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German Pages 21 [40] Year 1883
Schute und Aaus.
Bon
einem süddeutschen Schulmanne.
Straßburg. Verlag von Karl I. T r ü b n e r. 1883.
Iie Lebhaftigkeit der
gegen
die höhere Schule
gerichteten Bewegung scheint abzunehmen. sich
sogar
eine
Gegenströnmng
wacht Dieser
bemerklich.
Richtung ist die vor Kurzem erschienene Broschüre des Herrn Dr. G. Wendt sehr förderlich.
Er stellt darin
die öffentliche Meinung der Schule gegenüber unter eine andere Beleuchtung,
als dies sonst üblich war.
Dies und der Seite 33 von ihm ausgesprochene Satz: Zunächst ist die Schule Unterrichtsanstall, ihre Auf
gabe ist, durch den Unterricht auch zu erziehen, haben
den Verfasser des nachstehenden Allfsatzes veranlaßt,
das Verhältniß von Schule und Haus und die An forderungen, die an beide Lebenskreise zu stellen sind,
zu untersuchen und die Mittel zu prüfen, wie sie in
Einklang gebracht werden können.
werden
dabei
etwas
Licht und Schalten
anders vertheilt
Differenzpunkte werden sich,
werden.
Die
ohne daß auf die Bro
schüre des Herrn Wendt Bezug genommen würde, für den kundigen Leser von selbst ergeben.
Die Broschüre des Herrn Wendt ist,
so wenig
er es gelten läßt, eine Rechtfertigungsschrift.
Es ist
bedauerlich, daß ein Mann von so hohen und blei
benden
Verdiensten
um
sein Land,
sich gezwungen
sieht, seine Verwaltung zu vertheidigen.
Nur Neid
und Unverstand können die Thatsache bestreiten, daß
in erster Linie seiner schöpferischen und reformatori schen Thätigkeit
das
badische
Gymnasialwesen seine
gesunde Entwickelung und jetzige Blüthe verdankt.
Unsere Zeit wird beherrscht von dem unwiderstehlichen
Drange
nach
Unabhängigkeit
und
Selbstständigkeit.
Alle
Schichten der Bevölkerung, Individuen wie Korporationen
sind von diesem geheimnißvollen Zuge durchdrungen.
Wie
aber der Action die Reaction folgt, so ist mit dem Streben nach Freiheit die Nothwendigkeit der Aufrichtung gesetzlicher
Schranken gegeben. So erklärt sich das ungeheure Bedürfniß gesetzgeberischer Thätigkeit auf allen Gebieten. Gewohnheiten werden in Gesetzen fixirt, die Rechte des Einzelnen zum Einzelnen und wieder zum Ganzen bestimmt und die Ueber-
griffe der Lebenskreise unter einander verhütet. Nirgends dürste es schwerer sein, feste Grenzlinien zu ziehen und Pflichten und Rechte genau abzugrenzen, als zwischen Schule und Haus.
Man kann zweifelhaft sein, ob es einer in Paragraphen ausgedrückten Regulirung des Verhältnisses zwischen Schule und Haus bedarf. Beispielsweise sind Schulgesetze eine Erfindung neueren Datums, sie haben nicht immer existirt, an vielen Gymnasien existiren sie heute noch nicht.
Sie sind,
wie überhaupt auch jede andere Grenzbestimmung überflüssig, einmal, wenn die Schule sich auf den Unterricht und die Vermittelung von Kenntnissen beschränkt und die ganze Er ziehung der Familie überläßt, dann wenn Schirle und Haus zu dem schönen Werke der Erziehung in voller Harmonie
sich die Hände reichen.
Treten wir zunächst der Annahme, der Schule falle nur das Gebiet des Unterrichtes zu, und zwar auf einem Umwege
näher. Wenn, wie die moderne Zeit annimmt, richtig ist, daß die Cultur der Menschheit auf deren Gliederung in einzelne Theile beruhe, und die Möglichkeit fortschreitender Cultur nur
in den nationalen Bestimmtheiten beruht, dann ist für jedes Volk die Bestimmung
und
Beanlagung
gegeben,
seine
durch
Abstammung gesetzte,
ursprüngliche
unter dem Einfluß
von Ort und Zeit entwickelte Individualität zu also bei seinen
erhalten,
Angehörigen die möglichste Gleichheit der
Denk- und Empfindungsweise zu erzeugen, dieselben mit seinem
Jdeenkreise bekannt zu machen, in das Verständniß seiner Cultur und Geschichte einzuführen und die Liebe zum gemein
samen Vaterlande zu erzeugen. Ein wesentliches Mittel zur Erreichung dieses Zweckes liegt in der Erziehung durch die Schule.
Sie ist ein eminent
nationales Institut, insofern sie bei Durchführung einer der
Hauptaufgaben des Staates, das nationale Element int Volke zu erhalten und zu stärken, in erster Linie betheiligt ist.
Diese Aufgabe erfüllt sie auf der Grundlage der Sittlichkeit, d. h. sie basirt die Pflege des nationalen Sinnes auf die Erziehung zur Sittlichkeit. Unstreitig
ist
Sittlichkeit
nationaler Empfindung denkbar.
ohne
jede
Beimischung
von
Das deutsche Volk hat noch
im vorigen Jahrhundert eine andere ethische Anschauung nicht gekannt. Der Deutsche hatte Heimathsliebe, auch vaterländische Gesinnung war nicht ausgeschlossen, der Preuße besaß sie
jedenfalls.
Nationalgefühl
aber wurde
erst durch unsere
herrlichen Denker und Dichter als Funke in das Herz des
Deutschen gelegt. Dieser Funke ging unter deut rasenden Sturme, der von Westen her über unser unglückliches Vater
land dahinbrauste und dasselbe fast zwei Dezennien unter unerhörten Mißhandlungen seiner politischen Existenz beraubte, zur Hellen Flamme auf.
Die Zeit von 1815 bis 1866 ist
7 von den Bestrebungen nationalen Drängens und Ringens
angefüllt.
Erst seit unser Kaiser die unnatürliche Verbindung
mit Oesterreich durch Zerhauung des gordischen Knotens mit
dem Schwerte Deutschland
löste und
praktisch
einen Bundesstaat
gründete,
nationale Aufgabe
vor eine
ist
gestellt.
Erst von da an zählt die Bethätigung nationaler Gesinnung und ist die Schule ein nationales Institut. Der Sittlichkeit ohne Nationalgefühl gegenüber zeigt die Geschichte an dem Beispiel von Zeiten, Völkern und Indi
viduen, daß andrerseits energische nationale Gesinnung nicht immer mit Sittlichkeit gepaart war. Stark entwickeltes Nationalgefühl ist eine der schönsten Tugenden eines Volkes, es ist immer hoch zn preisen. Wie aber Jeder die Fehler seiner Tugenden hat, so entgeht es
ohne Gegengewicht nur schwer der Unterschätzung und Ver
achtung des Fremden und dem Hochmuth und der Ueber» schätzung des eigenen Werthes.
Es gilt, zwischen dem natio
nalen Egoismus, der schon darum ein Nachtheil für ein Volk
ist, weil er häufig zu politischen Fehlern verführt und sich selbst schädigt, und denl verschwommenen Kosmopolitismus, der leicht in Charakterlosigkeit verfällt, die rechte Mitte zu halten. Dies geschieht, wenn die Leidenschaft eines starken nationalen Gefühls durch die sanftem Empfindungen menschlich schöner Sittlichkeit gemildert wird.
So wird das menschliche Leben auf einen höhern Stand
punkt gestellt, wenn der zu sittlicher Thatkraft erzogene Wille
die Richtung auf die Nation und den Staat, diese höchste That des Menschengeistes, erhält, und wenn andrerseits dem nationalen Sinn nach Befreiung von den Schlacken des
häßlichen Egoismus ein steter Ausblick auf den Zusammen hang des eigenen Staates mit den andern, des Volkes mit
der Menschheit gegönnt wird. Sollte man noch über die Nothwendigkeit der Verbindung
des Nationalen mit dem Sittlichen zweifelhaft sein, so sehe man sich um, wie die ächt nationale Gesinnung auf den Höhen
8 der Menschheit sowie bei der breiten Masse des Volkes in allen seinen Schichten in die Erscheinung tritt.
Die Alten haben uns die tiefsinnige Sage von dem Neide
der Götter überliefert, die, weil selbst nicht über alle Unvoll kommenheiten erhaben,
kein
auch
vollkommenes
Glück
auf
Erden duldeten und gerade den am höchsten Gestiegenen und
sich am sichersten Wähnenden zu tiefstem Falle brächten. Die neuere Weltanschauung verlegt die Quelle von Glück und
Unglück in das eigene Herz des Menschen, der durch Demuth und Bescheidenheit bei Gott und Menschen wohlgefällig werde
und sich ein dauerndes Glück begründe, durch Hochmuth und Uebermuth sich ein sicheres Verderben bereite.
Wann hätte je eine Nation stärkern Anlaß zur Beherzi gung dieser Lehre gehabt,
als die Deutschen nach den Er
folgen der Jahre 1870 und 71? Welche Nation hätte hierin
aber
auch leuchtendere Vorbilder besessen,
deren Kaiser
mit
seinen
unvergleichlichen
als die deutsche,
Räthen auf
der
Sonnenhöhe des Glückes eine Mäßigung und eine persönliche Anspruchslosigkeit bewahrte, wie sie in der Weltgeschichte ohne Gleichen
ist?
Der Glanz
der
staatlichen
und militärischen
Thätigkeit dieser Männer erbleicht nicht, selbst wenn man den strengen Maßstab privater Sittlichkeit anlegt.
voll
rührigster
Umsicht
und
Vor der Aktion
weitschauendster
Ueberlegung,
im Handeln voll Leidenschaft und Siegesdurst, mit dem Ein tritt des Friedens maßvoll und besonnen und seit 12 Jahren
nur darauf bedacht, dem theuern Vaterlande und dem ganzen
Erdtheil die Segnungen des Friedens zu erhalten, so sehen wir ihr mächtiges Streben nach Erhebung des Vaterlandes
und Herstellung nationaler Einheit und Größe hervorgehen aus der
starken Wurzel der Pflicht und der consequcnten
auf die höchsten Ziele gerichteten Sittlichkeit. Diese Höhe stahlfcsten Charakters erreicht auch der Beste
selten aus eigener Macht; sie ist das Resultat einer trefflichen, ich möchte sagen traditionellen Erziehung und eigener strenger
Selbstzucht.
9 Und wie bethätigt die Masse des Volkes ihre nationale
Gesinnung? Das Leben mit seinem
nur durch
gleichmäßigen,
den
Kampf ums Dasein erregten Strome, mit seinen kleinlichen
Sorgen und Interessen würde den Menschen in die Materie hinabziehen, wenn nicht zwei Sterne, Religion und Vaterland ihm auf dem Wege zum Höheren leuchteten. Aus ihnen zieht das Volksleben seinen idealen Gehalt. Die Religion verlangt,
daß wir die Gebote der Sittlichkeit eiuhalten, das Vaterland, daß wir uns in seinen Dienst stellen, beide also die Erfüllung der Pflicht.
Glieder
des
Kreise, ohne
Wer unbekannt und unbeachtet, wie die meisten Volkes,
auch
kleinen
im
und
bescheidenen
Aussicht auf Lohn und Ruhm seine Pflicht
erfüllt, der hat nationale Gesinnung. Er trügt an seinem Theile zur Erhaltung des altererbten Schatzes deutscher Sitte
und Tugend, also zur Erhaltung gesunder Volkskraft bei und wird, wenn ihn das Vaterland in den Zeiten der Roth ruft und an die rechte Stelle setzt, je nach dem Maße seiner Kraft und der Art seiner Individualität es auch an großer Gesin nung und That nicht fehlen lassen.
Ist es aber mit dem Nationalgefühl ebenso bestellt wie mit der Tugend überhaupt, die nicht etwa Werth hat, wenn
sie unter dem Antriebe eines äußern Reizes einer augenblick
lichen Begeisterung und Hingabe fähig ist, sondern nur, wenn sie ihr Dasein und ihre Nahrung aus zielbewußtem Denken und festen Grundsätzen zieht, so wird man auch einmal die
Nothwendigkeit der Verbindung des
Nationalen
Sittlichen nicht mehr leugnen können und
mit
dem
in diesem die
Grundlage für jenes erkennen, daun der Schule nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht vindiciren, die ganze
Persönlichkeit des fassen
und
Knaben
und
ihrer Zucht zu
tung der Schule,
Jünglings
Die
unterwerfen.
der Jugend
sittlichen
Halt
und nationalen Sinn cinzuprägen, ist aber das nur äußerlich »eben der
Cultur
in's
kein
Auge zu Verpflich
und Reife
Accidenz,
des Jntcllects her-
10 Beide Aufgaben durchdringen und bedingen sich ge
läuft.
genseitig. Handlungen, diese energischsten Aeußerungen des mensch
von dem
erhalten ihre Geburt im Gemüthe,
lichen Wesens,
Willen die Richtung und von dem Verstände die Art und
die
Mittel
Ausführung.
der
Sie
des menschlichen Geistes
Einheit
treten
geschlossen,
die
an den Tag legend,
wie
aus dem Haupte des Zeus,
Minerva
die Erscheinung.
in
zu Charakteren erziehen will,
Wer Menschen zunl Handeln,
muß sie als Eiuheit fassen, darf nicht bloß eine der Geistes
functionen Pflegen. Die vorwiegende Bearbeitung des Gemüths durch
das
stumpft z. B.
Moralisiren
durch
Stachelung
mehr,
verdirbt
einseitige
Die
ab.
des Ehrgeizes
großen und raschen Erfolgen ungesunde
sie
als
auf
Einwirkung
hat
nützt,
den
sie
Willen
scheinbar-
bei
und das Herz ver
giftende Folgen, die ausschließliche Ausbildung des Verstandes streift
die Blüthe der Humanität ab, die nach der schönen
der Römer
Auffassung
umfaßt
und
ihre
Geistes-
die
in
Einheit
der
und
Herzensbildung
Vervollkommnung
der
menschlichen Ratnr darstellt. ,
Man hat mit Recht gesagt,
der Verbindlichkeit Reife enthoben
und
ist,
hingegeben
sinken muß.
daß die Schule,
der Erziehung
auch
der Jugend
sobald sie
zu
sittlicher
nur der Vermittelung von Kenntnissen
in
ihren wissenschaftlichen Leistungen
Unterricht wird,
Erfolgreicher
abgesehen von
den Qualitäten des Lehrers, bedingt durch Gewissenhaftigkeit, Aufmerksamkeit
Schüler.
und
Fleiß,
überhaupt
Eigenschaften
Diese
hat
die
Strebsamkeit Schule
mit
der
allen
ihr zu Gebote stehenden Mitteln der Jugend anzuerziehen. Diese nothwendig
stramme Zucht bildet aber
stande der Freiheit des Schülers, wenn er
Anstaltsräume
an keine
Schulordnung
mit dem Zu außerhalb der
gebunden
und nur
seinem Gewissen und seinen Eltern oder Vormündern
antwortlich
Zwiespalt
ist, in
einen
so
schneidenden
Gegensatz,
seinem Gemüthe unvermeidlich
ist.
daß
ver ein
Nehmen
11 wir als Beispiel die viel ventilirte Frage des Wirthshaus besuches.
Das strengste Verbot und die energischsten Strafen werden diese von der Jugend mit Vorliebe gepflegte Neigung In der Heimlichkeit aber liegt die größere
nicht ausrotten.
Auch hat der Uebergang von der Schule in die
Gefahr.
ungezügelte Freiheit des Universitütslebeus
Wirthshausbesuch
ohne
triftige Gründe
mittelung seine Bedenken;
alle Ver
genug, um den
unter hinreichenden Kautclen zu gestatten.
Wer wollte auch jungen Leuten von 18—20 Jahren, schon zur Befriedigung des Geselligkeitstriebes, die Freude miß gönnen, sich bei Bier oder Wein und fröhlichen Liedern zu Müßte man aber
erheitern?
ohne zwingende Vorschriften
und Vorsichtsmaßregeln nicht unmäßiges Kneipen und langes Sitzen besorgen, Ausartungen einer an sich unverwerslicheu
Jugendlust, die mit dem von der Schule gepflogenen Geiste ernsten,
wissenschaftlichen Strebens und bescheidener
Sitte
unverträglich sind?
Es
hieße das Naturell der Jugeud
verkennen,
wollte
daß sie, der auch über den Raum der Schule hinauswirkenden Zucht entbunden, mit dem gleichen
man annehmen,
Eifer wie bisher ihren
„Sitten
Studien
und Unsitten der
Ihre Neigung,
obläge.
Erwachsenen
anzunehmcn",
ihr
natürlicher Trieb nach Selbstständigkeit und mühelosem Genuß
artet
unter
Preisgeben
auch
der
Interessen leicht in Unbändigkeit aus.
leben, wo und
die jungen Leute doch
nächsten
und
höchsten
Selbst das Universitäts
älter und gereifter sind
vor Allem nicht mehr vorbereitende Studien treiben,
sondern, so zu sagen, ihr Brod studiren, liefert und hat zu allen Zeiten abschreckende Beispiele genug
für die Thatsache
geliefert, daß die sich selbst überlassene Jugend leicht dem sittlichen Verderben und dem geistigen Ruin verfällt. Der Einwand, daß die Jugend auf den Gymnasien den
nöthigen Halt
am elterlichen Hause besitze,
könnte zunächst
nur für einen Theil der Schüler erhoben werden.
Die aus-
12 wärtigeu Schüler würden ohne die Sorge der Schule meist
verwahrlosen. Aber auch für Söhne am Orte ansässiger Eltern ist er nicht durchgängig stichhaltig. Glücklicher Weise ist directer und offener Schutz des Leichtsinns von Seiten der Eltern nicht anzu
nehmen; daß aber Bemäntelungen und Entschuldigungen für
Uebertretungen der Schulgesetze Vorkommen,
lehrt die Er
fahrung. Wie >väre es erst, wenn der Satz in die Praxis überginge, daß die Schule nur durch den Unterricht auf die Jugend zu wirken habe und das ganze Terrain der Erziehung
dem Hause überlassen müsse? Der oben berührte Zwiespalt Schülers
würde
auf
seine
im
Gemüthsleben
wissenschaftliche
nachtheilig und lähmend einwirken.
des
Entwickelung
Die Schule müßte ent
weder paktiren und von ihren Anforderungen nachlassen; oder aber sie beharrte auf ihrem System und würde so zur Strafanstalt, in der die ultima ratio der Ausweisung an
der Tagesordnung wäre.
Jedenfalls würde sie durch das
Verschwinden der ethischen Ziele von ihrer wissenschaftlichen Höhe steigen und durch die Preisgabe des pietätvollen Ver hältnisses von Schüler zu Lehrer ihre Weihe verlieren. Wir sind am Ziel. Man halte mir den Versuch zu gute,
auf einem langen Umwege den mit näher liegenden Argumenten
leichter zu begründenden Satz zu beweisen, daß die Schule nicht bloß Unterrichts-, sondern auch Erziehungs-, überhaupt Bildungsanstalt sein soll.
Angesichts der seit 1871 wenig
befriedigenden Entwickelung unserer inneren
staatlichen und
socialen Angelegenheiten kann die Bedeutung des nationalen
Moments für die Erziehung der Jugend durch die Schule nicht genug betont werden; und „Wessen das Gefäß ist gefüllt Davon es sprudelt und uberquillt".
Zngegeben, daß Schule und Haus sich in die Erziehung der Jugend theilen, so wird man — damit gehen wir zur
zweiten
Annahme
über
—
die Behauptung unbedenklich
13 finden, daß, falls beide Lebenskrcise sind, wie sie sein sollen,
die Aufstellung von Principien zur Theilung der Rechte und eine bestimmte Formulirung des Verhältnisses zwischen beiden
entbehrlich ist.
Die Boraussetzung im Allgemeinen wäre,
daß auf beiden Seiten nicht bloß Liebe für das gemeinsaine Object, die Kinder, und einsichtsvolles Verständniß in deren
sondern
wahre Bedürfnisse,
eine herzliche
auch
Harmonie
über Wahl und Verwendung der Mittel zum Zweck existirte.
Sehen wir uns jeden Lebenskreis besonders an.
Wie müßte
zunächst die Schule beschaffen sein?
Läßt sich auf sie das schöne Lob anwenden, das Tacitus unsern Vorfahren
spendet:
„bei ihnen
haben
mehr Geltung, als anderswo gute Gesetze", der Sache getroffen. der,
gute Sitte»
so ist der Kern
Dann herrscht an ihr ein guter Geist,
dem gesunden Blute gleich, das dein Körper
inneres
Wohlbefinden, Kraft, Frische und äußere Schönheit gibt, den ganzen Organismus belebend durchdringt, seine Organe mit
Freudigkeit nnd Berufslust erfüllt und ihm das Gepräge der Gesundheit und blühenden Lebens
verleiht.
Da trifft für
den Schüler nach der guten Seite der Satz zu: an ihren
Früchten werdet ihr sie erkennen.
Ihr anständiges und be
scheidenes Benehmen begründet beim Publikum im Allgemeinen,
ihr Fleiß und ihre Ordnungsliebe noch besonders bei den Eltern den guten Ruf der Anstalt. Da sind bei den Lehrern Gerechtig
keit und ernstes Streben mit Humanität gepaart.
In An
knüpfung an die eigene Jugend nnd in der Erinnneruug an ihr einstiges Verhalten haben sie sich einen verständigen Maßstab
geschaffen für die Beurteilung des Naturells, der Neigungen, der Fehler und
Schüler.
Vorzüge
und
der Leistungsfähigkeit
ihrer
Der stete Blick auf die eigene Entwickelung belehrt
sie auch über den mächtigen Einfluß,
auf die Jugend übt.
den
energischer Wille
Er zeigt sich nicht in leidenschaftlichen
Ausbrüchen, sondern in besonnener Consequenz und bestimmter
Befehlsgebung.
Vorschriften
und
Der entschlossene Mann aber ist sparsam in Ermahnungen.
Zu
ihrer
Einschärfung
14 wählt er die einfachsten Mittel.
Er findet sie in dem sach
In seiner Person stellt er den Schülern
gemäßen Thun. ein Vorbild auf.
So bildet sich zwischen Lehrern nnd Schülern ein schönes Verhältniß, das ein von Vater ans Sohn vererbtes Ver trauen in der Bevölkerung erzeugt, stark genug, um Bös willigkeiten und muthwilligen Angriffen die Spitze abzu
brechen und Verleumdung wirkungslos zu machen. Ohne mit diesen mehr
aphoristischen Bemerkungen das
weitschichtige Thema von der Schaffung und Förderung eines guten Geistes an der Schule erschöpfen zu wollen,
möchte ich nur noch auf zwei Punkte, die dafür von Wich tigkeit sind, aufmerksam machen: auf eine feste Tradition und
die richtige Stellung des Directors. Daß ein Elternpaar, wenn es von verschiedenen Stand punkten in der Erziehung ausgeht nnd den Hebel der Ein wirkung an verschiedenen Punkten einsetzt, leicht seine Kinder
verdirbt, wird, in der Theorie wenigstens, als selbstverständ lich
angesehen.
Daß aber die Anwendung
verschiedener
Unterrichts- nnd Erziehungsmethoden in der Schule zu gleicher Zeit oder kurz nacheinander nur von geistig und moralisch kräftigen Naturen ohne Nachtheile ertragen wird, scheint manchmal vergessen zn werden. Dieses Verfahren bleibt entweder ans das pädagogische Object wirkungslos, der Knabe und Jüngling entwickeln sich unabhängig von dem
vielköpfig
erzieherischen
Streben — zu ihrem
Glück
oder
Unglück, wer weiß es? — oder sie werden verwaschen wie Kieselsteine und leben ohne Haß und Liebe, jeden: Eindrücke preisgegeben,
ohne
starke
Empfindung
und
nachhaltiges
Streben dahin.
Die Schule erträgt das Experimentiren nicht. Unvermittelte
Uebergänge, Sprünge und rasche Uebergünge sind ihr schädlich. Um zu gedeihen, muß sie auf dem Alten fortbauen in der Art, daß unter Festhaltung bewährter Stützen das Beste, was Wissen
schaft und Erfahrung Neues bieten, den vorhandenen Ein-
15 richtungen, dem Wissen und Können organisch eingereiht wird.
Die Schule hat, wie alle lebensvollen
So entsteht Tradition.
der Zusammensetzung
Erscheinungen, je nach der Leitung,
des Lehrercollegiums
lokalen Einflüssen
und
Neigung,
die
einen besondern Charakter anzunehmen.
Die
eines
Schüler
ackerbautreibenden
Landstädtchens
haben andere Anschauungen, Lebensgewohnheiten und geistige
Bedürfnisse, als die in dem aufgeregten Treiben einer Groß
Versteht ein Lehrer
stadt erzogene Jugend.
oder gar ein ganzes Lehrercollegium
Director
oder
nicht mit dieser That
sache zu rechnen, so entstehen Schwierigkeiten, schwerlich wird
das
ersehnte Ziel
erreicht.
seiner Schüler aufsuche, lerne
Daß
der
Lehrer
die
Eltern
häuslichen Verhältnisse kennen
ihre
wie
und gleichsam ihre ganze Naturgeschichte studire,
läßt
das schon verlangt worden ist,
empfehlen,
weil darunter
Amtes leiden könnte.
der Person
die Würde
Daß
er
schon darum nicht
sich
und
des
insofern Fühlung mit
aber
der Bevölkerung sucht, daß er den Charakter des Ortes und
unter denen
der Einwohner,
er pädagogisch
zu
wirken be
rufen ist, studire, ist ebenso nothwendig, als daß die Verhält
Wo
jedes
die Lehrer
selbst
nisse der Anstalt eine gewisse Stabilität zeigen. Jahr
die
wechseln,
Lehrbücher,
die Methode
kann von Erfolg im
nicht die Rede
sein.
Es
und
höhern Sinne
des Wortes
viel
gelernt nnd
wird vielleicht
tüchtig eingepaukt, aber die geistige und sittliche Durchbildung muß Noth leiden. Diese Steigung der Schule,
unter der Voraussetzung, gogischen Grundsätze
sich zu individualisiren,
ist,
daß die allgemein geltenden päda
eingehalten
und
die
wissenschaftlichen
Anforderungen befriedigt werden, nicht etwa zu unterdrücken, sondern in jeder Weise zu begünstigen.
Aus ihr entspringt,
was ich specielle Tradition nennen möchte.
Erst wenn diese
in einem Lehrercollegium herrscht, wenn also das Schwanken
und
die
und
der
Verschiedenheit in den Principien des Unterrichts Erziehung
ausgeschlossen
sind
und
die
Schule
16 Lokalfarbe angenommen hat, kann von einem bestimmt aus
geprägten Geiste die Rede sein und der gute Geist dauernd
seinen Einzug halten. Wenn das Ziel aller Erziehung ist,
den Menschen
zu
immer größerer Vervollkommnung zu führen, die Vollkommen
heit aber mit darin besteht, daß er einerseits der Gattung,
das
allgemein
Menschliche
rein
den Typus ausprägt,
andrerseits die Eigenart des besondern Wesens scharf in sich darstellt, so mnß die Schule
prägten Charakter besitzen. eine feste Tradition.
selbst einen einheitlich ausge
Die Grundlage desselben ist
Neben der Tradition ist auch die Stellung des Direktors
für den guten Geist einer Anstalt von Wichtigkeit. Ohne auf weitschaubarem Platze zu stehen und maß gebend in die politischen und socialen Verhältnisse
einzu
greifen, trotz seiner stillen und bescheidenen Thätigkeit ist er in der Lage, auf die Entwickelung des Volkslebens einen tiefgehenden und nachhaltigen Einfluß auszuüben.
Er ist in
erster Linie in der Lage, Hunderten von denen die Richtung
des Geistes und Charakters zu geben, die einst die Elite der Station bilden und in Staat nud Kirche, in der Wissenschaft und im öffentlichen Leben zu wirken berufen sind. Der
Umkreis seiner Pflichten ist ausgedehnt, seine Thätigkeit vielseitig. Kein anderer Beruf bietet für die Eigenartigkeit dieser
Stellung ein Analogon.
Wissenschaftlicher Sinn und Lehr
geschick bilden die Grundlage, die conditio sine qna non; doch reichen sie nicht aus; sie allein schützen ihn vor dem Fiasko nicht.
Als Verwaltungsbeamter, im Verkehr mit dem
Publikum, als Leiter eines vielköpfigen Collegiums bedarf er
noch anderer Qualitäten; er soll tu hohem Grade das sein,
was man eine Persönlichkeit nennt. Beschränken wir uns auf den schwierigsten Punkt,
sein
Verhältniß zu den Lehrern. In einem Lande war vor etwa 20—30 Jahren der
Director nur der primus inter pures; er war Vorstand und
17 zeichnete gewöhnlich: der die Geschäfte des Directors besorgt.
Er
vertrat die
gegenüber
und
Anstalt
der Behörde
und
ordnete
den
Dienstgang
äußeren
Pnbliknm
dem
an,
im
er sich der Beeinflussung des Collegiums.
Uebrigen enthielt
Von hier gibt es verschiedene Abstufungen der Machtbefugniß des Directors bis dorthin, wo er Alles in Allem ist und die Conferenz ihm gegenüber Dort
lag
nur eine berathende Stimme hat.
die Gefahr der Anarchie nahe,
thatsächlich wird
dieser Einrichtung mit der Niedergang der Schulen in jenen« Hier ist die straffste Centralisation zi«
Lande zugeschrieben.
Hause, deren Spitze aber — und das ist nur konsequent -
nicht im Director
liegt,
sondern
über
ihn hinaus
die
in
Centralbehörde fällt. Natürlich, er hat nicht die Entscheidung über Wohl und Wehe seiner Lehrer, er befördert sie nicht, versetzt sie nicht rc.,
Seine Machtbefugniß ist
nirgends ist er die letzte Instanz.
zumeist auf dem Papier und illusorisch.
Was reell bleibt,
ist die mit der scheinbaren Allmacht gar nicht im Verhältniß
stehende wirkliche Verantwortlichkeit nach oben mib das Odium von unten. Eine Lichtseite wäre es, wenn wenigstens die Competenzconflicte aufhörten.
eingeschränkter
Gerade diese sind aber häufiger als bei
Befugniß
des
Directors.
Unzufriedenheit,
Mangel an Vertrauen und Klage«« sind an der Tagesordnung.
Die Meinung, ein verständiger Mann halte an einem solchen Danaergeschenk,
Segen
ist sehr irrig.
der Anstalt zu wirken,
gemacht.
Entäußert
er
sich
Er hat den Wunsch, das
dani«
wird und
ihm
wann
—
principiell ist das angesichts der Verantwortlichkeit,
allein «md persönlich trägt,
zum
sehr schwer denn die
er
unmöglich — seiner Befugnisse
in der Art, daß er dem Collegium das Recht des Beschlusses
einränmt,
so zieht er sich leicht den Vorwurf der Schwäche
zu, ganz abgesehen davon,
daß
es ihm, zum Nachtheil der
Anstalt, selbst übel bekommen kann. Handelt er ausschließlich unter dem Gefühl der ihm auf-
18 die
erlegten Verantwortlichkeit,
er der Behörde
nicht auf die Lehrer abwälzen kann,
gegenüber
so kann die Ertödtung
ihrer Bcrufsfrcudigkeit und die Lahmlegung ihrer Initiative die unangenehme Folge sein. Diese Eigenschaften gedeihen
nur, wo der wissenschaftliche gebildete Mann seine eigene Ueberzeugung zum Ausdruck bringen und seiner Individualität Geltung verschaffen kann. Bevormundung schafft nichts Gutes. Ueberall ist mit der Mündigkeit auch die Verant wortlichkeit gegeben. Man vergesse nicht, daß in manchen Collegien Leute sind, die ihren Director überschauen.
Sollen
diese
ist es
nicht
etwa bloß im äußern Dienstgang — da
selbstverständlich — sondern auch in ihrer wohlerwogenen Ueberzeugung sich einfach unterordnen und mit Begeisterung eine vielleicht für verfehlt gehaltene Richtung durchführen helfen?
Das
heißt
übermenschliche
eine
Loyalität
ver
langen.
Wie nahe
liegt
außerdem — man verzeihe die Ver
gleichung — der Blick
auf den
eheinaligen
Korporal, der
fiir eine harte und lange Rekrutenzeit sich an seinen Unter gebenen durch Hochmuth und raffinirte Quälerei schadlos hielt. Denkbar wäre es doch, daß Aehuliches auch im Civil-
stande und bei den Lehrern vorkämc.
Jahrelanger Druck
muß solche Früchte zeitigen.
Gerade der Director, dem Gewissenhaftigkeit und Pflicht gefühl im Blut liegen und zugleich Humanität Lebens bedürfniß ist, kommt in eine schiefe Stellung.
Das Gefühl
die Behörde den Lehrer für die Schärfe, um nicht zu sagen Härte der generellen Be
der Unsicherheit wächst, wenn
stimmung,
durch Milde
die
einzelne
in
ihn
zur Bedeutungslosigkeit herunterdrückt,
Akte
des
Collisivnsfällcn
Entgegenkommens
und
unzeitige
zu entschädigen und in seinem
moralischen Werthe zu heben sucht. Ziehen wir das Facit. Die an sich schon große Schwie rigkeit der directorialen Stellung wird durch wirkliche oder scheinbare Allmacht größer, selbst für denjenigen, der sein
19 Ziel
weniger
in
der Förderung der
Sache
als in der
Befriedigung eines kleinlichen Ehrgeizes sucht.
Der
Kernpunkt der Schwierigkeit liegt in der Kunst,
unter den Gliedern des Organisinus die richtige Mischung von Freiheit und Gebundenheit herzustellen. Soll das
Räderwerk ohne Reibung, leicht, frei und erfolgreich functioniren, so darf weder die Einheit durch Fessellosigkeit der Indivi
dualitäten
gesprengt, noch
dürfen
diese
zu
Gunsten
einer
straffen Centralisation über Gebühr eingeschränkt werden. Jenes stört das Ensemble, das nur bei gegenseitigem Ein leben und Verstehen und durch einheitliches Zusammenwirken
der Kräfte möglich ist, dieses führt zum Mechanismus mit
seinen geistig und moralisch erschlaffenden Folgen. Noch so specielle Verordnungen helfen hierbei nicht. Jedes
Collegium soll an der Hand
und innerhalb des Rahmens
allgemein gültiger pädagogischer Principien sich eine auf selbstständig erarbeiteter und durch praktische Erfahrung ge stützter Theorie beruhende Methode unter der Leitung des Directors schaffen. Diese muß die Gesammtanschauung des Lehrerkollegiums wiedergeben. Ihr gibt der Director nach Maßgabe seiner Persönlichkeit sein Gepräge. In diesem Sinne ist zu verstehen, wenn verlangt wird, er solle das Lehrer
collegium pädagogisch anleiten und zu einer Einheit hcranbilden.
Die Lösung der schwierigen Frage nach der richtigen, das Interesse der Schule fördernden Stellung des Directors
hängt im Wesentlichen ab von dein Eintreffen dreier Be dingungen. Die erste ist persönlicher Art.
Wie muß der Direktor
sein? Sehen wir ab von einem breit ansgesonnenen Ideale. Wenn es aber möglich wäre, mit einem einzigen Striche das
Verhältniß des Directors zu den Lehrern
zu zeichnen, so
würde vielleicht am besten das schöne Bild, das Perthes (das deutsche Staatsleben vor der Revolution) braucht, von dem geräuschvollen und gewaltigen Leben der Völker und Staaten
auf das zurückgezogene und stille Wirken der Schule über-
2*
20 Darnach wäre die alle Theile der Schule umfassende
tragen.
Leitung der pädagogische Herzschlag, der die Kräfte des ein
heitlichen Organismus durch alle Adern seiner Gliederungen
treiben soll. Das Herz, das in Folge irgend welcher Fehler kaum mehr schlügt, erzeugt Stagnation im Blute und schleichende Krankheiten. Pocht und hämmert es zu hastig und unauf hörlich, so entstehen Hitze und Fieber, und die Kraft des
Leibes und seiner Organe wird rasch aufgezehrt.
normales
Herz
bietet
die Garantie
für
Nur ein
Gesundheit
und
regelmäßige Funktion des Körpers. Die zweite Bedingung ist sachlich, d. h. das Interesse an der Sache bildet den besten Bereinigungspunkt zwischen Lehrer und Director.
Einst herrschte an den meisten Anstalten ein zwangloses
Einverständniß, vielleicht auch da und dort eine gemüthliche
Director und Lehrer waren vielfach Schnlbekannte oder Universitätsfreunde; sie wirkten Dezennien zusammen,
Anarchie.
meist in herzlicher
Freundschaft.
Bon Ehrgeiz war kaum
etwas zu merken, er hätte noch weniger als heute ein Objekt gehabt. Bon Pflichtgefühl wurde wenig gesprochen, es fehlte
darum nicht. So lebten in den kleinsten Orten, mit beschei denem Sinn nnd liebenswürdiger Anspruchslosigkeit Leute, von denen viele einen literarischen Ruf hatten oder als Pä
Ein reger geistiger Verkehr mit dem Director nnd den Collegen, die Thätigkeit in der Wissenschaft dagogen hcrvorragten.
und für den Beruf machte in der wenig aufgeregten Zeit allgemein die Lebensfreude aus. Heute ist es etwas anders.
Neue Schulen schießen wie
Pilze aus dem Boden, andere dehnen sich in's Ungeheuerliche aus.
Das gesteigerte Berkehrsleben führt Elemente von allen
Himmelsgegenden und Ländern zusammen,
verschieden
an
Lebensformen, Gewohnheiten, an Anschauung über Welt und
Menschen, über
Methode nnd Beruf.
auch nicht immer lange. ein Wechsel.
Ihres Bleibens ist
Kaum lebt man sich ein, erfolgt
Ein tiefer Zwiespalt geht durch die Pädagogik,
21 hie Realisten, hie Humanisten. Die Allmacht und Allein herrschaft der Schule hat ein Ende, die Laien wollen mitrathen
und mitthaten, neue Bedürfnisse und Bestrebungen machen
sich geltend, Reformen
an allen
Ecken
Geschlossenheit der Anschauung ist
nnd Enden.
Die
gebrochen, mit ihr die
Sicherheit und Selbstgewißheit der Schule, nirgends Still stand oder ruhige Entwicklnug, überall Hast und Drängen, Vorwärtsstreben und oft Ueberstürzung. Eine Fluth von
Erzeugnissen über Pädagogik überschwemnll den literarischen Markt.
Hunderte von Vorschlägen kreuzen, überstürzen und
heben sich auf.
Auch der Besonnene
kommt in's Wanken
und droht den rothen Faden zu verlieren.
Sollen wir den Zustand schelten? Es ist ein turbulenter Uebergang zu einer hoffentlich dauernden und festen Gestaltung. Aehnliches haben alle Zeiten und alle Lebensgebiete gesehen.
Die Aufregung ist hervorgerufen
durch das Stürmen
und Drängen des Publikums, das gewisse Erscheinungen in
der Schule nicht mehr mit dem Geiste und den Anforderungen der Zeit verträglich findet. Die Lehrcrwelt sucht sich der
Bewegung zu bemeistern.
Die Fluthwelle, die in trübenl
Gemisch über die Schule hereinschlug, wird geläuterter wieder
hinausgeleitet. Der Austrag wird verständige Leute befrie digen. Die Schule wird sich mit den Bedürfnissen der Zeit in Einklang setzen, ohne daß die Kontinuität der Entwicke lung verloren ginge. In dieser brausenden Gährung,
die
sich
aller Köpfe
bemächtigt hat, ist es für den Lehrer das erste Gebot, über dem souveränen Egoismus des Einzelwesens das Interesse an der Sache nicht aus den Augen zu lassen.
Die Sache,
d. h. die Förderung der Wohlfahrt der Anstalt und der ihr anvertrauten Schüler muß den Leitstern bilden.
In diesem
Punkte haben sich alle mit dem Director zu vereinigen, auf ihm ist immer ein gütlicher Austrag möglich. Dieses Interesse an der Sache, insofern es nicht eine
flüchtige Regung, sondern eine dauernde, auf innerm Erfassen
22 und tieferm Verständniß des Gegenstandes beruhende Lebens
gewohnheit ist und in der Freudigkeit für die Berufsarbeit sich äußert, führt nicht nur zur Gewissenhaftigkeit und Pflicht
treue, sondern schließt auch den stärksten Antrieb zur Bändi
gung und zum Opfer des herrischen Eigenwillens ein.
Wenn
mehrere Kräfte, denen ein großer Spielraum der Subjectivität eingeräumt wird und wie in der Pädagogik eingeränmt
werden muß, zusammenwirken, so geht es ohne schwere Reibungen und somit ohne Nachtheil für den beabsichtigten
Zweck nicht ab, wenn irgendwo der Anspruch auf Unfehl barkeit erhoben wird.
Die Pädagogik ist eine Erfahrungs
wissenschaft; Erfahrungssätze sind keine Axiome; sie modisiciren
sich nach Zeit und Menschenart. Was vor 100 oder 50 als Muster hochgehalten wurde, wird heute
Jahren noch
vielleicht belächelt, vermuthlich mit demselben Rechte, als wahr scheinlich unsere Nachkommen über unsere Weisheit lächeln werden.
Es führen eben meist verschiedene Wege zum Ziel.
Die Ueberzeugung von der Unzulänglichkeit menschlichen Wissens und Könnens sollte nirgends entschiedener ausgeprägt
sein, als in einem Lehrercollegium, wo es sich darum handelt,
znnl Wohle des
Ganzen sich
verstehen zu lernen und zu
tragen, und keinem Stande wird dies gerade so schwer ge
macht wie dem unsrigen. Wer Jahre und Jahrzehnte hindurch keinen Widerspruch erfährt, wessen Publikum unbedingt in
verba magistri schwört, wenn auch der schalste Witz belacht wird, da bildet sich leichter als bei andern Menschen ein starkes Selbstgefühl und eine Art von Selbstgewißheit aus.
Das ist unsere Schwäche, wir sind eben auch Menschen und jeder Stand hat seine Fehler. Sie ist kein Unglück, wenn sie harnilos bleibt, wird sie aber durch das nicht allzuseltene
Vorurtheil verstärkt, und
der Lehrer überrage durch Idealität
geistige Durchbildung andere Menschen, und überträgt
sie sich auf den unmittelbaren Verkehr im Lehrercollegium, so kann sie ein starkes Hennnniß für das gedeihliche Zusammen-
wirken werden.
23 Es ist ein wahrer Triumph für eine Anstalt, wenn bei
allseitig
tüchtigem
und
Streben
starker
Ausprägung
Individualitäten eine schöne Harmonie herrscht.
sicher
sein,
Interesse
daß
sie in
entspringt.
letzter Instanz
Solche
jedes Verdienst anzuerkennen;
Männer
der
Man kann
aus dem sachlichen sind
fähig,
neidlos
sie erblicken darin nur einen
Sporn zu eigener Anstrengung; bei vollem Bewußtsein eigenen Werthes bleiben sie anspruchslos und von Dünkel und Selbste gefälligkeit fern.
Sie sind im Stande, den fremden Stand
punkt unbefangen zu würdigen und leben nach dem Satze: Prüfet Alles und das Beste behaltet.
Die dritte Bedingung ist formal, d. h. sie liegt ans dem Gebiete der Form oder besser der Lebensformen.
Es ist ein schlechter Grundsatz, Freunden gegenüber formlos
zu sein und, weil es Freunde sind, sich jeder zarten Rücksichts nahme für entbunden zu erachten.
Je näher wir Jemand
stehen, um so mehr sollte es Bedürfniß sein, der dem Gemüth
entquellenden
Herzlichkeit
durch
artige,
von
Bildung
und
Erziehung veredelte Formen Ausdruck zu leihen. Collegen brauchen nicht Freunde zu sein, aber das Band
des hohen Berufs, das sie umschlingt, legt ihnen in ihrem eigenen Interesse und in denk ihrer Schüler, denen sie Vor
bild sein sollen, die Verpflichtung entgegenkommenden Ver haltens auf.
Der Corpsgeist der Offiziere wäre trotz des berechtigten Bewußtseins eigenen Werthes ohne
Form
nicht möglich.
strenge Einhaltung der
Sollte für andere Bernfsklassen nicht
dieselbe Veranlassung vorliegen, sich schöne Formen mit ihrer die gewöhnliche Anschauung weit überragenden, rückwirkenden
und alle Lebensverhältnisse durchdringenden und beeinflussenden Kraft zum unverbrüchlichen Grundsatz zu machen? Man sagt,
die Sorgfalt der Handschrift rufe Sorgfalt im Stil selbst
hervor.
In höherem Grade wirkt bei halbwegs
empfäng
lichen Menschen die Form auf die Kultur des Innern zurück.
Wäre
es unbekannt, daß,
wo
die richtige
Form Eingang
24 gefunden hat und Lebensbedürfniß geworden ist, z. B. der
Klatsch
seinen
mit
so
unmöglich ist?
häufigen Bitternissen
Sollte nicht mit Freuden jedes Mittel ergriffen werden, um
den
unter
auch
des
Berufsarten
Civilstandes
dem
einen
Militär ähnlichen gesunden Corpsgeist anznpflanzen und zu
pflegen, der, weit entfernt von dünkelhafter Abgeschlossenheit,
Ueberschätzung des
eigenen
Faches und
Gehässigkeit gegen
andere Klassen und Beamtenkategorien, durch die gegenseitige
Förderung der Berufsthätigkeit, geistige und wissenschaftliche Anregung und schönen geselligen Verkehr den Amtsgenossen
eine
wahrer
Quelle
Lebensfreuden
unter
und
Umständen
materiellen Vortheils wäre, der Sache aber zum höchsten Segen
gereichte? Die Form ist überall von höchstem Belang; z. B. bricht sie Gegensätzen
Spitze
die
Sachliche
ab.
Schärfe,
innere
Wahrheit und Berechtigung vorausgesetzt, kann unangenehm sie wird es erst
berühren, ist aber an sich nicht verletzend;
durch Formlosigkeit.
eine ange
sie durch
Jedenfalls wird
nehme Form sehr gemildert, umgekehrt kann das gleichgültigste
Ding durch rücksichtslose Form zu sachlichem Conflicte führen.
In der hierarchischen Gliederung ist die Form unerläßlich. Man
denke
nicht an
das
steife
Ceremoniell
gegen Gleiche
Niedrigere
oder
artig
des
vorigen
Es gibt Leute, die
Jahrhunderts oder an Byzantinismus.
sein
oder
wenigstens
scheinen wollen, aber dem Hähern gegenüber einen brüsken Ton
anschlagen
müssen glauben.
zu
So
lang
auch
die Zeit
vorüber ist, wo der ehrenhafte Biedermann grob sein mußte und Unhöflichkeit für Mannesmuth galt, so leicht wird noch artiges Entgegenkommen gegenüber dem Hähern für Kriecherei gehalten.
Die heutige Zeit mag in manchen Stücken hinter
der guten alten Zeit zurückstehen, unter Anderm hat sie auch diesen Vorzug,
daß
Umgangsformen gegen Hohe
und
sie
leichte
geschaffen
Niedere
hat,
und bequeme Lebens- und die
anwenden
sich
in
lassen.
gleicher Weise
Gerade
der
wahrhaft Gebildete, der die Form nicht als Maske vornimmt
25 und als Lack trägt, der, wenn abgekratzt, die innere Rohheit an's Tageslicht bringt, wird in seinem Verhalten gegen alle
seine Nebenmenschen höflich
Bei ihm ist die Form
sein.
nur der Ausdruck einer gleichmäßigen,
Menschen und Ver
hältnisse natürlich ansehenden Seelenstimmung.
Mit sicherm
Takte vermeidet er Klippen, an denen Viele so leicht Schiffbruch Beispielsweise wird er in Erinnerung an den Salo
leiden.
monischen Satz: Alles zu seiner Zeit, nicht den Ton unge zwungenster Cordialität, der bei gewissen Veranlassungen auch mit Hähern gerne angeschlagen wird, auf den Dienst über
Wo die goldene Regel verkannt wird, daß, je näher
tragen.
die anßeramtliche Beziehung, überhaupt die Freundschaft, um
so ernster das Pflichtverhältniß aufzufassen ist, da wird es
begreiflich, daß Vorgesetzte in allen Berufsarten sich außerhalb
des
Kreises ihrer Untergebenen und
Dies
geschieht bei
geglaubt
wird,
Männern
ernsten
über dieselben stellen.
nicht,
sondern
aus Hochmuth,
in
wie so
gerne
der Erwägung,
daß solche Beziehungen die Sache und den Dienst schädigen. Zusammenfassend ein, so
daß
die
Treffen alle Bedingungen
sagen wir:
schönen
des
Worte
Tacitns
über unsere
Vorfahren auf die heutige Schule angewandt werden könnten? Wer die reißend
schnelle
Entwickelung
unserer
Cultur
bedenkt, in deren Strom auch die Schule hineingezogen wird, wird nicht erstaunen, daß in einer Uebergangszeit nicht Alles
ist, wie es sein soll.
Die Zustände der Schule können nie,
am wenigsten in der Jetztzeit so ideal sein, daß sie ein Recht
hätte,
sich
den Forderungen
der Zeit
gegenüber ablehnend
zu verhalten, sie muß sich mit in ihnen in Einklang setzen. Sehen wir,
wie
es
mit dem andern Lebenskreise, dem
Hause und der Familie bestellt ist.
Das Bildungsbedürfniß und das Bewußtsein der Bedeu tung
eines
tüchtigen Schulsackes
für
immer weitere Kreise der Bevölkerung.
das Leben
dringt in
Es mag noch Leute
geben, die ihre Kinder lieber für sich verwendeten als in die
Schule
schickten.
Eltern
aber,
die
von
höher»
Schulen
26 Gebrauch machen, also unter Umständen große Opfer bringen, mit
werden
geringen
Ausnahmen
ein
an dem
Interesse
Unterrichte und der geistigen Ausbildung ihrer Kinder haben.
So
gewiß
dies Interesse
im Allgemeinen
bei
den
Eltern
vorausgesetzt werden nmß, so selten scheint unter ihnen das
Bewußtsein zu herrschen,
daß
sie zur Hebung der Schule
nicht unbeträchtlich beitragen können. Der Knabe könnnt mit 9 oder 10 Jahren in die Schule. Es ist zu spät, wenn er hier zum ersten Male im eigentlichen
Sinne des Wortes zu Reinlichkeit, Pünktlichkeit, Ordnungs Eine Klasse von
liebe, Gehorsam u. dgl. angehalten wird.
30—40 Jungen, von denen nur ein Drittel nicht erzogen ist und ein schlechtes Beispiel gibt, ist sehr schwer zu discipliniren.
Darunter versteht man nicht bloß eine Klasse in Ruhe und Ordnung zu halten, in der Art, daß Störungen durch Lachen,
Schwätzen und Unarten aller Art fern gehalten werden. Es ist damit schon viel gewonnen, aber noch wenig int Verhältniß zum Ziel.
die
Es ist nur
zur
Erst wenn die Klasse
negative
Seite
der
Disciplin.
zu Aufmerk
Gewissenhaftigkeit,
samkeit und Fleiß erzogen ist, kann sie disciplinirt genannt werden.
Die Fäden der das ganze Verhalten der Schüler um spannenden Disciplin gehen vont Unterrichte aus und laufen
wieder da zusammen.
Das heißt: Der tüchtige Lehrer hat
durch sein Auftreten und die Art seines Unterrichtes einen über die Schulräumc sich erstreckenden Einfluß auf das ganze
Leben
der
Schüler,
den Unterricht
umgekehrt beeinflußt dies
selbst hemmend oder fördcritd.
rückwirkend
Knaben, die
bei angebornem Hang zunt Leichtsinn, zur Gedankenlosigkeit
und Trägheit Führung
am
besitzen,
elterlichen Hause erschweren
keinen Halt
ungemein
die
keine
und
Aufgabe
der
Schule, um so ntehr, als bei dem allzuhumanen Zuge der
Zeit die Strafmittel des Lehrers sehr beschräilkt sind.
Die Grundlage
der
Erziehung
muß
das
Kind
in der
Familie erhalten. Dasselbe sollte von der geistigen Anregung
27 und Belehrung gelten. Warum ist dies nicht immer der Fall? Liegt der Grund in der Lieblosigkeit der Eltern, oder in der
Gleichgültigkeit, die sich hinter die Geschäfte, die Mühen und Sorgen des Lebens versteckt? Für die meisten Eltern wird
dies
nicht
Thatsache,
geistig
sich
Belehrung
zutreffen.
daß
in
rascher
mehr
Es
ist
keiner
des
Lebens
ist,
als
in den
mit
der
bildungsbedürftiger
entwickelt,
benöthigt
Unbekanntschaft
die
Zeit
der
Mensch
und
der
ersten Jahren
seines Daseins. Die, wie Göthe sagt, dunkle Kindheit, sucht Licht.
Es
gibt keinen Gegenstand seiner Umgebung, der nicht die Auf merksamkeit des Kindes erregt. Es ist ein wahrer Philosoph.
Seine unaufhörliche Drang
Frage:
nach Aufklärung.
warum?
beweist
Dies zeigt sich
den
innern
in
seinem
selbst
sogenannten Zerstörungssinn; es forscht mit Vorliebe nach der
innern Construction seiner Spielsachen. Die
klare
und
präcise
Antwort, die von
denl
verlangt wird, ist nicht immer leicht zu geben.
Kinde
Manchmal
könnte auch der größte Weise in Verlegenheit komnicn. Nicht
Jeder hat Kindern gegenüber eine so treffende Antwort bereit, wie einem Erwachsenen gegenüber Luther, der auf die Frage,
was
der liebe
Gott
von
Ewigkeit an bis zur Erschaffung
der Welt gethan habe, sagte: Er saß in einem Birkenhain
und schnitt Ruthen für die, so unnütze Fragen thun. Es ist aber verkehrt, in Kindern durch Täuschung falsche Vorstellungen zu erwecken,
die,
wie z. B. Alles,
was sich
auf Furcht und Augst bezieht, oft das ganze Leben hindurch
im Herzen nachzittern. Es ist nicht minder verkehrt, Kinder
fragen,
die
oft von origineller Auffassung zeugen, in der
Meinung, sie entsprängen dem Vorwitz, einfach abzuweisen. Wer Kindern liebevoll und mit Verständniß für ihre Bedürf nisse Rede und Antwort steht, sichert ihnen für's Leben ein unschätzbares Gut. Die in jedem Kinde vorhandene Empfäng-
lichkeit für die
Eindrücke der Umgebung, für Gegenstände,
Menschen und Natur,
wird bei richtiger Pflege die
beste
28 Grundlage concreten, auf selbstständiger Beobachtung beruhenden
Denkens.
Umgekehrt,
der
Kind
das
wenn
Verarbeitung
äußerer Eindrücke entwöhnt wird, wenn es nur auf sich und
seine Phantasie angewiesen ist, entwickelt sich leicht in spätern Jahren eine Neigung zur Abstraction, die selbst in Verbindung mit Geist und Wissen,
Frische
und
aus
oft die
dein
Unmittelbarkeit vermissen
bei hochgebildeten Menschen
Leben
läßt.
gegriffene
sogar
Daher
zuweilen eine gewisse Hohlheit
und Phrasenmacherei.
Die Verpflichtung der Eltern ist nicht erschöpft, wenn sie sich
mit
ihren
beschäftigen.
Kindern
Auch
die
bis zum
Eintritt in
geistige Erziehung
soll
die
Schule
nicht
aus
schließlich der Schule überlassen werden. Es gibt Knaben und selbst Jünglinge, die keinen Gedanken
durchdenken,
keinen Satz voll
und
abgerundet aussprechen,
ja kaum dem einzelnen Worte die volle Ehre der richtigen Lautirung gönnen.
Die Schule ist dafür nicht allein verant
wortlich. Wenn Eltern über Tisch und im sonstigen Zusammen
sein
mit
der
Familie
so
von
ihren
oder von
Geschäften
irgend welchen Interessen in Anspruch genommen sind,
Form und Gehalt
der Gespräche
über
daß
oder außerhalb des
Gesichtskreises der Kiudcr liegen und diese stets sich auf sich selbst beschränken müssen, wenn der stille und mächtige Einfluß
der Aufklärung und der gebildeten Sprache von Seiten der Eltern fehlt, und
demnach
so
kann
es nicht
erstaunen, daß das Denken
das Sprechen, besonders
bei
an sich mittel
mäßigen Köpfen, verworren und unbeholfen bleibt.
Kinder,
die ohne geistige Einwirkung der Eltern aufwachsen, sei es
daß sie Dienstboten überlassen werden oder sich zumeist auf
der Gasse herumtreiben, müssen schon geistig kerngesund sein, wenn sie zu gebildetem Denken kommen sollen.
Das Lesen
bildet selten das richtige Correctiv; in der Regel geräth die unbeaufsichtigte Jugend in die Herz und Phantasie verder
bende Vielleserei.
Wie viel Anregung liegt darin, wenn Eltern z. B. auf
29 Spaziergängen ihre Kinder über die Beschäftigung der Land die
über
leute,
der
Veränderungen
Statur
im
Laufe
des
Jahres, über das mit den Jahreszeiten wechselnde Bild der Landschaft u. dgl. aufklären! Ist für den, der weiß, wie viel
an
durch
Kindern
Dürftigkeit
der
gesündigt
Vernachlüssiguug
Aufsätze
bis
in Prima
hinein
wird,
die
auffallend?
Aus dem Sichtbaren und Greifbaren müssen ihre Anschauungen hervorwachsen, alles Wissen hebt mit dem Sehen an.
Der Satz, daß man nicht gibt, was man nicht hat, läßt sich nicht anfechten. Sollte es aber zu viel verlangt sein, daß
Eltern
den
selbst
ersten
noch Lücken ausfüllen,
Jahren
wenigstens
um
ihren Kindern, in
Vorbilder des Wissens und
Könnens zu sein? Man denke hier nicht an die Unterstützung
lateinische
rührend,
Es
ist
ja
Formenlehre,
ja
sogar
bei Schulaufgaben.
die
wenn Mütter die
Anfangsgründe der
Syntax lernen, um ihre Jungen controliren oder ihnen helfen
zu können. Für ersprießlich oder gar für nothwendig ist das nicht zu halten. Sind die Schulaufgaben, wie sie sein sollen, klein und so
gestellt,
daß
der
Knabe
auch
ohne
größere
Befähigung sie selbst machen kann, so soll jede Unterstützung
fern gehalten werden.
Nein!
Die Aufgabe aller Eltern, die
überhaupt dazu qualificirt sind, besteht u. A. in der Anregung und Anleitung zu gebildetem Denken.
Davon ist gebildetes
Sprechen nicht zu trennen.
Was heißt gebildetes Denken? Man stelle einen Gebildeten und einen Ungebildeten vor
dasselbe Kunstwerk z. B. einen Roman.
Für jenen ist der
Stoff unwesentlich, die Darstellung und Form ist ihm Alles. Dieser wird die Schönheit nach dem Grade der Spannung
also Nervenaufregung bemessen, versetzt wird.
in die er bei der
Seetüre
Die Form interessirt ihn nicht, der Stoff ist ihm
Alles, er sucht nur die Befriedigung einer rohen Neugierde.
Der Eine
Kunstwerkes
erblickt bei der Betrachtung eines plastischen
in der Einfachheit die höchste Mannigfaltigkeit,
Geist und Leben treten ihm aus dem Steine entgegen; der
30 Andere sieht nur weißen glatten Marmor, sein Erstaunen gilt vielleicht der Jndecenz, eine nackte Figur den Blicken der Menge preiszugeben.
Unstreitig ist der Sinn für das Schöne eine Himmelsgabe, wie der poetische Geist, bildet sich aber, wie Winkel
mann sagt, so wenig wie dieser, von sich selbst und würde ohne Lehre und Unterricht leer und todt bleiben.
Welche
Quelle edelsten und reinsten Genusses geben Eltern ihren Kindern mit in's Leben, die eine vorhandene künstlerische
Neigung zu cultiviren den Willen und die Fähigkeit haben!
Doch sehen wir ab von der speciellen Bildung des Geschmacks, sie mag in der Regel der Schule, dem eigenen Streben und dem Leben überlassen bleiben. Eines aber ist von allen Eltern, die irgendwie dazu die
Fähigkeit besitzen, zu verlangen, die Einwirkung auf klares Denken und entsprechenden Ausdruck.
Dies bildet die Basis
sür alles Thun des Menschen. Es muß auch der Geschmacks bildung vorausgehen. Schon Schiller sagt: Man soll die
Jugend nicht in den Kreis der Grazien einführen, ehe sie von den Musen als mündig entlassen sei.
Eltern, die in dieser Weise ihre Kinder zu den Tugenden
der Reinlichkeit, Ordnungsliebe, Pünktlichkeit und des Gehor
sams erziehen, die sich mit ihnen von ihren ersten Jahren an beschäftigen, nm das Denken anzuregen und die Sprache zu bilden, das sind die wahren Freunde der Schule.
eigenes
Thun
ihren
Kindern gegenüber gibt
ihnen
Ihr einen
Maßstab für die Bedeutung und Schwierigkeit der Stellung
des Lehrers und seines Berufes.
Wohl sind sie subjektiv
gebunden, aber die Liebe macht sie nicht blind.
Sie sehen
in einer verständigen Strenge kein Unglück, sondern nur das ernste Streben der Schule für das wahre Wohl ihrer Kinder. Sie lassen sich nicht in der Uebereilung fortreißen, bei dem
Lehrer
schnell
Ungerechtigkeit,
Bosheit,
Rachsucht u. dgl.
vorauszusetzen, überhaupt entziehen sie der Schule und ihren Organen nicht leichtfertig das Pertrauen.
Den Klagen der
31 Kinder, die meist nur Vorwände sind, um eigene Verschul
dung zu decken, leihen sie keine Stütze und hüten sich, ihrer scharfen
zu
Beobachtungsgabe
daß sie
geben,
Aeußerungen und
schlechte
Richtung
übertriebene oder
spöttische
dadurch
entstellende,
eine
Erzählungen über Lehrer,
Einrichtungen
und Anordnungen der Schule durch Schweigen billigen oder
gar
durch
Bewunderuug
aufmuntern.
des
und
Geistes
Witzes
direkt
Es entfährt ihnen in Gegenwart ihrer Kinder
kein unvorsichtiges Wort
über die Schule und Lehrer, im
Gegentheil sie halten es für eine heilige Pflicht, dieselben zur
Pietät zu erziehen. Weit entfernt nur Rechte zu beanspruchen und die Schule nnb den Lehrer zu meistern, zeigen sie sich
durch kräftige Unterstützung der von der Schule ausgehendeu Maßregeln
für
die Wohlthaten
dankbar,
sie in ihren
die
Kindern erhalten.
Mit Eltern
von
diesem
Schlage,
die
der
Schule
die
peinliche Vorarbeit abnehmen, die ihre Kinder mit Aufmerk
samkeit und Sorgfalt auf dem ganzen Gange durchs Schul leben begleiten, an der Schule und ihrem Gedeihen lebhaftes
Interesse nehmen und ihren Organen Wohlwollen und Achtung entgegenbringen,
kann nur eine Anstalt in Conflict kommen,
an der Alles, was recht und billig ist, auf den Kopf gestellt
wird und chaotische Zustände herrschen. Entspricht das Publikum diesem Ideale?
So wenig als
die Schule dem ihrigen.
Diese
Thatsache
drängt
sich
dem
ruhigen Beobachter
und unbefangenen Beurtheiler der heutigen Verhältnisse von selbst auf.
Er
sieht
in
der
gegen
die Schule gerichteten
Bewegung einen gesunden Kern, also ist die Schule reform bedürftig.
Anderntheils schließt er aus dem oft allzu großen
Eifer auf ein ungesundes Element im Publikum, das erst einer ruhigern Auffassung und bessern Einsicht weichen muß, wenn das
Verhältniß von Schule und Haus für beide Theile befriedigend sein soll.
Beide Lebenskreise sollten, statt, wie es da und dort
geschieht, sich zu befehden, die Mahnung befolgen:
Bessere
32 Dich selbst, und gleich wird es besser werden, denn unter den
höchsten Maßstab gestellt, sind sie nicht, wie sie sein sollten. Das war aber die Voraussetzung, unter der wir die Aufstellung von Principien zur Theilung der Rechte und eine bestimmte Fvrmulirung des Verhältnisses zwischen Schule und Haus für
entbehrlich hielten.
Ist also die herzliche
Harmonie, in der sich Schule und Haus die Hände reichen sollen,
nicht in der Art vorhanden, daß völlig gleiche An
schauungen über Methode, Mittel und Zweck des Unterrichts und der Erziehung herrschen, so bedarf es der Mittel, um Uebergriffe eines Theiles in den andern zu verhüten.
Es sind in letzter Zeit von Seiten der Schule, also des angegriffenen Theiles verschiedene Versuche gemacht worden, dem Publikum einen Einblick in die Schulverhältnisse und in
gewissem Sinne eine directe Einwirkung zu gewähren. Man hat z. B. die Eltern eingeladen,
„sich
bei allen
Mißständen unverzüglich an die Lehrer oder den Leiter der
Anstalt zu wenden".
Welchen Sinn verbindet man mit dem
Worte Mißstand?
nach dem Subject. Jeder empfindet mißfällt. Der Eine will die
Er modificirt sich
als
Mißstand,
klassischen
tvas
Sprachen
ihm
aus dem
Gymnasium verbannt
oder
wenigstens eingeschränkt wissen, der Andere perhorrescirt die
starke Betonung der Realien; der findet die Stundenzahl für das Turnen, Zeichnen, Singen rc. zu gering, jener möchte Englisch eingeführt haben. Manche sind mit der Methode nicht einverstanden, Andere tadeln die große Freiheit, die den Schülern gelassen wird, wieder Andere wünschen confessionell gemischten Unterricht oder gar Verbannung des Religions
unterrichts als obligatorischen Lehrgegenstandes.
Dazu kommt
die Klage über zu große Belastung des häuslichen Fleißes,
so daß vermuthlich die Zahl derer gering ist, die, wenn sie
aufs Gewissen gefragt werden, decken hätten. Sollen die
Eltern
ihre
gar keinen Mißstand aufzu Anschauungen,
Wünsche
und
Beschwerden
in
dieser
Schwerlich!
darlegen?
Richtung
Weder Lehrer noch Director sind hierin maßgebend, es sind das Fragen der Organisation, die gesetzlich oder wenigstens
auf dem Wege
Verordnung
der
geregelt
also
sind,
Competenz des Lehrerkollegiums nicht unterstehen.
wir überhaupt gleich Alles ans, Allem was dazu gehört,
was
z. B.
sphäre der Anstalt selbst liegt,
nicht in
der Macht
das Lokal selbst,
Bibliothek,
Turnhalle,
der
Scheiden mit
Gerüche rc.
Der Dienstbetrieb in Unterricht und
Was bleibt übrig?
Erziehung — soweit er nicht durch Gesetz oder Verordnung normirt ist — und alle Anordnungen und Einrichtungen von
Seiten des Directors und der Lehrer,
auf den Dienst-
die
betrieb abzwecken.
Die Einladung Anzeige
zu
an
bringen,
die
heißt
Mißstände sofort zur
Eltern,
daher genau
genommen
nichts
Anderes, als die Aufforderung, Fehler, die in der Führung
des Unterrichts und der Disciplin vorgekommen sind,
über
haupt pädagogische Ungeschicklichkeiten anfzudecken. Darin liegt die Provocation zu einer unzeitigen und überflüssigen Kritik.
Die Procedur
wäre
der Stnrmlauf
wenn
noch begreiflich,
der jetzigen Bewegung gegen die Führung
der Klassen
und
der Anstalt an sich, also gegen die Art der Ausführung der gesetzlichen
Personen
Vorschriften, überhaupt gerichtet
wäre.
vorzugsweise
gegen die
Thatsächlich aber hat sich,
den
Kammerverhaudlungen, den
den
Stimmen der Presse,
Gutachten
und
der Aufregung
ans
ärztlichen
der Stroin
nach
der Quelle der Ueberbürdungsfrage, deren letzter Grund doch wohl überall als hauptsächlich in den Zeitverhältnissen liegend
anerkannt
wird,
unter Zufluß
Bächlein der snbjectiven Klagen
der
größern
und
kleinern
über die Organisation der
höhern Schulen gebildet.
Wozu
also
noch
die
Schleusen der Beschwerden und
Klagen gegen die Organe der Schule aufziehen?
Würde je
in einem andern Berufe ein ähnliches Verfahren vorkommen?
Entweder liegt darin eine Selbstverleugnung,
vor der man 3
34 sich nur beugen kann,
oder ein Gefühl
von Sicherheit und
Unfehlbarkeit, das sich die noch so weit getriebene Courtoisie
gegen das Publikum erlauben kann. Wie stellt sich denn der Director zu der Anzeige solcher Mißstände,
die
seiner
er
daß
bei
den Lehrern
eigenen
gefunden werden?
Verordnungen
wegen
Denn
angegangen
Soll er auf zwei Achseln
würde, ist nicht leicht anzunehmen.
Wasser tragen, die Eltern mit den besten Versicherungen ent
lassen,
daß ihre Wiinschc befriedigt werden und dem Lehrer
gegenüber schweigen?
Oder soll er
jedes Mal eine ernste
Untersuchung anstcllen?
Man
muß
der Director
es mit aller Bestimmtheit aussprechen,
nicht bloß Vorgesetzter,
sondern
er
daß
der geborene Beschützer seiner Untergebenen ist.
daß auch
Diese gute
deutsche Anschauung und Sitte wird durch derartige Vorgänge untergraben. Der Lehrer aber weiß, daß jeder Vater, ja jeder Schüler
das Recht der Beschwerde hat, er ist sich seiner Verantwort lichkeit
seinen Vorgesetzten
wohl bewußt,
und
aber er versieht
seinem Gewissen
sich nicht,
gegenüber
keinen Augenblick
sicher zu sein, zur Rede gestellt zu werden und Rechenschaft und Auskunft über seine wohlerwogensten und gewissenhaftesten
Maßnahmen
ertheilen
zu
müssen.
Welcher
ernste Mann
möchte da noch Lehrer sein?
So sehen die Consequenzeu der Einladung an die Eltern, die an der Schule wahrgenommenen Mißstände zur Anzeige
zu bringen, in der Theorie aus. anders.
Einladung
Praktisch gestaltet sich das um
einer solchen
Was ist sie demnach?
Eine schöne
Eltern sind zu verständig,
Die
folgen.
zu
Phrase! Ein
anderer Versuch,
die Anschauungen,
Wünsche und
Bedürfnisse des Publikums kennen zn lernen, die Eltern für die
Schule
Einfluß
auf
zn
interessiren
und
ihnen
das Leben der Schule
zu
in
gewissem Sinn
gewähren,
Einführung der sogenannten Elternparlamente.
ist die
35 Für Leser, die von dieser Neuerung noch nicht gehört haben, diene Folgendes zur Erläuterung. Der Director
ladet je nach der allgemeinen oder speciellen Natur der zu behandelnden Gegenstände die Eltern aller Schüler oder nur
die einer einzelnen Klasse zu einer Besprechung ein. Es handelt sich um gegenseitige Aufklärung über die wichtige Frage der
Ueberbürdung, über Disciplin, die Stundenzahl der einzelnen Klassen u. dgl.
Der Gedanke dieser Neuerung ist an sich nicht übel und die vereinzelten Versuche, die bis jetzt gemacht worden sind,
mögen mit Ernst behandelt worden und von Erfolg begleitet gewesen sein. Wir möchten jedoch vor einer fernern Betretung dieses Weges warnen. Die Praxis würde vermuthlich rasch ein Zerrbild daraus machen, das einen stark demagogischen
Beigeschmack hätte. Gerade die Schulmänner, welche Laien wenig oder keine Einsicht in Schulangelegeuhciten zutraucn und über unbe
rufenes Dreinreden klagen, werden weniger Belehrung von
den Eltern wünschen und ihnen sich unterordnen, als diese belehren und sie für ihre eigenen Maßnahmen gewinnen wollen.
erreicht
Das wird auch
in den meisten Fällen sehr rasch
Die Versammlungen
sein.
nahmslos in Wohlgefallen auflösen.
werden
sich fast aus
Es wäre das ein gutes
Mittel, um von Zeit zu Zeit die Eltern zu binden und ihren Klagen Schweigen aufzuerlegen. Da hätten wir dann den vollen Einklang von Schule und Hans. Ebenso sicher ist es freilich, daß das eine Arbeit
den schönen dient,
Schein wäre.
auf
Der Sache ist damit nicht ge
wohl aber läuft die Würde der Anstalt und
Directors Gefahr, Noth zu leiden.
des
Unter diesen Fall rnbricire
ich auch z. B., wenn überhöfliche Väter oder
von Liebens
das
Weihrauchfaß
würdigkeit ganz
durchdrungene Mütter
allzu stark schwängen. Wenn doch die politischen Parlamente ebenso leicht zu dirigiren wären, wie die Elternparlamente!
Man klagt in der Politik soviel über
das allgenleine 3*
36 directe Wahlrecht, das einer urtheilslosen Stenge eine zwei
schneidige Waffe in die Hand gäbe nnd sie zum Spielball der Demagogie mache. Sollte es auf deut Gebiete der Schule nicht noch nöthiger sein, die Wünsche und Bedürfnisse des
Publikums erst in den Köpfen und Herzen einzelner besonnener und gebildeter Männer sich klären imd läutern zu lassen, ehe sie
in bestimmter Formulirung
an
die rechte .Stelle
kämen? Dies führt auf den Vorschlag einer die bisherige Trennung von Schule und Haus aufhebenden Vermittelung, einer Ueberbrückung der isolirtcn Lcbenskreise durch ein berufenes Organ, das ans der Bevölkerung entnommen und von deren Ver trauen getragen, andrerseits der Schule nahestehend und mit
Interesse
für dieselbe
erfüllt,
der Schule gäbe,
was der
Schule, und dem Hanse, was des Hauses ist. Dieses Organ, etwa Schulcommission genannt, würde sich je nach den lokalen Verhältnissen zusammensetzen.
Bezahlt der Staat die Lehrer
nnd stellt er auch die sachlichen Ausgaben, so ist es natürlich,
daß er die Mehrzahl
der Mitglieder
städtischen Anstalten wird
ernennt.
Bei rein
er sich mit der Delcgirung eines
Vertreters begnügen.
Der Geschäftskreis einer solchen Conunission bestände zu nächst in der Aufstellung des Etats für die sachlichen Aus
gaben, Lehrmittel, Utensilien, Reparatur der Gebäude und in der Sorge und Ueberwachung der Gesundheitspflege; dann
in der Einwirkung auf die innere und äußere Disciplin, z. B. die Aufstellung von Schulgesetzen, in der Controle der ge wissenhaften
und
richtigen
Handhabung
derselben u. dgl.
Sie hätte das Recht, zu jeder Zeit die Anstalt zu revidiren und alle Lehrstunden zu besuchen, sie wäre zu allen Conferenzen über Promotion und Zeugnißausstellung sowie zur AbiturientenPrüfung und Berathung über den Ausfall des Examens zu
zuziehen.
Sie hätte die Vorschläge der Lehrerconferenz über
Freistellen und Stipendien und, wo die lokalen Verhältnisse
Abweichungen von der allgemeinen Norm nothwendig oder
37 wünschenswerth machen, z. B. über zu begutachten.
Ferien,
über alle Fragen erstrecken,
den Lehrplan
und
die
ihre Competenz würde sich
Kurz
die nicht rein technischer Natur
sind, also sich speciell auf die Unterrichtsertheilung beziehen.
Was das Personelle betrifft, so müßte sie bei Anstellung und Pensionirung der Lehrkräfte gehört werden.
Eine solche
Commission kann in Staatsanstalten nicht vorgesetzte Behörde
sein.
Sie ist keine Instanz für den Director, sie ertheilt ihm
keine Weisungen, selbstverständlich auch den Lehrern nicht, mit
denen sie in gar keinem amtlichen Verkehre steht.
Die Mit
glieder besuchen die Anstalt und den Unterricht nicht beliebig, als Delegirte
sondern
nach Beschluß
des
Der
Plenums.
Director, als geborenes Mitglied, wirkt bei den Beschlüssen
mit und kann,
wo
ihm
das Interesse
der Sache gefährdet
erscheint, die Entscheidung der Behörde anrufen.
Umgekehrt
steht der Commission das Recht der Beschwerde zu, wenn sie z. B. Mißstände zu sehen glaubt und mit ihrer Auffassung
bei dem Director nicht durchdringt.
mag
Es
verursachen,
ängstlichen
Gemüthern
ein
gewisses
und Controle
eine solche Aufsicht
um
Gruseln sich
zu
Die richtige Wahl der Personen in diese Commission
haben.
schließt jede Beforgniß wegen Mißbrauchs, Nepotismns, über
haupt Einmischung in Interna u. dgl. aus.
von gewissenhaften und
Ein Collegium
ernsten Männern
macht
zum Ablagerungsort von Klatsch und Verleumdung.
sich
nicht
Ebenso
wenig läßt es sich vom Director gegen die Lehrer und von
diesen gegen den Director ausspielen. Es ist eine Institution, die, durch würdige,
sachkundige,
für das Interesse des Publikums und der Anstalt in gleicher
Weise gesetzt,
besorgte Männer vertreten
von
und
in
richtigen Betrieb
den segensreichsten Folgen für die Entwickelung
der Schule und ihr Verhältniß
zu der Bevölkerung werden
muß. Schon
Correctiv
durch ihre Existenz ist sie ebenso ein moralisches
gegen Ausschreitungen,
überhaupt
gegen
schlechte
— Führung
Anstalt
der
und
38
— Sporn
ein
Thätigkeit von Seiten der Schule,
zu
gewissenhafter
wie eine treffliche Stütze
und ein Schutz derselben gegenüber dem Publikum. Ein
solches
Organ
der
Vermittelung
zwischen
Schule
und Haus wird, in genauer Kenntniß der beiderseitigen Ver hältnisse
und
in richtiger Würdigung
besten im Stande sein,
kreise festzustellen
und
ihrer Bedürfnisse am
Rechte und Pflichten beider Lebens
gegenseitige Hebelgriffe
zu verhüten.
Eine Zusammenstellung aber der Beobachtungen aller Schul commissionen
liches bilden.
wird
Material
eine solide Grundlage und ein vortreff
für
künftige
Organisationsveränderungen
Soeben, nach Fertigstellung des Druckes der vor stehenden Broschüre, lese ich in dir. 142 der Karls
ruher Zeitung vom 17. Juni die von
Mittelschul-Conferenz
aufgestellten
der badischen
Thesen
betr. die
Einrichtungen zur Vertretung und Beiheiligung des
an den Aufgaben der Mittel
bürgerlichen Elements
schulen.
Es ist das Nöthigste darin enthalten.
Eine
gewisse Lückenhaftigkeit aber wird der Kenner solcher
Verhältnisse leicht herausfinden.
Auch wäre da und
dort eine präcisere Fassung zu wünschen.
der
Passus
Publikum,
II
7
bezw.
Schulcommission
unglücklich
den
Z. B. ist
ausgedrückt:
,,dem
Eltern gegenüber vertritt die
das Ansehen
Wirksamkeit ihrer Lehrer und
der Anstalt
und die
übernimmt die Ver
mittelung begründeter Klagen oder Beschwerden, welche
gegen einzelne
Maßregeln oder allgemeine Zustände
der Anstalt von außen her erhoben werden". Diese
Fassung
kann
zu
starken
Mißdeutungen
führen und verschiebt in mehr als einer Hinsicht die richtige Stellung der Schulcommission zur Schule.
Truck von 9)1. DuMout-Schauberg in Straßburg.