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German Pages 308 Year 2021
Stefan Sepeur | Gerald Frenzer | Frank Groß
Silicium- und Nanotechnologie für Lacksysteme Grundlagen und Anwendungen
Umschlagsbild: rrenis2000/Adobe Stock
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Stefan Sepeur, Gerald Frenzer und Frank Groß Silicium- und Nanotechnologie für Lacksysteme Hannover: Vincentz Network, 2022 Farbe und Lack Bibliothek ISBN 3-7486-0496-3 ISBN 978-3-7486-0496-9 © 2022 Vincentz Network GmbH & Co. KG, Hannover Vincentz Network, Postfach 6247, 30062 Hannover, Germany Das Werk einschließlich seiner Einzelbeiträge aus Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urhebergesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchtnamen, Warenzeichen und Handelsnamen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um geschützte, eingetragene Warenzeichen. Das Verlagsverzeichnis schickt Ihnen gern: Vincentz Network, Plathnerstr. 4c, 30175 Hannover, Germany Tel. +49 511 9910-033, Fax +49 511 9910-029 E-mail: [email protected], www.farbeundlack.de Satz: Vincentz Network, Plathnerstr. 4c, 30175 Hannover, Germany Druck: Qubus Media GmbH, Hannover, Germany
Farbe und Lack // Bibliothek
Stefan Sepeur | Gerald Frenzer | Frank Groß
Silicium- und Nanotechnologie für Lacksysteme Grundlagen und Anwendungen
Auf ein Wort
Auf ein Wort Sie halten unser Buch „Silicium- und Nanotechnologie für Lacksysteme“ in Händen. Wir wollen damit die Möglichkeiten der Siliciumchemie in Lacken vorstellen und einen Ausblick geben, was die Zukunft in diesem interessanten Forschungsfeld, mit zum Teil völlig neuen Eigenschaften zu bieten hat. Siliciumbasierte Rohstoffe werden schon seit Längerem in der Lackbranche eingesetzt, häufig noch in Nischenmärkten. Seit Anfang der 1990er Jahre hat man über die Sol-Gel-Technologie und über organische Modifizierungen von anorganischen Partikeln und insbesondere bei Siliciumoxidpartikeln die Möglichkeit, organische Lackbindemittel auch anorganisch zu modifizieren. Gerade der Bereich der Nanopartikel bietet die Chance, neue Funktionen in Lacksysteme einzustellen, ohne die Transparenz der Lacke zu verlieren. Dies wurde in unserem ersten Buch „Nanotechnologie“ erklärt und diese Inhalte wurden in dem hier vorliegenden Buch mit eingearbeitet. Wir erleben gerade eine Zeit des Umbruchs: Klimakrise, explodierende Preise, knapper werdende Rohstoffquellen und die klare Botschaft: weg vom Erdöl. Diese neuen Bedingungen schaffen weltweit neue Herausforderungen für Energie, Wirtschaft und eine alternative Rohstoffversorgung. In diesem Zusammenhang spielt der Einsatz von siliciumbasierten Materialien in Lacksystemen eine immer größere Rolle. In diesem Buch haben wir die verschiedenen siliciumbasierten Bindemitteltypen klassifiziert und anwendungsnahe Beispiele bzw. bereits kommerzialisierte Produkte aufgeführt. Wir zeigen Aufbau, chemische Strukturen, Herstellung und Beispiele für die Anwendung rein siliciumbasierter und anorganisch bzw. organisch modifizierter Lackbindemittel. Schritt für Schritt wollen wir dem Leser dabei auf Basis der Grundlagen von verschiedenen Bereichen der Chemie, wie z.B. Glas, Keramik, Nanotechnologie, Sol-Gel-Technologie, die Siliciumtechnologie vorstellen. Wir freuen uns, wenn wir den Leser in eine neue Rohstoffwelt mitnehmen können, die vielleicht nicht auf alle Fragen der Zukunft eine Antwort bieten kann, aber sicherlich zu einem großen Teil Anwendung in den Lacken der nächsten Generation finden wird. Wir bieten Ihnen viele interessante Anregungen und Ideen auf der Entdeckungsreise in die Welt der Siliciumtechnologie und hoffen, mit diesem Buch die Faszination zu vermitteln, die diese Chemie auch auf uns ausübt.
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Auf ein Wort
Für Fragen und Anregungen, aber auch zu einem Ideenaustausch zu den im Buch angesprochenen Materialien, stehen wir gerne für unsere Leser zur Verfügung. Bleiben sie innovativ, das Buch wird Sie dabei unterstützen. Saarbrücken, September 2021 Stefan Sepeur, Gerald Frenzer und Frank Groß [email protected]
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis 1 Einführung in die Siliciumtechnologie 1.1 Literatur
11 12
2 Reaktionsprinzipien des Siliciums 2.1 Literatur
13 16
3 Das Silicium 3.1 Eigenschaften und Vorkommen von Silicium 3.2 Nutzung von Silicium als Rohstoff in Solarzellen 3.3 Vom Quarzsand zum Silan 3.4 Literatur
17 17 19 23 24
4 Siliciumbasierte Rohstoffe 4.1 Hydrosilane (Silane) als Rohstoff 4.2 Chlorsilane 4.2.1 Müller-Rochow-Synthese zur Herstellung von Chlorsilanen 4.2.2 Verwendung von Chlorsilanen 4.3 Siliciumorganische Verbindungen 4.3.1 Polysilazane 4.3.2 Alkoxy- und Acetoxysilane 4.4 Literatur
25 26 28 29 30 30 32 34 37
5 Chemisch-technische Grundlagen 5.1 Grundlagen der Glaschemie 5.1.1 SiO2 als Glas und Kristall 5.1.2 Emaille 5.1.3 Wasserglas 5.1.4 Färben von Glas 5.2 Oberflächenveredelung von Glas mit dünnen Schichten 5.2.1 CVD-Verfahren 5.2.2 PVD-Verfahren 5.2.3 Dünne Metallschichten 5.2.4 Dünne dielektrische Schichten 5.2.5 Beschichtung mit transparenten, leitfähigen Oxiden 5.3 Grundlagen der chemischen Nanotechnologie 5.3.1 Definition der Nanotechnologie 5.3.2 Nanopartikel in Lacksystemen
39 40 40 44 45 47 50 51 53 56 57 60 61 62 67
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Inhaltsverzeichnis 5.3.3 Herstellung von Nanopartikeln 5.3.4 Oberflächenmodifizierung von Nanopartikeln 5.3.5 Charakterisierung von Nanopartikeln 5.3.6 Nanopartikel für Beschichtungsmaterialien 5.3.7 Toxikologie von Nanopartikeln 5.4 Korrosionsschutz 5.4.1 Passiver Korrosionsschutz 5.4.2 Aktiver kathodischer Korrosionsschutz 5.4.3 Zinklamellenüberzüge 5.5 Grundlagen der Siliconchemie 5.6 Der Sol-Gel-Prozess 5.6.1 Netzwerkwandler zur Flexibilisierung des anorganischen Netzwerkes 5.6.2 Cokondensation von Metallalkoxiden ins Si-O-Si-Netzwerk 5.6.3 Funktionelle organische Netzwerkbildner 5.7 Literatur
69 77 80 86 105 106 108 109 113 116 119
6 Oberflächeneffekte 6.1 Hydrophobe Oberflächen oder der Easy-to-Clean-Effekt 6.2 Lotus-Effekt oder superhydrophobe Oberflächen 6.3 Antibeschlageffekt oder hydrophile Oberflächen 6.4 Superhydrophile Oberflächen 6.5 Photokatalytische Effekte 6.6 Superhydrophil gegen Superhydrophob 6.7 Literatur
139 142 147 150 153 156 159 160
7 Lackrohstoffe und ihre Anwendungen 7.1 Säurestabilisierte lösemittelbasierte Silanhydrolysate (Sol-Gel-Materialien) 7.1.1 Sol-Gel-Materialien für Hochtemperaturanwendungen 7.1.2 Antifingerprint-Beschichtungen 7.1.3 Korrosionsschutz auf Stahl/Edelstahl 7.1.4 Versiegelung von verzinktem Stahl 7.1.5 Versiegelung von Zinkblechen 7.1.6 Korrosionsschutz auf Aluminium und Magnesium 7.1.7 Photokatalytisch selbstreinigende Beschichtungen auf Polymeren 7.1.8 Lebensmittelechte Innenbeschichtung von Aluminiumbehältern 7.1.9 Hochtemperatur Easy-to-Clean-Beschichtung 7.1.10 Infrarotabsorbierende Beschichtungen
163
125 127 132 135
163 166 167 172 174 175 177 180 184 185 186 7
Inhaltsverzeichnis 7.1.11 Versiegelung von Kupfer 7.1.12 Kratzfestbeschichtungen 7.1.13 Tribologische Beschichtungen 7.1.14 Entformungshilfsschichten 7.1.15 Easy-to-Clean-Beschichtung für Keramikrollen in Hochtemperaturöfen 7.1.16 Zunderschutz für Stahl 7.2 Wasserbasierte modifizierte Silikasole 7.2.1 Dauerhafte hydrophile Schichten 7.2.2 Korrosionsschutz durch wässrige Zinklamellenbeschichtungen 7.2.3 Aktive Zinkbeschichtungen bis 500 °C Temperaturbeständigkeit 7.2.4 Wasserbasierte aktive Korrosionsschutzprimer für Farb- und Pulverlacke 7.2.5 Epoxymodifizierte Silikasole als Additiv für Dispersionen 7.3 Harze nach dem Fällungs-Emulsionsverfahren 7.3.1 High Solid-Methacrylharze nach dem Fällungsverfahren 7.3.2 Dual-Cure-Materialien auf Basis von High Solid-Methacrylbindemitteln 7.3.3 Emulsionen von gefällten Silankondensaten 7.3.4 Beschichtungen auf Glas und Porzellan 7.4 Nanoemaille (alkalisch stabilisierte Silikatbeschichtungen) 7.4.1 Alkalisch wasserbasierte Silikatschichten für den Korrosionsschutz 7.4.2 Anlaufschutz von Edelstahl 7.4.3 Höchste Chemikalienbeständigkeit durch Nanoemaille 7.4.4 Katalytischer Rußabbrand auf Basis von alkalimodifizierter Silikate 7.4.5 Nanoemaille als Designoberfläche mit passivem Korrosionsschutz 7.4.6 Raumtemperaturhärtende Nanoemaille-Bindemittel für Anstrichfarben 7.4.7 Brandschutzprimer, Füller und Überzüge auf Basis der Nanoemaille 7.5 Selbstvernetzende Silane: Crossilane 7.5.1 Crossilane zur Stein- und Betonversiegelung 7.5.2 Nass- und Pulverlacksanierung 7.5.3 Anorganische Farblacke auf Basis von Crossilanen 7.5.4 Photokatalytische Wandfarben auf Basis von Crossilanen 8
187 188 191 192 195 197 203 204 206 210 212 216 217 220 224 226 227 229 231 231 232 233 236 239 241 244 247 250 251 253
Inhaltsverzeichnis 7.5.5 Kerzenbeschichtung 7.5.6 Bindemittel für Naturstoffe und Steine 7.6 Alkoxy-Si-ns-Bindemittel (Metalloxid-Silikat-Bindemittel) 7.6.1 Interferenzschichten auf Basis von Ti/Si 7.6.2 Antireflexbeschichtungen 7.6.3 Kathodischer Korrosionsschutz durch metallkeramische Beschichtungen auf Basis von TiO2/SiO2/Zn/Al (TSZA-Technologie) 7.6.4 Kathodischer Korrosionsschutz durch metallkeramische Beschichtungen auf Basis von TiO2/SiO2/Mg (TSM-Technologie) 7.6.5 Schweißbarer Zunderschutz für die Warmumformung auf Basis von TiO2/SiO2/Al-Beschichtungen (TSA Technologie) 7.7 Urethan-funktionelle silanisierte organische Harze (Re-Si-ns) 7.7.1 Urethan-vernetzte Re-Si-ns–U-Typen 7.7.2 Pulver- und Nasslacke auf Basis von silanisierter Harze 7.7.3 Silanisierung von Naturstoffen 7.8 Phenoxylane (hydrolysestabile Phenoxysilane) 7.8.1 Lackbindemittel und Polymere auf Basis von Phenoxylanen 7.8.2 Elektrotauchlackierung auf Basis von Phenoxylanen 7.8.3 Natürliche Wirkstoffpartikel- und Beschichtungen auf Basis von Phenoxylanen 7.8.4 Korrosionsschutzbeschichtungen auf Basis von Phenoxysilanen 7.9 Literatur
254 255 258 259 261
8 Perspektiven Autoren Index
303
262 272 274 279 280 288 290 290 291 292 293 295 296
305 306
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Einführung in die Siliciumtechnologie
1 Einführung in die Siliciumtechnologie Damit die Siliciumchemie oder Silantechnologie in Lacken und Farben angewendet werden konnte, war eine intensive und lange Entwicklungszeit notwendig. Die Basis für das Verständnis der Möglichkeiten, die uns diese Technologien bieten, ist das Element Silicium. Es ist ein Halbmetall und besitzt als Mitglied der Kohlenstoffgruppe des Periodensystems ganz besondere Eigenschaften: Silicium dient in der Lackchemie als Brücke zwischen organischer und anorganischer Chemie. Eine überaus spannende wie umfassende Möglichkeit, unterschiedliche Bereiche der Chemie, wie beispielsweise Glas, Keramik, Organik und Nanotechnologie in einem einzigen Material mit multifunktionellen Eigenschaften zu vereinen. Siliciumdioxid, SiO2, wird schon seit vielen Jahrhunderten in der Glaschemie und später auch bei Emaillierungsprozessen als Beschichtungsmaterial verwendet. Reine SiO2-Schichten werden heute entweder bei hohen Temperaturen über PVD (Physical Vapor Deposition) oder CVD (Chemical Vapor Deposition) abgeschieden, oder durch Aufschmelzen bei Temperaturen im Bereich > 850 °C erhalten. Wassergläser, wie die wasserlöslichen Alkalisilikate auch genannt werden, sind bereits als Versiegelung von Beton- und Betonsteinen oder als Bindemittel für Silikatfarben bekannt. Durch Weiterentwicklungen entstehen neue Beschichtungsmaterialien, die als Nanoemaille bekannt sind. Eine weitere Besonderheit des Siliciums besteht darin, dass es stabile kovalente Bindungen zu Kohlenstoff aufbauen kann. Es resultieren die sogenannten Silane. Die Basistechnologie, um diese Silane zu stabilisieren und mit ihnen zu arbeiten, nennt sich die Sol-Gel-Technologie. Schon mit dem Buch „Sol-Gel Science: The Physics and Chemistry of Sol-Gel Processing“ von Brinker und Scherer [1] wurde bereits 1990 eine umfassende Literatur veröffentlicht, die zeigt, wie man reaktive Silane über den Sol-Gel-Prozess in Beschichtungslösungen überführt. Solche Beschichtungen sind normalerweise sehr spröde und werden beispielsweise auch heute noch als Kratzfestlacke verwendet. Die Sol-Gel-Technologie ist die Grundlage der Überführung von Silanen in reaktive, beschichtungsfähige Kondensate, die meistens auch in nanopartikulären Phasen vorliegen.
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Einführung in die Siliciumtechnologie Dies führt zur Nanotechnologie, eine sogenannte Querschnittstechnologie. Eigentlich nur mit der Angabe eines Größenbereichs, können durch gezielten Einsatz dieser Technologie, völlig neue Eigenschaften in den Lacksystemen erreicht werden. Eine anwendungstechnische Limitierung insbesondere für die Lackchemie ergab sich bis Anfang des 21. Jahrhunderts oft durch Unverträglichkeiten von Sol-Gel-Materialien und bekannten organisch-basierten Lacken. Wasser- und Alkoholgehalt, sehr große pH Werte und Temperaturempfindlichkeit waren lange dafür verantwortlich, dass die berechtigte Frage des Lackchemikers „kann ich das mal in meinen Lack einmischen…“ immer mit „Nein“ beantwortet werden musste. Nun hat sich in der Klebstoffindustrie schon Ende des 20. Jahrhunderts parallel zur Sol-Gel-Technologie etwas entwickelt, was man silanmodifizierte oder silanterminierte Polymere nennt. Die Herstellung erfolgt größtenteils über die Addition von Isocyanosilan an Polyether. Die Härtung erfolgt über Luftsauerstoff und meistens einen Säurekatalysator[2]. Ebenso ist es möglich, bei organisch modifizierten Silanen durch beispielsweise einen Fällungsprozess gezielt anorganisch zu polymerisieren und erst in einem zweiten Schritt eine endgültige Härtung über eine organische Polymerisation zu erreichen [3]. Eine Kombination aus all diesen Möglichkeiten führt zu einer neuen Materialklasse. Man hat durch die richtige Anwendung der Siliciumtechnologie eine neue Rohstoffbasis, die ergänzend, aber auch für sich alleine, eine neue Perspektive für die Materialien der Zukunft eröffnet. Weg vom Erdöl und Nutzung erneuerbarer Ressourcen bei 100%igem Recycling mit meistens wesentlich besserer Haltbarkeit kombiniert. Um genau diese Kombinationsmöglichkeiten zu erreichen, ist es wichtig, erst einmal jeden einzelnen Baustein wirklich zu verstehen.
1.1 Literatur [1] C.J. Brinker, G.W. Scherer Sol-Gel Science: The Physics and Chemistry of Sol-Gel Processing, Academic Press Inc., 1990 [2] l. Miszke, L. Zander „Neue silanterminierte Polyether-Polymere“ Adhäsion Kleben & Dichten 59, 7-8 (2015) 2
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[3] NANO-X GmbH WO 02/50191 A2 „Lösungsmittelarme Sol-Gel Systeme“, 27.06.200
Reaktionsprinzipien des Siliciums
2 Reaktionsprinzipien des Siliciums Das Silicium hat als Halbmetall eine besondere Stellung. Es kann sowohl ionische als auch kovalente Bindungen ausbilden. Dieses kann man in der Lackchemie für unterschiedliche Eigenschaftsänderungen verwenden. Prinzipiell gibt es für Lacksysteme zwei Reaktionsprinzipien des Siliciums [1]: – Reaktionen mit bzw. zu anorganischen Verbindungen – Reaktionen mit bzw. zu Kohlenstoffverbindungen Silicium dient damit als Brückenatom zwischen anorganischen und organischen Reaktionsprinzipien (siehe Abbildung 2.1). Im anorganischen Bereich wird üblicherweise eine Reaktion über den Sol-Gel-Prozess initiiert. Die Silane können mit sich selbst (als atomare Redoxreaktion), mit Metallionen (als ionische Reaktion) oder auch mit Partikeloberflächen (Adhäsionsreaktion) reagieren. In der Organik dienen die organischen Seitenketten, z.B. bei einem Bindemittel, zur Flexibilisierung, Hydrophobierung oder Hydrophilierung (Netzwerkwandler) und auch bei
Abbildung 2.1: Modell eines Organosilanes
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Reaktionsprinzipien des Siliciums funktionellen Seitenketten zur Reaktion mit sich selbst oder als Copolymer in einem organischen Netzwerk (Netzwerkbildner), siehe Abbildung 2.1. Abbildung 2.2 zeigt beispielhaft die vielen Reaktionsmöglichkeiten des Siliciums.
Abbildung 2.2: Vom Silicium zur Hochleistungsbeschichtung
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Reaktionsprinzipien des Siliciums Ausgehend vom Silicium gibt es eine Vielzahl von Rohstoffen, den sogenannten Silanen, die als Zwischenstufe zur Synthese eines Bindemittels, eines Lackrohstoffes, einer Funktionsschicht, eines Partikels oder einer fertigen Beschichtung dienen. Die wichtigsten Vertreter, die auch als Zwischenstufe für Lackrohstoffe eingesetzt werden sind: – Hydrosilane – Chlorsilane – Polysilazane – Alkoxysilane – Organoalkylsilane – funktionalisierte Organosilane Wie in Kapitel 1 erklärt, ist das Element Silicium ähnlich wie das Kohlenstoffatom ein Sonderfall im Periodensystem. Silicium kann Bindungen zu anorganischen Netzwerken knüpfen und durch Reaktion an Kohlenstoffketten auch in einem organischen Netzwerk eingebaut werden. Interessanterweise können beide Bindungsprinzipien an einem Atom erfolgen, d.h. ein Silicium-Atom mit seinen vier Bindungsmöglichkeiten kann parallel ionische und kovalente Bindungen ausbilden. Natürlich kommt es zu Wechselwirkungen und zu einer gegenseitigen Beeinflussung. Diese kann man wiederum nutzen, um makroskopische Größen, wie beispielsweise die Härtungstemperatur, zu beeinflussen. Ausgehend von diesen Rohstoffen können nun unterschiedliche Reaktionswege getrennt oder parallel ablaufen (Abbildung 2.2). Durch Reaktionen entstehen dadurch folgende Produkte: – alkali-modifizierte Glasnetzwerke – metalloxid-modifizierte Glasnetzwerke – Silanisieren von Partikeln, auch Metallpartikeln – Partikelsynthese jeglicher Größe, im Mikrometer- bis Nanometerbereich – organisch-modifizierte Glasnetzwerke – Silicone – silanterminierte Polymere („Silixane“) – Funktionelle Polysiloxane, Vernetzung in Polymer- oder Lacknetzwerke – … Wie man erkennen kann, bietet die Silanchemie eine Vielzahl von Prozessen und Möglichkeiten. Nun ist jedoch nicht alles neu, sondern man kann auf altbekannte Zusammenhänge aus den verschiedenen in der Literatur beschriebenen Bereichen zurückgreifen. Mit anderen Worten: Um etwas zu funktionalisieren, macht es auf jeden Fall Sinn, zu verstehen, welche Modifikationen bei bekannten chemischen Prozessen zu welchen Eigenschaften führen. Demnach sollte man sich zunächst mit den einfachen Grundlagen der Siliciumchemie beschäftigen.
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Reaktionsprinzipien des Siliciums Im Folgenden gibt es eine kurze Exkursion durch die Glaschemie, die Keramik, die Wasserglaschemie, die Sol-Gel-Prozesse zur Herstellung von Beschichtungsmaterialien aus Silanen, die Nanotechnologie, die Siliconchemie und schließlich die Lackchemie und den Korrosionsschutz. Dadurch entsteht ein Grundverständnis für die Reaktionsmöglichkeiten der Silane und ihrer Anwendungen in der Lackchemie. Unser Ziel ist das Wissen, wie man multifunktionelle Beschichtungen für die richtige Anwendung herstellt und appliziert. Das vorliegende Buch beschreibt, wie silanbasierte Lackrohstoffe synthetisiert werden und erklärt wie diese als Ergänzung oder Ersatz in der konventionellen Lackchemie eingesetzt werden können. Ausgehend vom Silicium erfährt der Leser in den ersten Kapiteln wie aus dem Sand, also Siliciumdioxid, wichtige Lackrohstoffe synthetisiert werden können. Das Kapitel 3 beleuchtet zunächst das elementare Silicium.
2.1 Literatur [1] S. Sepeur, Nanotechnologie: Grundlagen und Anwendung, Vincentz Network, 2008
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Eigenschaften und Vorkommen von Silicium
3 Das Silicium Das Basisatom von Glas oder eines Silanes ist das Silicium (Si). Der Name Silicium leitet sich vom lateinischen Namen silex für Kieselstein ab. Das Silicium steht in der 4. Hauptgruppe direkt unter dem Kohlenstoff mit der Ordnungszahl 14. Silicium ist ein klassisches Halbmetall, besitzt in Reinform eine grau-schwarze Farbe weist hat einen typisch metallischen, oftmals bronzenen bis bläulichen Glanz auf [1]. Metallisches Silicium ist in der Natur allerdings nicht verfügbar. Silicium findet man aber in vielen Verbindungen, insbesondere Sand, Glas, vielen Steinen und Mineralien. Das Silicium wird als Basiselement der Siliciumtechnologie daher im nächsten Kapitel detailliert beschrieben.
3.1 Eigenschaften und Vorkommen von Silicium Das Silicium ist nach dem Sauerstoff das meistverbreitete Element. Die gesamte Erde besteht zu etwa 15 Massenprozent aus Silicium. Wegen seiner großen Sauerstoffaffinität kommt Silicium natürlich nie in freiem Zustand, sondern nur gebunden in Form von Salzen verschiedener Kieselsäuren m SiO2 * n H2O, den Silikaten vor. Aus den Kieselsäuren bildet sich das Anhydrid SiO2, welches in der Natur in verschiedenster Form vorkommt, z.B. als Seesand, Quarz, Bergkristall oderAmethyst. Im ersten Schritt sind in Tabelle 3.1 die Kennzahlen und die physikalischen und chemischen Eigenschaften des Siliciums angegeben [2].
Abbildung 3.1: Das Element Silicium
Abbildung 3.2: Metallisches Silicium
Stefan Sepeur: Silicium- und Nanotechnologie für Lacksysteme © Copyright: 2022 Vincentz Network GmbH & Co. KG, Hannover
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Das Silicium Tabelle 3.1: Allgemeine Kennzahlen des Siliciums Allgemeine Eigenschaften Name, Symbol, Ordnungszahl
Silicium, Si, 14, Halbmetall
Gruppe, Periode, Block
14; 3; p
Aussehen
dunkelgrau, bläulicher Farbton
Massenanteil an der Erdhülle
25,8 %
Atomare Eigenschaften Atommasse
28,085 (28,084 – 28,086) u
Atomradius (berechnet)
110 (111) pm
Tabelle 3.2: Physikalische und chemische Eigenschaften des Siliciums Physikalische Eigenschaften Aggregatzustand
fest
Kristallstruktur
Diamantstruktur
Dichte
2,336 g/cm3(20 °C)
Mohssche Härte
6,5
Magnetismus
diamagnetisch (Χm = -4,1 · 10−6)
Schmelzpunkt
1683 K (1410 °C)
Spezifische Wärmekapazität
703 J/(kg · K) bei 298 K
Elektrische Leitfähigkeit
2,52 · 10−4 A/(V · m)
Chemische Eigenschaften Oxidationszustände
−4, (2) +4
Oxide (Basizität)
SiO2 (amphoter)
Elektronegativität
1,90 (Pauling-Skala)
Neben den reinen Kennzahlen sind die daraus resultierenden physikalischen und chemischen Eigenschaften von Interesse (Tabelle 3.2 ). Elementares Silicium hat seine Anwendungen im Halbleiterbereich, beim Bau von Solarzellen und dient als Basismaterial für viele Sensoren und andere mikromechanische Systeme (z. B. Hebelarm in einem Rasterkraftmikroskop). Obwohl das Thema Solarzelle mit dem Thema Lack derzeit noch nichts zu tun hat, ist die Betrachtung der Funktionsweise der Solarzelle wichtig. Dies geschieht auch im Hinblick auf spätere Kapitel mit leitfähigen Schichten auf Basis TiO2/SiO2, die in Zukunft vielleicht als Ausgangsbasis von sprühfähigen Solarzellen dienen könnten.
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Nutzung von Silicium als Rohstoff in Solarzellen
3.2 Nutzung von Silicium als Rohstoff in Solarzellen Silicium ist ein Material, aus dem die Transistoren in Mikrochips hergestellt werden - und Solarzellen arbeiten auf ähnliche Weise. Silicium wird als Halbleiter bezeichnet d. h. es leitet normalerweise keinen Strom, aber unter bestimmten Umständen kann es dazu gebracht werden. Die fotoaktive Schicht von Solarzellen besteht aus diesem Halbleitermaterial Silicium. Für den Einsatz in Solarzellen muss hochreines Solarsilicium verwendet werden welches durch Reinigung aus Rohsilicium hergestellt wird [3]. Eine Alternative ist die Zersetzung von Monosilan, welches nach einem Reinigungsschritt an beheizten Oberflächen oder beim Durchleiten durch Wirbelschichtreaktoren entsprechend der Gleichung 3.1 zerfällt. Gleichung 3.1:
SiH4 2 H2 + Si Das hieraus erhaltene polykristalline Silicium (Polysilicium) besitzt eine Reinheit von über 99,99 %. In einer stabilen Kristallstruktur ist jedes Silicium-Atom von vier Nachbar-Si-Atomen umgeben. Der Zusammenhalt der Atome mit den entsprechenden Nachbaratomen kommt dadurch zustande, dass je ein Elektron des einen Atoms mit einem Elektron des benachbarten Atoms ein gemeinsames Elektronenpaar bildet. Die regelmäßige Zuordnung der Si-Atome führt zu einer gitterförmigen Struktur, (siehe Abbildung 3.3). In die Ober- und Unterseite der Silicium-Solarzelle werden unterschiedliche Fremdatome eingebaut, bzw. dotiert, dadurch entstehen zwei Schichten mit verschiedenen Eigenschaften. Die klassische Silicium-Solarzelle besteht aus einer ca. 0,001 mm dicken n-dotierten Schicht (kurz: n-Schicht), welche in das ca. 0,6 mm dicke p-dotierte Silicium-Substrat (kurz: p-Substrat) eingebracht wurde. In der oberen Schicht wird an Abbildung 3.3: Silicium-Kristallgitter mit Elektroneneinigen Stellen ein Silicium-Atom paaren (blau)
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Das Silicium z.B. durch ein Phosphor-Atom ersetzt (Abbildung 3.4). Phosphor besitzt in seiner Außenschale fünf Elektronen. Es bleibt ein Elektron übrig, da es im Kristallgitter nur mit vier Silicium-Atomen eine Paarbindung eingehen kann. Das fünfte Elektron ist deshalb nur sehr lose an das Phosphor-Atom gebunden. Bereits bei Zimmertemperatur wird die Bindung gelöst. Das so dotierte Silicium besitzt also freie Elektronen (negative Ladungen) und wird daher als n-dotierte Schicht bezeichnet. Die untere Schicht der Solarzelle wird in ähnlicher Weise z. B. mit Bor dotiert (siehe Abbildung 3.5). Bor besitzt in seiner äußeren Schale drei Elektronen, die jeweils eine Paarbindung mit den Silicium-Nachbaratomen eingehen. Für die vierte Bindung fehlt jedoch das Elektron. Diese Fehlstelle bezeichnet man auch als „Elektronenloch“. Bereits bei Zimmertemperatur kann in dieses Loch von einem benachbarten Si-Atom ein Elektron „überspringen“: das Loch „wandert“ scheinbar. Die Leitfähigkeit des so dotierten Siliciums beruht also auf der Beweglichkeit der „Löcher“ (positive Ladungen). Man bezeichnet diese Zone als p-dotierte Schicht. An der Abbildung 3.4: n-dotiertes Silicium durch Einbau von Berührungsstelle der Schichten mit Phosphor p- und n-Dotierung bildet sich der sogenannte pn-Übergang: Hier geraten einige Elektronen aus der n-dotierten Schicht in die p-dotierte Schicht. Sie ersetzen dort fehlende Elektronen in der Paarbindung. Durch diesen Elektronenaustausch wird eine gewisse Menge an negativer Ladung von der n-Schicht zur p-Schicht transportiert. Durch die Abwanderung der Elektronen aus der n-dotierten Schicht fehlen Elektronen, sie ist somit positiv geladen. Die p-dotierte Schicht hat einige Elektronen zu Abbildung 3.5: p-dotiertes Silicium durch Einbau von Bor viel; sie ist negativ aufgeladen (sie-
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Nutzung von Silicium als Rohstoff in Solarzellen he Abbildung 3.6). Dieser Vorgang beschränkt sich jedoch nur auf eine dünne Grenzschicht, denn die zunehmend negative Ladung der angrenzenden p-Schicht behindert den weiteren Übertritt von freien Elektronen, weil sich bekanntermaßen gleichartig elektrische Ladungen abstoßen. Durch die veränderten Ladungsverhältnisse im Grenzschichtbereich bildet sich zwischen positiven und negativen Ladungsträgern ein elektrisches Feld. Da die Ladungsträger örtlich festgebunden sind, fließt kein Strom. Das elektrische Feld wird durch parallel verlaufende Feldlinien dargestellt, welche von der positiv geladenen Grenzschicht zur negativ geladenen Grenzschicht gerichtet sind (siehe Abbildung 3.7). Bei einer Solarzelle ist die n-dotierte Schicht der Sonnenseite zugewandt. Sie wird im Vergleich zur p-dotierten Schicht sehr dünn gehalten, damit die energiegeladenen Photonen des Lichts bis auf den pn-Übergang durchdringen können (Abbildung 3.7). Trifft Licht in die Raumladungszone, so kann es ein Elektron aus dem Atom lösen. Das Restatom ist dann positiv geladen, es besitzt eine Elektronenfehlstelle, also ein Loch. Man bezeichnet diesen Vorgang als inneren photoelektrischen oder auch photovoltaischen Ef-
Abbildung 3.6: pn-Übergang
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Das Silicium fekt. Würde dieser Vorgang in einem Bereich stattfinden, in dem keine äußeren elektrischen Kräfte wirken, so würde das Elektron nach kurzer Zeit wieder zum Restatom zurückkehren. Man könnte auch sagen Elektron und Loch rekombinieren. Findet dagegen der photovoltaische Effekt in der Raumladungszone oder deren unmittelbaren Umgebung statt, so kann es zu einer dauerhaften Ablösung des Elektrons kommen. Die p-Schicht lädt sich durch Elektronenmangel positiv auf, die n-Schicht entsprechend negativ. Schließt man den Stromkreis, so kommt es durch den außen angeschlossenen Leiter zu einem Elektronenfluss und somit zu einem Ladungsausgleich. Solange die Lichteinstrahlung besteht, kann ein elektrischer Strom fließen. Auf der Oberseite der Solarzelle ist ein Kontaktband aus Metall mit vielen kleinen Kontaktfingern (Minuspol) aufgebracht. Auf der Unterseite haftet eine durchgehende Metallschicht als Kontakt (Pluspol). Das Kontaktband und die Metallfläche bilden die elektrischen Pole der Solarzelle (Abbildung 3.7). Im Lackbereich spielen die Oxide und organischen Modifikationen von Silicium eine weitaus größere Rolle.
Abbildung 3.7: Funktionsweise der Silicium-Solarzelle bei Lichteinfall
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Vom Quarzsand zum Silan
3.3 Vom Quarzsand zum Silan In der Erdkruste tritt Silicium im Wesentlichen in Form silikatischer Minerale oder als reines Siliciumdioxid auf. Das Siliciumdioxd findet man in der Natur sowohl in kristallisierter wie amorpher Form vor. Die häufigste Erscheinungsform ist der Quarz, von dem viele natürliche kristalline Abarten bekannt sind, siehe Abbildung 3.9. Mit vielen Metallen bildet Silicium Silikate aus. Die Silikate bilden nicht nur mengenmäßig, sondern auch hinsichtlich der Anzahl unterschiedlicher Verbindungen die umfangreichste Klasse anorganischer Verbindungen. Einerseits kann das Silicium in den Gesteinen teilweise ersetzt werden (z.B. Alumo-, Boro- bzw. Beryllosilikate), andererseits kann das Silikatgerüst unterschiedliche Strukturen aufweisen (z.B. Schicht-, Insel, Ring-, Kettenstruktur). Auch die natürlichen Gewässer stellen ein gewaltiges Reservoir an Silicium dar: In Form der monomeren Kieselsäure ist es in Flüssen und Meerwasser in geringer Konzentration in beträchtlicher Menge gelöst (Abbildung 3.10) [4]. Mit anderen Worten: Silicium stellt in seinem Vorkommen, seiner guten Haltbarkeit und seinen natürlichen Abbauprozessen eine Alternative zu Erdöl und Kohlenstoff dar. Silicium ist heute schon ein fester Abbildung 3.8: Bergkristall aus SiO2 Bestandteil der modernen Lackchemie und wird in Zukunft eine immer größere Rolle spielen. Um das Silicium als Lackrohstoff nutzbar zu machen, gibt es verschiedene Verfahren. In dem vorliegenden Buch werden exemplarisch die gängigsten Methoden vorgeAbbildung 3.9: Beispiele für quarzbasierte Edelsteine stellt. (von links nach rechts), Granate (Garnet, Inselsilikat), Zur Herstellung von Silanen Amethyst (violetter Quarz), Bloodstone (Heliotrop, wird Quarzkies aufwendig zu ele- Quarz mit faserigem Gefüge)
23
Das Silicium mentarem Silicium aufbereitet. Quarzkies wird im Elektroschmelzofen verflüssigt und mit Kohlenstoff bei Temperaturen um 2000 °C reduziert, d.h. der Kohlenstoff entzieht dem Siliciumdioxid den gebundenen Sauerstoff unter Bildung von Kohlenmonoxid. Gleichung 3.2:
SiO2 + 2 C Si + 2 CO Als Hauptprodukt bleibt das flüssige Silicium-Metall übrig. Es ist wichtig, das Rohsilicium durch Raffination aufzureinigen. Hierzu wird Sauerstoff eingeblasen oder Schlackebildner zugegeben, um Inhibitoren wie Blei, Chrom oder Nickel vollständig zu entfernen. Diese Elemente würden die Müller-Rochow-Synthese [siehe Kapitel 4.2.1], die zur Herstellung von Silanen verwendet wird, stark beeinträchtigen [5]. Das flüssige Silicium muss eine Reinheit von mindestens 99 % aufweisen. Es wird auf Silicium-Sand gegossen, wo es abkühlen und erstarren kann. Die Silicium-Brocken werden zu ca. 10 bis 360 µm großen Partikeln vermahlen. Dieses Rohsilicium ist der Ausgangsstoff für die Silan-Synthese. Abbildung 3.10: Kieselsäure
3.4 Literatur 1 2 3
24
A.F. Hollemann, N. Wiberg, Anorganische Chemie, De Gruyter, 2016 www.webelements.com (Silicium) W. Vorsatz „Große gewinnen“, Photovoltaik, 07 (2009)
4 http://webmineral.com/chem/Chem-Si. shtml#.XYm6nrnwBFo 5 C. Elschenbroich, Organometallics. VCH, Weinheim, 1992
Siliciumbasierte Rohstoffe
4 Siliciumbasierte Rohstoffe Da die siliciumbasierten Rohstoffe aufgrund der vielen Reaktionsmöglichkeiten sehr vielfältig sind, wird hier für den Bereich Farbe und Lack eine erste Auswahl getroffen. So gibt es Beschränkungen, die aus technischer Sicht und aus der Sichtweise des Marktes auftreten. So fokussiert sich das vorliegende Buch auf Verfahren und Verbindungen, die für den anwendungsorientierten Lackchemiker eine Rolle spielen.
Verfügbarkeit der Rohstoffe
Silane sind mittlerweile Standardprodukte und können von vielen namhaften Herstellern gekauft werden. Aufgrund der EU-Chemikalienverordnung REACH kommt es vor, dass bestimmte Silan-Typen vom Markt genommen werden. Gleiches gilt für Nanopartikel und andere organische Moleküle. In diesem Buch sollen bezahlbare und verfügbare Rohstoffe vorgestellt werden und wenn nötig, die Problemstellung an Praxisbeispielen aufgezeigt werden.
Zulassung nach REACH
Nach der Einführung von REACH sind viele Produkte aufgrund von hohen Kosten für die Registrierung vom Markt verschwunden. Manche Produkte gibt es nur noch in kleinen Mengen. Diese Rohstoffverknappung ist selbst bei Standardchemikalien derzeit leider Realität. Es wird versucht, die schöpferischen Möglichkeiten der Chemiker mit den harten Marktvoraussetzungen in Einklang zu bringen und vorsorglich bei bestimmten Verbindungen auf eventuelle Probleme hingewiesen.
Der Rohstoffpreis
Silane und auch die verwendeten Partikel haben durch die oft komplexe Herstellung im Vergleich zu anderen Bindemittelsystemen einen höheren Preis. Man sollte deshalb immer den Kosten-Nutzen-Vergleich durchführen und den Verkaufspreis des Endproduktes im Blick behalten. Der erste Blick in die „neue Welt“ der Silan-Chemie startet mit den einfachsten Rohstoffen, den Silanen (Hydrosilanen).
Stefan Sepeur: Silicium- und Nanotechnologie für Lacksysteme © Copyright: 2022 Vincentz Network GmbH & Co. KG, Hannover
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Siliciumbasierte Rohstoffe
4.1 Hydrosilane (Silane) als Rohstoff Silicium bildet wie Kohlenstoff eine große Anzahl Wasserstoffverbindungen der allgemeinen Zusammensetzung SinH2n+2 Diese können unverzweigt oder verzweigt kettenförmig sowie als zyklische Strukturen vorliegen. Die ringförmigen Siliciumwasserstoff-Verbindungen nennt man Cyclosilane (allgemeine Summenformel: SinH2n) [1]. Die Namensgebung erfolgt analog zu den Alkanen. Jeder Name endet mit dem Suffix -an. Die Zahl der Silicium-Atome geht als griechisches Zahlwort in die Benennung mit ein: Monosilan (ein Silicium-Atom), Disilan (zwei Silicium-Atome), Trisilan usw. Enthält ein Silan vier oder mehr Silicium-Atome, so sind unterschiedliche Anordnungen, genauer Konstitutionen, denkbar. Man spricht von Konstitutionsisomerie. Silane sind zwar die Silicium-Homologen der auf einem Kohlenstoff-Gerüst beruhenden Alkane, es sind jedoch wesentlich weniger Silane herstellbar als es Kohlenwasserstoffe gibt. Die homologe Reihe der linearen, unverzweigten Silane ergibt sich aus der allgemeinen Formel H-(SiH2)n-H mit n = 1, 2, 3, ... . Die einfachste Verbindung ist das so genannte Tetrahydrosilan oder Monosilan (SiH4), ein farbloses Gas, welches an Luft spontan zu SiO2 verbrennt. Die niedrigsten Silane – Monosilan und Disilan (Si2H6) – sind gasförmig. Ab Trisilan (Si3H8) nehmen die Silane einen flüssigen Aggregatzustand ein. Dekasilan (Si10H22) ist ein Feststoff. Silane sind im Gegensatz zu den homologen Alkanen sehr instabil. Sie sind nur unter Luftabschluss synthetisierbar. Die Abbildung 4.1: Tetrahydrosilan oder Monosilan
Abbildung 4.2: Reaktion von Tetrahydrosilan mit Wasser und Sauerstoff unter Bildung von SiO2
26
Hydrosilane (Silane) als Rohstoff Tabelle 4.1: Beispiele für lineare, unverzeigte Silane [2] Schmelz punkt in [°C]
Siede punkt in [°C]
Dichte in [g/cm³]
Molare Masse in [g/mol]
Zahl der Isomeren
32,12
0
Silan
Summen formel
Monosilan
SiH4
-184,7
-112,1
0,00135
Disilan
Si2H6
-129,4
-14,8
0,00266
62,22
0
Trisilan
Si3H8
-116,9
52,9
0,739
92,3200
0
Tetrasilan
Si4H10
-91,6
108,4
0,795
122,4214
2
Pentasilan
Si5H12
-72,2
+153,2
0,827
152,5228
3
Hexasilan
Si6H14
-44,7
+193,6
0,847
182,6242
5
Heptasilan
Si7H16
-30,1
+226,8
0,859
212,7255
9
niedrigen Silane, das heißt die Silane mit ein bis vier Silicium-Atomen, sind sehr unbeständig und können sich an der Luft selbst entzünden, explodieren und spontan zu Siliciumdioxid und Wasser verbrennen. Die Reaktivität beim Monosilan ist sehr hoch, nimmt aber mit zunehmender Kettenlänge ab. Schon Pentasilan reagiert nicht mehr selbstständig mit dem Sauerstoffanteil der Luft. Ab Heptasilan sind Silane nicht mehr spontan selbstentzündlich. Eine ungewöhnliche Eigenschaft der Silane ist, dass sie bei hohen Temperaturen von etwa 1900 °C auch mit dem Stickstoff in der Luft zu Siliciumnitrid und Wasser reagieren, wobei sehr viel Energie frei wird [3].
Abbildung 4.3: Reaktion von Tetrahydrosilan mit Wasser bei pH > 7 unter Bildung von Kieselsäure und Wasserstoff
27
Siliciumbasierte Rohstoffe In Wasser bei einem pH-Wert oberhalb von 7 zersetzen sich Silane zu Kieselsäure und Wasserstoff, siehe Abbildung 4.3. Im alkalischen Medium reagiert Monosilan hingegen spontan zu Alkalisilikaten. Silane sind ähnlich wie Chlorsilane Ausgangspunkt und Rohstoff der Alkoxysilane. Sie können auch zur Synthese von speziellen Silanen oder für silanterminierte Polymere („Silixane“) eingesetzt werden. Die wichtigste Rohstoffgruppe zur Synthese der Alkoxysilane stellen neben den Silanen die Chlorsilane dar.
4.2 Chlorsilane Neben den Hydrosilanen sind die Chlorsilane die zweite wichtige Gruppe, die als Rohstoff für komplexere Silan-Verbindungen oder Organosilane eingesetzt werden. Die einfachste Verbindung ist das Siliciumtetrachlorid[4]. Siliciumtetrachlorid auch Tetrachlorsilan ist eine farblose, flüchtige, an feuchter Luft rauchende Flüssigkeit, die aus den Elementen Silicium und Chlor besteht. Siliciumtetrachlorid wird üblicherweise durch die chemische Reaktion von Chlor mit heißem Silicium gewonnen: Gleichung 4.1:
Si + 2 Cl2 SiCl4
Da bei der weiteren Verarbeitung zu Siliciumdioxid Chlorwasserstoff entsteht, wird dieser ebenfalls genutzt, um so durch den Verbund Rohstoffe zu sparen: Gleichung 4.2:
Si + 4 HCl SiCl4 + 2 H2 Der dabei entstehende Wasserstoff kann für die Herstellung pyrogener Kieselsäure genutzt werden. Siliciumtetrachlorid ist eine sehr reaktive Verbindung. An feuchter Luft reagiert Siliciumtetrachlorid unter Hydrolyse im Gegensatz zu den Halogenalkanen, siehe Gleichung 4.3: Gleichung 4.3:
SiCl4 + 2 H2O SiO2 + 4 HCl Abbildung 4.4: Siliciumtetrachlorid
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Oxidationsmittel, Säuren, Alkohole, Basen, Ketone, Aldehyde u.v.a. reagieren ebenfalls
Chlorsilane Tabelle 4.2: Reaktionsprodukte bei der Müller-Rochow-Synthese [6] Silan
Molekularformel
Massenanteil (%)
Siedepunkt (K)
Dimethyldichlorsilan
(CH3)2SiCl2
75 – 94
343
Methyltrichlorsilan
(CH3)SiCl3
3 – 15
339
Trimethylchlorsilan
(CH3)3SiCl
2–5
330
Methyldichlorsilan
(CH3)HSiCl2
0,5 – 4
313
Dimethylchlorsilan
(CH3)2HSiCl
0,1 – 0,5
308
SiCl4
< 0,1
331
(CH3)4Si
0,1 – 1
299
Tetrachlorsilan Tetramethylsilan Trichlorsilan Disilane
HSiCl3
< 0,1
305
(CH3)xSi2Cl6-x
2–8
> 380
mit Siliciumtetrachlorid. Es besitzt eine starke korrodierende Wirkung und wirkt ätzend auf Haut, Augen und Lungen. Industriell werden die Chlorsilane meistens nach der Müller-Rochow-Synthese hergestellt.
4.2.1 Müller-Rochow-Synthese zur Herstellung von Chlorsilanen Bei der Müller-Rochow-Synthese werden aus dem elementaren Silicium Chlorsilane hergestellt. Diese sind die Vorstufe für die Synthese von Organosilanen und Polysiloxanen bzw. Siliconen. Innerhalb der Stoffgruppe der Silane sind die Methylchlorsilane die wichtigste Untergruppe. Sie entstehen durch Direktsynthese aus elementarem Silicium und sauerstofffreiem Chlormethan [5]. Es handelt sich um eine Gas/Feststoff-Reaktion, die großtechnisch in kontinuierlich betriebenen Wirbelschichtreaktoren abläuft. Als Katalysator kommt Kupfer zum Einsatz. Es bildet aktive Zentren aus, an denen die eigentliche Reaktion ablaufen kann. Rohsilicium, Katalysator und weitere Promotoren werden vermischt und in den Wirbelschichtreaktor dosiert. Chlormethan wird als Reaktant zugesetzt. Es initiiert im Zusammenspiel mit Druck und Abbildung 4.5: Dichlordimethylsilan Temperatur die Fluidisierung des Siliciums.
29
Siliciumbasierte Rohstoffe Tabelle 4.3: Substitutionsreaktionen am Silicium Ausgang
Umwandlung zu
Beispielreaktion
Si-Cl
Si-C
Umsetzung mit Carbanionen
Si-H
Si-C
Umsetzung mit Carbanionen oder organischen Halogenverbindungen
Si-C
Si-Cl
Katalytische Umsetzung mit Chlorwasserstoff
Si-H
Si-Cl
Katalytische Umsetzung mit Chlorwasserstoff
Si-Cl
Si-H
Reduktion mit hydridischem Wasserstoff
Das Silicium reagiert zu Silanen ab. Es entsteht ein Reaktionsgemisch verschiedener Silane, die als farblose, wasserklare Flüssigkeiten auftreten. Das Objekt der Begierde ist in erster Linie Dimethyldichlorsilan zur Herstellung von Siliconen. Alle Reaktionsparameter und die Temperaturführung (257 °C bis 357 °C) werden auf eine möglichst hohe Ausbeute an Dimethyldichorsilan (bis 94 % Massenanteil) hin optimiert. Dieses wird zu Siliconölen und Siliconkautschuken weiterverarbeitet. Neben der Müller-Rochow-Synthese, die große Mengen an Dimethyldichlorsilan liefert, gibt es noch einige weitere Methoden zur Chlorsilansynthese, wie beispielsweise chemische Additions- oder Austauschsynthesen [7]. Ohne in diesem Buch weiter ins Detail zu gehen, bietet Tabelle 4.3 eine Übersicht über mögliche Substituenten und den entsprechenden Austauschreaktionen [8].
4.2.2 Verwendung von Chlorsilanen Die Verwendung der Chlorsilane ist vielfältig. Trichlorsilan ist ein Zwischenprodukt zur Herstellung von hochreinem Silicium für integrierte Schaltkreise (Mikrochips). Aus Chlorsilanen und Chloralkylsilanen lassen sich durch Umsetzung in einer Knallgasflamme sogenannte pyrogene Kieselsäuren erzeugen, ein wichtiger Füllstoff für Kunststoffe und für die Lackindustrie als Mattierungsmittel oder zur Viskositätseinstellung ein beliebter Rohstoff. In Verbindung mit organofunktionellen Silanen werden diese Verbindungen auch als Rohstoff für Lacke eingesetzt. Chlorsilane sind auch ein Rohstoff zur Herstellung siliciumorganischer Verbindungen.
4.3 Siliciumorganische Verbindungen Ersetzt man den Wasserstoff in den Silanen durch organische Reste, so erhält man siliciumorganische Verbindungen, die nach IUPAC als Derivate des Siliciums aufgefasst werden. Siliciumorganische Verbindungen wurden bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts be-
30
Siliciumorganische Verbindungen Tabelle 4.4: Beispiele für siliciumorganische Verbindungen Substituent X Stoffgruppe
Bemerkungen
H oder R
Organosilane
z.B. Tetramethylsilan, das in der NMR-Spektroskopie als (innerer) Standard für die Ermittlung der chemischen Verschiebung genutzt wird
OH
Organosilanole z.B. Trimethylsilanol, ein Hydrophobierungsmittel
Cl
Organochlor silane
werden u.a. in der Bauchemie als Hydrophobierungs mittel eingesetzt; von großtechnischer Bedeutung sind Organohalogensilane als Ausgangsstoffe für Siliconpolymere
Si–O, abwechselnd
Siloxane Silicone
z.B. Hexamethyldisiloxan, (H3C)3Si−O−Si(CH3)3
Si–N, abwechselnd
Polysilazane
z.B. Hexamethyldisilazan, (H3C)3Si–NH–Si(CH3)3
Si–C, abwechselnd
Carbosilane
z.B. (H3C)3Si–CH2–Si(CH3)3
Si-O-R
Alkoxysilane
z.B. Methyltrimethoxysilan
schrieben und untersucht [9,10]. Im Vergleich zu den entsprechenden Kohlenstoff-Verbindungen sind auch die Silanole und Siloxane nennenswerte stabile Silicium-Verbindungen. Da Silicium im Periodensystem unter Kohlenstoff steht ähneln sich die Alkylsilane, welche vom Siliciumwasserstoff Si-H abgeleitet sind in ihrem Verhalten den analog gebauten Kohlenwasserstoffen. Analog kann der Kohlenstoff über Sauerstoff-, Stickstoff- oder Schwefel-Atome an das Silicium geknüpft werden [11]. Siliciumorganische Verbindungen werden durch die allgemeine Formel RnSiX4−n (mit n von 1 bis 4) beschrieben, wobei R verschiedene organische Reste darstellt, wie z.B. Aliphaten, Aromaten, Heterocyclen, X steht für verschiedene Gruppen (siehe Tabelle 4.4) [11, 12, 13].
Abbildung 4.6: Methyltrimethoxysilan
31
Siliciumbasierte Rohstoffe Neben den in der Tabelle genannten Anwendungsgebieten werden siliciumorganische Verbindungen in weiteren Bereichen eingesetzt [14]. Die Wärme- und Kältebeständigkeit sowie die hohe chemische Resistenz von organofunktionellen Siliciumverbindungen kann auf den anorganischen Anteil aufgrund der Verwandtschaft zu SiO2 zurückgeführt werden, der organische Anteil ist für das Kunststoff ähnliche Verhalten verantwortlich, wie z.B. Plastizität oder wasserabweisende Wirkung. Spezielle, als funktionelle Organosilane bezeichnete Silane verwendet man daher zur Oberflächenfunktionalisierung, die auch Silanisierung genannt wird. Insbesondere die Organosilane, die Silicone und auch die Polysilazane spielen in modernen funktionellen Lacksystemen eine Rolle als Rohstoff.
4.3.1 Polysilazane Polysilazane sind aus Si-N Struktureinheiten aufgebaute polymere Verbindungen [15]. Häufig ist dabei jedes Silicium-Atom an zwei Stickstoffatome gebunden und jedes Stickstoffatom an zwei Silicium-Atome, so dass sich bevorzugt molekulare Ketten und Ringe der Formel [R1R2Si–NR3]n bilden. Unter thermischer Behandlung bei Temperaturen über 400 °C können diese Materialien in Abhängigkeit von der chemischen Zusammensetzung des Polymers und der Atmosphäre mittels der sog. Pyrolyse in Keramiken wie Si3N4, SiON, SiCN, SiCNO oder SiC umgewandelt werden. Aufgrund dieser Fähigkeit werden Polysilazane als Vorläufer bei der Verarbeitung von Keramikbeschichtungen eingesetzt. Polysilazane haben jedoch auch im polymeren oder präkeramischen Stadium als Beschichtungen hervorragende Eigenschaften. Im Vergleich zu den meisten organischen Polymeren haben Polysilazane folgende Vorteile: – verbesserte thermische und chemische Stabilität. – höhere Härte und Kratzfestigkeit. – stärkere Beschichtungshaftung i.V. zu typischen organischen Beschichtungen. – sehr hohe Hitzebeständigkeit: Polysilazane sind ohne signifikanten Massenverlust bis zu 1000 ° C stabil, während Silikonharze einen erheblichen Massenverlust erleiden, wenn die Temperatur über 400 ° C liegt. – Wasser- und schmutzabweisende Wirkung. – Korrosionsprävention. Generell gibt es zwei Klassen von Polysilazanen, siehe Abbildung 4.7. Zur einen Klasse zählen anorganische Perhydropolysilazane (PHPS), die H-Gruppen sowohl an Si- als auch an N-Atomen aufweisen, und die andere sind organische Polysilazane
32
Siliciumorganische Verbindungen (OPSZ), bei denen organische funktionelle Gruppen auf Si-Atome gepfropft sind. PHPS ist ein wichtiges Material zum Füllen und Planarisieren von Lücken in der Halbleiterindustrie. OPSZ hat sich als führende Technologie für dauerhaften Oberflächenschutz herausgestellt [16]. Sowohl OPSZ als auch PHPS sind im Handel erhältlich [17]. Die Synthese von Polyorganosilazanen wurde erstmals im Jahre 1964 von Krüger und Rochow beschrieben [18]. Die Reaktion erfolgt mit Dichlorsilanen und Ammoniak unter angepassten Reaktionsbedingungen, je nachdem ob PHPS oder OPSZ hergestellt werden sollen. Wie alle Polymere sind Polysilazane aus einer oder mehreren Grundeinheiten, den Monomeren, aufgebaut. Durch Aneinanderreihung dieser Grundeinheiten bilden sich unterschiedlich große Ketten, Ringe und dreidimensional vernetzte Makromoleküle mit einer mehr oder weniger breiten Molmassenverteilung. Die Monomereinheit dient auch zur Beschreibung der chemischen Zusammensetzung und der Verknüpfung der Atome (Koordinationssphäre), ohne jedoch Aussagen über die makromolekulare Struktur zu machen [15]. In Polysilazanen ist jedes Silicium-Atom an zwei Stickstoff-Atome gebunden und jedes Stickstoff-Atom an mindestens zwei Silicium-Atome (es können auch drei sein). Wenn alle übrigen Valenzen durch Wasserstoffatome abgesättigt sind, entsteht das Perhydropolysilazan [H2Si–NH]n. Bei den Organopolysilazanen ist mindestens ein organischer Rest an das Silicium gebunden. Die Anzahl und Art der Reste hat einen wesentlichen Einfluss auf die makromolekulare Struktur dieser Polysilazane [19]. Obwohl die Polysilazane seit langem bekannt sind und ihnen frühzeitig ein großes Anwendungspotenzial bescheinigt wurde, haben bislang nur wenige Produkte Marktreife erreicht. Das liegt sicherlich auch im hohen Entwicklungsaufwand beim Einsatz dieser vergleichsweise „teuren“ Chemikalien begründet. Natürlich spielt auch der unangenehme und ätzende Geruch nach Ammoniak beim Aushärten dieser Bindemittel eine große Rolle. Polysilazane sind als Beschichtungsmaterial einsetzbar und zeigen teils überragende Eigenschaften in Spezialanwendungen [20]. Das beim Härten freigesetzte, giftige Ammoniak und der an sich teure Rohstoff lassen die Anwendungsmöglichkeiten jedoch sicher in einem sehr begrenzten Bereich. Trotzdem handelt es sich um einen interessanten Rohstoff mit vielen Visionen für die Zukunft. Das nächste Kapitel beschreibt die wichtigste silanbasierte Rohstoffklasse, Abbildung 4.7: Polymerstrukturen von PHPS und OPSZ. dies sind die Alkoxysilane. R ist CH3-, CH2=CH- oder andere organische Reste
33
Siliciumbasierte Rohstoffe
4.3.2 Alkoxy-, Acetoxysilane Alkoxy- oder Acetoxysilane [21] werden üblicherweise aus den Silanen oder den Chlorsilanen durch Umsetzung mit den entsprechenden Alkoholen hergestellt. Die handelsüblichen Silane sind Methanolate, wie in dem Beispiel in Abbildung 4.8, Ethanolate oder Acetate. Die in Abbildung 4.9 dargestellten drei Derivate eines Silans sind üblicherweise auf dem Markt verfügbar. Die Methoxyvariante ist am gängigsten, deshalb wird in den folgenden Kapiteln bei der Darstellung der unterschiedlichen Silane auf die Methoxyvariante der Schwerpunkt gelegt. Die entsprechenden Chlorsilane können natürlich auch direkt einge-
Abbildung 4.8: Tetrachlorsilan reagiert mit Methanol zu Tetramethoxysilan und HCl
Abbildung 4.9: Übersicht marktüblicher Alkoxyde und Acetate am Beispiel des Tetrasilans
34
Siliciumorganische Verbindungen Tabelle 4.5: Auswahl handelsüblicher Alkoxysilane Silan, Abkürzung, CAS-Nr.
Molmasse [g/mol]
Feststoff (als Oxid)
Tetramethoxysilan TMOS 681-84-5
152,22
39,5 %
Methyltrimethoxysilan MTMS 1185-55-3
136,22
49,3 %
Dimethyldimethoxysilan DMDMS 1112-39-6
120,22
61,7 %
Propyltrimethoxysilan PTMS 1067-25-0
164,28
58,0 %
Isobutyltrimethoxysilan IBTMS 18395-30-7
178,3
61,3 %
Isooctyltrimethoxysilan iOTMS 34396-03-7
234,41
70,6 %
Octyltrimethoxysilan OTMS 3069-40-7
234,41
70,6 %
1H,1H,2H,2H- Perfluorooctyl-trimethoxysilan PFTMS 85857-16-5
468,28
86,5 %
Hexadecyltrimethoxysilan HDMS 16415-12-6
346,68
80,1 %
Phenyltrimethoxysilan PhTMS 2996-92-1
198,3
65,2 %
Struktur
35
Siliciumbasierte Rohstoffe Tabelle 4.6: Alkoxysilane mit funktionellen Gruppen in der Seitenkette Silan, Abkürzung, CAS-Nr.
Struktur
Molmasse Feststoff [g/mol] (als Oxid)
Aminopropyl-trimethoxysilan APTS 13822-56-5
179,29
61,5 %
N-(2-Aminoethyl)-3-aminopropyltrimethoxysilan DAMO 1760-24-3
222,36
69,0 %
3-Mercaptopropyl-trimethoxysilan MPTMS 4420-74-0
196,34
64,9 %
3-Isocyanopropyl-trimethoxysilan ICTMS 15396-00-6
205,28
45,9 %
3-(Acryloxy)propyl-trimethoxysilan AcPTMS 4369-14-6
234,32
70,6 %
3-Methacrylpropyl-trimethoxysilan MPTS 2530-85-0
248,35
72,2 %
3-Glycidyloxypropyl-trimethoxysilan GPTS 2530-83-8
236,34
70,8 %
3-(Trimethoxysilyl) propylbernsteinsäure-anhydrid TMPBA 156088-53-8
262,23
73,7 %
36
Siliciumorganische Verbindungen setzt werden. Aufgrund der sehr hohen Reaktivität und dem Nebenprodukt HCl, sind sie zu Beschichtungszwecken eher unüblich. Die Reaktivität mit Wasser ist bei den Chlorsilanen am höchsten, dann folgt TAS, TMOS und TEOS als am wenigsten reaktive Verbindung. Je länger die Alkoholkette ist und je sterisch verzweigter, desto kontinuierlicher nimmt die Reaktivität ab. Mit aromatischen Alkoholen werden wiederum sehr hydrolysestabile Materialien erhalten [22] (siehe Kapitel 5.6.1). Die Silane können unterschiedliche Funktionen in Netzwerken ausüben. Die oben erwähnten TMOS oder TEOS werden als Rohstoff zur Herstellung eines Glasnetzwerkes oder zur Oberflächenmodifizierung von Partikeln eingesetzt. Weitergehende Informationen dazu in Kapitel 5.6 (Sol-Gel-Technologie). Eine organische Modifizierung in Form einer Kohlenstoffkette hat unterschiedliche Auswirkungen in Lacksystemen. Sie werden zur Flexibilisierung, als sogenannte Netzwerkwandler oder zur Hydrophobierung von Oberflächen und Partikeln eingesetzt. In der Tabelle 4.5 sind die handelsüblichen, verfügbaren Verbindungen mit ihren Eigenschaften gelistet. Diese Auswahl an gängigen Silanen können als Netzwerkwandler eingesetzt werden, wobei diese ausnahmslos nur ins anorganische Netzwerk, an Partikeloberflächen oder mit sich selbst kondensieren. Neben den Silanen mit ein oder mehreren Kohlenstoffketten bzw. Fluorketten gibt es auch eine Vielzahl von Silanen, die funktionelle Gruppen in der Kohlenstoffkette aufweisen. In Tabelle 4.6 ist eine Auswahl der gängigen funktionellen Alkoxysilane als Methoxyvariante zusammengestellt. Tatsächlich reicht die Auswahl an Rohstoffen hier sehr viel weiter. Insbesondere zur Herstellung silanterminierter Polymere sind die funktionellen Alkoxysilane der ideale Rohstoff. Neben der Oberflächenfunktionalisierung, dem Einsatz als Haftprimer und der Partikelstabilisierung ist das klare Ziel diese Silane als Bindemittelkomponente für den Bereich Lacke und Farben einzusetzen. Im nächsten Kapitel werden die chemisch-technischen Grundlagen beleuchtet und erklärt.
4.4 Literatur [1] B. Arkles, Silanes Kirk-Othmer Encyclopedia of Chemical Technology, Forth Edition, John Wiley & Sons Inc, Vol. 22, 38–69 (2016) [2] www.chemie.de/lexikon/Silane.html [3] C.J. Brinker, G.W. Scherer Sol-Gel Science: The Physics and Chemistry of Sol-Gel Processing, Academic Press Inc., 1990
[4] K. D. Linsmeier, Handbuch technische Keramik, Verlag Moderne Industrie, 2010 [5] GESTIS-Stoffdatenbank, siehe http://gestis.itrust.de/nxt/gateway.dll/ gestis_de/002720.xml?f=templates$fn= default.htm$3.0 [6] Pachaly, Achenbach, Herzig, Mautner; Winnacker/Küchler: Chemische Technik: Prozesse und Produkte, Band 5: Organi-
37
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38
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Chemisch-technische Grundlagen
5 Chemisch-technische Grundlagen Multifunktionelle Beschichtungsmaterialien bekommen ihre Funktionen durch die Kombination unterschiedlicher Materialien und Effekte. Das Beschichtungsnetzwerk kann weich, elastisch, gummiartig oder hart sein. Füllstoffe können physikalische Effekte durch eine bestimmte Kristallstruktur haben, die Größe bestimmter Funktionscluster kann von groben Strukturen bis in den Nanobereich reichen. Um die unterschiedlichen Möglichkeiten zu verstehen und die richtige Funktion mit der richtigen Chemie zu kombinieren, braucht man ein Grundverständnis der Möglichkeiten, die sich einem bei Verwendung der Silan-Chemie bietet. Ausgehend von den silanbasierten Rohstoffen gibt es eine Vielzahl von Reaktionsmöglichkeiten. Um diese Reaktionen zu verstehen, ist ein Grundwissen zu den einzelnen Modulen (siehe im Weiteren) notwendig, die durch die komplexe Silan-Chemie zur Verfügung steht. Die eingesetzten Module, mit denen man diese Multikomponentennetzwerke erklären kann, sind: Die Glaschemie: Man erhält bei der Verknüpfung von Silanen über anorganische Kondensationsprozesse ein Silikat-Netzwerk, welches durch Cokondensation mit Metallalkoxiden (z.B. Al, Zr, Ti …) eine Änderung in den makroskopischen Eigenschaften erfährt. Insbesondere bei der Emaillierung spielen diese Verbindungen eine große Rolle. Die Wasserglaschemie: Hier werden die wasserlöslichen Alkalisalze insbesondere Li-, Na-, K-Silikate als Ausgangspunkt für eine Vielzahl von Produkten eingesetzt. Die keramische Werkstofftechnologie: Über das Sintern keramischer Partikel werden festkörperspezifische Funktionen erhalten. Die Sol-Gel-Chemie: Sie liefert ein Grundverständnis für die Reaktion von Silanen zu polymeren Netzwerken und stellt eine Möglichkeit dar, anorganische und organische Netzwerke in einem kovalenten Netzwerk über Silan-Brücken zu vereinen. Die Nanotechnologie: Sie befasst sich vorzugsweise mit der Herstellung und Funktion von Partikeln und insbesondere Nanopartikeln. Auswirkungen verschiedener Kristallgitter, Einfluss der Größe der Partikel, Stabilisierung von Partikeln, insbesondere die Oberflächenmodifizierung von Nanopartikeln und ihre Eigenschaften. Die Siliconchemie: Durch kurzkettige organische Seitenketten und den Einsatz von Kondensationskatalysatoren kann ganz gezielt die gebildete Kettenlänge bzw. die Art und Form der Kondensate eingestellt werden.
Stefan Sepeur: Silicium- und Nanotechnologie für Lacksysteme © Copyright: 2022 Vincentz Network GmbH & Co. KG, Hannover
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Chemisch-technische Grundlagen Die Lackchemie: Hierfür ist die Funktionalisierung mit silanbasierten Materialien im Fokus. Von der Modifizierung mit Nanopartikeln bis hin zu anorganisch-organischen Bindemitteln gibt es viele Möglichkeiten, die beim Herstellen die Funktionsprinzipien der Lacktechnologie voraussetzt. Metallische Überzüge/Korrosionsschutz: Die Grundbegriffe des Korrosionsschutzes bzw. die Kenntnis der Wirkungsweise beispielsweise einer Verzinkung ist wichtig, will man ein Substrat auf Basis siliciumbasierter Materialien vor Korrosion schützen. Jeder dieser speziellen Bereiche der Chemie- und Werkstoffwissenschaften füllt mittlerweile ganze Bibliotheken von Literatur. Für den Bereich Farben und Lacke sind insbesondere die Modifizierungen interessant, die als Basis für weitere Funktionen zum Modellieren von Lacksystemen mit besonderen Eigenschaften eingesetzt werden können und sollen in diesem Buch im Fokus stehen.
5.1 Grundlagen der Glaschemie Unter einem „Glas“ versteht man ganz allgemein eine amorphe, d.h. ohne Kristallisation erstarrte, beim Erwärmen nur allmählich erweichende unterkühlte Schmelze, deren Atome zwar eine Nahordnung, aber keine gerichtete Fernordnung besitzen. Der amorphe Zustand von Glas wird als metastabil bezeichnet, der beim Erwärmen in den energieärmeren kristallinen Zustand unter Trübung überzugehen sucht. Gläser gehören, wie die Alkalisilikate (Wassergläser, siehe Kap. 5.1.4) oder Tonwaren, zu den technischen Silikaten. Die Hauptkomponente der meisten Gläser besteht daher aus Siliciumdioxid. Die große Anzahl an Gläsern ergibt sich sowohl durch unterschiedliche Zusammensetzungen als auch durch das Herstellverfahren der amorphen Schmelzen.
5.1.1 SiO2 als Glas und Kristall
Abbildung 5.1: Quarzglas
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Kristallglas ist eine Bezeichnung für farbloses Glas, welches jedoch im Vergleich zu normalem Glas eine erhöhte Lichtbrechung hat, die je nach Qualität besondere Farb-Effekte hervorbringen kann, was man von Kristallen aus Quarzglas kennt, vgl. Abbildung 5.1. Die Unterscheidung zwischen Glas und Kristallglas wird hierbei durch EG-Richtlinien (69/493/EWG)
Grundlagen der Glaschemie geregelt. Glaswaren, die weniger als 4 % Bleioxid erhalten, werden hierbei als “Glas” definiert. Glaswaren mit über 10 % Bleigehalt gelten als „Kristall“, Glaswaren mit über 24 % Bleianteil werden als „Bleikristall“ und mit über 30 % als „Hochbleikristall“ bezeichnet. In Deutschland werden diese Einteilungen zudem durch das Kristallglas-Kennzeichnungsgesetz geregelt. Kunststoffe sind makromolekulare Polymere, die bei Raumtemperatur fest sind. Liegt der Polymerstruktur ein amorpher Aufbau und eine Glasübergangstemperatur zugrunde so bezeichnet man diese als organische Gläser oder Kunststoffgläser. Für hochtransparente Kunststoffgläser werden als Basismonomere Diethylenglykol-bis(allylcarbonat) (DAC), Polycarbonat (Bayer „Makrolon“), Polyurethane („Trivex“) oder Acrlyate („Plexiglas“) eingesetzt. Neben den Kunstgläsern gibt es auch natürliche Gläser: Bernstein, ein fossiles Baumharz, kann ein Naturglas bilden. Auch die Gläser Obsidian und Bimsstein sind natürlichen, vulkanischen Ursprungs. In Folge von Meteoriten- bzw. Blitzeinschlägen können Impaktgläser oder Tektite bzw. Fulgurite entstehen. Trinititglas ist ein trauriges Nebenprodukt von Atombombenexplosionen und Köfelsit bildet sich bei Bergstürzen. All diese Gläser entstehen aus dem Schmelzen von Sanden. Hierzu zählt beispielsweise auch Moldavit (siehe Abbildung 5.2). Künstliche Gläser werden hauptsächlich durch das (Zusammen-)Schmelzen von Rohstoffmischungen erzeugt. Einen ganz neuen Weg zur Herstellung von funktionellen Gläsern bietet dagegen der Sol-Gel-Prozess (siehe Kap. 5.6), mit dem dünne Schichten oder Aerogele erzeugt werden können.
5.1.1.1 Netzwerkbildner und Netzwerkwandler
Der Hauptbestandteil von Glas ist in der Regel Siliciumdioxid, welcher ein ungeordnetes dreidimensionales Netzwerk eckenverknüpfter [SiO4]- Tetraeder bildet, die durch Siloxanbrücken Si-O-Si verbunden sind und im Idealfall ein reines SiO2 Quarzglas ergeben. Die Eigenschaften aus der Schmelze glasig zu erstarren zeigen darüber hinaus Gemische saurer Oxide von Siliciumdioxid, Bortrioxid, Aluminiumtrioxid und Phosphorpentoxid die ein dreidimensionales Netzwerk ausbilden. In diesen sogenannten oxidischen oder silikatischen Gläsern werden diese Komponenten als Netzwerkbildner bezeichnet. Da SiO2 immer als Abbildung 5.2: Natürliches Glas: ein Moldavit; die Hauptkomponente auftritt fließt grüne Farbe rührt hauptsächlich vom Eisenoxid im das zweithäufigste Oxid in die Na- erschmolzenen Sand.
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Chemisch-technische Grundlagen mensgebung dieser Gläser ein. Die Bezeichnungen Phosphatgläser, Boratgläser oder Alumosilikatgläser kennzeichnen so die Grundstruktur der Gläser mit jeweils speziellen Eigenschaften. Durch den Einbau von dreiwertigen (Bor, Aluminium) bzw. fünfwertigen (Phosphor) Elementen werden die Si-O-Si Brücken der Hauptkomponente teilweise gespalten, so dass in das homogene Glasnetzwerk Trennstellen beispielsweise [O3Al -O-SiO3] eingebaut werden und somit die negative Ladung erhöht und im Falle von Phosphor erniedrigt wird. Diese Trennstellen bewirken ein Aufbrechen der starren Gitterstruktur von Glas und haben somit einen Einfluss auf den Erweichungs- und Schmelzpunkt von Gläsern. Gläser, welche nur aus einem Bestandteil, also dem Netzwerkbildner, bestehen, werden als Einkomponentengläser bezeichnet. Durch Zugabe weiterer Metalloxide erhält man die sogenannten Zwei- oder Dreikomponentengläser. Als Oxide können Alkali- und Erdalkalimetalloxide aber auch Blei und Zink ebenso in dieses Netzwerk unter Bildung weiterer Trennstellen eingebaut werden. Diese sog. Netzwerkwandler werden in das vom Netzwerkbildner gebildete Gerüst eingebaut. Anstelle der Atombindung mit dem Silicium geht der Sauerstoff im Netzwerk eine deutlich schwächere Ionenbindung mit z.B. einem Alkaliion ein, was unter anderem ein Sinken der Schmelztemperatur bewirkt. Des Weiteren können folgende Glas-Zuschlagstoffe unterschieden werden. – Flussmittel zur Herabsetzung des Schmelzpunkts: Kaliumoxid, Zinkoxid, Thalliumoxid – Zusätze zur Veränderung des Brechungsindex: Bariumoxid, Bleioxid (absorbiert auch Gamma- oder Röntgenstrahlung) – Trübungsmittel: Zinndioxid, Calciumphosphat, Fluorid für Opalglas, Zirkoniumdioxid – Andere Funktionalitäten: Cer wird verwendet, um Glas gegen radioaktive und Röntgenstrahlung zu stabilisieren. Boroxid als Zusatz verändert die thermischen und elektrischen Eigenschaften. Aluminiumoxid erhöht die Bruchfestigkeit. Zwischenoxide wie Aluminiumoxid können als Netzwerkbildner und -wandler fungieren, d.h., sie können ein Glasnetzwerk verfestigen (stabilisieren) oder genau wie die Netzwerkwandler die Strukturen schwächen. Ihre jeweilige Wirkung in einem Glas ist stets abhängig von einer Reihe von Faktoren. Allerdings sind Zwischenoxide allein nicht zur Glasbildung fähig. Die häufigsten Rohstoffe in der Massenglasproduktion können der nachfolgenden Liste entnommen werden: – Quarzsand ist ein fast reiner SiO2-Träger zur Netzwerkbildung. Wichtig ist, dass der Sand nur einen geringen Anteil an Fe2O3 besitzen darf (< 0,05 %), da sonst bei Weißglas störende Grünfärbungen auftreten. Dieser Rohstoff macht mit über 70 % massenmäßig den größten Teil des Gemenges aus. – Soda (Na2CO3) dient als Natriumoxidträger, das als Netzwerkwandler und als Flussmittel dient und den Schmelzpunkt des SiO2 senkt. In der Schmelze wird Kohlenstoffdioxid frei und löst sich als Gas aus dem Glas. Soda ist im Bereich der Massengläser der teuerste Rohstoff, da er kaum als natürlich vorkommendes Mineral verfügbar ist. Nat-
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Grundlagen der Glaschemie Tabelle 5.1: Zusammensetzungen wichtiger Gläser (Angaben in Gewichtsprozent) Glasart
SiO2 Al2O3 Na2O K2O MgO CaO B2O3 PbO TiO2
F
SO3
Quarzglas
≥99
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
Boro Silikatglas
70 – 79
1– 4,5
2–6
0– 4,4
0– 0,3
0– 0,5
14 – 17
–
–
–
–
Kalk71 – Natron-Glas 73
1– 2,4
14 – 17
0,2 – 1,6
2,6 – 3,8
4,2 – 6,6
–
–
–
–
–
72 – 72,6
0,1 – 1,1
13,5 – 14
≤ 0,7
4– 4,1
8,4 – 8,8
–
–
≤0,2
–
0,2
Bleikristallglas
58
–
4
9
–
–
2
24
–
–
–
Glasfaser
54
14
–
–
4,5
17,5
10
–
–
–
–
Emaille
40
1,5
9
6
1
–
10
4
15
13
–
Floatglas
– –
–
–
rium kann der Schmelze auch als Nitrat oder Sulfat zugeführt werden (Natriumsulfat ist Läutermittel zur Reduzierung des Blasengehaltes). Pottasche (K2CO3) liefert Kaliumoxid für die Schmelze, das wie Natriumoxid als Netzwerkwandler und Flussmittel dient. Feldspat (NaAlSi3O8) trägt neben SiO2 und Na2O Tonerde (Al2O3) in das Gemenge ein. Diese führt zu einer Erhöhung der chemischen Beständigkeit gegenüber Wasser, Nahrungsmitteln und Umwelteinflüssen. ZrO2 hat eine ähnliche Funktion im Netzwerk. Kalk dient als Netzwerkwandler. Während der Schmelze zersetzt er sich zu Kohlendioxid und Calciumoxid. CaO erhöht in mäßiger Zugabe (10 bis 15 %) die Härte und chemische Beständigkeit des Endproduktes. Dolomit ist ein Träger für CaO und MgO. Magnesiumoxid wirkt auf die Schmelze ähnlich wie Calciumoxid. Ein zu hoher MgO-Gehalt im Glas kann jedoch die Liquidustemperatur unerwünscht erhöhen und zu Entglasungen führen.
Für Spezialgläser kommen auch Mennige, Borax, Bariumcarbonat und seltene Erden zum Einsatz. Um ein Gefühl für die Zusammensetzung unterschiedlicher Gläser zu bekommen, anbei ein paar Beispiele zur Zusammensetzung wichtiger Gläser, siehe Tabelle 5.1.. Bei der Funktionalisierung von Lacken mit anorganischen Anteilen erkennt man also, dass verschiedene Ionen im Glasnetzwerk auch unterschiedliche Eigenschaften hervorrufen, die man in Beschichtungsmaterialien nutzen kann. Natürlich gibt es auch die Möglichkeit mit Glas zu beschichten – die Emaille – ein Verfahren mit Tradition.
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Chemisch-technische Grundlagen
5.1.2 Emaille Email oder Emaille ist ein glasartiger Werkstoff, welcher durch vollständiges oder teilweises Schmelzen im Wesentlichen oxidischer Rohstoffe entsteht. Prinzipiell kann man hier von einem getrübten Glas sprechen, wobei diese „Trübung“ durch Einlagerung von kleinen festen Teilchen erreicht wird. Die glasartige Oxidmischung dient hier als Haftvermittler oder Farbgeber für das Trägermaterial, welches den Schmelzprozess von mindestens 480 °C ohne Schaden überstehen muss. Eisen, Glas und Keramik werden daher entweder zu Schutz- oder auch als Dekorationszwecken beschichtet. Emaillierte Produkte haben eine ganze Reihe an positiven Eigenschaften wie z.B. Korrosions- und Temperaturbeständigkeit, Schlag- und Kratzfestigkeit, Säurefestigkeit, Schmutzabweisung, UV-Stabilität und Bedruckbarkeit. Chemisch betrachtet handelt es sich bei Email um ein Schmelzgemisch aus Silikaten, Boraten und Fluoriden der Metalle Natrium, Kalium, Blei und Aluminium. Die Färbungen
Abbildung 5.3: Schematische Darstellung des Emaillierungsprozesses
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Grundlagen der Glaschemie erreicht man durch Eisen-, Chrom-, Cadmium-, Cobalt-, Nickel-, Gold-, Uran- oder Antimonoxide. Eine technische Emaillierung besteht immer aus einer bis zwei Schichten Grundemail und darauf bis zu fünf Schichten eines Deckemails. Das Grundemail sorgt für die Verbindung zwischen Glas und Stahl, Deckemail verleiht Farbe und sorgt für das gewünschte Finish des Emaille Produktes. In Abbildung 5.3 ist der Prozess des Emaillierens schematisch dargestellt. Die Emaillierung erfolgt durch Eintauchen oder Aufspritzen eines fein vermahlenen Schmelzgemisch-Pulverbreis, dem sogenannten Schlicker. Nach dem Auftragen der Emaillierung wird das Werkstück in einem Kammer- oder Durchlauftunnelofen bei ca. 780 °C bis 900 °C (Stahlbleche und Gusswerkstoffe) gebrannt. Die Brenndauer richtet sich nach der Größe des Werkstückes und beträgt in der Regel zwischen 10 und 30 Minuten. Nach dem Abkühlen entsteht ein mehrkomponentiges Glasnetzwerk. Nachteilig für viele Prozesse ist die hohe Einbrenn- und Schmelztemperatur der Glasüberzüge und die hohe Sprödigkeit. Später erfahren wir, wie man mit einer Kombination von verschiedenen Technologien diese Nachteile vermeiden kann (siehe Kapitel 7.4). Glas mit höheren Anteilen an Alkalioxiden kann zur Verarbeitung als Beschichtung auch in Wasser gelöst werden. Die daraus resultierenden Lösungen nennt man, wie soll es auch anders sein: Wasserglas.
5.1.3 Wasserglas Als Wassergläser bezeichnet man Alkalisilikate, deren glasartige Schmelze durch längeres Tempern unterhalb ihres Schmelzpunktes zur Kristallisation gebracht werden. Weltweit werden über 4 Mio. t Wasserglas produziert; davon sind mehr als 90 % Natriumwasserglas, der Rest Kaliumwasserglas. Die Wassergläser liegen als Feststoff oder flüssig, gelöst in Wasser vor. Man unterscheidet entsprechend Natronwasserglas, Kaliwasserglas und Lithiumwasserglas [1]. Die Herstellung von Wassergläsern erfolgt durch Aufschmelzen von Quarzsand in einem Glasschmelzofen bei Temperaturen von 1400 °C bis 1600 °C mittels alkalischer Schmelzstoffe wie Soda (Natriumcarbonat) oder Pottasche (Kaliumcarbonat), welche den Schmelzpunkt von Quarzsand deutlich herabsetzen. Das erstarrte Glas wird Abbildung 5.4: Modellstruktur einer Emaille
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Chemisch-technische Grundlagen zerkleinert und in einem Autoklaven mithilfe von NaOH oder KOH auf das gewünschte Molverhältnis Alkali : Si und mit Wasser auf den gewünschten Feststoffgehalt eingestellt. Der Alkaligehalt ist bei Wassergläsern wesentlich höher als bei den Emaillefritten, wodurch ein wasserlösliches Salz entsteht (siehe Abbildung 5.5). Die Aushärtung der alkalischen Wassergläser wird durch die Bildung von Kieselgel verursacht, meistens aufgrund der Reaktion von Alkalimetall-Silikat mit Kohlendioxid bzw. Kohlensäure (Begasung), und zwar nach folgendem Schema: Gleichung 5.1:
Me2SiO3 + H2CO3 Me2CO3 + H2SiO3 (Gel SiO2 • n H2O) wobei Me= Alkalimetall Die Bildung von Kieselgel kann prinzipiell auf unterschiedlichen Wegen erfolgen: – Durch Einwirkung von Säuren sinkt der pH-Wert; damit verringert sich die Abstoßung der Teilchen. Es finden Kondensation und Gelbildung statt. – Durch die Verdunstung von Wasser steigt die Konzentration der Wasserglaslösung bis Kondensationsreaktionen der Silikat-Anionen ablaufen und Gelbildung stattfindet. – Sowohl Alkohole durch ihre dehydrierende Wirkung auch als mehrwertige Kationen (z.B. Ca2+, Al3+) können Gelbildung auslösen. Diese Kationen können bevorzugt die Ladung der negativ geladenen Sauerstoffe der Silikat-Anionen kompensieren. Als Wasserglashärter werden entsprechend z.B. Aluminiumphosphate verwendet. Die Alkalioxide der Wassergläser, die nach der Gelbildung übrigbleiben, bilden bei Exposition an Oberflächen Carbonate, welche entweder sichtbare kristalline Ausblühungen bilden oder als hygroskopische Salze ausgewaschen werden. Bei Wasserglas ist ein hoher Alkaligehalt notwendig, um die Wasserlöslichkeit zu erreichen. Das Verhältnis von SiO2 : Me2O wird Modul genannt [2]. Es ist für jedes Wasserglas charakteristisch und liegt zwischen 1,6 und 4,1. Natronwasserglas (siehe auch Natriumsilikate) mit dem Molverhältnis 3,4 bis 3,5 bildet den mengenmäßig wichtigsten Anteil. Die aus dem Kieselgel entstehende Kieselsäure findet vielseitige Anwendung als Bindemittel für Pigmente zur Herstellung Abbildung 5.5: Modellhafte Struktur eines wasserlöslichen Kaliumwasserglases K4SiO4 witterungsstabiler Wandfarben. Um 1878
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Grundlagen der Glaschemie entwickelte der Chemiker A.W. Keim Silikatfarben auf der Basis von Wasserglas, die heute noch als „Keimsche Mineralfarben” für Anstriche und Malereien an Aussenfassaden Verwendung finden [3]. Kaliwasserglas eignet sich für Silikatfarben und Dispersions-Silkatfarben sowie für Silikatputze. Natronwasserglas ist nicht geeignet, weil es sich im Gegensatz zu Kaliwasserglas nach längerer Zeit allmählich auflöst. Vorteilhaft ist hierbei eine sehr gute Haftung auf mineralischen Untergründen durch Verkieselung. Wasserglasfarben haben allerdings eine schlechte Haftung auf Untergründen mit Dispersionsfarbe oder Kunstharzen. Weitere Vorteile von Wasserglasfarben sind ihre lange Haltbarkeit, UV Beständigkeit und Wasserdampfdurchlässigkeit. Die Umwandlung von Kieselgel in Kieselsäure wird auch im Baubereich zur Verfestigung und Abdichtung von Putzen, Beton und Mauerwerk sowie zum Schutz von Natursteinen vor Witterungseinflüssen durch Verkieselung angewendet [4]. Das Eindringen von Feuchtigkeit wird hier durch ein nachhaltiges Verschließen der Poren unterbunden. Speziell für Beton ist Lithiumwasserglas besser geeignet, da die Durchdringung der Betonoberfläche eine niedrigere Viskosität verbessert wird und eine vollständigere Vernetzung der Silikatstrukturen bei Lithium-Silikat die Abdichtung des Kapillarsystems an der Betonoberfläche besser gewährleistet. Wenn den Silikatlösungen Wasser entzogen wird, steigt ihre Viskosität. Trocknen sie, werden sie klebrig wie Honig, gelieren und erstarren glasig. Deshalb nutzt man das Wasserglas auch beim Abdichten von Vasen und Töpferwaren und als Kleber für Papier auf Metall und Glas.
Umwelttechnischer Hinweis
Silikate bestehen aus den natürlichen Rohstoffen Sand, Pottasche und Soda. Sie sind ungiftig und rein anorganisch, beinhalten also keine Erdölprodukte. Silikate sind ein umweltverträglicher Einsatzstoff, der ohne giftige Emissionen erzeugt wird. Silikate sind ein natürlicher Bestandteil unserer Umwelt und können umweltbelastende Substanzen in vielen Industrien ersetzen (s. Kapitel 7.4). Nach der industriellen Verwendung werden Silikate dem natürlichen Kreislauf wieder zugeführt. Dabei entspricht der Silikateintrag nur einem Bruchteil der natürlichen Silikatfracht. Neben der Funktion ist natürlich die Färbung von Glas für viele Anwendungen interessant. Diese Prinzipien können auf die silikatischen Lacksysteme übertragen werden.
5.1.4 Färben von Glas Die Färbung von Glas erfolgt gezielt mit Zusatzstoffen. Hierbei werden grundsätzlich drei Farbgebungsmechanismen unterschieden [5]. – Ionenfärbung Die Elemente der 1. Periode der Übergangsmetalle werden häufig als färbende Stoffe eingesetzt. Die Farben entstehen durch Wechselwirkung der äußeren 3d-Elektronen der
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Chemisch-technische Grundlagen entsprechenden Metalloxide mit den Wellenlängen des sichtbaren Lichtes. Folgende Absorptionsfarben kann mit den Oxide folgender Elemente erreichen: Violett durch Ni2+, Blauviolett durch Mn3+, Blau durch Co2+, Blaugrün durch Fe2+, Grün durch Cr3+, Cu2+, Braun durch Fe3+, Gelb durch Ag+, Rot durch Cu+, Orange durch U6+. – Kolloidfärbung Bei dieser Färbemethode werden der Schmelze Metallsalze zugegeben, die zunächst ein farbloses Glas ergeben. Eine anschließende Temperaturbehandlung lässt winzig kleine Metalltröpfchen entstehen, die aus der Glasmatrix ausgeschieden werden und zu sogenannten Metallkolloiden wachsen. Die Farbwirkung dieser Kolloide beruht sowohl auf der Absorption als auch der Streuung des Lichtes an den Teilchen. Je größer die erzeugten Kolloide werden, umso mehr nimmt ihre Extinktion (optische Dichte) zu. Gleichzeitig verschiebt sich die Wellenlänge ihrer maximalen Absorption zu langwelligerem Licht hin. Außerdem nimmt mit zunehmender Kolloidgröße der Effekt der Streuung zu, jedoch muss hierfür die Größe des Kolloids sehr viel kleiner als die Wellenlänge des zu streuenden Lichtes sein. Auf diese Weise gefärbte Gläser werden auch als echte Rubingläser bezeichnet. – Anlauffärbung Zu den Anlaufgläsern gehören die durch Chalkogenide gefärbten Gläser, die hauptsächlich in silikatischen Gläsern mit hohen Zink- und Kaliumoxidgehalten Anwendung finden. Am häufigsten werden hierfür Cadmiumsulfid oder Cadmiumselenid in geringen Prozentbereichen zugegeben, aber auch andere Metallchalkogenide sind denkbar. Eine gezielt gesteuerte Entglasung führt zu sehr scharfen Farbkanten, wodurch diese Gläser häufig als Lichtfilter eingesetzt werden. Das Färben von Glas ist ein sehr komplexes Thema und beinhaltet Knowhow, das über die Jahrhunderte angesammelt wurde. Wichtig ist im ersten Schritt und für die Anwendung in silikatischen Systemen ist die Farbwirkung einzelner Bestandteile. Die nachfolgende Liste enthält einige der häufigeren zur Färbung genutzten Rohstoffe, unabhängig von deren Farbgebungsmechanismus. – Eisenoxide färben grün bis blaugrün (sog. Weinflaschengrün) oder gelb je nach Wertigkeit des Eisenions (Fe2+, Fe3+). In Verbindung mit Braunstein entstehen gelbe Farbtöne sowie in Gegenwart von Schwefel bei reduzierenden Bedingungen braun-schwarze Farbtöne. – Kupferoxide: Zweiwertiges Kupfer färbt blau, einwertiges färbt rot, letzteres nennt sich auch Kupferrubinglas. – Chrom(III)-oxid wird in Verbindung mit Eisenoxid oder allein für die Grünfärbung verwendet. – Uranoxid ergibt eine sehr feine Gelb- oder Grünfärbung mit grüner Fluoreszenz unter Ultraviolettstrahlung. Wegen der Radioaktivität des Urans wird dieses heute nicht mehr eingesetzt.
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Grundlagen der Glaschemie – Cobalt(II)-oxid färbt intensiv blau und wird auch für die Entfärbung verwendet. Das Cobaltoxid wurde früher in einem aus den Cobalterzen hergestelltem Gemisch zugegeben, das Zaffer oder Safflor genannt wird. – Nickeloxid: violett, rötlich; es dient auch für die Graufärbung und zur Entfärbung. – Mangan(IV)-oxid (Braunstein) wird als Glasmacherseife zur Entfernung des Grünstichs (durch Absorption der Komplementärfarben) verwendet. – Selenoxid färbt rosa und rot. Die rosa Färbung wird als Rosalin bezeichnet, die rote als Selenrubin. – Silber ergibt feines Silbergelb. – Indiumoxid erzeugt gelb bis bernsteinorange Farben. – Die seltenen Erdelemente Neodym färben rosa bis purpur-lila, Praseodym grün, Samarium gelb und Europium intensiv rosa. – Gold wird erst in Königswasser aufgelöst und färbt rubinrot, eine der teuersten Glasfärbungen (Goldpurpur). Zum Färben von Glas gibt es viele Beispiele auch aus antiken Zeiten. Es ist ein Kunsthandwerk, das die Jahrhunderte überlebt hat, z.B. Kirchenfenster aus Glas. Wichtig für den Lackbereich zur Einfärbung silanbasierter Materialien ist die Möglichkeit der anorganischen Einfärbung durch Ionen oder Kolloide. Eine wesentlich höhere
Abbildung 5.6: Einfache Darstellung der phototropen Reaktion
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Chemisch-technische Grundlagen UV-Beständigkeit im Vergleich zu organischen Farbstoffen oder auch weitere Funktionalitäten, wie am Beispiel der Phototropie und Elektrotropie gezeigt werden soll, sind somit möglich.
5.1.4.1 Phototropie
Phototrope Gläser verdunkeln sich mit steigender UV-Einstrahlung und in Abhängigkeit von der Temperatur von selbst. Die Phototropie basiert auf silberhalogenidhaltigen Einlagerungen im Glas. Diese unterlaufen eine reversible Transformation und je nach verwendeter Halogenidart werden im Glas verschiedene Farben erzeugt. Für die Produktion von Sonnenbrillen werden braune bis graue phototrope Gläser verwendet, die sich im Sonnenlicht rasch von allein abdunkeln (Bildung von metallischem Silber) und bei schwacher Umgebungs- bzw. Sonnenstrahlung langsam(er) wieder hell-durchsichtig werden (Wiederausbildung von Silberhalogenid, Abbildung 5.6). Der Unterschied in der Reaktionsgeschwindigkeit begründet sich auf ein Gleichgewicht zweier entgegen gerichteten Reaktionen. Das Eindunkeln verläuft als Reaktion nullter Ordnung linear zunehmend als Funktion der eingestrahlten Wellenlänge (Energie des Lichtes). Dagegen ist das Aufhellen des Glases eine Reaktion erster Ordnung, welche abhängig von der Temperatur in einer exponentiell abnehmenden Funktion verläuft. Demnach ist die Brille im winterlichen Schnee bei starker Kälte und hoher Helligkeit schnell getönt und wird bei abnehmender UV-Strahlung langsam wieder klar, wobei erhöhte Temperatur in Innenräumen den Effekt beschleunigt.
5.1.4.2 Elektrotropie
Elektrotropes Glas ist im normalen Zustand zwar lichtdurchlässig, jedoch ähnlich Milchglas blickdicht bzw. visuell undurchsichtig. Erst durch Anlegen einer elektrischen Spannung wird es durchsichtig. Elektrotrope Glasscheiben werden z.B. in Edellimousinen wie dem Maybach eingesetzt oder dienen als schaltbare Sichtabtrennung im Panoramawagen direkt hinter dem Führerhaus des ICE oder des TGV. Nicht zuletzt gibt es Toilettentüren, die erst beim Verriegeln wie von Geisterhand undurchsichtig werden. Elektrotrope Gläser gehören zu den sogenannten intelligenten Gläsern, die mit Hilfe von Flüssigkristallen funktionieren, die sich zwischen zwei normalen Glasscheiben befinden, ähnlich wie bei einem LC-Display.
5.2 Oberflächenveredelung von Glas mit dünnen Schichten Eine Oberflächenveredelung entsteht durch das Aufbringen von Schichten oder das Abtragen von Schichten, sowie das Modifizieren der Struktur oder der Chemie der Glasober-
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Oberflächenveredelung von Glas mit dünnen Schichten fläche. Sinn und Zweck solcher Maßnahmen ist die Verbesserung der bestehenden Gebrauchseigenschaften eines Glasgegenstandes oder die Erzeugung neuer Anwendungsgebiete für einen Glasgegenstand. Für den Lackbereich ist es wichtig, die Funktionsweise solcher Effekte zu kennen, um unter Umständen eine anorganische Modifizierung durchzuführen. Dünne Schichten weisen große Unterschiede hinsichtlich der Dicke (wenigen Nanometer bis hin zu mehreren Mikrometern) und des eingesetzten Materials (Metalle, Dielektrika, organische Materialien, usw.) bzw. der Materialkombination (Legierungen, Schichtstapel) auf. Die Herstellung erfolgt mithilfe der Beschichtungsmethoden der Dünnschichttechnik. In erster Linie sind dies chemische (CVD) und physikalische (PVD) Gasphasenabscheidungsverfahren. Beim CVD findet auf der Oberfläche eine Reaktion von flüchtigen Ausgangsstoffen statt. Beim PVD erfolgt eine Kondensation aus der Dampfphase auf einer bereits vorhandenen Schicht- oder Substratoberfläche.
5.2.1 CVD-Verfahren Bei einer chemischen Gasphasenabscheidung entsteht bei einer Oberflächenreaktion von einem oder mehreren Gasen eine Schicht. Mit chemische Gasphasenabscheidung (chemical vapour deposition, CVD), selten auch chemische Dampfphasenabscheidung, werden eine Gruppe von Beschichtungsverfahren bezeichnet, welche unter anderem zur Herstellung von mikroelektronischen Bauelementen und Lichtwellenleitern dienen. Mit der Einführung des Begriffs „chemical vapour deposition“ hat John Blocher 1960 die chemische Gasphasenabscheidung von physikalischen Beschichtungsverfahren unterschieden, die er unter dem Begriff PVD (physical vapour deposition, siehe Kap. 5.2.2) zusammenfasste. Das CVD-Beschichtungsverfahren besitzt mehrere bedeutende Anwendungen in verschiedenen Industriezweigen: Brillengläser, Fenstergläser, Glasflaschen, Lampenkolben werden durch die chemische Gasphasenabscheidung mit optischen Reflex- oder Wärmedämmschichten ausgestattet. Funktionelle Oberflächenbeschichtungen aus Si, SiO2, Si3N4 werden in der Halbleiterindustrie großindustriell mit CVD hergestellt. Verpackungsfolien mit Diffusionsbarriereschichten verbessern die Haltbarkeit von Lebensmitteln sowie Hartstoffschichten aus TiN, erkennbar an der goldenen Farbe, erhöhen die Oberflächenhärte von Werkzeugen. Bei allen CVD-Prozessen muss das Edukt bzw. der Precursor gasförmig zum Substrat transportiert werden. Hierzu werden Precursoren benutzt, die bei Raumtemperatur und Normaldruck fest, flüssig oder gasförmig sind. Unter „Normalbedingungen“ flüssige oder feste Precursoren können aufgrund ihres temperaturabhängigen Dampfdruckes mit einem Trägergas zum Substrat transportiert werden. Bei Flüssigkeiten kann man hierzu ein Gas
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Chemisch-technische Grundlagen durch einen Flüssigkeitsbehälter leiten (Bubbler). Feststoffe können in ein „Schiffchen“ gefüllt werden. Durch Einstellung der Temperatur, des Gasdruckes und des Trägergasflusses kann die Abdampfrate eingestellt werden. Der CVD Abscheidungsprozess gliedert sich in mehrere Reaktionsschritte, wie sie vereinfacht in der Abbildung 5.7 dargestellt sind. Das gasförmige Edukt 1) wird durch Konvektion in die Nähe der Diffusionsgrenzschicht am Substrat transportiert. Der Precursor diffundiert durch diese Grenzschicht und wird an der Substratoberfläche adsorbiert 2). In einer Reaktion entstehen die Produkte. 3). Das Produkt M (z.B. Metall) bildet die Schicht. Der andere Anteil (z.B. HCl) ist gasförmig und desorbiert. 4) Nachdem er durch Diffusion die Grenzschicht durchquert hat, wird er durch Konvektion abtransportiert 5). Häufig liegen in einem CVD-Prozess mehrere Edukte oder Precursoren vor, die miteinander reagieren und gemeinsam zum Schichtwachstum beitragen. Das Verfahren der chemischen Gasphasenabscheidung zeichnet sich durch mindestens eine Reaktion an der Oberfläche des zu beschichtenden Werkstücks aus. An dieser Reaktion muss mindestens eine gasförmige Ausgangsverbindung (Edukt) und mindestens zwei Reaktionsprodukte – davon mindestens eines in der festen Phase – beteiligt sein. Beschichtungen werden in der Elektronikindustrie angewendet, um z.B. Si3N4, SiO2, poly-Si, kristallines Si (Epi-Si) und SiONx auf Wafer-Oberflächen abzuscheiden. Außerhalb der Elektronikindustrie sind die Veredelung von Glas und die Herstellung von Glasfaserkabeln für die optische Nachrichtentechnik eines der größten Anwendungsgebiete der chemischen Gasphasenabscheidung. So werden jährlich ca. 10 Mio. m² Architekturglas mit Wärmeschutzschichten aus Fluor-dotiertem Zinnoxid überzogen [6]. Eine
Abbildung 5.7: Ereignisabfolge während der chemischen Gasphasenabscheidung (CVD)
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Oberflächenveredelung von Glas mit dünnen Schichten weitere wichtige Anwendung von Zinnoxid-Schichten ist der Schutz von Behälterglas. Die Beschichtung der Außenflächen schützt das Glas gegen mechanische Stoßbelastungen, beispielsweise in Abfüllanlagen. Weitere Anwendungen sind optische Schichten auf Glas, auf Kunststoff sowie gasdichte Barriere-Schichten für die Verpackungsindustrie [7]. Eine Einschränkung des Verfahrens stellt die hohe Temperaturbelastung des Substrates dar. Die Wärmebelastung kann unter anderem Verzug an Werkstücken bedingen oder oberhalb der Erweichungstemperatur des zu beschichtenden Materials liegen, sodass das Verfahren nicht angewendet werden kann. Eine Alternative bietet das PVD Verfahren.
5.2.2 PVD-Verfahren Mit physikalischer Gasphasenabscheidung (englisch physical vapour deposition, PVD), auch physikalische Dampfphasenabscheidung, bezeichnet man eine Gruppe von vakuumbasierten Beschichtungsverfahren bzw. Dünnschichttechnologien. Bei physikalischer Gasphasenabscheidung wird anders als bei der chemischen das Ausgangsmaterial ohne Trägergas in die Gasphase überführt. Das gasförmige Material wandert zum zu beschichtenden Substrat, wo es kondensiert und die Zielschicht bildet. Zur Gruppe der Verfahren der physikalischen Gasphasenabscheidung zählen die unten aufgeführten Technologien sowie reaktive Varianten dieser Prozesse. – Verdampfungsverfahren – Thermisches Verdampfen (auch Bedampfen genannt) – Elektronenstrahlverdampfen (engl. electron beam evaporation) – Laserstrahlverdampfen (engl. pulsed laser deposition, pulsed laser ablation): ein kurzer intensiver Laserpuls verdampft Atome und Ionen. – Lichtbogenverdampfen (engl. arc evaporation, Arc-PVD): bei einer elektrischen Entladung zwischen zwei Elektroden werden Atome und Ionen durch einen starken Strom, der bei einer elektrischen Entladung zwischen zwei Elektroden fließt (vgl. Blitzschlag), aus dem Ausgangsmaterial herausgelöst und in die Gasphase überführt. – Molekularstrahlepitaxie (engl. molecular beam epitaxy) – Sputtern (Sputterdeposition, Kathodenzerstäubung): ein Ionenbeschuss zerstäubt das Ausgangsmaterial und überführt es in die Gasphase. – Ionenstrahlgestützte Deposition (engl. ion beam assisted deposition, IBAD) – Ionenplattieren – ICB-Technik (engl. ionized cluster beam deposition, ICBD) Allen o.g. Verfahren liegt das Prinzip zugrunde, dass das abzuscheidende Material (auch Target bezeichnet) als Feststoff in einer üblicherweise evakuierten Beschichtungskammer vorliegt und dieser durch den Beschuss mit Laserstrahlen, Atomen, Ionen oder Elektronen bzw. durch Lichtbogenentladung verdampft.
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Chemisch-technische Grundlagen Wie hoch der Anteil an Atomen, Ionen oder größeren Clustern im Dampf ist, ist von Verfahren zu Verfahren unterschiedlich. Das verdampfte Material bewegt sich entweder ballistisch oder durch elektrische Felder geführt durch die Kammer und trifft dabei auf die zu beschichtenden Teile, wo es zur Schichtbildung kommt. Typischerweise wird mit einem Unterdruck (Vakuum; 0,0001 bis ca. 10 Pa) gearbeitet, damit die Dampfteilchen die Bauteile auch erreichen und nicht durch Streuung an den Gasteilchen verloren gehen. Damit alle Flächen während des PVD Prozesses möglichst homogen beschichtet werden, bewegen die zu beschichtenden Teile sich um das Target. Dies geschieht meist durch Rotation des Substrats. Die Dampfteilchen, die nun auf das Substrat treffen, beginnen sich durch Kondensation an der Oberfläche abzulagern. Die abgelagerten Teilchen bleiben hierbei nicht unbedingt an der Stelle, an der sie auf das Substrat treffen, sondern bewegen sich an der Oberfläche entlang (Oberflächendiffusion), um einen energetisch günstigeren Platz zu finden, je nachdem wie hoch ihre Energie ist.
Abbildung 5.8: PVD-Verfahren
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Oberflächenveredelung von Glas mit dünnen Schichten Sehr niedrige Prozesstemperaturen können mit PVD-Verfahren wie Magnetronsputtern, Laserstrahlverdampfen oder thermischer Bedampfung verwirklicht werden. Es ist somit möglich selbst niedrigschmelzende Kunststoffe zu beschichten. Der ehemals gefürchtete „Eierschaleneffekt“, gekennzeichnet durch Rissbildung und Ablösung der Schicht aufgrund der zu großen Nachgiebigkeit des zu beschichtenden Kunststoffsubstrats bei punktueller Belastung, konnte gezielt durch Mehrfachbeschichtung mit Aufbau ähnlich dem von Muschelschalen minimiert werden. Fast alle Metalle und auch Kohlenstoff in sehr reiner Form können mit heute gängigen PVD-Verfahren abgeschieden werden. Werden außerdem Reaktivgase wie Sauerstoff, Stickstoff oder Kohlenwasserstoffe eingesetzt, so lassen sich auch Oxide, Nitride oder Carbide abscheiden. Dabei haben die Prozessbedingungen der Abscheidung, wie Substrattemperatur, Substratverunreinigung, Wachstumsrate sowie Prozessdruck einen wesentlichen Einfluss auf die Schichteigenschaften. Die Schichtdicke, die Oberflächenrauigkeit, die Kristallmorphologie, die Dichte, Kontaminationen und Dotierung der Schicht zählen zu den wichtigsten Schichteigenschaften, daraus ergeben sich auch Eigenschaften wie Brechungsindex, Schichthaftung, Härte usw. Mit spektralphotometrischen oder ellipsometrischen Messverfahren können die optischen Eigenschaften dünner Schichten ermittelt werden. Die Spektralphotometrie liefert Transmissionsspektren, die durch Näherungsverfahren mathematisch ausgewertet werden. Die ermittelten optischen Eigenschaften dienen der Anpassung und Optimierung der Prozessbedingungen. Dünne Schichten spielen in der Optik eine große Rolle. Sie werden eingesetzt, um das Reflexions- bzw. Transmissionsverhalten für UV-, VIS- und IR-Strahlung von Oberflächen und optischen Bauelement zu verändern. Durch dünne Schichten kann insbesondere das Reflexionsverhalten einer Oberfläche verändert werden. Im Wesentlichen kommen hierbei zwei Materialgruppen zum Einsatz: Metalle (hohe Absorption und Reflexion) und dielektrische Materialien (hohe Transparenz). Die Herstellung von reflektierenden (Licht-)Spiegeln oder die Entspiegelung von Oberflächen (Brillen, Linsen) sind gängige Anwendungen. Die wichtigste Einflussgröße für Dünnschichten ist der Brechungsindex, der hauptsächlich das Reflexions- bzw. Transmissionsverhalten bestimmt. Dünne Schichten müssen je nach Einsatzbereich folgende technische Anforderungen erfüllen, so zum Beispiel für die Alltagstauglichkeit einer entspiegelten Linse (Brillenglas). – Mechanische Belastbarkeit (Haftfestigkeit, Härte, Kratz- und Abriebfestigkeit) – Thermische Beständigkeit (Haftung und Unterschiede in Ausdehnungskoeffizienten zwischen Schicht und Substrat und daraus folgenden Spannungsrissen durch Temperaturänderungen) – Chemische Beständigkeit gegenüber Lösungs- und Reinigungsmitteln, UV-Strahlung, Feuchtigkeit
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Chemisch-technische Grundlagen Die Berücksichtigung aller Anforderungen führt dazu, dass nicht jeder beliebiger Brechungsindex für ein Brillenglas zur Verfügung steht.
5.2.3 Dünne Metallschichten Glatte Metalloberflächen mit einer Rauigkeit deutlich kleiner als die Wellenlänge des betreffenden Lichts, weisen im VIS- und IR-Bereich üblicherweise einen hohen Reflexionsgrad zwischen 92 % und 98 % auf. Dünne Metallschichten mit Schichtdicken von wenigen hundert Nanometern werden daher eingesetzt, um das Reflexionsvermögen von zahlreichen Oberflächen zu verbessern. Aluminium, Silber und Gold sind Metallelemente mit denen sich große, dünnschichtveredelte und vergleichsweise leichte Spiegel kostengünstig herstellen lassen, beispielsweise als hocheffizienter Reflektor für Solaranlagen oder -kraftwerke. Reflexionsschichten aus nanometerdünnen Metallspiegeln reichen für Alltagsgegenstände und viele technische Anwendungen aus. Lasersysteme sind jedoch Anwendungen, bei denen Reflexionsverluste von 2 bis 10 % nicht mehr zu tolerieren sind. Mit dielektrischen Mehrfachschichten lassen sich wellenlängenselektive Spiegel (dichroitische Spiegel) herstellen, die bei ihrer spezifizierten Wellenlänge einen wesentlich höheren Reflexionsgrad besitzen als Metallschichten.
Abbildung 5.9: Solaranlage mit Reflektoren aus metallisch bedampftem Glas
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Oberflächenveredelung von Glas mit dünnen Schichten Dünnere Metallschichten bis ungefähr 50 Nanometer sind hingegen teilweise transparent und können beispielsweise auf Mehrscheiben-Isoliergläsern aufgedampft werden. Diese dienen als sogenannte Wärmeschutzverglasung („Thermofenster“). Die Dicke der Metallschicht ist so gewählt, dass sie für sichtbares Licht ausreichend transparent ist, hingegen langwellige Infrarotstrahlung („Wärmestrahlung“) vergleichsweise stark reflektiert. Die Metallbedampfung bewirkt zudem einen Spiegeleffekt und wird daher auch für die architektonische Gebäudegestaltung genutzt. Ein manchmal nachteiliger Nebeneffekt dieser Beschichtung ist die Abschirmung noch langwelligerer Funkwellen (gestörter Handyempfang). Für die Herstellung von einfachen Polarisatoren lassen sich auch dünne Metallschichten nutzen, deren Film in einer feinen Streifenstruktur auf einem Substrat abgeschieden wird. Die sogenannten Drahtgitterpolarisatoren lassen nur elektromagnetische Wellen passieren, die senkrecht zur Streifenstruktur linear polarisiert sind („Polarisationsfilter“).
5.2.4 Dünne dielektrische Schichten Dünne dielektrische Schichten eröffnen noch mehr und speziellere Anwendungen als dünne metallische Schichten. Der Reflexionsgrad kann mit ihnen zwischen 0 und 100 % auch in sehr schmalen Spektralbereichen kontrolliert oder auch die Polarisation des transmit-
Abbildung 5.10: Hochhausfassade mit Metallbeschichtung zur Infrarotreflektion
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Chemisch-technische Grundlagen Tabelle 5.2: Mittlerer Brechungsindex einiger ausgewählter Schichtmaterialien Summenformel
Name
Brechungsindex
MgF2
Magnesiumfluorid
1,38
SiO2
Siliciumdioxid
1,46
Al2O3
Aluminiumoxid
1,7
ZrO2
Zirkoniumdioxid
2,05
PrTiO3
Praseodym-Titan-Oxid
2,1
TiO2
Titanoxid
2,7
ZnS
Zinksulfid
2,3
tierten bzw. reflektierten Lichtes beeinflusst werden. Eine Vielzahl von transparenten Materialien steht für optische Anwendungen zur Verfügung, beispielsweise niedrigbrechendes Magnesiumfluorid oder hochbrechendes Titandioxid. Die Eigenschaften der Dünnschichten in optischen Anwendungen basieren hauptsächlich auf Wechselwirkung von Licht mit dem Dielektrikum. Das Auftreten von Mehrfachreflexion an den einer Grenzfläche der Vorder- und Rückseite der Schicht und die Überlagerung der Teilstrahlen bzw. Teilwellen ist dabei ausschlaggebend. Abhängig von der in der dünnen Schicht zurückgelegten Wegstrecke, dem Brechungsindex der Schicht und der Wellenlänge des Lichts, verstärkt sich ein einfallender Lichtstrahl (konstruktive Interferenz) oder schwächt sich ab (destruktive Interferenz). Beide Fälle sowie deren Kombination finden in der Technik Anwendung. Antireflexbeschichtungen für optische Elemente aus Glas sind bereits durch Einfachbeschichtung möglich, so verringert z.B. eine dünne Schicht aus Magnesiumfluorid den Reflexionsgrad auf Glas von 4,25 % auf etwa 1,25 %. Die meistens unzureichende Reflexminderung der Einfachschicht wegen der Abhängigkeit von Wellenlänge zum Einfallswinkel wird deutlich verbessert, durch eine teils Abbildung 5.11: Reflexionsgrad für Licht der komplexe Kombination von SchichtWellenlänge λ0 = 580 nm in Abhängigkeit vom systemen mit definiertem BreEinfallswinkel und der Dicke einer Magnesiumfluoridchungsindex über einen mehr oder Schicht (MgF2) auf einem Siliciumdioxidsubstrat
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Oberflächenveredelung von Glas mit dünnen Schichten weniger großen Spektralbereich. In der Regel reicht für den sichtbaren Bereich (VIS) eine Dreifachschichtung aus Materialien mit unterschiedlichen Brechungsindizes und Dicke aus. Mit Mehrfachschichten lassen sich auch dichroitische Spiegel herstellen. Warmlichtspiegel (hot mirrors) zeichnen sich durch einen hohen Transmissionsgrad für sichtbares Licht und einen hohen Reflexionsgrad für die infrarote Wärmestrahlung aus. Kaltlichtspiegel (cold mirrors) verhalten sich genau umgekehrt. Diese reflektieren sichtbares Licht gut und lassen Infrarotwärmestrahlung durch. Des Weiteren ist durch Mehrfachbeschichtung die Herstellung von Interferenzfiltern sowie Teiler- bzw. Einwegspiegel möglich. Mithilfe von optisch anisotropen oder aktiven Materialien sind auch Polarisationsfilter möglich ( Abbildung 5.12). Die Präzision bei der Herstellung dieser Schichten muss sehr hoch sein und entscheidet, ob es zu den gewünschten Interferenzeffekten kommen kann. Weiterhin ist zu beachten, dass der Transmissions- und Reflexionsgrad eines solchen beschichteten Systems zum Teil sehr stark vom Einfallswinkel und der verwendeten Wellenlänge abhängt. Die Auswahl der jeweiligen Beschichtung hängt daher stark vom gewünschten Anwendungsbereich ab.
Abbildung 5.12: Polarisationsfilter auf Glas
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Chemisch-technische Grundlagen
5.2.5 Beschichtung mit transparenten, leitfähigen Oxiden Transparente, elektrisch leitfähige Oxide (transparent conducting oxides, TCO) sind spezielle elektrisch leitfähige Materialien mit einer vergleichsweise geringen Absorption von elektromagnetischen Wellen im Bereich des sichtbaren Lichts. Hergestellt werden diese über thermisches Verdampfen oder über chemische Gasphasenabscheidungsverfahren. TCO-Schichten werden als Dünnschichten in der Automobil- und Beleuchtungstechnik, in der Architekturverglasung, aber auch auf Flachbildschirmen oder Solarzellen eingesetzt. Das bis heute wichtigste Indiumzinnoxid (indium tin oxide, ITO) ist ein halbleitender und im sichtbaren Bereich weitgehend transparenter Stoff. Es wird üblicherweise als Mischoxid aus 90 % Indium(III)-oxid (In2O3) und 10 % Zinn(IV)-oxid (SnO2) eingesetzt. Das Zinn(IV)-oxid erzeugt als Dotiermittel Störstellen im Kristallgefüge des Indiumoxids und sorgt somit eine gute elektrische Leitfähigkeit. Die typischen Abscheidungstemperaturen auf Glas liegen bei ca. 400 °C. TCO-Schichten von 100 nm haben ca. 15 Ω Flächenwiderstand, Schichtdicken von zwischen 15 und 300 nm sind technisch möglich. Ein mit 100 nm ITO beschichtetes Floatglas zeigt im sichtbaren Wellenlängenbereich (400 bis 700 nm) eine Transmission von 84 bis 89 %. ITO wird auch als Wärmeschutzschicht auf Autooder Fensterglasscheiben aufgebracht, da es Infrarotstrahlung stark reflektieren kann.
Abbildung 5.13: Autoscheibe mit und ohne ITO Beschichtung [8]
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Grundlagen der chemischen Nanotechnologie Wie in Abbildung 5.13 dargestellt, hat eine mit ITO-beschichtete Autoscheibe im Vergleich zur unbeschichteten Scheibe viele Vorteile. Der dünne leitfähige und damit wärmereflektierende Film schützt die Scheibe vor dem Auskühlen. Dadurch kondensiert an der Außenseite kein Wasser und entsprechend gefriert es auch nicht. Bei Sonnenlicht wird die Wärmestrahlung reflektiert. ITO Schichten haben allerdings zwei Nachteile – zum einen wird durch die hohe elektrische Leitfähigkeit der Funkverkehr im Auto gestört, zum anderen ist ITO ein sehr teurer Rohstoff. Neben dem PVD und CVD Verfahren kann man leitfähige Oxide auch über das Sol-Gel-Verfahren (siehe Kap. 5.6) auftragen. Nachteilig sind hier die für viele Anwendungen (LCD und OLED) zu geringe Schichthomogenität, die hohen Einbrenntemperaturen und die hohen Ausschussraten. Der hohe Preis von Indium, der sich in den letzten Jahren vervielfacht hat, und die begrenzte Verfügbarkeit von Indium beschränken mittelfristig die Massenanwendung in Dünnschichtsolarzellen. Es wird daher intensiv an alternativen transparenten, leitfähigen Beschichtungen gearbeitet. Aussichtsreiche Kandidaten als Ersatz für ITO sind: – SnO2:F, mit Fluor dotiertes Zinn(IV)-oxid (engl. fluorine tin oxide, FTO) – ZnO:Al, mit Aluminium dotiertes Zinkoxid (engl. aluminum zinc oxide, AZO) – SnO2:Sb, mit Antimon dotiertes Zinn(IV)-oxid (engl. antimony tin oxide, ATO) – Graphen Die o.g. leitfähigen Oxide werden als Nanopartikel in einer nichtleitfähigen, silikatischen Matrix in der Regel keine makroskopisch messbare Flächenleitfähigkeit ausbilden. Aufgrund der Kristallstruktur ist aber eine sehr gute IR Absorption in Kombination mit einer UV-Absorption zu detektieren. Eine Modifizierung, auch in geringen Mengen, kann also durchaus Sinn machen. Wir kennen nun die Grundlagen von Glas und haben festgestellt, dass im anorganischen Werkstoffbereich eine Menge an Modifizierungsmöglichkeiten bestehen. Ein Spezialfall ist die Nanotechnologie, also die gezielte Herstellung funktioneller Partikel im Bereich 1 bis 100 nm. Sie können als Beschichtungen, aber auch als funktionelle Additive in silanbasierten Lacksystemen eingesetzt werden.
5.3 Grundlagen der chemischen Nanotechnologie Die Nanotechnologie beruht darauf, die Eigenschaften und Strukturen von Materialien auf nanoskaliger Ebene gezielt zu beeinflussen. Die Bezeichnung „Nano“ leitet sich von der Größenordnung des betrachteten Bereiches ab, dem Nanometer (1 nm =10-9 m). Nanotechnologie (griech. nãnnos = Zwerg) ist ein Sammelbegriff für eine breite Auswahl von Technologien, die sich der Erforschung, Bearbeitung und Produktion von Gegen-
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Chemisch-technische Grundlagen ständen und Strukturen widmen, die kleiner als 100 Nanometer (nm) sind. Ein Nanometer ist ein Milliardstel Meter und bezeichnet einen Grenzbereich, in dem die Oberflächeneigenschaften gegenüber den Volumeneigenschaften der Materialien eine immer größere Rolle spielen und zunehmend quantenphysikalische Effekte berücksichtigt werden müssen. Nur ein kleiner Zweig der Nanotechnologie beschäftigt sich mit Nanomaschinen oder Nanoroboter. Schon heute sehr bedeutend sind die Nanomaterialien, die zumeist auf chemischem Wege oder mit Hilfe von mechanischen Methoden hergestellt werden. Als Vater der Nanotechnologie gilt Richard Feynman aufgrund seines im Jahre 1959 gehaltenen Vortrages „There`s Plenty of Room at the Bottom“ (Ganz unten ist eine Menge Platz), auch wenn der Begriff Nanotechnologie erst 1974 von Norio Taniguchi erstmals gebraucht wurde: „Nano-technology mainly consists of the processing of separation, consolidation, and deformation of materials by one atom or one molecule.“ Nanotechnologie im Sinne dieser Definition ist die Veränderung von Materialien Atom für Atom oder Molekül für Molekül. Das schließt ein, dass die kritischen Eigenschaften von Materialien oder Geräten im Nanometerbereich liegen können, und dass diese Materialien und Geräte aus einzelnen Atomen bzw. Molekülen konstruiert werden. Heute wird Nanotechnologie aber nur noch selten in diesem engen Sinn benutzt, heute schließt man auch die Herstellung von Nanomaterialien auf chemischem Wege in diesen Begriff mit ein. Eine große Besonderheit der Nanotechnologie ist, dass sie ein fachübergreifendes Zusammenspiel vieler, spezialisierter Fachgebiete der Naturwissenschaften darstellt. So spielt die Physik eine wichtige Rolle, allein schon bei der Konstruktion der Mikroskope zur Untersuchung der Nanomaterialien und aufgrund der Gesetze der Quantenmechanik. Für eine gewünschte Struktur der Materie und Atomanordnungen bedient man sich der Chemie und Biochemie. Die Wissenschaft ist hier an einem Punkt angelangt, an dem die Grenzen der verschiedenen Disziplinen verwischen, man nennt Nanotechnologie deswegen auch eine konvergente Technologie. Neben den wissenschaftlichen Theorien heißt das in der Praxis für den Nanotechnologen, dass er sich damit beschäftigt, Materialien und Oberflächen zu funktionalisieren, zu miniaturisieren, zu spezifizieren oder zu untersuchen, um neue Eigenschaften zu erreichen. Für den Bereich Lacke und Farben spielen Nanomaterialien eine herausragende Rolle. In den folgenden Kapiteln werden grundlegend die Möglichkeiten und Effekte aufgezeigt, die diese Technologie vor dem Hintergrund der Anwendung im Bereich Beschichtungen bietet.
5.3.1 Definition der Nanotechnologie Die Nanotechnologie ist die gezielte Beeinflussung, Herstellung oder Abbildung von Strukturen, Systemen, Materialien oder Komponenten im Bereich atomarer oder molekularer Dimensionen mit nanoskaligen Abmessungen zwischen 1 nm und 100 nm.
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Grundlagen der chemischen Nanotechnologie Mit dieser Definition ist eine Eigenschaftsbeziehung nicht direkt miteingeschlossen. Wichtig für die Definition einer Technologie ist, dass eine gezielte Beeinflussung und keine zufälligen oder natürlichen Faktoren eine Rolle spielen. Ein Sonderfall der Nanotechnologie ist die „chemische Nanotechnologie“ . Sie ist die gezielte Herstellung von Systemen, Materialien oder Komponenten im Bereich atomarer oder molekularer Dimensionen mit nanoskaligen Abmessungen durch chemische Synthese. Diese Definition deckt den gesamten Bereich der Farben und Lacke ab, so dass jeder Forscher, der sich mit nanoskaligen Effekten auseinandersetzt, diese Definition zur Beschreibung seiner Ergebnisse nutzen kann. Das Konzept gezielt Atome und Moleküle zusammen wachsen zu lassen wird als „Bottom-up-Strategie“ bezeichnet. Aus größeren Einheiten durch gezielte Bearbeitung und Zerkleinerung nanoskalige Strukturen zu schaffen, bezeichnet man als „Top-down-Strategie“. Dies wird beispielsweise in der Mikroelektronik bei Lithographieverfahren oder durch besondere Mahlverfahren erreicht. In Abbildung 5.14 sind die Entwicklungen hin zur Nanotechnologie für die Wissenschaften Physik, Biologie und Chemie dargestellt. Am Beispiel der Elektronik- oder Computerindustrie ist die Entwicklung von der Makroüber Mikro- zur „Nano“-Elektronik gut zu beobachten. Während die ersten Großrechner
Abbildung 5.14: Top-down- und Bottom-up-Synthese für die Forschungsbereiche Physik, Biologie und Chemie im Rahmen der Nanotechnologie [9]
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Chemisch-technische Grundlagen der Computerindustrie Hallen oder sogar Gebäude füllten, ist es durch immer weitere Miniaturisierung der Chipstrukturen (Top-down-Verfahren) gelungen Hochleistungsrechner zu bauen, die in einem Schrank Platz haben. Irgendwann haben diese Top-down-Verfahren ihre Grenze erreicht. Deswegen zielen neue Ansätze auf die Herstellung von Chips nach dem Bottom-up-Verfahren ab, wobei diese Nanoelektroniken aus atomaren oder molekularen Bausteinen zusammengesetzt werden sollen. Im Bereich der Chemie zur Herstellung neuer Werkstoffe sind als Top-down-Verfahren Techniken zu nennen, bei denen aus mikroskaligen Rohstoffen durch Mahl- oder Ultraschalltechniken eine Zerteilung in Nanopartikel erreicht wird. Ein klassisches Verfahren einer Bottom-up-Synthese ist die Sol-Gel-Technologie, mit der bereits in den 1960er Jahren die ersten SiO2-Nanopartikel hergestellt wurden, ohne es zu wissen, da die entsprechende Analytik fehlte. Ein weiteres Bottom-up-Verfahren der Chemiewissenschaften ist das „Aerosil“-Verfahren, auf das später in Kap. 5.3.3.3 eingegangen wird. Seit ungefähr zwei Jahrzehnten zieht der Begriff der „Nanomaterialien“ wachsendes Interesse auf sich. Seitdem werden Partikel der Größenordnung unter 100 nm, die früher als Phänomene der Kolloidchemie betrachtet wurden, mit neuer Begriffsbildung als Nanopartikel bezeichnet. Die seitdem intensive Erforschung dieser Nanomaterialien hat zu neuen Blickwinkeln und vielen interessanten Anwendungsmöglichkeiten geführt: Die konventionelle Chemie der anorganischen Feststoffe gilt der kompakten Materie, deren Kristallphasen und Glasnetzwerke einschließlich des Gefüges der Kristallite und Phasendomänen mit dem Ziel erforscht werden, Verfahren für Metalle, Keramiken und Gläser mit maßgeschneiderten mechanischen, thermischen, optischen, elektrischen oder tribologischen Eigenschaften zu entwickeln. Inzwischen werden diese Ergebnisse der Materialforschung auf nanoskalige Partikel übertragen, die in ihrer Rheologie eher Flüssigkeiten oder sogar Gasen gleichen. In der modernen Physik haben sich die sogenannten Nanopartikel neben den Gasen, Flüssigkeiten und Feststoffen längst als weiterer Zustand der Materie etabliert. Für den Bereich der Lackchemie werden Nanopartikel oder entsprechende Dispersionen als Zusatz für Beschichtungsmaterialien eingesetzt, um dem Trend zu multifunktionellen Oberflächen zu folgen. Ein besonderes Interesse gilt hierbei dem agglomeratfreien Einbau von Nanopartikeln in Beschichtungswerkstoffe. Ein bestimmtes Bauteil wird im Allgemeinen über seine Form und seine Oberfläche wahrgenommen. Neben der reinen Farbgebung haben Oberflächen mittlerweile eine viel größere Bandbreite an Funktionen: Korrosionsschutz, Kratzfestigkeit oder leichte Reinigbarkeit („Easy-to-Clean“) usw. sind Möglichkeiten, die heute schon realisierbar sind. Der Markt und die Entwicklungsarbeiten in diesem Bereich sind in ständigem Wachstum begriffen. Mit den richtigen Voraussetzungen ist es möglich, auch in konventionelle Lacke zusätzliche Funktionen zu integrieren.
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Grundlagen der chemischen Nanotechnologie Die Nanotechnologie, d.h. die Miniaturisierung von Funktionalitäten auf größtmöglicher Oberfläche, ist ein Werkzeug zu diesen Entwicklungen. Ihre Einsatzgebiete sind außerordentlich vielfältig und umfassen nahezu alle industriellen Branchen von den Kosmetika, den Textilien und der medizinischen Diagnostik über die Chemie der Wirkstoffe und Katalysatoren, über die Mikroelektronik, Displays, optische Zellen und die Brennstoffzellen bis zu den für den Automobilbau relevanten Themen der kratzfesten Lacke und des Korrosionsschutzes. Viele dieser modernen Anwendungen der chemischen Nanotechnologie sind Oberflächenbeschichtungen, die bestimmte Eigenschaften über nanoskalige Phasen erhalten. Neben dem Einbau von Partikeln kann auch die Schichtdicke den Bezug zur Nanotechnologie darstellen. Prinzipiell unterscheidet man vier verschiedene Möglichkeiten: – Eine Schichtdicke im Bereich 1 bis 100 nm. Dies wird bei bestimmten Oberflächenmodifizierungen, wie z.B. für „Easy-to-Clean“-Effekte angewendet. – Beschichtungen, die während des Herstellungsprozesses „in-situ“ nanoskalige Cluster bilden, sogenannte Nanostrukturierungen, die nach der Härtung besondere Materialeigenschaften hervorrufen. – Beschichtungen, die durch nanoskalige Partikel gefüllt oder funktionalisiert sind. Die Beschichtungen selbst können dabei auch wesentlich höhere Schichtdicken aufweisen (z.B. Klarlackmodifizierung im Automobilbereich). – Beschichtungen, deren Oberflächenstrukturen im Nanometerbereich (< 100 nm) liegen. Allen gemeinsam ist, dass eine bestimmte Struktur mit nanoskaligen Abmessungen eine bestimmte Funktion birgt. Natürlich sind auch kombinierte Effekte möglich. Nanopulver bzw. Nanomaterialien werden meistens durch chemische Synthese aus molekularen Edukten hergestellt. Prinzipiell lassen sich alle Salze bzw. Oxide oder Polymere in nanoskaligen Strukturen abbilden. Dies macht im Einzelfall für den Lacktechniker natürlich nur dann Sinn, wenn sich besondere Eigenschaften aus dem nanoskaligen Maßstab ergeben. Prinzipiell kann man sich folgende Funktionalitäten zu Nutze machen:
Mechanische Funktionalität
Nanostrukturierte Festkörper weisen unter bestimmten Voraussetzungen eine deutlich verbesserte mechanische Funktionalität auf, wie z.B. eine höhere Härte, Bruchfestigkeit und -Zähigkeit, bei niedrigen Temperaturen oder Superelastizität bei hohen Temperaturen. Grundlage ist die Verkleinerung der Korngrößen in den Bereich unterhalb derer im Korn selbst keine plastischen Verformungsmechanismen mehr ablaufen können. Dies ist eine interessante Funktionalität für den Farben- und Lackbereich, da eine höhere Härte meistens die primäre Anforderung an die Nanotechnologie darstellt. Diesem Thema ist im weiteren Verlauf des Buches ein gesondertes Kapitel (Kapitel 7.1.12) gewidmet.
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Chemisch-technische Grundlagen
Geometrische Funktionalität
Durch die Größenordnung bedingt resultiert ein sehr großes Oberflächen zu Volumen-Verhältnis nanoporöser und nanopartikulärer Materialien. Dies ist insbesondere interessant für katalytische Anwendungen, für nanoporöse Membranen zur selektiven Filtration aber auch für Ladungstrennungen oder Adsorptionsprozesse. Eine Besonderheit von Oberflächen ist auch, dass Oberflächen mit entsprechenden Fehlstellen im Netzwerk energetisch höher liegen als die entsprechende Matrix. Folglich sind Nanopartikel immer reaktiver als entsprechende Mikropartikel, da dort die Oberfläche eine immer kleinere Rolle spielt.
Elektrische Funktionalität
Die Verkleinerung der Partikelgröße und der Schichtdicken im unteren Nanometer-Bereich führt zur Ausbildung zusätzlicher elektronischer Zustände. Ein Elektron kann nur diskrete durch Lücken getrennte einzelne Energieniveaus annehmen. Nanometergroße Partikel verhalten sich nicht wie Festkörper, sondern ähnlich wie Atome. Durch gezielte Beeinflussung der Struktur können sie hinsichtlich ihrer elektronischen und optischen Eigenschaften maßgeschneidert werden. Einen praktischen Nutzen dieses Effektes findet man in Elementen mit schaltbaren elektrischen Zuständen, optischen Schaltern, thermoelektrischen Materialien als Wärmetauscher oder, für den Lackchemiker interessant, zur Erzeugung leitfähiger oder antistatischer Oberflächen.
Magnetische Funktionalität
Die magnetische Funktionalität im Nanometer-Bereich beruht auf paramagnetischen und ferromagnetischen Eigenschaften von Festkörpern. So lassen sich die magnetischen Eigenschaften beeinflussen und Paramagnetismus tritt auf, der als Superparamagnetismus bezeichnet wird. Genutzt wird dieser Effekt z.B. bei schaltbaren Klebstoffen, aber auch bei der Krebstherapie.
Optische Funktionalitäten
Die optische Funktionalität beruht auf der deutlich geringeren Größe von Nanopartikeln gegenüber der Wellenlänge des sichtbaren Lichtes, so dass keine Reflexion und/ oder Streuung auftritt. Die Nanopartikel werden „unsichtbar“. Durch das Maßschneidern der Größe und bei Beachtung verschiedener Brechungsindices lassen sich gezielt Farben einstellen. Nanopartikel weisen neue optische Eigenschaften bezüglich Coloristik, Fluoreszenz oder Transparenz auf. Dies ist insbesondere interessant zur Nanomodifizierung von Klarlacken, aber auch bei Entspiegelungssystemen, zur optischen Analyse oder für die Informationsübertragung. Bestimmte Nanopartikel finden heute schon Anwendung zur Kennzeichnung von sensiblen Produkten, wie beispielsweise Geldscheinen.
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Grundlagen der chemischen Nanotechnologie
Chemische Funktionalitäten
Die chemische Funktionalität von Nanoobjekten beruht im Wesentlichen auf deren Oberflächenstruktur. Nanostrukturierte Materialien weisen einen besonders großen Anteil an Oberflächenatomen auf. Solche Atome sind aufgrund ihrer ungesättigten Verbindungen besonders reaktiv. Gitterspannungen, bzw. verzerrte Bindungswinkel, führen zu einer erheblich vergrößerten Oberflächenenergie. Nutzbar ist dies für Oberflächen mit maßgeschneidertem Benetzungsverhalten, zur räumlichen Anordnung von funktionellen Gruppen, zur Erhöhung der chemischen Selektivität und Reaktivität, aber auch der chemischen Stabilität in unterschiedlichen chemischen Verfahrensprozessen.
Biologische Funktionalitäten
Unter der biologischen Funktionalität nanoskaliger Materialien wird die Nutzung der Wechselwirkung mit komplexen biologischen Systemen, wie Zellen, Organismen oder Biomolekülen verstanden. Dabei werden biologische Bausteine als Komponenten für technische Systeme eingesetzt. Beispielsweise können Hormone, Geruchsstoffe, Enzyme oder andere biologisch wirksame Komponenten durch gezielte Ankopplung an Nanopartikel als Depot in Beschichtungssystemen neue Anwendungsgebiete im medizinischen Bereich ermöglichen.
5.3.2 Nanopartikel in Lacksystemen Die Funktionalitätsübersicht der Nanotechnologie zeigt die ganze Bandbreite an Möglichkeiten. Im Einzelfall tauchen bei der Verarbeitung von Nanopartikeln in Pulver- oder Suspensionsform sowie beim Einrühren in kommerzielle Lacksysteme einige Probleme auf. Man stellt beispielsweise fest, dass nur im Bereich von ca. 1 bis 3 % oder > 30 % Nanopartikel im Lacksystem eine detektierbare Veränderung der gewünschten Eigenschaften sichtbar wird, die dann aber bei der Herstellung und Anwendung der Lacksysteme zu Problemen führen. Es kommt zu Agglomerationen, Eintrübungen und, als größtes Problem bei hohen Gehalten, zu starken Versprödungen. Im besten Fall zeigt sich eine moderate Erhöhung der Kratzfestigkeit. Selbst wenn man feststellt, dass die Abriebbeständigkeit zunimmt, kommt es oft durch die zunehmende Versprödung zu einer Erniedrigung der Beständigkeit gegen Kratzer, wie beispielsweise bei der Mikrohärtemessung. In der Praxis zeigt sich: Es ist leider nicht ganz so einfach, diese kleinen reaktiven Partikel so gefügig zu machen, dass bei Zugabe der Nanopartikel in Lacksysteme tatsächlich auch die gewünschten Effekte auftreten. Eine Möglichkeit anorganische Festkörperchemie, organische Polymerchemie und chemische Nanotechnologie miteinander zu verknüpfen bieten die Silane. Man bezeichnet den Vorgang der Oberflächenmodifizierung mit Silanen auch als Silanisierung.
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Chemisch-technische Grundlagen In dem vorliegenden Kapitel wird über die Definition von Nanopartikeln eine Übersicht über die wichtigsten Herstellungsverfahren von Nanopartikeln, der Stabilisierung und der Möglichkeit der Verarbeitung gegeben. Von Nanopartikeln wird wie eingangs erklärt in einer allgemein gehaltenen Definition bei einer Partikelgröße unter 100 nm gesprochen. Die untere Grenze liegt im Bereich von 1 nm. Geht man weiter nach unten kommt man in den Größenbereich von Molekülen und Atomen. Nach einer schärferen Betrachtungsweise, die den Aspekt der Transparenz hervorhebt, sind Nanopartikel so klein, dass sie kein Licht mehr streuen, wenn sie in einer Matrix dispergiert vorliegen. Mit steigendem Brechungsindex müssen Partikel immer kleiner werden, um für Licht unsichtbar zu werden. Beispielsweise kann bei TiO2-Partikeln (nD = 2,6) in einer Polymermatrix (nD = 1,5) volle Transparenz erst bei Partikeldurchmessern unter 30 nm erwartet werden. Tatsächlich verschwinden letzte Streuschleier in Dispersionen sogar erst dann, wenn die Partikeln kleiner als 15 nm sind. Diese Definition ist zwar für einen Entwickler von transparenten Kratzfestbeschichtungen sinnvoll, derjenige der photokatalytisch aktive Nanopartikel in eine weiße Wandfarbe einbaut, den stört eine leichte Trübung, die durch Nanopartikel hervorgerufen werden würde, nicht. Es zählen nur der Effekt und die feine Verteilung. Nanopartikuläre Pulver zeichnen sich durch eine große Partikeloberfläche in der Größenordnung von 100 m2/g aus. Partikel mit 4 bis 5 nm Partikelgröße erreichen bis teilweise mehr als 500 m2/g Oberfläche. Bildlich kann man sich das so vorstellen: Legt man ein Gramm feinen Sand in seine Handfläche, so hat dieser etwa die Oberfläche eines kleinen, gut vorstellbaren Tisches (0,5 m2/g). Legt man sich ein Gramm eines 5 nm SiO2 Nanopartikels auf die Handfläche, so hat man in etwa die Oberfläche eines Fußballplatzes auf der Hand. Da hört die Vorstellungskraft dann langsam auf. Das Aussehen, das Gewicht und die Zusammensetzung sind in diesem Modellfall gleich, einzig die Partikelgröße ist unterschiedlich. Diese Nanopartikel bestehen sozusagen überwiegend aus Oberfläche. Katalytisch oder optisch wirksame Füller sind deshalb in ihrer Nanoform stets aktiver, da die entsprechenden Reaktionen an den Oberflächen stattfinden. Je nach Zusammensetzung oder Kristallitform der Nanopartikel kann man damit unterschiedliche Eigenschaften hervorrufen. Nano-TiO2 beispielsweise zeichnet sich in der Anatas-Modifikation durch erhöhte photokatalytische Wirkung aus, in der Rutil-Modifikation durch erhöhten UVSchutz, was man z.B. für den Sonnenschutz nutzt. Die Nanopulver und Nanodispersionen neigen ganz besonders zur Partikel-Aggregation. Dieser Effekt wird in einigen Materialien ausgenutzt. Das dichte Agglomerieren von Nanopartikeln beim Sintern verleiht modernen Keramiken und Metallen eine hohe Dichte und eine extreme Festigkeit. In Dispersionen und Kompositen, die transparent sein sollen oder in denen eine Gleichverteilung der Partikel für die gewünschte Funktion von Vorteil ist, stört die Partikel-Ag-
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Grundlagen der chemischen Nanotechnologie gregation. Aus diesem Grund ist eine Grundvoraussetzung zur Verarbeitbarkeit von Nanopartikeln in modernen Lacksystemen, dass eine Oberflächenmodifizierung die Partikel voneinander trennt (siehe Kap. 5.3.4). Zu den klassischen Nanopulvern zählen vor allem die Ruße und die pyrogenen Kieselsäuren (SiO2), wie beispielsweise die „Aerosile“. Dazu zählen auch verschiedene, meistens oxidische Pigmente (TiO2, Al2O3, ZrO2). Diese anorganischen Materialien werden intensiv weiterentwickelt. Mittlerweile gibt es eine große Auswahl unterschiedlichster Nanopulver zu kaufen. Insbesondere im asiatischen Markt ist ein reges Wachstum an Anbietern zu verzeichnen. In Europa und insbesondere in Deutschland liegt der Schwerpunkt der Forschung eher auf der Anwendung der Nanopulver, so dass der Geschäftsaustausch in beide Richtungen floriert. Kritisch für die Innovationen und besonders für den Einkauf großer Mengen an Nanosuspensionen sind die neuen Regularien nach der EU-Chemikalienverordnung REACH. Es ist immer noch unklar, welche Partikel in welcher Form angeboten werden. Deshalb ist das Wissen, wie man mit der chemischen Nanotechnologie sinnvoll umgeht, notwendig. Das vorliegende Buch möchte einen Beitrag dazu leisten. Die grundlegenden Prinzipien der Herstellung und Charakterisierung werden im nächsten Schritt erklärt, so dass man in der Lage ist, die Modifizierungen durch die Nanotechnologie auch entsprechend zu bewerten.
5.3.3 Herstellung von Nanopartikeln Bei der Herstellung von Nanopartikeln werden die gebräuchlichsten Methoden diskutiert [10]. Man unterscheidet in der Literatur nach Bottom-up- oder Top-down-Verfahren, nach Herstellung aus der festen Phase, der Gasphase oder der flüssigen Phase bzw. über mikrobiologische Techniken. Da die Top-down-Methoden meistens aufwendige Apparaturen erfordern, sind die aufbauenden Synthesen (Bottom-up) wesentlich weiterverbreitet. Beide Methoden können zu nanometergroßen Dimensionen in verschiedenem Ausmaß führen. Im Folgenden werden die wichtigsten Methoden zur Nanopartikelherstellung kurz erklärt.
5.3.3.1 Top-down: Kugelmahlen
Ein Weg zur Herstellung von Nanopartikeln wird über feste Phasen beschritten. Hier werden Mikropartikel durch starke Scherkräfte zu Nanopartikeln zerkleinert. Besonders geeignet sind dazu Kugelmühlen mit Mahlkörpern aus harten Keramiken wie Zirkondioxid. Die während des Zerkleinerungsprozesses entstehenden Flächen werden dabei durch Tenside stabilisiert. Insofern kann auch hier von einer Modifizierung der Nanopartikel gesprochen werden. Die Kugelmühle besteht aus einem geschlossenen Zylinder und dem Mahlmittel (Kugeln oder kurze Zylinder). Der Zylinder wird um die horizontale Achse gedreht.
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Chemisch-technische Grundlagen Die Pulverteilchen werden dabei sowohl am Mahlmittel als auch an der Wand zerschlagen (siehe Abbildung 5.15). Die Effizienz des Mahlprozesses hängt vom Verhältnis der Größe, dem spezifischen Gewicht und der Härte von Mahlgut und Mahlmittel ab. Schwere Mahlmittel sind effizienter. Ein Problem beim Kugelmahlen ist der Abrieb an der Wand und an den Mahlmitteln, der zu Verunreinigungen führt. Die Kugeln bestehen aus harten Materialien wie z.B. Stahl, Zirkondioxid oder Wolframcarbid. Zur Einarbeitung in Lacksysteme sind diese Produkte nicht so gut geeignet, da größtenteils agglomerierte Produkte resultieren. Eine verbreitete Methode zur Herstellung von Nanopartikeln ist deshalb die Abbildung 5.15: Schematische Darstellung einer Kugel Abscheidung aus der Gasphase. mühle
Abbildung 5.16: Schematische Darstellung der Inertgaskondensation (Inert Gas Condensation IGC) [11]
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Grundlagen der chemischen Nanotechnologie
5.3.3.2 Bottom-up: Herstellung aus der Gasphase
Die Herstellung von Nanopartikeln aus der Gasphase zählt man zu den physikalischen Herstellungsmethoden und wiederum zur Bottom-up-Strategie. Dabei werden die festen Edukte durch Energiezufuhr in die Gasphase überführt. Durch Kondensation entstehen die Nanopartikel. Dabei kommt es zu keiner chemischen Reaktion der Ausgangstoffe, sondern ausschließlich zu einer Umordnung, Änderung der Kristallitgröße und teilweise zu einer Phasenumwandlung. Die Edukte, wie Pulver oder Elektroden aus Gemischen der Edukte, werden durch Plasmen, Lichtbögen, Heizdrähte oder Elektronenstrahlen unter einem Schutzgas verdampft. Dieses Gasgemisch, bestehend aus dem Schutzgas und den Eduktdämpfen, wird schnell abgekühlt, so dass die Gasphase mit den Dämpfen der Ausgangsstoffe übersättigt ist. Jetzt ist es für die Edukte thermodynamisch günstiger zu kondensieren, das heißt, es kommt zur Keimbildung und Nanopartikel können entstehen. Für das Edukt mit der größeren Verdampfungsenthalpie, üblicherweise das Metall, ist die Nukleation besonders günstig, daher bildet dieses den Kern des beschichteten Nanopartikels. Zur Beschichtung und Stabilisierung wird oft ein zweiter Ausgangsstoff eingesetzt, z.B. Kohlenstoff, der sich danach als Schicht auf dem Kern festsetzt und diesen umhüllt. Je nach Prozess und nanopartikulärem Kern geschieht dies kristallin als Graphit oder in Form des amorphen Kohlenstoffs. Herstellen lassen sich mit diesen Verfahren neben Metallnanopartikeln (Au, Pt, Ag, …) und Legierungen, auch alle möglichen Seltenerdpartikel (z.B. Gd2C3, Ho2C3 usw.). Ein Sonderverfahren zur Herstellung von Nanopartikeln aus der Gasphase ist das „Aerosil“-Verfahren.
5.3.3.3 Bottom-up: „Aerosil“-Verfahren
Eine weit verbreitete Methode zur Herstellung von Nanopartikeln ist das sog. „Aerosil“-Verfahren [12]. „Aerosil“ gehört zur Familie der synthetischen Kieselsäuren und wird über die Flammenhydrolyse von Siliciumtetrachlorid hergestellt. Die Herstellungstemperaturen liegen zwischen 1000 °C und 2500 °C.
Abbildung 5.17: Schematische Darstellung der „Aerosil“-Flamme [12]
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Chemisch-technische Grundlagen Neben reiner Kieselsäure werden auch andere nanoskalige pyrogene Oxide, wie Aluminiumoxid, Titanoxid, Zirkonoxid und Mischoxide bzw. dotierte Materialien nach diesem Verfahren produziert. Für diese hydrophilen Produkte stehen Nachbehandlungsmethoden zur Verfügung, durch welche die Materialien z.B. auch hydrophobiert werden können. Die Struktur der pyrogen hergestellten Oxide ist in Abbildung 5.18 und 5.19 dargestellt. Es ist zwischen der Primärpartikelgröße, die im unteren Nanobereich liegt, der Aggregatgröße mit Werten deutlich über 100 nm und der Agglomeratgröße zu unterscheiden. Bei den Aggregaten handelt es sich um Zusammenbackungen von Primärpartikeln, welche über Sinterhälse miteinander verbunden sind. Die Agglomerate stellen lose Vergesellschaftungen aus Aggregaten dar. Verschiedene „Aerosil“-Typen unterscheiden sich bezüglich der Primärpartikelgrößen-Verteilung und der spezifischen Oberfläche. Die durchschnittliche Primärpartikelgröße schwankt zwischen 7 nm bei „Aerosil“ 300 bzw. 380 und 40 nm bei „Aerosil“ OX 50. Die spezifische Oberfläche beträgt für diese Produkte 300, 380 bzw. 50 m2/g. „Aerosil“ hat ein breites Anwendungsspektrum, z.B. zur Rheologiesteuerung in Siliconen, Farben, Lacken, Harzen etc. oder als Einsatz pyrogener Oxide als „Fließhilfsmittel“. Als Alltagsbeispiele sei die Verbesserung der Rieselfähigkeit von Zucker, Salz und Instant-Cappuccino genannt, aber auch von Löschpulver in Feuerlöschern oder im Ketchup zur Einstellung der Thixotropie [13-14]. Bedingt durch das Herstellungsverfahren erhält man durch das „Aerosil“-Verfahren keine fein verteilten Nanopartikel, sondern Agglomerate. Neben den Herstellungsmethoden von Nanopartikeln aus der Gasphase, eignen sich insbesondere die chemische Fällung und das Sol-Gel-Verfahren, um Nanopartikel in flüssiger Phase zu synthetisieren.
Abbildung 5.18: Struktur pyrogener, nach dem „Aerosil“-Verfahren hergestellter Oxide [12]
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Grundlagen der chemischen Nanotechnologie
5.3.3.4 Bottom-up: Chemische Fällung
Die Fällung von festen Materialien ist eine weit verbreitete Technik zur Herstellung von feinen Partikeln. Der Prozess wird im Allgemeinen in wässrigen oder in nichtwässrigen Lösungen durchgeführt, welche die gelösten Metallsalze enthalten. Durch Zugabe von Reduktionsmitteln entstehen viele Keime, deren Wachstum hauptsächlich durch die Diffusion kontrolliert wird. Zur Herstellung von monodispersen Nanoteilchen spielen die Konzentration der Reagenzien sowie die Temperatur eine wichtige Rolle. Die Partikelgröße und die Partikelgrößenverteilung können durch Variation der Bedingungen (u.a. Temperatur und pH-Wert) gesteuert werden. Eine schematische Darstellung einer Fällung ist in AbAbbildung 5.19: TEM-Aufnahme von „Aerosil“ 200 [12] bildung 5.20 zu sehen.
Abbildung 5.20: Durch kontrollierte Fällung im basischen pH-Bereich können auch Ferrofluide (magnetische Flüssigkeiten) synthetisiert werden
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Chemisch-technische Grundlagen Die Nanopartikel weisen eine sehr große, aktive Oberfläche auf, die aber auch eine sehr große freie Oberflächenenergie besitzt. Diese muss unbedingt stabilisiert werden, damit eine Agglomeration vermieden wird. Über chemische Fällung können Verbindungen, wie unlösliche Salze oder Oxide und Metalle, mit den unterschiedlichsten Formen wie z.B. Nanoprismen, Nanowürfel, Nanostäbchen, Nanodrähte usw., erzeugt werden. Eine weitere Möglichkeit zur Herstellung aus der flüssigen Phase bietet der Stöber-Prozess.
5.3.3.5 Bottom-up: Stöber-Prozess
Im Stöber-Prozess [15] werden flüssige oder feste aliphatische Orthoester, z.B. Kieselsäure (OrthoSilikate, Si(OR)4), aus z.B. Tetramethoxysilan (TMOS), das als Precursor dient, mit wässrigem Ammoniak als Katalysator und Stabilisator in alkoholischer Lösung hydrolysiert und kondensiert. Ammoniak (NH3) komplexiert die entstehenden Partikel, wodurch das Partikelwachstum gebremst wird. Dadurch werden die Schritte der Nukleation und des Wachstums der Partikel voneinander getrennt, weshalb alle Partikel ungefähr gleich schnell auf fast gleiche Größen wachsen [16]. Einheitlich sphärisches Silica mit verschiedenen Durchmessern (0,2 bis 1,2 μm) kann über die Hydrolyse von Tetramethoxysilan (TMOS) in der Gegenwart von Wasser und Ammoniumhydroxid in einem alkoholischen Medium synthetisiert werden. Dabei hängt die Größe des sphärischen Silicas von den Anfangskonzentrationen des Wassers und Ammoniaks, sowie des TMOS und Alkohols ab. Partikelgrößen ab einem Micrometer können über sukzessives Zugeben der einzelnen Reaktanten erreicht werden. Wichtige Parameter sind hierbei auch der pH-Wert und die Temperatur, die ebenfalls Einwirkungen auf die Quervernetzung und damit auch auf die Größe der entstehenden Partikel haben.
Abbildung 5.21: Stöber-Prozess zur Herstellung monodisperser SiO2-Partikel aus einem Tetramethoxysilan (TMOS) durch ammoniakalische Hydrolyse und Kondensation
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Grundlagen der chemischen Nanotechnologie Zuerst werden Wasser, Ammoniak und der Alkohol auf 40 bis 45 °C erhitzt, danach wird TMOS zugegeben. Bei Silica mit größeren Durchmessern wird eine 2-Schritt-Reaktion durchgeführt. Eine Anfangsmenge von TMOS wird mit Alkohol, Wasser und Ammoniak vermischt. Nach einer halben Stunde Reaktionszeit unter mildem Rühren bei 40 °C wird die restliche Menge an TMOS hinzugegeben. Experimentell wurde festgestellt, dass der Stöber-Prozess (Modell in Abbildung 5.21) in folgender Weise beeinflusst werden kann [17]: – Rest R: Die Hydrolyse verlangsamt sich mit zunehmender Kettenlänge der Abgangsgruppe, d.h. von R = Methyl bis R = Pentyl, wodurch das Partikelwachstum gefördert wird. – Rest R: Die SiO2-Kugeln wachsen von R = Methyl bis R = Pentyl von Durchmessern unter 100 nm bis über 1 μm, d.h. mit zunehmender Kettenlänge der Abgangsgruppe nimmt die Partikelgröße zu. – H2O-Gehalt: Bei geringem Wasserüberschuss entstehen kleine Partikel, bei hohem Überschuss wird ein Maximum der Kugelgröße durchschritten. – NH3-Gehalt: Mehr Ammoniak führt stetig zu größeren Kugeln, so dass das Maximum bei der Sättigungskonzentration erreicht wird. – Temperatur: Erhitzen des SiO2-Sols begünstigt den Gelprozess. Extrem feinteiliges nano-SiO2 entsteht, wenn mit sehr wenig Ammoniak und Wasser gearbeitet wird. Der Stöber-Prozess wird von den Reaktionsstufen der Hydrolyse und der Kondensation getragen. Wenn die Hydrolyse viel schneller läuft als die Kondensation (νhyd >> νcond), sind beide Prozesse klar voneinander getrennt. Die Säure baut sich in hoher Konzentration auf und bildet viele Keime, die nicht oder kaum wachsen. Im umgekehrten Fall bleibt die Säurekonzentration gering, und es bilden sich wenige Keime, die dann zu großen Partikeln wachsen. Allgemein ist festzustellen, dass die alkalische Hydrolyse eher zu kompakten, großen Partikeln führt (wie beim Stöber-Prozess), während die schnellere saure Hydrolyse, die allerdings schwerer zu beherrschen ist, zu Nanopartikeln führt, die zum fraktalen Aggregieren neigen. SiO2-Sole haben inzwischen sehr verschiedene Anwendungen gefunden. Unmodifizierte Systeme werden zum Polieren, als Brandschutzmaterialien (z.B. für Holz) oder als Additive in Wasserlacken eingesetzt. Beim Stöber Prozess, einem Abbildung 5.22: REM-Aufnahme von sphärischen Sol-Gel-Prozess (siehe Kap. 5.6) Siliciumdioxid-Partikeln
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Chemisch-technische Grundlagen werden Metallchloride oder -alkoxide hydrolysiert, wobei die Produkte zu Nanopartikeln kondensieren. Nochmal zur Unterscheidung: Bei der chemischen Fällung werden aus gelösten Metallsalzen durch ein abruptes Ändern des pH-Wertes, meistens durch Zugabe einer starken Base, die schwerlöslichen Metalloxide oder -hydroxide ausgefällt. Beide Reaktionen können auch in den Mizellen einer Emulsion stattfinden, dann wird vom Mikroemulsionsverfahren gesprochen.
5.3.3.6 Bottom-up: Mikroemulsionsverfahren
Bei diesem Verfahren werden Fällungs- oder Sol-Gel-Reaktionen in Emulsionstropfen anstatt in einer einphasigen Lösung durchgeführt. Zur Herstellung von Nanopartikeln werden die einzelnen Emulsionstropfen auch als „Nanoreaktor“ bezeichnet. Der Vorteil beim Mikroemulsionsverfahren gegenüber der einphasigen Reaktion ist, dass für die jeweilige Reaktion nur eine begrenzte Menge an Wasser, nämlich das in der Mizelle, zur Verfügung steht, wodurch sich die Reaktion leichter steuern lässt. Die Nanoreaktoren können dabei Öltropfen in Wasser, und auch Wassertropfen in Öl sein (inverse Mizellen), wie in Abbildung 5.23 schematisch dargestellt.
Abbildung 5.23: Schema eines Mikroemulsionsverfahrens
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Grundlagen der chemischen Nanotechnologie Beim Mikroemulsionsverfahren befinden sich die Reaktanten in den Emulsionstropfen. Durch einen äußeren Einfluss, wie beispielsweise der Änderung des pH-Wertes, Durchströmen von Gasen (z.B. NH3) usw. initiiert man eine Reaktion in den Emulsionströpfchen. Die dadurch entstehenden Partikel können je nach Salzkonzentration im Tropfen unterschiedliche Größen annehmen (Nano bis sub μm). Neben den vorgestellten Verfahren zum Herstellen von Nanopartikeln gibt es noch eine Reihe weiterer Möglichkeiten, die hier im Rahmen dieses Buches nicht weiter vertieft wird. Grundsätzlich ist nach der Herstellung der Nanopartikel eine Stabilisierung gegen Agglomeration notwendig. Diese kann durch geeignete Oberflächenmodifizierungen verhindert werden.
5.3.4 Oberflächenmodifizierung von Nanopartikeln Um Metalloxidpartikel homogen in Bindemittel einzubauen, ist eine möglichst agglomeratfreie Stabilisierung notwendig, z.B. in Form einer stabilen Suspension. Unter einer stabilen Suspension versteht man ein System aus einer festen und einer flüssigen Phase, wobei die feste Phase aus einzelnen Partikeln besteht, die Brownsche Molekularbewegungen durchführen und diesen Zustand unverändert beibehalten [18]. Dafür müssen die einzelnen Partikel vor einer Agglomeration geschützt werden.
5.3.4.1 Stabilisierung von Nanopartikeln
An Ionengittern und Gittern aus kovalent verknüpften Raumnetzen sind die an der Oberfläche liegenden Atome koordinativ ungesättigt, sie besitzen „freie Valenzen“. Dadurch können strukturfremde Atome, Atomgruppen oder Ionen relativ festgebunden werden (Chemisorption) [19]. Somit sind wirklich „saubere“ Oberflächen selten, da durch die Atmosphäre reaktionsfähige Partner, insbesondere Sauerstoff und Wasser angeboten werden. Viele Stoffe sind daher unter normalen Bedingungen von Oberflächenoxiden oder -hydroxiden sowie einer oder mehreren H2O-Lagen bedeckt [20]. Durch diese Belegung wird der Charakter der Oberfläche entscheidend beeinflusst. Diese Reaktivität nutzt man, um nach Entstehung der Nanopartikel geeignete oberflächenaktive Verbindungen anzukoppeln, so dass eine Agglomeration der Teilchen verhindert wird. Als oberflächenaktive Verbindungen werden unter anderem Carbonsäuren, Alkoxysilane, Phosphate oder Sulfonate verwendet. Die Suspensionsstabilisierung (siehe Abbildung 5.24) kann sterisch, elektrostatisch oder elektrosterisch erfolgen [21]. Bei der elektrostatischen Stabilisierung a) in Abbildung 5.24 werden Ionen auf der Partikeloberfläche adsorbiert. Die Agglomeration und Ausflockung der Partikel werden durch die abstoßenden Coulombschen Kräfte zwischen gleich geladenen Teilchen unterdrückt. Diese Möglichkeit der Stabilisierung spielt nur in wässrigen Systemen eine Rolle.
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Chemisch-technische Grundlagen In organischen Lösemitteln dominiert die sterische Stabilisierung b), wobei zur Abschirmung von Partikeln im μm-Bereich ungeladene polymere Moleküle auf der Partikeloberfläche adsorbiert oder angebunden werden. Die so modifizierten Partikel sind in organischen Lösemitteln gut dispergierbar und unabhängig von der Ionenstärke bzw. Ladung der vorhandenen Ladungsträger [22]. Mit abnehmender Partikelgröße nimmt das Volumenverhältnis von polymerer Adsorberschicht und Teilchen stark zu. Folglich führt die Stabilisierung von nanoskaligen Partikeln mit polymeren Stabilisierungsagenzien zu hohen relativen Durchmessern, so dass Suspensionen mit nur geringen Feststoffgehalten herstellbar sind. Für nanoskalige Partikel werden aus diesem Grund kurzkettige Carbonsäuren (z.B. Essigsäure, Propionsäure) verwendet [23]. Die elektrosterische Stabilisierung c) stellt eine Kombination aus den beiden vorab genannten Methoden dar. Die Partikel werden mit geladenen Molekülen belegt und ermöglichen damit eine räumliche und sterische Abschirmung. Vorteil dieser Methode ist, dass der isoelektrische Punkt (der pH-Wert, an dem das Zetapotenzial Null ist; pHiep) über die Anbindung von geladenen Molekülen an der Partikeloberfläche variiert werden kann [24]. Der isoelektrische Punkt kann experimentell durch Messung des Zetapotenzials bestimmt werden. Durch Bewegung der Teilchen beim Anlegen eines elektrischen Feldes wird ein
Abbildung 5.24: Stabilisierungsmechanismen: a) elektrostatisch, b) sterisch, c) elektrosterisch
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Grundlagen der chemischen Nanotechnologie Teil der ausgebildeten Doppelschicht deformiert und es entsteht an der Gleitebene eine Potenzialdifferenz, die sich als Zetapotenzial bestimmen lässt. Das Zetapotenzial ist ein Maß für die Oberflächenladung eines Teilchens in Lösung und bedingt weitgehend dessen kolloidchemisches Verhalten. Die Höhe des Zetapotenzials ist für die Stabilität einer elektrostatisch stabilisierten Suspension ein entscheidendes Kriterium. Bei einem zu niedrigen Zetapotenzial kommt es zur Flockung, d.h. es tritt Agglomeration zwischen den Partikeln ein. Hohe Zetapotenziale hingegen wirken stabilisierend gegen Agglomeration. Die Höhe des Zetapotenzials wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Dazu gehören u.a. der pH-Wert, die Ionenkonzentration der Lösung und die Art der oberflächenaktiven Substanzen. Zur Bestimmung der Oberflächeneigenschaften von Pulvern bzw. zum Nachweis der Oberflächenmodifizierung und zur Beurteilung der Stabilität einer Suspension ist die Messung des Zetapotenzials eine wichtige Größe zur Charakterisierung [25]. Die Stabilität einer Suspension ist von den verschiedensten Parametern abhängig, sowohl in Bezug auf das verwendete Pulver (Art, Größe, Oberfläche, Anzahl der Oberflächen-OH-Gruppen), als auch auf das verwendete Dispergierhilfsmittel zum Beschichten der Pulver (chemische Struktur, reaktive Gruppen, Molekülgröße, Konzentration). Weiteren Einfluss auf die Reaktion haben die chemische Umgebung (Lösemittel, pH-Wert der Lösung) der Reaktanten sowie die physikalischen Parameter (Temperatur, Reversibilität des Beschichtungsprozesses) der Reaktion. Als Suspensionen gibt es eine Vielfalt unterschiedlicher Kieselsole, Nano-Al2O3, ZrO2, TiO2, aber auch Nanopartikelsuspensionen von anderen Nebengruppenmetallen, wie Y2O3, CeO2 oder ZnO. An der Vielfalt der verschiedenen Nanopartikel sieht man auch die Vielfalt der Anwendungsbereiche. Prinzipiell lassen sich nahezu alle festen Verbindungen als Nanopartikel herstellen, wählt man die geeignete Methode und Stabilisierung. Ein Sonderfall der Partikelstabilisierung bildet die Belegung mit Silanen.
5.3.4.2 Silanisierung
Zur festen Anbindung von Nanopartikeln, insbesondere in organische Polymernetzwerke eignen sich insbesondere Silane, die über Siloxanbrücken kovalent an den Oberflächen der hergestellten Nanopartikel anbinden können. Die Silane reagieren im Allgemeinen mit einer Hydroxylgruppe auf der Oberfläche der Nanopartikel. Dabei wird die Oberfläche unter Wasser- oder Alkoholabspaltung verestert. Durch das andere Ende des Silanes werden die Oberflächeneigenschaften des Nanopartikels eingestellt. Ein Alkylrest sorgt beispielsweise für die Dispergierbarkeit in einem unpolaren Lösemittel. Für wässrige Dispersionen eignen sich geladene Reste oder Säuregruppen. Durch Ladungen an den Enden und durch die räumliche Ausdehnung der Silane wird auch eine Agglomeration der Nanopartikel verhindert. Insbesondere zur Einarbeitung von Nanopartikeln in bestimmte organische Harze oder zur festen Einpolymerisation in Kunststoffe oder Lacke, werden üblicherweise der Matrix ver-
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Chemisch-technische Grundlagen wandte Oberflächenmodifikatoren eingesetzt, wie beispielsweise Epoxysilan für Epoxyharze oder Methacrylsilan für die Einbindung in UV-härtende Formulierungen. Bevor es zu Effekten und Anwendungen verschiedener Nanopartikel kommt, stellt sich die Frage, wie man nachweist, dass Nanopartikel vorliegen und darüberhinaus welche Zusammensetzung diese haben.
5.3.5 Charakterisierung von Nanopartikeln Nanopartikeln lassen sich mit den unterschiedlichsten Methoden, z.B. Rastersondenverfahren wie Rastertunnelmikroskopie, Rasterkraftmikroskopie und optische Nahfeldmikroskopie charakterisieren. Weitere Möglichkeit sind Messverfahren, die entweder ergänzend zu Rastersondenverfahren eingesetzt werden können oder die auf einer ähnlichen Längenskala wie Rastersondenmethoden arbeiten. Zu diesen Methoden gehören u.a. die hochaufgelöste Photoelektronenspektroskopie und Elektronenmikroskopie sowie Sekundärionen-Massenspektrometrie und Ionensondentechniken. Neben topografischen Fragestellungen (Abmessungen, Rauigkeiten) stehen vor allem auch Fragen nach der chemischen Zusammensetzung von Teilchen und Oberflächen und ihren mechanischen, elektronischen und magnetischen Eigenschaften im Raum. Die wichtigsten Analyseverfahren werden nachfolgend kurz erklärt.
5.3.5.1 Transmissionselektronenmikroskopie (TEM)
Bei der hochauflösenden Transmissionselektronenmikroskopie (Transmission Electron Microscopy, TEM) wird die Probe von einem Elektronenstrahl durchstrahlt. Für die Darstellung werden die Elektronen genutzt, die durch die Probe hindurchgelangt sind. Daher muss die Probe sehr dünn und die Energie des Elektronenstrahls sehr hoch sein. Bei der Untersuchung von Nanopartikeln werden diese dispergiert und auf einem speziellen Träger verteilt. Dadurch liegen die Nanopartikel fein verteilt vor und können einzeln betrachtet werden. Mit Hilfe der hochauflösenden Transmissionselektronenmikroskopie können die Strukturen der Nanopartikel abgebildet werden. Insbesondere können die Netzebenen eines kristallinen Kerns von dem irAbbildung 5.25: Schematische Darstellung der Anbindung nanoskaliger Metalloxide an Silane regulären Netzwerk einer amorphen
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Grundlagen der chemischen Nanotechnologie Schicht unterschieden werden, da durch die regelmäßige Anordnung der Atome in den Netzebenen Interferenzmuster des gebeugten Strahls mit dem Primärstrahl entstehen. Im Gegensatz dazu liefert eine amorphe Schicht einen gleichmäßigen Absorptionskontrast.
5.3.5.2 EDX-Analyse
Ergänzend zum TEM wird oft eine EDX-Analyse (Energy Dispersive X-ray Analysis) durchgeführt. EDX ist ein klassisches Verfahren, das zur Analyse der oberflächennahen Bereiche von Festkörpern oder zur Charakterisierung von dünnen Schichten eingesetzt wird. Die Informationstiefe des Verfahrens (μm) liegt dabei wesentlich höher als bei den elektronen- und massenspektrometrischen Verfahren (nm). Bei dem EDX-Verfahren emittiert die zu untersuchende Probe, welche mit energiereichen Primärelektronen bestrahlt wird, charakteristische Röntgenstrahlung. Die Primärelektronen stoßen Elektronen aus kernnahen Schalen der Probenatome heraus. In die entstan: Goldpartikel mit einzelnen Atomdenen Lücken fallen Elektronen aus Abbildung 5.26 ebenen [26] weiter vom Atomkern entfernt liegenden Elektronenschalen. Die Energiedifferenz zwischen den beiden hierbei beteiligten Elektronenschalen kann als Konkurrenzprozess zur Augerionisation auch Röntgenstrahlung emittiert werden und ist für jedes Element charakteristisch. Neben der charakteristischen Röntgenstrahlung wird eine Bremsstrahlung erzeugt, die im Impuls-Energiediagramm das „Grundrauschen“ bildet. Sie entsteht durch den Energieverlust, den Primärelektronen durch Wechselwirkung mit den Atomhüllen erfah- Abbildung 5.27: Anregung der charakteristischen Röntgenstrahlung [27] ren: sie werden „abgebremst“.
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Chemisch-technische Grundlagen [Die
Anregung der charakteristischen Röntgenstrahlung erfolgt dadurch, dass ein Elektron des Primärelektronenstrahls ein Elektron des angeregten Atoms aus seiner Position schlägt. Das Elektron nimmt dessen Platz ein und fällt dabei auf ein niedrigeres Energieniveau. Die Energiedifferenz wird als Röntgenquant (Photon) abgegeben. Die Auswertung der im Röntgenspektrum enthaltenen Spektrallinien erlaubt es, die Elementzusammensetzung der Probe zu identifizieren und über die Intensität auch zu quantifizieren. Hierzu wird die Röntgenstrahlung hinsichtlich ihrer Energie analysiert und die jeweilige Intensität der Spektrallinien gemessen. Durch die Rasterung eines fein fokussierten Primärelektronenstrahls kann die Elementverteilung auf der Probenoberfläche mit hoher Ortsauflösung abgebildet werden.
5.3.5.3 Röntgendiffraktometrie (XRD)
Mit Hilfe der Röntgendiffraktometrie (X-Ray Diffraction) werden kristalline Phasen qualitativ bestimmt. Weiterhin kann bei kristallinen Nanopartikeln die Korngröße aus der Breite der Reflexe des Diffraktogramms ermittelt werden. Da die Wellenlänge der Röntgenstrahlung in der gleichen Größenordnung liegt wie die Abstände der Netzebenen in einem Kristall, kommt es bei der Streuung der Röntgenstrahlen an den Atomkernen zur Interferenz. Diese Interferenz ist bei konstanter Wellenlänge der Röntgenstrahlung je nach Einfallswinkel und Netzebenenabstand konstruktiv oder auslöschend. Bei konstruktiver Interferenz (Beugung) steigt die Intensität der gestreuten Röntgenstrahlung stark an, im Diffraktogramm ist bei einem bestimmten Winkel ein Reflex erkennbar. Treffen Röntgenstrahlen auf einen Kristall, so können die von den einzelnen Atomen ausgehenden Streuwellen konstruktiv interferieren, wenn die Streuung nach Abbildung 5.28 an einer Schar von Netzebenen (oder Gitterebenen) erfolgt [28]. Bedingung für konstruktive Interferenz sind jeweils ein gleicher Winkel zwischen den streuenden Ebenen und dem einfallenden und gestreuten Röntgenstrahl, definiert als Braggwinkel ϑ, sowie die Gültigkeit der Bragg-Gleichung (Gleichung 5.2). Gleichung 5.2:
2dhlksinϑ = n λ
dhlk Netzebenenabstand in nm ϑ Beugungswinkel n Beugungsordnung λ Wellenlänge der verwendeten Röntgenstahlung in nm Abbildung 5.28: Bragg-Streuung an einer Netzebenen schar [28]
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Weil die Netzebenenabstände für die jeweilige kristalline Phase spezi-
Grundlagen der chemischen Nanotechnologie fisch sind, lässt sich über das Diffraktogramm die kristalline Phase eines Stoffs bestimmen. Dazu wird das Diffraktogramm mit den Werten aus der Diffraktogramm-Datenbank ICDD verglichen [29]. Zur Bestimmung der Korngrößen wird ein anderer Effekt genutzt. Bei nanokristallinen Partikeln ist der Übergang zwischen auslöschender Interferenz und Beugung deutlich unschärfer als bei mikrokristallinen Proben, da sehr viel weniger Netzebenen zur Beugung beitragen. Dadurch kommt es bei kristallinen Nanopartikeln zu einer Reflexverbreiterung. Diese ist umso größer je kleiner die Körner sind. Mit Hilfe der Scherrer-Gleichung lässt sich die Korngröße aus der Halbwertsbreite eines Reflexes ermitteln, wenn Mikrospannungen und instrumentelle Verbreiterungen vernachlässigt werden. Die Formel ist bis zu einer Korngröße von maximal 150 nm verwendbar. Gleichung 5.3:
dk λ β Θ Κ
mittlerer Kristallitdurchmesser in nm Wellenlänge der verwendeten Röntgenstrahlung in nm Halbwertsbreiten des ausgemessenen Reflexes (2 Θ) Position des ausgemessen Reflexes (2 Θ) Konstante (Formfaktor), deren Wert wegen der Annahme kugelförmiger Kristallite mit 1,0 angenommen wurde
Durch diese Formel lässt sich ausschließlich die Größe kristalliner Partikel, also die Korngröße, ermitteln. Die Größe von amorphen Partikeln, Agglomeraten kristalliner Partikel oder von kristallinen Partikeln mit einer amorphen Schicht, wie zum Beispiel polymerbeschichtete Nanopartikel, kann mit dieser Methode nicht bestimmt werden. Die Größe solcher Partikel wird auch als Teilchengröße bezeichnet.
5.3.5.4 BET-Oberflächenbestimmung
Bei der Stickstoffadsorption (BET) wird das Ad- und Desorptionsverhalten eines Gases auf der Probe in Abhängigkeit des Drucks bestimmt. Dabei bleibt die Temperatur konstant, es werden Adsorptions- und Desorptionsisothermen gemessen. Üblicherweise ist das adsorbierte Gas Stickstoff, welches auch Adsorbat genannt wird. Die Messung findet unter Kühlung durch flüssigen Stickstoff bei 77 K statt. Bei Adsorptionsprozessen hängt die Belegung der Substratoberfläche von dem Druck der Adsorbatmoleküle in der Gasphase ab, da zwischen den Molekülen auf dem Substrat und in der Gasphase ein Gleichgewicht herrscht. Nachdem sich bei langsamer Erhöhung des Stickstoff-Partialdrucks auf der Probe eine Monolage aus Adsorbatmolekülen gebildet hat, kommt es zu einer Bele-
83
Chemisch-technische Grundlagen gung mit Multilagen, wobei adsorbierte Moleküle wieder als Substrat fungieren. Die Druckabhängigkeit der Belegung der Probenoberfläche wird durch die Adsorptionsisothermen charakterisiert. Sie werden ermittelt, indem der Probe Punkt für Punkt bekannte Mengen an Gas zugeführt werden und der Gleichgewichtsdruck bestimmt wird. Die Desorptionsisothermen werden dadurch bestimmt, dass der Druck im Probenraum verringert wird, und die dadurch freiwerdende Gasmenge gemessen wird. Je nach Druckbereich, in dem die Adsorption bestimmt wird, können unterschiedliche Informationen erhalten werden. Mit Hilfe der Adsorptionsisotherme (nach Brunauer, Emmet, Teller, BET) in einem bestimmten Druckbereich kann die spezifische, offene Oberfläche von Partikeln, Presslingen und gesinterten Werkstücken bestimmt werden [31]. In diesem Druckbereich, üblicherweise bei einem relativen Druck von 0,05 bis 0,30 verläuft die Isotherme linear, da nur eine Monolage von Molekülen auf der Probe adsorbiert. Bei Pulvern kann unter Annahme von gleichen Partikelgrößen und nicht vorhandener Agglomeration die Partikelgröße bestimmt werden. Nimmt man für die Teilchen eine kugelförmige Gestalt und Monodispersität an, lässt sich die Partikelgröße mit Gleichung 5.4 abschätzen. Gleichung 5.4:
dT mittlerer Teilchendurchmesser ρ Dichte der Probe S spezifische Oberfläche der Probe
Abbildung 5.30: Versuchsanordnung für die Photonenkorrelationsspektroskopie (PCS)
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Durch den Verlauf der Adsorptionsisothermen und die Form der Hysterese zwischen der Ad- und Desorptionsisotherme lassen sich Aussagen über die Art, Form und Größe der Poren in der untersuchten Probe treffen. Das Ende der Adsorptionsisothermen ist erreicht, wenn die Poren mit flüssigem Adsorbat vollständig gefüllt sind. Das gesamte Porenvolumen lässt sich anhand der gesamten zugeführten Adsorbatmenge ableiten. Die Porengrößenverteilung wird je nach Form der Hysterese an der Ad- oder Desorptionsisotherme bestimmt.
Grundlagen der chemischen Nanotechnologie
5.3.5.5 Photonenkorrelationsspektroskopie (PCS)
Die Photonenkorrelationsspektroskopie (PCS) oder Dynamische Lichtstreuung (DLS) bzw. Quasielastische Lichtstreuung (QELS) ist eine Methode zur optischen Bestimmung von Partikelgrößen im Bereich von ca. 1 bis 1000 nm. Die Verbreitung der PCS ist vor allem auf die schnelle und einfache Durchführbarkeit der Messung zurückzuführen. Abbildung 5.30 zeigt eine typische PCS-Versuchsanordnung. Bei dieser Versuchsanordnung wird die untersuchte Dispersion mit kohärentem monochromatischem Licht bestrahlt (z.B. He-Ne-Laser mit l0=633 nm). Die Intensität des Streulichts (Rayleigh-Streuung) wird unter einem bestimmten Winkel α (45°≤ α ≤ 150°) mit einem Photomultiplier zeitabhängig gemessen. Da sich die Partikel in einer kontinuierlichen brownschen Bewegung befinden, unterliegt das von ihnen gestreute Licht einer zeitlichen Fluktuation. Aus dieser zeitlichen Intensitätsänderung erhält man bei der PCS die Information über die Bewegung der Partikel. Mit der PCS wird also primär der Diffusionskoeffizient der Partikel bestimmt. Die Partikelgröße muss erst aus dem Diffusionskoeffizient D abgeleitet werden. Für diesen Zusammenhang besteht keine allgemeingültige mathematische Beziehung. Oftmals wird für die Auswertung die Stokes-Einstein-Gleichung zugrunde gelegt. Die PCS ist eine sehr verbreitete Methode und durch die Schnelle der Durchführbarkeit auch für Reihenuntersuchungen geeignet.
5.3.5.6 Röntgenkleinwinkelstreuung (SAXS)
Als weitere Methode zur Bestimmung von nanopartikulären Strukturen dient die Röntgenkleinwinkelstreuung (Small Angle X-ray Scattering, SAXS). Bei dieser Methode wird die Probe mit
Abbildung 5.31: SAXS-Kurve für eine verdünnte Polymerlösung. Aufgetragen sind der Logarithmus der Streuintensität I (beliebige Einheiten) gegen den Logarithmus des Streuvektors q.
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Chemisch-technische Grundlagen monoenergetischen Photonen (Röntgenstrahlung) durchstrahlt und die Intensität der Streustrahlung in Abhängigkeit vom Streuwinkel Θ gemessen. Die Streuintensität ist sowohl von der Konzentration der streuenden Strukturen als auch vom Kontrast zwischen „fester“ Phase und Matrix (bedingt durch Unterschied in der Elektronendichte) abhängig. Abbildung 5.31 zeigt eine schematische Streukurve für eine typische verdünnte Polymerlösung [32]. Diese Streukurve kann sinnvollerweise in vier Bereiche unterteilt werden. – Bei großen Streuwinkeln (q »1 nm-1) werden Strukturen in der Größenordnung chemischer Bindungslängen (a » 0,1 nm) detektiert. Dies ist der Bereich der Röntgenweitwinkelstreuung, in dem das Braggsche Gesetz gilt. – In kristallinen Systemen werden hier scharfe Peaks erwartet, aus denen Gitterkonstanten berechnet werden können. – Im Grenzbereich für sehr kleine Winkel (q>>1), dessen Größenmaßstab Strukturen entspricht, die sehr viel größer als die zu messenden Inhomogenitäten sind, wird eine konstante Streuintensität gemessen. – Von Bedeutung für amorphe Systeme, wie beispielsweise SiO2 ist der Guinier-Bereich, aus dem der Gyrationsradius Rg von Makromolekülen abgeleitet werden kann, sowie der Porod-Bereich, aus dem man Informationen über die Form und Oberflächenbeschaffenheit der Partikel erhält. Die wichtigsten Methoden zur Bestimmung von Größe, Form und Zusammensetzung sind hiermit grundlegend erklärt. Über jede dieser Methode und auch über noch viele andere Methoden, die zur Analyse von nanopartikulären Strukturen verwendet werden gibt es jeweils ausreichend Fachliteratur und soll in diesem Buch nicht weiter thematisiert werden. Für den Lackchemiker ist zusammenfassend zu erkennen: – Man kann fast alle Partikel, seien es Metalle, Oxide, Salze oder auch Legierungen, nanoskalig herstellen. – Für die Eigensynthese eignen sich die Methoden über die flüssige Phase (Fällungs-, SolGel-, oder Mikroemulsionsverfahren). – Die gebräuchlichen kommerziellen Nanopartikel kann man als Suspension oder in Pulverform kaufen. In den vorherigen Kapiteln wurde die Herstellung, Stabilisierung und Charakterisierung von Nanopartikeln beschrieben. Im weiteren Verlauf soll nun auf die gängigen Einsatzmöglichkeiten von Nanopartikeln eingegangen werden.
5.3.6 Nanopartikel für Beschichtungsmaterialien Synthetische Nanopartikel sind künstlich hergestellte Teilchen, die gezielt mit neuen Eigenschaften und/oder Funktionalitäten ausgestattet sind, wie z.B. elektrische Leitfähigkeit, chemische Reaktivität. Synthetische Nanopartikel können entsprechend ihrer chemi-
86
Grundlagen der chemischen Nanotechnologie schen und physikalischen Eigenschaften untergliedert werden. In der Forschung und Anwendung weit verbreitete Gruppen sind: – Metall- und Halbmetall-Oxide (Siliciumdioxid (SiO2), Titandioxid (TiO2), Aluminiumoxid (Al2O3), Eisenoxide (Fe2O3 oder Fe3O4), Zinkoxid (ZnO) sowie Zeolithe und weitere) – Halbleiter (Cadmiumtellurid (CdTe), Cadmiumselenid (CdSe), Silicium) – Metalle (Gold (Au), Silber (Ag), Eisen (Fe)) – Metallsulfide (Kupfersulfid (CuS), Zinksulfid (ZnS)) – Polymere wie Dendrimere und Blockcopolymere – Kohlenstoffhaltige Nanopartikel (Fullerene, Nanoröhren, Industrieruß) Auf dem Rohstoffmarkt für die Produktion von Farben und Lacken werden mittlerweile viele verschiedenste Nanopartikel als Feststoffe oder Dispersionen angeboten. In Tabelle 5.3 sind die wichtigsten kommerziellen Nanopartikel zusammengefasst. Aus der Tabelle 5.3 erkennt man, dass bereits eine Vielzahl kommerzieller Nanopartikel am Markt für viele mögliche Anwendungsgebiete verfügbar ist. So könnten sie z.B. zur Verbesserung diverser Materialien im Haushalt genutzt werden. In der Medizin könnte man mit Hilfe von Nanopartikeln einen zielgerichteten Transport von Medikamenten im Körper oder eine schonendere Form der Krebstherapie erzielen. Auch in der Elektrotechnik könnten Nanopartikel dazu beitragen, z.B. leistungsfähigere und kleinere Computer zu ermöglichen. Das hohe Nutzenpotential hat einen drastischen Anstieg in Herstellung und Anwendung der unterschiedlichsten Arten von Nanopartikeln zur Folge, doch es eröffnet sich auch ein breites Spektrum an möglichen Gefahren für uns und unsere Umwelt. Um die möglichen Gefährdungen, welche von den Nanopartikeln während ihrer Herstellung, Verwendung und Entsorgung für die Umwelt ausgehen, abschätzen zu können, wurde die Nanoökotoxikologie etabliert. Sie entstand neben der bis dahin bereits bestehenden Ökotoxikologie, da Nanopartikel neuartige chemische und physikalische Eigenschaften aufweisen. In Kap. 5.3.2 sind die wichtigsten Nanopartikel für Farben und Lacke aufgezeigt. Prinzipiell gibt es natürlich von allen Stoffen auch Nanopartikel. Im folgenden Kapitel beschäftigen wir uns mit Anwendungen und kommerziellen Lacksystemen, die Nanopartikel in Verbindung mit Silanchemie zur Oberflächenveredlung einsetzen. Die Reaktionsführung geht dabei meistens über den Sol-Gel Prozess. Die Modifizierung bzw. der Einbau von Nanopartikeln soll als Beispiel anhand von nanoskaligem Böhmit-Partikeln (AlO(OH)) wird nachfolgend näher beschrieben. Aus der Literatur sind bereits Arbeiten bekannt, in denen nanoskalige Partikel verschiedenster Zusammensetzung zur Verbesserung der Kratz- und Abriebbeständigkeit in Sol-Gel-Beschichtungssysteme eingebaut werden. In vielen Arbeiten werden dazu neben SiO2-Suspensionen auch pulverförmiges, mit Essigsäure stabilisiertes Böhmit (AlO(OH)) verwendet [33]. Elektronenmikroskopische Aufnahmen des essigsäure-stabilisierten Böhmit (Böhmit ES) zeigen, dass es sich demnach um nahezu ideal kugelförmige Sekundärpartikel handelt.
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Chemisch-technische Grundlagen Tabelle 5.3: Kommerzielle Nanopartikel und deren Anwendungsgebiete Partikel
Charakteristik
Effekt
Anwendungsgebiete
SiO2
Rund, Kieselsol, „Aerosil“
Günstiger Füller, Härte
Kratzfest, Korrosionsschutz, Binder, Kleber
SiO2
Flach
Diffusionsbarriere Diffusionsbarriere, Interferenzfarben
TiO2
Rutil
UV Absorption
UV Absorber, Kratzfest, Optische Effekte (Antireflex ...)
TiO2
Anatas
Photokatalytische Aktivität
Selbstreinigung, Antibeschlag, Antibakteriell
Al2O3
Korund
Füller mit hoher Härte, Katalyse
Kratzfest, Korrosionsschutz
AlO(OH)
Böhmit
Füller, Katalyse, Kratzfest, Korrosionsschutz Diffusionsbarriere
CeO2
rund
UV-Absorber, Katalyse, Korrosion
Kratzfest, Korrosionsschutz Thermokatalyse
ZnO
rund
UV-Absorber
Polymere, pH neutrale Lösungen
ITO (Indiumzinnoxid)
blaue Farbe
IR/UV Absorber
IR-Reflexion, leitfähige Schichten, Antistatik
IR/UV Absorber
IR-Reflexion, leitfähige Schichten, Antistatik
ATO braune Farbe (Antimonzinnoxid) ZrO2
Weiß
Füller, Katalyse
Kratzfest, Korrosionsschutz, Thermokatalyse
Fe2O3
Magnetit
Magnetismus
medizinische Anwendungen (Krebstherapie)
Ag-Kolloide
rund
Biozid
antibakterielles Additiv
Metallkolloide
Pd, Pt, Au, Ru, Cu, UV-stabile Farben, Katalyse
Farbschichten (transparent), Thermokatalyse
KohlenstoffNanoröhren
Schwarz
Leitfähigkeit, Antistatik, Reißfestigkeit
Anwendungen werden gesucht z.B. als leitfähige Schichten
Co/Mn/CeMischoxide
Schwarz
Katalyse
Backöfen, Industrieanlagen (Geruch), Motorteile (Dieselruß-Katalysatoren)
88
Grundlagen der chemischen Nanotechnologie Die Teilchengrößen liegen im Bereich von 10 bis 30 μm. Bei stärkerer Vergrößerung zeigt sich, dass die Partikel eine globuläre Unterstruktur besitzen und aus Primärpartikeln von etwa 15 nm aufgebaut sind. Es sind Kristallnadeln von ca. 2 nm Dicke und bis zu 60 nm Länge erkennbar. Die Auflösung der Primärstruktur zeigt abgerundete Teilchen im Bereich von 15 bis 50 nm. Die Kristallite sind quaderförmig mit ca. 20 bis 40 nm Länge und 2 bis 6 nm Breite. Da die praktische Bestimmung der OH-Gruppendichte durch experimentelle Methoden sehr zeitaufwendig ist, kann man näherungsweise die Anzahl der Oberflächen-OH-Gruppen auch theoretisch berechnen (vgl. Abbildung 5.32). Auch im Falle von Aluminiumoxid wurden Oberflächen-OH-Gruppen mit chemischen [34-35] und IR-spektroskopischen Methoden [36-37] nachgewiesen. Die Anzahl der Hydroxid-Ionen ist von der spezifischen Oberfläche eines Pulvers abhängig, wobei bei einem definierten Pulver mit Abnahme der Partikelgröße die spezifische Oberfläche und damit die Anzahl der OH-Gruppen an der Oberfläche zunimmt. Kennt man die spezifische Oberfläche des verwendeten Pulvers, die durch Messen der BET Absorptionsisothermen nach Brunauer, Emmett und Teller (siehe Kap. 5.3.5.4) experimentell bestimmt werden kann, so kann nach Gleichung 5.5:
Oberfläche des Oxids [m2/g]
Anzahl der Oberflächen-OH-Gruppen [1/g] = Platzbedarf einer OH-Gruppe [m2] näherungsweise die Anzahl der Oberflächen-OH-Gruppen bestimmen werden. Hierbei wird ein Platzbedarf von 18 Å2 pro OH-Gruppe vorausgesetzt. Dividiert man die erhaltenen Werte durch die Avogadrosche Konstante NA, erhält man die stöchiometrisch einzusetzende Menge eines Modifizierungsagenz in Mol bei einer 1:1 Reaktion (OH-Gruppe/ Modifizierungsagenz). Die spezifische Oberfläche von Böhmit ES und ein Vergleichspulver mit einer Partikelgröße im μm Bereich zeigt deutlich die nanoskalige Dimension des Böhmit ES anhand der spezi-
Abbildung 5.32: REM-Aufnahme von Böhmit ES
89
Chemisch-technische Grundlagen Tabelle 5.4: Spezifische Oberflächen der Metalloxidpulver AlO(OH) Böhmit ES
Al2O3 [μm]
Messung
375
5,3
Herstellerangaben
308
-
Spezifische Oberfläche [m2/g]
fischen Oberfläche mit 375 m2/g, Abbildung 5.32. Ein zum Vergleich gemessenes kommerzielles Aluminiumoxidpulver in μm-Dimension ist in der spezifischen Oberfläche mit 5,3 m2/g fast um den Faktor 100 kleiner. Ist die spezifische Oberfläche bekannt so kann die pro OH-Gruppe stöchiometrisch einzusetzende Menge eines Modifizierungsagens in Mol berechnen werden. Die entsprechenden Werte der spezifischen Oberfläche sind bei den kommerziell erhältlichen Pulvern stets angegeben. Man kann daraus sehr einfach die benötigte Menge der Silane zur Oberflächenmodifizierung ausrechnen. Bei der üblichen Modifizierung mit Trialkoxysilanen kann aus sterischen Gründen nur zwei Alkoxygruppen mit der Oberfläche eines Partikels reagieren. Damit sollte modellhaft mindestens eine Alkoxygruppe für eine weitere Vernetzung zur Verfügung stehen. Dabei können theoretisch drei unterschiedliche Reaktionspartner eingesetzt werden. Erstens ein benachbartes Silan, das an den gleichen Partikel gebunden ist, zweitens eine Si-OH-Gruppe eines Silanes, welches sich noch frei im Medium bewegt und für Vernetzung mit anderen Siloxanen oder einem Partikel zur Verfügung steht, drittens ein Siloxan, das bereits an einen anderen Partikel gebunden ist, so dass die Partikel über eine Siloxanbrücke (Si-O-Si) agglomerieren können (siehe Abbildung 5.33). Um ein möglichst Agglomerat freies Pulver nach der Modifizierung zu erhalten, ist eine Vernetzung der dritten Siloxangruppe nach (a) (Abbildung 5.33) am vorteilhaftesten. Eine wichtige Voraussetzung dazu ist, dass die Nanopartikel vor Zugabe der Silane schon weitestgehend deagglomeriert bzw. dispergiert sind, um einen möglichst großen Abstand zwischen den Partikeln in der Suspension zu haben, so dass die Möglichkeit (c) an Einfluss verliert. Über die Näherungsrechnung mithilfe der Gleichung 5.5 kann man nun sehr gut die theoretische Menge an Modifizierungsagens berechnen. Etablierte Nanopartikel wie Kieselsole oder Nano-Titanoxid sind mittlerweile hinreichend untersucht. Eine Verarbeitung in wässriger Lösung, also in Form eines Nano-Sols ist im Allgemeinen unkritisch. Im Kapitel 7 werden wir auf die kommerziellen Produkte näher eingehen. Zu den günstigen verfügbaren Rohstoffen gehören die Kieselsole.
5.3.6.1 Kieselsole
Unter Kieselsolen versteht man wässrige kolloidale Dispersionen von polymeren Polykieselsäure-Teilchen, die meistens eine Kugelform aufweisen und die zwischen 30 bis 50 %
90
Grundlagen der chemischen Nanotechnologie oberflächenstabilisiertes Siliciumdioxid (SiO2) enthalten. Im Begriff Kieselsol beschreibt demnach Kiesel die Zusammensetzung (Siliciumdioxid) und Sol den kolloidalen Charakter (siehe Kolloid) der Teilchendispersion. Kieselsole werden in der Regel aus Wasserglas durch Ionenaustausch der Alkaliionen hergestellt. Spezielle lösemittelbasierte Kieselsole können durch Hydrolyse und Kondensation aus Silanen oder durch Vermahlen und Oxidation von elementarem Silicium erhalten werden. Aus Wasserglas produziertes Kieselsol wird mit einem geringen Anteil Restalkali stabilisiert, i.d.R. mit Natriumionen bei einem Molverhältnis von SiO2 : Na von etwa 100 : 2. Das Siliciumdioxid liegt in Form untereinander vernetzter, kugelförmiger Einzelpartikel vor, die an der Oberfläche hydroxyliert sind (Si-OH). Die Größe der Partikel liegt im kolloiden Bereich und beträgt je nach Typ 5 nm bis 100 nm. Kieselsole finden ein breites Anwendungsspektrum als Bindemittel (Klebstoff), als Beschichtungslösung, als Polier- oder als Fällungsmittel. So können mit Kieselsolen Formmassen oder Kernsände gebunden sowie Feuerfestmaterialien hergestellt werden. Papiere oder Textilien werden damit auf der Oberfläche veredelt, um die Festigkeit oder Bedruckbarkeit zu verbessern. Es wird zum mechanischen Polieren von (Silicium-)Wafer oder anderen Oberflächen verwendet. Abwässer können mit Kieselsolen von Schwebstoffen geklärt werden durch Ionenaustausch und Ausfällen an der hohen inneren Oberfläche der SiO2-Nanopartikel. Nicht zuletzt dienen Kieselsole zum Klären von Getränken wie Wein, Bier oder Apfelsaft und finden auch Anwendung in der Kosmetik oder Pharmazie.
Abbildung 5.33: Möglichkeiten der weiteren Vernetzung eines mit zwei Alkoxygruppen an eine Oberfläche gebundenen Silanes: a) Vernetzung mit einem am gleichen Partikel gebundenen Siloxan, b) Vernetzung mit Siloxanen des umgebenden Mediums, c) Vernetzung mit einem an einen anderen Partikel gebundenen Siloxan
91
Chemisch-technische Grundlagen Kieselsole sind darüber hinaus für den Lackbereich und insbesondere für die Silanchemie eine hochinteressante Rohstoffquelle. Es sind anorganische, günstige, fein dispergierte Fest- bzw. Füllstoffe, die in allen Größen erhältlich sind. Sie sind ungiftig und werden in unterschiedlichsten pH und Oberflächenmodifizierungen angeboten. Neben den normalerweise wässrigen Kieselsolen werden auch Nano-SiO2-Dispersionen in Lösemitteln (Alkohole, Acetate) angeboten. Ein Anwendungsbeispiel ist die Entwicklung von neuen Klarlacken für die Automobilindustrie [38]. Dabei handelt es sich um einen 2K-Klarlack, welcher Nanopartikel-Technologie in der Endlackierung von Karossen verwendet. Diese Nanopartikel, die in Konzentrationen von ca. 2 Vol.- % zugesetzt werden, wandern in diesen Systemen während des Auftrages an die Oberfläche und erhöhen wesentlich an der Grenzfläche Klarlackmatrix/ Luft die anorganischen Bestandteile. D.h. obwohl die verwendeten SiO2-Nanopartikel im organischen Bindemittel eingebettet sind, konzentrieren sich an der Filmoberfläche und verbessern dadurch die Anätz- und Kratzbeständigkeit [39].
5.3.6.2 TiO2-Nanopartikel
Eine weitere interessante Gruppe von Nanopartikeln sind die Titandioxide. TiO2 ist Rohstoff für ein breites Spektrum technischer Anwendungsbereiche. Titandioxidpulver wird
Abbildung 5.34: Flussdiagramm der Herstellungsverfahren von Kieselsol
92
Grundlagen der chemischen Nanotechnologie Tabelle 5.5: Vergleich der allgemeinen, physikalischen und chemischen Eigenschaften der drei Kristallmodifikationen von Titandioxid (TiO2) Rutil
Anatas
Brookit
Kristallform
Tetragonal
Tetragonal
Orthorhombisch
CAS-Nr.
1317-80-2
1317-70-0
12188-41-9
Dichte [g/cm³]
4,27
3,90
4,13
Brechungsindex
2,72
2,52
2,63
Mohs-Härte
7,0 – 7,5
5,5 – 6,0
5,5 – 6,0
Schmelzpunkt
1825 °C
Umwandlung in Rutil
Umwandlung in Rutil
als Pigment in Farben, Kunststoffen, Emaille, Papier und Kosmetika eingesetzt. In Zahncreme findet es Verwendung als strahlend weißer Farbstoff sowie als Putz- oder Schleifmittel. In Sonnencreme schützt es als hautverträglicher UV-Absorber vor Sonnenbrand. In der Natur kommt Titandioxid in drei Kristallmodifikationen vor (siehe Abbildung 5.35): als tetragonales Rutil, als tetragonales Anatas sowie als orthorhombisches Brookit. Bei allen drei Modifikationen ist das Titanatom oktaedrisch von sechs Sauerstoffatomen umgeben. Rutil ist die stabilste und die lacktechnisch wichtigste Modifikation. Sowohl Anatas als auch Brookit wandeln sich bei Temperaturen zwischen 700 und 900 °C in das thermodynamisch stabilere Rutil um. Tabelle 5.5 stellt die wichtigsten Eigenschaften der drei Modifikationen zusammen. Rutil hat den größten Brechungsindex und weist dadurch das höchste Streuvermögen auf. Der Brechungsindex liegt mit 2,72 weit über den Werten von SiO2 und Al2O3-Pigmenten. Lacktechnisch ist Rutil in μm-skaliger Form als leistungsfähiges und chemisch besonders stabiles Weißpigment von Bedeutung. Die Syntheseverfahren für Nano-TiO2 und viele seiner Eigenschaften und Einsatzfelder ähneln denen des Nano-SiO2. Besonders hervorzuheben sind die optischen Eigenschaften des Nano-TiO2, die wichtige Anwendungen bestimmen: – UV-Schutz: Nano-TiO2 ist zwar transparent für sichtbares, aber nicht für UV-Licht. – Brechkraft: Im sichtbaren Licht Abbildung 5.35: Kristallstrukturen des Titandioxid zeichnet sich Nano-TiO2 durch (TiO2): Rutil, Anatas und Brookit [40]
93
Chemisch-technische Grundlagen seinen hohen Brechungsindex aus (während der des Nano-SiO2 im Bereich der Kunststoffe liegt). – Photokatalyse: Licht im nahen UV und im Sichtbaren entspricht energetisch der Bandlücke des TiO2 bei 3.25 eV. Im Sonnenlicht werden Elektronen-Loch-Paare erzeugt, die beispielsweise antibakteriell wirken und organische Verbindungen zersetzen. Für Anwendungen in Pulverform wird Nano-TiO2 in der Industrie analog zum Nano-SiO2 meistens im „Aerosil“-Verfahren aus TiCl4 hergestellt. TiCl4 ist eine farblose, extrem hydrolyse-empfindliche Flüssigkeit mit einem Siedepunkt von 138 °C, die durch Carbochlorierung von natürlichem Rutil oder Ilmenit erzeugt wird. Das Nano-TiO2 fällt in der Regel in Form des Anatas an, obwohl bei den hohen Prozesstemperaturen Rutil stabiler ist. In der anorganischen Chemie ist die bevorzugte Bildung von metastabilen Modifikationen bei Nukleierungsprozessen weit verbreitet. Mit dem „Aerosil“ Verfahren präparierte Nano-TiO2-Pulver bestehen aus Primärpartikeln, die wie Nano-SiO2 zur Aggregation neigen. Die TiO2-Pulver fallen in geringen Schüttdichten an, die beim „Aeroxide“-TiO2 P25 (Fa. Evonik) zum Beispiel nur bei 130 g/l liegt. Bei der Dispergierung in Flüssigkeiten werden diese industriellen Pulver meistens nicht in ihre Primärpartikeln zerteilt, sondern in größere Aggregate, die mit Ultraschall oder durch Mahlverfahren aufgebrochen werden müssen. In dieser Hinsicht sind die Tieftemperaturverfahren des Sol-Gel-Prozesses überlegen, die deshalb zunehmend die Hochtemperaturverfahren des Aerosil- und CVD-Prozesses verdrängen. Die Sol-Gel-Verfahren gehen von organischen Estern Ti(OR)4 der Orthotitansäure aus, die nasschemisch hydrolysiert werden. Allgemein ist festzustellen, dass die alkalische Hydrolyse eher zu kompakten, großen Partikeln führt (wie beim Stöber-Prozess), während die schnellere, aber schwer beherrschbare saure Hydrolyse zu Nanopartikeln führt, die zum fraktalen Aggregieren neigen.
Nano-TiO2-Anwendung aus dem Alltag
Abbildung 5.36: Wie schmelzender Schnee versickert die Sonnencreme in den Hautfalten und mit Ihr die organischen UV-Filter [41]
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Sonnencremes bestehen neben Duftstoffen, Emulgatoren und Feuchtigkeitsspendern vor allem aus drei Grundbestandteilen: aus Öl, Wasser und einem UV-Filter. In der Regel sind UV-Filter organische
Grundlagen der chemischen Nanotechnologie Moleküle, die das schädliche UV-Licht ablenken oder „quenchen“, d.h. in Wärme umwandeln. Diese organischen UV-Filter haben zwei Nachteile. Zum einen reagieren empfindliche Menschen auf die Spaltprodukte allergisch. Außerdem schützen sie die Haut nicht gleichmäßig. Nach dem Einreiben fließt nämlich ein Großteil der Creme in Hautfalten ab – und mit ihr auch die organischen Filter, siehe Abbildung 5.36. Die Folge ist, dass die erhöhten Hautpartien schlechter geschützt sind. Deshalb haben die Forscher der Kosmetikbranche eine Alternative entwickelt, indem nanoskalige Partikel aus Zink- oder Titandioxid (siehe Abbildung 5.37) als UV-Filter eingesetzt werden. Diese Stoffe filtern das UV-Licht sogar besser als organische Filter und haben den Vorteil, dort liegen zu bleiben, wo man sie aufgetragen hat. D.h. die Partikel liegen sehr dicht nebeneinander und schützen so die Haut sehr effektiv vor UV-Licht. Sie rufen keine Allergien hervor, sind jedoch auf der Verpackung deklarierungspflichtig. Anfangs gab es mit den Oxidpartikeln allerdings ein kosmetisches Problem: Die Industrie konnte keine Partikel unter der Größe eines Mikrometers herstellen. Deshalb blieben sie nach dem Auftragen als weißer Film auf der Haut sichtbar. Erst mit der Herstellung „echter“ Nanopartikel, haben die Kosmetikfirmen das Problem gelöst. Heute verwenden sie Titanpartikel mit einem Durchmesser von 80 bis 100 nm. Für Lacke und Farben sind Rutil-Partikel im Bereich 80 nm nicht transparent genug. Fein dispergierfähige kommerzielle Rutil-Pulver im Bereich 5 bis 10 nm, die insbesondere für den UV-Schutz von Klarlacken interessant sind, sind erst seit einigen Jahren erhältlich.
5.3.6.3 Nanoruß und Carbon-Nanotubes In den letzten beiden Jahrzehnten ging die Forschung auch in Richtung neuer, nicht kugeliger Formen von Nanopartikeln. Dazu wurden molekulare Formen des Kohlenstoffs (Fullerene, Nanotubes), nichtoxidische Pigmente (Boride, Carbide, Nitride), metallische Nanocluster und auch synthetische Zeolithe [42] entwickelt. In diesem Zusammenhang sind Kohlenstoff-Nanoröhren oder Nanotubes für viele Anwendungen interessant.
Abbildung 5.38: Kohlenstoff-Nanoröhrchen [43]
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Chemisch-technische Grundlagen Kohlenstoff-Nanoröhren sind winzige röhrenförmige Gebilde, molekulare Nanoröhren, welche als CNT (Carbon Nanotubes) abgekürzt gehandelt werden. Die Wände der CNT bestehen wie die Ebenen der Fullerene oder des Graphits nur aus Kohlenstoff, wobei die Kohlenstoffatome aufgrund ihrer sp2-Hybridisierung eine wabenartige Struktur mit Sechsecken und jeweils drei Bindungspartnern einnehmen. Der Röhrendurchmesser liegt in der Regel im Bereich zwischen 0,4 und 50 nm. Mehrwandige Kohlenstoffnanoröhren (MWNT) wurden 1991 zufällig in einem Elektronenmikroskop entdeckt, in dem eine Lichtbogenentladung zwischen Kohlenstoffelektroden stattfand. Zwei Jahre später konnte man nach gleichem Verfahren unter Verwendung von Katalysatoren auch einwandige Kohlenstoffnanoröhren nachweisen. 1996 veröffentlichte der Nobelpreisträger Richard E. Smalley ein Laserverfahren zur Herstellung einwandiger Kohlenstoff-Nanoröhren, bei dem Graphit mit einem Laser abgetragen bzw. verdampft wird. Des Weiteren entstehen einwandige Nanoröhren bei der katalytischen Zersetzung von Kohlenwasserstoffen. Mit diesem Verfahren, auch Chemical Vapor Deposition (CVD) genannt, können auf einer entsprechenden Unterlage ganze Felder weitgehend paralleler Röhren aufwachsen gelassen werden. Lichtbogenentladung, Laserverdampfung sowie Zersetzung in der Gasphase, jedes dieser drei Verfahren wurde zwischenzeitlich so weiterentwickelt, dass sich größere Mengen CNTs in gezielt definierter, Länge, Durchmesser sowie Wandigkeit herstellen lassen [45]. Abbildung 5.40 zeigt einzelne Röhren und ein Bündel von Röhren. Man unterscheidet zwischen ein- und mehrwandigen, zwischen offenen oder geschlossenen Röhren (mit einem Deckel, der einen Ausschnitt aus einer Fulleren-Struktur hat) und zwischen leeren und gefüllten Röhren (beispielsweise mit Silber, flüssigem Blei oder Edelgasen). Je nach Detail der Struktur ist die elektrische Leitfähigkeit innerhalb der Röhre metallisch oder halbleitend; es sind auch Kohlenstoffröhren bekannt, die bei tiefen Temperaturen supraleitend sind. Transistoren und einfache Schaltungen mit den halbleitenden Kohlenstoff-Nanoröhren können bereits hergestellt werden. Die Forscher suchen nun nach Möglichkeiten, komplexe Schaltkreise aus verschiedenen Kohlenstoff-Nanoröhren gezielt herzustellen. Die mechanischen Eigenschaften von Kohlenstoff-Nanoröhrchen sind ausgezeichnet: CNTs haben eine Dichte von 1,3 bis 1,4 g/cm3 und eine ZugAbbildung 5.39: 3D Modell von Kohlenstoff-Nano[44] röhrchen festigkeit von 45 Mrd. Pascal. Stahl
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Grundlagen der chemischen Nanotechnologie hat eine Dichte von mind. 7,8 g/cm3 und eine maximale Zugfestigkeit von 2 Mrd. Pascal. Daraus ergibt sich für einzelne CNTs rechnerisch ein mind. 135-mal besseres Verhältnis von Zugfestigkeit zu Dichte als für Stahl. Die elektrische und die thermische Leitfähigkeit ist vor allem für die Elektronikindustrie interessant: Die Strombelastbarkeit liegt schätzungsweise 1000-mal höher als bei Kupferdrähten, die Wärmeleitfähigkeit ist bei Raumtemperatur mit 6000 W/m*K beinahe doppelt so hoch wie die von Diamanten (3320 W/m*K). Aus CNTs lassen sich leistungsfähige Transistoren fertigen, da sie Halbleitereigenschaften haben können und höhere Spannungen und Temperaturen – und somit höhere Taktfrequenzen – als Silicium-Transistoren aushalten. Funktionsfähige Transistoren aus CNTs wurden bisher im Labormaßstab hergestellt. Im Markt bzw. in der industriellen Produktion sind Nanoröhren bisher nur für Nischenanwendungen erhältlich. In der universitären und industriellen Forschung werden verschiedene Applikationen entwickelt, wie Transistoren aus Nanoröhren, Nanoröhrenspeicher, für Displays oder zur Einarbeitung in Kunststoffen. Durch Einarbeiten von 1 % Nanoröhren in herkömmliche Kunststoffe, werden die mechanischen Eigenschaften der Kunststoffe signifikant beeinflusst. Des Weiteren ist es möglich, elektrisch leitende Kunststoffe herzustellen, so reichen ca. 0,4 Promille CNT um eine leitfähige Oberfläche zu erreichen. Die Farbe der Kunststoffe wird allerdings dunkel bzw. schwarz. Dies ist nun auch für den Lackchemiker interessant. Die Kommerzialisierung von Nanotubes läuft gerade erst an. Inwieweit die Nanotubes eine Nische im Farben- und Lackbereich finden, wird die Forschung der nächsten Jahre zeigen. Ein weiteres Anwendungsfeld mit speziellen Nanopartikeln ist die Möglichkeit, antibakterielle Effekte zu erzeugen.
Abbildung 5.40: Nanoröhren [45]
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Chemisch-technische Grundlagen
5.3.6.4 Silber-Nanopartikel für antibakterielle Effekte
Antimikrobielle Wirkstoffe nennt man auch Antimikrobiotika. Mit ihrer Hilfe wird das Wachstum der Mikroorganismen gehemmt und zusätzlich noch ein Wachstumsrückgang erzielt. Man differenziert im Hinblick auf Bakterien zwischen zwei Wirkungsweisen: Unter bakteriostatischer Wirkung versteht man eine Wirkungsweise, bei der eine Bakterienpopulation in ihrer Vermehrung gehemmt und folglich an ihrem Wachstum gehindert wird. Unter bakterizider Wirkung versteht man die Eliminierung von Bakterien. Im Altertum aßen und tranken Könige und Fürsten aus Silbergeschirr als Ausdruck von Reichtum, Macht und Würde. Doch das war nicht der einzige Grund. Das Edelmetall schützte durch die antimikrobielle Wirkung auch vor Infektionen. Die antiseptische Wirkung wurde erkannt, als die Menschen bemerkten, dass das Trinkwasser im Silberbehälter viel länger frisch blieb als in anderen Behältern. Aristoteles riet Alexander dem Großen, zur Wasserversorgung seiner Armee Silberbehälter zu benutzen, um sie vor Krankheiten zu schützen. In der Medizin werden Silber und Silberverbindungen bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts zur aktiven Behandlung von Brandwunden und zur Desinfektion eingesetzt. Der Botaniker von Nägeli entdeckte, dass geringe Silberkonzentrationen Keime von z.B. Aspergillus niger beseitigen können. Er bezeichnete dieses Phänomen als „oligodynamischen Effekt“ des Silbers. Auch unsere Urgroßeltern wussten das Edelmetall im Haushalt zu schätzen. Sie legten eine Silbermünze in die Blechkanne, damit sich die Milch länger hält. Mit der Entwicklung von Antibiotika geriet das alte Heilmittel in Vergessenheit. Seit rund 50 Jahren werden fast nur Antibiotika im Kampf gegen krankheitserregende Bakterien und Keime eingesetzt. Mittlerweile sind jedoch einige Mikroorganismen gegen diese Medikamente resistent. Die Antibiotika sind nicht mehr so effektiv. Sie können sich außerdem im Körper anreichern und sogar erbgutverändernd wirken. Seit etwa 1980 begann die Wiederentdeckung des Silbers in der Medizin, u.a. als wichtiger Bestandteil von Kathetern, bakteriziden Gefäßprothesen und anderen medizinischen Geräten und Werkzeugen [46]. Durch die Nanotechnologie ist es nun auch möglich, das Silber in Form winziger Partikel in Beschichtungen einzubauen, so dass eine dauerhafte antibakterielle Wirkung erzeugt wird. Die aktiven Wirkstoffe beim Silber sind die Silberionen, die durch Korrosionsvorgänge von der Silberoberfläche – ob als Nanopartikel oder als Silberbauteil – freigesetzt werden. Für eine bessere bakterizide Wirkung sollten möglichst kleine Silberteilchen mit einer größeren aktiven Oberfläche eingesetzt werden. Silberionen formen Komplexe mit zahlreichen funktionellen Gruppen der Bakterienzelle, die Schwefel, Sauerstoff und Stickstoff enthalten (meistens als Thiol- und Amingruppen) und als Elektronen-Donor-Gruppen fungieren. Sie befinden sich in vielen Zellbestandteilen wie Proteinen, Enzymen und DNA/
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Grundlagen der chemischen Nanotechnologie RNA. Auf diese Weise greift Silber an verschiedenen Orten gleichzeitig an (siehe Abbildung 5.41). Die Zellen von Mikroorganismen beinhalten eine große Anzahl von Funktionsproteinen. Diese Enzyme üben spezifische Funktionen aus, wie den Transport von Nahrungsstoffen in das Zellinnere oder aus der Zelle heraus. Silberionen dringen in das Innere der Mikroorganismenzelle und lagern sich an diese Enzyme an. Somit wird ihre Aktivität inhibiert und wichtige Transportfunktionen unterbunden. Silberionen üben ihre Wirkung nicht nur auf Funktionsproteine, sondern auch auf Strukturproteine aus. Beide Proteintypen sind an und in der Zellmembran sowie im Zellplasma lokalisiert. Die Silberionen beeinträchtigen die Strukturfestigkeit der Mikroorganismenzelle. Das führt zum Verlust von essentiellen Zellbestandteilen. Die Bakterienzellwand bildet eine Schutzschicht um die Zellmembran. Silberionen rufen Veränderungen auf der Molekülstrukturebene hervor, die deren lebenswichtige Widerstandsfähigkeit beeinträchtigt. Auch die Zellteilung und Vermehrung wird durch Bildung von Komplexen mit DNA/RNA der Bakterienzelle gestört. Aufgrund der vielfachen Einwirkungspunkte von Silberionen auf die Bakterienzelle wird das Risiko der Resistenzentwicklung auf ein Minimum reduziert. Die äußerst seltenen Resistenzfälle, die bekannt wurden, entwickelten sich nicht nach dem gleichen Prinzip wie bei den Antibiotika. Es wurden daher bisher keine klinisch relevanten Resistenzfälle registriert. Nebenwirkungen in der Therapie mit Silber treten nur sehr selten bei lokaler Absorption sehr großer Mengen auf (wie z.B. Therapie bei Brandwunden).
Versuch
Zur Herstellung der Kolloide benötigt man: – Metallsalz – Reduktionsmittel – Dispersionsmittel – Stabilisator Der folgende Ansatz gibt beispielsweise ein Kolloid mit einer Silberkonzentration von 0,63 mmol/l. Man benötigt Silbernitrat (AgNO3), Trinatriumcitrat-Dihydrat (TNC) und Natriumborhydrid (NaBH4). 10 mg AgNO3 werden in Wasser aufgelöst und mit einer Lösung von 47 mg TNC in 2 ml Wasser vermischt. Nach einer Minute wird eine frische NaBH4-Lösung (47 mg TNC und 3,3 mg NaBH4 in 2 ml dest. H2O) zugegeben und weitere 15 min gerührt.
Abbildung 5.41: Angriffspunkte der Silberionen an der Bakterienzelle
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Chemisch-technische Grundlagen An der charakteristischen bräunlich-gelben Farbe ist die Bildung des Kolloids erkennbar. Die mittlere Teilchengröße entspricht ca. 15 nm nach diesem Ansatz. Natürlich ist es auch möglich die Silbernanopartikel direkt während des Sol-Gel Prozesses in einer Silanmatrix zu erzeugen (siehe Kapitel 5.6, „Der Sol-Gel-Prozess“). Bei dem Einsatz von Silbernanopartikeln oder Silberionen in Beschichtungen sind die geringen Mengen in Form von elementarem Silber für den Menschen ungefährlich, da die freigesetzte Menge an Silberionen sehr gering ist. Jedoch reichen bereits solch geringe Mengen aus, um Mikroorganismen zu töten. Im Küchenbedarf wird Nano-Silber aufgrund seiner antibakteriellen Wirkung besonders häufig eingesetzt. Es findet sich in Frischhalteboxen, auf Schneidebrettern und sogar in Baby-Milchfläschchen und soll dafür sorgen, dass Lebensmittel länger haltbar bleiben und Bakterien abgetötet werden. Besonders verbreitet ist Nano-Silber in den Innenbeschichtungen von Kühlschränken: Viele große Kühlschrankhersteller wie Siemens, Bosch, Bauknecht, Samsung, LG und Daewoo setzen Nano-Silber ein. Auch bei Waschmaschinen kommt Nano-Silber zur Anwendung. Die Firma Samsung hat schon vor Jahren ein solches Gerät auf den Markt gebracht, das keimfreies Waschen bei niedrigeren Temperaturen ermöglicht und die Entstehung unangenehmer Gerüche verhindern soll. In Sport- und Wanderbekleidung, insbesondere in Socken oder Schuheinlagen, werden häufig Nano-Silberpartikel eingesetzt, die eine keimtötende Wirkung entfalten und so unangenehme Gerüche vermeiden sollen. Bei Sonnenschutzausrüstungen wird nanoskaliges Titandioxid und Zinkoxid als UV-Schutz verwendet. Wie bei allen Dingen sollte man natürlich nicht übertreiben. So kann Silber in großen Mengen eingenommen zu einer dauerhaften Verfärbung der Haut führen. Nanopartikel müssen nicht immer anorganisch sein. Ein interessantes Beispiel ist in dem Zusammenhang die antibakterielle Wirkung von Chitosan.
5.3.6.5 Chitosan wirkt bakterienabweisend
Eine Möglichkeit in Beschichtungsmaterialien keimabweisende Eigenschaften einzustellen, ist der Einsatz des Naturstoffes Chitosan. Chitosan ist ein lineares Biopolymer auf Polysaccharid-Basis. Es besteht aus zwei Monosaccharid-Bausteinen: N-Acetyl-D-glucosamin und D-Glucosamin, die durch β-(1-4) glykosidische Bindungen verknüpft sind ( Abbildung 5.42) Ausgangssubstanz für die Herstellung von Chitosan ist Chitin, welches in Insekten, Pilzen und Schalentieren (Krebse, Krabben, Hummer, Schnecken, etc.) als nachwachsender Rohstoff vorkommt. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Chitin mit Hilfe des Enzyms Chitinase zum Chitosan abgebaut [47]. Technisch wird es heute vorwiegend aus den Panzern von Krabben oder Garnelen (Krustazeen) durch Deacetylierung mit Natronlauge gewonnen (vgl. Abbildung 5.43). Dementsprechend unterscheidet man verschiedene Chitosan-Provenienzen, die sich in ihrem Deacetylierungsgrad (DD, Degree of Deacetylation)
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Grundlagen der chemischen Nanotechnologie bzw. Acetylierungsgrad (DA, Degree of Acetylation) unterscheiden. So bestimmen sowohl die Anzahl der Acetylgruppen und Aminogruppen im Oligomer, als auch die durchschnittliche Molmasse in der Größenordnung von ca. 100.000 g/mol, die Löslichkeit (daraus die Viskosität), Quellungseigenschaften und die Reaktivität des jeweiligen Chitosans.
Abbildung 5.42: Lineares Chitosan-Oligomer β-(1-4)-Poly-(N-Acetyl)-2-Amino-2-Deoxy-DGlucopyranose (m « n).
Abbildung 5.43: Technische Gewinnung löslicher Chitosan-Präparate aus Chitin [48]
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Chemisch-technische Grundlagen Da die Aminogruppe basisch ist, kann Chitosan in Abhängigkeit vom pH-Wert und vom Lösungsmedium zum Polyelektrolyten werden. So löst es sich gut in organischen Säuren, wie verdünnter Essigsäure oder Milchsäure, unter Bildung von Polykationen. Bei pH-Werten, die über 6,5 liegen, kommt es zu einer Fällungsreaktion und das Chitosan wird in wässrigem Medium unlöslich. Ein einfaches, organisches Lösemittel für Chitosan ist nicht bekannt. Anorganische, mehrwertige Säuren lösen Chitosan nicht, jedoch gelingt die Lösung in Salzsäure und Salpetersäure. Salpetrige Säure baut Chitosan durch Bildung von instabilen Diazoniumsalzen mit anschließender Desaminierung und Kettenspaltung ab (van Slyke-Reaktion) [49]. Bedingt durch den Herstellungsprozess, die polymere Struktur und das Vorhandensein von Aminogruppen ergeben sich die verschiedensten Eigenschaften von Chitosanen: – hohe Molmasse, welche durch Abbaureaktionen reduzierbar ist – löslich in verdünnten organischen Säuren, als kationischer Polyelektrolyt – Ausbildung polyelektrolytischer Komplexe (Simplexe) – biologisch abbaubar – quellfähig, hydro-gelbildend – antibakterielle bzw. bakteriostatische und fungizide Wirkung – wundheilend – physiologisch unproblematisch, da nicht allergen und nicht toxisch – polychelatogen, komplexiert Metall-Ionen
5.3.6.6 Nanopartikel für Dieselrußfilter
Ein Problem der Luftverschmutzung ist Ruß, darunter auch Nanoruß. Dieser wird bei Verbrennungen im Dieselmotor, aber auch bei industriellen Anlagen im Abgas erzeugt und kann zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Der Dieselmotor ist aufgrund seiner Wirtschaftlichkeit, seiner Lebensdauer sowie seiner Energiebilanz das effektivste Antriebsaggregat im Automobilbereich. Der Anteil an schädlichen Stickoxiden kann durch SCR-Katalysatortechnologien und AdBlue-Einspritzung auf ein Minimum verringert werden. Trotz modernster Motorentechnologie bei allen Dieselmotoren bleibt das Antriebsaggregat wegen der Partikelemissionen (Feinstaub) in der Kritik. Dieselmotoren ohne Filter stellen ein Gesundheitsrisiko dar. Demnach werden mittlerweile 5 % aller Krebserkrankungen der oberen Atemwege dem Ruß aus Dieselmotoren zugeschrieben. Die Schweizer Gesetzgebung verlangt heute einen Filter in Baumaschinen. Eine generelle Diesel-Partikelfilter-Pflicht für Neufahrzeuge ist sicherlich sinnvoll. Hochwertige Diesel-Partikelfilter aus Sintermetall beseitigen Ruß- und Feinstpartikel nahezu vollständig aus den Dieselabgasen und vermindern den Stickoxidanteil um bis zu 90 % [50]. Busse, Lastwagen und andere schwere Fahrzeuge, die mit diesen Systemen ausgestattet sind, erfüllen dadurch die strengen Abgasnormen.
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Grundlagen der chemischen Nanotechnologie Um die Langlebigkeit des Filters zu gewährleisten und das Metall vor Korrosion zu schützen, wurde eine Nano-Beschichtung für Sintermetall (Chrom-Nickel-Stahl) entwickelt, die einen guten Korrosionsschutz gegen aggressive Inhaltsstoffe von Motorabgasen (SO2, Schwefelverbindungen, Stickoxidverbindungen) und einen hervorragenden Thermokorrosionsschutz, d.h. eine hohe thermische Oxidationsbeständigkeit bei Temperaturen zwischen 250 °C bis 850 °C aufweist, siehe Abbildung 5.44. Um die Funktionsweise der Beschichtung zu veranschaulichen, wurden beschichtete und unbeschichtete Sintermetallfilter bei hohen Temperaturen bis 850 °C ausgelagert und die Aufoxidation durch Massezunahme bestimmt. Bereits nach kurzer Temperaturbelastung steigt die Masse des untersuchten Sintermetalls durch Oxidation stark an, während das beschichtete Sintermetall eine weitaus geringere Oxidationsneigung zeigt. Der Grund dafür ist, dass die Nanobeschichtung sich homogen über die Oberfläche verteilt und den Sauerstoffzutritt an das Metall verhindert ( Abbildung 5.45) Neben der hohen Anforderung an den chemischen und thermischen Korrosionsschutz darf die Beschichtung die Porenstruktur des Sintermetalls auch nicht verengen, um einen konstant niedrigen Gegendruck zu gewährleisten. Dies wurde durch einen möglichst geringen Schichtauftrag gelöst. Sintermetallfilter gehören heute zum Standard bei Nutzfahrzeugen und sind auch für den PKW-Nachrüstmarkt erhältlich [51]. Bei dem „DPF-City-Filter“ strömen die Fahrzeugabgase mit den Rußpartikeln vom Motor in das Filtergehäuse ein. Die gasförmigen Bestandteile der Abgase strömen durch die mikroskopischen Poren der Filtertaschen hindurch, die Rußteilchen inklusive der Feinst-
Abbildung 5.44: Relative Massenzunahme von Sintermetall durch Oxidation unter Dauertemperaturbelastung bei 850 °C
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Chemisch-technische Grundlagen partikel werden auf der Oberfläche zurückgehalten und lagern sich auf den einzelnen Filtertaschen ab. Bei einer Abgastemperatur von ca. 200 °C startet die Regeneration (Reinigung) des Filters. Das mit Hilfe eines Oxidationskatalysators gebildete Stickstoffdioxid (NO2) trifft auf den abgelagerten Ruß an den Filtertaschen. Dabei werden die Rußpartikel oxidiert und abgebaut; das NO2 wird zu NO reduziert. Durch diesen sich ständig wiederholenden chemischen Prozess regeneriert sich Filter kontinuierlich von selbst. Die Nano-Beschichtung verhindert, dass das Sintermetall durch eventuell auftretende Temperaturspitzen angegriffen wird, ohne die feine Porenstruktur zu verschließen. Der Filter zeigt somit eine hohe Hitzebeständigkeit, einen sehr guten Filterwirkungsgrad (>99 %) sowie sehr gute Gegendruckeigenschaften (Kraftstoffverbrauch, Motorleistung). Man bekämpft hier Nanos mit Nanos, d.h. schädliche Feinstpartikel werden durch einen Filter mit Nanobeschichtung zerstört.
5.3.6.7 Thermische Zersetzung durch Nanopartikel
Eine Möglichkeit durch Nanopartikel direkt den Aufbau von Schmutz und Ablagerungen katalytisch zu reinigen, erhält man mit „Catalytic-Clean“-Beschichtungen, die auch auf Temperatur reagieren. Ein Einsatzgebiet sind beispielsweise selbstreinigende oder leicht reinigbare Backofenbeschichtungen. Diese gliedert sich in Pyrolyseherde, Herde mit selbstreinigenden Beschichtungen und Herde mit leicht zu reinigenden Beschichtungen. Pyrolyseherde verfügen über einen Spezialreinigungszyklus bei 500 °C. Während der Pyrolyse werden die Lebensmittelverschmutzungen im Inneren des Backofens verbrannt. Der Nachteil ist eine notwendige Ausrüstung bezüglich Sicherheitsmechanismen, was zu einem erhöhten Anschaffungspreis und in einem hohen Energieverbrauch resultiert.
Abbildung 5.45: REM-Aufnahmen einer Sintermetalloberfläche: unbeschichtet (Bild links) sowie geschützt von einer NANO-Beschichtung (Bild rechts)
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Grundlagen der chemischen Nanotechnologie Selbstreinigende Beschichtungen bauen Lebensmittelverschmutzungen parallel zum Backbetrieb bei normalen Betriebstemperaturen (ab 200 °C) ab. Sie unterscheiden sich in ihrer Abbauleistungsfähigkeit. Herkömmliche Katalyseemaille-Beschichtungen haben bisher eine wenig zufriedenstellende Abbauleistung gezeigt. Neuere Entwicklungen auf Basis von porösen Nanokeramiken zeigen eine dreifach höhere Abbaurate [52]. Auch als Geruchskatalysator im Abgasstrom von Backöfen werden derartige Beschichtungen eingesetzt. Diese Schichten sind aufgrund des relativ hohen Schichtaufbaus von bis zu 100 μm meistens schwarz und wirken durch die große Oberfläche mit einer Mischung von Mikro- und Nanoporen. Eine Lösung für die Durchsichtscheibe des Backofens sind diese keramischen Schichten nicht. Auch hier bieten neue Entwicklungen der Katalyse auf Basis von alkalibasierter Silikatschichten eine Lösung (siehe Kapitel 7.4.4).
5.3.7 Toxikologie von Nanopartikeln Zur Toxikologie von Nanopartikeln ist zu sagen, dass sich der forschende Chemiker oder Lacktechnologe natürlich immer, wie auch bei konventionellen Rohstoffen, mit der Giftwirkung auf Mensch und Umwelt auseinandersetzen muss und dessen Einfluss sowie Auswirkung innerhalb der jeweiligen Anwendungsbereiche berücksichtigen muss. Da wir dies im Umgang mit Chemikalien als „normal“ ansehen, wollen wir explizit nicht auf die mühsame Diskussion zur Toxikologie von Nanopartikeln eingehen. Wie bereits erwähnt gibt es dazu keine pauschalen Erkenntnisse, sondern prinzipiell muss man sich immer mit dem Stoff auseinandersetzen, mit dem man es zu tun hat. Das gilt auch bei Nanopartikeln. Um das an einem Beispiel zu erklären. Wenn ich ihnen sage. “Naturprodukte sind gesund!“, dann würden sie das im ersten Moment sicher erstmal wohlwollend abnicken. Wenn ich ihnen dann ein Glas Tollkirchensaft anbiete, wird sich die Meinung schnell ändern. Wie bei allem kommt es auf die Menge und die Zusammensetzung an. Bei Nanopartikeln zusätzlich noch auf die Form und des Zustands, d.h. liegt der Nanopartikel in Lösung oder als agglomeriertes Pulver vor. Zu vielen nanoskaligen Materialien liegen bereits toxikologische Einschätzungen bei Aufnahme über die Haut, Lunge oder Magen-Darm-Trakt vor [53]. Bei Verwendung von Kieselsolen, TiO2- oder Al2O3-Nanopartikeln ist keine große toxikologische Überraschung zu erwarten. Böhmit-AlOOH ist teils nadelförmig. Hier lohnt sich ein zweiter Blick. Pulver nach dem Aerosil-Verfahren sind meistens sehr stark agglomeriert. Mittlerweile versuchen die Hersteller aus der Nanopartikeldefinition wieder herauszukommen, indem sie die Agglomeratgröße und nicht die Primärpartikelgröße als Grundlage nehmen.
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Chemisch-technische Grundlagen
5.4 Korrosionsschutz Fast alle Baustoffe ändern ihre Eigenschaften, wenn sie der freien Bewitterung ausgesetzt sind, z.B. durch Erosion, Verschleiß, Abrieb, Alterung, Korrosion u.a. Korrosion ist die Reaktion eines (metallischen) Werkstoffes mit seiner Umgebung, die eine messbare Veränderung des Werkstoffes bewirkt (Rost) und zu einer Beeinträchtigung der Funktion eines metallischen Bauteiles oder eines ganzen Systems führen kann (Querschnittsschwächung). Atmosphärische Korrosion ist ein Prozess, der einen Feuchtigkeitsfilm auf der Metalloberfläche voraussetzt. Nennenswerte Korrosion tritt auf, wenn die relative Luftfeuchte über 80 % und die Temperatur über 0 °C liegt. In Verbindung mit reaktiven Luftverunreinigungen und/oder hygroskopischen Salzen findet Korrosion auch bei viel niedrigerer Luftfeuchte statt. Die Lage des Bauteils beeinflusst ebenfalls die Korrosion. Durch Schmutzablagerungen, Wasseransammlungen, nicht vermeidbare Kondensfeuchtigkeit u.a. können örtlich die Korrosionsbelastungen beträchtlich verstärkt werden. Kriterien für die Korrosivität atmosphärischer Umgebungsbedingungen werden in DIN EN ISO 12944-2 angegeben (siehe Tabelle 5.6). Die tatsächlichen Anforderungen an den Korrosionsschutz sind so vielfältig wie die zu schützenden Grundmaterialien und die damit zusammenhängenden Anwendungen. Die in der Praxis am häufigsten vorkommenden Metalle sind Eisen (Stahl), Aluminium, Zink, Kupfer und Magnesium in Elementarform bzw. als entsprechende Legierungen. Die einzigen wirklich korrosionsbeständigen Metalle sind Gold und Platin, während auch Edelstahl unter korrosionsfördernden Bedingungen rosten kann. Im Prinzip müssen also alle Metalle je nach ihrem Einsatzzweck vor Korrosion geschützt werden. Da eine absolute Korrosionsbeständigkeit nicht erreicht werden kann, zielen die ergriffenen Korrosionsschutzmaßnahmen im Allgemeinen darauf, die Geschwindigkeit des korrosiven Angriffs so weit zu verringern, dass eine Schädigung des Bauteils während seiner Lebensdauer vermieden werden kann. Der Begriff Korrosion wird heute nicht mehr nur für metallische Werkstoffe, sondern auch für Glas, Kunststoffe, Baustoffe etc. angewandt. Das angreifende Medium wird als korrosives Mittel bezeichnet. Kommt es durch einen Korrosionsangriff zu einer Beeinträchtigung der Funktionalität eines Bauteils, so spricht man von einem Korrosionsschaden. Nach DIN EN ISO 8044 werden unter anderem folgende Korrosionsarten unterschieden: – Flächenkorrosion, bei der die Oberfläche gleichmäßig beschädigt wird – Muldenkorrosion, bei der die Oberfläche ungleichmäßig stark beschädigt wird – Lochkorrosion, die nur kleine Bereiche der Oberfläche zerstört – Spaltkorrosion, bei der die Werkstoffoberfläche in schmalen Spalten, z.B. in Schweißnähten, angegriffen wird
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Korrosionsschutz Tabelle 5.6: Korrosionsbelastung und Korrosivraten von Zinküberzügen durch verschiedene Atmosphärentypen (DIN EN ISO 12944-2)
Korrosivitäts kategorie
Typische Um gebung innen
C1
Geheizte Gebäude mit neutralen Atmosphären, z.B. Büros, Läden, Schulen, Hotels
C2
Ungeheizte Gebäude, in denen Kondensation auftreten kann, z.B. Lager, Sporthallen
C3
Typische Um Korrosions gebung außen belastung
Durch schnittliche Zink korrosion
unbedeutend
≤ 0,1 μm/a
Atmosphäre mit geringer Verunreinigung. Meistens länd liche Bereiche
gering
0,1 bis 0,7 μm/a
Produktionsräume mit hoher Feuchte und etwas Luftverunreinigung, z.B. Anlagen zur Lebensmittel herstellung, Wäschereien, Brauereien, Molkereien
Stadt- und Industrie atmosphäre, mäßige Verunreinigungen durch Schwefeldioxid, Küstenbereiche mit geringer Salzbelastung
mäßig
0,7 bis 2,1 μm/a
C4
Chemieanlagen, Schwimmbäder, Bootsschuppen über Meerwasser
Industrielle Bereiche und Küstenbereiche mit mäßiger Salzbelastung
stark
2,1 bis 4,2 μm/a
C 5-I
Gebäude oder Bereiche mit nahezu ständiger Kondensation und mit starker Verunreinigung
Industrielle Bereiche mit hoher Feuchte und aggressiver Atmosphäre
sehr stark (Industrie)
4,2 bis 8,4 μm/a
C-5-M
Gebäude oder Bereiche mit nahezu ständiger Kondensation und mit starken Verunreinigungen
sehr stark Küsten- und Offshore-Bereiche (Meer) mit hoher Salzbelastung
4,2 bis 8,4 μm/a
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Chemisch-technische Grundlagen Um die chemischen Korrosionsprozesse zu verhindern, gibt es verschiedene Verfahren und Vorgehensweisen, die man allgemein als Korrosionsschutz bezeichnet. Im Folgenden wird auf den metallischen Korrosionsschutz näher eingegangen. Man unterscheidet aktiven und passiven Korrosionsschutz. Eine besondere Form des passiven Korrosionsschutzes ist der temporäre Korrosionsschutz.
5.4.1 Passiver Korrosionsschutz Beim passiven Korrosionsschutz werden hauptsächlich beschichtende Maßnahmen ergriffen um den Werkstoff vor Schädigungen zu schützen. Man verwendet also Deckschichten um die Metallauslösungsreaktion zu unterbinden. Eingesetzt werden dabei entweder metallische, nichtmetallische-organische Bezüge oder organische Bezüge. Die gemeinsame Aufgabe einer jeden Schutzmaßnahme/Schutzart besteht darin, den Werkstoff absolut dicht zu schützen, da ansonsten eine verstärkte Korrosion auftreten kann. Dem passiven Korrosionsschutz geht im Allgemeinen eine entsprechende Entrostung oder Vorbehandlung der Oberfläche voraus.
5.4.1.1 Temporärer Korrosionsschutz
Während des Transports, Umschlags und der Lagerung von Versandstücken kommt es zu ungleich größeren Beanspruchungen als am Ort der Verwendung. Diese Beanspruchungen können sich z.B. in extremen Temperaturschwankungen äußern, die zur Gefahr der Schwitzwasserbildung führen. Besonders bei Seetransporten kann es durch den hohen Salzgehalt des Wassers und der Luft zu Schäden kommen, da Salze stark korrosionsfördernd wirken. Man spricht hier von den sogenannten Seesalzaerosolen. Bei temporären Korrosionsschutzmaßnahmen wird das Korrosionsschutzmittel also vor dem Gebrauch des Gegenstandes entfernt. Es dient dann nur zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit bis zur Verwendung.
Abbildung 5.46: Schema zur Entstehung von Rost
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Korrosionsschutz Häufig werden hierzu Wachse oder Öle verwendet, die zusätzlich weitere Inhibitoren enthalten. Als temporäre Schutzmaßnahme z.B. für den Transport kommen aus Papier oder Trägerfolien ausgasende flüchtige Korrosionsinhibitoren (sogenannte Volatile Corrosion Inhibitors, VCI) zum Einsatz [54]. Dieses sind Substanzen, die aus der Dampfphase heraus metallische Werkstoffe vor Korrosion schützen, indem direkt an der Metalloberfläche eine Schutzschicht gegen die Einwirkungen von Sauerstoff und/oder Wasser ausgebildet wird. Sie zeichnen sich durch einen hohen Dampfdruck bei relativ niedrigen Temperaturen aus. Es handelt sich dabei z.B. um Salze (Amine, Nitrite), die in Papier oder Trägerfolien eingebracht werden, aus denen sie dann allmählich ausgasen. Wird das zu schützende Werkstück von dieser Verpackung umschlossen, stellt sich eine mit dem Inhibitor gesättigte Atmosphäre ein. Nach dem Entpacken des Werkstückes verflüchtigt sich der Inhibitor ohne Rückstände. Darin liegt auch der wesentliche Vorteil gegenüber Schutzschichten aus Ölen oder Wachsen, die aufwendig entfernt werden müssen. Gebräuchliche Inhibitoren sind – für Kupfer: Benzotriazol bzw. Tolyltriazol (schwächere Wirkung auch auf Zink) [55] – für Eisen: Dicyclohexylammoniumnitrit sowie Dicyclohexylammoniumcarbonat [56] Wesentliche Anforderungen an ein Korrosionsschutzmittel sind Umweltverträglichkeit, guter Korrosionsschutz und einfache Anwendung.
5.4.1.2 Metall- und Metallsalzüberzüge
Beispiele für (anorganische oder metallische) Überzüge sind Konversionsschichten durch eine Phosphatierung [57], eine Eloxalschicht, eine Harteloxalschicht [58], eine Chromatierung oder andere Umwandlungsschichten mit eher nichtmetallischem Charakter. Auch galvanotechnisch oder chemisch erzeugte, metallische Deckschichten aus Zinn, Gold, Nickel, Kupfer, Chrom, Zink oder Legierungsschichten wie Nickel-Phosphor (chemisch Nickel) oder Zink-Nickel bewirken einen Korrosionsschutz. Einige Metalle sind in der Lage, „von selbst“ eine Deckschicht zu bilden, die den Grundwerkstoff schützt, wie zum Beispiel die Patina auf Kupfer oder Zink. Höheren Korrosionsschutz erhält man durch den Einsatz von Opferelektroden, dem sogenannten aktiven Korrosionsschutz.
5.4.2 Aktiver kathodischer Korrosionsschutz Grundsätzlich können Metalle über einen ebenfalls metallischen Überzug oder durch eine in der Lacktechnik generell als organisch bezeichnete Beschichtung vor Korrosion geschützt werden. Als Korrosionsschutzüberzug kann prinzipiell auch jedes Metall dienen, welches korrosionsbeständiger ist als das Grundmetall. Dies bedeutet nicht, dass der Überzug aus einem edleren Metall bestehen muss als das Grundmaterial. So ist es
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Chemisch-technische Grundlagen eines der gängigsten Verfahren, Stahl durch einen galvanisch oder im Schmelzbad (Feuerverzinken) aufgebrachten Zinküberzug (Zink ist unedler als Eisen) vor Korrosion zu schützen. Das Redoxpaar Zn/Zn2+ steht ebenso wie Al/Al3+ und Mg/Mg2+ in der elektrochemischen Spannungsreihe „links“ von Fe/Fe2+, diese sind also unedler als Eisen, jedoch können Zink oder beispielsweise auch Aluminium an der Atmosphäre durch die Ausbildung einer sehr dünnen, praktisch porenfreien Oxidschicht passiviert und die weitere Oxidation so gehemmt werden. Ein Vorteil bei der Verwendung eines im Vergleich zum Grundmaterial unedleren Überzugs ist, wie am Beispiel von Zink, dass bei Verletzung des Zinküberzugs und Freilegung der Stahloberfläche, diese in einem gewissen Umfang durch die Opferfunktion des Zinks vor Korrosion geschützt bleibt. Stahl stellt in diesem System die Kathode dar; man spricht daher von kathodischem Korrosionsschutz (siehe Abbildung 5.48). Aber auch eine passivierte Metalloberfläche wie die des Zinks wird an der Atmosphäre mit der Zeit abgetragen, so dass in der Freibewitterung die Haltbarkeit eines Zinküberzugs in Jahren etwa mit einer Dicke in Mikrometer (μm) einher geht, welche normalerweise im Bereich von ca. 5 bis 50 μm liegt.
Abbildung 5.47: Feuerverzinkung von Stahlelementen [59]
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Korrosionsschutz
5.4.2.1 Konversionsschichten
Werden höhere Ansprüche an die Korrosionsbeständigkeit gestellt, muss ein Überzug mit einer zusätzlichen Konversionsschicht versehen werden. In der Vergangenheit wurde dies vielfach durch Chromatierung mit Chrom(VI)-haltigen Stoffen erreicht. Diese sind als krebserregend eingestuft und den daraus folgenden neuen gesetzlichen Richtlinien muss der Chromatierungsprozess vielerorts ersetzt werden. Alternativen zum klassischen Chrom(VI)-Elektrolyt sind Behandlungen auf der Basis von Chrom(III)-oxid oder komplexen Fluoriden (Titan-, Zirconiumverbindungen). Eine weitere Möglichkeit zum Erzeugen einer Konversionsschicht bietet sich das Phosphatieren mit
Abbildung 5.48: Funktionsweise des kathodischen Korrosionsschutzes
Abbildung 5.49: Funktionsweise der Chromatierung
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Chemisch-technische Grundlagen Hilfe von wässrigen Phosphat-Lösungen an. Alternativ können auch Überbeschichtungen zur Verbesserung im Korrosionsschutz dienen [60].
5.4.2.2 Schutzschichten durch mehrfachen Lackauftrag
Im Stahlbau besteht ein Beschichtungssystem üblicherweise aus einer Grundbeschichtung, einer Zwischenbeschichtung und einer Deckbeschichtung. Die Grundbeschichtung sorgt für die Haftung der nachfolgenden Beschichtung auf der Oberfläche. Aktiv korrosionshemmende Pigmente (Zinkstaub, Zinkphosphat) tragen entscheidend zur Korrosionsschutzfunktion bei. Die Zwischenbeschichtung sorgt insbesondere für die Barrierewirkung des Beschichtungssystems. Entsprechende Pigmentierung (z.B. plättchenförmige Eisenglimmer) erhöht diese. Die Anzahl der Zwischenbeschichtungen richtet sich nach den Anforderungen an das Objekt. Die Deckbeschichtung hat sowohl eine korrosionsschutztechnische als auch eine dekorative Funktion. Sie ist für die Wetterbeständigkeit des Systems verantwortlich und muss UV-Strahlung, Chemikalien, Abrieb und aggressiver Atmosphäre ausreichenden Widerstand leisten. Grund-, Zwischen- und Deckbeschichtungen können heute so aufeinander abgestimmt werden, dass ein optimaler Korrosionsschutz erreicht wird. Je nach Korrosionsbelastung des Objekts und gewünschter Schutzdauer erreichen die Beschichtungen unterschiedliche Schichtdicken, die zwischen 80 und 320 μm liegen können. So kann im Innern beheizter Gebäude (Korrosivitätskategorie C1) bereits mit einer Sollschichtdicke von 80 μm ein Langzeitschutz von mehr als 15 Jahren erzielt werden. Bei Industrieanlagen (Korrosivitätskategorie C5-I) oder im Küsten- bzw. Offshore-Bereich (Korrosivitätskategorie C5-M) hingegen, wo die Korrosionsbelastung am höchsten ist, ist für den langfristigen Schutz eine vier Mal so hohe Schichtdicke und nicht zuletzt auch eine andere Bindemittelbasis der Beschichtung erforderlich. Die Qualität eines Beschichtungssystems hängt wesentlich von der Beschaffenheit der zu beschichtenden Oberfläche ab. Hierzu werden in DIN EN 12944-4 unbeschichtete Oberflächen, Oberflächen mit thermisch gespritztem Überzug aus Zink, Aluminium oder deren Legierungen, feuerverzinkte und galvanisch verzinkte Oberflächen, sherardisierte Oberflächen (ein besonderes Verfahren zur Verzinkung von Kleinteilen) sowie Oberflächen mit Fertigungsbeschichtungen und andere beschichtete Oberflächen behandelt, siehe DIN EN ISO 12944-5 (Beschichtungssystem, Anwendungszweck, Umgebungsbedingungen, geforderte Schutzdauer). „Klassisch“ besteht ein Beschichtungssystem aus einer Grundbeschichtung (GB), einer Zwischenbeschichtung (ZB) und einer Deckbeschichtung (DB). Jede dieser Schichten hat im System eine bestimmte Funktion. Die Grundbeschichtung stellt das Fundament zum Substrat, der zu beschichtenden Oberfläche, dar und dient dem Korrosionsschutz und der Haftvermittlung zwischen zu beschichtender Oberfläche und der Zwischenbeschichtung. Sie übernimmt durch ihre Pigmentierung (z.B. Zinkstaub) die wesentliche Korrosionsschutz-Funktion. Meistens werden
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Korrosionsschutz hier Epoxidharze verwendet. Diese haben eine sehr gute Wasserbeständigkeit, jedoch normalerweise nur eine mäßige bis schlechte UV- und Witterungsbeständigkeit und müssen daher mit einem UV-beständigen Decklack oder einer Zwischenbeschichtung, meistens auf Polyurethan- bzw. Polyesterbasis überbeschichtet werden. Die auf die Grundbeschichtung folgende Zwischenbeschichtung hat eine Reihe von Aufgaben. Sie erhöht die Korrosionsschutzwirkung über die Barrierewirkung (hohe Schichtdicke und/oder plättchenförmige Pigmente), gleicht verarbeitungsbedingte Unebenheiten aus und verbessert ggf. die Deckkraft und Brillanz der Deckbeschichtung. Die Anzahl an Zwischenbeschichtungen richtet sich nach den Anforderungen an das Objekt. Die Deckbeschichtung ist u.a. verantwortlich für die optischen Eigenschaften wie Farbgebung, Glanz- und Reflexionsverhalten. Als äußere Hülle des Beschichtungssystems ist sie als erste allen Belastungen wie UV-Strahlung, aggressive Atmosphäre, Chemikalien und/ oder Abrieb ausgesetzt. Neben den bereits beschriebenen Beschichtungssystemen haben auch die sogenannten Duplex-Systeme ihre Bedeutung im Korrosionsschutz. Hierbei wird durch eine Feuerverzinkung in Kombination mit einem Beschichtungssystem eine erheblich größere Schutzdauer erzielt, als es die Summe der Schutzdauer von Feuerverzinkung und Beschichtungssystem erwarten lässt. Einwandfreie Haftfestigkeit der Beschichtung auf Feuerverzinkung wird dabei vorausgesetzt. Mit dieser Vielzahl an Systemen ist ein differenzierter Korrosionsschutz, abgestimmt auf den Erstschutz oder die Sanierung, die Korrosionsbelastung und Schutzdauer, Investitions- und Unterhaltungskosten möglich [61]. Im Fachbereich Korrosionsschutz und hier besonders im schweren Korrosionsschutz, aber auch im Automobilbau findet man einen über viele Jahrzehnte gewachsenen Wissensstand von optimierten Systemen mit zielgerichteten Eigenschaften, die auf deren Anforderungen und Robustheit abgestimmt sind. Alternativ zu den sehr hohen Schichtdicken der Mehrschichtsysteme können auch Zinklamellenüberzüge für einen dauerhaften Korrosionsschutz eingesetzt werden.
5.4.3 Zinklamellenüberzüge Da elektrolytisch verzinkte Oberflächen einen vergleichsweise geringen Korrosionsschutz bieten, und bei galvanischen Zinkschichten auf hochfestem Stahl (z.B. hochfeste Schrauben mit Festigkeitsklasse 10.9 und 12.9) die Gefahr der Wasserstoffversprödung besteht, brauchte die Industrie ein anderes Korrosionsschutzsystem. Hochfeste Stahlteile wie Schrauben mit hohen Festigkeiten oder Konstruktionsteile mit Zugfestigkeit >1000 N/ mm² sind anfällig für Wasserstoffversprödung. Galvanische Beschichtungsverfahren und Beizen mit Säuren haben einen großen Einfluss bei der Entstehung wasserstoffinduzierter Sprödbrüche.
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Chemisch-technische Grundlagen In den 1970er Jahren wurden in den USA Zinklamellenüberzüge als Beschichtungssysteme entwickelt. Trotz der geringen Schichtdicke von typischerweise 8 bis 12 μm erreichten diese Systeme einen hohen Korrosionsschutz und ermöglichten die Vermeidung der Wasserstoffversprödung. Zinklamellenbeschichtungen [62] bieten einen sehr guten Korrosionsschutz für Bauteile im Schüttgutbereich und erfolgen im sogenannten Tauch/Schleuderverfahren. In diesem Verfahren können Stahl, Eisenwerkstoffen, verzinkter Stahl sowie Zink- und Aluminiumwerkstoffe beschichtet werden [63,64]. Der Schichtaufbau besteht in den meisten Fällen aus einer Grund- und Deckschicht. Der anorganische Basecoat (Grundschicht) besteht zu mehr als 85 % aus Zink- und Aluminiumpigmenten. Durch die Fernwirkung des enthaltenen Zinks wird ein kathodischer Korrosionsschutz erzielt. Darüber hinaus bilden die im trockenen Film entstandenen Zink- und Aluminiumlamellen eine Diffusionsbarriere, die den Einfluss von Korrosionsmedien, wie Sauerstoff, Elektrolyte etc. verringern und somit die Schutzdauer des gesamten Systems erhöhen. Eine weitere positive Eigenschaft ist die elektrische Leitfähigkeit. Als Topcoat (Deckschicht) stehen im Stand der Technik organische und anorganische Lacksysteme oder Versiegelungen zur Verfügung, welche einen guten Schutz vor mechanischen und chemischen Einwirkungen bieten. Der Schutz vor Kontaktkorrosion wird erhöht, und die Abriebbeständigkeit wird deutlich verbessert. Integrierte Trockenschmiermittel, wie z.B. Wachse ermöglichen darüber hinaus eine Einstellbarkeit der Reibungszahlen. Im kombinierten Einsatz bieten diese Zinklamellensysteme einen sehr guten Korrosionsschutz und zusätzlich eine Chemikalienbeständigkeit, die vergleichbaren Systemen überlegen ist. Korrosionsschutzwerte von mehr als 720 Stunden Salzsprühnebeltest sind je nach Geometrie und Grundmaterial des zu beschichtenden Bauteils möglich. Die gebräuchlichsten Schichtstärken sind im Mittel 6 bis 25 μm. Die Einbrenntemperaturen liegen zwischen 180 und 250 °C. Als Vorbehandlung wird je nach Spezifikation eine alkalische Entfettung, Kugelstrahlen oder Zinkphosphatierung im Trommelverfahren eingesetzt [65]. Die Anforderungen an Zinklamellenüberzüge werden in der internationalen Norm ISO 10683 [66] und auch in der europäischen Norm DIN EN 13858 festgelegt. DIN EN ISO 10683 legt die Anforderungen an Zinklamellenüberzüge für Verbindungselemente mit Gewinde fest, und DIN EN 13858 beschreibt die Anforderungen an Zinklamellenbeschichtungen für Verbindungselemente ohne Gewinde und auch für andere Bauteile. Da Cr(VI) auf der Verbotsliste steht, sind insbesondere die chromfreien Zinklamellenüberzüge von Interesse. In den 1980er und 1990er Jahren verbreitete sich die Anwendung dieser Beschichtungssysteme. Die Automobilindustrie benötigt Beschichtungssysteme mit hoher Korrosionsbeständigkeit und weil Zinklamellenüberzüge keinen Wasserstoff im Prozess erzeugen, wurden sie als Alternative zu galvanischen Oberflächen bei kritischen Anwendungen benutzt. Heute werden diese Beschichtungen für Verbindungselemente und andere Bauteile in der Automobilindustrie bevorzugt, weil sie verschiedene Vorteile bieten:
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Korrosionsschutz – gute Optik (Farbgebung) – einen sehr guten Korrosionsschutz (240 h bis 1500 h im Salzsprühtest nach DIN EN ISO 9227, je nach Anforderung) – Temperaturbelastung bis 300 °C – gute Chemikalienbeständigkeit – Umweltfreundlichkeit – Reibungseigenschaften (bei Schrauben und Muttern), meistens durch eine Deckschicht – kein Warmlöseverhalten – keine Gefahr von Wasserstoffversprödung bei hochfesten Verbindungselementen – elektrische Leitfähigkeit Neben den Anwendungen in der Automobilindustrie findet man diese Beschichtungssysteme auch bei Windkraftanlagen, in der Bauindustrie, Elektrotechnik (Anlagenbau), LKW und auch in weiteren Märkten. Im Gegensatz zu Lacken, bei denen die Gefahr der Unterwanderung besteht, wird dieses Phänomen durch die Opferwirkung des Zinks verhindert. Zinklamellenüberzüge erzielen beim Salzsprühtest bessere Ergebnisse als eine typische galvanische Zinkbeschichtung, die beim Salzsprühtest (meist nach DIN EN ISO 9227 [67]) oft nur 96 h bis 200 h erreichen. Bei einem derartigen Vergleich ist jedoch zu berücksichtigen, dass durch Anwendung von Salzsprühprüfungen auf Stahl mit Zinküberzug kein realistisches Ergebnis erreicht werden kann, weil diese Sprühprüfungen den Versagensmechanismus beschleunigen [68]. Die Beschichtungsmaterialen werden in flüssiger Form geliefert und müssen vor der Anwendung für die gewünschte Applikation vorbereitet werden. Viskosität, Temperatur und Rührzeit vor der Anwendung spielen hier eine wichtige Rolle. Typische Auftragsverfahren sind Tauch-Schleuderverfahren, Sprühverfahren, Gestell-Tauch-Schleudern oder Tauch-Ziehen. Stahlteile, die mit Zinklamellenüberzügen beschichtet werden können, sind z.B. Schrauben, Muttern, Federn und Bleche sowie Konstruktionsteile. Bei Windkraftanlagen (siehe erneuerbare Energie) werden diese Beschichtungen für Verbindungselemente mit Gewinde eingesetzt. Dieses prinzipielle Wissen über Korrosion und Korrosionsschutz soll eine Hilfe sein, die Technologien zur Abbildung 5.50: Schrauben mit ZinklamellenbeHerstellung silanbasierter Rohstoffe schichtung
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Chemisch-technische Grundlagen nachvollziehen zu können. Das nächste Kapitel beginnt mit den Grundlagen der ältesten bekannten Chemie basierend auf Silanen, der Siliconchemie. Im Gegensatz zur Sol-GelChemie (siehe Kap. 5.6) werden bei der Siliconchemie der größte Teil der Reaktionen bereits im Betrieb durchgeführt. Der Kunde erhält ein vorkondensiertes Öl oder Polymer, einerseits zur Anwendung, andererseits zur Weiterverarbeitung.
5.5 Grundlagen der Siliconchemie Silicone, chemisch korrekter Poly(organo)siloxane, ist eine Bezeichnung für eine Gruppe synthetischer Polymere, bei denen Siliciumatome über Sauerstoffatome verknüpft sind (Si-O-Si). Der englische Chemiker Frederic Stanley Kipping prägte den Begriff „Silikone“ (Silicone) Anfang des 20. Jahrhunderts. Silicone gehören zur Gruppe der Silicium-organischen Verbindungen. Diese bestehen einerseits aus einem charakteristischen, anorganischen Gerüst und unterschiedlichen organischen Reste andererseits. Silicone nehmen eine Zwischenstellung zwischen anorganischen und organischen Verbindungen ein, insbesondere zwischen anorganischen Silikaten und organischen Polymeren. Es sind anorganisch-organische Hybride, die ein besonderes Eigenschaftsspektrum aufweisen, das bisher von keinem anderen Kunststoff erreicht wurde. In der Natur kommen ausschließlich anorganische Siliciumverbindungen vor: Siliciumdioxid, Silikate und Kieselsäure. Alle anderen Siliciumverbindungen einschließlich der Silicone sind synthetischen Ursprungs. Der US-amerikanische Chemiker Eugene G. Rochow und der deutsche Chemiker Richard Müller fanden im Jahre 1940 nahezu gleichzeitig eine Möglichkeit zur großtechnischen Herstellung der Chlormethylsilane, die wichtigsten Vorprodukte zur Herstellung der Silicone. Das Verfahren wird heute als Müller-Rochow-Synthese (siehe Kapitel 4.2.1) bezeichnet. Der größere Anteil der erzeugten Silicone entfällt auf Siliconelastomere. Der restliche verteilt sich auf Siliconflüssigkeiten und -fette sowie Siliconharze und Spezialprodukte. Neuere Entwicklungen betreffen den Einsatz neuer Monomere mit organofunktionellen Gruppen (Chloraromaten, Abbildung 5.51: Dichlordimethylsilan, der Grundstein vieler Silicone Estern, Epoxiden, Vinyl-, Allyl-, Amino-, Car-
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Grundlagen der Siliconchemie boxy- oder Alkoxygruppen), die Einbeziehung von Silazanen, Boraten, Carboranen, von Silanen mit leicht hydrolysierbaren Gruppen (Alkoxy, Acetoxy) für Haftvermittler, von Polyethergruppen für Silicontenside usw. Silicone bestehen aus einzelnen Siloxaneinheiten (Si-O-Si). Dabei sind die Siliciumatome, die durch das Ausbilden von Bindungen zu Sauerstoff ihre Elektronenschale nicht zum Oktett auffüllen können, mit organischen Resten abgesättigt. Die feststehende und charakteristische Siloxaneinheit der Silicone führt dazu, dass jedes Sauerstoffatom als Brückenglied zwischen je zwei Siliciumatomen liegt: RnSiO(4–n)/2 mit n=0, 1, 2, 3, und R = Methyl, Ethyl, Propyl usw. Die Siloxaneinheit kann am Siliciumatom je nach Anzahl der frei gebliebenen Valenzen ein bis drei weitere Substituenten aufweisen, sie kann also mono-, di- und trifunktionell sein. Wie bei den organischen Polymeren basiert die Vielzahl der möglichen Verbindungen darauf, dass verschiedene Siloxaneinheiten im Molekül auf unterschiedlichste Weise räumlich miteinander verknüpft werden können. In Folge dessen kann man wesentliche Strukturen unterscheiden: – lineare Polysiloxane, z.B. Poly(dimethylsiloxan), auch PDMS abgekürzt – cyclische Polysiloxane – verzweigte Polysiloxane – organisch vernetzte (Poly-)Siloxane Siliconflüssigkeiten sind klar, geruchs- und farblos. Diese Verbindungen weisen eine niedrige Oberflächenspannung auf und sind aufgrund ihrer Hydrophobie in der Regel mit Wasser nicht mischbar. An Luftsauerstoff sind sie dauerhaft bis ca. 180 °C wärmebeständig. In einem Temperaturbereich zwischen −60 °C und +200 °C zeigen sie gute Schmiereigenschaften, jedoch sind diese geringer als die von Mineralölen.
Abbildung 5.52: Polysiloxan
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Chemisch-technische Grundlagen Flüssige Silicone werden als Entschäumer z.B. in Dieselkraftstoff eingesetzt, aber auch als Hydraulikflüssigkeit, als Formtrennmittel, als Additiv für spezielle Druckfarben, zum Hydrophobieren von Glas (z.B. in der Pharmazie), auf Textilien und Leder sowie als Gleitmittel für die Gummi- und Kunststoffherstellung. Flüssigsilicone dienen auch als Schmiermittel in Kunststoffgetrieben, als Polierglanzmittel für Autolacke, Leder und Möbel, zur Verhinderung des Ausschwimmens von Pigmenten in Farblacken, als Manometerflüssigkeit sowie als Bestandteil von Metallputzmitteln. In Medizin und Kosmetik dienen Siliconflüssigkeiten als Bestandteil von Kosmetika, Salben, Massageölen, Implantaten und Haarpflegeprodukten. Durch Zugabe von Verdickern und Füllstoffen lassen sich aus den Siliconflüssigkeiten Siliconpasten bzw. Siliconfette herstellen. Siliconpasten werden für empfindliche Metallund Apparateteile als Schutz- und Dichtungspaste verwendet. Siliconharze gelangen gewöhnlich in vorkondensierter Form in den Handel. Werden sie zu Lacken verarbeitet, löst man sie in organischen Lösemitteln wie z.B. Butanol oder Xylol. Zum Teil werden sie auch mit organischen Harzen, wie z.B. Alkyd-, Epoxid-, Melamin-, Phenol- und Polyesterharzen, kombiniert („verkocht“), um Glanz, Oberflächenhärte, Deckvermögen, Pigmentverträglichkeit sowie Wärme- und Chemikalienbeständigkeit zu verbessern. Copolymerisate aus niedermolekularen, hydroxyfunktionellen Siliconen mit Polyestern, Alkyd- oder Acrylharzen bezeichnet man auch als Siliconkombinationsharze. Diese werden auch zu der sogenannten Siliconemaille, einer dekorativen, hitzebeständigen Beschichtung für Pfannen, Töpfe und Küchengeräte verarbeitet. Siliconharz-Einbrennlacke werden aus Polysiloxanen hergestellt, sie dienen als Bindemittel für Lackfarben, hitzebeständige Glasfaser-Dämmstoffe sowie Keramikbeschichtungen und werden bei Temperaturen von etwa 250 °C ausgehärtet. Als Lösemittel dienen unter anderem Toluol und Xylol. Ferner werden sie aufgrund ihrer guten Isolationseigenschaften als Isolierlacke für elektrische Spulen und zum Vergießen und Verkapseln elektronischer Bauelemente verwendet. Da Siliconharze generell mit Hilfe von Kondensationskatalysatoren und bei erhöhter Temperatur kondensiert (gehärtet) werden müssen, kann man sie den Einbrennharzen zuordnen. Bei Temperaturen zwiAbbildung 5.53: Tetramethoxysilan TMOS
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Der Sol-Gel-Prozess schen 250 °C und 600 °C zersetzt sich das Siliconharz unter Bildung von Kieselsäure. Diese gibt ggf. mit den beigemischten Pigmenten (Zink, Aluminium, Glimmer) einen beständigen, korrosionsschützenden Oberflächenfilm, z.B. zum Rostschutz bei Auspuffrohren. Silicone kommen in der Natur nicht vor. Laut Öko-Test sind Silicone zwar schwer abbaubar, jedoch ungiftig. Laut Umweltbundesamt bauen sich längerkettige Siliconöle, insbesondere die überwiegend eingesetzten Polydimethylsiloxane (PDMS), in feuchten Sedimenten so langsam ab, dass sie auch nach Jahrzehnten als Marker für anthropogene Aktivitäten dienen können [69]. Der Abbau werde durch Tonminerale katalysiert und lieferte das wasserlösliche Monomer Dimethylsilandiol, welches in der Atmosphäre photolytisch und im Boden biologisch durch Mikroben zu Siliciumdioxid und Kohlendioxid abgebaut wird. Die Verarbeitung von Silanen, ausgehend vom Monomer und den Möglichkeiten zur Modifikation von Oberflächen und Partikeln, aber auch zur Herstellung von Beschichtungen, ist Thema des Kapitels 5.6.
5.6 Der Sol-Gel-Prozess Ein Spezialfall eines Silanes ist das Tetramethoxysilan (TMOS, Abbildung 5.53). Es bildet in der kondensierten Form ein reines SiO2-Netzwerk, ohne organische Modifizierung. Aus diesem Grund eignet sich TMOS besonders gut, um die Prinzipien von Hydrolyse und Kondensation über den Sol-Gel-Prozess zu erklären. er Sol-Gel-Prozess stellt allgemein ein Verfahren zur Synthese anorganischer Netzwerkstrukturen dar. Zur besseren Übersicht wird im ersten Schritt in einer vereinfachten Darstellungsform die säurekatalysierte Hydrolyse und Kondensation von TMOS gezeigt [70]. Wie man in Abbildung 5.54 erkennt, werden die Methoxygruppen säurekatalysiert unter Wasserverbrauch abgespalten und zu reaktiven OH-Funktionen umgesetzt, die in
Abbildung 5.54: Modellhafte Darstellung der Hydrolyse und Kondensation von Tetramethoxysilan (TMOS). Unter Säurekatalyse wird Methanol abgespalten und unter Addition von Wasser entsteht ein Silanol (Si-OH)
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Chemisch-technische Grundlagen einem zweiten Schritt unter Wasserabspaltung mit einander zu einem Netzwerk kondensieren können. Tatsächlich sind die Reaktionen wesentlich komplexer als in Abbildung 5.54 und Abbildung 5.55 dargestellt, wie im Folgenden näher erläutert wird. Im Primärschritt werden monomere Kieselsäureester, wie beispielweise TMOS, aber auch andere Metallalkoxide, über einen Hydrolyseprozess in reaktive monomere Hydroxyverbindungen überführt. Gleichung 5.6:
Me(OR)n + m H2O Me(OR)n-m(OH) + m ROH wobei
Me = (Halb-)Metalle Si, Al, Ti, Zr, ... R = organischer Rest
Die so erhaltenen reaktiven Monomere sind nun fähig sich über Kondensationsreaktionen zu verknüpfen. Diese Prozesse können mit Hilfe der Gleichungen Gleichung 5.7 und Gleichung 5.8 beschrieben werden: Gleichung 5.7:
≡ Me—OH + HO—ME ≡ ≡ Me—O—ME ≡ + H2O Gleichung 5.8:
≡ Me—OH + RO—ME ≡ ≡ Me—O—ME ≡ + ROH wobei
Me = Si, Al, Ti, Zr, ... R = organischer Rest, z.B. Ethyl, Methyl, Propyl usw.
Abbildung 5.55: Kondensation zweier TMOS-Hydrolysate zu einem Siloxan (Si-O-Si)
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Der Sol-Gel-Prozess Die Reaktionsgeschwindigkeiten der Kondensationsreaktionen in den Gleichungen Gleichung 5.7 und Gleichung 5.8 werden über das Medium, die Konzentration und die Temperaturen beeinflusst und laufen nach Start der Hydrolyse parallel ab [71]. Durch die unterschiedlichen Hydrolysestufen der Alkoxide gemäß Gleichung 5.6, können durch den darauf folgenden Kondensationsschritt in vielfältiger Weise kolloidal gelöste Oligomere entstehen (Sol-Zustand), die ihrerseits zu dreidimensionalen Polymerstrukturen vernetzen (Gel-Zustand) [72]. Die Sol-Phase kann als Durchgangsstadium zu einem dreidimensionalen Netzwerk mit geeigneten Methoden stabilisiert werden. Dazu sind eine Kontrolle der Reaktionsbedingungen und die Kenntnis der entsprechenden Einflussfaktoren auf die Hydrolyse- und Kondensationsabläufe im Sol-Gel-Prozess notwendig. Untersuchungen zur Hydrolyse- und Kondensationsreaktion von Tetramethoxysilan (TMOS) haben gezeigt, dass der pH-Wert einen entscheidenden Einfluss auf die Hydrolyse- und Kondensationsgeschwindigkeiten von Alkoxyverbindungen ausübt [71]. Es wurde festgestellt, dass im pH-Bereich zwischen pH 0 und 2 unter den gewählten Bedingungen das Gleichgewicht der Reaktionen Hydrolyse-Kondensation auf Seite der Hydrolyse liegt, d.h. es bilden sich Strukturen mit hohem Hydrolysegrad und niedrigem Kondensationsgrad. Bei vergleichbaren Bedingungen im alkalischen pH-Bereich liegt das Gleichgewicht auf der Seite der Kondensation, d.h. nach langsamer Bildung von Hydrolysaten setzt unmittelbar die Kondensationsreaktion ein, wodurch separate hochvernetze Polysiloxaneinheiten gebildet werden, deren Endgruppen durch unvollständige Hydrolyse geprägt sind (hoher Restanteil -Si(OR)x, siehe Abbildung 5.56) [73-74]. Dies spielt z.B. auch bei der Herstellung von Nanopartikeln aus den Alkoxiden eine sehr große Rolle, die im Allgemeinen im alkalischen Milieu erfolgt. Weitreichende Grundlagenuntersuchungen haben ergeben, dass die Struktur der ausbildenden Kondensate außer vom pH-Wert des Reaktionsmediums, von der Art des Lösemittels, der Art und Kettenlänge der Alkoxyfunktion (Methyl, Ethyl usw.), von den Konzentrationen, der Temperatur, der Art und Konzentra- Abbildung 5.56: Strukturmodell anorganischer Netzwerkstrukturen in verschiedenen pH-Bereichen
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Chemisch-technische Grundlagen tion des Katalysators, Abdampfgeschwindigkeiten sowie der zugesetzten Wassermenge abhängen [71] [75-81]. Schon im neunzehnten Jahrhundert wurden erste Arbeiten zur Hydrolyse von Tetraethylorthosilikat (Si(OEt)4, TEOS) publiziert, die zu SiO2-Solen führen [82-84]. In den 1950er Jahren wurden dann die ersten kommerziellen SiO2-Pulver auf Sol-Gel-Basis entwickelt [85]. Die Verfahren wurden mittlerweile so optimiert, dass Sole aus nanoskopischen SiO2-Partikeln im Größenbereich von 5 bis 50 nm entstehen. Diese Sole verwandeln sich beim Filmgießen oder Spin-Coating auf Substraten zunächst durch Partikelaggregation in Lyogele. Aus diesem Zustand können Keramikfasern gesponnen werden. Meistens wird das Lyogel zum Xerogel1 getrocknet, das dann zur Keramik versintert wird [85-88]. Da die Nanopartikel aus dem Gelzustand, der in allen Prozessstadien in wohldefinierter Weise eingestellt und kontrolliert werden kann, sehr kompakt versintert werden können, entstehen hochfeste Keramiken (siehe Abbildung 5.57). Besondere Beachtung findet die Struktur der Gele. Das Lyogel besteht aus einer Matrix des Dispergiermittels, die von einem SiO2-Perkolationsnetzwerk durchzogen wird. Dieses Lyogel entspricht exakt der Definition eines Gels: Gele sind leicht deformierbare, aber formbeständige disperse Systeme, die aus einem festen, lockeren dreidimensionalen Netzwerk bestehen, das die Matrix des Dispergiermittels durchzieht.
Abbildung 5.57: Umsetzung von Tetramethoxysilan (TMOS) über den Sol-Gel-Prozess: durch Hydrolyse und Kondensation bildet sich ein Sol, welches durch Alterung bzw. Trocknung in den Gelzustand überführt wird. Durch Trocknung bei erhöhter Temperatur (Sinterung) ensteht hieraus SiO2 1 L yogele sind feste, gelartige Phasen mit einem dreidimensionalen Netzwerk, deren Poren mit einer Flüssigkeit bzw. einem Lösemittel gefüllt sind. Handelt es sich bei der Flüssigkeit um Wasser, so spricht man auch von einem Hydrogel. Wird durch einen Trocknungsprozess das flüssige Medium in den Poren gegen ein Gas (Luft) ausgetauscht, so erhält man ein Xerogel (siehe Abbildung 5.58).
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Der Sol-Gel-Prozess Vereinfacht heißt das: ein Lösemittel durchtränktes, vorkondensiertes Netzwerk (in unserem Fall silikatisch) mit der Konsistenz von Wackelpudding, der ebenfalls eine Gelstruktur hat. Jeder Chemiker, der sich mit der Sol-Gel-Chemie auseinandersetzt, wird, ohne es zu wollen, früher oder später seine Erfahrungen mit der Gelbildung machen. Xerogele, d.h. die Produkte nach Trocknung des Lyogels, bestehen am Beispiel der Silikate nur noch aus aggregiertem SiO2. Da trifft die allgemeine Gel-Definition eigentlich schon nicht mehr zu, da das Medium fehlt, das dem Gel seine Wackelpudding-Konsistenz verleiht. Beim Trocknen des Lyogels zum Xerogel bleibt das fraktale, vorvernetzte SiO2-Netzwerk lokal noch erhalten, insgesamt schrumpft der Körper aber meistens zusammen. Das Xerogel wird schließlich in einem Aushärtungsschritt, in dem die Kondensation vervollständigt wird, zur kompakten, monolithischen Keramik versintert. In Spezialfällen kann das Netzwerk des Lyogels das Trocknen sogar unzerstört überstehen. Beim Trocknen unter überkritischen Bedingungen gelingt es, das Dispergier- bzw. Lösemittel aus den Lyogelen so schonend zu entfernen, dass das nackte Netzwerk als hochporöses Aerogel – ein mit Luft gefülltes Xerogel – zurückbleibt (mit einer sehr geringen Dichte um 0,08 g/cm3) [89]. Diese können beispielsweise auch als Absorber, Filter oder Trocknungsmittel eingesetzt werden. Mit verschiedenen Varianten des Sol-Gel-Verfahrens wurden außer Silikat- auch Titanat, Zirkonat- und Aluminatkeramiken und -Oberflächenbeschichtungen hergestellt. Nicht immer werden bei Sol-Gel-Synthesen Nanopartikel angestrebt. Mikropartikel mit Durchmessern über 100 nm sind sogar in noch viel größerer Vielfalt hergestellt worden, nicht nur als Oxide, sondern auch als Salze verschiedenster Art. Abhängig vom Precursor und
Abbildung 5.58: Synthese von einem Xerogel aus dem Solzustand über die Zwischenstufe des Lyo- bzw. Hydrogels
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Chemisch-technische Grundlagen den Reaktionsbedingungen entstehen Partikel recht einheitlicher Größe als Kugeln, aber auch in anisotropen Formen wie Nadeln, Polygonen oder Plättchen [90]. Aus den Rezepturen in der Literatur geht hervor, dass es für die Herstellung solcher Partikel meistens weder chemische noch physikalische Leitlinien oder Modelle gibt. Als Ausnahme ist das SiO2 anzusehen, bei dem die kontrollierte Herstellung extrem wohldefinierter Mikropartikel gelungen ist. Die Sol-Gel-Synthese von Solen mit monodispersen, Mikro- und Nano-SiO2-Partikeln mit Kugelgestalt wurde bereits 1968 von Stöber (siehe Kap. 5.3.3.5) beschrieben und ist als Stöber-Prozess in die Literatur eingegangen [91]. Initiiert durch die Arbeiten von Stöber bekam die Herstellung und Stabilisierung von silikatischen Solen bereits seit Anfang der 1970er Jahre eine große praktische Bedeutung, da die Sol-Zwischenstufen beispielsweise – als Beschichtungsmaterialien, – als Medium zur Oberflächenmodifizierung von Nanopartikeln oder – als Herstellungsreaktion für Nanopartikel
Abbildung 5.59: Methyltrialkoxysilan als Beispiel eines Netzwerkwandlers in der Sol-Gel-Chemie
Abbildung 5.60: Hydrolyse
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verwendet werden können. Diese Partikel waren und sind für Anwendungen in Dispersionen und Kompositen gedacht, wo sie in partikulärer Form dispergiert sein sollen, weshalb die bei der Keramikherstellung so wichtige Gel-Bildung vermieden werden musste. Die Sol-Gel-Chemie bietet neben der Partikelsynthese durch den Einbau organischer Seitenketten ein wesentlich
Der Sol-Gel-Prozess größeres Anwendungsgebiet. Das Spektrum reicht von anorganisch-glasartigen Materialien zu anorganisch-organischen Kompositmaterialien.
5.6.1 Netzwerkwandler zur Flexibilisierung des anorganischen Netzwerkes Eine Besonderheit des Siliciums ist seine Fähigkeit organische Seitenketten kovalent anzubinden. Man hat die Möglichkeit die Prinzipien der anorganischen und der organischen Chemie in einem Molekül zu verbinden. Über den Sol-Gel-Prozess erhaltene Werkstoffe, bei denen in ein anorganisches Netzwerk kovalent organische Gruppen eingebaut werden, bezeichnet man auch als anorganisch-organische Komposite [92]. Diese werden über Hydrolyse- und Kondensationsreaktionen, z.B. ausgehend von modifizierten Siliciumalkoxiden, erhalten. Im Folgenden wird das Modell von Hydrolyse- und Kondensationsschritt am Beispiel des Methyltrialkoxysilans dargestellt (siehe Abbildung 5.60 und 5.61) [93]. Durch die Kondensationsprozesse in Abbildung 5.61 erhält man ein dreidimensionales Netzwerk mit einem organisch modifizierten anorganischen Gerüst, dessen Eigenschaften, je nach Art des organischen Restes, von ihm bestimmt werden kann [93]. Die kontrollierbaren Phasendimensionen der anorganisch-organischen Komponenten liegen in der Regel im Molekular- bis Nanometerbereich (≤ 5 nm). Da die Aushärtungstemperaturen niedriger sind als die Zersetzungstemperaturen der organischen Materialien, besteht die Möglichkeit zur Darstellung von Mehrkomponentenmaterialien. Der drastische Rückgang der Verdichtungstemperaturen bei organisch modifizierten Netzwerken im Vergleich zu rein anorganischen Netzwerken ist auf die Vergrößerung der Relaxationsmöglichkeiten durch Netzwerkwandlern zurückzuführen. Induktive bzw. elektronische Beeinflussungen der Reaktivitäten lassen sich durch Untersuchungen von Organoalkoxysilanen (RxSi(OR’)(4-x)) nachweisen.
Abbildung 5.61: Kondensation
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Chemisch-technische Grundlagen Die Hydrolysegeschwindigkeit von organisch modifizierten Alkoxysilanen mit kurzen Alkylgruppen R am Silicium ist im säurekatalysierten Fall deutlich höher, als die der entsprechenden Tetraalkoxysilane [94]. Als Mechanismus wird eine SN 1-Reaktion über ein Siliconium-Kation (≡ Si+) angenommen, die durch die kovalent gebundenen Alkylgruppen durch induktive Effekte (+I-Effekte) stabilisiert werden und eine schnelle Addition des Wassers ermöglichen (siehe Abbildung 5.62). Bei Untersuchungen bezüglich der Reaktionsgeschwindigkeit von Trialkoxysilanen wurde festgestellt, dass diese in gepufferten wässrigen Systemen sowohl unter saurer als auch unter basischer Katalyse beschleunigt gegenüber Tetraalkoxysilanen abreagieren [95, 96]. Neben dem sterischen Effekt einer nicht hydrolysierbaren Seitengruppe R erfolgt auch durch den +I-Effekt, den die Kohlenstoffkette ausbildet, eine Stabilisierung der hydrolysierten Phase. Demzufolge ist die Kondensationsgeschwindigkeit gegenüber Tetraethoxysilan wesentlich verlangsamt [97]. Durch die organischen Seitenketten wird der Sol-Gel-Prozess also derart gesteuert, dass nach einer beschleunigten Hydrolyse ein Sol mit einer geringeren Kondensationsneigung entsteht. Man nutzt dies zur Herstellung von niedrigsinternden Beschichtungslösungen. Die einfachste Modifizierung ist das Methyltriethoxysilan (MTEOS), bei dem eine Ethoxygruppe durch eine Methylgruppe ersetzt ist (vgl. Abbildung 5.62 oben Ethyl statt Methyl am O-Atom). Trägt man solche MTEOS-Sole auf Oberflächen auf und härtet sie in einem Umluftofen, bekommt man transparente, relativ abriebfeste Filme, die auch bei Schichtdicken >5 μm keine Rissbildung zeigen. Im Vergleich dazu zeigen gehärtete Schichten aus hydrolysiertem Tetraethoxysilan (TEOS) bereits bei 0,5 μm Haarrisse.
Abbildung 5.62: Hydrolyse eines Organosilans über den SN1- und SN2-Mechanismus. Lange organische Seitenketten R mit einen starken induktven Effekt der Elektronen (+I-Effekt) führen bevorzugt zu einer SN1-Reaktion mit einer Siliciumkationen-Zwischenstufe.
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Der Sol-Gel-Prozess Je nach Kettenlänge und Anzahl der Modifizierungen am Silicium kann man unterschiedliche Flexibilisierungsgrade einstellen. Auch im Bereich der Silicone bekommt die Nanotechnologie mittlerweile einen hohen Stellenwert angerechnet. Die Grenzen und Entwicklungsgebiete zwischen moderner SolGel- und kommerzieller Siliconchemie verwischen immer stärker, da beide Technologien chemisch sehr ähnlich aufgebaut sind und sich die positiven Eigenschaften beider Technologien und Herstellungsverfahren sehr gut kombinieren lassen. Die Modifizierungsmöglichkeiten der Sol-Gel-Chemie sind jedoch nicht auf Flexibilisierungen und damit den Zugang zu temperaturstabilen Bindemitteln beschränkt. Im folgenden Kapitel werden die Möglichkeiten beschrieben, durch Cokondensation von alternativen anorganischen Verbindungen die anorganische Matrix zu funktionalisieren.
5.6.2 Cokondensation von Metallalkoxiden ins Si-O-Si-Netzwerk Die Möglichkeiten das anorganische Netzwerk zu modifizieren, kennt man aus der Glaschemie (siehe Kap. 5.1). Durch Einsatz alternativer Metallalkoxide wie Al(OR)3, Ti(OR)4, Zr(OR)4 oder löslicher Metallsalze (CeCl3, NaF, …) im Sol-Gel-Prozess tritt neben der Homokondensation unter Bildung von Siloxanbindungen (≡ Si-O-Si ≡) eine Cokondensationen unter Ausbildung heteropolarer Bindungen auf, welche die physikalischen Charakteristika, wie z.B. den Brechungsindex, Flexibilität, UV- oder IR- Durchlässigkeit oder auch die chemische Stabilität des Systems beeinflussen [98]. Tabelle 5.7 gibt einen kurzen Überblick über die gebräuchlichen Applikationsfelder für Modifizierungen mit Metallsalzen oder Metallalkoxiden. In Tabelle 5.7 sind nur einige der wichtigsten Metallverbindungen aufgeführt, die in der Praxis zum Einsatz kommen. Prinzipiell sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt, d.h. bei der Vorlage eines TMOS-Hydrolysates und eines Ethanol-löslichen Salzes oder Alkoxides kann eine beliebige Kombination aus einem SiO2-Netzwerk mit entsprechenden „Fremdionen“ oder Do- Abbildung 5.63: Cokondensat aus einem Metallalkotierungen zusammengestellt wer - xid (Me= Al, Ti, Zr, Ce,...) und Kieselsäure am Beispiel den. Liegt eine solche Lösung vor, eines Al-O-Si Netzwerkes
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Chemisch-technische Grundlagen Tabelle 5.7: Wirkung und Anwendung von Metallalkoxiden und löslichen Metallsalzen im Sol-Gel-Prozess Alkoxid/Salz
Beeinflussung
Applikation
Al(OR)3, Zr(OR)4
Lewissäure, Katalysator für die anorganische Vernetzung Katalysator für organische Quervernetzung z.B. Epoxidpolymerisation Verbesserung der chemischen Stabilität, insbesondere der Basenstabilität des anorganischen Netzwerkes
Kratzfestbeschichtungen Korrosionsschutz Haftvermittler Additive zur Erhöhung der chemischen Stabilität und der Kratzfestigkeit
Ti(OR)4
Erhöhung des Brechungsindex Katalysator für anorganische Quervernetzung Photokatalytische Aktivität
Antireflexschichten Kratzfestschichten mit hohem Brechungsindex (z.B. Brillengläser)
Li, Na, K, B-Salze
Netzwerkwandler, Bildung von SiO- Na+ „Defekten“
Bindemittel Glasähnliche Beschichtungen für Metalle als Anlaufschutz oder Antifingerprint-Oberflächen
lassen sich durch alkalische Fällungsreaktionen (Stöbersynthese, siehe Kap. 5.3.3.5) nach den Prinzipien des Sol-Gel-Verfahrens auch Nanopartikel mit unterschiedlichen Zusammensetzungen synthetisieren [99]. Die Metallionen können verschiedene Funktionen ausüben, die zum einen mit ihrer Ladung, zum anderen mit der Größe, der Elektronegativität und der Besetzung der äußeren Elektronenschalen zusammenhängen. So werden beispielsweise Natrium, Lithium oder Kaliumionen eingesetzt, um das Netzwerk flexibler zu machen. Da diese Ionen nur eine Ladung besitzen (einwertige Alkaliionen), kommt es zu einer Fehlstelle im silikatischen Netzwerk. Dabei gilt, je größer das Ion desto größer ist auch die Störstelle und damit die Aufweitung des Netzwerkes. Diese Störstellen haben den positiven Effekt, das Netzwerk zu flexibilisieren, d.h. die Sprödigkeit nimmt ab, und es können höhere Schichtdicken ohne Rissbildung erreicht werden. Weiterhin nimmt im Allgemeinen die Laugenbeständigkeit etwas zu, da durch die Modifizierung mit einwertigen Ionen das komplette Netzwerk alkalisch eingestellt ist. Sie wirken also als sogenannter Netzwerkwandler. Nachteilig ist, dass die Hydrolysebeständigkeit, d.h. die Beständigkeit gegen Wasser und Feuchtigkeit, deutlich verringert wird. Bei sehr hohen Alkali-Gehalten mündet dies in einer Wasserlöslichkeit. Solche Systeme, kann man kommerziell unter der Bezeichnung „Wassergläser“ erwerben.
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Der Sol-Gel-Prozess Interessant bei solchen alkalischen Systemen aus modifizierten Si-O-Si-Strukturen ist die Möglichkeit, reine Glasschichten mit Schichtdicken von mehr als 3 μm aufzutragen. Anwendungen finden solche Systeme beispielsweise als Schutzbeschichtungen für kratzempfindliche Gläser (Saphirglas) oder zum Hochtemperatur-Anlaufschutz und Kratzschutz für Edelstahl, z.B. für Bügeleisensohlen oder auch zur Reduzierung der Verschmutzung von Ventildeckeln. Teilweise werden solche Systeme auch als Ersatz für Emaille eingesetzt. Die Voraussetzung, um die Wasserlöslichkeit zu vermindern und solche Materialien für den praktischen Einsatz zu designen, ist die Reduzierung des Ionengehaltes im System. Dies kann auf zwei verschiedenen Wegen geschehen. Zum einen kann über den Sol-GelProzess bei der Hydrolyse von TEOS beispielsweise Natriumoxalat additiv in geringen Mengen zugegeben werden. Um direkt das alkalische Medium einzustellen, besteht auch die Möglichkeit, TEOS gezielt mit Natronlauge oder Kalilauge unter verminderter Wasserzugabe zu hydrolysieren. Eine weitere Syntheseroute bieten die hochalkalischen Wassergläser. Diese sind wässrig und lassen sich sehr ungern mit alkoholischen TEOS-Hydrolysaten mischen. Um den Natriumgehalt zu reduzieren, kann man jedoch sehr gut mit Kieselsolen (SiO2-Nanopartikel in Suspension) mischen oder in diese „Aerosile“, also sogenannte pyrogene nanoskalige SiO2-Partikel, eindispergieren. Nach dem Einbrennen verteilen sich die Ionen, wie beispielsweise Natriumionen, gleichmäßig im System. Man „verdünnt“ praktisch die Ionenanzahl im SiO2-Netzwerk. Die Einbrenntemperaturen solcher Materialien liegen im Allgemeinen jenseits der 500 °C, was die Substratauswahl und damit die Einsatzgebiete auf Stahl, Keramik und Glasoberflächen reduziert. Um das Anlaufen von Edelstahl zu vermeiden, ist das Einbrennen unter Schutzgas notwendig, was zusätzliche Kosten verursacht und diese Technologie nur für Nischenmärkte interessant macht. Aluminium- oder Zirkonalkoxide werden als anorganische Hydrolyse- und Kondensationskatalysatoren und damit zur Erhöhung der Glasfestigkeit eingesetzt. Beide Verbindungen sind Lewis-Säuren. Die Wirkung der Einkondensation von Aluminiumoxid ins SiO2-Netzwerk kennt man von Kochfeldern aus Glaskeramik. Hier wird durch eine Si-O-Al-Mischung eine wesentliche Erhöhung der Kratzbeständigkeit und eine Verbesserung der chemischen Beständigkeit des Glases bzw. der Glaskeramik bewirkt. Zirkongläser werden zur Aufbewahrung von Chemikalien eingesetzt. Versetzt man TEOS-Hydrolysate mit Aluminiumalkoxiden erhält man eine wesentliche Erhöhung der chemischen Beständigkeit [100, 101]. Schichten von nur wenigen Nanometern Schichtdicke zeigen bereits bei Härtungstemperaturen von nur 80 °C eine wesentliche Verbesserung von chemischen und mechanischen Eigenschaften, z.B. von Glanzchromoberflächen.
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Chemisch-technische Grundlagen Nachteilig ist, dass die Sprödigkeit einer reinen SiO2-Schicht gegen eine Al-O-Si-Schicht praktisch unverändert ist und man Schichten mit Schichtdicken von maximal 300 bis 400 nm rissfrei herstellen kann. Einsatz finden solche Systeme als Primer für Chromoberflächen oder als chemisch resistente Schichten auf Glas. In Verbindung mit organisch modifizierten Silanen, wie beispielsweise MTEOS, werden Aluminium- und Zirkonalkoxide oft als Härtungs- oder Kondensationskatalysator verwendet. Allgemein stellt die Reaktionsführung von Sol-Gel-Systemen unter Einarbeitung von Aluminium- und Zirkonalkoxiden eine Herausforderung dar. Bei höheren Wassergehalten bilden sich automatisch Nanopartikel im Reaktionsmedium, die sogenannte „in situ“-Synthese. In einem leicht sauren Medium unter kontrollierter Wasserzugabe (dies sind die Bedingungen einer üblichen Sol-Gel-Reaktion) ist die Affinität der Kondensation am geeignetsten, um Al-O-Al-Kondensate zu bilden. Daraufhin folgen Zr-O-Zr-Kondensate und zuletzt und mit geringerer Kondensationsfreude Ti-O-Ti und Si-O-Si. Für die Kondensationsvorgänge nach einer parallelen Reaktion von Siliciumalkoxiden und Metallalkoxiden heißt das konkret, dass im Falle von Zr- und Al-Kondensation jeweils amorphe Nanokondensate vorliegen, die von den weniger aktiven Si-Kondensaten belegt und angebunden werden. In Abbildung 5.64 sind die möglichen Reaktionswege am Beispiel von Silicium- und Aluminiumalkoxid dargestellt. Nach der Hydrolyse der jeweiligen Ausgangsverbindungen kann nun entweder eine Homokondensation zwischen zwei Silanolgruppen (Si-OH) bzw. zwischen zwei Aluminiumhydroxidgruppen (Al-OH) oder eine Heterokondensation zwischen Si-OH und Al-OH ablaufen. Kinetisch am bevorzugtesten ist dabei die Kondensation von zwei Al-OH-Gruppen, infolge dessen sich ein amorphes Al2O3-Nanokondensat in einer amorphen SiO2-Matrix ausbilden wird (untere Gleichung in Abbildung 5.64). Natürlich ist es auch möglich, diese „in situ“-Nanopartikelbildung zu vermeiden. Dazu muss die gemeinsame Hydrolyse- und Kondensationsreaktion beispielsweise in stark verdünnter Lösung und unter geringster Wasserzugabe durchgeführt werden. Je nach Reaktionsführung beobachtet man teils drastische Unterschiede in den makroskopischen Eigenschaften. Im Falle von Si-O-Al-Netzwerken weist das homogene Kondensat beispielsweise eine wesentlich höhere Basenbeständigkeit auf als die gleiche Zusammensetzung unter Bildung von Nanokondensaten. Die Kratz- und Abriebbeständigkeit erhöht sich in den nanopartikelhaltigen Systemen. Hydrolysiert man Ti- und Si-Alkoxide unter üblichen Sol-Gel-Bedingungen, so tendieren die Kondensate eher zu einer Gleichverteilung. Dies nutzt man zur Herstellung von Antireflexbeschichtungen. Titanoxid (TiO2) zeigt neben guten dielektrischen Eigenschaften (εr ~ 100) auch einen hohen Brechungsindex von ca. 2,5 (Anatas: 2,55; Rutil: 2,75) auf. SiO2 hat einen Brechungsindex von 1,46. Durch dünne Mehrfachbeschichtungen und Abmi-
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Der Sol-Gel-Prozess schungen zwischen TiO2 und SiO2 kann man die optischen Reflexe drastisch mindern. Tatsächlich ist die Vielfalt der Reaktionsmöglichkeiten und die dadurch resultierenden Materialeigenschaften einer Beschichtung meistens sehr groß. Wichtig für den Farbenund Lackchemiker ist es, dass im Falle einer Sol-Gel-geführten Partikelherstellung oder Oberflächenmodifizierung die Bedingungen unter der die Reaktion gesteuert wird, einen extremen Einfluss auf das Endergebnis haben und entsprechend genauestens beachtet werden müssen. Um die Siliciumchemie für die organische Lackchemie nutzbar zu machen, bietet sich neben der bereits in Kap. 5.6.1 beschriebenen Möglichkeit diese mit Netzwerkwandler (Methyl-, Phenyl-...) zu modifizieren, auch der Weg die organischen Seitenketten der Silane wieder zusätzlich mit polymerisierbaren funktionellen Gruppen (Vinyl-, Methacryl-, Epoxy-, ...) zu funktionalisieren (siehe Tabelle 4.6, Kapitel 4.3.2). Man bezeichnet diese Silane als Netzwerkbildner. Die vorangegangenen Kapitel beschreiben die Lackrohstoffe, die Grundlagen der Beschichtungstechnologie und geben eine Übersicht über die gängigen Verfahren zum Herstellen von Beschichtungen und Oberflächen. Die Sol-Gel-Technologie mit Hydrolyse und Kondensation von Silanen, auch in Verbindung mit dem Einbau von Metallionen, wie Al oder Ti, bringen die ersten Anwendungsmöglichkeiten für silanbasierte Beschichtungsmaterialien, z.B. als Kratzfestlacke oder Antifingerprint-Beschichtungen.
Abbildung 5.64: Reaktionsmöglichkeiten von Silicium- und Aluminiumalkoxid. Hydrolyse- und Homokondensation (oben, unten) sowie Heterokondensation (Mitte)
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Chemisch-technische Grundlagen Eine weitere Freiheit erhält man durch funktionalisierte Silane. Diese können sowohl mit sich selbst, als auch in organische Harze einpolymerisiert werden. Deshalb werden sie auch als Netzwerkbildner bezeichnet. Durch die funktionellen Gruppen wird die Einarbeitung in kommerzielle Lacksysteme wesentlich erleichtert.
5.6.3 Funktionelle organische Netzwerkbildner Um die Siliciumchemie für die organische Lackchemie nutzbar zu machen, bietet sich neben den bereits in Kap. 5.6.1 beschriebenen Möglichkeiten diese mit Netzwerkwandlern (Methyl-, Phenyl-...) zu modifizieren, auch der Weg, die organischen Seitenketten der Silane zusätzlich mit polymerisierbaren funktionellen Gruppen zu funktionalisieren. Man bezeichnet diese Silane als Netzwerkbildner. Organofunktionelle Silane als Netzwerkbildner werden sehr häufig für die Darstellung von Hybridmaterialien verwendet. Diese Silane, die industriell hauptsächlich als Haftvermittler in faserverstärkten Polymeren Verwendung finden, können aufgrund ihrer verschiedenen organischen funktionellen Gruppen, wie z.B. Methacryl-, Vinyl- oder Epoxygruppen, direkt zur Herstellung anorganisch-organischer Beschichtungsmaterialien genutzt werden, wie in Abbildung 5.66 gezeigt [102]. Die organofunktionellen Silane werden nach nicht-reaktiven Netzwerkwandlern und nach reaktiven sowie polymerisierbaren Netzwerkbildnern unterschieden. Die reaktiven Netzwerkbildner sind nur zu Additionsreaktionen fähig und benötigen einen Reaktions-
Abbildung 5.65: 3-Glycidyloxypropyltrimethoxysilan (GPTS) als Beispiel eines Netzwerkbildners
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Der Sol-Gel-Prozess partner. Die polymerisierbaren Netzwerkbildner können ein eigenes organisches Polymernetzwerk bilden. Nach thermisch- oder UV-induzierter Härtung resultieren Hybridmaterialien mit Struktureinheiten, die gängigen Polymeren entsprechen. Diese Materialien werden in der Literatur als „Ormosil “e (organically modified silanes) oder „Ormocer “e (organically modified ceramics) bezeichnet [103]. Ein weiterer Schritt ist die Einbindung von Nanopartikeln in diese anorganisch-organischen Matrices. Man erhält sogenannnte Nanokompositmaterialien oder anorganisch-organische Nanokomposite. Hierbei lassen sich festkörperphysikalische Eigenschaften der Nanopartikel, wie z.B. Brechungsindex, Halbleitereigenschaften, Härte oder katalytische Eigenschaften in die Matrix einbringen. Aufgrund der geringen Rayleigh-Streuwirkung der Nanopartikel lassen sich so Beschichtungen mit hoher Transparenz darstellen. In Abbildung 5.67 erkennt man die verschiedenen Verknüpfungsmöglichkeiten der Silan-Technologie (modellhaft dargestellt). Die Silane können sowohl anorganische wie
Abbildung 5.66: Multifunktionelle Alkoxysilane für anorganisch-organische Hybridmaterialien
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Chemisch-technische Grundlagen auch organische Netzwerke ausbilden, können mit sich selbst oder anderen organischen oder anorganischen Komponenten reagieren oder zur Flexibilisierung einer Matrix eingesetzt werden. Solche anorganisch-organischen Nanokomposite müssen im Allgemeinen thermisch oder mit UV-Licht gehärtet werden, wenn sie als Schicht verarbeitet werden sollen. Die gängigsten Silane sind dabei für die thermische Härtung das 3-Glycidyloxypropyltrimethoxysilan (GPTS) und für die UV-Härtung das 3-Methacryloxypropyltrimethoxysilan (MPTS). In den vorangegangenen Kapiteln werden die Prinzipien der verschiedenen Modifizierungsmöglichkeiten und den unterschiedlichen Technologien zur Herstellung, Verarbeitung und Anwendung von siliciumbasierten Rohstoffen, Lacken und Partikeln erklärt. In der Praxis werden diese Materialien für viele Anwendungen eingesetzt. Im folgenden Kapitel geht es um die Anwendungen als reine Funktionsschichten wie dem Einstellen von Oberflächenenergien und anschließend um die unterschiedlichen Silicium-modifizierten Lackrohstoffe und ihre Anwendungen.
Abbildung 5.67: Modell einer Matrix mit kovalent gebundenen Metalloxiden und organischen Seitenketten, die miteinander oder mit organischen Matrixbestandteilen reagieren können
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Oberflächeneffekte
6 Oberflächeneffekte Eine Möglichkeit der Silanbeschichtungen ist die Einstellung bestimmter Oberflächenenergien. Diese kann man sowohl direkt auf Oberflächen, aber auch als Additiv in bestehende Lacksysteme erreichen. Die dafür auftauchenden Schlagwörter sind Lotus-Effekt, Easy-to-Clean-Oberflächen, Antibeschlageffekt oder Selbstreinigung. Um die Effekte besser zu verstehen und auch für welche Anwendungsbereiche sich welcher Effekt am besten eignet, werden in diesem Kapitel die verschiedenen Möglichkeiten und Begriffe variierender Oberflächenenergien erklärt und diskutiert. Die Zusammenhänge von Oberflächenenergie, Benetzung, resultierende Kontaktwinkel und die makroskopischen Auswirkungen in Form von leicht- oder selbstreinigenden Oberflächen sowie mögliche Anwendungsgebiete werden in diesem Kapitel aufgezeigt. Ein Grundprinzip in der Physik ist die Energieminimierung, d.h. ein System ist immer bestrebt, einen Zustand mit möglichst geringer Energie anzunehmen. Dies kann beispielsweise durch die Bildung chemischer Bindungen geschehen. In einer Flüssigkeit wirken Kohäsionskräfte anziehend zwischen gleichartigen Atomen bzw. Molekülen, dabei handelt es sich meistens um Van-der-Waals- oder Dipol-Dipol-Wechselwirkungen. Daher ist eine Flüssigkeit gegenüber einem Gas energetisch begünstigt. Atome bzw. Moleküle an der Oberfläche einer Flüssigkeit haben im Gegensatz zu den entsprechenden Teilchen im Inneren der Flüssigkeit weniger Bindungspartner und sind deswegen energetisch benachteiligt. Flüssigkeiten sind daher bestrebt, ihre Oberfläche zu minimieren, indem sie die typische Tropfenform ausbilden. Definition: Die Oberflächenenergie ist ein Maß für die Energie, die zum Aufbrechen der chemischen Bindungen notwendig ist, wenn eine neue Oberfläche eines Festkörpers oder einer Flüssigkeit erzeugt wird. Sie ist definiert als die Energie, die zum Erzeugen der Oberfläche je Flächeneinheit aufgewendet werden muss. Die SI-Einheit der Oberflächenenergie ist J/m2, das meistens verwendete Formelzeichen γ. Obwohl oft der Begriff „Oberflächenenergie“ verwendet wird, muss bei Temperaturen oberhalb des absoluten Nullpunktes eigentlich die freie Energie der Oberfläche betrachtet werden [1]. Der Unterschied ist jedoch oft gering und kann dann vernachlässigt werden. Die Oberflächenenergie ist immer positiv, weil Energie benötigt wird, um Bindungen aufzubrechen. Materialien hoher Oberflächenenergie werden leicht durch Materialien geringer Oberflä-
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Oberflächeneffekte chenenergie bedeckt (Benetzung), aber nicht umgekehrt. Die Oberflächenenergie WOb ist proportional zur Oberfläche A. Es gilt: Gleichung 6.1: WOb = σ * A Die Proportionalitätskonstante σ in Gleichung 6.1 heißt spezifische Oberflächenenergie. Bei Flüssigkeiten spricht man auch von Oberflächenspannung, bei Festkörpern oftmals von Oberflächenenergie, Grenzflächenenergie bzw. Grenzflächenspannung. Die Oberflächenenergien sowohl von Festkörpern als auch von Flüssigkeiten sind ausschlaggebend für die Benetzung einer Oberfläche. Die Benetzung ist ein Verhalten von Flüssigkeiten bei Kontakt mit der Oberfläche von Festkörpern, d.h. die Ausbildung einer Grenzfläche flüssig/fest. Die Benetzbarkeit ist die zugehörige Eigenschaft. Je nachdem, um was für eine Flüssigkeit es sich handelt, aus welchem Material die Oberfläche besteht und wie deren Beschaffenheit ist, zum Beispiel in Bezug auf die Rauigkeit, benetzt die Flüssigkeit die Oberfläche mehr oder weniger stark. Die Benetzung einer Oberfläche mit einer Flüssigkeit wird charakterisiert durch den Kontaktwinkel Θ, den eine Flüssigkeit nach Aufbringen eines Tropfens mit der entsprechenden Oberfläche bildet. Der Zusammenhang zwischen dem Kontaktwinkel Θ und den
Abbildung 6.1: Kontaktwinkel θ einer Flüssigkeit auf einem Festkörper und mathematische Beziehung (Youngsche Gleichung) zwischen dem Kontaktwinkel θ und den Oberflächenenergien bzw. Oberflächenspannungen der beteiligen Phasen σ [1]
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Oberflächeneffekte Grenzflächenenergien wird durch die Youngsche Gleichung beschrieben (siehe Abbildung 6.1). Die Youngsche Gleichung (nach Thomas Young) stellt eine Beziehung zwischen der freien Oberflächenenergie σS eines ebenen Festkörpers, der Grenzflächenenergie σLS zwischen dem Festkörper und einem darauf befindlichen Flüssigkeitstropfen, der Oberflächenspannung σL der Flüssigkeit und dem Kontaktwinkel Θ her. Als Kontaktwinkel wird dabei der Winkel bezeichnet, den ein Flüssigkeitstropfen auf der Oberfläche eines Feststoffs zu dieser Oberfläche bildet. Die Größe des Kontaktwinkels zwischen Flüssigkeit und Feststoff hängt ab von der Wechselwirkung zwischen den Stoffen an der Berührungsfläche. Je geringer diese Wechselwirkung ist, desto größer wird der Kontaktwinkel. Aus der Bestimmung der Kontaktwinkel können bestimmte Eigenschaften der Oberfläche eines Feststoffs – wie zum Beispiel die Oberflächenenergie bestimmt werden. Ein auf einer horizontalen, ebenen Oberfläche aufgebrachter Flüssigkeitstropfen veranschaulicht die Benetzung und ihre Unterteilung. Je kleiner dabei der Kontaktwinkel Θ ist, desto größer ist die Benetzbarkeit (Tropfenspreitung). Um zu beurteilen, ob ein Tropfen sich auf einer Oberfläche ausbreitet, vergleicht man die Kohäsionskräfte innerhalb des Tropfens mit den Adhäsionskräften gegenüber der Oberfläche.
Abbildung 6.2: Der Kontaktwinkel θ als Maß für das Benetzungsverhalten von Wasser auf einer (Festkörper-)Oberfläche mit verschiedenen Grenzflächen- bzw. Oberflächenenergien. σsl sowie σsg stehen für die Grenzflächenspannung/-energie zwischen Festkörper (Schicht) und Flüssigkeit (Wasser) sowie zwischen Festkörper (Schicht) und Gasatmosphäre (Luft).
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Oberflächeneffekte Breitet sich die Flüssigkeit auf der Oberfläche in Form einer flachen Scheibe aus, d.h. überwiegen die Adhäsionskräfte die Kohäsionskräfte bei Weitem, d.h. ein sichtbarer Kontaktwinkel Θ nicht vorhanden, so spricht man von vollständiger Benetzung (siehe , rechts unten) Bei einer partiellen Benetzung bildet die Flüssigkeit auf der Oberfläche eine runde Haube (Kontaktwinkel kleiner als 80°), was man bei den meisten Oberflächen, wie beispielsweise auch Fensterglas im Gebrauchszustand beobachten kann. Wird der Kontaktwinkel größer als 80° spricht man von schlechter Benetzung. Zieht sich die Flüssigkeit auf der Oberfläche fast zu einem kugelförmigen Tropfen zusammen (Kontaktwinkel größer 140°) ist keine Benetzung zu detektieren. Im Idealfall handelt es sich um einen Kontaktwinkel von 180°. In diesem Fall berührt der Flüssigkeitstropfen den Feststoff nur an einem Punkt. Bei Wasser gilt, je niedriger die Oberflächenenergie σsl, desto schlechter ist die Oberfläche benetzbar. Dies führt insbesondere bei Wasserlacken dazu, dass man durch Additivierung (Tenside) die Oberflächenspannung des Wassers herabsetzen muss oder durch aufwendige Vorbehandlungen, wie beispielsweise Corona- oder Flammaktivierung Ladungen an zu beschichtenden Oberflächen zur Erhöhung der Oberflächenenergie aufträgt. Im Spezialfall der Verwendung von Wasser als Flüssigkeit bezeichnet man bei geringen Kontaktwinkel ( 950 °C besteht. Die MTEOS-Matrix wurde dazu mit Bornitrid und Aluminium gefüllt. Das silbrig glänzende Beschichtungsmaterial kann bei Raumtemperatur aufgepinselt werden. Beim Einbau und bei der Inbetriebnahme des Ofens mit bis zu einer Arbeitstemperatur von 950 °C wird die Methylgruppe abgespalten und das Aluminium oxidiert mit der Zeit zu Al2O3. Die Beschichtung verglast demnach zu einem Aluminiumsilikat, das mit Bornitrid gefüllt und flexibilisiert ist (siehe Abbildung 7.46).
Säurestabilisierte lösemittelbasierte Silanhydrolysate Abbildung 7.48 zeigt, wie sich die Beschichtung bei 950 °C auch optisch verändert. Zur Funktionsprüfung wurde Aluminiumfolie aufgesintert und das Antihaftverhalten untersucht. Man kann in Abbildung 7.49 deutlich erkennen, dass das bei 650 °C schmelzende Aluminium auf der unbeschichteten Seite in die Keramik eindringt und beim Erstarren irreversibel auf der Keramikrolle anhaftet. Dagegen zeigt die beschichtete Seite kein Eindringen der Aluminiumschmelze und keine Anhaftungen von metallischem Aluminium. Das entwickelte Material ist seit 2007 weltweit auf Durchlaufrollenöfen im Einsatz.
7.1.16 Zunderschutz für Stahl Zunder ist beim Härten von Stahl ein Phänomen, das bei allen formgebenden Hochtemperaturprozessen auftaucht, z.B. beim Schmieden, Härten oder Vergüten von Stahl. In Anbetracht der heutigen hohen Sicherheitsanforderungen kommen bei der Konstruktion tragender Teile auch im Automobilbau zunehmend ausgewählte hochfeste Materialien zum Einsatz. Mit Mangan-BorStahl (22MnB5) können durch Warmumformung (Formhärten) Festigkeiten bis zu 2100 MPa erzielt werden im Vergleich zu 1100 MPa im Fall von kalt umgeformtem Stahl. Beim Formhärteprozess wird der Stahl durch Erwärmen entsprechender Bleche auf 950 °C austenitisiert, das Blech anschließend in die Pressform überführt und umgeformt. Das Formteil wird währenddessen in der Form auf Temperaturen zwischen 100 und 200 °C abgeschreckt. Dabei wird eine martensitische Gefügestruktur und somit ein hochfestes Bauteil erzeugt. Ein bekanntes Problem, das hierbei ebenso wie bei anderen
Abbildung 7.49: Halbseitig beschichtete Keramikrolle, umwickelt mit Aluminiumfolie (oben), die bei 950 °C auf der Keramikrolle aufgeschmolzen wurde (unten)
Abbildung 7.50: Zunder auf einem 22MnB5-Stahlblech nach 10 min. Glühen bei 950 °C
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen Hochtemperaturprozessen bei niedrig legierten Stählen auftritt, ist die Verzunderung (Hochtemperaturoxidation) der Stahloberfläche. Zunder bildet sich sofort, sobald die über 900 °C heiße Oberfläche mit Luftsauerstoff in Kontakt kommt. Während die Aufheizstrecke mit entsprechendem konstruktivem und finanziellem Aufwand noch unter Schutzgas gehalten werden kann, ist ein Kontakt mit der Umgebungsluft spätestens bei der Überführung des Bleches bzw. Teils in die Pressform unvermeidlich. Die dabei entstehende Zunderschicht ist rau und spröde, platzt flächig ab und bietet keine Grundlage für Folgeprozesse wie z.B. Schweißen und KTL-Auftrag. Bei der Verwendung von ungeschütztem Stahl würden die teuren Formen nach kurzer Zeit beschädigt und müssten nach jedem umgeformten Bauteil gereinigt werden. Die Produktion einer ausreichenden Stückzahl von Teilen im Serienprozess würde dadurch wirtschaftlich unmöglich. Da der Stahl wie beschrieben in der Praxis nur sehr beschränkt durch konstruktive Maßnahmen (Schutzgas) vor Verzunderung geschützt werden kann, muss der Schutz direkt auf der Stahloberfläche, also durch eine Schutzschicht erfolgen. Aus Gründen der praktischen Durchführbarkeit bei Bauteilen bestimmter Größe und komplexerer Geometrie geht man dazu über, die Teile in zwei Schritten, nämlich einer kalten Vorformung mit einer anschließenden Warmumformung (Formhärten) zu fertigen. Insbesondere die Schutzlacke zur zweistufigen Formhärtung müssen unterschiedliche Funktionen gleichermaßen erfüllen: – gute Kaltverformbarkeit, – Zunderschutz bei bis zu 10 min. 950 °C, – gute Warmverformbarkeit bei 950 °C, – einfache Entfernung z.B. durch Sandstrahlen oder CO2-Strahlen. In der Anmeldung EP 1 013 785 A1 ist die Beschichtung von warmgewalztem Blech mit einem Metall bzw. einer Metalllegierung beschrieben. Es handelt sich dabei um eine Schicht aus Aluminium bzw. einer Legierung aus Aluminium, Eisen und Silicium, die im Schmelztauchverfahren (Feueraluminierung) appliziert wird. Eine solche Schutzschicht hat zwar einen wirkungsvollen Effekt gegenüber Verzunderung beim Erhitzen auf Austenitisierungstemperatur, ist jedoch in ihrer praktischen Anwendung zum Presshärten eingeschränkt, was sich insbesondere beim Formen komplexer Geometrien bemerkbar macht. In der DE 102 46 614 A1 wird erwähnt, dass sich bei dem in EP 1 013 785 A1 beschriebenen Tauchverfahren schon beim Beschichtungsvorgang zwischen dem Stahl und der eigentlichen Beschichtung eine intermetallische Legierungsphase bildet, welche hart und spröde ist und beim Kaltverformen reißt. Die dabei entstehenden Mikrorisse führen dazu, dass sich die Beschichtung vom Grundwerkstoff löst und somit ihre Schutzfunktion verliert. Aus dieser Beschreibung und praktischen Erfahrungen beim Umformen von Stahlplatinen bzw. -teilen ergibt sich, dass die Feueraluminierung nicht für die Kaltumformung und somit auch nicht für einen zweistufigen Kalt- und Warmumformprozess geeignet ist.
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Säurestabilisierte lösemittelbasierte Silanhydrolysate Die Feueraluminierung ist für die direkte Warmumformung derzeit das Standardverfahren. Eine Lösung für höchstfeste Stähle >2000 MPa wird in Kap. 7.6.5 aufgezeigt. In der DE 102 46 614 A1 sollen die Kaltumformbarkeit durch das Aufbringen einer metallischen Schutzschicht mit einem galvanischen Verfahren aus einer organischen, nicht wässrigen Lösung gelöst werden. Es sollen hierbei Schichten aus Aluminium bzw. einer Aluminiumlegierung oder Zink- bzw. Zinklegierung abgeschieden werden. Die galvanische Abscheidung von Aluminium auf Stahl ist jedoch ein sehr aufwendiger und teurer Prozess. Bei der Verwendung von Zink- und Zinklegierungen hingegen wird der Einsatz in der Warmumformung darüber hinaus stark eingeschränkt, da das Zink beim Aufheizen größtenteils oxidiert bzw. unter Schutzgasatmosphäre abdampft. In den Anmeldungen WO 2005/021820 A1, WO 2005/021821 A1 und WO 2005/021822 A1 werden Verfahren zur Herstellung verschiedener gehärteter Stahlteile beschrieben. Dabei wird auf den Stahl jeweils eine Schutzschicht bestehend aus Zink in Verbindung mit einem weiteren sauerstoffaffinen Element (vor allem Aluminium) aufgebracht. Diese Schutzschicht wird in WO 2005/021821 A1 in einem Schmelztauchverfahren, in WO 2005/021820 A1 und WO 2005/021822 A1 in einem Schmelztauch- oder galvanischen Verfahren aufgebracht. Allen hier beschriebenen Beschichtungen, die als Hauptelement Zink enthalten, ist jedoch gemeinsam, dass diese bei den für einen Formhärteprozess benötigten Austenitisierungstemperaturen sehr empfindlich gegenüber Oxidation und Abdampfen sind und bei den geringsten Verschmutzungen (z.B. Staub) an der Oberfläche Brandstellen entstehen, welche zu Bauteileausschuss führen. Im Bereich nasschemisch aufzutragender Korrosionsschutzschichten sind beispielsweise organische Schutzüberzüge, zum Teil mit Zinkpigmenten gefüllte Schutzlacke, bekannt. Diese bieten vorzugsweise als zusätzliche Versiegelung auf einer im Schmelztauch-
Abbildung 7.51: Prinzip der direkten und indirekten Formhärtung von Stahlplatinen
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen verfahren oder galvanisch verzinkten Stahloberfläche einen guten Korrosionsschutz für Niedertemperaturanwendungen, können jedoch aufgrund ihrer nicht ausreichenden Temperaturbeständigkeit nicht für Warmumform- und Formhärteprozesse oberhalb 800 °C eingesetzt werden. Gleiches gilt für eine Vielzahl von Korrosionsschutzbeschichtungen auf organischer oder Sol-Gel-Basis. Die Anwendung als umformbarer Verzunderungsschutz für Stahl stellt extrem hohe und an sich widersprüchliche Anforderungen an ein Beschichtungsmaterial. So muss die Schicht bei Raumtemperatur ausreichend flexibel sein, um bei der Kaltumformung zu haften. Andererseits muss sie auch bei über 950 °C beständig sein, die Spannungen durch die enorme Wärmedehnung von Stahl bestehen und auch bei der Warmumformung noch tribologische Eigenschaften aufweisen. Die Funktion des Materials konnte durch geschickte Kombination eines Sol-Gel-Materials [73-76] mit einer Kombination von Füllstoffen erreicht werden. Durch die Kombination einer Abbildung 7.52: Zusammensetzung Zunderschutz für Sol-Gel-Matrix basierend auf zweistufige Umformung MTEOS und mit Wachsen sowie Graphit als tribologisch aktive Schmierstoffe für die Kalt- bzw. Warmumformung konnten sehr gut haftende, hoch temperaturbeständige Beschichtungen erhalten werden, die durch Coil Coating aufgetragen werden können. Der Zunderschutz wird durch den Einbau mikroskaliger Aluminiumpartikel in die Schicht erzielt. Glühversuche an beschichteten Blechen, die nach dem Beschichten umgebogen wurden, zeigen die Wirksamkeit der Abbildung 7.53: Links oben: Beschichtetes Blech wird Schicht gegen Zunderbildung. in 950 °C heißen Ofen eingelegt, rechts oben: rotglüSchon beim Entnehmen aus dem hendes Blech nach 10 min. bei 950 °C ohne Schutzgas, Glühofen kann man an der links unten: unbeschichtete Rückseite verzundert, Schwarzfärbung des unbeschichrechts unten: Beschichtung intakt
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Säurestabilisierte lösemittelbasierte Silanhydrolysate teten Streifens Zunderbildung beobachten, während die beschichteten Stellen rotglühend erscheinen und nach dem Abkühlen eine fest haftende glatte Oberfläche aufweisen. Der Schutzlack erlaubt den problemlosen Einsatz des Stahlmaterials in der zweistufigen Formhärtung. Um den hohen Bedarf an beschichteten Platinen decken zu können, ist die Applikation direkt auf das Stahl-Coil die Methode der Wahl. Bereits 2005 wurde ein solches Material bei Volkswagen zur Serienproduktion im zweistufen Formhärteprozess eingesetzt [77]. Der Einsatz ist weitestgehend auf die Stahlgüte 22-Mn-B5 mit einer Härte von ca. 1650 MPa und den zweistufigen Formgebungsprozess beschränkt. Zur Weiterverarbeitung müssen die Beschichtungen, die als reine Formgebungshilfsmittel eingesetzt werden, wieder abgestrahlt werden. Die Entwicklung dieser Technologie wurde 2006 mit dem Stahlinnovationspreis ausgezeichnet [78]. Mittlerweile hat man durch Änderung des Bauteildesigns und eine Weiterentwicklung der Formen [79] das zweistufige Formhärten größtenteils durch das einstufige
Abbildung 7.54: Stahl-Coil beschichtet mit Schutzlack
Abbildung 7.55: Mitteltunnel des Passat B6 mit Zunderschutzlack Quelle: Volkswagen
Abbildung 7.56: Raumtemperaturhärtender Zunderschutz
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen Verfahren ersetzt. Nach einigen Patentstreitigkeiten und Streitigkeiten zwischen den Stahlherstellern wird heute weltweit mit AlSi schmelztauchbeschichtetes 22MnB5 eingesetzt. Neben der Anwendung im Coil Coating ist Zunderschutz insbesondere bei der Entwicklung von Prototypen oder beim Härten von Grobblechen interessant. Da es sich hier um Einzelteile handelt, z.B. bei Versuchen mit neuen Stahlgüten, kommt Coil Coating natürlich als Applikationsmethode nicht in Frage. Für diese Anwendungen wurden raumtemperaturhärtende Zunderschutzmaterialien auf Basis Lösemittelbasierter Sol-Gel-Materialien entwickelt [80]. Als Lösemittel dient neben Ethanol z.B. schnellflüchtendes Siedegrenzbenzin. Diese raumtemperaturtrocknenden Materialien können einfach aufgerollt und abgetrocknet, insbesondere für Prototypen oder für Kleinserien verwendet werden. Nach dem Auftrag, der hier in Abbildung 7.56 durch Aufwalzen erfolgt, ist der Stahl für Hochtemperaturprozesse ausreichend geschützt. Die Vorteile der Verwendung von Zunderschutzlacken sind: – höhere Prozesssicherheit und Prozessoptimierung, – keine Verschmutzung der Formen und Transportrollen im Ofen, – Umformwerkzeuge werden geschont, – reduzierter Reinigungsaufwand. Die Grenzen des Zunderschutzes von Al liegen in der Temperaturbelastung der Bauteile. Ab ca. 1000 °C wird das Aluminium durchlässig für Sauerstoff und es entsteht Zunder unter der Aluminiumschicht, so dass die Wirkung nicht mehr vorhanden ist. Aber auch die schmelztauchbeschichteten Bleche kommen mittlerweile an ihre Grenzen. Die Stahlentwicklung und der Trend zu immer größeren Stahlhärten und damit einhergehend einer Einsparung von Gewicht hat dazu geführt, dass neue Stähle mit Bauteil-
Abbildung 7.57: Funktionsweise des Raumtemperatur-härtenden Zunderschutzes
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Wasserbasierte modifizierte Silikasole härten bis zu 2100 MPa eingesetzt werden sollen. Das Verfahren der Wahl ist das direkte Formhärten ohne vorherige Kaltverformung. Aufgrund von Haftungsproblemen der AlSi-Schmelztauchbeschichtungen bei den neuen hochlegierten Stählen werden nunmehr neue Anforderungen an Zunderschutzbeschichtungen gestellt, die im Kap. 7.6.5 erklärt werden (Zunderschutz mit Titanbindemittel). Wie in diesem Kapitel gezeigt, sind die sauer stabilisierten Sol-Gel-basierten Beschichtungen aufgrund ihrer Coil-Fähigkeit, Kratzfestigkeit, einem passiven Korrosionsschutz, UV-Beständigkeit und Einfärbbarkeit für eine Vielzahl von Anwendungen interessant. Auch die Lebensmittelechtheit konnte bereits mehrfach nachgewiesen werden. Durch die Modifizierung von Nanopartikeln mit Silanen erhält man weitere interessante nanostrukturierte wasserbasierte Bindemittel.
7.2 Wasserbasierte modifizierte Silikasole Für die Herstellung „löslicher“ wasserstabiler Bindemittel kommen prinzipiell nur Silane in Frage, deren Hydrolysate wasserlöslich sind. Insbesondere APTS und GPTS sind hier die bevorzugten Rohstoffe. Da APTS nicht selbst vernetzend ist, ist der Einsatz eher als Additiv beschränkt (siehe Kapitel 5.6). Die weitaus wichtigere Reaktion ist die Anbindung von Epoxysilanen an Silikasolen (siehe Abbildung 7.58).
Abbildung 7.58: Darstellung eines epoxysilanmodifizierten Silkasols
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen GPTS/Silikasole zeigen eine Vielzahl von möglichen Anwendungen, da sie als wasserbasierte Binder bereits ab 80 °C härten und im Allgemeinen sehr gut auf Metallen, Glas und Polymeren haften. Sie sind transparent bis transluzent (je nach Partikelgröße des Silikasol) und können über Aluminium- oder Aminkatalysatoren gut gehärtet werden. Hinweis zu REACH: Ein reines Hydrolysat aus Epoxysilan und Kieselsolen im sauren Medium enthält normalerweise eine Vielzahl von Monomeren mit ein oder mehreren hydrolysierten Endgruppen. Eine Einstufung eines solchen Hydrolysegemisches ist meistens schwierig, da man weder die reinen Rohstoffe noch ein Polymer vorliegen hat. Durch die Abdestillation des Alkohols wird das Gleichgewicht in Richtung Kondensation verlagert und man erhält ein Polymer aus hochkondensierten Silanen mit endständigen Epoxygruppen, ähnlich einer Mizelle. Diese Bindemittel sind dann ohne großen Aufwand zu registrieren. Wenn man die Herstellung solcher Materialen scheut, gibt es auch fertige Bindemittel im Markt zu kaufen, z.B. „Dynasylan“ SIVO, Fa. Evonik [81] oder „SiliXan“ W, Fa. SiliXan [82]. Eine interessante Anwendung solcher wasserbasierter Sole ist die Herstellung dauerhafter Hydrophilbeschichtungen.
7.2.1 Dauerhafte hydrophile Schichten
Abbildung 7.59: Schematischer Aufbau einer Hydrophilbeschichtung
Ein Problem von hydrophilen Oberflächen im praktischen Gebrauch, ist das sogenannte „vergiften“ von Oberflächen, insbesondere im Außenbereich. Will man den Effekt verstärken und den Antibeschlageffekt verlängern, hilft die Nanotechnologie mit sogenannten diffusionskontrollierten Systemen. Nanopartikel bilden innere Oberflä-
Abbildung 7.60: Epoxysilanmodifizierte Polyether zur Ausbildung einer hydrophilen Sol-Gel-Matrix
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Wasserbasierte modifizierte Silikasole chen, d.h. während beim Aufreiben von Tensiden normalerweise nur die optisch sichtbare Substratoberfläche bedeckt wird, erhält man durch einen dickeren Schichtauftrag von mehreren Mikrometern (µm) und durch den Einbau von Nanopartikeln zusätzlich eine große innere Oberfläche, die als „Tensidspeicher“ genutzt werden kann. Durch flexible Tenside wird die Oberfläche aus der Matrix immer wieder mit hydrophilen Seitenketten belegt, die an die Oberfläche diffundieren können ( Abbildung 7.59). Hier können beispielsweise in einer Matrix aus GPTS/Silikasol und Tensiden die Nanopartikel als innere Oberfläche dienen und die Tenside temporär immobilisieren. Angebundene Tenside sorgen dafür, dass die Matrix selbst eine Grundhydrophilie besitzt. Dies kann man dadurch erreichen, dass man vor der Hydrolyse das Epoxysilan mit Polyethylenglykol unter alkalischer Katalyse reagieren lässt. Es bilden sich langkettige Polyethermoleküle, die endständig Silanolgruppen aufweisen, siehe Abbildung 7.60. Hydrolysiert man diese polymeren Verbindungen mit Kieselsol, hat man eine optimale Matrix zur weiteren Modifizierung mit Tensiden. Neuere Ansätze arbeiten mit einer zusätzlichen nanostrukturierten Oberfläche, so dass der Sekundäreffekt nach Auswaschen der Tenside immer noch ausreichend ist und eine sehr dauerhafte Wirkung erzeugt wird [83]. Beschichtungen auf Basis GPTS/ Kieselsol/Tensiden zeigen sehr gute Haftung auf Polymeren, sind transparent und werden oft im Innenbereich von transparenten Abdeckungen aus Glas und Polymeren, wie PC, PMMA oder PS eingesetzt. Die Kratzfestigkeit kann durch den Gehalt an Füllstoff eingestellt werden. Es gilt dabei, je höher die Kratzfestigkeit, je weniger Dauerhaft die Hydrophilie. Eingebaute Tenside haben eine Funktion als Weichmacher, auch führt eine hydrophile Matrix zu einer Tendenz Feuchtigkeit einzulagern, wodurch ebenso eine Aufweichung erfolgt. An dieser Stelle wird immer noch nach besseren Lösungsansätzen geforscht. Anwendungsbereiche für solche quasi „dauerhaften“ Hydrophil Abbildung 7.61: Antibeschlagsystem für Streuscheiben
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen schichten sind Tauch-, Ski- oder Schwimmbrillen, in Schutzbrillen und in Helmvisieren, im Innern von Objektiven und Linsen, optischen Sensoren und Displays, im Innern von Abdeckscheiben von Anzeigen und Messinstrumenten usw. Eine bereits seit Jahren in Serie befindliche Anwendung im Automobilbereich sind Antibeschlagsysteme für Streuscheiben (siehe Abbildung 7.61). Die Beschichtung verhindert das Beschlagen, wenn Feuchtigkeit in den Scheinwerfer eindringt und ist somit eine Sicherheitsmaßnahme für eine optimale Beleuchtung der Automobile zu jeder Jahreszeit. Eine weitere Anwendung von epoxymodifizierten Silikasolen ist der Korrosionsschutz.
7.2.2 Korrosionsschutz durch wässrige Zinklamellenbeschichtungen Bei der Entwicklung wasserbasierter aktiver Korrosionsschutzmaterialien kommt dem Bindemittel eine zentrale Bedeutung zu. Es muss zunächst einmal mit den zu verwendenden Zink- und Aluminiumpigmenten verträglich sein, so dass es nicht zu einer Auflösung der Pigmente und damit zu Problemen bei der Lagerstabilität der Formulierungen kommt. Zu beachten ist auch, die an sich widersprüchliche Forderung nach einem möglichst lagerstabilen und gut zu verarbeitenden System, das dennoch ausreichend reaktiv ist, um bei niedrigen Einbrenntemperaturen < 200 °C zu vernetzen. Darüber hinaus besteht an das Gesamtsystem die Anforderung nach einer Temperaturbeständigkeit bis 300 °C, teils bis 400 °C. Diese Anforderung kommt aus dem Markt für Schrauben und Gussteilen, wie z.B. Bremsscheiben, für die solche wässrigen Zinkschichten gerne eingesetzt werden. Weil hierzu ein selbstvernetzendes, wasserbasiertes Beschichtungsmaterial benötigt wird, bieten sich die epoxymodifizierten Kieselsole, aber auch die Nanoemaille als Bindemittel an. Aktiven Korrosionsschutz erhält man durch Füllen der Bindemittelmatrix mit hohen Gehalten an Zink- und Aluminiumpigmenten. Um eine Auflösung der Partikel im Lack und damit eine Gasung zu unterbinden, bietet sich ein pH-neutrales Bindemittel eher an, als ein Bindemittel, das vom pHAbbildung 7.62: Schematische Darstellung einer Wert sauer oder alkalisch ist. Speaktiven Zinklamellenbeschichtung auf Basis eines ziell entwickelte pH-neutrale Epoepoxymodifizierten Silikasols gefüllt mit Zink- und Aluminium-Flakes xy-Silikatbindemittel werden mit
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Wasserbasierte modifizierte Silikasole Zink- und Aluminiumlamellen zu wasserbasierten 1K-Korrosionsschutzbeschichtungen formuliert. Es resultieren gasungsstabile, wässrige Korrosionsschutzlacke mit einem Feststoffanteil von 40 bis 60 %. Der Feststoffanteil von Bindemittel zu Zink/Aluminium ist etwa 40:60. Die geringe Aushärtetemperatur von nur ca. 130 °C trägt enorm zur Energie- und Kostenersparnis etwa bei der Beschichtung von Bremsscheiben bei. Das Design von Leichtmetallrädern mit wenigen und dünnen Stegen und großen Öffnungen gibt den Blick frei auf die Bremsscheibe. Diese soll zum Gesamteindruck des Fahrzeugs beitragen und darf insbesondere nicht rosten. Um dies bei den üblicherweise aus Gusseisen hergestellten Bremsscheiben zu erreichen, setzen die meisten Automobilhersteller und –zulieferer auf Korrosionsschutzbeschichtungen. Die marktüblichen Beschichtungsmaterialien bestehen im Allgemeinen aus Bindemittel und Pigmenten, wobei neben der einfachen schwarzen Beschichtung auch Beschichtungen mit Metallpigmenten eingesetzt werden, die der Oberfläche eine metallische Optik verleihen. Bestimmte Autohersteller verwenden Zinkstaubfarben, andere wiederum bevorzugen Zink- oder Aluminiumlamellensysteme, unter anderem wegen des metallisch hellen Farbtons. Die üblichen wasserbasierten Zink-Aluminiumlamellensysteme, die für die gesamte Bremsscheibe inklusive der Funktionsflächen geeignet sind, benötigen Einbrenntemperaturen zwischen 320 und 360 °C. Dadurch entstehen sehr hohe Energiekosten. Ein weiterer Nachteil solcher Einbrenntemperaturen ist, dass hierbei organische Bestandteile unter Rauchentwicklung aus der Matrix ausbrennen, die zwar an den Anlagen abgesaugt werden können, aber letztendlich als Erhöhung des „tatsächlichen VOC“-Anteils zu betrachten sind. Eine interessante Alternative ist eine aktive Zinklamellenbeschichtung auf Basis eines epoxymodifizierten Silikasols gefüllt mit Zink- und Aluminium-Flakes. Die Beschichtung
Abbildung 7.63: Innenbelüftete Bremsscheibe aus Grauguss, beschichtet mit einer wässrigen Zinklamellenbeschichtung auf Basis epoxymodifiziertem Silikasol und Zink- und AluminiumFlakes (links), nach 240 Std. Salzsprühtest DIN EN ISO 9227 (rechts)
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen verleiht den Scheiben je nach Kundenwunsch eine metallisch silbrige Optik und übertrifft mit Korrosionsbeständigkeiten bis zu 300 Std. Salzsprühtest (NSS, DIN EN ISO 9227) die Anforderungen der Automobilindustrie (z.B. 96 bis 240 Std.), auch nach Temperaturbelastung bis zu 400 °C. Die Beschichtungen werden im Allgemeinen direkt in der Bremsscheibenproduktion beim Automobilhersteller oder -zulieferer aufgebracht. Da die verschiedenen Funktionsflächen gleichmäßig mit unterschiedlich definierten Schichtdicken zu versehen sind, kommen Spritzlackierverfahren, oftmals mit mehreren Sprührobotern hintereinander zum Einsatz. Die Taktzeiten je Sprühstation liegen im Bereich weniger Sekunden. Das anschließende Einbrennen der Beschichtungen geschieht entweder durch induktive Erwärmung der Bremsscheibe oder im konventionellen Durchlaufofen. Die Schichtdicke am Topf beträgt ca. 15 µm, an Reibring und Anschraubfläche 240 h Auslagerung erfüllt. Bei 500 °C, d.h. weit über dem Schmelzpunkt von Zink, der bei ca. 415 °C liegt, bildet sich durch den Verbund der festen SiO2-Partikel mit dem schmelzenden Zink eine feste Phase, die ein Verlaufen der Beschichtung verhindert und das Zink vor starker Oxidation schützt. Voraussetzung dafür ist, dass die Zinkpartikel möglichst klein sind. Bei den Versuchen wurden Zinkpulver im Bereich < 5 µm eingesetzt. Bis Zinkpulver < 25 µm ist guter Korrosionsschutz zu erwarten. Werden die Partikel größer, ist die Stabilisierung durch die SiO2-Nanopartikel über dem Schmelzpunkt nicht mehr ausreichend und es kommt zu Oxidation des Zinks, was letztendlich zu Rotrostbildung im Salzsprühnebeltest führt. Durch die Wahl der richtigen Farb- oder Glanzpigmente, kann man nicht nur den Korrosionsschutz zusätzlich verbessern, sondern man hat auch andere Möglichkeiten zur Einfärbung. Nimmt man zum Einfärben solcher Beschichtungen hochtemperaturstabile Pigmente, wie beispielsweise Perlglanzpigmente oder für den Hochtemperaturbereich beständige Farbpigmente [86,87,88], erhält man farbig ansprechende aktive Zinkschichten, die
Abbildung 7.67: SiO2/Zinkpulver-Beschichtungen auf Bremsscheiben nach Härtung 15 min. bei 250 °C (links), 1 h 300 °C (Mitte) und 2 h 400 °C (rechts) nach 264 h Auslagerung im neutralen Salzsprühnebeltest nach DIN EN ISO 9227
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen insbesondere im Bereich von Bremsscheiben eine interessante Designalternative für die Anforderung der neuen Generation an Korrosionsschutzmaterialien sind (siehe Abbildung 7.68). Eine Gasung tritt bei reinen SiO2/Zinkpulver-Formulierungen nicht mehr auf. Selbst nach monatelanger Lagerung bei 40 °C Umgebungstemperatur wird unter Einstellung des richtigen pH-Wertes keine gefährliche Wasserstoffbildung mehr beobachtet. Eine günstige und vielversprechende, umweltschonende Technologie für wässrige Korrosionsschutzmaterialien, die für die Beschichtungen für den interessant sind. Eine weitere Spezialanwendung für solche Korrosionsschutzbeschichtungen auf Stahl kommt aus dem Bereich Primer für Pulver- und Farblacke.
7.2.4 Wasserbasierte aktive Korrosionsschutzprimer für Farb- und Pulverlacke Damit Stahlkonstruktionen im Freien viele Jahre überstehen, müssen diese sorgfältig vor Korrosion geschützt werden. Die Anforderungen an den Korrosionsschutz von Stahlbauten durch Beschichtungssysteme sind in der Norm DIN ENISO 12944 beschrieben [89]. Die Korrosionsbeständigkeit wird hier in unterschiedliche Korrosivitätskategorien von C1 bis C5 unterteilt, denen jeweils nochmals eine kurze, mittlere und lange Schutzdauer zugeordnet ist (siehe Kapitel 5.4, Tabelle 5.6). Die Zuordnung eines korrosionsgeschützten Bauteils in eine entsprechende Kategorie erfolgt nach DIN EN-ISO 129446 durch Laborprüfungen im Salzsprühnebeltest sowie unter kondensierendem Wasserdampf nach den Prüfdauern zusammengefasst in Tabelle 7.3. Während der gesamten Prüfdauer muss die Haftung des Beschichtungssystems auf der Oberfläche gewährleistet sein. Es darf zu Abbildung 7.68: Aktive SiO2/Zinkpulverkeiner Blasenbildung oder sonstigen VeränBeschichtungen mit hochtemperaturstabilen derung der Oberfläche kommen. An einem Farbpigmenten als Designvariante für aktive Farbschichten beispielsweise für Bremsscheiben Ritz darf keine Unterwanderung stattfinden.
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Wasserbasierte modifizierte Silikasole Tabelle 7.3: Korrosionsschutzklassen nach DIN EN ISO 12944 Kategorie Neutraler nach ISO Salzsprühne 12944-2 Schutzdauer bel [h]
Kondens wasser [h]
Korrelation mit Schutzdauer in Jahren bei Freibewitterung
C2
Lang
-
120
C3
Lang
480
240
15–20
C4
Lang
720
480
20–30
C5-M
Lang
1440
720
>35
Der Aufwand beim Korrosionsschutz variiert je nach Anforderung an die Schutzdauer [90,91]. Generell werden Stahlteile vor dem Auftrag einer Beschichtung nach der Norm entsprechend einer Oberfläche sandgestrahlt. Im einfachsten Fall wird auf eine so vorbereitete Stahloberfläche ein Pulverlack mit ca. 70 bis 80 µm aufgebracht, womit dann allerdings nur eine kurze Schutzdauer erreicht werden kann. Bessere Ergebnisse werden mit Mehrschichtsystemen, z.B. aus 2K EP-Grundlack, 2K EP-Zwischenlack und 2K PU-Decklack erzielt. Zum Erreichen der Kategorie C5 mit langer Schutzdauer werden hierbei allerdings 3 bis 4 Schichtsysteme mit einer Gesamtschichtdicke von > 300 µm benötigt. Eine oftmals angewandte Variante zum Erreichen der höchsten Korrosionsbeständigkeiten in Verbindung mit kathodischem Korrosionsschutz ist die Feuerverzinkung, z.B. in Verbindung mit einem Pulver-Decklack als Duplexsystem [92]. Solche Systeme bieten hervorragende Korrosionsschutzeigenschaften, sind aber in der Applikation auch mit einem hohen Aufwand verbunden. Die meisten Pulverlackierer verfügen nicht über eine eigene Feuerverzinkerei, so dass die im Allgemeinen sehr schweren Stahlteile vom Feuerverzinker zum Pulverlackierer transportiert werden müssen, was den gesamten Prozess deutlich verteuert. Als kathodisch aktive Alternativen zum Verzinken existieren Zinkstaubfarben. Eine Anwendung in Verbindung mit Pulverlacken ist jedoch aufgrund der nicht ausreichenden Zwischenhaftung nicht bekannt. Abbildung 7.69: Stahlkonstruktion im Außenbereich
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen Es sind zwar auch zinkgefüllte Pulverlacke als Grundierungen auf dem Markt, jedoch kann aufgrund der Verarbeitungseigenschaften in einem Pulverlack kein so hoher Zinkanteil wie in einem Nasslack verwirklicht werden. Daher werden bei der Verwendung von Pulverlacken oftmals ungefüllte Pulverprimer eingesetzt, die keine kathodische Schutzwirkung haben. Es wurde versucht, ein wasserbasierter Primer für Pulverlacke zu entwickeln, der eine sehr gute Haftung sowohl zu der (gestrahlten) Stahloberfläche als auch zu verschiedenen Pulverlacken aufweist, zudem kathodische Korrosionsschutzwirkung bietet und einfach zu verarbeiten ist. Für das Bindemittel des Pulverlackprimers wurden ausschließlich wassermischbare Rohstoffe bzw. Silane verwendet, die ab ca. 130 °C chemisch untereinander vernetzen und so eine wasserunlösliche feste Matrix bilden. Beispielsweise kann man das durch epoxyfunktionalisierte Silikasole erreichen. An die organisch funktionelle Epoxygruppe können handelsübliche Pulver-Decklacke (beispielsweise auf, Polyester- oder Polyurethanbasis) chemisch oder physikalisch ankoppeln, wodurch eine hervorragende Haftung gewährleistet wird. Auch die notwendige Flexibilität wird neben den Netzwerkwandlern durch den Einbau langkettiger organischer Seitenketten (z.B. Polyethergruppen) zusätzlich verbessert. Insgesamt ist das Abbildung 7.70: Pulverlackieren von Stahlteilen Bindemittel damit in der Lage, gleichzeitig auf drei unterschiedliche Arten anzukoppeln: – freie Si-OR-Gruppen verbinden sich kovalent an die Metalloxide- und Hydroxide des Stahls, – über in-situ vernetzende freie Epoxygruppen können kovalent an die verwendeten Nass- oder Pulverlacke angebunden werden, – über die organischen Seitenketten mit beispielsweise Etherfunktion entstehen feste physiAbbildung 7.71: Schematische Darstellung eines kalische Anbindungen zu beiSchichtaufbaus /Stahlsubstrat/ Pulverlackprimer/ Nass-oder Pulverlack nach der Härtung den Oberflächen.
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Wasserbasierte modifizierte Silikasole Zum Erhalt von kathodischem Korrosionsschutz wurden unterschiedliche kommerziell erhältliche Zinkpulver eingesetzt. Ab einem Füllgrad von ca. 40 Gew.-% kann man in der Bindemittelmatrix auf Basis eines epoxymodifizierten Silikasols nach Applikation auf Stahl kathodische Schutzwirkung erreichen. Aufgrund des besseren Absetzverhaltens wurden Zinkpulver mit einer Größe von 5 bis 10 µm eingesetzt. Der entwickelte Primer wird im Spritzverfahren mit Druckluft oder Airless auf die gestrahlte Stahloberfläche auflackiert und 15 Minuten zwischen 130 und 180 °C eingebrannt. Anschließend erfolgt der Auftrag und Einbrand des Nass- oder Pulverlackes, je nach Pulvertyp meist ebenfalls im Bereich 140 bis 180 °C (siehe Abbildung 7.70). Wie in Abbildung 7.71 dargestellt, bildet der Pulverlack-Primer auf Basis eines epoxymodifizierten Silikasols und einem Flexibilisator die flexible Matrix, um den starren Stahl und den flexiblen Lack fest miteinander zu verbinden. Der Füllgrad der Zinkpartikel muss so hoch sein, so dass über das Berühren eine elektrische Leitfähigkeit zum Substrat ausgebildet werden kann, ohne dass die flexibilisierende 3) 2) 1) Funktion der Matrix eingeschränkt wird. Ein Optimum wird je nach Partikelgröße und Füllgrad bei ca. 40 bis 50 Gew.-% erreicht. Um die Optik und die Funktion zu veranschaulichen, wurde ein Stück Stahlträger in drei verschiedene Abbildung 7.72: 1.) Blanker Stahlträgerteil, 2.) mit Zonen unterteilt (siehe Abbil- Primer, 3.) Primer und Pulverlack dung 7.72): 1. unbeschichtet, 2. nur Primer, 3. Primer und Pulverlack. Abbildung 7.72 zeigt einen Stahlträger der in verschiedenen Stufen beschichtet wurde. Rechts ist der gestrahlte Stahl (1), in der Mitte der neu entwickelte Pulverlackprimer (2) und links der Aufbau mit Pulverlack (3). Um die gut Korrosionsschutzwirkung zu verdeutli-
3)
2)
1)
Abbildung 7.73: 1.) Blanker Stahlträgerteil, 2.) mit Primer, 3.) Primer und Pulverlack nach 120 h Salzsprühnebeltest nach DIN EN ISO 9227
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen chen wurde der teilbeschichtete Träger im Salzsprühnebeltest nach DIN EN ISO 9227 für 120 h belastet und erneut begutachtet (siehe Abbildung 7.73). Die Primer-Schichtdicke liegt je nach Korrosionsanforderung zwischen 10 und 40 µm. Ab ca. 25 µm ist eine optimale Korrosionsschutzwirkung gegeben, so dass die in der Norm DIN EN ISO 12944-6 zur Einstufung in die Korrosivitätsklasse C5-M geforderten Korrosionsprüfungen ohne Veränderungen an der Oberfläche bestanden werden ( Abbildung 7.74). Durch einen einfachen Primer-Auftrag mit einer Schichtdicke von ca. 25 µm vor der Pulverlackierung die höchste Korrosionsschutzklasse C5 für Stahlträger prinzipiell zu erreichen. Der aktive Korrosionsschutzprimer auf Basis der epoxymodifizierten Silikasole stellt aufgrund seines Eigenschaftsprofils eine Neuheit auf dem Korrosionsschutzmarkt dar. Das 1K-Beschichtungsmedium ist auf wässriger Basis und lässt sich mit geringem Aufwand (z.B. Airless-Pistole) innerhalb einer bestehenden Pulverbeschichtungsanlage verarbeiten. Bis hin zu hohen Korrosionsanforderungen kann so in vielen Fällen eine galvanische Verzinkung mit dem damit verbundenen Aufwand durch einen einfachen Primer-Auftrag ersetzt werden. Epoxymodifizierte Silikasole können nicht nur als reine Bindemittel eingesetzt werden. Sie eignen sich auch als Additiv für Epoxidharzdispersionen.
7.2.5 Epoxymodifizierte Silikasole als Additiv für Dispersionen Epoxidharzdispersionen haben in Verbindung mit aminhaltigen Härtern ein großes Anwendungsspektrum: vom Korrosionsschutzmaterial, Betonbeschichtung bis zur Fußbodenversiegelung. Die Bindemittel sind meistens als 2K-Systeme gut zu verarbeiten, weisen eine hohe chemische Resistenz und eine lange Haltbarkeit auf. Epoxymodifizierte Silikasole lassen sich mit Epoxyharzdispersionen einfach abmischen und vermengen sich beim Abtrocknen mit dem Harz. Je nach Füllstoffmenge kann man durch die nanopartikulären Füllstoffe das Schrumpfungsverhalten, die Kratzfestigkeit oder auch Abbildung 7.74: Stahlblech mit 25 µm Primer und die Korrosionsschutzeigenschafca. 80 µm Pulverlack nach 1.500 h im neutralen Salzsprühnebel nach DIN EN ISO 9227 ten positiv beeinflussen. Des Wei-
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Harze nach dem Fällungs-Emulsionsverfahren teren kann durch Einbau von 5 bis 10 % epoxymodifizierter Silikasole in Korrosionsschutzsysteme die Haftung auf Aluminium oder verzinktem Stahl nach Korrosionsprüfung erheblich verbessert werden [93].
7.3 Harze nach dem Fällungs-Emulsionsverfahren Die Motivation zum Fällungs-Emulsionsverfahren besteht in der Entwicklung eines Lösemittelreduzierten/ high-solid anorganisch-organischen Bindemittels unter Verwendung des Sol-Gel-Prozesses [94-97] bzw. einer Emulsion davon. Beim Sol-Gel-Prozess werden als Rohstoffe Alkoxysilane eingesetzt, die unter definierten Reaktionsbedingungen (Temperatur, pH-Wert, Wasseranteil) unter Bildung reaktiver Silanolgruppen hydrolysiert werden und in der Folge zu größeren Oligomeren und Polymeren kondensieren. Die entstehenden nanoskaligen Polymerstrukturen, in die etwa durch Zugabe von Zr-, Ti- oder Al-Alkoxiden auch Heteroatome einkondensiert sein können, liegen gelöst in dem bei der Hydrolyse freigesetzten Alkohol, meistens Ethanol oder Methanol, vor. Eine solche Beschichtungslösung kann prinzipiell durch beliebige Applikationsverfahren (z.B. Spritzen, Tauchen, Walzen) auf ein geeignetes Substrat aufgebracht werden. Durch thermische Trocknung des applizierten Nassfilms erfolgt ein Abdampfen des Lösemittels und eine weitere Kondensation bzw. Vernetzung der Partikel untereinander, so dass auf dem Substrat eine geschlossene, fest haftende Schicht gebildet wird. Die beim Sol-Gel-Prozess aus Alkoxysilanen freigesetzten niedrigen Alkohole stellen in vielen Fällen ein Problem für die Anwendung dar. Der Einsatz von Lösemitteln mit niedrigem Flammpunkt ist auf vielen großtechnischen Beschichtungsanlagen (z.B. Coil Coating-Anlagen) aus Gründen des Explosionsschutzes nicht zulässig. Eine destillative Entfernung des Alkohols ist für die oftmals in großen Tonnagen verwendeten Bindemittel einerseits aufwendig (Energie, Anlagentechnik, Zeit Abbildung 7.75: Darstellung des Fällungsverfahrens
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen usw.) und führt insbesondere bei Verwendung von Netzwerkwandlern zu einer Destabilisierung des Beschichtungssols und somit zu einer geringen Haltbarkeit. Mit dem „Fällungs-Emulsionsverfahren“ können stabile hoch kondensierte Sole mit hohem Feststoffgehalt und niedrigem Lösemittelanteil erhalten werden [98-99]. Der erste Schritt besteht aus der Fällung ( Abbildung 7.75). Zur Aufkonzentration der Kondensatphase kann eine Fällung auch mehrfach durchgeführt werden. Voraussetzung ist, dass die Kondensate der Silane wasserunlöslich sind. Das ist hier am Beispiel MPTS, MTMS, PTMS, PhTMS und OTMS gezeigt. Das MPTS besitzt, im Gegensatz zu den anderen Silanen, eine funktionelle Gruppe und hat damit eine zusätzliche Möglichkeit der Vernetzung. Der Ablauf von Sol-Gel-Prozess, Fällung und Abtrennung der konzentrierten Kondensatphase durch eine Phasentrennung ist in Abbildung 7.76 gezeigt. Im ersten Schritt werden organisch modifizierte Silane mit Alkoxiden oder Salzen geeigneter Metalle unter sauren Bedingungen kohydrolysiert. Mit fortschreitender Kondensation entstehen Nanokondensate bzw. nanoskalige Partikel aus oberflächenmodifizierten Silicium- oder Metalloxiden in einem alkoholischen Sol. Im nächsten Schritt wird durch gezielte Wasserzugabe eine Phasentrennung hervorgerufen, die die Entfernung von Alkohol und wasserlöslichen Salzen aus der Kondensatphase erlaubt. Gleichzeitig findet dabei auch eine pH-Wert-Verschiebung der Kondensatphase vom sauren in den neutralen Bereich statt, was gleichzeitig zu einer schnellen Stabilisierung der Nanokondensate führt und eine Gelbildung verhindert [100]. Es können mehrere Fällungen nacheinander durchgeführt werden. Die zunehmende Entfernung von Salzen und freien Säuren aus der Kondensatphase mit jedem Fällungsschritt kann anhand von Leitfähigkeitsmessungen, hier am Beispiel eines Sols mit R = Methacrylat, belegt werden.
Abbildung 7.76: Sol-Gel-Prozess, Fällung und Abtrennung der konzentrierten Kondensatphase durch eine Phasentrennung am bildlichen Beispiel eines MTMS-Konzentrates
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Harze nach dem Fällungs-Emulsionsverfahren Mit steigender Anzahl der Fällungen und Phasentrennungen fällt die elektrische Leitfähigkeit von anfänglich 19 μS auf etwa 1 μS nach vier Trennungsschritten exponentiell ab. Dieses Verhalten lässt sich mit einer Entfernung von Ionen (Salze und Säure) aus der Kondensatphase erklären. Der pH-Wert verschiebt sich von pH 2 vor der ersten Fällung auf pH 6 bereits nach zwei Fällungen und anschließender Phasentrennung. Für ein Hydrolysat von MPTS wurden verschiedene Charakterisierungsmethoden nach jedem Trennungsschritt durchgeführt. Ausgehend von ca. 40 % Feststoff, wurde nach dem zweiten Trennungsschritt ein Feststoffgehalt von 85 Gew.-% bestimmt. Im Feststoff kann dabei ein anorganischer Anteil von bis zu 60 Gew.-% erzielt werden. Ein großer Teil der verbleibenden Lösemittel ist dabei Wasser, das sich ähnlich Kristallwasser in Clustern mit den Silanolgruppen löst. Der Alkoholgehalt ist nach 2 Fällungen >1 Gew.-%. Mit Photonenkorrelationsspektroskopie (PCS) wurden Partikelgrößen im Bereich von 2 bis 4 nm nachgewiesen, was auch erfahrungsgemäß dem optischen Erscheinungsbild der synthetisierten kolloidalen Lösungen entspricht. Der Kondensationsgrad wurde mit 29Si Flüssig-NMR-Spektroskopie ermittelt und ergab einen Wert von 91 % nach dem vierten Fällungs- und Phasentrennungsschritt gegenüber 21 % vor der ersten Fällung. Dies ist in Anbetracht der relativ geringen Viskosität (~50 s Auslaufzeit mit DIN 53211 Auslaufbecher, 4 mm Düse, 20 °C) ein beachtenswertes Ergebnis. Fast alle während der säurekatalysierten Hydrolyse gebildeten SilaAbbildung 7.77: Elektrische Leitfähigkeit [μs] einer nolgruppen (Si-OH) haben durch Methacrylat-modifizierten Nanopartikeldispersion in Kondensation unter Bildung von Si- Abhängigkeit von der Anzahl der Fällungs- und O-Si-Bindungen weiterreagiert. Eine Phasentrennungsschritte weitere Hydrolyse von möglicherweise nicht umgesetzten Alkoxiden findet bei dem durch Fällungen und Phasentrennungen eingestellten fast neutralen pH-Wert nicht oder nur sehr langsam statt. Die Weiterverarbeitung dieser gefällten hoch Abbildung 7.78: Verschiedene Möglichkeiten zur kondensierten Phase kann auf ver- Weiterverarbeitung der im Fällungsverfahren erhalteschiedenen Wegen erfolgen. nen Kondensate
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen Wie Abbildung 7.78 zeigt, kann das über die Fällung und Phasenabtrennung erhaltene, nanostrukturierte Harz einerseits in Reaktivverdünnern gelöst werden, z.B. für die Formulierung von High Solid-Materialien, als Additiv für kommerzielle organische Lacksysteme oder es kann weiterverarbeitet werden im Emulsionsverfahren (siehe Abbildung 7.79). Hier sieht man beispielhaft an einem MTMS-Kondensat die Weiterverarbeitung der hoch kondensierten Silane. Durch Zugabe von Wasser und Tensiden als Emulgatoren kann man wasserbasierte stabile Emulsionen herstellen, die sich als Bindemittel ähnlich einer Acrylatdispersion einsetzen lassen. Diese neuen Bindemittel werden „Sicrylate“ genannt. Anwendungen gibt es sowohl als High Solid-Materialien als auch in emulgierter Form.
7.3.1 High solid Methacrylharze nach dem Fällungsverfahren Die Fällung von MPTS führt zu einer High Solid-Bindemittelklasse. Die Materialien sind aufgrund der Doppelbindungen UV-härtbar und zeigen eine hohe chemische und mechanische Beständigkeit. Aufgrund der vorhandenen Silanolgruppen (Si-OH) können Füllstoffe oder anorganische Farbstoffe kovalent angebunden werden. Als Strukturmodell wird von voneinander getrennten anorganischen Nanopartikeln mit monomeren polymerisierbaren Methacryl-Funktionen an der Oberfläche ausgegangen. Abbildung 7.80 zeigt schematisch die MPTS-Kondensate nach Fällung. Es bildet sich ein Harz mit einzelnen Nanopartikeln, die über die sterische Hinderung der organischen Seitenketten vor einer Gelbildung geschützt sind. Partikelgrößenmessungen haben eine homogene Nanopartikelverteilung von ca. 2 nm festgestellt. Dies sind also echte nanostrukturierte Harzen. Die Praxis hat gezeigt, dass mit dem beschriebenen Fällungsverfahren High Solid-Silankondensate mit einer Haltbarkeit von mehreren Jahren bei Raumtemperatur erhalten werden.
Abbildung 7.79: Emulgieren eines durch Fällung hergestellten Silankondensates
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Harze nach dem Fällungs-Emulsionsverfahren Eine Anwendung dieser High Solid-Bindemittel ist die dauerhafte Versiegelung von Betonsteinen. Wie in Abbildung 7.81 schematisch dargestellt, werden die nanostrukturierten Harze ab Werk zur Versiegelung von Betonsteinen eingesetzt. Das Methacrylharz wird im Walzenauftragsverfahren appliziert und UV getrocknet. Um die guten chemischen Schichteigenschaften zu demonstrieren, wurde auf jeweils einen beschichteten und einen unbeschichteten Betonstein verschiedene einfärbende oder angreifende Chemikalien, wie Methylenblau, Kaugummi, Rotwein, Kaffee, Senf und Sonnenblumenöl aufgetragen und nach einer Stunde abgereinigt (siehe Abbildung 7.82). Die methacrylfunktionellen Silankondensate besitzen nach der Härtung auf Betonstein eine ausgezeichnete Fleckenresistenz. Weder Methylenblau, Kaugummi, Rotwein, Kaffee, Senf noch Sonnenblumenöl zeigen eine Verfärbung oder einen Angriff auf der beschichteten Seite. Diese Eigenschaft ist kombiniert mit sehr guter Haftung, Abriebbeständigkeit und Bewitterungsstabilität. Die Abbildung 7.80: Methacrylharz nach dem Fällungsvernotwendige Wasserdampfdiffu- fahren bestehend aus Nanopartikel mit anorganischem sion durch den Stein wird dabei Kern und organischer polymerisierbarer Oberfläche
Abbildung 7.81: Beschichtung von Betonsteinen durch Walzenauftrag mit methacrylfunktionellen High-Solid-Harzen Quelle: linkes Bild Fa. Metten
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen nicht merklich beeinträchtigt. Die Betonsteine erhalten zudem eine Rutschhemmung und Kratzfestigkeit. Die Schicht verhindert ein Ausblühen von Salzen aus dem Stein bzw. ein Eindringen von Flüssigkeiten. Die Schichtbeton-Haftung ist über kovalente Si-O-Si-Brücken sehr stark, so dass sogar eine Reinigung mit dem Hochdruckreiniger möglich ist. Tatsächlich brauchen die beschichteten Steine recht wenig Reinigung. Meist reicht ein Regenschauer aus. Durch Einfügen von nachleuchtenden Pigmenten in die Beschichtung lassen sich Betonsteine herstellen, die nach der Bestrahlung mit Sonnenlicht je nach Pigment mehrere Stunden nachleuchten können. Eine Vision für „dunkle Gassen“ und Radwege und eine einfache Möglichkeit, die Sicherheit im städtischen- oder außerstädtischen Bereich mit einfachen Mittel zu erhöhen. Der Einsatz derartiger Lacksysteme erstreckt sich neben Betonsteinen auf die unterschiedlichsten Substrate, wie z.B. Natursteine, Kunststoffe, Textilien, Kunstleder, lackierte Oberflächen oder Metalle. Weitere Anwendungen der nach dem Fällungsverfahren hergestellten Additive und Bindemittel sind beispielsweise Additive für Druckfarben oder als Rohstoff zur Herstellung coilfähiger UV-vernetzender Kratzfestbeschichtungen [101]. Abbildung 7.83 zeigt zwei schwarz lackierte Aluminium-Coils nebeneinander. Das untere Coil ist mit einer transparenten UV-härtenden methacrylatbasierten Beschichtung versiegelt. Nach Behandlung mit Stahlwolle sieht man im oberen Bereich deutlich Kratzer. Im unteren Bild sind nur im Abbildung 7.82: Oberes Bild: unbeschichtete (links) und beschichtete Betonoberfläche (rechts) mit Übergangsbereich leichte Ververschiedenen Testsubstanzen vor Abreinigung kratzungen zu sehen. Einsatz finUnteres Bild: unbeschichtete (links) und beschichtete den solche Beschichtungen für Betonoberfläche (rechts) mit verschiedenen Test Fassadenelemente, für Sonnensubstanzen nach einer Stunde Einwirkzeit und Abreinigung mit feuchtem Tuch schutzlamellen, für Küchenfronten
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Harze nach dem Fällungs-Emulsionsverfahren usw. Die Beschichtungen können zudem auch als Antifingerprint für Edelstahl oder zur Versiegelung von Kupfer, Zink oder Messing eingesetzt werden. Insbesondere der Einsatz auf Böden, Laminaten oder im Küchenbereich stellt eine gute Anwendung dar. Exemplarisch wurden die Beschichtungen auf Dekorfolien untersucht. Die Folien selbst waren aus Polymer, die Dekore wurden ausgedruckt. Die Applikation der UV-härtenden Methacryl-Silan Kondensate erfolgte durch Walzenauftrag mit anschließender UVHärtung unter produktionsüblichen Bedingungen. Die Abriebbeständigkeit wurde mit einem Linear Taber Abraser und einem Korund-Stift vom Typ CS als abrasives Medium bestimmt. Der mechanische Angriff wurde nach dieser Belastung mit einer konventionellen Acrylatbeschichtung verglichen (siehe Abbildung 7.84). Die Oberfläche mit einer konventionellen Acrylatbeschichtung ist nach dem Prüfverfahren sichtlich sehr stark verkratzt im Vergleich mit Abbildung 7.83: Beispiel einer UV-gehärteten Anti der MPTS-basierten Beschichtung fingerprint-Beschichtung auf Aluminium-Coil nach ohne sichtbaren mechanischen An- Behandlung mit Stahlwolle. Die obere Seite ist unbegriff. Zur Überprüfung der Bestän- schichtet und zeigt ein typisches Verkratzungsbild. digkeit der lackierten Oberflächen wurde das Quellverhalten gegenüber Wasser nach EN 12720 für den Einsatz in feuchter Umgebung bestimmt (siehe Abbildung 7.85). Die Beständigkeit der MPTS-Kondensat-basierten Beschichtung gegenüber Wasserdiffusion im Vergleich zur konventionellen Acrylatbeschichtung, die eine Anquellung unter den Prüfbedingungen zeigt, ist deutlich sicht- Abbildung 7.84: Dekorfolie mit MPTS-Kondensat basierten (links) und einer konventionellen UV-Acylatbar. Nach der Aushärtung bildet formulierung (rechts) nach 50 Zyklen Crockmeter Test sich eine dichte glasartige Be- (Typ Linear Taber Abraser) mit einem Schleuermedium schichtung. Die Dichtigkeit zeigt von Typ Wearaser CS 10
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen sich ebenfalls in der Beständigkeit gegenüber der Diffusion von Farbstoffen in die Oberfläche. Abbildung 7.86 zeigt die Oberflächen nach Einwirkung von Methylenblau-Lösung. Die konventionelle Acrylatbeschichtung zeigt eine Verfärbung der Oberfläche während bei der auf MPTS-Kondensat basierten Beschichtung keine sichtbare Verfärbung auftritt. Die Diffusion des Farbstoffes wird verhindert. Neben der Anwendung im Möbel- oder Bodenbereich ergeben sich für die silanbasierten High Solid-UV-Lacke eine Fülle von weiteren Anwendungsfeldern: als transparente Kratzfestlacke für die Beschichtung von Displayfenstern und Folien aus PC und PMMA [102]. Zur Applikation wird Inkjet-Druck oder Schleuderbeschichtung mit anschließender kurzzeitiger UV-Belichtung eingesetzt.
7.3.2 Dual-Cure-Materialien auf Basis High Solid-Methacrylbindemitteln Die gefällten Methacrylatbindemittel sind niedrigviskos, haben einen Kondensationsgrad von ca. 85 % und können durch Zugabe von Additiven, wie Verlaufs- und Benetzungsadditive z.B. über Walzenauftrag appliziert werden. Interessant ist dabei die zweistufige Härtung der Materialien. Abbildung 7.87 zeigt die Dual-Cure-Härtung der methacrylatbasierten High Solid-Materialien nach dem Fällungsverfahren. Im ersten Schritt werden die Lacke thermisch getrocknet. Bei Temperaturen > 130 °C und < 150 °C wird das in den Silanolgruppen gebundene Wasser ausgetrieben und es kommt zu einem Kondensationsgrad von nahezu 100 %. Die resultierenden Schichten sind grifftrocken, können mit einer Folie überzogen werden und weisen sogar eine relativ gute Kratzfestigkeit auf. Die Doppelbindungen die erst bei Temperaturen > 165 °C gestartet werden, liegen immer noch unpolymerisiert vor. Die nach Schritt 1 getrockneten Schichten sind fast beliebig gut tiefziehfähig. Im zweiten Schritt, beispielsweise nach dem Tiefziehprozess, erfolgt die UV-induzierte Härtung Abbildung 7.85: Dekorfolie mit MPTS-Kondensat-bader Doppelbindungen. Man erhält sierter Formulierung (links) und einer konventionellen hoch kratzfeste, Stahlwolle beUV-Acylatformulierung (rechts) nach 16 h Einwirkzeit ständige Oberflächen. von Wasser nach EN 12720
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Harze nach dem Fällungs-Emulsionsverfahren Abbildung 7.88 zeigt ein nach dem Dual-Cure-Verfahren hergestelltes Substrat. Die Beschichtung erfolgte durch Rakelauftrag des methacrylatbasierten High Solid-Materials auf eine schwarz eingefärbte PC Folie. Die Härtung nach Schritt 1 erfolgte bei 130 °C für 10 min. im Umluftofen. Mit der trockenen Schicht wurde ein Kopf aus der Folie mit sehr hohen Verformungsgraden tiefgezogen. Schritt 2 war die UV-Vernetzung mit einer Quecksilberhochdrucklampe. Die hergestellte Schicht ist homogen auf der Folie, zeigt keine Bruchstellen und ist über die ganze Fläche hoch kratzfest. Alternativ zur UV-Bestrahlung ist auch eine Endhärtung bei 220 °C möglich. Bei dieser Temperatur kommt es zu einer spontanen Polymerisation der Doppelbindungen. Die resultierenden Beschichtungen erreichen Schichtdicken bis 20 µm ohne Rissbildung, sind hoch kratzfest und chemikalienbeständig, glänzend und matt einstellbar, einfärbbar und sie können ebenso UV-stabilisiert werden. Während die im Stand der Tech- Abbildung 7.86: Dekorfolie mit MPTS-Kondensat-basierter Formulierung (links) und einer konventionellen nik bekannten Dual-Cure-Systeme UV-Acylatformulierung (rechts) nach 16 h Einwirkzeit auf 2K-Isocyanatformulierungen ba- einer 0,1 %igen Methylenblau-Lösung und anschliesieren, sind mit der hier vorgestell- ßender Abreinigung mit Wasser
Abbildung 7.87: Dual-Cure-Härtung durch thermische Härtung und UV-Härtung in zwei getrennten Schritten
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen ten Technologie stabile 1K-Dual-Cure-UV-Systeme möglich. Auch eine Kombination der High Solid-Materialien mit konventionellen ungesättigten Acrylaten und Polyestern ist möglich. Eine weitere Anwendung der gefällten Materialien ist die Überführung in eine stabile Emulsion und die anschließende Härtung als Imprägnierung von Steinen und Beton.
7.3.3 Emulsionen von gefällten Silankondensaten
Abbildung 7.88: Tiefgezogene Kratzfestbeschichtung nach dem Dual-Cure-Verfahren
Abbildung 7.89: Darstellung von Propylsilankondensaten nach der Fällung
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Fällt man Silane mit hydrophoben Seitenketten, wie beispielsweise MTEOS oder PTEOS, so erhält man nach Fällung hochkondensierte Nanopartikel mit einem silikatischen Kern und hydrophoben Außengruppen. Abbildung 7.89 zeigt die Darstellung von Propylsilankondensaten nach dem Fällungsverfahren. Um die Funktionalität zu prüfen, wurden verschiedene Silanemulsionen mit einem Feststoff von ca. 50 % auf einen unbeschichteten Betondachstein appliziert und die Schichten bewertet (siehe Abbildung 7.90). Je nach Trocknungszustand löst sich die Emulsion auf und es bildet sich eine transparente Schicht aus. Auf frischem Beton sind die transparenten Schichten nach einigen Stunden getrocknet. Zu dem „Sicrylat“ wurden verschiedene farbige Oxide beigemischt und weitere Prüfkörper beschichtet (siehe Abbildung 7.91). Die Schichten sind homogen, einfarbig getrocknet und zeigen eine gute Wasserresistenz. Außenbewitterungsversuche mit solchen Prüfkörpern haben gegenüber
Harze nach dem Fällungs-Emulsionsverfahren Acrylatbeschichtungen als Basisbindemittel eine wesentlich geringere Einschmutzung und praktisch keinen Bewuchs gezeigt. Der Unterschied zu den Acrylaten ist das duroplastische Verhalten der Sicrylate, d.h. sind sie einmal vernetzt, weichen sie auch nicht mehr auf. Zu Versuchszwecken können auch Sicrylate mit Acrylaten, PU-Dispersionen oder PE-Wachsdispersionen miteinander gemischt werden (z.B. 50:50). Man erhält dort Eigenschaftsverbesserungen hinsichtlich des Aufweich- und des Anschmutzungsverhaltens. Sicrylate können auch mit Kieselsolen oder Anatas-Dispersionen gemischt werden und man erhält höhere Abriebbeständigkeiten oder photokatalytische Aktivität. Aufgrund des hohen Gehaltes an Anorganik tritt im Gegensatz zu Acrylaten keine Kreidung auf. Weitere potentielle Anwendungsgebiete sind Additive für Betonmischungen, Bindemittel für Fasermaterialien, Primerung von Beton und Putzen, Holzlacke usw. Überraschenderweise hat sich gezeigt, dass man Sicrylate auch im Elektrotauchbad abscheiden kann. Sie eignen sich also prinzipiell auch zur Elektrotauchlackierung (KTL, ATL).
7.3.4 Beschichtungen auf Glas und Porzellan Neben der Imprägnierwirkung sind die gute Haftung, die hohe Chemikalienbeständigkeit und die einfache Verarbeitung von Sicrylaten auch für die Beschichtung von Glas und Porzellan interessant. In der Praxis ist es üblich, frisch hergestellte Glasflaschen bzw. Behältergläser zunächst mit einer Heißendvergütung vorzubehandeln. In der Regel ist dieser Heißendvergütungsabschnitt als Verdampfungshaube ausgebildet, durch welche die frisch geformten Behältergläser in Reihe hindurchgeführt werden. Während dieser Durchführung wird das Heißendvergütungsmittel auf die Behälterglasoberfläche durch ein CVD-Verfahren aufgedampft [103]. Genau dieser Schritt erweist sich als hoch problematisch, da nahezu ausschließlich Titan- oder Zinnsalze hierfür verwendet werden. Insbesondere bei Letzteren hat es sich als vorteilhaft erwiesen, Monobutylzinntrichlorid (MBTC) zu verwenden, da dieses Material eine Abbildung 7.90: Betondachstein mit unterschiedlichen besonders gute Haftgrundlage für Silanemulsionen nach dem Fällungs-Emulsionsverfahren
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen die folgende Kaltendvergütung ausbildet. Es hat sich zudem herausgestellt, dass diese Zinnsalze Gesundheitsgefährdend sind und im Verdacht stehen, Krebs zu erregen. Im weiteren Prozess wird auf das Behälterglas eine Kaltendvergütung, meistens eine wässrige Wachsemulsion, aufgebracht, für welche die in der Heißendvergütung aufgedampften Metalloxide als Haftvermittler fungieren. Die Kaltendvergütung selbst dient der verbesserten Führung der Behältergläser während des Linientransports hin zu den Packstationen und/oder zu den Abfüllanlagen. Die Kaltendvergütungen erhöhen die Gleitfähigkeit der beschichteten Behältergläser, so dass sich ein Aufstauen in der Transportlinie verhindern lässt. Zudem kann die Kaltendvergütung auch einen Einfluss auf die Stabilität und Bruchfestigkeit der beschichteten Behältergläser ausüben. Allen bekannten Kaltendvergütungsbeschichtungen ist gemeinsam, dass diese die haftvermittelnde Heißendvergütung benötigen, um eine entsprechende Abriebstabilität sicherzustellen. Genau hierin liegt der große Nachteil der aus dem Stand der Technik bekannten Beschichtungsverfahren. Durch die Verwendung der Sicrylat-Technologie konnte eine tribologisch wirksame Kaltendvergütung entwickelt werden, die unter Verzicht der Heißendvergütung auf Behälterglasoberflächen aufgebracht werden kann, so dass deren Gleiteigenschaften, Bruchstabilitäten und Etikettiereigenschaften beibehalten oder sogar verbessert werden können [104]. Die Sicrylate werden über Hydrolyse und Fällung von Silanen, wie beispielsweise MTEOS erhalten. Die hochkondensierten entstehenden Verbindungen werden anschließend mit Tensiden versetzt und in Wasser emulgiert. Nach Aufsprühen auf heißem Behälterglas kommt es zu einem Auflösen der Emulsion und es bildet sich ein dünner transparenter Film, der das Zerkratzen zweier sich berührender Flaschen verhindert (siehe Abbildung 7.92). Durch die hohen Kettenlängen der organischen Seitenkette schirmt die dünne Sicrylat-Schicht die Glasoberfläche ab. Die hoch säure- und alkaliresistenten, dünnen Schichten können problemlos etikettiert werden und überstehen, im Gegensatz zu dem alten zweistufigen VerfahAbbildung 7.91: Betonprüfkörper mit farbigen Sicrylat-Beschichtungen ren, auch die Reinigungszyklen bei
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Nanoemaille Mehrwegflaschen. Solche Beschichtungen haben, im Gegensatz zum alten Verfahren mit Zinn, eine lebensmittelrechtliche Zulassung. Ähnliche Zusammensetzungen können auch auf Porzellan aufgetragen werden und so unerwünschte Kratzer vermieden werden. Spezielle Sicrylate werden bei der Fertigung nach dem letzten Brand aufgenebelt und härten mit dem Abkühlen aus. Es entsteht eine sehr gute Spülmaschinenbeständigkeit. Kratzer werden so langfristig vermieden, die Haltbarkeit und optische Wahrnehmung erhalten. Sicrylate eignet sich auch für wasserbasierte und rein anorganische Varianten, wie im nächsten Kapitel gezeigt wird.
7.4 Nanoemaille (alkalisch stabilisierte Silikatbeschichtungen) In Kapitel 5.1.4 und Kapitel 5.1.3 wurden die Grundlagen von Wassergläsern und Emaillierungsprozessen erklärt. Wasserglas und eine Schmelzemaille unterscheiden sich neben dem Gehalt an Aluminiumoxid und den verschiedenen Zuschlagstoffen hauptsächlich im Alkaligehalt. Bei Wasserglas ist ein hoher Alkaligehalt notwendig, um die Wasserlöslichkeit zu erreichen. Das Verhältnis von SiO2:(Alkali)2O wird Modul genannt. Es ist für jedes Wasserglas charakteristisch und liegt zwischen 1,6 und 4,1. Bei einer Erhöhung des Moduls kommt es durch Reduzierung der Alkaliionen zur Gelbildung, und es kommt zu einer Ausbildung eines dreidimensionalen Si-O-Si Netzwerkes. Bei der Emaillierung werden die Alkaliionen als Netzwerkwandler eingesetzt, um die Schmelztemperatur zu senken. Der Gehalt an Alkali ist dabei üblicherweise um die 30 %. Es ist bekannt, dass Alkaliionen in hohen Konzentrationen Glas und auch das amphotere Aluminiumoxid anlösen können. Was bei einem Fensterglas oder bei einem Partikel im µm-Bereich zu einer Oberflächenveränderung führt, kann bei einem Nanopartikel aufgrund der hohen reaktiven Oberfläche und des kleinen Partikelvolumens zur völligen Auflösung führen. Abbildung 7.92: Behälterglas mit und ohne SicrylatVersetzt man ein (chemisches) Beschichtung zur Vermeidung von Kratzern beim Wasserglas mit einer alkalisch ein- Herstellungs- und Reinigungsprozess
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen gestellten Nanopartikeldispersion von SiO2, ZrO2 oder Al2O3 und bringen die Lösung auf ein Substrat auf, kommt es zu unterschiedlichen Abläufen, die im Folgenden modellhaft erklärt werden können: 1. Durch das Abdampfen des Wassers kommt es zu einer Aufkonzentration der Alkaliionen an der Oberfläche der Partikel (siehe Abbildung 7.93). 2. Es kommt durch Gleichgewichtsund Diffusionsreaktionen zu einer Versalzung der Partikel und damit einem vollständigen bzw. je nach Partikel auch partiellen Auflösen der ursprünglichen Partikelzusammensetzung, wodurch sich die Alkaliionenkonzentration im eigentlichen Wasserglas herabsetzt. 3. Sinkt die Alkaliionenkonzentration dabei unter einen Schwellenwert, bildet sich aus der MiAbbildung 7.93: Modellhafte Darstellung eines schung Wasserglas/Partikel eine SiO2-Nanopartikels mit einer Aufkonzentration von Alder Emaille sehr ähnliche Zusamkali (in diesem Fall Kaliumhydroxid) an der Oberfläche mensetzung mit verminderter Alkalikonzentration in der Matrix (siehe Abbildung 7.94). Weitere Modifikationen können beispielsweise durch das Einkondensieren von Methytriethoxysilan (MTEOS) oder 3-Glycidoxypropyltriethoxysilane (GPTES) entstehen sowie durch das Versetzen mit Wachsen, Füllstoffen, Metallpigmenten, tribologischen Additiven oder Farbstoffen. Diese rein anorganischen Beschichtungen sind für KorrosionsAbbildung 7.94: Modellhafte Darstellung eines stabilen schutz-Anwendungen interesSiO2-Netzwerkes mit verminderter Alkalikonzentration sant. (beispielhaft K+)
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Nanoemaille
7.4.1 Alkalisch wasserbasierte Silikatschichten für den Korrosionsschutz Aus ersten Untersuchungen hat sich gezeigt, dass diese Technologie prinzipiell als Korrosionsschutz, auch als temporärer Korrosionsschutz, auf Stahl- oder Glasoberflächen geeignet ist. Eine Temperaturbehandlung der Nanoemaille hat die Reaktion positiv beeinflusst. Bei einer Härtung von ca. 15 min. bei 80 °C, werden bei einer Schichtdicke >10 µm bereits wasser- und alkalibeständige Beschichtungen erhalten. Wie wie man in Abbildung 7.95 erkennt, zeigt die alkalische silikatische Beschichtung nur an den unbeschichteten Kanten oder an kleinen Fehlstellen Rotrost. Die dichte Matrix hält also alle korrodierenden Ionen von der Oberfläche fern. Eine gute Matrix für passiven oder temporären Korrosionsschutz. Da die Matrix alkalisch und sehr dicht ist, wurden derartige Beschichtungen als Anlaufschutz auf Edelstahl untersucht.
7.4.2 Anlaufschutz von Edelstahl Bei Temperaturbelastung ab ca. 250 °C kommt es zum Anlaufen von Chrom oder Edelstählen. Die gelben Anlaufschutzfarben kennt man von Öfen, Töpfen oder Bügeleisen. Eine besonders oft angefragte Anwendung ist der Schutz von Abgasendrohren bei Automobilen. Die Verfärbung ist dauerhaft und kann also nicht durch Putzen in den Ausgangszustand zurückgebracht werden. Alkalische Silikatbeschichtungen schützen die Metalle vor Anlauffarben bis ca. 600 °C. In Abbildung 7.96 sind unterschiedliche Edelstähle mit einer Anlaufschutzbeschichtung nach 1 h Auslagerung bei 500 °C
Abbildung 7.95: Prüfblech aus rostendem Stahl mit einer 11 µm dicken Nanoemaille Beschichtung nach 240 h Auslagerung im Salzsprühnebeltest (DIN EN ISO 9227)
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen dargestellt. Im oberen Bereich erkennt man die gelbe Verfärbung des unbeschichteten Substrates, die durch Oxidation mit Luftsauerstoff entsteht. Die Schichtdicken liegen im Bereich 2 μm, sind also sehr dünn eingestellt. Auch auf verchromten Substraten kann man eine Antihaftwirkung detektieren. Abbildung 7.97 zeigt einen Grillrost, der halbseitig mit einer Anlaufschutzbeschichtung versehen ist nach 1 h Auslagerung bei 500 °C. Im vorderen unbeschichteten Bereich erkennt man die bläulichen Anlaufspuren durch die Oxidation des Chroms. Da diese Beschichtungen nach der Härtung eine reine Glasmatrix bilden, ist auch eine lebensmittelrechtliche Zulassung unproblematisch. Abbildung 7.96: Unterschiedliche Edelstähle mit einer Anlaufschutzbeschichtung nach 1 h Auslagerung bei 500 °C. Im oberen Bereich erkennt man die gelbe Verfärbung des unbeschichteten Edelstahls.
7.4.3 Höchste Chemikalienbeständigkeit durch Nanoemaille Aluminium ist amphoter, d.h. es löst sich bei sehr hohen oder sehr niedrigen pH-Werten auf. Aus diesem Grund ist der Einsatz von Aluminium als Werkstoff beschränkt. Eine wie beim Stahl übliche Emaillierung zum Einsatz bei hoher chemischer Belastung wird bei Temperaturen > 800 °C aufgesintert. Da Aluminium bei ca. 660 °C schmilzt ist das keine wirklich sinnvolle Methode zur Beschichtung.
Abbildung 7.97: Grillrost mit einer Anlaufschutzbeschichtung nach 1 h Auslagerung bei 500 °C. Im vorderen unbeschichteten Bereich erkennt man die Anlaufspuren durch die Oxidation des Chroms.
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Nanoemaille
Aus Nanoemaille und Glimmer werden Beschichtungen hergestellt, um die chemische Belastbarkeit des Materials zu untersuchen.
Nanoemaille Glimmer als Schichtsilikat erhöht die chemische Beständigkeit. Zur Überprüfung der Chemikalienbeständigkeit werden die Probe gegen ein unbeschichtetes Aluminium als Referenz mit 25 %iger Schwefelsäure für eine Stunde bei 65 °C ausgelagert. Der Tropfen konzentriert sich auf und wird nach Auslagerung mit Wasser abgespült (siehe Abbildung 7.98). Eine deutliche Verbesserung der Beständigkeit von Aluminium durch die Beschichtung wird sichtbar. Während links im Bild die Referenz eine Weißrostbildung durch die Belastung mit der Schwefelsäure zeigt, hat die rechte beschichtete Probe keine bis eine kaum wahrnehmbare Veränderung. Mit der neuen Technologie nanopartikulär modifizierter Silikate sind Beschichtungen möglich, die ähnlich widerstandsfähig wie eine Emaille sind, aber schon bei sehr niedrigen Temperaturen gehärtet oder eingebrannt werden können. Überraschenderweise zeigen alkalische Silikatschichten auch eine sehr gute katalytische Wirkung gegen Ruß, was im nächsten Kapitel näher erläutert wird.
7.4.4 Katalytischer Rußabbrand auf Basis alkalimodifizierter Silikate Eine spezielle Zusammensetzung aus nanoskaligen oxidisch inerten Verbindungen, wie beispielsweise Ceroxid oder Zirkonoxid mit hohen Alkali- oder Erdalkalikonzentrationen, führt zu Beschichtungen mit aktiven Zentren. Durch aktiven Sauerstoffübertrag erreicht man schon bei Schichtdicken < 1 µm einen guten Rußabbrand bei Temperaturen um 300 °C. Zur direkten Katalyse innerhalb weniger Minuten sind bisher noch Temperaturen von 350 °C und höher notwendig. Diese Schichten sind transparent und teilweise schon bei Raumtemperatur antrocknend und bieten damit einen
Abbildung 7.98: Beschichtung aus Nanoemaille und Glimmer gegen unbeschichtetes Aluminium als Referenz jeweils mit einem Tropfen 25 %iger Schwefelsäure für 1 h bei 65 °C ausgelagert.
Abbildung 7.99: Halbseitig beschichtetes Glas (rechte Seite beschichtet). Rußabbau der vollständig berußten Scheibe erfolgt nach 30 min. bei 350 °C nur auf der beschichteten Fläche.
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen
Abbildung 7.100: Katalytische aktive Beschichtungen z.B. zur Reinigung von Backöfen auf einem Glassubstrat (links beschichtet, rechts unbeschichtet) nach Beaufschlagung mit Marmelade und 30 min. Erhitzen bei 250 °C
Abbildung 7.101: Halbseitig beschichtetes Ofenrohr (untere Seite beschichtet). Rußabbau der vollständig berußten Fläche erfolgt nach 30 min. bei 350 °C nur im beschichteten Bereich.
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quasi universellen Anwendungsbereich. Diese neueren Beschichtungen werden für viele Anwendungen zur technischen Realisierung geprüft. Auf Glas kann man sich Anwendungen bei Sichtscheiben von Backöfen, aber auch zur Selbstreinigung von Kochfeldern vorstellen (siehe Abbildung 7.99). Die Beschichtungen mit nur wenigen Mikrometern oder sogar nur 1 µm sind sehr dünn und zeigen eine gute Haftung auf Stahl. Auch hier wurde die katalytische Aktivität untersucht und bestätigt ( Abbildung 7.101). Auf Steinen oder Beton dringt die Beschichtung in die Poren ein und ist optisch kaum von einem unbeschichteten Bauteil zu unterscheiden. Erst nach Berußung und Temperaturbehandlung kann man auch dort Unterschiede detektieren (siehe Abbildung 7.102). Potentielle Anwendungen sind Rohre von Öfen oder Industrieanlagen. Bei Abgasanlagen ist das Material schon als Beschichtung im Serieneinsatz. Als Katalysatoren in Dieselpartikelfiltern werden für die Verbrennung des Rußes entweder Schwermetalle wie Vanadium oder Edelmetalle wie Platin eingesetzt. Bei beiden Rohstoffen kann jedoch eine Ablösung zu gesundheitlich bedenklichen Partikelemissionen führen. Zudem ist Platin teuer.
Nanoemaille Eine silikatbasierte Beschichtung (z.B. „CleanCoat“) kann als Katalysator eingesetzt werden und kommt ohne Schwer- und Edelmetalle aus [105]. Abbildung 7.103 zeigt die Rußabbrandraten der silikatbasierten Beschichtung im Vergleich zum unbeschichteten Dieselpartikelfilter (DPF) und einem platinbasierten Serienmaterial bei einem Standard-Regenerationsversuch im Motorprüfstand. Man kann erkennen, dass die silikatbasierte Beschichtung der Edelmetallbeschichtung um fast das Doppelte überlegen ist. Ein bestimmtes Verhältnis von Glas und Alkalisalzen, auf nanoskaliger Ebene fest verschmolzen, erzeugt eine hochaktive Oberfläche, die Ruß schon ab ca. 250 °C zu Kohlendioxid katalysiert [106]. Derzeit kommt die Beschichtung in Bussen, Nutzfahrzeugen, Baumaschinen und Lokomotiven zur Anwendung. Weitere Einsatzmöglichkeiten sind Schiffe und Kraftwerke. Natürlich ist auch die Automobilindustrie interessiert. Die Entwicklung geht auch hier zu immer niedrigeren Temperaturen und höherer chemischer Beständigkeit. Beschichtungen mit thermischem „Catalytic-Clean-Effect“ haben in vielen Bereichen einen völlig neuen Markt, da vergleichbare Oberflächen bisher nicht bekannt sind oder für diese
Abbildung 7.102: Halbseitig beschichtete Fliese (Spaltklinker, linke Seite beschichtet). Rußabbau der vollständig berußten Fläche erfolgt nach 30 min. bei 350 °C nur im beschichteten Bereich.
Abbildung 7.103: Rußabbrandraten der silikatbasierten Beschichtung im Vergleich zum unbeschichteten Dieselpartikelfilter (DPF) und Serienmaterial bei einem Standard-Regenerationsversuch im Motorprüfstand. Quelle: ElringKlinger AG
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen Anwendungen einfach nie untersucht wurden. Eine weitere Anwendung findet man im Bereich von funktionellen Designoberflächen im Hochtemperaturbereich.
Abbildung 7.105: Hochkratzfeste mattschwarze Beschichtung auf Stahl basierend auf nanopartikel modifizierten Alkalisilikaten (Nanoemaille) und einem schwarzen Füllstoff (Eisenoxid)
Abbildung 7.106: Teil einer Bremsscheibe mit schwarzer Nanoemaille mit einer Schichtdicke von 15 µm beschichtet. Die Härtung erfolgte 2 min. im Umluftofen bei 250 °C. Die Alkalibeständigkeit wurde durch Auftropfen von 3 %iger KOH, die Säurebeständigkeit durch Auftropfen von 3 %iger HCl nach einer Einwirkdauer von 60 min. geprüft. Nach dem Chemikalientest wurde die Bremsscheibe für 240 h im Salzsprühnebeltest SST (DIN EN ISO 9227) ausgelagert.
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7.4.5 Nanoemaille als Designoberfläche mit passivem Korrosionsschutz Im ersten Schritt wurden Bindemittel auf Basis von nanomodifizierten Alkalisilikaten mit schwarzen Eisenoxidpigmenten gemischt und durch Sprühbeschichtung auf Stahlsubstrate appliziert. Die Beschichtungen sind nach der Härtung bei 200 °C ähnlich wie eine Emaillierung sehr Kratzfest (teils Schnittbeständig) und zeigen eine sehr gute Haftung auf Stahl (siehe Abbildung 7.105). Die Beschichtung wurde zu weiteren Untersuchungen auch auf Coil-Bleche und Bremsscheiben aufgetragen. Bei einer Härtung von 220 bis 250 °C PMT im Bereich von 2 min., wie sie z.B. bei Coil-Verfahren oder schnellem induktivem Aufheizen üblich sind, zeigen die Schichten neben der guten Wasser- und Alkalibeständigkeit auch eine sehr gute Säurebeständigkeit. Die Alkalibeständigkeit wurde durch Auftropfen von 3 %iger KOH nach einer Ein-
Nanoemaille wirkdauer von 60 min. geprüft. Die Säurebeständigkeit wurde durch Auftropfen von 3 %iger HCl nach einer Einwirkdauer von 60 min. geprüft (siehe Abbildung 7.106).
Abbildung 7.107: Korrosionsschutzuntersuchung nach Auslagerung im neutralen Salzsprüh nebeltest SST (DIN EN ISO 9227) von schwarz eingefärbten Nanoemaille-Beschichtungen auf Normalstahl gehärtet bei 250 °C, bis zu 12 h bei 400 °C sowie 1 h bei 500 °C.
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen
Abbildung 7.108: Halb beschichtete Bremsscheibe mit silbernem Nanoemaille nach 16 h SST gemäß DIN EN ISO 9227. Die Gesamtbelastung der Bremsscheibe war 240 h ohne Befund.
Abbildung 7.109: Nanoemaille-Bindemittel sind mit einem hitzebeständigen blauen Farbstoff versetzt, auf ein Stahlblech appliziert und mit einem Gasbrenner bis zur Rotglut erhitzt (oben). Auf der Rückseite (unten) sieht man Oxidation und Zunder, der durch die Behandlung entstanden sind.
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Die Auswirkungen von Temperatur und Schichtdicke einer schwarzen Nanoemaille auf den Korrosionsschutz wurde mit einer Einfachbeschichtung bei 15 µm, einer Doppelbeschichtung von 30 µm sowie einer Einfachbeschichtung bei einer Härtung von 2 min. 250 °C getestet. Einige Proben wurden zusätzlich zur Härtung 1 h und 12 h 400 °C sowie 1 h bei 500 °C ausgelagert. Danach erfolgte die Auslagerung im Salzsprühnebeltest gemäß DIN EN ISO 9227. Die schwarzen Nanoemaille-Beschichtungen sind nach der Auslagerung im Salzsprühnebeltest SST insgesamt als sehr gut zu bewerten, siehe Abbildung 7.107. Bei keiner der untersuchten Proben ist Flächenrost festzustellen. Die Doppelbeschichtung mit 30 µm Schichtdicke zeigt im Gegensatz zur 15 µm dicken Einfachbeschichtung auch nach 160 h im SST noch keinen Angriff (Rotrost) im Ritz. Die Proben bei 250 °C und 400 °C zeigen ein ähnliches Korrosionsbild mit Rotrost aus dem Ritz, jedoch ohne Unterwanderung. Bei 500 °C Auslagerungstemperatur ist eine leichte Verbesserung im Korrosionsschutz zu detektieren. Dies ist auf Sintereffekte des Glasnetzwerkes zurückzuführen. Auf Bremsscheiben konnten mit Aluminum-Flakes eingefärbten Beschichtungen ähnliche Eigenschaften erreicht werden (siehe Abbildung 7.108).
Nanoemaille Anhand der halb mit Silber beschichteten Bremsscheibe ist zu sehen, dass unterschiedliche Farben mit hohem Korrosionsschutz durch die Beschichtung mit Nanoemaille eingestellt werden können. Bei der Wahl der Korrosionsschutzpigmente sollte auf die Temperaturstabilität geachtet werden. Um die Hitzebeständigkeit zu überprüfen, wurden Nanoemaille-Bindemittel mit einem hitzebeständigen blauen Farbstoff versetzt, auf ein Stahlblech appliziert und mit einem Gasbrenner bis zur Rotglut erhitzt, siehe Abbildung 7.109. Diese Nanoemaille als Bindemittel ist bis zu Temperaturen > 800 °C ohne Verlust der Eigenschaften beständig. Das obere Bild zeigt, dass die hohen Temperaturen > 700 °C keine Auswirkung auf die Schicht und die Optik der Schicht haben. Auf der Rückseite sieht man Oxidation und Zunder, der durch die Behandlung entstanden ist. Die Kratzfestigkeit der Nanoemaille-Beschichtungen liegt im Bereich von Glas und ist je nach Füllstoff einstellbar. Prinzipiell können neben anorganischen Füllstoffen durch die niedrigen Härtungstemperaturen und auch organische Füllstoffe und Additive eingesetzt werden, was bei der Nanoemaille im Gegensatz zur üblichen Emaillierung völlig neue Konzepte zur Funktionalisierung ermöglicht. Durch die richtige Modifikation ist auch eine Härtung bei Raumtemperatur möglich.
7.4.6 Raumtemperaturhärtende Nanoemaille-Bindemittel für Anstrichfarben Ein weiterer Aspekt der nanopartikelverstärkten alkalisch stabilisierten Silikate ist die Härtung bei Raumtemperatur. Von Wassergläsern bekannt, härten Alkalisilikate durch Carbonatisierung. Dieser Prozess ist prinzipiell die Umkehrung der Wasserglasherstellung (siehe Abbildung 7.110). Die Reaktionsgleichungen in Abbildung 7.110 zeigen wie Wasserglas durch die Umsetzung von Quarz (SiO2) mit Soda (Na2CO3) oder Pottasche (K2CO3) hergestellt wird. Nach Applikation wird das Carbonat durch das Kohlendioxid (CO2) der Luft langsam wieder gebildet und es entsteht eine Glasschicht. Die Carbonate werden Abbildung 7.110: Herstellung und Carbonatisierung von Wasserglas durch Regen abgewaschen.
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen Diese z.B. bei Mineralfarben eingesetzten Bindemittel haben gegenüber Dispersionsfarben einen großen Vorteil – sie kommen ohne Kunstharze aus. Aus bauökologischer Sicht sind die Farben daher vorzuziehen. Im Gegensatz zu anderen Anstrichen, die eine Schicht bilden, geht Mineralfarbe mit dem Untergrund eine feste Verbindung ein. Man spricht hier von Verkieselung. Damit die unlösbare Verbindung eingegangen werden kann, muss der Untergrund siliciumhaltig sein. Daher scheiden Holz und Metall als Untergrund aus. Auch auf Gips hält der Anstrich nicht, da Gips und das Bindemittel Wasserglas in der Mineralfarbe miteinander reagieren, was zum Abplatzen führt. Auf Beton, Kalkmörtel oder zementhaltigem Mörtel kann Mineralfarbe verwendet werden. Mineralfarben haben die gleiche Wasserdampfdurchlässigkeit wie der Malgrund, weshalb Pilze und Flechten es schwerer haben, sich dort niederzulassen. Und auch eine anderweitige Verschmutzung der Fassade wird erschwert, weil sich mineralisch gestrichene Flächen weniger leicht statisch aufladen und die Schmutzpartikel leichter vom Regen abgewaschen werden. Im Innenbereich hat die Farbe aufgrund ihrer Alkalität eine gute biozide Wirkung und eignet sich daher gut als Keller-, Küchen- oder Badwandfarbe. Ein Nachteil von Mineralfarben ist der lange Prozess der Aushärtung, das ist der Zeitpunkt, an dem die Beschichtung wasserunlöslich wird, da die Carbonatisierung eine längere Zeit benötigt. Eine Weiterentwicklung der wasserglasbasierten Mineralfarben wäre eine schnellere Aushärtung, und eine Modifizierung bezüglich eines größeren Einsatzbereiches, so dass die Applikation auf Holz oder Metall ebenfalls möglich wäre. Um die Härtung der Nanoemaille zu beschleunigen, wird beispielsweise durch den Zusatz nanoskaliger SiO2-Partikel und deren Anlösen durch die Basizität der Nanoemaille der Alkaligehalt insgesamt gesenkt, so dass die Härtung beschleunigt wird. Kondensationskatalysierende Nanopartikel, wie Zirkon- oder Aluminiumoxidpartikel können ebenso die Härtung beschleunigen, da sie das chemische Gleichgewicht in Richtung Kondensation verändern. Abmischungen von nanoemaillebasierten Bindemitteln mit leicht alkalischen Acrylatdispersionen oder PU-Dispersionen zeigen je nach Konzentration und Produkt sowohl eine schnellere Härtung als auch eine bessere Verträglichkeit mit alternativen Oberflächen, wie Holz oder Metallen, siehe Abbildung 7.111. Bei Abmischungen von leicht organischen Harzdispersionen mit den silikatischen Bindemitteln kommt es in den meisten Fällen zu einer homogenen Verteilung der Dispersionspartikel in der silikatiAbbildung 7.111: Darstellung einer mit Acrylpartikeln modifizierten silikatischen Schicht auf Basis Nanoemaille schen Matrix ( Abbildung 7.111).
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Nanoemaille
7.4.7 Brandschutzprimer, Füller und Überzüge auf Basis der Nanoemaille Die Härtung bei Raumtemperatur und die Bildung von Na2CO3 (Soda) während der Härtung führt unweigerlich zu einer weiteren Anwendung dieser Bindemittel: dem Brandschutz. Im Brandfall kommt es oft darauf an, den Abbrand möglichst gering zu halten. Finden die Flammen keine brennbaren Substanzen, breiten sich die Flammen weniger aus und der Schaden ist geringer. Gerade Holz, Textilien oder andere gut brennbare Baustoffe müssen mit Flammschutzmitteln aufwendig geschützt werden. Flammschutzmittel oder Brandhemmer sind Stoffe, welche die Ausbreitung von Bränden einschränken, verlangsamen oder verhindern. Angewendet werden Flammschutzmittel überall dort, wo sich potentielle Zündquellen befinden, wie z.B. in elektronischen Geräten (elektrischer Kurzschluss), Polstermöbeln oder Teppichen [107,108]. Flammschutzmittel werden hauptsächlich in brennbaren Werkstoffen und Fertigteilen verwendet, um brandschutztechnische Anforderungen im Bau- und Verkehrswesen sowie im Elektro-/Elektronik-Sektor (E&E) zu erfüllen. Grundlage dazu sind Vorschriften zum vorbeugenden Brandschutz, die für das Bauwesen heute noch weitgehend national, im Bereich Verkehrswesen und E&E aber überwiegend international sind. In der Europäischen Union sind seit dem Jahr 2002 harmonisierte Klassifizierungssysteme und Prüfverfahren für das Brandverhalten von Bauprodukten eingeführt worden. Ziel des vorbeugenden Brandschutzes ist es, das Risiko eines Brandes zu minimieren und dadurch Leben, Gesundheit und Besitz des Menschen sowie die Umwelt zu schützen [109]. Für das Jahr 2012 wurde der weltweite Jahresverbrauch von Flammschutzmitteln auf knapp zwei Mio. Tonnen geschätzt. Viele Flammschutzmittel sind gesundheitlich und/oder ökologisch bedenklich. Im Hausstaub, im Blutserum und in der Muttermilch findet man von einigen Flammschutzmitteln seit Jahren steigende Konzentrationen [110]. Teilweise reichern sie sich auf der Oberfläche von Mikroplastik an. Die meisten Flammschutzmittel wirken sowohl durch einen oder mehrere chemische und physikalische Prozesse in jeweils unterschiedlich starken Anteilen. Die wichtigsten Vertreter der halogenierten Flammschutzmittel sind polybromierte Diphenylether. Bis in die 1970er-Jahre wurden außerdem Polybromierte Biphenyle (PBB) verwendet. Zu den mittlerweile verbotenen chlorierten Flammschutzmitteln zählen z.B. Chlorparaffine. Haupteinsatzbereiche der Flammschutzmittel sind Kunststoffe in elektrischen und elektronischen Geräten (z.B. Fernseher, Computer), Textilien (Polstermöbel, Matratzen, Vorhänge, Sonnenstoren, Teppiche), Automobilindustrie (Kunststoffbestandteile und Polsterüberzüge) sowie in Baustoffen (Isolationsmaterialien und Montageschäume) [111]. Vor allem bei Bränden stellen halogenierte Flammschutzmittel eine große Gefahr dar [112]. Unter der Hitzeeinwirkung wirken sie zwar brandhemmend, indem die bei der Pyrolyse
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen gebildeten Halogen-Radikale die Reaktion mit Sauerstoff hemmen. Allerdings entstehen auch hohe Konzentration an polybromierten (PBDD und PBDF) oder polychlorierten Dibenzodioxinen und Dibenzofuranen (PCDD und PCDF). Diese sind auch unter dem Überbegriff „Dioxine“ für ihre hohe Toxizität bekannt („Seveso-Gift“). Überdies kann während der Produktion, der Gebrauchsphase und der Entsorgung eine Emission von Flammschutzmitteln stattfinden [113]. Folgende Substanzen werden hauptsächlich im Brandschutz eingesetzt: – Bei Organophosphor-Flammschutzmittel werden typischerweise aromatische und aliphatische Ester der Phosphorsäure eingesetzt. Diese Flammschutzmittel kommen beispielsweise bei weichen und harten PUR-Schäumen in Polstermöbeln, Fahrzeugsitzen oder Baumaterialien zum Einsatz. Bisphenol-A-bis(diphenylphosphat) (BDP) und Resorcinol-bis(diphenylphosphat) (RDP) werden zunehmend als Ersatzstoffe für Octabromdiphenylether (OctaBDE) in Elektrogeräte-Kunststoffen eingesetzt. – Aluminiumhydroxid [Al(OH)3], ATH, das weltweit am meisten eingesetzte Flammschutzmittel, wirkt durch Abspaltung von Wasser kühlend und gasverdünnend, muss aber in großen Anteilen von bis zu 60 % zugemischt werden. – Aluminiumsulfat, wird als Ersatz für umstrittene borhaltige Mittel eingesetzt, ist aber möglicherweise gesundheitsschädlich. – Magnesiumhydroxid [Mg(OH)2], MDH, ist ein mineralisches Flammschutzmittel mit höherer Temperaturbeständigkeit als ATH, aber mit gleicher Wirkungsweise. – Ammoniumsulfat [(NH4)2SO4], Ammoniumphosphat [(NH4)3PO4], und Ammoniumpolyphosphat [NH4PO3]x, verdünnen das Gas in der Flamme durch Abspaltung von Ammoniak (NH3), welches zu Wasser und unterschiedlichen Stickoxiden verbrennt und der Flamme dadurch den Sauerstoff entzieht. Wassergläser härten durch Carbonatisierung, d.h. in der gehärteten Schicht liegen Alkalicarbonate und das silikatische Netzwerk vor. Durch die Abmischung mit Nanopartikeln oder auch organischen Modifizierungen, können diese als raumtemperaturhärtende Beschichtungen eingesetzt werden. Interessant sind die EigenAbbildung 7.112: Gehärtetes Nanoemaille-Bindemittel schaften dieser Bindemittel bei wird durch die CO2-Abspaltung in einem silikatischen Einwirken von Feuer und Hitze Netzwerk zu einem hitzebeständigen SiO2-Schaum, (siehe Abbildung 7.112). Bilder 1 bis 6.
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Nanoemaille Dort zeigt das 1. Bild einen größeren Tropfen bei Raumtemperatur gehärtetes Nanoemaille-Bindemittel, welches in den folgenden Bildern 1 bis 6 mit einem Brenner erhitzt wird. Als inertes Substrat wurde ein Stahlblech verwendet. Beim Erhitzen wird durch die CO2-Abspaltung der Carbonate und parallel der Ausbildung des silikatischen Netzwerkes ein isolierender hitzebeständiger SiO2-Schaum erhalten. Eine der gängigen Anwendungen für silikatische Gele sind Brandschutzfüllungen von Gläsern. Auch mit der Nanoemaille können hier transparente Gele erhalten werden, die im Brandfall aufschäumen und das äußere Glas vor dem Zerbersten und Schmelzen schützen, siehe Abbildung 7.113. Zur Demonstration der Transparenz und der Funktion der Nanoemaille als Brandschutzgel, wurden zwei Glasplatten in einem Abstand von 0,5 cm verklebt und mit dem silikatischen Bindemittel gefüllt. Die Zeit bis zur Gelbildung kann über den Gehalt an SiO2-Partikeln bzw. über geeignete Härtungskatalysatoren wie z.B. Phosphorsäureester eingestellt werden. In unserem Versuch wird die Zeit bis zur Gelbildung auf 10 min. eingestellt. Das Glasgefäß kann nach der Gelbildung gedreht werden, ohne dass das silikatische Gel ausläuft. Nanoemaille-Bindemittel sind kostengünstig und somit eine Alternative zu herkömmlichen Brandschutzgelen. Holz als Werkstoff ist besonders gefährdet, wenn es brennt. Um die Schutzfunktion der Nanoemaille zu testen, wird ein Bindemittel durch Aufstreichen auf Holz appliziert und 30 min. bei Raumtemperatur Abbildung 7.113: Einfüllen eines Nanoemaillegehärtet. Es bildet sich eine transparente, Bindemittels zwischen zwei Glasscheiben (1). harte Glasschicht, wie in den äußeren Be- Nach Gelierung und Trocknung (2) erhält reichen von Abbildung 7.114 zu sehen ist. man einen transparenten Verbund (3).
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen Das beschichtete Holz wird in der Mitte mit einem Brenner über ca. 2 min. angezündet. Wie man in Abbildung 7.114 erkennt, bildet sich auch auf dem Holzsubstrat der weiße hitzebeständige SiO2-Schaum, der das Holz vor dem Verbrennen schützt. Die Schichtdicke der Silikatbeschichtung spielt eine maßgebliche Rolle. Durch den ungleichmäßigen Auftrag und die zu dünne Schicht im oberen und rechten Bereich, ist die Abschirmwirkung des Glasschaumes nicht ausreichend, es kommt zum Ankokeln des Holzes. Das Brennen des Holzes wird über die Prüfdauer völlig unterbunden.
Nanoemaille-Bindemittel
Zusammenfassend sind Nanoemaille-Bindemittel ein Überbegriff für silan-, organik- oder nanopartikelmodifizierte silikatische Wassergläser. Durch gezielte Oberflächenreaktionen und dem Ausnutzen der hohen Reaktivität von Nanopartikeln entstehen schon bei niedrigen Härtungstemperaturen von Raumtemperatur bis 250 °C sehr dichte Glasschichten, ähnlich einer Emaillierung. Die Beschichtungen sind sehr gut einfärbbar und zeigen einen guten Korrosionsschutz auf Stahl, sowie einen guten Brandschutz. Nanoemaille ist VOCfrei, UV-stabil und zeigt eine extrem hohe Verschleißbeständigkeit [114].
7.5 Selbstvernetzende Silane: Crossilane Die in den beiden vorangegangenen Kapiteln erläuterten silanbasierten Bindemittel unterscheiden sich erheblich. Sol-Gel-Materialien sind größtenteils Lösemittelbasiert, im sauren stabilisiert und thermisch (ab ca. 80 °C) – oder UV-vernetzend. Bindemittel auf Basis Nanoemaille sind wässrig, alkalisch-stabilisiert und härten ausschließlich thermisch. Der Härtungsprozess bei Sol-Gel-Materialien verläuft über Kondensation unter Abspaltung und Verdunstung von Wasser. Bei der Nanoemaille erfolgt die Härtung ebenfalls durch Kondensationsreaktionen initiiert durch Temperatur oder bei Raumtemperatur durch eine langandauernde Carbonatisierung, aufgrund einer optimierten Zusammensetzung auch bei Raumtemperatur. Auch in diesem Fall muss Wasser abdunsten oder durch Temperatur aus dem Gleichgewicht entfernt werden. Die Härtung bei Raumtemperatur wird in beiden Fällen erst mit einem 2K-Material möglich. Um eine effektive Härtung bei RaumtempeAbbildung 7.114: Holz mit einer Nanoemaille-Brandratur zu erhalten, sollte der Zuschutzschicht nach 2 min. erhitzen mit dem Brenner satz von Wasser vermeiden wer(Mitte)
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Selbstvernetzende Silane: Crossilane den, da es mit 100 °C Siedepunkt Tabelle 7.4: Verdunstungszahl relevanter Flüssigkeiten und einer hohen VerdunstungsFlüssigkeit Verdunstungszahl zahl relativ schwerflüchtig ist. Diethylether 1 In Deutschland wird die VerMethanol 6,3 dunstungszahl (VD) nach DIN Ethanol 8 53170 bestimmt. Dabei wird die Essig 27 Zeit, in der ein Stoff komplett verdunstet (Verdunstungszeit = VDZ) Wasser 80 mit der Zeit in Relation gesetzt, die Diethylether zum Verdunsten benötigt [115]. Diethylether hat somit die Verdunstungszahl 1. Tabelle 7.4 zeigt relevante Verdunstungszahlen. Wasser mit einer Verdunstungszahl von 80 verdampft relativ langsam. Für die Sol-Gel-Materialien, die auf Hydrolyse und Kondensation unter Zugabe von Wasser reagieren, dauert daher eine Härtung bei Raumtemperatur lange. Ein weiterer, störender Effekt ist, dass sich Kristallwasser zwischen den Silanolgruppen anhaftet, welches normalerweise erst bei Temperaturen > 130 °C aus dem System entfernt wird. Sol-Gel-Materialien zeigen bei der Härtung von 130 °C gegenüber niedrigeren Temperaturen immer einen Eigenschaftssprung. Wenn Silane bei Raumtemperatur gehärtet werden sollen, müssen also andere Härtungsmechanismen eingesetzt werden. Bei Siliconen, z.B. Silicondichtmassen, ist eine Härtung bei Raumtemperatur möglich. Diese riechen dann intensiv nach Essig. In diesen Dichtmassen werden Acetate anstatt Alkoholate eingesetzt, weil sie wesentlich reaktiver sind und mit Luftfeuchtigkeit reagieren. Nun sind in den Dichtmassen aufgrund der langen Kettenlängen und der endständigen Silangruppen nur sehr geringe Anteile an vernetzenden Silanen. Das reicht schon völlig aus, um einen intensiven Geruch nach Essig zu erzeugen. Für Beschichtungen mit einem wesentlich höheren Gehalt an Silanen wäre diese Methode aus geruchstechnischen und auch gesundheitstechnischen Gründen nicht einsetzbar. Die Verdunstungszahl von Essig mit 27 liegt zwar schon deutlich niedriger als die von Wasser mit 80, aber es dauert immer noch relativ lange, um die Säure und damit auch den Säuregeruch komplett abzudampfen. Man benötigt also einen Härtungsmechanismus, der die Silane ohne den Zusatz von Wasser härtet. Acetate funktionieren zwar, sind aber keine praktikable Lösung. Es bleiben noch Methanolate und Ethanolate, beide mit einer Verdunstungszahl unter 10. Da Methanol giftig ist, scheidet es aus, es bleiben als Ausgangssilane die Ethanolate übrig. Um deren Härtung bei Raumtemperatur zu überprüfen, wird Methyltriethoxysilan (MTEOS) mit 2 Gew.-% unterschiedlicher Verbindungen versetzt und auf ein Aluminiumblech appliziert. Die Härtung wird alle 5 min. mit einem Holzstäbchen überprüft.
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen Folgende Verbindungen mit jeweils 2 Gew.-% werden zur Katalyse zugesetzt: – Aminoverbindungen, wie Ethanolamin, Diethanolamin, – reaktive Metallalkoxide, wie Aluminium- und Zirkonbutylat, – verschiedene Säuren, wie Essigsäure, Schwefelsäure, Phosphorsäure, Phosphorsäureester; – Aminosilane. Es hat sich gezeigt, dass die sehr verschiedenen Verbindungen unterschiedlich reagieren. Insbesondere die Aminosilane und die anorganischen Säuren, wie beispielsweise Phosphorsäure oder phosphorige Säure zeigen eine schnelle Härtung der MTEOS-Schichten. Durch unterschiedliche Katalysatormischungen und Einstellen des pH-Wertes auf pH 7 werden einkomponentige MTEOS-Mischungen erhalten, die nach Applikation auf ein Aluminiumblech (darüber gießen) und Härtung bei Raumtemperatur innerhalb ca. 10 min. antrocknen und nach etwa 1 Stunde wasserbeständig sind. Abbildung 7.115 zeigt den prinzipiellen Mechanismus der luftfeuchte- und katalysatorinduzierten Raumtemperaturhärtung von MTEOS. Nach der Applikation dringt Feuchtigkeit durch die Raumluft in das Beschichtungsmaterial ein. Die durch Katalysatoren induzierte Hydrolyse und Kondensation folgt unmittelbar. Dadurch, dass das entstandene Ethanol durch schnelles Abdampfen aus dem System entfernt wird, ist das Gleichgewicht der Reaktion sehr schnell auf der Seite der Kondensation. Die Beschichtung härtet homogen bei Raumtemperatur.
Abbildung 7.115: Mechanismus der luftfeuchte- und katalysatorinduzierten Raumtemperaturhärtung von Methyltriethoxysilan (MTEOS)
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Selbstvernetzende Silane: Crossilane Das abdampfende Ethanol ist dabei geruchstechnisch kaum wahrnehmbar. Für die Beschichtung größerer Flächen im Innenraum muss gut gelüftet werden, im Außenbereich können diese Bindemittel problemlos eingesetzt werden. REACH-Zulassung: In der einkomponentigen Mischung z.B. aus MTEOS/APTES liegen die REACH zugelassenen Komponenten in einem Gemisch vor. Die REACH-Zulassung ist unproblematisch, sofern REACH-konforme Ausgangsstoffe verwendet werden. Aufgrund der selbstvernetzenden Eigenschaften dieser selbsthärtenden Silanmischungen werden diese Bindemittel auch Crossilane genannt. Zu beachten ist, dass solche Silanmischungen ausschließlich für eine Anwendung bei Raumtemperatur eingesetzt werden können. Bei erhöhter Temperatur kommt es unweigerlich zu einem Abdampfen der Silane. Der Siedepunkt von unhydrolysiertem MTEOS liegt bei 142 °C und der Dampfdruck macht sich bereits bei 80 bis 100 °C bemerkbar. Eine Anwendung dieser Crossilane ist die Versiegelung von Beton und Steinflächen im Außenbereich.
7.5.1 Crossilane zur Stein- und Betonversiegelung Beton und insbesondere Betonoberflächen unterliegen in der Praxis einer Vielzahl von Einflüssen, die zu einer technischen, funktionellen oder optischen Minderung der Bauteile führen. Dazu gehören Verschmutzung, Ausblühungen, Vandalismus (z.B. Graffiti) oder Bewuchs durch Algen, Flechte oder Moose. Durch Fehler in der Oberfläche kommt es nach und nach zu Wassereintritt und zu einer Korrosion des Betons, was technische und funktionelle Mängel nach sich zieht. Zur Vermeidung werden die Betonoberflächen lackiert, imprägniert oder mit organischen Klarlacken oder Antigraffitilacken gestrichen, was durch die Alkalität und die poröse Beschaffenheit von Beton meistens nur für kurze Zeit wirkt. Durch die Crossilan-Technologie erhält man high-solid Lacke, die sich einfach auf den frischen oder gealterten Beton oder Naturstein aufrollen oder aufstreichen lassen, mehrere Millimeter eindringen und Abbildung 7.116: Applikation von Crossilanen auf in kurzer Zeit abbinden. Beton durch Walzenauftrag
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen Es kommt zu einem Schließen der Poren und einer chemisch festen Anbindung an den Beton, ohne die Atmungsaktivität vollständig zu unterbinden. Folgende Eigenschaften können durch Modifizierung und Füllung mit den Crossilan-Bindemitteln erreicht werden: – Durch die dichte, nanostrukturierte Oberfläche wird der Bewuchs durch Algen, Moose oder Flechten ohne Biozide vermieden. – Sehr geringe Verschmutzungsneigung, sehr gute Resistenz gegen Öle und z.B. Rotwein, teils selbstreinigende Effekte, Graffiti kann leicht entfernt werden und dringt nicht in die Poren ein. – Die Einfärbung ist beliebig möglich, Produkte in grau, schwarz, weiß, terracotta und anthrazit können durch anorganische Pigmente hergestellt werden. – Einstellung des Oberflächenglanzes von glänzend bis matt. – Über die Zugabe von grobkörniigen SiO2-Partikel kann die Beschichtung mit einer Rutschhemmung R11 für die Anwendung im öffentlichen Bereich erreicht werden. – Modifizierung der Bindemittel für photokatalytische Effekte oder Easy to Clean-Beschichtung. Die Crossilan-Bindemittel werden auf unterschiedlichen Beton- und Natursteinflächen untersucht, siehe Abbildung 7.117. Hier sind verschiedene halbbeschichtete Flächen zu sehen. Die derzeit älteste beschichtete Fläche ist eine halbbeschichtete Parkplatzfläche auf einem Firmenparkplatz, die seit 7 Jahren nicht gereinigt wurde und keinerlei Verschmutzung zeigt (Abbildung 7.117, links, rechte Seite). Die unbeschichtete Seite war schon ein Jahr nach der Reinigung schwarz verdreckt und vermoost. In der Mitte sieht man einen halb beschichteten Kalkstein. Das Außenobjekt ist der Vorplatz des Rathauses in Wadgassen, der 2015 beschichtet wurde (Abbildung 7.117, Mitte). Auch andere Natursteine, wie Sandsteine zeigen eine optische Aufhellung durch die Beschichtung (Abbildung 7.117, rechts). Gerade farbige Betonsteine sind nach ein paar Jahren durch Schmutz und Bealgung häufig unansehnlich. Die Reinigung mit dem Hochdruckreiniger kostet Zeit und ist sehr
Abbildung 7.117: Mit Crossilanen halbbeschichtete Außenflächen aus Beton, Kalkstein und Sandstein
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Selbstvernetzende Silane: Crossilane arbeitsintensiv. Alternativ ist eine Versiegelung mit der Crossilan-Technologie möglich (siehe Abbildung 7.118). Die Steine wurden im ersten Schritt gereinigt und danach mit Hilfe einer Schaumstoffrolle und Crossilan versiegelt. Nach etwa 30 min. ist die Fläche wieder begehbar. Weder das Befahren mit dem Auto, noch die hohe UV-Belastung durch die Südlage haben die Beschichtung nach nunmehr 5 Jahren verändert. Die Platten wurden seit der Beschichtung nur durch Regen und Abkehren gereinigt. Durch die Möglichkeit der Einfärbung können die Crossilane im Außenbereich für Wege und Plätze und auch zur Dachsanierung oder zum Abdichten von Mauern und Natursteinflächen eingesetzt werden. Gerade bei Dächern zeigen diese Beschichtungen eine langzeitstabile selbstreinigende Wirkung. Die Optik gleicht einer emaillierten Dachkeramik. Die Crossilane auf Basis MTEOS zeigen nach Auftrag und Härtung eine Hydrophobie, die nach wenigen Tagen Außenbewitterung verschwindet. Die Hydrophilie, die sich danach einstellt, führt bei großen Flächen zu einem Spreiten und damit besserem Ablaufen von Wasser. Auch die Abtrockenzeit ist gegenüber unbeschichteten Flächen wesentlich schneller, da das Wasser nicht eindringt, sondern abläuft. Das verbliebene Oberflächenwasser ist schnell verdunstet und die Fläche ist wieder trocken.
Abbildung 7.118: Reinigung und Versiegelung von Betonsteinen mit Crossilanen
Abbildung 7.119: Dachziegel mit Crossilanen versiegelt
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen Durch die schnelle Abtrocknung der Dachziegel wird der Bewuchs wesentlich verringert bis gar verhindert, da Moose, Algen und Flechte die Feuchtigkeit zum Wachsen brauchen. Zwei Praxisbeispiele für den Einsatz von Crossilanen auf öffentlichen Flächen sind die Beschichtung der Vorfläche des Wadgasser Rathauses und die Freitreppe zur Saar in Saarbrücken (siehe Abbildung 7.120) während der Beschichtung mit Crossilan. Das Beschichtungsmaterial wurde auf die Rutschhemmungklasse R11 eingestellt, als Voraussetzung für die Nutzung im öffentlichen Bereich. Nach 3 Jahren Nutzung zeigt sich, dass auf der Beschichtung keine Kaugummis oder Graffiti haften und was haften bleibt, kann mit Hochdruckreinigung entfernt werden. Neben der Beschichtung von Beton- und SteinAbbildung 7.120: Freitreppe in Saarbrücken beschichtet mit rutschhemmender Crossilan Beschichtung flächen zeigen Crossilane in Versuchen auch eine sehr gute Haftung auf Lackoberflächen.
7.5.2 Nass- und Pulverlacksanierung
Abbildung 7.121: Ungereinigte/bewitterte Trapezbleche (oben) nach Reinigung und Beschichtung mit Crossilanen (unten)
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Crossilane sind raumtemperaturhärtende silikatische Bindemittel mit einem sehr niedrigen Gehalt an Restorganik (< 20 %). Die ausgehärtenden Bindemittel sind transparent, UV-stabil, haben eine hohe chemische Beständigkeit und zeigen ohne Füllstoffe im Allgemeinen einen glasartigen anorganischen Glanz. Abbildung 7.121 zeigt die Wirkung der glasartigen Crossilane auf bewitterten pulverlackierten Tra-
Selbstvernetzende Silane: Crossilane pezblechen. Die grün beschichteten Trapezbleche waren nach mehr als 30 Jahren Außenbewitterung durch UV-Bestrahlung und Beregnung kaum noch als grüne Farbe zu erkennen. Eine graugelbliche Patina hat sich auf der Oberfläche gebildet, eine Mischung aus Schmutz und ausgeblühten und verschmutzten Bewitterungsrückständen. Durch Reinigung mit leichtem Hochdruck konnte die Schmutzschicht relativ leicht entfernt werden, es blieb eine grüngelblich inhomogene Oberfläche zurück. Umso überraschender war die Optik nach Aufrollen der Crossilane: es zeigt sich eine Tiefenfarbwirkung und eine Renaissance der ursprünglichen Farbe. Wenn man die Dachfläche und die Seitenfläche vergleicht, kann man sich nicht vorstellen, dass der einzige Unterschied eine transparente Überbeschichtung ist.
7.5.3 Anorganische Farblacke auf Basis von Crossilanen Die Crossilane sind durch die silikatisch reaktiven Gruppen prinzipiell sehr gut einzufärben. Man kann organische, metallische und anorganische Pigmente verwenden. Die Einfärbung kann prinzipiell nach jedem RAL-Ton, aber auch individuell erfolgen. In Abbildung 7.122 sind einige Beispiele gezeigt. Im folgenden Praxisbeispiel wurde auf den äußeren Natursteinen ein mit Eisenoxid schwarz eingefärbtes Crossilan verwendet. Die inneren grauen Steine wurden glänzend transparent beschichtet, Abbildung 7.122: Einfärbung von Crossilanen siehe Abbildung 7.123. Neben der Sanierung von Böden können auch Dachziegel mit eingefärbten Crossilan-Beschichtungen behandelt werden. Crossilane eignen sich ebenso für die Versiegelung von Holzoder Metalloberflächen. Ein verwitterter Fensterladen aus Holz wurde mit einem Primer und dann mit einem Crossilan, gefüllt mit einem Weißpigment (TiO2) und einem rötlich schimmernden „Iriodin“, gestrichen. Für die Fenster- Abbildung 7.123: Außenfläche beschichtet mit Crossibeschläge wurde zuerst ein Rost- lanen, im Randbereich schwarz eingefärbt
251
Lackrohstoffe und ihre Anwendungen schutz auf Basis TSZA (siehe Kap. 7.6.3) aufgebracht und danach eine Schicht Crossilan gefüllt mit einem Kupferglanzpigment. Abbildung 7.125 und auch die vorangegangenen Beispiele sollen zeigen, dass es für die Verwendung der Crossilane im Außenbereich als farbgebende Beschichtung nahezu keine Einschränkungen gibt. Gegenüber PU- oder Acryllacken haben die Crossilane den Vorteil, dass sie: – aufgrund ihrer anorganischen Matrix nicht kreiden, – UV-stabil sind, – aufgrund der Matrixdichte eine selbstreinigende Wirkung eintritt, – abwaschbar, auch unter Hochdruck zu reinigen sind, – ökologisch unbedenklich und erdölfrei sind. Für langzeitstabile Anstriche stellen Crossilan-Beschichtungen im hochwertigen Preissegment eine gute Alternative zu rein-organischen Bindemitteln dar.
Abbildung 7.124: Einfärben von Crossilanen beispielhaft in Grau oder in Gold für Ton- und Betondachziegel
Abbildung 7.125: Fensterladen gestrichen mit einem Crossilan, gefüllt mit einem Weißpigment (TiO2) und einem rötlich schimmernden „Iriodin“, die Fensterbeschläge wurden mit Crossilan gefüllt mit einem Kupferglanzpigment gestrichen
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Selbstvernetzende Silane: Crossilane
7.5.4 Photokatalytische Wandfarben auf Basis von Crossilanen Die Crossilane sind pH neutral und beinhalten einen geringen organischen Anteil, deshalb können neben Farbpigmenten auch photokatalytische Pigmente eingesetzt werden, ohne dass es zu einer Kreidung kommt. Photokatalytische Wandfarben sind für Selbstreinigungseffekte ebenso interessant, wie für die Luftreinigung (siehe Kap. 7.1.7). Um die Wirkung von photokatalytisch aktiven Pigmenten in Crossilanen zu testen, wurden Crossilane mit einer Mischung aus TiO2-Weißpigment sowie photokatalytisch wirksamem TiO2 in der Anatas-Modifikation gefüllt und auf Betonsteine appliziert (Schaumstoffrolle) und mit einem Druckstempel verschmutzt. Zum Vergleich wurde eine weiße Wandfarbe aus dem Baumarkt auf gleiche Weise behandelt (siehe Abbildung 7.126).
Abbildung 7.126: Crossilane mit einer Mischung aus TiO2-Weißpigment und photokatalytisch wirksamem TiO2 (Anatas) gefüllt, auf Betonstein appliziert (Schaumstoffrolle) und mit einem Druckstempel verschmutzt direkt nach Applikation (links) und nach 2 Tagen Außenbewitterung (Mitte). Zum Vergleich wurde weiße Wandfarbe aus dem Baumarkt auf gleiche Weise behandelt und bewittert (rechts).
Abbildung 7.127: Auf Crossilan-basierende photokatalytische Wandfarben
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen Man sieht in Abbildung 7.126 die Wirkungsweise der photokatalytischen Partikel. Die blaue Druckfarbe wird durch die Außenbewitterung der weißen Farbe aufgrund der photokatalytischen Wirkung fast vollständig abgebaut (Bild Mitte). Im Gegensatz dazu zeigt die Baumarktfarbe keine selbstreinigende Wirkung (Bild rechts). Aufgrund dieser Eigenschaft wurden 2016 mehrere Häuser mit solchen auf Crossilanen basierenden photokatalytischen Wandfarben gestrichen. Bis heute ist an den Testobjekten keine Veränderung der Oberfläche eingetreten. Crossilane stellen somit eine Alternative zu herkömmlichen Bindemitteln dar.
7.5.5 Kerzenbeschichtung Crossilane, beispielsweise auf Basis MTEOS/TEOS haben neben der hohen Kratzfestigkeit auch eine gute Temperaturbeständigkeit, bei ausreichender Flexibilität. Selbst in Schichtdicken von mehreren Millimetern härten sie ohne Rissbildung zu einer festen glasartigen Matrix. Eine Anwendung ist die Entwicklung eines dekorativen „Glasbehälterlackes“ [116]. Das Anforderungsprofil für einen kommerziellen Kerzentauchlack ist folgender: – Ersatz bisheriger Technologien (Glasbehälter etc.), – Entwicklung einer Technologie bzw. Prozesstechnik unter Nutzung bestehender Techniken bei der Kerzenherstellung (Tauchen, Sprühen), – Ausarbeiten einer dekorativen Vielfalt durch Zusatzstoffe (z.B. Füllstoffe, Strukturgebern ...), – gute Filmbildung des Bindemittels, – Bindemittel muss anorganisch sein (flammstabil, temperaturstabil), – schneller Abtrocknungsprozess bei RT, – keine gefährlichen Inhaltsstoffe bei Kerzenabbrand, – Kerzenbehälter darf nicht entzündbar kein, – Verträglichkeit mit marktüblichen Kerzenrohstoffen, – Reste kompostierbar.
Abbildung 7.128: Abbrandtest einer Kerze mit einer goldenen Crossilan-Hülse
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Selbstvernetzende Silane: Crossilane Crossilane scheinen ein geeignetes Bindemittel. Sie wurden dazu transparent oder mit anorganischen Pigmenten gefüllt in ein rundes Tauchgefäß gegeben und Kerzen eingetaucht. Diese Applikationstechnologie ist bei Kerzen allgemein bekannt zum Färben der Außenseite. Die Crossilane benetzen Paraffin sehr gut und haften. Es entstanden rissfreie Millimeterdicke „Hülsen“ um die Kerzen. Zum Testen der Funktionalität der Dickschicht wurden die Kerzen einfach angezündet (siehe Abbildung 7.128). Nach ca. 17 h war die Kerze völlig abgebrannt. Der entstandene Behälter hat die Wachsreste nicht auslaufen lassen und die Kerze konnte so fast vollständig genutzt werden.
7.5.6 Bindemittel für Naturstoffe und Steine Der einfachste Weg zum Testen der Bindewirkung von Crossilanen ist das Abmischen mit groben Steinen (Granulat). In Vorversuchen hat man schwarze Granulate in verschiedenen Konzentrationen mit Crossilanen versetzt und getrocknet. Es entsteht ein fester Verbund, der aber aufgrund der Transparenz der Crossilane im Gegensatz zu Zement, die Farbe der Steine nicht verdeckt. In einem Praxisversuch wurden schwarze Steine gewählt und in eine 5 cm tiefe Aussparung zwischen Bodenfliesen gefüllt, siehe Abbildung 7.129. Nach 1 Stunde war die Füllung begehbar. Nach nunmehr 5 Jahren und einem täglichen Begehen der Treppenstufen ist die Füllung quasi unverändert. Für ein Bindemittel im Automobil- oder Baubereich sollten folgende Anforderungen gelten: – kompostierbar, – wasserbeständig, – formaldehyd-frei, – Alternative zu Phenolharz, – hart-flexibel (reversibel), – mechanisch bearbeitbar, – gute Festigkeit, – ungiftig, – nicht brennbar, – sehr leicht. Crossilane können aufgrund ihrer Reaktivität nicht auf Wasserbasis hergestellt werden, aber die Verwendung langkettiger Silane (z.B. Propylsilan) in Verbindung mit bestimmten Aminkatalysatoren führt zu
Abbildung 7.129: Bild Härtungsmasse aus Crossilan und schwarzen Steinen in einer gefliesten Vertiefung
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen Bindemitteln ohne Lösemittel mit einem Flammpunkt > 60 °C, was die Verarbeitung auch in nicht „Ex“-geschützten Bereichen ermöglicht. Im ersten Versuch werden Crossilane als Bindemittel für Hanfmatten getestet, siehe Abbildung 7.130. In dieser Abbildung wird der Ablauf des Bindens von Hanfmatten mit Crossilanen dargestellt. Im ersten Schritt wird die Hanfmatte durch Sprühen oder Tauchen mit dem Crossilan getränkt. Nach einer Antrocknungszeit von 1 h bei Raumtemperatur wurde der Verbund noch 30 min. bei 80 °C im Ofen getrocknet, um alle durch die Kondensation entstandenen Ethanolreste gänzlich aus dem Verbund zu entfernen. Es zeigte sich, dass der Hanf/Crossilanverbund nach der Härtung bei 80 °C weich war, nach dem Abkühlen jedoch glashart. Das veranlasste zu dem Versuch, das Kompositstück nochmal aufzuwärmen und in einer Tunnelform bei 80 °C warm zu verformen und gleichzeitig abzukühlen. Man erhält ein festes Bauteil mit holzähnlichen Eigenschaften. Nach Erwärmen auf 80 °C hat sich das Bauteil wieder in den flachen Ausgangszustand zurückgeformt. Der Versuch wurde mehrfach wiederholt und festgestellt, dass es ein stabiler reversibler Prozess ist. Der Verbund Hanf/Crossilan zeigt quasi thermoplastische Eigenschaften. Um die Benetzung näher zu untersuchen, wurden REM Aufnahmen von der Faser angefertigt (siehe Abbildung 7.131). Die REM Aufnahme zeigt die gute Benetzung der Crossilane auf der Hanfoberfläche und
Abbildung 7.130: Beschichten einer Hanfmatte durch Sprühen oder Tauchen mit Crossilanen (oben). Danach wird der Verbund bei 80 °C gehärtet und reversibel verformt (unten)
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Selbstvernetzende Silane: Crossilane die gute Umhüllung der einzelnen Fasern. Um die Eigenschaften zu verifizieren wurden verschiedene Versuche an den Hanfplatten durchgeführt. In Abbildung 7.132 links zeigt mit Crossilan-beschichtete Hanfplatten, die mit dem Brenner für 1 min. behandelt wurden. Das Material war nach dem Brandversuch leicht geschwärzt, konnte aber nicht entflammt werden. Im kalten Zustand wurde ein Nagel eingeschlagen (Bild Mitte). Der Nagel hat in der Matrix einen guten Halt und konnte nur mit Kraft wieder rausgezogen werden. Erwärmt man die gleiche Platte auf 80 °C, wird sie weich und biegsam (Bild rechts). Nach dem Abkühlen ist die gebogene Form fixiert. Die Erweichungstemperatur kann durch Cokondensation mit vierfach- oder zweifach-vernetzenden Silanen variiert werden. Verbundplatten mit Naturstoffen und Crossilanen haben ein hohes Potenzial als Ersatz oder als Ergänzung für Phenolharz gebundene Platten. Insbesondere die gute Brandresistenz ohne chemische Zusätze (Brandhemmer) ist für viele Anwendungen interessant: – Glas- und Mineralfasern; – Isoliermatten, Akustikmatten, Tapeten, Bitumendachbahnen, Gipsbauplatten; – Zellulosefasern; – Dekorfolien, Filtermedien, Tapete; – synthetische Fasern; – Dachmembranen; – Partikelbindemittel (Schleifkörner, Schleifpapier; – Naturstoffe (Holz, Bagasse, Hanf usw.). Prinzipiell sind alle Silane direkt bei Raumtemperatur härtbar. Mit Verlängerung der Kette (z.B. Propylsilan, Octylsilan) oder
Abbildung 7.131: REM Aufnahme eines Verbundwerkstoffes aus Hanf und Crossilanen
Abbildung 7.132: Mit Crossilan beschichtete Hanfplatten wurden mit dem Brenner für 1 min. behandelt (Bild links), im kalten Zustand ein Nagel eingeschlagen (Mitte), bei 80 °C erwärmt und gebogen (rechts)
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen durch Abmischungen mit Lösemittelbasierten Lackharzen sind viele Kombinationen jenseits der organischen Lackchemie möglich. Neben den Silanen können auch Abmischungen mit anderen Alkoxiden insbesondere für die Härtung bei Raumtemperatur interessant sein.
7.6 Alkoxy-Si-ns-Bindemittel (Metalloxid-Silikat-Bindemittel) In den vorangegangenen Kapiteln wurden die verschiedenen Bindemittel auf Basis von Silanen und Silikaten vorgestellt. Allen gemein ist es, dass der überwiegende anorganische Anteil über Si-O-Si-Bindungen vernetzt. Alkoxide von Al, Ti oder Zr können als Additive ins silikatische Netzwerk einkondensiert werden und haben die Aufgabe, als Kondensationskatalysator oder als Katalysator für die organische Vernetzung zu agieren. Aluminium beispielsweise ist ein sehr starker Kondensationskatalysator und vernetzt bei erhöhten Temperaturen von größer 80 °C Epoxide. Die Reaktionsgeschwindigkeiten der unterschiedlichen Alkoxide in einem silikatischen Hydrolysat sind dabei sehr unterschiedlich. Prinzipiell kann man die Alkoxidreaktivität so zusammenfassen:
Al > Zr >> Ti > Si Auf der anderen Seite hat man die Möglichkeit, die Reaktivität über die alkoholische Abgangsgruppe, das Alkoxid, einzustellen. Es gilt: Je längerkettig der Alkohol, desto geringer die Hydrolyseneigung, entsprechend sinkt die Hydrolysegeschwindigkeit in der Reihenfolge Methoxy > Ethoxy > Propoxy > Butoxy > usw.
Abbildung 7.133: Darstellung eines homogenen Ti-O-SiNetzwerkes unter Verwendung von MTEOS als Silan
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Für viele Anwendungen ist es wichtig, den Gehalt an Alkoxiden derart zu erhöhen, dass sie Teil des Netzwerkes werden. Hydrolysiert man TEOS gemeinsam mit Aluminiumtriethanolat im Verhältnis 1:1, so erhält man
Alkoxy-Si-ns-Bindemittel kein Si-O-Al-Netzwerk, sondern Aluminiumoxidpartikel, die an der Oberfläche mit Si-O belegt sind. Das Aluminium ist so reaktiv, dass es nach Wasserzugabe ausschließlich mit sich selbst reagiert. Erst dann hydrolysiert das TEOS und reagiert und kondensiert auf die entstandenen Partikel. Es ist für einige Anwendungen interessant keine Partikel, sondern ein homogenes Netzwerk zu erhalten. Hier hilft ein kleiner Trick. Man passt die Reaktivität der verwendeten Alkoxide über die Länge des alkoholischen Restes an. Je nach Reaktivität der verwendeten Alkoxide (Al, Zr, Ti) wählt man die Kettenlänge aus. Beispielsweise macht es Sinn, TEOS gemeinsam mit Titanbutylat oder Aluminiumbutoxyethanolat umzusetzen. Man hat immer noch den Einfluss von Säure und Verdünnung, aber prinzipiell die Möglichkeit, homogene Kondensate zu erhalten. Zusätzlich können die Silane durch organische Seitenketten als Kondensationskatalysator (z.B. Aminosilan) oder Flexibilisator (z.B. MTEOS) dienen, siehe Abbildung 7.133. Hier ist schematisch ein Kondensat von MTEOS und Titanbutylat nach Hydrolyse und Härtung gezeigt. Bei geeigneter Syntheseführung kann man so die Partikelbildung vermeiden. Insbesondere hohe Titananteile führen zu neuen Anwendungen im optischen Bereich, beispielsweise dünne Funktionsschichten mit Interferenzeffekten.
7.6.1 Interferenzschichten auf Basis Ti/Si Weißes Licht, das an dünnen Schichten optisch transparenter Materialien wie z.B. ein Ölfilm auf Wasser oder eine dünne Oxidschicht auf Metallen reflektiert wird, erscheint häufig farbig. Dieser Effekt wird als Interferenz bezeichnet. Dabei interferiert das Licht, das an der oberen und unteren Grenzfläche der dünnen Schicht reflektiert wird. Richtungsabhängig wird das Licht einer bestimmten Wellenlänge ausgelöscht und es bleibt nur die Komplementärfarbe zum ausgelöschten Licht übrig [117]. Die irisierenden Farben der Opaleszenz sind ebenfalls eine Folge von Interferenz. Dabei wird das Licht an kleinen Strukturen im Inneren des Materials gestreut. Die Farben vieler Schmetterlinge, einiger Vögel oder des Edelsteins Opal beruhen auf diesem Effekt. Sie werden daher auch Abbildung 7.134: Interferenzfarben im Inneren eines Opals Strukturfarben genannt.
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen Tabelle 7.5: Bandabstände der TiO2-Modifikationen Modifikation
Bandabstand Wellenlänge (nm) (eV)[31]
interpolierter Brechungsindex bei 589 nm
Anatas
3,23
385
ne=2,489 no=2,561
Brookit
3,14
395
nα=2,585 nβ=2,583 nγ=2,702
Rutil
3,02
410
ne=2,900 no=2,613
In Abbildung 7.134 erkennt man die Interferenzfarben des Opals. Technisch kann man diese Effekte durch dünne hochbrechende Schichten nachstellen. Der Brechwert der Schichten sollte entsprechend hoch sein. Titanoxid eignet sich damit hervorragend als Bindemittelmatrix. Titandioxid ist ein Halbleiter, somit ist am Temperatur-Nullpunkt das Valenzband vollgefüllt und das Leitungsband unbesetzt. Die Bandlücke ist von der Modifikation abhängig. Lichtquanten mit einer Energie größer als die Bandlücke werden absorbiert. Auch UV-Licht kann ab der entsprechenden Wellenlänge absorbiert und so ein UV-Schutz hergestellt werden. Durch kurzwellige Lichteinstrahlung werden Elektronen aus dem Valenzband in das Leitungsband gehoben und hinterlassen ein Loch. Die Größe der Bandlücke ist von der Kristallrichtung und zusätzlich im Bereich von nanopartikulärem Material von der Teilchengröße abhängig (siehe Tabelle 7.5). Wie Tabelle 7.5zeigt, weist TiO2 zwar in jeder Modifikation einen hohen Brechungsindex n auf, bei sehr dünnen Schichten zwischen 300 und 500 nm kann man somit Interferenzschichten erzeugen. In der Praxis setzt man Silan/Titanalkoxid-Hydrolysate ab einem MischungsverAbbildung 7.135: Interferenzbeschichtete Glasflasche auf Basis TiO2/SiO2 hältnis von Silan zu Titanalkoxid 20:80 ein.
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Alkoxy-Si-ns-Bindemittel Als Beispiel wurde eine solche Beschichtung auf einen Feststoff von 7 % verdünnt und auf Glas appliziert. In Abbildung 7.135 ist der optische Effekt der Interferenzschichten zu sehen. Die Beschichtungen weisen zusätzlich eine sehr gute Haftung, chemische Beständigkeit, eine gute Kratzfestigkeit und eine sehr gute UV Beständigkeit auf. Kombiniert man hochbrechende mit niedrigbrechenden Beschichtungen erhält man Antireflexbeschichtungen.
7.6.2 Antireflexbeschichtungen Antireflexbeschichtungen sind optische Beschichtungen, die aus mehreren Schichten mit unterschiedlichem Brechungsindex bestehen. Diese Schichten werden üblicherweise im Vakuum aufgedampft und besitzen abwechselnd eine niedrige und hohe Brechzahl, welches zu einem Interferenzeffekt des auftreffenden Lichts führt. Durch mehrmalige Brechung und Überlagerung am Übergang der Grenzflächen heben sich die Lichtstrahlen nahezu auf. Den technischen Prozess nennt man bei der Herstellung von Objektiven und Okularen Vergüten, bei Brillen, Fensterscheiben oder Displays Entspiegelung. Als Erfinder der optischen Vergütung gilt der ukrainische Physiker Alexander Smakula [118]. Antireflexbeschichtungen bestehen aus einem Wechsel von hochbrechendem Titanoxid oder Siliciumnitrid und niederbrechendem Siliciumoxid. Hydrolysiert man Ti- und Si-Alkoxide unter üblichen Sol-Gel-Bedingungen, so tendieren die Kondensate eher zu einer Gleichverteilung. Dies kann man auch zur Herstellung von Antireflexbeschichtungen nutzen. Titandioxid (TiO2) weist neben guten dielektrischen Eigenschaften (εr ~100) auch einen hohen Brechungsindex von ca. 2,6 auf (Anatas: 2,55; Rutil: 2,75). SiO2 hat einen Brechungsindex von 1,46. Durch dünne Mehrfachbeschichtungen und Abmischungen zwischen TiO2 und Abbildung 7.136: Antireflexbeschichtung auf SiO2 kann man die optischen Reflexe Glasscheibe [119], links beschichtet, rechts unbeschichtet drastisch mindern.
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen Abbildung 7.136 zeigt die Wirkung einer Antireflexbeschichtung. Auf der rechten Seite des Bildes wird die Wahrnehmung des Bildes unter der Glasscheibe durch Lichtreflexe gestört, links hingegen sieht man trotz der Abdeckung ein scharfes Bild. Erwähnt sei an dieser Stelle, dass es neben Mehrfachbeschichtungen noch weitere Möglichkeiten gibt, die Brechung zwischen Substrat und Luft zu vermeiden [120,121]. Ein Beispiel ist der Aufbau eines Brechwertgradienten durch eine Strukturierung der Oberfläche (Mottenaugenstruktur) oder durch eine gezielt eingestellte Porosität in einem SiO2-Netzwerk, so dass die Übergänge zwischen dem Brechwert Luft/Substrat fließend werden. Die Minderung von Oberflächenreflexen an Brillengläsern und auch für die Displaytechnologie ist heute Stand der Technik [122,123]. Anwendungen von Mottenaugenstrukturen für polymere Oberflächen bei transparenten Abdeckungen im Automobil sind bereits in Serie. Für den Chemiker im Farben- und Lackbereich ist dieser optische Effekt nur durch Überbeschichtungen oder Strukturierung zu erreichen. Neben den optischen Effekten hat insbesondere TiO2 noch eine weitere interessante Eigenschaft. Titandioxid ist ein Halbleiter. Macht man die Schichten beliebig dünn, wird aus dem Halbleitervalenzband ein Leitungsband, was insbesondere für Anwendungen im aktiven Korrosionsschutz geeignet ist.
7.6.3 Kathodischer Korrosionsschutz durch metallkeramische Beschichtungen auf Basis TiO2/SiO2/Zn/Al (TSZA-Technologie) Um Normalstahl und Gusseisen dauerhaft und aktiv vor Korrosion zu schützen, ist die Oxidation von Fe zu Fe2+-Ionen zu unterbinden. In der elektrochemischen Spannungsreihe wird für das Redox-Paar Fe/Fe2+ ein Standardpotential von -0,41 V angegeben. Um diesen Schritt zu unterdrücken, müssen von einem Reaktionspartner Elektronen zur Verfügung gestellt werden. Geeignete Opferelemente hierfür sind beispielsweise Zink oder Magnesium. Das Redoxpaar Zn/Zn2+ ist mit einem Standardpotential von -0,76 V deutlich unedler als Eisen. Dies macht man sich durch kathodisch wirkende Zinküberzüge auf Stahl, die entweder im Schmelztauchverfahren oder galvanisch abgeschieden werden, seit vielen Jahrzehnten zunutze. Überträgt man dieses Prinzip auf eine Beschichtung, so kann die grundsätzliche Schutzwirkung zunächst durch einen metallischen Zinkanteil, etwa durch geeignete Partikel oder Pigmente erzeugt werden. Die Korrosionsschutzwirkung wird also nicht mehr primär durch das Bindemittel geleistet. Dem Bindemittel kommt also eine andere, aber nicht minderbedeutende Aufgabe zu.
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Alkoxy-Si-ns-Bindemittel Für eine kathodische Schutzwirkung müssen die Metallpigmente in direktem elektrischen Kontakt stehen, d.h. sich gegenseitig berühren oder in einer Matrix eingebettet sein, die elektrisch leitende oder halbleitende Eigenschaften hat oder den Elektronenfluss zwischen den Pigmenten ermöglicht. Bindemittel auf Basis von Polymeren oder SiO2 zeigen im Normalfall keine elektrische Leitfähigkeit. Bei epoxymodifizierten Silikasolen, wie sie in Kap. 7.2.2 für den aktiven Korrosionsschutz eingesetzt werden, kann man eine gewisse Ionenleitfähigkeit postulieren, wodurch bei hohen Füllgraden und ausreichend hohen Gehalten an Zink der aktive Korrosionsschutz gegeben ist. Voraussetzung ist immer eine Härtung bei erhöhter Temperatur.
Abbildung 7.137: links ein unbeschichtetes Stahlblech nach 48 h Salzsprühtest (DIN ISO 9227) SST, Mitte bandverzinkter Stahl mit 7 µm Zinkauflage nach 120 h SST, rechts Stahlblech mit 7 µm Beschichtung aus Zink-/Aluminium-Flakes in anorganischer Titanoxidmatrix (TSZA-Technologie) nach mehr als 1000 h SST
Abbildung 7.138: Aufbau einer aktiven Korrosionsschutzbeschichtung auf Basis von Zinkund Aluminiumpigmenten, die in einem anorganischen Halbleitermaterial auf Basis TiO2/SiO2 eingebettet sind (TSZA Technologie)
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen Interessant werden in diesem Zusammenhang Bindemittel auf Basis von TiO2/SiO2. Das Verhältnis TiO2 zu SiO2 liegt dabei bei ca. 80:20 Gew.-% bis zu 95:5 Gew.-%. Der Titananteil überwiegt also deutlich. TiO2/SiO2-Mischoxid-Bindemittel mit Metallpulver oder Metall-Flakes führen nach der Applikation und Härtung zu einer weiteren Beschichtungsklasse, den metallkeramischen Beschichtungen. Die Härte kommt durch den keramischen Anteil, die Flexibilität durch die metallischen Pigmente der Schichten. Die Füllgrade liegen je nach Pigment zwischen 50 und 80 Gew.-%. Durch die Einbettung von Zink- und Aluminiumpigmente in eine anorganische Matrix auf Basis von TiO2/SiO2 ergibt sich in dünnen Schichten eine kathodische Schutzwirkung auf Stahl (TSZA Technologie), siehe Abbildung 7.137. Während ein verzinktes Stahlblech mit 7 µm Zinkauflage im Salzsprühnebeltest nach kurzer Zeit Weißrost bildet und bereits nach 120 h Grundmetallkorrosion auftritt, zeigt eine Schicht gleicher Schichtstärke aus Zinkpartikeln in einer Titandioxidmatrix lediglich eine leichte Graufärbung, jedoch keine Grundmetallkorrosion bis nach 1000 h, auch nicht am Schadenskreuz. Das bessere Korrosionsschutzverhalten der Beschichtung aus Zink-/Aluminium-Flakes in anorganischer Titanoxidmatrix wird durch das Bindemittel hervorgerufen. TiO2 ist als Halbleiter unter bestimmten Bedingungen zur elektrischen Leitfähigkeit befähigt. In sehr dünnen Schichten < 100 nm oder auch als hochgefülltes Bindemittel für metallische Füllstoffe ist das TiO2-Netzwerk durch viele Störstellen energetisch erhöht. Man erhält eine ausreichende Leitfähigkeit, um einen aktiven Korrosionsschutz zu erhalten, ohne dass sich die Pigmente berühren müssen. TiO2 hat dabei mehrere Funktionen. Während der Synthese adsorbiert das Titanoxid auf die Oberfläche der Zinkpartikel und schützt diese bereits in der Beschichtungslösung. Die SchichtdiAbbildung 7.139: REM Aufnahme einer mit Zn- und Alu-Flakes gefüllten TiO2/SiO2-Matrix cken auf jedem Zinkpartikel betra-
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Alkoxy-Si-ns-Bindemittel gen dabei nur wenige Nanometer. Nach Auftrag und Härtung dieser Beschichtungen verbinden sich die reaktiven Ti-OH-Gruppen zu einem dichten Netzwerk. Die Metallpigmente werden oberflächlich vollflächig beschichtet, so dass durch die stabile Ti-O-Me-Bindung eine zusätzliche passive Inhibierung der Metallpigmente auftritt. Da jeder Partikel mit einer Schicht aus TiO2 überzogen ist, wird die Weißrostbildung stark vermindert, während durch die halbleitenden Eigenschaften des TiO2 eine ausreichende Kontaktierung der einzelnen Zinkpigmente untereinander und mit dem Stahlsubstrat erhalten bleibt, siehe Abbildung 7.138. Hier ist der Aufbau einer aktiven Zink-haltigen Korrosionsschutzschicht auf Basis eines TiO2/SiO2-Bindemittels TSZA dargestellt. Zur weiteren Veranschaulichung wurden REM-Aufnahmen eines solchen Beschichtungsmaterials nach Härtung bei 250 °C auf Stahl durchgeführt. Die Abbildung 7.139 zeigt die Metallpigmente in der TiO2/ SiO2-Matrix, wobei jedes Pigment einzeln von einer 20 bis 100 nm dicken Bindemittelschicht umhüllt wird. Die elektrochemische kathodische Schutzwirkung des Zinks und damit auch die Leitfähigkeit der TiO2/SiO2-Matrix wurde durch Potentialmessungen in 3 %iger Abbildung 7.140: Potenzialmessung einer aktiven NaCl-Lösung nachgewiesen. Wie Zink-haltigen Korrosionsschutzschicht auf Basis man in Abbildung 7.140 erkennen TiO2/SiO2 auf Stahl in 3 %iger NaCl-Lösung kann, wurde über die Messdauer für die Beschichtung ein konstantes Potential von ca. -0,8 V gemessen. Zusätzlich zum aktiven Schutz bilden sich bei der Bewitterung in und auf der Schicht Oxidationsprodukte, die gegenüber dem Ausgangszustand ein größeres Volumen einnehmen und so Fehlstellen und Verletzungen in der Schicht abdichten. Dadurch wird eine zusätzliche passive KorrosionsschutzwirAbbildung 7.141: Schrauben mit TSZA-Beschichtung kung erzielt.
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen Auf der Basis dieses Grundprinzips wurden verschiedene Produkte entwickelt, von der lufttrocknenden Farbe bis hin zum umformbaren, punktschweißbaren und KT-lackierbaren kathodischen Korrosionsschutz für Karosserieteile im Automobilbereich. Die Anforderungen an Zinklamellenüberzüge für Schrauben und Kleinteile wurden in Kapitel 5.4.3 erläutert. Mit den neuen Zn/Al-haltigen Korrosionsschutzschichten auf Basis eines TiO2/SiO2-Bindemittels (TSZA Technologie) und den damit verbundenen sehr guten Korrosionsschutzergebnissen gibt es eine weitere Alternative für die Kleinteilebeschichtungen im Tauchschleuderverfahren [124]. Um die tribologische Gleitreibung einzustellen, eignet sich der Einbau von Wachsen in die Beschichtung. Alternativ können transparente oder farbige Deckschichten aus Sol-Gel-Materialien mit entsprechenden tribologischen Eigenschaften aufgetragen werden. Interessant ist das Löseverhalten der Schrauben. Ist die Schraubenoberfläche sehr gut gleitend, ist das Eindrehen der Schraube einfach, aber ebenso schnell kann sie sich wieder lösen. Neue Untersuchungen haben gezeigt, dass spezielle Nanopartikel, die man zusätzlich in die oberste Schicht einbaut unter Druckbelastung, d.h. bei Eindrehen reagieren und die Schrauben fest verankern, also sozusagen die „smarte“ Schraube. Ein weiteres eindrucksvolles Produktbeispiel ist eine kathodische Korrosionsschutzbeschichtung aus der Aerosoldose, die innerhalb weniger Minuten an der Luft trocknet und Abbildung 7.142: Kathodisch aktives Zink Aerosolnicht eingebrannt werden muss. spray, Premiumprodukt der Fa. Würth
Abbildung 7.143: Verschraubter Aluminium/Stahl Verbund mit (rechts) und ohne (links) TSZA Beschichtung nach 1.500 h Lagerung im neutralen Salzsprühnebeltest SST (DIN ISO 9227)
266
Alkoxy-Si-ns-Bindemittel Die bei Raumtemperatur trocknenden Beschichtungen, bieten schon ab 15 µm ausreichenden Korrosionsschutz C5, um auch in Bereichen am salzhaltigen Meer eingesetzt zu werden (siehe Kapitel 5.4). Da man mit dieser Technologie Zinkschichten von mehreren 100 µm ersetzen kann und sogar noch eine Verbesserung in den Korrosionsschutzeigenschaften möglich ist, wurden diese Entwicklungen mit dem Deutschen Rohstoffeffizienzpreis 2011 ausgezeichnet [125,126]. Die Kombination von passivem und aktivem Korrosionsschutz der TSZA-Technologie in einem Beschichtungsmaterial bietet gegen herkömmliche Beschichtungen entscheidende Vorteile. Sie wirkt z.B. auf Aluminium, Stahl und Zink gleichermaßen. Eine Beschichtung des Korrosionsschutzmaterials auf Basis TiO2/SiO2/Zn/Al (TSZA-Beschichtung) wurde auf einen Verbund von Aluminium und unbeschichteten Stahl aufgetragen. Zuerst wurde ein Stahlblech mit einem Aluminiumblech verschraubt (elektrischer Kontakt) und danach in die Beschichtungslösung eingetaucht. Die Härtung erfolgte 15 min. bei 180 °C und es resultierte eine Schichtdicke von ca. 8 µm. Sowohl das Stahlblech, als auch das Aluminiumblech wurden eingeritzt und im Salzsprühnebeltest (DIN ISO 9227) zusammen mit einen unbeschichteten Blechverbund gelagert ( Abbildung 7.143). Hier sieht man einen verschraubten Aluminium/Stahl-Verbund (rechts im Bild) mit und links ohne TSZA-Beschichtung nach 1.500 h Auslagerung im neutralen Salzsprühnebeltest SST (DIN ISO 9227). Wie insbesondere an den vergrößerten Bereichen erkennen kann, ist durch die Belastung ohne die Schutzbeschichtung sowohl das Stahl als auch das Aluminiumblech stark korrodiert. Besonders an der Verschraubung hat sich das Aluminium durch Kontaktkorrosion nahezu aufgelöst. Der Blechverbund wurde brüchig. An der beschichteten Seite kann man keine Korrosion feststellen. Durch die quasi keramische Ummantelung der Zinkpartikel können völlig neue Eigenschaftsprofile erreicht werden. Im nächsten Schritt wird die Temperaturstabilität der Korrosionsschutzwirkung bewertet. Mit TSZA-beschichtete Stahlbleche wurden auf folgende Weise temperaturbelastet: Probe 1: 10 min. 250 °C Probe 2: 5 min. 500 °C (Simulation der Halbwarmumformung) Probe 3: 20 s induktives Aufheizen auf 920 °C, abkühlen im Wasserbad (Härtungssimulation) Probe 4: 3 min. 920 °C im Ofen (Härtungssimulation im Gasofen) Die ersten beiden Proben (1 und 2) zeigten keine optische Veränderung durch die Wärmebehandlung. Da Zink bei 415 °C schmilzt kann man erkennen, dass die keramische Umhüllung die Metallteilchen vor einer kurzzeitigen Überhitzung schützt. Die dritte Probe wurde induktiv kurzzeitig über den Siedepunkt des Zinks von 907 °C aufgeheizt. Die Probe zeigte eine leichte gelbliche Verfärbung, die Schicht war jedoch noch intakt. Nur die Probe, die 3 min. bei 900 °C im Ofen war, wurde zerstört. Es bildete sich ein weißgelber Weißrost durch Abdampfen der Zink- und Aluminiumpartikel.
267
Lackrohstoffe und ihre Anwendungen Tabelle 7.6: Temperaturbehandlung und anschließender Korrosionstest von TSZA-beschichteten Stahlblechen (8 µm Schichtdicke) im Salzsprühnebeltest SST (DIN ISO 9227)
Probe
Temperaturbelastung
Optik nach Härtung
Ergebnisse nach Salzsprühnebel test SST (DIN ISO 9227)
1
10 min. 250 °C
silbrig glänzend
> 1000 h ohne Befund
2
5 min. 500 °C
silbrig glänzend
600 h ohne Befund
3
20 s induktives Aufheizen auf 920 °C, abkühlen im Wasserbad
gelbliche Oxidhaut, Beschichtung intakt
Rotrost im Ritz nach 200 h
4
3 min. 920 °C im Ofen
Beschichtung zerstört
nicht geprüft
Ausgelagert im Salzsprühnebeltest können folgende Ergebnisse erhalten werden, siehe Tabelle 7.6. Die Temperaturbehandlung der TSZA-beschichteten Bleche bleibt für den Korrosionsschutz nicht ohne Folgen. Bei 250 °C wird die Beschichtung nicht angegriffen. Auch eine Dauertemperaturbelastung über 500 h bei 250 °C hat den Schichtverbund nicht gestört. Geht man mit der Temperatur 5 min. bei 500 °C über den Schmelzpunkt des Zinks, kommt es zu einer strukturellen Veränderung. Reine Zinkschichten verlieren bei dieser Behandlung durch Oxidationsprozesse komplett den aktiven Schutz. Wir sehen mit 600 h ohne Rotrost nach SST durch die Titanoxidummantelung immer noch eine für viele Anwendungen ausreichende Schutzwirkung. Mit dieser Temperatur sollte die Halbwarmumformung simuliert werden. Das kurzzeitige induktive Aufheizen auf 920 °C und anschließende Abkühlen auf Raumtemperatur im Wasserbad, wie man es bei modernen Härtungsprozessen kennt, verändert zwar die Beschichtungsoptik, und es kommt zu einer geringen Oberflächenoxidation des Zinks. Mit 200 h SST bis zur Rotrostbildung liegt das Material im Korrosionsschutz immer noch im selben Bereich wie ein mit 7 µm Schichtdicke galvanisch verzinktes Blech. Zur induktiven und konduktiven Aufheizung ist zu sagen, dass sich nur wenige Beschichtungsmaterialien für solche Verfahren eignen. Durch den sekundenschnelAbbildung 7.144: Widerstandspunktschweißen
268
Alkoxy-Si-ns-Bindemittel len Energieeintrag, der die Stahlproben auf mehr als 900 °C aufheizt, wird jede Organik, die im Schichtverbund verblieben ist, blitzschnell abgebaut und oxidiert an der Luft. Makroskopisch brennt das Bauteil. Die Beschichtungen nach der TSZA-Technologie haben im Vergleich zu anorganisch-organischen Sol-Gel-Materialien als Bindemittel keine organischen Zusätze. Mit den bei 250 °C für 15 min. vorgehärteten metallkeramischen Beschichtungen ist eine schnelle Aufheizung ohne Entflammung problemlos möglich. Beim Karosseriebau ist die Schweißbarkeit von Beschichtungen. eine wichtige Voraussetzung. Leichtbau und Multimaterialmix nehmen mittlerweile eine tragende Rolle in der Automobilfertigung ein. Der Einsatz von warmumgeformten, hochfesten bis ultrahochfesten Aluminium- oder Stahlwerkstoffen steht im Automobilbau schon seit Jahren auf der Tagesordnung. Effizienz und Umweltfreundlichkeit sind Schlagworte, die in direkten Zusammenhang mit Leichtbau und Materialmix zu bringen sind. Gewichtsersparnisse bei Rohkarossen von 100 kg und mehr sind keine Seltenheit mehr. Neben üblichen Schweißmethoden, wie Lichtbogenschweißen, z.B. MIG/MAG (Metall-Inert-Gas/Metall-Aktiv-Gas) Schweißen, bei denen im Lichtbogen unter Verwendung bestimmter Gasgemische gefügt wird, spielt das Widerstandspunktschweißen im Automobilbau eine entscheidende Rolle. Vorzugsweise wird das Widerstandspunktschweißen in der Massenfertigung im Dünnblech verarbeitenden Bereich eingesetzt. 0,5 Abbildung 7.145: Sprühbeschichtung von umgeformten Blechen mit TSZA bis 3 mm gelten hier als realisierbar. Die Einsatzbereich des klassischen Widerstandspunktschweißverfahrens sind niedriglegierte Stähle, Aluminium, Messing und Kupfer. Einsatzgebiet des Widerstandspunktschweißens mit umlaufenden Prozessbändern zwischen Elektroden und Werkstücken sind insbesondere hoch- und höherlegierte Werkstoffe, beschichtete Werkstoffe und gleich- oder verschiedenartige Werkstoffe. Es werden auch warmumgeformte Bleche mit verzinkten Blechen oder beschichteten Blechen in diesem Verfahren Abbildung 7.146: TSZA-Beschichtung auf hochverschweißt. Das Verfahren setzt Maßstäbe legiertem Stahl nach Gitterschnitt/Tape-Test
269
Lackrohstoffe und ihre Anwendungen im Fügen von Blechteilen. Es ist spritzerarm, man braucht keine Nacharbeitung, Fügungen können nahezu 100 % reproduziert werden und man spart Kosten und Prozesszeiten. Das Widerstandspunktschweißen setzt die Leitfähigkeit der Beschichtungen voraus. Um die Tauglichkeit der Beschichtung in automobilen Serienprozessen zu überprüfen, wurden Versuche zum Widerstandspunktschweißen an beidseitig mit TSZA beschichteten Blechen und Bauteilen durchgeführt. Die Applikation erfolgte durch Sprühbeschichten. Die Bleche und Bauteile zeigen nach der Härtung für 15 min. bei 250 °C Schichtdicken von ca. 7 µm. Die Haftung wurde durch Gitterschnitt und Tape-Test überprüft und mit jeweils sehr gut bewertet (GT0/TT1). Das Punktschweißen wurde mit einer kleinen Laboranlage getestet, siehe Abbildung 7.147. Mehrere Bleche wurden auf diese Weise gefügt und bewertet. Die Schweißpunkte zeigten keine Spritzer und eine gute Verschweißung. Wie in Abbildung 7.148 zu sehen, eignet sich die TSZA-Beschichtung neben üblichen Schweißmethoden aufgrund der Leitfähigkeit gut zum Widerstandspunktschweißen. Neben der Schweißbarkeit spielt im Automobilbau auch die Phosphatierbarkeit und die KTL-Lackierbarkeit (KTL = Kathodische Tauchlackierung) eine wichtige Rolle. TSZA-beschichtete Bleche wurden dazu bei einem Automobil-Lohnbeschichter durch den üblichen Prozess gefahren. Die verwendete KTL-Beschichtung war „Cathoguard“ 310 der Fa. BASF. Abbildung 7.149 zeigt ein beidseitig TSZA-beschichtetes Blech nach durchlaufen des Phosphatierungs- und KTL Prozesses. Die KTL hat sich homogen abgeschieden und zeigt im Gitterschnitt/Tape-Test eine gute Haftung. Die Bleche wurden geritzt und im Salzsprühnebeltest nach DIN Abbildung 7.147: Laboranlage zur prinzipielEN ISO 1227 ausgelagert und zeigten nach len Eignung zum Widerstandspunktschweißen
Abbildung 7.148: Punktschweißen an mit TSZA-beschichteten Stahlblechen
270
Alkoxy-Si-ns-Bindemittel 1000 h weder einen Angriff auf der Fläche, noch Rotrost im Ritz. Korrosionsschutzbeschichtungen auf Basis TSZA sind für die nachträgliche Beschichtung von Bauteilen oder bereits gefügten Bauteilen im Automobilbau geeignet. Zur Überprüfung der Umformbarkeit wurde Bleche beidseitig mit ca. 3 bis 4 µm Schichtdicke beschichtet. Die Härtung erfolgte bei 220 °C PMT für 2 min. Danach wurden sie in einer Laboranlage ( Abbildung 7.150) zu kleinen Tunneln umgeformt. Die Tunnel wurden nach der Umformung 200 h im Salzsprühnebeltest nach DIN EN ISO 9227 ausgelagert und bewertet. Es zeigte sich keine Korrosion, auch an den tiefgezogenen Stellen. Abbildung 7.151 zeigt ein mit 3 µm TSZA beschichtetes und tiefgezogenes Blech nach 200 h Auslagerung im Salzsprühnebeltest DIN EN ISO 9227. Man erkennt keinen Angriff am Substrat in Form von Rotrost. Metallkeramische Beschichtungen auf Basis TSZA eignen sich für den Einsatz im Automobilbau. Neben der Einzelteilbeschichtung ist durch die Möglichkeit der Umformung mit Beschichtung auch das kostengünstigere Coil Coating möglich. Durch das Fehlen von Organik in der Schicht und die Leitfähigkeit durch die dünne TiO2
Abbildung 7.149: KTL Beschichtung auf einem TSZA beschichteten Stahlblech
Abbildung 7.150: Labortiefziehanlage
Abbildung 7.151: Mit 3 µm TSZA-beschichtetes und in einer Laboranlage tiefgezogenes Blech nach 200 h Auslagerung im Salzsprühnebeltest DIN EN ISO 9227
271
Lackrohstoffe und ihre Anwendungen Tabelle 7.7: Schmelzpunkt, Siedepunkt und Standardpotential von Zn, Al und Mg im Vergleich zu Eisen Schmelz punkt Eisen
1536 °C
Standard Siedepunkt potential 2750 °C
Fe/Fe2+
Zn/Zn2+
Besonderheit
-0,41 V -0,76 V
aktiver Korrosionsschutz für Stahl, rel. geringe Temperaturbeständigkeit
Zink
420 °C
907 °C
Aluminium
660 °C
~2500 °C
Al/Al3+ -1,66 V
Magnesium
650 °C
1100 °C
Mg/Mg2+ -2,38 V aktives Opferelement, sehr oxidationsempfindlich
kein aktiver Schutz da Passivierung
Matrix sind schnelle Aufheizmethoden, wie induktive oder konduktive Härtung problemlos möglich. Die Eignung der TSZA-Beschichtung ist beschränkt durch die Temperatur. Kurzzeitige Auslagerung bis 500 °C oder nur wenige Sekunden bei 920 °C hat die Beschichtung noch bestanden. Für eine Dauergebrauchstemperaturen von über > 500 °C sind Metalle mit einem höheren Schmelzpunkt notwendig. Zum Vergleich eine Übersicht der Schmelzpunkte, Siedepunkte und Standardpotentiale von Fe, Zn, Al und Mg in Tabelle 7.7. Wie man sieht, zeigt Zink mit 420 °C und 907 °C einen relativ niedrigen Schmelzpunkt und Siedepunkt und ist damit für Hochtemperaturprozesse ungeeignet. In modernen galvanischen Prozessen werden oft Legierungen, wie ZnNi, ZnMg oder ZnFe eingesetzt, um die Schmelz- und Siedepunkte zu erhöhen oder auch den Korrosionsschutz zu verbessern.
7.6.4 Kathodischer Korrosionsschutz durch metallkeramische Beschichtungen auf Basis TiO2/SiO2/Mg (TSM-Technologie) Magnesium hat gegenüber Zink ein wesentlich niedrigeres Standardpotential von -2,38 V, einen höheren Schmelzpunkt von 650 °C und einen Siedepunkt von 1100 °C. Die Oxidationsempfindlichkeit an Luft ist sehr hoch. Unlegiertes Magnesium neigt zur Selbstentzündung. Daher kann man unlegierte Mg-Pigmente für Wasserlacke von vornerein ausschließen. Von den einschlägigen Metallpigmentherstellern werden verschiedene Mg-Pasten und Pulver angeboten. Diese sind meistens mit Ölen belegt, so dass eine Oxidation beim Verarbeiten vermieden wird. Beim Einarbeiten der Mg-Pigmente in die Lösemittelbasierte TiO2/SiO2-Matrix (Verhältnis 90:10) konnte durch rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen nachgewiesen wer-
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Alkoxy-Si-ns-Bindemittel den, dass auch beim Mg eine „In-situ“-Oberflächenbelegung der Partikel stattfindet. Das hat zwei positive Effekte. Zum einen wird die Oxidation an der Mg-Oberfläche nach Lösen der Korrosionsöle verhindert, zum anderen wird die spontane Reaktion der Mg-Pigmente z.B. beim Sprühen unterbunden. Mit anderen Worten: Es hat sich gezeigt, dass sich die TSM-Materialien wie die mit Zink-gefüllten Systeme verarbeiten lassen. Es hat sich keine gefährliche Situation durch Sprühen oder Härten ergeben. Die Materialien sind also praxistauglich. Abbildung 7.152 zeigt die umhüllende Matrix der einzelnen Metallpigmente, die diese vor der Oxidation schützt, ohne die Leitfähigkeit zwischen den Pigmenten zu verhindern. Die Korrosionsschutzwirkung von Zn als metallischer Füllstoff ist durch höhere Temperaturen begrenzt, weil der Schmelzpunkt bei 420 °C liegt. Die Dauertemperaturbelastungsgrenze liegt nach eigenen Erfahrungen etwa 50 °C unterhalb des Schmelzpunktes, bei Zink also etwa bei 350 °C. Das ist nur ein grober Anhaltswert und ist von vielen Parametern, wie Schichtdicke, Legierung usw. abhängig. Um das Verhalten bei Mg einzuschätzen, wurde eine TSZA und eine (TiO2/SiO2/Zn/Al) TSM(TiO2/SiO2/Mg)-beschichtete Stahlplatte für 200 h bei 600 °C getempert. Die 600 °C wurden ge- Abbildung 7.152: REM-Querschliffaufnahme von Tiwählt, da der Schmelzpunkt des Ox-modifizierten Mg-Partikeln, Schichtdicke ca. 100 nm
Abbildung 7.153: TSZA- (links, TiO2/SiO2/Zn/Al) und TSM- (rechts, TiO2/SiO2/Mg) beschichtetes Stahlblech nach 200 h Temperaturbelastung bei 600 °C und danach 200 h Auslagerung im neutralen Salzsprühnebeltest (SST) nach DIN EN ISO 9227
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen Mg bei 650 °C liegt und der Siedepunkt des Zn bei 907 °C. Es kommt bei dieser Dauertemperaturbelastung zu keinem Abdampfen des Zinks. Danach wurden die beiden Proben geritzt und 200 h im neutralen Salzsprühnebeltest nach DIN EN ISO 1227 belastet (Abbildung 7.153). Hier zeigt das mit TSZA- (links) und TSM- (rechts) beschichtete Stahlblech nach 200 h Temperaturbelastung bei 600 °C und danach 200 h Auslagerung im neutralen Salzsprühnebeltest nach DIN EN ISO 9227, dass das Zink als Füllstoff nach dieser Temperaturbelastung völlig oxidiert ist. Somit ist bei der TSZA-Beschichtung keine aktive Korrosionsschutzwirkung mehr vorhanden. Die Mg-gefüllte TiO2/SiO2-Matrix (TSM) zeigt hingegen weder auf der Fläche noch im Ritz Rotrost. Mg eignet sich also in der richtigen Umgebung durchaus für aktiven Korrosionsschutz im Temperaturbereich bis 600 °C. Nach 4 min. Erwärmen bei 920 °C und anschließendem Abschrecken im Wasserbad, was die Bedingungen einer Warmumformung simulieren soll, hat das TSZA-Blech immerhin noch 100 h nach Auslagerung im SST vor beginnender Rotrostbildung gehalten. Was bei Magnesium als Pigment nicht möglich ist, sind Umformung und Punktschweißen. Es hat sich gezeigt, dass die Mg-Pigmente die Matrix sehr verspröden, so dass es zum Ablösen der TSM Schicht beim Umformen kommt. MgO, was sich immer an der Oberfläche der Partikel bildet, ist ein Nichtleiter. Mit Mg-gefüllte TiO2/SiO2-Schichten konnte unter keinen Härtungsbedingungen auch nur ein akzeptabler Schweißpunkt beim Widerstandspunktschweißen gesetzt werden. Andere Schweißverfahren wurden nicht untersucht. Als dritte Möglichkeit der metallischen Füllung verbleibt das Aluminium. Ein aktiver Korrosionsschutz ist aufgrund der Passivierung der Al-Partikel nicht zu erwarten, aber in Kombination mit TiO2/SiO2-Matrix findet man Anwendungen bei der direkten Warmumformung.
7.6.5 Schweißbarer Zunderschutz für die Warmumformung auf Basis TiO2/SiO2/AlBeschichtungen (TSA Technologie) In Kap. 7.1.16 wurde der Zunderschutz für die Formhärtung grundlegend erklärt. Auf Basis von Sol-Gel-Materialien sind Zunderschutzbeschichtungen für das zweistufige Formhärten mit tribologischen Additiven für die Kalt- und Warmumformung entwickelt worden. Da sich diese Beschichtungen aufgrund der nichtleitenden Matrix nicht für das Punktschweißen eignen und durch die tribologischen Additive, wie beispielsweise Graphit, eine schlechte KTL-Haftung haben, müssen sie vor der Weiterverarbeitung durch Strahlprozesse entfernt werden. Für das direkte Warmumformen hat sich bis auf wenige Ausnahmen eine Schmelzmetallbeschichtung mit einer Aluminium-Silicium-Legierung („AlSi“) durchgesetzt. Bei Stahlgüten des 22MnB5 mit einer Härte von ca. 1650 MPa (nach Härtung) kann es vor und
274
Alkoxy-Si-ns-Bindemittel nach dem Härtungsprozess punktgeschweißt werden, schützt effektiv vor Zunder und hat eine ausreichende KTL-Haftung [127]. Für eine Zunderbeschichtung auf Basis einer Nassbeschichtung war für das Formhärten über Jahre kein Bedarf. Mittlerweile hat sich die Bauteilhärte auf bis zu 2.100 MPa erhöht. Konventionelle AlSi-Schmelzbeschichtungen funktionieren nicht mehr, da durch die hohen Legierungsbestandteile keine ausreichende Haftung mehr zwischen dem hochfesten Stahl und dem AlSi-Schmelzüberzug im Formgebungsprozess vorhanden ist. Da man sich ein Abstrahlen der Bauteile sparen möchte, ist eine Zunderschutzbeschichtung interessant, die nasschemisch im Coil-Verfahren appliziert auf dem Bauteil verbleiben kann und nach der formgebenden Härtung des Bauteils punktschweißfähig und lackierbar ist. Hier ist eine Leitfähigkeit der Beschichtung nach dem Härten unerlässlich. Wichtig ist hierbei, welche Prozessschritte das Beschichtungsmaterial ohne Einbußen der Leitfähigkeit überstehen muss, siehe Abbildung 7.154. Die TiO2/SiO2-Matrix für Zunderschutzanwendungen auf Basis von Sol-Gel-Materialien können mit Aluminium gefüllt werden, siehe Kap. 7.1.16 und in Kap. 7.6.3 werden schweißbare zinkpigmenthaltige Beschichtungen beschrieben. Nun liegt es nahe, die schweißbare Matrix mit Aluminiumpigmenten zu füllen ( Abbildung 7.155). Die Materialien werden nur für das direkte Formhärten verwendet, so ist der Einbau tribologischer Additive nicht notwendig. Aluminiumoxid, das in kleinen Mengen immer an der Oberfläche vorhanden ist, kann bei Temperaturen >900 °C als tribologisches Hilfsmittel bei der Warmumformung mitwirken. Prinzipiell sind also alle Komponenten zusammen.
Abbildung 7.154: Einstufige Formhärtung von der Platine zum Bauteil
Abbildung 7.155: Darstellung einer TSA-Schicht (TiO2/SiO2/Al) auf Stahl
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen Bindemittel auf Basis TiO2/SiO2 wurden mit bis zu 80 Gew.-% Aluminiumpulver und/oder Aluminium-Flakes gefüllt, auf hochlegierten Stahl appliziert und die resultierenden Schichten bei 220 °C für 2 min. im Ofen (simulierter Coil-Auftrag) gehärtet. Für den Schichtauftrag wurde ein Laborwalzenauftragswerk verwendet, welches dem industriellen Coil-Auftrag sehr nahe kommt. Die Beschichtung wurde bei 920 °C für 5 min. erhitzt, in einem Laborumformwerkzeug umgeformt und anschließend bewertet, siehe Abbildung 7.156. Als Stahl wurde eine 22MnB5 Vergütung verwendet. Beim Glühen reagieren die temperaturbeständigen Bestandteile der Beschichtung mit der Stahloberfläche und bilden eine oxidische Schutzschicht, die die Elemente Eisen, Alu-
Abbildung 7.156: Warmumformen einer TSA-Beschichtung nach 5 min. 920 °C
Abbildung 7.157: REM-Aufnahmen vor und nach dem Glühen einer TSA-Zunderschutzschicht für 2 min. bei 900 °C
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Alkoxy-Si-ns-Bindemittel minium, Silicium und Sauerstoff enthält [128-131]. Zur Untersuchung wurden REM Aufnahmen durchgeführt, siehe Abbildung 7.157. Die REM-Aufnahmen wurden vor und nach dem Glühen einer TSA-Zunderschutzschicht für 2 min. bei 900 °C aufgenommen. Vor dem Glühen kann man sehr gut die einzelnen Schichtlamellen in der Titanmatrix erkennen. Nach dem Glühen wird durch das Aufschmelzen des Aluminiums eine Al-Legierungsschicht gebildet. Um die Zusammensetzung dieser Legierung zu bestimmen wurden einzelne Körnungen im REM/EDX untersucht. Dies ist in Abbildung 7.158 zu sehen und man kann erkennen, dass sich nach dem Glühen unterschiedliche Al/Fe-Legierungen an der Substratoberfläche bilden. Die Schichten sind fest mit der Substratoberfläche legiert, was die Leitfähigkeit nach dem Glühen erklären kann. Der Widerstand und damit indirekt die Leitfähigkeit wurde mit Hilfe zweier Kupferelektroden mit einem Druck von 3,5 kN an einem für 4 min. bei 900 °C geglühten und tiefgezogenen Tunnel gemessen. Abbildung 7.159 zeigt den Aufbau zur Messung des Durchschlagwiderstandes. Der Widerstand wurde mit 1,8 mOhm gemessen und liegt damit nur wenig höher als das unbeschichtete Blech. Um die Serientauglichkeit solcher Beschichtungen zu testen, wurden die Materialien großtechnisch in einer Coil-Anlage auf 22MnB5 beschichtet und die Eigenschaften an Realbauteilen geprüft. Die Einstellung der TSA-Beschichtung für das Coil-Verfahren ist folgendermaßen: 1K-Zunderschutzbeschichtung für Coil Coating auf Basis TSA – Feststoffgehalt 21 Gew.-%, – Auslaufzeit ~ 100 s (DIN ISO 2431, 2 mm Auslaufbecher), 30 bis 35 mPa.s, – Aushärtung bei 250 °C PMT, – Empfohlene Trockenschichtdicke 2 bis 3 µm, – Ergiebigkeit (geschätzt) 50 m2 Oberfläche pro kg Beschichtungslösung.
Abbildung 7.158: REM/EDX-Aufnahme von verschiedenen Legierungen in der TSA-Schicht nach dem Glühen
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen
Abbildung 7.159: Durchschlagswiderstandmessung an einem geglühten Tunnel mit TSA-Schicht (TiO2/SiO2/Al)
Abbildung 7.160: Auftrag einer TSA-Beschichtung (TiO2/SiO2/Al) über ein kommerzielles industrielles Walzenauftragswerk
Abbildung 7.161: Aus einer mit TSA beidseitig beschichteten Platine durch einstufiges Formhärten hergestelltes Bauteil (links) und anschließende industrielle KTL-Lackierung
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Die Beschichtung erfolgte durch Rollenauftrag in einem Coil Coater. Die optimale Beschichtung erhielt man über das Reverse-Verfahren. Die Abbildung 7.160 zeigt die TSA Beschichtung während des Auftrags in einem Coil Coater und konnte beidseitig mit großer Präzision im Bereich 3 µm aufgetragen und gehärtet werden. Es wurden Platinen geschnitten und verschiedene Prüfbauteile hergestellt und KTL beschichtet. Eine mit TSA beidseitig beschichtete Platine ist in Abbildung 7.161 zu sehen. Die Platine wurde durch einstufiges Formhärten als Bauteil (links) hergestellt und anschließend industriell mit KTL-Lack (rechts) beschichtet. Das Bauteil wurde entsprechend der Norm in einem VDA-Wechseltest untersucht und freigetestet. Untersuchungen zum Widerstandpunktschweißen haben gezeigt, dass ein akzeptabler Schweißbereich nach dem Formhärten bei 3 µm Schichtdicke bei 7,2 kA gefunden werden konnte. 3 mm dicke Bleche mit 2 bis 3 µm dünnen Beschichtungen wurden mit 4 min. 920 °C Erwärmung gehärtet, umgeformt und in einem Testwerkzeug untersucht. Diese Beschichtungen sind für hochfeste Stähle bis 2.100 MPa für tragende Karosserieteile, z.B. B-Säule, Träger, Tunnel und auch für Verstärkungen auf ungehärteten Bauteilen einsetzbar.
Urethan-funktionelle silanisierte organische Harze Die Eignung zum Widerstandspunktschweißen wurde auch an ungehärteten Proben geprüft. Es hat sich gezeigt, dass die TiO2/SiO2/Al-Proben, ähnlich wie die in Kap. 7.6.3 diskutierten TiO2/SiO2/Zn/Al-Proben, nach der Schichthärtung bei 250 °C problemlos schweißbar sind. Theoretisch ist es damit auch möglich, ungehärtete Bauteile verschiedener Blechgüten erst zu verschweißen und in einem zweiten Schritt zu härten. Man sieht, dass metallkeramische Beschichtungen auf Basis TiO2/SiO2 aufgrund ihrer Leitfähigkeit, der hohen Temperaturbeständigkeit und der Möglichkeit, sie auch bei Raumtemperatur zu härten, ein großes Potential haben [125], siehe Abbildung 7.162. Man kann diese Bindemittel z.B. auch als für hochtemperaturstabile Dekorfarben sowie für heizbare Schichten einsetzen. In Abmischungen mit Ceroxid-Nanopartikel (n-CeO2) kann die TiO2/SiO2-Bindemittelmatrix beispielsweise auch als Absorberschicht für UV-Strahlung, z.B. bei Solaranlagen, eingesetzt werden. Aus dieser Art von Beschichtung könnte sich die Möglichkeit ergeben, zukünftig sprühbare Solarzellen zu fertigen. Die Kombination einer leitfähigen Matrix mit n oder p dotierten Silicium-Pulvern, die z.B. aus recycelten Solarzellen gewonnen werden können, ist derzeit ein Fokus in der Entwicklung.
7.7 Urethan-funktionelle silanisierte organische Harze (Re-Si-ns) Die Siliciumtechnologie hat schon in vielen Bereichen der Farben- und Lackchemie Einzug gefunden hat. Neben den Sol-Gel-Prozessen wird auch die Möglichkeiten zur katalytisch induzierten Direkthärtung von Silanen bei Raumtemperatur in vorangegangenen Kapiteln erörtert. In der Lackchemie reagieren häufig zwei unterschiedliche oder gleiche organische funktionelle Gruppen durch Addition oder Polymerisation miteinander. Dies kann bereits bei der Synthese erfolgen, teilweise auch erst nach der Applikation (z.B. 2K PU-Lacke). Die Re-Si-ns-Harze, wie sie in diesem Buch bezeichnet werden, besitzen die Gemeinsamkeit, dass ein oder beide Reak-
Abbildung 7.162: Punktschweißen von TSA-Beschichtungen nach Härten
279
Lackrohstoffe und ihre Anwendungen tionspartner von organischen Vernetzungskomponenten durch funktionelle Silane ersetzt werden. Dies kann vollständig oder teilweise erfolgen. So kann das resultierende Polymer ganz oder teilweise über eine katalytisch induzierte Silanvernetzung wachsen. In Abbildung 7.163 ist die Herstellung von Re-Si-ns dargestellt. Man benötigt ein Silan mit einer funktionellen Gruppe F1 und ein organisches Monomer oder Polymer mit einer (oder mehreren unterschiedlichen) funktionellen Gruppe(n) F2, die miteinander reagieren können. Die Reaktion erfolgt meistens schon bei der Herstellung der Harze. Dabei kann die Umsetzung molar sein, d.h. pro funktionelle Gruppe F1 steht eine funktionelle Gruppe F2 zur Verfügung. Sie kann auch über- oder unterstöchiometrisch eingestellt werden, z.B. wenn man noch eine zusätzliche Vernetzung im Beschichtungsmaterial einsetzen will. Beispiele für F3 sind Amin-, Urea-, Urethan- oder Polyesterbindungen. Die wichtigste Gruppe der Re-Si-ns-Bindemittel basieren auf Urethan..
7.7.1 Urethan-vernetzte Re-Si-ns–U-Typen
Abbildung 7.163: Reaktion zur Herstellung von Re-Si-ns
Ursprünglich kommt die Idee der Umsetzung von Diolen mit Isocyanosilanen aus der Klebstoffchemie. Beispielsweise haben Rizk et al. [132] 1981 diese Technologie für Klebstoffe patentiert. Dabei werden große Polyethermoleküle mit Isocyanosilan unter Zusatz von Dibutylzinndilaurat (DBTL) umgesetzt. Der Umsatz ist häufig stöchiometrisch. Man erhält also ein Prepolymer, der durch Luftfeuchte aushärtet. Henkel und andere Klebstoffhersteller haben
Abbildung 7.164: Darstellung eines endständig mit Isocyanosilan umgesetzten Diols
280
Urethan-funktionelle silanisierte organische Harze diese Technologie übernommen und viele aktuelle Klebstoffe basieren auf der direkten Silanhärtung. Erst 2005 und 2006 wurde diese Technologie durch Stanjek et al., Sepeur et al. und Poppe et al. [133-135] für die Lackchemie und -industrie entdeckt. Stanjek stellte mit Isocyanosilan vorvernetzte Polyole als Kratzfestadditiv für Klarlacke vor. Sepeur et al. haben im Jahr 2006 im September und Poppe et al. von der BASF im gleichen Jahr im Dezember innerhalb von nur 3 Monaten unabhängig voneinander sehr ähnliche Patente angemeldet, die die Nutzung dieser Silanisierungstechnologie für Lacksysteme und insbesondere für Klarlacksysteme beschreiben [136-138]. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Bindemitteln im Markt, die man für eigene Versuche testen kann [139,140]. Die Re-Si-ns kombinieren die guten Eigenschaften der organischen Polyurethanchemie mit den Vorzügen der anorganischen Silanchemie. Es werden silanisierte Bindemittel synthetisiert, die licht- und chemikalienbeständige PU-Gruppen enthalten. Die Struktur ist in Abbildung 7.165 dargestellt. Das organische Rückgrat („organic backbone“) der silanisierten Bindemittel enthält keine bedenklichen Isocyanatgruppen. Als funktionelle Gruppen sind vorwiegend Urethane enthalten und auch Ester, OH- oder COOH-Gruppen sowie weitere gängige funktionale Gruppen der Lackchemie. Während in den Anfängen der Entwicklung [141,142] noch Monomere eingesetzt wurden, zielen die Neuentwicklungen auf reinen Polymercharakter ab. Hierdurch konnten die Herstellungspreise deutlich gesenkt werden, da günstigere Rohchemikalien zur Synthese eingesetzt werden und die immensen Kosten für eine REACH-Registrierung entfallen („Polymerausnahme“). An das „Polymer-Backbone“ in Abbildung 7.165 sind Silangruppen angeknüpft. Das Silanpolymer an sich ist leichtflüssig bis viskos und unter üblichen Lagerbedingungen 6 bis 24 Monate haltbar. Zur Formulierung der Bindemittel als Klarlack werden maßgeschneiderte Vernetzungskatalysatoren angeboten. Selbst nach Zugabe des Katalysators bzw. Starters ist die Formulierung über mehrere Monate lager- bzw. topfzeitstabil. Es handelt sich um Abbildung 7.165: Struktur des siliciumhaltigen Poly1K-Formulierungen. Erst wenn das mers mit Urethangruppen
281
Lackrohstoffe und ihre Anwendungen Tabelle 7.8: Rezeptur eines 2K PU-Klarlackes in Anlehnung an [143] Pos. Rohstoff
Gew.-%
Bemerkungen
1
„Desmophen“ 670 BA
19,40
Polyester, OH-funktionell, Covestro
2
„Setalux“ DA 365 BA/X
23,80
Acrylat, OH-funktionell, Nuplex
3
„Byk“ 302 (10 % in Butylacetat)
0,50
Verlaufsadditiv, Byk Chemie
4
DBTL (1 % in Butylacetat)
1,00
Zinnkatalysator
5
„Tinuvin“ 292 (10 % in MPA)
4,90
Radikalfänger HALS, BASF
6
„Tinuvin“ 1130 (10 % in MPA)
2,50
UV-Absorber, BASF
7
1-Methoxy-2-propylacetat (MPA)
11,10
Lösemittel
8
Solvent Naphtha 100
11,10
Lösemittel
9
Diacetonalkohol
5,50
Lösemittel
10
„Desmodur“ N 3390 (K2)
20,20
Aliphatisches Isocyanat, Covestro
Summe
100,00
Beschichtungsmaterial breitflächig auf eine Oberfläche aufgetragen wird, und das Lösemittel verdunstet, fängt der verbleibende Nassfilm an, zu reagieren. Die Alkoxygruppen am Silan (Si-OR) härten nach Applikation, ähnlich wie beim Crossilan, katalysatorinduziert mit der Luftfeuchtigkeit. Am Ende des Trocknungsprozesses steht ein glasartiges, anorganisches SiOx-Netzwerk, welches mit organischen, flexiblen Bereichen durchsetzt ist. Diese anorganisch-organische
Abbildung 7.166: Vergleich des Aufbaus einer 2K PU-Beschichtung (rechts) mit der vorgestellten anorganisch-organischen 1K-Re-Si-n–Beschichtung (links)
282
Urethan-funktionelle silanisierte organische Harze Tabelle 7.9: 1K-Re-Si-n-Klarlackrezeptur Pos. Rohstoff
Gew%
Bemerkungen
1
„Silixan“ U 330 Lab
74,00
siliciumfunktionelles Urethanpolymer, Silixan GmbH
2
1-Methoxy-2-propanol (PM)
14,80
Lösemittel
3
„Silixan“ Cat 210
3,00
Katalysator, Silixan GmbH
4
„Tinuvin“ 292 (10 % in MPA)
5,80
Radikalfänger HALS, BASF
5
„Tinuvin“ 1130 (10 % in MPA)
1,90
UV-Absorber, BASF
6
„Byk“ 302 (10 % in Butylacetat)
0,50
Verlaufsadditiv, Byk Chemie
Summe
100,00
Hybridmaterialien zeigen eine gute Kratz- und Abriebbeständigkeit kombiniert mit einer guten Flexibilität. Abhängig vom eingesetzten Starter verläuft die Härtung entweder bei Raumtemperatur oder bei erhöhter Temperatur zwischen 60 und 180 °C. Im Gegensatz zu handelsüblichen 2K PU-Formulierungen ist also auch eine Härtung bei Raumtemperatur mit einer 1K-Formulierung ohne Probleme möglich. Ein 1K-Re-Si-n-Klarlacksystem und ein 2K PU-Klarlacksystem wurden nach den Richtrezepturen in Tabelle 7.8 und Tabelle 7.9 hergestellt. Die Systeme wurden auf Polycarbonat appliziert und jeweils 10 min. bei Raumtemperatur (25 °C) ablüften gelassen. Danach erfolgte eine Trocknung für 30 min. bei 80 °C. Dabei werden Klarlackschichten erhalten, deren Aufbau schematisch in Abbildung 7.166 beschrieben ist. Bei der Trocknung bzw. Härtung der Re-Si-n-Beschichtung entsteht ein glasartiges, anorganisches SiOx-Netzwerk, das mit organischen, flexibilisierenden Bereichen durchsetzt ist. Die Schichtdicke des Klarlackes auf Kunststoffen beträgt in der Regel zwischen 5 und 50 µm. Zunächst wurde die Kratz- und Abriebbeständigkeit der angefertigten Proben untersucht. Die Abriebbeständigkeit wurde mit einem 1 kg Hammer getestet, an dessen flaches Kopfende eine 00er Stahlwolle bzw. ein „3M Scotch-Brite CF-SH Green Pad“ befestigt wurde. Der präparierte Hammer wurde mit dem Eigengewicht –1 kg Auflage – auf die Probe gesetzt und manuell bis zu 100-mal hin und her bewegt (100 Doppelhübe, 100 DH). Die Klarlackproben, hergestellt nach den Rezepturen aus Tabelle 7.8 und Tabelle 7.9, wurden diesem Test unterzogen. Die Testergebnisse sowie die eingesetzten Prüfmittel sind in Abbildung 7.167 dargestellt. Bei der mechanisch mit einem „Stahlwollehammer“ beanspruchten 2K PU-Klarlackprobe (links-oben in Abbildung 7.167) sind nach 50 und Doppelhüben mit feiner Stahlwolle deutliche, weißtrübe und flächige Abriebspuren zu erkennen. Die 1K-Re-Si-n-Klarlackprobe auf der rechten Seite zeigt dagegen nur wenige, vereinzelte Kratzspuren. Mit
283
Lackrohstoffe und ihre Anwendungen dem „3M-Vlies“ (3M Scotch-Brite CF-SH Green Pad“) wird die 2K PU-Probe vollständig nach 100 Doppelhüben zerstört. Auf der Re-Si-n-Klarlackprobe sind sichtbare, aber deutlich weniger Abriebspuren zu finden als auf der PU-Referenz. Der Glanzgrad der Proben wurde vor und nach der mechanischen Beanspruchung gemessen und ist in Abbildung 7.168 dargestellt. Der Glanzgrad der 2K PU-Probe in 20° und 60° Messwinkel nimmt von anfänglich 159 Glanzeinheiten (159 GE, 60°) auf 77 GE bei 50 Doppelhüben Stahlwolle ab und erreicht einem Wert von 34 GE bei 100 Doppelhüben mit 00er Stahlwolle. Der Glanzgrad der 1K-Re-Si-n-Probe sinkt dagegen nur leicht von 162 GE 60° auf 151 GE und 147 GE nach 50 bzw. 100 Doppelhüben Beanspruchung. Mit dem grünen 3M-Vlies nimmt der Glanzgrad der 2K PU-Probe sehr stark von 163 GE auf 13 GE bzw. 4 GE nach 50 bzw. 100 DH Belastung ab. Die Re-Si-n-Klarlackprobe zeigt einen deutlich geringeren, wenn auch sichtbaren Glanzgradverlust von 163 GE auf 43 GE bzw. 15 GE. An den Klarlackproben wurde ein Flecken- und Beständigkeitstest mit Haushaltsagenzien wie Café, Rotwein, Ketchup, Senf, 10 %iger Essigsäure und Olivenöl durchgeführt.
Abbildung 7.167: Mit Klarlack beschichtete Polycarbonatproben vor schwarzem Hintergrund nach einem mechanischen Abriebtest. Links: 2K PU-Klarlack. Rechts: 1K Re-Si-n-Klarlack Die oberen Proben wurden jeweils 50 und 100 Doppelhübe (DH) mit feiner Stahlwolle an einem 1 kg Hammer geprüft. Die unteren Proben wurden jeweils 50 und 100 Doppelhübe (DH) mit einem 3M Flies unter 1 kg Auflage geprüft.
284
Urethan-funktionelle silanisierte organische Harze Dabei wurden die Testsubstanzen einerseits 24 h bei Raumtemperatur und 1 h bei 80 °C einwirken lassen. An beiden Proben wurde nur nach 1 h 80 °C eine leichte Gelbverfärbung mit Senf beobachtet. Café, Rotwein, Ketchup, 10 %iger Essigsäure und Olivenöl hinterließen dagegen keine sichtbaren Spuren. Ein Cremebeständigkeitstest wurde mit einer handelsüblichen Sonnenschutz- und einer Handcreme durchgeführt. Die Cremes wurde auf die Proben aufgetragen, 10 h bei 80 °C gelagert und danach mit einem Papiertuch trockengewischt, siehe Abbildung 7.169. Die Handcreme zeigt auf der 2K PU-Klarlackprobe eine leichte Anquellung und Trübung. Die Sonnencreme „ätzt“ dagegen einen Krater in die Polyurethanbeschichtung und zerstört diese. Auf der 1K-Re-Si-n-Klarlackprobe sieht man bei der Handcreme eine ganz leichte Spur und bei der Sonnencreme nur eine leichte Trübung. Die Probe sieht visuell betrachtet intakt aus. Die im Automobilbereich übliche Methode zur Bewertung der Chemikalienbeständigkeit ist der Gradientenofen-Test. Bei diesem Test wird je 1 Tropfen verschiedener Prüfsubstanzen im Abstand von je einem bzw. 2 Segmentbreiten (Einstellung des Gradienten auf 35 bis 80 °C, 1 °C pro Heizsegment) aufgetragen und im Gradientenofen während 30 min. belastet. Ermittelt wird die Temperatur, bei der die erste sichtbare Veränderung auf der Oberfläche der Probe auftritt. Die Testergebnisse sind in Tabelle 7.10 dargestellt. Die Schwefelsäure-Beständigkeit wurde ebenfalls bewertet. Dazu wurde bei 65
Abbildung 7.168: Glanzgradmessungen an den Proben aus Abbildung 7.167. Oben: 2K PU-Klarlack Unten: 1K-Re-Si-n-Klarlack Der Glanzgrad in 20 und 60° wurde jeweils vor und nach 50 bzw. 100 Doppelhüben (DH) Belastung mit einer 00er Stahlwolle sowie mit einem 3M-Vlies gemessen.
Abbildung 7.169: Sonnen- und Handcremetest an einer 2K PU-Klarlackprobe (oben) sowie einer 1K-Re-Si-n-Klarlackprobe (unten)
285
Lackrohstoffe und ihre Anwendungen Tabelle 7.10: Chemikalienbeständigkeit des Re-Si-n-Klarlacks im Gradientenofen-Test mit Prüfblechen im Automobilserienaufbau (Basislack schwarz) Erste sichtbare Veränderung bei °C
Prüfsubstanz
Schwefelsäure 1 %ig
49 °C
51 °C
Salzsäure 10 %ig
78 °C
48 °C
Natronlauge 5 %ig
55 °C
46 °C
VE-Wasser
>80 °C
60 °C
Künstliches Baumharz
>80 °C
41 °C
Pankreatin/VE-Wasser
46 °C
35 °C
Prüfsubstanz
°C während einer Dauer von 60 min. im Abstand von 2 min. die Testflüssigkeit (Schwefelsäure p.A. c(H2SO4) = 36 %) auf dem Prüfblech appliziert und anschließend bezüglich erster Anquellung bzw. Anätzung bewertet siehe Tabelle 7.11.. Die Ergebnisse der Chemikalienprüfung zeigen die hohe Beständigkeit gegenüber üblichen Prüfsubstanzen für den Automobilserieneinsatz. Um Eigenschaften, Aussehen und Haltbarkeit der Re-Si-n-Bindemittel hinsichtlich ihrer Beständigkeit für die Automobillackierung in der Außenanwendung beurteilen zu können, wurden Prüfbleche im Xenontest (Prüfnorm JAE J 1960) bewittert. Zur Beurteilung wurde die Gesamtfarbveränderung (ΔE) nach dem CIE-LAB-Farbsystem (DIN 6174), der Glanzgrad bei 20° Einfallswinkel und die Rissbildung vor und nach definierter Bewitterungszeit bestimmt. Abbildung 7.170 zeigt die Gesamtfarbänderung ΔE, Abbildung 7.171 den Glanzgrad und Abbildung 7.172 die Kratzbeständigkeit nach Bewitterung in Abhängigkeit von der Prüfdauer im Xenon-Test. Die Prüfbleche sind jeweils ein Re-Si-n-Klarlack und ein Standard 2K PU-Klarlack im Automobilserienaufbau auf verschieden farbigen Basislacken. Abbildung 7.170: Gesamtfarbänderung ΔE in AbhänNeben der Beurteilung bezüggigkeit von der Bewitterungszeit t unterschiedlicher lich Gesamtfarb- und GlanzgradänBasislacke mit 2K PU und Re-Si-n-Klarlack im Auto mobilserienaufbau derung zeigen sich keine weiteren
286
Urethan-funktionelle silanisierte organische Harze Tabelle 7.11: Schwefelsäurebeständigkeit (Konzentration 36 %ig) Erste optische Veränderung
Erste sichtbare Veränderung
Erste optische Veränderung
Anquellung
16 °C
10
Anätzung
38 °C
24
optischen Veränderungen, wie Risse oder Blasen. Auch andere Extremtests, wie die Dauerbestrahlung im US-Bundesstaat Florida oder mehr als 10.000 h Auslagerung in einem QUV-A-Test hat der Re-Si-n-Klarlack ohne Fehler überstanden. Das Anhaften von Schmutz, Insekten und Fremdstoffen auf Re-Si-n-Klarlackoberflächen kann durch Materialmodifikation zur Erniedrigung der Oberflächenenergie weitgehend vermieden werden. Abbildung 7.172 zeigt ein Easy-to-Clean-modifiziertes Re-Sin-Prüfmuster im Vergleich zu einem 2K PU-Klarlack, die beide auf der Kühlerfront am Auto mon- Abbildung 7.171: Glanzgrad (20° Einfallswinkel) in tiert wurden und 30.000 km den Abhängigkeit von der Bewitterungszeit t unterschiedlidort üblichen Verschmutzungen cher Basislacke mit 2K PU-Klarlack und Re-Si-nausgesetzt wurden. Im Bild rechts Klarlack im Automobilserienaufbau sieht man eine deutlich geringere Anschmutzung. Die Ergebnisse zeigen, dass Kunststoffbeschichtungen auf Basis der urethanfunktionellen Re-Si-n-Technologie die Eigenschaften konventioneller 2K PU-Beschichtungen übertreffen. Neben der Anwendung als funktioneller Kunststoffschutz sind auch Anwendungen als raumtemperaAbbildung 7.172: Schmutzanhaftung bei Prüfblechen turtrocknender Holzlack oder als mit Standard 2K PU-Oberfläche (links) und einer glanzbeständige Metallbeschich- Re-Si-n-Klarlackoberfläche (rechts)
287
Lackrohstoffe und ihre Anwendungen tung (Aluminium, Edelstahl) möglich. Die Entwicklung geht auch in Richtung neuartiger Pulverlacke.
7.7.2 Pulver- und Nasslacke auf Basis silanisierter Harze Pulverlacke sind organische, meist duroplastische Beschichtungspulver mit einem Festkörperanteil von 100 % und bringen somit einige Vorteile gegenüber Nasslacken mit. Ohne Lösemittel sind sie frei von flüchtigen organischen Stoffen (VOC), die gesetzlichen Vorschriften unterliegen. Der bei der Anwendung entstehende Overspray wird im großtechnischen Einsatz aufgefangen und wiederverwendet, der Pulverlack wird somit zu fast hundert Prozent verwertet. Ein Pulverlack lässt sich direkt verarbeiten, Arbeitsschritte wie Aufrühren, Abmischen mit Härter oder Verdünnen entfallen. In nur einem Arbeitsgang werden hohe Schichtdicken von etwa 60 bis 120 μm erreicht und nach dem Einbrennen ist das beschichtete Werkstück gebrauchsfertig. Der Pulverlack erfüllt höchste Ansprüche an mechanische, chemische und Wetterresistenz. Bei Bedarf lässt er sich im Aufbau mit einem Nasslack kombinieren. Die heutige Pulverlacktechnologie existiert seit den 1960er Jahren, wobei zuerst reine Epoxidsysteme verwendet wurden. Pulverlacke konnten anfangs kommerziell nur wenig eingesetzt werden, da die Schichtdicken für eine wirtschaftliche Anwendung zu hoch waren. Bei der ursprünglichen Pulverlackierung wurden die Oberflächen nur von elektrisch leitfähigen Werkstücken mit Pulverlack beschichtet. Dieses Verfahren der Pulverbeschichtung eignet sich deshalb nur für metallische Objekte. Eine geringe Farbvielfalt und hohe Einbrenntemperaturen schränkten den Einsatzbereich zusätzlich ein. Die Entwicklung der sogenannten Corona-Pistole in den frühen 1970er Jahren, bei der die Hochspannungszufuhr in der Pistole integriert ist, wurde zum Prototyp heutiger Pistolen für die Pulverlackierung. Zwischen 1966 und 1973 wurden die auch heute noch bestimmenden Bindemitteltypen von Duroplasten entwickelt und kommerziell vermarktet: Epoxide, Epoxid-Polyester-Hybride, Polyurethane, Polyester und Acrylate. Das ermöglicht die variable Einstellung der optischen und mechanischen Eigenschaften [144]. Mit einer Pulverbeschichtung können praktisch alle Metalle ausgerüstet werden. In der Praxis werden jedoch vor allem Edelstahl und Aluminium mit einer Pulverlackierung versehen. Heute ist es durch innovative Verfahren auch möglich, temperaturempfindliche Werkstoffe wie Kunststoffe zu beschichten. Epoxid-Pulverlacke zeichnen sich durch eine hohe mechanische Belastbarkeit und Chemikalienresistenz aus. Diese setzt man vor allem im Korrosionsschutz (Mehrschicht-Aufbau), und wenn die Werkstücke bzw. deren Beschichtungen stark belastet werden, ein. Reine Epoxid-Pulverlacke sind wegen der fehlenden UV-Lichtbeständigkeit nur für den
288
Urethan-funktionelle silanisierte organische Harze Einsatz im Innenbereich geeignet. Generell ist ihr Einsatzgebiet vorwiegend die Grundierung von Bauteilen. Im Gegensatz zu den Epoxid-Pulverlacken weisen Polyester-Pulverlacke eine sehr hohe UV-Stabilität auf. Sie sind witterungsbeständig und auch elastisch, aber nicht so kratzfest und chemikalienresistent wie die Epoxid-Pulverlacke. Polyester-Pulverlacke nimmt man deswegen oft für Fassaden im Außenbereich und dekorative Beschichtungen aller Art. Spezielle Polyester-Qualitäten erfüllen die Vorgaben der Gütegemeinschaften GSB und Qualicoat. Diese zertifizieren unter anderem Pulverlacke für Fassadenanwendungen, die eine ausgezeichnete Beschichtungsqualität bieten [145,146]. Bei Hybrid-Pulverlacken werden Epoxid- und Polyesterharze miteinander vernetzt. In der Entwicklung befinden sich ebenfalls neue Vernetzungstechnologien, wie z. B. UV- oder IR-vernetzende Pulverlacke. Diese erlauben den Einsatz auf temperaturempfindlichen Substraten wie beispielsweise MDF, mit dem Nebeneffekt, den Energieaufwand weiter senken zu können. UV/IR-Pulverlacke können heute noch nicht auf Metalloberflächen eingesetzt werden. Die Pulverlacke sind deutlich teurer, eine Aushärtung ist nur bis zu einer Schichtdicke von ca. 150 μm möglich und zudem noch abhängig vom gewählten Farbton. Zudem sind die Investitionen für die Anlagentechnik relativ hoch. Hier bleibt noch abzuwarten, bis diese Neuentwicklungen endgültige Marktreife erlangen [147]. Pulverlacke auf Basis von silanmodifizierten Bindemitteln sind ebenfalls im Stand der Technik beschrieben [148]. So sind Pulverlacke bekannt, die aus Polysiloxanen hergestellt werden, die über die organische Funktionalisierung (OH-, COOH-, NCO-Gruppen) mit entsprechenden Verbindungen bzw. Katalysatoren vernetzt werden. Solche als Korrosionsschutzbeschichtung für Metalle eingesetzte Beschichtungssysteme sind beispielsweise aus der Patentanmeldung US6376607B1 bekannt. Diese Beschichtungssysteme zeigen gute Korrosionsbeständigkeit, aber meistens nur moderate Abriebbeständigkeiten. Organische epoxy- oder acrylatbasierte Pulverlacke, die mit entsprechenden Katalysatoren vernetzt und als Klarlacke für Automobilanwendungen eingesetzt werden (US 6,376,608 B1), zeigen nur moderate Chemikalienbeständigkeiten bzw. Kratzfestigkeiten. Für kratzfeste Bindemittel werden in der WO 2006/042658 A1 auch Umsetzungen von Isocyanaten (HDI) mit aminofunktionellen Silanen beschrieben, die mit entsprechenden Katalysatoren vernetzt werden, welche allerdings nur in aprotischen Lösemitteln bzw. aprotischen Lösemittelgemischen gelöst werden. Zur Herstellung kratzfester Pulverlacke wurden polymere Ausgangsverbindungen, wie Epoxyharze [149] mit Epoxy- und/oder Aminosilanen zu silanisierten Polymeren umgesetzt. Die erhaltenen Feststoffe können entweder zu Pulverlacken verarbeitet werden oder ggf. durch Lösen in organischen Lösemitteln zu High Solid-Bindemitteln zur Nutzung in Nasslacken verarbeitet werden.
289
Lackrohstoffe und ihre Anwendungen
7.7.3 Silanisierung von Naturstoffen Die antibakterielle, bakteriostatische und fungizide Wirkung ist für den Bereich der Oberflächenbeschichtungen interessant. Für den besonderen Fall der Silanchemie besteht die Möglichkeit, die Chitosanderivate dahingehend zu modifizieren, dass man an einer OH-Gruppe mit einem Isocyanosilan andockt. Ein derartig modifiziertes Molekül ist dann in der Lage, auch über den Sol-Gel-Prozess in Beschichtungen oder zur Oberflächenmodifizierung von Partikeln eingesetzt zu werden [150]. Ein Einsatz für Antifingerprint-Beschichtungen, Textilimprägnierungen und Easy to Clean-Oberflächen ist in der Literatur [151,152] beschrieben.
7.8 Phenoxylane (hydrolysestabile Phenoxysilane) Aus „Entwicklung von abriebfesten wasser- und chemikalienbeständigen Beschichtungsmaterialien auf Basis des Sol-Gel-Prozesses für Polymethylmethacrylat (PMMA)“ [153] und „Nanotechnologie Grundlagen und Anwendungen“ [154] sind Phenolharze, Epoxybisphenolharze und Addukte aus Epoxysilan und Bisphenolen bekannt. Auch Polycarbonat, eine Verbindung aus Phosgen und Bisphenol A, ist ein gängiges Polymer. Die Herstellung von Polycarbonaten aus Phenolen oder Biphenolen ist aus der EP 1 425 332 B1 beschrieben. Die Verknüpfung erfolgt über die Ausbildung eines Phenolatesters Ph-O-C(R1-3), wobei die Reste R1-3 im allgemeinen Wasserstoff, ein weiteres Kohlenstoffatom, Sauerstoff oder Stickstoff ist. Aus der DE 40 30 663 C2 ist ein Verfahren zur Elektrotauchlackierung elektrisch nicht-leitender Substanzen bekannt, bei den auf den Substraten durch Plasmapolymerisation eine fest haftende elektrisch leitfähige Schicht erzeugt wird. Die beschichteten Substrate werden nach Eintauchen in einen wässrigen kathodisch oder anodisch abscheidbaren Tauchlack als Kathode oder Anode geschaltet, eine Lackschicht wird dann mit Gleichstrom abgeschieden, die Substrate werden aus dem Elektrotauchlack herausgenommen und der Lack wird vernetzt. Über den Sol-Gel-Prozess und die Bildung von Phenolatesterverbindungen ist es möglich, eine Abbildung 7.173: Lineares Chitosan-Oligomer mit Silanisierung neue Produktklasse zu schaffen,
290
Phenoxylane die sich als Beschichtungswerkstoff, insbesondere auch für eine KTL eignet. Es hat sich gezeigt, dass Phenoxy-Silan-Ester sehr stabil sind und sich aufgrund sterischer und elektronischer Stabilisierung gut für eine solche Anwendung eignen. Es liegt also eine Verbindung vor, bei der eine Arylgruppe (also ein aromatischer Substituent) über eine O-X-Gruppe zu einem Ester verknüpft ist. Wenn das Element X beispielsweise Silicium und die Arylgruppe Ph beispielsweise ein Phenylrest (C6H5-) ist, so wird ein sogenannter „Phenoxy-Silan-Ester“ mit einer Phenyl-O-Si-Bindung gebildet. Die sterisch stabilere Phenolatumesterung ist eine Gleichgewichtsreaktion. Wird dabei das Ethanol aus dem Gleichgewicht entfernt (über die Temperatur), entsteht die Ph-O-Si Bindung. Prinzipiell können alle Silanolgruppen umestern. Es kann also jedes organische Molekül mit ein oder mehreren Ph-OH Gruppen mit den gängigen Silanen (z.B. GPTS, APTS, MPTS, MTEOS usw.) umestern. Auch funktionelle Gruppen (z.B. Epoxy) zur weiteren Reaktion mit organischen Harzen können eingebaut werden.
7.8.1 Lackbindemittel und Polymere auf Basis Phenoxylanen Je mehr Ph-O-Reste an einem Silan sind, je höher ist die sterische Abschirmung für eine erneute Hydrolyse der Silane. Es können auch lineare Ketten erzeugt werden, wie beim Polycarbonat, wodurch auch thermoplastische Eigenschaften möglich sind.
Abbildung 7.174: Darstellung der Umesterung an einem Silicium
Abbildung 7.175: Darstellung eines Bisphenol A-Dimethylsilan-di-Esters (BPA-DMS-Ester)
291
Lackrohstoffe und ihre Anwendungen In Abbildung 7.175 sieht man die Darstellung eines BPA-DMS-Esters. Sind mehr als zwei Bindungen der Silane über Si-O-Ph-Gruppen umgeestert, entsteht eine extrem stabile Bindung. Diese Bindemittelklasse kann als Bindemittel für Lacke oder zur Herstellung von Polymeren eingesetzt werden kann [155].
7.8.2 Elektrotauchlackierung auf Basis von Phenoxylanen Das Standardverfahren zur Beschichtung von Automobilkarrosserien ist eine elektrochemische Tauchlackierung in Form der kathodischen Tauchlackierung (KTL), bei dem das Werkstück in einem Tauchbad beschichtet wird. Es ist gut geeignet für das Lackieren komplizierter Strukturen und großer Stückzahlen. Beim kathodischen Tauchlackieren erfolgt die Lackabscheidung infolge von chemischer Umsetzung des Bindemittels. Von Vorteil ist eine vollständige und gleichmäßige Beschichtung durch die KTL besonders in Hohlräumen, an Ecken und an den Kanten mit einer gleichbleibenden Schichtdicken in einem engen Toleranzbereich. In Verbindung mit einer Zink- oder Zink-Nickel-Legierung entstehen die sogenannten Duplex-Systeme: Ein Zweischichtsystem bestehend aus einem Basislack einer Zink-, Zink-Eisen- oder Zink-NickelSchicht und einem organischen KTL-Decklack. Diese Systeme bieten höchsten Korrosionsschutz (bis zu 1000 h Beständigkeit gegen Grundmetallkorrosion im Salzsprühtest nach DIN EN ISO 9227), bei gleichzeitig guter thermischer und mechanischer Belastbarkeit. Das Grundprinzip des Elektrotauchlackierens besteht darin, wasserlösliche Bindemittel an der Oberfläche des als Elektrode geschalteten Lackiergutes auszufällen und so einen geschlossenen, haftenden Lackfilm zu erzeugen. Dieser ist zusammengesetzt aus einer Epoxidharzdispersion mit Pigmentfüllstoffen. Aufgetragen wird er durch einen elektrischen Stromfluss von einer äußeren Elektrode (Anode) über den leitfähigen Lack zum Lackiergut (Kathode). Das Ergebnis der KTL ist eine sehr gleichmäßige Beschichtung von Metalloberflächen und Hohlräumen mit gleichmäßigen Schichtdicken und guten Oberflächenqualitäten (siehe Kap. 7.6.3). Elektrotauchlackierung (ETL) bedeutet, dass der Grenzfläche die Emulsionstropfen zerstört werden und eine Schicht bildet sich aus. Nachteilig ist, dass man mit dem Elektrotauchverfahren keine Beschichtungen und Überzüge mit hoher Kratz- und Abriebfestigkeit erreichen kann, was den zusätzlichen Einsatz von Füllern notwendig macht. Ebenfalls nachteilig bei derzeitigen Elektrotauchlackierungsverfahren ist, dass die Metallpigmente des Überzuges durch den Kontakt mit dem wässrigen Medium gasen oder so in die Matrix eingebunden sind, dass kein kathodischer Schutz mehr möglich ist. Die bisher bekannten Sol-Gel-Systeme sind nicht im Elektrotauchbad zu applizieren. Als Gründe werden der hohe Alkoholgehalt und die geringe Größe der Kondensate genannt.
292
Phenoxylane Wie im Kap. 7.3 im Fällungsemulsionsverfahren können auch die unpolaren Phenolatesterverbindungen ausgefällt und emulgiert werden und eignet sich somit für ein elektrochemisches Tauchlackieren als Beschichtungsverfahren. Es konnten versuchsweise Schichten bis 100 µm Schichtdicke abgeschieden werden. Nach Trocknung bei 130 °C für 15 min. erhält man kratzfeste leicht gelbliche Beschichtungen, die sich als Bindemittel für Korrosionsschutzmaterialien eignen. Die Entwicklung dieser neuen Bindemittel ist noch relativ am Anfang. Visionär kann man KTL mit aktivem Korrosionsschutz oder als einschichtige multifunktionelle Überzüge abscheiden.
7.8.3 Natürliche Wirkstoffpartikel- und Beschichtungen auf Basis von Phenoxylanen Bereits seit vielen Jahren werden aus Pflanzen neue organische Substanzen isoliert, um ihre pharmakologische Wirksamkeit zu überprüfen. Pflanzen eignen sich hier besonders, da sie im Verlaufe der Evolution eine Vielfalt an chemischen Lösungen entwickelt haben, um sich gegen Bakterien oder andere äußere Einflüsse zu verteidigen. Diese meistens phenolischen Substanzen sind interessant, da sie im menschlichen Körper ebenfalls eine biologische Aktivität ausüben können und somit einen potentiellen pharmakologischen Wirkstoff darstellen. Im Fokus stehen hier Verbindungen die anticancerogene, antibakterielle, antioxidative oder biozide Eigenschaften besitzen. Die phenolischen Verbindungen gehören zu den sekundären Pflanzenstoffen, die nur in speziellen Zelltypen hergestellt werden und sich von primären Pflanzenstoffen dadurch abgrenzen, dass sie für die Pflanze zwar nicht lebensnotwendig sind, aber andere Aufgaben übernehmen können. Momentan klinisch eingesetzte Antibiotika sind meistens mikrobielle Naturstoffe, wie z.B. Penicilline, Cephalosporine, Tetracycline, Aminoglycoside oder Macrolide, deren halbsynthetische Derivate und in wenigen Fällen synthetische Stoffe wie Quinolone oder Oxazolidinone. Pflanzliche antibakterielle Substanzen gehören häufig zur Substanzklasse der Polyphenole. Diese sind ubiquitäre Sekundärmetaboliten, die von allen Pflanzen in beträchtlicher Menge hergestellt werden und als Antioxidantien bekannt sind. Sie dienen als Fraßschutz vor höheren Lebewesen durch ihre Adstringenz und Bitterkeit. Viele Einzelsubstanzen wirken weiterhin antibakteriell. Eine Idee diese phenolischen Verbindungen als pharmazeutischen oder auch temporären Wirkstoff einzusetzen, ist die Umesterung mit Silanen. Die Verbindungen werden dadurch in ihrer Reaktionsfähigkeit je nach Grad der Umesterung verlangsamt, ohne die Phenolgruppen dauerhaft zu blockieren. Ebenso wie die Bildung von Nanopartikeln aus phenolhaltigen Wirkstoffen, kann man sich auch eine funktionelle Wirkstoff-haltige Beschichtung von Oberflächen vorstellen.
293
Lackrohstoffe und ihre Anwendungen Um auf künstlichem Wege Biomoleküle in eine anorganische Sol-Gel-Matrix einzubetten, d.h. Biokomposite herzustellen, müssen folgende Bedingungen an das Bindemittel erfüllt sein: – weitgehend wässriges System in neutralem Medium, – Herstellung bei Raumtemperatur bzw. niedriger Temperatur, – bioinert (keine Nahrungsquelle für Mikroorganismen), – mechanisch stabil und einstellbare Porosität. Die Nanosole können hierbei SiO2-basiert oder durch Cohydrolyse und Cokondensation mit unterschiedlichen Metallalkoxiden modifiziert sein um Mischoxid-Schichten, z.B. keramik-ähnliche Schichten in beliebiger Stöchiometrie zu verwenden. Die Nanosole werden dann durch Wirkstoffadditive physikalisch modifiziert, wobei diese homogen in die Bindemittelmatrix eingebettet und immobilisiert sind. Immobilisierung bedeutet, dass eine Freisetzung der Wirkstoffe über einen längeren Zeitraum gesteuert werden kann. Durch den Einsatz von u.a. phenolischen Verbindungen, aber auch Biomolekülen wie Enzyme, Proteine, lebende Zellen oder Zellbestandteile („Biocere“) können die Schichteigenschaften somit gravierend verändert und (multi-)funktionelle bioaktive Beschichtungen erzeugt werden. Je nach der Zusammensetzung und Konzentration des Nanosols kann man den Immobilisierungsgrad der eingebetteten bioaktiven Stoffen in der Schicht steuern und damit entweder eine vollständige Immobilisierung (A), die ggf. Reaktionen mit kleinen Molekülen
Abbildung 7.176: Funktionsweise bioaktiver Schichten
294
Phenoxylane ermöglicht (B), oder eine kontrollierte Freisetzung in die benachbarte Phase erreichen (C), siehe Abbildung 7.176. Die Immobilisierung kann hierbei durch Art und Konzentration der anorganischen Matrix durch Verwendung löslicher porenbildender Schichtzusätze sowie einem angepassten Trocknungs- und Temperungsprofil beeinflusst werden. Damit ergeben sich je nach Art und Funktion der inkorporierten bioaktiven Komponente und dem Immobilisierungsgrad Anwendungsmöglichkeiten, die zur Funktionalisierung von Materialoberflächen genutzt werden können. Einige der häufig verwendeten Biozide sind Phenol und Polyphenolderivate, quartäre Ammoniumsalze (z.B. Cetyltrimethylammoniumbromid (CTAB), Benzalkoniumchlorids, Octenidin), polymere Biozide (z.B. Chitosan) und Silberionen-freisetzende Komponenten (Silber, Silbersalze, Silberkomplexe) für antibakterielle Beschichtungen, wobei vorrangig kolloidales Silber eingesetzt wird, das durch Reduktion von Silbersalzen im SiO2-Sol erzeugt wird. Für biotechnologische Anwendungen gelingt es mittels Sol-Gel-Technik in einfacher Weise, Enzyme oder Zellsysteme zu immobilisieren, wobei die biologische Aktivität in hohem Maße erhalten bleibt. Aufgrund der steuerbaren Porosität der Oxidmatrix sind Reaktionen mit externen kleineren Partnern dieser Biokompositschichten leicht möglich. Beispielsweise gibt es Untersuchungen zur Sol-Gel-Immobilisierung des bekannten Enzyms Glucoseoxidase und zu dessen biokatalytischer Aktivität bei der Oxidation von Glucose durch Luftsauerstoff zu Gluconsäure und Wasserstoffperoxid in Abhängigkeit von der Sol-Herstellung und Lagerung [156]. Selbst nach Auswässern der Schichten werden noch beträchtliche Enzymaktiväten registriert. Sowohl bei der Lagerung in Lösung als an der Luft tritt innerhalb von 24 h zwar ein Aktivitätsverlust von ca. 60 % ein, diese bleibt dann aber über Monate konstant. Die Enzymaktivität in der Sol-Gel-Matrix kann durch die Zugabe von sogenannten Porenbildner oder Templaten beträchtlich gesteigert werden. Hierzu eignen sich gut lösliche, niedermolekulare Verbindungen z.B. Zuckerverbindungen, die durch Auswaschung die Schichtporosität erhöhen. Auf Basis der genannten Ergebnisse wurden bereit Prototypen unterschiedlicher Glucose-Sensoren entwickelt [157].
7.8.4 Korrosionsschutzbeschichtungen auf Basis von Phenoxysilanen Einzelne Produkte arbeiten auf Basis von Tanninen. Tannine sind beispielsweise im Rotwein und werden auch kosmetische Zwecke eingesetzt. Tannine bilden mit dem Eisen stabilere Komplexe als der Rost, also dem Eisenoxid und Eisenhydroxid. Rost löst sich auf und es bilden sich typische tiefschwarz gefärbte Komplexe, die einfach abgewaschen werden können. Diese Eigenschaft könnte auch als Korrosionsschutzadditiv in Beschichtungsmaterialien eingebaut und genutzt werden.
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Lackrohstoffe und ihre Anwendungen Vermischt man die meistens wasserlöslichen Tannine mit Hydrolysaten von Silanen, z.B. GPTS, bilden sich je nach Mischungsgrad und Tannin, leicht gelbliche bis bräunliche Lösungen. Trägt man diese Beschichtungen auf Stahl auf und härtet sie bei 130 °C, so erhält man annähernd transparente, kratzfeste Schichten. In der Bewitterung werden diese Schichten recht schnell tiefschwarz. Das geschieht durch Feuchtigkeit, die in das Beschichtungsmaterial eindringt. Anstatt Rotrost bildet sich der stabile Tanninkomplex. Eine interessante Additivierung auch für Epoxyharze oder Primersysteme für Nass- und Pulverlacke.
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Perspektiven
8 Perspektiven Im vorliegenden Buch sind die komplexen Zusammenhänge der vielen unterschiedlichen Möglichkeiten und Anwendungen der Siliciumtechnologie dargestellt. Silicium ist ein Rohstoff, der erst in den letzten Jahrzehnten in den Mittelpunkt der Forschung gerückt ist. Von der Energiegewinnung über Solarzellen, funktionelles Fensterglas bis zu hochtechnisierten Silanbeschichtungen gibt es breite Anwendungsfelder, die erst auf den zweiten Blick miteinander verknüpft sind. Die Kombination von anorganischer und organischer Chemie mit moderner Nanotechnologie und physikalischen Effekten bieten viele neue Möglichkeiten für effektive, umweltverträgliche Oberflächenbeschichtungen mit multifunktionellen Eigenschaften. Ausgehend vom reinen Silicium werden die unterschiedlichen anorganischen und organisch-anorganischen Bindemitteltypen vorgestellt. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Werkstoffe der Zukunft auf fossile Brennstoffe verzichten müssen, werden das Silicium und siliciumbasierte Werkstoffe weiter in den Fokus rücken. Eine Ressource, die praktisch überall verfügbar ist, die in Kombination mit nachwachsenden Rohstoffen in vielen Bereichen erdölbasierte Produkte ersetzen kann, macht die Siliciumtechnologie zu einer Basistechnologie für die Entwicklung zukünftiger CO2 und klimaneutraler Werkstoffe. Dieses Buch soll ein Grundstein für das Verständnis und die Möglichkeiten der Siliciumtechnologie sein. Es soll zu neuen Blickwinkeln bei der Forschung und Lösungsmöglichkeiten für die industrielle Nutzung anregen. Viele der angegebenen Systeme und Materialien sind patentierte Verfahren und somit urheberrechtlich geschützt. Man kann sich bei der wirtschaftlichen Nutzung dieser Technologie mit der Patentliteratur auseinandersetzen. Viele der Themen können in den angehängten, ausgiebigen Literaturverzeichnissen weiter vertieft werden. Bei Fragen und Anregungen können Sie uns gerne kontaktieren unter: [email protected].
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Autoren
Autoren Dr. Stefan Sepeur studierte von 1989 bis 1994 Chemie an der Universität des Saarlandes und promovierte dort 2001 zum Thema „Entwicklung von Beschichtungsmaterialien auf Basis der Sol-Gel-Prozesse“. Dabei betreute er interdisziplinäre Entwicklungstätigkeiten in Bereichen der chemischen Nanotechnologie und leitete als Abteilungsleiter seit 1997 die Anpassungs- und Verfahrensentwicklung im Bereich Beschichtungstechnik des Instituts für Neue Materialien in Saarbrücken. Im August 1999 gründete er gemeinsam mit Reimund Krechan die NANO-X GmbH. Sepeur ist an mehr als 50 Patenten und vielen wissenschaftlichen Veröffentlichungen beteiligt. Sepeur ist Geschäftsführer der NANO-X GmbH und war in mehreren Gremien und Organisationen zum Thema Nanotechnologie tätig. Dr. Gerald Frenzer studierte von 1987 bis 1994 Chemie an der Universität des Saarlandes. Er promovierte 1998 in Fachbereich Organische Chemie und war bis 2001 Mitarbeiter am Institut für Neue Materialien (INM). Es folgte ein Wechsel in den Fachbereich Technische Chemie an der Universität des Saarlandes, wo er bis 2006 F&E-Projekte mit Industriepartnern in dem Bereich chemischer Katalysatorentwicklung unter Verwendung kombinatorischer Methoden durchführte. Seit 2006 ist er bei der NANO-X GmbH als Projektleiter für die Entwicklung von Katalysatoren zur Abgasreinigung, temperaturstabiler Bindemittel, Antihaft- und Kratzfestbeschichtungen zuständig. Er ist zudem Ausbildungsleiter für Chemielaboranten. Dr. Frank Groß studierte Chemie an der Universität des Saarlandes. Seine Diplomarbeit über anorganisch-organische Kompositbeschichtungen fertigte er am Institut für Neue Materialien (INM) an. Seine Doktorarbeit über die Chemie der Gläser schloss er dort mit der Promotion in den Werkstoffwissenschaften ab. Von 1999 bis 2013 war er als Abteilungsleiter der NANO-X GmbH für die Entwicklung und die industrielle Umsetzung multifunktioneller Beschichtungen verantwortlich. Seit 2013 ist er Geschäftsführer der SiliXan GmbH, die siliciumfunktionelle Rohstoffe für die Formulierung innovativer Lacke, Farben und Beschichtungen anbietet und diese auf die Bedürfnisse der Lackbranche weiterentwickelt.
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Stichwortverzeichnis
Stichwortverzeichnis A
Acetoxysilane 34 Adsorptionsisotherme 84 Aerogel 123 Aerosil-Verfahren 64, 71, 94 Agglomeration 79 aktiver Korrosionsschutz 109, 267 Alkoxysilane 34, 77 Alkoxy-Si-ns-Bindemittel 258, 259, 261, 263, 265, 267, 269, 271, 273, 275, 277 Anatas 68, 93 Anlauffärbung 48 Antihaftwirkung 193 Antimikrobiotika 98
B
bakteriostatische Wirkung 98 bakterizide Wirkung 98 Bandlücke 94 Basecoat 114 Beschichtungen Anlaufschutz- 231 Antibeschlag- 152 Antifingerprint- 167 Antifog- 181 Antihaft- 196 Antireflex- 130, 261 fluorcarbonhaltige 194 hydrophile- 204 Interferenz- 259 IR-absorbierende 186 Korrosionsschutz- 199, 211, 295 Kratzfest- 222, 289 leitfähige 60 metallkeramische 264 photokatalytische 180 raumtemperaturtrocknende 267 selbstreinigende 180 superhydrophobe 159 tribologische 191 wasserstabile 203 Zink-basierte 174 Zinklamellen- 206 Zink-Nickel-basierte 174
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Betonversiegelung 247 Böhmit 87 Bottom-up-Strategie 63, 69 Bragg-Gleichung 82 Brandhemmer 257 Brandschutzprimer 241 Brechungsindex 58, 93, 130 Brookit 93
C
Carbon-Nanotubes 95 Catalytic-Clean-Effect 235 Chemikalienbeständigkeit 286 chemische Fällung 73 chemische Nanotechnologie 63 Chemisorption 77 Chitosan 100 Chlormethan 29 Chlorsilane 28 Cokondensation 127 Crossilane 244, 247, 251, 254 CVD-Verfahren 51
D
Diesel-Partikelfilter 102 Dimethyldichlorsilan 30 Dotierung n-Dotierung 20 p-Dotierung 20 Dual Cure-Materialien 224 dünne dielektrische Schichten 57 dünne Metallschichten 56 Duplex-Systeme 113 dynamische Lichtstreuung 85
E
Easy-to-Clean 144, 185, 191, 195 EDX-Analyse 81 elektrochemische Spannungsreihe 110 elektrosterische Stabilisierung 78 Elektrotropie 50 Entformung 192 Epoxysilan 80
Stichwortverzeichnis
F
Fällungs-Emulsionsverfahren 217 Fällungsprozess 12 Feueraluminierung 199 Feuerverzinkung 110 Flammschutzmittel 241 Flockung 79
Korrosivitätskategorie 107, 212 Kratzfestigkeit 205, 239 Kugelmühle 69 Kupferbeschichtung 187 Kupferpatina 179
L
Glaschemie 39, 40 Glasnetzwerk 15
Lackrohstoffe 163 leitfähigen Schichten 18 Lithiumwasserglas 45 Lotus-Effekt 147 Lyogel 122
H
M
G
Halbmetall 17 Hydrolyse 75, 119, 165 Hydrolysegrad 121 hydrophile Oberfläche 150 Hydrophilierung 180 Hydrophobie 142 Hydrophobierung 37 Hydrosilane 26
I
Indiumzinnoxid 60 Inertgaskondensation 70 Ionenfärbung 47 IR-Absorption 61 isoelektrischer Punkt 78
K
Kaliwasserglas 45 katalytischer Rußabbrand 233 kathodischer Korrosionsschutz 262, 272 kathodische Tauchlackierung 292 keramische Werkstofftechnologie 39 Kieselsäure 28 Kieselsole 90, 166 Kolloid 91 Kolloidfärbung 48 Kondensation 75, 119 Kondensationsgrad 121, 219 Kontaktwinkel 141 Konversionsschicht 109, 111 Korrosionsarten 106 Korrosionsschutz 40, 106, 172, 206, 231 Korrosionsschutzprimer 212 Korrosionsverhinderer 109
Metallalkoxide 128 Methacrylsilan 80 Mikroemulsionsverfahren 76 Module 46, 229 Monosilan 19 Müller-Rochow-Synthese 29, 116
N
Nanoemaille 11, 229, 231, 232, 233, 235, 236, 237, 239, 241, 243 Nanokompositmaterialien 133 Nanomaterialien 62 Nanopartikel 39, 86 Nanostrukturierung 65 Nanotechnologie 12, 39, 61 Natronwasserglas 45 Naturstoffe 255, 290 Netzwerkbildner 14, 131 Netzwerkwandler 13, 37, 42, 125, 128, 131
O
Oberflächenenergie 139 Oberflächenmodifizierung 77 Partikel 37 Oberflächen, mit OH-Gruppen 89 oligodynamischer Effekt 98 Ormocer 133 Ormosil 133
P
Partikeloberfläche 68 passiver Korrosionsschutz 108, 236 Phenoxylane 290, 291, 293, 295
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Stichwortverzeichnis Photokatalyse 156 photokatalytische Wandfarben 253 Photonenkorrelationsspektroskopie 85 phototrope Gläser 50 Phototropie 50 pn-Übergang 21 Polysilazane 32 Polysilicium 19 Polysiloxan 29, 117 2K PU-Klarlack 283 Pulverlacke 288 PVD-Verfahren 53
Q
quasielastische Lichtstreuung 85
R
REACH 25, 165, 204, 247, 281 Re-Si-ns-Beschichtung 279 Rohsilicium 19, 24 Rohstoffe Glasfärbung 48 Glasherstellung 42 siliciumbasiert 25 Röntgendiffraktometrie 82 Röntgenkleinwinkelstreuung 85 Rutil 68, 93
S
Scherrer-Gleichung 83 Schweißbarkeit von Beschichtungen 269 selbstreinigende Oberfläche 148, 158 Sicrylate 227 Silane 15 organofunktionelle 132 Silanisierung 67, 79 silanterminierte Polymere 12 Silbernanopartikel 98 Silicium 11, 13, 17 Siliciumdioxid, SiO2 11, 40, 91 siliciumorganische Verbindungen 30 Siliciumtetrachlorid 28 Siliconchemie 39 Silicone 29, 116 Siliconflüssigkeiten 117 Siliconharze 118 Siliconpasten 118 Solarsilicium 19
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Solarzellen 18 Sol-Gel-Prozess 11, 39, 119, 217 Stickstoffadsorption 83 Stöber-Prozess 74, 124 superhydrophile Oberfläche 153 Superparamagnetismus 66
T
temporärer Korrosionsschutz 108, 174, 231 Tetrahydrosilan 27 Thermokorrosionsschutz 103 Titandioxid, Nanopartikel 92 Topcoat 114, 209 Top-down-Strategie 63, 69 Toxikologie von Nanopartikeln 105 Transmissionselektronenmikroskopie 80 TSA-Technologie 274 TSM-Technologie 272 TSZA-Technologie 262
U
urethanbasierte Bindemittel 280 UV-Absorption 61 UV-Filter 95 UV-Lacke 189
V
Verdunstungszahl 245 Versiegelung von Betonsteinen 221
W
Wasserglas 129, 229
X
Xenontest 169 Xerogel 123
Y
Youngsche Gleichung 141
Z
Zetapotential 78 Zinklamellenüberzüge 113 Zinkphosphatierung 114 Zunderschutz 197, 274 Zwei-Schichtsystem 181