehalt mußte nach der Reichsverfassung, die kein separates preußisches Königtum kannte, als rechtsunwirksam betrachtet werden. Die Abdankung des Kaisers wurde in Berlin bekanntgegeben. Prinz Max von Baden übergab seine Befugnisse als Reichskanzler an Friedrich Ebert. Scheidemann rief daraufhin vom Reichstag aus die Republik aus, um den Unabhängigen Sozialisten und vor allem den Kommunisten zuvorzukommen, hinter denen seit Tagen bolschewistische Umstürzler drängten. Diese Vorgänge in Berlin waren für den Kaiser der äußere Anlaß, am 10. November in Holland um politisches Asyl nachzusuchen. Dieses wurde ihm gewährt. Nach Lage der Dinge aber wurde dadurch der Sturz der deutschen Monarchie erst recht unwiderruflich. Eberts Versuch der Rettung der Monarchie war endgültig gescheitert. Vor der Würdigung der Amtsführung des Reichspräsidenten Ebert seien dem politischen Aufstieg dieser außerordentlichen Persönlichkeit einige Worte gewidmet. Friedrich Ebert wurde am 4. Februar des Reichsgründungsjahres 1871 in Heidelberg, der traditionsreichen alten kurpfälzischen Hauptstadt, geboren. Der demokratische Geist des badischen Musterländels, der ihn in Heidelberg umfing und in dem er seine Schulbildung erhielt, hat ihm fürs Leben das Gepräge gegeben. Für ihn, den Süddeutschen, war es nicht leicht, in der von Norddeutschen beherrschten und in der Hauptsache aus norddeutschen Verhältnissen erwachsenen Sozialdemokratischen Partei hochzukommen. Seine gediegene Parteiarbeit in Bremen (in der Presse und der Arbeiterfürsorge) machte ihn bald bekannt. Schon 1905 wurde er Vorstandsmitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. In den Reichstag 1912 gewählt, erlangte er rasch eine führende Stellung. Im Jahr 1918 wurde er erster Vorsitzender der Partei und Vorsitzender des maßgebenden Hauptausschusses des Reichstags. Als Mitglied der Verfassunggebenden 54
Nationalversammlung, dem ihre frühe Einberufung hauptsächlich zu danken war, wurde er von dieser am 11.Februar 1919 zum Vorläufigen Reichspräsidenten gewählt und später durch verfassungsänderndes Gesetz von 1922 als verfassungsmäßiger Reichspräsident mit einer Amtszeit bis zum 30. Juni 1925 bestätigt. In sechsjähriger Amtsführung gab er dem höchstenAmte der Weimarer Republik Rahmen und Gehalt. Pflichttreue und Liebe zum Volke beseelten ihn. Seine großen Fähigkeiten, die er mit unermüdlichem Eifer in den Dienst des Vaterlandes stellte, verschaffien ihm die Achtung und Anerkennung vieler bedeutender Persönlichkeiten, die ihm näherkamen. Beispielsweise sei erwähnt, daß das Erinnerungsbuch des langjährigen Reichswehrministers Otto Geßler von Ebert mit besonderer Hochachtung sprach. Auch Stresemann hat nach dem Tode Eberts beklagt, daß er seinen Rat nun nicht mehr habe. Die Beratungen der Reichsregierung leitete er in schwierigen Fällen persönlich und dann immer mit durchschlagender Autorität. Ebert war von Natur bescheiden und zurückhaltend. Er machte nichts aus sich. Seiner zeitgenössischen Würdigung war dies nicht zuträglich. In der Inschrift seines Grabmals auf dem Bergfriedhof in Beideiberg hat Ebert "des Volkes Wohl" als sein Lebensziel erklärt. Er war ein treuer Eckart des deutschen Volkes. Dem Vaterland opferte er im 1. Weltkrieg zwei Söhne. Es ist beschämend, daß gewisse Rechtskreise der Opposition über Ebert und seine Gattin einfältige Witze kolportierten, die auf die Einfachheit ihrer Herkunft anspielten. Kein geringerer als Nuntius Pacelli in Berlin, der spätere Papst Pius XII., der die Gattin des Reichspräsidenten in Schutz nahm, bemerkte, er habe in seiner langen diplomatischen Laufbahn die Gattinnen vieler Würdenträger kennengelernt, die einem großen Hauswesen vorstehen mußten. Die Gattin des Reichspräsidenten Ebert habe hinter keiner dieser Damen zurückgestanden und sei ihren gesellschaftlichen Pflichten musterhaft gerecht geworden. Paul von Hindenburg Reichspräsident Bei der ersten direkten Volkswahl zum Amte des Reichspräsidenten ging Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg am 26. April 1925 aus dem zweiten Wahlgang als Sieger hervor. Er hatte als Kandidat der Rechten (bis zur Deutschen Volkspartei einschließlich) den Kandidaten des Zentrums, der Sozialdemokraten und der Demokraten, Reichskanzler 55
a. D. Wilhelm Marx, mit rund 14 gegen 13 Millionen Stimmen geschlagen. Der unterlegene Kandidat nahm eine lobenswerte Tradition der USA auf, indem er den Sieger beglückwünschte. Hindenburg, der in Hannover .wohnte, zog am 11. Mai in Berlin ein. Er war persönlich konservativ und monarchisch gesinnt, aber gemäß seinem Amtseide schon aus religiöser Erwägung grundsätzlich verfassungstreu eingestellt. Er kannte die Weimarer Verfassung (s. Anekdote S. 76 im Jahresabschnitt 1927 dieses Erinnerungsbuches). Er behielt den Staatssekretär Meißner seines Amtsvorgängers bei. Persönlich evangelisch-religiös, war er konfessionell tolerant. Katholische Stimmen, besonders aus Bayern, hatten zu seiner Wahl beigetragen. Als Feldherr eines Heeres, in dem die Soldaten beider christlichen Bekenntnisse mit gleicher Hingabe das Vaterland verteidigten, konnte er nicht anders als tolerant empfinden. Ein Nachteil war es von vorneherein, daß Hindenburg nur wenige persönliche Beziehungen zu nichtkonservativen Kreisen hatte. Diese Einseitigkeit seines Umgangs und seiner Zeitungslektüre konnte in schwierigen Zeiten das "Haus" des Reichspräsidenten zum Ansatzpunkt rechtsstehender Sondergruppen geeignet machen. Das Berufsbeamtenturn schätzte Hindenburg sehr. So hatte er bald nach seinem Amtsantritt in Berlin einen Sonderempfang für die Ministerialräte des Reichs und Preußens veranstaltet, bei dem er uns herzlich begrüßte. In dem idyllischen Pfarrdorf Dietramszell südlich von München besaß Hindenburg einen persönlichen Freund katholischen Bekenntnisses, Gutsbesitzer Hubert von Schilcher, den er vor und nach seiner Wahl zum Reichspräsidenten öfter besuchte. In jüngeren Jahren oblag er dort auch der Jagd in den schönen Waldungen der Umgebung. Als Reichspräsident verbrachte Hindenburg mehrfach seinen Erholungsurlaub in Dietramszell. Er war dort allgemein geschätzt. Noch heute erzählen die älteren Einwohner achtungsvoll von Hindenburg, der im Schloß seines Freundes immer die gleichen Eckzimmer bewohnte.
Sicherheitsverhandlungen mit Frankreich und England Die deutsch-französisch-englischen Sicherheitsverhandlungen, die auf Initiative Stresemanns schon im Februar 1925 begannen, führten über zahlreiche schwierige Etappen hinweg zur Konferenz von Locarno (Tessin), die vom 5.-16. Oktober 1925 tagte und den Locarno-Pakt vom 16. Oktober zustande brachte. 56
Ursprünglicher engl.-amerikan. Garantievertrag für Frankreich 1919 Wie kam es zu diesen Sicherheitsverhandlungen? Wir müssen hier zeitlich etwas zurückgreifen. Als Frankreich 1919 mit seinen Kriegspartnern über die Deutschland aufzuerlegenden Friedensbedingungen verhandelte, war es sein mit größter Schärfe vorgetragenes Hauptziel, die Westgrenze Deutschlands am Rhein festzulegen und das linksrheinische Deutschland von Frankreich abhängig zu machen. Diese Forderung scheiterte am Widerspruch Wilsons und der Engländer, der auf das Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes gegründet wurde. Schließlich kam zwischen den dreien ein Kamprarniß in der Weise zustande, daß Frankreich außer dem Rückerwerb von Elsaß-Lothringen ein befristetes Besetzungsrecht am Rhein und für das Saargebiet ein ebenfalls befristetes Völkerbundsregime erlangte, andrerseits aber eine unbefristete, also dauernd gültige Entmilitarisierung des linksrheinischen Deutschlands und einer 50 km breiten Zone auf dem rechten Rheinufer, von Baden im Süden bis zur holländischen Grenze im Norden, erreichte. Diese "entmilitarisierte Zone" sollte dauernd von allen militärischen Einrichtungen, Aushebungen, Garnisonen, Befestigungen usw. frei bleiben und dadurch Frankreich einen Ausgleich gegenüber dem volkreicheren Deutschland bieten, zugleich aber auch einen Schutz gegen überraschungsangriffe Deutschlands in späterer Zeit. Die entscheidende Konzession Englands und der USA, die allein Frankreich zu dem erwähnten Kamprarniß bewog, war, daß England und USA gegenüber Frankreich am Tage der Unterzeichnung des Versailler Friedensvertrages, am 28. Juni 1919, durch einen Sondervertrag eine gemeinsame Garantie für die Beachtung der neuen Westgrenze und der entmilitarisierten Zone durch Deutschland übernahmen, so daß Deutschland z. B. bei Verletzung der entmilitarisierten Zone zugleich mit England und den USA in Konflikt käme.
Wegfall des ursprünglichen Garantievertrages Dieser Garantievertrag wurde für die USA hinfällig, als bei den Wahlen des Jahres 1920 die Republikaner siegten, die den Versailler Friedensvertrag samt jenem genannten Garantievertrag vom gleichen Tage ablehnten und mit Deutschland am 25. August 1921 einen separaten Friedensvertrag schlossen. Aber auch die englische Garantieverpflichtung erlosch gleichzeitig, weil sie nur gemeinsam mit den USA auf der Grundlage des Versailler Friedensvertrages eingegangen war. Nun fühlte sich 57
Frankreich eines wesentlichen Stücks seines Sicherheitssystems beraubt. Die aggressive Politik von Poincare von 1922-1924 war, vom französischen Standpunkt aus betrachtet, in gewissem Sinne auf einen Ersatz für die verlorene Garantie. Englands und der USA gerichtet. Diese gewalttätige Politik Poincares fand ihr Ende durch die Annahme des Dawes-Planes auch durch Frankreich, das nunmehr die wirtschaftliche und politische Einheit Deutschlands anerkannte. Es ist psychologisch verständlich, daß nun für Frankreich die Sicherheitsfrage im Sinne eines Ersatzes des gescheiterten Garantievertrags erneut hervortrat. Stresemanns Initiative für neuen Garantievertrag 1925
Stresemann, der seine Außenpolitik auf einer umfassenden Verständigung mit Frankreich aufbauen wollte, ergriff, wie schon gesagt, im Februar 1925 die Initiative zu Sicherheitsverhandlungen im Sinne der genannten französischen Bestrebungen, was in monatelangen schwierigen Auseinandersetzungen dazu führte, einen neuen Garantievertrag für die deutsche Westgrenze und die entmilitarisierte Zone zu schaffen. Dieser neue Garantievertrag war der Locarno-Pakt. Locarno-Pakt Gemeinschaftswerk von Stresemann und Lord d' Abernon
Dieser mit vielen Mühen erarbeitete Vertrag war das gemeinsame Werk von Stresemann und des britischen Berliner Botschafters Lord d' Abernon. Man sprach geradezu von einer gemeinsamen Vaterschaft der beiden an dem Locarno-Pakt. Dieser Pakt war so konstruiert, daß Frankreich und Belgien einerseits, Deutschland andrerseits die beiderseitigen Grenzen nach dem Versailler Friedensvertrag, Deutschland auch die entmilitarisierte Zone als unverletzlich anerkannten, und daß anschließend Großbritannien und das für diese Sache gewonnene faschistische Italien Mussolinis als Garanten dieser Verpflichtungen gegenüber Frankreich, Belgien und Deutschland auftraten. Daneben war in den dem Pakt beigegebenen Schiedsgerichtsordnungen zwischen Frankreich, Belgien und Deutschland festgelegt, .daß Rechtsstreitigkeiten dem Ständigen Internationalen Gerichtshof des Völkerbundes im Haag, Interessenkonflikte dagegen paritätisch besetzten Ausgleichskommissionen (Commissions de conciliation) zu unterbreiten seien, Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten aller Art also auf friedlichem Wege aus der Welt geschaffi: werden sollten.
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Kein Ost-Locarno Ein von Frankreich heftig begehrtes Ost-Locarno zur feierlichen Anerkennung der deutschen Grenzen gegenüber Polen und der Tschechoslowakei lehnte Stresemann unbedingt ab, da er sich die friedliche Revision der deutschen Grenzen mit Polen und der Tschechoslowakei in keiner Weise verbauen lassen wollte. Deutschland gab aber sein Einverständnis zu Schiedsgerichtsordnungen zwischen Deutschland und Polen sowie zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei, die in genau gleicher Weise für Beilegung von Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten Sorge trugen wie jene westlichen Schiedsgerichtsordnungen. Locarno-Pakt mitVölkerbundgekoppelt Frankreich war dafür eingetreten, daß das Vertragswerk von Locarno erst mit der Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund wirksam werden solle. Stresemann stimmte zu. Die Verbindung des Locarno-Pakts mit dem der allgemeinen Friedenssicherung dienenden Völkerbund war ein Kernstück der neuen Regelung. Locarno-Konferenz im Oktober Bei der Konferenz von Locarno waren bekanntlich vertreten: Deutschland durch Reichskanzler Luther und Stresemann, Frankreich durch Briand, Belgien durch Vandervelde, Großbritannien durch Austen Chamberlain und Italien durch Mussolini. Ihr Werk war der Locarno-Pakt vom 16. Oktober 1925. Die Zustimmung des Reichstags erfolgte nach stürmischen Debatten am 27. November. Am 1. Dezember wurde das Vertragswerk von Locarno in London feierlich unterzeichnet. Deutschnationale lehnen Locarno-Pakt und Völkerbund ab Die Annäherung der Deutschnationalen an die Außenpolitik Stresemanns, die bei der Annahme des Dawes-Plans unter denkwürdigen Auseinandersetzungen erreicht worden war, ging jetzt schon wieder verloren, weil die Deutschnationalen den Locarno-Pakt und den damit verbundenen Beitritt Deutschlands zum Völkerbund scharf ablehnten und außenpolitisch wieder in Opposition traten. Die deutschnationalen Minister ver59
ließen im Oktober die erste Regierung Luther, die im Januar 1926 ohne die Deutschnationalen umgebildet wurde. Auch der dem Zentrum angehörige Reichsjustizminister Frenken, der das Rheinministerium nebenamtlich leitete, schloß sich dem deutschnationalenAuszugaus dem Kabinett an. Dies war aber nur eine persönliche Geste. Das Zentrum stellte sich geschlossen hinter die Außenpolitik Stresemanns. Für die weitere Entwick.lung der deutschen Außenpolitik war die Trennung der Deutschnationalen von Stresemann folgenschwer. Die Möglichkeiten einer intensiven Völkerbundspolitik, der sich Stresemann nunmehr zuwandte, wurden teilweise dadurch behindert, daß die Politik Stresemanns nicht mehr den vollen Rückhalt im deutschen Volke hatte, der für die Wirkung nach außen so wichtig war. Die Gründe für die oppositionelle Haltung der Deutschnationalen gegenüber Locarno und dem Völkerbund waren tiefliegender Natur. Als Hauptgrund wurde zwar angegeben, ·daß man sich dem freiwilligen Verzicht auf deutsches Land (Elsaß-Lothringen und Eupen-Malmedy) widersetzen wolle. Doch scheint mehr maßgebend gewesen zu sein, daß der Beitritt zum Völkerbund und die Anerkennung der entmilitarisierten Zone einer künftigen massiven Aufrüstung, die die Deutschnationalen grundsätzlich erstrebten, eine mächtige Barriere entgegenstellten.
Zentrale Bedeutung des Locarno-Paktes "Rückwirkungen" Für Stresemann, ebenso für Frankreich wurde nun der Locarno-Pakt mit seiner zentralen Bedeutung für die französische Sicherheit die unverrückbare Basis der außenpolitischen Operationen, für Stresemann auch insbesonders die unentbehrliche Voraussetzung irgendwelcher außenpolitischer Verbesserungen. Im Anschluß an die Verhandlungen von Locarno wurde noch im November festgelegt, daß eine ganze Reihe sogenannter "Rückwirkungen" auf das deutsch-französische Verhältnis in den besetzten Gebieten eintreten solle. Die bedeutendste war, daß wieder ein Reichskommissar für die besetzten Gebiete bei der Interalliierten Rheinlandkommission beglaubigt werden solle. Dazu wurde 1926 der bisherige Botschafter in Spanien, Freiherr Langwerth von Simmern, bestellt. Neben den großen Bereichen (Wechsel im Amt des Reichspräsidenten und Locarno-Pakt) sind für das Jahr 1925 noch zwei geringere Angelegenheiten zu erwähnen, an denen das Rheinministerium beteiligt war: das Jagd- und Fischereiabkommen und d~e Tausendjahrfeier des Rheinlands.
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Jagd- und Fischereiabkommen für die Besatzung
Es gehört zu den Vorzügen des Da wes-Planes, daß die deutschen Jahresleistungen auf Grund des Planes auch die Besatzungskosten in sich schlossen, daß also eine an der Besatzung teilnehmende Macht sich auf ihren Annuitäten-Anteil ihre Besatzungskosten anrechnen lassen mußte. Das war der beste Ansporn zu sparsamer Gestaltung der Besetzung. Ein allgemeines Abkommen über die Besatzungskosten war im Mai 1925 ir. Paris abgeschlossen worden. Seine Einhaltung hatte die Abteilung II des Rheinministeriums zu überwachen. Ein Ergänzungsstück lieferte dazu das Jagd- und Fischereiabkommen, das anschließend in Koblenz mit der Interalliierten Rheinlandkommission ausgehandelt wurde. Die Deutsche Delegation, als deren Generalsekretär ich fungierte, bestand hauptsächlich aus den Jagd- und Fischereireferenten von Preußen, Bayern und Hessen. Der willkürlichen Handhabung von Jagd und Fischerei durch die Besatzungsoffiziere wurde ein Ende gesetzt. Gleichzeitig wurde die Beachtung der deutschen Jagdund Fischereigesetze festgelegt. Andererseits wurde der Besatzung die Ausübungder Jagd und Fischerei durch Entgegenkommen in den Pachtpreisen erleichtert. Der Engländer will seine Entenjagd schriftlich haben
Als ich nach wochenlangen Verhandlungen das fertige Vertragsinstrument zu den Oberkommissaren von Frankreich, Belgien und England brachte, um ihre Unterschriften zu erhalten, leisteten der Franzose und der Belgien ihre Unterschrift sofort. Der Engländer aber sagte mir, es müsse noch der Satz eingefügt werden: "Dieses Abkommen gilt auch für die Entenjagd auf dem Rhein." Er war ein Sonntagsjäger dieser Art und wollte für etwaige Kontrollen durch deutsche Polizisten seinen Sonderfall im Vertragstext geklärt haben. Ich versuchte vergeblich, ihm klar zu machen, daß die Enten unter die jagdbaren Tiere fielen und der Rhein, soweit besetztes Gebiet, dem Geltungsbereich des Abkommens unterstehe. Der Engländer erklärte mir, wenn der Satz nicht hinzukomme, unterschreibe er nicht. Es blieb mir nichts anderes übrig, als in seiner Gegenwart den Satz in das Abkommen einzufügen, worauf er ebenfalls unterschrieb. Die Oberkommissare von Frankreich und Belgien lächelten verständnisvoll, als ich sie um die Billigung des Zusatzes ersuchte, die sie gerne erteilten. Das war im kleinen der Gegensatz des empirisch denkenden Eng61
länders zu dem logisch-juristischen Argumentieren, in dem wir Deutschen mit den Franzosen und den Belgiern übereinstimmten. Tausendjahrfeier des Rheinlands 1925
Diese Feier wurde von uns Deutschen aus vaterländischen Gründen veranstaltet. Das Jahr 925 war kein großes Jahr in der deutschen Geschichte. Immerhin hatte König Heinrich I. das Herzogtum Lothringen, einen Vorgänger des späteren Rheinlands, in dem der französische Karolinger sich festsetzen wollte, wieder für das Reich gesichert. Ein genügender Anlaß für eine Jahrtausendfeier wäre dies wohl kaum gewesen. Der tiefere Grund für die Feier war, daß man nun, nach dem Abschluß des Ruhrkampfes und der Rettung der Reichseinheit, auch den Deutschen im nördlichen Besetzungsgebiet eine Möglichkeit geben wollte, ihren vaterländischen Gefühlen festlichen Ausdruck zu geben, ähnlich wie im Jahr zuvor die Ffälzer in Mannheim ihren Sieg über den Separatismus hatten feiern können (s. oben S. 40). Feiern in Düsseldorf und Köln
Die Hauptfestlichkeiten der Tausendjahrfeier wurden in Düsseldorf und Köln veranstaltet. Diese beiden Städte hatten Grund genug, der Besatzung ihre deutschen Gefühle zu zeigen. Düsseldorf war seit Frühjahr 1921 widerrechtlich besetzt und stand jetzt unmittelbar vor der Befreiung. Köln war im Januar 1925 entgegen den Bestimmungen des Versailler Friedensvertrages nicht geräumt worden; die Befreiung konnte auch ihm nicht mehr lange vorenthalten werden. In dieser Stimmung begingen die beiden großen Städte unter herzlicher Anteilnahme der ganzen Bevölkerung ihre Tausendjahrfeier. Hauptfeier im Kölner Gürzenich
Den Höhepunkt der Tausendjahrfeier bildete ein Festabend im altberühmten Gürzenich zu Köln mit Ansprachen des Oberbürgermeisters Adenauer und des Landeshauptmanns Horion, die übrigens der altbekannten kleinen Rivalität der beiden führenden Rheinstädte humorvollen Ausdruck gaben. Die Grüße der Reichsregierung überbrachte der aus dem Rheinland stammende Justiz- und Rheinminister Frenken, der lange Jahre in Köln Oberlandesgerichtspräsident gewesen war. Der Festabend bot das Bild einer großen Familienfeier. 62
Jubiläums-Ausstellung in Köln
In Köln war auch eine interessante Jubiläums-Ausstellung zu sehen. Von ihren zahlreichen historischen Schaustücken ist mir noch das Original der Emser Depesche vom 13. Juli 1870 erinnerlich, die bekanntlich bei der Entstehung des deutsch-französischen Krieges von 1870/71 eine Rolle spielte. Man sah die Kürzungen durch Bismarck. Die Besatzung hat die Tausendjahrfeier in keiner Weise behindert. Ihr Verhalten war das eines korrekten Zuschauers und zeigte, wie groß der Wandel war, der seit kurzem in den Beziehungen zwischen Deutschland und den Besatzungsmächten eingetreten war.
1926 Stichwort des Jahres: Völkerbund
War das Jahr 1925 durch den Locarno-Pakt und die zu ihm führenden Verhandlungen gekennzeichnet, so lag der Schwerpunkt des neuen Jahres in der Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund, die ja den LocarnoPakt erst in Kraft setzte. Kölner Zone geräumt
Das Jahr begann mit einem klaren Erfolg der Verständigungspolitik Stresemanns. Im Januar wurde die erste Besatzungszone des Versailler F riedensvertrages, die Kölner Zone, von den Besatzungstruppen geräumt. Die Räumung war schon im Januar 1925 fällig gewesen. Aber erst der LocarnoPakt hatte sie zur Wirklichkeit werden lassen. Die Befreiung der rheinischen Metropole erweckte in ganz Deutschland große Freude. Noch im Januar ging das deutsche Aufnahmegesuch an den Völkerbund ab. Zweite Regierung Luther (ohne Deutschnationale)
Im Januar wurde auch die zweite Regierung Luther gebildet. Sie war wieder eine tolerierte Minderheitsregierung, da die Deutschnationalen wegen des Locarno-Paktes ihr fernblieben und die Sozialdemokraten ihrerseits sich nicht beteiligten. Stresemann blieb, wie in sämtlichen Regierungen seit dem August 1923, der unbestrittene Außenminister. Erster Anlauf zum Völkerbund im März
Für die Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund war im März 1926 eine außerordentliche Session der Völkerbundsversammlung angesetzt worden. Reichskanzler Luther und Stresemann erschienen in Genf und haben mit der Unterstützung von Frankreich und England alles unternommen, um eine positive Beschlußfassung der Völkerbundsversamm64
lung zu erzielen. Es war bereits in Locarno festgelegt worden, daß Deutschland als gleichberechtigte Großmacht Mitglied des Völkerbundes werden solle und deshalb Anspruch auf das Attribut einer Großmacht, einen ständigen Sitz im Völkerbundsrat, haben müsse. Wegen des Widerspruchs Brasiliens, das selbst einen solchen Ratssitz anstrebte, ging die MärzSession der Völkerbundsversammlung ergebnislos zu Ende, was der Opposition in Deutschland neuen Auftrieb gab. Die Entscheidung sollte nun auf der ordentlichen Herbstsession der Völkerbundsversammlung im September fallen. Sie wurde so gut vorbereitet, daß eine nochmalige Enttäuschung Deutschlands ausgeschlossen war. Berliner Vertrag, deutsch-russischer Freundschaftsvertrag, im April
Die Zwischenzeit benützte Stresemann, um durch die Klärung des deutsch-sowjetischen Verhältnisses den Anschluß Deutschlands nach dem Osten sicherzustellen. Der Rapallo-Vertrag von 1922 hatte die deutschsowjetische Freundschaft auf feste Grundlagen gestellt. Die Locarno-Verhandlungen, deren Schwerpunkt eindeutig dem Westen zuneigte, erregten das Mißtrauen der Sowjets. Der Berliner Vertrag vom 24. April 1926 zwischen Stresemann und dem sowjetischen Botschafter in Berlin, Krestinski, bekräftigte Rapallo und stellte klar, daß Deutschland auch als Mitglied des Völkerbunds keine antirussische Haltung einnehmen werde. Die beiden Staaten sicherten sich wechselseitig im Falle des Angriffs einer dritten Macht Neutralität zu. Deutschland erreichte auch zur Beruhigung der Sowjetrussen eine Erklärung des Völkerbunds zu Art. 16 seiner Satzung, daß Deutschland mit Rücksicht auf seine geographische Lage von der Verpflichtung zur Teilnahme an militärischen oder wirtschaftlichen Sanktionen des Völkerbundes gegen Sowjetrußland frei sein solle. Der neue deutsch-sowjetische Freundschaftpakt blieb trotz der schärfsten, im Grunde unaufrichtigen Angriffe der deutschen Rechtsopposition auch später im nationalsozialistischen Reich bis zur Kriegseröffnung Hitlers gegen die Sowjetunion im Juni 1941 in voller Geltung. Luther stürzt über Flaggenfrage Dritte Regierung Marx mit Bell als Rheinminister
Noch vor der Herbstsession der Völkerbundsversammlung kam es erneut zu einer Regierungskrise. Die zweite Regierung Luther stürzte bekanntlich im Mai über die Flaggenfrage. Auf der gleichen Parteien5 Eugen Mayer
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grundlage bildete sich die dritte Regierung Marx mit Justizminister Bell als nebenamtlichem Rheinminister. Minister Bell erzählte mir, daß er immer noch - nach 7 Jahren Schmähbriefe bekomme, weil er im Juni 1919 zusammen mit Hermann Müller den Versailler Friedensvertrag unterzeichnet hatte. Dabei waren damals auf Forderung der Siegermächte zwei Reichsminister zur Unterzeichnung des Friedensvertrages bestimmt worden. Das Reichskabinett entsandte je einen Minister aus den beiden großen Parteien, Hermann Müller für die Sozialdemokraten und Bell für das Zentrum. Minister Bell bestimmte, daß ich als Besatzungsexperte in Anlehnung an die Herren des Außenministeriums der Deutschen Delegation für Genf beigegeben wurde. Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund im September Anfang September waren alle Hindernisse überwunden. Am 8. September beschloß die Völkerbundsversammlung einstimmig die Aufnahme Deutschlands mit einem ständigen Ratssitz. Am nächsten Tag reiste die Deutsche Delegation nach Genf. Der 10. September war ·der große Tag des deutschen Einzugs in den Völkerbund. Schauplatz der Aufnahme: Der Genfer Reformationssaal Der Schauplatz dieses Ereignisses war der sogenannte Reformationssaal, ein großer, langer rechteckiger Saal von nüchternem Charakter. Der Völkerbundpalast späterer Zeit bestand damals noch nicht. Präsident der Völkerbundsversammlung war der Jugoslawe Nintschitsch. Vor der Präsidententribüne saßen im ersten Parkett die stimmberechtigten Delegierten der Völkerbundsmitglieder, mit festen von rechts nach links angeordneten Sitzplätzen in der Reihenfolge des französischen Alphabets. Deutschland (Allemagne) hatte seinen Platz ganz rechts. Im zweiten Parkett hatten die sogenannten Experten als nichtstimmberechtigte Berater der Delegierten Platz zu nehmen. Ihre Sitzordnung war nicht festgelegt, doch fanden sich natürlich die Experten der einzelnen Staaten gruppenweise zusammen. Die deutschen Experten waren an diesem Tage schon vor den Delegierten in den Saal eingelassen worden, sodaß wir den Einzug unserer Delegierten als Zuschauer erleben konnten.
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Einzug der Deutschen: Begrüßung durch Präsident Nintschitsch Präsident Nintschitsch ließ zur festgesetzten Zeit die sieben deutschen Delegierten in den Saal geleiten. Diese betraten unter stürmischem Beifall der ganzen Versammlung, angestrahlt von Jupiterlampen, den Saal, um sich an ihre Plätze zu begeben. Es waren vom Außenministerium: Minister Stresemann nebst Staatssekretär von Schubert und dem Leiter der Rechtsabteilung, Ministerialdirektor Gaus, und von den die Regierung tragenden Parteien: die Reichstagsabgeordneten Breitscheid (Soz.). Prälat Kaas (Zentr.), Frh. v. Rheinhaben (DVP) und Koch-Weser (Dem.). Die Tagesordnung sah nach Begrüßungsworten des Präsidenten Reden von Stresemann und Briand vor. Präsident Nintschitsch erteilte nach herzlicher Begrüßung Stresemann das Wort. Stresemanns große Antrittsrede: Bekenntnis zum Völkerbund Stresemann sprach deutsch. Offizielle Sprachen des Völkerbunds waren Französisch und Englisch. Andere Sprachen waren zugelassen, doch mußte dann eine französische und englische Übersetzung folgen. Stresemanns Rede stand auf der Höhe des Tages. Der große Redner hatte nicht den Vorteil der freien Rede, weil der Text in Berlin festgelegt worden war. Seine kraftvolle Stimme, die edle und warme Sprache seines Vortrags, die überzeugende logische Gliederung seiner Gedanken fesselten die Zuhörer zu gespannter Aufmerksamkeit. Nach einer freimütigen Kritik an dem Verhalten des Völkerbundes gegenüber Deutschland in der Vergangenheit schilderte der Redner die deutsche Annäherung an den Völkerbund durch die vertragsmäßige Regelung der Reparationen und durch den Locarno-Pakt, um dann auf die Aufgaben des Völkerbundes in deutscher Sicht überzugehen. Deutschland sei durch die Bestimmungen des Versailler Friedensvertrages in zahlreichen Punkten mit dem Völkerbund verknüpft. Niemand werde es Deutschland verübeln, wenn es im Völkerbund für seine Belange eintrete. Aber Deutschland werde auch die Interessen der anderen Völkerbundsmitglieder beachten. Es werde insbesonders mit leidenschaftlicher Hingabe den hohen Zielen des Völkerbundes dienen, der Wahrung des Völkerfriedens und der Pflege der allgerneinen Wohlfahrt. Besondere Beachtung fanden die Sätze seiner Rede, die freimauerischen Gedankengängen folgten. Stresernann sagte: "Der 5*
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göttliche Baumeister des Weltalls hat den einzelnen Nationen verschiedene Wohnstätten zugewiesen. Aber nicht, damit sie sich gegenseitig befehden und sich das Leben schwer machen, sondern damit sie sich als Kinder des einen allmächtigen Vaters gegenseitig vertragen und sich helfen." Die Rede, die in einem einzigen großen Schwung vorgetragen wurde, riß die Zuhörer zu einem starken, lange anhaltendem Beifall hin. Als Stresemann an seinen Platz zurückkehrte, trat ihm Briand entgegen, um ihn zu beglückwünschen. Nach der Rede Stresemanns folgte die französische Übertragung, die aus dem Munde des bereits durch seine psychologischen Fähigkeiten bekannten Dolmetschers Dr. Paul Schmidt wie eine neuartige Formung der Rede Stresemanns erschien und wirkte. Sie ergriff die Zuhörer tief. Es zeigte sich auch, besonders bei dem Beifall, daß die französische Sprache den Zuhörern doch im größeren Ausmaß geläufig war als die deutsche. Große Antwortrede Briands: Gelöbnis für französisch-deutsche Versöhnung
Nun betrat Briand die Tribüne. Man sagte, die Rede vom 10. September sei die schönste seines Lebens gewesen. In ihm trat die romanische Redekunst der deutschen gegenüber. Briand sprach völlig frei. Er wechselte zuweilen ein wenig seinen Standplatz. Seine Arme erhoben sich gelegentlich zu eindringlichen Gesten. Seine Stimme variierte, je nach den Gedanken, die er vortrug, in der Höhenlage und in der Stärke des Tones bis zum Fortissimo. Die Rede war ein fortwährendes Angehen der Herzen der Zuhörer, die sich dem Zauber dieser Sprache nicht entziehen konnten. In drei Punkte gliederte Briand seine Gedanken. 1. Die Franzosen und die Deutschen haben sich auf dem Schlachtfeld oft genug gegenseitig bewiesen, daß sie militärischen Mut haben und für ihr Vaterland zu sterben wissen. Nun sollen sie lernen und beweisen, daß sie den zivilen Mut aufbringen, für die Erhaltung des Friedens zwischen Frankreich und Deutschland, allen Hindernissen zum Trotz, zu kämpfen und in diesem Kampf für ihr Vaterland zu leben. In diesem Kampf ist viel versäumt worden, was es jetzt nachzuholen gilt. 2. Die französisch-deutsche Verständigung bedarf einer hingebenden, zähen Zusammenarbeit Frankreichs und Deutschlands, aber auch der 68
Mitwirkung des ganzen Völkerbundes. Briand rief aus: "Zurück mit den Gewehren, den Kanonen, den Maschinengewehren! Nach vorne mit dem Richter, der Recht spricht und den Streit schlichtet!" 3. Zuletzt sprach Briand von sich selbst. Er sei ein alter Mann. Er wolle
der Vorsehung, wenn sie ihm noch einige Jahre schenke, seinen Dank dadurch abstatten, daß er den Rest seines Lebens vorzugsweise dem Werk der französisch-deutschen Aussöhnung widme. In diesem Sinne bitte er Dr. Stresemann um seine Mitarbeit.
Als Briand endete, umtoste ihn wahrhaftig ein nicht enden wollender Beifallssturm. Stresemann trat Briand entgegen, um ihn zu dieser Rede zu beglückwünschen und ihm seine Zustimmung zur Zusammenarbeit zu bekunden. Stresemann und Briand waren von diesem Tage an für die ganze Welt eine Verkörperung der Arbeit für den Völkerfrieden. Präsident Nintschitsch sprach sicher im Sinne der ganzen Versammlung, als er nach der Rede von Briand die Verhandlungen vertagte, um - wie er sagte - den Zuhörern die Möglichkeit zu geben, die großen Ideen, die die beiden Staatsmänner bekundet hatten, in ihren Herzen zu erwägen. Alltag des Völkerbunds
Der Alltag der Völkerbundsversammlung trat dann wieder in Wirksamkeit. Multa et multum! Das war, wie immer, das Motto einer solchen Session. Stresemann nahm im Völkerbundsrat, der öfter tagte, den deutschen Ratssitz ein. Treffen Stresemanns und Briands in Thoiry
Zunächst hatte der große Tag noch ein würdiges Nachspiel. Es handelt sich um die ganztägige Zusammenkunft Stresemanns und Briands, die beide Staatsmänner, nur von ihren Dolmetschern begleitet, eine Woche später, am 17. September in dem nahen französischen Dorf Thoiry abhielten. Briand hatte dieses Dorf und die für das Treffen bestimmte Gaststätte ausgesucht. Da Thoiry jenseits der französischen Grenze lag, konnte man die nachfahrenden Presseleute durch Grenzformalitäten lange genug aufhalten, um den Ministern das Entkommen nach Thoiry zu ermöglichen. 69
Stresemann plädiert für Totallösung aller offenen Fragen
Das Motto dieses Treffens könnte Totallösung heißen. Die beiden Minister wollten den Gesamtbereich der deutsch-französischen Beziehungen durchsprechen. Stresemann verfolgte dabei den Hauptzweck, diejenigen deutsch-französischen Fragen, die nach den Bestimmungen des Versailler Friedensvertrages an Fristen gebunden waren, wie die Besetzung der rheinischen Gebiete und die Saarfrage, alsbald zusammenfassend einer Gesamtlösung zuzuführen. Bei dieser Aussprache ergab sich eine weitgehende Übereinstimmung in den grundsätzlichen Auffassungen. Stresemann wollte auch durch finanzielle Angebote der französischen Regierung bei der Stabilisierung des gerade notleidenden Franken eine deutsche Mithilfe in Aussicht stellen. Briand bleibt zurückhaltend
Gegenüber dem stürmischen Drängen Stresemanns auf baldige Lösungen war Briand schon dadurch zur Zurückhaltung gezwungen, daß er einem Kabinett Poincan~ angehörte. Dieser Politiker, den die Franzosen im Mai 1924 gestürzt hatten, war mittlerweile wieder zu Ansehen und Macht gelangt, weil er bei der Stabilisierung des Franken umsichtige Tatkraft entfaltete. Er bekam den Ehrennamen des Retters des Franken. Die deutsche Mithilfe war nicht mehr nötig. Poincare andererseits war seinem ganzen Wesen nach der letzte, der auf Rechtstitel, wie sie Stresemann gründlich revidieren wollte, vor der Zeit verzichtete. Thoiry verbessert das politische Klima
Jedenfalls mußte Briand sein theoretisches Entgegenkommen, das er in Thoiry gegenüber den deutschen Wünschen und Vorschlägen gezeigt hatte, im praktischen Handeln unter dem Druck von Poincan~ auf sich beruhen lassen. Thoiry war so für Stresemann eine Enttäuschung. Das politische Klima in den deutsch-französischen Beziehungen wurde immerhin beträchtlich verbessert. Die Bevölkerung der besetzten Gebiete konnte eine fühlbare Erleichterung ihrer Lage feststellen. Der neue Reichskommissar für die besetzten Gebiete, Frh. Langwerth von Simmern, hatte bei der Vertretung der deutschen Anliegen in Koblenz ein leichteres Wirken. 70
Parlamentarier in Genf. Verfasser hielt sich an Abg. Kaas Es war eine Besonderheit der großen Tagungen des Völkerbundes, daß neben den Außenministern auch zahlreiche Parlamentarier der Länder erschienen und in einen regen Meinungsaustausch traten. Manches politische Problem wurde auf diese Weise diskutiert und gefördert. Als Beauftragter des Ministers Bell schloß ich mich in Genf an den Reichstagsabgeordneten Prälat Kaas an. Von ihm erfuhr ich manches, was sich in der Ebene der Parlamentarier zugetragen hatte. Ein Fall ist mir in besonderer Erinnerung. Ich bringe ihn nach der Schilderung des Abgeordneten, der heute nicht mehr unter den Lebenden weilt. Französische Parlamentarier sondieren Kaas über das deutsch-polnische Verhältnis Französische Parlamentarier hatten sich bei ihm eingefunden und ihm die Frage gestellt: "Wie steht Deutschland zu Polen? Sie wissen, daß Frankreich mit Polen verbündet ist und sich deshalb gegebenenfalls für Polen einsetzen muß. Wie steht Deutschland, das jetzt im Völkerbund ist, zu Polen?" Prälat Kaas erwiderte, wie er mir sagte: "Ich kann Ihnen mit zwei Punkten antworten: 1. Deutschland, nicht bloß meine Partei, sondern die Regierung Marx, für die Stresemann die Außenpolitik leitet, bejaht die Existenz und die Unabhängigkeit des polnischen Staates als eine europäische Notwendigkeit. 2. Die Polen stehen mit ihrer Westgrenze auf unseren Füßen. Sie müssen nach unserer Auffassung von unseren Füßen heruntertreten. Die friedliche Revision der deutsch-polnischen Grenze ist ebenfalls eine europäische Notwendigkeit." Kaas sagte mir, die französischen Parlamentarier seien mit dieser Antwort sehr zufrieden gewesen. Sie hätten erklärt, mehr könne man von Deutschland nicht verlangen. Frankreich müsse sich allerdings mit der Frage der Grenzrevision noch eingehend befassen, da die Einzelheiten der Grenze in Frankreich nicht genügend bekannt seien. Sie, die Parlamentarier, würden nicht untätig bleiben. Man werde von ihnen hören. Prof. R. Martel schreibt gutes Buch über deutsche Ostgrenze So war es in der Tat. Nach einiger Zeit erschien ein Buch von R. Martel, Prof. an der Sorbonne, über die östlichen Grenzen Deutschlands. Das 71
Buch hat in objektiver, ausführlicher und anschaulicher Weise die deutschpolnische Grenzziehung geschildert und schon dadurch mittelbar eine Revision dieser bedenklich gestalteten Grenze nahegelegt. Das Buch gefiel in deutschen Fachkreisen dermaßen, daß im Verlag Stalling (Oldenburg) eine deutsche Übersetzung mit dem Titel "Die blutende Grenze Deutschlands" herausgebracht wurde. Stresemann nahm gerade an dieser Grenze, deren friedliche Revision er in den Locarno-Verhandlungen nachdrücklich für Deutschland offengehalten hatte, besonderes Interesse. Exkurs über Schiller und Polen: Entwurf "Demetrius"
Wegen gewisser Zusammenhänge sei gestattet, einen Exkurs über das Verhältnis Schillers zu Polen hier einzuschalten. Schiller hat zweifellos mit seinem Tell, seiner Jungfrau von Orleans und seiner Maria Stuart in Deutschland auch Interesse und Verständnis für die Schweiz, für Frankreich und für England geweckt und gefördert. Unser Klassiker hat aber auch den Flug nach dem Osten gewagt. Wie wieder bei der Zweihundertjahrfeier seines Geburtstages im November 1959 ausführlich zur Sprache kam, hat Schiller in seiner letzten Lebenszeit mit vollster Hingabe an einem neuen Drama "Demetrius" gearbeitet, das nach der Großartigkeit seiner Anlage im Falle der Vollendung seinen Meisterschöpfungen ebenbürtig geworden wäre. Polen und Rußland wären uns nach einer Vollendung des "Demetrius" schon an der Schwelle des 19. Jahrhunderts näher gekommen. Der "Demetrius" Schillers hätte dann die auffallende Bildungslücke, die bei uns vielfach in bezug auf Polen bestand, gemindert. Einseitige Vorstellungen über Polen, die bei uns anzutreffen waren, hatten sich bei den deutsch-polnischen Verständigungsbestrebungen in der Zeit der Weimarer Republik mannigfach hinderlich ausgewirkt. Trotzdem wäre diesen Bestrebungen bei längerer Dauer einer deutschen Völkerbundspolitik im Sinne Stresemanns der Erfolg wohl nicht versagt geblieben. Völkerbund 1926 nicht deutschfreundlich. Besserung braucht Zeit
Bei den Gesprächen, die während der Herbstsession des Völkerbundes wir deutschen Vertreter unter uns führten, hatten sich uns ohne weiteres gewisse Feststellungen aufgedrängt, die für die Zukunft unserer Völkerbundssache von Bedeutung sein mußten. Der Völkerbund bestand, als wir beitraten, bereits sechs Jahre. In dieser langen Zeit hatte sich 72
- darüber konnte man sich nicht täuschen - eine Deutschland abträgliche Tradition in Genf entwickelt. Das Fehlen der USA als eines Faktors des Ausgleichs wirkte sich für uns nachteilig aus. Der Völkerbund zerfiel in der Hauptsache in zwei große Ländergruppen, von denen die eine an Frankreich und die andere an Großbritannien ihre Anlehnung gefunden hatte. Dieser Dualismus mußte dann bei den einzelnen Fällen, die sich in der Praxis ergaben, mit Kompromissen überwunden werden. Es fehlte die allem übergeordneten Leitidee. Frankreich, das mit Polen und der Tschechoslowakei verbündet war, hatte in der gegen Ungarn gegründeten Kleinen Entente innerhalb des Völkerbundes eine Aktionsgruppe auf seiner Seite, deren Wortführer, der tschechoslowakische Außenminister Benesch, in Genf unter der Ägide Frankreichs eine große Rolle spielte. In diese verhärteten Zustände und Verhältnisse griff unser Beitritt zum Völkerbund ein. Er wurde von den Nutznießern der bisherigen Entwicklung als störend empfunden. Frankreich und Großbritannien fehlte es nicht an gutem Willen, den Anliegen Deutschlands entgegenzukommen. Sie ließen aber, durch die Hemmungen aus den vergangenen Jahren behindert, nur zögernd die deutschen Forderungen zu stärkerer Geltung kommen. Offensichtlich war für diese Entwicklung zum Besseren Zeit notwendig und auf deutscher Seite Geduld. Aber an Geduld fehlte es uns. In Deutschland wollte man Soforterfolge sehen, und, wenn diese sich nicht zeigen wollten, neigte man zur Mißachtung und Unterschätzung des Völkerbundes. Von seiten der Opposition im Reichstag fiel einmal das böse Wort von der Genfer Blechschmiede. Für Stresemann war es eine harte, aufreibende Arbeit, für die deutschen Forderungen in Genf zu wirken und gleichzeitig Verständnis für die Schwierigkeiten dieser Arbeit im deutschen Volk zu finden. Stresemann und Briand erhalten Friedensnobelpreis
Es war ein würdiger Abschluß des Jahres 1926, daß im Dezember Stresemann und Briand gleichzeitig den Friedensnobelpreis für ihre Verdienste um den Völkerfrieden erhielten.
1927 Das ruhigsteJahrder Weimarer Republik Unter den ruhigeren Jahren, deren sich die Weimarer Republik von 1925 bis 1928 erfreute, kann man das Jahr 1927 das ruhigste nennen. Der Dawes-Plan funktionierte. Die ausländischen, insbesonders amerikanischen Kredite förderten die Erholung der Wirtschaft. Das Besatzungssystem war durch die "Rückwirkungen" des Locarno-Pakts von 1925 milder geworden. Militärkontrolle der Siegermächte verschwindet Der Januar 1927 brachte einen weiteren Erfolg der deutschen Verständigungspolitik. Stresemann hatte im Dezember 1926 beim Völkerbund den Wegfall der Interalliierten Militärkontrolle in Deutschland durchgesetzt. Es mußte das deutsche Selbstbewußtsein und Vertrauen in die Zukunft heben, daß nun endlich die Kontrolloffiziere der Siegermächte aus den deutschen Landen verschwanden und die Abrüstungskontrolle auf den Völkerbund überging, dem Deutschland jetzt als gleichberechtigte Großmacht angehörte. Vierte Regierung Marx (mit Deutschnationalen) Die im Dezember zurückgetretene dritte Regierung Marx war gegen Ende Januar durch den Hinzutritt der Deutschnationalen als vierte Regierung Marx und nun als Mehrheitsregierung neu gebildet worden. Der Reichspräsident selbst hatte bei dieser Gelegenheit zum ersten Male in nachdrücklicher Weise die Parteien zu einer ihm zusagenden Lösung der Regierungsfrage gedrängt. Das neue Kabinett Marx hatte nun anderthalb Jahre- für die Weimarer Republik eine lange Zeit- gesicherten Bestand. Reichskanzler auch Rheinminister Das Reichsministerium für die besetzten Gebiete wurde dem Reichskanzler zur nebenamtlichen Verwaltung übertragen, der übrigens früher
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schon einmal als Reichsjustizminister das Rheinministerium vom November 1925 bis Juli 1926 nebenamtlich geführt hatte. Für den Reichskanzler war es ein Opfer, das Rheinministerium dazu zu übernehmen. Er brachte dieses Opfer aus Liebe zu seiner rheinischen Heimat. Für das Rheinministerium war diese, übrigens einmalige, Art der Verwaltung ohne weiteres ein großer Gewinn. Das Ansehen des Rheinministeriums und seine Geltung bei den übrigen Reichsministerien und den Landesregierungen stiegen beträchtlich. Da sich das Rheinministerium als eine Art landsmannschaftliches Ministerium der Anliegen der besetzten Gebiete in allen Fällen, ohne Rücksicht auf die Zuständigkeitsordnung der Reichsministerien, annehmen mußte, tat es sich zuweilen schwer gegenüber den Einwänden der beteiligten Fachministerien. Das Votum des Rheinministers bekam nun durch die Personalunion mit dem Reichskanzler naturgemäß ein stärkeres Gewicht. Rheinministerium und Reichskanzlei
Reichskanzler Marx widmete sich den Belangen des Rheinministeriums mit großer Hingabe. Da es ihm nicht möglich war, oft in das Rheinministerium zu kommen, mußten ihm die Angelegenheiten des Ministeriums in den meisten Fällen in der Reichskanzlei vorgetragen werden. Ich erhielt als politischer Referent des Rheinministeriums nun auch das Verbindungsreferat zur Reichskanzlei mit der Aufgabe, dort regelmäßig Vortrag zu halten. Der Reichskanzler schenkte mir sein besonderes Vertrauen, das für die Wahrnehmung des Verbindungsreferates zur Reichskanzlei auch unerläßlich war. Vertrauensverhältnis zwischen Hindenburg und M arx
Ich konnte mich bald davon überzeugen, daß zwischen dem Reichspräsidenten und dem Reichskanzler ein gediegenes Vertrauensverhältnis bestand. Die Grundlagen dieses Vertrauensverhältnisses waren nicht zu verkennen. Im Lebensalter trennte die beiden ein Unterschied von 16 Jahren, da Marx 1863 und Hindenburg 1847 geboren war. Den trotzdem nicht allzu großen Altersunterschied milderte die Tatsache, daß beide Männer von einem ähnlichen Temperament waren: ruhiges, bedächtiges Wesen, knappe Sprache eigneten beiden. Eine tiefe christliche Religiosität gab beiden ihr Gepräge. Entscheidend für die Stärke des Vertrauensverhältnisses war aber die Verbundenheit des Reichskanzlers mit der preußi75
sehen Monarchie. Marx war in der Zeit des Königtums in den preußischen Richterstand eingetreten und in diesem emporgestiegen. Er war seit 1906 Oberlandesgerichtsrat in Köln und dann in Düsseldorf. Auch hatte er von 1899 bis zum Ende der Monarchie dem preußischen Abgeordnetenhaus angehört. Diese preußischen Gegebenheiten wogen bei Hindenburg schwer. In seinen Augen rundete es das Bild des guten Preußen, daß Marx stets in unwandelbarer Treue zum preußischen Staat gestanden war, auch in der stürmischen Zeit unmittelbar nach der November-Revolution 1918. Das Vertrauensverhältnis zwischen Hindenburg und dem Reichskanzler zeigte sich auch darin, daß Hindenburg, was bei ihm eine Seltenheit war, im Gespräch mit Marx gelegentlich von seinem persönlichen Denken und Tun Kunde gab. Hindenburg-Anekdote: Hindenburg und die Weimarer Verfassung So erzählte Hindenburg dem Reichskanzler einmal, wie er die Weimarer Verfassung studiert habe. Marx gab mir diese Erzählung folgendermaßen wieder. Hindenburg sagte etwa: "Als ich zum Reichspräsidenten gewählt war, hatte ich noch zwei Wochen Zeit bis zum Amtsantritt. Ich benutzte diese Zeit, um mich für mein Amt vorzubereiten. Ich kaufte mir in Hannover, wo ich damals wohnte, eine Textausgabe der Weimarer Verfassung und arbeitete sie durch. Aus alter Gewohnheit verwandte ich dabei die beim Militär üblichen Farbstifte,den Blaustift für die eigene Partei und den Rotstift für die Gegenpartei. Alle Stellen der Verfassung, in denen der Reichspräsident vorkommt, strich ich blau an und die Stellen, in denen von seinen Gegenspielern (Reichstag und Reichsregierung) die Rede ist, merkte ich rot an. Als ich den Text durchgearbeitet hatte, fand ich die Verfassung übersichtlich und klar. Ich habe diese Textausgabe nach Berlin mitgenommen. Ich habe sie in meinem Schreibtisch stets bei der Hand. Sie hat mir oft gute Dienste geleistet. Ich konnte sogar gelegentlich den Herren, die mir Vortrag hielten, einen Hinweis auf die Verfassung geben." Hindenburg und der Reichstag Man könnte übrigens der Erzählung Hindenburgs einen tieferen Sinn beilegen, wenn man nach ihr die allgemeine Einstellung des Reichspräsidenten gegenüber dem Reichstag dahin charakterisieren wollte, daß er 76
nach militärischer Denkweise - der Reichstag stand bei ihm unter dem Rotstift - sein eigenes Verhalten gegenüber dem Reichstag nach der Aktions- und Widerstandskraft bemaß, die er beim Reichstag vorfand. Der Reichstag hätte wohl gut daran getan, hierauf zu achten. Hindenburg-Anekdote: Marschallstab und Zylinder
Ich verdanke dem Reichskanzler Marx noch andere HindenburgAnekdoten, die an sich unbedeutendere Vorfälle betrafen, aber doch das vertrauliche Gespräch der beiden Herren charakterisierten. Eine solche Anekdote sei hier wiedergegeben, weil sie mit einem bedeutsamen Ereignis des Jahres 1927 zusammenhängt. Als Hindenburg im September 1927 das Tannenberg-Denkmal einweihte, mußte er am Schluß den Vorbeimarsch zahlreicher Formationen und Verbände abnehmen. Hindenburg war in Feldmarschallsuniform, der ihm zur Seite stehende Reichskanzler in Zivil. Immer, wenn eine Fahne oder Standarte vorbeigetragen wurde, grüßte der Reichspräsident mit dem Marschallstab, während der Reichskanzler den Zylinder zog. Nach längerer Dauer des Vorbeimarches meinte Hindenburg zu Marx: "Sie sehen, Herr Reichskanzler, den Vorteil der Uniform. Sie müssen immer umständlich den Zylinder ziehen, während ich mit einem kurzen Griff mit dem Marschallstab meine Ehrenbezeigung mache." Besuchsreise des Reichskanzlers in die besetzten Gebiete
Doch nun zum Rheinministerium zurück. Ich hatte schon bemerkt, daß das Ansehen und die Erfolge dieses Ministeriums durch seine Übertragung an den Reichskanzler in Berlin außerordentlich zugenommen hatten. Eine große Besuchsreise des Reichskanzlers als Rheinminister im Oktober 1927, die ihn samt den leitenden Beamten des Rheinministeriums nach Koblenz, Mainz und Speyer führte, zeigte, daß auch bei den Dienststellen und bei der Bevölkerung der besetzten Gebiete die Rangerhöhung des Rheinministeriums ihr Selbstbewußtsein und ihr Vertrauen in die Zukunft beträchtlich gestärkt hatte. Es galt, in den besetzten Gebieten von Preußen, Hessen und Bayern durch Besprechungen mit den Behörden und den berufenen Vertretern der Bevölkerung die Beschwerden und Wünsche festzustellen, denen das Reich seine Aufmerksamkeit zuzuwenden hatte. In Koblenz besuchte der Reichskanzler auch den Reichskommissar für die besetzten Gebiete, Frh. Langwerth von Simmern, dem es gelungen war, 77
mit der Besatzung in ein fruchtbares Verhältnis zu kommen. Des weiteren galt der Besuch in Koblenz auch der Reichsvermögensverwaltung (Präsident Collatz), einer dem Rheinministerium unterstehenden Oberbehörde, die mit ihrem über das ganze besetzte Gebiet verteilten Unterbau von Dienststellen für die materiellen Bedürfnisse der Besatzungstruppen (Kasernen, Exerzier- und Übungsplätze, Offizierswohnungen, usw.) zu sorgen hatte. Bei dem anschließenden Besuch in Mainz wurden die hessischen Anliegen besprochen. Besonders eindrucksvoll war die Veranstaltung in Speyer. Für diese waren Ministerpräsident Held und Innenminister Stütze! von München nach Speyer gekommen. Das Gesamtergebnis der Besuchsreise des Reichskanzlers war sehr befriedigend. Es offenbarte sich eine vollkommene Eintracht und Harmonie zwischen dem Reich, den Ländern und der Bevölkerung der besetzten Gebiete um ihre gemeinsamen Sorgen und Hoffnungen. Ein Bild, dem die gewinnende Persönlichkeit des Reichskanzlers eine besondere Note gab. Aktion gegen die Königgrätzer Straße in Berlin Ich komme zu einer etwas abseitigen Berliner Sache meiner persönlichen Initiative, der Aktion Königgrätzer Straße. Nachdem wir durch den Locarno-Pakt mit den Franzosen ins reine gekommen waren, schien es mir an der Zeit zu sein, einem Ärgernis auf den Leib zu rücken, das in Berlin am Anhalter Bahnhof, auf dem die Österreicher in der Reichshauptstadt ankamen, das Vorhandensein der Königgrätzer Straße darstellte. Mußten die Österreicher in Berlin zuerst eine Straße erblicken, die sie an 1866 erinnerte? Die Franzosen, die in Berlin ankamen, hatten es schwerer, die Sedan-Straße zu finden. War dieser Sachverhalt mit dem großdeutschen Gedanken vereinbar, zu dem sich doch die Weimarer Verfassung ausdrücklich bekannte? In Art. 61 Abs. 2 der Verfassung war von dem künftigen Anschluß von Deutschösterreich an das Deutsche Reich die Rede. Reichstagspräsident Löbe, Vorsitzender des Österr.-deutschen Volksbundes, hilft zum Erfolg Das ruhige Jahr 1927 schien mir geeignet, die Sache ins Rollen zu bringen. Bis zum Abschluß dauerte es allerdings noch längere Zeit. Ich war Mitglied des Österreichisch-deutschen Volksbundes in Berlin, der sich die Pflege des großdeutschen Gedankens zur Aufgabe gesetzt hatte. Sein Vorsitzender war der Reichstagspräsident Paul Löbe. Ich leitete dem Oster-
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reichisch-deutschen Völksbund eine Denkschrift über das Unpassende jener Straßenbezeichnung zu und befürwortete ihre Knderung. Präsident Löbe nahm meine Anregung wohlwollend auf. Wir entschieden uns für die Einschaltung der preußischen kommunalen Spitzenverbände. Löbe berief diese Verbände zu einer Versammlung, in der ich referierte - ich war wohl der einzige Nichtpreuße unter den Anwesenden - und erfreulicher Weise leicht die allgemeine Zustimmung fand. Die Spitzenverbände nahmen die Sache in die Hand und erzielten die erforderlichen Genehmigungen zu der Knderung des Straßennamens in Berlin und in der Provinz. Später wurde mir gesagt, daß mehrere hundert Königgrätzer Straßen umbenannt worden seien. Königgrätzer Straße wird Stresemannstraße
Für Berlin nahm die Sache einen eigenartigen Verlauf. Zunächst gelang es im März 1930, die Königgrätzer Straße in Stresemannstraße umzunennen. Die Nationalsozialisten haben aber 1933 aus Haß gegen den großen Verständigungspolitiker die Stresemannstraße durch eine Saarlandstraße verdrängt. Im Jahr 1947 wurde dann im Wege der Wiedergutmachung der Name Stresemannstraße endgültig wiederhergestellt. Kaiser Pranz ]oseph sah keine Königgrätzer Straße
Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, daß jener Teil der Königgrätzer Straße, der vom Potsdamer Platz zum Brandenburger Tor führte, 1910 bei einem früheren Anlaß in Budapester Straße umbenannt wurde. Damals besuchte Kaiser Pranz Joseph von Österreich den Deutschen Kaiser. Pranz Joseph kam auf dem Potsdamer Bahnhof in Berlin an. Durch die erwähnte Umbenennung konnte er bei seinem Einzug in die Reichshauptstadt von einer Königgrätzer Straße nichts bemerken.
1928 Erkrankung Stresemanns Das Jahr 1928, das wir in unserer Einteilung noch zu den ruhigeren Jahren zählen, brachte gleich zu Anfang für die Weimarer Republik einen harten Schlag. Um die Jahreswende 1927/28 brach bei Stresemann eine schwere Krankheit aus, die von Nieren- und Halsbeschwerden ausging und ihn nicht mehr freigeben sollte. Er mußte sich während des Jahres immer wieder eingreifenden Kuren unterziehen. Bei früherer Würdigung Stresemanns war an ihm gerade (s. oben S. 31) der kämpferische Geist gerühmt worden. Mit diesem hat er beispielsweise im August 1923, in einer Schicksalsstunde des Reichs, die widerstrebenden Deutschnationalen dazu gezwungen, dem rettenden DawesPlan zum Erfolg zu verhelfen. In gesunden Jahren hat dieser politische Kämpfer an Tat- und Schlagkraft seinesgleichen nicht gehabt. Man sagte später, ein gesunder Stresemann wäre auch mit Hitler fertig geworden. Nun mußte er sich immer wieder Schonung auferlegen. Dabei hatte er erst am 10. Mai 1928 sein 50. Lebensjahr vollendet. Sein früher körperlicher Niedergang gehörte zu den tragischen Schicksalsschlägen, die zum Untergang der Weimarer Republik beigetragen haben.
Reichstagswahl im Mai: Zweite Regierung Hermann Müller Nach dem Scheitern des Schulgesetzes, dessen Planung die vierte Regierung Marx zusammengehalten hatte, kam es zur Auflösung des Reichstags und zur Neuwahl am 20. Mai 1928. Die Sozialdemokraten erzielten einen beträchtlichen Gewinn, so daß sie die zweite Regierung Hermann Müller bilden konnten. Die erste Regierung Hermann Müller (März bis Juni 1920) fiel noch in die Zeit der Verfassunggebenden Nationalversammlung. Sie war infolge der Reichstagswahl im Juni 1920 zurückgetreten. Die nunmehrige zweite Regierung Hermann Müller war eine tolerierte Minderheitsregierung. Die Deutsche Volkspartei hielt sich unter dem Einfluß des Fraktionsführers Scholz, der nach rechts neigte, abseits. Trotzdem trat Stresemann als Außenminister in die neue Regierung ein, was ihn in mancherlei Gegensatz zu seiner Fraktion brachte. Die Demokraten ent80
sandten übrigens in diese Regierung als Reichswehrminister den General Groener, der nun eine bleibende Figur im Abwehrkampf der Weimarer Republik werden sollte.
Abschied von Marx Das Reichsministerium für die besetzten Gebiete wurde von der Reichskanzlei abgetrennt und dem Reichsverkehrsminister von Guerard (Zentr .), einem besonders erfahrenen Parlamentarier, nebenamtlich übertragen. Der Tag des Regierungswechsels war der 28. Juni. Für das Reichsministerium für die besetzten Gebiete bedeutete er den Abschied von Wilhelm Marx, dem das Ministerium ein dankbares Gedenken bewahrte. Am gleichen Tag schenkte mir der scheidende Reichskanzler sein Bildnis mit einer freundlichen Widmung.
Nationalsozialisten unterFraktionsstärke Hauptleidtragende bei der Reichstagswahl vom 20 Mai waren die Nationalsozialisten. Sie erreichten nur 12 Mandate; in der letzten Wahl vom Dezember 1924 hatten sie noch 14 Mandate zu verzeichnen. Sie blieben also unter Fraktionsstärke (15 Mandate). Dabei hatten sie seit der Neugründung der Partei über drei Jahre eine sich ständig steigernde und zuletzt unüberbietbare Propaganda entfaltet. Ich erinnere mich, damals in Eingaben an das Rheinministerium Schreiben des nationalsozialistischen Fraktionsvorsitzenden Frick an die Gesuchsteller gelesen zu haben, in denen er unter Hinweis auf die fehlende Fraktionsstärke die Parteigenossen auf spätere Zeiten vertröstete. Das Wahlergebnis zeigt, daß die nationalsozialistische Partei bis zur Massenarbeitslosigkeit der Weltwirtschaftskrise kein organisches Wachstum aufzuweisen hatte. Nur diese Massenarbeitslosigkeit hat 1930 die Partei gewissermaßen eruptiv hochgetragen. Ohne sie wären die Nationalsozialisten aller Wahrscheinlichkeit nach eine unbedeutende rechtsradikale Gruppe geblieben.
Stresemann in Paris zum Kriegsächtungspakt Ein einziges Mal im Jahr 1928 ist Stresemann stärker in Erscheinung getreten: am 27. August in Paris bei der Unterzeichnung des Kriegsächtungspaktes. Dieser Pakt, aus der Initiative von Briand und des amerikanischen Staatssekretärs Kellogg hervorgegangen, verpflichtete die vertragschließenden Regierungen, auf den Krieg als Mittel der nationalen 6 Eugen Mayer
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Politik zu verzichten und alle Konflikte auf friedlichem Wege zu bereinigen. Stresemann trat von vornherein mit leidenschaftlicher Hingabe für die Idee des Paktes ein. Die Bedeutung der Paktunterzeichnung ließ ihn trotz seines leidenden Zustandes die Reise nach Paris unternehmen. Er machte diese Reise im Beisein kontrollierender Arzte, die selbst bei seinen Besprechungen im Vorzimmer Wache hielten. Er hatte Unterredungen mit Briand und dann - zum ersten Male - mit Poincan!. Der Eindruck, den der kranke Staatsmann auf seine Gesprächspartner machte, war tief. Er fand auch grundsätzliches Verständnis für seine Hauptforderung der alsbaldigen Räumung der besetzten Gebiete. Er bereitete so eine günstige Atmosphäre für die Verhandlungen des nächsten Jahres vor. Hermann Müller vertritt S tresemann in Genf: fordert Räumung
Stresemann mußte sich bei der September-Session 1928 der Völkerbundsversammlung aus gesundheitlichen Gründen von Reichskanzler Hermann Müller vertreten lassen.· Der Reichskanzler handelte in Genf getreu der mit Stresemann vorher getroffenen Absprache. Er verlangte die alsbaldige Räumung der besetzten Gebiete und stieß hierwegen mit Briand zusammen. Doch einigte man sich dahin, daß die Reparationsfrage im nächsten Jahr endgültig geregelt werden solle, was dann auch den Weg zur Rheinlandräumung freigeben würde. Noch in Genf beschlossen die Vertreterder Hauptgläubigerstaaten undDeutschlandsfür dieZwecke der endgültigen Reparationsregelung die Einsetzung eines Ausschusses unabhängiger Finanzsachverständiger. Bis zum Anfang des Jahres 1929 waren diese Sachverständigen auch bereits ernannt. Kontrolle der entmilitarisierten Zone in Diskussion
Schon bei der Session der Völkerbundsversammlung hatte sich gezeigt, daß für die Franzosen bei den kommenden Räumungsverhandlungen die Frage der Kontrolle der entmilitarisierten Zone eine große Rolle spielen würde. In beiden Lagern kam über diese Frage und ihre denkbaren Modalitäten eine lebhafte Diskussion in Gang, die sich bis zur Haager Konferenz des nächsten Jahres erstreckte. Auch das Rheinministerium stellte die ihm nahestehenden Zeitschrift "Rheinischer Beobachter" für diese Diskussion zur Verfügung. Ich selbst habe - wegen meiner Amtsstellung unter einem Pseudonym - im Rheinischen Beobachter mehrere Studien über das Entmilitarisierungsproblem veröffentlicht. Es 82
war bereits zutage getreten, daß es den Franzosen darauf ankam, auch nach einer vollzogenen Räumung der besetzten Gebiete auf irgendeine Weise die Aufspürung (Investigation) und Feststellung etwaiger deutscher Verstöße gegen die Entmilitarisierungsverpflichtungen durch zutrittsberechtigte alliierte Organe mit dem Sitz im vormals besetzten Gebiet sicherzustellen. Wir wandten deshalb dieser für die künftige deutsche Freiheit lebenswichtigen Problematik ein besonderes Augenmerk zu. Schilderhebung Bugenbergs
Neben der Krankheit Stresemanns traf im Herbst die Weimarer Republik ein zweiter Schlag. Die Deutschnationalen, die zweitgrößte Partei des Reichstags, wählten im Oktober an Stelle des maßvollen Grafen Westarp den finanzstarken Mann der Wirtschaft und Presse Geheimrat Alfred Bugenberg zu ihrem Vorsitzenden und statteten ihn hierbei mit besonderen Vollmachten aus. Bugenberg war ein ausgesprochener Reaktionär, ein sturer Vertreter der Restauration der Hohenzollernmonarchie im alten Stil. Der Sturheit rühmte er sich selbst im Reichstag. Bugenberg war entschlossen, die Rechtsopposition zu schärfstem, rücksichtslosem Kampf gegen die Regierungspolitik, die er einfach "das System" nannte, zusammenzufassen. Walter Görlitz berichtet in seinem Buch "Gustav Stresemann" (AhrenVerlag, Heidelberg 1947, S. 268), einer der engsten Mitarbeiter Stresemanns habe Bugenberg einmal mit einer politischen Rechenmaschine verglichen, die nur eines kannte: kaltsinniges Machtstreben. Ende der "ruhigeren Jahre"
Mit dem Jahr 1928 schließen wir unseren Abschnitt "Ruhigere Jahre". Die ernste Erkrankung Stresemanns und die neue Machtstellung Bugenbergs deuten auf eine unruhevolle Entwicklung hin. Unser letzter Abschnitt faßt diese Entwicklung zusammen: "Neue Krise und Weg zum Ende".
Dritter Abschnitt
Neue Krise und Weg zum Ende: 1929-1932 1929 Krankheit Stresemanns verschlimmert sich Die schwere Krankheit Stresemanns nimmt im Jahr 1929 immer bedrohlichere Formen an. Sie zwingt ihm fortlaufend Einschränkungen seines Wirkens auf. Ausarbeitung des Young-Plans Dabei war das Jahr 1929 das Jahr der endgültigen Neuordnung der Reparationen. Schon im Februar trat in Paris der Ausschuß der unabhängigen Sachverständigen zusammen, dessen Gutachten die Neuordnung bringen sollte. Unter dem Vorsitz des amerikanischen Wirtschaftsführers Owen D. Young arbeiten in diesem Ausschuß von deutscher Seite Reichsbankpräsident Schacht und Generaldirektor Vögler mit. Schacht war nicht bloß Mitarbeiter von Y oung, sondern infolge der lediglich dirigierenden Arbeitsweise von Young teilweise sogar der Verfasser des Textes des Young-Planes, wie das Gutachten allgemein genannt wurde. Später erhielt es den amtlichen Namen "Neuer Plan". Nach dem Rücktritt des Generaldirektors Vögler nimmt dessen Stelle Geheimrat Kastl ein. Die Namen Schacht und Kastl stehen unter dem fertigen Gutachten des Sachverständigen-Ausschusses vom 7. Juni 1929. Dritte Regierung Hermann Müller mit Großer Koalition Wirth Rheinminister Die Regierung Hermann Müller paßte sich der besonderen Bedeutung des Jahres 1929 an. Das zweite Kabinett Hermann Müller (Juni 1928 bis April 1929) war durch das Fernbleiben der DVP ein ausgesprochenes Minderheitskabinett. Hermann Müller gelang es jetzt, seine dritte Regierung auf der Grundlage der Großen Koalition zu bilden, so jedoch, daß 85
eine Bindung an ein festes Koalitionsprogramm unterblieb. Eine wesentliche .A.nderung des Kabinetts bestand auch darin, daß Altreichskanzler Josef Wirth als hauptamtlicher Leiter des Reichsministeriums für die besetzten Gebiete bestellt wurde. Man wollte damit dem Umstand Rechnung tragen, daß im Zusammenhange mit der endgültigen Regelung der Reparationen die Totalräumung der besetzten Gebiete kommen sollte. Diese Räumung war ein Hauptanliegen Stresemanns, für dessen Wahrnehmung er in Wirth einen tatkräftigen Kampfgenossen erhielt. Dies lag um so näher, als Wirth als entschlossener Verständigungspolitiker einen ähnlichen europäischen Ruf hatte wie Stresemann, mit dem er sich auch innerlich verbunden fühlte. Er hatte außerdem in der Zeit seiner Reichskanzlerschaft (Mai 1921 bis November 1922) einen großen Weitblick bewiesen und auch schwierige Situationen mit Gewandtheit zu meistern gewußt. Dieser temperamentvolle Kampfgefährte mit seiner packenden Beredsamkeit bedeutete für die Position Stresemanns eine wesentliche Verstärkung. Das Reichsministerium für die besetzten Gebiete hatte seit seiner Gründung im August 1923 nur einmal - eben bei seiner Gründung - einen hauptamtlichen Minister in der Person des Oberpräsidenten der Rheinprovinz Fuchs gehabt. Nach dessen Rücktritt im November 1923 war das Ministerium bis zur Berufung von Wirth nebenamtlich verwaltet worden. Minister Wirth war ich in der Zeit seiner Reichskanzlerschaft nicht nähergekommen. Nun, da er hauptamtlicher Rheinminister geworden war, wurde ich als politischer Referent des Ministeriums von ihm mit seinem besonderen Vertrauen beehrt. Schärfste Opposition gegen Young-Plan
Der Young-Plan stieß sofort nach seiner Bekanntmachung auf die wütende Opposition der Deutschnationalen und der Nationalsozialisten. Daß die Rechtsopposition jetzt von vorneherein äußerst heftige Formen annahm, war teilweise auf das persönliche Konto von Bugenberg und Hitler zu setzen. Teilweise erklärt es sich aber daraus, daß im YoungPlan mit der in ihm vorausgesetzten Totalräumung der besetzten Gebiete ein großes Werk der Stabilisierung der deutschen Verhältnisse im Entstehen begriffen war, das von den Feinden dieser Stabilisierung äußersten Widerstand verlangte. Dabei ist zu beachten, daß die Weltwirtschaftskrise mit ihrer Massenarbeitslosigkeit erst im Jahr 1930 einsetzte, für die Opposition im Jahre 1929 also noch nicht verwendbar war.
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Schattenseiten des Y oung-Plans
Nun bot tatsächlich der Young-Plan der Demagogie einen gewichtigen Ansatzpunkt. Es waren dies die 59 Annuitäten, die er Deutschland bis in das Jahr 1988, also für zwei Generationen, auferlegte. Hundertzehn Milliarden Reichsmark waren es, wenn man diese Jahreszahlungen einfach zusammenrechnete. Dieser Punkt des Y oung-Planes wurde der Hauptschlager der Opposition, die durch die einseitige Darstellung in ihrer Hetzpresse die Bildung eines abwägenden Gesamturteiles über den Y oungPlan zu verhindern nicht ohne Erfolg bestrebt war. Y oung-Plan und Dawes-Plan
Der Young-Plan als Ganzes konnte aber vor jeder sachlichen Kritik bestehen. Er fand den Dawes-Plan vor, der in dem mit August 1929 ablaufenden 5. Annuitätsjahr Deutschland mit einer Jahreszahlung von 2,5 Milliarden Reichsmark belastete. Da dieses fünfte Jahr als Normaljahr weitergalt, mußte Deutschland diese hohe Jahreszahlung so lange weiter leisten, bis eineNeuregelung vereinbart war. Vorzüge des Y oung-Plans
Die Vorzüge des Young-Planes waren unleugbar. Zunächst brachte er für zehn Jahre eine Ermäßigung der Jahreszahlungen um insgesamt 7 Milliarden Reichsmark. Die Jahreszahlungen stiegen dann allerdings; sie erreichten erst im 37. Jahr rund die Jahreszahlung des fünften Dawes-Plan-Jahres, um von da ab während 22 Jahren zu sinken, zuletzt auf 900 Millionen Reichsmark. Der Y oung-Plan brachte aber - das war die Hauptsache - für Deutschland die völlig neue Rechtsstellung der grundsätzlichen Gleichberechtigung. Die ausländischen Kontrollen der Reichsbank, der Reichswährung und der Reichsbahn verschwanden, ebenso der amerikanische Generalagent für die Reparationszahlungen und die Reparationskommission selbst. An die Stelle des Generalagenten und der Reparationskommission trat die neu zu gründende Bank für den Internationalen Zahlungsausgleich in Basel, bei der Deutschland gleichberechtigter Teilhaber war. Deutschland trat, mit anderen Worten, aus der Vormundschaft in die Mündigkeit über. Für Streitfälle blieb ein Schiedsgericht maßgebend.
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MOratoriums-Befugnis
Im Hinblick auf die lange Geltungsdauer des Neuen Planes (59 Jahre) erhielt Deutschland für den Fall unverschuldeter Zahlungsschwierigkeiten das Recht, von sich aus ein zweijähriges Moratorium für seine Verbindlichkeiten auszusprechen. Ein Beratender Sonderausschuß, dem Deutschland gleichberechtigt angehörte, hatte dabei nach dem Rechten zu sehen. Wenn man vergleicht, welches Unheil die von Frankreich beherrschte Reparationskommission mit dem Ruhreinbruch des Jahres 1923 durch einseitige Anschuldigung Deutschlands herbeiführen konnte, dann vermag man den Abstand zu ermessen, der zwischen der Reparationsregelung des Versailler Vertrages und der des Young-Planes festzustellen war. Konstruktive Grundgedanken des Y oung-Plans
Der Young-Plan ging davon aus, daß Deutschland seine Leistungen aus den Überschüssen seiner Wirtschaft bewirken könne. Diese Auffassung war zur Zeit der Konzeption des Young-Planes (Frühjahr 1929) berechtigt und jedenfalls seitens der Gläubiger Deutschlands ehrlich gemeint. Nach der Meinung der Sachverständigen sollte die Bank für den Internationalen Zahlungsausgleich den Welthandel und damit auch die deutsche Wirtschaft fördern. Die Zusammenarbeit der Reparationsgläubiger und des Schuldners Deutschland sollte in dieser Bank vermöge einer Art Reparationssolidarismus der Weltwirtschaft und der deutschen Wirtschaft gleichzeitig zugute kommen. Deutschland sollte dabei im Ausland neue Betätigungsfelder für seine Wirtschaft finden. Beachtlich war schließlich, daß nach dem Y oung-Plan die Reparationsverpflichtungen Deutschlands mit den politischen Kriegsschulden seiner Gläubiger in eine Verbindung gebracht wurden, zufolge deren die Erleichterungen, die die Gläubiger Deutschlands seitens ihrer Gläubiger, vor allem seitens der USA finden würden, zur Ermäßigung der deutschen Reparationen führen sollten. Daß alles dies durch die in keiner Weise vorhergesehene Weltwirtschaftskrise der nächsten Jahre völlig anders geworden ist, ändert nichts an den genannten Feststellungen über den ursprünglichen Sinn des Young-Planes. H aager Reparationskonferenz
Es galt nun, den Young-Plan in die Wirklichkeit umzusetzen. Das erforderte, wie 1924 beim Dawes-Plan, eine internationale Konferenz. Die
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Konferenz wurde nach dem Haag einberufen, der Hauptstadt der an den Reparationen nicht beteiligten Niederlande, also eines in dieser Beziehung neutralen Staates. Die Vorbedingungen für diese Konferenz waren günstig. Im Juni hatte in England Macdonald sein zweites Labour-Kabinett mit Arthur Henderson als Außenminister bilden können. Die LabourPartei war entschieden für eine Neuregelung der Reparationen und für baldige Totalräumung der besetzten Gebiete. In Frankreich war Poincare wegen Krankheit im Juli zurückgetreten. Briand erhielt zum Außenministerium die Ministerpräsidentschaft und damit eine vorher nicht besessene Bewegungsfreiheit. August-Konferenz im Haag
So konnte die Haager Konferenz zu ihrem ersten Abschnitt am 5. August 1929 zusammentreten, merkwürdiger Weise zu dem gleichen Monatsdatum, an dem fünf Jahre früher (1924) die Londoner Konferenz für den Dawes-Plan begann. Man teilte den Stoff der Konferenz wegen seiner Kompliziertheit in zwei Abschnitte; der zweite Abschnitt sollte im Januar 1930 nachfolgen. Deutschland war vertreten durch die Minister Stresemann, Wirth, Hilferding (Finanzen), Curtius (Wirtschaftsminister) und den Reichsbankpräsidenten Schacht. Wirth hatte als Rheinminister zu Beratern den Grafen Adelmann, den Ministerialdirektor Miller (Leiter der Abteilung li des Rheinministeriums), mich als politischen Referenten und als Pressereferenten Dr. Broermann. Deutschland gleichberechtigt
Entsprechend der deutschen Stellung als gleichberechtigte Großmacht wurden wir im Haag in jeder Hinsicht auf dem Fuß der Rechtsgleichheit behandelt. So wurden wir von der Königin Wilhelmine mit sämtlichen Delegierten und Experten der Konferenz feierlich empfangen. Die Delegation des Rheinministeriums wohnte im Vorort Scheveningen im Palasthotel, wo auch die englische Delegation ihr Quartier hatte. Stresemann war mit den Herren des Außenministeriums ebenfalls in Scheveningen, im Hotel Oranien, untergebracht. Die formellen Sitzungen der Gesamtkonferenz fanden im historischen Rittersaal im Haag selbst statt.
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"Het Vaderland" im Palast-Hotel
Für das Palast-Hotel bitte ich ein kleines Detail einschalten zu dürfen. Das Hotel steckte allmorgendlich die große Haager Tageszeitung "Het Vaderland" als Präsent des Hotels in die geputzten Schuhe seiner Gäste. Ich sah mir die Zeitung an und konnte feststellen, daß man, bei der nahen, dialektartigen Verwandtschaft der niederländischen Sprache mit der deutschen, mit Hilfe eines kleinen Wörterbuchs das Blatt leicht lesen konnte. Die Zeitung berichtete täglich ausführlich über das Konferenzgeschehen, auch über solche Sitzungen und Besprechungen, die uns Deutschen nicht zugänglich waren. So konnte ich Minister Wirth morgens über die gesamte Konferenzarbeit des Vortages unterrichten, was für den neuen Arbeitstag nützlich war. Reparationsfragen im einzelnen
Die Verhandlungen der Konferenz waren kompliziert, was durch die Verschiedenheit der materiellen Interessen der einzelnen Staaten bedingt war. Es ging um Geldfragen, bei denen sich die Delegierten zähe für ihre besonderen Interessen einsetzten. Der englische Schatzkanzler Snowden erlangte durch seine Hartnäckigkeit im Verhandeln geradezu Berühmtheit. Er scheute den Ruf der Kleinlichkeit keineswegs. Für den Bereich des Rheinministeriums erlangten zwei Fragen besondere Bedeutung, die Fragen der Entmilitarisierungskontrolle und der Totalräumung der besetzten Gebiete. Kontrolle der entmilitarisierten Zone: Briands Forderung
In dem Jahresabschnitt 1928 wurde bereits (s. oben S. 82/83) auf die umfängliche Kontroverse hingewiesen, die das Bestreben der Franzosen, auch nach dem Abzug der Besatzungstruppen in den besetzt gewesenen Gebieten einen irgendwie gearteten Kontrollorganismus zu besitzen, hervorgerufen hatte. Es war zu erwarten, daß die Franzosen im Haag diese Forderung mit größtem Nachdruck vorbringen würden. Briand wollte zunächst "ständige Einheiten" (elements stables) in den besetzten Gebieten behalten. Er verlangte dafür keine größeren, aber immerhin solche Einheiten, die in der Lage wären, die Entmilitarisierungskontrolle von sich aus durchzuführen und im Anschluß daran gegebenenfalls weitere Maßnahmen gegen Deutschland zu veranlassen. In Berlin verbreitete sich, von den Verdächtigungen der Rechtsopposition abgesehen, auch in ande90
ren Kreisen die Befürchtung, wir im Haag würden, um die Totalräumung der besetzten Gebiete zu erzielen, in der Frage der Entmilitarisierungskontrolle nachgeben. SOS-Telegramme trafen aus Berlin ein. Der führende Reichstagsabgeordnete Brüning erschien persönlich, um sich nach dem Stand der Sache zu erkundigen. Auch der Reichskommissar für die besetzten Gebiete Frh. Langwerth von Simmern, der bekannte Reichstagsabgeordnete Hermann Hofmann (Ludwigshafen) und andere politische Persönlichkeiten kamen, um auf eine günstige Lösung hinzuwirken. Deutscher Widerstand gegen Kontrolle
Wir von der Delegation des Rheinministeriums waren im Bund mit dem Außenministerium von Anfang an entschlossen, dieser französischen Forderung nicht die geringste sachliche Konzession zu machen. Wir Deutschen wollten nichts anderes als die vollständige und endgültige Räumung. Wohl hörte man von der französischen Seite her Stimmen, wir sollten bedenken, daß die gewünschten Kontrolleinheiten auch gegen die Deutschnationalen und Nationalsozialisten, wenn diese ans Ruder kämen, einen Schutz für die Weimarer Republik bedeuten würden. Solchen Einflüsterungen gegenüber blieben wir unzugänglich. Wir erklärten, wir seien Deutsche und nichts anderes. Deutsche Scheinkonzession
Die Minister Stresemann und Wirth ließen sich schließlich auf eine nur formelle Konzession ohne jede materielle Bedeutung ein: nach dem Abzug der Besatzung könne bei etwaigen Beschwerden der Franzosen über deutsche Verstöße gegen die Entmilitarisierungsverpflichtungen die in einer Schiedsgerichtsordnung zum Locarno-Pakt vorgesehene paritätische deutsch-französische Ausgleichskommission angerufen werden. Die Franzosen hatten diese Befugnis, die Ausgleichskommission anzurufen, schon kraftdes Locarno-Paktes. Briand verlangte, um das Gesicht zu wahren, diese Befugnis noch schriftlich zu bestätigen. Diese Bestätigung wurde ihm erteilt. Neue Rechte erlangten die Franzosen dadurch nicht. In den letzten Tagen .des August war bei Briand eine abschließende Besprechung über diese Frage mit den Ministern Stresemann und Wirth. Ministerialdirektor Gaus, der Leiter der Rechtsabteilung des Außenministeriums, und ich saßen im Vorzimmer bereit, falls sich noch Schwierigkeiten ergeben würden. In einer Gesprächspause kamen unsere Minister zu 91
uns heraus, weil die Franzosen noch eine kleine Textänderung verlangt hatten. Sie gaben uns den Text zur Prüfung. Gaus und ich stellten nach Einsichtnahme in den Text fest, daß die Änderung rechtlich belanglos sei und akzeptiert werden könne. Wirthund Stresemann zur öffentlichen Meinung in Deutschland Bevor die Minister zu Briand zurückgingen, sagte Minister Wirth zu uns hin: "Nun werden die Deutschen doch zufrieden sein." Stresemann meinte dagegen mit wehmütigem Blick: "Die Deutschen sind nie zufrieden." Es waren die letzten Worte, die ich aus dem Munde von Stresemannhörte. Briand widerstrebt dem Räumungstermin In der Frage der Totalräumung ging es um die Vorverlegung der Räumung um mehr als fünf Jahre, da erst am 10. Januar 1935 die Räumung der letzten Besatzungszone nach dem Friedensvertrag fällig war. Der Young-Plan ging von der Voraussetzung aus, daß die besetzten Gebiete geräumt würden. Er enthielt aber in dieser Beziehung keine Bestimmungen, so daß Deutschland auf eine gütliche Einigung mit den Besatzungsmächten angewiesen war. Briand machte Schwierigkeiten über Schwierigkeiten. Aber er hatte, da er selbst Ministerpräsident war, keinen Poincan~ hinter sich, auf dessen Starrsinn in der Verteidigung französischer Rechtstitel er sich hätte berufen können. Stresemann und Wirth drängten ihn heftig und unaufhörlich, einen nahen Räumungstermin endlich zuzusagen. H enderson will Räumung Die Wende kam von der englischen Seite. Der englichse Außenminister Arthur Henderson erklärte, England wolle seine Besatzungstruppen unter allen Umständen zurückziehen. Um diese Einstellung zu stärken, erklärten wir uns bereit, bei freiwilliger Räumung auf alle Schadensersatzrechte zu verzichten, die uns nach der vieljährigen Abnützung unseres Eigentums in den Kasernen, Offizierswohnungen usw. zustünden und die insgesamt hohe Beträge ausmachten. Dieser Verzicht (engl. waiving) spielte bei den weiteren Verhandlungen eine beträchtliche Rolle. Die Haltung Belgiens war ähnlich wie die englische. 92
Räumungstermin: 30. Juni 1930 In den letzten Tagen der Konferenz spitzte sich das Ringen um den Räumungstermin zu einer dramatischen Auseinandersetzung der Minister zu, die im Palasthotel vor sich ging. Wir Experten der Deutschen Delegation, die im Palasthotel wohnten, konnten in den Nachbarzimmern des Konferenzsaales, in dem die Minister sich zur Entscheidung stellten, beinahe als Tatzeugen gelten. Stresemann hatte zuvor in einem Brief an Briand seinen Rücktritt als Außenminister angedroht, falls Briand jetzt nicht den endgültigen Räumungstermin bekanntgebe. Henderson erklärte, England werde, wenn Frankreich nicht mitmache, allein abziehen. Frankreich geriet, da auch Belgien die Räumung wollte, in die Gefahr, isoliert im Rheinland zurückzubleiben, eine Lage, die es unter allen Umständen vermeiden wollte. So kam es schließlich zum Nachgeben Briands, der nun den 30. Juni 1930 als endgültigenRäumungstermin zusagte. Diesbedeutete für Stresemann einen großen Triumph, den er unter Aufbietung aller ihm verbliebenen Kräfte errungen hatte. Echo am Rhein Am Rhein aber brach ein lauter Jubel aus, vor allem in der dritten und letzten Besatzungszone (Mainz, Wiesbaden, Trier, Pfalz). Die zweite Besatzungszone (Koblenz, Aachen), für die die Räumung nach dem Friedensvertrag ohnehin schon am 10. Januar 1930 fällig war, wurde bereits Ende 1929 geräumt. Die Interalliierte Rheinlandkommission verlegte ihren Sitz von Koblenz nach Wiesbaden. August-Abschluß im Haag Nun konnte am 30. August 1929 das Räumungsabkommen abgeschlossen werden, das alles Nähere festlegte. Am folgenden Tag, dem 31. August, beendigte die Haager Konferenz ihren ersten Tagungsabschnitt mit einem Schlußprotokoll über die grundsätzliche Annahme des Y oung-Plans. Am letzten Tag veranstaltete man im Hotel Stresemanns für alle Mitglieder der Deutschen Delegation ein Abschiedsessen zu Ehren des Ministers. Man wurde aber des großen Erfolges, den der Minister errungen hatte, nicht froh. Sein Platz an der festlich geschmückten Tafel blieb leer. Die Arzte hatten ihm die Teilnahme widerraten. 93
Pariser Sachverständigen-Besprechungen
In den folgenden Monaten wurden in Paris die noch zweifelhaften Fragen des vielschichtigen Reparationsproblems von Sachverständigen der beteiligten Regierungen weiterbehandelt. Die deutschen Sachverständigen der Reichsministerien standen unter der Leitung des Staatssekretärs Schäffer vom Reichswirtschaftsministerium. Ich nahm an den Arbeiten als Vertreter des Ministers Wirth teil. Diese Pariser Besprechungen hatten die Aufgabe, für die Januarkonferenz im Haag beschlußreife Formulierungen für die noch offenen Fragen auszuarbeiten, eine Aufgabe, die unter schwierigen Auseinandersetzungen zeitgerecht gelöst wurde. Stresemann und Briand feiern in Genf die Europa-Idee
Stresemann begab sich trotz seines leidenden Zustandes nach Genf zu der Septembersession der Völkerbundsversammlung. Hier entwickelten Briand und Stresemann, ihrer Zeit weit vorauseilend, in grandioser Schau ihre Gedanken über ein geeintes Europa der Zukunft. Dieses Europa sollte seine Staaten in einem Zollverein zusammenfassen, in dem einheitliche Währung, einheitliches Maß und Gewicht, einheitliches Handelsrecht gelten würden. Eine lückenlose Friedensordnung sollte für alle zukünftigen Streitfälle eine gütliche Lösung vorsehen. Stresemann hielt seine berühmte Europa-Rede am 9. September, fast genau drei Jahre nach dem Einzug Deutschlands in den Völkerbund und seiner damaligen in die Zukunft weisenden Antrittsrede. Stresemann und das Y oung-Plan-Volksbegehren
Nach seiner Rückkehr nach Berlin war Stresemann im September fast immer an das Krankenzimmer gefesselt. Seine letzten Wochen wurden noch verbittert durch Schwierigkeiten mit seiner Fraktion und dem Fraktionsführer Scholz, besonders aber durch das Volksbegehren gegen den Young-Plan, das die Deutschnationalen, der Stahlhelm und die Nationalsozialisten mit dem Beistand Schachts in Gang setzten. Stresemann trug sich mit dem Gedanken, dem Reichspräsidenten die Niederlegung seines Ehrenvorsitzes im Stahlhelm anzuraten. Stresemann und die Jugend
Noch eine andere Sorge beunruhigte ihn, die Sorge um die Haltung der Jugend. Als ihm in den letzten Tagen sein Parteifreund Geheimrat Kalle 94
im Krankenzimmer einen Besuch abstattete, hörte man von der Straße her den Vorbeimarsch einer Jugendgruppe mit einem nationalistischen Lied. Stresemann sagte zu seinem Besucher: "Hören Sie? Die Jugend habe ich leider nicht gewonnen." Stresemanns Tod aus der Sicht von Paris
Am 3. Oktober starb Stresemann infolge eines Schlaganfalls. Ich war damals in Paris als Vertreter Minister Wirths bei den schon erwähnten Sachverständigen-Besprechungen zur Vorbereitung der Januarkonferenz im Haag. Als ich mittags im Restaurant aus den neuesten Zeitungen von dem Hinscheiden Stresemanns erfuhr, trat ein mir unbekannter Herr von einem Nachbartisch, der mich offenbar nach meinem bestürzten Gesichtsausdruck für einen Deutschen hielt, zu mir heran, um mir sein Beileid auszusprechen. Er sagte: "Nicht Sie allein haben Stresemann verloren, wir alle trauern um ihn." Am Abend besuchte ich ein führendes Lichtspieltheater, das einen Lehrfilm über amerikaaisehe Rechtspflege brachte. In der Pause gedachte der Rundfunk in bewegten Worten des großen Toten. Stresemann wurde als Friedensstifter (artisan de la paix) und als guter Europäer gewürdigt. Die Gedenkworte hätten beim Tode eines einheimischen Staatsmannes nicht ausdrucksvoller sein können. Was hätte Stresemann noch geleistet?
Für uns Deutsche lag die Frage nahe: Was hätte Stresemann noch alles erreicht, wenn ihm ein längeres Leben beschieden gewesen wäre? Die Frage läßt sich natürlich nur ganz allgemein beantworten. Stresemann stand im Leben vor zeitlich unaufschiebbaren Aufgaben. Die dringendsten waren die endgültige Regelung der Reparationen und die dadurch bedingte Totalräumung der besetzten Gebiete. Er hat diese Aufgaben erfüllt. Die nächste zeitbedingte Aufgabe, die sich nachdrängte, war die Saarfrage, für die der Versailler Friedensvertrag erst im Jahr 1935 die entscheidende Volksabstimmung vorsah. Hier waren die französischen Widerstände noch übermächtig, so daß kein Fortschritt erzielt wurde. Aber wir waren des guten Ausgangs der Abstimmung von 1935 sicher. Alle anderen dringlichen Zukunftsfragen waren nicht zeitgebunden. Es waren deren nicht wenige: die gleichberechtigte Eingliederung in em 95
allgemeines Abrüstungs- und Sicherheitssystem, die Revision der deutschen Ostgrenze mit Einschluß der Danziger Frage, der Schutz der deutschen Minderheiten im Ausland, die Wiedergewinnung unserer Kolonien. Stresemann hat sich in seinen Gedanken und Reden mit allen diesen Fragen immer wieder auseinandergesetzt. Es ist nicht möglich zu sagen, ob, wann und wie er diese Probleme im einzelnen hätte meistern können. Sicher waren aber einige wichtige Anhaltspunkte aus seiner außenpolitischen Gesamtkonzeption abzuleiten. Stresemann hätte alle Fragen streng im Rahmen des Völkerbundes und des Locarno-Paktes behandelt. Aus diesem Grunde ist weiter klar, daß er stets ein Einverständnis mit Frankreich und England zur Voraussetzung seiner Schritte gemacht hätte. Nur der gemeinsame Druck dieser beiden Großmächte war im Völkerbund stark genug, um mit der Zeit von Polen und anderen Seiten das nötige Entgegenkommen zu erreichen. Dies bedeutet, daß alle Fortschritte der Verständigungspolitik Stresemanns Zeit, Geduld und nötigenfalls die Bescheidung mit Zwischen- und Teillösungen erfordert hätten. Dafür wäre alles Erreichte ein Dauergewinn gewesen. Auf den trügerischen Glanz vergänglicher Scheinerfolge hätte Stresemann keinen Wert gelegt. Am Y oung-Plan-Volksbegehren scheiden sich die Geister
Von alledem wollte die Rechtsopposition nichts wissen. Sie strebte rücksichtslos danach, von allen internationalen Bindungen loszukommen, um die deutsche Zukunft ausschließlich nach ihren eigenen nationalistischen Auffassungen zu gestalten. Es war ein Erfolg dieser Opposition, daß ihr im September gelang, die gesamte Rechte mit Ausnahme der DVP in der Aktion des Volksbegehrens gegen den Y oung-Plan zusammenzufassen. Der Text des Volksbegehrens war von einer maßlosen Schärfe. Zuchthausstrafe wegen Landesverrates wurde für Minister angedroht, die neue Verpflichtungen gegenüber dem Ausland eingingen. Mit dieser Sprache erniedrigte sich Bugenberg auf das Niveau von Hitler. Die Hemmungslosigkeit dieser Demagogie kostete die Deutschnationalen allerdings den Verlust gemäßigter Elemente wie Treviranus u. a., die nun als Volkskonservative die Regierungspolitik unterstützten. Dafür konnten die Deutschnationalen ihrerseits den Gewinn der Sympathie von Schacht buchen, der mit völlig unzulänglicher Begründung nun gegen den von ihm mitgeschaffenen, ja teilweise mitverfaßten Young-Plan auftrat.
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Das Volksbegehren scheitert
Bei Würdigung dieser Gesamtlage im Dezember 1929 muß man bedenken, daß die Weltwirtschaftskrise mit ihren verheerenden Wirkungen erst im folgenden Jahr einsetzte. Das deutsche Volk hatte sich noch in seiner großen Mehrheit ein vernünftiges Urteil über den Young-Plan bewahrt. Das Volksbegehren fand im Reichstag nur eine geringe StimmenzahL In der Volksabstimmung im Dezember erreichte es nur 13,8 Ofo der Stimmberechtigen und verfiel damit der Ablehnung. Bugenberg fördert Hit/er
Für Hitler war das Volksbegehren ein großer Erfolg. Er wurde gesellschaftsfähig. Die Konstellation des Volksbegehrens wurde Vorbild und Vorspiel für die Harzburger Front im Oktober 1931 und auch für die Parteigruppierung, die schließlich den Sturz Brünings herbeiführte.
7 Eugen Mayer
1930 Raager Januar-Konferenz Im Januar trat die Haager Konferenz zu ihrer zweiten, abschließenden Tagung zusammen, die am 20. Januar mit einem Abkommen über die endgültige Annahme des Young-Plans abschloß, der nun den amtlichen Namen Neuer Plan erhielt. Curtius, Wirth, Tardieu im Haag Die personelle Zusammensetzung der Delegationen wies gegenüber der Augusttagung 1929 wichtige Änderungen auf. An Stelle Stresemanns war als neuer Außenminister sein Parteifreund Curtius getreten, dem Rheinminister Wirth zur Seite stand. Wirth hatte auch diesmal mich als seinen politischen Referenten zum Begleiter sowie als Pressereferenten Dr. Broermann. Die Französische Delegation hatte einen neuen Chef. Statt Briands, dessen Kabinett mittlerweile zurückgetreten war, kam Tardieu, Ministerpräsident und Außenminister, der einstige Berater Clemenceaus, der in seinem bekannten Buch "La Paix" den Vertrag von Versailles vor denjenigen Franzosen verteidigte, denen er gegen Deutschland nicht weit genug ging. Tardieu wirkte äußerlich wie ein Antipode von Briand. Er hat aber die im Haag im August erzielten Ergebnisse loyal anerkannt. Nachruf auf Stresemann Der englische Premierminister Macdonald eröffnete die Januartagung mit einem ergreifenden Nachruf auf Stresemann. Schon vom Tode gezeichnet, habe er seine letzten Kräfte aufgeboten, um das Werk der Konferenz zum guten Ziel zu führen. Man könne sein Andenken am besten ehren, wenn man, wie er, demAusgleich der nationalen Interessen und dem Werk des allgemeinen Friedens und Fortschritts diene.
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Wichtiges Thema: die Sanktionsfrage
Während die zahlreichen wirtschaftlichen und finanziellen Einzelfragen in den Arbeiten der Konferenz rasch gefördert wurden, erlangte für die Minister Curtius und Wirth eine Frage große Bedeutung, die man kurz die Sanktionsfrage nennen kann. Der Sanktions-Artikel des Versailler Friedensvertrages
Was hat zu geschehen, wenn Deutschland seine Reparationsverpflichtungen vorsätzlich nicht erfüllt? Ausgangspunkt war Art. 430 des Versailler Friedensvertrages, der bestimmte: "Stellt während der Besetzung oder nach Ablauf der oben vorgesehenen 15 Jahre die Reparationskommission fest, daß Deutschland sich weigert, die Gesamtheit oder einzelne der ihm nach dem gegenwärtigen Vertrag obliegenden Reparationsverpflichtungen zu erfüllen, so werden die in Art. 429 genannten Zonen sofort wieder durch alliierte und assoziierte Streitkräfte ganz oder teilweise besetzt." Der Young-Plan machte der Reparationskommission ein Ende. Außerdem war die Totalräumung der besetzten Gebiete zum 30. Juni 1930 bereits in der Augustkonferenz festgelegt worden. Es war vorauszusehen, daß die Franzosen und auch die anderen Gläubigerstaaten einen Ersatz für Art. 430 des Versailler Vertrages verlangen würden und daß Deutschland, um die Totalräumung nicht zu gefährden, sich über diese Frage mit den Gläubigerstaaten einigen müsse. Y oung-Plan-Volksbegehren verschärf/ die Lage
Die Lage war nun für die Deutsche Delegation durch das Y oung-PlanVolksbegehren von Bugenberg und Hitler erschwert worden. Die maßlose Sprache dieses Volksbegehrens führte bei der Französischen Delegation zu schärferer Formulierung des Sanktionsfalls. Man hörte französische Bemerkungen, es müsse gegen eine Regierung von Narren, die kommen könnte, eine Sicherung geschaffen werden. Gaus und ich beauftragt, eine Sanktionsformel auszuhandeln
Nach längeren Auseinandersetzungen im Kreise der Minister wurden Ministerialdirektor Gaus des Außenministeriums und ich von den Ministern Curtius und Wirth beauftragt, durch persönliche Verhandlungen mit 7•
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dem Generalsekretär des französischen Außenministeriums Philippe Berthelot eine geeignete Sanktionsformel zu erarbeiten. Verhandlungen mit Berthelot Auf dem Weg zum Hotel der Franzosen, wo die Verhandlungen stattfinden sollten, erklärte ich Gaus, daß ich bei den Verhandlungen mich stets seinem Vorgehen anschließen würde. Gaus war damit nicht einverstanden. Er wünschte, daß ich mich in die Verhandlungen einschalten solle, wenn er auf den toten Punkt gekommen sei. Es genüge ihm dann ein Stichwort von mir, um mir das Wort zu erteilen. Benhelot hatte nur einen Mitarbeiter an seiner Seite. Die Verhandlungen wurden französisch geführt. Dolmetscher waren nicht zugezogen. Frankreich verhandelte übrigens zugleich für Belgien, Großbritannien, Italien und Japan. Die von Berthelot vorgeschlagene Formulierung ging von dem Fall aus, daß in Zukunft eine deutsche Regierung sich entgegen der im Haager Abkommen enthaltenen feierlichen Verpflichtung zu Handlungen herbeilassen könnte, die ihren Willen beweisen, den Neuen Plan zu zerreißen. Gaus protestierte scharf gegen diese Formulierung, die er unmöglich annehmen könne. Der tote Punkt war bereits eingetreten. Ich sagte zu Gaus das Stichwort "Bedauern", worauf er mir das Wort erteilte. Ich erklärte, die Deutsche Regierung müsse bedauern, daß eine solche Eventualität in Betracht gezogen werde. Benhelot erwiderte, er verstehe, daß die Deutsche Regierung bedauere, daß solche Eventualitäten von den Gläubigerstaaten erwogen würden. Diese müßten sich aber für die Zukunft sichern, die ja bei der IangenLaufzeit desNeuenPlanes besondere Beachtung verdiene. Einigung über die Sanktionsformel Es kam, vorbehaltlich der Zustimmung der Minister, zu einer Einigung über eine Formulierung, die als Sanktionsabkommen in einer Anlage des Haager Abkommens vom 20. Januar 1930 niedergelegt wurde. Hiernach erklären die Gläubigerregierungen für den Zerreißungsfall, daß für sie eine neue Lage geschaffen wäre, der gegenüber sie schon jetzt alle rechtlichen Vorbehalte machen müßten. Sie würden selbst in diesem äußersten Fall, bevor sie einen Schritt tun, zum Zwecke der Feststellung und Würdigung der Tatsachen den Ständigen Internationalen Gerichtshof 100
im Haag mit der Frage befassen, ob die Deutsche Regierung Handlungen vollzogen habe, die ihren Willen beweisen, den Neuen Plan zu zerreißen. Die deutsche Erklärung lautete demgegenüber: Die Deutsche Regierung nimmt ihrerseits Kenntnis von der Erklärung der Gläubigerregierungen und bedauert, daß eine solche Eventualität in Betracht gezogen wird, die die Deutsche Regierung ihrerseits für unmöglich hält. Sie erklärt sich jedoch mit dem Verfahren vor dem Haager Gerichtshof einverstanden und erkennt an, daß die Gläubigerregierungen ihre volle Handlungsfreiheit wiedergewinnen, falls der Haager Gerichtshof die Frage bejaht, daß die Deutsche Regierung den Neuen Plan zerreißen wolle. Deutsches Vertrauen zum Ständigen Internationalen Gerichtshof
Die Reichsregierung hatte übrigens schon bei der Vorbereitung der Haager Konferenz in Berlin in Besprechungen, an denen auch das Rheinministerium mitwirkte, sich darauf festgelegt, daß der Ständige Internationale Gerichtshof im Haag für den Fall einer Sanktionsstreitigkeit eingeschaltet würde. Dieser Gerichtshof hatte unter seinen 15 Richtern auch ein deutsches Mitglied, den bekannten Völkerrechtler Prof. Walther Schücking. Der Gerichtshof hatte sich bereits ein hohes Ansehen erworben. Man war von deutscher Seite überzeugt, daß dieser Gerichtshof, der in dem von Carnegie gestifteten "Friedenspalast" im Haag seinen Sitz hatte, Gewähr dafür biete, daß Deutschland kein Unrecht geschehe. T alleyrand über gute Verträge
Am Schluß der Verhandlungen meinte Berthelot: "Wenn Talleyrand recht hat, dann ist unser Abkommen gut. Talleyrand sagte nämlich: "Ein Vertrag ist gut, wenn beide Teile unzufrieden sind." Ich sehe Ihnen an, daß Sie unzufrieden sind. Aber auch wir Franzosen sind unzufrieden. Wir verlieren unsere klare Sanktionsmöglichkeit des Versailler Friedensvertrages mit dem Rechte der Wiederbesetzung und tauschen dafür eine Sanktionsmöglichkeit ein, die jedenfalls schwer zu realisieren ist." Nachfragen in Paris und Berlin eingeschaltet
Die Minister Curtius und Wirth billigten den Entwurf des Sanktionsabkommens. Tardieu aber erklärte, die Konferenz müsse für einen Tag unterbrochen werden, da er in Paris die Zustimmung der Abgeordneten101
kammer für die Sanktionsformel einholen müsse. Daraufhin beauftragten mich die deutschen Minister, die im Haag blieben, in Berlin an dem eingeschalteten Unterbrechungstag die Zustimmung des Reichskabinetts herbeizuführen.
Reichskabinett billigt Sanktionsformel In Berlin hatte ich vor der Kabinettssitzung eine Aussprache mit Reichsverkehrsminister von Guerard, den ich aus der Zeit seiner nebenamtlichen Tätigkeit als Rheinminister kannte. Er überzeugte sich, daß unter den bestehenden Umständen das Sanktionsabkommen angenommen werden müsse. In der Kabinettssitzung, die Reichskanzler Hermann Müller leitete, fanden unser Entwurf und meine Darlegungen zunächst eine kühle Aufnahme. Man fürchtete offenbar innenpolitische Schwierigkeiten. Reichsminister von Guerard betonte, wie schon ich in meinem Vortrag, die größere Gefährlichkeit des Art. 430 des Versailler Vertrags. Das Kabinett erteilte dann seine Zustimmung.
Opposition tobt gegen Sanktionsformel Nach dem Abschluß im Haag und der Rückkehr der Deutschen Delegation nach Berlin eröffnete die "nationale Opposition" eine wütende Kampagne gegen das Sanktionsabkommen. Man warf der Deutschen Delegation vor, daß sie würdelos die deutschen Interessen verraten habe, um ja eine Revision des Young-Planes auch für die Zukunft zu hintertreiben.
Artikel im "Rheinischen Beobachter" beruhigt Im Auftrag von Minister Wirth verfaßte ich nun in größter Eile für die dem Rheinministerium nahestehende Zeitschrift Rheinischer Beobachter einen ausführlichen Artikel über die Lösung der Sanktionsfrage im Haag. Ich zeichnete den Artikel mit meinem Namen und ließ eine Schilderung der Verhandlungen im Haag einfließen. Als entscheidend legte ich dar, daß durch das Sanktionsabkommen der gefährliche Art. 430 des Versailler Vertrages mit seinem zeitlich unbegrenzten Wiederbesetzungsrecht der Siegermächte ausgeschaltet worden sei. Die bevorstehende Totalräumung der besetzten Gebiete sei gerade infolge des Sanktionsabkommens eine wirklich endgültige Befreiung. Ich erinnerte an die un102
selige Rolle der Reparationskommission im Jahre 1923, die den Ruhreinbruch der Franzosen und Belgier ermöglichte. Der Artikel wurde allen Reichstagsabgeordneten zugestellt und machte der Hetze gegen das Sanktionsabkommen schlagartig ein Ende. Reichstag billigt Y oung-Plan
Die Beratungen über die Haager Vereinbarungen im Reichstag standen unter Zeitdruck, da die Totalräumung der besetzten Gebiete zum 30. Juni 1930 nicht verzögert werden durfte. Sie führten zur Zustimmung des Reichstags mit über 70 Stimmen Mehrheit. Das Gesetz über die Haager Konferenz 1929/30 .vom 12. März 1930 setzte den Schlußstein. Regierung Hermann Müller tritt zurück
Die dritte Regierung Hermann Müller, die dieses Werk zustande brachte, beruhte auf der Grundlage der Großen Koalition. Diese besaß kein verbindliches Koalitionsprogramm. Die Gegensätze zwischen der DVP und der SPD hatten sich nach dem Tode Stresemanns beträchtlich verschärft. Bei einer bereits einsetzenden Verschlechterung der Wirtschaftslage stand man nun vor dem Zwang, den Young-Plan auch wirklich durchzuführen und die schon vorhandene Finanzkrise zu überwinden, die sich dieser Durchführung in den Weg stellte. Die Große Koalition strebte bei diesem Unternehmen auseinander. Die Regierung Hermann Müller gab den Kampf auf und trat am 27. März zurück. Die Krankheit des Reichskanzlers, der er im folgenden Jahr erlag, spielte auch dabei mit, daß bei den Sozialdemokraten der Wille zur Macht an Kraft verlor. Dies zu einem Zeitpunkt, in dem die DVP nach Stresemanns Tod, dessen kapitale Bedeutung immer offenbarer wurde, sich nach rechts zu entwickeln begann. Die Weimarer Republik trat damit in eine kritische Phase ein. Erste Regierung Brüning (Präsidialkabinett)
Schon drei Tage später, am 30. März 1930, trat Heinrich Brüning, der Fraktionsführer des Zentrums, der im Reichstag geschätzte Spezialist für Haushalts- und Finanzfragen, an die Spitze der neuen Regierung, der ersten Regierung Brüning, die bis zum Oktober 1931 im Amt blieb. Es war eine Minderheitsregierung der Mitte, an der einerseits die "natio103
nale Opposition", andrerseits die Sozialdemokraten nicht beteiligt waren. Der Reichskanzler war bei der Bildung seiner Regierung einem Rufe des Reichspräsidenten gefolgt. Diesen Ruf betrachtete Brüning als eine Grundlage seines Kabinetts. Er verfolgte das Ziel, die staatspolitischen Kräfte, wo immer sie zu finden seien, zu sammeln. In seiner Regierungserklärung vom 1. April fügte er hinzu, daß er in Übereinstimmung mit dem Reichspräsidenten gewillt sei, rasch vorzugehen und dabei alle verfassungsmäßigen Mittel einzusetzen. Gedacht war an das Notverordnungsrecht des Reichspräsidenten nach Art. 48 der Weimarer Verfassung, das auch Reichspräsident Ebert in Notzeiten angewandt hatte. Brüning selbst bezeichnete sein Kabinett nicht als Präsidialkabinett, welcher Begriff damals in Gebrauch kam. Die Konzeption Brünings war vielmehr auf die gleichzeitige Beachtung der Art. 53 CErnennungsreChte aes Reichspräsidenten) und 54 (Vertrauen des Reichstags) der Weimarer Verfassung ahgestell t, mit der Auslegung, daß die das Vertrauen gebende Reichstagsmehrheit jetzt von Fall zu Fall durch Erweiterung der Mitte nach rechts oder links gewonnen werden konnte. Eine solche Mehrheit war in jedem Fall unerläßlich. Eine Regierung ohne oder gar gegen eine Reichstagsmehrheit kam nicht in Frage. Die erklärte Bereitschaft des Reichspräsidenten, Notverordnungen nach Art. 48 zu erlassen, enthielt eine besondere Vertrauensbekundung für Brüning, die der Reichspräsident aus freien Stücken gewährte. Das persönliche Vertrauensverhältnis zwischen dem Reichspräsidenten und dem Reichskanzler gewann dadurch eine besondere Bedeutung.
Wirth Innenminister, Treviranus Rheinminister In der Regierung Brüning blieb Curtius Außenminister, während Wirth, bisher Minister für die besetzten Gebiete, in diese Regierung als Reichsminister des Innern eintrat. Das Reichsministerium für die besetzten Gebiete wurde dem Volkskonservativen Treviranus, einem Freund Brünings, der auch als Vertrauensmann des Reichspräsidenten gelten konnte, hauptamtlich übertragen. Meine Stellung als politischer Referent blieb bei Minister Treviranus die gleiche wie bei Minister Wirth.
Vertrauensverhältnis zwischen Hindenburg und Brüning Bei der besonderen Rolle des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Reichspräsidenten und dem Reichskanzler ist von Interesse, auf die Per104
sönlichkeit Brünings und die sich daraus ergebenden Grundlagen jenes Vertrauensverhältnisses hinzuweisen. Heinrich Brüning, Westfale, geboren am 26. November 1885 in Münster, hatte stets auf dem rechten Flügel des Zentrums gestanden. Dem Reichstag gehörte er seit 1924 an. Brüning war um 3 8 Jahre jünger als Hindenburg und hatte deshalb, im Gegensatz zu Reichskanzler Marx, mit Hindenburg wenig gemeinsame Tradition aus der Zeit der preußischen Monarchie. Nach gründlichen Universitätsstudien (Staatswissenschaften, moderne Sprachen) und Promotion hatte er längere Jahre als Berater der Christlichen Gewerkschaften gewirkt. Seine hervorragende Tätigkeit im Reichstag in Haushalts- und Finanzfragen wurde schon erwähnt. Was ihm Hindenburgs besonderes Vertrauen erwirkte, war seine vorbildliche Haltung im ersten Weltkrieg. Er hatte 1915, Hindernissen zum Trotz, seine Einberufung zum Militär durchgesetzt. Durch Tapferkeit, Umsicht und Tatkraft war er zum Frontoffizier der Maschinengewehrwaffe emporgestiegen. Bis zum Schluß des Krieges hatte er seine Kompanie, zuletzt gegen revolutionäre Einflüsse, fest zusammengehalten. Finanzkrise und Wirtschaftskrise
Die Finanzkrise, die Brüning vorfand, stand bereits im Zeichen einer beginnenden ernsten Wirtschaftskrise, die in den USA ihren Anfang genommen hatte. In zeitlichem, nicht in ursächlichem Zusammenhang mit dem Young-Plan war diese Krise entstanden. Ausgehend von einem New Yorker Börsenkrach im November 1929 war sie zunächst als eine gewöhnliche Konjunkturkrise angesehen worden, als Rückschlag auf eine von der Republikanischen Regierung der USA mit ihrem ständigen Prosperity-Programm durch Jahre hindurch geförderte Hochkonjunktur. Die Krise erwies sich jedoch ziemlich bald als eine tiefer begründete Strukturkrise, die die Grundlagen der Wirtschaft auf die Dauer verschlechterte und zum Wirtschaften auf einem endgültig gesenkten Niveau zwang. Infolge der zentralen Stellung der USA als des Kreditgebers für die halbe Welt griff die Krise rasch auf Europa über und traf besonders hart gerade Deutschland, das seit Jahren mit amerikanischen Krediten gearbeitet hatte. Der Rückruf und das Ausbleiben solcher Kredite führte zwangsweise in Deutschland zu Einschränkungen der wirtschaftlichen Tätigkeit und zu Betriebsschließungen. Steigende Arbeitslosigkeit war die Folge. Die öffentliche Hand hatte durch die Schrumpfung der Wirtschaft weniger Einnahmen und gleichzeitig mehr Ausgaben an Fürsorge. Das Jahr 1930 105
sah dieses unheilvolle Wechselspiel nur langsam anschwellen. Im ersten Jahr des Young-Planes minderte sich ja die Reparationsleistung Deutschlands von 2,5 auf 1,7 Milliarden Reichsmark, während gleichzeitig Deutschland in Verbindung mit dem Young-Plan neue ausländische Kredite von 1,5 Milliarden Reichsmark erhielt. Opposition gibt Young-Plan alle Schuld
Innenpolitisch wirkte sich die von den USA ausgehende Wirtschaftskrise sehr nachteilig aus. Die "nationale Opposition" benützte demagogisch das zeitliche Zusammentreffen des Y oung-Planes und der Wirtschaftskrise, um für die Krise ausschließlich die Erfüllungspolitik der Regierung und den Young-Plan verantwortlich zu machen. Ja die Weimarer Republik selbst und ihre Demokratie wurde als die Wurzel des Übels hingestellt. Die nun Wirklichkeit werdende Befreiung der rheinischen Gebiete von vieljähriger Besetzung ließ man aber nicht als Leistung des neuen Staates gelten, wobei der Opposition das geringe Verständnis mancher Kreise im unbesetzten Deutschland für das Befreiungswerk Stresemanns zustatten kam. Die Totalräumung: Befreiungsfeiern
Man kann sich heute nicht mehr vorstellen, mit welcher Sehnsucht und Freude nach elfeinhalbjähriger Besetzungsdauer die Bevölkerung der dritten Besatzungszone (Mainz, Wiesbaden, Trier, Pfalz) dem von Stresemann mühevoll errungenen Räumungstermin entgegensah. Nun kam der Befreiungstag. Man entschloß sich in Preußen, Bayern und Hessen, eine Landesbefreiungsfeier für den Befreiungstag selbst zu veranstalten. Im Juli sollte dann eine Reichsbefreiungsfeier folgen, die unter Teilnahme des Reichspräsidenten der Reihe nach in den Hauptstädten der besetzt gewesenen Gebiete begangen werden sollte. Landesbefreiungsfeier der Pfalz in Speyer
Rheinminister Treviranus entschied sich für die Teilnahme an der Landesbefreiungsfeier der Pfalz in ihrer Hauptstadt Speyer und bestimmte mich zu seiner Begleitung. Schon im Laufe des 30. Juni waren die Franzosen abgezogen. Die Mitternacht brachte die Befreiungsstunde. Leiter der Feier war der pfäl-
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zische Regierungspräsident Pfülf, selbst ein gebürtiger Speyerer. Am Abend war eine Abordnung der Bayerischen Staatsregierung und des Landtags aus München eingetroffen mit Ministerpräsident Held an der Spitze und Landtagspräsident Stang. Minister Treviranus wurde als Vertreter der Reichsregierung herzlich begrüßt. Der weite Platz vor dem Kaiserdom war für die Bevölkerung reserviert. Zu mehreren Tausenden hatten sich die Pfälzer eingefunden. Die Domfassade war festlich angestrahlt. Die Zeiger der Domuhr bewegten sich auf Mitternacht zu. Um Mitternacht erklang zunächst die historische große Domglocke in die Lande hinaus. Dann erteilte der Regierungspräsident der auf der nahen Rheinbrücke wartenden Bayerischen Landespolizei, die während der Besetzungszeit nicht zugelassen war, den Befehl zum Einmarsch. Die Truppe rückte zum Domplatz vor und spielte das Niederländische Dankgebet. Der Regierungspräsident hielt die Festrede, in der er vor allem den Pfälzern herzlich dankte, daß sie in der langen Besatzungszeit, in den schlechten wie in den etwas besseren Jahren, treu zu Reich und Bayern gestanden waren. An den Festakt schloß sich für die Nacht ein echtes Volksfest an. Die Polizeistunde war aufgehoben. Die örtlichen Brauereien hatten den Bierpreis stark gesenkt. In allen Lokalen war man bis zum frühen Morgen fröhlich beisammen. Am 1. Juli folgten dann Festgottesdienste im Dom und in der protestantischen Hauptkirche. Mittags vereinigte die Teilnehmer ein Festmahl. Minister Treviranus war von seinen Eindrücken in Speyer sehr befriedigt. Er lobte die bayerische Verwaltung für ihre Leistungen in der langen Notzeit.
Reichsbefreiungsfeiern In der dritten Juliwoche folgten dann die Reichsbefreiungsfeiern. Sie waren so angelegt, daß der Reichspräsident mit Gefolge, zu dem vom Rheinministerium Graf Adelmann und ich gehörten, der Reihe nach den Feierlichkeiten in Speyer, Mainz, Koblenz, Trier und Aachen beiwohnen sollte.
Reichsbefreiungsfeier in Speyer Die erste Station war Speyer. Der Reichspräsident besuchte den Kaiserdom und die Protestations-Gedächtniskirche. Am Dom empfing ihn Bischof Sebastian mit dem Domkapitel. In seiner Ansprache wies der 107
Bischof auf den Empfang hin, der den Kaisern der alten Zeit im Dom bereitet wurde. Staatsarchivdirektor Albert Pfeiffer, ein Mitglied der für ihre prominenten Söhne bekannten Speyerer Pfeiffer-Familie, hielt einen gehaltvollen, kurzen Vortrag über den Dom und geleitete den Reichspräsidenten zu den Kaisergräbern. Dem Reichspräsidenten gefiel der Vortrag so gut, daß er um eine Abschrifl: für Berlin zum "Nachlesen" bat. Beim Festakt im Rathaus hielt Oberbürgermeister Leiling eine zu Herzen gehende Ansprache, die mit den Worten schloß: "Es lebe unser Bindenburg!" Das anschließende Festmahl galt für Kenner als eine Spitzenleistung guter Organisation. Der Rathaussaal faßte nur wenige hundert Teilnehmer. Nun mußten für die ganze Pfalz die zahlreichen Persönlichkeiten, Stellen und Gruppen aller Art berücksichtigt werden, die sich in der langen Besatzungszeit verdienstvoll betätigt hatten. Zu einer berechtigten Beschwerde durfl:e kein Anlaß gegeben werden. Dies wurde auch erreicht. Das Festmahl verlief in ausgezeichneter Stimmung. Festliche Rheinfahrt des Reichspräsidenten
Dann ging es mit Wagen durch eine reizvolle Landschafl: über Neustadt a. d. Haardt und Dürkheim nach Ludwigshafen, wo sich die Herren der Bayerischen Staatsregierung, Ministerpräsident Held und Innenminister Stütze!, verabschiedeten. Der Reichspräsident bestieg nun für die Fahrt nach Mainz ein Festschiff, das die Rheinschiffahrts-Gesellschafl: zur Verfügung gestellt hatte. Das Schiff fuhr rheinabwärts an Worms vorbei, wo es den ersten Halt gab. Die zahlreichen Gemeinden am rechten und linken Rheinufer ließen es sich nicht nehmen, in sinnvoller Weise dem Reichspräsidenten zu huldigen, der sich immer wieder grüßend erhob. Die Reichsfeier in Mainz
Am späten Nachmittag kam man in Mainz an, wo ein Festbankett im Schloß einer würdigen Feier den Rahmen gab. Nicht erfreulich war, daß in der Nacht auf den Straßen politische Gegner sich Unfreundlichkeiten erw1esen. Hindenburg als Gast bei Reichskommissar Frh. Langwerth von Simmern
Anschließend wurde für den Reichspräsidenten eine Ruhepause von zwei Tagen eingelegt, die er in Eltville als Gast des Reichskommissars 108
für die besetzten Gebiete, Frh. Langwerth von Simmern, in dessen Landsitz verbrachte. Ich nahm dort an einem Abendessen im engsten Kreise teil, das der Reichskommissar für den Reichspräsidenten gab. Nach zehn Uhr abends begab sich der Reichspräsident zur Ruhe, nachdem sein Kammerdiener hinter ihm angetreten war. Hindenburg bemerkte trokken: "So weit hat man es als Reichspräsident gebracht, daß man auf Befehl ins Bett muß." Als Tischnachbar hatte ich den Sohn von Bindenburg, den eleganten OberstenOskar von Hindenburg, mit dem ich mich interessant über die Zerstörung der Pfalz im Jahre 1689 unterhielt. Er meinte, daß die Generäle, die den Zerstörungsbefehl aus Paris an Ort und Stelle ausführten, nur mit innerem Widerstreben Gehorsam geleistet hätten. Feier in Koblenz durch schweres Unglück getrübt
Die Feier in Koblenz hatte die Preußische Regierung in großem Rahmen gestaltet. Das Bankett fand in einem prächtig dekorierten Festzelt statt. Anschließend sah man eine glanzvolle Beleuchtung des auf dem rechten Rheinufer gegenüberliegenden Ehrenbreitsteins. Den Schluß bildete dort ein großes Feuerwerk. Leider endete dieses Feuerwerk mit einem großen Unglück. Die von dem Feuerwerk auf dem kürzesten Weg zum Bahnhof eilenden auswärtigen Besucher brachten eine dürftige Moselbrücke zum Einsturz. Um 20 Menschen ertranken. Der Reichspräsident, der von dem Unglück erst morgens erfuhr, nahm im Rathaus an einer Trauerfeier für die Todesopfer teil und verfügte die sofortige Heimfahrt nach Berlin. Die Besuche in Trier und Aachen mußten zum Leidwesen dieser in der Vergangenheit schwer geprüften Städte ausfallen. Hindenburg lobt die Feier in Speyer
Wenn der Reichspräsident später gefragt wurde, welche Feier ihn am besten gefallen habe, gab er ohne weiteres Speyer den Vorzug. Dort war alles so verlaufen, wie man es sich nur wünschen konnte. Er lobte die Bayerische Regierung für ihre umsichtige Planung. Hindenburg am Rhein gefeiert
Die Begeisterung der Bevölkerung für den Reichspräsidenten zeigte sich auf der Befreiungsreise allenthalben und bei jeder Gelegenheit. Es spram sich darin geradezu ein Herzensbedürfnis des Volkes nach einer 109
verehrungswürdigen obersten Persönlichkeit aus. Dagegen schien im Reich die Leistung der Verständigungspolitik, die eine um 4 1/2 Jahre frühere Befreiung der rheinischen Lande erreicht hatte, nicht gebührend empfunden und gewürdigt zu werden. Zu lange hatte sich seit dem Eintritt Deutschlands in den Völkerbund das Ringen um die Räumung hingezogen und nun hatte sich eine Wirschaftskrise schon angekündigt. Die "Nationale Opposition" hatte mit ihren haßerfüllten Angriffen gegen das "System" die Volksstimmung fühlbar beeinträchtigt. Während in den Befreiungsfeiern am Rhein sich frohes Leben entfaltete, spitzte sich bereits in Berlin die politische Entwicklung zu einer Krise zu. Auflösung des Reichstags
Die Regierung Brüning war bei ihrem Vorhaben, durch Notverordnungen des Reichspräsidenten unpopuläre Finanz- und Sparmaßnahmen durchzusetzen, auf den Widerstand nicht nur der "Nationalen Opposition" und der Kommunisten, sondern auch der Sozialdemokraten gestoßen. Diese mußten sich eigentlich darüber klar sein, daß, wenn sie durch Zusammenstimmen mit der "Nationalen Opposition" und den Kommunisten eine wichtige Notverordnung zu Fall brächten, die Auflösung des Reichstags folgen und dadurch angesichts der wachsenden Arbeitslosigkeit wahrscheinlich eine weniger günstige politische Situation herbeigeführt würde. Mein Kollege vom Rheinministerium, der sozialdemokratische Ministerialrat Profit, kündigte mir mit großer Sorge an, daß die sozialdemokratische Fraktion entgegen der Meinung einer nachdenklichen Minderheit doch gegen Brüning stimmen würde. Das Schicksal nahm seinen Lauf. Als am 18. Juli die Sozialdemokraten zusammen mit der "Nationalen Opposition" und den Kommunisten gegen Brüning stimmten, gab der Reichskanzler die Auflösung des Reichstags bekannt. Die Neuwahl wurde auf den 14. September festgesetzt. Hit/er im Frack bei den Industriellen
Einige Wochen vor dem Wahltermin fand das Frack-Essen zu Ehren Hitlers statt, das Ruhrindustrielle veranstalteten, um die Frage der Wahlfinanzierung für Hitler zu prüfen. Ein führender Deutschnationaler, der selbst an dem Essen teilnahm, erzählte mir von der Veranstaltung. Hitler war zu dem Essen im Frack erschienen, nur mit dem Eisernen Kreuz I. Kl. geschmückt. Nach dem Essen begab man sich
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in den Konferenzsaal, wo Hitler eine programmatische Rede hielt, die geschickt auf die Mentalität der Industriellen abgestellt war. Hitler pries das deutsche Unternehmertum als die schöpferische Kraft der nationalen Wirtschaft. Sein Haß gelte dem internationalen Marxismus und den ihn verkörpernden Sozialdemokraten und ihren Gewerkschaften. Gegen diese führe er einen unerbittlichen Kampf. Dagegen werde er stets bestrebt sein, der Bedeutung der deutschen Unternehmer Rechnung zu tragen. Nach dem Weggang Hitlers berieten die Industriellen und kamen überein, ihren Freunden die finanzielle Unterstützung Hitlers zu empfehlen. Sie wünschten, daß die "roten" Gewerkschaften einen Denkzettel erhielten. Auflösung des Rheinministeriums
Noch vor dem Wahltermin, zum 1. September, wurde das Reichsministerium für die besetzten Gebiete nach siebenjährigem Bestand aufgelöst. Es hatte seine Wirkungsstätte am Leipziger Platz gehabt. Seine Beamten wurden wohlwollend behandelt. Sie erhielten die Wahl, entweder in den einstweiligen Ruhestand versetzt oder bei einem anderem Reichsministerium untergebracht zu werden, für das sie sich nach Eignung und Neigung entscheiden wollten. Rückkehr des Verfassers nach Bayern erst später
Mir selbst wurde die Übernahme in die Rechtsabteilung des Außenministeriums angeboten. Ich entschied mich aber grundsätzlich für die Rückkehr in den bayerischen Ministerialdienst, aus dem ich im Dezember 1921 auf bayerischen Wunsch in den Reichsdienst übergetreten war. Die Rückübernahmewurde mir auch von Bayern alsbald zugesagt. Ihre Durchführung war aber davon abhängig, daß in München eine mir zusagende Ministerialstelle frei würde. Den Umständen nach war dies erst nach einiger Zeit zu erwarten. Für die Zwischenzeit bot sich mir das Reichsministerium des Innern an. Betreuung der westlichen Grenzgebiete
Bei der Auflösung des Rheinministeriums gingen seine verbleibenden Restaufgaben für die westlichen Grenzgebiete und das Saargebiet an das Reichsministerium des Innern zurück, aus dessen Staatssekretariat für die besetzten rheinischen Gebiete im Jahre 1921 die Aufgaben ursprünglich
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erwachsen waren. Dementsprechend wurden in der Abteilung II dieses Ministeriums für Gesundheitswesen und Volkstumsfragen (Ministerialdirektor Dammann) für jene Restaufgaben zwei Referate gebildet, eines für die politische und kulturelle und eines für die wirtschaftliche Betreuung der genannten Gebiete. Ich erhielt das Referat für die politische und kulturelle Betreuung. Das Referat für die wirtschaftliche Betreuung wurde Ministerialrat Dr. Adolf Müller übertragen, einem gebürtigen Pfälzer, der seit 1922 mein Ministerialkollege gewesen war. Ministerialrat Müller verfaßte übrigens eine gehaltvolle Schrift über das Saargebiet, die in Reclams Universal-Bibliothek erschien. Politische Betreuung des Saargebiets
Das Saargebiet wurde bekanntlich von den Franzosen noch bis zum Jahre 1935 festgehalten, in welchem Jahr die vom Versailler Friedensvertrag vorgesehene Volksabstimmung über die Zukunft des Saargebietes anstand. Die politische Betreuung des Saargebietes, das der Verwaltung des Völkerbundes unterstellt war und für das innerhalb der Reichsministerien dem Außenministerium die Führung zukam, mußte sich in der Hauptsache auf die Gegenarbeit gegen die französische Propaganda beschränken. Frankreich war als der Besitzer der Kohlengruben der mächtigste Arbeitgeber des Landes und vermochte dadurch seiner Propaganda starkes Gewicht zu geben. Auch verschmähte es nicht, mannigfachen Druck auf die Bevölkerung auszuüben. Frankreichs Hauptziel war, für die Volksabstimmung im Jahre 1935 eine Mehrheit in seinem Sinne zu erzielen. Unsere Stütze war die unwandelbare Treue der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung zum deutschen Vaterland. An dieser Treue scheiterten die Propagandakünste der Franzosen ebenso wie ihre Bedrückungsmaßnahmen. Mit Freund Profit für die Wiedervereinigung der Pfalz mit Bayern
Die Auflösung des Rheinministeriums bedeutete für seinen Beamtenkörper die Zerstreuung nach verschiedenen Richtungen. Der hier öfter genannte Graf Adelmann wurde in den diplomatischen Dienst übernommen. Er war später Gesandter in Brüssel. Auch von Ministerialrat Friedrich Profit mußte ich mich trennen. Er wurde vom Reichsarbeitsministerium übernommen. Unsere beruflichen Wege gingen damals auseinander. Unsere persönlichen Beziehungen blie·
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ben weiterhin bestehen, auch während der Zeit des nationalsozialistischen Reichs, in der Profit als Ministerialrat im Ruhestand seinen Wohnsitz in seiner geliebten pfälzischen Heimat nahm. Nach 1947 haben wir beide wieder ein gemeinsames Arbeitsfeld gefunden: die Bestrebungen um die Wiedervereinigung der durch die Franzosen abgetrennten Pfalz mit Bayern. Das von den Franzosen gegründete Land Rheinland-Pfalzhatte aus der Hand der Besatzung ohne eine Befragung der Pfälzer die Pfalz bekommen. Profit und ich arbeiteten nun für die Rückkehr der Pfalz zum bayerischen Stammland, er als führendes Mitglied des in der Pfalz gegründeten Bundes Bayern und Pfalz, ich in München als Mitglied des Landesverbandes der Pfälzer im rechtrheinischen Bayern, der von München aus für die Wiedervereinigung der Pfalz mit Bayern eintritt. Art. 29 des Bonner Grundgesetzes sah eine Möglichkeit zur Geltendmachung des Selbstbestimmungsrechtes der Pfälzer durch Volksbegehren vor, wurde jedoch erst im Jahre 1955 in Kraft gesetzt. Profit, der unermüdlich und leidenschaftlich für die Rückkehr der Pfalz zu Bayern gearbeitet hatte, erlebte das Volksbegehren nicht mehr. Er starb im August 1951. Bei dem pfälzischen Volksbegehren für Bayern, das im April 1956 endlich vor sich gehen konnte, hat uns Profit, der als alter sozialdemokratischer Führer in der Pfalz hohes Ansehen genoß, sehr gefehlt. Das Volksbegehren ging aus hier nicht zu erörternden Gründen für Bayern nicht erfolgreich aus. Profit als Pazifist im Landtag des Königreichs Bayern
Es sei mir gestattet, eine Militäranekdote von Profit zu bringen, die er mir selbst erzählt hat und die so recht in die alte Zeit zurückführt. Ein kleiner staatsrechtlicher Kommentar sei eingeflochten. Profit war vor dem ersten Weltkrieg sozialdemokratischer Abgeordneter im Bayerischen Landtag. Er schätzte seine Fraktion, die unter Führung von Vollmars von echter Kameradschaft beseelt war. Weniger angenehm war es ihm, daß die Fraktion ihn in dem fraglichen Jahr zum Sprecher für den bayerischen Militär-Etat bestimmte und ihm dabei ausdrücklich das Thema der Militärmißhandlungen aufgab. Militärmißhandlungen gab es nämlich, im Gegensatz zu Norddeutschland, in Bayern fast nicht, und das hatte seine Gründe. Das bayerische Kontingent des Reichsheeres erfreute sich nach dem Versailler Beitrittsvertrag Bayerns zum Reich vom November 1870 weit8 Eugen Mayer
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gehender Sonderrechte. Es war als "Bayerisches Heer" förmlich anerkannt. In ihm herrschte aber auch, wie im ganzen bayerischen Staatswesen, ein guter staatsbürgerlicher Geist. Der Kaiser hatte nur im Krieg den Oberbefehl. Im Frieden war der König von Bayern Oberbefehlshaber des Heeres. Sein Kriegsminister stand - eine bayerische Spezialität unter dem strengen Gesetz der allgemeinen Ministerverantwortlichkeit. Bayern verlangte von seinen Berufsoffizieren ausnahmslos die Hochschulreife, während Preußen zum Beispiel sich mit der Obersekundareife begnügte. Nach dem Grundsatz der Rechtsgleichheit konnten auch Staatsbürger jüdischen Glaubens in Bayern Reserveoffiziere werden. In einem solchen Staat konnte es naturgemäß fast keine Militärmißhandlungen geben. Andererseits wurde der bayerische Militär-Etat, dessen Aufwand im Reichsetat global festgelegt war, in seinen einzelnen Positionen durch einen besonderen Etat festgesetzt, dessen Beratung dem Landtag zustand. Was sollte nun Profit in seiner Etatsrede über Militärmißhandlungen sagen? Er hatte darüber fast nichts vorzutragen. Um sich einen markanten Abgang zu verschaffen, schloß er mit dem pathetischen Ausruf: "Ich bin grundsätzlich Pazifist. Ich erkläre hiermit ausdrücklich, daß ich im nächsten Krieg nicht schießen werde". Diese Worte alarmierten augenblicklich das ganze Haus. Die Regierungstribüne geriet in Bewegung. Selbst die Fraktionsgenossen scharten sich, wie zum Schutz, dichter um den Redner, der aber nach einer Kunstpause mit den Worten endete: "Ich bin nämlich im nächsten Krieg als Sanitäter eingeteilt." Sofort trat allgemeine Beruhigung ein. Gedenken an Minister Treviranus Die Auflösung des Rheinministeriums bedeutete auch für den Rheinminister Treviranus das Ende seines Amtes. Er wurde indes zum Reichsminister für Sonderaufgaben berufen. Nur fünf Monate hatte Treviranus an der Spitze des Rheinministeriums gestanden. Infolge seines aufgeschlossenen, freundlichen Wesens erfreute er sich allgemeiner Beliebtheit. Groß war darum die Freude aller, die ihn schätzten, als er am 30. Juni 1934 einem Mordanschlag der SS entging. Durch das Zusammentreffen eines glücklichen Zufalls und einer von dem vormaligen Marineoffizier listenreich in einem großen Bogen von Süden nach Norden durchgeführten Umgehung des "Feindes" gelangte der im Süden von Berlin wohnhafte Treviranus von Norden her in das sichere Asyl der Berliner 114
Britischen Botschaft, die ihn als alten Bekannten freundlich aufnahm und ihm freies Geleit nach England verschaffi:e. Verbindung mit Minister Wirth
Durch meine Übernahme in die Abteilung II des Reichsministeriums des Innern (Ministerialdirektor Dammann) wurde Minister Wirth, der im ersten Kabinett Brüning Reichsminister des Innern war, wieder mein Vorgesetzter. Doch hatte ich mit den politischen Angelegenheiten des Reichsinnenministeriums nichts zu tun. Mit Minister Wirth verband mich weiterhin persönliche Bekanntschaft. Meine dienstliche Verbindung mit Wirth löste sich erst, als bei der Bildung der zweiten Regierung Brüning im Oktober 1931 Wirth als Reichsminister des Innern ausschied und Reichswehrminister Groener zugleich die Leitung des Reichsinnenministeriums übernahm. Radikales Ergebnis der Reichstagswahl vom 14. September 1930
Die Reichstagswahl vom 14. September 1930 enttäuschte die Regierung Brüning. Sie stärkte die beiden extremen Flügel und schwächte die Mitte. Statt des erhoffi:en Erfolges der Volkskonservativen kam der dramatische Aufstieg der Nationalsozialisten von 12 auf 107 Mandate, während gleichzeitig die Kommunisten von 54 auf 76 Sitze zunahmen. Die Deutschnationalen Bugenbergs sanken von 73 auf 41 Mandate, wohl durch Übergang von Wählern zu Hitler. Der Versuch des Reichsfinanzministers Dietrich, dieser Säule des Kabinetts Brüning, die Demokraten mit anderen Gruppen der Mitte zu einer großen "Staatspartei" zusammenzufassen, mißlang. Die Staatspartei bestand im Ergebnis fast nur aus den Demokraten von vorher. Reichstagsmehrheit stützt Brüning
Das Regierungssystem von Brüning konsolidierte sich trotz des schlechten Wahlausgangs. Die Sozialdemokraten erkannten ihren Fehler, der den Nationalsozialisten zugute gekommen war, und entschlossen sich, ihre Opposition gegen das System der Notverordnungen aufzugeben und die Regierung Brüning konsequent zu tolerieren, wofür Brüning bei seinen Maßnahmen auf sie Rücksicht nahm. Die nun festere Bindung an Brüning war für die Sozialdemokraten auch das einzige Mittel, um den a•
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Fortbestand der Preußenregierung Otto Braun auf der Grundlage der Weimarer Koalition sicherzustellen. Reichstag arbeitsunfähig: Legislative bei Hindenburg
Eine Erweiterung der Regierung nach rechts, die dem Reichspräsidenten sehr erwünscht gewesen wäre, erwies sich als unmöglich, da die "Nationale Opposition" in rücksichtsloser, rein negativer Bekämpfung des "Systems" verharrte. Brüning hatte übrigens, ohne sein Kabinett zu fragen, den erfolgreichen Parteiführer Hitlernach den Wahlen empfangen, sich aber dabei überzeugt, daß eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten nicht möglich war. Er nahm nun erst recht seine Zuflucht zu den Notverordnungen des Reichspräsidenten. Der Reichstag erschien durch die lärmende, rein destruktive Dauerobstruktion der Linksund Rechtsradikalen unter freundlicher Förderung der Deutschnationalen als arbeitsunfähig, so daß der normale Weg der Gesetzgebung ungangbar blieb. Da Brüning im Reichstag eine zuverlässige, ihn stützende Mehrheit hatte, wäre es an sich möglich gewesen, durch eine scharfe Änderung und Handhabung der Geschäftsordnung der randalierenden Minderheit des Hauses den Willen der Mehrheit aufzuzwingen. Das hätte aber eine feste, entschlossene Koalition der Mehrheit erfordert. Bei den Gegensätzen zwischen der Deutschen Volkspartei und den Sozialdemokraten war dies nicht mehr zu schaffen. Die beiden Parteien hatten sich nach dem Tode Stresemanns und seit dem Rücktritt HermannMüllers im März 1930 zu sehr auseinandergelebt. Die praktische Folge war, daß durch das System der Notverordnungen die Legislative, die vornehmste Aufgabe des Reichstags, auf den Reichspräsidenten überging und dessen Machtstellung wesentlich verstärkte. Notverordnungen dienen der Revision der Reparationen
Die großen, sorgfältig ausgearbeiteten Notverordnungen Brünings erbrachten andererseits den außenpolitisch so wichtigen, unwiderleglichen Beweis für das ernste und beharrliche Bemühen der Reichsregierung, das Gemeinwesen trotz der großen Schädigung durch die Wirtschaftskrise in Ordnung zu halten. Brüning, der bald an eine durchgreifende Revision des Young-Planes dachte, wußte, daß seine Regierung besonders von Frankreich scharf daraufhin beobachtet wurde, ob sie auch wirklich alles tue, um den Young-Plan, der ja noch in den Anfängen seiner Geltung stand, gewissenhaft durchzuführen und aufrechtzuerhalten. 116
Im Lager der "Nationalen Opposition" Im Lager der "Nationalen Opposition" herrschte starke ßewegung. Nun war endlich die große Massenpartei der Rechten erschienen, während bisher nur die Linke sich solcher Parteien rühmen konnte. Hugenberg, der dem Ziel seiner Restaurationspolitik näher zu kommen glaubte, hielt Hitler damals für den Trommler, der ihm die Masse seiner Anhänger zuführe, die dann seine- Bugenbergs-höhereLeitung akzeptieren würde. Die Nationalsozialisten ihrerseits hielten sich alle Wege offen. Ihre Stellung zur Monarchie erschien im Zwielicht, fand aber bei den Hohenzollern Beachtung. Auch die Reichswehrführung, verkörpert besonders in General von Schleicher, dem Chef des Ministeramtes im Reichswehrministerium und rechte Hand von Groener, begann, sich für die SA stark zu interessieren. "Haus" Hindenburg rückt vor Das "Haus" Hindenburg (der Sohn Hindenburgs, Oberst Oskar v. Hindenburg, der in ständiger Verbindung mit General v. Schleicher stand, Staatssekretär Meißner, gewisse Gutsnachbarn von Neudeck-besonders der Kammerherr v. Oldenburg (Januschau) - u. a.) gewann durch den Ausgang der Septemberwahl eine ·wachsende Bedeutung. Die erweiterte Machtfülle des Reichspräsidenten in einem System der Notverordnungen kam dem "Haus" Hindenburg besonders zustatten. Zunächst allerdings blieb im Herbst und Winter 1930/31 trotz der weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse die Lage noch erträglich. Hindenburg-Anekdote: Der Pelzmantel Hindenburgs Zum Schluß sei eine verbürgte Hindenburg-Anekdote erzählt, die das Vertrauensverhältnis zwischen Hindenburg und Brüning, auf dem ja das ganze System der Notverordnungen beruhte, noch als ungetrübt erscheinen läßt. Brüning hatte in Neudeck dem Reichspräsidenten Vortrag gehalten und wollte mit dem Wagen nach dem etwas entfernten Bahnhof fahren, um die Rückreise nach Berlin anzutreten. Als er den Wagen besteigen wollte, bemerkte er am Fenster Hindenburg, der ihm ein Zeichen gab. Er ging in das Haus zurück. Hindenburg sagte ihm, daß ihm bei der grimmigen Kälte sein guter Wintermantel nicht genüge, um ihn vor Erkältung zu schützen. Brüning solle seinen - Hindenburgs - dicken Pelzmantel anziehen und ihn vom Bahnhof zurückschicken. Brüning tat so und war für den Rat dankbar. 117
1931 Die Weltwirtschaftskrise und Deutschland
Das Jahr 1931 war ein Sturmjahr erster Ordnung. Die Wirtschaftskrise, die 1930, von den Vereinigten Staaten ausgehend, nach Europa übergegriffen hatte, weitete sich nun in Breite und Tiefe zu einer wahren Weltwirtschaftskrise von tatsächlich bis dahin unerhörten Ausmaßen. Deutschland war aus den schon für 1930 angegebenen Gründen, hauptsächlich wegen der Abhängigkeit seiner Wirtschaft von ausländischen Krediten, für das hereinbrechende übel besonders anfällig. Eine wahrhaft gewaltige Wirtschaftsschrumpfung und die aus ihr hervorgehende Massenarbeitslosigkeit hatten im Laufe des Jahres 1931 einen immer gefährlicheren Umfang angenommen. Die Spitzenziffer der Arbeitslosen erreichte im Jahre 1932 6 Millionen. Brüning steuert früh auf eine Revision des Young-Plans hin
Reichskanzler Brüning erkannte früh, daß der ursprünglich auch von den Gläubigerstaaten gutgläubig konzipierte Young-Plan durch die Weltwirtschaftskrise seine Grundlagen verliere. Er richtete auf eine durchgreifende Revision des Young-Plans seine grundlegenden Bemühungen, mußte jedoch dabei berücksichtigen, daß die Gläubigerstaaten, besonders Frankreich, alles versuchen würden, um den Young-Plan durch die Krise hindurchzubringen. Der Reichskanzler war schon durch diese Erwägung gezwungen, den Young-Plan, der erst im zweiten Jahr seiner Geltung stand, genau zu beachten und insbesondere den öffentlichen Haushalt durch scharfe Finanz- und Sparmaßnahmen im Gleichgewicht zu halten. Das war Zweck und Inhalt der von ihm beim Reichspräsidenten erwirkten großen Notverordnungen nach Art. 48 der Weimarer Verfassung. Die Opposition macht den Reichstag weiterhin arbeitsunfähig
Die "Nationale Opposition" tat sich ihrerseits leicht. Sie erklärte einfach den Young-Plan selbst und die Erfüllungspolitik der Reichsregierung 118
für die Ursache der wirtschaftlichen Not und entfesselte, unter Mithilfe der Kommunisten, im Land und im Parlament eine hemmungslose Hetze gegen die Regierung und ihre Notverordnungen. "Brüning verordnet Not" war eines ihrer Schlagworte. Im Reichstag war unter diesen Umständen bei der völlig unzulänglichen Geschäftordnung eine gedeihliche Arbeit nicht möglich. Der Reichstag war deshalb auch im Jahre 1931 weitgehend außer Funktion und meistenteils vertagt. Das deutsch-österreichische Zollunionsprojekt
Zu den Mitteln, mit denen die Regierung Brüning-Curtius aem Umsichgreifen der großen Wirtschaftskrise entgegenzuwirken gedachte, gehörte auch das Projekt einer deutsch-österreichischen Zollunion, das im März greifbare Formen annahm. Auch Österreich war durch die Weltwirtschaftskrise besonders hart getroffen worden. Die Zollunion sollte beiden Ländern eine wirtschaftliche Belebung bringen und für Deutschland auch neue Möglichkeiten für die Erfüllung der Young-Plan-Verpflichtungen erschließen. Das Projekt scheiterte, vor allem am Widerspruch Frankreichs, der rein politische Motive hatte. Aus dem preußisch-deutschen Zollverein war einst das Bismarck-Reich erwachsen. Andererseits fühlte sich die Tschechoslowakei, die Hauptstütze Frankreichs im Völkerbund, bei der Zollunion von kommender deutscher Umklammerung bedroht. Der Widerspruch Frankreichs nahm rasch bedrohliche Formen an. Ich selbst habe damals auf einer Urlaubsreise im Elsaß von einem Tage zum andern eine geradezu kriegerische Sprache der französischen Presse feststellen können. Der Streitfall wurde bekanntlich durch eine Entscheidung des Ständigen Internationalen Gerichtshofes im Haag mit knapper Mehrheit zuungunsten Deutschlands entschieden. Hätte Stresemann mehr erreichen können?
Für die Regierung Brüning-Curtius war dieser Mißerfolg außenund innenpolitisch ein empfindlicher Rückschlag. Die Frage lag nahe, ob auch Stresemann ein solches Mißgeschick hätte erleiden können. Es gehörte zu den Grundsätzen seiner Außenpolitik, in enger Fühlungnahme mit Frankreich und England vorzugehen. Darin haben es Curtius und Brüning wohl doch etwas fehlen lassen. Freilich wäre auch Stresemann, der sich bei der Fühlungnahme mit Frankreich von dessen damaliger Gegnerschaft gegen die Zollunion hätte überzeugen müssen, nichts anderes übrigge119
blieben, als- wie so oft bei den von der Weimarer Republik unternommenen Versuchen einer Revision der in Versailles getroffenen Entscheidungen- diedeutsch-österreichischeZollunion auf bessereZeiten zurückzustellen. Deutscher H il feru f an Präsident H oover
Mittlerweile erreichten die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise für Deutschland derart gefährliche Ausmaße, daß Reichskanzler Brüning sich entschloß, einen außerordentlichen Schritt zu unternehmen: einen Appell an Präsident Hoover der Vereinigten Staaten von Amerika, um ihn zu einem Eingreifen zur Rettung Deutschlands vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch zu bewegen. Der Appell vom Juni war in die Form eines persönlichen, dringlichen Telegramms Hindenburgs an Hoover gekleidet. Er veranlaßtein der Tat Hoover zu sofortigem Handeln. H oover will Deutschland retten
Ein amerikanischer Professor schilderte mir nach den Angaben von Augenzeugen Ankunft und Wirkung des Telegramms. Der Präsident befand sich auf einer Bahnfahrt nach dem Westen, um ein Denkmal zu enthüllen. Unterwegs wurde dem Zug gemeldet, daß auf der nächsten Station ein Telegramm Hindenburgs überbracht würde. Dies geschah. Der Präsident las das Telegramm und sagte zu seiner Begleitung: "Fahren Sie ohne mich weiter! Ich habe einen Hilferuf Hindenburgs erhalten. Ich fahre nach Washington zurück. Deutschland muß gerettet werden (Germany must be saved)". Das Weltfeierjahr H oovers
Es gelang Hoover das Erstaunliche, daß er, unter Überwindung größter Schwierigkeiten, in wenigen Tagen ein Weltfeierjahr für die Zeit vom 1. Juli 1931 bis zum 30. Juni 1932 verkünden konnte, in dem sämtliche Reparations- und Kriegsschuldenzahlungen aller Staaten ruhten und in dem, noch vor seinem Ablauf, eine Neuregelung der Reparationen vereinbart werden solle. Verhandlungen über Revision des Young-Plans
Nur die übermächtige Stellung der Vereinigten Staaten als des Weltgläubigers hatte das widerstrebende Frankreich dazu gebracht, dem Welt120
feierjahr zuzustimmen. Frankreich war aber nun entschlossen, für die Aufrechterhaltung des Young-Plans, den es nur von einer herkömmlichen, vorübergehenden Konjunkturkrise beeinträchtigt sehen wollte, sich nachdrücklich einzusetzen. Für die deutsche Regierung begannen nun Monate angestrengtester Verhandlungen über die Anpassung des Y oungPlanes an die von Grund auf veränderte allgemeine Wirtschaftslage. Brüning und Curtius reisten nach London, Paris und Rom, um ihre Argumente in eindringlichen Rücksprachen geltendzumachen. Es wurde festgelegt, daß eine Reparationskonferenz in Lausanne möglichst noch im Januar 1932 eine Neuregelung der Reparationen zustande bringen solle. Im November stellte dann Deutschland auf Grund einer ausdrücklichen Ermächtigung durch den Young-Plan den förmlichen Antrag auf Einberufung des für Krisenfälle vorgesehenen Beratenden Sonderausschusses, in dem auch Deutschland vertreten war. Die Zuständigkeit dieses Ausschusses mußte allerdings, damit er seiner außerordentlichen Aufgabe überhaupt gerecht werden konnte, erst noch beträchtlich erweitert werden, was nur nach langwierigen Verhandlungen erreicht werden konnte. Der Ausschuß erstattete kurz vor Weihnachten seinen eine durchgreifende Neuregelung der Reparationen dringlich empfehlenden Bericht und machte dadurch die Bahn für die Lausanner Konferenz frei. Der Bericht bezeugte auch der Reichsregierung, daß sie im Sinne des Young-Plans wirklich alles getan hatte, um ihre Reparationsverpflichtungen loyal zu erfüllen. Bankenkrise im ] uli
Das Hoover-Feierjahr konnte nicht verhindern, daß im Juli eine deutsche Bankenkrise ausbrach. Die Darmstädter Bank geriet in Konkurs, andere Großbanken hatten Zahlungsschwierigkeiten. Diese konnten aber durch Maßnahmen der Reichsregierung behoben werden. Die Reichsregierung konnte zeigen, daß sie die Lage beherrschte. Laval und Briand in Berlin
Zum Ansehen der Reichsregierung trug auch der Gegenbesuch der französischen Regierung in Berlin bei, der im September vor sich ging. Es war für die Berliner ein ungewohnter Anblick, daß Ministerpräsident Laval und Minister Briand von den Fenstern des Hotels Adlon aus der Menge für ihre Grüße dankten. Die Polizei hatte nationalsozialistische Gegenkundgebungen befürchtet, die aber ausblieben. Doch atmeten die 121
deutschen Regierungskreise erleichtert auf, als die französischen Staatsmänner auf der Rückreise aus Aachen ihre Abschiedsgrüße sandten. In Berlin hatte Briand am Grabe Stresemanns einen Kranz niedergelegt, auf dessen Schleife er seine Solidarität mit Stresemann im Kampf für den Frieden bekundete. Zweck der Harzburger Kundgebung
Im Oktober kam es zu wichtigen Ereignissen bei der Regierung und bei der Opposition. Die Reichspräsidentenwahl des kommenden Frühjahrs warf ihre Schatten voraus. Die "Nationale Opposition", der nach siebenmonatiger Vertagung des Reichstags das Parlament wieder für ein paar Tage offenstehen sollte, wollte vorher auf Betreiben Bugenbergs ihre so verschiedenartigen Scharen versammeln und zu einer machtvollen Aktion zusammenfassen. Sie veranstaltete zu diesem Zweck eine Großkundgebung in dem braunschweigischen Städtchen Harzburg, das man deshalb wählte, weil man dort des Schutzes der braunschweigischen, von dem Nationalsozialisten Klagges geführten Rechtsregierung sicher war. Aus der sorgfältig vorbereiteten Harzburger Kundgebung wollte Bugenberg eine Harzburger Front als Dauerformation für die kommenden politischen Kämpfe herausbilden. Am 11. Oktober, zwei Tage vor dem Wiederzusammentritt des Reichstages, ging die Harzburger Kundgebung vonstatten. Bildung der zweiten Regierung Brüning Reichswehrminister Groener zugleich Reichsinnenminister
Aber schon am Tage zuvor, am 10. Oktober, war es Brüning gelungen, seine Regierung mit dem Ziel einer wesentlichen Straffung für die Kämpfe der kommenden Zeit umzubilden. Getreu dem Wunsche des Reichspräsidenten hatte Brüning wiederholt, aber vergeblich sich bemüht, alle, wie er sagte," verantwortungsbewußten und verantwortungsbereiten Parteien" in der neuen Regierung zusammenzufassen. Die "Nationale Opposition" entzog sich hartnäckig diesen Bemühungen. Die Bildung der neuen Regierung war durch den Rücktritt des Außenministers Curtius ausgelöst worden. Mit Curtius zog sich auch die Deutsche Volkspartei von Brüning zurück. Der Reichskanzler übernahm nun wegen der dringlichen Reparationsverhandlungen auch das Außenministerium. Die Zentrumsminister Wirth und v. Guerard schieden aus. Das Reichsministerium des Innern wurde dem Reichswehrminister General Groener 122
zur Führung mitübertragen, so daß Militär und Polizei in einer Hand vereinigt waren. Das neue Kabinett bedeutete durch das Ausscheiden Wirths wohl auch einen kleinen Ruck nach rechts. In der Hauptsache blieb es aber bei der gleichen Grundhaltung wie zuvor. Brüning betonte dann auch in der Regierungserklärung vom 13. Oktober, daß die Regierung noch unabhängiger von den Parteien sei als seine erste Regierung, daß sie keine parteigebundenen, von Fraktionsbeschlüssen abhängigen Minister in ihren Reihen zähle. Es blieb aber dabei, daß auch die neue Regierung ihre bisherige feste Stützungsmehrheit im Reichstag mit Einschluß der Sozialdemokraten behielt und sich deshalb ebenso auf das Vertrauen des Reichspräsidenten wie auf ihren Rückhalt im Reichstag berufen konnte. Sie schickte nach drei Tagen den Reichstag wieder auf vier Monate nach Hause. Die Männer von Harzburg hatten dies nicht verhindern können.
Abschied von Minister Wirth Treffen mitWirthin München nach 1948 Das Ausscheiden des Reichsinnenministers Wirth bedeutete für mich das Ende unserer dienstlichen Beziehungen. Erst nach dem zweiten Weltkrieg, in den Jahren 1949 und 1950, habe ich mich mit dem in Freiburg i. Br. lebenden Altminister Wirth in München getroffen, wo ich als Ministerialdirigent im Kultusministerium wirkte. Wirth interessierte sich damals als Altbadener und Vorkämpfer der Wiederherstellung des alten Landes Baden für die Stellungnahme der Bayerischen Staatsregierung in dieser Frage. Er glaubte, Bayern nehme wegen seiner Ansprüche auf die Pfalz nach Art. 29 des Bonner Grundgesetzes auch an den Fragen des Südweststaates Anteil. Es ist mir nicht bekannt, welches Ergebnis Minister Wirth bei diesen Besprechungen mit bayerischen Ministern erzielte. In der Unterhaltung entwickelte mir der Altreichskanzler auf dem Gebiete der bundesdeutschen Innenpolitik seinen bekannten Standpunkt. Er war der Meinung, daß nach einem gründlich verlorenen Krieg, wie es der zweite Weltkrieg war, die beiden großen Volksparteien- CDU/CSU einerseits und SPD andererseits - die beide diesen Krieg keinesfalls gewollt hatten, einmütig zusammenstehen müßten, um das Volk aus den Nöten der Kriegsfolgen, deren schlimmste die Zweiteilung Deutschlands sei, herauszuführen. Wirth rühmte dabei das Vorbild Österreichs. Eine gemeinsame außen- und innenpolitische Konzeption sei eine unerläßliche 123
Voraussetzung für den Erfolg. Dagegen sei das schematische, parteipolitisch bequeme Spiel mit Regierung und Opposition nur etwas für normale Zeiten, in Deutschland also für die Zeit nach der erreichten Wiedervereinigung. Wirth beklagte die Militärlauheit des Bürgertums gegenüber der Reichswehr
Aus zahlreichen Gesprächen mitWirthin der Zeit der Weimarer Republik, die die Sonderstellung der Reichswehr betrafen, ihren Charakter als Staat im Staate, ihre Abkapselung vor allem von der Weimarer Demokratie, möchte ich nachtragsweise berichten, daß der Minister eine Hauptschuld in dieser wichtigen Frage der geringen Militärfreudigkeit des Bürgertums beimaß. Die Regierung habe sich, sagte er, beim Aufbau der Reichswehr mit allen Mitteln darum bemüht, einen bürgerlichen Offiziersnachwuchs als Gegengewicht gegen den preußischen Adel mit seiner erzkonservativen Militärtradition zu gewinnen. Es hätten sich aber zu wenig bürgerliche Bewerber zum Offiziersberuf gemeldet, so daß man doch wieder stark auf den adeligen altpreußischen Nachwuchs, der bereitwillig kam, angewiesen gewesen sei. Gruppen der Harzburger Kundgebung
Zwei Tage vor dem Wiederzusammentritt des Reichstags, am 11. Oktober, konnte Bugenberg seine große Heerschau aller auf den Sturz Brünings hinarbeitenden Parteien und Gruppen abrollen lassen. Es fanden sich zusammen: Deutschnationale, Nationalsozialisten, Stahlhelm, Alldeutsche, Vertreter der alten Herrscherhäuser wie der Hohenzollern, Vertreter des Großgrundbesitzes, der Großindustrie und der Großbanken, Generale und Admirale a. D., auch Reichsbankpräsident a. D. Schacht, der Mitverfasser des Y oung-Plans und nun sein schärfster Gegner. Auch die Vertreter der Deutschen Volkspartei traten nun zur Opposition über, nachdem seit dem Tode Stresemanns die den Deutschnationalen zuneigenden Kreise dieser Partei mehr und mehr das Übergewicht gewonnen hatten. Zwiespältiger Ablauf der Kundgebung
Das große Gepränge, das einer solchen Versammlung eigen war, konnte nicht darüber hinwegtäuschen, daß die vielen hier vertretenen Gruppen 124
nur in einem einzigen Punkt übereinstimmten, dem Streben nach dem Sturz Brünings und der Preußenregierung Otto Braun. Dagegen war man so uneinig wie nur möglich über alles, was einem Sturze des "Systems" folgen sollte. Die Harzburger Kundgebung war daher auch nicht, wie Bugenberg wollte, eine Harzburger Front, die ja Übereinstimmung über die positiven Kampfziele der Zukunft vorausgesetzt hätte. So sehr übrigens Bugenberg sich selbst als den Urheber dieser äußerlich imposanten Heerschau herausstellte, so klar trat doch zutage, daß im Verhältnis zu Hitler sich die Rollen seit den September-Wahlen 1930 wesentlich verschoben hatten. Aus dem Trommler von damals war der unbedingten Gehorsam heischende Parteiführer geworden, dessen SA den Stahlhelm weit hinter sich gelassen hatte.
Harzburger Kundgebung blieb nachwirkende Idee der Rechtskreise Gewiß haben das "Haus" Hindenburg und der Reichspräsident selbst den Ablauf der Harzburger Kundgebung mit Sympathie verfolgt, wofür schon das Hervortreten der Hohenzollern und des Altpreußenturns genügend Anlaß bot. Die tiefe Gegensätzlichkeit zwischen Bugenberg und Hitler konnte aber nirgends übersehen werden. Trotz allem blieb die Harzburger Kundgebung, wenn sie auch keine praktischen Ergebnisse aufzuweisen hatte, schon durch ihre Ausmaße und ihre eindrucksvollen Gruppierungen bei vielen, auch in den Gedankengängen des Reichspräsidenten, eine einprägsame, fortlebende, große Erinnerung. Noch einmal, bei der Bildung der Regierung Hitler im Januar 1933, sollte sie für eine kurze Zeit zu einer trügerischen Auferstehung wiedererweckt werden.
Groener errichtet Anfang November das "Büro Minister" Bei der Bildung der zweiten Regierung Brüning im Oktober 1931 hatte Reichswehrminister Groener, wie schon erwähnt, zur Zusammenfassung von Militär und Polizei auch die Leitung des Reichsinnenministeriums übernommen. Der. Doppelminister.schuf nun Anfang November im Reichsinnenministerium eine überraschende Neuerung: ein "Büro Minister" (amtlich abgekürzt: Büro M). Dieses Büro Minister war eine kleine politische Arbeitsgruppe für den Minister persönlich, die sein besonderes Vertrauen genoß. Die übrige Organisation des Reichsinnenministeriums blieb unverändert; an ihrer Spitze stand als oberster Berufsbeamter der altbewährte Staatssekretär Zweigert, mit dem Groener vertrauensvoll zu-
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sammenarbeitete. Er war nun der Gegenspieler des Generals Kurt von Schleicher, des Chefs des Ministeramtes im Reichswehrministerium und militärischen Hauptvertrauensmanns von Groener. Ich wurde Obmann des Büros Minister
Der Minister bestellte mich zum Obmann des Büros Minister unter Fortdauer meines seit September 1930 geführten Volkstumsreferats für die westlichen Grenzgebiete in der Abteilung II des Ministeriums (Ministerialdirektor Dammann). Der Minister hatte vorher nicht mit mir gesprochen. Ich habe Grund zur Annahme, daß Ministerialdirektor Dammann und Staatsekretär Zweigert mich ihm vorgeschlagen haben. Weitere Mitglieder des Büros Minister
Zu weiteren Mitgliedern des Büros Minister berief der Minister aus den amtierenden Herren des Reichsministeriums des Innern: 1. den Pressereferenten des Innenministeriums Dr. Broermann 2. den persönlichen Referenten des Innenministers Baurichter (nach 1945 mehrere Jahre Regierungspräsident in Düsseldorf) 3. den Ministerialdirektor Menzel, Leiter der Abteilung I für Verfassung und Politik (nach 1945 lange Zeit Präsident des Landesarbeitsamtes Südbayern in München) 4. den Ministerialdirigenten Häntzschel, Leiter der Unterabteilung Polizeiwesen in der Abteilung des Ministerialdirektors Menzel. Aufgabenkreis des Büros Minister
Der Minister überwies dem Büro Minister folgenden Wirkungskreis: 1. Besprechung bestimmter Angelegenheiten und allgemeiner Fragen sowie Erörterung der allgemeinen Lage; 2. Beobachtung der Kampf- und Werbemethoden der Nationalsozialisten;
3. politische Aktionen und Sonderaufträge. Der Minister bestimmte im Einzelfall, ob Angelegenheiten des Büros Minister von mir als Obmann oder einem anderen Mitglied des Büros oder von dem gesamten Kollegium des Büros unter seinem Vorsitz be126
handelt wurden. In letzterem Fall gab es keine Abstimmung oder Mehrheitsentscheidung. Der Minister traf allein die Verfügungen. Besprechungen des Ministers. Politische Sonderaufträge
Der Minister benützte die von ihm angesetzten Besprechungen und Aussprachen, um seine eigene Meinung über bestimmte Fragen in der Diskussion zu klären und um Unterlagen für seine Entscheidungen zu gewinnen. Auch Aussprachen über geschichtliche Themen waren nicht selten, z. B. über den ersten Weltkrieg und seine Persönlichkeiten. Vor allem waren die Äußerungen des Ministers zum aktuellen Zeitgeschehen wertvoll. Politische Sonderaufträge betrafen z. B. Studium nationalsozialistischer Literatur, Besuch politischer Versammlungen, Übermittlung geheimer Informationen an Reichs- und Landesminister. War das Büro Minister Ersatz für einen Gehirntrust?
Erst aus dem 1955 erschienenen Buch der Tochter von General Groener, Dorothea Groener-Geyer "General Groener- Soldat und Staatsmann" (Societäts-Verlag Frankfurt, S. 285) erfuhr man, daß der Minister für das Reichsministerium des lnnern bei dessen Obernahme zunächst die Bildung eines Rooseveltschen Gehirntrusts geplant habe, dann aber davon abgekommen sei. Nie hörten wir etwas in dieser Richtung aus dem Munde des Ministers oder des Staatssekretärs Zweigert. Ein solcher Gehirntrust hätte wohl auch in die Organisation der Reichsministerien nicht gut gepaßt. Im November noch Hoffnungauf einen Nachfolger H indenburgs
Im November herrschte bei der Beurteilung der allgemeinen Lage nach den Äußerungen Groeners noch ein gewisser Optimismus. Die Frage der Reichspräsidentenwahl im Frühjahr 1932 stand im Vordergrund. Würde es möglich sein, dem hochbetagten und leidenden Reichspräsidenten von Hindenburg einen jüngeren, in jeder Beziehung geeigneten Nachfolger zu geben, der sich bei der Wahl gegen Hitler durchsetzen könnte? Diese Frage wurde im November und teilweise noch im Dezember bejaht. Man glaubte, daß die Lausanner Konferenz schon im Januar zustande käme und rasch eine gründliche Revision des Y oung-Planes bringen würde. 127
Eine Wende zum Besseren in der deutschen Wirtschaft, aber auch in der Weltwirtschaft wäre die Folge. Eine fühlbare wirtschaftliche Erleichterung in Deutschland würde den Rechts- und Linksradikalen den Wind aus den Segeln nehmen und die gemäßigten Gruppen der "Nationalen Opposition" den den Reichskanzler stützenden Parteien näherbringen. Pläne für Verdoppelung der Reichswehr und für eine Nationalmiliz
Brüning und Groener wollten aber dem deutschen Volke, neben einer materiellen Besserung durch die Revision des Y oung-Plans, zur Erreichung der angestrebten Umstimmung im Sinne der Demokratie eine nationale Genugtuung verschaffen. Eine Wehrreform sollte dies bewirken. Brüning und Groener waren sich allerdings darüber einig, daß nur im Anschluß an eine gelungene Revision des Young-Plans und nicht ohne solche Revision die ihnen vorschwebende Wehrreform verwirklicht werden könne. Zwei Ziele setzte sich diese Wehrreform: Verdoppelung der Reichswehr und Schaffung einer Nationalmiliz, die auf freiwilliger Grundlage die wehrfähige Jungmannschaft erfassen sollte. Deutschland konnte für solche Gedanken auf Sympathien in den USA und auch in Großbritannien rechnen. Die Franzosen waren dafür noch nicht gewonnen. Doch schien es nicht aussichtslos, auch Frankreich umzustimmen, wenn nach einer Revision des Young-Plans für Frankreich sich eine günstige Regelung seiner Kriegsschulden bei England und Amerika herausholen ließe. Groeners Plan einer Nationalmiliz
Die Nationalmiliz war ein Lieblingsthema des Ministers, über das er sich oft und gern verbreitete. Er dachte sich die Gestaltung so, daß in der Miliz zunächst die jungen wehrfähigen Mitglieder der sogenannten Wehrverbände (Stahlhelm, Reichsbanner, SA usw.) von unten bis zur Regimentsgrenze (ausschließlich) in Traditionsverbänden zusammengefaßt würden. Die Stahlhelmer usw. würden also in der Kompanie und im Bataillon unter sich bleiben. Erst von der Regimentsgrenze an sollte die Leitung einheitlich sein und ausschließlich der Reichswehr zustehen. Die Ausbildung sollte gründlich sein. Das Ansehen der Miliz sollte mit allen Mitteln (Uniformen usw.) gehoben und hochgehalten werden. Die nichtwehrfähigen und die nicht zur Miliz, die auf strenger Freiwilligkeit aufgebaut war, übertretenden Mitglieder der Wehrverbände sollten samt den älte-
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ren Mitgliedern lediglich gesellige Vereine bilden dürfen. Das Soldatenspielen sollte streng verboten sein. Uniformen, Aufmärsche, Schieß- und Geländeübungen usw. sollten nur der Miliz erlaubt sein. Auch den nichtorganisierten Jugendlichen sollte der Beitritt zur Miliz freistehen. Dieser sollte kein Privileg der Wehrverbände sein. Der Minister schätzte die Stärke der Nationalmiliz auf etwa 300 000 Mann. Wer sollte Nachfolger Hindenburgs werden?
Die Regierung war damals der Meinung, daß sie mit den zwei großen Erfolgen in der Hand, der Revision des Young-Plans und der Nationalmiliz, in der Lage wäre, vor die deutsche Wählerschaft hinzutreten und einen geeigneten Nachfolger für den Reichspräsidenten vorzuschlagen und auch zum Sieg zu führen. Der Minister nannte keinen Namen. Er selbst kam, nach seinem Verhalten zu schließen, nicht in Frage. Von anderer Seite hörte man den Namen Geßler. Dieser schien wegen seiner langjährigen Reichswehrministerschaft besonders geeignet zu sein. Gegen Ende des Jahres 1931 ließ diese optimistische Betrachtung der allgemeinen Lage stark nach, da die Lausanner Konferenz, von der doch alles abhing, sich offensichtlich verzögerte. Advents-Rund funkansprachen des Ministers
Kurz seien hier ein paar Einzelheiten aus dem Bereich des Büros Minister für 1931 berichtet. Zunächst hatte ich Entwürfe für zwei AdventsRundfunkansprachen des Ministers zu fertigen. Die Themen lauteten "Der Glaube an Deutschland" und "Die Verantwortung des Staatsbürgers". Meine Entwürfe wurden vom Minister frei verwendet. An ihnen arbeiteten auch noch Staatssekretär Zweigert und General von Schleicher mit. Besuch bei Schleicher
Ich hatte mit General von Schleicher noch keine Aussprache gehabt, wollte ihn aber begreiflicherweise kennenlernen. Der Minister vermittelte mir einen Besuch bei dem General. Wenn man im Reichswehrministerium das Zimmer des Generals betrat, sah man sofort, daß man es mit einem politischen General zu tun hatte. Dies zeigte schon die auf dem Schreibtisch aufgestapelte politische Literatur. Unsere Aussprache bewegte sich bei der Fremdheit, in der wir uns gegenüberstanden, in allgemeinen Aus9 Eugen Mayer
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führungen, die sich auf die Mitarbeit bei dem gleichen Minister bezogen. Ein Detail ist mir erinnerlich. Der General erzählte, daß Staatssekretär Abegg des preußischen Innenministers Severing bei einer neuliehen Besprechung ihm gegenüber bemerkt habe, die Nationalsozialisten könnten es schon deshalb zu nichts bringen, weil auch ihre führenden Amtsträger einfache Leute seien. Er- der General- habe aber erwidert, daß auch die Jünger Christi einfache Leute gewesen seien und doch die Welt umgestaltet hätten.
1932 Nächtlicher Empfang Hitlers durch Groener
Vorweg sei nach den Mitteilungen des Ministers über eine Anfang Januar stattgehabte Zusammenkunft zwischen ihm und Hitler berichtet. Der Minister hatte Hitler zu der Besprechung gebeten. Groener empfing Hitler in seinem Ministerzimmer in der Bendlerstraße zu einem nächtlichen Gespräch unter vier Augen. Man wählte die Nachtzeit, damit der Dienstschluß eine größere Geheimhaltung gewährleiste. Die Aussprache fand auf Veranlassung Brünings statt, der vorbereitend klären wollte, inwieweit man auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit Hitler rechnen könne. Die Unterredung dauerte etwa zwei Stunden. Sie war rein persönlich gehalten. Hitler lehnte Wein ab, nahm aber Kaffee an. Die Aussprache, die sich nach Hitlers Methode bald auf allgemeine Probleme ausdehnte, gab Hitler Anlaß, nach seiner Gewohnheit einen umfassenden Streifzug durch die ganze deutsche Geschichte zu unternehmen und den Nachweis zu versuchen, daß nur der Nationalsozialismus imstande sei, für das deutsche Volk die nationalen Ziele zu erreichen, die es durch die Fehler sämtlicher anderer Regierungssysteme immer wieder verfehlt habe. Von Ansatzpunkten für eine konstruktive Zusammenarbeit im Sinne Brünings zeigte sich keine Spur. Doch verlief und endete die Unterredung in guter Atmosphäre. Hitler fühlte sich offenbar durch die Vertraulichkeit der Aussprache, die mit großem Geheimschutz umgeben war, persönlich geschmeichelt. Nur Wiederwahl Hindenburgs aussichtsreich
Die optimistischen Erwartungen der Regierung Brüning für die Reichspräsidentenwahl wurden schon im Januar zunichte gemacht, als sich herausstellte, daß die Lausanner Konferenz nicht zeitig genug stattfinden konnte. Sie wurde, hauptsächlich wohl auf Wunsch Frankreichs, zunächst auf den April und dann auf den Juni, den letzten nach der internationalen Vereinbarung des Vorjahres möglichen Termin, verschoben. Andererseits scheiterten die Bemühungen Brünings, die Amtsperiode des Reichspräsidenten durch verfassungsänderndes Gesetz zu verlängern, an dem 131
Widerspruch der "Nationalen Opposition". Diese konnte sich allerdings ihrerseits nicht über einen Kandidaten für die Wahl einigen. Sie spaltete sich. Die Deutschnationalen erhoben den Stahlhelmführer Duesterberg zu ihrem Kandidaten, die Nationalsozialisten erkoren Hitler. Nun ergab sich für die Regierung Brüning die Notwendigkeit, Hitler unter allen Umständen zu schlagen. Dies war aber bei den gegebenen Verhältnissen nur noch durch eine Wiederwahl Hindenburgs möglich, da keinem anderen Bewerber der Sieg über Hitler mit Sicherheit zugetraut werden konnte. Beratung über eine indirekteWahldes Reichspräsidenten
Wohl wurde damals in einem kleinen Kreise- völlig unabhängig von der Regierung- kurze Zeit der Plan erwogen, ob man die direkte Präsidentenwahl nicht durch ein einfaches Reichsgesetz abschaffen könne, wie sie durch das einfache Reichsgesetz vom 4. Mai 1920 über die Wahl des Reichspräsidenten eingeführt worden war. Zwar wollte die Weimarer Verfassung ihrer Begründung nach die direkte PräsidentenwahL Sie überließ aber die Ausführung dieses Willens nach Absatz drei ihres Art. 41 einem einfachen Reichsgesetz. Wir mußten aber unseren Plan bald fallen lassen. Zwar wäre für ein einfaches Reichsgesetz im Reichstag und im Reichsrat eine Mehrheit wohl zu schaffen gewesen. Dagegen konnte nach der ganzen Einstellung des Reichspräsidenten, dessen Unterschrift für ein Reichsgesetz erforderlich war, die Mitwirkung Hindenburgs nicht erwartet werden. Diese Mitwirkung wäre aber schon deshalb notwendig gewesen, weil einem wahrscheinlichen gewalttätigen Widerstand der Nationalsozialisten nur mit dem Einsatz der Reichswehr erfolgreich begegnet werden konnte. Es mußte bei der direkten Wahl des Reichspräsidenten bleiben. Brüning bewegt Hindenburg zur Wiederkandidatur
Brüning appellierte an den Patriotismus des Reichspräsidenten, der sich auch zur Wiederkandidatur bereit erklärte. Hindenburg betonte später, daß die Initiative zu seiner Wiederwahl von konservativen Kreisen ausgegangen sei, denen sich dann die größeren Parteien angeschlossen hätten. (s. hierzu den Wahl-Brief Hindenburgs an Friedrich von Berg (Markienen) vom 25. Februar 1932, abgedruckt in "Vierteljahrshefte für ZeitStuttgart.) Der Reichspräsident sah in diesem Schreiben darüber hinweg, geschichte", Jahrgang 1960, Januarheft (S. 78), Deutsche Verlags-Anstalt daß die von ihm geltendgemachte Initiative konservativer Kreise zahlen132
mäßig recht unbedeutend war und daß die für seine Wahl eintretenden großen Parteien sich unabhängig von dieser Initiative aus staatspolitischen Gründen für seine Wiederwahl entschieden. DerWahlkampf mit vertauschten Fronten
Der seltsame Wahlkampf ging nun mit seinen gegenüber 1925 vertauschten Fronten vor sich. Ohne die die Regierung Brüning stützenden Parteien wäre ein Wahlsieg Hindenburgs unmöglich gewesen. Seiner Kandidatur verlieh der Reichskanzler aus seiner persönlichen Verehrung für Hindenburg heraus besonderen Glanz, indem er unermüdlich mit voller Hingabe die Gestalt des Reichspräsidenten dem Volke als den für sein Volk sich abmühenden Nationalhelden darstellte. Er verglich Bindenburg mit dem greisen Kaiser Wilhelm I. Sozialdemokraten für Hindenburg
Die Sozialdemokraten wählten Hindenburg nicht aus Begeisterung, sondern aus wohlerwogenen Vernunftgründen, als das kleinere übel gegenüber einem Hitler-Sieg. Gelegentliche unpassende Kußerungen sozialdemokratischer Unterführer über Hindenburg wurden kolportiert und sind sicher auch Hindenburg hinterbracht worden. Sie werden bei ihm ihre Wirkung getan haben. Allgemein muß daran festgehalten werden, daß Hindenburg, wie sein oben erwähnter Wahlbrief vom 25. Februar 1932 erkennen läßt, sich als unabhängigen Kandidaten betrachtete, der nach seiner Ansicht seinen nichtkonservativen Wählern keinen besonderen Dank schuldete und sich ihnen gegenüber nicht verpfliChtet fühlte. Dem entsprach sein weiteres Verhalten. Dieses Verhalten, das so viele seiner Wähler schmerzlich enttäuscht hat, war wohl zum Teil daraus zu erklären, daß sich für Hindenburg sein Wahlsieg zeitlich fast unmittelbar mit der schweren Angelegenheit des SA-Verbotes verband, die ihn aufs äußerste verbitterte. Wir werden bald darauf zu sprechen kommen. Hindenburg siegt über Hit/er
Das Wahlergebnis rechtfertigte die Erwartungen der Reichsregierung und der sie stützenden Parteien. Schon im ersten Wahlgang erreichte Hindenburgfast die absolute Mehrheit der Stimmen. Im zweiten Wahlgang (10. April) siegte er mit 19,4 Millionen Stimmen (53 Ofo) über Hitler, der 133
aber immerhin 13,5 Millionen Stimmen (36,8 °/o) erlangte. Der Kandidat der Deutschnationalen, Stahlhelmführer Duesterberg, war schon nach dem ersten Wahlgang zurückgetreten. Artikel über Hindenburgs Wahlsieg für die Hearst-Presse
Für Minister Groener verfaßte ich zum Wahlsieg Hindenburgs einen großen, von der amerikanischen Hearst-Presse erbetenen Artikel, der Hindenburg als Friedenswahrer und Bürgen für Recht und Ordnung feierte. Die Hearst-Presse war von dieser Deutung des Wahlsieges Hindenburgs befriedigt. Als der Artikel erschien, war aber bereits der politische Horizont in Deutschland erneut verdüstert. Es sei gestattet, hier im Zusammenhange aus dem Tätigkeitsbereich des Büros Minister über Einzelheiten des Wahlkampfes zu berichten. Groener fiir Entpolitisierung der Jugend
Eine Sache, die dem Minister sehr am Herzen lag und die er beim Wahlkampf mit Nachdruck aufgriff, war die Botpolitisierung der Jugend. Ich verfaßte in seinem Auftrag ein eindringliches Rundschreiben an die Führer der politischen Parteien, in dem diese gebeten wurden, alles zu tun, um die Jugend bis zu einem gewissen Alter, etwa bis zum 14. Lebensjahr, von der Parteiarbeit fernzuhalten. Die schulmäßige politische Bildung und Aufklärung sollte nicht darunter leiden, aber nicht von Parteipolitik gesteuert werden. Das Rundschreiben hatte einen geringen Erfolg. Die Zustimmungen lauteten recht allgemein; die Erregung des Wahlkampfes war der Sache abträglich. Hitler lehnte am schärfsten ab. Er erklärte, man könne in der Politisierung der Jugend nicht genug tun. Der Nationalsozialismus stelle seine ganze Arbeit auf diese Rolle der Jugend ab. Hit/er als braunschweigischer Regierungsrat Reichsdeutscher
Die Wählbarkeit Hitlers zum Amt des Reichspräsidenten führte zu einer staatsrechtlichen Kontroverse. Sie beschäftigte auch lebhaft das Reichsministerium des lnnern. Die Kandidatur Hitlers war nur möglich, wenn er, der nach dem Verlust seiner Österreichischen Staatsbürgerschaft staatenlos geworden war, die deutsche Reichsangehörigkeit erwarb. Bekanntlich hat ihm dazu die Braunschweigische, von dem Nationalsozia134
listen Klagges geführte Landesregierung verholfen, indem sie ihn mit Urkunde zum Regierungsrat des Landes ernannte und Sorge trug, daß er an der Braunschweigischen Gesandtschaft in Berlin den Dienst kurz antreten und den vorgeschriebenen Eid auf die Weimarer Verfassung leisten konnte. Das alles geschah nur, um Hitler die Wählbarkeit für das Amt des Reichspräsidenten zu verschaffen. Da keineswegs beabsichtigt war, ihn als Beamten zu verwenden, schaltete sich das Reichsministerium des Innern in die Prüfung ein, ob die Ernennung Hitlers als rechtsunwirksam behandelt werden könne. Es ergab sich aber, daß die ohne Formfehler von der zuständigen Behörde urkundlich vollzogene Ernennung wegen ihres formalen Rechtscharakters nicht angefochten werden könne. Auch der gemäß Art. 108 der Weimarer Verfassung errichtete Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich (Reichsgesetz vom 9. Juli 1921) konnte gegenüber formalem Recht keine Hilfe bieten.
Offener Brief HitZers an Brüning und die Antwort Ein herausfordernder Offener Brief Hitlers an den Reichskanzler befaßte auch das Büro Minister. Hitler hatte im Wahlkampf einen Offenen Brief an den Reichskanzler gerichtet, in dem er Brüning mit den übelsten Schmähungen überhäufte und dem Regierungssystem der Weimarer Republik alle Schuld an den schweren Notständen zuschob, die das Volk bedrückten. Die politisch notwendige Beantwortung des Offenen Briefes zog sich unangenehm in die Länge, weil ein von der Pressestelle der Reichsregierung verfaßter Entwurf höheren Orts nicht gefiel. Minister Groener beauftragte nun mich mit der Lieferung eines Entwurfs, der in höchster Eile gefertigt werden mußte. Mein Entwurf fand Billigung. Er hielt Hitler vor, in einseitiger Weise alle Schuld für das Unheil ausschließlich auf der deutschen Seite zu suchen und zu vergessen, daß die unerhörten Härten und Ungerechtigkeiten des Versailler Friedensdiktats und ebenso die rücksichtslose Handhabung all der vielen bedrückerischen Klauseln dieses Diktates durch lange Jahre hindurch in erster Linie es waren, die die gegenwärtige Misere verschuldet hätten. Zu Einzelbeschwerden Hitlers in dem Offenen Brief über das Wahlverfahren fertigte Staatssekretär Zweigert für die Antwort des Reichskanzlers eine überzeugende Richtigstellung.
Replik HitZers schwach In seiner Replik auf das Antwortschreiben des Reichskanzlers, das in der Presse erschien, zeigte Hitler eine ziemliche Verlegenheit. Es war ihm 135
unangenehm, daß er als Anwalt der Versailler Siegermächte und ihrer Diktate festgehalten worden war. Drei Fragen des Abg. Bredt an den natsoz. Abg. Rosenberg
Zum Schluß eine Wahlkampfepisode aus dem Reichstag. Es handelt sich um eine von mir miterlebte Szene, die sich im Haushaltsausschuß des Reichstages abspielte, wo der nationalsozialistische Abgeordnete Rosenberg beim Etat des Außenministeriums den Reichskanzler als Außenminister heftig angriff. Auf den Abgeordneten Rosenberg folgte der Abgeordnete Prof. Bredt, Führer der Wirtschaftspartei, der unter allgemeiner Aufmerksamkeit drei Fragen an Rosenberg richtete: "1. Ist Ihnen bekannt, daß vor kurzem eine von Hitler gebilligte Ministerliste zirkulierte, in der Brüning als Außenminister vorgesehen war?
2. Ist Ihnen bekannt, daß Hitler sagte: "Wir Nationalsozialisten haben noch keinen Kredit in der Welt. Brüning hat ihn. Darum brauchen wir Brüning jetzt!" 3. Ist Ihnen bekannt, daß diese Ministerkombination daran scheiterte, daß Hugenberg den Katholiken Brüning als Außenminister ablehnte, dann aber auch Hitler den Plan mit Brüning aufgab, um die neugewonnenen evangelischen Wähler in Norddeutschland nicht an Hugenberg zu verlieren?" Der Abgeordnete Rosenberg gab keine Antwort. Abgeordneter Bredt fuhr fort: "Sie schweigen, weil Sie wissen, daß ich die Wahrheit gesagt habe". Rosenberg schwieg weiter und ließ sich auch durch das lebhafte "Hört! Hört!" der Abgeordneten nicht zu einer Antwort bewegen. Schwarze Woche der Innenpolitik durch das SA-Verbot
Ausgerechnet am Tage des Wahlsieges Hindenburgs, am 10. April1932, hob eine Schwarze Woche der deutschen Innenpolitik an, deren Folgen die Existenz der Weimarer Republik bedrohten. Das diese Krise auslösende Ereignis war das SA-Verbot vom 13. April. Neben der SA, deren Stärke Hitler auf 400 000 Mann bezifferte, traf das Verbot alle militärähnlichen Formationen der Nationalsozialisten (wie SS usw.). 136
Büro Minister bei SA-Verbot nur nebenbei beteiligt
Vorweg sei bemerkt, daß das Büro Minister mit dem SA-Verbot selbst nur nebensächlich befaßt wurde. Das Büro Minister hatte als Kollegium unter Vorsitz des Ministers den von anderer Seite (wohl im Reichsinnenministerium) fertig ausgearbeiteten Entwurf der das Verbot aussprechenden Notverordnung formal nach Möglichkeiten der Klärung und Verbesserung des Textes zu überprüfen. Ferner hatte ich selbst zwei Tage vor dem Verbot als persönlicher Sendbote des Ministers in München dem Innenminister Stü tzel das bevorstehende Verbot anzukündigen. Groener betreibt das SA-Verbot auf Länderwunsch
Zur Sache selbst ist folgendes zu berichten. In der Woche vor dem Wahltag (10. April) hat Minister Groener, hauptsächlich auf Betreiben der Regierung von Preußen, das vor allem seine Landtagswahl vom 24. April von äußerem Druck entlasten wollte, und der Regierung von Bayern, das SA-Verbot ins Auge gefaßt. Die näheren Umstände dieses vorläufigen Entschlusses des Ministers sind nicht vollständig geklärt. Der Minister ging von der Annahme aus, daß die größeren Länder von sich aus zum Verbot der SA schreiten würden, wenn die Reichsregierung damit zu lange zögere. Tatsächlich konnten die Landesregierungen bei Gefahr im Verzug nach Abs. 4 des Art. 48 der Weimarer Verfassung einstweilen die gleichen Maßnahmen treffen wie der Reichspräsident selbst. Minister Groener hielt ein solches Vorgehen der Länder für der Reichsautorität abträglich. Schleicher zunächst für das SA-Verbot
Es ist als sicher anzunehmen, daß der Minister, der anfangs ohne ein Einvernehmen mit dem auf Wahlreise abwesenden Reichskanzler handelte, sich auf die Sache des SA-Verbotes nur einließ, weil er mit Recht des vollkommenen Einverständnisses des Generals von Schleicher sicher zu sein glaubte. In der Tat hat Schleicher am 6. und am 8. April die gleiche Haltung eingenommen wie der Minister, am 8. April zudem noch in Gegenwart des Chefs der Heeresleitung, Generals von Hammerstein, der gleichfalls für das Verbot der SA war. Schleicher dann für eine Reform-Aktion Hitlers
Erst am nächsten Tag, dem 9. April, äußerte Schleicher Bedenken gegen das SA-Verbot im Hinblick auf die Stimmung im Reichswehrministerium. 137
An Stelle des Verbots befürwortete er jetzt eine von der Reichsregierung ultimativ betriebene und kontrollierte Aktion Hitlers, der in diesem Fall die SA nach den detaillierten Weisungen der Reichsregierung reorganisieren sollte. Groener widersprach diesem Vorschlag, der ihm unzweckmäßig erschien, zumal er alles in das Belieben Hitlers stellte. Brüning und Groener erwirken von dem widerstrebenden Reichspräsidenten das SA-Verbot
Am 10. April, dem Wahltag Hindenburgs, nahm der nach Berlin zurückgekehrte Reichskanzler die Sache in die Hand. Er hielt übrigens nach seinem "Brief" im Juliheft 1947 der Deutschen Rundschau den Schritt Groeners für voreilig. Am gleichen Tag war durch Staatssekretär Meißner bekannt geworden, daß auch Hindenburg für die von Schleicher vorgeschlagene "indirekte" Aktion war. Nach erregten Verhandlungen gab Hindenburg am 12. April widerstrebend seine Unterschrift für die Verbotsverordnung, nach der Angabe Brünings in dem genannten "Brief" unter dem Druck der gleichzeitigen Rücktrittsdrohungen von Brüning und Groener. Brüning fügte dem hinzu, daß dies der Anfang des Bruches zwischen ihm und Hindenburg gewesen sei. SA-Verbot verkündet und vollzogen
Am Mittwoch, den 13. April, wurde dann die Verbotsverordnung verkündet. Man schritt zum Vollzug des Verbotes, der reibungslos vonstatten ging. Es hatte den Anschein, daß das Verbot die SA nicht unvorbereitet getroffen hatte. Brief des deutschen Kronprinzen an Groener gegen das SA-Verbot
Nun folgten in dieser "Schwarzen Woche" zwei inhaltsschwere Tage. Am 14. April (Donnerstag) richtete der Deutsche Kronprinz ein scharfes Schreiben an Groener, in dem er für die Aufhebung des SA-Verbotes eintrat und gleichzeitig seine Sympathien für den Nationalsozialismus und für die SAals Schulungsstätte des Wehrgeistes zum Ausdruck brachte. Damals war übrigens aus einer öffentlichen Äußerung des Kronprinzen bekannt geworden, daß er am 10. April Hitler gewählt hatte. Wer in jener Zeit den Kronprinzen sah, mußte aus seinem selbstbewußten, fast siegessicheren Auftreten den Eindruck gewinnen, daß er damit rechnete, 138
die Nationalsozialisten würden den Hohenzollern den Weg zum Thron bereiten. Hindenburg fordert scharf von Innenminister Groener Maßnahmen gegen andere Parteiorganisationen
Am nächsten Tag, Freitag, den 15. April, forderte Hindenburg in einem Schreiben an Innenminister Groener, das er gleichzeitig der Presse übergab, entsprechende Maßnahmen gegen Organisationen anderer Parteien zu ergreifen. Worauf er abzielte, ging daraus hervor, daß er gleichzeitig an Innenminister Groener Material gegen das Reichsbanner sandte, das übrigens recht dürftig war. Dieses Material hatte er sich aus dem Reichswehrministerium über Schleicher besorgt. So erfuhr die deutsche Öffentlichkeit, daß Schleicher gegen Groener, dessen Vertrauensmann er lange Zeit gewesen war, in vollem Frontwechsel feindselig vorging. Man erfuhr auch, daß der Reichspräsident wegen des SA-Verbots aufs äußerste gegen Groener aufgebracht war. Spannung zwischen Hindenburg und Groener bleibt
Die nächsten Wochen brachten keine Entspannung, zumal die Landeswahlen weitere große Erfolge der Nationalsozialisten brachten. Bei den Preußenwahlen am 24. April ergab sich beispielsweise im Landtag für die vereinigten Abgeordneten der "Nationalen Opposition" und der Kommunisten eine absolute Mehrheit, so daß die Regierung Otto Braun nur noch als geschäftsführende Regierung weiter amtieren konnte. Reichstags-Interpellation über das SA-Verbot angesetzt Groeners Gesichtspunkte
Als am 9. Mai der Reichstag zum erstenmal nach der Präsidentenwahl zusammentrat, war klar, daß das SA-Verbot ein parlamentarisches Nachspiel haben würde. Am 10. Mai war die nationalsozialistische Interpellation über das SA-Verbot angesetzt. Groener hatte als Innenminister, der die Verbotsverordnung des Reichspräsidenten - zur Schonung Brünings - allein gegengezeichnet hatte, die Interpellation zu beantworten. Vor der Sitzung gab er mir vertraulich Kenntnis von dem Inhalt seiner Rede. Der Minister erklärte darin im wesentlichen folgendes. Die SA habe einen Staat im Staate dargestellt. Sie sei eine große Privatarmee in 139
der Hand eines die Weimarer Verfassung innerlich ablehnenden Parteiführers gewesen, der nach der Organisation seiner Partei und der SA Anspruch auf unbedingten Gehorsam gehabt habe. Die SA sei eine akute Gefahr für den Bestand und das ordnungsmäßige Funktionieren der Weimarer Republik geworden und habe deshalb ausgeschaltet werden müssen. Dies sei für die Staatsführung ein Gebot der Notwehr und der Selbsterhaltung gewesen. Das Reichsbanner nahm der Minister als verfassungstreu in Schutz. Verlauf der lnterpellationssitzung: Groener von der Opposition schwer bedrängt
Der Abgeordnete Göring, der die Interpellation begründete, wählte mit bewußter Spekulation auf das militärische und patriotische Denken des Ministers die schärfsten verleumderischen Ausdrücke, die den Minister in der tiefsten Seele treffen mußten. Er sagte u. a., der Minister wolle mit seinem SA-Verbot mit Vorbedacht, den internationalen Feinden Deutschlands zuliebe, den letzten Rest des Wehrgeistes im deutschen Volk ausrotten. Man sah, wie der Minister in Erregung geriet. Er meldete sich sofort zum Wort, obwohl er noch am folgenden Tag hätte antworten können. Nach der Geschäftsordnung erhielt er sofort nach Göring das Wort. Er begann seine Rede mit leidenschaftlicher Zurückweisung der nationalsozialistischen Verleumdungen. Die Nationalsozialisten ihrerseits eröffneten sofort einen Großangriff gegen den Minister. Sie ließen ihn kaum zu Wort kommen, unterbrachen ihn ständig mit wüstem Lärmen und Schreien und höhnischem Gelächter. Die Kommunisten taten mit. Der Minister seinerseits ließ sich durch die Lärm-Orgien der Opposition in noch heftigere Erregung hineinsteigern. Die Opposition hinwieder überbot sich mit unablässigen Schmähungen. Die Sitzung artete schließlich in einen Dauertumult aus und mußte abgebrochen werden. (Bemerkung: Die Nachprüfung der Rede Groeners am nächsten Tag nach den Reichstagsprotokollen ergab, daß sie in jeder Hinsicht einwandfrei war. Sie wurde von objektiven Kritikern als gut anerkannt.) Schleicher fordert Rücktritt Groeners als Reichswehrminister Groener tritt als Reichswehrminister zurück, bleibt Reichsinnenminister
Noch am späten Nachmittag des Sitzungstages verbreitete sich im Reichstag die Kunde, General Schleicher, der der Rede des Ministers 140
nicht beigewohnt hatte, sei im Dienstanzug in den Reichstag gekommen und habe dem Reichskanzler mitgeteilt, die Reichswehr, deren Ansehen Minister Groener durch sein schwächliches Auftreten geschädigt habe, stehe nicht mehr hinter Groener. Der Reichskanzler wurde gebeten, dies dem Reichspräsidenten als Meldung des Generals Schleicher zuzuleiten. Widrigenfalls werde er - Schleicher - die Meldung dem Reichspr~sidenten als Oberbefehlshaber der Wehrmacht unmittelbar erstatten. Schleicher drängte ferner Groener, das Reichswehrministerium abzugeben oder Krankenurlaub zu nehmen. Minister Groener ließ in der Tat am 12. Mai bekanntgeben, daß er vom Reichswehrministerium zurücktrete. Am 13. Mai nahm er seinen Abschied als Reichswehrminister, behielt aber die Leitung des Reichsinnenministeriums bei. Das Reichswehrministerium blieb bis zum Ende der Regierung Brüning unbesetzt. Groener wollte Brüning retten
Das Hauptmotiv Groeners bei seinem Rücktritt als Reichswehrminister war, den Reichskanzler von der Belastung zu befreien, die er Groener - als Reichswehrminister nach seiner Ansicht bei der letzten Entwicklung der Lage für Brüning bedeutet hätte. Groener wollte Brüning retten, dem er treuergeben war. Würde ihm dies gelingen? Das war die Frage, die für den Rest des Monats die deutsche Politik beherrschte. Brünings große Rede vom 11. Mai
Brüning ging angesichts des Ansturms der Opposition bei der Interpellation zum SA-Verbot zum Gegenangriff über. Er stellte den Reichstag mit seiner großen Rede vom 11. Mai 1932 vor die Entscheidung über seine Politik. Er stand den Mißtrauensanträgen der Nationalsozialisten und Deutschnationalen, eines Teiles des Landvolkes, derDeutschen Volkspartei und der Kommunisten gegenüber. Es war jene Rede, in der er den Reichstag beschwor, ihm noch die paar Wochen bis zur Lausanner Konferenz zu folgen, um ihm zu ermöglichen, nach erreichter Rettung aus der größten Not das Land wieder aufwärts zu führen. In der Rede kam der berühmt gewordene Satz von den letzten 100 Metern vor. Brüning sagte (nach den Reichstagsprotokollen): "Wenn ich mich dadurch (gemeint war die Agitation der Opposition gegen ihn im Lande) beeindrucken ließe, dann würde ich damit den schwersten politischen Fehler begehen ... Ich würde die Ruhe auch innenpolitisch verlieren, die an den letzten 100 Metern vor dem Ziel das absolut Wichtige ist." 141
Brüning siegt im Reichstagam 12. Mai
In der Abstimmung am nächsten Tag, dem 12. Mai 1932, errang der Reichskanzler einen klaren Sieg. Die Mißtrauensanträge wurden mit 286 gegen 259 Stimmen, also mit einer Mehrheit von 27 Stimmen, abgelehnt. Die den Reichskanzler stützende Reichstagsmehrheit hatte sich vertrauensvoll hinter ihn gestellt. Hindenburg von Brünings Sieg nicht bewegt Abreise nach Neudeck
Man muß annehmen, daß dieser große parlamentarische Sieg Brünings den Reichspräsidenten, der gerade nach Neudeck abreiste, nicht besonders bewegt hat. Seine Wünsche und Bestrebungen gingen nach der neuesten, durch das SA-Verbot ausgelösten Entwicklung unentwegt in der Richtung der Bildung einer Rechtsregierung. Eine feste koalitionsmäßige Verbindung der den Reichskanzler stützenden Parteien hätte bei der bekannten Einstellung des Reichspräsidenten gegenüber hartem Widerstand einer Reichstagsmehrheit den Eindruck auf ihn nicht verfehlt. An eine solche Geschlossenheit im Reichstag war aber nach der ganzen Entwicklung seit dem Frühjahr 1930 nicht mehr zu denken. Der Reichstag war kein fester Machtfaktor mehr. Hindenburgs Abwendung von Brüning v. Oldenburg (fanuschau) beeinflußte Hindenburg gegen Brüning
Der Reichspräsident blieb bis zum 28. Mai in Neudeck. Diese kurze Zeitspanne sollte die große Wende bringen. In ihr vollzog sich die innere Abwendung Hindenburgs von Brüning. über das, was sich in Neudeck abspielte, über die Einflüsse, die auf den Reichspräsidenten einwirkten, ist noch keine volle Klärung geschaffen. Reichliches Material findet sich bei Karl Dietrich Bracher "Die Auflösung der Weimarer Republik" Ring-Verlag, Stuttgart/Düsseldorf 1955, S. 511 ff. Bracher kommt (S. 511) zu dem Schluß, daß "ein wesentlicher Anstoß aus der großagrarischen Umgebung des Reichspräsidenten kam und das folgenschwere Ereignis vom 30. Mai auslöste." Ich kann aus eigener Feststellung hierzu einen ergänzenden Beitrag liefern. Ich lernte nachträglich einen heute nicht mehr unter den Lebenden weilenden, in München ansässigen Mann der Wirtschaft, Dr. Siekmeyer, kennen, der nach dem Sturze Brünings im Sommer 1932 als Beauftragter der Osthilfe die Besitzungen 142
und Verhältnisse des Kammerherrn von Oldenburg (Januschau) nach den für die Osthilfe maßgebenden Bestimmungen zu überprüfen hatte. Nach Abschluß seiner Arbeiten, von denen der Kammerherr befriedigt war, wurde er von diesem zum Abendessen in der Familie eingeladen. Am späten Abend - die Familie hatte sich bereits zurückgezogen hatte mein Gewährsmann eine lange, vertrauliche Aussprache mit dem Herrn von Oldenburg. Bald kam die Rede auf die Politik und auf Brüning. Unvermittelt sagte der Kammerherr zu meinem Gewährsmann etwa: "Ich kann mich rühmen, daß ich es war, der dem Vertrauensverhältnis zwischen Hindenburg und Brüning ein Ende machte. Sie können mir glauben, daß es nicht ganz leicht war, Hindenburg umzustimmen. Ich machte ihm aber klar, daß der Siedlungsplan Brünings den preußischen Großgrundbesitz nicht bloß materiell schwer schädigen, sondern auch seine traditionelle Stellung und seine Zukunftsaussichten in der Politik aufs äußerste gefährden würde. Der Siedlungsplan müsse daher unbedingt zu Fall gebracht werden, was aber nur möglich sei, wenn Brüning selbst ausscheide. Ich sagte Hindenburg, daß der preußische Grundbesitz an ihn auch als Standesgenossen appelliere. Meine Gründe haben schließlich Hindenburg überzeugt. Das weitere Geschehen kennen Sie." Schleicher bringt v. Papen als Kanzlerkandidaten ins Spiel
Die ganze Atmosphäre von Neudeck und Umgebung wirkte gegen Brüning. Im "Haus" Hindenburg hatte der Reichskanzler keine Stütze, insbesondere auch nicht an Staatssekretär Meißner. Dagegen war ·dort der General von Schleicher sehr einflußreich, der, wie schon gesagt, mit dem Sohne des Reichspräsidenten, dem Obersten Oskar von Hindenburg, in fester Verbindung stand. Schleicher, der mit der SA seine weitreichenden Zukunftspläne für eine große Armee hatte, war durch das SA-Verbot zum Gegner des Reichswehrministers Groener geworden, dessen Sturz er hauptsächlich organisiert hatte. Brüning selbst erschien ihm nun als ein Hindernis auf seinen Wegen, die ihn schon längere Zeit zu Verhandlungen mit den Nationalsozialisten führten. Er strebte jetzt mit allen Mitteln nach der Bildung einer Rechtsregierung. Er erkannte, daß das Haupthindernis für eine solche Regierung darin lag, daß bei der tiefen Kluft zwischen den Deutschnationalen und den Nationalsozialisten keine Persönlichkeit aus diesen Kreisen zur Verfügung stand, die die Idee der Rechtsregierung, wie sie dem Reichspräsidenten vorschwebte, repräsentieren konnte. So war nun tatsächlich das entscheidende Ereignis des Neudecker Zwischenaktes, daß es Schleicher gelang, in seinem Bekannten143
kreis eine geeignet erscheinende Persönlichkeit ausfindig zu machen und für seine Intrigen zu gewinnen, die man dem Reichspräsidenten als Kanzlerkandidaten mit Aussicht auf Erfolg vorschlagen konnte. Dies war der eigenbrötlerische Zentrumsabgeordnete des Preußischen Landtags Pranz von Papen vom .westfälischen Landadel, ein Mann von guter Erscheinung und von gesellschaftlicher Gewandtheit. In der Zentrumspartei genoß von Papen kein besonderes Ansehen. Schleicher brachte ihn ins Spiel. Hindenburgnahm noch in Neudeck Interesse an diesem neuen Kanzlerkandidaten. Schleicher traf rasch alle weiteren Vorbereitungen. Schon am 28. Mai, am Tage der Rückkehr Hindenburgs aus Neudeck, hatte Schleicher eine eingehende, ihn durchaus befriedigende Rücksprache mit von Papen in Berlin. Hindenburg war an diesem Tage schon entschlossen, von Brüning ultimativ die Bildung einer Rechtsregierung zu verlangen und im Weigerungsfall sich von ihm zu trennen. Lösung des V ertrattensverhältnisses zwischen Hindenburg und Brüning
Die unerwartet rasche Lösung des Vertrauensverhältnisses zwischen Hindenburg und Brüning, das zwei schwere Jahre hindurch allen Belastungen widerstanden hatte, gibt zahlreiche Rätsel auf, die wohl keine vollständige Klärung finden werden. Gerade Brüning hatte mit hohem sittlichem Ernst und mit vollem Einsatz seiner Persönlichkeit unentwegt als treuer Gefolgsmann des Reichspräsidenten gewirkt. Auch Hindenburg hatte ihm noch im Jahr zuvor Beweise seines väterlichen Wohlwollens gegeben. Wenn wir indessen vergleichsweise das Vertrauensverhältnis heranziehen, das den Reichspräsidenten mit dem gegenüber Brüning allerdings wesentlich älteren Reichskanzler Marx verbunden hatte, so kann uns nicht entgehen, daß die Grundlagen des Vertrauensverhältnisses zwischen Hindenburg und Brüning aus verschiedenen Gründen doch schwächer waren, so daß sie leichter zerbrechen konnten. Trotzdem trifft den Reichspräsidenten eine schwere Verantwortung, daß er in einer von Brüning erreichten überaus günstigen außenpolitischen Situation und entgegen einem denkwürdigen Vertrauensbeschluß des Reichstags dem Reichskanzler, mit dem er über zwei Jahre zusammengearbeitet hatte, ohne vorherige offene Aussprache sein Vertrauen entzog. Brüning vonNeudeck abgehalten
Brüning war während des Neudecker Zwischenaktes so sehr mit wichtigsten und unaufschieblichen Arbeiten überhäuft, schon wegen der vor 144
dem Abschluß stehenden Reparationsverhandlungen, daß er den Vorgängen in Neudeck nicht genug Beachtung schenken konnte. Als Staatssekretär Meißner vom 24.-26. Mai in Neudeck sich einschaltete, wollte auch der Reichskanzler noch zu einer Besprechung nach Neudeck kommen. Sein Versuch dazu gelang nicht. Mittlerweile hatte der Reichskanzler durch Verbindungen, die mit der französischen Botschaft in Berlin bestanden, in Erfahrung gebracht, daß von Papen als Reichskanzlerkandidat genannt werde und französische Sympathien genieße. Hierzu ist zu bemerken, daß der Westfale von Papen durch Heirat Gutsbesitzer im Saargebiet geworden war, was ihn in Berührung mit den Franzosen, den faktischen Herren des Saargebiets, brachte. Die Franzosen suchten immer wieder Beziehungen zu den dortigen "Notabeln" zu gewinnen, zu denen nun auch von Papen gehörte. Entscheidende Unterredung Brünings mit Hindenburg am Montag, den 30. Mai
Brüning wußte jedenfalls, als die entscheidenden Endtage des Mai herankamen, wessen er sich von Hindenburg zu versehen habe. über diese Tage besitzen wir von Brüning selbst seinen sogenannten "Brief" vom Juli 1947 in der Deutschen Rundschau (Juli) zu Händen ihres Herausgebers Dr. Peche!. Aus dem "Brief" wissen wir auch, daß Brüning seit Herbst 1930 wiederholt in schwierigen, fast ausweglos scheinenden Lagen in der Aussprache mit dem Reichspräsidenten günstige Lösungen fand. Die entscheidende Unterredung mit Hindenburg fand am Montag, den 30. Mai 1932, statt, wie der "Brief" ausdrücklich angibt. Man kann annehmen, daß gerade dieses Datum im Gedächtnis des Reichskanzlers haften blieb. Brüning in der Reichskanzlei vor und nach der Unterredung
über die äußeren Umstände dieser Unterredung kann ich kleine Ergänzungen bringen. Als der Reichskanzler zu der Aussprache mit Hindenburg die Reichskanzlei verließ, drängten sich um ihn seine engsten Mitarbeiter, um ihm guten Erfolg zu wünschen. Ein leitender Beamter der Reichskanzlei sagte mir, der Reichskanzler, der zuversichtlich aussah, habe dabei gesagt: "Heute will ich dem Alten Herrn die ganze Wahrheit sagen. Ich werde ihm reinen Wein einschenken." Der nämliche Gewährsmann erzählte mir, daß nach der Rückkunft Brünings von der Aussprache mit Hindenburg sich bald im Hause die niederschmetternde 10 Eugen Mayer
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Kunde verbreitete, der Reichskanzler habe gesagt: "Der Alte Herr sieht die Welt nur noch wie durch einen Schleier. Es hat keinen Zweck, mit ihm zu reden. Ich werde den Abschied nehmen."
Unfreundlicher Empfang Brünings durch Hindenburg Ein Münchner höherer Beamter, der Brüning nach seinem Sturz bei einer Reichstagswahl des Jahres 1932 kennenlernte, sagte mir, daß Brüning ihm mitgeteilt habe, sein Empfang am 30. Mai sei unfreundlich gewesen. Hindenburg habe ihn ungeduldig gedrängt, sich zu entscheiden. Als Brüning die Frage Hindenburgs, ob er jetzt eine Rechtsregierung bilden wolle, zum zweitenmal verneinte, habe der Reichspräsident kurz gesagt: "Dann haben Sie mein Vertrauen nicht mehr!" Das war dann das Ende.
Die Unterredung scheitert an der Frage der Rechtsregierung Die Meinungsverschiedenheiten zwischen Hindenburg und Brüning lassen sich dahin zusammenfassen, daß Hindenburg endgültig entschlossen war, auf der Bildung einer Rechtsregierung zu bestehen und nur noch einer solchen Regierung Notverordnungen nach Art. 48 der Verfassung zu bewilligen, Brüning aber aus außenpolitischen Gründen, jedenfalls bis zur Lausanner Konferenz, die Beibehaltung seines bisherigen Kurses mit der Möglichkeit von Notverordnungen verlangte. Da Hindenburg jedes Entgegenkommen ablehnte, war Brüning zum Rücktritt gezwungen.
Rücktrittsbeschluß der zweiten Regierung Brüning Die Unterredung vom 30. Mai hat nach der Angabe von Bracher "Die Auflösung der Weimarer Republik", S. 522 etwa eine Stunde gedauert. Das stimmt zu den Angaben Brünings über den Inhalt der Aussprache in seinem "Brief" vom Juli 1947. Am Nachmittag des gleichen Montags beschloß die zweite Regierung Brüning ihren Rücktritt. Die Kanzlerschaft Brünings hatte damit eine Gesamtdauer von zwei Jahren und zwei Monaten erreicht (30. März 1930 bis 30. Mai 1932). Es war die längste zusammenhängende Dauer einer Kanzlerschaft in der Weimarer Republik. Für den folgenden Tag (Dienstag 31. Mai) war die Übergabe des Rücktrittsbeschlusses des Kabinetts an den Reichspräsidenten vorgesehen. Brüning erhielt hierfür nach der Angabe von Bracher (a. a. 0., S. 524) einen Empfangstermin um 10 1/2 Uhr. 146
Brüning, in der Präsidialkanzlei hingehalten, kann Hindenburg nicht umstimmen
Vor dem Weggang zum Reichspräsidenten am 31. Mai erhielt Brüning den überraschenden Besuch des amerikanischen Botschafters Sackett, der ihm die wichtige Mitteilung brachte, daß bei den Genfer Abrüstungsverhandlungen jetzt auch Frankreich - zum ersten Male - gegenüber der deutschen Forderung nach militärischer Gleichberechtigung ein vielversprechendes Entgegenkommen gezeigt habe. Brüning hoffie, den Reichspräsidenten mit dieser Nachricht umstimmen zu können. Nach den Angaben in seinem "Brief" von 1947 war aber durch nichtoffizielle Stellen in der Präsidialkanzlei sein Empfang so lange verzögert worden, daß ihm zum Schluß wenige Minuten für seinen Vortrag zur Verfügung standen, weil der Reichspräsident an diesem 31. Mai, dem SkagerrakTag, beim mittägigen Aufziehen der Ehrenwache der Marine nicht fehlen wollte. In der kurzen Unterredung blieb Hindenburg unnachgiebig. Er nahm den Rücktrittsbeschluß des Kabinetts zustimmend zur Kenntnis. Hindenburg für v. Papen entschlossen. Kabinett v. Papen am 1. Juni
Bei der Würdigung des gesamten Sachverhaltes ist die Annahme erlaubt, daß die Verzögerung des Empfangs von dem Reichspräsidenten zugelassen war, weil er seine Entscheidung vom Vortag als sein letztes Wort ansah und eine neueAuseinandersetzungmitBrüning nicht wünschte. Nun waren die Würfel gefallen. Der Reichspräsident war im Geist schon bei dem neuen Kanzlerkandidaten v. Papen, dem ·er noch am Nachmittag des gleichen 31. Mai einen längeren, besonders freundlichen Empfang gewährte. Am Schluß der Unterredung erteilte er v. Papen den förmlichen Auftrag zur Bildung der neuen Rechtsregierung. Dank der Regie Schleichers ging alles so flott vonstatten, daß schon am nächsten Tag, dem 1. Juni, das Kabinett v. Papen, das sich ein Kabinett der Nationalen Konzentration nannte, der überraschten und erstaunten deutschen Öffentlichkeit präsentiert werden konnte.
Brüning -
Konnte Brüning rebellieren? der Schluß der Weimarer Demokratie
Konnte Brüning rebellieren? Diese Frage ist wiederholt gestellt worden. Die Rebellion wäre nur in der Form möglich gewesen, daß Brüning 10*
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den Reichstag zum Widerstand gegen Hindenburg aufgerufen und auf seine Seite gebracht hätte. Ein solches Verhalten wäre bei der Ergebenheit Brünings gegenüber dem Reichspräsidenten schon aus psychologischen Gründen nicht denkbar gewesen. Es wäre indes auch aus zeitlichen Gründen nicht durchführbar gewesen. Die Entlassung Brünings und die Bildung des Kabinetts von Papen folgten so unerwartet rasch aufeinander, daß der in Betracht gezogene Widerstand des Reichstags sich gegen die Regierung von Papen hätte richten müssen. Der Reichstag wies wohl eine Brüning stützende Mehrheit auf, wie sich zuletzt bei der historischen Abstimmung vom 12. Mai gezeigt hatte. Indessen fehlte dieser Mehrheit die feste Geschlossenheit, die nur einer förmlichen Koalition erreichbar gewesen wäre. Von einer solchen Geschlossenheit konnte aus den wiederholt entwickelten Gründen keine Rede sein. So mußte das Unheil seinen Lauf nehmen. Die Regierung Brüning war die letzte Regierung der Weimarer Republik, die den freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaat der Weimarer Verfassung vertrat. Was nachher kam, war den Umständen nach nichts anderes als ein ständiges, stufenweises, unaufhaltbares Abgleiten zur nationalsozialistischen Herrschaft, zum Ende der Weimarer Republik. Die Lausanner Konferenz von Brüning erarbeitet
Noch im Juni, dem ersten Monat des Kabinetts von Papen, folgten programmgemäß die von Brüning erreichten und sachlich bis ins letzte vorbereiteten Verhandlungen der Konferenz von Lausanne. Sie brachten mit einem Abkommen vom 9. Juli die radikale Revision des YoungPlanes: die Ersetzung des Y oung-Planes mit seiner Periode von bis in das Jahr 1988 reichenden Jahreszahlungen (Annuitäten) durch eine pauschale Kapitalschuld von 3 Milliarden Reichsmark, die noch dazu erst ab 1935 durch näher zu vereinbarende Schuldverschreibungen abzutragen war. Was hätte Brüning mit Lausanne erreichen können?
Man kann annehmen, daß die Aussichten auf diesen ausschließlich von Brüning erarbeiteten und von Papen nur geernteten Erfolg den Sturz Brünings beschleunigt haben. Man konnte ihm diesen Erfolg nicht gönnen, der ihn vielleicht unstürzbar gemacht hätte. Sicher ist andererseits, daß das Ergebnis von Lausanne, das ja auch seine Wirkungen auf die Kriegsschulden der Reparationsgläubiger haben mußte, in der Hand 148
eines Brüning den Auftakt zu einer großen Hebung der deutschen und der Weltwirtschaft bedeutet hätte, da eine rechtsstaatliche, vertragstreue Entwicklung der internationalen Beziehungen gewährleistet gewesen wäre. Möglicherweise hätte eine solche von Brüning mitgesteuerte Lausanner Konferenz in ihren Auswirkungen sogar die Präsidentenwahl der USA vom November 1932 günstig beeinflussen können, bei der bekanntlich der Demokrat Franklin Delano Roosevelt die Republikaner des Deutschland wohlgesinnten Hoover verdrängte. In der Hand Papens konnte die Lausanner Konferenz wohl der deutschen Wirtschaft Nutzen bringen, die allgemeine Entwicklung aber wegen der fortdauernden Unsicherheit der politischen Gesamtlage in Deutschland nicht grundlegend verbessern. Abschiedsfeier des Büros Minister. Schleichers Treubruch beklagt
In den ersten Tagen des Juni veranstaltete das Büro Minister für Groener, seinem Wunsche entsprechend, im Schöneberger Rathaus eine schlichte Abschiedsfeier. Die fünf Mitglieder des Büros vereinigten sich um den Minister. Als Obmann des Büros bekundete ich dem Minister unsere aufrichtige Verehrung und unseren Dank für das uns gewährte Wohlwollen und Vertrauen. "Treue und Kameradschaft" bezeichnete ich als die Leitgedanken des Ministers. Ich erwähnte den Treubruch Schleichers. Ich zitierte mahnend das deutsche Sprichwort "Untreue schlägt den eignen Herrn", nicht ahnend, daß schon in zwei Jahren im Zusammenhang mit der Röhm-Affäre Schleicher samt seinerGattin vomHitlerterror hinweggerafft werden sollte. Für uns vom Büro Minister nahm ich in Anspruch, daß wir, wie die "comites" in der Germania des Tacitus, die Gefolgsmänner der altgermanischen Herrscher und Führer, in guten und in bösen Tagen dem Minister treu gedient hätten. Der Minister erwiderte mit herzlichem Dank für unsere Kameradschaft und wünschte uns eine gute Zukunft. Von Schleicher sprach er in milden Wendungen, wenngleich er seine tiefe Enttäuschung über Schleichers Verhalten erkennen ließ. Aussöhnung Groeners mit Schleicher
Später erfuhren wir, daß der Minister sich mit Schleicher wieder ausgesöhnt hatte. Dem schon erwähnten, 1955 erschienenen Erinnerungsbuch der Tochter des Ministers Dorothea Groener-Geyer war dann Näheres über die Aussöhnung zu entnehmen. Der Minister pflegte darnach in 149
guten Zeiten den General von Schleicher, den er lange Zeit in jeder Weise gefördert hatte, geradezu seinen Wahlsohn zu nennen. Gedenken an Brüning
Bei der Betrachtung des Sturzes von Brüning möchte ich nicht versäumen, dem in den fernen USA lebenden Altreichskanzler ein besonderes Gedenken zu widmen. Sein 75. Geburtstag am 26. November 1960 hat die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit wieder auf diesen Staatsmann gelenkt. In schweren Zeiten hat Brüning, wohl wissend, was auf dem Spiele stand, als unermüdlicher, treuer Dammwächter gegen die herantosende totalitäre Sturmflut den freiheitlichen Rechtsstaat bis zuletzt mit äußerster Hingabe verteidigt. Auf seine Memoiren warten viele. Sie hoffen, daraus neue Klärungen über die zum Teil zwielichtigen Jahre seiner beiden Regierungen und darüber hinaus über den Schicksalsweg der ersten deutschen Republik überhaupt zu gewinnen. Die Bundespräsidenten Heuß und Lübke ehren Brüning
Man kann die Meinung hören, daß Altreichskanzler Brüning auch in unserer Bundesrepublik nicht zu seinem vollen Rechte gekommen sei, das ihm zustehe. Demgegenüber ist zu vermerken, daß unsere beiden Bundespräsidenten ihm gerecht geworden sind. Bundespräsident Heuß hat bei seinem offiziellen Besuch in den USA Brüning in seinem Heim einen vielbeachteten Sonderbesuch abgestattet, um ihm seine Hochachtung zu bezeigen. Und Bundespräsident Lübke hat dem Altreichskanzler zu seinem 75. Geburtstag ein inhaltsreiches Glückwunschtelegramm gewidmet, das, wie ein kleines historisches Kompendium, die emanzipatorischen Dauerverdienste Brünings um die deutsche Nation mit dankbaren Worten herausstellte. Dieses denkwürdige Glückwunschtelegramm sollte bei staatsbürgerlichen Schulungen nicht übersehen werden. Die Hundertjahrfeier von Goethes Todestag durch die Politik beeinträchtigt
Zu den Leidtragenden der politischen Wirren, die im Frühjahr 1932 in Deutschland wegen der Reichspräsidentenwahl herrschten, gehörte auch die Hundertjahrfeier von Goethes Todestag (22. März 1832). Deutschland würdigte seinen berühmtesten Dichter keiner großen Nationalfeier, die ja hätte einigend wirken müssen. Was manche damals nicht wollten. 150
Frankreich dagegen hat in Paris eine glanzvolle Goethefeier veranstaltet, bei der unter dem Vorsitz des Präsidenten der Republik Paul Doumer der bekannte Germanist der Sorbonne Henri Lichtenberger, ein Vorkämpfer für die deutsch-französische Verständigung, dem großen Weltbürger huldigte. Die Hundertjahrfeier des Harnbacher Festes blieb unbeachtet
Neben unserem nationalen Versäumnis in der Goethefeier mag kurz erwähnt werden dürfen, daß in den kritischen Endtagen des Mai 1932 auch die Hundertjahrfeier des Harnbacher Festes (27. Mai 1832) wirkungslos vorüberging. Im pfälzischen Harnbach war 1832 unter Entfaltung der schwarz-rot-goldnen Banner aus Verdruß über das Versagen der Fürsten in der Frage der nationalen Einigung eine deutsche Einheitsrepublik gepriesen worden. Die Reichsregierung hatte zu der Feier von 1932 als ihren Vertreter den aus der Pfalz stammenden Staatssekretär Geib des Reichsarbeitsministeriums entsandt. Als dieser nach Berlin zurückkehrte, befanden sich die Regierung Brüning und die Weimarer Demokratie bereits in vollster Krise. Im Reichsinnenministerium des Frh. von Gayl
Mit dem Sturz der Regierung Brüning-Groener fand das Büro Minister naturgemäß sein Ende. Unverändert verblieb mir aber bis zu meiner Rückkehr nach Bayern (November 1932) das Referat für die politische und kulturelle Betreuung der westlichen Grenzgebiete. Mit diesem Referat gehörte ich, wie schon gesagt, der Abt. II des Reichsinnenministeriums an (Ministerialdirektor Dammann). Mit dem neuen Reichsminister des Innern, Frh. von Gayl, der in der großagrarischen Offensive zum Sturz Brünings eine Rolle gespielt hatte, kam ich in keine Berührung. Gewisse deutschnational oder nationalsozialistisch denkende Beamte des Reichsinnenministeriums traten nun stärker hervor und erlaubten sich Unfreundlichkeiten gegen uns alte Mitarbeiter der Minister Wirth und Groener. Wir hatten indessen eine feste Stütze an Ministerialdirektor Dammann und an dem als Berufsbeamter in seinem Amte belassenen Staatssekretär Z weigert. Andererseits habe ich durch dieUmgestaltungder Verhältnisse, die die Regierung von Papen mit sich brachte, die besonderen politischen Beobachtungsmöglichkeiten verloren, deren ich mich vorher erfreut hatte. Ich sehe deshalb davon ab, in diese Skizzen aus dem Leben der Weimarer Republik die Geschehnisse der Ära Papen während des Restes meiner Berliner Zeit (bis November 1932) einzubeziehen.
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Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1919
7
Einleitung
Wiedersehen mit Neustadt an der Haardt. Französische Besatzung Politischer Burgfrieden im besetzten Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Weimarer Verfassung . .. . .. .. .. . .. .. .. .. . .. .. .. . .. . .. .. .. .. .. .. .. Korrekte französische Kontrollstelle . . .. . . . . . . . . . .. . . . . .. . . .. . . . . . . . ..
9 9 10 10
1920 Berufung nach München. Inkrafttreten des Versailler Friedensvertrages . . Parteizerklüftung im unbesetzten Deutschland. Dolchstoßlegende . . . . . . . . Siegermächte steigern Not und Radikalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapp-Putsch und Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die große Wende durch die Reichstagswahl 1920: Entmachtung der Weimarer Koalition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11 11 12 12 13
Erster Abschnitt
1921
Existenzkampf des Reiches: 1921-1924
Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was bedeutet "Existenzkampf des Reiches"? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strafbesetzung von Düsseldorf-Duisburg (Sanktionsgebiet): Anlaß zu Staatssekretariat für die besetzten rheinischen Gebiete . . . . . . . . . . . . . . . . Siegermächte zwingen Londoner Zahlungsplan auf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsch-amerikanischer Sonderfrieden: USA fehlen im Völkerbund . . . . . . Ermordung Erzhergers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hitler verherrlicht den Mord .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. . .. .. . .. .. .. .. .. .. . Bei Teilung von Oberschlesien belastet sich der Völkerbund . . . . . . . . . . . . Eintritt in das Staatssekretariat für die besetzten rheinischen Gebiete (Staatssekretär Brugger) . . .. . . . . . . . . .. . .. . . . .. . . . . .. . . . . . . . . . . . .. . .. Anekdote zur Ernennung Bethmann Hollwegs zum Reichskanzler 1909 . . Zuständigkeit und Wirkungsweise des Staatssekretariats . . . . . . . . . . . . . . . . Das Moltke-Gedächtniszimmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15 15 15 16 16 17 17 18 18 19 19 20
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1922 Einstand im Staatssekretariat. Das politische Referat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kommissar der Reichsregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Besatzung und die Deutschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Poincares Reparationspolitik zielt auf Eroberung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Ermordung Rathenaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sagte Wirth: "Der Feind steht rechts"? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung Rathenaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ebert und die deutsche Nationalhymne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reichskabinett Cuno . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1923 Der Ruhreinbruch Der passive Widerstand ............................................. . Staatssekretär Brugger betreut das altbesetzte, Generalkommissar Schmid (Berlin) das neubesetzte Gebiet ..................................... . Blutbad bei Krupp ................................................... . Der aktive Widerstand. SchlagetJer .................................... . Pierpont Noyce plädiert für Wilson ................................. . Der Brief des Kardinals Schulte ..................................... . Die erste Große Koalition ........................................... . Gusta v Stresemann ................................................. . Reichsministerium für die besetzten Gebiete (Rheinministerium): Minister Fuchs ............................................................. . Einstellung des passiven Widerstandes ............................... . Die Rentenmark ..................................................... . Frankreich und Belgien organisieren Separatistenputsche ............... . Separatistenregierung in der Pfalz nach Frankreichs Willen ........... . England und USA gegen Poincare ................................... . Versackungspolitik ................................................... . Reparationskommission lenkt ein: Dawes-Ausschuß. Erste Regierung Marx. Stresemann bleibt Außenminister ............................. . Wilhelm Marx ...................................................... . Rheinministerium nebenamtlich besetzt ............................... .
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1924 Ende des Separatismus in der Pfalz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Da wes-Plan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sozialdemokraten für intaktes Preußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kammerwahlen stürzen Poincare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kammer stürzt Präsident Millerand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reichstagswahl im Mai: Zweite Regierung Marx . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Londoner Konferenz über Da wes-Plan im August . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Freundliche Atmosphäre um Marx . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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38 40 41 42 42 42 43 43
Ordonnanzen-Memorandum für Schacht und die City . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herriot, Stresemann, Marx . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wichtiger Brief von Marx an Herriot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Ständige Unterstaatssekretär des britischen Auswärtigen Amtes . . . . Das englische Volk und der König .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. Abschluß der August-Konferenz .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. . .. .. .. .. .. .. . .. . Freundlicher Abschied von England .. .. . .. .. .. .. .. .. . .. .. .. . .. . . .. .. . Deutschnationale retten den Da wes-Plan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausführungskonferenz in Koblenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . Landeshauptmann Horion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reform des Ordonnanzensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rückführung der Ausgewiesenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbau der französischen Pfänderverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reichstagswahl im Dezember. Deutschnationale drängen zur Regierung . . Beleidigungsprozeß des Reichspräsidenten im Dezember. Ungerechtes Urteil in Magdeburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Reichspräsident klagt Freund Profit sein Leid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Existenzkampf des Reiches beendet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Zweiter Abschnitt 1925
Ruhigere Jahre: 1925-1928
Kölner Zone nicht geräumt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erste Regierung Luther (mit Deutschnationalen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tod Friedrich Eberts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul von Hindenburg Reichspräsident . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sicherheitsverhandlungen mit Frankreich und England . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ursprünglicher englisch-amerikan. Garantievertrag für Frankreich 1919 . . Wegfall des ursprünglichen Garantievertrages.......................... Stresemanns Initiative für neuen Garantievertrag 1925 . . . . . . . . . . . . . . . . . . Locarno-Pakt Gemeinschaftswerk von Stresemann und Lord d' Abernon Kein Ost-Locarno . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Locarno-Pakt mit Völkerbund gekoppelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Locarno-Konferenz im Oktober . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutschnationale lehnen Locarno-Pakt und Völkerbund ab . . . . . . . . . . . . Zentrale Bedeutung des Locarno-Paktes. "Rückwirkungen" . . . . . . . . . . . . . . Jagd- und Fischereiabkommen für die Besatzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Engländer will seine Entenjagd schriftlich haben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tausendjahrfeier des Rheinlands 1925 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Feiern in Düsseldorf und Köln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hauptfeier im Kölner Gürzenich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jubiläums-Ausstellung in Köln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1926 Stichwort des Jahres: Völkerbund .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kölner Zone geräumt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Zweite Regierung Luther (ohne Deutschnationale) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erster Anlauf zum Völkerbund im März . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berliner Vertrag, deutsch-russischer Freundschaftsvertrag, im April . . . . . . Luther stürzt über Flaggenfrage. Dritte Regierung Marx mit Bell als Rheinminister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund im September . . . . . . . . . . . . . . Schauplatz der Aufnahme: der Genfer Reformationssaal . . . . . . . . . . . . . . . . Einzug der Deutschen: Begrüßung durch Präsident Nintschitsch . . . . . . . . . . Stresemanns große Antrittsrede: Bekenntnis zum Völkerbund . . . . . . . . . . Große Antwortrede Briands: Gelöbnis für französisch-deutsche Versöhnung Alltag des Völkerbunds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Treffen Stresemanns und Briands in Thoiry . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stresemann plädiert für Totallösung aller offenen Fragen . . . . . . . . . . . . . . Briand bleibt zurückhaltend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thoiry verbessert das politische Klima . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Parlamentarier in Genf. Verfasser hielt sich an Abg. Kaas . . . . . . . . . . . . Französische Parlamentarier sondieren Kaas über das deutsch-polnische Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prof. R. Martel schreibt gutes Buch über deutsche Ostgrenze . . . . . . . . . . . . Exkurs über Schiller und Polen: Entwurf "Demetrius" . . . . . . . . . . . . . . . . . . Völkerbund 1926 nicht deutschfreundlich. Besserung braucht Zeit . . . . . . Stresemann und Briand erhalten Friedensnobelpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1927 Das ruhigste Jahr der Weimarer Republik .. .. .. .. .. .. .. .. .. . . . .. .. .. .. . Militärkontrolle der Siegermächte verschwindet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vierte Regierung Marx (mit Deutschnationalen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reichskanzler auch Rheinminister .. . . .. . .. . . .. .. . . .. . . .. . . .. .. . . . . . .. Rheinministerium und Reichskanzlei . . . .. .. .. . .. . .. . . . . . .. . . . . . . . . . . . . Vertrauensverhältnis zwischen Hindenburg und Marx .. .. .. .. .. .. .. .. .. Hindenburg-Anekdote: Hindenburg und die Weimarer Verfassung . . . . . . Hindenburg und der Reichstag .. .. .. .. . .. .. .. .. .. . .. . .. .. .. .. .. . .. .. .. Hindenburg-Anekdote: Marschallstab und Zylinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besuchsreise des Reichskanzlers in die besetzten Gebiete . . . . . . . . . . . . . . . . Aktion gegen die Königgrätzer Straße in Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reichstagspräsident Löbe, Vorsitzender des Österr.-deutschen Volksbundes, hilft zum Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Königgrätzer Straße wird Stresemannstraße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ka:iser Franz Joseph sah keine Königgrätzer Straße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1928
Erkrankung Stresemanns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reichstagswahl im Mai: Zweite Regierung Hermann Müller . . . . . . . . . . . . Abschied von Marx . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Nationalsozialisten unter Fraktionsstärke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stresemann in Paris zum Kriegsächtungspakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hermann Müller vertritt Stresemann in Genf: fordert Räumung . . . . . . . . Kontrolle der entmilitarisierten Zone in Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schilderhebung Hugenbergs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ende der "ruhigeren Jahre" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Dritter Abschnitt Neue Krise und Weg zum Ende: 1929-1932 1929 Krankheit Stresemanns verschlimmert sich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausarbeitung des Young-Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dritte Regierung Hermann Müller mit Großer Koalition. Wirth Rheinminister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schärfste Opposition gegen Young-Plan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schattenseiten des Young-Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Young-Plan und Da wes-Plan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorzüge des Young-Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Moratoriums-Befugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konstruktive Grundgedanken des Y oung-Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haager Reparationskonferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . August-Konferenz im Haag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutschland gleichberechtigt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . "Het Vaderland" im Palast-Hotel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reparationsfragen in einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrolle ·der entmilitarisierten Zone: Briands Forderung . . . . . . . . . . . . . . Deutscher Widerstand gegen Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsche Scheinkonzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirth und Stresemann zur öffentlichen Meinung in Deutschland . . . . . . . . Briand widerstrebt Räumungstermin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Henderson will Räumung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Räumungstermin: 30. Juni 1930 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Echo am Rhein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . August-Abschluß im Haag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pariser Sachverständigen-Besprechungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stresemann und Briand feiern in Genf die Europa-Idee . . . . . . . . . . . . . . . . Stresemann und das Y oung-Plan-Volksbegehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stresemann und die Jugend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stresemanns Tod aus der Sicht von Paris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was hätte Stresemann noch geleistet? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Am Young-Plan-Volksbegehren scheiden sich die Geister . . . . . . . . . . . . . . . . Das Volksbegehren scheitert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hugenber·g fördert Hitler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1930 Haager Januar-Konferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Curtius, Wirth, Tardieu im Haag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachruf auf Stresemann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wichtiges Thema: die Sanktionsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Sanktions-Artikel des Versailler Friedensvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . Young-Plan-Volksbegehren verschärft die Lage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gaus und ich beauftragt, eine Sanktionsformel auszuhandeln . . . . . . . . . . Verhandlungen mit Benhelot ........................................ Einigung über die Sanktionsformel .................................... Deutsches Vertrauen zum Ständigen Internationalen Gerichtshof . . . . . . . . Talleyrand über gute Verträge ........................................ Nachfragen in Paris und Berlin eingeschaltet .......................... Reichskabinett billigt Sanktionsformel ................................ Opposition tobt gegen Sanktionsformel .............................. Artikel im "Rheinischen Beobachter" beruhigt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reichstag billigt Y oung-Plan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regierung Hermann Müller tritt zurück .............................. Erste Regierung Brüning (Präsidialkabinett) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirth Innenminister, Treviranus Rheinminister ...................... Vertrauensverhältnis zwischen Hindenburg und Brüning .............. Finanzkrise und Wirtschaftskrise ...................................... Opposition gibt Young-Plan alle Schuld .............................. Die Totalräumung: Befreiungsfeiern .................................. Landesbefreiungsfeier der Pfalz in Speyer ............................ Reichsbefreiungsfeiern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reichsbefreiungsfeier in Speyer ........................................ Festliche Rheinfahrt des Reichspräsidenten ............................ Die Reichsfeier in Mainz .............................................. Hindenburg als Gast bei Reichskommissar Frh. Langwerth von Simmern Feier in Koblenz durch schweres Unglück getrübt ...................... Hindenburg lobt die Feier in Speyer .................................. Hindenburg am Rhein gefeiert ........................................ Auflösung des Reichstags .............................................. Hitler im Frack bei den Industriellen .................................. Auflösung des Rheinministeriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rückkehr des Verfassers nach Bayern erst später . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betreuung der westlichen Grenzgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Politische Betreuung des Saargebiets . . . .. . . .. . .. . . .. . .. . . .. . . . . . . . . . . . Mit Freund Profit für die Wiedervereinigung der Pfalz mit Bayern . . . . Profit als Pazifist im Landtag des Königreichs Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . Gedenken an Minister Treviranus .................................... Verbindung mit Minister Wirth ...................................... Radikales Ergebnis der Reichstagswahl vom 14. September 1930 . . . . . . . . Reichstagsmehrheit stützt Brüning .................................... Reichstag arbeitsunfähig: Legislative bei Hindenburg .................. Notverordnungen dienen der Revision der Reparationen ..............
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Im Lager der "Nationalen Opposition" ................................ 117 "Haus" Hindenburg rückt vor ........................................ 117 Hindenburg-Anekdote: Der Pelzmantel Hindenburgs .................. 117 1931
Die Weltwirtschaftskrise und Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brüning steuert früh auf eine Revision des Young-Plans hin ............ Die Opposition macht den Reichstag weiterhin arbeitsunfähig .......... Das deutsch-österreichische Zollunionsprojekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hätte Stresemann mehr erreichen können? ............................ Deutscher Hilferuf an Präsident Hoover .............................. Hoover will Deutschland retten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Weltfeierjahr Hoovers .......................................... Verhandlungen über Revision des Young-Plans ........................ Bankenkrise im Juli .................................................. Lava! und Briand in Berlin ............................................ Zweck der Harzburger Kundgebung .................................. Bildu?g de~ z-:eiten ~e?ierung Brüning. Reichswehrminister Groener zugleich Re1chsmnenmm1ster ........................................... Abschied von Minister Wirth. Treffen mitWirthin München nach 1948 .. Wirth beklagte die Militärlauheit des Bürgertums gegenüber der Reichswehr ............................................................... Gruppen der Harzburger Kundgebung ................................ Zwiespältiger Ablauf der Kundgebung ................................ Harzburger Kundgebung blieb nachwirkende Idee der Rechtskreise ...... Groener errichtet Anfang November das "Büro Minister" ............ Ich wurde Obmann des Büros Minister ................................ Weitere Mitglieder des Büros Minister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgabenkreis des Büros Minister .................................... Besprechungen des Ministers. Politische Sonderaufträge . . . . . . . . . . . . . . . . War das Büro Minister Ersatz für einen Gehirntrust? .................. Im November noch Hoffnung auf einen Nachfolger Hindenburgs ...... Pläne für Verdoppelung der Reichswehr und für eine Nationalmiliz .... Groeners Plan einer Nationalmiliz .................................... Wer sollte Nachfolger Hindenburgs werden? .......................... Advents-Rundfunkansprachen des Ministers ............................ Besuch bei Schleicher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1932
Nächtlicher Empfang Hitlers durch Groener .......................... Nur Wiederwahl Hindenburgs aussichtsreich .......................... Beratung über eine indirekte Wahl des Reichspräsidenten .............. Brüning bewegt Hindenburg zur Wiederkandidatur .................... Der Wahlkampf mit vertauschten Fronten ............................ Sozialdemokraten für Hindenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hindenburg siegt über Hitler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Artikel über Hindenburgs Wahlsieg für die Hearst-Presse .............. Groener für Entpolitisierung der Jugend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hitler als braunschweigischer Regierungsrat Reichsdeutscher . . . . . . . . . . . . Offener Brief Hitlers an Brüning und die Antwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Replik Hitlers schwach ................................................ Drei Fragen des Abg. Bredt an den natsoz. Abg. Rosenberg ............ Schwarze Woche der Innenpolitik durch das SA-Verbot . . . . . . . . . . . . . . Büro Minister bei SA-Verbot nur nebenbei beteiligt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Groener betreibt das SA-Verbot auf Länderwunsch .................... Schleicher zunächst für das SA-Verbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schleicher dann für eine Reform-Aktion Hitlers ........................ Brüning und Groener erwirken von dem widerstrebenden Reichspräsidenten das SA-Verbot .............................................. SA-Verbot verkündet und vollzogen .................................. Brief des deutschen Kronprinzen an Groener gegen das SA-Verbot .... Hindenburg fordert scharf von Innenminister Groener Maßnahmen gegen andere Parteiorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spannung zwischen Hindenburg und Groener bleibt .................... Reichstags-Interpellation über das SA-Verbot angesetzt. Groeners Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verlauf der Interpellationssitzung: Groener von der Opposition schwer bedrängt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schleicher fordert Rücktritt Groeners als Reichswehrminister. Groener tritt als Reichswehrminister zurück, bleibt Reichsinnenminister . . . . . . . Groener wollte Brüning retten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brünings große Rede vom 11. Mai . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . Brüning siegt im Reichstag am 12. Mai ................................ Hindenburg von Brünings Sieg nicht bewegt. Abreise nach Neudeck .... Hindenburgs Abwendung von Brüning. v. Oldenburg (Januschau) beeinflußte Hindenburg gegen Brüning ................................ Schleicher bringt v. Papen als Kanzlerkandidaten ins Spiel ............ Lösung des Vertrauensverhältnisses zwischen Hindenburg und Brüning Brüning von Neudeck abgehalten .................................... Entscheidende Unterredung Brünings mit Hindenburg am Montag, den 30. Mai ............................................................ Brüning in der Reichskanzlei vor und nach der Unterredung ............ Unfreundlicher Empfang Brünings durch Hindenburg .................. Die Unterredung scheitert an ·der Frage der Rechtsregierung ............ Rücktrittsbeschluß der zweiten Regierung Brüning .................... Brüning, in ·der Präsidialkanzlei hingehalten, kann Hindenburg nicht umstimmen ......................................................... Hindenburg für v. Papen entschlossen. Kabinett v. Papen am 1. Juni .... Konnte Brüning rebellieren? Brüning - der Schluß der Weimarer Demokratie ........................................................ Die Lausanner Konferenz von Brüning erarbeitet ...................... Was hätte Brüning mit Lausanne erreichen können? .................... Abschiedsfeier des Büros Minister. Schleichers Treubruch beklagt ........ Aussöhnung Groeners mit Schleicher ..................................
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Gedenken an Brüning ................................................ Die Bundespräsidenten Heuß und Lübke ehren Brüning ................ Die Hundertjahrfeier von Goethes Todestag durch die Politik beeinträchtigt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Hundertjahrfeier des Harnbacher Festes blieb unbeachtet .......... Im Reichsinnenministerium des Frh. v. Gay! ............................
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Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
Personenregister Abegg, Staatssekretär 130 Lord d'Abernon 58 Graf Adelmann 18, 40, 43, 112 Adenauer, Oberbürgermeister 35, 62 Anstett, Arzt (Pirmasens) 39 Baurichter 126 Bebe!, August 41 Bell, Reichsminister 65, 66 Benesch, Tschechoslow. Außenminister 73 v. Berg (~arkienen) 132 Berthelot, Generalsekretär des franz. Außenministeriums 100, 101 Frau v. Bethmann Hellweg 19 Bracher, Kar! Dietrich 142, 146 Bracht, Staatssekretär 44 Braun, Preußismer ~inisterpräsident 116, 125, 139 Brauns, Reichsminister 47 Brecht, ~inisterialdirektor 25 Bredt, Reimstagsabgeordneter 136 Breitsdteid, Reichstagsabgeordneter 67 Briand 59, 68-70, 73, 81, 82, 89-94, 121, 122 Broermann 89, 98, 126 Brüning 91, 103-105, 110, 115-123, 125, 128, 131-133, 135, 136, 138, 141-151 Brugger, Staatssekretär 16, 18, 22, 28, 30, 32 Chamberlain, Austen 59 Clive, Generalkonsul 38, 39 Collatz, Präsident 78 Cuno, Reichskanzler 25, 26, 30, 31 Curtius, Reichsminister 89, 98, 99, 101, 104, 119, 121, 122 Dammann, ~inisterialdirektor 112, 115, 126, 151 Da wes, USA-Wirtschaftsführer 36, 40 Dietrich, Reimsminister 115 Doumer, Paul, Präsident der franz.
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Republik 151 Doumergue, Präsident der franz. Republik 42 Duesterberg, Stahlhelmführer 132, 134 Ebert, Friedrich, Reichspräsident 10, 18, 24, 28, 31, 36, 40, 49-55, 104 Frau Ebert 55 Erzherger 12, 17 Sir Eyre Crowe 45 Falck, Justizrat 35 Fehrenbach, Reichskanzler 14, 16 Kaiser Franz Joseph 79 Frenken, Reichsminister 51, 60, 62 Frick, Reichstagsabgeordneter 81 v. Friedberg, Geh.-Rat 19 Fuchs, Reichsminister 32, 37 Gaus, ~inisterialdirektor 43, 67, 91, 92, 99, 100 Frhr. v. Gay!, Reimsminister 151 Geib, Staatssekretär 151 Geßler, Reichsminister 55, 129 Göring, Reichstagsabgeordneter 140 Görlitz, Walter 83 Goethe 150 Groener 52, 81, 115, 122, 125-129, 131, 134, 135, 137-141, 143, 149, 151 Groener-Geyer, Dorothea 127, 149 v. Gu~rard, Reichsminister 81, 102, 122 Bäntzschel, ~inisterialdirigent 126 v. Hammerstein, General 137 Harding, USA-Präsident 17 Heinz (Orbis) 34, 38 Held, Bayerischer ~inisterpräsident 78, 107, 108 Helfferich, deutschnat. Führer, Reichstagsabgeordneter 23, 33, 40 Henderson, Arthur, Brit. Außenminister 89, 92, 93
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Herriot, Franz. Ministerpräsident 42, 44, 45, 48 Heuß, Bundespräsident 150 Hilferding, Reichsminister 89 v. Hindenburg, Paul, Reichspräsident 18, 36, 52, 55, 56, 75-77, 106-109, 116, 117, 120, 125, 127, 129, 131134, 138, 139, 142-148 v. Hindenburg, Oskar, Oberst 109, 117, 143 Hitler 17, 65, 86, 96, 99, 110, 111, 115-117, 125, 131-138 Höfle, Reichsminister 37, 43 Hofmann (Ludwigshafen), Reichstagsabgeordneter 91 Hoover, USA-Präsident 120, 149 Horion, Landeshauptmann 48, 49, 62 Hugenberg, Reichstagsabgeordneter 83, 86, 99, 115, 117, 122, 124, 125, 136
Matheus, Regierungspräsident 28 Max, Prinz von Baden, Reichskanzler 53, 54 Meißner, Staatssekretär 117, 138, 143, 145 Menzel, Ministerialdirektor 126 de Metz, Franz. General 34, 38 Miller, Ministerialdirektor 89 Millerand, Präsident der franz. Republik 22, 42 Moltke 20 Müller, Adolf, Ministerialrat 112 Müller, Hermann, Reichskanzler 66, 80, 82, 85, 102, 103, 116 Mussolini 26, 59
Juncker, Oberregierungsrat 9
v. Oldenburg (Januschau)
Kaas, Reichstagsabgeordneter 67, 71 Kalle, Reichstagsabgeordneter 94 Kapp 12 Kastl, Geh.-Rat 85 Kellogg, USA-Außenminister 81 Klagges, Braunschweigischer Minister 122, 135 Koch-Weser, Reichstagsabgeordneter 67 Koester, Reichsminister 18 Krestinski, Sowjet. Botschafter 65 Deutscher Kronprinz 138
Pacelli, Nuntius 55 v. Papen 144, 145, 147-149, 151 Parker Gilbert, Reparations-Generalagent 40 Pfeiffer, Archivdirektor 108 Pfülf, Regierungspräsident 107 Pierpont Noyce, USA-Oberkommissar 29 Poincare, Franz. Ministerpräsident 22, 26, 29, 31, 33-35, 37-39, 42, 58, 70, 82, 89 Profit, Friedrich, Ministerialrat 9, 18, 28, 33, 50, 110, 112-114
Langwerth v. Simmern, Frhr. 60, 70, 77, 91, 108, 109 Lava!, Franz. Ministerpräsident 121 Leiling, Oberbürgermeister 108 Lichtenberger, Henri, Franz. Professor 151 Löbe, Reichstagspräsident 21, 78, 79 Lübke, Bundespräsident 150 Luther, Reichskanzler 33, 43, 49, 51, 59, 64, 65 Macdonald, Brit. Premierminister 42, 44, 89, 98 MacKenna, Bankdirektor 36 Martel, R., Franz. Professor 71 Marx, Wilhelm, Reichskanzler 36, 37, 42-45, 49, 56, 65, 66, 74-77, 80, 81, 144
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Nintschitsch, Jugosl. Außenminister 67, 69 Nollet, Franz. General 45
66,
117, 142, 143
Rathenau, Reichsminister 23, 24 Frhr. von Rheinbaben, Reichstagsabgeordneter 67 Richelieu 15 Rosenberg, Reichstagsabgeordneter 136 Roosevelt, USA-Präsident 149 Sackett, USA-Botschafter 147 Schacht 33, 43, 44, 85, 89, 94, 96, 124 Schäffer, Staatssekretär 94 v. Schilcher, Hubert (Dietramszell) 56 Schiller, "Demetrius" 72 Schlageter, Albert Leo 28 v. Schleicher, Kurt, General 117, 126, 129, 137-141, 143, 144, 147, 149, 150 Graf Schlieffen 20
Schmid, Staatssekretär 27, 32 Schmidt, Paul, Dolmetscher 44, 68 Scholz, Reichstagsabgeordneter 80, 94 v. Schubert, Staatssekretär 44, 67 Schücking, Professor 101 Schulte, Kardinal (Köln) 30 Schwaab (Pirmasens) 39 Sebastian, Bischof (Speyer) 38, 107 Siekmeyer 142 Snowden, Brit. Minister 90 Solf, Staatssekretär 53, 54 Sperr, Bayerische Gesandtschaft Berlin 20 Stang, Bayerischer Landtagspräsident 107 Stresemann 31-33, 35, 36, 43, 44, 46, 47, 55, 58-60, 64, 65, 67-70, 7274, 80-83, 85, 86, 89, 91-96, 103, 116, 119, 124 Stütze!, Minister 78, 108, 137
Tirard, Präsident der Interalliierten Rheinlandkommission 11, 48 Treviranus, Reichsminister 96, 104, 107, 114 Vandervelde 59 Vögler, Generaldirektor 85 v. Vollmar, Abgeordneter im Landtag des Kgr. Bayern 113 Westarp, Graf 83 Kaiser Wilhelm li. 53, 54 Königin Wilhelmine der Niederlande 89 Wilson, Woodrow, USA-Präsident 12, 16, 17, 29, 30, 57 Wirth, Reichskanzler, Reichsminister 16, 23, 25, 85, 86, 89, 91, 92, 98, 99, 101, 102, 104, 115, 122-124 Young, USA-Wirtschaftsführer 85
Talleyrand 101 Tardieu, Franz. Ministerpräsident 98, 101
Zweigert, Staatssekretär 125, 126, 129, 151